III Erkrankungen der Genitalorgane
A. Berger · R. Hierner · (Hrsg.)
PLASTISCHE CHIRURGIE Band II: Kopf und Hals
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III Erkrankungen der Genitalorgane
A. Berger · R. Hierner · (Hrsg.)
PLASTISCHE CHIRURGIE Band II: Kopf und Hals
PLASTISCHE CHIRURGIE Band I:
Grundlagen – Prinzipien – Techniken
Band II:
Kopf und Hals
Band III:
Mamma – Stamm – Genitale
Band IV:
Extremitäten
A. Berger · R. Hierner (Hrsg.)
PLASTISCHE CHIRURGIE Band II
Kopf und Hals Mit 561 Zeichnungen, 855 Abbildungen und 14 Tabellen
Unter Mitarbeit von D. Axmann · H.-J. G. Bargmann · A. Berger K. Busch · S. von Bülow · M. Frey · R. Hierner U.-T. Hinderer · C. Holm · S. Klinzing · P. Kunert D. Marchac ·W. Mühlbauer · W. Niermann R. E. A. Nordström · N. Pallua · J. Pasel T. Rath · C. Tizian · K. Wittig O. Wölfle
123
univ.-prof. dr. med. Alfred Berger
ISBN 3-540-00129-8 Springer Berlin Heidelberg New York
univ.-prof. dr. med. Robert Hierner Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science + Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Gabriele Schröder, Heidelberg Redaktion: Martina Himberger, Heidelberg Herstellung und Gestaltung: Bernd Wieland, Heidelberg Illustrationen: R. Henkel, Heidelberg Einbandgestaltung: E. Kirchner, Heidelberg Satzarbeiten und Reproduktion: AM-production, Wiesloch Druck- und Bindearbeiten: Stürtz AG, Würzburg 24/3150 – 5 4 3 2 1 0 Gedruckt auf säurefreiem Papier
Geleitwort
Die Plastische Chirurgie hat in den letzten Jahren eine explosionsartige Entwicklung erfahren. Der Einzelne kann alle Facetten dieses so interessanten Faches nicht mehr überblicken. Trotzdem besteht der Wunsch, über die gesamte Plastische Chirurgie informiert zu werden und ein Nachschlagewerk zur Verfügung zu haben, um sich die notwendigen Informationen zu beschaffen. Aus diesem Grund haben Gesamtdarstellungen nach wie vor ihren Platz. Naturgemäß ist es eine schwere Aufgabe, ein solches Projekt zu einem guten Ende zu bringen. Es bedarf einer sorgfältigen Auswahl der Mitarbeiter, die in ihrem Teilgebiet kompetent sein müssen und auch die Bereitschaft zeigen, ihren Beitrag vollständig und zeitgerecht abzuliefern. Die Auswahl der Mitarbeiter und die Gliederung des Werkes sind Grundvoraussetzungen für das Gelingen. Wenn man sich die Liste der Mitarbeiter anschaut, muss man sagen, dass eine hervorragende Auswahl getroffen wurde und die Spitzen der deutschsprachigen Plastischen Chirurgie im Autorenverzeichnis vertreten sind.
Der Erfolg eines solchen Unternehmens steht und fällt aber mit dem Koordinator, der das ganze Gebiet überblicken muss, damit das ganze Werk wie aus einem Guss dasteht und der Leser fugenlos von einem Teilgebiet in das andere geführt wird. Alfred Berger weist zweifellos die Voraussetzungen dafür auf, ein solches Unternehmen zu planen und zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen. Ich bin überzeugt, dass er diese schwierige Aufgabe meistern wird und wünsche schon jetzt einen erfolgreichen Abschluss der Arbeiten, einen glückhaften Start und dem Werk einen würdigen Platz in der deutschsprachigen Fachliteratur.
prof. dr. Hanno Millesi
Vorwort
Die Plastische Chirurgie umfasst neben der Prävention die Erkennung, Wiederherstellung und Verbesserung angeborener oder durch Krankheit, Degeneration, Tumor, Unfall oder Alter verursachter sichtbar gestörter Körperfunktionen und Körperformen bei beiden Geschlechtern in jedem Lebensalter durch operative und konservative Behandlungsmaßnahmen. Die Plastische Chirurgie ist daher ein Fach der Techniken, ein rein methodisch orientiertes Spezialgebiet. Sie ist ein interdisziplinäres Fach. Unzählige von Plastischen Chirurgen entwickelte Techniken finden sich in anderen Fächern wieder. Auch die Plastische Chirurgie lernte und lernt von den anderen Fächern und adaptiert für ihre Indikationen deren Techniken, wenn sie in das Konzept einer speziellen Behandlungsmethode aufgenommen werden sollen. Es ist daher notwendig, dass Plastische Chirurgen auch die Grundlagen und Behandlungstechniken vieler anderer Fächer kennen. In einem Fach der Techniken werden hohe Anforderungen an die behandelnden Ärzte bzgl. Durchführung und Ergebnissen gestellt. Die Plastische Chirurgie muss daher immer in Bewegung sein, die Techniken im eigenen Fach stets weiterentwickeln, jede neue Technik kritisch begutachten und bewerten. Hier sei z. B. an die Mikrochirurgie oder das Tissue Engineering gedacht sowie an die neuen Wege in der Wundbehandlung, besonders der Verbrennungskrankheit und der Erforschung der Missbildungen und deren Behandlung. Es ist ein großes Fach und kann heute von einem Einzelnen nicht mehr komplett beherrscht werden. Bildlich lässt sich der Inhalt der Plastischen Chirurgie wie ein Tempel darstellen (Abb. 1). Die Säulen stehen auf dem festen Fundament der Basischirurgie. Die einzelnen Säulen stellen die rekonstruktive Chirurgie, die ästhetische Chirurgie, die Verbrennungstherapie und die Handchirurgie dar. Im Dach finden sich Mikrochirurgie, Tissue Engineering und Gentechnologie. Das vorliegende Werk in 4 Bänden soll dieser Entwicklung Rechnung tragen und der rasanten Entwicklung unseres Faches in den letzten 50 Jahren nachgehen. Die Mitwirkung der Autoren, die besondere Spezialisten in der Plastischen Chirurgie sind, ermöglicht es bewährte und neue Techniken und Ideen darzustellen als auch
TISSUE ENGINEERING MIKROCHIRURGIE GENTECHNOLOGIE
PLASTISCHE CHIRURGIE R E K O N S T R U K T I O N
Ä S T H E T I K
V E R B R E N N U N G
H A N D
Abb. 1. Die Säulen der Plastischen Chirurgie
Zukunftswege aufzuzeigen, wohin dieses Fach gehen kann und gehen wird. Die richtige Methode für den einzelnen Fall zu finden, soll dieses Buch helfen. Es soll auch Anregungen geben, sich selbst weiterzuentwickeln. In diesem Werk sollen nicht nur Auszubildende, angehende Fachärzte, erfahrene Plastische Chirurgen, sondern darüber hinaus jeder chirurgisch Tätige eine gut durchführbare und moderne Methode finden. Die Unterteilung in 4 Bände: ∑ Grundlagen – Prinzipien – Techniken ∑ Kopf und Hals ∑ Mamma – Stamm – Genitale ∑ Extremitäten stellt die gesamte Plastische Chirurgie dar und soll dem Leser ermöglichen, für seine speziellen Fragen brauchbare Antworten zu finden.
Hannover, im Herbst 2004 univ.-prof. dr. med. Alfred Berger Leuven, im Herbst 2004 univ.-prof. dr. med. Robert Hierner
Danksagung
Die Herausgeber danken allen, die sich um das Entstehen dieses Buches verdient gemacht haben. Den Autoren möchten wir für ihre ausgezeichneten Beiträge und die professionelle Zusammenarbeit danken. Ein herzliches Dankeschön geht an Frau Gabriele Schröder vom Springer-Verlag, die die Entstehung dieses Werkes aus der ehemaligen Kirschner’schen Operationslehre möglich gemacht hat. Ein entscheidendes Element des Buches sind die Zeichnungen, die von Herrn Reinhard Henkel angefertigt wurden. Er hat sich wieder einmal mit großem Einfühlungsvermögen in die komplexe Materie eingearbeitet und mit seiner besonderen Fähigkeit zur Konzentration auf das Wesentliche den Abbildungen ihren besonderen fachlichen und künstlerischen Ausdruck gegeben.
Ein herzliches Dankeschön möchten die Herausgeber auch Frau Martina Himberger und Herrn Bernd Wieland für die Organisation, dem Copy-Editing und der Herstellung sowie den übrigen Mitarbeitern des Springer-Verlags sagen.
univ.-prof. dr. med. Alfred Berger univ.-prof. dr. med. Robert Hierner
Inhaltsverzeichnis
2.2.1.1
1
Kraniofaziale Chirurgie . . . . . . . . . . . . D. Marchac
1
1.1 1.1.1 1.1.2
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . . 3 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.1.2.1 Genetik der kraniofazialen Missbildungen . . . . . . . . . . . . 3 1.1.3 Grundprinzipien der Diagnostik . . . . . . . . 3 1.1.4 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.1.5 Grundprinzipien der Therapie . . . . . . . . . 4 1.1.6 Risiken und Komplikationen. . . . . . . . . . 5 1.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . . 5 1.2.1 Bikoronarer Zugang . . . . . . . . . . . . . . 5 1.2.2 Kraniostosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.2.3 Gesichts-Advancement und LeFort-Osteotomien . . . . . . . . . . . 13 1.2.4 Mediane Spalten . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.2.5 Paramediane Spalten . . . . . . . . . . . . . 19 1.2.6 Laterale Spalten . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.2.7 Benigne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.2.8 Verschiedene angeborene Missbildungen . . 24 1.2.9 Posttraumatische und postinfektiöse Folgen . . . . . . . . . . . . . 24 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2
Lippenkiefergaumenspalten . . . . . . . . . 27 W. Niermann
2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4
Allgemeines . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . Diagnostik. . . . . . . . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.1 Operationszeitpunkt . . . 2.1.4.2 Kieferorthopädische Therapieprinzipien . . . . 2.1.4.3 Postoperative Nachsorge Spezielle Techniken . . . . . . . . Spalten des primären Gaumens. .
2.2 2.2.1
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
27 27 27 28 28 28
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
28 28 29 29
Lippenverschluss mit zwei triangulären Lappen . 2.2.1.2 Verschluss der Kieferspalte mit primärer Osteoplastik . 2.2.2 Spalten des sekundären Gaumens . 2.2.2.1 Gaumenverschluss mittels funktioneller Brückenlappenplastik . . . . . . . . 2.2.2.2 Velo-Pharyngo-Plastik . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
3.1 3.1.1
. . . . . 29 . . . . . 36 . . . . . 39
. . . . . 39 . . . . . 45 . . . . . 45
Otoplastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 H. J. G. Bargmann
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . 3.1.1.1 Topographie der Weichteile und des Knorpels der Ohrmuschel. . . 3.1.1.2 Vaskularisation . . . . . . . . . . . 3.1.1.3 Lymphabfluss. . . . . . . . . . . . 3.1.1.4 Innervation . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Prinzipien der Diagnostik . . . . . . . . . . 3.1.3 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Prinzipien der Therapie . . . . . . . . . . . 3.1.4.1 Indikation . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4.2 Konservative Maßnahmen . . . . 3.1.4.3 Operative Maßnahmen . . . . . . 3.1.4.4 Zeitpunkt der Operation. . . . . . 3.1.4.5 Anästhesie und Operationsprinzipien . . . . . . . 3.1.4.6 Postoperative Nachsorge . . . . . 3.1.5 Komplikationen und Probleme . . . . . . . 3.1.5.1 Hämatom und Infektion . . . . . . 3.1.5.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . 3.1.5.3 Rezidive . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Operatives Vorgehen bei vermindert ausgebildeter oder fehlender Anthelixfalte 3.2.2 Operatives Vorgehen bei zu großer Koncha oder in kombinierten Fällen . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 49 . 49 . . . . . . . . . . .
51 51 51 51 53 54 54 54 54 54 54
. . . . . . .
54 55 56 56 56 57 57
. 57 . 59 . 61
XII
Inhaltsverzeichnis
4
Erworbene Gesichtsdefekte. . . . . . . . . P. Kunert · J. Pasel · A. Berger
63
Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . . 4.1.1.2 Ästhetische Prinzipien . . . . . . . 4.1.2 Epidemiologie und Ätiologie . . . . . . . . 4.1.3 Prinzipien der Diagnostik. . . . . . . . . . . 4.1.3.1 Evaluierung der Gesichtsverletzung . . . . . . . . . 4.1.3.2 Evaluierung des Gesichtsdefektes nach Tumorbefall . . . . . . . . . . 4.1.4 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5 Prinzipien der Therapie . . . . . . . . . . . . 4.1.5.1 Vorüberlegungen und Indikationsstellung . . . . . . . . . 4.1.5.2 Differentialtherapie. . . . . . . . . 4.1.5.3 Postoperative Nachsorge . . . . . 4.1.6 Risiken und Komplikationen . . . . . . . . . 4.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Technik der intermaxillaren Verdrahtung . . 4.2.2 Technik der Osteosynthese bei Mittelgesichtsfrakturen . . . . . . . . . 4.2.3 Technik der knöchernen Rekonstruktion im Orbitabereich . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63 63 63 64 65
5
95
4.1 4.1.1
5.1 5.1.1
Skalpdefekte . . . . . . . . . . . . . . . . . R. Hierner · K. Busch
6
91
Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . Grundprinzipien der Diagnostik . . . . . Klassifikation der Alopezie . . . . . . . . Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . Serielle Exzision und dynamische Naht nach Nordström. . . . . . . . . . . . . . 6.2.1.1 Indikation . . . . . . . . . . . . 6.2.1.2 Technik . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Gewebeexpansion . . . . . . . . . . . . 6.2.2.1 Indikation . . . . . . . . . . . . 6.2.2.2 Technik . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Skalp-Lappenplastiken . . . . . . . . . . 6.2.3.1 Indikation . . . . . . . . . . . . 6.2.3.2 Technik . . . . . . . . . . . . . 6.2.4 Freie Haartransplantation . . . . . . . . 6.2.4.1 Indikation . . . . . . . . . . . . 6.2.4.2 Technik . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93 93
7
65 65 65 65 65 69 85 91 91 91
Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . . 95 5.1.1.1 Topographie des Weichteilgewebes und des knöchernen Schädels. . . 96 5.1.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 5.1.3 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 5.1.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 5.1.4.1 Präoperative Vorbereitung . . . . . 104 5.1.4.2 Débridement . . . . . . . . . . . . 104 5.1.4.3 Grundprinzipien der Rekonstruktion . . . . . . . . . . . 108 5.1.4.4 Differentialtherapie. . . . . . . . . 108 5.1.4.5 Postoperative Nachsorge . . . . . 116 5.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . 118 5.2.1 Spalthautdeckung . . . . . . . . . . . . . . 118 5.2.2 Lokale Skalplappenplastiken. . . . . . . . . 118 5.2.3 „Three-scalp-expansile-flap“ nach Orticochea. . . . . . . . . . . . . . . . 121 5.2.4 Hautexpander . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 5.2.5 A.-temporalis-superficialis-Lappenplastik nach Juri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 5.2.6 Freie mikrovaskuläre Lappenplastiken . . . 122 5.2.7 Skalpreplantation . . . . . . . . . . . . . . . 122 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.2 6.2.1
Therapie der Alopezie und Haartransplantation . . . . . . . . . . 125 R. E. A. Nordström
7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4
. . . . .
. . . . .
125 127 127 127 127
. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
127 127 127 130 130 130 134 134 134 136 136 137 147
Ohrdefekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 H.J.G. Bargmann
Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.4.1 Indikation . . . . . . . . . . . . . 7.1.4.2 Zeitpunkt der Operation . . . . . 7.1.4.3 Anästhesie und Operationsprinzipien . . . . . . . 7.1.4.4 Postoperative Nachsorge . . . . 7.1.5 Komplikationen und Probleme . . . . . . 7.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Helixranddefekte . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Defekte am oberen Pol . . . . . . . . . . . 7.2.3 Defekte im mittleren Drittel . . . . . . . . 7.2.4 Defekte am unterem Pol und an den Ohrläppchen. . . . . . . . . . 7.2.5 Totale Ohrdefekte . . . . . . . . . . . . . . 7.2.5.1 Rekonstruktionen mit lokalen Techniken . . . . . . . . 7.2.5.2 Mikrochirurgische Techniken . . 7.2.5.3 Rekonstruktion bei Missbildung. Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
149 149 149 149 150 150 151
. . . . . . .
151 151 151 151 151 152 154
. 154 . 158 . . . .
158 158 160 160
Inhaltsverzeichnis
9.2.2.6
8
8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.4 8.1.5
Liddefekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 K. Wittig · A. Berger
Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . . . . Epidemiologie. . . . . . . . . . . . . . Prinzipien der Diagnostik. . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien der Therapie . . . . . . . . . 8.1.5.1 Vorüberlegungen und Indikationsstellung . . . . . . 8.1.5.2 Allgemeine Techniken . . . . 8.1.5.3 Postoperative Nachsorge . . 8.1.6 Risiken und Komplikationen . . . . . . 8.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . 8.2.1 Technik der primären Naht . . . . . . . 8.2.2 Technik der lateralen Kanthusrekonstruktion . . . . . . . . . 8.2.3 Technik der Rekonstruktion der medialen Kanthusregion und Kanthopexie . . . . . . . . . . . . 8.2.4 Technik der Rekonstruktion von Oberliddefekten > 50 % nach Mustardé . . . . . . . . . 8.2.5 Techniken zur Schaffung eines Bettes für eine Epithese . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
9.1 9.1.1
9.2 9.2.1 9.2.2
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
163 163 166 166 166 166
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
166 167 173 173 173 173
. . . 175
. . . 175
. . . 179 . . . 179 . . . 179
Funktionelle und ästhetische Chirurgie der Augenlider . . . . . . . . . . . . . . . . 181 U. T. Hinderer Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . . 9.1.1.1 Form des Augenlidrahmens . . . . 9.1.1.2 Klar definierte obere Augenlidfalte . . . . . . . . 9.1.1.3 Neigung der Transversalachse der Augenlider mit positivem Winkel . 9.1.1.4 Intraseptales Fettgewebe . . . . . 9.1.1.5 Spannungsverhältnisse am Unterlid . . . . . . . . . . . . . Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . Chirurgie des Augenlidrahmens . . . . . . . Chirurgie des oberen Augenlides . . . . . . 9.2.2.1 Blepharoplastik mit Haut- und Muskelexzision . . . . . 9.2.2.2 Osteoektomie des lateralen Supraorbitalrandes . . . . . . . . . 9.2.2.3 Suborbicularis-oculi-Fett . . . . . . 9.2.2.4 Ptosis der Tränendrüse . . . . . . . 9.2.2.5 Supratarsale Fixierung zur Bildung eines gut definierten Sulcus palpebralis superior . . . .
182 182 000
Verankerungstechnik oder Invaginationstechnik . . . . . . . . 9.2.2.7 Korrektur einer erworbenen Augenlidptosis mittels Naht oder Raffung der Levatoraponeurose. . 9.2.2.8 Kongenitale Augenlidptosis . . . . 9.2.2.9 Blepharophimose . . . . . . . . . . 9.2.3 Laterale Blepharokanthoplastik bzw. Kanthopexie zur Erzielung eines positiven Transversalwinkels . . . . . 9.2.3.1 Blepharokanthoplastik . . . . . . . 9.2.3.2 Kanthopexie. . . . . . . . . . . . . 9.2.4 Techniken zur Korrektur von Lageanomalien des intraseptalen Fettes . . 9.2.4.1 Transpalpebrale Fettexzision . . . 9.2.4.2 Transkonjunktivale Fettexzision im unteren Augenlid nach Bourget . . . . . . . . . . . . 9.2.4.3 Transkonjunktivale Fettverlagerung nach Loeb und Hamra . . . . . . . . . . . . . 9.2.4.4 Retentionstechniken des intraseptalen Fettes. . . . . . . . . 9.2.5 Techniken zur Erzielung einer normgerechten Spannung am Unterlid . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.5.1 Orbikularismuskel – Suspensionstechnik nach Hinderer . . . . . . . 9.2.5.2 Orbikularismuskel – Suspensionstechnik mit stufenweiser Exzision des Lidrandes und des Tarsus nach Hinderer . . . 9.2.5.3 Suspensionsplastik des M. orbicularis zur Behandlung des Entropiums nach Hinderer . . 9.2.5.4 Temporalis-FaszienschlingenKorrektur nach Hinderer . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII
192
193 195 201
205 206 207 209 209
209
210 211
213 213
214
221 223 232
182 185 185
10
187 189 189 189
10.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . . 10.1.1.1 Stützgerüst . . . . . . . . . . . . . 10.1.1.2 Haut-Weichteil-Bedeckung . . . . 10.1.1.3 Innenauskleidung . . . . . . . . . 10.1.1.4 Blutversorgung der äußeren Nase. 10.1.1.5 Lymphabfluss . . . . . . . . . . . . 10.1.1.6 Nervenversorgung . . . . . . . . . 10.1.1.7 Physiologie . . . . . . . . . . . . . 10.1.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.3 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.4.1 Rekonstruktion . . . . . . . . . . .
189 189 189 189
189
Rekonstruktion der Nase . . . . . . . . . . 235 St. Klinzing · P. Kunert 235 235 236 237 237 237 237 238 238 238 238 239 239
XIV
Inhaltsverzeichnis
10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.2.4 10.2.5 10.2.6 10.2.7 10.2.8 10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.3.4 10.3.5 10.3.6 10.3.7
Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . Oberflächliche und einfache Defekte . . . Defekte im Bereich des Canthus medialis. Vollschichtige Defekte des Nasenrückens Vollschichtige Defekte des Nasenabhangs Vollschichtige Defekte der Nasenspitze . . Vollschichtige Defekte der Nasenflügel . . Vollschichtige Defekte der Facette . . . . Vollschichtige Defekte des Nasenstegs . . Totalrekonstruktion der Nase. . . . . . . Innenauskleidung. . . . . . . . . . . . . . Stützgerüst . . . . . . . . . . . . . . . . . Weichteilmantel. . . . . . . . . . . . . . . Lappenform . . . . . . . . . . . . . . . . . Lappentechnik bei hoher Stirn. . . . . . . Lappentechnik bei niedriger Stirn . . . . . Ausdünnung des Weichteilmantels und Knorpeleinlage . . . . . . . . . . . . 10.3.8 Mikrochirurgische Methoden . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
. . . . . . . . . . . . . . . .
243 243 243 243 245 246 248 248 256 259 259 259 260 260 260 263
. 266 . 268 . 270
Rhinoplastik. . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 W. Mühlbauer · C. Holm
11.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . 11.1.1.1 Topographische Anatomie. . . . 11.1.1.2 Physiologie . . . . . . . . . . . . 11.1.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.3.1 Chirurgische Gesichtspunkte . . 11.1.3.2 Problemstellung aus chirurgischer Sicht . . . . . . . . 11.1.3.3 Problemstellung aus Patientensicht . . . . . . . . . . . 11.1.3.4 Auswahl des Patienten . . . . . . 11.1.3.5 Präoperatives Anzeichnen . . . . 11.1.3.6 Anästhesie. . . . . . . . . . . . . 11.1.3.7 Desinfektion, Abdeckung, Tamponade . . . . . . . . . . . . 11.1.3.8 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . 11.1.3.9 Komplikationen . . . . . . . . . . 11.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . 11.2.1 Basistechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.1.1 Modellierung der Nasenspitze – endonasal . . . . . . . . . . . . . 11.2.1.2 Modellierung des Nasenrückens 11.2.1.3 Freilegung des Nasenrückens, der Sub-SMAS und der subperiostalen Schicht . . . . . . 11.2.1.4 Freilegung des Nasenrückens – submukös . . . . . . . . . . . . . 11.2.1.5 Abtragung des knorpeligen Nasenrückens und -höckers . . .
. . . . . . .
272 273 273 280 280 282 282
. 282 . . . .
282 282 283 284
. . . . .
284 284 284 284 284
. 287 . 287
. 287 . 288 . 289
11.2.1.6 Abtragung des knöchernen Nasenrückens und -höckers . . . 11.2.1.7 Verschmälerung der Nase durch seitliche Osteotomie und Infraktion . . . . . . . . . . . 11.2.1.8 Rückverlagerung der Hautweichteile . . . . . . . . . . 11.2.1.9 Ruhigstellung . . . . . . . . . . . 11.2.1.10 Postoperative Nachsorge . . . . 11.2.2 Modifikation der Basistechnik . . . . . . . 11.2.2.1 Schnitzen und Feilen . . . . . . . 11.2.2.2 Höckerreplantation nach Skoog. 11.2.2.3 Kürzung einer Langnase . . . . . 11.2.2.4 Verschmälerung der knorpeligen Breitnase . . . . . . 11.2.3 Offene Rhinoplastik . . . . . . . . . . . . . 11.2.3.1 Korrektur einer stark vorspringenden Nase in offener Technik . . . . . . . . . 11.2.3.2 Spitzenprojektion mittels Knorpeltransplantaten . . . . . . 11.2.3.3 Ohrmuschel als Knorpelspender 11.2.4 Profilplastik . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
. 289
. 291 . . . . . . .
291 292 292 292 292 296 297
. 299 . 300
. 303 . . . .
308 310 311 313
Lippendefekte . . . . . . . . . . . . . . . . 315 R. Hierner · P. Kunert · J. Pasel
12.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . 12.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie . . . 12.1.1.1 Topographie der Lippen . . 12.1.1.2 Vaskularisation . . . . . . . 12.1.1.3 Lymphatische Versorgung . 12.1.1.4 Innervation . . . . . . . . . 12.1.2 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1.3 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . 12.1.4 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . 12.1.5 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . 12.2.1 Technik des mehrschichtigen primären Wundschlusses. . . . . . . 12.2.2 Defekte des Lippenrot . . . . . . . . 12.2.2.1 Lippenrotdefekte im Unterlippenbereich. . . . . 12.2.2.2 Lippenrotdefekte im Oberlippenbereich . . . . . 12.2.3 Defekte der Unterlippe . . . . . . . . 12.2.3.1 Oberflächliche bzw. partielle Defekte . . . . . . 12.2.3.2 Allschichtige Defekte . . . . 12.2.4 Defekte der Oberlippe . . . . . . . . 12.2.4.1 Oberflächliche bzw. partielle Defekte . . . . . . 12.2.4.2 Allschichtige Defekte . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
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315 316 316 319 320 320 320 320 320 321 322
. . . . 322 . . . . 324 . . . . 324 . . . . 328 . . . . 329 . . . . 329 . . . . 333 . . . . 341 . . . . 341 . . . . 344
Inhaltsverzeichnis
12.2.5 Defekte des Mundwinkels . . . 12.2.5.1 Oberflächliche bzw. partielle Defekte . . . 12.2.5.2 Allschichtige Defekte . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
. . . . . . . 350 . . . . . . . 350 . . . . . . . 351 . . . . . . . 353
Unterkiefer- und Mundbodendefekte . . . 355 T. Rath
13.1 13.1.1 13.1.2 13.1.3 13.1.4
Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . . Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien der Diagnostik. . . . . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1.4.1 Klassifikation der Unterkieferdefekte nach Urken . . . . . . . . . 13.1.4.2 Klassifikation der Halslymphknoten . . . . . . . . . . 13.1.4.3 TNM-Klassifikation . . . . . . . . . 13.1.5 Prinzipien der Therapie . . . . . . . . . . . . 13.1.5.1 Das Therapieteam . . . . . . . . . 13.1.5.2 Tumorresektion . . . . . . . . . . . 13.1.5.3 Neck dissection . . . . . . . . . . . 13.1.5.4 Rekonstruktion . . . . . . . . . . . 13.1.5.5 Adjuvante Therapie . . . . . . . . . 13.1.6 Bedeutung der Sensibilität und der Resensibilisierung nach Tumorentfernung im Mund-Rachen-Bereich . . . . . . . . . . 13.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . 13.2.1 Lokale Lappenplastiken . . . . . . . . . . . 13.2.1.1 M.-pectoralis-majorLappenplastik . . . . . . . . . . . . 13.2.2 Mikrovaskuläre Lappenplastiken . . . . . . 13.2.2.1 A.-radialis-Lappenplastik . . . . . . 13.2.2.2 Freies Fibula-DiaphysenTransplantat . . . . . . . . . . . . . 13.2.2.3 Freies Beckenkamm-Transplantat . 13.2.2.4 Freies Dünndarm-Transplantat . . 13.2.2.5 Präfabrizierte Lappenplastiken (Lappenprälamination). . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
355 355 357 357 359 359 359 362 362 362 362 363 364 364
365 366 366 366 368 369 372 376 384 387 393
Halsdefekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 N. Pallua · S. von Bülow
14.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . 14.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie . . 14.1.2 Epidemiologie und Ätiologie . . . 14.1.2.1 Narben und Kontrakturen 14.1.2.2 Tumor . . . . . . . . . . . 14.1.2.3 Tracheostoma . . . . . . . 14.1.3 Prinzipien der Diagnostik . . . . . 14.1.4 Klassifikation . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
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399 399 400 400 401 401 401 402
14.1.5 Prinzipien der Therapie . . . . . . 14.1.5.1 Vorüberlegungen und Indikationsstellung . . . . 14.1.5.2 Differentialtherapie. . . . 14.1.5.3 Postoperative Nachsorge 14.1.6 Risiken und Komplikationen . . . . 14.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . 14.2.1 Narbenexzision und Z-Plastik . . . 14.2.2 Hauttransplantation . . . . . . . . 14.2.3 Lokale Lappenplastiken . . . . . . 14.2.4 Gewebeexpander . . . . . . . . . . 14.2.5 Regionale Lappenplastiken . . . . 14.2.6 Freie Lappenplastiken . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
15.1 15.1.1 15.1.2 15.1.3 15.1.4
XV
. . . . . 402 . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
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402 403 403 404 404 404 405 407 408 409 415 417
Pharynxdefekte. . . . . . . . . . . . . . . . 419 C.Tizian · O. Wöflle
Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien der Diagnostik. . . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . 15.1.4.1 Defektklassifikation der Pharynxdefekte. . . . . . . 15.1.4.2 Klassifikation der Halslymphknoten . . . . . . . . 15.1.4.3 TNM-Klassifikation . . . . . . . 15.1.5 Prinzipien der Therapie . . . . . . . . . . 15.1.5.1 Das Therapieteam . . . . . . . 15.1.5.2 Tumorresektion . . . . . . . . . 15.1.5.3 Neck dissection . . . . . . . . . 15.1.5.4 Rekonstruktion . . . . . . . . . 15.1.5.5 Adjuvante Therapie . . . . . . . 15.1.5.6 Nachsorge . . . . . . . . . . . . 15.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . 15.2.1 Gestielte fasziokutane oder myokutane Lappenplastiken. . . . 15.2.1.1 Deltopektorallappen . . . . . . 15.2.1.2 Pectoralis-major-Lappen . . . . 15.2.1.3 Latissimus-dorsi-Lappen . . . . 15.2.2 Freie mikrovaskuläre Lappenplastiken . 15.2.2.1 A.-radialis-Lappen . . . . . . . 15.2.2.2 Paraskapula- und Skapula-Lappen. . . . . . . . . 15.2.3 Lappenplastiken aus dem Darmbereich 15.2.3.1 Gestielte Koloninterpositionsplastik . . . . . . 15.2.3.2 Freie mikrovaskuläre Jejunumtransplantation . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
419 419 422 422 423
. . 423 . . . . . . . . . .
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423 423 424 424 425 425 425 427 427 428
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428 428 428 428 428 428
. . 428 . . 428 . . 428 . . 431 . . 436
XVI
Inhaltsverzeichnis
16
Fazialisparese . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 M. Frey
16.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . . 16.1.1.1 Konzept der neuromuskulären Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.1.2 Anatomie des N. facialis . . . . . . 16.1.1.3 Mimische Muskulatur. . . . . . . . 16.1.1.4 Chirurgisch relevante Muskeln im Gesichts- und Halsbereich . . . 16.1.2 Diagnostik und Dokumentation („Wiener Dokumentations-System“ nach Frey) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.3.1 Problemstellung und Indikation. . 16.1.3.2 Entscheidungsparameter zur Operationsplanung. . . . . . . 16.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . 16.2.1 Vorübergehende oder definitive chirurgische Schutzmaßnahmen im Augenbereich . . . . . . . . . . . . . . . 16.2.2 Aktivitätsmindernde Eingriffe an der gesunden Gesichtshälfte zur Symmetrieverbesserung . . . . . . . . . 16.2.3 Rekonstruktionen des geschädigten N. facialis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2.4 Reinnervation der gelähmten Gesichtsseite durch den N. facialis der gesunden Gesichtsseite (Cross-face-Nerventransplantation) . . . . . 16.2.5 Muskeltransposition . . . . . . . . . . . . . 16.2.5.1 M. temporalis . . . . . . . . . . . . 16.2.5.2 M. masseter . . . . . . . . . . . . . 16.2.5.3 Venter anterior des M. digastricus . 16.2.6 Freie funktionelle (mikrochirurgische) Muskeltransplantation . . . . . . . . . . . . 16.2.6.1 Mehrzeitige freie funktionelle Transplantation des M. gracilis (Cross-face und FFMT) . . . . . . . 16.2.6.2 Einzeitig freie funktionelle Transplantation . . . . . . . . . . . 16.2.7 Fremdnervenpfropfung . . . . . . . . . . . 16.2.7.1 N. hypoglossus (N. XII) . . . . . . . 16.2.7.2 N. massetericus (N. V) . . . . . . . . 16.2.8 Statische, symmetrierende Korrekturen durch Hautexzisionen . . . . . . . . . . . . 16.2.8.1 Brauenanhebung . . . . . . . . . . 16.2.8.2 Rekonstruktion der Nasolabialfalte . . . . . . . . . . . 16.2.8.3 (Einseitige) Gesichtshautstraffung . . . . . . . . . . . . 16.2.8.4 Korrektur der paretischen Ober- und Unterlippe . . . . . . .
440 440 440 440 441 441
442 443 443 444 445
445
451 451
454 457 457 458 461 461
461 470 470 470 470 471 471 471 471 471
16.2.9 Suspension durch Faszienstreifen, Sehnen oder Kunstmaterialien. . . 16.2.10 Postoperative Nachbehandlung . . 16.2.11 Erzielbare Ergebnisse . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
472 472 472 478
Gesichtsstraffung . . . . . . . . . . . . . . 479 U. T. Hinderer
17.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . . 17.1.1.1 Die Schläfenregion . . . . . . . . . 17.1.1.2 „SMAS“,„Retinacula cutis“ und „Retaining ligaments“ . . . . . 17.1.1.3 Augenlider und periokularer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . 17.1.1.4 N. fazialis und Facelifting . . . . . . 17.1.2 Allgemeine Betrachtungen zum Altern . . . 17.1.3 Geschichte der Gesichtsstraffung . . . . . . 17.1.3.1 Die subkutane Rhytidektomie . . . 17.1.3.2 Wegbegleiter zur aktuellen mehrschichtigen Technik . . . . . 17.1.3.3 Zusatzkorrekturen . . . . . . . . . 17.1.3.4 Die minimal-invasive Chirurgie mittels endoskopischer Techniken . . . . . . . . . . . . . . 17.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . 17.2.1 Die präperiostale Sub-SMAS-Rhytidektomie der oberen zwei Drittel des Gesichts . . . . . . . . . . . 17.2.1.1 Die temporale präperiostale Sub-SMAS-Straffung des periokularen Rahmens und des Mittelgesichts mit kurzer Inzision . . . . . . . . . 17.2.1.2 Die temporale und transpalpebrale präperiostale Sub-SMAS-Straffung der oberen zwei Drittel des Gesichts mit kurzer Inzision . . . . 17.2.1.3 Die frontotemporale präperiostale Sub-SMAS-Straffung von Augenlidrahmen und Mittelgesicht mittels Koronarinzision. . . . . . . 17.2.2 Der seitliche Zugang zur Straffung des mittleren und unteren Gesichts und des Halses . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.2.1 Technik nach Jost-Levet . . . . . . 17.2.2.2 Korsett-Platysmaplastik nach Feldman . . . . . . . . . . . . 17.2.2.3 Die vertikale Straffung des unteren lateralen Mittelgesichts und Halses mit SMAS-Stabilisierungsnähten . . . . . . . . . . . .
480 480 480 480 482 486 489 491 491 491 493
493 494
494
494
499
512
516 517 519
523
Inhaltsverzeichnis
17.2.3 Chirurgische Zusatzkorrekturen . . . . . . 17.2.3.1 Korrekturen der alternden Lippe 17.2.3.2 Korrektur der tiefen Nasolabialfalte . . . . . . . . . . 17.2.3.3 Chirurgische Modulation des Augenlidrahmens . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
. 529 . 529 . 531 . 532 . 535
Faltenbehandlung im Gesicht . . . . . . . 539 D. Axmann
18.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . 18.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . 18.1.1.1 Das alternde Gesicht . . . . . . 18.1.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.1.3 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . 18.1.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.1.4.1 Allgemeine Betrachtungen . . 18.1.4.2 Therapieplanung . . . . . . . . 18.1.4.3 Therapiekonzept . . . . . . . . 18.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . 18.2.1 Ablative Verfahren . . . . . . . . . . . . 18.2.1.1 Oberflächenbehandlung der Haut . . . . . . . . . . . . . 18.2.1.2 Tiefgreifende Hautbehandlung 18.2.2 Botulinumtoxin . . . . . . . . . . . . . . 18.2.3 Füllsubstanzen . . . . . . . . . . . . . . 18.2.3.1 Injizierbares Material . . . . . . 18.2.3.2 Implantate. . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
539 539 539 540 540 540 540 542 543 543 543
. . . . . . .
. . . . . . .
543 544 545 546 548 549 551
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553
XVII
Autorenverzeichnis
Axmann, Detlef, Dr. med. Klinik am Aegi Fachklinik für Ästhetisch-Plastische Chirurgie und Laserchirurgie Hildesheimer Str. 34–40 D-30169 Hannover Bargmann, Hans-J. G., Dr. med. Praxisklinik für Plastische Chirurgie Colonnaden 9 D-20354 Hamburg Berger, Alfred, Univ.-Prof. Dr. med. em. Direktor der Klinik für Plastische-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie Schwerverbranntenzentrum der Medizinischen Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 D-30625 Hannover Busch, Kai, Dr. med. Klinik für Plastische-, Handund Wiederherstellungschirurgie Schwerverbranntenzentrum der Medizinischen Hochschule Hannover Podbielskistraße 380 D-30659 Hannover
Hierner, Robert, Univ.-Prof. Dr. med. Plastische, Reconstructieve en Esthetische Chirurgie Microchirurgie, Handchirurgie, Brandwondencentrum Universitaire Ziekenhuis Leuven Campus Gasthuisberg Katholieke Universiteit Leuven Herestraat 49 B-3000 Leuven Hinderer, Ulrich-T., Prof. Dr. med. Direktor der Clinica Mirasierra für Plastische Chirurgie Calle de la Masó E-28034 Madrid Holm, Charlotte, Priv.-Doz. Dr. med. Abteilung für Plastische und Handchirurgie Zentrum für Schwerbrandverletzte Krankenhaus München Bogenhausen Englschalkinger Str. 4 D-81925 München Klinzing, Stefan, Dr. med. Klinik für Plastische Chirurgie Krankenhaus Jerusalem Moorkamp 2–8 D-20357 Hamburg
Bülow, Silvester von, Dr. med. Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie, Medizinische Fakultät der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen Pauwelsstraße 30 D-52057 Aachen
Kunert, Peter, Dr. med. vormals: Abteilung für Plastische Chirurgie Diakonie Krankenhaus Alten Eichen Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Hamburg Jütländer Allee 48 D-22527 Hamburg
Frey, Manfred, Univ.-Prof. Dr. med. Abteilung für Plastische Chirurgie Universitätsklinik für Chirurgie Währinger Gürtel 18–20 A-1090 Wien
Marchac, Daniel, Prof. Dr. med. 130, rue de la Pompe F-75116 Paris
XX
Autorenverzeichnis
Mühlbauer, Wolfgang, Univ.-Prof. Dr. med. Plastische Chirurgie Arabella Arabellastr. 5/1 D-81925 München
vormals: Abteilung für Plastische und Handchirurgie Zentrum für Schwerbrandverletzte Krankenhaus München Bogenhausen Englschalkinger Str. 4 D-81925 München Niermann, Werner, Priv. Doz. Dr. med. Kölner Str. 14–16 D-51429 Bergisch Gladbach Nordström, Rolf E. A., Prof. Dr. med. The Nordström Hospital for Plastic Surgery Annankatu 11 B F-00120 Helsinki Pallua, Norbert, Univ.-Prof. Dr. Dr. Klinik für Plastische Chirurgie Hand- und Verbrennungschirurgie Medizinische Fakultät der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen Pauwelsstraße 30 D-52057 Aachen Pasel, Jan, Dr. med. Abteilung für Plastische Chirurgie Diakonie Krankenhaus Alten Eichen Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Hamburg Jütländer Allee 48 D-22527 Hamburg
Rath, Thomas, Univ.-Prof. Dr. med. Abteilung für Plastische Chirurgie Universitätsklinik für Chirurgie Währinger Gürtel 18–20, A-1090 Wien Tizian, Carlo, Prof. Dr. med. Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie Kiniken des Main-Taunus-Kreises GmbH Akademisches Lehrkrankenhaus der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Lindenstraße 10 D-65719 Hofheim/Taunus Wittig Klaus, Dr. med. Abteilung für Plastische Chirurgie Diakonie Krankenhaus Alten Eichen Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Hamburg Jütländer Allee 48 D-22527 Hamburg Wölfle Olaf, Dr. med. Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie Kiniken des Main-Taunus-Kreises GmbH Akademisches Lehrkrankenhaus der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Lindenstraße 10 D-65719 Hofheim/Taunus
III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 1
D. Marchac
Kraniofaziale Chirurgie
Inhaltsverzeichnis 1.1 Allgemeines 1.1 1.1.1 1.1.2
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . . 3 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.1.2.1 Genetik der kraniofazialen Missbildungen . . . . . . . . . . . . 3 1.1.3 Grundprinzipien der Diagnostik . . . . . . . . 3 1.1.4 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.1.5 Grundprinzipien der Therapie . . . . . . . . . 4 1.1.6 Risiken und Komplikationen. . . . . . . . . . 5 1.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . . 5 1.2.1 Bikoronarer Zugang . . . . . . . . . . . . . . 5 1.2.2 Kraniostosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.2.3 Gesichts-Advancement und LeFort-Osteotomien . . . . . . . . . . . 13 1.2.4 Mediane Spalten . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.2.5 Paramediane Spalten . . . . . . . . . . . . . 19 1.2.6 Laterale Spalten . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.2.7 Benigne Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.2.8 Verschiedene angeborene Missbildungen . . 24 1.2.9 Posttraumatische und postinfektiöse Folgen . . . . . . . . . . . . . 24 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Die kraniofaziale Chirurgie ist der Teil der Plastischen Chirurgie, den man auch als rekonstruktive Chirurgie des Skelettes, des Gesichts und des Schädels bezeichnen kann. Sie findet unter Verwendung orthopädischer Prinzipien, Osteotomien, Mobilisation und anschließender Fixation der Knochen in der korrekten Position statt. Meistens wird sie bei angeborenen Missbildungen oder Fehlentwicklungen wie der Gesichtsschädelsynostose und verschiedenen Spaltbildungen eingesetzt, aber sie beinhaltet auch posttraumatische Wiederherstellungen und Rekonstruktionen nach Tumorresektionen. In der ästhetischen Chirurgie des Gesichtes werden ebenfalls einige kraniofazialen Techniken angewandt. Sir Harold Gillies (1950, [5]) war der Pionier auf diesem Feld. 1952 korrigierte er das zurückgewichene Mittelgesicht einer jungen Frau mit Crouzon-Krankheit nach vorne. Der tatsächliche Begründer der kraniofazialen Chirurgie ist Paul Tessier (1967, [22, 23]). Er zeigte, dass der intrakranielle Weg, begonnen mit der Hilfe von Neurochirurgen, ein wesentlich besseres Verständnis und einen besseren Zugang zu den kraniofazialen Missbildungen ermöglicht. Nach dem anfänglichen Durchbruch durch P. Tessier [22, 23] sind mit Einführung der Distraktionstechniken, dem Gebrauch der Mikrochirurgie und endoskopischen Zugängen Neuentwicklungen entstanden. Des Weiteren besteht für die Zukunft die Möglichkeit, auf molekularer Ebene zu behandeln. Die zunehmende pränatale Diagnostik mittels Ultraschall wird die Anzahl der schweren Missbildungen verringern. Daher ist nur eine begrenzte Anzahl von spezialisierten multidisziplinären Zentren notwendig. Die Konzentration dieser sehr spezialisierten Chirurgie auf einige Zentren führt zu qualifizierteren Behandlungsprogrammen und wirkt sich somit vorteilhaft für den Patienten aus.
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Kraniofaziale Chirurgie
1.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie
1.1.3 Grundprinzipien der Diagnostik
Angeborene Missbildungen im Schädelbereich entstehen durch Störungen der embryonalen Entwicklung. Bezüglich der normalen embryonalen Entwicklung und deren Störungen sei auf Sekundärliteratur hingewiesen.
Die Analyse der Deformität sollte durch eine klinische Untersuchung, Röntgenuntersuchung, CT und MRTMessmethoden begonnen werden. Eine Untersuchung des gesamten Körpers, insbesondere der Extremitäten ist Pflicht, um jede zusätzliche Anomalie zu entdecken. Die Möglichkeit von Nieren- und Herzfehlbildungen sollte auch untersucht werden. Eine Dokumentation mit Fotos und Röntgenbildern guter Qualität vor der Operation ist notwendig.
1.1.2 Epidemiologie Die angeborenen Missbildungen, (s. Abschn. 1.1.4, Klassifikation), kommen nicht häufig vor. Die Kraniostosen sind die häufigsten (1 pro 2000 Geburten), wobei die schweren Fälle, die das Mittelgesicht betreffen, seltener anzutreffen sind. Auch die verschiedenen Spalten treten selten auf und die Häufigkeit der schweren Missbildungen, die innerhalb der fünf Missbildungsgruppen vorkommen, liegt ungefähr bei 1 pro 5 000 bis 1 pro 20 000 Geburten.
1.1.2.1 Genetik der kraniofazialen Missbildungen Große Fortschritte wurden in den letzten Jahren bezüglich der genetischen Grundlagen der kraniofazialen Missbildungen gemacht. Daher sollte heutzutage jede Missbildung durch einen Genetiker im Hinblick auf die Familienanamnese untersucht werden. Für die genetischen Untersuchungen werden Blutproben genommen. Die häufigsten Kraniostosen, Crouzon-, Apert- und Pfeiffer-Syndrom, sind durch Mutationen der GenCodes für Wachstumsfaktoren (FGF) oder deren Rezeptoren (FGFR) verursacht. Das Twist-Gen wurde erst kürzlich beim Saethre-Chotzen-Syndrom gefunden.
Derzeit besteht noch Konfusion über die Wechselbeziehung zwischen Phänotyp und Genotyp der Veränderungen. Durch die zunehmende Anzahl von Fällen, in denen Mutationen nachgewiesen werden können, wird jedoch eine genauere Klassifikation ermöglicht. Daher muss unter Berücksichtigung der molekulargenetischen Erkenntnisse die klinische Klassifikation revidiert werden.
䉳 Anatomische Darstellung des Schädels (Aus Lanz, Wachsmuth. Praktische Anatomie, Kopf, Teil B. Springer-Verlag 1979)
1.1.4 Klassifikation Um die zahlreichen, unterschiedlichen kraniofazialen Missbildungen, von denen einige sehr selten sind, zu differenzieren, ist eine einfache Klassifikation, wie die von Paul Tessier [22, 23] vorgeschlagene, sehr hilfreich. 1. Die Kraniostose repräsentiert die erste und größere Gruppe. Eine frühzeitige Fusion der Nähte zwischen den Knochen ist zu beobachten. Missbildungen des Schädels und des Gesichtes, die in diese Gruppe gehören, sind der Trigonozephalus, Plagiozephalus und speziell das zurückgesetzte Gesicht beim Crouzon- und Apert-Syndrom. 2. Die zweite große Gruppe wird durch die verschiedenen Spalten dargestellt, die durch die klinische Erfahrung von P. Tessier beschrieben worden sind (Abb. 1.1). Sie werden in drei Untergruppen aufgeteilt: 2a.Mediale Spalten mit Missbildung des interorbitalen Raumes, die oft durch ein Auseinanderweichen der interokularen Distanz oder dem Hypertelorismus charakterisiert sind. 2b.Paramediale Spalten, die den Orbitabereich und den Schädelbereich betreffen und oft einen Mikroorbitismus und Nasendeformitäten verursachen. 2c.Laterale Spalten, die das Zygoma und das Ohr wie beim Treacher-Collins-Syndrom oder den Kiefer wie beim otomandibulären Syndrom betreffen. Neben den zwei großen Gruppen der Kraniostosen und der Spalten gibt es noch drei andere Gruppen: 3. Gutartige Tumoren wie z. B. die fibröse Dysplasie, Neurofibromatose und Meningeome. 4. Verschiedene seltene Läsionen wie die Achondroplasie und das Klippel-Feil-Syndrom. 5. Deformierungen erworben durch Trauma oder Infektion, die den oberen Schädelbereich und das obere Gesicht betreffen.
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Abb. 1.1 a, b. Klassifikation der Gesichtsspalten, betreffend Weichteile und/oder Knochen.Die Spalten sind von 0–14 rund um die Orbita nummeriert. (Nach Tessier [22])
1.1.5 Grundprinzipien der Therapie Diese Art der Chirurgie wird sehr oft an Kindern und Kleinkindern vorgenommen. Dies liegt einerseits daran, dass die betroffenen Erwachsenen und Jugendlichen bereits operiert worden sind und ein frühzeitiger chirurgischer Eingriff verschiedenste Vorteile bietet: ∑ Wenn mit der kraniofazialen Deformität Funktionsprobleme verbunden sind, wie z. B. intrakranielle Drucksteigerung bei Kraniostose, Atemprobleme oder starker Exophthalmus, kann die Zusammenarbeit in einem Team die Möglichkeit bieten, die funktionellen und ästhetischen Probleme in einer Operation zu korrigieren. In bestimmten Situationen kann das Wachstum durch frühe chirurgische Eingriffe im Maxillarbereich, nicht aber im orbitafrontalen Bereich, beeinflusst werden, z. B. ermöglicht ein frühzeitiger chirurgischer Eingriff beim Plagiozephalus das normale Wachstum der benachbarten Gesichtsbereiche.
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∑ Knochentransplantate können vom Schädeldach gewonnen werden. Dieses verknöchert in den ersten 2 Lebensjahren rasch wieder. ∑ Aus psychologischer Sicht ist es sehr wichtig, dem Kind so schnell wie möglich ein normales Aussehen zu geben, insbesondere bevor das Kind in den Kindergarten kommt.
Um ausreichend Erfahrung auf dem Gebiet der Behandlung dieser Patienten zu sammeln und dem Patienten somit die bestmögliche Behandlung zu ermöglichen, sollte eine begrenzte Anzahl von spezialisierten Teams diese Fälle behandeln. Das ideale Operationsteam besteht aus einem plastischen kraniofazialen Chirurgen, einem Neurochirurgen und einem Anästhesisten, der die Probleme kennt, die mit langen operativen Eingriffen und möglichen großen Blutverlusten verbunden sind. Das klinische Team sollte durch einen Augenarzt, einen HNO-Arzt, einen Orthodentisten, einen Genetiker, einen Psychologen und einen Neuroradiologen ergänzt werden. Obwohl nur eine limitierte Anzahl von Arbeitsgruppen mit der Behandlung von kongenitalen, kraniofazialen Missbildungen beschäftigt sein sollte, sind die Prinzipien der kraniofazialen Chirurgie für alle plastischen Chirurgen hilfreich, die sich mit der rekonstruktiven Chirurgie des Gesichtes befassen.
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Erstens führen Kenntnisse über die kraniofazialen Veränderungen zu einem besseren Verständnis der Relationen zwischen dem Skelett und den Weichteilen des Gesichtes und zu der Wahrnehmung geringer Fehlbildungen. Zweitens ist das bessere Verständnis der tiefen Strukturen äußerst hilfreich für posttraumatische Notfallkorrekturen, Rekonstruktionen nach Tumorentfernungen und auch für die ästhetische Evaluierung des Gesichtes und seines Skelettes.
1.1.6 Risiken und Komplikationen Im Gegensatz zu dem offensichtlichen Risiko langer Operationen sind die folgenden Risiken spezifisch für die kraniofaziale Chirurgie: ∑ Der Blutverlust kann unterschätzt werden. ∑ Bei intrakraniellen Operationen können neurochirurgische Komplikationen entstehen und durch Verletzungen der Dura kann eine Rhinorrhoe hervorgerufen werden. ∑ Auch mit dem extrakraniellen Zugang kann eine Rhinorrhoe durch die kribriforme Platte entstehen, wenn die Mobilisation schwierig war.
In einer Serie von 1397 Fällen, die zwischen 1970 und 1994 operiert wurden, hatte Marchac 20 Todesfälle (1,43 %). Die meisten ereigneten sich bei schweren Fällen. In der ersten Hälfte dieses Zeitraums traten 9 Todesfälle bei 263 Operationen auf (3,42 %). Während der zweiten Hälfte waren es 11 Todesfälle bei 1134 Operationen (0,97 %). Gehirnprobleme waren in 11 von 20 Fällen die Ursache, schwere Blutungen in 2 Fällen und Anästhesieprobleme in 6 Fällen.Kraniofaziale Chirurgie beinhaltet potentiell ein großes Risiko, das nie unterschätzt werden sollte. Ein gut organisiertes, erfahrenes Team ist offensichtlich in einer besseren Position, um die Probleme zu lösen, die immer wieder entstehen können. Bis auf die Todesfälle, die mit verschiedenen Problemen verbunden waren (extradurale Hämatome, zerebrale Ödeme, akute Meningitis, Lungenatelektasen), waren Komplikationen überraschenderweise selten. Hämatome und Infektionen können vorkommen. Antibiotikabehandlung und Drainage können üblicherweise die Infektion kontrollieren, allerdings sind Knochenresorptionen dann öfters zu beobachten. Narben im Schädelhautbereich können breiter werden und der temporale Z-Zugang wies große Vorteile bei dem Bemühen auf, sichtbare Narben zu vermeiden. Nach Orbitaeingriffen kann ein Strabismus auftreten, der chirurgisch korrigiert werden muss. Nach einem Unterlidzugang kann evtl. ein Entropium oder Ektropium beobachtet werden.
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Wenn ein intrakranieller Zugang benutzt wurde,können Hydrozephalus und Anfälle entstehen, die bei den Neurochirurgen behandelt werden müssen.
1.2 Spezielle Techniken 1.2.1 Bikoronarer Zugang Der chirurgische Zugang sollte verdeckt sein. Bis auf einige Gesichtsspalten, die durch verschiedene Methoden der Z-Plastik behandelt werden und dem Hypertelorismus, wenn in der Mittellinie ein größerer Überschuss an Haut vorhanden ist, sollten alle sichtbaren Narben vermieden werden. Der Hauptzugang ist der bikoronare Schnitt (CAIRNS Unterberger) hinter der Haarlinie, der schon lange Zeit von Neurochirurgen benutzt wird. Die Inzision sollte, insbesondere bei Jungen, sehr weit posterior angelegt werden, um sicher zu sein, dass man hinter der Haarlinie ist. Eine Zick-Zack-Inzision wird im Schläfenbereich verwendet, wobei der untere Rand der Inzision über dem Ohr zu finden ist (Abb. 1.2). Eine tiefere Anlage des Schnittes vor dem Ohr bis hinunter zum Tragus
Abb.1.2. Die bikoronare Inzision ist üblicherweise der Zugang zur Stirn und der Orbita. Sie erlaubt auch eine gute Freilegung des Nasenskelettes und der Malareminenzen. Eine Z-förmige Inzision in der Schläfenregion hilft, die Narbe im Haar zu verbergen
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kann evtl. helfen, das Jochbein freizulegen, allerdings sollte die Inzision nahe dem Ohr gemacht werden (s. Abb. 1.2), um die Narbe zu verbergen. Die Präparation beginnt entweder direkt unter dem Periost oder unter der Galea, dann wird das Periost inzidiert und sekundär abgehoben. In allen Fällen wird die Freipräparation des Skelettes subperiostal durchgeführt, wodurch eine ausgezeichnete Darstellung des Knochens erreicht wird. Die einzigen Probleme sind mit den supraorbitalen und infraorbitalen Verbindungen verbunden. Der supraorbitale Pedikel kann in einen Knochenkanal eingeschlossen sein, den man mit einem feinen Meißel öffnen muss. Der N. orbitalis inferior sollte dargestellt werden, wenn der Boden der Orbita und der inferior-orbitale Rand freigelegt werden. Die Pullis des M. orbicularis obliquus werden bei der Abhebung des Periost abgelöst. Sie reinserieren sich selbst ohne Probleme. Wenn die bikoronare Inzision nicht ausreicht, um einen guten Zugang zum orbitalen Boden und dem unteren Rand zu gewinnen, dann ist ein Zugang über das Augenlid zusätzlich nötig. Falls ein Exophthalmus mit großen Augenlidern besteht, benutzt Marchac den transkonjuktivalen Zugang. Sonst führt er einen infrazilliaren Zugang mit einem Hautmuskellappen wie bei einer ästhetischen Blepharoplastik durch. Ein vestibulärer Zugang kann auch verwendet werden, um die Nasenappertur zu erreichen oder den unteren orbitalen Rand und den Raum zwischen Pterygoid und Maxilla. Nach ausreichender Exposition im Bereich des operativen Gebietes werden die geplanten Osteotomien mit Tinte markiert. Wenn die Schädelknochen auch involviert sind, werden zunächst Bohrlöcher angelegt, um die Dura von der Unterseite der Schädelknochen abzupräparieren.
! Die Anatomie ist manchmal ausgesprochen atypisch.
Man sollte daher darauf gefasst sein, dass man einen prominenten Schläfenlappen ganz nahe am lateralen Orbitarand finden kann.
Knochendurchtrennungen sollten schmal und gerade sein, wofür die oszillierende Säge das bevorzugte Instrument ist, aber selbstverständlich muss die Dura sorgfältig geschützt werden. Feine Meißel helfen, die Knochenstücke anzuheben oder zu mobilisieren. Nach Blutstillung und, wenn notwendig, Wiederherstellung der Duraverletzungen wird die Rekonstruktion begonnen. Die Knochenstücke werden dann in ihrer neuen Position, nach dem Herstellen der Kontur fixiert, entweder durch Drähte oder Mikroplättchen. Resorbierbare Mikroplatten und Schrauben sind von sehr großer Bedeutung im Baby- und frühen Kindesalter. Es werden so viele Inzisionen wie möglich gemacht, um eine stabile Retention durch Verblockung der Knochenstücke zu er-
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reichen. Knochentransplantate werden, wenn notwendig, zusätzlich verwendet. Komplette Knochentransplantate können bis zum Alter von 3–4 Jahren von der Calvaria entnommen werden, da die Entnahmestellen schnell reossifizieren. Nach dem 5. bis 6. Lebensjahr kann man auch von der Calvaria Knochentransplantate entnehmen, indem man sie teilt und den inneren Anteil als Knochentransplantat benutzt. Knochentransplantate vom Hüftknochen, gewonnen durch Teilen des Hüftknochenrandes, der später rekonstruiert wird, sind durch ihre Dicke und der Menge des spongiösen Knochens besonders brauchbar. Rippentransplantate sind für die Rekonstruktion der Konturen des Schädels wie z. B. Augenhöhle und Jochbein gut geeignet. Wenn man sie teilt und das Periost stehen lässt, können sie leicht in eine vorgeplante Form gebracht werden. Ein gewisser Anteil an Reossifikation ist am Thorax zu erwarten. Marchac kann feststellen, dass nach seiner Erfahrung Knochentransplantate besser überleben, wenn sie hinter oder zwischen Stücken des Skelettes platziert werden. Trotzdem ist der Anteil an Resorption im Laufe der Zeit selbst dann signifikant, wenn zum Herstellen der Konturen Knochentransplantate mit gutem Kontakt zu den Skelettteilen und Immobilisation verwendet werden. Nachdem das Skelett rekonstruiert wurde, muss man sich mit den Weichteilen beschäftigen. Wenn das mediale Lidband abgetrennt wurde, muss es reinseriert werden. Wir verwenden eine transnasale Kanthopexie. Dabei wird das Ligament in eine Knochenhöhle inseriert, in die es penetriert. Das laterale Ligament wird nur reinseriert, wenn man seine Position verändern will, üblicherweise um es höher zu befestigen.Wenn es in der richtigen Position ist, reinseriert es ohne Probleme von selbst. Wurde der M. temporalis zu weit verlagert, um die Knochenverlagerungen abzudecken, so muss er wieder an die temporale Fossa gebracht werden.
! Sobald die Haut readaptiert ist, sollte man das Resul-
tat genau kontrollieren und nach jeglichen Anzeichen von Asymmetrie und Irregularität suchen, da jetzt der beste Zeitpunkt ist, dies zu korrigieren.
Der Hautverschluss wird in Schichten über einer Saugdrainage durchgeführt.
1.2.2 Kraniostosen Diese sind durch eine frühzeitige Synostose von einer oder mehreren kranialen Nähten charakterisiert, aber die Ursache für die Fusion ist nicht bekannt. Entweder findet zuerst keine weitere Expansion des Gehirns mehr statt oder die Knochenfusion ist die initiale Läsion. Missbildungen der Dura und der Schädelbasis spielen mög-
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licherweise eine größere Rolle (Stewart [21]). Obwohl viele Kraniostenosen scheinbar isoliert auftreten oder bedingt durch Veränderungen bzw. Vorfälle während der Schwangerschaft, sind viele offensichtlich angeboren (ungefähr 30 %) und wir konnten einige Geschwister beobachten und behandeln. Wenn eine Schädelnaht fusioniert ist, dann entsteht eine kompensatorische Veränderung in senkrechter Richtung, wie es von Virchow 1851 [25] gezeigt wurde. Daher wird eine anteilige posteriore Synostose der Kranznaht wie z. B. beim Brachyzephalus eine quer verlaufende Verbreiterung des Schädels verursachen. Eine ausgedehnte Studie über intrakranielle Druckverhältnisse während 12 Stunden wurde am HospitalNecker-Enfants Malades (Renier, [20]) durchgeführt. Diese Studie zeigte: ∑ eine Erhöhung des intrakraniellen Druckes kann bei allen Typen der Kraniostenose beobachtet werden, selbst wenn nur eine Naht involviert ist; ∑ eine stabile Wiederkehr zum Normalzustand konnte nach frontokranialen Wiederherstellungen erreicht werden.
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Abb. 1.3 a, b. Die knöcherne Stirn besteht aus zwei Komponenten: dem supraorbitalen Balken und der oberen Stirn. Wenn verschoben (a), dann sollten sie einzeln wieder in die normale Position gebracht werden (b)
Die Entfernung der geschlossenen Schädelnaht wurde seit dem 19. Jahrhundert von Neurochirurgen durchgeführt, aber eine ungenügende Entlastung machten eine Reoperation notwendig und Defekte im Aussehen waren nicht selten. Eine totale Kraniektomie wurde empfohlen, dies führte jedoch zu einer schlechten Reossifikation und einer defekten Schädelform. Durch frontokraniale Umformung unter kraniofazialen Prinzipien konnten diese Probleme zufriedenstellend behandelt werden, wie Marchac nach 25 Jahren Erfahrung feststellte. Die folgenden beiden Komponenten der Stirn werden rekonstruiert (Abb. 1.3): ∑ der supraorbitale Anteil, dessen Position verantwortlich für die Projektion der Augenbrauen und des frontonasalen Winkels ist.
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∑ der obere Stirnanteil, der eine gute abgerundete Form haben sollte.
Die verschiedenen Typen der Kraniostenose werden unter folgenden Prinzipien korrigiert: Oxyzephalus: Diese Missbildung wird durch eine zurückgesetzte Stirn und Nase charakterisiert. Man kann diese Veränderung im Gegensatz zu anderen Kraniostenosen erst nach dem 2. oder 3. Lebensjahr beobachten. Es besteht eine große Gefahr eines intrakraniellen Druckanstiegs, der für den Verlust des Sehens und für mentale Fehlbildungen verantwortlich ist. Die Ursache ist eine koronale Synostose, oft assoziiert mit einer sagittalen Synostose. Eine gute Korrektur erfolgt durch Anheben des supraorbitalen Anteiles und Zurücksetzen mit einer Schwingbewegung in die temporale Fossa unter Verwendung einer Knochen-Z-Plastik zusammen mit einer freien Transposition von Knochenstücken (Abb. 1.4, 1.5). Trigonozephalus: Alle anderen Kraniostosen stellen sich bei der Geburt dar und sollten während der frühen Kindheit (Säuglingsalter) behandelt werden. Die dreieckige Form des Gesichtsschädels ist durch die frühzeitige Fusion der Zwischennaht (Stirnnaht) bedingt. Der supraorbitale Anteil wird gestreckt und der obere Stirnanteil rekonstruiert. In der Langzeitnachuntersuchung ist die Stirn normal und der Hypertelorismus verschwunden (Abb. 1.6).
Abb. 1.4 a–c. Korrektur einer Oxyzephalie. Der supraorbitale Balken A wird angehoben und mit einer Schwingbewegung und leichtem Advancement zurückgesetzt. Die temporale Knochen-Z-Plastik erlaubt eine leichte Adjustierung. Der flache obere Stirnanteil B ist angehoben, auch der Teil C, der eine gute Konvexität besitzt. Diese Stücke sind ausgetauscht, C wird an den Balken herangebracht und A führt zu einer normal aussehenden Stirn. (Nach Marchac [8])
Plagiozephalus: Diese Veränderungen werden durch eine unilaterale koronale Synostose verursacht und führen zu einer Asymmetrie mit Abflachung der Stirn auf der betroffenen Seite sowie zusätzlich einer Orbitaund Nasenasymmetrie. Eine einseitige Korrektur kann durchgeführt werden [6], aber Marchac zog es immer vor, eine beidseitige Korrektur durchzuführen, um eine bessere Symmetrie und Kontur zu erreichen, vor allem nahe der Mittellinie. Langzeituntersuchungen zeigen, dass nicht nur die Stirnkorrektur stabil bleibt, sondern sich auch die Gesichtsasymmetrie beinahe komplett selbst spontan ausgleicht (Abb. 1.7).
! Die Korrektur nach dem 4. Lebensjahr macht ausge-
dehnte Osteotomien notwendig und kann wesentlich komplizierter sein.
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Abb. 1.5 a, b. Oxyzephalie. a, b 9 Jahre alter Junge mit Oxyzephalie. Typisch ist die zurückgeschobene enge Stirn und die hervortretende Position der Augen. c, d 10 Monate nach Korrektur, die Narbe ist noch immer sichtbar durch die kurzen
Haare. Heutzutage würde es eine Z-Narbe sein. Beobachten Sie die Änderung der Kontur der Stirn, die Modifikation des Verhältnisses der Augen, der Augenbrauen und der Oberlidhautfalte
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Abb. 1.6 a, b. Trigonozephalie. a 2 Monate altes Baby mit einer engen Stirn, einer medialen Christa und einem Hypertelorismus. b Das gleiche Kind im Alter von 6 Jahren. Die Stirnkorrektur wurde im Alter von 6 Monaten durchgeführt
Abb. 1.7 a, b. Plagiozephalie. a 6 Monate altes Baby mit einer schweren Asymmetrie der Stirn und des Kraniums wie auch der Orbita und der Nase. b Das gleiche Kind mit 5 Jahren. Sie hatte nur eine Operation im Alter von 8 Monaten, eine bilaterale frontokranielle Formkorrektur. Beachten Sie, dass nicht nur die Stirn korrigiert wurde, sondern auch die Orbita symmetrisch und die Nase in der Mittellinie ist
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Abb. 1.8 a, b.„Floating-forehead-Advancement“. Bei Brachyzephaluspatienten, die eine zurückgesetzte anteriorkranielle Basis und supraorbitalen Rand haben, wurde ein Advancement von 2 cm durchgeführt. Die nach vorne verschobene Stirn ist nur an das Mittelgesicht angeschlossen und eine weite kraniale Lücke wurde dahinter zurückgelassen.Dadurch ist es möglich, dass sich das Gehirn im Kleinkindalter ausbreiten kann. (Nach Marchac [11])
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Brachyzephalus: Diese Missbildung ist durch eine beidseitige frühe Synostose der Kranznaht charakterisiert. Der supraorbitale Anteil sowie die Nasenwurzel sind zurückgesetzt (Abb. 1.8). Der vordere Anteil der Schädelbasis ist kurz.
Findet man einen Exophthalmus und eine zurückgesetzte Maxilla, so handelt es sich offensichtlich um die Crouzon-Krankheit. Und besteht an den Extremitäten eine Syndaktylie, so ist das Apert-Syndrom leicht zu diagnostizieren. Es gibt aber Brachyzephalien, bei denen primär keine offensichtliche Miterkrankung im Mittelgesicht zu finden ist, von denen jedoch einige spontan zu einer Mittelgesichtretrusion führen können. Für alle diese Fälle bei den Kleinkindern verwendet Marchac die sog.„Floating-forehead-Technik“ [11]. Der supraorbitale quer liegende Anteil wird angehoben, korrigiert (er ist zu breit) und um 2 cm nach vorn verschoben. Er bleibt nur mit der Nasenwurzel und der lateralen Wand der Orbita verbunden. Das rasch expandierende Gehirn ist daher in der Lage, die freigemachte Stirn nach vorn zu
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bringen (Abb. 1.9). Die Ergebnisse der Behandlung der Brachyzephalie sind sehr zufriedenstellend, sowohl funktionell als auch ästhetisch. Bei Crouzon- und ApertPatienten verbleibt ein gewisses Maß an Mittelgesichtretrusion und eine Osteotomie in diesem Bereich wird in einem späteren Alter notwendig sein, aber der Druck auf das Gehirn ist beseitigt, und die Verbesserung des oberen Gesichtsanteiles ist auffallend.
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Abb. 1.9 a–d. Brachyzephalie. a, b 2 Monate altes Baby mit einer schweren Brachyzephalie. Es besteht eine zurückgesetzte supraorbitale Rinne und eine zusammengeschobene obere Stirn. c, d Im Alter von 5 Jahren. Ein sog.s „Floatingforehead-Advancement“ (s.Abb.1.8) war im Alter von 3 Monaten durchgeführt worden.Stirn und Gesicht sehen normal aus und die Okklusion ist gut
1.2.3 Gesichts-Advancement und LeFort-Osteotomien Diese Techniken sind nach Rene LeFort, einem französischen Chirurgen, benannt, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Ätiologie der Frakturen des Gesichts im Experiment studierte. Die Frakturlinien, die er beschrieb, ähneln den Osteotomien, die durchgeführt werden (Abb. 1.10):
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Abb.1.10 a–d. LeFort-Osteotomien.Die Monoblockvorverlagerungen entsprechen nicht den Frakturlinien.(Nach F.Ortiz-Monasterio [19])
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Abb. 1.11. a, b 20 Jahre altes Mädchen mit Crouzon-Krankheit. Beobachten Sie das zurückgesetzte Mittelgesicht. c, d 1 Jahr nach LeFort-III-Advancement. Das Verschwinden des Exophthalmus ist deutlich zu sehen
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Abb. 1.12. a, b 6 Monate altes Crouzon-Baby mit extremen Gesichts- und Stirnzurückweichungen. Beobachten Sie die Schwere des Exophthalmus und die laterale Tarsorrhaphie. c, d Nach einer Monoblock Stirn-Gesichts-Vorverlagerung. Der Exophthalmus ist korrigiert und die laterale Tarsorrhaphie wurde beseitigt. Das Atmen ist verbessert, die schrittweise Distraktion erlaubt nun einen weniger aggressiven Eingriff im Vergleich zum unmittelbaren Advancement
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LeFort-Osteotomien LeFort I Horizontales Vorschieben der Maxilla LeFort II Vorschieben der Maxilla und des Nasenkomplexes LeFort III Vorschieben des Mittelgesichtes ähnlich einer kraniofazialen Durchtrennung
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nen Apparat für einige Monate nach der kompletten Vorverlagerung [16].
! Gesichtsvorverlegungen haben die Tendenz zurück-
zufallen. Eine gute Fixation und Okklusion ist daher essentiell.
1.2.4 Mediane Spalten Diese Anlehnung der Osteotomien an die Frakturlinien ist bei den von F. Ortiz-Monasterio (1978, [19]) beschriebenen, simultanen Monoblock-Advancements des unteren Stirnanteiles und des Mittelgesichtes nicht möglich.
! LeFort I, II und III sind extrakranielle Techniken,
während die Monoblocktechnik einen intrakraniellen Zugang erfordert.
Bei der kraniofazialen Stenose ist eine LeFort III, eine vollständige Mittelgesichtverschiebung in der Regel notwendig. Um diese Vorwärtsverschiebung zu erreichen, muss das Nasenseptum durchtrennt werden. Dabei ist es fast unmöglich, eine Verletzung der empfindlichen Nasenmukosa zu vermeiden (Abb. 1.11). Wenn simultan mit einem fazialen ein frontales Advancement gemacht wird, dann kommuniziert die kraniale Basis mit der Nasenhöhle. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit einer Infektion. Um dieses Risiko zu verkleinern, hat Anderl [1] eine Technik entwickelt, mit der die Schädelbasis intakt bleibt und die Stirn vor der Basis verschoben wird. Diese Technik hat sich, ebenso wie die Monoblocktechnik, bei Erwachsenen sehr bewährt, bei denen nur eine horizontale Vorverschiebung notwendig ist.
Diese sind für Hypertelorismus oder Teleorbitismus verantwortlich. Die interokulare Distanz ist vergrößert. Sie sind von einem Telikanthus zu differenzieren, bei dem der interkanthale Abstand vergrößert ist, nicht aber der interokulare. Diese Missbildung kann isoliert oder symmetrisch mit einer Verbreiterung der ethmoidalen Region auftreten.
! Eine CT-Untersuchung ist absolut notwendig, um die
mittlere Wand der Orbita zu explorieren und herauszufinden, ob die Verbreiterung anterior oder posterior ist (Abb. 1.13).
Oft kann man eine Mittellinienspalte finden, die sich bei der Operation dann als Knochenspitze darstellt und schwer zu dissezieren ist. Da die Augenhöhlen normal
Bei Kindern mit einer Faziokraniostenose wird ein frühes Stirn-Advancement durchgeführt, zuerst der LeFort-III-Typ, das Gesichts-Advancement kann später erfolgen. a
Um bei einem extremen Exophthalmus die Augen zu schützen und eine Nasenatmung zu ermöglichen, hat Mühlbauer [18] vorgeschlagen, in einigen sehr schweren Fällen eine frühe vollständige frontokraniale Verschiebung nach der Monoblockmethode durchzuführen (Abb. 1.12). Die Distraktionstechnik macht ein progressiveres Advancement des Gesichtes und der Stirnknochen möglich. Man kann die Distraktion sowohl für ein GesichtsAdvancement als auch kombiniert mit einem StirnAdvancement verwenden, entsprechend dem Monoblock. Sie ermöglicht eine progressive Verschiebung, die den Widerstand der Weichteile überwindet und einen leeren Raum wie beim frontalen Advancement vermeidet. Die Gesichtsdistraktion kann extern mit einem Schädelring durchgeführt werden oder mit einem inter-
b Abb. 1.13. a Horizontale CT eines Hypertelorismus. Die intraorbitale Distanz ist vergrößert und die laterale Wand der Orbita ist nach außen versetzt. b ein normaler Schädel
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a
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b
Abb. 1.14 a, b. Korrektur des Hypertelorismus durch die intrakranielle Route. a Ein Stirnlappen ist abgehoben. Der verbleibende mittlere Anteil ist entfernt und die Augenhöhlen sind osteotomiert. b Nach dem Näherbringen der Augenhöhlen. Knochentransplantate sind lateral und an die Nase gebracht und der Stirnlappen ist zurückgenäht
b
a Abb. 1.15. a 8 Jahre altes Kind mit Hypertelorismus und leichter Nasendoppelung. b Nach der Korrektur des Hypertelorismus durch einen intrakraniellen Zugang (s. Abb. 1.14) wurde eine Mittelresektion vorgenommen
KAPITEL 1
sind und lediglich die Distanz zwischen ihnen abnorm vergrößert ist, ist der logische Zugang, sie als Gesamtes zu mobilisieren und dann einander näher zu bringen (Abb. 1.14). Der erste Schritt ist die Resektion des verbreiterten zentralen Anteiles. Diese Resektion ist mit Hilfe eines frontalen intrakraniellen Zugangs nach Tessier [23] sicher durchzuführen. Convers [2] zeigte, wie man die olfaktorischen Fasern während dieses Manövers schützen kann. Um die Augenhöhlen zu mobilisieren, kann man die von Tessier [23] zuerst beschriebene Technik nutzen, die Augenhöhlen in Kastenform zu osteotomieren, oder man benutzt die zweiseitige Technik, die von van der Meulen (1979) eingeführt wurde. Die zwei Gesichtshälften werden entlang der Mittellinie durchtrennt und zueinander gebracht. Dies verursacht eine Verbreiterung der Maxilla und Nasenhöhlen und korrigiert die häufig beobachtete Schrägstellung der Augenhöhlen. Ein Gesichts-Advancement kann, wenn notwendig, zur selben Zeit durchgeführt werden. Das Nasenskelett wird entweder mit einem Knochentransplantat rekonstruiert oder der mediale Anteil wird stehen gelassen, sollte die Form ausreichend sein. Manchmal ist es möglich, die medialen Lidbänder zu bewahren, wenn sie in einer guten horizontalen Lokalisation stehen. Aber immer, wenn sie abgetrennt werden mussten, ist eine ausreichende Reinsertion oder Kanthopexie essentiell.
Dies ist ein schwieriger Teil der Operation und viele gute Orbitamobilisationen sind nicht zufriedenstellend, da eine geeignete Kanthopexie nicht erreicht wurde. Das Ligament sollte dargestellt und fest in einem Knochenloch an der richtigen Stelle gesichert werden (Abb. 1.15). In schweren symmetrischen Fällen, die normalerweise eine mittlere Spalte der Nase aufweisen, wo aber beide Hälften der Nase vorhanden sind, können diese zusammengebracht werden (s. Abb. 1.15). Wenn zusätzlich eine Spalte der Nasenlöcher vorhanden ist, ist die Wiederherstellung viel schwieriger. Manchmal kann man eine gleichzeitige Nasenrekonstruktion durchführen, indem man den Hautüberschuss in der Mittellinie der Stirn verwendet, wie von Tessier [23] vorgeschlagen. Bei asymmetrischen Fällen müssen die Augenhöhlen unterschiedlich mobilisiert werden und oft muss gleichzeitig die Stirn korrigiert werden, so dass das geometrische Planen der Korrektur äußerst komplex ist. Abschließend ist festzustellen, dass die frühe Behandlung der Mittellinienenzephalozele mit Rekonstruktion der Skelettstrukturen die Entwicklung eines Hypertelorismus verhindern kann.
Kraniofaziale Chirurgie
1.2.5 Paramediane Spalten Dabei handelt es sich um Missbildungen, die meistens die Orbita und die obere Maxilla betreffen, wie z. B. Proboscis lateralis und okulonasale Spalten. Eine sorgfältige Untersuchung, insbesondere unter Einbeziehung der Orbita in die Missbildung, muss durchgeführt werden. Normalerweise ist ein infrakranieller Zugang ausreichend, um die Skelettveränderung zu korrigieren, manchmal ist jedoch ein intrakranieller Zugang notwendig. Die Weichteilkorrektur ist oft sehr schwierig, und ein frontaler Lappen kann notwendig sein. Des Weiteren kann man bei diesen Veränderungen einen Mikroorbitismus finden.Außerdem können auch noch Spalten vom Oberlid, der Stirn und den Augenbrauen involviert sein. Es können also auch isolierte, schmale Augenhöhlen und schmale Augenlider bestehen, bedingt durch das Fehlen einer Entwicklung des Auges in einem früheren Stadium. In allen Fällen ist die ideale Behandlung eine langsam größer werdende Prothese oder ein Expander, um den orbitalen Boden und die Augenlider zu vergrößern. Man sollte dies so früh wie möglich, im Kleinkindalter, durchführen, aber es ist oft schwierig, dies praktisch umzusetzen. Wenn Kinder erst in einem späteren Alter gesehen werden, sollte man die Augenhöhle erweitern [10]: ∑ um eine brauchbare Höhle für die Prothese herzustellen ∑ und eine normale Projektion des Jochbeines und der supraorbitalen Linie zu erreichen.
Ein intrakranieller Zugang ist normalerweise notwendig, um das Orbitadach anheben zu können. Der schwierigste Teil ist die Rekonstruktion der Augenlider. Marchac nutzt dafür Composite grafts aus dem Ohr (Abb. 1.16, 1.17).
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Abb. 1.16 a, b. Korrektur eines Mikroorbitismus. a Frontaler Zugang ermöglicht, das Orbitadach anzuheben. Eine stufenförmige Osteotomie wird rund um die Orbita durchgeführt. b Die Knochenfragmente sind auseinandergeteilt und machen eine orbitale Verbreiterung möglich. (Nach Marchac [10])
a
b
Abb. 1.17. a Das 8 Jahre alte Mädchen hat eine angeborene Mikroophthalmie und Mikroorbitismus. Sie hatte schon viele verschiedene,nicht erfolgreiche Versuche hinter sich,um eine Höhle zu bilden.b Im Alter von 15 Jahren,nach einer orbitalen Erweiterung (s. Abb. 1.16). Eine Höhle wurde durch Hauttransplantate gebildet und die Augenlider wurden mit Composite grafts aus dem Ohr rekonstruiert
KAPITEL 1
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1.2.6 Laterale Spalten Das beste Beispiel dafür ist das Treacher-Collins-Syndrom. Die Augenhöhle ist oval und in der Höhe des inferioren externen Winkels offen, weil ein Teil des Jochbeins fehlt. Das Hauptbild ist oft von Missbildungen der Augenlider, einem Ektropium des Unterlides, Mikrogenie und einer starken Nasenprojektion begleitet. Anomalien der Haarlinie und des Ohres (Abb. 1.18, 1.19) können vorhanden sein. Das fehlende Jochbein sollte rekonstruiert werden. Marchac führt eine frühe Rekonstruktion vor dem 3. Lebensjahr durch und benutze dabei große, gestielte kraniale Transplantate. Zum einen ist die Calvaria sehr nützlich als Spender für die große Anzahl von Knochen die benötigt werden und zum anderen ist es hilfreich für die Normalentwicklung des Weichteilgewebes der Wangen. Es ist üblich, da mehrere Knochentransplantate nach einiger Zeit nötig sind. Die Therapie der Spalte des Unterlides ist in schweren Fällen sehr kompliziert. Z-Plastiken der Muskeln und der Haut, Lappen vom oberen Augenlid, selbst Hauttransplantate müssen verwendet werden. Die hemifaziale Mikrosomie oder das otomandibuläre Syndrom ist durch eine Unterentwicklung des Ohres und des aufsteigenden Pfeilers der Mandibula mit einer Retroposition der Orbita charakterisiert. Die Distraktionstechnik der Mandibula, eingeführt von McCarthy, hat die Behandlung revolutioniert. Durch sie wird es möglich, beides zu korrigieren, die Knochenunterentwicklung und die fehlenden Weichteilanteile. Das Behandlungsschema ist komplex und beinhaltet sowohl die Nasen-, Maxilla- und Mandibularekonstruktion als auch die Rekonstruktion des Ohres und sollte in mehreren Stufen durchgeführt werden. Das GoldenharSyndrom unterscheidet sich nicht sehr und kann auch beidseitig auftreten.
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Abb.1.18 a, b. Laterale Spalten,Treacher-Collins-Syndrom.a Es fehlt der malare Knochen, der Orbitaboden ist lateral geöffnet und es gibt keinen Jochbogen. b Nach Knochentransplantation. Ein größeres Volumen von Knochen ist notwendig, um die malare Eminenz aufzubauen
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Abb. 1.19. a, b 22 Jahre alter Mann mit Treacher-Collins-Syndrom, beobachten kann man auch die heruntergezogene Verformung des äußeren Kanthus. c, d Nach Transplantation der malaren Knochen. Hautlappen des oberen Augenlides wird zur Unterlid, Nasen- und Kinnplastik
Abb. 1.20 a–d. Orbitopalpebrale Neurofibromatose. a, b Die 䉴 Verschiebung des Augapfels nach unten und der Exophthalmus entstehen durch die Gehirnherniation in die Orbita, bedingt durch einen Defekt der Hinterwand.c, d Nach Zurückverlagerung des Gehirn, Verschluss des hinteren Orbitadefektes, Kanthopexie und Elevation des Orbitadachs (Abb. 1.20 a–c aus Marchac [13], PRS-Journal mit freundlicher Genehmigung)
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1.2.7 Benigne Tumoren Nicht maligne Tumoren, die Stirn, Augen oder Orbitabereiche betreffen, können durch einen kraniofazialen Zugang und rekonstruktive Techniken vorteilhaft behandelt werden: ∑ Meningeome der Schädelbasis, oft wegen des progressiven Exophthalmus entdeckt, benötigen häufig eine ausgedehnte Resektion und Knochentransplantate zur Rekonstruktion. ∑ Die fibröse Dysplasie kann einen großen Anteil des kraniofazialen Skelettes betreffen.Wenn immer möglich, sollten die Tumoren entfernt und die Rekonstruktion mit autogenem Knochen durchgeführt werden. ∑ Die Neurofibromatose ist, wenn sie sich im Orbitabereich befindet, im Allgemeinen auch mit einem Exophthalmus vergesellschaftet. Man findet auf den Röntgenbildern extrem weite sphenoidale Fissuren, durch die das Gehirn in die Orbita eintritt (Abb. 1.20). Ein intrakranieller Zugang ermöglicht es, das Gehirn zurückzudrängen und den fehlenden hinteren Anteil der Orbita wiederherzustellen [13].
Die Orbita ist also auch vergrößert, da die neurofibromatösen Tumoren die Augenmuskeln infiltrieren und somit zu einer Umfangsvermehrung führen. Das Auge wird gleichzeitig angehoben und die Lidbänder werden in die richtige Position gebracht. Auch wenn keine optimalen Resultate erzielt werden können, besteht definitiv eine Verbesserung für diese Patienten. Man braucht nicht zu befürchten, dass der chirurgische Eingriff eine seltene maligne Entartung verursacht, aber im Kindesalter entsteht häufig ein Rezidiv zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr.
KAPITEL 1
1.2.8 Verschiedene angeborene Missbildungen Extrem seltene oder grenzwertige Missbildungen mit kraniofazialen Anomalien können unter diesem Kapitel klassifiziert werden.
1.2.9 Posttraumatische und postinfektiöse Folgen In einigen Fällen sollten diese Folgen entsprechend den kraniofazialen Prinzipien behandelt werden. Die Läsion sollte genau analysiert und korrigiert werden, um eine möglichst gute Anatomie wiederherzustellen (Abb. 1.21).
! In vielen posttraumatischen Fällen, wie z. B. der Orbi-
tadystrophie, ist es nicht zu empfehlen, wieder durch die alte Frakturlinie zu gehen. Man sollte eine Mobilisation durch Osteotomie der verschobenen Gebiete planen.
Das gleiche Problem besteht nach schweren Infektionen in der Kindheit, bei denen Osteotomien oft notwendig sind, bevor die Weichteile wiederhergestellt werden können.
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Abb. 1.21 a–d. Posttraumatische Wiederherstellung. a, b 45 Jahre alter Mann erlitt eine kraniofaziale Trennung. Sichtbar sind die Rückverlagerungen und der Telekanthus. c, d Nach LeFort-III-Advancement und Kanthopexie
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Kraniofaziale Chirurgie 9.Marchac D, Cophignon J, Clay C (1975) Subtotal reconstruction of the orbit after destruction by benign tumour. Mod Probl Ophthalmol 14: 541–544 10. Marchac D, Cophignon J et al. (1977) Orbital expansion for anophtalmia and micro-orbitism. Plast Reconstr Surg 59: 486–491 10a. Marchac D, Renier D, Jones B (1988) Experience with the „floating forehead“. Br J Plast Surg 41: 1–15 11. Marchac D, Renier D (1979) Le front flottant, traitement précoce des faciocraniosténoses. Ann Chir Plast 24: 121–126 12. Marchac D, Renier D (1982) Chirurgie craniofaciale des craniosténoses. Medsi, Paris, Craniofacial surgery for craniosynostosis. Little Brown, Boston 13. Marchac D (1984) Intracranial enlargement of the orbital cavity and palpebral remodeling for orbitopalpebral neurofibromatosis. Plast Reconstr Surg 73: 534–543 14. Marchac D (1985) Anophthalmos. In: Fraunfelder FT, Hampton Roy F (eds) Current ocular therapy, 2nd edn. Section 24. Globe, Saunders, Philadelphia London Toronto 15. Marchac D, Sandor G (1994) Use of coral granules in the craniofacial skeleton. J Craniofac Surg 5:213–217 16. Marchac D (ed) (1997) Le point sur les malformations craniofaciales. Ann Chir Plast Esth 42 17. Marchac D, Arnaud E (1999) Midface surgery from Tessier to distraction. Childs Nerv Syst 15:681–694
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III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 2
W. Niermann
Inhalt 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . . Diagnostik. . . . . . . . . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.1 Operationszeitpunkt . . . . 2.1.4.2 Kieferorthopädische Therapieprinzipien . . . . . 2.1.4.3 Postoperative Nachsorge . 2.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . 2.2.1 Spalten des primären Gaumens. . . 2.2.1.1 Lippenverschluss mit zwei triangulären Lappen . 2.2.1.2 Verschluss der Kieferspalte mit primärer Osteoplastik . 2.2.2 Spalten des sekundären Gaumens . 2.2.2.1 Gaumenverschluss mittels funktioneller Brückenlappenplastik . . . . . . . . 2.2.2.2 Velo-Pharyngo-Plastik . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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„There is no branch of surgery which offers greater fascination than that which concerns itself with repair of the cleft of lip and palate, and none in which successful results give greater satisfaction.“ T. P. Kilner, 1937
2.1 Allgemeines Für jeden Spaltbereich soll in diesem Kapitel die Operationsmethode vorgestellt werden, die sich durch ihre universelle Anwendung auszeichnet. Es ist jedoch nicht ausschließlich die Methodik, die über den Erfolg der chirurgischen Leistung entscheidet. So wird das Operationsresultat in ganz besonderem Maße durch die Erfahrung und die Geschicklichkeit des Operateurs mitbestimmt. In diesem Zusammenhang hat Luhmann [10] die Vermutung geäußert: “Ich glaube,wenn Axhausen nach Veau und Veau nach Axhausen operieren würde, wären in beiden Fällen hervorragende Ergebnisse zu bewundern.“ [2, 17]
2.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie Angeborene Missbildungen im Schädelbereich entstehen durch Störungen in der embryonalen Entwicklung. Bezüglich der normalen embryonalen Entwicklung und deren Störungen sei auf Sekundärliteratur hingewiesen (Fisher [6], Kochhar [6], Pfeifer [12], Jackson [8]).
2.1.2 Diagnostik Bei der Fehlbildungssuche ist die Ultraschalldiagnostik eine gute Möglichkeit, auch schon während der Schwangerschaft Fehlbildungen im Lippen-Kiefer-GaumenBereich frühzeitig festzustellen. Zufällige Entdeckungen von Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten sind nur ungefähr in der Hälfte der Fälle zu erwarten. Die klinische Diagnostik nach der Geburt zeigt bei sorgfältigem Vorgehen das genaue Ausmaß der Missbildung.
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Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
2.1.3 Klassifikation Die 1967 in Rom beschlossene Klassifikation ist ein brauchbares Instrument,das eine einheitliche Erfassung der Fehlbildungen im Rahmen der Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten unterstützt. ∑ Gruppe 1: Spalten des vorderen embryonalen Gaumens. – Lippe: rechts und/oder links, – Kiefer: rechts und/oder links. ∑ Gruppe 2: Spalten des vorderen und hinteren embryonalen Gaumens. – Lippe: rechts und/oder links, – Kiefer: rechts und/oder links, – harter Gaumen: rechts und/oder links, – weicher Gaumen: medial. ∑ Gruppe 3: Spalten des hinteren embryonalen Gaumens. – harter Gaumen: rechts und/oder links, – weicher Gaumen: medial.
2.1.4 Therapie Prinzipielle Gesichtspunkte zum Verschluss der Spalten des primären und sekundären Gaumens: Primärer Gaumen. Das Ziel des Spaltverschlusses ist die vollständige Rekonstruktion der von der Spaltbildung betroffenen anatomischen Anteile: Nase, Maxilla und Lippe. Die technischen Schwierigkeiten liegen im verdeckten Bereich der Kieferspalte. Diesem Operationsabschnitt ist besondere Sorgfalt zu widmen, da bei mangelnder Kieferentwicklung jedes Lippenergebnis insuffizient erscheinen wird. Sekundärer Gaumen. Mit ausreichender Erfahrung ist keine Spalte zu breit und es sind keine Weichteile zu schmal, um einen absolut spannungslosen Verschluss zu erreichen. Durch die vollständige Mobilisation der aberrierenden Muskulatur vom harten Gaumen wird die notwendige Beweglichkeit der Weichteile in allen Fällen erreicht.
Die Mobilisation und die Rekonstruktion der Muskulatur sind die entscheidenden Maßnahmen für eine unauffällige Sprachentwicklung. Bei den doppelseitigen Lippen- oder Lippen-Kiefer-Spalten werden beide Spalten in einer Sitzung verschlossen.
! Nur der einzeitige Verschluss gewährt das Höchstmaß an Symmetrie.
KAPITEL 2
Bei durchgehenden bilateralen Spalten muss von Fall zu Fall entschieden werden. Starke Dislokationen der Praemaxilla erfordern einen zweizeitigen Verschluss, mit der Erstoperation wird an der breiteren Spaltseite durch den Zug der verschlossenen Lippe eine Medianverlagerung der Praemaxilla erreicht.
2.1.4.1 Operationszeitpunkt Ein guter Zeitpunkt für die operative Korrektur bei Lippen- und Kieferspalten ist der 6. Lebensmonat. Die Korrektur der Gaumenspalten wird 1,5 bis 2 Jahre nach der Geburt durchgeführt. Es hat sich bewährt, einen Zeitpunkt hier so spät wie möglich und so früh wie nötig, d. h. vor dem Sprechbeginn zu wählen.
2.1.4.2 Kieferorthopädische Therapieprinzipien Eine zahnärztliche Behandlung ist ein nicht unwesentlicher Teil des Behandlungskonzeptes der Lippen-KieferGaumen-Spalten. Sie hat zum Ziel, die Fehler im Bereich der Zahnreihe und der Kieferknochen zu korrigieren. Es muss eine gute funktionelle Okklusion und ein zufriedenstellender ästhetischer Zustand erreicht werden. Die Kinder sollten bis zum Erwachsenenalter durch einen Fachmann kontrolliert werden. Ein guter Plan folgt den verschiedenen Lebensaltern und den entsprechenden Entwicklungsperioden im Lippen-Kiefer-Gaumen-Bereich. ∑ Neugeborenenstadium, ∑ Stadium der Erstzahnanlage (Milchzähne), ∑ Stadium der gemischten Zahnanlage (Milchzähne, bleibende Zähne), ∑ Stadium der bleibenden Zähne.
2.1.4.3 Postoperative Nachsorge Die unmittelbare postoperative Nachsorge ist abhängig von der durchgeführten Operationsmethode (s.Abschn. 2.2.2.1, postoperative Maßnahmen und Abschn. 2.2.2.2, postoperative Probleme). Eine multidisziplinäre Nachsorge bis ins Erwachsenenalter ist ein wichtiger Teil im Behandlungskonzept. In das Behandlungsteam sollten daher auch der Logopäde und der Kieferorthopäde integriert sein.
KAPITEL 2
Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
2.2 Spezielle Techniken 2.2.1 Spalten des primären Gaumens 2.2.1.1 Lippenverschluss mit zwei triangulären Lappen Die Lippenplastik nach Niermann ist eine Kombination aus verschiedenen methodischen Teilabschnitten. Entschlüsselt man diese Kombination und unterteilt die Lippenplastik bezüglich der anatomischen Regionen in 3 Abschnitte, so lassen sich die methodischen Teilabschnitte wie folgt beschreiben: ∑ Lippenrot: Mirault, Brown, Mc Dowell [4], ∑ Lippenweiß: Tennison [16] und Konstruktion des Ringmuskels, ∑ Naseneingangsschwelle: Brauer [3] Schrudde [15].
Die Anzeichnung der Schnittführung beginnt mit der Markierung der Lippenlänge auf der gesunden Seite. Der Übergang der Philtrumkante in das Lippenrot und in die Amorbogenmitte lassen sich ohne Schwierigkeiten festlegen (Abb. 2.1). Diese Strecke wird kranial und lateral am Limbus um die gleiche Länge ausgemessen. Hierdurch ergibt sich der Punkt BI (Abb. 2.2), der später die spaltseitige Begrenzung des Amorbogens bildet. Zu BI wird der entsprechende Punkt BII auf der lateralen Seite markiert. Die Lage dieses Punktes wird häufig durch das Auslaufen des Limbus cutaneus in die Lippenrot-Lippenweiß-Grenze vorgegeben. Der Philtrumpunkt BI ist gegenüber B nach kranial verlagert. Der Höhenunterschied beträgt je nach Verkürzung der spaltseitigen Lippe 2–8 mm. Zum Ausgleich der Lippenverkürzung wird der untere Dreiecklappen gebildet. Die Basis des Lappens (XI) wird durch das erforderliche Ausmaß (X) der Lippenverlängerung bestimmt (Abb. 2.3). Die mediale Seite des Dreiecks liegt prinzipiell dicht an der Limbuskante. Leichte Abweichungen hiervon sind durch die Streckenlänge CAII gelegentlich notwendig. Die Höhe des Dreiecks entspricht der Inzision, die vom Punkt BI ausgeht (s. Abb. 2.3). Beachtenswert ist die Lage dieser Inzision, die man durch einen Winkel zu Transversalebene (TE) festlegen kann. Dieser Winkel ist von der Differenz der Lippenlängen (X) abhängig. Bei geringen bis mittelgroßen Streckenunterschieden wird die Inzision senkrecht zur Lippenrot-LippenweißGrenze durchgeführt. Bei größeren Differenzen verkleinert sich der Winkel zur Transversalebene. Bei einem extremen Lageunterschied zwischen B und BI kann die Inzision nahezu waagrecht zur Transversalebene durchgeführt werden. Die korrespondierenden Strecken AIBI und AIIC werden eingezeichnet (s. Abb. 2.2). Die Markierung des Punktes AII am Nasenflügel entspricht der gesunden
Abb. 2.1. Lippenverschluss nach der Methode mit 2 triangulären Lappen. Markierung der Lippenlänge und der Philtrumpunkte
Abb. 2.2. Anlegen der Schnittführung nach der Methode mit 2 triangulären Lappen. B Philtrumpunkt der gesunden Seite. BI–BII entsprechende Punkte, die den Philtrumpunkt der Spaltseite bilden werden. A Nasenflügelansatz der gesunden Seite. AI–AII entsprechende Punkte für den Nasenflügelansatz der Spaltseite
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Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
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b 䉱 Abb. 2.3 a, b. Geometrische Bedingungen am unteren Dreiecklappen, a Die Basis des Dreiecks (XI) entspricht der Differenz (X) zwischen den Philtrumpunkten. X ist das Maß der spaltseitigen Lippenverkürzung. b Die Höhe des Dreiecks zur Transversalebene (TE) ist von der notwendigen Lippenverlängerung abhängig 䉳 Abb. 2.4. Vollständige Anzeichnung der Schnittführung im Lippenweiß und Lippenrot. Schraffierter Bereich wird exzidiert
b a Abb. 2.5 a, b. Zustand nach Exzision des Spaltrandes. a Die Medialverlagerung der beiden Dreiecklappen wird durch die Hauthäkchen angedeutet. b Schematische Darstellung der korrespondierenden Lippenpunkte
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Seite (A). Der Punkt AI liegt an der Basis der verzogenen Columella, und zwar 1–2 mm im Naseneingang. Am Nasenflügelansatz der Spaltseite wird der obere Dreiecklappen gebildet. Dieser Lappen wird so groß wie möglich gewählt. Das Dreieck enthält nur Spaltrandgewebe, das ansonsten exzidiert werden würde. Das Ziel der Lippenrotvereinigung ist eine Z-förmige Naht, um hierdurch eine Einziehung zu vermeiden, wie sie durch eine gerade Naht sehr schnell entstehen würde. Bei einseitigen Spalten wird das mediale Lippenrot in seinem ganzen Ausmaß als langer dreieckförmiger Lappen umschnitten (Abb. 2.4).
b
Abb. 2.6 a, b. Schematische Darstellung des Muskelverlaufs. a Auf der lateralen Spaltseite ist der Muskelstumpf sehr kräftig ausgebildet. Auf der medialen Seite ziehen nur wenige Fasern parallel zum Spaltrand. b Die gestrichelte Linie zeigt das erforderliche Ausmaß der Mobilisation, durch das sich das Muskelbündel nach medial-kaudal umlagern lässt
! Bei dieser Anzeichnung ist,ebenso wie bei der Strecke AIBI, darauf zu achten, dass auf gar keinen Fall Lippenrotanteile im Lippenweiß und umgekehrt Lippenweißanteile im Lippenrot erscheinen.
Für die Strecke AIBI wird dies durch den geringen, aber deutlichen Abstand zum Limbus erreicht. Im Lippenrot wird hierfür von dem Philtrumpunkt (BI) zunächst eine kurze Stichinzision in das Lippenrot geführt, um in diesem Abstand (etwa 1 mm) vom Limbus den Lippenrotlappen zu präparieren. Die gleiche Sicherheit zur Vermeidung einer RotWeiß-Interposition muss auf der lateralen Spaltseite gewährleistet sein. Die Anzeichnung im Lippenrot erfolgt fischmaulartig, um später den dreieckförmigen Lappen der medialen Seite aufnehmen zu können. In Abb. 2.5 sind die korrespondierenden Punkte und Gewebeflächen schematisch zusammengestellt. Die Streckenpunkte der Schnittführung werden mit Methylenblau in die Haut gestichelt. Anschließend werden die Lippenweichteile und der spaltseitige Nasenflügel mit einer 0,5 %igen Xylocain-Epinephrin-Lösung infiltriert. Die Exzision des Gewebes am Spaltrand erfolgt mit einer spitzen Klinge.
Abb. 2.7. Das laterale Muskelbündel ist freigelegt und lässt sich mit dem „Haltefaden“ nach medial und kaudal verlagern
Der laterale Anteil des M. orbicularis oris verläuft im Wesentlichen nach kranial, nur wenige Muskelfasern ziehen in den Spaltrand. Dieser Verlauf wird durch Auswulstung der Lippe deutlich sichtbar (Abb. 2.6). Die dislozierten Bündel des Muskels werden kranial freipräpariert und auf der lateralen Seite U-förmig umschnitten. Der freigelegte Muskel kann nach unten und medial rotiert werden, um nach dem Vernähen mit der medialen Seite eine funktionstüchtige Schlinge zu ergeben. In
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KAPITEL 2
b
a 䉱 Abb. 2.8 a, b. Vereinigung des Ringmuskels zu einer funktionstüchtigen Schlinge. a End-zu-End-Vereinigung der Muskelstümpfe des M. orbicularis oris, b Nahttechnik zur Aufstellung des lateralen Muskelstumpfes (Philtrumprofilierung) 䉳 Abb. 2.9. Subkutane Mobilisation des Nasenflügelansatzes
Abb. 2.7 ist der laterale Muskelstumpf freigelegt und lässt sich spannungslos nach medial und kaudal verlagern. Der so umgelagerte Muskelstumpf wird an dem gegenüberliegenden Muskelende durch 3 oder 4 Vicrylnähte adaptiert (Abb. 2.8). In vielen Fällen (insbesondere bei schmalen Spalten) besteht nach der Umlagerung ein Muskellängenüberschuss, sodass eine aufstellende Vernähung durchaus möglich ist. Nach Umschneiden und Lösen des lateralen Muskelstumpfes wird der laterokraniale Anteil des Nasenflügelansatzes subkutan freipräpariert (Abb. 2.9). Dies lässt sich gut mit einer feinen, spitzen Schere durchführen, indem man unter den oberen Dreiecklappen eingeht. Nach ausreichender Mobilisation wird mit einer kräftigen Vicrylnaht (3 ¥0) der Nasenflügelansatz gegen die Columellabasis in überkorrigierter Stellung subkutan adaptiert (Abb. 2.10). Die Haut wird mit 6 ¥0 atraumatischen Maxon verschlossen (Abb. 2.12). Abb. 2.10. Medialverlagerung des Nasenflügelansatzes durch subkutane Adaptation
! Um jede Diskontinuität der Lippenrot-LippenweißGrenze zu vermeiden, muss die Naht der Punkte BI BII mit großer Sorgfalt angelegt werden.
Nach Vernähen der Integumentlippe wird nun das Lippenrot gebildet. Der dreieckförmige Lippenrotlappen
KAPITEL 2
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a
d
c
Abb. 2.11. a Subkutane Fixation des unteren Dreiecklappens, b inkomplette Lippenspalte, c postoperatives Ergebnis, d inkomplette Lippenspalte mit submuköser Spalte im Naseneingang, e postoperatives Ergebnis
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KAPITEL 2 䉳 Abb. 2.12. Zustand nach Verschluss der Lippenoberfläche
a b
c
d Abb. 2.13 a–f. Doppelseitige Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte. a Schnittführung bei doppelseitigen Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten, der laterale Anteil des Lippenrots wird zur Bildung des Tuberculum labii maximi verwendet. b Zustand nach Verschluss beider Lippenspalten. Die lateralen Lippenrotlappen werden Z-förmig übereinandergelegt, c doppelseitige Lippenspalte, d postoperativer Zustand mit Z-förmiger Position der Lippenrotstümpfe, e doppelseitige Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte, f postoperatives Ergebnis
KAPITEL 2
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von der medialen Spaltseite wird in den winkelförmigen Schnitt der lateralen Seite eingelagert. Für eine symmetrische Formung des Lippenrots sind viel Erfahrung und Einfühlungsvermögen erforderlich. Der Spaltverschluss des Lippenweißes kann exakt geplant und durchgeführt werden. Dies gilt für das Lippenrot nur mit Einschränkung. Prinzipiell konzipierbar sind die Formung eines Dreiecklappens (medial) und die winkelförmige Schnittführung (lateral), um eine Z-förmige Adaption zu erreichen. Je nach Spaltform ergeben sich aber unterschiedliche Qualitäten am Lippenrot, sodass es im Einzelfall der Erfahrung des Operateurs überlassen bleibt, ob er z. B. bei Überschuss den medialen Anteil kürzt oder den winkelförmigen Schnitt (lateral) verlängert. Für die Feinmodellierung des Lippenrots lässt sich kein bis ins Detail verbindliches Schema entwickeln. Hier entscheidet der erfahrene Operateur je nach Situation, ob ein medialer Lippenrotüberschuss exzidiert oder lateral integriert wird. Es muss ausdrücklich betont werden, dass dies ausschließlich für die Feinmodellierung des Lippenrots gilt. Die grundsätzliche Präparation durch ihre Z-förmige Anlage, die eine Einziehung des Lippenrots verhindert und ein ausreichend großes Vestibulum oris garantiert, ist unter allen Umständen anzustreben. Der Verschluss des Lippenrots sollte nicht nur aus ästhetischer Sicht, sondern auch aus sprachfunktionellen Gründen unbedingt sorgfältig vorgenommen werden.
! Beim Öffnen und Spitzen des Mundes dürfen sich keine Verziehungen am Lippenrot bilden.
f
Die trianguläre Schnittführung lässt sich auch bei allen doppelseitigen Lippenspalten anwenden. Prinzipiell erfolgen Anzeichnung und Präparation in gleicher Weise wie bei einseitigen Lippenspalten (Abb. 2.13). Niermann beschreibt hier lediglich jene Schnitte, die von der Operationstechnik bei einseitigen Spalten abweichen, d. h. die Präparation der Lippenrotlappen. Während bei einseitigen Spalten der mediale Lippenrotanteil der wesentliche Substanzträger ist, enthält das Prolabium nur wenig Lippenrotanteil. Der Hauptanteil des zu formenden Tuberculum labii maximi muss deshalb aus beiden lateralen Lippenstümpfen genommen werden. Dementsprechend weicht die Schnittführung ab (Abb. 2.13). Der in seiner maximal möglichen Größe umschnittene laterale Lappen wird in die mediale Schräginzision eingelegt. Durch Z-förmige Überlagerung der beiden lateralen Schleimhautlappen wird ein volumenmäßig ausreichender Mittellippenanteil gebildet.
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KAPITEL 2
Die Bildung eines kräftigen Mittellippenanteils mit guter Funktion und ausreichend großem Vestibulum ist bei doppelseitigen Spalten eine unter allen Umständen zu erreichende Voraussetzung, um den vorgelagerten Zwischenkiefer in den Oberkieferbogen einzuführen.
Auch wenn das Prolabium häufig extrem hypoplastisch erscheint, und das betrifft Lippenweiß und Lippenrot gleichermaßen, so ist es dennoch in seiner Entwicklung nach dem Spaltverschluss zu erstaunlichem Wachstum imstande. Dieser Umstand hat gezeigt, mit dem Wenigen an Gewebe äußerst behutsam vorzugehen. Der geringste Verlust durch eine Nekrose oder eine unsachgemäße Exzision führt zu einem unheilvollen Substanzverlust in der weiteren Entwicklung. Das Prolabium ist das „rohe Ei“ der doppelseitigen Spalten.
a
Von jeder Methode der Lippenplastik muss daher gefordert werden, mit der Präparation des Prolabiums so schonend wie möglich umzugehen.
2.2.1.2 Verschluss der Kieferspalte mit primärer Osteoplastik Das Einheilen des Knochentransplantats ist wesentlich von einer lückenlosen Weichteilabdeckung abhängig. Zur Bildung des Nasenbodens eignet sich die von Veau [17] vorgeschlagene Methode, nach der der Schnitt an beiden Spalträndern auf der Grenze zwischen nasaler und oraler Schleimhaut verläuft (Abb. 2.14 a). Das Mukoperiost wird beiderseits mit dem Raspatorium vom Knochen abgelöst und lässt sich auch bei breiten Spalten spannungslos als Nasenboden vernähen. Die Nähte werden so gelegt, dass die Knoten im freien Raum der Nasenhöhle liegen (Abb. 2.14 c).
b
! Bei der Präparation der medialen Seite entsteht am
Übergang vom Zwischenkiefer zum Vomer eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Winkelung, die bei unvorsichtiger Präparation zur Perforation führen kann.
An dieser Stelle muss umsichtig vorgegangen werden (Abb. 2.14 b). Der Mukoperiostanteil des Zwischenkiefers ergibt in den meisten Fällen eine zungenförmige Ausbuchtung, die V-förmig in den lateralen Nasenflügelbereich eingelegt werden kann. Die orale Abdeckung erfolgt durch einen Schleimhautlappen aus dem Vestibulum, der nach Axhausen [2] umschnitten und vorgenäht wird (Abb. 2.14 d). Bei der Umschneidung des Lappens muss der Ausführungsgang der Parotis geschont werden. Um die Schleimhaut zu erleichtern, sollte der Schnitt im Fornixbereich einen etwa 2 mm breiten Lippenschleimhautstreifen erhalten. Durch die
c
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d g
e g
Abb. 2.14. a Schnittführung nach VEAU über die Prominenz der Prämaxilla und Alveolarfortsatzes. b Mobilisation der Mukoperiostlappen mit dem Raspatorium. c Naht der beiden Mukoperiostlappen zum nasalen Abschluß der Kieferspalte. d Das beiderseits v-förmig aufgebogene Rippensegment wird fest in die knöcherne Spalte eingelegt. e Orale Abdeckung mit vestibulärem Schleimhautlappen. f Kollabierte Kieferspalte. g Spätergebnis nach präoperativer Spalterweiterung und Stabilisierung mit primärer Osteoplastik
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KAPITEL 2
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d c
Vornähung lässt sich der Vestibulumlappen spannungslos in die Kieferspalte einnähen (Abb. 2.14 e). Mit besonderer Sorgfalt muss der hintere Verschluss der Schleimhauttasche erfolgen. Das Vernähen erfolgt nasal sowie oral von hinten nach vorn. In die partiell verschlossene Schleimhauttasche wird das Rippensegment eingelagert (Abb. 2.14 d). Der Knochen wird beiderseits V-förmig aufgebogen und fest zwischen Praemaxilla und Processus alveolaris eingekeilt. Erst nach Verschluss der Kieferspalte werden die Lippenweichteile vernäht. Technik der Knochenentnahme. In Verlängerung der vorderen Axillarlinie wird die 6. Rippe aufgesucht. Die Pektoralismuskulaur wird stumpf gespalten. Das Periost der Rippe wird doppel-T-förmig (Abb. 2.15 a) eingeschnitten und mit dem geraden Raspatorium nach unten bis zum Sulcus costae und nach oben bis zur Rippenkante freipräpariert (Abb. 2.15 b). Mit dem ge-
Abb.2.15 a–d. Entnahme eines Rippensegments zur primären Osteoplastik. a doppelt-T-förmige Inzision des Periosts, b Ablösen des Periosts mit dem geraden Raspatorium, c Trennung der internen Rippenseite vom Periost mit dem rechtwinklig gekrümmten Raspatorium, d Einsatz der Rippenschere zur Entnahme des Knochens
krümmten Raspatorium wird das Periost auf der Innenseite der Rippe abgehoben (Abb. 2.15 c). Nachdem die Rippe zirkulär vom Periost befreit ist, kann das erforderliche Segment mit der Rippenschere entnommen werden (Abb. 2.15 d). Es erfolgt eine Kochsalzprobe auf die Unversehrtheit der Pleura parietalis. Die Komplikationsrate bezüglich der Perforation liegt bei erfahrenen Operateuren unter 1 %. Im Fall einer Verletzung wird die Perforationsstelle mit einer atraumatischen Vicrylnaht verschlossen. Die Verknotung erfolgt bei geblähter Lunge.
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2.2.2 Spalten des sekundären Gaumens 2.2.2.1 Gaumenverschluss mittels funktioneller Brückenlappenplastik Die Operation wird in retroflektierter Kopflage durchgeführt, wie sie auf jedem normalen Operationstisch durch Senken der Kopfschale einstellbar ist. Um eine Verletzung der Oberkieferzahnkronen zu vermeiden, sollte der Mundsperrer behutsam und sehr kontrolliert eingesetzt werden.
! Durch den Zungenlöffel des Mundsperrers kann bei
starker Aufdehnung oder bei falscher Tubuslage eine Drucknekrose der Unterlippe eintreten. Daher wird nach dem Einsetzen die freie Beweglichkeit der Unterlippe geprüft.
Zur Anämisierung der Gaumenweichteile verwendet der Autor die gleiche Lösung, wie sie bei der Lippenplastik angegeben wurde. Die Injektion erfolgt an den Spalträndern und hinter dem Tuber maxillare im Spatium retromolare (Abb. 2.16). Mit einer kurzgeschliffenen Injektionsnadel lässt sich die Schleimhaut vom harten Gaumen leicht ablösen. Die Nadel wird im mittleren Bereich des harten Gaumens bis zum knöchernen Widerstand eingesetzt. Durch den Druck der Injektionsflüssigkeit erfolgt eine sichtbare Abhebung des gesamten Mukoperiosts von seiner knöchernen Unterlage. Bei doppelseitigen und medianen Gaumenspalten wird die Schleimhaut des Vomer durch die gleiche Technik vom Knochen abgehoben. Anschließend erfolgt die Inzision der Schleimhaut an beiden Spalträndern. Die Schnittführung reicht von der gespaltenen Uvulaspitze bis zum vorderen Spaltende. Im Bereich des harten Gaumens empfiehlt es sich, den Schnitt 1–2 mm nach oral zu verlegen (Abb. 2.17). Am Velum wird die nasale Schleimhaut von der Muskulatur abgetrennt, sodass beiderseits eine etwa 1 cm breite Schleimhautlefze entsteht. Am Übergang vom weichen zum harten Gaumen wird die falsch inserierende Gaumenmuskulatur, vom Spaltrand aus soweit wie möglich, deutlich dargestellt. Das Lösen der nasalen Schleimhaut vom harten Gaumen erfolgt mit dem Raspatorium, wobei das Os palatinum, soweit es das gebogene Raspatorium zulässt, unterfahren wird. Bei geeigneter Operationstechnik ist das Lösen der nasalen Schleimhaut problemlos und stets unblutig. Lediglich an der Übergangsstelle vom weichen zum harten Gaumen wird die Präparation durch die Insertion der Gaumenmuskulatur erschwert (Abb. 2.18 a). Dies ist eine Phase der Operation, in der sich der unerfahrene Spaltchirurg viel Zeit nehmen muss, um die Spitze des Raspatoriums gegen das knöcherne Dach des Os palatinum, unter direktem Knochenkontakt, in Richtung Alveolarfortsatz langsam
Abb. 2.16. Injektion der Gaumenweichteile. Mit einer speziell kurz geschliffenen Injektionsnadel wird die Schleimhaut vom Palatum durum abgehoben (rechte Gaumenseite)
Abb. 2.17. Inzision der Schleimhaut am Spaltrand
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M. palato-pharyngeus pars medialis
b a
Abb.2.18 a–c. Präparation der nasalen Schleimhaut.a Ablösen der Schleimhaut vom Knochen und von der Muskelinsertion. b Die hintere mediale Knochenkante wird mit dem geraden Raspatorium freigelegt. Das gekrümmte Raspatorium wird in Pfeilrichtung unter direktem Knochenkontakt nach vorn geschoben. c Mobilisierte nasale Schleimhaut
c
vorzubringen und das bis zur Tiefe des gekrümmten Raspatoriums (Abb. 2.18 b). Ist das Problem gelöst, lässt sich die vordere Schleimhaut mühelos in einem Zug vom Knochen ablösen. Bei nicht ausreichender Operationserfahrung besteht an dieser Stelle die Gefahr einer Schleimhautperforation. Die Präparation muss daher sehr vorsichtig und unter direktem Knochenkontakt erfolgen. Nach Inzision der Vomerschleimhaut lassen sich beide Schleimhautblätter mit den Raspatorium abheben und mobilisieren (Abb. 2.18 c). Nach der vollständigen Präparation der nasalen Schleimhaut wird mit der Mobilisation der oralen Schleimhaut begonnen. Die sog. „Entlastungsschnitte“ setzen direkt hinter dem Tuber retromolare maxillae an
und werden entlang der Zahnreihe nach vorne geführt. Das Skalpell wird dabei fest auf die knöcherne Unterlage gedrückt. Im Spatium retromolare werden die Schnittränder mit einer feinen Präparierschere stumpf gespreizt (Abb. 2.19 a). Medial in der Tiefe befindet sich die von der normalen Anatomie abweichende Gaumenmuskulatur, die von der Sehne des Tensor veli palatini partiell überdeckt wird. Die Präparation in der Tiefe erfolgt bis zum Hamulus pterygoideus (Abb. 2.19 b). Am Tuber retromolare wird das Mukoperiost mit der spitzen Schere vom Knochen abgetrennt. Hierdurch erreicht man die Mobilität der Weichteile und gewinnt Einblick auf die hintere Kante des Os palatium (Abb. 2.19 c, d). Zur Mobilisation der Weichteile am harten Gaumen verwendet Niermann das gerade Raspatorium. Das Ras-
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b M. tensor veli palatini M. palato-pharyngeus
a M. tensor veli palatini
c
d Abb. 2.19 a–d. Präparation der Brückenlappen am weichen Gaumen, a Im Spatium retromolare erfolgt der Eingang in die Tiefe medial vom M. tensor veli palatini, b Die Präparationsloge liegt zwischen der markierten Muskulatur. c Abtrennen der Schleimhaut von der hinteren Kante des harten Gaumens, d Ansatz des M. tensor veli palatini am harten Gaumen und in die Gaumenaponeurose
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a
Abb. 2.20. Präparation der Brückenlappen am harten Gaumen. Lösen des Mukoperiosts durch hebelnde Bewebungen mit dem geraden Raspatorium
patorium wird im Schleimhautschnitt fest auf die knöcherne Unterlage gedrückt und die Weichteile werden subperiostal durch leichte hebelnde Bewegungen des Raspatoriums abgehoben (Abb. 2.20).
! Die Präparation wird vom Alveolarfortsatz zum Spal-
trand hin durchgeführt,nie umgekehrt.Zur Schonung der A. palatina posterior ist die Richtung des eingeführten Raspatoriums sehr wichtig. Niemals darf die Spitze des Raspatoriums auf die Austrittsstelle (Foramen palatinum majus) der Arterie zeigen.
Die Mobilisation der Brückenlappen am harten Gaumen erfolgt ausschließlich mit dem Raspatorium, das sichtbar bis zum Spaltrand vorgehebelt wird. Die Palatinallappen lassen sich anschließend anheben und erlauben dann einen guten Einblick auf den Arterienstiel und die hintere Kante des harten Gaumens. Bei einem kurzen Arterienstiel, der die Medianverschiebung des Brückenlappens beeinträchtigt, kann durch hebelnde Bewegungen des Raspatoriums die Arterie aus dem Foramen palatinum etwas herausgezogen werden. Dieses Verfahren bringt auch in schwierigen Fällen eine ausreichende Mobilisation des oralen Schleimhautlappens. Wenn sich beide Brückenlappen in der Mitte spannungslos vereinigen lassen, ist das Ziel der Mobilisation erreicht. Durch die Präparation bekommt man weitge-
b
c Abb. 2.21. a Retraktion der Muskulatur nach Abtrennen vom harten Gaumen, b Spaltrandmuskulatur vor der Ablösung, c intraoperative Situation nach der Ablösung
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a
b Abb. 2.22. a Verschluss der nasalen Schleimhaut, b vorderer Spaltanteil: nasaler Verschluss septal-palatinal, c hinterer Spaltanteil: nasaler Verschluss palatinal-palatinal
hend Einblick auf die hintere Kante des harten Gaumens, sodass man die fehlinserierende Gaumenmuskulatur unter Sicht von der Knochenkante ablösen kann. Nach der Abtrennung retrahiert sich die Muskelplatte um etwa 1 cm zu einem ovalären Wulst (Abb. 2.21). Bei der Präparation der Brückenlappen sind Blutungen äußerst selten. Sollten sie dennoch auftreten, verhindern sie jede weitere kontrollierte Operationsmaßnahme. In solchen Fällen hat es sich stets bewährt, die Operationslogen mit einem feuchten Gazetupfer zu tamponieren und die Geduld für 1 Minute Daumenkompression aufzubringen. Eine Blutstillung durch Ligatur oder Elektrokoagulation sollte beim Gaumenverschluss nicht erwogen werden. Im Anschluss an die Brückenlappenbildung wird die nasale Schleimhaut verschlossen (Abb. 2.22). Am weichen Gaumen werden die Schleimhautblätter direkt miteinander vernäht. Im Bereich des harten Gaumens wird der spaltseitige Schleimhautlappen mit der Vomerschleimhaut vereinigt. Der Verschluss erfolgt durch eine umgekehrte Naht, die verhindert, dass die Knoten palatinal in den Gaumenweichteilen liegen. Alle Knoten lie-
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Abb.2.23. Nach Einlagerung des Rippensegments werden die Muskelstümpfe zu einer Schlinge vernäht
Abb. 2.25. Frontalschnitt durch den hinteren Anteil des weichen Gaumens. Adaption der parallel verlaufenden Muskelfasern
gen in den Nasengängen und können bei unresorbierbarem Material über den Nasenraum abgestoßen werden. Bei sehr engen Spalten ist ein zuverlässiger Verschluss im Bereich des harten Gaumens mit der umgekehrten Naht gelegentlich schwierig durchzuführen. In solchen Fällen kann man die spaltseitige nasale
KAPITEL 2
Abb. 2.24. Erleichterung der Nahttechnik bei engen Spalten durch Vorluxieren der Nasenschleimhaut
Schleimhaut durch zwei Haltefäden in den oralen Raum hineinziehen und dann die vorgeschriebene Verschlusstechnik mühelos durchführen (Abb. 2.24). Die Muskelenden werden durch 2–3 Vicrylnähte Endzu-End vereinigt (Abb. 2.23). Im hinteren Anteil werden die auseinanderweichenden Muskelbündel durch eine locker geknüpfte Naht adaptiert (Abb. 2.25). Die oralen Schleimhautlappen sind durch Einzelknopfnähte (atraumatische Seide) zu vereinigen (Abb. 2.26). Im Bereich des harten Gaumens lässt sich die relativ dicke Schleimhaut besser durch Matratzennähte als durch eine einfache Naht gegeneinanderstellen. Bei der einseitigen Gaumenspalte erfolgt die beidseitige Präparation der Brückenlappen in der gleichen Weise wie bei der medianen Gaumenspalte. Abweichungen ergeben sich lediglich bei der Bildung des Nasenbodens, der nur auf der Spaltseite konstruiert werden muss. Während bei der medianen Gaumenspalte vom freiliegenden Pflugscharbein und Nasenseptum zwei Schleimhautlappen gebildet werden, benötigen wir bei einseitigen Gaumenspalten nur den spaltseitigen Vomerlappen, der mit dem Palatinallappen zur Bildung des Nasenbodens lückenlos vernäht wird (Abb. 2.27). Üblicherweise, aber nicht obligat, werden die seitlichen Taschen der Entlastungsschnitte über 24 Stunden mit einer Salbengaze tamponiert.
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a Abb. 2.27. Präparation der nasalen Schleimhaut bei einseitigen Spalten
b Abb. 2.26. a Zustand nach Verschluss der oralen Schleimhaut, b intraoperative Situation
Postoperative Maßnahmen Zum postoperativen Schutz der Gaumenplastik wurden mannigfaltige prothetische Verbände entwickelt. Diese Gaumenschutzplatten wechselten im Material und entsprachen jeweils der technologischen Entwicklung ihrer Zeit. So wurden Zelloloid und später selbstpolymerisierenden Kunststoffe verwendet. Mit Guttapercha sollte Velum geformt und verlängert werden. Gelegentlich wurde die Gaumenverbandplatte mit der Kopfkappe verbunden, dieser Aufbau musste von den Kindern mindestens zehn Tage ertragen werden. Diese Schutzplatten sollten die vernähten Schichten aneinander drücken
und den Druck der Zunge auffangen. Wir verzichten auf jeden Verband. Der physiologische Zungendruck gegen den Gaumen soll nicht verhindert werden, da er für die ausreichende Adaptation der Schleimhautschichten in bester Weise geeignet ist. Das Kind wird mit keinem prothetischen Verband belastet, der die orale Ernährung stört und den Gesundungszeitraum verlängert. Zudem sorgt die Aktivität der Zunge dafür, dass die orale Schleimhaut und die lateralen Wundtaschen von Speiseresten gereinigt werden. Bereits am ersten postoperativen Tag werden die Kinder ausschließlich oral ernährt. Flüssige und breiige Kost ist lediglich bis zum sechsten Tag nach dem Gaumenverschluss notwendig. Anschließend ist keine Einschränkung der Ernährung erforderlich.
2.2.2.2 Velo-Pharyngo-Plastik Die Velo-Pharyngo-Plastik ist immer dann indiziert, wenn das Velum sehr kurz und narbig verändert ist. In solchen Fällen ist der velopharyngeale Abstand zu groß, um mit einer einfachen Gaumenverlängerung wirksam verkleinert zu werden. Der kranial gestielte Pharynxlappen hält den Gaumen in Richtung der Levatoraktivität, indem er nicht nur zu einer Verengung des Querdurchmessers beiträgt,
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sondern darüber hinaus auch noch den epipharyngealen Raum verkleinert. Aus der Rachenhinterwand wird ein gestielter Schleimhautlappen abgelöst. Der Pharynxlappen muss ausreichend lang und breit angelegt werden, sodass er ohne Schwierigkeiten auf die nasale Fläche des weichen Gaumens aufgelegt werden kann (Abb.2.28).In den meisten Fällen genügt ein Lappen von 5 cm Länge und 2 cm Breite [13]. Der Pharynxlappen enthält die oberen Fasern des M. constrictor pharyngis superior und wird vorsichtig von der weißen Schicht der Fascia praevertebralis abgelöst. Die Schleimhautränder der Entnahmestelle werden direkt, d. h. ohne vorherige Mobilisation, miteinander vernäht. Durch diese Naht wird die Kontinuität des oberen Schlundschnürers wiederhergestellt.
Postoperative Probleme
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Abb. 2.28 a–e. Technik der Velo-Pharyngo-Plastik mit kaudal gestieltem Pharynxlappen nach Sanvenero-Rosselli [13]. a Narbig verkürzter Gaumen, b Umschneiden des Pharynxlappens, c Verschluss der Entnahmestelle, d der eingenähte Pharynxlappen mit der nasalen Gaumenschleimhaut, e Der eingenähte Pharynxlappen wird aus oraler Sicht durch die Gaumenweichteile verdeckt
Da der Verschluss der Entnahmestelle in seiner Schwierigkeit oft falsch eingeschätzt wird, neigt der weniger erfahrene Spaltchirurg dazu, den Lappen nicht ausreichend breit anzulegen. Ein zu schmaler Lappen ist aber der schwerwiegendste Fehler, der einem Operateur bei der Pharyngoplastik unterlaufen kann. Jeder Pharynxlappen schrumpft in der postoperativen Entwicklung, gelegentlich bis auf ein Drittel seiner ursprünglichen Breite. Der breite Lappen kann vorübergehend zu einer Rhinolalia clausa führen, die sich aber bereits einige Monate nach der Operation in eine normale Nasalität umwandelt.
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KAPITEL 2
III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 3
H. J. G. Bargmann
Otoplastik
Inhalt 3.1 Allgemeines 3.1 3.1.1
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . 3.1.1.1 Topographie der Weichteile und des Knorpels der Ohrmuschel. . . 3.1.1.2 Vaskularisation . . . . . . . . . . . 3.1.1.3 Lymphabfluss. . . . . . . . . . . . 3.1.1.4 Innervation . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Prinzipien der Diagnostik . . . . . . . . . . 3.1.3 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Prinzipien der Therapie . . . . . . . . . . . 3.1.4.1 Indikation . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4.2 Konservative Maßnahmen . . . . 3.1.4.3 Operative Maßnahmen . . . . . . 3.1.4.4 Zeitpunkt der Operation. . . . . . 3.1.4.5 Anästhesie und Operationsprinzipien . . . . . . . 3.1.4.6 Postoperative Nachsorge . . . . . 3.1.5 Komplikationen und Probleme . . . . . . . 3.1.5.1 Hämatom und Infektion . . . . . . 3.1.5.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . 3.1.5.3 Rezidive . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Operatives Vorgehen bei vermindert ausgebildeter oder fehlender Anthelixfalte 3.2.2 Operatives Vorgehen bei zu großer Koncha oder in kombinierten Fällen . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 49 . 49 . . . . . . . . . . .
51 51 51 51 53 54 54 54 54 54 54
. . . . . . .
54 55 56 56 56 57 57
. 57 . 59 . 61
Im Jahr 1845 beschrieb Dieffenbach [3] das Anlegen abstehender Ohren lediglich durch eine retroaurikuläre Hautresektion. Auch die Techniken von Ely 1881 [4] und Morestin 1903 [11], einen Knorpelstreifen zu resezieren und die Ohrmuschel am Mastoid zu fixieren, beschäftigten sich nur wenig mit der Pathologie des fehlgeformten Ohrknorpels. Dies veranlasste Luckett 1910 [8], einen Streifen Haut und Knorpel zu resezieren und den Knorpel mit fixierenden Nähten nach hinten zu falten. Hierdurch entstanden scharfe und unnatürlich wirkende Anthelixfalten. Nachfolgende Autoren wie McEvitt 1947 [10], Converse et al. 1955 [2] oder Erich 1958 [5] verbesserten den Aspekt einer scharfen Anthelixfalte mit z. B. mehreren parallelen Knorpelschnitten oder durch Ausdünnen des Knorpels an der Hinterfläche. Zusätzliche Knorpelnähte stabilisierten die Anthelixfalte dauerhaft. Zahlreiche Autoren verfeinerten die bekannten Techniken zu großer Perfektion wie z. B. Tanzer 1962 [14]. Für weiche Ohrknorpel favorisierte Mustardé 1963 [12] seine alleinigen Matratzennähte des Ohrknorpels ohne Knorpeldurchtrennung. Erst die Arbeit von Gibson u. Davis 1958 [6] machte es möglich, das Verhalten des Knorpels zu verstehen, wenn man ihn an einer Seite einschneidet, er dann zur entgegengesetzten Seite ausweicht. Stenström [13] u. Chongchet 1963 [1] machten sich dieses Wissen zu Nutze und beschrieben ihre Techniken der vorderen Knorpelritzung. Stenström [13] bevorzugt eine blinde Technik, welche sich besonders für gering abstehende Ohren mit weichem Ohrknorpel eignet. Chongchet [1] variierte diese Technik unter direkter Sicht mit Freilegung der Knorpelvorderfläche.
3.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie Das äußere Ohr besteht aus Ohrmuschel und äußerem Gehörgang, dieser wird durch das Trommelfell gegen das Mittelohr abgeschlossen. Die Ohrmuschel, Auricula, ist eine Hautfalte, die eine Platte aus elastischem Knorpelgewebe, Cartilago auriculae, enthält. Sie bildet einen Schalltrichter. Die innere
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Otoplastik
KAPITEL 3
Scapha Crus superior anthelicis Fossa triangularis
Helix
Crus inferior anthelicis Cymba conchae Radix helicis
Anthelix Tragus Cavum conchae
N. auriculotemporalis Incisura intertragica
N. occipitalis posterior Lobullus
Cauda helicis Antitragus N. auricularis magnus
Abb. 3.1. Anatomischer Überblick
konkave Fläche der Ohrmuschel enthält zahlreiche Höcker und Vertiefungen: Der Rand der Konkavität besteht aus einer Leiste, Helix, innen läuft parallel zu ihr die Anthelix. Diese beginnt oberhalb der äußeren Ohröffnung mit zwei Schenkeln, den Crura anthelicis. Vor der äußeren Gehörgangsöffnung springt ein Höckerchen, Tragus, vor. Nach abwärts folgen die Incisura intertragica und der Antitragus der in das Ohrläppchen, Lobulus auriculae, eine knorpelfreie Hautfalte, ausläuft. Zwischen Helix und Anthelix liegt ein Graben, die Scapha. Von den Crura anthelicis wird die Fossa triangularis umfasst. Die eigentliche Tiefe der Ohrmuschel wird als Cavum conchae bezeichnet. Das Crus helici grenzt einen oberen Abschnitt, die Cymba conchae, ab. Das durchschnittliche mitteleuropäische Ohr zeigt beim Erwachsenen eine Größe von etwa 6,5 mal 3,5 cm. Bereits mit dem 3. Lebensjahr hat das Ohr 85 % seiner Endgröße erreicht. Mit 5 bis 6 Jahren findet das Ohr seine definitive Endgröße, lediglich die Länge des Ohres kann im weiteren Leben noch um 1,5 cm zunehmen.
Ästhetisch ansprechende Ohren werden überwiegend durch ihre Symmetrie in der Frontalansicht bestimmt, entscheidend ist hier die Symmetrie der Helix. Lediglich im oberen Pol darf sich die Anthelix leicht vorwölben, bevor sie mit etwa 90° in die Koncha übergeht. Der Abstand der Helix vom Mastoid beträgt am oberen Ohrpol zwischen 15 und 20 mm (Abb 3.1).
KAPITEL 3
3.1.1.1 Topographie der Weichteile und des Knorpels der Ohrmuschel Die dünne, wenig pigmentierte Haut der Vorderfläche des Ohres hat nur einen geringen Anteil an Subkutangewebe und liegt dem Perichondrium dicht an. Erst dieses ermöglicht, dass die feinen Details der Knorpelkrümmungen erkennbar werden. Das Subkutangewebe nimmt vom oberen Ohrpol bis zum Ohrläppchen zu, an der Ohrhinterseite ist es deutlich dicker. Der extrem biegbare Ohrknorpel umschließt den Gehörgang nahezu komplett. Das Mastoid bewirkt, dass die Ohrmuschel vom Kopf leicht absteht. Die Fixierung des Ohres erfolgt durch zahlreiche Ligamente und Muskeln. Ein extrinsisches und ein intrinsisches Fixierungssystem werden voneinander unterschieden. Das anteriore extrinsische Ligament zieht vom Os zygomaticum bis zum Tragus und zur Spina helicis. Das posteriore extrinsische Ligament fixiert den Ohrknorpel am Mastoid. Man unterscheidet drei extrinsische und sechs intrinsische Muskeln am Ohr. Die extrinsischen Muskeln setzen vorn, oben und hinten an der Ohrmuschel an. Der M. auricularis magnus zieht von der epikranialen Faszie zur Spina helicis. Der M. auricularis superior kommt ebenfalls von der epikranialen Faszie und zieht mit einer dünnen Sehne zum oberen Teil der kranialen Fläche der Ohrmuschel. Der M. auricularis posterior entspringt am Mastoid und fixiert die Koncha. Die intrinsischen Muskeln des Ohres sind wesentlich unbedeutender, man unterscheidet den M. helicis major, den M. helicis minor, den M. tragicus, den M. antitragicus, den M. transversus auricularis und den M. obliquus auriculae.
3.1.1.2 Vaskularisation Die arterielle Blutversorgung des Ohres erfolgt aus den Ästen der A. temporalis superficialis und der A. auricularis posterior. Beide Arterien bilden ein dichtes Geflecht zur Versorgung des Ohres. Die A. temporalis superficialis gibt ihre aurikularen Äste in Höhe des Austritts aus der Parotis ab. Inferiore Äste versorgen Tragus und Ohrläppchen, superiore Äste ziehen zum oberen Teil der Helix, der Fossa triangularis und der Scapha. Ein weiterer Ast zieht an der Hinterseite des Ohres entlang und anastomosiert mit der A. auricularis posterior. Diese kommt zu 85 % aus der A. carotis externa, zieht hinter das Ohr zwischen Knorpel und Mastoid, um sich dann in einen aurikularen und einen okzipitalen Ast zu teilen. Bevor sich der aurikulare Ast mit den Ausläufern der A. temporalis superficialis vereinigt, gibt er noch mehrere Abzweigungen zum kranialen Teil der Ohrmuschel ab, zwei weitere perforieren den Ohrknorpel zur Vorderfläche. Zahlreiche Anastomosen verbinden die
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Durchblutungssysteme der A. temporalis superficialis und der A. auricularis posterior. Der venöse Abfluss erfolgt über einen ausgeprägten retroaurikulären Venenplexus, der von der V. temporalis superficialis drainiert wird. Diese weist einen Durchmesser von 2,1–3,5 mm auf und kann in bis zu 80 % der Fälle etwa 1–3 cm vor der A. temporalis superficialis verlaufen (Abb. 3.2).
3.1.1.3 Lymphabfluss Die obere Hälfte des Ohres, der gesamte Ohrrand und die Hinterhälfte des Ohres haben ihren Lymphabfluss in die tiefen zervikalen und mastoidalen Lymphknoten. Ohrläppchen und die Bereiche des Meatus acusticus externus haben Anschluss an die oberflächlichen zervikalen Lymphknoten. Diese Knoten liegen entlang der V. jugularis externa an der Oberfläche des M. sternocleidomastoideus. Das mittlere Ohr hat seinen Abfluss zu den tiefen parotidealen Lymphknoten (Abb. 3.3).
3.1.1.4 Innervation Die sensible Innervation der Haut am äußeren Ohr erfolgt aus drei Quellen. Der N. auriculotemporalis versorgt mit den Nn. auriculares anteriores die Vorderfläche der Ohrmuschel, mit dem N. meatus acustici externi die vordere und obere Wand des äußeren Gehörganges und mit den Rr. membranae tympani die Außenfläche des Trommelfells. Der N. vagus versorgt über den R. auricularis die Haut im Bereich der Concha auriculae sowie die hintere und untere Wand des äußeren Gehörgangs. Der N. auricularis magnus aus dem Plexus cervicalis versorgt mit dem R. posterior die Haut an der Hinterfläche und mit dem R. anterior die Haut an der Vorderfläche der Ohrmuschel. Die motorische Innervation der Muskeln im Bereich der Ohrmuschel erfolgt über Äste des N. facialis.
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A. fontalis
KAPITEL 3
A. parietalis
orbitaler Ast
A. maxillaris interna
auf die Vorderseite perforierende Äste
mastoidaler Ast
A. carotis externa
a
Arterie
M. sternocleido -mastoideus Vene
Abb. 3.2. a Arterielle Versorgung des Ohres; links Ventralansicht, rechts Dorsalansicht. b Venöse Versorgung des Ohres (retroaurikuläre Topographie)
b
N. auricularis magnus
Glandula parotis
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Otoplastik
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präaurikuläre Knoten
parotideale Knoten
jugulare Knoten
mastoidale Knoten
cervikale Knoten
Abb. 3.3. Lymphabfluss des Ohres
3.1.2 Prinzipien der Diagnostik Die Diagnostik abstehender Ohren ist eine klinische Diagnose. Um das Ausmaß der Protrusion objektivieren zu können, werden verschiedene Winkel gemessen.
! Eine konsequente prä- und postoperative photographische Dokumentation ist obligat (Abb. 3.4).
a Abb. 3.4 a, b. Standardabbildung. a Von vorne, b von hinten 䉴
b
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KAPITEL 3
3.1.4.3 Operative Maßnahmen 3.1.3 Klassifikation 3.1.4.4 Zeitpunkt der Operation Ein übermäßiges Abstehen der Ohrmuschel tritt in den meisten Fällen aus zwei Gründen auf: ∑ Eine zu große Koncha hebt die vorwiegend normal geformte Ohrmuschel seitlich vom Kopf ab. ∑ Bei einem Scapha-Koncha-Winkel zwischen 90° und 180° bei normal ausgeprägter Koncha entsteht der Eindruck eines abstehenden Ohres durch eine vorgebeugte Scapha. Es fehlt eine ausreichend geformte Anthelixfalte. Im Extremfall geht die Koncha ohne Andeutung einer Anthelixfalte in die Scapha über. Crura superior und inferior der Anthelix können ebenfalls vermindert oder nicht ausgebildet sein.
Die Korrektur anderer angeborener Fehlbildungen, wie z. B. „Schüsselohren“, die auch den Eindruck abstehender Ohren vermitteln, soll an dieser Stelle nicht behandelt werden. Beide genannten Aspekte sind jedoch häufig miteinander kombiniert. In der Regel stehen beide Ohren nicht gleichmäßig stark ab, ein lediglich einseitiges Abstehen ist durchaus möglich.
3.1.4 Prinzipien der Therapie 3.1.4.1 Indikation Menschen mit abstehenden Ohren klagen nicht über ein reduziertes Hörvermögen. Primär der mehr oder weniger auffällige äußere Aspekt lenkt ihre Wege zu einer Behandlung. Oft sind es Eltern, die ihre schulpflichtigen Kinder mit abstehenden Ohren vor künftigen Anspielungen ihrer Mitschüler schützen möchten.
Bei der Indikationsstellung ist zwischen Kindern und älteren Menschen zu differenzieren. Die Ohranlegeplastik stellt in der Regel bei Kindern und jungen Menschen einen medizinisch indizierten Eingriff dar.
! Als frühester Zeitpunkt für eine operative Korrektur wird hier das Alter von etwa 5 Jahren angesehen.
Kinder sind in der Regel in diesem Alter ausreichend kooperativ. Die Ohren sind normalerweise gut ausgeformt und in ihrer Erscheinung stabil. Das Ohrwachstum wird nach einer Korrekturoperation auch bei Kindern normalerweise nicht beeinträchtigt. Menschen mit abstehenden Ohren sind optisch auffällig, wenn sie diese nicht verbergen können. Nicht immer leiden die Betroffenen darunter, doch häufig bilden sich schon frühzeitig Komplexe und Fixierungen aus, sodass die Ohranlegeplastik überwiegend beim jungen Menschen erfolgt. Kinder und Jugendliche können aber durch eine Operation vor einem psychischen Leidensweg bewahrt werden. Bei Menschen im fortgeschrittenen Alter handelt es sich um eine sog.„kosmetische Operation“. Ältere Menschen leiden öfter unter einer Asymmetrie mit abstehenden Ohren unterschiedlicher Ausprägung. Angleichende Operationen sollten zur Erzielung einer größtmöglichen Symmetrie auch bei einseitig deutlich abstehendem Ohr, in den meisten Fällen jedoch beidseitig durchgeführt werden. Der behandelte Patient gewinnt durch die gelungene Operation in der Regel an Selbstvertrauen.
3.1.4.5 Anästhesie und Operationsprinzipien 3.1.4.2 Konservative Maßnahmen In den ersten Tagen nach der Geburt können, aufgrund der in dieser Zeit noch vorhandenen Verformbarkeit des Knorpels, abstehende Ohren und ähnliche Veränderungen dauerhaft korrigiert werden. Es wird die Verwendung von weichen formbaren Materialien und Pflasterverbänden empfohlen [8]. Der Grund für die Verformbarkeit in den ersten Lebenstagen liegt an den noch im Säugling vorhandenen zirkulierenden mütterlichen Östrogenen.
Handelt es sich um einen kooperativen Patienten, ist die Operation in Regionalanästhesie mit zusätzlicher Sedierung durchführbar. Nur ausnahmsweise ist es erforderlich, wie z. B. bei sehr jungen Kindern, den Eingriff unter „Vollnarkose“ durchzuführen. Nur selten ist eine Ohranlegeplastik unter stationären Bedingungen erforderlich. Eine ambulante Behandlung ist in den meisten Fällen ausreichend und verantwortbar.
Ziel einer operativen Korrektur der abstehenden Ohrmuschel ist die Herstellung eines unauffälligen Gesichtsprofils unter Berücksichtigung der Ohrsymmetrie. Die Ohren sollen eine harmonische Form in all ihren anatomischen Einzelheiten sowie ihres gesamten Erscheinungsbildes erhalten.
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Der liegende Patient wird nach farbloser Hautdesinfektion mit Tüchern abgedeckt, sodass der Kopf nach rechts und links beweglich ist, sämtliche Haare bedeckt sind, aber das Gesicht frei bleibt. Soweit die Planung des operativen Eingriffes nicht schon im Vorfeld exakt erfolgt ist, besteht nun letztmalig die Möglichkeit, das operative Vorgehen festzulegen. Nochmals werden Seitenunterschiede der Ohren und die Pathologie des Abstehens genau untersucht. Farbige Markierungen an der Vorderseite der Ohrmuschel legen den künftigen Sitz der Anthelixfalte, bzw. das Ausmaß einer Koncharesektion fest. Da die Ohrmuschel sehr gut durchblutet ist, erfolgt auch bei einer Operation in Vollnarkose zur Erleichterung des Eingriffes eine subkutane Infiltration des Ohres mit einem Lokalanästhetikum. Zur Verwendung kommen 1 %ige Lokalanästhetika mit Adrenalin (1 : 200 000). Das Adrenalin sorgt nach kurzer Zeit für eine Reduktion der operativen Blutung. Die Infiltration erfolgt mit einer sehr dünnen Kanüle an der Hinterseite, wie auch an der Vorderseite des Ohres. Zusätzliche Leitungsanästhesien sind nicht erforderlich, gelegentlich kann jedoch die Blockade des N. auricularis magnus hilfreich sein. Der nachfolgende operative Eingriff richtet sich ausschließlich nach dem pathologischen Befund.
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a
b
3.1.4.6 Postoperative Nachsorge Der nach der Operation angelegte Verband wird am darauffolgenden Tag kontrolliert. Es ist hierbei besonders darauf zu achten, dass alle Teile der Ohrmuschel und auch das Ohrläppchen weder geknickt sind noch zu stark unter Druck stehen. Die Ohrmuschel wird auf ihre Durchblutung und auf die Ausprägung eines evtl. zu starken Hämatoms hin untersucht.
Abb. 3.5 a, b. Klinischer Fall. a Abstehende Ohren bei 17-jährigem Patienten, präoperativ, b postoperatives Ergebnis 1 Jahr später
! Starke Hämatome müssen sofort entlastet werden. Der gut sitzende Verband wird nun 7 bis 10 Tage zur Ruhigstellung der Ohren belassen. Der Patient sollte während dieser Zeit nicht auf der Seite schlafen.
! Auffällige, besonders einseitige Schmerzen sprechen
zwischenzeitlich für das Vorliegen eines starken, möglicherweise behandlungsbedürftigen Hämatoms oder für eine Infektion.
Die routinemäßige prophylaktische Verabreichung eines Antibiotikums ohne Zeichen einer Infektion ist nicht indiziert. Nach 7 bis 10 Tagen werden der Kopfverband und die Wundfäden entfernt. Häufig sind nach dieser Zeit noch Schwellungen und leichte Hämatome vorhanden, die jedoch keine besondere Therapie erfordern. Das Waschen der Ohren ist nun erlaubt. Der Patient wird gebeten, für weitere 2 Wochen hauptsächlich noch
Abb. 3.6. 18-jährige Patientin postoperatives Ergebnis nach 1,5 Jahren
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nachts, Kinder auch tagsüber, ein breites nicht zu enges Stirnband zu tragen, um den Operationserfolg während der weiteren Heilphase zu sichern. Drei Wochen nach dem Eingriff ist die Ohrmuschel wieder normal belastbar. Kontrolluntersuchungen erfolgen nach 3 und 6 Wochen, sowie nach 3 Monaten und 1 Jahr.
sen trockener Schorfe, auch ohne Antibiotikabehandlung führt in diesen Fällen jedoch häufig zu einer schnellen Abheilung.
! Gegebenenfalls notwendige weitere Korrekturein-
Sieht man von schlechten Ergebnissen ab, die durch unzureichende Nachsorge oder auch mangelnde Compliance der Patienten sowie als Folge von Komplikationen entstehen, so sind es in der Regel falsche Indikationen und Operationstechniken, die zu unzureichenden Ergebnissen führen. Form und Narben prägen das äußere Erscheinungsbild operierter Ohrmuscheln. Narben im unmittelbar sichtbaren Bereich, z. B. an der Vorderseite der Ohrmuschel, können mit modernen Operationstechniken bei komplikationslosem Verlauf immer vermieden werden.
griffe an der Ohrmuschel sollten nicht vor Ablauf von etwa 6 Monaten durchgeführt werden (Abb. 3.5, 3.6).
3.1.5 Komplikationen und Probleme Problemlose Verläufe einer Ohranlegeplastik setzen eine sorgfältige Operationsplanung sowie eine saubere Operationstechnik und eine konsequente Nachsorge voraus. Gründe für unzureichende Ergebnisse sind aber unter anderem falsche Indikationsstellungen und mangelnde Erfahrungen des Operateurs. Die Ohranlegeplastik sollte in geübten Händen ein „harmloser“ Eingriff sein.
3.1.5.1 Hämatom und Infektion Kleinste Blutungsquellen können an der Ohrmuschel zu starken Hämatomen führen. Die Hämatome können vor dem Ohr oder auch in der Umschlagfalte hinter dem Ohr lokalisiert sein.
! Postoperativ auftretende Blauverfärbungen durch Hämatombildungen sind nicht ungewöhnlich. Starke Hautvorwölbungen sprechen jedoch für behandlungsbedürftige Hämatome, sie können zu Hautnekrosen oder auch zu Infektionen führen.
Ein ästhetisch zufriedenstellendes Ergebnis ist nur noch mit Einschränkungen zu erreichen. Bei Infektionsindikation muss nach der chirurgischen Revision umgehend mit der Antibiotikabehandlung begonnen werden. Hier gilt es septische Allgemeinerscheinungen und „lokale Katastrophen“ wie Haut- und Knorpelnekrosen zu vermeiden. Während Hämatom und Inflammation noch relativ leicht beherrschbare Probleme darstellen, handelt es sich bei ausgeprägten Infektionen mit Knorpelbeteiligung immer um ernstzunehmende Komplikationen. Ein langwieriger Krankheitsverlauf ist bei Nekrosen von Haut und Knorpel zu erwarten, diese können in seltenen Fällen mit Teilverlusten der Ohrmuschel korrelieren. Die Häufigkeit behandlungsbedürftiger Hämatome ist mit etwa 2 %, die von Infektionen mit weniger als 0,5 % anzugeben. Durch eine unzureichende Verbandstechnik treten vorrangig an der Ohrvorderseite Hautnekrosen auf. Eine nachfolgende Infektion kann auf den Knorpel übergreifen. Engmaschige Wundpflege und das Belas-
3.1.5.2 Ergebnisse
! Die einzige Narbe sollte hinter dem Ohr auf der Ohrmuschel und nicht im Sulcus liegen.
Narben im Sulcus neigen häufiger zu Hypertrophien oder auch zu Keloiden. Sie können beim Tragen von Brillen Beschwerden hervorrufen und sind deswegen mitunter behandlungsbedürftig. Wurden für erforderliche Knorpelnähte nichtresorbierbare Fäden verwendet, kann es gelegentlich zu anhaltenden Beschwerden führen. Knorpelnähte müssen nach Ausheilung ggf. wieder entfernt werden. Hautfalten in der Koncha nach Knorpelresektionen von der Rückseite des Ohres aus bilden sich nach wenigen Wochen deutlich zurück, sodass sie auf Dauer keine Beeinträchtigung des äußeren Aspektes darstellen. Nur in Ausnahmefällen erfolgt eine nachträgliche Hautresektion. Die Technik der Knorpelformung im Bereich der Anthelixfalte ist ausschlaggebend für ein mehr oder weniger harmonisches Erscheinungsbild der Ohrmuschel. Überkorrekturen insbesondere mit den knorpeldurchtrennenden Methoden führen zu scharfkantigen Anthelixfalten. Unzureichendes vorderes Ritzen der Knorpelfläche lässt die Anthelixfalte plump erscheinen. Eine sorgfältige Indikationsstellung zur Koncharesektion ist unerlässlich. Unterbleibt diese fälschlich, steht die Anthelixfalte im mittleren Bereich der Ohrmuschel zusammen mit dem unteren Ohrpol nach der Operation weiterhin ab, lediglich der obere Ohrpol ist angelegt. Wird bei zu gering ausgeprägter Anthelixfalte mit zu großer Koncha nur die Koncha reseziert, kommt es zum Abstehen des Ohres am oberen und unteren Pol. Die Ohrmuschel erhält in der sagittalen Ansicht eine Schalenform. Auch ein übermäßiges Anlegen der Ohrmuscheln wirkt nach der Operation unnatürlich. Man spricht hier vom sog. „Telefonohr“. Ein Abstehen lediglich am unteren Pol ist selten, es kann durch Resektion der Cauda helicis korrigiert werden.
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3.1.5.3 Rezidive Rezidive nach Korrektur abstehender Ohren sind Folge unzureichender Operationstechniken und Nachbehandlungen oder auch die mangelnde Kooperation des Patienten.
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subkutane Ritzung des Knorpels Helix Scapha
Rezidive kündigen sich mitunter schon während der Operation an. Hier gilt: Liegt ein Ohr nach erfolgter Korrektur schon intraoperativ nicht ausreichend an, kann dies auch durch eine noch so intensive Nachbehandlung nicht erreicht werden.
Hoffnung auf die Hilfe der Natur ist hier fehl am Platze. Werden Techniken mit Knorpeldurchtrennung verwendet, muss der Knorpel in allen Bereichen von oben bis unten durchtrennt werden, um die Kraft der elastischen „Knorpelfeder“ der Ohrmuschel zu brechen. Der postoperative Verband hat die Aufgabe, das Operationsergebnis zu sichern und vor Infektionen zu schützen. Erst nach etwa drei Wochen ist ein durchtrennter und wieder genähter Knorpel zusammengewachsen.Auch nach vorderer Knorpelritzung muss die Ohrmuschel in der intraoperativ erreichten Neuformung mit einem Verband fixiert werden, um in dieser Position vernarben zu können. Eine zu frühe Belastung der neugeformten Ohrmuschel z. B. beim Sport mit erhöhtem Verletzungsrisiko sollte vermieden werden. Besonders Techniken mit Knorpelnähten zeigen bei zu früher Belastung ein erhöhtes Rezidivrisiko. Letztlich bergen Infektionen und starke Hämatome ebenfalls ein potentielles Rezidivrisiko.
Einmal mit Erfolg angelegte Ohren sollten ein Leben lang in ihrer neuen Position verbleiben.
3.2 Spezielle Techniken 3.2.1 Operatives Vorgehen bei vermindert ausgebildeter oder fehlender Anthelixfalte Steht das Ohr nur gering ab und ist der Ohrknorpel dabei sehr dünn, kann ein „minimaler“ Eingriff genügen, die Ohrmuschel ausreichend und dauerhaft anzulegen [12]. Von alleinigen Hautresektionen im retroaurikulären Sulcus ist jedoch abzuraten, da hiermit dauerhafte Erfolge nicht zu erzielen sind. Lediglich bei abstehenden Ohrläppchen ist eine retroaurikuläre Hautresektion zu empfehlen. Des Weiteren muss eine Neuformung der Anthelixfalte erfolgen. Mittels retroaurikulärer Stichinzision unterhalb der Cauda helicis gelangt man subkutan ohne Verletzung der Ohrmuschelhaut, z. B. mit ei-
retrolobuläre Inzision retroaurikulärer Sulkus
Ohrläppchen
Abb. 3.7. Subkutane Ritzung des Ohrknorpels an der Vorderfläche
nem Raspatorium auf die Vorderfläche des Ohrknorpels (Abb. 3.7). Kutis und Subkutis werden hier über der zu formenden und vorher markierten Anthelixfalte angehoben. Dieses ermöglicht das Einführen z. B. einer mehrfach scharf gezahnten Pinzettenbranche [7]. In Verlaufsrichtung der zu bildenden Anthelixfalte werden das Perichondrium und geringfügig auch der Knorpel an der Vorderfläche eingeritzt. Die Spannung des nichtverletzten Perichondriums der Knorpelhinterfläche sorgt bereits intraoperativ sichtbar für die gewünschte Neubildung der Anthelixfalte und damit für die gewünschte Reklination der Ohrmuschel. Ohren mit sehr gering oder gar nicht ausgebildeten Anthelixfalten und zudem noch dickerem Ohrknorpel machen eine umfangreichere Freilegung der Knorpelvorderfläche zur Korrektur erforderlich [1]. Die ausreichend lange Inzision wird an der Ohrmuschelhinterfläche, nicht im Sulcus platziert. Der Ohrknorpel sollte bis auf das Perichondrium freigelegt werden, ohne dieses zu verletzen. Die Mobilisierung der Subkutis erfolgt bis zum Beginn der Wölbung in die normalerweise vorhandene Helix (Abb. 3.8). Am Scapha-Helix-Übergang wird der Ohrknorpel beginnend am oberen Ohrpol bis zur Cauda helicis durchtrennt, ohne die Haut an der Vorderfläche des Ohres zu verletzen (Abb. 3.9).
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KAPITEL 3
Knorpelinzision am Scapha/Helixübergang
Knorpelhinterfläche
Abb. 3.8. Präparation nach retroaurikulärer Inzision auf der Ohrmuschel Abb. 3.10. Präparation und Ritzung der Knorpelvorderfläche 䉴
Mit einer Schere oder einem Raspatorium wird die Knorpelvorderfläche vorsichtig, ggf. bis in die Koncha und bis zum Crus inferior der Anthelix, je nach Ausprägungsgrad der Anthelix, ohne Verletzung des Perichondriums freigelegt. Präoperativ auf die Haut aufgetragene farbliche Markierungen können bei der Präparation orientierend hilfreich sein. Mit dem Skalpell wird nun das Perichondrium der Knorpelvorderseite in Verlaufsrichtung der neu zu bildenden Anthelixfalte, beginnend am oberen Ende des Crus superior bis zum Antitragus, ohne das Skalpell abzusetzen, inzidiert. In geringem Abstand zueinander werden auf diese Weise mehrere parallele Inzisionen angelegt (Abb. 3.10). Gegebenenfalls erfolgen auch gleichartige Inzisionen über dem Crus inferior der Anthelix. Ist der Ohrknorpel sehr dick, reichen Perichondriuminzisionen häufig jedoch nicht aus. Die Inzisionen müssen dann tiefer in die Knorpelvorderfläche erfolgen, bis sich die gewünschte Wölbung der Anthelixfalte „wie von selbst“ ausbildet. Auch hier sollte die Reklination des Ohrknorpels bereits intraoperativ sichtbar werden. Zu tiefe und zu viele Inzi-
Abb. 3.9. Knorpelinzision dorsal
Knorpelritzung im Crus superior der Anthelix
Knorpelritzung im Crus inferior der Anthelix
Scapavorderfläche
Cavum Conchae Knorpelritzung über der neuen Anthelix
Antitragus
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sionen können zu einer zu starken Reklination des Ohres führen, an dieser Stelle sind Übung und Erfahrung erforderlich. Eine kräftig ausgeprägte Helixfalte im oberen Ohrpol kann gelegentlich die Reklination der Ohrmuschel trotz ausreichender Knorpelritzung behindern. In diesen Fällen kann nur die subkutane vollständige Durchtrennung der Helix am oberen Pol das gewünschte Ergebnis erzielen. Die hierdurch gelegentlich entstehende und auch sichtbare Kante in der Helix muss akzeptiert werden. Um ein dauerhaftes Anlegeergebnis zu erreichen, muss sich die Ohrmuschel bereits intraoperativ spannungsfrei reklinieren. Nach sorgfältiger Blutstillung werden die Knorpelränder aneinandergelegt ohne diese zu nähen. Eine Hautresektion an der Ohrhinterfläche ist nur erforderlich, wenn diese bei der neuerlichen Reklination der Ohrmuschel im Überschuss vorhanden ist. Der Wundverschluss erfolgt mit fortlaufender Naht. Das Einlegen einer Drainage ist bei guter Blutstillung nicht notwendig. Nach der Operation sollte die Haut der Ohrmuschel an der Vorderseite des Ohrknorpels gut anliegen, dieses wird mit Öl getränkter Watte erreicht. Ein zusätzlicher Watteverband schützt die Ohrmuschel vor zu starkem Druck durch den abschließenden Kopfverband.
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a
3.2.2 Operatives Vorgehen bei zu großer Koncha oder in kombinierten Fällen Bei abstehenden Ohren mit zu großer Koncha und einem „normalen“ Scapha-Koncha-Winkel von etwa 90° genügt es letztlich nicht, die Anthelixfalte lediglich zu verstärken. Mit der zuvor beschriebenen Anlegetechnik könnte das Ohr relativ angelegt erscheinen, jedoch würde die Betrachtung des Patienten in der Frontalansicht zeigen, dass die Anthelixfalte durch das starke Vorstehen der Koncha die Ohrhelix überragt. In der Frontalen sollte hingegen die Helix den äußersten Rand des Ohres bilden. Folglich muss in diesen Fällen eine Konchaverkleinerung, ggf. mit Verstärkung der Anthelixfalte, wie zuvor beschrieben durchgeführt werden (Abb. 3.11). Das Ausmaß der zu resezierenden Koncha wird an der Ohrvorderseite der Koncha auf der Haut markiert (Abb. 3.12). Die Resektion sollte spindelförmig erfolgen. Die Spindel hat je nach Größe der Koncha eine Länge von 1,5 bis 2 cm und eine Breite bis zu 0,5 cm. Die Markierung wird so gelegt, dass die äußere Resektionskante nicht in die Anthelixfalte fällt, sondern in geeignetem Abstand zu ihr ins Cavum conchae. Ein nicht im Sulcus gelegener, retroaurikulärer etwa 2 cm langer Schnitt genügt, um die Koncha an ihrer Hinterfläche darzustellen. Die Markierung an der Vorderfläche der Koncha wird genutzt, um von vorne nach hinten dünne Kanülen durch den Knorpel zu stechen. So wird die Markierung der Vor-
b Abb. 3.11. a 5-jähriges Mädchen mit großer Koncha und schwacher Anthelixfalte, prä- und postoperativ, b 3 Monate postoperativ, Konchareduktion und anteriore Ritzung. (Nach Stenström [13])
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KAPITEL 3
Markierungskanülen
Knorpelspindel
Knorpelspindel aus der Concha (Markierung auf der Haut)
Abb. 3.12. Knorpelresektat (Vorderansicht)
Abb. 3.13. Knorpelresektat (Rückansicht)
vorübergehende Hautfalte Einzelknopfnaht
Abb. 3.14. Knorpelnaht (resorbierbar)
Abb. 3.15. Vorübergehender Hautüberschuss ventral
KAPITEL 3
derseite auf die Rückseite des Knorpels übertragen (Abb. 3.13). Nachfolgend wird der Knorpel spindelförmig an der Rückseite durchtrennt, ohne die Haut der Vorderfläche der Koncha zu verletzen. Die Größe der resezierten Knorpelspindel sollte so bemessen sein, dass die damit erzielte Konchaverkleinerung ausreicht, um das Ohr genügend anzulegen. Dies muss präoperativ geschätzt werden. Ausgehend von den Knorpelresektionsrändern wird die Haut der Konchavorderfläche mit der Schere oder einem Raspatorium in der Umgebung der Resektionsränder mobilisiert, ohne diese zu verletzen. Nach sorgfältiger Blutstillung werden die Knorpelränder mit PDS-Nähten aneinandergelegt (Abb. 3.14). Eine sehr spitz auslaufende Spindelform der Knorpelresektion sorgt an dieser Stelle für eine möglichst spannungsarme Knorpelnaht. Der durch die Knorpelnaht an der Vorderseite der Koncha entstehende Hautüberschuss stellt sich in Form einer mehr oder weniger kleinen Hautfalte dar, welche innerhalb einiger Monate schrumpft und in der Regel weder als störend empfunden wird, noch nachträglich reseziert werden muss (Abb. 3.15). Auf diese Weise kann eine sichtbare Hautnarbe an der Vorderseite der Ohrmuschel vermieden werden. Der Anlegeeffekt nach erfolgter Koncharesektion ist unmittelbar nach der Operation zu erkennen. Sollte dieser nicht genügen, ist der Knorpel ggf. nachzuresezieren oder die Anthelixfalte wie zuvor beschrieben zu verstärken. Der Wundverschluss erfolgt ebenfalls analog.
Otoplastik
Literatur 1. Chongchet V (1963) A method of anthelix reconstruction. Br J Plast Surg 16: 268 2. Converse JM, Nigro A, Wilson FA, Johnson N (1955) A technique for surgical correction of lop ears. Plast Reconstr Surg 15: 411 3. Dieffenbach JF (1845) Die operative Chirurgie. Brockhaus, Leipzig 4.Ely ET (1881) An operation for prominence of the auricles. Arch Otolaryngol 10: 97 5. Erich JB (1958) Surgical treatment of protruding ears. Eye Ear Nose Throat Monthly 37: 390 6.Gibson T, Davis W (1958) The distortion of autogenous cartilage grafts: its cause and prevention. Br J Plast Surg 10: 257 7. Kaye BL (1967) Simplified method of correcting prominent ears. Plast Reconstr Surg 40: 44 8.Luckett WH (1910) A new operation for prominent ears based on the anatomy of the deformity. Surg Gynecol Obstet 10: 635 9.Matsuo K, Hirose T, Tomono T et al. (1984) Non surgical correction of congential auricular deformities in the early neonate. A preliminary report. Plast Reconstr Surg 73: 38 10. McEvitt WG (1947) The problem of the protruding ear. Plast Reconstr Surg 2: 481 11. Morestin H (1903) De la reposition et du plissement cosmétiques du pavillon de l’oreille. Rev Orthop 14: 289 12. Mustardé JC (1963) The correction of prominent ears using simple mattress sutures. Br J Plast Surg 16: 170 13. Stenström SJ (1963) A „natural“ technique for correction of congenitally prominent ears. Plast Reconstr Surg 32: 509 14. Tanzer (1962) The correction of prominent ears. Plast Reconstr Surg 30: 236–246
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III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 4
Erworbene Gesichtsdefekte
P. Kunert · J. Pasel · A. Berger
Inhalt 4.1 Allgemeines 4.1 4.1.1
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . 4.1.1.2 Ästhetische Prinzipien . . . . . . . 4.1.2 Epidemiologie und Ätiologie . . . . . . . . 4.1.3 Prinzipien der Diagnostik . . . . . . . . . . 4.1.3.1 Evaluierung der Gesichtsverletzung. . . . . . . . . 4.1.3.2 Evaluierung des Gesichtsdefektes nach Tumorbefall. . . . . . . . . . 4.1.4 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5 Prinzipien der Therapie . . . . . . . . . . . 4.1.5.1 Vorüberlegungen und Indikationsstellung. . . . . . . . . 4.1.5.2 Differentialtherapie . . . . . . . . 4.1.5.3 Postoperative Nachsorge . . . . . 4.1.6 Risiken und Komplikationen. . . . . . . . . 4.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Technik der intermaxillaren Verdrahtung. . 4.2.2 Technik der Osteosynthese bei Mittelgesichtsfrakturen . . . . . . . . . 4.2.3 Technik der knöchernen Rekonstruktion im Orbitabereich . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
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. 65 . 65 . 65 . 65 . . . . . .
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4.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie Defekte im Gesicht haben neben ihrer funktionellen Beeinträchtigung einen hohen Entstellungswert. Die soziale Reintegration kann nur möglich sein, wenn das operative Ergebnis eines Defektverschlusses ästhetisch unauffällig ist. In diesem Kapitel werden die in der Anatomie des Gesichtes vorgegebenen Gesetzmäßigkeiten aufgezeigt und das Handwerkszeug vermittelt, mit dessen Hilfe Defekte so verschlossen werden können, dass die Ergebnisse ästhetisch befriedigend sind. (s. auch Bd. I, Kap. 13, 16, Abschn. 17.1.1).
! Im Gesicht ist die ästhetische Wiederherstellung der funktionalen Wiederherstellung gleichwertig.
4.1.1.2 Ästhetische Prinzipien . 92 . 92 . 93
Um ein ästhetisch befriedigendes Ergebnis zu erreichen, müssen 4 anatomische Qualitäten berücksichtigt werden: ∑ ∑ ∑ ∑
die Mimik, die vegetativ gesteuerte Durchblutung, die Gesichtsfelderung, die RST-Linien („relaxed skin tension“) nach Borges ([3]; Hautspannungslinien).
Mimik Feine vertikale fasziale Strukturen zwischen Haut und Gesichtsmuskulatur definieren die Vielfalt mimischer Äußerungen. Diese septalen Strukturverbindungen gehen verloren, wenn Defekte mit Fernlappen gedeckt werden. Ähnliche vertikale, fasziale Strukturen sind nur im Bereich der Hohlhand und der Fußsohle zu finden. Diese Bereiche kommen aber als Spendergebiet nicht in Betracht. Deshalb hat die lokale Hautverschiebung bei der Deckung von Gesichtsdefekten absolute Priorität.
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Vegetative Durchblutungssteuerung Erröten und Erbleichen sind Ausdrucksmittel des Gesichtes, die über vegetativ gesteuerte Durchblutungsschwankungen aktiviert werden. Beim Einsatz von Fernlappen, aber auch bei Spalt- oder Vollhauttransplantationen geht diese Qualität verloren, während sie bei einer lokalen Hautverschiebung erhalten bleibt.
Gesichtsfelderung Das Gesicht ist gegliedert in plane, konvexe oder konkave Flächen, die mit stumpfen oder spitzen Winkeln gegeneinander abgesetzt sind (Abb. 4.1 a). Narben, die in den Grenzlinien zwischen den Gesichtsfeldern liegen, sind sehr viel unauffälliger als Narben, die die Gesichtsfelder kreuzen. Das gleiche gilt für Narben die entlang der Haargrenzen verlaufen.
Hautspannungslinien Die Linien minimaler Hautspannung verlaufen im Gesicht vorwiegend im rechten Winkel zur Gesichtsmuskulatur (Abb. 4.1 b). Gelingt es bei einem Defektverschluss nicht, die resultierenden Narben so zu positionieren, dass sie in den Grenzlinien zwischen den Gesichtsfeldern laufen, ist ein paralleler Verlauf zu den Spannungslinien anzustreben. Sollte dies beim primären Defektverschluss nicht möglich sein, muss der Nar-
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Abb. 4.1. a Die Hautfelderung und ihre Grenzen, b die Hautspannungslinien
benverlauf sekundär durch eine W- oder Z-Plastik an die Spannungslinien angeglichen werden. Die Breite der Narben wird nicht nur durch ihren Verlauf, sondern auch durch die Zugspannung, die auf ihre Wundränder wirkt, bestimmt. Um diese zu beeinflussen, muss auf eine großzügige Lappenmobilisierung geachtet werden. Im Empfängerbereich sollte ausreichend Haut zur Verfügung steht, um eine Spannungsentwicklung im Narbenareal zu vermeiden.
4.1.2 Epidemiologie und Ätiologie Erworbene Gesichtsdefekte entstehen durch Verletzungen (z. B. Schnitte, Quetschungen, Schussverletzungen, Verbrühungen, Verbrennungen, Narben) oder durch gutartige und bösartige Tumoren. Bei Letzteren bedingt die Art des Tumors und sein mögliches Wachstum Größe und Ausmaß des chirurgischen oder durch Bestrahlung verursachten Gewebedefektes.
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4.1.3 Prinzipien der Diagnostik Die Diagnostik muss sich auf drei wichtige Informationen stützen, die Ätiologie, die Lokalisation und auf die Ausdehnung des Defektes in Breite und Tiefe.
4.1.3.1 Evaluierung der Gesichtsverletzung Die Ursache der Verletzung, sowie ihr Ausmaß nach Breite und Tiefe sind wesentliche Informationen für das therapeutische Vorgehen. Im Gesichtsbereich ist auch zusätzlich die Lokalisation zu berücksichtigen, aus der sich die Funktion und die notwendige ästhetische Wiederherstellung ergeben.
4.1.3.2 Evaluierung des Gesichtsdefektes nach Tumorbefall Um das lokale Ausmaß des Gesichtsdefektes evaluieren zu können, müssen die Art des Tumors, seine Ausdehnung und bei bösartigen Tumoren die Rezidivhäufigkeit sowie die lokale Ausbreitungstendenz, die tumorspezifisch auftritt, erfasst werden. Die internationalen Leitlinien (s. auch Bd. I, Kap. 15, 16) für die einzelnen Tumore müssen Beachtung finden.
4.1.4 Klassifikation Die vermittelten Techniken gelten in gleicher Weise für traumatische Läsionen und für Defekte nach Tumorexzisionen. Dabei sollte zwischen Läsionen der Oberflächenstrukturen (Haut, Fett) und der tieferen Strukturen (Muskel, Knorpel, Knochen, Schleimhaut) differenziert werden (s. auch Bd. I, Kap. 17). Die hier beschriebenen Gesetzmäßigkeiten finden natürlich auch bei umfangreichen Rekonstruktionen nach Trauma oder Tumorresektion ihre Anwendung. Insofern kann dieses Kapitel als Grundlage für alle Gesichtsrekonstruktionen dienen.
4.1.5 Prinzipien der Therapie Die Prinzipien der Therapie zur Behandlung erworbener Gesichtsdefekte beruhen auf den bereits beschriebenen anatomisch,ästhetisch (Mimik,vegetative Durchblutungssteuerung, Gesichtsfelderung, Hautspannungslinien) und ätiologisch bedingten Eigenschaften des zu behandelten Defektes.
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4.1.5.1 Vorüberlegungen und Indikationsstellung Neben der genauen Evaluierung des Defektes und der Planung eines Operationsverfahrens, dass zum bestmöglichen ästhetischen Resultat führen soll, muss auch eine exakte Aufklärung des Patienten erfolgen. Unter den verschiedenen plastisch-chirurgischen Möglichkeiten eines Defektverschlusses, sollte die gewählt werden, die sowohl der Sanierung des Defektes als auch dem ästhetischen Empfinden des Patienten und der Erfahrung des Operateurs entspricht.
Lokale Hautverschiebung im Gesicht Bezüglich der allgemeinen Prinzipien der Gewebetransposition wird auf Bd. I, Kap. 5 verwiesen. Bei der Deckung oberflächlicher Defekte im Gesicht kommen fast ausschließlich sog. subkutane Lappen mit retikulärer Gefäßversorgung zur Anwendung. Aufgrund der guten Blutversorgung der Gesichtshaut ist die Einbeziehung tieferer Gewebeschichten nicht erforderlich.
! Segmental versorgte Insellappen sind nur in Ausnah-
mefällen indiziert, da die zirkuläre Narbenbildung, bedingt durch ihre Schrumpfneigung, zu Konturunregelmäßigkeiten der Haut führt.
Axial vaskularisierte Lappen spielen bei der Deckung oberflächlicher Gesichtsdefekte mit Ausnahme der Brauenrekonstruktion keine Rolle.
Planung eines Defektverschlusses ! Die Kunst des ästhetischen Defektverschlusses ist die
individuelle Lösungsfindung für jeden Defekt, die die resultierenden Narben in den Gesichtsfeldergrenzen (1. Wahl) oder entlang der RST-Linien (2. Wahl) verlaufen lässt.
Während bei einem einfachen Wundverschluss die Wundränder durch ein aufeinander Zubewegen adaptiert werden, sind lokale Hautlappenplastiken durch das gegeneinander Schieben der Wundränder charakterisiert. Dadurch werden Winkel geöffnet und geschlossen. Diese geometrischen Gesetze gelten für Lappenvorformen, für einfache Lappen und für komplexe Lappenformen, wie sie in Abb. 4.2 aufgeführt und in Bd. I, Kap. 5 näher beschrieben sind. Vergleicht man die verschiedenen Lappenkonfigurationen der Abb. 4.2 mit den in Abb. 4.1 dargestellten ästhetischen Linien, wird deutlich, dass die einfachen Figuren der Lappenvorformen in ihren Narbenverläufen den ästhetischen Linien folgen und so am geeig-
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c Abb. 4.2. a Lappenvorstufen, b einfache Lappen, c komplexe Lappen
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netsten sind die ästhetischen Prinzipien zu wahren (Abb. 4.3). Es resultieren gradlinige oder gebogene Narbenverläufe, die lediglich an ihren Enden winkelig abweichen.
Drei Überlegungen für die Planung des ästhetischen Defektverschlusses ∑ Der Defekt muss in eine dreieckige möglichst spitzwinklige* Dreiecksfigur umgewandelt werden, sodass die lappenfernen Dreiecksseiten entlang der Feldergrenzen (1. Wahl) oder der RST-Linien verlaufen. ∑ Der von der Dreiecksbasis ausgehende Schnitt, der die distale Lappenbegrenzung bildet, muss entlang einer ästhetischen Hautlinie laufen. ∑ Die für den Längenausgleich notwendigen Gegenexzisionen müssen ebenfalls in unauffällige Narbenverläufe münden. * Je spitzwinkliger der zu verschließende dreieckige Defekt ist, umso geringer sind die Hautaufwerfungen im Spitzenbereich nach Defektverschluss.
Es ist erkennbar, dass die drei genannten Schritte voneinander abhängig sind und aufeinander abgestimmt werden sollten. Für den einzelnen Defekt sind unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten gegeben. Es entstehen Defekte, die eine optimale Lösung ermöglichen, und solche, bei denen ästhetisch befriedigende Ergebnisse nur partiell möglich sind.
Präparation eines Gesichtsdefektes Lappen können im Gesichtsbereich aufgrund der guten Durchblutungssituation der Haut etwas länger und schmaler als in anderen Körperabschnitten geplant und geschnitten werden. Dies gilt nur, wenn eine weitgehende Spannungsfreiheit gewährleistet ist. Die Endversorgung mobilisierter Hautabschnitte erfolgt über feine subdermale Gefäßplexus, die auf Druck und Zug empfindlich reagieren. Sollte eine Zugspannung nicht zu vermeiden sein, darf diese nur auf die proximalen Lappenabschnitte übertragen werden. Die distalen Abschnitte müssen spannungsfrei eingenäht werden, da die subdermalen Gefäßplexus dicht unter dem Korium laufen. Die distalen Lappenabschnitte benötigen eine Subkutanschicht von 1–2 mm Dicke. Wird mehr Fettgewebe in den Lappen präpariert verschlechtert sich die Hautdurchblutung, da der gesamte Gewebebereich versorgt werden muss. Treten trotz dünner Fettschicht Konturaufwerfungen auf, z. B. im Bereich der Nase oder
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im Bereich der Lider, darf die Lappenausdünnung erst in zweiter Sitzung erfolgen. Es sollte berücksichtigt werden, dass im Gesicht feines Nahtmaterial zur Anwendung kommt und Intrakutannähte vor Einzelknopfnäten den Vorrang haben. Für kleine Lappen benötigt man als Drainagen lediglich feingeschnittene Laschen, größere Lappen sollten mit Unterdruck drainiert werden.
Prinzipien der Wiederherstellung des Gesichtskeletts Bei einer Mitverletzung des Gesichtsskeletts ist es als erstes wichtig, durch eine exakte röntgenologische Untersuchung den Verlauf der Frakturlinien sowie ihren Bezug auf die anatomischen Gebiete im Gesichtsschädel festzustellen. Zur genauen Abklärung sind häufig zusätzliche spezielle Aufnahmen, wie z. B. Aufnahmen der Unterkiefer, axiale Schädelaufnahmen bei Verdacht auf Jochbein- und Mittelgesichtsfrakturen oder die Darstellung der Nasennebenhöhlen notwendig. Auch die Durchführung von Computertomographien ist oft sehr hilfreich. Die Klassifikation der Frakturen im Gesichtsschädelbereich wird nach den einzelnen Knochenbereichen vorgenommen (z. B. Stirne, Augenhöhlen, Oberund Unterkiefer, Jochbein). Die Rekonstruktion des knöchernen Gesichtsschädel sollte vor dem Defektverschluss des Weichteilbereichs erfolgen (Ausnahme: Polytrauma).
Die Techniken der Osteosynthese orientieren sich an den allgemeinen Prinzipien einer funktionsstabilen Osteosynthese (wie die AO empfiehlt). Besonders die Mini- und Mikroschrauben sowie die Mini- oder Mikroplatten sind nach heutigem Wissensstand die Materialien der Wahl. Die Rekonstruktion sollte so anatomisch wie möglich erfolgen. Die bei Tumoroperationen entstehenden Defekte sind meistens umschrieben und benötigen oftmals Knochentransplantate, die entweder aus dem Schädelknochenbereich selbst oder aus dem Beckenkamm entnommen werden können. Auch gefäßgestielte mikrochirurgisch übertragene Knochentransplantate können Verwendung finden, wie dies in Kap. 13 beschrieben wird.
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a
4.1.5.2 Differentialtherapie Die Vielfalt von Größe und Form möglicher Defekte, die komplexe Linienstruktur des Gesichtes sowie die Variations- und Kombinationsbreite lokaler Hautverschiebungen schließen eine erschöpfende Darstellung aus. Der spezielle Teil beschränkt sich auf bekannte und weniger bekannte klassische Lösungen für die verschiedenen Gesichtsbereiche. Sie öffnen den Blick für das grundlegende Vorgehen. Ihr Studium befähigt den Plastischen Chirurgen, eigene Lösungen für den individuellen Einzelfall zu finden. Abbildung 4.3 a, b zeigt zusammenfassend den „Werkzeugkasten“, mit dessen Hilfe Defekte im Gesicht ästhetisch befriedigend verschlossen werden können. Die Zeichnungen sind beispielhafte Strukturmodelle, die das Prinzip verdeutlichen. Sie bedürfen zur individuellen Anwendung der Berechnungen, die in Bd. I, Kap. 5 beschrieben sind.
Stirn, Schläfen Der Defektverschluss im Stirnbereich ist insofern problematisch, da die wesentlichen Grenzlinien sowie die Hautspannungslinien waagerecht und parallel zueinander verlaufen. Als Folge von Lappenplastiken entstehen aber immer winkelförmige Narben (andernfalls handelt
Abb. 4.3 a, b. Werkzeug der ästhetischen Defektdeckung im Gesicht, a einfache Hautverschiebungen, b Hautspannungslinien und Grenzlinien der Gesichtsfelder übereinander projiziert
Abb. 4.4. a–e Kraniale und kaudale Rotation für den mittleren 䉴 und lateralen Stirnabschnitt. f Defektdeckung im Stirnbereich durch Stirnrotation und zusätzliche Rotation der behaarten Kopfhaut und der Wange Abb. 4.4 d–f Seiten 70, 71
es sich nicht um Lappenplastiken), ein optimaler Lösungsansatz für den Stirnbereich kann daher nicht angeboten werden. Es sollte immer versucht werden, die Wundränder nach einer langgezogenen spindelförmigen Exzision durch Wundrandadaptation zu verschließen, im faltigen Altersgesicht ist dies durchaus möglich. Sollte eine Wundrandadaptation nicht möglich sein, lässt sich eine vertikale Narbenführungen im rechten Winkel zu den Hautspannungslinien nicht vermeiden (Abb. 4.4 a–f). Im Bedarfsfall müssen vertikale Narben sekundär durch W-Plastiken oder Z-Plastiken aufgelöst werden.
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f Abb. 4.4 d–f
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Abb. 4.5. Lappen für den medialen und lateralen Oberlidbereich
Lider, Brauen Defekte im Bereich der Oberlider können aufgrund des dort bestehenden Hautüberschusses häufig direkt verschlossen werden. Gelingt dies nicht, ist die Technik der Wahl bei oberflächlichen Defekten die Vollhauttransplantation. Optimale Ergebnisse für eine Transplantatentnahme bringt die Haut hinter dem Ohr. Sind bei tieferen Defekten Transpositionslappen von der Stirnmitte, der Nase oder dem Wangen- bzw. Schläfenbereich erforderlich, müssen die resultierenden Konturunregel-
mäßigkeiten durch sekundäre Entfettung der eingeheilten Hautlappen korrigiert werden (Abb. 4.5). Auch für eine Unterlidkorrektur zeigen Vollhauttransplantate aus dem Oberlid die besten Ergebnisse. In gleicher Weise sind für die medialen und lateralen Unterlidabschnitte gestielte Transpositionslappen aus dem Oberlid zu empfehlen. Zur Sicherung der Durchblutung sollten die Lappen muskulokutan, mit Abschnitten aus dem M. orbiculares entnommen werden. Bei langgezogenen Unterliddefekten kann aus dem Oberlid ein beiderseits gestielter muskulokutaner Brückenlappen
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Abb. 4.6. Lappen für den medialen und lateralen Unterlidbereich
präpariert und transponiert werden. Tiefgreifende Defekte im medialen Unterlidbereich sind durch Transpositionslappen aus der Grenzlinie zwischen Nasenrücken und Wange zu decken. Für das laterale Unterlid, aber auch für große, tiefgreifende Defekte des gesamten Unterlides ist die klassische Methode der große Rotationslappen aus den lateralen Wangenabschnitten angezeigt. Teil- oder Totaldefekte der Augenbrauen können durch einen an der A. temporalis gestielten und über ihren Verzweigungen gehobenen Insellappen aus der behaarten Haut rekonstruiert werden. Es empfiehlt sich,
den Verlauf der A. temporalis durch Ultraschallmessung zu markieren. Etwas unterhalb der Höhe des lateralen Augenwinkels wird die Arterie durch eine vertikale Inzision bis in den behaarten Hautbereich dargestellt. Hier kann die Insel in entsprechender Größe und Form präpariert werden. Für den gehobenen Lappen bildet man einen subkutaner Tunnel durch die Schläfenhaut bis zum Defektbereich, nachfolgend kann durch diesen die Insel transponiert werden (Abb. 4.6, 4.7).
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Abb. 4.7. a Lappen für den medialen Unterlidbereich, b große Wangenrotation für alle Unterlidabschnitte
Nase Alle Defekte im Nasenwurzelbereich lassen sich sehr gut durch Hautverschiebungen aus der kaudalen Stirnmitte, dem Bereich zwischen den Augenbrauen, verschließen (Abb. 4.8a). Defekte im seitlichen kaudalen Abschnitt des Nasenrückens können einfach durch eine Hautverschiebung entlang der Nasolabialfalte behoben werden. Die schematische Darstellung dieser Verschiebung ist in Abb. 4.8b dargestellt. Abbildung 4.9 zeigt die klas-
sischen Verschlusstechniken für den kranialen und kaudalen Nasenrücken. Defekte im Bereich der Nasenspitze lassen sich ebenso durch kraniokaudale Hautverschiebung decken (Abb. 4.10 a). Alternativ kommt hier der doppelblättrige Lappen in Betracht, wie ihn Abb. 4.10 b zeigt. Defekte im Bereich des Nasenflügels werden grundsätzlich durch Transpositionslappen aus der Nasolabialfalte verschlossen (Abb. 4.11 a). Bei größeren Defekten des Nasenflügels ergeben subkutan gestielte Insellappen
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Abb. 4.8. a Defektverschluss im Bereich der Nasenwurzel, b Defektverschluss des seitlichen Nasenrückens
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Abb. 4.9. a, b Lappen für den kranialen und kaudalen Nasenrücken, c in Kombination mit Wangenrotation
aus der Nasolabialfalte die bessere Konturierung (Abb. 4.11 b). Kleinere Defekte im Bereich des Nasenstegs lassen sich durch die kraniale Verschiebung eines subkutan gestielten Insellappens aus dem Filtrum verschließen. Für größere Defekte kommen langgestielte Insellappen aus der Nasolabialfalte in Betracht. Hierbei wird der proximale Anteil des Lappens deepithelisiert und subkutan zum Defekt geführt (Abb. 4.12).
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Abb. 4.10. Lappen für die Nasenspitze
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Abb. 4.11. Lappen für alle Bereiche des Nasenflügels. Muss die Grenzfläche des Nasenflügels gedeckt werden, ergibt ein Insellappen die beste Konturierung
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Abb. 4.12. Lappen für den Nasensteg. Insellappen aus dem Nasolabialbereich mit deepithelisiertem Stiel sind nur bei Stegsubstanzdefekten sinnvoll
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Abb. 4.13. Verschiedene Formen der Wangenrotationen
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Wangen Alle Defekte im Wangenbereich, soweit sie nicht zentral liegen, lassen sich ästhetisch befriedigend durch verschiedene Formen der Wangenrotation verschließen (Abb. 4.13 a–d, 4.14a–c). Um den Defekt randständig zu verlagern, empfiehlt es sich häufig, die notwendige dreieckige Exzision in Richtung Grenzlinie zu vergrößern. Problematisch ist die mediale kaudokraniale Rotation, wie sie in Abb. 4.13 b und 4.14 b aufgeführt wird.
! Um zu vermeiden, dass auf das Unterlid Zug ausgeübt wird, muss die kraniale Lappenspitze mindestens in Höhe des medialen Augenwinkels, am besten etwas darüber liegen.
Abb. 4.14 a–c. Beispiele für Wangenrotationen
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Lippe Bei den Lippendefekten differenziert man zwischen oberflächlichen und durchgreifenden (Fullthickness-) Defekten. Oberflächliche Defekte. Defekte im Bereich der medialen Oberlippe lassen sich elegant und unauffällig durch einfache Hautverschiebungen verschließen. Liegt der Defekt nasennah, ermöglicht die zusätzliche Hautexzision um den Nasenflügel eine Verschiebung der Oberlippenhaut von lateral nach medial. Schematisch entspricht dieser Fall der Abb. 4.15 a, c. Liegt der Defekt oberlippennah, lässt sich durch eine zusätzliche Exzision um den Nasenflügel die Haut der Wange von kranial nach kaudal verschieben (Abb. 4.15 b, d). Defekte im mittleren und lateralen Oberlippenanteile können durch Hautverschiebung um den Mundwinkel herum gedeckt werden.
! Hierbei muss sorgfältig auf Spannungsfreiheit geachtet werden, um eine Verziehung des Mundwinkels zu vermeiden (Abb. 4.16 a, b).
Abbildung 4.16 c zeigt die Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Techniken bei größeren Defekten. Kraniale Unterlippendefekte können in allen Bereichen durch eine seitliche Verschiebung mit Zusatzexzision aus der Nasolabialfalte verschlossen werden (Abb. 4.17 a). Für kaudale Unterlippendefekte bietet sich die Rotation der Haut um das Kinn herum an (Abb. 4.17 b). Zu Rekonstruktion von Defekten im Kinnbereich: Sie lassen sich häufig durch vertikale elliptische Exzisionen und Wundrandadaptation verschließen, da hier ein Hautüberschuss besteht. Größere Defekte können durch Transpositionslappen oder Brückenlappen aus dem medialen kranialen Halsabschnitt gedeckt werden. Durchgreifende Defekte. Ziel jeder Rekonstruktion muss es sein, die problemlose Nahrungsaufnahme, die Artikulation und die Mimik des Gesichtes zu erhalten. Einerseits wird das Problem der Funktionserhaltung umso größer, je größer der Defekt ist. Andererseits sind die Lippen aktiv und passiv dehnbar, sodass nie der gesamte Defekt in ganzer Länge rekonstruiert werden muss. Defekte bis zu einem Drittel der Ober- oder Unterlippe können durch einfache Wundrandadaptation verschlossen werden. Auch bei größeren Defekten kann die Rekonstruktion um ein Viertel der Lippenlänge reduziert werden. Die Klassifikation der Methoden angelehnt an die Größe des Defektes, wie sie Tabelle 4.1 dar-
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stellt, ist nicht als starre Zuordnung zu verstehen, sie wird relativiert durch die funktionserhaltende Potenz der einzelnen Methoden, die sehr unterschiedlich ist (Tabelle 4.2). Bei den Methoden nach Webster [22], Schuchardt [20] und Karapandzic [14] bleibt die Motorik und Sensibilität weitgehend erhalten. Auch die Techniken nach Abbé [1] und Estlander [7] führen nur zu einem geringen Funktionsausfall. Die Methode nach de Fries [9] dagegen zeigt größere sensible und motorische Einbußen. Die Techniken nach Gillies [10] und McGregor [18] sowie ihrer Varianten führen zum kompletten Funktionsausfall eines oder beider Mundhälften. Ihr Einsatz ist restriktiv auf die totalen Ober- oder Unterlippendefekte zu beschränken. Es ist zu berücksichtigen, dass der Einsatz der funktionserhaltenden Technik in Kombination mit einer Lippenspalterweiterung eine Kompromisslösung mit geringer Funktionseinbuße darstellt.
Abb. 4.15. a, c Verschluss medialer nasennaher Defekte durch 䉴 lateromediale Verschiebung aus der Oberlippe, b, d Defektdeckung im lippennahen medialen Oberlippenabschnitt durch kraniokaudale Verschiebung aus der Oberlippe. Lateromediale Verschiebung aus der Oberlippe Abb. 4.15 c, d Seite 86
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Abb. 4.16. a, b Lateromediale Hautverschiebung für Defekte an der Oberlippe, nur bei ausreichender Hautmobilisierung ist gewährleistet, dass es nicht zu Verziehungen im Lippenwinkel kommt. c Beispiel für in Lippenrot übergreifenden Defekt Abb. 4.16 c Seite 88
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c Abb. 4.16 c
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Abb. 4.17. Defektdeckungen im Unterlippenbereich
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Tabelle 4.1. Differentialtherapie der Lippendefekte in Abhängigkeit von der Defektlokalisation und -größe Lippe
Defektgröße
Mediale Defekte
Unterlippe
≤ 1/3
Drei-, und viereckige Exzision + direkter Verschluss
> 1/3
Schuchard oder Abbé
Estlander
≥ 1/2
Karapandzic oder Fries
Gillies/McGregor
1/1
Gillies/McGregor bilateral
≤ 1/3
Drei-, und viereckige Exzision + direkter Verschluss
> 1/3
Webster oder Abbé
Estlander
≥ 1/2
Abbé + Webster oder Fries
Estlander + Webster
1/1
Gillies oder Fernlappen
Oberlippe
Tabelle 4.2. Vergleich der Methoden zur Lippenrekonstruktion unter Erhaltung der Sensibilität und Motorik Methode
Sensibilität
Motorik
Direkte Exzision
Erhalten
Erhalten
Schuchardt
Erhalten
Erhalten
Abbé
Eingeschränkt
Nicht Erhalten
Estlander
Eingeschränkt
Nicht Erhalten
Karapandzic
Erhalten
Erhalten
Fries
Erhalten
Eingeschränkt
Gillies/McGregor
Nicht erhalten
Nicht erhalten
Bilat. Gillies/McGregor
Nicht erhalten
Nicht erhalten
Webster
Erhalten
Erhalten
Gillies/Wangenlappen
Nicht erhalten
Nicht erhalten
Laterale Defekte
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4.1.5.3 Postoperative Nachsorge 4.2 Spezielle Techniken Primärverbände müssen absolut druckfrei angelegt werden. Wegen der starken Schwellneigung im Gesicht empfiehlt sich frühzeitig die offene Wundbehandlung, um kühlende Applikationen zu ermöglichen.
4.2.1 Technik der intermaxillaren Verdrahtung
Bei Mittelgesichtsfrakturen, können nach Einrichtung der Frakturen, die Frakturlinien (nach LeFort, s. Ab! Frühzeitiges Entfernen des Nahtmaterials reduziert schn. 1.1) mit Verdrahtungen des Ober- und Unterkiefers stabilisiert werden. Bei dieser Technik werden im Oberdie Narbenbildung. und Unterkiefer entsprechende Metallbogen an den Bei Jugendlichen sind präventive Maßnahmen zur - Zähnen fixiert. Im nächsten Schritt werden dann der Vermeidung hypertropher Narbenbildung angezeigt Ober- und Unterkieferbogen mit Drahtschlingen miteinander stabil verbunden (Abb. 4.18). Diese Art von (s. Bd. I, Kap. 19). Osteosynthese bedarf aber einer besonderen Pflege, vor allem auch im Hinblick auf die Ernährung, da sie 4–6 Wochen aufrecht erhalten werden soll. Die offene 4.1.6 Risiken und Komplikationen Darstellung der Frakturlinien und eine Osteosynthese Bei traumatisch verursachten Gesichtsdefekten besteht mit Miniplatten ist der anatomisch bessere Weg, allerdas größte Risiko darin, dass bei der Evaluierung des dings ist eine Kombination der genannten Techniken bei Defektes die Ausdehnung und die Tiefe sowie zusätzli- Trümmerfrakturen notwendig. che Verletzungen nicht erkannt werden. Die im Gesichtsbereich normalerweise auftretenden, oft starken Blutungen und Schwellungen erschweren zusätzlich die genaue Erfassung des Defektes, vor allem müssen evtl. auftretende Läsionen im Bereich der Gesichtsnerven Beachtung finden. Bei Defekten nach einer Tumorresektion sollte wenn möglich, ohne die Radikalität zu beeinträchtigen, nach den in Abschn. 4.1.1.2 beschriebenen ästhetischen Prinzipien vorgegangen werden. Die Risiken, z. B. Nachblutungen, Hautnekrose, Ödem und evtl. intrakutane Hämatome müssen den Patienten mitgeteilt werden. In der Nachbehandlung ist daher eine adäquate und rasche Revision die Methode der Wahl. Bei Infektionen, die im Gesichtsbereich selten auftreten, ist ebenso eine unverzügliche Drainage des infizierten Gebietes notwendig. Dies bedeutet aber nicht, die gesamte Wunde zu öffnen und antibiotisch abzudecken. Komplikationen wie hypertrophe Narben und Keloide sind nicht immer zu vermeiden, können aber durch Einhaltung der bereits beschriebenen Techniken vermindert werden.
Abb. 4.18. Intermaxillare Fixation mit Drahtschlingen und Metallbogen bei Mittelgesichtsfrakturen
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Erworbene Gesichtsdefekte
KAPITEL 4
4.2.2 Technik der Osteosynthese bei Mittelgesichtsfrakturen Die exakte Evaluierung der Frakturen im Mittelgesicht ist eine der Grundlagen für die Wahl der Osteosynthese. Die Rekonstruktion nach den anatomischen Grundprinzipien ist die Voraussetzung für ein gutes Resultat und eine funktionelle Wiederherstellung des Bisses. Es empfiehlt sich Mini- oder Mikroplatten mit selbstschneidenden Schrauben (Abb. 4.19) zu verwenden. Für die, dem heutigen Stand der Behandlung entsprechend notwendigen Techniken sei auf diesbezügliche Fachbücher verwiesen [z. B. 12, 17].
4.2.3 Technik der knöchernen Rekonstruktion im Orbitabereich Frakturen der Orbita benötigen als erstes die Korrektur des Orbitarandes und anschließend die der Orbitawände. Es ist wichtig, gerade in diesem Bereich auf eine ästhetische Rekonstruktion zu achten. Die Position des Augapfels ist im Hinblick auf die ästhetischen sowie funktionellen Achsen und Achsenstellungen (Abb. 4.20) in das Behandlungskonzept aufzunehmen. Abb. 4.20 zeigt die anatomische Rekonstruktion des Gesichtsschädels, wobei als Osteosynthesematerial Miniplatten zu empfehlen sind. Bei ausgedehnteren Knochenverlusten können auch Knochentransplantate, z. B. vom Schädeldach notwendig werden.
Abb. 4.19. Mini- und Mikroplattenosteosynthese mit selbstschneidenden Schrauben
Abb. 4.20. Rekonstruktion im Orbitabereich mit Verdrahtungen oder Miniplatten
KAPITEL 4
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93
III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 5
Skalpdefekte
R. Hierner · K. Busch
Inhalt 5.1 Allgemeines 5.1 5.1.1
Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . . 95 5.1.1.1 Topographie des Weichteilgewebes und des knöchernen Schädels. . . 96 5.1.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 5.1.3 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 5.1.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 5.1.4.1 Präoperative Vorbereitung . . . . . 104 5.1.4.2 Débridement . . . . . . . . . . . . 104 5.1.4.3 Grundprinzipien der Rekonstruktion . . . . . . . . . . . 108 5.1.4.4 Differentialtherapie. . . . . . . . . 108 5.1.4.5 Postoperative Nachsorge . . . . . 116 5.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . 118 5.2.1 Spalthautdeckung . . . . . . . . . . . . . . 118 5.2.2 Lokale Skalplappenplastiken. . . . . . . . . 118 5.2.3 „Three-scalp-expansile-flap“ nach Orticochea. . . . . . . . . . . . . . . . 121 5.2.4 Hautexpander . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 5.2.5 A.-temporalis-superficialis-Lappenplastik nach Juri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 5.2.6 Freie mikrovaskuläre Lappenplastiken . . . 122 5.2.7 Skalpreplantation . . . . . . . . . . . . . . . 122 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
5.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie Die Kopfschwarte (Skalp) ist eine spezialisierte Region der Körperoberfläche, die die Schädelkalotte bedeckt. Sie ist charakterisiert durch ihre Festigkeit und den dichten Haarwuchs (Abb. 5.1). An keiner anderen Stelle des Integuments findet man ähnliche Haarwuchscharakteristika. Die Funktion der Kopfschwarte besteht in der Wärmeregulation („einen roten Kopf bekommen“) und der nonverbalen Kommunikation („die Haare stehen zu Berge“). Die soziale Funktion des Kopfes drückt sich vor allem im haartragenden Anteil der Kopfhaut aus. Haarmoden spiegeln die gesellschaftliche Stellung wieder (z. B. weiße Perücken an den Königshöfen oder zu Gericht). Der haartragende Teil der Kopfhaut ist auch eine „Ausstellungsfläche“ für Wohlstand (z. B. kostbarer Haarschmuck).
Abb. 5.1. Begrenzung des Skalps 䉲
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Skalpdefekte
KAPITEL 5
Tabelle 5.1. Topographie und chirurgische Bedeutung des Weichteil- und Knochengewebes des Schädels Schicht
Chirurgisches Vorgehen
Haut
Kopfhaut: Hautinzision parallel zu den Haarfollikeln Haaransatz: Hautinzision schräg, entgegen der Haarwuchsrichtung
Subkutanes Gewebe
Präoperative Infiltration mit 0,9 % NaCl mit Zusatz von Vasokonstriktiva (1 : 200 000) Der Druck des Fingers des Assistenten auf der einen Seite der Inzision und des Operateurs auf der anderen reduziert die Blutung während der Inzision Gebrauch von Raney-Clips oder fortlaufender Slik-locking-Naht entlang der Inzisionsränder Tiefe Galeanaht, Galea und subkutanes Gewebe fassend
Aponeurose/Muskel (Galea)
Querverlaufende Wunden neigen zum Klaffen (M. occipitofrontalis) Die Rigidität der Galea bietet ein hohes Maß an Schutz für die Lappen, die an der Kopf haut gehoben werden. Es wird verhindert, dass die Spannung auf die enthaltenden Blutgefäße übertragen wird, dadurch ist ein Wundverschluss unter Spannung möglich, der an jedem anderen Körperteil fatal wäre
Lockeres Bindegewebe
Chirurgische Schicht am Schädel Komplikationsschicht (Hämatom) Da die subgaleale Schicht nur wenige Gefäße enthält, ist es nicht notwendig, beim Delay von Lappen an der Kopfhaut den Lappen zu unterminieren und zu heben. Die Lappen müssen lediglich umschnitten und wiedervernäht werden, da keine Blutversorgung aus der Tiefe erfolgt
Perikranium (Periost) – Stratum fibrosum – Stratum germinativum
Individuelle Blutversorgung Lockere Verbindung des Stratum fibrosum bei Kindern (Zephalohämatom)
Calvaria-Knochen – Tabula externa – Diploe
Vv. diploe (extra- und intrakranialer Blutfluss)
Tabula interna – Stratum germinativum – Stratum fibrosum Periosteum Dura mater Arachnoidea Pia mater Kortex
5.1.1.1 Topographie des Weichteilgewebes und des knöchernen Schädels Die Kopfhaut ist die dickste Haut des Körpers. Temporal und im Stirnbereich ähnelt sie der Grundstruktur des Skalp, sie unterscheidet sich allerdings im Detail. Die Kopfschwarte setzt sich aus 5 Schichten zusammen, die sich aus dem englischen Begriff „scalp“ ableiten lassen: Kutis/Skin, Unterhautfett/subcutaneous fat, Galea Aponeurose, lockeres Bindegewebe/loose connective tissue und Periost, Tabelle 5.1). Die Haut (Epidermis und Dermis) selbst ist relativ dick und enthält Haarfollikel. Die Haarfollikel reichen bis in das subkutane Fettgewebe und können, bei der Hebung von Hautlappen, leicht verletzt werden. Die
Richtung des Haarwuchses variiert auf der ganzen Kopfhaut, dies ist bei chirurgischen Eingriffen unbedingt zu beachten (s. Kap. 6). Die Follikel stehen nicht rechtwinklig zur Hautoberfläche, sondern treffen sie in einem bestimmten Winkel. Chirurgische Inzisionen an der behaarten Kopfhaut sollten parallel zu der Wuchsrichtung der Haarfollikel durchgeführt werden, um diese zu schonen (Abb.5.2 a).In Arealen,in denen die Wuchsrichtung variiert, ist Sorgfalt zu wahren, um die Schnittrichtung festzulegen. An der Haargrenze (Abb. 5.2 b) sollten die Inzisionen schräg entgegen der Richtung der Haarfollikel gewählt werden, um einen Haarwuchs trotz der Inzision zu ermöglichen (Abb. 5.2 c).
KAPITEL 5
Skalpdefekte
Inzision parallel zum Winkel der Haarfollikel
a Skalp
Abb. 5.3. Manueller Druck auf beide Wundränder, um die Blutung zu reduzieren. (Manöver nach McGregor [23])
Inzision
b Haargrenze
Narbe
c Haargrenze
Abb. 5.2 a–c. Hautinzisionen am Skalp. a Inzisionen in der behaarten Kopfhaut, b Inzisionen an der Haargrenze, c Haarwuchs durch eine Narbe
Die männliche Haarlinie weicht temporal charakteristisch zurück und hat einen bestimmten Schläfenpunkt. Bei fortschreitendem Haarverlust wird dieses temporale Zurückweichen deutlicher, der Schläfenpunkt verliert sich, und das Haar beginnt auf dem Scheitel auszufallen. Unmittelbar unter der Epidermis und der Dermis liegt das feste, dichte und gut vaskularisierte Subkutangewebe. Die Subkutis enthält einen kräftigen Gefäßplexus. Aufgrund der vielen fibrösen Septen verschließen sich die Gefäße schlecht und die Kopfhaut blutet bei einer Verletzung außergewöhnlich stark. Um eine Blutung zu stillen, können verschiedene chirurgische Techniken angewendet werden: ∑ Präoperative Infiltration mit 0,9 %iger NaCl-Lösung versetzt mit Vasokonstriktiva (1 : 200 000), ∑ Druck durch den Finger des Assistenten auf der einen Seite der Inzision und des Chirurgen auf der anderen Seite reduziert die Blutung während der Inzision (Manöver nach McGregor [23], Abb. 5.3), ∑ Raney-Clips oder eine fortlaufende Locking-Naht entlang der Wundränder, ∑ eine tiefgreifende Galeanaht, Galea und Subkutis fassend.
Die Galea aponeurotica spannt sich wie eine sehnige Platte über das Schädeldach. In ihre Sehnenfläche strahlen von der Stirn, von der Schläfe und vom Hinterhaupt mimische Muskeln ein, die in ihrer Gesamtheit als M. epicranius bezeichnet und durch den N. facialis innerviert werden. Der M. occipitofrontalis zieht mit dem Venter frontalis (M. frontalis) aus der Gegend der Augenbraue sowie der Glabella und mit dem Venter occipitalis (M. occipitalis) von der Linea nuchea suprema zur Zentralsehne (Abb. 5.4). Der Muskel vermag die Kopf-
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98
Skalpdefekte
M. temporoparietalis
KAPITEL 5
Galea aponeurotica Fascia temporalis M. occipitofrontalis, venter frontalis
M. auricularis superior
M. occipitofrontalis venter occipitalis
M. orbicularis oculi M. auricularis anterior
M. auricularis posterior
haut zu verschieben. Sein vorderer Bauch kann die Brauen heben und die Stirn „falten“, der hintere Bauch glättet die Stirn. Durch diese antagonistisch arbeitenden Muskeln wird die Galea fest über die Schädeldecke gezogen.
! Daraus resultiert,dass quer verlaufende Inzisionen auf
der Kopfhaut dazu neigen, stark auseinander zu weichen, dies sollte bei Exzisionen auf der Kopfhaut oder bei der Lappenplanung immer bedacht werden.
Der M. temporoparietalis (Temporal-parietal-Faszie oder Superfizial-temporal-Faszie oder SMAS, „superficial musculo-aponeurotic system“) zieht aus der Schläfenregion zur Galea. Sein hinterer Anteil wird als M. auricularis superior besonders benannt und heftet sich an der Rückseite der Ohrmuschel an. Zentral, wo der Schädelknochen direkt durch das Perikranium bedeckt ist, sind die oberflächliche Faszie und die Galea besonders fest und undehnbar. Aus dieser Kombination ergibt sich ein hohes Maß an Rigidität, diese ist beachtlich größer als die des sonstigen Weichteilgewebes. Die Rigidität der Galea bietet ein hohes Maß an Schutz für die Lappen, die an der Kopfhaut gehoben werden, da verhindert wird, dass sich die Spannung auf die Blutgefäße überträgt.Dadurch ist ein Wundverschluss unter gewissen Spannungsverhältnissen möglich. Diese würde an jedem an-
Abb. 5.4. Schematische Darstellung des M. epicranius
deren Körperteil zu einer Beeinträchtigung der Lappenperfusion führen. Die subgaleale Schicht, eine lockere Bindegewebsschicht, trennt die muskuloaponeurotische Schicht der Galea und das Perikranium. Der subaponeurotische Verschiebespalt erstreckt sich über das ganze Schädeldach und endet dort, wo die Kopfweichteile am Periost (Perikranium) fixiert sind, am Oberrand der Orbita, am Jochbogen und an der Protuberantia occipitalis externa. Diese Verschiebeschicht ist äußerst gefäßarm. Präparationen in dieser Schicht sind dementsprechend blutarm (Abb. 5.5). Auf der anderen Seite breiten sich Blutungen und Ergüsse in der subgalealen Schicht flächenhaft aus, da die Galea einen Druck auf die Flüssigkeitsansammlung ausübt (Gefahr der raschen Ausbreitung von Infektionen).
! Da die subgaleale Schicht nur wenige Gefäße enthält, ist es nicht notwendig, beim Delay von Lappen an der Kopfhaut den Lappen zu unterminieren und zu heben, die Lappen müssen lediglich umschnitten und wiedervernäht werden, da keine Blutversorgung aus der Tiefe erfolgt.
KAPITEL 5
Skalpdefekte
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Vv. temporales superficiales Sinus sagittalis sup.
V. supratrochlearis V. supra-orbitalis
Sinus rectus
V. nasofrontalis
Confluens sinuum
Vv. nasales externae Vv. palpebrales superiores et inferiores
V. diploica occipitalis Sinus sigmoideus V. occipitalis
V. angularis
V. emissaria mastoidea Plexus venosus occipitalis
V. facialis
a
Epidermis Subcutis Sutura sagittalis subaponeurotischer Verschiebespalt Galea aponeurotica V. emissaria parietalis im Foramen parietale
Dermis
Pericranium V. diploica in einem Canalis diploicus Lamina externa des Os parietale
Kopfschwarte
Diploe Lamina interna des Os parietale
Granulationes arachnoidales periostales und meningeales Blatt der Dura mater encephali
Pia mater encephali Lacuna lateralis des Sinus sagittalis superior
Arachnoidea und Cavitas subarachnoidalis
Sinus sagittalis superior Cortex cerebri
b
Falx cerebri
V. cerebri superior
Abb. 5.5 a, b. Venöse Blutversorgung der Kopfhaut. a Ansicht von lateral, b Querschnitt durch Weichteilgewebe und Knochen (Vv. diploicae bilden eine Verbindung zwischen dem intrakraniellen und dem extrakraniellen oberflächlichen Venensystem des Skalps)
100
Skalpdefekte
KAPITEL 5
A. et V. temporalis superficialis lockeres Bindegewebe (Ramus anterior) N. auriculotemporalis Fascia temporalis superficialis oberflächliche Arkaden zur Galea aponeurotica Haut Arterien, die die Fascia temporalis Fascia A. et V. temporalis superficialis superficialis perforieren temporalis profunda (rami anteriores) M. temporalis M. frontalis A. temporalis superficialis (ramus posterior)
N. et A. supraorbitalis
N. facialis, ramus temporalis
N. et A. supratrochlearis
M. temporalis ramus mandibularis N. facialis, ramus temporalis
M. occipitalis
Processus zygomaticus
N. occipitalis major A. occipitalis
A. temporalis medialis
N. occipitalis minor M. semispinalis capitis
A. facialis transversa
N. auricularis magnus
N. facialis Gl. parotidea M. stylohyoideus M. digastricus
a
Ramus mandibulae
A. zygomaticoorbitalis
b
A. carotis M. trapezius M. sternocleidomastoideus
Das Periost (Perikranium) überzieht das Schädeldach und ist aus zwei Lagen aufgebaut, dem Stratum fibrosum und dem Stratum germinativum. Beim Kind haftet das äußere Periostblatt (Stratum fibrosum) relativ locker am darunter liegenden Knochen an und kann bei Gewalteinwirkungen abgehoben werden (subperiostale Blutungen, Kephalhämatom). Das Schädeldach ist im Durchschnitt 5 mm dick. Davon entfallen 1,5 mm auf die äußere kompakte Knochenschicht, Lamina (oder Tabula) externa und 0,5 mm auf die gleichfalls kompakte Lamina (oder Tabula) interna. Beide Schichten fassen eine spongiöse Knochensubstanz, Diploe, zwischen sich, deren Maschenräume rotes Knochenmark enthalten (Abb. 5.6). Das knöcherne Schädeldach ist in begrenztem Maß elastisch verformbar. Bei umschriebener Gewalteinwirkung kann die Lamina interna splittern, während die Lamina externa intakt bleibt. Durch die Diploe ziehen in weiten Kanälen, Canales diploici, zahlreiche Vv. diploicae. Die Innenseite des knöchernen Schädeldaches (Calvaria) wird ebenfalls von Periost überkleidet. Im Laufe der Ontogenese verschmilzt es mit der harten Hirnhaut (Dura mater) zu einer makroskopisch einheitlichen,
Abb. 5.6 a, b. Topographie des Weichteilgewebes der Temporalregion. a Ansicht von lateral, b Schnittanatomie frontal
derben Schicht (Abb. 5.5). Beim Abheben der Schädelkalotte während der Sektion löst sich beim Erwachsenen der Knochen leicht von der Dura mater. Bei Kindern ist die Trennung des Knochens von der Dura kaum möglich, da die angrenzende Periostschicht, das Stratum germinativum, noch Knochen produziert und daher mit dem angelagerten Knochen eng verbunden bleibt.
Die Dura spielt vor dem Verschluss der Schädelnaht, solange die Schädelknochen noch verschiebbar sind, eine wichtige Rolle als einheitliches Halte- und Verspannungssystem des Schädeldaches. In der Temporalregion,in der der Knochen durch den M. temporalis bedeckt wird, ist die Galea dünner und dehnbarer und verschmilzt unterhalb mit der Temporoparietal-Faszie und der kranialen Ausdehnung des SMAS. Beide haben einen gemeinsamen Ansatz am
KAPITEL 5
Skalpdefekte
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a
b
A. supratrochlearis
A. supraorbitalis
A. temporalis superficialis, ramus anterior A. temporalis superficialis, ramus posterior
A. auricularis posterior
d
A.occipitalis
c
Abb. 5.7 a–d. Arterielle Blutversorgung der Kopfhaut. a Ansicht von frontal, b Ansicht von lateral, c Ansicht von parietal, d Ansicht von okzipital
102
Skalpdefekte
Jochbogen. In dieser Region ändert sich die Lage der chirurgischen Schicht. Sie liegt dann nicht mehr zwischen der Galea und dem Perikranium sondern zwischen der Galea und der Temporalisfaszie. Eine weitere Schicht findet sich zwischen dem M. temporalis und der Fascia temporalis. Diese chirurgische Schicht wird allerdings nur genutzt, wenn der Verdacht besteht, dass ein Tumor die Grenze zwischen Galea und Faszie überschritten hat und die Faszie resiziert werden muss (Abb. 5.6).
Vaskularisation Die Kopfhaut erhält ihre Blutzufuhr aus fünf paarigen Gefäßsystemen. Die paarigen Aa. temporales superficiale (anteriore präaurikuläre Kopfhaut) und die paarigen Aa. occipitales (posteriore Kopfhaut) dienen der dominanten Blutzufuhr. Das postaurikuläre (postaurikuläre Kopfhaut), das supratrochleare und das supraorbitale (anteriore zentrale Kopfhaut) Gefäßnetz bilden das untergeordnete System. Die Arterien sind auf die bindegewebige Schicht (superfizielle Faszie) zwischen der Galea (muskuloaponeurotische Schicht) und die Haut beschränkt. Hier formen die Gefäße ein ausgiebiges Netzwerk mit einer Vielzahl von Anastomosen sowohl zwischen Gefäßen derselben als auch der kontralateralen Seite. Diese spezielle Durchblutungssituation erklärt auch, dass ein Random-pattern-Lappen mit einem LängenBreiten-Verhältnis von 3:1 oder eine nahezu komplette Skalpierungsverletzung, mit nur noch einem zuführenden Gefäß überleben kann.
KAPITEL 5
kranium. Das Gefäß ist etwa 4 cm lang und hat einen Außendurchmesser von 2,5 mm (Abb. 5.7 a, c) Die A. auricularis posterior entsteht gemeinsam entweder mit der A. occipitalis oder der A. temporalis superficialis, bzw. direkt aus der A. carotis externa. Der okzipitale Ast verläuft über den M. sternocleidomastoideus und tritt retroaurikulär in die Schädelhaut. Der Stiel ist 3 cm lang und hat einen Außendurchmesser von etwa 0,5 mm (Abb. 5.7 a, c). Die A. supratrochlearis, ein Endast der A. ophthalmica, verlässt die Orbita im medialen Augenwinkel und verläuft durch den M.frontalis.Der Ast ist etwa 3 cm lang und hat einen Außendurchmesser von etwa 1 mm (Abb. 5.7 a, b). Die A. supraorbitalis (oberflächlicher Ast), ebenfalls ein Ast der A. ophthalmica, tritt durch das Foramen supraorbiculare unterhalb des M. frontalis und verläuft über das anteriore Epikranium. Der Ast ist 4 cm lang und hat einen Außendurchmesser von etwa 1 mm (Abb. 6.7 a, b). Der venöse Abfluss aus der Kopfhaut wird durch die Vv. comitantes, die den 5 paarigen arteriellen Gefäßsystemen folgen, gewährleistet. Die oberflächlichen Venen kommunizieren mit den Vv. diploicae. Die Vv. diploicae ihrerseits stehen mit venösen Blutleitern des Schädelinneren in Verbindung (Abb. 5.5 a, b).
! Die Vv. diploicae sind zusätzliche Abflusswege für das
Blut in die Hirnvenen bei Rückstauung.Sie haben aber auch als Ausbreitungswege für Infektionen aus den Kopfweichteilen in das Schädelinnere Bedeutung.
Innervation Das Gefäßnetzwerk des Skalps ist unabhängig von der Gefäßversorgung der Schädelhöhle. Die einzigen Gefäße, die regelmäßig die Grenze zwischen dem Schädel und der Kopfhaut überschreiten, sind zwei Venen auf jeder Seite am Mastoid und parietal.
Die A. temporalis superficialis ist die Endaufzweigung der A carotis externa, sie geht posterior des vertikalen Astes der A. mandibularis hervor und verläuft über den Processus zygomaticus des Os temporale. Die Arterie ist etwa 5 cm lang und hat einen Außendurchmesser von etwa 2,5 mm bevor sie sich in die Stirn und die parietalen Äste aufteilt, die oberhalb der superfiziellen Fascia temporoparietalis liegen. Beide Gefäßäste verlaufen dann in Richtung der Mittellinie des Schädels (s. Abb. 5.7). Die A. occipitalis ist ein dorsaler Ast der A. carotis externa und verläuft unter dem hinteren Bauch des M. digastricus, des M. sternocleidomastoideus, des M. splenius capitis und des M. longus capitis im Sulcus mastoideus des Schläfenbeins in und durch den M. occipitofrontalis, etwa 4 cm lateral der Protuberantia occipitalis. Die Arterie windet sich dann nach anterior über das Epi-
Die Muskulatur der muskuloaponeurotischen Schicht (M. epicranius) werden durch den temporalen Ast des N. facialis versorgt. Die sensible Innervation wird durch die Äste des N. ophthalmicus (V1) und durch die Äste des Plexus cervicalis (Abb. 5.8) sichergestellt. Die im Stirnbereich gelegenen Anteile der Kopfschwarte werden sensibel innerviert von den Ästen des N. ophthalmicus (V1). Der dünnere N. supratrochlearis (aus dem N. frontalis) zieht am inneren Augenwinkel stirnwärts und innerviert die medialen Anteile der Stirn und des anterioren Skalps. Der dickere N. supratrochlearis (ebenfalls aus dem N. frontalis) teilt sich unter dem Dach der Orbita in den R. medialis (durch die Incisura frontalis) und den R. lateralis (durch die Incisura supraorbitalis). Er innerviert die lateralen Anteile von Stirn und anteriorem Skalp. Die Haut im hinteren Schläfenbereich wird vom N. auriculotemporalis (aus dem N. mandibularis), der zwischen Ohrmuschel und A. temporalis superficialis scheitelwärts zieht und sich mit den Rr. temporales superficiales an der Haut der Schläfe ausbreitet, vor und kranial des
KAPITEL 5
Skalpdefekte
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anatomisches Hautnervenfeld d. N. ophtalmicus anatomisches Hautnervenfeld d. Rr. dorsales der Zervikalnerven
R. medialis d. N. supraorbitalis R. lateralis d. N. supraorbitalis N. supratrochlearis R. zygomaticotemporalis d. N. zygomaticus
N. auriculotemporalis N. occipitalis major anatomisches Hautnervenfeld d. N. vagus
anatomisches Hautnervenfeld d. N. maxillaris
N. occipitalis minor anatomisches Hautnervenfeld d. N. mandibularis
anatomisches Hautnervenfeld d. Nerven d. Plexus cervicalis N. auricularis magnus
Abb.5.8. Sensible Innervation der Haut der Kopfschwarte (Ansicht von lateral)
Ohrs, innerviert. Hinter dem Ohr wird der Skalp durch den N. occipitalis minor (aus dem Plexus cervicalis) innerviert, der am Hinterrand des M. sternocleidomastoideus entlang kranialwärts zieht und sich an der seitlichen Hinterhauptsregion in zwei größere Äste aufteilt. An der Kopfschwarte des Hinterhauptes wird die Haut durch den N. occipitalis major (aus dem Plexus cervicalis) versorgt. Die Grenze zwischen dem Versorgungsgebiet des N. trigeminus und der Nn. occipitales verläuft vom Scheitel zum Ohr (Abb. 5.8).
5.1.2 Diagnostik Skalpdefekte können angeboren oder erworben sein. Angeborene Skalpdefekte sind selten und meistens mit weiteren Fehlbildungen vergesellschaftet. Die erworbenen Skalpdefekte entstehen häufig durch ein Trauma, einen Tumor oder einen Infekt. Traumatische Skalpdefekte sollten wie ein SchädelHirn-Trauma diagnostiziert werden. Die Erhebung des „Glasgow Coma Scale“ (GCS) und eine neurologische Basisuntersuchung sind obligat. Eine radiologische Diagnostik sollte ebenfalls immer erfolgen. Als Mindestfor-
derung gilt die Röntgenübersicht in a.-p.-Ansicht und der seitliche Strahlengang. Bei okzipitalen Defekten ist eine zusätzliche Projektion anzufertigen. Die Indikationsstellung zur kranialen Computertomographie (CCT) wird nicht einheitlich gesehen. Ein CCT ist zu fordern bei neurologischer Symptomatik und Frakturlinien im Verlauf der A. meningea media. Bei Skalpdefekten im Rahmen eines Tumor ist ein CCT zu fordern, wenn die Verschiebung des Skalps auf der Knochenoberfläche nicht mehr gewährleistet ist.
5.1.3 Klassifikation Im Hinblick auf die Rekonstruktion können Skalpdefekte klassifiziert werden, in Defekte < 3–5 cm Größe, > 5 cm und in subtotale oder totale Skalpdefekte.
Klassifikation der Skalpdefekte ∑ Defekte < 3–5 cm ∑ Defekte > 3–5 cm – Zentrale Region – Vordere Haarlinie – Temporale und okzipitale Haarlinie – Koteletten ∑ Subtotale und totale Skalpdefekte
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Skalpdefekte
Bei Defekten, die größer als 3–5 cm sind, können aufgrund der Lage des Defektes an der Kopfschwarte Probleme in der Lappenplanung auftreten. Die Defekte, die auf der sagittalen Ebene liegen, bieten eine große Fläche der Kopfschwarte, an der eine Lappenplastik geplant werden kann. Gleiches gilt für die anteriore Kopfschwarte oder die Okzipitale. Wenn aber der Defekt zentral, sowohl in der Sagittal- als auch in der Koronarebene liegt, ist mit Komplikationen zu rechnen, da die möglichen Stellen, an denen man eine Lappenplastik planen könnte, um den Defekt verteilt sind und nicht auf einer Seite des Defektes liegen. Daraus resultiert, dass keiner der in Frage kommenden Lappen groß genug ist, um den Defekt alleine zu decken. Die Lösung des Problems liegt häufig in der Planung bilateraler Lappenplastiken. Aufgrund ihrer ästhetischen Bedeutung werden Defekte an der Haargrenze als eine separate Einheit abgehandelt; hierbei muss differenziert werden zwischen Defekten an der vorderen Haargrenze, der okzipitalen Haargrenze und der Schläfenregion (s. Klassifikation der Skalpdefekte). Für die Einteilung der männlichen Alopezie stehen andere Klassifikationen zur Verfügung (s. Kap. 6).
5.1.4 Therapie 5.1.4.1 Präoperative Vorbereitung Bei der präoperativen Vorbereitung von Patienten mit Skalpdefekten müssen folgende Punkte beachtet werden: Eine vollständige Rasur der Haare ist indiziert im Rahmen einer neurochirurgischen Vorbereitung mit Eröffnung der Dura und/oder Rekonstruktion des knöchernen Schädeldachs. Darüber hinaus sollte eine vollständige Rasur durchgeführt werden, wenn es wichtig ist, Hautveränderungen (z. B. bei multiplen Hauttumoren) zu diagnostizieren. In allen anderen Fällen ist ein vollständiges Rasieren der Kopfhaut nicht notwendig. Für traumatisch bedingte Defekte hat es sich bewährt, die Haare um den Defekt etwa 0,5 cm breit zu rasieren. Für elektive Eingriffe wird ein mehrfaches Waschen der Haare mit Braunol empfohlen. Bleiben die Haare, ist es wichtig, am Ende der Operation Blut und Wundsekret so gut wie möglich mit z. B. steriler NaCl-Lösung zu entfernen. Die Lagerung des Patienten (bzw. des Kopfes) ist abhängig von der Art des Eingriffes. Für neurochirurgische Eingriffe ist häufig eine Lagerung in einer Kopfschale (sog. Horse-shoe-Lagerung) notwendig. Die meisten rekonstruktiven Eingriffe im Skalpbereich können entweder in Rücken- (frontale und parietale Defekte) oder Bauchlage (hochparietale und okzipitale Defekte) durchgeführt werden.
KAPITEL 5
Vor allem für große rekonstruktive Eingriffe hat es sich bewährt, den Kopf und den Gesichtsbereich (vor allem wichtig bei der Wiederherstellung der Haargrenzen) vollständig abzuwaschen. Bei Patienten mit längeren Haaren kann es hilfreich sein, Zöpfe zu flechten bzw. die Haare mit steriler Vaseline oder Instillagel aus dem Operationsbereich fernzuhalten.
5.1.4.2 Débridement Bei traumatisch bedingten Defekten erfolgt eine Entfernung von geschädigtem Gewebe durch die Resektion der Wundränder. Idealerweise entsteht eine glattrandige Verletzung. Im Rahmen der Tumorresektion sind durch die Exzisionsränder Schwierigkeiten in der Einschätzung zu erwarten, wie sie generell für die Gesichtshaut gelten. Jede Biopsie wird in die Exzision eingeschlossen (Abb. 5.9). Die Probleme der richtigen Resektionstiefe erklären sich durch den mehrschichtigen Aufbau des Weichteilgewebes über dem Schädelknochen, mit der Dura mater an seiner Innenseite, die das Gehirn bedeckt. Die entscheidende Schicht, bei deren Überschreiten durch einen Tumor sich das chirurgische Management grundlegend ändert, ist die lockere fibröse Schicht zwischen Galea und Perikranium, die sog.subaponeurotische Verschiebeschicht.
In der Schläfenregion findet sich dieses Problem weitaus seltener, aufgrund des zusätzlichen Muskelgewebes des M. temporalis. Um die Tumortiefe präoperativ festzulegen, ist eine sorgfältige Untersuchung das hilfreichste Mittel. Die Verschiebbarkeit des Tumors zur Unterlage ist ein deutliches Zeichen, dass das Perikranium nicht involviert ist. Eine scheinbare Fixierung des Tumors ist ein weniger deutliches Zeichen für eine knöcherne Beteiligung aufgrund der Festigkeit der Kopfschwarte. Radiologische Untersuchungen sind von untergeordneter Bedeutung, da zu diesem Zeitpunkt eine Infiltration des Knochens nachweisbar ist. Die klinischen Zeichen sind meistens eindeutig. Probleme entstehen, wenn die präoperative Beurteilung unklar ist und als provisorisch angesehen werden muss, dann verschafft erst der Befund des intraoperativ angefertigten Schnellschnitts Klarheit. Ein weiterer Test, der zusätzliche Informationen liefern kann, ist die Injektion von NaCl-Lösung in die Schicht zwischen Galea und Perikranium. Lässt sich die Kopfschwarte an der verdächtigen Stelle ballonieren, ist dies ein Zeichen für die fehlende Infiltration des Tumors in das darunter liegende Gewebe. Letzte Sicherheit verschafft aber erst der intraoperative Befund, wenn sich die Galea vom Perikranium lösen lässt.
KAPITEL 5
Abb. 5.9. Tumorresektion bei reiner Weichteilinfiltration der Kopfschwarte
Skalpdefekte
Abb. 5.10. Partielle Resektion der Tabula externa der Kalotte bei minimaler Knochenbeteiligung
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KAPITEL 5
Skalp In der Kopfschwarte wird die Resektion schichtweise durchgeführt, um die Tumorbeteiligung der einzelnen Schichten festzulegen, bis Klarheit über die Tumortiefe besteht. Durch dieses Vorgehen wird jede Schicht oberhalb der Grenzschicht zwischen Galea und Perikranium als eigene Einheit behandelt, sodass, auch wenn die Tumorinfiltration minimal ist, die komplette Tumordicke entfernt wird (s. Abb. 5.9). Der Defektverschluss kann durch lokale Lappenplastiken und/oder freie Hauttransplantation erzielt werden. Wenn das Perikranium durch den Tumor infiltriert ist, muss davon ausgegangen werden, dass auch eine Beteiligung, wenn auch minimal, der Tabula externa der Kalotte vorliegt und die Resektion mindestens bis zur Diploe vorgenommen werden muss (Abb. 5.10). Fällt die Entscheidung, die Resektion des Knochens auf den äußeren Kortex zu beschränken, wird der Bezirk in Rechtecke aufgeteilt, indem man kleine Schnitte mit einer Zahnarztsäge in die Kortikalis einbringt und den Knochen dann mit dem Osteotom reseziert (Abb. 5.10). Der Vorteil dieser Technik ist, dass sie eine gleichmäßige Resektionsebene schafft und eine glattere Oberfläche hinterlässt.
! Weniger zufriedenstellend bei dieser Technik der Re-
sektion ist die mangelnde Präzision und histologische Beurteilbarkeit der Resektionsränder. Der abschließende pathologische Bericht kann nicht als absolut zuverlässig angesehen werden.
Wenn die Knochenbeteiligung mehr als minimal angesehen wird, sollte die komplette Dicke des Schädelknochens in der suspekten Region entfernt werden. Hat der Tumor sich nicht tief bis in die Dura ausgedehnt, kann er sich leicht von ihr ablösen lassen. Die tiefe Oberfläche des Knochens sollte ein normales Erscheinungsbild, ebenso wie die freiliegende Dura, ergeben (Abb. 5.11). Wenn die Dura beteiligt ist, erfordert dies die Resektion der Dura unter Wahrung der notwendigen Sicherheitsabstände. Nach Resektion der Dura ist das offensichtliche Interesse des Neurochirurgen festzustellen, ob sich der Tumor bis in den Kortex des Gehirns ausgedehnt hat. Dies ist klinisch nicht schwer festzulegen, da die Dura sich leicht vom Kortex ablösen lässt, wenn dieser nicht betroffen ist. Die Beschaffenheit der Dura und das Erscheinungsbild des freiliegenden Gehirns erlauben zusätzlich eine abschließende klinische Beurteilung.
Abb. 5.11. Vollschichtige Resektion der Schädelkalotte bei signifikanter Tumorinfiltration des Schädeldaches
KAPITEL 5
Abb. 5.12. Resektion im Temporalbereich
Skalpdefekte
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Temporalregion Bei einer Tumorinfiltration der Temporalisfaszie liegt der M. temporalis als weitere Schicht zwischen Faszie und Perikranium, bzw. Knochen, und die Resektion kann bis in den Muskel fortgeführt werden, um einen sicheren tumorfreien tiefen Resektionsrand zu gewährleisten (Abb. 5.12). Wenn eine Tumorbeteiligung des Perikraniums vermutet wird, ist es, auch wenn die Beteiligung minimal erscheint, nicht ausreichend, das Perikranium vom Knochen zu schälen, auch wenn der freiliegende Knochen normal aussieht. Das Perikranium vom Knochen zu entfernen wäre eine denkbare Lösung, wenn es technisch möglich wäre, den freiliegenden Knochen mit einem Hauttransplantat zu versorgen. Ein Tumorrezidiv würde sich zeigen, bevor es zu einem signifikanten Wachstum gekommen wäre. Eine freiliegende Kortikalis erfordert jedoch eine Lappenplastik und birgt die Schwierigkeit, ein erneutes Tumorwachstum in der Tiefe des Lappens rechtzeitig zu diagnostizieren.
! Die Entfernung lediglich des Perikraniums unter solchen Umständen führt zu einem inakzeptablen und gefährlichen Vorgehen.
5.1.4.3 Grundprinzipien der Rekonstruktion Verletzungen der Kopfschwarte sollten zweischichtig verschlossen werden, um Blutungen, das Auseinanderweichen der Narbe und Haarverlust zu verhindern. 2 ×0 oder 3 ×0 langsam absorbierbare Nähte werden als versenkte Nähte genutzt, um die Galea zu verschließen. Dabei sollte darauf geachtet werden, die Haarfollikel nicht zu verletzen. Der Hautverschluss erfolgt mit monofilem Nahtmaterial oder mittels Klammernähten.
! Kopfschwartendefekte, die unter Spannung ver-
schlossen werden, neigen dazu, sich 30–50 % auseinanderzuziehen.
Dieses Problem reduziert sich, wenn man bei dem Verschluss der Kopfschwarte die Galea vernäht. Galeanähte werden etwa 1 cm hinter die Wundränder platziert, um das Einreißen des Gewebes zu verhindern.Aufgrund der exzellenten Durchblutung der Kopfschwarte können quere Entlastungsinzisionen der Galea genutzt werden, um die Mobilität und den Schwenkradius des Lappens zu verbessern und dadurch die Spannung des Wundverschlusses zu vermindern. Hierbei muss allerdings darauf geachtet werden, den darüber liegenden subkutanen Gefäßplexus nicht zu verletzen. Bei der Wahl einer Lappenplastik sollte darauf geachtet werden, dass die Haarbeschaffenheit und die Haarwuchsrichtung der Hebestelle der zu deckenden Stelle entspricht. Bei fehlendem Haarwuchs auf Lappen, zur
KAPITEL 5
Deckung kranialer Defekte, würde eine Glatzenbildung an der Empfängerstelle resultieren.
5.1.4.4 Differentialtherapie Die erfolgreiche Defektdeckung erfordert ein Gesamtkonzept,welches neben profunden anatomischen Grundkenntnissen defektbedingte, therapiebedingte und patientenbedingte Faktoren berücksichtigt (s. Bd. I, Kap. 17, Prinzipien der Defektdeckung). In Abhängigkeit von Ausdehnung und Lokalisation des Defekts können unterschiedliche Verfahren eingesetzt werden.
Differentialtherapie der Skalpdefekte Defekte <3–5 cm ∑ Primärer Verschluss ∑ Lokale Lappen – Unilaterale Rotationslappen – Symmetrischer bilateraler Rotationslappen (A-zu-T-Lappen) – Asymmetrischer bilateraler Rotationslappen – PICK-flap (Modifikation nach Cuono) Defekte <3–5 cm ∑ Gewebeexpander ∑ „Three-scalp-expansile-flap“ nach Orticochea [33] ∑ Hauttransplantation ∑ Lokaler (Rotation oder Transposition) Lappen und Hauttransplantate (+ Abtragung der Hauttransplantate nach 6–12 Monaten) ∑ Freier mikrovaskulärer Lappen ∑ (Gestielter Fernlappen) Haarliniendefekte ∑ „Three-scalp-expansile-flap“ nach Orticochea [33] Defekte der vorderen Haarlinie ∑ A. temporalis superficialis Lappen nach Juri [17] ∑ Lateraler Skalplappen nach Elliot Defekte der okzipitalen Haarlinie (s. oben) Defekte der temporalen Haarlinie (s. oben) ∑ „Three-scalp-expansile-flap“ nach Orticochea [33] Defekte der Koteletten ∑ A. temporalis superficialis Lappen nach Juri [17] Subtotaler und totaler Skalpdefekt ∑ Lateraler Skalplappen nach Elliot ∑ (Gestielter Fernlappen) ∑ Freier mikrovaskulärer Lappen ∑ Hauttransplantation ∑ Replantation
KAPITEL 5
Skalpdefekte
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Abb. 5.13 a, b. Deckung eines Defektes < 3–5 cm mit Hilfe einer bilateralen Rotationslappenplastik. a Präoperativer Zustand und Lappenplanung, b postoperativer Zustand. (Nach Pick)
a
Defekte kleiner als 3–5 cm Der direkte Wundverschluss ist an der Kopfschwarte aufgrund der Rigidität und der fehlenden Dehnbarkeit der Galea sowie der Haut auf sehr kleine Defekte limitiert. Bei Glatzenbildung wird dies durch die zusätzliche Festigkeit weiterhin erschwert. Großflächige Mobilisation der Kopfschwarte und multiple Schlitzung der Galea sind meistens nur wenig hilfreich.Allerdings ist es möglich, an der Kopfschwarte kräftigeres Nahtmaterial zu verwenden als in der Gesichtshaut; auch die zusätzlichen Narben, die durch überwendliche Nähte entstehen, sind von untergeordneter Bedeutung. Es ist daher akzeptabel, die Wunden unter größerer Spannung zu verschließen, als dies an anderer Stelle erlaubt wäre (s. Kap. 6). Wenn der primäre Wundverschluss nicht erzielt werden kann, sollte der Defekt durch eine lokale Lappenplastik, möglichst ohne zusätzliche Hauttransplantation, verschlossen werden. Optionen der ersten Wahl sind unilaterale oder bilaterale Rotationslappen bzw. der PICK-Lappen. Unilaterale Lappen finden ihre Anwendung primär an der Haargrenze, bilaterale Lappenplastiken werden genutzt, um die Spannung über eine möglichst große Fläche zu verteilen (Abb. 5.13).
Defekte größer als 3–5 cm
b
kommt, ist die Option einer Defektdeckung von der Lokalisation und der Beschaffenheit des Wundgrundes abhängig. Ist der Defekt in der Anterior- oder Okzipitalregion, bietet sich der Three-scalp-expansile-Lappen nach Orticochea [33] an. Ist das Perikranium, die Fascia temporalis und der Temporalismuskel intakt, kann der Defekt durch ein Hauttransplantat gedeckt oder der sekundären Wundheilung überlassen werden. Gleiches gilt, wenn nur ein kleiner Teil des Periosts an der Basis des Defektes fehlt. Das Ergebnis nach Spalthauttransplantation, sei es zur Deckung eines Resektionsdefektes oder zur Deckung der Hebestelle nach Lappenplastik, ist selten ästhetisch zufriedenstellend. Die endgültige Farbe ist unvorhersehbar, blasser als das umgebende Gewebe oder häufiger hyperpigmentiert (Abb. 5.15). Eine Revision im Sinne einer Narbenkorrektur oder dem vollständigen Entfernen des Hauttransplantates kann nach 6 bis 12 Monaten entweder in Form einer seriellen Exzision oder Gewebeexpansion erfolgen. Wird ein größerer Knochenanteil nicht mehr von Perikranium bedeckt, ist ein lokaler Rotations- oder Transpositionslappen in Kombination mit einem Hauttransplantat die Methode der Wahl, da die freiliegende Kortikalis, der für ein Hauttransplantat notwendigen Durchblutung entbehrt.
! Bei der Lappenhebung ist darauf zu achten, dass das Perikranium nicht verletzt wird.
Bei Defekten, die durch lokale Lappenplastiken nicht verschlossen werden können, ist die Gewebedehnung die Technik der ersten Wahl.Auch wenn gewöhnlich Rotationslappen zur Defektdeckung an der Kopfschwarte genutzt werden, sind Dehnungslappenplastiken nach Gewebeexpansion aufgrund der Verfügbarkeit von zusätzlichem Gewebe zu bevorzugen (Abb. 5.14). Wenn bei akuten Verletzungen und kontaminierten Wunden eine primäre Gewebeexpansion nicht in Frage
Wenn die Resektion bzw. der Defekt den kompletten Schädelknochen betrifft und Dura freiliegt, ist eine Lappenplastik obligatorisch. Kleinere Defekte können durch lokale Lappen verschlossen werden (s. oben), größere erfordern Fernlappen. Um die Morbidität der Hebestelle und die postoperativen Probleme für den Patienten möglichst gering zu halten, sollte der freien mikrovaskulär angeschlossenen Lappenplastik der Vor-
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Abb. 5.14 a–d. Deckung eines paritalen Skalpdefektes > 3–5 cm mithilfe eines mehrzeitigen Verfahrens durch Gewebeexpansion. a Präoperativer Zustand, b Planung der Expanderlage, c Zustand nach Expanderfüllung, d Zustand nach Expanderentfernung und Resektion des Defektes und Verschiebung der präexpandierten Skalphaut
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b
d c
Abb. 5.15 a–d. Deckung eines Skalpdefektes ohne Periostbeteiligung mithilfe eines Spalthauttransplantats. a Präoperativer Zustand, b nach Débridement (Periost bleibt erhalten), c Fixierung des gemeshten Spalthauttransplantats (1 : 1,5) mit einem Tie-over-Verband (am Ende der Operation werden die Haare mit NaCl-Lösung gewaschen), d klinisches Ergebnis 6 Monate nach der Operation
zug gegenüber gestielten Fernlappen gegeben werden (Abb. 5.16). Für große Defekte ist der Latissimus-dorsiLappen mit Spalthautdeckung oder als myokutaner Lappen zu bevorzugen. Einerseits schützt ein Muskellappen das Gehirn besser vor mechanischen Belastungen, andererseits erlaubt dieses Verfahren die gleichzeitige (osteomyokutaner Latissimus, Dorsi-Rippencompound-Lappen) oder spätere Rekonstruktion des Knochens. Bei fehlender Dura, mit freiliegendem Gehirn und Arachnoidea, ist die Notwendigkeit der Lappenplastik unumstritten, allerdings ist der gleichzeitige Verschluss des Duradefektes erforderlich. Dies geschieht in der Regel mittels einer autologen Transplantation der Fascia lata oder der Temporalisfaszie, bzw. dem Einbringen von alloplastischem Material, das an die freiliegenden Duraränder genäht wird. Ist die Gehirnsubstanz beschädigt, sollte mit einem Neurochirurgen die Form des primären Wundverschlusses besprochen werden.
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i
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Abb. 5.16 a–k. Deckung eines vollschichtigen Weichteil-Knochendefektes im Skalpbereich nach Hochspannungsverletzung mithilfe eines freien myokutanen Latissimus-dorsi-Lappens und Spalthaut. a präoperativer Zustand, b Zustand nach Débridement, c intraoperativer Aspekt Lappenplanung, d intraoperativer Aspekt Planung der Inzision im Kopfbereich, e postoperativer Zustand nach Deckung mit freiem Latissimus-dorsi-Lappen,f Zustand nach Spalthautdeckung am Ende der Operation,g postoperativer klinischer Aspekt (Lappenmonitoring mit Hautinsel möglich),h ästhetisches Ergebnis 1 Jahr nach Defektdeckung und sekundärer Korrektur (Ansicht von frontal), i ästhetisches Ergebnis 1 Jahr nach Defektdeckung und sekundärer Korrektur (Ansicht von lateral links), j ästhetisches Ergebnis 1 Jahr nach Defektdeckung und sekundärer Korrektur (Ansicht von okzipital), k ästhetisches Ergebnis 1 Jahr nach Defektdeckung und sekundärer Korrektur (Ansicht von parietal) k
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2 1 2 1
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3 3 2 2 1
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f
Abb.5.17 a–f.„Three-scalp-expansile-flap“ zur Rekonstruktion eines frontal gelegenen Defektes. a präoperative kraniale Ansicht und Lappenplanung, b Aspekt nach Lappenhebung (Durch Inzisionen in der Galea kann der Verschieberadius deutlich vergrößert werden. Es ist jedoch wichtig diese Schnitte nicht zu tief anzulegen, damit die Lappendurchblutung nicht gefährdet wird.) c postoperative Ansicht nach Einnähen der Lappenplastiken 1 und 2, d postoperative Ansicht nach Einnähen der Lappenplastiken 3 (bei zu großer Spannung kann zusätzlich ein Hauttransplantat verwendet werden), e Ansicht von frontal, f Ansicht von lateral
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a
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Defekte am Haaransatz Defekte des anterioren Haaransatzes. Vom ästhetischen Standpunkt ist der Haaransatz in der Stirn von größter Bedeutung, da auch kleine Defekte und Narben hier auffällig sein können, insbesondere bei Männern, deren Frisur nicht so leicht geändert werden kann. Wenn der Defekt im Bereich des Haaransatzes an der Stirn lokalisiert ist, kann der „Three-scalp-expansileflap“ nach Orticochea [33] Anwendung finden, um die anteriore Haargrenze zu rekonstruieren. Zusätzlich zu den zuvor erwähnten Optionen gibt es verschiedene temporal gestielte Lappen, welche in der Parieto-okzipital-Region gehoben werden. Diese dienen speziell zur Rekonstruktion des vorderen Haaransatzes bei männlicher Glatzenbildung (Abb. 5.17).
Abb. 5.18 a–c. „Four-scalp-expansile-flap“ zur Deckung eines Defektes im okzipitalen Haaransatzbereich. a Präoperativer Zustand, b Aspekt nach Lappenhebung, c postoperativer Zustand. (Nach Orticochea [33])
Defekte des okzipitalen Haaransatzes. Die Rekonstruktion des okzipitalen Haaransatzes ist wiederum bei Männern von besonderer ästhetischer Bedeutung. Auch hier kann der „Three-scalp-expansile-flap“ nach Orticochea [33] genutzt werden. Ist dies nicht möglich, erfolgt die Deckung von Defekten in dieser Region durch Lappenplastiken aus angrenzenden Hautarealen. (Abb. 5.17, 5.18). Defekte des temporalen Haaransatzes. Die Rekonstruktion der temporalen Haargrenze sollten nicht unbeachtet bleiben. Defekte am temporalen Haaransatz werden mit den zuvor erwähnten Optionen behandelt (s. oben).
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Defektzustände im Kotelettenbereich. Kotelettendefekte werden mit Lappenplastiken aus der Parieto-okzipital-Region oder aus der Okzipitalregion versorgt, dabei ist besonders auf die Haarwuchsrichtung zu achten.
Nahezu vollständige und vollständige Skalpdefekte Die komplette Avulsionsverletzung der Kopfschwarte ist ein typischer Arbeitsunfall: Das Haar wird von einer rotierenden Maschine erfasst und die Kopfhaut wird mit der darunter liegenden Galea von der Schädeldecke gerissen. Die sofortige, mikrochirurgische Skalpreplantation ist die Therapie der ersten Wahl (Abb. 5.19).
a
! Wegen der großen Kräfte, die bei der Skalpavulsion
auftreten, ist eine radiologische Abklärung der Halswirbelsäule sowie ein CCT vor Replantation zu fordern.
Sollte eine Replantation wegen des schlechten Allgemeinzustandes des Patienten oder der Beschaffenheit des Amputates nicht in Frage kommen, ist eine Hauttransplantation bei intaktem Perikranium die Therapie der zweiten Wahl. Hierbei kann der amputierte Skalp selbst als Donorstelle dienen, wenn er in ausreichendem Zustand vorhanden ist. Sollte dies nicht mehr möglich sein, wird die Haut am Oberschenkel abgenommen. Bei größeren Defekten des Perikraniums ist die Bildung von Granulationsgewebe abzuwarten, bevor eine Hauttransplantation erfolgreich durchgeführt werden kann. In der seltenen Kombination mit einer gleichzeitigen offenen Schädelfraktur sollte ein freier M. latissimus-dorsi-Lappen so bald wie möglich zur Defektdeckung genutzt werden, um das Risiko einer intrakaniellen Infektion so gering wie möglich zu halten (s. Abb. 5.16).
b
5.1.4.5 Postoperative Nachsorge c
Vor allem bei größeren Rekonstruktionen und Lappenplastiken hat sich die Einlage einer Redondrainage bewährt.
! Besteht eine Duraöffnung, sollte aufgrund der Gefahr
einer Liquorfistel kein Sog angelegt werden. Drainagen sollten so früh wie möglich entfernt werden.
In Abhängigkeit von der durchgeführten Rekonstruktion kann postoperativ ein Sprayverband (OpSite/RSpray), ein lockerer Kompressenverband, welcher durch ein elastisches Gitter (z. B. Elastofix/R) gehalten wird oder ein klassischer Kopfverband (vor allem bei intraoperativer Blutungsneigung) angelegt werden. Die Entfernung der Fäden erfolgt im Bereich der behaarten Kopfhaut nach 14 Tagen, maximal 3 Wochen.
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e
f g Abb. 5.19 a–h. Skalpreplantation. a präoperativer Zustand (Amputat), b präoperativer Zustand (Kopf ), c klinischer Aspekt nach vollständiger Einheilung (Ansicht von lateral, rechts), d klinischer Aspekt nach vollständiger Einheilung (Ansicht von frontal), e klinischer Aspekt nach vollständiger Einheilung (Ansicht von lateral links), f klinischer Aspekt 1 Jahr nach Replantation und sekundären Korrekturen (Ansicht von lateral, rechts), g klinischer Aspekt 1 Jahr nach Replantation und sekundären Korrekturen (Ansicht von frontal), h klinischer Aspekt 1 Jahr nach Replantation und sekundären Korrekturen (Ansicht von lateral, links) (PHW – Hannover)
h
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5.2 Spezielle Techniken
5.2.2 Lokale Skalp-Lappenplastiken
5.2.1 Spalthautdeckung
Die gute Vaskularisation erlaubt die Planung zahlreicher und vielgestaltiger kleiner Random-pattern-Lappen. Größere Lappenplastiken sollten eines der Hauptblutgefäße enthalten. Lokale Kopfhautlappen können als
Der Erfolg der Spalthauttransplantation ist abhängig von der Beschaffenheit des Transplantatlagers. Bei intaktem Periost ist eine Spalthauttransplantation direkt durchführbar. Für die Spalthauttransplantation im Skalpbereich können alle klassischen Spalthautentnahmestellen (s. Abb. 5.15) verwendet werden. Im Hinblick auf das ästhetische Ergebnis hat es sich bewährt, auf die Mesh-graft-Technik zu verzichten.Auf das zu erzielende funktionelle Ergebnis, vor allem im Hinblick auf das Tragen einer Perücke, haben sich keine Unterschiede zwischen Mesh-graft- und Sheat-graft-Technik ergeben. Die Hauttransplantate können im Defektrandbereich mit Klammern schnell und zuverlässig fixiert werden. Im Defektbereich selbst ist eine Fixierung schwierig, hier hat sich der Einsatz von Fibrinkleber bewährt. Für die Fixierung der Hauttransplantate während der Rebzw. Neovaskularisierungsphase sollte ein klassischer Überknüpfverband für 3–5 Tage genutzt werden. Nach Entfernung des Verbandes ist eine intensive Transplantatpflege mit Lotio bzw. Salben anzuraten. Kleinere Periostdefekte stören den Transplantationserfolg nicht erheblich. Beim Vorliegen von größeren Knochenhautdefekten muss für die Spalthauttransplantation ein mehrzeitiges Verfahren eingesetzt werden. Falls die freiliegende Kortikalis für einige Zeit unbedeckt gewesen ist, kommt es zur Austrocknung und Nekrose des Knochens. Das abgestorbene Gewebe muss vor jeglicher Deckung zunächst bis auf die gut durchblutete Diploe entfernt werden. Nach Entfernung der Tabula externa mit dem Meißel sollte abgewartet werden, bis der spongiöse Knochen mit Granulationsgewebe überzogen ist. Dies kann zwischen einigen Tagen (10–12) und mehreren Wochen dauern. Während dieser Zeit hat sich ein VAC-Verband bewährt. Bei ausreichendem Granulationsgewebe ist eine Spalthauttransplantation durchführbar. Auf die Diploe kann erfolgreich transplantiert werden, bei der jedoch irregulären Oberfläche, die sich nach Entfernung der Kortikalis findet, ist ein uneinheitliches Einwachsen des Transplantates nicht ungewöhnlich. Zudem neigt das Transplantat zu Instabilität aufgrund des fehlenden Weichteilgewebes zwischen Knochen und Hauttransplantat, was zu Schwierigkeiten bei der Einschätzung eines Tumorrezidivs führen kann.
∑ Rotations-, ∑ Transpositions- oder ∑ Dehnungslappen geplant werden.
Rotations- und Transpositionslappen sind für die dicke und unelastische Kopfhaut die bevorzugten rekonstruktiven Verfahren.
! Eine strickte Einhaltung der geometrischen Grundsätze der Lappenplanung ist besonders an der Kopfhaut von großer Bedeutung.
Die Bestimmung der Größe des Defektes ausgehend von dem zu erwartenden Rotationspunkt des Lappenstiels und mindestens gleiche Kantenlänge des zu hebenden Lappens sind die Voraussetzungen für eine suffiziente Defektdeckung. Dabei ist der dreidimensionale Charakter des zu deckenden Defektes bei der zweidimensionalen Lappenplanung zu beachten. Lappen müssen meistens größer geschnitten werden, als das Ausmessen ergibt. (Abb. 5.20). Diese Problematik ist bei der Wahl einer Transpositionslappenplastik nicht so gravierend wie bei einem Rotationslappen. Aufgrund der Schwierigkeit in der Bestimmung der richtigen Größe des Lappens ist es hilfreich, bei Rotationslappen als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme, die Kantenlänge etwas größer zu wählen. Lokale Lappenplastiken, die geplant werden, um Defekte nach Exzision benigner Befunde (z. B. Verbrennungsnarben oder Nävi) zu decken, können bereits vor der Exzision geplant, umschnitten und gehoben werden. Falls notwendig kann dann lediglich eine partielle Exzision durchgeführt und eine zweite geplant werden (Rettungsanker nach fehlerhafter Lappenplanung). Sollte trotz gewissenhafter präoperativer Planung der Wundverschluss auch mit „back-cuts“ nicht spannungsfrei zu erzielen sein, so gibt es zwei weitere nützliche Hilfsmittel. Inzidiert man die Galea parallel in 0,5–1 cm Abständen quer zur Zugrichtung, unter Bewahrung der Gefäße, lässt sich ein Längengewinn in Zugrichtung erzielen. Wenn diese Schnitte die Spannung nicht ausreichend reduzieren, können weitere Galeainzisionen, rechtwinklig zu den vorherigen, hilfreich sein. Gelegentlich kann bei großen Kopfschwartenlappen die Technik der Gewebedehnung (akute Dehnungslappenplastik) eingesetzt werden, um einen Verschluss zu
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a b
c
d
Abb. 5.20 a–k. Deckung eines Skalpdefektes mit Knochenbeteiligung mithilfe eines überdimensionierten Skalprotationslappens und Deckung des Spendedefektes mithilfe eines Spalthauttransplantats. a Schema der operativen Schritte, b präoperativer Aspekt, c intraoperativer Aspekt nach Débridement und Avivement des Knochens, d Schema der Lappenplanung auf der konvexen Oberfläche des Schädelknochens, e intraoperativer Aspekt Lappenplanung (Defektverschluss mit einem überdimensionierten Rotationslappen durch Verlängerung der Kantenlänge), f intraoperativer Aspekt nach Lappenverschiebung, g Deckung des Spenderdefektes, h postoperativer Aspekt nach Einheilung der Lappenplastik und der Spalthaut mit „dog ear“ im Bereich der Lappenbasis, i klinischer Aspekt 2 Jahre nach Defektdeckung und sekundärer Korrektur (Ansicht von okzipital), j klinischer Aspekt 2 Jahre nach Defektdeckung und sekundärer Korrektur (Ansicht von lateral), k klinischer Aspekt 2 Jahre nach Defektdeckung und sekundärer Korrektur (Ansicht von parietal rechts) Abb. 5.20 f–k. Seite 120
e
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k Abb. 5.20 f–k
KAPITEL 5
ermöglichen. Diese Prinzipien beruhen auf der viskoelastischen Eigenschaft der Haut: Unter konstantem Zug dehnt sich die Haut, lässt dieser Zug wieder nach, so kehrt die Haut nicht in ihre ursprüngliche Länge zurück, sie ist permanent gedehnt. Zum Verschluss großer Skalpdefekte wird dieser Dehnungseffekt genutzt, indem man zwei große Wundhaken oder Mehrzinker in den Wundrand platziert und unter großer Spannung für mindestens 5 Minuten zieht. Sollte trotz all dieser Manöver ein Wundverschluss nicht möglich sein, ist eine Hauttransplantation die letzte Alternative.
5.2.3 „Three-scalp-expansile-flap“ nach Orticochea Die Lagerung des Patienten erfolgt entsprechend eines neurochirurgischen Eingriffs, damit der gesamte Skalp im Operationsfeld liegt. Bei einem frontal gelegenen Defekt werden zwei Lappen parallel zu dem oberen Rand angezeichnet, die Lappendurchblutung erfolgt hier von den Aa. temporales superficiales. Diese Lappen sollten etwa die Hälfte der Defektgröße besitzen und ihre Lappenlänge sollte 6 cm nicht überschreiten. Beide Lappenenden werden etwas schräg geschnitten. Der dritte Lappen besteht aus dem verbleibenden Skalpanteil und erhält seine Durchblutung durch die beiden posterior-lateralen Gefäßstiele mit jeweils der A. occipitalis und der A. auricularis posterior. Falls der frontale Defekt mehr auf einer Seite zu liegen kommt, kann der dritte Lappen auch ausreichend von einem der posterior-lateralen Gefäßstiele versorgt werden. Zur Verminderung der Blutung können mehrere Techniken separat oder in Kombination eingesetzt werden (s. Abschn. 5.1.1.1). Die Lappen werden in der Subgaleaebene gehoben. Zur Vergrößerung der Mobilität kann die Galea inzidiert werden. Die ersten beiden Lappen werden in den Defekt eingeschwenkt und müssen den Defekt vollständig bedecken. Große Sorgfalt ist dabei auf die möglichst exakte Wiederherstellung der vorderen Haarlinie zu verwenden. Der durch die Lappentransposition entstandene Spenderdefekt wird durch Transposition des dritten Lappens gedeckt. Bei zu großer Spannung ist ein kleines Hauttransplantat manchmal nötig. In den meisten Fällen kann ein Wundschluss mit gleichmäßig verteilter Spannung im gesamten Wundrandbereich erzielt werden. Falls bei der Primäroperation ein Hauttransplantat nötig war, können nach etwa einem Jahr die drei Lappen erneut angehoben werden, und der kleine Restdefekt wird, nach Exzision des Hauttransplantats, primär verschlossen. Für den Hautschluss stellt die Einzelknopfnaht die Technik der Wahl dar. Als Verbände haben sich ein Sprühverband, welcher mit der Kompresse aufgetupft wird, oder Steri-Strip-
Skalpdefekte
Pflaster bewährt (Cave: Kälteentwicklung nach Lappenplastik). Die Entfernung der Fäden erfolgt nach 10–14 Tagen (s. Abb. 5.17, [33]). Zur Deckung eines okzipital gelegenen Defektes müssen die ersten beiden Lappen an dem posterolateralen Gefäßstiel gestielt werden. Der dritte Lappen wird durch eine oder beide Aa. temporales superficiales versorgt (s. Abb. 5.18).
5.2.4 Hautexpander Aufgrund der harten Unterlage stellt die progressive Dehnung der Kopfschwarte mithilfe eines Expanders eine ausgezeichnete Möglichkeit dar, einen Defekt im behaarten Kopfteil funktionell und ästhetisch zu rekonstruieren. Die Verwendung eines Expanders ist in der Akutsituation und bei Infektionen kontraindiziert. Nach temporärem Wundschluss (z. B. mithilfe eines Spalthauttransplantats) bzw. infektfreiem Intervall von 6–12 Monaten ist eine sekundäre Anwendung des Expanders durchaus indiziert. Bei der Patientenaufklärung sind folgende Punkte zu besprechen: ∑ Die Expanderbehandlung dauert in der Regel 3 Monate. In dieser Zeit ist mit einer ästhetischen Beeinträchtigung zu rechnen. ∑ Während der Auffüllphase ist mit Schmerzen zu rechnen. ∑ Zur Verminderung der ästhetischen Beeinträchtigung können Kopftücher und Hüte getragen werden. ∑ Es sind mindestens zwei Operationen notwendig. ∑ Komplikationen können abhängig von der Patientencompliance auftreten.
Bei Gebrauch eines rechteckigen Expanders sollte die Grundfläche des Expanders etwa 2,5-mal so groß sein wie die Defektgröße. Findet ein runder Expander den Vorzug, sollte der Durchmesser des Expanders 2,5-mal so groß sein wie der Durchmesser des Defektes. Eine vollständige Rasur der Kopfhaut ist nicht notwendig. Expander und Ventile werden unterhalb der Galea epiperiostal eingebracht. Zur besseren Gewebedehnung hat es sich bewährt, mehrere Expander um den Defekt herum zu platzieren.
! Bei der Implantation der Auffüllventile sollte darauf geachtet werden, dass diese nicht in einem mechanisch beanspruchten Ort (z. B. Mastoid, Protuberantia occipitalis) zu liegen kommen.
Die Auffüllung der Expander erfolgt wöchentlich nach einem festgesetzten Schema durch den Hausarzt oder den Operateur. Hierbei sind mögliche Komplikationen
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Skalpdefekte
wie vor allem Leckage und Infektion zu berücksichtigen. Nach Entfernung der gefüllten Expander besteht ein Hautüberschuss. Zur besseren Nutzung der Gewebedehnung wird der gedehnte Gewebeabschnitt in eine Verschiebeschwenklappenplastik (Rotations- oder seltener Transpositionslappenplastik) überführt. Wenn möglich sollte bei der Planung dieser lokalen Verschiebeschwenklappen die Haarwuchsrichtung beachtet werden. Die Lappen werden üblicherweise zweischichtig nach Einlage einer Drainage eingenäht (Abb. 5.14).
5.2.5 A. temporalis-superficialis-Lappenplastik nach Juri Die A. temporalis-superficialis-Lappenplastik nach Juri ist in Kap. 6 dargestellt.
KAPITEL 5
5.2.7 Skalp-Replantation Bei der hervorragenden Gefäßversorgung der Kopfschwarte sollte auch bei einem gequetschten Amputat der Versuch der Replantation unternommen werden. Zur besseren Beurteilung der Durchblutung können die Haare vor der Replantation geschoren werden. Wegen der geringeren psychologischen Beeinträchtigung zu bevorzugen, wird die Resektion der Haare nur im Randbereich durchgeführt. Obwohl in der Literatur auch Fälle bekannt sind, bei denen nach mikrochirurgischer Naht nur einer Arterie und einer Vene ein vollständiges Anwachsen des Replantates mit späterem ungestörten Haarwuchs gewährleistet ist, sollten idealerweise zwei Arterien und zwei Venen mikrochirurgisch genäht werden. Durch sekundäre rekonstruktive Eingriffe zur Feinkorrektur, etwa 6–12 Monate nach Replantation, kann oft eine deutliche Ergebnisverbesserung erzielt werden (Abb. 5.19).
5.2.6 Freie mikrovaskuläre Lappenplastiken Freie mikrovaskuläre Lappenplastiken sind bei sehr großen Skalpdefekten, die mit lokalen Lappenplastiken nicht mehr rekonstruiert werden können, indiziert. Neben der benötigten Lappengröße ist auch die Länge des Gefäßstiels und die Verhältnisse im Empfängerbereich für die Auswahl der Spenderstelle wichtig. Für die Deckung kleiner und mittelgroßer Defekte ohne Osteomyelitis haben sich der Radialislappen und der Skapula- bzw. Paraskapulalappen bewährt. Für große Defekte mit begleitender Osteomyelitis hat sich die (myokutane) Latissimus-dorsi-Lappenplastik bewährt. Für den Gefäßanschluss stehen die A. temporalis superficialis und die V. temporalis superficialis oder andere Endäste der A. carotis externa zur Verfügung. Bei großen Defekten ist der Einsatz einer myokutanen Latissimus-dorsi-Lappenplastik vorteilhaft (Abb. 5.16). Die Hautinsel vereinfacht die postoperative Kontrolle der Lappenperfusion. Die notwendige zusätzliche Spalthauttransplantation kann in der gleichen Operation oder 3–5 Tage später durchgeführt werden.
! Wird das letztere Verfahren gewählt, muss eine tem-
poräre Deckung der nackten Muskeloberfläche mit Fettgaze oder künstlichen Hautersatzstoffen (z. B. Epigard) zum Schutz vor Gewebeaustrocknungen erfolgen.
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III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 6
R. E. A. Nordström
Therapie der Alopezie und Haartransplantation
Inhaltsverzeichnis 6.1 Allgemeines 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.2 6.2.1
Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . Grundprinzipien der Diagnostik . . . . . Klassifikation der Alopezie . . . . . . . . Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . Serielle Exzision und dynamische Naht nach Nordström. . . . . . . . . . . . . . 6.2.1.1 Indikation . . . . . . . . . . . . 6.2.1.2 Technik . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Gewebeexpansion . . . . . . . . . . . . 6.2.2.1 Indikation . . . . . . . . . . . . 6.2.2.2 Technik . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Skalp-Lappenplastiken . . . . . . . . . . 6.2.3.1 Indikation . . . . . . . . . . . . 6.2.3.2 Technik . . . . . . . . . . . . . 6.2.4 Freie Haartransplantation . . . . . . . . 6.2.4.1 Indikation . . . . . . . . . . . . 6.2.4.2 Technik . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Während des Rückzugs von Russland (1812) verlor Napoleon, bedingt durch die große Kälte, mehr als 450 000 von 500 000 seiner Soldaten. Der Chefchirurg der Armee, Baron Larrey, stellte fest, dass Männer mit Glatze eher starben als Männer mit Haaren. In der Tat ist eine funktionelle Aufgabe des Haares die Isolierung vor der Kälte sowie auch der Schutz vor Sonnenbestrahlung. Die Hauptfunktion ist aber in der sozialen und psychologischen Natur zu sehen. Die Probleme der Haarlosigkeit gehen soweit zurück, wie die Geschichte es uns berichtet. Haare waren von lebenswichtiger Bedeutung während der ganzen menschlichen Geschichte. Ein Kopf mit vollem Haarbestand war immer assoziiert mit Jugend und guter Gesundheit. Seit ältester Zeit versuchen Menschen immer wieder Mittel zu finden, um den Haarverlust zu behandeln. Man findet bereits in den ältesten bekannten medizinischen Texten, die ägyptischen Papyrusrollen, Methoden zur Wiederherstellung von verlorenen Haaren. Der Vater der Medizin (Hippokrates), selbst haarlos, versuchte Methoden zu finden, um den Haarverlust zu behandeln. Das Gebiet am Kopf, das immer Haare aufweist (der Rückteil des Kopfes) ist benannt nach ihm, der Hippokratische Haarbezirk. Im Alten Testament finden man die Geschichte von Samson, einem Nazarener und legendären Kämpfer, der seine außerordentliche physische Kraft in dem Moment verlor, als Delilah sein Haar abschnitt. Sie verwandelte ihn dadurch in einen 97 Pfund schweren Weichling. Bis heute behalten Nachfolger von einigen jüdischen Sekten ihre abgeschnitten Haarlocken in Erinnerung an die Geschichte von Samson. Wir kennen auch die Geschichte von Elisa, der zwei Bären aus dem Wald rief, um einige der Kinder zu töten, die ihn wegen seiner Haarlosigkeit verhöhnten. Julius Cesar, dessen Name im Lateinischen ironischerweise „Kopf voll Haare“ bedeutet, versuchte haarlose Stellen mit seinen restlichen Haaren zu kaschieren. Daher ist es nicht überraschend, dass keine der Ehrungen für ihn so angenehm war, wie das Privileg, seine Glatze mit einem Lorbeerkranz zu bedecken.
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Therapie der Alopezie und Haartransplantation
KAPITEL 6
Tabelle 6.1. Norwood-Klassifikation des Musters der männlichen Glatzenbildung Typ
Merkmale
Typ I
Der wesentliche Teil des Typs I ist kein Zurückweichen oder nur ein sehr minimales Zurückweichen der Haare längs der vorderen Grenze der Haarlinie in der fronto-temporalen Region.
Typ II
Die vordere Haarlinie in der fronto-temporalen Region zeigt dreieckförmige Stellen des Zurückweichens, die normalerweise symmetrisch sind. Diese Stellen der Haarlosigkeit sind nicht größer als ungefähr 2 cm von der vorderen Linie, gezeichnet auf einer koronaren Ebene zwischen dem externen Gehörgangausgang. Haare sind auch verloren gegangen entlang der mitfrontalen Grenze des Skalps, aber die Tiefe des betroffenen Gebietes ist wesentlich weniger als in der fronto-temporalen Region.
Typ IIa
Die gesamte vordere begrenzende Haarlinie befindet sich an der Stirn. Die übliche Halbinsel von Haaren, in der Mitte frontal, besteht nur aus einigen wenigen Haaren. Die Ausdehnung der Haarlosigkeit geht nicht weiter als 2 cm von der Mitfrontallinie.
Typ III
Er stellt das minimale Ausmaß von Haarverlust dar, der ausreicht, um eine Glatze zu repräsentieren. Typ III-Skalps haben eine tiefe fronto-temporale Rückweichung der Haare, die üblicherweise symmetrisch und ohne Haare ist oder nur ganz geringe Haare oder Haaranteile besitzen. Diese Rückweichung der Haargrenze dehnt sich weiter nach hinten aus über einen Punkt, der ungefähr 2 cm vor einer koronaren Linie liegt, gezogen zwischen den externen Gehörgängen.
Typ III Vertex
Bei diesem Typ zeigt sich der Haarverlust besonders im hinteren Wirbelbereich. Er kann auch einige frontale Rückweichungen der Haarlinie aufweisen, aber sie müssen nicht so weit ausgedehnt sein, wie man es normalerweise beim Typ III sieht. Dieser Typ von Glatzenbildung ist sehr häufig im fortgeschrittenen Alter zu sehen.
Typ IIIa
Die Ausdehnung der Haarlosigkeit erreicht beinahe oder bereits aktuell die Midkoronallinie
Typ IV
Die frontale fronto-temporale Rückweichung der Haarlinie ist ausgedehnter als in Typ III. Zusätzlich ist auch eine geringe oder fehlende Haaransammlung im Wirbelbereich zu sehen. Diese Gebiete sind bereits ausgedehnt, aber von einander getrennt bei einem Haarband von mittlerer Dichte. Diese Bänder erreichen die Vollhaargebiete an beiden Seiten des Kopfes. Der Typ IV sollte nicht mit dem Typ III Vertex verwechselt werden, bei dem der Haarverlust primär im Wirbelbereich stattfindet.
Typ IVa
Das Ausmaß der Alopezie hat nun die Mitkoronarlinie überschritten. Es kann zusätzlich noch eine bemerkenswerte Anzahl von Ausdehnungen, auch posterior der aktuellen Haarlinie, geben.
Typ V
Die Vertexregion der Alopezie bleibt getrennt von der fronto-temporalen Region der Alopezie. Die Abtrennung ist nicht mehr so deutlich, da das Band der Haare um den Haarkranz schmaler und dichter wurde. Beide, die Vertex und das fronto-temporale Gebiet der Alopezie, sind größer geworden. Gesehen von oben: Typ V, VI und VII sind charakterisiert durch Gebiete der Alopezie, die durch Haare an den Seiten entstehen und eine pferdehufförmige Form bilden.
Typ Va
Ist der am meisten fortgeschrittene Grad von Haarverlust, beschrieben mit dieser Variation. Wenn sie mehr ausgedehnt wird, kann sie nicht mehr von den Typen V–VI unterschieden werden. Die Ausdehnung der Alopezie hat den Vertex nicht erreicht.
Typ VI
Die Brücke von Haaren, die die Haarkrone kreuzen (wie beim vorherigen Typ), ist nun nicht mehr vorhanden. Die Frontotemporal- und Vertexregion der Haarlosigkeit ist konfluierend. Zusätzlich hat die gesamte Haarlosigkeit lateral und posterior zugenommen.
Typ VII
Ist die schwerste Form einer männlichen Glatzenbildung. Alles, was übrig geblieben ist, ist ein fast pferdehufförmiges Band von Haaren, das seitlich (gerade vor den Ohren) beginnt und sich nach hinten sowie an den Seiten und tief im hinteren Kopfanteil ausdehnt. Das Haar ist normalerweise nicht dicht und häufig sehr zart. Es ist extrem dünn im Nacken und in den Anteilen über beiden Ohren. Es sollte noch erwähnt werden, dass die vordere Linie der Haare an beiden Seiten des Kopfes zurückgewichen ist, gerade zu einem Punkt vor den Ohren
Während des Mittelalters rasierten christliche Priester und Mönche ihr Haar, um ihre Verachtung gegenüber weltlichen Eitelkeiten zu zeigen. Das Haar zu schneiden war eine Form von persönlichem Opfer.
Perücken kamen vom 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts in Mode. Sie waren ein Statussymbol, auch um die Haarlosigkeit zu verdecken. Auch heute ist das Haar immer noch ein wichtiger Teil der Selbstdarstellung.
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Therapie der Alopezie und Haartransplantation
6.2.1.1 Indikation 6.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie Die Aspekte der chirurgisch relevanten Anatomie sind in Abschn. 5.1.1 näher erläutert.
6.1.2 Grundprinzipien der Diagnostik Die Grundprinzipien der Diagnostik können dem Abschnitt 6.1.3 entnommen werden.
Seit dieser Veröffentlichung ist es üblich, dass die Verkleinerung der Kopfhaut als Alternative zur Haartransplantation und zur Lappenplastik verwendet wird (Abb. 6.1). In der heutigen Zeit der Haarwiederherstellung, in der die Transplantation einer großen Anzahl von sehr kleinen Transplantaten möglich ist, muss die Rolle der Kopfhautreduktion weiterhin Beachtung finden.
6.2.1.2 Technik 6.1.3 Klassifikation der Alopezie Die am häufigsten genutzte Klassifikation der männlichen Glatzenbildung ist die Nordwood-Klassifikation ([15], s. Tabelle 6.1.). Der Typ A wird beschrieben mit zwei bedeutenden und zwei unbedeutenden Merkmalen. Die primären Merkmale müssen vorhanden sein, um einen Typ A eindeutig feststellen zu können. Die sekundären Merkmale sind nicht notwendig, aber doch häufig vorhanden. Primäre Merkmale: 1. Die gesamte vordere Haargrenze verschwindet nach hinten, ohne die übliche Insel oder Halbinsel von Haaren in der mittleren Front zu belassen. 2. Es ist keine gleichzeitige Entwicklung eines haarlosen Anteils im Hinterkopfbereich; der vordere Haarverlust geht weiter in Richtung Hinterhaupt. Sekundäre Merkmale: 1. Vereinzelte, spärliche Haare finden sich häufig auf der ganzen Fläche der beginnenden Haarlosigkeit. 2. Der hufeisenförmige Ring von Haaren, der normalerweise an den Seiten und hinteren Anteilen besteht, kann erhöht sein und weiterhin zur Kopfbedeckung ausreichen (s. Tabelle 6.1).
6.2 Spezielle Techniken 6.2.1 Serielle Exzision und dynamische Naht nach Nordström 1978 berichteten zwei kanadische Ärzte, Brüder mit den Namen Blanchard [4], über eine neue Technik für die Behandlung der Haarlosigkeit des kranzförmigen Gebietes des Skalps.
Die neuesten Entwicklungen in der Kopfhautverkleinerung haben es möglich gemacht, die technischen Probleme, wie die Vermeidung von Narben in der Mittellinie durch mehrere Verschiebungen der Gewebe, eine Verkürzung der Gesamtzeit (um ein dementsprechendes Resultat zu erreichen) und die Reduzierung der Tendenz (wieder auseinander zuweichen), zu beherrschen. Eine elastische Silikonnaht, die sowohl mechanische als auch biologische Ziele hat (besonders für die Kopfhautverkleinerung, zur Behandlung von männlichen Glatzenbildungen und in anderen Fällen von Haarverlust), wurde entwickelt und von Nordström patentiert (Abb. 6.2–6.4, [9–14]). Zurzeit gibt es eine Vielzahl von Gewebeexpander, extender sowie verschiedene externe oder semiexterne und semiinterne Geräte, die den Vorteil der mechanischen und der biologisch verzögerten Dehnbarkeit der Haut ausnutzen. Es können verschiedene Anteile der Haut entfernt und rekonstruiert werden, um die Verkleinerung des Skalps zu ermöglichen. Dadurch wird das Ausmaß der Kopfhautverschmälerung durch Exzision vergrößert und das Zurücksinken reduziert. Im Vergleich zu der bereits beschriebenen Technik bietet die Naht nach Nordström einige Vorteile; ∑ Komplett versenkte Naht, sodass keine Eintrittstellen für Infektionen vorhanden sind, ∑ benötigt keine Auffüllungen wie bei Gewebeexpandern, ∑ verliert nicht signifikant die Spannung, ∑ vielseitig, um die Zugfestigkeit gleichzeitig in verschiedene Richtungen anzuwenden, wie auch verschiedene Spannungen in verschiedenen Richtungen anzulegen.
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Therapie der Alopezie und Haartransplantation
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a
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c Abb. 6.1 a–c. Korrekturen einer männlichen Alopezie mit der Technik der seriellen Exzision. a präoperative Darstellung, b Resultat nach der 1. Kopfhautverkleinerung, c Resultat nach der 2. Kopfhautverkleinerung
Abb. 6.2. Nordström-Naht
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Therapie der Alopezie und Haartransplantation
a
a
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b
Abb. 6.3 a, b. Korrektur einer männlichen Alopezie mit Hilfe der Nordström-Naht. a Nordström-Naht eingesetzt in der Galea, b Nordström-Naht angezogen, um die Spannung aufzunehmen
Abb. 6.4 a, b. Korrektur einer männlichen Alopezie mit Hilfe der Nordström-Naht.a präoperativer Aspekt,b 4 Wochen nach Skalpverkleinerung durch die Nordström-Naht (Zu beachten sind die aufgeworfenen Wellen, die durch die Kompression von der Nordström-Naht verursacht werden!)
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Therapie der Alopezie und Haartransplantation
KAPITEL 6
6.2.2 Gewebeexpansion Die künstliche Dehnung von Haut wird schon über Jahrhunderte praktiziert. Primitive Stämme vergrößerten die Lippen, die Ohren und die Nase durch Expansion zu dekorativen Zwecken. Die Einführung der kontrollierten Gewebeexpansion zur Rekonstruktion ist eine relativ neue Entwicklung. Neumann [8] berichtete 1956 über den Gebrauch eines Expanders bei der Rekonstruktion der oberen zwei Drittel eines traumatisch abgescherten Ohres. 20 Jahre später entwickelte Radovan [19] eine neue Prothese zur Gewebeexpansion, die komplett unter der Haut eingebracht werden konnte. Der anfängliche Einsatz der Radovan-Prothese erfolgte lediglich in der Brustrekonstruktion. Diese Prothese war der Beginn für die Entwicklung der Gewebeexpansion, unbeachtet von Radovans Werk. Austad u. Rose [2] von der Universität von Michigan entwickelten gleichzeitig einen sich selbstauffüllenden Gewebeexpander auf der Basis eines osmotischen Gradienten. 1978 führte Argenta [1] die Gewebeexpansion zur Wiederherstellung bei schwierigen Problemen in der Kopf- und Halsregion ein. Eines der umfassensten Bücher über die Gewebeexpansion ist herausgegeben worden von Neumann [8], s. auch Bd. I, Kap. 6, Gewebeexpansion.
6.5 a
6.2.2.1 Indikation
6.2.2.2 Technik
Die Kopfhaut ist ideal für die Gewebeexpansion. Die Expansion wurde ursprünglich angewandt bei Verlust des haartragenden Gewebes, nach Verbrennungen, bei traumatischer Kopfhautavulsion (Abb. 6.5) sowie nach Resektionen von gut- oder bösartigen Tumoren, angeborenen Fehlbildungen und später auch für die Korrektur der männlichen Glatze (Abb. 6.6).
Die Schritte der Skalpexpansion sind weitgehend standardisiert:
Schritte der Gewebeexpansion im Skalpbereich 1. Expander nahe zum Defekt platzieren 2. Eingebracht zwischen Galea und Perikranium 3. Das „Pocket“ muss groß genug sein, damit der Expander flach liegen kann 4. Auffüllport und Tunnel vom Expander entfernen 5. Nach Platzierung des Expanders Einbringung eines Wunddrains 6. Ein- oder zweimal wöchentliche Auffüllung 7. Rotations- oder Advancementlappen 8. Expander wird entfernt, wenn genug Gewebe vorhanden ist 9. Wunddrainage nach Lappenadvancement
Der Expander wird normalerweise zwischen der Galea aponeurotica und dem Perikranium platziert. Diese gefäßarme Schicht (mit der kräftigen Galea drüber), schützt die größeren Gefäße und Nerven der Kopfhaut vor dem Expander.
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Abb. 6.5 a–e. Ein Patient, der über zwei Drittel der haartragenden Kopfhaut bei einem Hundebiss verloren hat. Zunächst wurde die Wunde mit einem haarlosen Spalthauttransplantat bedeckt. a präoperativer Aspekt, Ansicht von okzipital; b präoperativer Aspekt,Ansicht von lateral; c nach 2 Exzisionen,unterstützt durch Gewebeexpansion; d nach 3 Exzisionen,unterstützt durch Gewebeexpansion; e der gleiche Patient nach Korrektur und Expansion, wiederhergestellt nach einigen Jahren
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a
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Abb. 6.6 a–c. Patient mit männlicher Glatzenbildung vor der Korrektur durch Expansion der Kopfhaut. a präoperativer klinischer Aspekt, b der Expander am Hinterkopf aufgefüllt, c Patient nach Korrektur
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Tabelle 6.2. Vor- und Nachteil der Gewebeexpansion im Skalpbereich Vorteile
Nachteile
Optimale Übereinstimmung von Farbe und Textur
Zwei und mehr Operationen
Kein zusätzlicher Spenderdefekt
Mehrere Arztbesuche
Keine neuen Narben
Kosmetischer Defekt in der Dehnungsphase
Ergebnis besser vorhersagbar als bei sofortiger Lappenplastik
Unangenehmes Gefühl nach Füllung des Expanders
Freiheit bei der Größenanpassung Erhaltung der Empfindung Deckung einer größeren Fläche mit weniger Operationen Minimal-invasives Verfahren in Hinblick auf – Anästhesie – Operationsdauer – Komplikationen – Hospitalisation – Genesung
Insgesamt werden hier wesentlich höhere Expansionsdrücke toleriert, im Vergleich zu den meisten anderen Gebieten. Gewebeexpander sind Silikonsäckchen mit selbstverschließenden Injektionsports (Abb. 6.7). Diese Ports sind entweder in der Prothese direkt eingebaut oder häufiger mit der Prothese durch einen dünnen Schlauch verbunden. Die gesamte Prothese mit dem Port wird unter der Haut eingebracht. Der Injektionsport ist so konstruiert, dass perkutane Injektionen ausgeführt werden können und ein Selbstverschluss der Prothese entsteht. Die Erzeuger bieten verschiedene Prothesen- und Auffüllungsreservoire an. Zahllose Formen wie z. B. runde, quadratische, rechteckige und gebogene Expander sind erhältlich. Spezielle Expandergrößen und -formen können von zahlreichen Erzeugern hergestellt werden. Im Allgemeinen sind die meisten Expander stark genug, um eine Auffüllung vom Zwei- bis Dreifachen des vom Erzeuger empfohlenen Volumens zu ermöglichen. Es kann daher auch eine Kombination von Gewebeexpandern und Lappen zur chirurgischen Korrektur des männlichen Haarverlustes, wie bei Nordström [12] vorgeschlagen, durchgeführt werden. Das Nordströmsystem bedient sich der Hinterhauptkopfhaut, die normalerweise die größte und wichtigste Reserve für Haarfollikel darstellt. Die Vor- und Nachteile der Gewebeexpansion im Skalpbereich sind in Tabelle 6.2 zusammengestellt.
a
b Abb. 6.7 a, b. Maßgefertigte Gewebeexpander für die Kopfhautchirurgie. a Halbkreisexpander, b Hörnchenexpander
134
Therapie der Alopezie und Haartransplantation
KAPITEL 6
R. parietalis a.temporalis maximale Breite 3–5cm
Stielbreite 2cm
A. occipitalis A. auricularis posterior
Abb. 6.8. Methode nach Nordström [11], Variation des TPO-Lappens
6.2.3.2 Technik 6.2.3 Skalp-Lappen-Plastiken 6.2.3.1 Indikation Für viele Jahre waren die Lappenplastiken eine wichtige Alternative in der Haartransplantation sowohl um den Haaransatz zu bilden als auch für die hinter dem Haaransatz liegenden Areale. Heutzutage werden Lappen hauptsächlich in der rekonstruktiven Chirurgie verwendet. Da kein Gewebe am menschlichen Körper den Skalp in Konsistenz und haartragender Qualität nachbilden kann, stellen Lappen der übriggebliebenen haartragenden Kopfhautanteile die ideale Lösung zur Behandlung von Wunden des Skalps dar, wenn Gewebe verloren gegangen ist.
Zahllose Arten von Skalplappen wurden in der Geschichte der chirurgischen Haarwiederherstellung eingesetzt. Eine Beschreibung eines temporo-parietalen Lappens wurde 1957 von Lamont [7] publiziert. Seit 1969 begann Juri [6] einen elongierten temporo-parietookzipital gestielten Lappen (TPO-Lappen) in der chirurgischen Behandlung der Alopezie zu verwenden. Später publizierte Nordström [11] seine Beschreibung eines TPO-Skalplappens (Abb. 6.8) zur Behandlung der männlichen Glatzenbildung. Die verschiedenen Arten des Nordström TPO-Lappens zeigen deutliche Vorteile gegenüber dem Juri-Lappen: ∑ ∑ ∑ ∑
Der Lappen kann ohne Delay durchgeführt werden. Er ist in Lokalanästhesie einsetzbar. Er ist länger. Der Lappen ist nicht dem Risiko der Nekrose des postaurikulären Anteils unter der Entnahmestelle ausgesetzt, wie es manchmal beim Juri-Lappen vorkommt.
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∑ Als Ergebnis eines schmaleren Stieles bildet sich nur ein geringes Eselsohr, zusätzlich ist die korrekte Ausrichtung des Lappens im temporalen Winkel erreichbar.
Der Vorteil der Lappen ist, dass nach erfolgreicher Einheilung, sie die rascheste Methode darstellen, um langes, dichtes Haar in eine haarlose Stelle einzubringen (Abb. 6.9, 6.10). Die Lappenmethoden verlangen Erfahrung. Komplikationen, wie z.B. eine Nekrose, können sogar in den Händen erfahrener Chirurgen entstehen. Der größte Nachteil ist, dass die Haare oft in verschiedene Richtungen wachsen, verglichen zum normalen Haarwuchs.
Abb. 6.9 a–c. Patient mit beginnender männlicher Alopezie (Geheimratsecken). a präoperativer Aspekt, b postoperativer Aspekt nach Therapie mit der Nordström-Variante des TPOLappens, c Detailvergrößerung der vorderen Haarlinie
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Abb. 6.10 a–c. Posttraumatische partielle Alopezie nach Verbrennung. a präoperativer klinischer Aspekt (Markierung der vorderen Haarlinie), b intraoperatives Bild nach Lappenhebung, c postoperatives Ergebnis
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6.2.4 Freie Haartransplantation Die Transplantation von haartragenden Transplantaten ist mit verschiedenen Erfolgen seit dem frühen 18. Jahrhundert durchgeführt worden. Die Möglichkeit der erfolgreichen Haartransplantation wurde an Tieren 1804 oder 1818 bei Baronio demonstriert. 1939 beschrieb Okuda [16], ein japanischer Dermatologe, erstmals den Gebrauch von schmalen Vollhaartransplantaten zur Korrektur der Alopezie im Skalp-, Augenbrauen- und Schnurbartbereich bei schwer verbrannten Patienten. Durch den 2. Weltkrieges wurde seine Arbeit außerhalb Japans erst viele Jahre später bekannt. Die Prinzipien der Haartransplantation und die Behandlung der männlichen Glatze wurden zuerst 1959 von Orentreich [18] beschrieben. Orentreich führte das Konzept der
Spenderstellendominanz ein, welches Mitte der 50er Jahre weiter entwickelt wurde. Bis heute sind die Hauptprinzipien der Haartransplantation ähnlich denen, die anfänglich von Orentreich beschrieben wurden.
6.2.4.1 Indikation Die freie Haartransplantation ist die Therapie der Wahl zur Behandlung der männlichen Glatzenbildung. Der chirurgische Ersatz der Haare ist immer noch eine Wiedereinsetzung von Haarfollikeln und bringt keine Neogenese der Follikel. Es ist seit kurzem möglich, jedes einzelne Haar in eine neue Position und Richtung zu bringen, mit natürlich aussehendem Resultat. Experimente zur Vervielfältigung der Haarfollikel durch Aufsplitterung sind teilweise erfolgreich. Andere Möglichkeiten,
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um Haarfollikeln zu vermehren mögen in Zukunft erfolgreich sein, besonders für jene Patienten, bei denen die Spenderreserve für eine ästhetisch zufriedenstellende Rekonstruktion nicht ausreichend ist.
6.2.4.2 Technik Haartransplantate können in vier Gruppen, abhängig von ihrer Größe, aufgeteilt werden.
Klassifikation der Haartransplantate 1. Stanztransplantate haben einen Durchmesser von 3–4 mm und beinhalten mehr als 12–20 Haare pro Transplantat (s. Abb. 6.13). 2. Minitransplantate sind normalerweise 1,2–2,5 mm im Durchmesser und beinhalten 5–9 Haare pro Transplantat. 3. Mikrotransplantate haben einen Durchmesser von 1,5–1,0 mm oder weniger und beinhalten 1–3 Haare pro Transplantat (s. Abb. 6.14). 4. Mikrotransplantate präpariert als Haarbalgtransplantate die natürlichen Wachstumseinheiten der Haarbälge, dabei beinhaltet jede Einheit zwischen 1–5 Haaren (normalerweise 1–3 Haare, s. Abb. 6.15)
Frühere Haartransplantationen wurden meistens mit Punch-graft durchgeführt (Abb. 6.11), die 4–5 mm im Durchmesser maßen und bis zu 25 Haare enthalten konnten. Ihr Einsatz war aber aufgrund der Größe problematisch. Das unausweichliche Ergebnis ist ein stanzenförmiges Aussehen mit störenden Narben, herausragenden (pflastersteinartig) oder eingesunkenen Transplantaten und ein abrupter Beginn der Haargrenze in der Frontallinie. Um eine natürlichere Haarlinie zu erreichen, begannen die haartransplantierenden Chirurgen sehr kleine Transplantate zu nutzen. Nordström war der Erste, der den Gebrauch dieser kleinen Transplantate, sog. Mikrotransplantate zur Korrektur der frontalen Haarlinie in der männlichen Glatzenbildung, in seiner Arbeit von 1981 [10] publizierte (Abb. 6.12). 1976 berichtete Nordström [9] erstmalig über seine Beobachtung, dass verschiedene Haare öfters aus dem gleichen Haarkanal herauswachsen. Seine Untersuchung wurde von Headington 1984 [5], in seinem Werk über die mikroskopische Anatomie des menschlichen Skalps, bestätigt. 1995 beschrieben Bernstein und Rassman [3] das Konzept und die Technik der follikulären Transplantation. Dabei stellten sie fest, dass die follikuläre Einheit das Basiselement des Gewebes ist, das bei der Transplantation verpflanzt wird (Abb. 6.13).
Abb. 6.11. Punch-Graft
Abb. 6.12. Mikrograft
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Heutzutage ist die Transplantation von Mikrotransplantaten, präpariert als follikuläre Einheit, weitestgehend in der ganzen Welt anerkannt, als die Methode, die die besten Resultate erzielt. Die Haare sehen normalerweise so natürlich aus, dass selbst Friseure nicht feststellen können, dass sie das Ergebnis einer Operation sind (Abb. 6.14–6.19). Allerdings benötigt das System der Mikrotransplantate überlange Sitzungen und ein großes spezialisiertes Team, um Transplantationen mit bis zu 3000 Transplantaten und bis zu 7000 Haaren in einer Sitzung durchzuführen. Momentan existieren nur wenige dieser Teams auf der Welt. Daher ist die leichtere, aber nicht so gute Resultate ergebende Methode der Minigraft immer noch die am Häufigsten genutzte. Damit scheint die Diskussion über große und schmale Transplantate beendet. Die Schritte der freien Haartransplantation sind weitgehend standardisiert:
a
Schritte der freien Haartransplantation 1) Entnahme der Haartransplantate 2) Herausschneiden von Scheibchen und mikrotransplantaten Haarbalgeinheiten 3) Vorbereiten des Empfängergebietes 4) Postoperative Behandlung
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c Abb. 6.13 a–c. Mikrotransplantate, präpariert als follikuläre Einheiten
Ein brauchbares Spendergebiet wird normalerweise im okzipitalen Haargebiet ausgesucht. Die Qualität des Spenderhaars sollte mit der Haarqualität im Empfängergebiet übereinstimmen, bzw. ihr weitgehend entsprechen. Die A. occipitalis, die Vene und der Nerv werden routinemäßig mit Doppler markiert und bei der Operation geschützt. Als Lokalanästhesie wird Lidocain mit Epinephrin verwendet. Zusätzlich wird Kochsalz mit 1 : 50 000 Epinephrin infiltriert, um eine bessere Blutstillung zu erreichen. Wenn der Spenderstreifen herausgeschnitten ist, wird das Messer angewinkelt, so dass kein anderer Follikel mehr zerstört wird. Das Spenderareal wird in zwei Schichten verschlossen, mit Dexon 2.0 in der tieferen Schicht und auf der Oberfläche mit einer 4.0 Prolene-Naht (Abb. 6.20). Das notwendige Spenderareal wird in Abhängigkeit von der Anzahl der Transplantate und der Haare, die transplantiert werden sollen, festgelegt. Wenn das ellipsenförmige Stück vom Spendergebiet herausgeschnitten ist, wird es auf ein steriles zungenförmiges Blatt gelegt, fixiert mit 2 Nadeln und feuchtgehalten mit Kochsalz. Die Teilchen der follikulären Einheitsstückchen werden dann unter dem Mikroskop präpariert (Abb. 6.21). Danach werden sie mikroskopisch zerteilt in Transplantate, die eine follikuläre Einheit beinhalten. Überschüssiges Fett, unter dem tiefsten Anteil des Haarfollikels, wird auf ungefähr 1–2 mm abgetrennt. Die Mikrografts sind nachfolgend auf eine feuchten Ga-
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c Abb. 6.14 a–c. Korrektur einer männlichen Alopezie mit Hilfe von Mikrografts. a präoperativer Aspekt, b postoperatives Resultat nach einer langen Sitzung von 1220 Mikrotransplantaten, präpariert als follikuläre Einheit mit einer totalen Anzahl von 2712 Haaren, c Nahaufnahme der postoperativen Haarlinie Abb. 6.15 a–c. Langzeitergebnis bei Korrektur der männlichen Alopezie mit Hilfe von Mikrografts. a präoperativer Aspekt, b Resultat der Haartransplantation, 20 Jahre postoperativ, c Nahaufnahme der Haarlinie, 20 Jahre postoperativ 䉴
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d Abb. 6.16 a–f. Korrektur einer männlichen Alopezie mit Hilfe von Mikrotransplantaten.a präoperativer Aspekt, Ansicht von frontal, b präoperativer Aspekt, Ansicht von kranial, c präoperativer Aspekt mit Markierung der vorderen Haarlinie, Ansicht von lateral, d postoperatives Ergebnis nach zwei sog. Megasessions mit über 3000 Mikrotransplantaten als follikuläre Einheit (beinhalteten ungefähr 7000 wachsende Haare per Sitzung, Ansicht frontal, e postoperativer Aspekt, Ansicht von kranial, f postoperativer Aspekt, Ansicht von lateral
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Abb. 6.17 a–c. Korrektur einer männlichen Alopezie mit Hilfe von Mikrotransplantaten. a präoperativer Aspekt mit Markierung der vorderen Haarlinie, Ansicht von kranial, b postoperatives Ergebnis (Transplantation von 2190 Mikrotransplantaten, beinhalten 7957 Haare), c Nahaufnahme der postoperativen Haarlinie 䉴
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d Abb. 6.18 a–d. Korrektur einer männlichen Alopezie mit Hilfe von Mikrotransplantaten. a präoperativer Aspekt mit Markierung der vorderen Haarlinie, Ansicht von frontal, b präoperativer Aspekt mit Markierung der vorderen Haarlinie, Ansicht von lateral, c postoperatives Ergebnis, Ansicht von frontal, d postoperatives Ergebnis, Ansicht von lateral
ze in einer Petri-Schale, gefüllt mit Kochsalzlösung, aufzubringen und durch Eis zu kühlen, um eine Austrocknung und Erwärmung zu verhindern. Die Empfängerstelle wird desinfiziert und anästhesiert mit 1 %igem Lidocain mit Epinephrin. Der Patient ist mit einer intravenösen Sedierung vorbereitet und bekommt unmittelbar vor der Lokalanästhesie eine kurz wirkende Analgesie (Alfentanyl) und zwar im Spenderund Empfängergebiet. Für eine weitere Blutstillung wird ein geringes Quantum von Kochsalzlösung mit Epinephrin (1 : 50 000) injiziert. Dieses verbessert die Insertion der Transplantate und ermöglicht auch eine ausreichende Tumeszenz. Die Empfängerlöcher sollten so klein wie möglich sein, um keine sichtbaren Narben zu produzieren. Deshalb werden Rundnadeln mit einem Durchmesser von18, 19 und 20 G routinemäßig benutzt, um die Mikro-
grafts als follikuläre Einheiten einbringen zu können und keine sichtbaren Narben zu hinterlassen. Die Richtung der Empfängerlöcher ist extrem bedeutend, um die korrekte Richtung des Haarwachstums zu erreichen, diese wird noch durch die Tumeszenz im Empfängergebiet unterstützt. Es ist auch sehr wichtig, die Empfängernadellöcher nicht zu tief anzulegen, damit nicht unnötigerweise Gefäße in der tiefen Schicht der Subdermis verletzt werden. Es sollten so wenige Gefäße wie möglich beschädigt werden, um ein dichtes Einbringen der Transplantate realisieren zu können. Durch diese Art der Einarbeitung ist eine Dichte von über 40 Transplanten/cm2 erreichbar, ohne das Risiko eines großen oder gestörten Wachstums der Haarfollikel (Abb. 6.22). Die Transplantate benötigen nicht unbedingt einen postoperativen Verband, da sie durch das Fibrinogen des Blutes auf natürlichem Weg auf ihrem Platz verklebt
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Abb. 6.19 a–i. Korrektur einer männlichen Alopezie mit Hilfe von Mikrotransplantaten.a präoperativer Aspekt, Ansicht von frontal, b präoperativer Aspekt,Ansicht von parietal, c präoperativer Aspekt, Ansicht von kranial, d präoperativer Aspekt, Ansicht von okzipital, e postoperativer Aspekt, Ansicht von frontal, f postoperativer Aspekt, Ansicht von parietal, g postoperativer Aspekt (Ansicht von kranial), h Nahaufnahme der postoperativen Haarlinie, i Nahaufnahme der postoperativen Haarlinie Abb. 6.19 e–i Seite 144
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g Abb. 6.19 e–i i
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Abb. 6.20. Postoperative Narbe im Spendergebiet
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c Abb. 6.21 a–e. Herstellung eines Mikrografts, a Arbeitsplatz mit Operationsmikroskop, b schematische Darstellung der Gewinnung einer Skalpscheibe, c klinisches Bild einer Skalpscheibe unter dem Operationsmikroskop, d 3 Follikel Haartransplantat, e 1 Follikel Haartransplantat
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Abb. 6.22. Dichtes Zusammenfügen der Transplantate ergibt eine Dichtigkeit von 60–80 Haaren/cm2 in einer Operation
Abb. 6.23. Ungefähr 2500 eingebrachte Transplantate am Ende der Operation
KAPITEL 6
werden (Abb. 6.23). Es ist allerdings von Vorteil, einen Verband über Nacht anzulegen, um die Bewegungen des Kopfes gegen das Kissen oder das Kratzen des Patienten und das dadurch entstehende Dislozieren der Transplantate zu vermeiden. Am nächsten Tag kann die Bandage entfernt und die Haare können gewaschen werden. Manchmal wird dem Patienten empfohlen, eine leichte Kompressionsbandage für 3–5 oder mehrere Tage an der Stelle zu belassen, so dass während des Schlafes das transplantierte Gebiet nicht durch das Kissen abgeschabt wird. Die Überlebensrate der Follikel mit Mikrograft (als follikuläre Einheiten) beträgt unter Verwendung einer guten Technik nahezu 100 %, da klinisch keine Stellen auftraten, an denen die zu erwartende Dichtigkeit des Haarfollikelwachstums reduziert war. Alle Patienten sind mit dem ästhetischen Resultat der Transplantation von Mikrografts, präpariert als follikuläre Einheiten, sehr zufrieden. Bei vielen Patienten war eine Sitzung ausreichend, um die gewünschte Haardichte zu erzielen. In Fällen, bei denen in einer Sitzung nur eine ungenügende Haardichte erreicht wird, kann der Vorgang nach 6 Monaten oder auch später leicht wiederholt werden. Es ist sehr wichtig, dass der Patient informiert wird, dass die Haare normalerweise innerhalb von 3 Wochen aus den Transplantaten ausfallen und erst nach ungefähr 3 Monaten zu wachsen beginnen, zu einem normalen Kopfhaar, wahrscheinlich für den Rest seines Lebens. Nordström hat in seiner mehr als 25-jährigen Erfahrung mit Transplantaten keinen Fall gesehen, in der das transplantierte Haar nicht wachsen würde. Infektionen sind bei guter chirurgischer Organisation äußerst selten. Bei mehr als 1 500 Operation mit sog. „Megasessions“ für Mikrografts, präpariert als follikuläre Einheiten, traten keinerlei infektiöse Komplikationen auf.
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III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 7
H. J. G. Bargmann
Ohrdefekte
Inhalt 7.1 Allgemeines 7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4
Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.4.1 Indikation . . . . . . . . . . . . . 7.1.4.2 Zeitpunkt der Operation . . . . . 7.1.4.3 Anästhesie und Operationsprinzipien . . . . . . . 7.1.4.4 Postoperative Nachsorge . . . . 7.1.5 Komplikationen und Probleme . . . . . . 7.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Helixranddefekte . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Defekte am oberen Pol . . . . . . . . . . . 7.2.3 Defekte im mittleren Drittel . . . . . . . . 7.2.4 Defekte am unterem Pol und an den Ohrläppchen. . . . . . . . . . 7.2.5 Totale Ohrdefekte . . . . . . . . . . . . . . 7.2.5.1 Rekonstruktionen mit lokalen Techniken . . . . . . . . 7.2.5.2 Mikrochirurgische Techniken . . 7.2.5.3 Rekonstruktion bei Missbildung. Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
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. 154 . 158 . . . .
158 158 160 160
Dieses Kapitel zeigt einen Überblick über die Möglichkeiten der Rekonstruktion erworbener Ohrmuscheldefekte, wie sie z. B. durch Verletzungen oder Tumorresektionen hervorgerufen werden. Es wird ein Einblick in erprobte Techniken gegeben, die durch eigene Erfahrungen ergänzt sind. Die Rekonstruktion ganzer Ohrmuscheln stellt ein sehr viel komplexeres Thema dar, welches hier keine Berücksichtigung finden soll. Auf die Korrektur angeborener Fehlbildungen der Ohrmuschel wird exemplarisch in Kap. 3 eingegangen. Bei der Rekonstruktion von Ohrdefekten spielen das ästhetische Empfinden, wie auch die strikte Anwendung der plastisch-chirurgischen Prinzipien die entscheidende Rolle für das Erreichen von optimalen Behandlungsergebnissen. Die Technik der Ohrrekonstruktion hat heute einen sehr hohen Stand erreicht. Nur in Ausnahmefällen sollte es daher erforderlich sein, alloplastisches Material in Form von Ohrprothesen zu verwenden.
7.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie Die Aspekte der chirurgisch relevanten Anatomie wurden bereits in Kap. 3 näher erläutert.
7.1.2 Diagnostik Erworbene Ohrmuscheldefekte entstehen z. B. durch scharfe Verletzungen, Tierbisse, Verbrennungen oder durch Tumorresektionen. Es können Teildefekte oder Totaldefekte auftreten.
7.1.3 Klassifikation Für die Klassifikation der erworbenen Ohrdefekte bestehen mehrere Möglichkeiten. In Abhängigkeit von der Defekttiefe unterscheidet man reine Hautdefekte von Defekten, die das Perichon-
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Ohrdefekte
drium mit einschließen oder Defekte die sämtliche Schichten betreffen, einschließlich dem Knorpelverlust. Wenn man von den lokalen Wiederherstellungsnotwendigkeiten an der Ohrmuschel ausgeht, so lassen sich folgende Einheiten für die Wiederherstellung unterscheiden: ∑ periphere Defekte, Helixdefekte (Scapha und Antihelix), ∑ Defekte der Koncha, ∑ Ohrläppchendefekte.
Ausgedehntere Defekte oder Teilohrmuscheldefekte werden klassifiziert als: ∑ Defekte des oberen Drittels, ∑ Defekte des mittleren Drittels, ∑ Defekte des unteren Drittels.
Klassifikation der Ohrdefekte Lokalisierte Ohrdefekte 1. Periphere Randdefekte (Helix, Scapha und Antihelix) – Hautdefekte – Haut-Knorpel-Defekte – Haut-Knorpel-Haut-Defekte 2. Defekte der Koncha (Zentraledefekte) – Hautdefekte – Haut-Knorpel-Defekte – Haut-Knorpel-Haut-Defekte 3. Ohrläppchendefekte Ohrteildefekte 4. Defekte des oberen Drittels 5. Defekte des mittleren Drittels 6. Defekte des unteren Drittels Totale Ohrdefekte
7.1.3 Therapie Die Wurzeln der Ohrrekonstruktion liegen weit zurück. Schon im 16. Jahrhundert beschreibt Tagliacozzi [14] die Rekonstruktion von Ohrteilen mit retroaurikulären Lappen. Wieder einmal ist auch Dieffenbach [9] der Wegbereiter der modernen Plastischen Chirurgie im 19. Jahrhundert. Er beschreibt ebenfalls eine Lappenplastik zur Rekonstruktion eines mittleren Ohrmuscheldefektes. Jedoch erreichte erst im 20. Jahrhundert die Rekonstruktion von Ohrmuscheldefekten, bis hin zur kompletten Ohrmuschelrekonstruktion größeres Interesse in der Plastischen Chirurgie. Hier waren Gillies [11] oder auch Pierce [13] Wegbereiter. Mit Tanzer [15], Davis [8]
KAPITEL 7
und Brent [3] seien nur wenige genannt, die sich in der Ohrrekonstruktion große Verdienste erworben haben. Die Versuche Cronins [7], mit Silikongerüsten einen Knorpelersatz zu schaffen, konnten sich wegen zu häufiger nachfolgender Extrusionen nicht durchsetzen. Autologe Materialien, wie z. B. Rippenknorpel sind heute Substanzen der Wahl. Mikrochirurgische Techniken bis hin zu ektop präfabrizierten Ohrteilen und ganzen Ohrmuscheln stellen den vorläufigen Endpunkt in der Entwicklung der Behandlung von Ohrdefekten dar.
7.1.4.1 Indikation Hautdefekte entstehen entweder traumatisch durch Avulsion, scharfe Verletzung oder Verbrennung oder auch durch die Entfernung von Hauttumoren. Ist das Perichondrium oder die Subkutis intakt, genügen freie Hauttransplantate in Form von Spalt- oder Vollhauttransplantaten. Diese werden in typischer Weise mit Hilfe eines Druckverbandes, in Form eines Überknüpfverbandes, eingenäht. Diese Methode eignet sich besonders nach oberflächlichen Tumorresektionen über dem Ohrknorpel. Geeignete Spenderstellen für Hauttransplantate sind der Retroaurikularbereich der ipsi- oder kontralateralen Seite sowie der Supraklavikularbereich oder der Hals. Bei der Zerstörung des Perichondriums und bei Defekten im Bereich der Helix oder des Ohrläppchens sind lokale Lappenplastiken zu bevorzugen, um diese Defekte zu decken. Liegt der Ohrknorpel über größere Bereiche frei oder muss ein größeres Knorpeltransplantat gedeckt werden, kann es erforderlich sein, eine vaskularisierte Unterlage für ein Hauttransplantat zu schaffen. Hierfür eignet sich am besten der von Brent u. Byrd [4] zur Rekonstruktion genutzte temporoparietale Faszienlappen. Die versorgenden Gefäße der A. temporalis superficialis sind leicht mittels Dopplersonographie zu identifiziert. Bei sorgfältiger Präparation kann die Größe dieses Lappens ausreichen, das gesamte Ohrgerüst einzukleiden. Der eingenähte Faszienlappen wird dann unmittelbar mit einem Hauttransplantat gedeckt. Einzelne Nähte fixieren die Haut zur Formung des Ohrreliefs. Der Hebedefekt liegt im behaarten Kopfbereich und ist in der Regel unauffällig. Bei Knorpeldefekten ist die sorgfältige Rekonstruktion des Knorpelgerüstes erforderlich, um ein harmonisches äußeres Erscheinungsbild des Ohres zu gewährleisten. Dieses ist besonders wichtig bei der Rekonstruktion von Helixdefekten. Ein Knorpeltransplantat sollte über eine ausreichende Flexibilität verfügen. Teildefekte können dadurch vorteilhaft mit Spenderknorpel vom kontralateralen, aber auch vom ipsilateralen Ohr versorgt werden. Die Gewinnung von Rippenknorpel ist nur zur Rekonstruktion größerer Ohrdefekte bzw. der ganzen Ohrmuschel erforderlich und spielt somit bei der Rekonstruktion kleinerer Defekte keine Rolle. Die
KAPITEL 7
Spenderareale des kontralateralen Ohrs sind die Koncha, die Scapha, aber auch die Pars ascendens der Helix. Letztere sind besonders gut geeignet, um CompositeGrafts zu gewinnen, ohne das Spenderohr nennenswert in seinem äußeren Bild zu beeinträchtigen. CompositeGraft-Entnahmen aus dem oberen Ohrpol oder direkt aus der Helix hinterlassen hingegen häufig auffällige Narben oder auch Knorpelstufen, die ästhetisch erheblich stören können. Für die Entnahme aus der Scapha oder der Koncha eignet sich ein retroaurikulärer Zugang. Bleiben Helix und Anthelix intakt, ist kein Stabilitätsverlust des Ohrgerüstes zu befürchten. Somit ist die Entnahme besonders am ipsilateralen Ohr auch davon abhängig, wie groß der zu überbrückende Knorpeldefekt und die verbleibende Reststabilität des Ohres sind. Zur Rekonstruktion eines Helixdefektes mittels Konchatransplantat vom ipsilateralen Ohr sollte die Anthelix intakt sein und auch bleiben. Die Rekonstruktion erfordert die Bildung eines flexiblen Ohrgerüstes, einer farblich abgestimmten und haarfreien Oberfläche sowie die Beachtung des natürlichen und seitengleichen Ohrreliefs.
Ohrdefekte
Die genaue Evaluierung des Defektes ist ein Grundprinzip für die Planung der Operationstechniken und des Zeitpunktes für den rekonstruktiven Eingriff sowie dessen Erfolg. Das gesunde Ohr ist das beste Vorbild der Rekonstruktion (Spiegelbild).
7.1.4.3 Postoperative Nachsorge Beim Verband ist darauf zu achten keinen Druck auszuüben, der die Durchblutung des wiederhergestellten Teiles beeinträchtigen könnte. Man sollte daher den Verband täglich kontrollieren, um so bei einem eventuellen Hämatom oder bei Infektionen sowie bei einer sich anbahnenden Hautnekrose schnell reagieren zu können. So lässt sich häufig ein größerer Verlust der rekonstruierten Teile vermeiden.
! Den Patienten sollte man auch darauf aufmerksam machen, dass er jeglichen Druck und eventuelle Scherkräfte vermeiden muss (weiche Kissen).
7.1.5 Komplikationen und Probleme 7.1.4.2 Zeitpunkt der Operation Bei glatten Schnittverletzungen sowie nach Tumorresektionen und Stromverbrennungen muss die Rekonstruktion unmittelbar erfolgen. Bei Verletzungen, die mit größeren Quetschungen oder Verunreinigungen verbunden sind, ist die Rekonstruktion nach Abheilung, d. h. meistens erst nach 3–4 Monaten empfehlenswert. Bei Verbrennungen hängt der Zeitpunkt von der Gesamtsituation der Wiederherstellung des Patienten ab, hier kann der operative Eingriff auch erst Jahre später erfolgen. Im Kindesalter ist darauf zu achten, dass vor dem sechsten Lebensjahr für größere Knorpelrekonstruktionen der Rippenknorpel nicht ausreicht. Außerdem erhält das Ohrmuschelwachstum um das sechste Lebensjahr, bis auf etwa 6–7 mm, seine endgültige Größe.
Die typischen Komplikationen, die bei jeder Operation auftreten können, sind: Hämatombildung, lokalisierte Infektionen und Hautnekrosen. Dadurch kann es zum Verlust des evtl. eingebrachten Knorpels und bei Teilverlust zu späteren Verwerfungen im Knorpelbereich kommen. Spätere Nachkorrekturen sind daher oft notwendig, um das Resultat zu optimieren. Kleinere freiliegende Knorpelflächen können bei einer Lokalbehandlung mit Fettgaze und antibiotischen Cremes zur Abheilung gebracht werden, größere machen eine Lappenplastik notwendig. Die Patienten sollten prinzipiell auf die Notwendigkeit und Möglichkeit von Nachkorrekturen, oft bedingt durch besonders im ersten Jahr postoperativ auftretende Knorpel- und Narbenkontrakturen, aufmerksam gemacht werden.
7.1.4.3 Anästhesie und Operationsprinzipien
7.2 Spezielle Techniken
Kleinere und oberflächliche Defekte sowie später oft noch notwendige Nachkorrekturen können meistens in Lokalanästhesie vorgenommen werden. Bei größeren Defekten, die vor allem eine Rekonstruktion des knorpeligen Gerüstes notwendig machen und bei größeren Lappenplastiken oder mikrochirurgischen Techniken empfiehlt es sich, die Allgemeinnarkose zu wählen. Im Kindesalter ist erfahrungsgemäß die Allgemeinnarkose vorzuziehen.
7.2.1 Helixranddefekte Helixranddefekte, die mitunter eine Ausdehnung von mehreren Zentimetern haben, sieht man häufig nach Verbrennungen oder auch nach Tierbissverletzungen. Zur Rekonstruktion eignen sich hier Verschiebelappenplastiken oder die heute etwas weniger genutzten Rolllappenplastiken. Bei beiden Methoden handelt es sich um zwei- bzw. mehrzeitige Verfahren. Ihr Einsatz richtet sich nach den lokalen anatomischen Voraussetzungen. Nur in Ausnahmen erfordert die Verschiebelappenpla-
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Abb. 7.1. Rekonstruktion eines Helixranddefektes. a Anfrischen des Defektrandes und Heben eines Verschiebelappens im retroaurikulären Sulcus, b Einnähen des Verschiebelappens und Einlegen von Fettgaze unter den Lappen, c nach etwa zwei Wochen Durchtrennung des Lappens und Formung der Helix, Mobilisierung des Restlappens und Vernähung im Sulcus
stik den Verschluss eines Hebedefektes durch ein Hauttransplantat. Der Verschiebelappen wird im retroaurikulären Sulcus gebildet (Abb. 7.1 a). Auch nach Verbrennungsverletzungen ist die Haut hier in der Regel unverletzt und kann problemlos als Spenderregion dienen. Die Operation wird als zweizeitiger Eingriff geplant. Nur in Ausnahmefällen kann es erforderlich sein, zusätzlich ein schmales Knorpeltransplantat zur Verstärkung der Projektion der Helix einzubringen. Je nach Länge des Helixranddefektes erfolgt die Inzision im retroaurikulären Sulcus gewöhnlich unter Lokalanästhesie. Mit zwei weiteren 2–3 cm langen horizontalen Schnitten wird ein Vollhautlappen mit anhängender Subkutis gebildet. Der Empfängerbereich an der Helix wird durch einen glatten Schnitt angefrischt und der Lappen mit 6/0 Fäden sorgfältig eingenäht. Nach der Blutstillung im Hebebereich wird hier Fettgaze unter dem Lappen eingelegt und das gesamte Ohr steril abgedeckt sowie druckfrei verbunden. Das Ohr kann mit einer Ohrklappe versehen werden. Innerhalb von etwa 14 Tagen erhält der Lappen vaskulären Anschluss an die Empfängerstelle. Regelmäßige Verbandwechsel ermöglichen die Kontrolle eines ungestörten Heilungsverlaufes. Die Lappenstieldurchtrennung erfolgt nach etwa zwei Wochen ebenfalls unter Lokalanästhesie. Hierbei ist eine genaue Planung der Lappengröße erforderlich.
Der abgetrennte Lappen wird umgeschlagen und an die posteriore, erneut angefrischte Nahtlinie angepasst. Der Lappen ist so groß zu wählen, das auch eine spätere Lappenschrumpfung noch ein optimales Ergebnis erzielen kann. Die Einnaht erfolgt wiederum mit 6/0 Nähten. Eine bleibende rosige Färbung des Lappens zeigt eine ausreichende Durchblutung. Die Stielreste des durchtrennten Lappens werden nun weiter mobilisiert. Danach gelingt es in der Regel leicht einen Wundverschluss in der Retroaurikularfalte, primär ohne Hauttransplantat, zu erreichen. Zwischenzeitlich kann es zu lividen Verfärbungen des einheilenden Lappens kommen. Nach weiteren etwa 2 Wochen sollte der neue Helixrand eingeheilt sein (Abb. 7.1 b, c).
7.2.2 Defekte am oberen Pol Ist die Ohrmuschel ausreichend groß und der Helixdefekt nicht größer als etwa 1 cm, kann er mitunter ohne Lappenplastik oder Transplantat verschlossen werden. Bei sehr kleinen Defekten gelingt dieses durch eine direkte Naht. Bei größeren Defekten erfolgt zunächst eine Mobilisierung der knorpeligen Helix, mit einer Durchtrennung der vorderen Ohrhaut und des darunter liegenden Knorpels, im Bereich des vorderen Helixsulcus, unter Schonung der posterioren Haut. Eine keilförmige
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Abb. 7.2. Direkter Verschluss eines kleinen Defektes am oberen Pol der Ohrmuschel. a Keilförmige Vergrößerung des Defektes mit Entnahme von Spannungsdreiecken aus der Scapha, b direkter Verschluss durch Naht
Abb. 7.3. Hebung eines Konchalappens, retroaurikuläre Fläche, wie auch Hebedefekt werden mit einem Hauttransplantat gedeckt. (Nach Davis [8])
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Knorpelexzision in Richtung Scapha erleichtert gelegentlich die Annäherung des Defektes, auch wenn hiermit die Ohrmuschel verkleinert erscheint, ist somit ein harmonisches Äußeres zu erzeugen. Seitenunterschiede fallen in der Regel nur bei genauem Vergleich ins Auge (Abb. 7.2). Bei Defekten ab einer Größe von mehr als etwa 1 cm können diese mit einem Composite-Graft vom kontralateralen Ohr aufgefüllt werden. Dieses wird entweder von der Pars ascendens helicis oder ebenfalls vom oberen Helixpol gewonnen. Das Transplantat wird etwas kleiner als der Defekt gewählt, um das Spenderohr nicht zu sehr in seiner Größe zu reduzieren. Bei diesem Vorgehen ist besonders auf die Anwendung atraumatischer Operationstechniken zu achten, um das Einheilen des Transplantates zu gewährleisten. Die Wundränder sollten mit glatten Schnitten angefrischt und das Transplantat mit feinen Fäden eingenäht werden. Composite-Transplantate am Ohr haben eine sehr gute Einheilungsquote. Ist die Verwendung eines Composite-Transplantates nicht möglich, kann man Defekte am oberen Pol auch mit einem anterosuperior gestielten Haut-SubkutisLappen, wie von Crikelair [6] beschrieben, verschließen. Hierbei ist zum Erhalt der Stabilität der Ohrmuschel jedoch das Einbringen eines Knorpeltransplantates und zur Deckung des Hebedefektes gelegentlich ein Hauttransplantat erforderlich. Eine weitere interessante Technik zur Deckung eines größeren Defektes am oberen Pol beschreibt Davis [8]. Es wird ein chondrokutaner Lappen, in Form eines Rotationslappens, aus der Koncha des Ohres mit Stielung an der Crus helicis gebildet, welcher die Haut an der Rückseite des Ohres intakt lässt. Die Rückseite des Lappens, wie auch der Hebedefekt sollte dann jeweils mit einem Hauttransplantat gedeckt werden. Es kann nahezu die gesamte Koncha in den Lappen eingebunden werden, ohne die Stabilität der Ohrmuschel nennenswert zu beeinflussen (Abb. 7.3).
7.2.3 Defekte im mittleren Drittel Kleinere bis mittlere Defekte werden auch hier, wie am oberen Pol, entweder durch direkten Verschluss oder mit einem Composite-Graft verschlossen. Bei mittleren bis größeren Defekten sind hingegen umfangreichere Techniken erforderlich. Dieffenbach [9] beschrieb bereits im 19. Jahrhundert die Technik mit einem Verschiebelappen, ähnlich der Rekonstruktion des Helixrandes mit einem retroaurikulären Haut-Subkutis-Lappen, welche heute noch eine ideale Rekonstruktionsmöglichkeit eines Helixdefektes im mittleren Drittel darstellt (s. oben). Jedoch nutzt er den gesamten Lappen auch zur Bildung der Ohrrückseite und deckte den Hebedefekt des Lappens mit einem Hauttransplantat (Abb. 7.4 a).
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Bei mittleren Defekten ist ein Knorpeltransplantat nicht immer erforderlich. Größere Defekte sollten jedoch zur Rekonstruktion der Helixkontur ein Rippenknorpeltransplantat erhalten, welches nach sorgfältiger Formung unter dem Hautlappen eingebracht wird (Abb. 7.4 b). Ein zweizeitiges Vorgehen ist zwingend erforderlich.
Zur Einheilung des Rippenknorpels ist bis zur Stieldurchtrennung ein Intervall von mindestens 1 Monat einzuhalten. Da Vorder- wie auch Rückseite der Ohrmuschel rekonstruiert werden müssen, entsteht in der Regel ein verhältnismäßig großer Hebedefekt hinter dem Ohr, welcher mit einem Hauttransplantat zu verschließen ist. Bei der von Converse [5] beschriebenen Tunneltechnik wird zunächst ein retroaurikulärer Brückenlappen gebildet, unter den ein geformtes Rippenknorpeltransplantat zur Bildung des Helixrandes eingeführt wird. Erst in einer zweiten Sitzung nach etwa 1–2 Monaten wird der retroaurikuläre Lappenspiel durchtrennt und der Hebedefekt ggf. mit einem Hauttransplantat verschlossen.
7.2.4 Defekte am unteren Pol und an den Ohrläppchen Bei Defekten am unteren Ohrdrittel handelt es sich mitunter um kombinierte Haut- und Knorpeldefekte mit Verlust des gesamten Ohrläppchens. Große Defekte sind hierbei ebenfalls nur zweizeitig zu schließen. Hierbei wird zunächst eine Hauttasche gebildet, in die entweder ein Koncha- oder ein Rippenknorpeltransplantat eingefügt wird. Nach etwa 4 Wochen wird dann ein Hautlappen umschnitten, welcher zur Ohrläppchenrekonstruktion dient. Auch hier muss der retroaurikuläre Hebedefekt mit einem Hauttransplantat verschlossen werden. Es ist jedoch darauf zu achten, dass der Hautlappen so groß geschnitten wird, dass das Ohrläppchen inklusive Ohrläppchenrand in einem Stück gebildet werden kann. Erst hinter dem Ohrläppchen wird dann ein Hauttransplantat eingebracht. Die reine Ohrläppchenrekonstruktion erfolgt analog. Es wurden verschiedene Lappenplastiken in der Literatur beschrieben. Bei sämtlichen Methoden ist jedoch das Ziel, ein möglichst harmonisches und formstabiles Ohrläppchen zu rekonstruieren. Da ein stabilisierendes Knorpelgerüst fehlt, können noch Jahre später Nachkorrekturen aufgrund von Lappenschrumpfungen erforderlich werden (Abb. 7.5).
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Abb. 7.4. Ohrrekonstruktion a Anfrischen des Defektes, b Heben eines retroaurikulären Lappens und Einnähen in den Defekt, c Der Lappenstiel wird durchtrennt und in den retroaurikulären Sulcus geschlagen. d der Hebedefekt wird mit einem Hauttransplantat gedeckt. (Nach Dieffenbach [9])
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䉳 Abb. 7.5. a Ein Hauttransplantat wird in die Hauttasche eingeführt, b der Hautlappen wird gehoben, c keine sichtbaren Narben am vorderen Ohr, d das Hauttransplantat ist retroaurikulär eingenäht.
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Abb.7.6.a Rekonstruktion des Ohrläppchens mit Dreieck-Lappen nach Ausrissverletzung. b Rekonstruktion einer Ausrissverletzung durch Z-Plastik und Neubildung der Öffnung für den Ohrring über dem Querbalken des Z. c Dorsalansicht
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Korrektur eingerissener Ohrläppchen Geschlitzte Ohrläppchen entstehen normalerweise nach langjährigem Tragen schwerer Ohrringe in gestochenen Ohrlöchern. Um ein frühzeitiges neuerliches Einreißen zu unterbinden, ist eine besondere Verschlusstechnik anzuwenden. Hierbei werden die Hautränder glatt angefrischt. Zur Vermeidung einer rezidivbehafteten einfach senkrechten Naht wird eine Schnitttechnik gebildet. Diese muss lediglich etwa 3 mm betragen. Ein neues Ohrloch kann dann an gleicher Stelle neu gestochen werden. Dieses sollte jedoch in einem gesonderten Eingriff zu einem späteren Zeitpunkt, nach erfolgter Heilung stattfinden (Abb. 7.6).
7.2.5 Totale Ohrdefekte Bei totalen Amputationen der Ohrmuschel finden sich häufig zusätzliche Verletzungen im Bereich der Schädelhaut und des Schädels. Es ist daher eine genaue Evaluierung des Allgemeinbefundes sowie des Lokalbefundes notwendig. Die zu wählende Rekonstruktionsmethode hängt auch von den Durchblutungsverhältnissen (Cave: Quetschmarken) ab. Ein CT ist zu empfehlen, um eventuelle Knochenverletzungen auszuschließen. Besondere Probleme finden sich bei Ohrverlusten nach Verbrennungsschäden.
7.2.5.1 Rekonstruktion mit lokalen Techniken Bei der Rekonstruktion einer gesamten Ohrmuschel muss zunächst eine Schablone des vorhandenen Ohres angefertigt werden, um dann spiegelbildlich das wieder herzustellende Ohr gestalten zu können. Als Nächstes sollte die Beschaffenheit des Empfängergebietes abgeklärt werden, um etwa vorhandene zusätzliche Narben in die Planung mit einbeziehen zu können. Es existiert eine Vielzahl an Methoden, besonders hervorzuheben sind die Ergebnisse von Brent, Nagata und Firmin. Bargmann bevorzugt die Kombination des temporalen Faszienlappens, sowohl lokal gestielt, wie mikrochirurgisch transponiert von der anderen Seite des Kopfes und die anschließende Deckung mit dicker Spalthaut (Abb. 7.7 a, b). Wenn möglich verwendet er zur lateralen Deckung noch vorhandene Hautanteile in der Umgebung der Ohrrekonstruktion. Die behaarte Kopfhaut ist weniger zu empfehlen, da eine dauerhafte Entfernung der Haare selten gelingt. Das notwendige knorpelige Gerüst wird vom Rippenbogen gewonnen und sorgfältig geformt. Es sollte so dünn präpariert werden, wie es technisch möglich ist, ohne zu brechen. Die Formung bedarf einer gewissen künstlerischen Begabung. Hier zeigen sich die Unterschiede in den späteren Ergebnissen (Abb. 7.7 c). Die spätere Form und Vorbeugung
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der Schrumpfung sowie Verbiegung des rekonstruierten äußeren Ohres hängt von der Haut, den Faszienlappen und dem Einbau des Knorpelgerüstes ab. Es sind oft noch kleine Nachkorrekturen nötig, um das bestmögliche Resultat zu erreichen, dies muss dem Patienten bekannt sein (Abb. 7.7 d, e).
7.2.5.2 Mikrochirurgische Techniken Eine Replantation ist möglich, diese ist aber von der Art der Verletzung und dem Zustand des Amputates sowie von den vorhandenen Blutgefäßen abhängig. Teile lassen sich oft frei verpflanzen als Composite-Graft. Totalabrisse, wie in der Literatur in einzelnen Fällen berichtet, erzielen die besten Ergebnisse unter Nutzung von mikrochirurgischen Gefäßanastomosen. Es gibt viele Vorschläge zur Replantation ohne Gefäßanschluss, aber die Ergebnisse sind zweifelhaft und oft sehr enttäuschend. Meistens kommt es dabei zu Verlusten größerer Teile oder auch des gesamten Replantates. Die Verlagerung des deepithelialisierten Knorpelgerüstes in eine Hauttasche ist eine Möglichkeit, um für eine spätere Rekonstruktion das Knorpelgerüst zu erhalten. Der vorgefertigte Lappen („prefabricated flap“) ist als eine mikrochirurgische Methode, eine zusätzliche Möglichkeit besonders bei starken Vernarbungen im Empfängergebiet anzusehen [2]. Es wird ein Radialislappen präpariert und das aus dem Rippenbogen geschnitzte Gerüst in diesen fasziokutanen Lappen am Unterarm zunächst eingebracht (Abb. 7.8 a). Nach 3–6 Wochen wird, der aus einer Knorpeltransplantatfaszie bestehende Lappen an der distalen A. radialis und den Begleitvenen gestielt und am Unterarm vorgelagert. Die Oberfläche dieses Konstruktes wird nun, nach eventueller Korrektur von überschießender Knorpelbildung, mit Spalthaut bedeckt. Nach weiteren drei Wochen, wenn das so gebildete Ohr eine gute Durchblutung zeigt und die Oberfläche abgeheilt ist, wird es im Sinne eines freien Radialislappen verpflanzt und unter mikrochirurgischen Methoden an die A. facialis sowie die Halsvenen angeschlossen. Diese Rekonstruktion hat den Vorteil, dass bereits durchbluteter Knorpel und Haut verpflanzt wird, sodass nur eine geringe Gefahr für eine spätere Formveränderungen besteht (Abb. 7.8 b, c). Man kann auch den temporalen Faszienlappen dafür verwenden.
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Abb. 7.7. a Planung des Temporalis-Faszienlappens, b Faszienlappen präpariert, c aus dem Rippenbogen hergestelltes Knorpelgerüst, d Ergebnis 1 Jahr später, Seitenansicht, e Ergebnis der Rekonstruktion des rechten Ohres, Frontalansicht
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7.2.5.3 Rekonstruktion bei Missbildungen Die Techniken unterscheiden sich von denen, die in den vorherigen Kapiteln bereits beschriebenen worden sind nur gering. Oft sind Teile vorhanden, die in die gesamte Planung miteinbezogen werden müssen. Für die Planung der Rekonstruktion eignet sich die Einteilung von Rogers, Weerda und Siegert [14]. Sie unterscheidet drei Grade der Dysplasien, je nach den vorhandenen Strukturen. Die Differenzierung reicht von der Existenz der meisten Strukturen, nur einiger Strukturen bis zum Fehlen der gesamten Ohrmuschel. Zusätzliche Probleme treten häufig im Bereich des Innenohres und des Gehörganges, der evtl. nicht vorhanden ist, auf. Diese müssen im Vorfeld abgeklärt und von Spezialisten behandelt werden. In diesen Fällen ist eine enge Zusammenarbeit mit HNO-Kollegen zu empfehlen.
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! Primär sollten eine mögliche Gehörgangrekonstrukti-
on und andere notwendige Korrekturen durchgeführt werden, bevor man die Wiederherstellung der äußeren Ohrmuschel angeht.
Ein Vorteil für die Operationsplanung bei Missbildungen ist, dass meisten keine Narben vorliegen und auch ein guter Hautmantel zur Verfügung steht. Der Einsatz von Expandern kann hier sehr hilfreich sein. Es soll nicht vergessen werden, dass gute Epithesen auch eine optimale Lösung für dieses Problem der Ohrmuschelrekonstruktion sein können, z. B. nach Verbrennungen und Tumoren.
b
Literatur
c Abb. 7.8. a „Prefabricated flap“ zur Ohrmuschelrekonstruktion am rechten Unterarm an der A. radialis, b präoperatives Bild des rechten Ohrrestes, c postoperatives Ergebnis der mikrochirurgischen Rekonstruktion. (PHW – Hannover)
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III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 8
K. Wittig · A. Berger
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Inhalt 8.1 Allgemeines 8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.4 8.1.5
Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . . . . Epidemiologie. . . . . . . . . . . . . . Prinzipien der Diagnostik. . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien der Therapie . . . . . . . . . 8.1.5.1 Vorüberlegungen und Indikationsstellung . . . . . . 8.1.5.2 Allgemeine Techniken . . . . 8.1.5.3 Postoperative Nachsorge . . 8.1.6 Risiken und Komplikationen . . . . . . 8.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . 8.2.1 Technik der primären Naht . . . . . . . 8.2.2 Technik der lateralen Kanthusrekonstruktion . . . . . . . . . 8.2.3 Technik der Rekonstruktion der medialen Kanthusregion und Kanthopexie . . . . . . . . . . . . 8.2.4 Technik der Rekonstruktion von Oberliddefekten > 50 % nach Mustardé . . . . . . . . . 8.2.5 Techniken zur Schaffung eines Bettes für eine Epithese . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
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. . . 175
. . . 175
. . . 179 . . . 179 . . . 179
8.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie Die Lider haben eine Schutz- und Haltefunktion für den Augapfel. Sie bilden eine dynamische vordere Begrenzung der Orbita und üben einen bestimmten Druck auf den Bulbus aus, der diesen an die innere Gleitschicht der Tenon-Kapsel anpresst. Bei Lidschluss wird der Bulbus etwas nach innen bewegt. Hauptaufgabe der Lider ist die Befeuchtung der Kornea, beim Heben und Senken der Lider erfolgt zusätzlich eine nach medial gerichtete Wischbewegung. Die Medialbewegung ist am Unterlid stärker ausgebildet als am Oberlid, dessen vertikale Beweglichkeit überwiegt. Die drei lateralen Lidbänder (Abb. 8.1, 8.2) erlauben eine Mitbewegung des lateralen Lidwinkels nach medial beim Lidschluss. Ober- und Unterlid begrenzen den Lidspalt und vereinigen sich medial und lateral in den Kommissuren. Der durch die Ober- und Unterlidanteile der Kommissuren gebildete Winkel wird medialer und lateraler Kanthus genannt. Die dünne Haut der Lider liegt mit nur wenig subkutanem Fett auf einem sehr lockeren, regelmäßig angeordnetem Bindegewebe, direkt auf dem M. orbicularis oculi (Abb. 8.3). Dieser reicht konzentrisch angeordnet vom knöchernen Orbitarand bis zum Lidrand des Ober- und Unterlides. Der M. orbicularis wird in seine präorbitale, präseptale und prätarsale Faserzüge unterteilt, die Inneren zeigen hierbei einen nahezu kreisförmigen Verlauf. Die Ligamenta palpebrae lateralis und medialis bilden die seitlichen Muskelansätze. Die nervale Versorgung erfolgt durch den R. zygomaticus des N. facialis. Der M. orbicularis schließt die Lider und sorgt zusätzlich für die dauerhafte Anpressung der Lider an den Bulbus und somit wieder für den rückwärtigen Kontakt des Bulbus mit der Tenon-Kapsel. Unter dem M. orbicularis trennt das Septum orbitale, das vom knöchernen Orbitarand entspringt, die tieferen Schichten der Orbita ab und begrenzt das orbitale Fett. Der M. levator palpebrae superioris (Abb. 8.4) entspringt vom kleinen Keilbeinflügel und verläuft ober-
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Lig. palpebrale mediale Lig. palpebrale lat. profundum präorbital
präseptal
Lig. palpebrale lat. medium Lig. palpebrale lat. superficiale
prätarsal
prätarsal
präseptal
präorbital
Abb. 8.1. Einteilung des M. orbicularis in seine präorbitalen, präseptalen und prätarsalen Anteile
lateraler Anteil M. levator palpebrae
Lig. palpebrale laterale
oben präseptal
unten und oben prätarsal
unten präseptal
Abb. 8.3. Der laterale Kanthus und die Anatomie des Lig. palpaebrale laterale
Abb. 8.2. Die Lidbänder als Abschluss der vorderen Orbita
halb und etwas medial des M. rectus superior. Der Muskelbauch des M. levator palpebrae superioris endet bereits kurz vor dem Orbitaeingang und geht in die Levatoraponeurose über, deren oberflächlicher Teil in die Orbikularismuskulatur einstrahlt und damit für die Oberlidfalte verantwortlich ist. Der tiefe Anteil der Levatoraponeurose inseriert an der Tarsusvorderfläche. Der mediale und laterale Anteil der Aponeurose ist an den Ligg. canthi fixiert, der laterale Anteil teilt die Tränendrüse in eine Pars palpebralis und orbitalis. Der Muskel bewirkt die willkürliche Lidhebung und Lidretraktion. Von der Unterseite der Levatoraponeurose am Übergang zum Muskelbauch entspringt der Müller-Muskel (M. tarsalis superior) und heftet sich am Tarsusoberrand und an der Konjunktiva an (s. Abb. 8.4. 8.5). Der sympathisch innervierte Müller-Muskel bestimmt die Lidspaltbreite. Der Tarsus versteift Unter- und Oberlid. Er besteht nicht aus Knorpel, sondern aus einem Netz elastischer und kollagener Fasern und Meibom-Talgdrüsen. Besonders am Unterlid ist die Versteifung durch den Tarsus zur Formerhaltung wider der Schwerkraft wichtig. Dadurch bekommt die Tarsusrekonstruktion ab einer bestimmten Defektgröße einen funktionellen Hintergrund. Unter- und Oberlid sind auf der Innenseite mit Konjunktiva überzogen. In der oberen und unteren Umschlagfalte strahlen bindegewebige Fasern aus der Muskulatur ein und verhindern das Kollabieren des Konjunktivalsackes. Lateral oben und unten ist der
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Abb. 8.4. Sagittalschnitt durch das Oberlid. Hinter dem Lid ist der große Konjunktivalsack (Fornix conjunctivae superior) gelegen
Septum orbitale Levatoraponeurose Müller Muskel Konjunktivalsack M. orbicularis Anheftung an die Haut
Tarsus
Abb. 8.5. Schräger Sagittalschnitt durch das Oberlid, 䉴 der die Beziehungen zwischen M. orbicularis, dem Septum orbitale, der Levatoraponeurose, dem Müller-Muskel und der Konjunktiva zeigt
M. orbicularis Septum orbitale
Levatoraponeurose Müller Muskel
Konjunktiva
Lig. palpebrale laterale
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Konjunktivalsack größer, medial bildet der Lidwinkel die Grenze. Dies hat praktische Auswirkung auf die Rekonstruktion von Defekten. Die hervorragende Blutversorgung der Lider wird durch Anastomosen zwischen der A. zygomaticofacialis lateralis und der A. angularis sowie der A. ophthalmica gewährleistet. Über die A. marginales superior und inferior wird ein kompletter Kreis geschlossen.
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8.1.4 Klassifikation Bei den Liddefekten kann man unterscheiden in oberflächliche und vollschichtige Liddefekte. Für die Einteilung der vollschichtigen Liddefekte hat sich die Klassifikation nach Mustardé bewährt.
Klassifikation der vollschichtigen Liddefekte
8.1.2 Epidemiologie Defekte der Lider werden verursacht durch Trauma, das Oberlid ist dabei öfters betroffen als das Unterlid. Bei Verbrühungen und Verbrennungen im Gesichtsbereich sind die Lider häufig mitverletzt und das Auge verliert somit seinen natürlichen Schutz. Der Lidschluss bei intakten Lidern ist ein wichtiger Schutzreflex zur Vermeidung von Korneaverletzungen. Gutartige (Fibrome, Xanthelasmen, Naevi) und bösartige Tumore sind ebenfalls häufig Ursachen für Defekte an den Lidern, die je nach Ausdehnung der notwendigen Tumorexzision Rekonstruktionen notwendig machen. Der am häufigsten vorkommende maligne Tumor ist das Basalzellkarzinom, es sind etwa 67 % der Tumore am Unterlid und 10 % am medialen Lidspalt zu finden. Das Spindelzellkarzinom ist nur in etwa 2 % im Lidbereich zu finden.
8.1.3 Prinzipien der Diagnostik Bei Verletzungen im Lidbereich, sollte im ersten Schritt eine genaue Untersuchung des Auges erfolgen, besonders wenn es sich um perforierende Verletzungen der Lider handelt. Aus dem Unfallhergang ergeben sich hier wichtige Anhaltspunkte. Die Hornhaut muss nach oberflächlichen oder perforierenden Verletzungen untersucht werden. Nachfolgend ist die Netzhaut zu kontrollieren und nach Perforationsverletzungen des Augapfels zu suchen, besonders ist auch auf den Tränen-NasenGang zu achten. Gesichtsfeldeinschränkungen sind auszuschließen. Diese Abklärung sollte, wenn nötig von einem Augenarzt,vor jedem chirurgischen Eingriff an den verletzten Augenlidern vorgenommen werden. Bei Tumoren ist besonders auf die Infiltration im Bereich des medialen Lidspaltes zu achten, da hier auch der Tränen-Nasen-Gang involviert sein kann. Bei einer notwendigen Resektion in diesem Bereich ist unter anderem auf die Wiederherstellung des Tränen-Nasen-Ganges zu achten. Es ist daher eine aufwändigere Rekonstruktion für einen komplexen Defekt notwendig. Die präoperative Abklärung der Tumorausbreitung ist von großer Bedeutung.
Oberliddefekte ∑ Oberflächige und partielle Oberliddefekte ∑ Komplette Oberliddefekte – Komplette Oberliddefekte < 25 % – Komplette Oberliddefekte 25–50 % – Komplette Oberliddefekte 50–75 % – Subtotale und totale Oberlidrekonstruktion Unterliddefekte ∑ Oberflächige und partielle Unterliddefekte ∑ Komplette Unterliddefekte – Komplette Unterliddefekte < 25 % – Komplette Unterliddefekte 25–50 % – Komplette Unterliddefekte 50–75 % – Subtotale und totale Unterlidrekonstruktion Defekte im medialen Kanthusbereich ∑ Oberflächige und einfache Defekte des medialen Kanthus ∑ Tiefe oder komplexe Defekte des medialen Kanthus Defekte im lateralen Kanthusbereich ∑ Oberflächige und einfache Defekte des lateralen Kanthus ∑ Tiefe oder komplexe Defekte des lateralen Kanthus
8.1.5 Prinzipien der Therapie 8.1.5.1 Vorüberlegungen und Indikationsstellung Ziel der Lidrekonstruktion ist die Funktions- und Symmetriewiederherstellung. Die minimalste Anforderung an die Lidrekonstruktion ist die Erneuerung der drei anatomischen Hauptbestandteile mit äußerer Haut- und innerer Schleimhautschicht sowie dem dazwischenliegenden halbstarren Gerüst. Während beim Unterlid die Beweglichkeit nicht notwendig ist und die Rekonstruktion sich statisch nach Form und Größe richtet, wird bei der Oberlidrekon-
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struktion die Wiederherstellung der Beweglichkeit notwendig, um das Lid über die Pupille heben zu können, aber auch um einen Lidschluss und die damit verbundene Hornhautbefeuchtung zu ermöglichen. Für die Oberlidrekonstruktion ist deshalb auch Muskulatur notwendig. Es liegt daher der Gedanke nahe, zur Oberlidrekonstruktion Anteile des Unterlides oder auch das gesamte Unterlid zu verwenden. Im Gegensatz hierzu ist es jedoch nicht angebracht, zur Unterlidrekonstruktion Teile eines gesunden Oberlides zu opfern, da die Funktion des Auges auch durch einen Totalverlust des Unterlides nicht verloren geht. Andererseits zieht bereits eine geringfügige, dauerhafte oberlidbedingte Lidschlussdehiszens eine chronische Schädigung des Auges, im Bereich der Hornhaut mit einer entsprechenden Funktionsbeeinträchtigung, nach sich. Daher ist auf die Oberlidrekonstruktion besonderer Wert zu legen. Im Unterlidbereich können völlig zufriedenstellende Rekonstruktionsergebnisse durch die Verwendung von Transplantaten für die innere und durch lokale Hautlappenplastiken für die äußere Wiederherstellung erreicht werden. Die Verwendung reiner Hautanteile des Oberlides oder die Visierlappentechnik nach Tripier mit Haut und M. orbicularis ist hiervon ausgenommen, da keine vollschichtige Verletzung des Oberlides vorgenommen wird. Ein didaktisch klares sich, an den Defektgrößen orientiertes und aus bestimmten Einzelschritten aufbauendes System der Lidrekonstruktion findet sich erstmals von Mustardé [11] ausgearbeitet und publiziert. Diese Einteilung ist ein gutes und brauchbares Konzept und wird deshalb auch hier zur Indikationsstellung verwandt.
tät des rekonstruierten Unterlides zu gewinnen, durch ein Knorpeltransplantat aus dem Nasenseptum oder dem Ohrknorpel, nachgebildet. Die Oberflächenbedeckung sollte durch eine geeignete lateral gehobene Lappenplastik vorgenommen werden.
8.1.5.2 Allgemeine Techniken
Abb. 8.6 a, b. Direkte typische Lidnaht bei Unterliddefekt kleiner als ein Viertel der Lidlänge
Nicht durchgreifende Defekte an Unter- und Oberlidern können zum einen durch Vollhauttransplantationen und zum anderen mit Lappenplastiken versorgt werden. Für die Lappenplastiken stehen sowohl lateral als auch medial mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, die in der Gefäßvollversorgung der Umgebung begründet sind. Diese Transpositionslappen lassen sich alle gut in die Defekte des Ober- und Unterlids einpassen, die Hebestellen können damit direkt verschlossen werden (s. Kap. 4).
Unterlidrekonstruktion Durchgreifende Unterliddefekte werden, können sie nicht mehr durch eine direkte Naht oder laterale Kantholyse verschlossen werden, von lateral nach medial versorgt. Dabei wird der Tarsus, um eine besser Stabili-
Verlust bis zu einem Viertel des Unterlides. Verluste bis zu einem Viertel des Unterlides können durch eine direkte dreischichtige Naht versorgt werden. Transplantate oder Lappenplastiken sind nicht notwendig (Abb. 8.6).
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b
Verluste bis zur Hälfte des Unterlides Ist der Defekt im Unterlid nur wenig größer als ein Viertel, so kann eine zusätzliche Mobilisierung des lateralen Anteiles des Unterlides durch eine laterale Kantholyse erreicht werden (Abb. 8.7). Hierzu wird der untere Schenkel des lateralen Lidbändchens aufgesucht und durchtrennt. Ist der Defekt breiter als eben beschrieben, aber höchstens halb so groß wie das Unterlid, so muss neben der lateralen Kantholyse auch noch eine Wangenrotation (Abb. 8.8) vorgenommen werden. Aufgrund des Schleimhautüberschusses im lateralen Anteil des Auges ist eine Transplantation zur Rekonstruktion der inneren Schicht nicht notwendig.
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KAPITEL 8
Verlust von mehr als der Hälfte des Unterlides. Erst bei Defekten größer als die Hälfte des Unterlides ist die Rekonstruktion sinnvollerweise mit einem mukochondralen Transplantat aus der Nase notwendig. Hierbei wird zur Größenbestimmung wiederum ein Viertel der Unterlidbreite vom Defekt abgezogen. Der verbleibende Anteil entspricht der Transplantatgröße. Dieses kann vorzugsweise vom Nasenseptum gewonnen werden, der knorpelige Anteil des mukochondralen Transplantates muss zur Verwendung am Unterlid noch ausgedünnt werden. Die oberflächliche Defektdeckung erfolgt durch eine geeignete lokale Lappenplastik, hierbei bieten sich sowohl der lokale, lateral gelegene Transpositions- als auch der laterale Wangenrotationslappen an (Abb. 8.9).
b
䉳 Abb. 8.7 a–c. Unterliddefekte wenig größer als ein Viertel können nach Durchtrennung des unteren Anteils des Lig. palpebrale laterale direkt vernäht werden; zusätzlicher Nahtverschluss der lateralen Kanthotomie
c
Abb. 8.8. a Defekte die größer als ein Drittel und bis zur Hälfte des Unterlides lang werden, b durch kleine laterale Rotationsläppchen gedeckt, nachdem das Lig. palpebrale laterale durchtrennt wurde. Eine innere Auskleidung ist wegen der lateralen konjunktivalen Reserven unnötig 䉲
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Abb. 8.9. a Defekte von mehr als der Hälfte bis zum totalen Unterlidverlust werden durch ausgedehnte laterale Wangenrotationslappen mit Wiederherstellung von Tarsus und Konjunktiva vornehmlich durch ein mukochondrales Transplantat aus der Nase behandelt. b 89-jährige Patientin,Unterlidresektion bei Basaliom von mehr als der Hälfte, c Wangenrotationslappen, d Ergebnis 6 Monate später
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Abb. 8.10. Direkter dreischichtiger Verschluss eines Oberliddefektes kleiner ein Viertel Abb. 8.11. Defekt zwischen einem viertel und der Hälfte der 䉴 Oberlidlänge. a,b Die Mitte des Defektes wird als Drehpunkt des Lappens auf dem Unterlid markiert (D). Der Lappen wird lateral des Drehpunktes eingezeichnet und gehoben, dabei sollte die Lappenbreite maximal ein Viertel der Lidlänge betragen. Direkter Verschluss des Hebedefektes im Unterlid. c Ausschneiden eines Unterlidlappens. Der Schenkel gegenüber dem Stiel wird mit der Schere durchtrennt. Die Haut und die tarsokonjunktivale Schicht stielseitig werden bis zum Randgefäß mit dem Skalpell geschnitten
Oberlidrekonstruktion Bei der Rekonstruktion von Defekten des Oberlides kommt vermehrt auch der funktionelle Aspekt zum Tragen. So ist eine rein statisch-ästhetische Rekonstruktion nicht ausreichend, da vor allem auch ein guter, das Auge bedeckender Lidschluss gewährleistet sein muss. Verlust bis zu einem Viertel des Oberlides. Wie auch am Unterlid können Verluste bis zu einem Viertel der Breite des Oberlides durch eine direkte, die Schichtung beachtende Naht der Lidanteile versorgt werden (Abb. 8.10).
c
Verlust zwischen einem Viertel und der Hälfte des Oberlides. Defekte zwischen einem Viertel und der Hälfte des Oberlides werden sinnvoll durch Rotation eines Unterlidanteiles verschlossen (s. Abb. 8.11a). Hierzu wird die Mitte des Defektes am Oberlid auf dem Unterlid markiert und das Rotationsläppchen vom Unterlid (s. Abb. 8.11b) mit einer maximalen Breite von einem Viertel der Lidbreite, lateral des markierten Drehpunktes gehoben und in den Defekt eingeschwenkt. Beachtet werden muss, dass die A. marginalis erhalten bleibt, der Stiel kann nach 2–3 Wochen durchtrennt werden.
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a Defekt
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Abb. 8.12 a–g. Defekt zwischen der Hälfte und drei Viertel der Oberlidlänge. a Markieren der Defektlänge auf dem Unterlid, b von der lateralen Markierung aus wird ein Viertel der Lidlänge abgezogen und hier der Drehpunkt (D) des Lappens festgelegt, c Die verbliebene Defektlänge gibt die Lappenbreite vor, der Lappen wird nach lateral vom Drehpunkt eingezeichnet und d gehoben, e,f Einschwenken des Lappens in den Defekt und Verschluss des Hebedefektes durch kleinen Wangenrotationslappen ohne Transplantat zur inneren Auskleidung. g nach drei Wochen durchtrennen des Stiels
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KAPITEL 8 Abb. 8.13. a Defekt größer als drei Viertel der Oberlidlänge. Auch hier übertragen der Defektlänge auf das Unterlid und planen des Drehpunktes. b Die Lidlänge reicht jedoch nicht aus, um die Lappenhebung lateral des Drehpunktes vorzunehmen. c Deswegen Lappenhebung medial des Drehpunktes und Einschwenken des Unterlidlappens am Wangenrotationslappen. d Für die Unterlidrekonstruktion ist eine innere Auskleidung mit mukochondralem Transplantat notwendig
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Verluste zwischen der Hälfte und drei Viertel des Oberlides. Verluste zwischen der Hälfte und dreiviertel des Oberlides werden grundsätzlich in der gleichen Art versorgt wie zuvor beschrieben. Die Defektlänge im Oberlid wird auf dem Unterlid markiert (Abb. 11.12). Von der lateral gelegenen Markierung auf dem Unterlid wird ein Viertel der Lidlänge, d. h. der Anteil, der nicht durch Transplantate versorgt werden müsste, eingezeichnet und somit der Drehpunkt des Unterlidlappens festgelegt. Der Lappen selbst wird nun in seiner Länge lateral vom Drehpunkt gehoben und in den Defekt eingeschwenkt. Da hierbei am Unterlid maximal die Hälfte der Unterlidbreite genutzt werden kann, ist der Unterliddefekt durch eine Rotationslappenplastik wieder zu beheben. Hierbei sollte berücksichtigt werden, dass im Bereich des Unterlides,da die Lappenbreite maximal der Hälfte der Unterlidbreite entspricht, eine Transplantation der inneren Schicht nicht notwendig ist.
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8.1.5.3 Postoperative Nachsorge Meistens sind anfangs Okklusivverbände nötig, es ist darauf zu achten, dass kein Druck ausgeübt wird. Bei verschmutzten Verletzungen empfiehlt es sich, antibiotische Augensalben einzubringen, insbesondere bei Korneaverletzungen. Wenn es sich nicht um ein kontaminierte oder infizierte Defekte handelt, genügt auch eine nichtantibiotische Augensalbe. Der Verband muss täglich kontrolliert werden, kühlen mit Kühlgelkissen ist zu empfehlen, ohne dadurch die Durchblutung bei evtl. durchgeführten Lappenplastiken zu beeinträchtigen. Die allgemeine Gabe von Schmerzmitteln und Antibiotika ist abhängig von den individuellen Gegebenheiten. Bei Mitbeteiligung des Auges ist eine augenärztliche Kontrolle in kurzen Abständen angezeigt.
8.1.6 Risiken und Komplikationen Verlust von mehr als drei Vierteln des Oberlides. Oberliddefekte von mehr als drei Vierteln der Lidbreite werden ebenfalls mit einer Unterlidrotation versorgt (Abb. 8.13). Die dazu notwendige Unterlidlappenbreite beträgt nie mehr als drei Viertel der gesamten Unterlidlänge, sodass immer ein medialer Unterlidrest mit dem medialen Tränenpünktchen belassen werden kann. Der zur Defektdeckung notwendige Unterlidlappen ist jedoch so breit, dass eine Lappenbildung lateral des Drehpunktes nicht mehr möglich ist, da der laterale Kanthus die Lappenbreite begrenzt. Die Lappenbildung muss nun medial des Drehpunktes erfolgen, das bedeutet, dass der Unterlidlappen an der medialen Begrenzung des zur Defektdeckung des Lappenhebedefektes notwendigen Wangenrotationslappen hängt und wiederum über die Lidrandarterie ernährt wird. In typischer Weise wird zum Hebedefektverschluss ein mukochondrales Transplantat und ein ausreichend großer Wangenrotationslappen gebraucht.
Dicke Narben und Keloide treten im Bereich der Lider selten auf. Bei großen Defekten kann es jedoch zu ästhetisch störenden Einziehungen und Dellen sowie bei der Durchtrennung des Levator zu einer Ptose oder bei Unterlidnarben zu einem korrekturbedürftigen Ektropium kommen (s. Bd. II Kap. 9). Bei kontrakten Narben z. B. nach Verbrennungen und großen Defekten kann auch ein Lagophtalmus entstehen.
8.2 Spezielle Techniken 8.2.1 Technik der primären Naht Durchgreifende Lidverletzungen müssen entsprechend der anatomisch-funktionellen Schichtung dreilagig versorgt werden (Abb. 8.14). Als erstes kann eine Situationsnaht an der Lidkante erfolgen, anschließend wird eine Naht von der Lidbasis zum Lidrand gelegt. Die tarsokonjunktivale Schicht sollte fortlaufend mit monofilem 6.0 Nahtmaterial und die des M. orbicularis mit resorbierbaren 5.0 Einzelknopfnähten verschlossen werden. Die Hautnaht erfolgt ebenfalls mit monofilem 6.0 Material in Einzelknopfnahttechnik. Die Fadenenden der fortlaufenden inneren monofilen Naht können zur Lagesicherung in den ersten und letzten Einzelknopffaden eingeschlagen werden. Eine Irritation der Konjunktiva des Bulbus durch Fadenenden muss verhindert werden.
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Abb. 8.14. Typische dreischichtige Lidnaht mit fortlaufender monofiler Naht des Tarsus und der Konjunktiva; Einzelknopf, Haltenaht am Lidrand durch den Tarsus, resorbierbaren Einzelknopfnähten des M. orbicularis und monofilen Einzelknopfnähten der Haut
Abb. 8.15. Rotationslappen zur Wiederherstellung im lateralen Kanthusbereich. a präoperativer Zustand und Lappenplanung, b postoperativer Aspekt, eingenähter Lappen. (Nach Blaskovics [4])
a
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KAPITEL 8
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8.2.2 Technik der lateralen Kanthusrekonstruktion
8.2.3 Technik der Rekonstruktion der medialen Kanthusregion und Kanthopexie
Im lateralen Kanthusbereich kann es sowohl zu Verletzungen wie auch zu Defekten kommen, die durch eine Tumorresektion bedingt sind.
Defekte im medialen Augenwinkel entstehen oft bei Operationen von Basaliomen, die in diesem Gebiet infiltrierend wachsen und nicht selten den Tränen-NasenGng zusätzlich befallen. Etwa 10 % der Basaliome finden sich am inneren Kanthusbereich. Bei tumorbedingter Radikaloperation ist es oft auch notwendig, das mediale Ligament zu resezieren. Es ist daher besonders schwierig, durch das Fehlen dieses Bandes eine gute Symmetrie im inneren Kanthusbereich zu erreichen. Bei oberflächigen Defekten mit gutem Wundgrund kann ein Vollhauttransplantat ein vorteilhaftes Ergebnis erzielen. Bei tiefen Defekten sind der mediane Stirnlappen, der Glabella-Lappen und der zweigeteilte Lappen (Abb. 8.16) als Rekonstruktionsmaterial zu bevorzugen. Auch ein nasolabialer Lappen mit kranialer Stielung und ein Gleitlappen von kaudal sind verwendbar (Abb. 8.17). Um eine bessere Symmetrie zu erreichen, empfiehlt sich eine ausreichende Rekonstruktion des Innerlinings durch ein Mukosa-Transplantat sowie die Fixation des Lappens am Periost oder am Knochen (Abb. 8.18). Auch die Lappendicke spielt dabei eine wichtige Rolle. Für die Wiederherstellung des Tränen-Nasen-Ganges gibt es viele Methoden, die jedoch bis heute nicht die ideale Lösung dieses Problems darstellen. Es sei hier auf Spezialliteratur verwiesen. Verletzungen in diesem Bereich kommen meistens bei ausgedehnteren Traumen vor. Bei Durchtrennung des medialen Ligaments lässt sich dies durch eine Direktnaht oder bei einem knöchernen Ausriss durch eine knöcherne Insertion beheben. Ein Perioststreifen kann evtl. Verwendung finden (Abb. 8.19). Bei Verletzung des Tränen-Nasen-Ganges empfiehlt es sich, diese primär unter Lupenbedingungen über einen Kunststofftubus zu versorgen. Das Problem aller, selbst mikrochirurgischer Methoden, ist die Stenosierung des Ganges.
! Bei der Untersuchung ist es wichtig zu beachten, ob das laterale Ligament mitverletzt wurde.
Abhängig von der Art der Verletzung bieten sich verschiedene therapeutische Möglichkeiten an. Bei kleinen Wunden und guten Wundverhältnissen ist die direkte Naht angezeigt. Hierbei sollte berücksichtigt werden, dass dadurch nicht eine Verengung des Lidspaltes entsteht. Für kleinere Defekte zur Aufrechterhaltung der Lidspaltgröße und Lidöffnung ist ein Z-förmiger Austausch zwischen Oberlid und Unterlid oft die Methode der Wahl. Bei größeren Wunddefekten stehen lokale Lappen zu Verfügung, hier ist auf den Wangenrotationslappen hinzuweisen (s. Abb.8.9). Bei einem kompletten Defekt in diesem Bereich ist z. B.der Rotations-Verschiebelappen nach Blaskovics ([4], Abb. 8.15) eine gute Lösung. Bei Durchtrennung oder Ausriss des lateralen Lidbändchens kann dieses durch eine Direktnaht und Fixation an das Periost oder den Knochen wiederhergestellt werden.Auf Verletzungen und Defekte im M. orbicularis oculi sollte geachtet werden, sie sind mit einer resorbierbaren Naht zu versorgen (5.0, 6.0). Bei einer lateralen Erschlaffung des Bandapparates wird, nach Darstellung des lateralen Periost, eine dreiecksförmige Exzision in der vorgeplanten Größe durchgeführt und der vorher geschonte Tarsusrand (s. Bd. II, Kap. 9) mit einer Naht (5.0) an das seitliche Lidbändchen genäht (Cave: Symmetrie!). Bei einer narbigen Verengung der Lidspalte im lateralen Bereich ist nach sorgfältiger Lösung der Narbe der entstandene Defekt sowohl im Schleimhautbereich als auch im Muskel- und Hautbereich zu rekonstruieren. Die gleichen Methoden wie zuvor beschrieben, können angewandt werden. Wenn ein Schleimhauttransplantat notwendig wird, kann dieses typischerweise aus der Mundschleimhaut entnommen werden.
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c Abb. 8.16a-f. Wiederherstellung im medialen Kanthusbereich durch Stirnlappen. a Einbringung eines Schleimhauttransplantates zur Rekonstruktion des medialen Fornix, b neue mediale Fornixtasche mit einer Naht in Position gehalten, c Zustand nach eingeschwenktem Stirnlappen, d Einzeichnung des Lappens bei einem 59-jährigem Patienten mit Basaliom, e Lappen eingenäht, f klinisches Resultat nach 3 Jahren Abb. 8.17a-d. Gleitlappen von kaudal. a Basaliom medialer Augenwinkel bei 66-jähriger Patientin, b Hebung des Lappens, c Einnähen und Verriegelung des Lappens durch Naht der Entnahmestelle, d postoperatives Ergebnis (Nach Berger und Millesi [1]) 䉴 d
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b Abb. 8.18. a Rekonstruktion bei ausgedehnter Resektion aufgrund eines Basaliomrezidivs mit kaudalem und kranialem Lappen und Innenauskleidung, b postoperatives Ergebnis
c
Abb. 8.19. a 39-jähriger Patient. Verletzung mit Hängesäge, Defekt im Wangen- und medialen Kanthusbereich, b unmittelbare Rekonstruktion mit Wangenlappen und mikrochirurgische Naht des Tränen-Nasen-Ganges, c 3 Wochen später, d 4 Monate später 䉴
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b Abb. 8.20 a, b. 41-jähriger Patient, Verlust des rechten Auges durch Unfall. a Schaffung eines Epithesenlagers, Narbenexzision, Schleimhauttransplantat, Vollhauttransplantat. b Resultat 1 Jahr später
Abb. 8.21. a 74-Jährige Patientin, Karzinom Radikaloperation mit Resektion des Ober- und Unterlides und des Auges, b Rekonstruktion durch mikrochirurgischen Radialislappen und Epithese; 1 Jahr später
Literatur 8.2.4 Technik der Rekonstruktion von Oberliddefekten > 50 % nach Mustardé S. hierzu Defekte von mehr als drei Vierteln des Oberlides, sowie Abb. 8.12, 8.13 [11].
8.2.5 Techniken zur Schaffung eines Bettes für eine Epithese Bei Verlust des Auges aufgrund von Verletzungen, wie auch bei radikaler Tumorchirurgie ist es oft notwendig, besonders im Bereich der Unterlider, aber auch der gesamten Augenhöhle ein ausreichendes Bett für eine Epithese zu schaffen. Meistens gelingt dies bei noch vorhandenen Lidern durch eine Resektion der Narben. Zusätzlich erfolgt eine großzügige Auskleidung der Augenhöhle mit einem Schleimhauttransplantat. Wenn das Unterlid zu stark geschrumpft ist, kann durch ein zusätzliches Vollhauttransplantat evtl. auch mit einem Knorpeltransplantat eine gute Rekonstruktion erreicht werden (s.Abb. 8.20).Auch mit mikrochirurgischen Methoden, z. B. unter Nutzung eines freien Radialislappen, kann ein gutes Bett für eine Epithese geschaffen werden (s. Abb. 8.21).
1. Berger A, Millesi H, Diem E (1977) Ein subkutan gestielter Lappen zur Wiederherstellung des Hautmantels nach Tumorresektion im Gesichtsbereich. Hautarzt 28: 83–91 2. Berger A, Brenner P (1989) Reconstruction after tumor surgery, microvascular and/or classic flaps. In: Kärcher H (ed) Functional surgery of the head and neck. RM-DruckGraz, pp 207–210 3. Berger A, Brenner P (1990) Funktionserhaltende Chirurgie der Hautweichteiltumoren: Kopf und Hals. Langenbecks Arch Suppl II, Kongressband 901–906 4.Blaskovics I (1923) A new operation for ptosis with shortening of the levator and tarsus. Arch Ophthalmol 52: 563 5. Collin JRO (1991) Lidchirurgie. Thieme, Stuttgart 6.Hatt M (1984) Augenärztliche Plastische und Wiederherstellungschirurgie. Thieme, Stuttgart 7. Jackson IT (1985) Local flaps in head and neck reconstruction. Mosby, Princeton 8.Jelks GW, Smith BC (1990) Reconstruction of the eyelids and associated structures. In: McCarthy JG (ed) Plastic Surgery, vol 2, part 1. Saunders, Philadelphia 9.Labbe D, Benateau H, Rigot-Jolivet M (2000) Homage to Leon Tripier. Description of the first musculocutaneous flap. Ann Chir Plast Esthet. 45(1): 17–23 10. McGregor IA (1973) Eyelid reconstruction following subtotal resection of upper or lower eyelid. Brit J Plast Surg 26: 346
180
Liddefekte 11. Mustardé JC (1980) Repair and reconstruction in the orbital region. Churchill Livingstone, 2nd edn. 12. Olivari N, Stark B (1994) Plastisch-chirurgische Rekonstruktionsverfahren im Lidbereich. In: Krupp S (Hrsg) Plastische Chirurgie. Bd IV, ECOmed Landsberg/Lech 7: 1–21 13. Rohen, JW (1977) Topographische Anatomie. Schattauer, Stuttgart 14. Strauch B, Vasconez LO, Hall-Findlay EJ (1990) Encyclopedia of flaps, vol. I, B. Eyelid and orbital reconstruction. Little, Brown, pp 45–134 15. Töndury G (1970) Angewandte und topographische Anatomie. Thieme, Stuttgart
KAPITEL 8
III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 9
U. T. Hinderer
Inhalt 9.1 9.1.1
9.2 9.2.1 9.2.2
Funktionelle und ästhetische Chirurgie der Augenlider
9.2.3
Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . . 9.1.1.1 Form des Augenlidrahmens . . . . 9.1.1.2 Klar definierte obere Augenlidfalte . . . . . . . . 9.1.1.3 Neigung der Transversalachse der Augenlider mit positivem Winkel . 9.1.1.4 Intraseptales Fettgewebe . . . . . 9.1.1.5 Spannungsverhältnisse am Unterlid . . . . . . . . . . . . . Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . Chirurgie des Augenlidrahmens . . . . . . . Chirurgie des oberen Augenlides . . . . . . 9.2.2.1 Blepharoplastik mit Haut- und Muskelexzision . . . . . 9.2.2.2 Osteoektomie des lateralen Supraorbitalrandes . . . . . . . . . 9.2.2.3 Suborbicularis-oculi-Fett . . . . . . 9.2.2.4 Ptosis der Tränendrüse . . . . . . . 9.2.2.5 Supratarsale Fixierung zur Bildung eines gut definierten Sulcus palpebralis superior . . . . 9.2.2.6 Verankerungstechnik oder Invaginationstechnik . . . . . . . . 9.2.2.7 Korrektur einer erworbenen Augenlidptosis mittels Naht oder Raffung der Levatoraponeurose. . 9.2.2.8 Kongenitale Augenlidptosis . . . . 9.2.2.9 Blepharophimose . . . . . . . . . .
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189 192
193 195 201
Laterale Blepharokanthoplastik bzw. Kanthopexie zur Erzielung eines positiven Transversalwinkels . . . . . 9.2.3.1 Blepharokanthoplastik . . . . . . . 9.2.3.2 Kanthopexie. . . . . . . . . . . . . 9.2.4 Techniken zur Korrektur von Lageanomalien des intraseptalen Fettes . . 9.2.4.1 Transpalpebrale Fettexzision . . . 9.2.4.2 Transkonjunktivale Fettexzision im unteren Augenlid nach Bourget . . . . . . . . . . . . 9.2.4.3 Transkonjunktivale Fettverlagerung nach Loeb und Hamra . . . . . . . . . . . . . 9.2.4.4 Retentionstechniken des intraseptalen Fettes. . . . . . . . . 9.2.5 Techniken zur Erzielung einer normgerechten Spannung am Unterlid . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.5.1 Orbikularismuskel – Suspensionstechnik nach Hinderer . . . . . . . 9.2.5.2 Orbikularismuskel – Suspensionstechnik mit stufenweiser Exzision des Lidrandes und des Tarsus nach Hinderer . . . 9.2.5.3 Suspensionsplastik des M. orbicularis zur Behandlung des Entropiums nach Hinderer . . 9.2.5.4 Temporalis-FaszienschlingenKorrektur nach Hinderer . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
205 206 207 209 209
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213 213
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221 223 232
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Funktionelle und ästhetische Chirurgie der Augenlider
KAPITEL 9
9.1 Allgemeines
9.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie
Die Augenregion hat einen entscheidenden Einfluss auf die zwischenmenschliche Kommunikation und die nonverbale Übermittlung von Emotionen und Stimmungen. Wir drücken unsere Gefühle bewusst oder unbewusst mit den Augen aus. Bei unserem Gegenüber suchen wir zuerst den Augenkontakt. Charakter, Lebensweise, Umwelteinflüsse und auch verschiedene Erkrankungen bringen Veränderungen der Lider und des periokularen Rahmens mit sich und lassen den Alterungsprozess oft frühzeitig erkennen. Traumatische Ereignisse oder funktionelle Störungen können eine Operation erforderlich machen, häufig sind es jedoch ästhetische Aspekte, die zum chirurgischen Eingriff führen. Ziel sollte es sein, die Gesamtheit der Augenlider und ihrer benachbarten Strukturen so zu gestalten, dass der natürliche Augenausdruck als wesentliches Kommunikationsmedium wiederhergestellt, bzw. verbessert wird. Um dies zu erreichen, ist es häufig erforderlich, überschüssiges Gewebe zu entfernen und erschlafftes Gewebe zu straffen. Dabei sollte aber immer die funktionelle Integrität gewährleistet sein.
9.1.1.1 Form des Augenlidrahmens
Die Augenlider und die periorbitale Region sind als Einheit zu betrachten. Dementsprechend werden Operationsstrategien notwendig, die eine individuell angepasste Kombination von Operationsschritten beinhalten, welche sich zur Korrektur aller beteiligten anatomischen Strukturen eignen.
Mit den nachfolgend beschriebenen Techniken ist dieses Ziel erreichbar. Voraussetzungen sind eine sorgfältige Operationsplanung entsprechend einer genauen präoperativen, qualitativen und evtl. auch quantitativen Untersuchung, eine umfassende Patientenaufklärung mit Evaluierung der Wünsche und Erwartungen sowie schließlich die äußerst präzise Ausführung der Operation. Dieses Kapitel beschränkt sich auf die Darstellung der nach heutigem Kenntnisstand wesentlichen Operationsverfahren am oberen und unteren Augenlid, wie sie zur funktionellen und ästhetischen Korrektur vorwiegend altersbedingter Störungen vom Verfasser entwickelt und seit Jahrzehnten mit Erfolg durchgeführt wurden. Selbstverständlich werden auch weitere etablierte Verfahren und Entwicklungen anderer Autoren eingeschlossen. Chirurgisch relevante diagnostische und anatomische Angaben, die zum besseren Verständnis der Verfahren beitragen, sind eingeflochten. Andere wurden bereits in Kap. 17 (Gesichtsstraffung) dokumentiert.
Brauenform. Der höchste Punkt liegt in der Verbindung der mittleren zwei Drittel mit dem Äußeren. Die Entfernung vom Augenlidrand in Pupillenmitte beträgt etwa 30 mm, beim Mann ist diese jedoch etwas geringer. Auf die Bedeutung des Augenlidrahmens im Kontext der ästhetischen Korrektur der Augenlider haben sowohl Gonzalez als auch Hinderer seit Jahrzehnten hingewiesen (s. Kap. 17, [27, 32]). Bei einer abgesenkten Braue erfolgt diese in gleichzeitiger Korrektur, da sonst zu viel Augenlidhaut entfernt und die Exzision zu weit über den lateralen Orbitarand hinaus verlängert werden müsste und dadurch evtl. die Entfernung zwischen Augenlidrand und Braue verringert wird. Bewährt hat sich dies mit der vertikalen Straffung des Augenlidrahmens und des Mittelgesichts (s. Kap. 17) oder aber mit einer Straffung der Stirn, einem direkten Braulift oder einer Modulation der Augenbrauendepressoren und des M. frontalis. Abb. 9.1, 9.2 und 9.3 zeigen Beispiele der Früh- und Langzeitergebnisse der Augenregion mit der Straffungstechnik nach Hinderer [32].
9.1.1.2 Klar definierte obere Augenlidfalte Eine fehlende obere Augenlidfalte ist charakteristisch für 70 % der asiatischen Augenlider. Bei Kaukasiern kann sie ungenügend definiert sein, bei der erworbenen Ptosis ist sie nur geringfügig und bei der kongenitalen bedeutend nach kranial verschoben. Japanische Chirurgen hatten schon Anfang des 20. Jahrhunderts Techniken zur Formung einer Augenlidfalte beim asiatischen Augenlid entwickelt [89, 25, 81, 82]. Auf Hawaii mit seiner ethnisch gemischten Bevölkerung wurde die Anwendung beim kaukasischen Augenlid erstmals 1960 von Leabert Fernandez initiiert und von Flowers [18, 19, 21, 22] und Siegel 1984 [86] weiterentwickelt. Ein ästhetisch befriedigendes Langzeitergebnis der oberen Augenlidplastik erfordert heute neben einer normalen Form und Stellung der Augenbraue einen gut definierten Sulcus palpebralis superior (in Pupillenmitte zwischen 8 und 10 mm oberhalb des Augenlidrandes) und einen Augenlidrand, der den Limbus corneae 1–2 mm bedeckt. Der untere dagegen sollte nur dem Limbus anliegen, ohne dass Sklera oder bis zu 1 mm zwischen beiden sichtbar ist. Es sollte bedacht werden, dass ein abgesenktes oberes Lid durch eine Blepharochalasis das Bestehen einer mindergradigen Ptosis kaschieren kann, sodass es immer erforderlich ist, die Braue anzuheben, um nach Sheen [81,82] den Sitz der Oberlidfalte bei einem Blick von 45° nach unten zu bestimmen.
KAPITEL 9
Funktionelle und ästhetische Chirurgie der Augenlider
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d Abb. 9.1 a–d. Korrektur des Augenlidrahmens mit der vertikalen Sub-SMAS-Straffung der oberen zwei Drittel des Gesichts und Ergebnis 6 Monate sowie 4 und 8 Jahre postoperativ
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Funktionelle und ästhetische Chirurgie der Augenlider
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d Abb. 9.2. a, b Bei der 44-jährigen Patientin wurde eine vertikale fronto-temporale Sub-SMAS-Straffung des Augenlidrahmens und des Mittelgesichts sowie die Orbikularis-Suspensionstechnik des Verfassers durchgeführt. Die postoperative Aufnahme 2 1/4 Jahre danach zeigt eine normale Augenbrauenposition, symmetrische obere Augenlidfalten, einen positiven Transversalachsenwinkel sowie eine Besserung der Naso-palpebro-Jugalfalte und der Krähenfüsse. c, d 45-jährige Patientin 10,5 Jahre nach vertikaler temporaler Sub-SMAS-Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts sowie Orbikularismuskel-Suspension
KAPITEL 9
Funktionelle und ästhetische Chirurgie der Augenlider
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d Abb. 9.3. a, b Langzeitergebnisse nach vertikaler frontotemporaler Gesichtsstraffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts sowie Straffung der unteren Gesichtshälfte und des Halses, 11 Jahre postoperativ. Bei der 43 Jahre alten Patientin wurde des Weiteren eine Orbikularismuskel-Suspension, eine Ostektomie des oberen lateralen Orbitarandes, eine Rhinoplastik und eine Kinnreduktion durchgeführt. c, d Bei der 61 -jährigen Patientin wurde zusätzlich zur Gesichtsstraffung eine Blepharokanthoplastik mit Orbikularismuskel-Suspension durchgeführt, 14,5 Jahre postoperativ
9.1.1.3 Neigung der Transversalachse der Augenlider mit positivem Winkel Die Neigung der transversalen Augenlidachse ist weitgehend von der Spannung des lateralen Kanthalligaments abhängig und steigt im Normalfall von medial nach lateral an. Eine antimongoloide Neigung der Augenlider kann sowohl kongenital als auch traumatisch bedingt sein und tritt häufig im Alter aufgrund einer Schwäche und Dehnung des äußeren Kanthalligaments auf. 1974 und 1975 verwies Hinderer [34, 35] auf die Notwendigkeit einer quantitativen Diagnose besonders in Bezug auf Asymmetrien und sekundäre Blepharoplastiken. In diesem Zusammenhang beschrieb er erstmals die Technik der „Kanthoplastik“ zur Hebung und Straffung des äußeren Kanthalligaments, um ein jüngeres Aussehen zur erlangen (s. Kap. 17). Die Technik wurde 1983 von Flowers [20] und 1977 von Jelks [57] insoweit modifiziert, dass nur der untere Arm des Kanthalligaments mittels „Kanthopexie“ nach
oben versetzt wird, während Hamra 1998 [29] den Kanthus mittels „transkanthaler Kanthopexie“ straffte. Da die Entfernung zwischen lateralem Kanthus und Braue bei beiden (Kanthoplastik und Kanthopexie) verkürzt wird, sollte auch immer die laterale Braue, mittels vertikaler Gesichtsstraffung des Augenlidrahmens und des Mittelgesichts angehoben werden.
Intraoperative Fotos der Kanthoplastik sind in Kap. 17 dokumentiert.
9.1.1.4 Intraseptales Fettgewebe Das intraseptale Fett bettet die intraorbitalen Strukturen ein und dient der Stoßdämpfung des Augapfels. Bei einer Erhöhung des intraorbitalen Drucks oder einer Schwäche des M. orbicularis oculi sowie der bindegewebigen intraorbitalen Strukturen, insbesondere des Sep-
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Abb. 9.4. a Prolaps des Fettes aus dem mittleren Kompartiment nach Eröffnung des M. orbicularis und des Septums. b Austritt des intraseptalen Fettes aus den drei, erstmals von Castañares [11] beschriebenen Kompartimenten
tum orbitale und des Lockwood-Ligaments, kann das Fett durch verschiedene Foramina prolabieren. Am Oberlid entsteht eine mediale Vorwölbung weißlichen Fettes sowie ein größeres mittleres Kompartiment. Am unteren Lid können drei Kompartimente prolabierten Fettes auftreten, die erstmals 1951, 1963 und 1977 von Castañares beschrieben wurden [10, 11, 12]. Das mediale und zentrale Fettkompartiment ist durch den M. obliquus inferior getrennt und das etwas höher liegende laterale Fett durch die „arquate Expansion“. Die entstehenden Vorwölbungen bilden am Unterlid die sog.„Tränensäcke“. Durch Druck auf den Augapfel kann eine weitere Vorverlagerung provoziert und die Identifizierung der beteiligten Kompartimente erleichtert werden (Abb. 9.4). Das jüngere Augenlid, abgesehen von einer geringgradigen Vorwölbung durch den prätarsalen M. orbicularis, zeigt ein flaches Profil, das unterhalb des Orbitalrandes eine leichte Konvexität zum und am Mittelgesicht annimmt. Das vordere orbitale Fett füllt einen dreieckigen Raum aus, der ventral durch das Septum begrenzt wird, welches kaudal am Arcus marginalis ansetzt. Es ist nach kranial und dorsal durch die Kapsulopalpebralfaszie sowie nach kaudal durch den Orbitaboden begrenzt. Im Alter dehnt sich das Septum und entfernt sich oben von der Kapsulopalpebralfaszie. Nach unten kann es über den Arcus marginalis hinaus, hauptsächlich lateral im Bereich des Eisler-Recessus prämarginalis [15] vorwölben. Es entstehen ein konvexes präseptales Augenlid und Tränensäcke, die über den Orbi-
tarand hängen. Da das Augenlid jedoch durch den Spannungsverlust vertikal länger wird und auch das Mittelsgesicht absinkt, kann unter der Vorwölbung eine „Skeletttonisierung“ vor dem Übergang zum Mittelgesicht auftreten, worauf besonders Hamra [29] hingewiesen hat. Eine Fettvorverlagerung am Ober- oder Unterlid setzt, unabhängig von einer Erhöhung des intraorbitalen Drucks oder der Vergrößerung des Fettvolumens, eine Schwäche des Septum orbitale und der fibrösen Stützstrukturen der Augenlider und des Augapfels, einschließlich des Lockwood-Ligaments, das den Augapfel von kaudal stützt, aber auch des M. orbicularis und der Haut, voraus. Es sollte geprüft werden, ob eine Musculus-orbicularis-Suspension oder eine Kanthopexie bzw. eine vertikale Gesichtsstraffung des Augenlidrahmen und des Mittelgesichts eine ausreichende Rückverlagerung des Fettes erzielen kann. Unabhängig von der transpalpebralen Fettexzision wurde die transkonjunktivale Entfernung bereits 1926 und 1929 von Bourget [4, 5], die transpalpebrale Fettretention erstmals von De la Plaza, Arroyo [76] und Mendelson [67] sowie die transkonjunktivale Fettretention von Camirand und Doucet [7, 8] empfohlen. Loeb riet erstmals 1981 und 1998 [64, 65], das überschüssige Fett nicht zu entfernen, sondern nach Inzision des Septum orbitale am Arcus marginalis nach kaudal zu öffnen. Diese Technik wurde von Hamra [28] aufgegriffen und verbessert.
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9.1.1.5 Spannungsverhältnisse am Unterlid Bereits am Anfang des 3. Lebensjahrzehnts beginnt die Spannung des Unterlides nachzulassen, anfangs sind primär die Haut und der M. orbicularis betroffen, nach einem langsam progressiven Verlauf können sämtliche weitere Strukturen des Augenlides wie z. B. das Septum orbitale, der Bandapparat, einschließlich der Kanthalligamente und des Lockwood-Ligaments sowie die Tarsalplatten involviert sein. Die Behandlung sollte je nach Diagnose alle beteiligten Gewebe einschließen. Haut und M. orbicularis oculi. Zahlreiche Fasern (Retinacula cutis) verbinden die Dermis und das superfizielle muskuloaponeurotische System (SMAS) zu einer Einheit. Darunter ist das SMAS mit dem Periost und der tiefen Faszie durch sog. „retaining ligaments“ [24] verbunden. Das Muskelspiel der Gesichtsmuskulatur bewirkt eine Mitbewegung der darüber befindlichen Haut, sodass die Mimik entsteht. Im Bereich der Augenlider sind die Muskelfasern des M. orbicularis oculi stark mit der Dermis verflochten und lassen seitlich die sog. Krähenfüsse entstehen. Die „retaining ligaments“ wirken der Schwerkraft entgegen und reduzieren dadurch die Tendenz zum Absinken des Gewebes. In Hinderer [41–44, 46, 48, 51–55] sowie im Kap. 17 (Gesichtsstraffung) wurde eingehend über das „Orbitalligament“, als auch über die Fasern der Dermis zum Periost zwischen dem M. orbicularis oculi und den Mm. zygomatici, die die Naso-palpebro-Jugalfalte formen sowie über die entsprechenden Altersveränderungen berichtet. Der prätarsale und präseptale Anteil des M. orbicularis setzt am Diaphragma lacrimalis und an der Crista lacrimalis an und ist für die freiwillige, spontane und reflexbedingte Schließung des Augenlides verantwortlich, er trägt zur Bildung des medialen Kanthalligaments, zur Tränenkollektion sowie zum Pumpmechanismus bei. Lateral vereinigt sich der obere mit dem unteren prätarsalen Orbikularis, um die Raphe zu bilden, die mit der lateralen Haut verbunden ist und Fasern zum lateralen Kanthalligament sendet. Der orbitale Anteil des M. orbicularis zieht mit lateralen vertikalen Fasern die Braue herunter (M. depressor supercilii lateralis), während abzweigende Fasern den medialen M. depressor supercilii und den Korrugatormuskel bilden, der besonders mit den vertikalen Fasern des M. frontalis verflochten ist. Bei fortgeschrittenem Alterungsprozess wird der M. orbicularis hypotonisch und das Unterlid vertikal länger (s. Kap. 17). Diese Phase kann eine geringere Adaptierung des Unterlides an den Augapfel verursachen, die Sklera wird sichtbar, der Augenlidrand ist nicht mehr fast horizontal, sondern seitlich nach unten abgerundet.Auch der laterale Kanthus kann, statt spitz zuzulaufen, etwas abrunden. Insbesondere wenn das Punktum schlecht am Augapfel anliegt, kann eine Epiphora auftreten.
Funktionelle und ästhetische Chirurgie der Augenlider
Ein Zug am prätarsalen Augenlid nach medial bzw. lateral ermöglicht es festzustellen, wieweit die Kanthi sich horizontal verschieben lassen und das laterale Kanthalligament an Spannkraft verloren hat.
! Wichtig ist, den Spannungsverlust des M. orbicularis
zu untersuchen; dies erfolgt mit dem Test nach Flowers (Abb. 9.5).
Der M. orbicularis oculi ist im oberen Augenlid Antagonist der Lidheber (M. levator palpebrae und M. tarsalis superior, auch als Müller-Muskel bezeichnet), sowie der dazugehörenden Aponeurosen und Faszien. Im unteren Augenlid ist der M. orbicularis Gegenspieler der Aponeurose, die dem Levatormuskel des oberen Augenlids entspricht und des minderentwickelten, sympathisch innervierten M. tarsalis inferior; beide sind mit der Sehnenscheide des M. rectus inferior verbunden. Die Stützstrukturen der Augenlider sind somit erst durch das fibröse Diaphragma der Tarsalplatten geformt, diese sind mit dem Periost der Orbitalränder durch das Septum orbitale sowie medial und lateral durch die prätarsalen und präseptalen Anteile des M. orbicularis oculi und die knöchernen Ansätze der Kanthalligamente verbunden. Des Weiteren zählen zu diesen die Lidretraktoren, mit einer Lidheberfunktion im oberen Augenlid. Über die an der unteren Tarsalplatte angesetzte Kapsulopalpebralfaszie des M. rectus inferior trägt dieser dazu bei, das Unterlid zu stabilisieren und retrahiert das Lid, wenn der Augapfel nach unten rotiert. Die Fasern des M. tarsalis inferior tragen zur Stabilisierung bei. Die unteren Lidretraktoren können bei einem involutionalen Entropium aufgrund eines Abrisses oder einer Dehnung derselben durch Schäfers Retraktionstest [80] festgestellt werden. Das Lid lässt sich in Pupillenmitte direkt unter dem Lidrand normalerweise zwischen 3–5 mm und maximal 8 mm vom Augapfel abheben, bei einem Entropium besteht eine Differenz von etwa 10–12 mm. Eine verminderte Unterlidspannung mit lateraler Rundung der Unterlidkante und erhöhter Visibilität der Sklera aufgrund einer Erschlaffung der Haut und des M. orbicularis sollte nicht mittels Unterminierung der Haut, einer seitlichen Anspannung nach oben und der Entfernung eines lateralen Hautdreiecks, behoben werden. Wie von Flowers [22] nachgewiesen, wird dadurch der laterale Kanthus weiter nach unten gezogen und gerundet. Die Technik von Edgerton [14], die Haut mittels eines Dermislappens zum lateralen Oberlid zu spannen, zeigt kein dauerhaftes Ergebnis. Auch die Haut-Muskellappen-Blepharoplastik ist nach Hinderer keine optimale Lösung, insbesondere, wenn der M. orbicularis nicht über die Naso-palpebro-Jugalfalte und die Haut hinaus separat unterminiert werden kann. Wie Hinderer 1977 [37, 38] bei dem ISAPS-Kurs in Tokio in seinem Tagungs-
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d Abb. 9.5. a Typisches Aussehen einer linksseitig erworbenen Ptosis: Der Augenlidrand ist etwa 3–3,5 mm unterhalb des Limbus corneae; die Oberlidfalte ist nach oben verschoben. Beides deutet auf einen subtotalen Abriss oder Dehnung der Levatoraponeurose hin, bei dem der M. tarsalis superior noch intakt ist. Nur einige obere Fasern der Aponeurose zur Dermis sind im Bereich der Augenlidfalte erhalten geblieben. Die Braue ist links etwas angehoben, um die Ptosis zu kompensieren. b Bestimmung der Lidheberfunktion in mm zwischen Blickrichtung nach unten und oben bei einer kongenitalen Ptosis. 8–9 mm deuten auf eine mäßige Lidheberfunktion hin. c Flowers Test zum Nachweis einer ungenügenden Spannung des unteren M. orbicularis oculi. Schon die erhebliche Augenlidrundung mit Sichtbarkeit der Sklera zwischen Cornea und Augenlidrand lässt auf eine ungenügende Spannung des Unterlides schließen. Im vorliegenden Fall war genügend Zeit vorhanden, um die Unterlider nach unten zu ziehen, zum Fotoapparat zurückzugehen und die Augen abzubilden, ohne dass eine ausreichende Spannung den Augenlidrand wieder an den Augapfel zurücktreten ließ. Eine einfache Hautlappenblepharoplastik oder Kuhnt-Szymanowski-Keilexzision des Unterlides ohne Wiederherstellung der Spannung des M. orbicularis mittels Suspensionsplastik würde wahrscheinlich nur zu weiteren Komplikationen führen
buch veröffentlichte, lag die Lösung nahe: Nach weiter Unterminierung sollte der Rand des M. orbicularis im Bereich des lateralen Kanthus über diesen hinaus vertikal nach oben und leicht nach medial angespannt werden, ein laterales Dreieck exzidiert und der Muskelrand kranial des lateralen Kanthus am Periost des Orbitarandes befestigt werden. Dies trägt primär zur Vermeidung einer zusätzlichen iatrogenen Komplikation bei. Die Technik wurde zwei Jahre später unabhängig von Mladick [69] als Orbikularismuskel-Suspensionstechnik veröffentlicht. Heute nutzt Hinderer die Suspension als Teil einer Blepharoplastik in Verbindung mit einer Kanthoplastik oder mit der vertikalen Gesichtsstraffung des
Augenlidrahmens und Mittelgesichts. Als transkutane Blepharoplastik durchgeführt, hat er jedoch seit langem sowohl die Inzision der Haut als auch des M. orbicularis auf das laterale Augenlid begrenzt, um den Muskel weitestgehend zu schonen. Bei einer extremen Schwäche des Augenlides, sei diese kongenital, traumatisch, posttumoral oder iatrogen bedingt, ist eine intensivere Abstützung des unteren Augenlides erforderlich. 1993 veröffentlichte Hinderer die Temporalisfaszien-Schlingenkorrektur, die ihm über 15 Jahre gute Ergebnisse brachte [50]. Diese Technik wurde unter der Verwendung der Fascia lata auch von McCord et al. [66] ebenfalls 1993 veröffentlicht.
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Eine ungenügende Spannung des Unterlides kann neben einer Schwäche und Dehnung des Bandapparates mit einer Reduktion und Dehnung der Tarsalplatten einhergehen, dies tritt jedoch selten auf. Es sollte berücksichtigt werden, dass eine Kuhnt-Szymanoswki-Exzision [60] zu einer transversalen Verkürzung des Unterlides, d. h. zur Interkanthaldistanz führt. Sie ist nur dann gerechtfertigt, wenn es sich um eine reale Erweiterung handelt und diese nach oder bei gleichzeitiger Korrektur des erschlafften Bandapparates erfolgt.
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9.2.2.2 Ostektomie des lateralen Supraorbitalrandes Bei Bedarf kann nach Freilegung des oberen M. orbicularis ein nach unten vorgewölbter lateraler Supraorbitalrand, der den Augen ein müdes Aussehen vermittelt, nach Öffnung des Periosts mittels Ostektomie und unter Verwendung eines Meißels oder einer Fräse entfernt werden.
9.2.2.3 Suborbicularis-oculi-Fett 9.2 Spezielle Techniken 9.2.1 Chirurgie des Augenlidrahmens Die vom Verfasser bevorzugten Techniken zur Korrektur des periokularen Rahmens wurden in Kap. 17 (Gesichtsstraffung) eingehend beschrieben.
Der gleiche Zugang ermöglicht auch die Exzision einer extraseptalen Fettansammlung unter dem orbitalen M. orbicularis oculi, die bis über den Orbitalrand reichen kann.
9.2.2.4 Ptosis der Tränendrüse 9.2.2 Chirurgie des oberen Augenlides 9.2.2.1 Blepharoplastik mit Hautund Muskelexzision Die Blepharoplastik des Oberlides zur Korrektur einer Blepharochalasie, ggf. verbunden mit der Vorverlagerung des intraseptalen Fettes, aber auch die einer Ptosis sollte in Lokalanästhesie mit Sedierung, nach Instillation von konjunktivalen Anästhesietropfen erfolgen,sodass – insbesondere bei der Ptosis – der Patient jederzeit kollaborieren kann.
Die Schnittführung wird am sitzenden Patienten mit geschlossenen Augen festgelegt, damit sich bei angehobener Augenbraue eine untere Inzisionslinie ergibt, welche konkav zum Lidrand von einem Punkt 2–3 mm oberhalb des medialen Lidwinkels bis zu einem Punkt 3–4 mm oberhalb des lateralen Kanthus verläuft, an dem sie nach oben abschrägt. Die obere Inzisionslinie wird am geöffneten Auge, ohne Spannung der Braue, punktförmig entsprechend der unteren Linie markiert. Die Markierungspunkte werden dann zu einer Linie verbunden. Die sichelförmige Exzision der Haut mit Teilexzision des M. orbicularis endet medial horizontal und lateral mittels Exzision eines seitlich nach oben gerichteten Dreiecks. Zusätzlich kann durch sanften Druck auf den Augapfel intraseptales Fettgewebe so zur Protrusion gebracht werden, dass nach Inzision des Septums das hervortretende Fett gefasst und mit einem Elektrokauter mit „Coloradonadel“ entfernt werden kann. Ein Verschluss des Septums ist nicht erforderlich. Der Wundverschluss am Lid erfolgt mittels fortlaufender Intrakutannaht (Stärke 6/0) und Klammerpflastern.
Selten ist eine zusätzliche Korrektur einer Ptose der Pars orbitalis der Tränendrüse (Dacryo-Adenopexie) erforderlich. Nach Inzision des Septums kann die lobuläre weißliche Drüse leicht von dem Fett unterschieden werden. Es ist eine Plikatur der Drüsenkapsel oder eine Anheftung am Periost notwendig, in sehr seltenen Fällen kann auch eine Teilresektion des hypertrophen Drüsenkörpers vorgenommen werden (Abb. 9.6).
9.2.2.5 Supratarsale Fixierung zur Bildung eines gut definierten Sulcus palpebralis superior Die Bildung einer Augenlidfalte ist nach Hinderer angezeigt, wenn die Augenlidfalte zu weit nach kaudal verschoben oder schlecht definiert ist, bzw. wie beim asiatischen Auge fehlt. Bei der „Verankerungsblepharoplastik“ nach Flowers oder „Blepharoplastik mit Lidinvagination“ wird die prätarsale Extension der Levatoraponeurose so weit kaudal wie möglich durchtrennt, das prätarsale Bindegewebe exzidiert und der freie Rand der Aponeurose mit dem oberen vorderen Rand des Tarsus und der Dermis des prätarsalen Hautlappens verbunden. Die Technik wurde erstmals 1973 von Flowers [18] vorgeführt und auch von Siegel 1993 [87] beschrieben. Um die Technik der supratarsalen Fixierung sowie die Behandlung einer angeborenen oder erworbenen Ptosis zu verstehen, ist eine genaue Kenntnis der Anatomie des oberen Augenlides erforderlich (Abb. 9.7–9.9). Der M. orbicularis gehört zum SMAS und ist in einer fibroadipösen Faszie eingebettet, deren tiefe Komponente den Muskel mit Gefäßen und Nerven des M. facia-
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d Abb. 9.6. a,b Behandlung einer Hyperplasie mit Ptosis der Tränendrüse mittels Dacryo-Adenopexie. c, d Ergebnis fast 2 Jahre nach vertikaler Gesichtsstraffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts mit Blepharoplastik und Orbikularismuskel-Suspension sowie Suspension der Tränendrüse
Abb. 9.6. e Histologischer Schnitt des unteren Augenlides. Massonfärbung. Die Beweglichkeit des Augenlides ist auch durch die spezielle retikuläre, anstatt vertikale Anordnung der Bindegewebsfasern, die die Fettläppchen umgrenzen, bedingt. Die Kollagenfasern entspringen schräg der retikulären Dermis,verbinden sich mit den Bindegewebsfasern der Hypodermis bis sie sich ebenfalls schräg im muskulären quergestreiften Stratum der mimischen Muskel integrieren.So bilden sie eine dehnbare Masche, die ihre ursprüngliche Form nach einer Deformierung, d. h. auch einer mimischen Bewegung, annimmt. Die Struktur ist mit der des Auerbachplexus des Darms vergleichbar, der seine ursprüngliche Form nach Verschwinden der Ursache einer Deformierung wieder einnimmt. (Mit freundlicher Genehmigung: Dr. J. Escalona)
lis versorgt und die Beweglichkeit der Muskelfasern ermöglicht. Die primären Funktionen des sympathisch innervierten Müller-Lidhebermuskels bestehen darin, den Tonus aufrechtzuerhalten und den Lidrand etwa 1–2 mm anzuheben sowie bei Entspannung den kompletten Augenlidschluss zu ermöglichen. Während der Müller-
Muskel von der Hinterfläche der Levatoraponeurose aus am oberen Rand des Tarsus befestigt ist, setzen die Fasern der Levatoraponeurose selbst am vorderen oberen Rand des Tarsus und auch prätarsal an. Das Septum orbitale erstreckt sich vom Arcus marginalis des oberen Orbitarandes nach unten, um etwa 2–3 mm oberhalb des Tarsus in Form einer Schlinge mit
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d Abb. 9.7. a, b Blepharoplastik mit supratarsaler Fixierung zwecks Korrektur unklar definierter oberer Augenlidfalten; Orbikularismuskel-Suspension mit Exzision intraseptalen Fettes besonders des mittleren Kompartiments sowie Korrektur der tiefen Naso-palpebro-Jugalfalte.c,d Pseudoptosis des rechten oberen Augenlides aufgrund einer ausgeprägten Blepharochalasis;Asymmetrie der Brauen und der Lider. Es besteht eine bedeutende laterale Rundung, insbesondere des linken unteren Augenlides mit Verlängerung des Lidrandes und Dehnung der Tarsalplatte. Bei der 51-jährigen Patientin wurde eine vertikale frontotemporale Gesichtsstraffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts, Straffung der unteren Gesichtshälfte und des Halses und eine Blepharoplastik mit supratarsaler Fixierung durchgeführt. Am linken unteren Augenlid wurde des Weiteren eine stufenweise Exzision des Augenlidrandes und Tarsus mit Orbikularismuskel-Suspension vorgenommen (s. auch Abb. 9.32 a)
der Levatoraponeurose zu verschmelzen. Direkt unter dem Septum orbitale befindet sich das präaponeurotische Fett, das einen wichtigen Markstein für die Auffindung der Levatoraponeurose bildet. Die Septumschleife, die lateral weiter nach kaudal reicht und medial etwas weiter kranial einige Fasern zum Periost nahe der Trochlea sendet, kann sich etwa 2–3 mm oberhalb des Tarsus befinden, aber auch bis prätarsal reichen. Die Höhe der Fusion bestimmt häufig auch das Niveau der oberen Lid- oder Supratarsalfalte. Von der Verbindung des Septum orbitale mit der Levatoraponeurose nach unten entsteht eine gemeinsame Prätarsalfaszie, die aus der tiefen Orbikularisfaszie sowie den Ausläufern des Septum orbitale und der Levatoraponeurose besteht. Die Länge des Levatormuskel beträgt etwa 40 mm und die der Aponeurose ungefähr 15 mm.
Ein weiteres Merkmal ist die Gefäßarkade, die oberhalb des Tarsusrandes transversal am Ansatz des Müller-Muskels verläuft und nach einem Abriss der Levatoraponeurose bei einer erworbenen Ptosis sichtbar wird. Das transversale weißliche Whitnall-Ligament zieht sich oberhalb der Trochlea von medial nach lateral zur Kapsel des orbitalen Teils der Tränendrüse. Es bedeckt entweder den Levatormuskel, dessen Aponeurose oder deren Verbindungsstelle. Bei einer kongenitalen Ptosis kann der distale Teil der Levatoraponeurose fibrös und unterentwickelt sein. Die vertikal verlaufenden Blutgefäße deuten jedoch nach Carraway [9] auf den Levatormuskel hin.
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M. levator palpebrae sup. M. orbicularis oculi, P.orbitalis
Septum orbitale M. tarsalis superior M. orbicularis oculi, P.preseptalis Konjunktivalfornix Haut- und Muskelansätze des M. levator palpebrae
Tarsalplatte
Tarsusansatz der Levatoraponeurose
Abb. 9.8. Der Müller-Muskel (M. tarsalis sup.) setzt von der Hinterfläche der Levatoraponeurose aus am oberen Rand des Tarsus an. Die Verbindung der Außläufer des Septum orbitale mit der Levatoraponeurose und der tiefen Orbikularisfaszie bildet eine gemeinsame Prätarsalfaszie
9.2.2.6 Verankerungstechnik oder Invaginationstechnik Während ein Assistent die Braue nach oben anspannt, werden Streifen der „gemeinsamen Prätarsalfaszie“ unterhalb des Randes des Tarsus durch Anheben ohne Zug vorsichtig exzidiert, bis die Tarsaloberfläche erscheint. Bei Anspannung der unteren Prätarsalgewebe wird auch die direkt über dem Tarsusrand befindliche transversale arterielle Arkade sichtbar. Über dieser erscheint die Schlinge des Septums, die von lateral aus geöffnet wird, sodass das Fett frei herausdrängen kann. Die Levatoraponeurose wird identifiziert, indem der Rand fixiert und der Patient aufgefordert wird, das Auge zu öffnen. Nach Entfernung der Prätarsalfaszie und des Bindegewebes im unteren prätarsalen Bereich zur Reduktion postoperativer Ödeme folgt die Invaginationsnaht (6/0 Vicryl). Sie fasst den oberen Rand des Tarsus, ohne
die Arkade zu verletzen, den unteren Dermisrand oder den des M. orbicularis sowie die Aponeurose. Nach Verschluss der Naht muss die Evertierung der Wimpern überprüft werden. Während der Patient die Augen öffnet, werden Sitz und Form der Augenlidfalte sowie die Position des Lides im Vergleich zum Augapfel getestet. Sollten die Wimpern evertieren, ist es erforderlich, die Dermis etwas weiter kaudal an der Tarsalplatte zu fixieren. Zur Hautnaht benutzt Hinderer eine 6/0 ausziehbare Ethilon-Monofilnaht.
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M. orbicularis oculi prolabiertes Intraseptalfett Levatormuskel
Levatoraponeurose M. tarsalis superior
9mm
Gefäße der transversalen Gefäßarkade am oberen Tarsalrand Tarsalplatte
Abb. 9.9. Modifizierte Skizze der Verankerungstechnik („Anchor-Blepharoplasty“). Die transversale Gefäßarkade deutet an, dass man sich unter der Levatoraponeurose befindet oder dass diese abgerissen ist. (Nach Flowers [19])
9.2.2.7 Korrektur einer erworbenen Augenlidptosis mittels Naht oder Raffung der Levatoraponeurose Eine erworbene Ptosis kann iatrogen durch Verletzung der Levatoraponeurose bei einer supratarsalen Orbikularismuskelexzision oder auch intraoperativ durch Abriss, infolge eines zu starken Zuges am Augenlidrand, auftreten. Sie ereignet sich auch bei bereits abgeschwächter Aponeurose und bei starken Augenlidödemen. Die obere Augenlidfalte ist höher als die der anderen Seite und wird nach kranial eingezogen, während der Augenlidrand fixiert wird und der Patient versucht, das Auge zu öffnen. Die Technik besteht aus einer Raffung der Levatoraponeurose sowie einer supratarsalen Fixierung. Nach Hautexzision, etwa 9 mm oberhalb des Augenlidrandes, wird der prätarsale Orbikularismuskel einschließlich der gemeinsamen Prätarsalfaszie vorsichtig mit einer Schere exzidiert, bis die Tarsusoberfläche erscheint. Das Septum wird von lateral inzidiert, heraustretendes Fett entfernt und die Levatoraponeurose identifiziert. Durch Festhalten und aktiver Augenlidöffnung
durch den Patienten, kann festgestellt werden, ob es sich um einen Abriss, eine Durchtrennung oder Dehnung der Levatoraponeurose handelt. Bei einem Abriss wird der Levatoraponeurosenrand mit Vicrylfäden am oberen Rand der Tarsalplatte angenäht. Bei Dehnungen erfordert eine Ptosis von 1 mm auch eine Verkürzung von 1 mm. Die Längenverkürzung wird mithilfe von Vicrylnähten, die die Levatoraponeurosis und den Rand der Tarsalplatte nur mit einem Knoten anziehen, bestimmt, um die Lidposition bezüglich des Limbus und der Seitensymmetrie testen zu können. Im Falle einer exzessiven Anhebung werden neue Nähte angelegt. Zusätzlich zur Aponeurosenraffung wird eine supratarsale Fixierung mit 3 bis 5 Nähten zwischen der Dermis oder dem getrimmten prätarsalen Orbikularisrand und dem Rand der gerafften Levatoraponeurose angelegt. Der Exzess am präseptalem M. orbicularis wird exzidiert und die Haut mit einem 6/0 Etilon-Ausziehfaden verschlossen (Abb. 9.10, 9.11).
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d Abb.9.10. a,b Behandlung einer erworbenen Ptosis; nach Inzision der Haut und des M.orbicularis wird die Septumschlinge freigelegt und von lateral nach medial mit einer spitzen Schere geöffnet, sodass das intraseptale Fett heraustritt und der Überschuss mit Elektrokauter, mit einer Coloradonadel entfernt werden kann. c, d Die Levatoraponeurose wird gefasst und nach oben angezogen, sodass festgestellt werden kann, ob es sich um einen Abriss oder eine Dehnung handelt. Während ein Assistent die Braue nach oben anspannt, werden Streifen der gemeinsamen Prätarsalfaszie ohne Zug angehoben und exzidiert, bis die Tarsaloberfläche und der Tarsusrand mit der transversalen Gefäßarkade sichtbar werden. Der Tarsusrand wird dann nach oben angespannt
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d Abb. 9.11. a, b Die Naht vom Aponeurosenrand zum vorderen Tarsalrand erfolgt mit 3–5 5/0 Vicryleinzelnähten. Zusätzliche 6/0 Vicryleinzelnähte verbinden den Aponeurosenrand mit dem getrimmten prätarsalen Orbikularisrand und/oder mit der Dermis zwecks supratarsaler Fixierung. Der Hautverschluss erfolgt mit einer fortlaufenden 6/0 Polyamid-Intrakutannaht. c, d Ergebnis nach Behandlung einer beidseitig erworbenen Ptosis der Augenlider, rechts durch Dehnung der Levator-Aponeurose und links durch einen zusätzlichen Abriss. Dieser zeichnet sich durch eine weiter nach oben verschobene Oberlidfalte, eine ausgeprägtere Ptosis sowie durch eine weiter angehobene Braue mit frontalen Querfalten auf der Stirn durch Hyperaktivität des M. frontalis aus [42]
9.2.2.8 Kongenitale Augenlidptosis Bei einer Ptosis des oberen Augenlides hängt der Augenlidrand unterhalb der normalen Position, bei der der obere Limbus corneae 1 bis maximal 2 mm verdeckt wird. Die obere Augenlidfalte ist höher als 10 mm oberhalb des Augenlidrandes angelegt oder fehlt völlig. Bei einem normalen Augenlid liegt der Mittelpunkt der Pupille 5,5 mm unter dem oberen Limbus corneae. Ein Augenlidrand im Mittelpunkt der Pupille entspricht daher etwa 3,5–4,5 mm Ptosis. Die Levatorfunktion wird anhand der Exkursion des Augenlidrandes vom geschlossenen Auge bis zur Randstellung bei Aufwärtsblick gemessen. Allgemein wird die Funktion bei 13–15 mm als sehr gut,zwischen 8–12 mm als gut, zwischen 5–7 mm als mäßig und zwischen 2–4 mm als schlecht angesehen.
Der konjunktivale Zugang wurde erstmals 1857 von Bowman [6] beschrieben, 1923 von Blaskowics [3], der transpalpebrale Zugang zur Behandlung der Ptosis von Eversbusch 1883 [16]. Es sollen mindestens 57 verschiedene Techniken existieren. Bei der konjunktivalen Technik nach Blaskowics [3] und deren Varianten wird ein Streifen der Tarsalplatte und Lidheberaponeurose exzidiert. Die am häufigsten angewandte Technik des transpalpebralen Zugangs beginnt mit der Freilegung der Levatoraponeurose von der Konjunktiva ausgehend, von der Tarsalplatte, häufig unter Einschluss des Müller’schen M. tarsalis superior. Es folgt die Durchtrennung der medialen und lateralen Extensionen der Aponeurose zwecks Mobilisierung und die Entfernung des distalen Segments der Aponeurose, bzw. falls erforderlich auch des Levatormuskels.
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d Abb. 9.12 a–d. Technik nach Carraway und Vincent [9] bei einer angeborenen Ptosis. Nach Hautexzision wird der M. orbicularis längs der unteren Inzision eingeschnitten und nach oben freigelegt. Die Septumschleife wird von lateral nach medial inzidiert und das überschüssige Fett mit Elektrokauter exzidiert. Am Whitnall-Ligament sind Zugfäden angelegt
Zu Beginn der 70er-Jahre hat Hinderer häufig die Technik nach Hervouet-Tessier (s. DufourmentelMouly, [13]) mit gemischtem konjunktivalem und transpalpebralem Zugang mit guten Ergebnissen angewandt. Es handelt sich um eine der Varianten des BlaskowicsVerfahrens, bei der zusätzlich Haut und der M. orbicularis oculi als Antagonisten des Lidhebers sichelförmig exzidiert werden.
! Eine Aufhängung des Lids am Frontalmuskel mittels Hautmuskellappen oder einer Faszienschlinge ist nur bei einer sehr schlechten Fehlfunktion angezeigt.
Seit über 10 Jahren geht Hinderer mit der Technik nach Carraway [9] vor, bei der die medialen und lateralen Ansätze der Levatoraponeurose nicht durchtrennt, sondern nur der Levatormuskel selbst nach unten mobilisiert und an der Tarsalplatte befestigt wird. Diese Technik respektiert den M. tarsalis superior, der dadurch aktiv bleibt.
Technik nach Carraway Die Hautexzision erfolgt etwa 8 mm über der Augenlidkante mit unterer Inzision entsprechend der Augenlidfalte des anderen Auges.Die Tarsalplatte wird mittels Exzision des Orbikularmuskels sowie der Ausläufer der gemeinsamen Prätarsalfaszie freigelegt, die Gefäßarkade am oberen Rand sollte geschont werden. Die Identifizierung der Levatoraponeurose erfolgt nach Inzision des Septum orbitale von lateral und der Entfernung des überschüssigen Fettes, in dem der maßgebliche Rand mit einer Mosquitoklemme festgehalten wird, um eine aktive Augenlidöffnung zu vermeiden. Der Levatormuskel, der häufig oberhalb des Whitnall-Ligaments beginnt, wird sowohl oberflächlich als auch in der Tiefe von Verwachsungen freigelegt, bis eine komplette Mobilität erreicht ist.
! Die Vorverlegung des Levatorkomplexes sollte von der oberen Tarsalkante aus zum Levatormuskel etwa 4 mm per 1 mm Ptosis betragen.
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d Abb. 9.13 a–d. Nach Inzision der Septumschlinge und Entfernung austretenden Fettes wird die Levatoraponeurose gefasst und nach unten gespannt, sodass der Levatormuskel, meist in Höhe des Whitnall-Ligaments mit einer Klemme freigelegt und mit einem Silikonkatheter angespannt werden kann. Der Muskel wird auch an seiner Unterfläche von Verwachsungen befreit, sodass er komplett beweglich ist. Nach Bestimmung der erforderlichen Verkürzung des Levatormuskels (etwa 4 mm ab Tarsusrand per 1 mm Ptosis), wird der Levatormuskel durchtrennt, wobei jedoch das proximale Ende festgehalten werden muss
Die Stelle wird markiert, seitliche Zugnähte werden eingezogen und mit einem Knoten nur provisorisch verbunden. Nachdem die Augenlidöffnung mit der des anderen Auges bezüglich der Symmetrie kontrolliert wurde, kann der Levatormuskel durchtrennt und mit drei bis fünf 6/0 Vicryl-Nähten am oberen Rand der Tarsalplatte angenäht werden. Anderenfalls erfolgt die Anlegung neuer Positionsnähte. Zusätzlich wird eine supratarsale Verankerung vorgenommen. Nach intrakutaner Naht wird eine Frost-Naht für 24 Stunden zur unteren Tarsalplatte gelegt (Abb. 9.12 bis 9.15; [9]).
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d Abb. 9.14 a–d. Das distale Ende des Levatormuskels wird mit drei 5/0 Vicrylnähten mit dem vorderen oberen Tarsusrand verbunden.Danach erfolgt eine zusätzliche supratarsale Fixierung des Randes der Levatoraponeurose mit 6/0 Vicrylnähten am vorderen oberen Tarsusrand und an der Dermis zwischen den vorhergehenden Nähten. Der überschüssige M. orbicularis wird exzidiert, die Haut mit einer fortlaufenden Intrakutannaht verschlossen und Klammerpflaster angelegt
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d Abb. 9.15. a, b Ergebnis der beidseitigen angeborenen Ptosis bei dem Patienten der Abb. 9.12 – 9.14 nach 1 Jahr. Die schlechte Levatorfunktion erforderte präoperativ eine konstante Anspannung des Frontalmuskels. c, d Rechtsseitige angeborene Ptosis und postoperatives Ergebnis 4 Jahre später
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d Abb. 9.16a–d. Blepharophimose,Technik nach Hinderer [49] a, b Nach Hautexzision, gemäß der Technik nach Hervouet-Tessier sowie Anlegen von Zugnähten an der Levatoraponeurose oberhalb der erforderlichen Durchtrennung, wird die Konjunktiva und Tarsalplatte einschließlich der distalen Levatoraponeurose transkonjunktival im Verhältnis 1:1 der Ptosis entfernt. Proximal werden U-Fäden durch die Konjunktiva und Levatoraponeurose sowie den Rand der Tarsalplatte und durch die Haut herausgeführt, als Zugfäden ungeknotet belassen und mit einer Mosquitoklemme gefasst.c, d Blepharokanthoplastik nach Hinderer [35] zwecks Korrektur des negativen Transversalachsenwinkels: Eine Schere mit stumpfer Spitze wird längs des lateralen Orbitalrandes um das Tuberculum orbitale ossis zygomaticus geführt und um 180° gedreht, sodass der Griff nach unten zeigt und das laterale Kanthalligament auf der Scherenspitze aufliegt
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d Abb. 9.17. a, b Das Ligament wird durchtrennt und oberhalb des Kanthus durch einen Tunnel am Periost durchgezogen und mit sich selbst und dem Periost vernäht. Eine kutane Z-Plastik des Kanthus sowie der lateralen Braue ermöglicht es, beide nach oben zu verlegen. Bei Bedarf wird vor der Naht der Z-Plastik am lateralen Kanthus ein Knorpeltransplantat aus dem Tragus subperiostal am Orbitaboden zwecks Hebung des lateralen Augapfels eingeführt. c, d Nach Durchführung der Korrektur des Epikanthus mit der Technik nach Mustardé und Anlegen von Einzelknopfnähten, werden die U-Nähte der Ptosis angespannt und über einen Silikontubus geknöpft
9.2.2.9 Blepharophimose Lidspaltenverengung mit Telekanthus und Epicanthus inversus, Ptosis, nach unten gewölbter lateraler unterer Orbitarand mit lateral tiefer liegendem Orbitaboden, negativer transversaler Winkel der Augenlidfissur mit Absenkung des lateralen Kanthus, Ptosis der lateralen Braue und Strabismus können Anzeichen für ein Blepharophimose-Syndrom sein. Die Vielfalt der Symptome erfordert eine individuelle, zweizeitige Operationsplanung unter Hinzuziehung eines Ophthalmologen für die Behandlung des Strabismus.Die Technik des Verfassers,mit Ausnahme des Strabismus, wurde im 7. und 8. Jahrzehnt einzeitig durchgeführt, da die meisten Kinder, die in seiner plastischchirurgischen Abteilung des Kinderkrankenhauses in Madrid operiert wurden, aus entlegenen Regionen Spaniens kamen (Abb. 9.16 bis 9.19).
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d Abb. 9.18a–d. Ergebnisse nach einzeitiger Korrektur einer Blepharophimose, a, b nach 1 Jahr und c, d nach 23 Jahren. Der Strabismus wurde in einem weiteren Eingriff von einem Ophthalmologen korrigiert
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d Abb. 9.19. a, b Blepharophimose und Ergebnis 2 Monate später. Die verschiedenen Augenlidstrukturen sind noch weitere Monate überdehnt und starr und die Narben gespannt. c, d Eine entsprechende Technik wurde auch beim Treacher-Collins-Syndrom (Kanthoplastik, Korrektur des Orbitabodens, Anhebung der Braue und des lateralen Kanthus, Orbikularismuskel-Suspension sowie Einführung von Silikon-Jochbeinimplantaten nach Hinderer [33, 34] vorgenommen)
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Abb. 9.20 a–f. Technik der Blepharokanthoplastik mit Befestigung des lateralen Kanthalligaments durch ein Bohrloch am lateralen Orbitarand oberhalb des Kanthus. (Nach Hinderer [34, 35])
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9.2.3 Laterale Blepharokanthoplastik bzw. Kanthopexie zur Erzielung eines positiven Transversalwinkels Bei der Blepharokanthoplastik nach Hinderer [34, 35] wird das laterale Kanthalligament an Whitnalls „Tuberculum orbitale ossis zygomaticus“ durchtrennt und 4–8 mm kranial, mittels Durchzug durch einen Bohrkanal, am lateralen Orbitarand oder durch einen periostalen Tunnel befestigt. Wegen der verringerten Distanz vom Kanthus zur Braue muss zusätzlich eine Hebung der lateralen Augenbraue, entweder durch einen Frontallift oder eine vertikale Rhytidektomie des Augenlidrahmens erfolgen. Ersatzweise kann ein direkter Braulift durchgeführt werden (Abb. 9.20). Die Technik ist mit intraoperativen Fotos auch im Kap. 17 wiedergegeben, da sie häufig gleichzeitig mit dieser vorgenommen wird. Durch die vertikale Straf-
fung des Augenlidrahmens und des Mittelgesichts einschließlich einer Orbikularismuskelsuspension wird ebenfalls eine Aufwärtsverschiebung der lateralen Kanthalregion erzielt, die Neigung der Palpebralachse selbst wird jedoch kaum beeinflusst (Abb. 9.21), sodass hierfür zusätzlich eine Blepharokanthoplastik durchgeführt werden müsste.
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d Abb. 9.21. a, b Bei der 38-jährigen Patientin wurden folgende Eingriffe durchgeführt: asymmetrisches direktes Braulift; Blepharoplastik mit Orbikularismuskel-Suspension; Ostektomie des lateralen Supraorbitalrandes; subperiostale Jochbeinvergrößerung mit oral vestibulär eingeführten Implantaten des Verfassers. Obwohl die laterale Kanthalregion besser aussieht, hat sich die Neigung der Transversalachse kaum verändert, da keine Blepharokanthoplastik durchgeführt wurde (s. Abb. 9.22 a). c, d 45jährige Patientin, bei der eine Blepharokanthoplastik mit asymmetrischem direktem Braulift durchgeführt wurde. Aufgrund der Blepharokanthoplastik wurde eine Besserung des ältlichen, etwas traurigen Augenausdruckes mit erheblicher Vergrößerung des Transversalachsenwinkels erzielt (s. Abb. 9.22 b)
9.2.3.1 Blepharokanthoplastik Der Schnitt wird analog zur oberen Blepharoplastik geführt, selten nur im lateralen Drittel des Augenlides. Bei der Markierung muss die zu erzielende Hebung der Braue mittels digitaler Anspannung berücksichtigt werden. Die Inzision des M. orbicularis erfolgt am Oberrand der Raphe bis zum Periost des lateralen Orbitarandes. Die Raphe und die laterale Hälfte bzw. zwei Drittel des Unterlides werden unter dem präseptalen und orbitalen M. orbicularis oculi bis über die Naso-palpebro-Jugalfalte hinaus nach unten unterminiert. Eine stumpfe runde Schere wird am lateralen Orbitalrand eingeführt, nach unten und um das Whitnall-Tuberculum so geführt, dass die Schere um 180° mit dem Griff nach unten und der Spitze nach oben gedreht wird und das laterale Kanthalligament auf der Spitze aufliegt. Dieses wird mit
einer Mosquitoklemme gefasst, nahe des Ansatzpunktes durchtrennt und nach oben angespannt. Um eine komplette Mobilität der lateralen Hälfte des Augenlides zu erreichen, ist es erforderlich, sämtliche tieferen Fasern des lateralen Retinaculums zum unteren Arm des Ligaments und zur lateralen Tarsalplatte, d. h. Anteile der lateralen Kapsulopalpebralfaszie und des Septums, zu durchtrennen.Weiter medial bleibt jedoch die Kontinuität der Tarsalplatte mit der Kapsulopalpebralfaszie und dem restlichen Fasergeflecht zum Lockwood-Ligament bestehen, sodass sich durch die Anspannung des Kanthalligaments nach lateral und kranial auch die Spannkraft des intraorbitalen Fasergeflechts bessert.
! Um eine komplette Mobilität des lateralen Augenlides
nach oben und lateral zu erreichen, ist es nicht ausreichend, nur das Septum orbitale am Arcus marginalis zu durchtrennen.
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d Abb.9.22a–d.Quantitative Auswertung der Teleaufnahmen der Patienten der Abb.9.21,insbesondere in Bezug auf die Neigung der Transversalachse der Augenlider. a, b Der Transversalachsenwinkel besserte sich links nur von 140° bis +180°, da lediglich eine Orbikularismuskelsuspension und keine Blepharokanthoplastik durchgeführt wurde. Die Entfernung Kanthus – laterale Braue besserte sich von 19° bzw. 20 mm trotz direkter Anhebung der Braue bis zu 24 mm sowie die vertikale Augenlidöffnung von 8–9 mm. c, d Bei der Patientin besserte sich der transversale Achsenwinkel von 4 bis auf +120, die vertikalen Augenlidöffnungen von 7,5–10 mm und die Distanz lateraler Kanthus – Augenbraue von 18 mm rechts bzw. 21 mm links bis 24 mm und wurde beiderseits symmetrisch [39]
Das Ligament wird von innen nach außen durch ein Bohrloch am lateralen Orbitarand, etwa 4–8 mm oberhalb der Ansatzstelle am Tuberculum orbitale geführt oder durch einen Periosttunnel des lateralen Arcus marginalis und des Orbitalrandes gezogen. In beiden Fällen muss dies in Seitensymmetrie erfolgen. Falls eine geringe Asymmetrie vorhanden ist, kann die Spannung des Ligaments durch einen mehr oder weniger starken Zug an diesem reguliert werden,bis sich eine Symmetrie einstellt. Nachfolgend wird das Ligament am Periost oder am proximalen Ligament mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial befestigt. Die durch die Aufwärtsverschiebung überschüssigen kranialen Anteile des M. orbicularis und der Haut werden exzidiert. Danach erfolgt die Adaption der Raphe und des Muskels mit resorbierbaren 6/0 Vicryleinzelnähten. Die Haut wird mittels fortlaufender Intrakutannaht und evtl. zusätzlichen 6/0 Einzelfäden verschlossen.
Die Technik erzielt eine wesentliche Besserung des Unterlides, sodass eine Unterlid-Blepharoplastik häufig nicht erforderlich ist. Oberflächliche Falten am Unterlid können durch ein zusätzliches TCA-Peeling um 20–30 % verbessert werden (Abb. 9.22).
9.2.3.2 Kanthopexie Ersatzweise kann die Kanthoplastik durch eine Kanthopexie ersetzt werden. In Abb. 9.23 werden die Techniken nach Flowers [22], Jelks [57] und Hamra [29] skizziert dargestellt. Bei den Techniken nach Flowers und Jelks erfolgt die kraniale Anspannung des lateralen Kanthus mittels Befestigungsnähten des unteren Arms des Kanthalligaments, bei der nach Hamra [29] mittels einer Befestigungsnaht durch den lateralen Kanthus.
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9.2.4 Techniken zur Korrektur von Lageanomalien des intraseptalen Fettes 9.2.4.1 Transpalpebrale Fettexzision Im Rahmen einer Hautlappen-Blepharoplastik wird der M. orbicularis im Faserverlauf stumpf eröffnet und das Septum orbitale an den betreffenden Stellen des größten Prolapses inzidiert. Unter sanftem Druck auf den Augapfel wird das hervortretende Fett gefasst und mit dem Elektrokauter, mit einer Coloradonadel, exzidiert.
! Dabei ist auf eine sorgfältige Blutstillung zu achten. c
Ein übermäßiger Zug am prolabierenden Fett sollte vermieden werden.
Bei Fettexzisionen im Bereich des lateralen Oberlids muss das gelbliche Fettgewebe von der weißlichen Tränendrüse unterschieden werden.
9.2.4.2 Transkonjunktivale Fettexzision im unteren Augenlid nach Bourget
Abb. 9.23. a Kanthopexie des durchtrennten unteren Armes des lateralen Kanthalligaments nach Flowers [22]. b Des Weiteren mit der Technik nach Jelks et al. [57]; c nach Hamra [29] mittels transkanthaler Kanthopexie
Obwohl der transkonjunktivale Zugang zur Fettexzision insbesondere von Autoren wie Tessier [88] befürwortet wurde, setzte sich diese Technik erst im letzten Jahrzehnt zunehmend durch. Während Höhlers ISAPS-Kurs in Baden Baden 1976 trug Hinderer die Transkonjunktivaltechnik vor und befürwortete diese. In der Diskussion kam es zu kritischen Anmerkungen, da die Technik eine Durchtrennung des M. tarsalis inferior und damit eine iatrogene Schädigung verursachen würde. Obwohl die Kapsulopalpebralfaszie (und auch der M. tarsalis inferior) durchtrennt werden, traten bei Hinderer keine diesbezüglichen Komplikationen und negative Resultate auf. Auch bei der Technik der Fettretention erfolgt eine Durchtrennung der Kapsulopalpebralfaszie und häufig auch des M. tarsalis inferior, der im Gegensatz zum M. tarsalis superior jedoch kaum ausgebildet ist [4, 5]. Technik. Nach Instillation von Lokalanästhetika wird nach Goldberg [26] eine Lösung 2 %igen Lidocains mit 1 : 100 000 Adrenalin und Hyaluronidaselösung vom Fornix aus in jedes der Fettkompartimente eingespritzt (je etwa 1 ml). Die Nadel ist etwas nach rückwärts zum unteren Orbitarand gerichtet. Eine Inzision etwa 4 mm unter dem Tarsus erfordert zwar die Transsektion der Kapsulopalpebralfaszie, jedoch nicht des Septum orbitale; dieses liegt unterhalb des Canaliculus und führt direkt zu den Fettkompartimenten. Während der Rand der Kapsulopalpebralfaszie mit Zugfäden nach kranial gespannt wird, prolabiert unter leichtem Druck das subseptale Fett der entsprechenden Kompartimente; dieses wird durch den Elektrokauter mit einer Coloradonadel
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d Abb. 9.24. a, b Die Konjunktiva und Kapsulopalpebralfaszie wird etwa 4 mm unterhalb des Tarsus eingeschnitten, das hervortretende Fett entweder mit einer Klemme gefasst und exzidiert bzw.mit Coloradonadel koaguliert.c, d Ergebnis einer transkonjunktivalen Fettexzision (s. oben) sowie transkonjunktivalen Jochbeinvergrößerung mit Silikonimplantaten des Verfassers. Die außergewöhnlichgroße Fettexzision hat auch eine bedeutende Besserung des exophthalmischen Aussehens und der Unterlidrundung erreicht
exzidiert. Der Verschluss der konjunktivalen Inzision kann mit einer fortlaufenden, nicht resorbierbaren monofilen Naht der Stärke 6/0 erfolgen, die im medialen und lateralen Augenwinkel jeweils durch die Haut einund ausgeleitet und nach vier bis fünf Tagen entfernt wird. Es ist jedoch nicht erforderlich, die konjunktivale Inzision zu verschließen.
! Der M. obliquus inferior sollte identifiziert und auf jeden Fall geschont werden.
Auch eine dezimierte Fettentnahme trägt zur Depressionsvermeidung bei (Abb. 9.24).
9.2.4.3 Transkonjunktivale Fettverlagerung nach Loeb und Hamra Zur Behandlung einer „Skeletttonisierung“ wird die kaudale Freilegung des Arcus marginalis sowohl lateral am Eisler-Rezessus [15] als auch zentral und medial genutzt. Es folgt die Durchtrennung des Septums vom Arcus und eine präperiostale Verlagerung des Fettes nach unten, das in seiner Position mit transkutanen Fäden, die vorsichtig über einen Bolus geknotet werden, 3 bis 4 Tage in dieser Position verbleibt (Abb. 9.25; [54, 65, 28]).
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Konjunktiva Tarsus Septum Fascia capsulo-palpebralis Lockwood Ligament M. obliquus inferior M. orbicularis
Abb.9.25. Die transkonjunktivale Fettverlagerung nach unten (Nach Loeb [65] und Hamra [28]) zwecks Behandlung einer „Skeletttonisierung“. Nach transversaler Durchtrennung der Konjunktiva und Kapsulopalpebralfaszie wird das Septum am Ansatz am Arcus marginalis durchtrennt und das Fett präperiostal nach unten verlagert und in seiner Position mit transkutanen Fäden, die über einen Bolus geknotet werden, befestigt
9.2.4.4 Retentionstechniken des intraseptalen Fetts Auch bei den Retentionstechniken ist ein transpalpebraler Zugang nach De la Plaza, Arroyo [75, 76] sowie Mendelson [67] oder ein transkonjunktivaler Zugang nach Camirand und Doucet [7, 8] möglich. Es wird jeweils das prolabierte Fett zurückgedrängt und die Kapsulopalpebralfaszie am Periost des Arcus marginalis angeheftet (Abb. 9.26). Bei der transpalpebralen Technik wird nach Inzision des M. orbicularis und des Septums das Fett ebenfalls zurückgedrängt und mittels einer fortlaufenden Naht oder Einzelnähten die Kapsulopalpebralfaszie nach medial am Arcus marginalis befestigt. Bei der transkonjunktivalen Fettretention nach Camirand und Doucet [7] wird die Konjunktiva in Höhe des Arcus marginalis transversal eingeschnitten und die Kapsulopalpebralfaszie durchtrennt. Bei der Fettrückverlagerung erfolgt die Vernähung des Randes des proximalen Lappens der Kapsulopalpebralfaszie am Arcus marginalis. Erfahrungsgemäß ist es sinnvoll, die Spannung des M. orbicularis durch eine Muskelsuspension des M. orbicularis unter Verwendung der transpalpebralen Technik wiederherzustellen sowie eine Blepharokanthoplastik anzuschließen. Diese ermöglicht neben der Rückverlagerung des intraorbitalen Fetts, die zu einer minimalen Hebung des Augapfels beitragen soll, eine zusätzliche, indirekte Anspannung des Lockwood-Ligaments (Abb. 9.27, 9.28).
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Konjunktiva Tarsus Septum Fascia capsulo-palpebralis Lockwood Ligament M. obliquus inferior Arcus marginalis M. orbicularis
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Abb. 9.26. a Transpalpebrale Fettretention nach De la Plaza und Arroyo [76]). Nach Inzision des M. orbicularis und Septums wird das Fett zurückgedrängt und mittels einer fortlaufenden Naht oder Einzelnähten der Kapsolupalpebralfaszie nach medial an den Arcus marginalis zurückgehalten. b Bei der transkonjunktivalen Fettretention nach Camirand und Doucet [7, 8], wird die Konjunktiva in Höhe des Arcus marginalis transversal eingeschnitten, die Kapsulopalpebralfaszie durchtrennt und bei Fettrückverlagerung der Rand des proximalen Lappens am Arcus marginalis angenäht
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d Abb. 9.27 a–d. Bei einer 39-jährigen Patientin mit Fettvorverlagerung am mittleren Kompartiment sowie Jochbeinhypoplasie links,fast horizontaler Augenachsenneigung mit„scleral show“ und Unterlidrundung sowie Rundung der lateralen Kanthi,oberflächlichen Hautfalten der Unterlider und Ptosis der lateralen Braue und des Mittelgesichts, wurden folgende Eingriffe durchgeführt: Transkonjunktivale Rückverlagerung intraseptalen Fettes nach Camirand und Doucet [8] links, Kanthoplastik beidseitig nach Hinderer [33]; Jochbeinvergrößerung links nach Hinderer [33, 35]; Ostektomie des linken oberen Orbitarandes; vertikale transtemporale und transpalpebrale Gesichtsstraffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts nach Hinderer [40] sowie ein 25 %iges TCA-Peeling der Unterlider.Nach Hautexzision des oberen Augenlides wird die Konjunktiva und Kapsulopalpebralfaszie in Höhe des Arcus marginalis eingeschnitten und das vorverlagerte intraseptale Fett mittels Einzelfäden des oberen Randes der hinteren Kapsulopalpebralfaszie von lateral nach medial mit Einzelfäden am Arcus marginalis vernäht
9.2.5 Techniken zur Erzielung einer normgerechten Spannung am Unterlid 9.2.5.1 Orbikularismuskel – Suspensionstechnik nach Hinderer Ziel der Operation ist es, die Spannung des M. orbicularis durch eine Naht am Periost, kranial etwas oberhalb des lateralen Kanthus, herzustellen. Dadurch werden häufige Komplikationen der unteren Blepharoplastik, wie z. B. eine laterale Rundung des Unterlides mit Lagophthalmus und ein abgerundeter lateraler Kanthalwinkel vermieden.
Nach sparsamer Hautinzision in der unteren Hälfte bzw. in den lateralen zwei Dritteln des Lidrandes wird die Lidhaut mit einem Skalpell bis zur untersten Hautfalte vom Muskel abgelöst.Von einer Inzision direkt unterhalb der Raphe aus werden sowohl die prätarsalen als auch die orbitalen Anteile des M. orbicularis unterminiert. Die prätarsalen Anteile werden etwa in der Mitte der Prätarsalplatte bis zum äußeren Drittel des Lides durchtrennt.
! Die Durchtrennung sollte nicht weiter kaudal erfolgen, um ein Abheben des Lidrandes vom Auge aufgrund der später auftretenden größeren transversalen Spannung zu vermeiden.
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d Abb. 9.28. a, b Das Periost unterhalb des Arcus marginalis wird nach unten und außen soweit abgelöst, dass ein Jochbein-Silikonimplantat eingeführt werden kann. Die Öffnung sollte jedoch so eng wie möglich sein, damit sich das Implantat nicht nach oben verschieben kann. c, d Nach Inzision des M. orbicularis am oberen Rand der Raphe wird eine Klemme längs des lateralen Orbitalrandes um Whitnalls Tuberculum orbitale herumgeführt
Am Kanthus wird eine Zugnaht durch den Muskelrand angelegt, diese wird nach kranial und geringfügig nach medial weit über den Kanthus hinaus angespannt. Dadurch ist es möglich, von außen ein keilförmiges Muskelfragment zu exzidieren und den neuen Rand oberhalb des lateralen Kanthus mit nicht resorbierbarem, farblosem Nahtmaterial der Stärke 5/0 am lateralen Orbitaperiost zu befestigen. Nach medial ist es erforderlich, einen einige Millimeter schmalen Streifen lateral zwecks Anpassung zu exzidieren. Eventuell sind diverse Adaptationsnähte mit Vicryl 6/0 notwendig. Anschließend erfolgen eine sparsame Hautexzision und Naht [37].
9.2.5.2 Orbikularismuskel – Suspensionstechnik mit stufenweiser Exzision des Lidrandes und des Tarsus nach Hinderer Sind die degenerativen Veränderungen soweit fortgeschritten, dass eine Schwächung und Dehnung der unteren Tarsalplatte mit Erweiterung des Lidrandes auftritt, führt dies zur Abrundung desselben mit einem erhöhten Anteil der sichtbaren Sklera („scleral show“) und evtl. der Epiphora. Die Korrektur kann in stufenweiser Segmentexzision des Augenlidrandes und des Tarsus durchgeführt werden, um einer Kerbenbildung im Lidrand vorzubeugen. Diese wurde von Hinderer [46] in Kombination mit der Suspension des M. orbicularis befürwortet. Dabei handelt es sich um eine Modifizierung der beschriebenen Verfahren einer Keilexzision des Unterlides, die erstmals von Szymanowski und Kuhnt [60] erwähnt wurden. Bei dieser Technik findet die Inzision des Lidrandes und der Tarsalplatte am Übergang des lateralen Drittels
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d Abb. 9.29. a, b Das Ligament wird nahe seines Ansatzpunktes durchtrennt und nach Freilegung eines Tunnels des Periosts am Orbitarand, durch diesen durch- und zurückgeführt sowie angenäht. c, d Nach fortlaufender Intrakutannaht im Bereich des Oberlides und Verschluss mit Klammerpflastern werden die oberflächlichen Falten des Unterlides mit 25 %iger TCA-Lösung behandelt. Neben einer Ostektomie des lateralen Supraorbitalrandes (links) wurde eine vertikale Sub-SMAS-Straffung des Mittelgesichts durchgeführt. d Ergebnis etwa 7 Monate postoperativ
zu den medialen zwei Dritteln statt. Die Adaptation der Konjunktiva wird mit 6/0 Catgut vorgenommen, die Tarsalplatte und der Lidrand werden mit monofilem, nicht-resorbierbarem Nahtmaterial der Stärke 5/0 in Einzelknopfnahttechnik adaptiert. Der zu Beginn nach kaudal verschobene prätarsale und präseptale M. orbicularis wird nach oben angehoben und mit einer M.-orbicularis-Suspensionsplastik versorgt (Abb. 9.29–9.34).
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d Abb. 9.30 a–d. Stufenweise Segmentexzision des unteren Augenlidrandes und Tarsus nach Hinderer [49], zwecks Behandlung einer ausgeprägten Rundung und Dehnung der Tarsalplatte und des Lidrandes. Nach transversaler Hautinzision im „Lidschatten“ der Wimpern, etwa 2 mm medial und 3 mm unter dem lateralen Kanthus und seitlich desselben in einer der horizontalen Krähenfüsse, erfolgt die Abtrennung der Haut mit dem Skalpell bis über die unterste Falte hinaus. Das Skalpellblatt, das durch die dünne Haut scheint, wird von außen kontrolliert, sodass keine Muskelfasern an der Haut zurückbleiben. Es folgt die Inzision des M. orbicularis oberhalb der Mitte des Tarsus und Unterminierung bis über die Naso-palpebro-Jugalfalte hinaus. Der Unterlidrand wird in Verbindung der medialen zwei mit dem lateralen Drittel etwa 5 mm nach medial von der Tarsalplatte getrennt, nachdem der M. orbicularis mit einem Zugfaden nach unten verschoben wurde. Etwa 5 mm des lateralen Lidrandes werden etwa 5 mm von der Tarsalplatte entfernt und nachfolgend der Tarsus medial in Keilform durchtrennt. Der mediale Tarsalrand wird angehoben,während die Augenlidränder durch eine Zugnaht angespannt werden,sodass der Keil der Tarsalplatte entfernt werden kann
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d Abb. 9.31 a–d. Es folgt die Naht der Tarsalplatte mit Vicryl 5/0 und bei Bedarf die der Konjunktiva mit 6/0 Catgut. Nach Adaptierung des medialen Augenlidrandes auf der lateralen Tarsalplatte bis zum lateralen Augenlidrand, wird der Überschuss des medialen Augenlidrandes entfernt, sodass weitere Einzelfäden mit 6/0 Polyamid am Augenlidrand und zwischen Lidrand und Tarsus angelegt werden können. Der nach unten geschlagene prätarsale und präseptale M. orbicularis wird lateral nach oben und medial angespannt, sodass ein laterales Dreieck, entsprechend der Suspensionstechnik, entfernt werden und der neue Rand oberhalb des Niveaus des lateralen Kanthus mit zwei weißen 5/0 Nylonfäden am Periost befestigt werden kann. Nach medial wird der Muskelrand so sparsam wie möglich und nur soweit entfernt, als für eine gute Adaptation erforderlich ist. Auch die Exzision des Hautrandes erfolgt konservativ
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d Abb. 9.32. a, b Präoperatives Aussehen und postoperatives Ergebnis 21 Monate später bei der Patientin von Abb. 9.30 und 9.31. Die stufenweise Segmentexzision vermeidet eine Einkerbung am Lidrand und die Orbicularismuskel-Suspension erreicht eine gute Anpassung des Augenlidrandes an den Augapfel. Bei der 51-jährigen Patientin wurde ebenfalls eine vertikale Gesichtsstraffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts durchgeführt (s. auch Abb. 9.7b). c, d Ergebnis ohne sichtbare Einkerbung des Augenlidrandes bei einem 68-jährigen Patienten 5,25 Jahre postoperativ
Tarsus getrimmter prätarsaler M. orbicularis
getrimmte Unterlidhaut Septum präseptaler M. orbicularis Lockwood Ligament M. obliquus inferior
Abb. 9.33. Entropiumkorrektur, einschließlich Orbikularismuskel-Suspensionsplastik. Nach Lidrandverkürzung wird ein schmaler Streifen des prätarsalen M. orbicularis exzidiert und der Muskelrand mit dem unteren Rand der Tarsalplatte und der darunterliegenden Kapsulopalpebralfaszie mit 5/0 Vicrylfäden zur Raffung vereinigt.Anschließend erfolgt die Orbikularismuskel-Suspensionsplastik. (Nach Hinderer [46])
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d Abb. 9.34a–d. Die Musculus-orbicularis-Suspensionsplastik in der Behandlung des Entropiums. a, b Exzision eines Streifens des prätarsalen M. orbicularis und Naht der Kapsulopalpebralfaszie an den unteren Tarsalrand sowie an den Rand des getrimmten M. orbicularis. c, d Bei diesem Patienten war es nicht erforderlich eine Lidrandverkürzung durchzuführen. Der über die Nasopalpebro-Jugalfalte hinaus unterminierte M. orbicularis wird seitlich nach oben und zur Mitte angespannt, sodass ein Dreieck des Muskels, das über das Niveau des lateralen Kanthus hinausreicht, nach medial exzidiert und der neue Muskelrand oberhalb des lateralen Kanthus am Periost befestigt wird. Die weitere Entfernung des Muskelrandes nach medial muss so sparsam wie möglich erfolgen und dient nur einer besseren Adaptation des Muskels an den prätarsalen M. orbicularis
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d Abb. 9.35. a, b Bei dem 75-jährigen Patienten, entsprechend der Abb. 9.34, wurde sowohl eine gute Eversion der Wimpern als auch eine Korrektur der bedeutenden Rundung der äußeren Hälfte des Unterlides erreicht.c, d Iatrogene Ptosis des linken oberen Augenlides durch Abriss der Levatoraponeurose bei einer Patientin mit Districhiasis im mittleren Drittel des Augenlides, die anderenorts behandelt worden war. Es war eine supratarsale Fixierung sowie Exzision des Augenlidrandes und Tarsus im Bereich des mittleren Drittels erforderlich. Die Lidrandverkürzung verursachte eine minimale Überkorrektur der Ptosis
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d Abb. 9.36. a 51-jährige Patientin mit Ptosis, insbesondere des Mittelgesichts, mit Vertiefung und Verbreiterung des Naso-palpebro-Jugalfalte.Zu dieser führt von seitlich des lateralen Orbitarandes aus, nach unten und medial, eine ebenfalls tiefe Wolffs’sche Falte [93], die längs des oberen medialen Randes des Jochbeins auftreten kann; erhebliche „Skeletttonisierung“; Prolaps der medialen und lateralen Fettkompartimente. Neben einer oberen und unteren Blepharoplastik mit Fettexzision wurde eine vertikale Gesichtsstraffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts durchgeführt, um besonders das Mittelgesicht zu spannen und die vertikale Verlängerung der Unterlider zu verringern. b 43-jährige Patientin mit bedeutender Vertiefung der Naso-palpebro-Jugalfalte mit Fettprolaps, insbesondere des mittleren Kompartiments; Jochbeinhypoplasie beiderseits sowie einem Nasenhöcker mit dorsaler Verbreiterung des Nasenrückens. Neben einer vertikalen Gesichtsstraffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts wurde eine transpalpebrale Fettexzision,transorale Jochbeinvergrößerung mit der Technik und den Implantaten (Nach Hinderer [33, 35]) sowie eine Rhinoplastik durchgeführt
9.2.5.3 Suspensionsplastik des M. orbicularis zur Behandlung des Entropiums nach Hinderer Bei Bestehen eines altersbedingten Entropiums werden bei der Orbikularismuskel-Suspensionsplastik mit Lidrandverkürzung folgende Modifizierungen vorgenommen: Nach Korrektur des Lidrandes wird ein schmaler Streifen aus dem prätarsalen M. orbicularis exzidiert und der Muskelrand mit dem unteren Rand der Tarsalplatte sowie der darunter liegenden Kapsulopalpebralfaszie mit 5/0 Vicrylfäden zur Raffung vereinigt. Anschließend erfolgt die Orbikularismuskel-Suspensionsplastik mit dem Ziel der Eversion des Lidrandes und der Wimpern durch eine verbesserte Spannung der Tarsalplatte bei gleichzeitig vollständiger Adaptation des Unterlides an den Augapfel. Hierzu trägt die größere horizontale Spannung des M. orbicularis bei (Abb. 9.35, 9.36, 9.37; [46]).
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d Abb. 9.37. a, b Zustand nach anderweitig durchgeführter Blepharoplastik der Unterlider bei einer 50-jährigen Patientin. Neben einem „scleral show“ mit Rundung der äußeren Hälfte des unteren Augenlides besteht eine Vertiefung der Naso-palpebro-Jugalfalte, die sich seitlich nach unten und außen verlängert und als „Skeletttonisierung“ sowie eine Depression der Wange kennzeichnet. Zum tiefsten Punkt der Naso-palpebro-Jugalfalte zieht ebenfalls ein Wolff’scher Sulcus malaris.Während rechts zu viel Fettgewebe entfernt worden war, besteht links noch ein geringfügiger Prolaps des äußeren Fettkompartiments. Die vorher durchgeführte Rhinoplastik wies eine Verkrümmung des Nasendorsums zur Spitze nach rechts auf.Es wurde eine vertikale Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts, Unterlid-Blepharoplastik mit Orbicularismuskel-Suspensionstechnik, und Jochbeinvergrößerung mit Technik und Implantaten (Nach Hinderer [33, 35]) durchgeführt, jedoch ohne Korrektur des oberen Augenlides und ohne sekundärer Rhinoplastik. c, d 65-jährige Patientin mit einem involutiven Ektropium, das anderweitig einer Blepharoplastik mit einem freien Hauttransplantat links unterzogen worden war. Es wurde eine vertikale Gesichtsstraffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts sowie linksseitige Keilexzision des Unterlides mit Orbikularismuskel-Suspensionsplastik und Temporalis-Faszienschlingenkorrektur durchgeführt.Da die Keilexzision nicht stufenweise durchgeführt worden war, ist eine Kerbe am Augenlidrand sichtbar. Das vorherige Hauttransplantat konnte teilweise exzidiert werden
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laterales Kanthal-Ligament mediales Kanthal-Ligament
um das das mediale Ligament geschwungene Temporalisfaszien-Schlinge
unter dem lateralen Ligament geschwungene und durch einen Periosttunnel gezogene Temporalisfaszien-Schlinge M. orbicularis
Unterlidhaut
Abb. 9.38. Temporalisfaszienschlinge zwecks Korrektur einer bedeutenden Schwäche des Unterlides. (Nach Hinderer [49, 55])
9.2.5.4 Temporalis-Faszienschlingen-Korrektur nach Hinderer Eine Schwäche des Augenlidrahmens, des lateralen Kanthalligaments und des Unterlides selbst lässt sich mit den angegebenen Techniken, einschließlich der vertikalen Straffung des Augenlidrahmens und des Mittelgesichts, fast immer korrigieren (Abb. 9.38 bis 9.43). Nur selten ist es erforderlich, zusätzlich ein Hauttransplantat vorzunehmen, das in diesem Fall ein Vollhauttransplantat des gleichen Oberlides oder des anderen Auges, der retroaurikulären Haut oder der Armbeuge sein kann. Bei einer extremen Schwäche oder bei Verlust des Unterlides, seien diese traumatisch bedingt, nach Tumorexzision, aufgrund eines iatrogenen oder altersbedingten Ektropiums, ist die Methode der Wahl das prätarsal submuskuläre Anlegen einer, an beiden Kanthalligamenten oder lateral durch ein Bohrloch, oberhalb des Kanthus befestigten Temporalis-Faszien-Schlinge [50]. Mit dieser kann das Lid wie auf einer Hängematte angehoben werden. Da die Anwendung der Faszien-Schlingenkorrektur vielfältig ist, ist es angebracht, verschiedene Indikationen vorzustellen. Generell wird nach Hautinzision des unteren Augenlides die Unterlidhaut vom M. orbicularis freigelegt.Von einer Inzision kaudal der Raphe wird der komplette M. orbicularis bis unterhalb der Naso-palpebro-Jugalfalte unterminiert. Das mediale Kanthalligament wird
freigelegt und ein Ende eines Temporalisfaszienstreifens um das Ligament geschlungen und mit einem 5/0 weißen Nylonfaden medial am Ligament mit nicht resorbierbarer Naht befestigt. Der Faszienstreifen wird mithilfe einer langen Mosquitoklemme prätarsal unter dem M. orbicularis in drei Segmenten durchgezogen. Dabei sollte vermieden werden, die Tränenkanäle zu beschädigen. Lateral wird die Faszie unter dem lateralen Kanthalligament, oberhalb des lateralen Kanthus, durch einen Periosttunnel gezogen, zurückgeschwungen und am Kanthalligament und der Faszie selbst mit 5/0 Nylonfäden befestigt.
! Die Faszie muss mehr als erforderlich angespannt
werden, da die Spannung postoperativ etwas nachlässt.
Sollte das Periost nicht genügend resistent sein, ist es angebracht, die Faszie von innen nach außen durch ein Bohrloch am lateralen Orbitarand oberhalb des Kanthus zu ziehen, zurückzuführen und festzunähen (Abb. 9.44, 9.45, 9.46). Kann der M. orbicularis nur ungenügend nach kranial verlegt werden, sollte seine Durchtrennung soweit kaudal wie möglich erfolgen. Selbst bei einer kompletten Unterlidexzision aufgrund eines Tumorbefalls ist es meistens möglich, die peripheren Anteile des M. orbicularis zu erhalten, sie mit einem Lappen nach oben zu verlegen,um damit später evtl. funktionsfähige Muskelanteile zu erhalten. Die
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d Abb. 9.39 a–d. 39-jährige Patientin mit Microphthalmie und einem aufgrund einer chronischen Blepharitis mit Bildung eines Granulomgewebes extrem reduzierten unteren Fornix;Schwäche des unteren M.orbicularis mit ausgeprägter Rundung des Lidrandes sowie kongenitaler Depigmentation der Wimpern. Im Verlauf der Jahre war eine Augenprothese total instabil geworden. Nach Inzision des Unterlides wurde die Haut einige Zentimeter unterminiert und der M. orbicularis in Höhe des Arcus marginalis inzidiert. Nach Anlegen von Haltefäden an die untere Augenlidkante (b) wird das Fornix von unten von Granulationsgewebe befreit und mit Vicrylfäden an den Arcus marginalis befestigt (c). Ein etwa 5 mm breiter temporalis Faszienstreifen wird unter Schonung der Tränengänge um das mediale Kanthalligament geschlungen und an das Ligament und mit sich selbst vernäht
Konjunktiva kann häufig durch Mobilisierung vom Fornix aus ersetzt werden. Im Notfall kann ein Argumosa-Dieffenbach-Mustardé-Temporal-Transpositionslappen für die Rekonstruktion des Unterlides benutzt werden [50].
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d Abb. 9.40. a, b Der M. orbicularis wird nach oben freigelegt, um die Faszienschlinge prätarsal nach lateral zu unterlegen und unter dem Ligament durch einen Periosttunnel am lateralen Orbitalrand etwas oberhalb des lateralen Kanthus durchzuziehen,zurückzuschwingen und am Kanthalligament mit 5/0 Nylonfäden zu befestigen. Es muss darauf geachtet werden, dass der Augenlidrand etwas höher als erforderlich am Augapfel anliegt, da die Spannung des Transplantates etwas nachlässt. Nach Unterminierung des orbitalen M. orbicularis nach unten wird der Rand mittels Suspension am Periost der lateralen Orbita soweit möglich nach oben gespannt (rechts oben). c, d Postoperatives Ergebnis 4 Monate später. Die Spannung des Unterlides ist wiederhergestellt und die Okularprothese stabil. Das Aussehen der Augenregion ist selbst bei einer schmaleren Transversalachse weitgehend unauffällig
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d Abb. 9.41. a, b Zustand nach schwerem, anderenorts behandelten, oberen Gesichtstrauma mit Enukleation. Die Okularprothese ist instabil. Es wurde einzeitig neben einer Narbenkorrektur an den rechten Augenlidern eine vertikale frontotemporale Gesichtsstraffung beiderseits durchgeführt um eine bessere Symmetrie der Augenbrauen zu erreichen sowie links einen temporalis-Faszienstreifen am medialen Kanthalligament befestigen zu können und dann in Segmenten bis zum lateralen Kanthalligament unter dem prätarsalen M. orbicularis, unter Schonung der Tränenkanäle, durchzuziehen und am Periost und mit sich selbst, nach Anspannung über das erforderliche Maß hinaus, zu befestigen. Es wurde desgleichen eine Rhinoplastik durchgeführt. c, d Ergebnis 3,5 Jahre später, die Okularprothese ist stabil und die Augenregion beiderseits weitgehend gebessert
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Abb. 9.42 a–d. 71-jährige Patientin, die mehrfach anderenorts wegen eines ausgedehnten Gesichtsxanthelasmas sowie zwecks Rekonstruktion eines sekundären iatrogenen Ektropiums,besonders rechts,behandelt worden war.Beiderseits bestanden noch größere Xanthelasmareste, eine Rundung des unteren Augenlides links sowie ein Ektropium des rechten Unterlides mit Lagophthalmus und Epiphora. Die beidseitigen Xanthelasmareste wurden exzidiert, Reste der Unterlidhaut und des M. orbicularis mit funktionsfähigen Muskelfasern für den Augenlidschluss erhalten und mittels beidseitigen Temporalisfaszienstreifen stabilisiert. Die ausgedehnten Weichteildefekte wurden beidseitig mit Transpositions-Nasolabiallappen und ausgedehnten lateralen Hautverschiebungen gedeckt. d Postoperatives Ergebnis 8 Jahre später
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d Abb. 9.43 a–d. Basaliom mit Lidretraktion bei einer 56-jährigen Patientin, das in seiner Breite das gesamte Augenlid betraf. Es wurde ein lateral gestielter Lappen gebildet, um nach Exzision des Unterlides mit dem mobilisierten Rest des Fornix verbunden zu werden. Die peripheren orbitalen Orbikularisfasern des Lappens wurden belassen und mit einer Faszienschlinge unterlegt, die an beiden Kanthi befestigt wurden, um dem Augenlid Stabilität und einen Rest Schließfunktion zu ermöglichen. Der Defekt des lateralen Lappens wurde mit einem Nasolabiallappen gedeckt und die laterale Gesichtshaut durch Verschiebung zur Nase zur Deckung des entstandenen Defektes des Nasolabiallappens verwandt. d Postoperatives Ergebnis etwa 8 Jahre später.Trotz des geringfügigen „scleral show“ aufgrund der etwas kurzen Konjunktiva besteht keine Corneareizung, und der Lidverschluss ist ausreichend und ohne Lagophthalmus
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d Abb. 9.44 a–d. 45-jährige Patientin, die anderenorts einer Exzision des rechten unteren Augenlides aufgrund eines Tumors unterzogen wurde.Zwecks Behandlung der erheblichen Retraktion wurde das Lid mit einem großen Medpor-Implantat unterlegt, das jedoch in den Weichteilen als Fremdkörper störte und zusätzlich ungenügend war, um das Restlid anzuheben. Rechts oben: Das Implantat wurde entfernt und das Mittelgesicht bis zur Nasolabialfalte sowie in Richtung laterales Oberlid und nach temporal, vor der Markierung des Frontalastes des N. facialis, unterminiert (c). Nach Temporalinzision wurde auch die laterale Stirn sowie die lateralen zwei Drittel der Braue zum Oberlid unterminiert und mit dem Zeigefinger auf Reststränge kontrolliert (d)
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d Abb. 9.45 a–d. Ein etwa 5 mm breiter Temporal-Faszienstreifen wurde exzidiert (a) und der Überschuss an Kopfhaut nach Anlegen einer Stabilisierungsnaht Fascia temporoparietalis – Fascia temporalis und Aufwärtsverschiebung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts exzidiert und geklammert (b). Unten: Der Temporal-Faszienstreifen wurde unter die orbicularis Faserreste zwecks Stabilisierung des Unterlides durchgezogen (c) und ein Loch am Orbitalrand etwas oberhalb des lateralen Kanthus gebohrt (d)
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d Abb. 9.46 a–d. Der Faszienstreifen wurde unter dem lateralen Kanthalligament und durch das Bohrloch durchgezogen, zurückgeführt und mit sich selbst vernäht (a). Nach Naht der Oberlidexzision wurde der Hautmangel am unteren Augenlid mit einem Vollhauttransplantat des Oberlides gedeckt (b). Zwecks Behandlung der Glabellarfalten wurde eine Softformeinlage (Gore-Tex) durchgeführt. Aufgrund des letzten und der vorhergehenden Eingriffe bestand 8 Monate postoperativ noch ein ausgeprägtes Ödem beider Augenlider. Das funktionelle Ergebnis ist jedoch, ohne Lagophthalmos, befriedigend
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Danksagung Hiermit möchte ich Frau Dr. med. Ulrike Waldhofen und meiner Frau Monika für ihre Mithilfe bei der Redaktion meinen Dank aussprechen.
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233
III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 10
S. Klinzing · P. Kunert
Rekonstruktion der Nase
Inhalt 10.1 Allgemeines 10.1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . . 10.1.1.1 Stützgerüst . . . . . . . . . . . . . 10.1.1.2 Haut-Weichteil-Bedeckung . . . . 10.1.1.3 Innenauskleidung . . . . . . . . . 10.1.1.4 Blutversorgung der äußeren Nase. 10.1.1.5 Lymphabfluss . . . . . . . . . . . . 10.1.1.6 Nervenversorgung . . . . . . . . . 10.1.1.7 Physiologie . . . . . . . . . . . . . 10.1.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.3 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.4.1 Rekonstruktion . . . . . . . . . . . 10.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . 10.2.1 Oberflächliche und einfache Defekte . . . . 10.2.2 Defekte im Bereich des Canthus medialis. . 10.2.3 Vollschichtige Defekte des Nasenrückens . 10.2.4 Vollschichtige Defekte des Nasenabhangs . 10.2.5 Vollschichtige Defekte der Nasenspitze . . . 10.2.6 Vollschichtige Defekte der Nasenflügel . . . 10.2.7 Vollschichtige Defekte der Facette . . . . . 10.2.8 Vollschichtige Defekte des Nasenstegs . . . 10.3 Totalrekonstruktion der Nase. . . . . . . . 10.3.1 Innenauskleidung. . . . . . . . . . . . . . . 10.3.2 Stützgerüst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.3 Weichteilmantel. . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.4 Lappenform . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.5 Lappentechnik bei hoher Stirn. . . . . . . . 10.3.6 Lappentechnik bei niedriger Stirn . . . . . . 10.3.7 Ausdünnung des Weichteilmantels und Knorpeleinlage . . . . . . . . . . . . . 10.3.8 Mikrochirurgische Methoden . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
235 235 236 237 237 237 237 238 238 238 238 239 239 243 243 243 243 245 246 248 248 256 259 259 259 260 260 260 263 266 268 270
10.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie Die Beurteilung der individuellen Anatomie der Nase jedes Patienten ist grundlegend für die korrekte Auswahl der Rekonstruktionstechnik. Die Bezeichnungen der äußeren anatomischen Merkmale der Nase sind in Abb. 10.1 dargestellt, die entsprechende Terminologie wird auch weiterhin in diesem Text verwendet. Glabella
Nasenrücken Nasenspitze
Nasenabhang Nasenflügel
nasolabiale Falte Nasenschwelle Nasensteg (Columella)
Abb. 10.1. Äußere anatomische Merkmale der Nase
236
Rekonstruktion der Nase
KAPITEL 10
Ossa nasalia
Lamina perpendicularis ethmoidei Processus frontalis maxillae
proximales Drittel
mittleres Drittel
distales Drittel
Lamina quadrangularis Cartilago alaris (Cus mediale et laterale)
Cartilago triangularis Vomer
Abb. 10.2. Das Stützgerüst der Nase
Abb. 10.3
10.1.1.1 Stützgerüst
rückens von Bedeutung, wo sie sich mit den oberen Seitenknorpeln verbindet. Bei einer vollständigen Nasenrekonstruktion wird in der Regel auf eine Septumwiederherstellung verzichtet (s. unten). Die Unterkante der oberen Seitenknorpel bildet mit dem Septum und dem Boden des Nasenvorhofes einen anatomischen Engpass für die Atemluft, welcher auch als Nasenklappe (Valvula nasi) bezeichnet wird. Die Bedeutung dieser Struktur auf die nasale Luftströmung kann man sich vergegenwärtigen, indem man mit Daumen und Zeigefinger diese Stelle leicht zusammendrückt.
Das Stützgerüst der Nase kann grob in drei Abschnitte unterteilt werden (proximaler, mittlerer und distaler Abschnitt, Abb. 10.2). Das proximale Drittel enthält das knöcherne Stützgerüst. Hierbei formen die beiden Nasenbeine (Ossa nasalia) den oberen Nasenrücken, die Seitenwände der Nase werden von den medialen Oberkieferfortsätzen gebildet (Processus frontalis maxilla). Das mittlere Drittel der Nase enthält die oberen Seitenknorpel (Cartilago triangularis), welche sowohl den unteren Teil des Nasenrückens als auch die Seitenwände stützen. Das distale Nasendrittel wird gestützt durch paarweise angeordnete Flügelknorpel (Cartilago alaris crus mediale et laterale). Die Nasenscheidewand (Septum) trennt die Nasenhöhle in zwei Anteile (Abb. 10.3) und ist in allen drei Nasenabschnitten vorhanden. Proximal wird sie aus zwei knöchernen Anteilen (Lamina perpendicularis ethmoidei und Vomer), im mittleren und distalen Nasendrittel aus einem knorpeligen Anteil (Lamina quadrangularis) gebildet. Als tragendes Element ist sie vor allem im unteren Teil des Nasen-
! Im Rahmen einer Rekonstruktion ist hier auf die Lu-
mengröße sowie auf die Stabilität der Außenwand zu achten.
KAPITEL 10
Rekonstruktion der Nase
10.1.1.2 Haut-Weichteil-Bedeckung Die Haut des proximalen und mittleren Nasendrittels ist relativ dünn mit wenig subkutanem Fettgewebe und ohne Talgdrüsen. Sie liegt dem Stützgerüst relativ lose und verschiebbar auf. Dieser Umstand wird sich bei lokalen Lappenplastiken zu Nutze gemacht. Die Haut des distalen Nasendrittels liegt dem knorpeligen Stützgerüst, ohne die Möglichkeit einer Hautverschiebung, fest auf. Korium und Subkutis sind deutlich dicker und besitzen Talgdrüsen. Die Haut der Nasenspitze ist kaum verschiebbar aufgrund ihrer Verbindung zu dem darunterliegenden Flügelknorpel. Daher können Defekte, welche größer als etwa 3 mm sind, nicht primär verschlossen werden, ohne eine deutliche Deformation zu verursachen. Auf Haut und Subkutangewebe folgt die Schicht der mimischen und atmungsaktiven Muskulatur. Als eine miteinander verwobene Funktionseinheit wird dieses als SMAS („superficial musculo-aponeurotic system“) bezeichnet. Als tiefste Schicht sind Periost und Perichondrium zu nennen.
237
A. supratrochlearis A. angularis
A. nasalis dorsalis
A. infraorbitalis
10.1.1.3 Innenauskleidung A. facialis
Die Nasenvorhöfe (Vestibulae) werden von keratinisiertem Epithel ausgekleidet. Haarfilamente dienen als Luftfilter. Die Schleimhaut, die erst auf Höhe der Nasenklappe beginnt, ist fest auf dem Periost und dem Perichondrium fixiert und wird als Mukoperiost und Mukoperichondrium bezeichnet.
10.1.1.4 Blutversorgung der äußeren Nase Die Nasenflügel sowie der untere Bereich des Septums und der Columella werden von Ästen der A. facialis versorgt. Der Nasenrücken und die Nasenabhänge werden von dem dorsalen, dem nasalen und dem nasalen externen Ast der A. ophthalmica sowie dem infraorbitalen Ast der A. maxillaris versorgt (Abb. 10.4). Die parallel zum Nasenabhang vom medialen Augenwinkel ausgehende Verbindung zwischen der A. facialis und der A. ophthalmica wird als A. angularis bezeichnet.
10.1.1.5 Lymphabfluss Die Lymphdrainage der äußeren Nase erfolgt in die V. facialis begleitenden Lymphknoten. Der vordere Anteil der Nasenhöhle wird von den submandibulären Lymphknoten drainiert.
Abb. 10.4. Blutversorgung der äußeren Nase
238
Rekonstruktion der Nase
N. supratrochlearis
KAPITEL 10
ist es wichtig, den Unfallhergang (z. B. Direkttrauma, Mitverletzung, chemische Schäden bzw. Hitzeschäden) oder die Art und Dignität des Tumors sowie seine Ausdehnung festzustellen.
! Eine exakte Evaluierung der Atemwege sowohl im knorpeligen als auch im knöchernen Teil ist unbedingt vorzunehmen.
Ramus nasalis externus
Es sind alle notwendigen Untersuchungsmethoden einzusetzen, um Klarheit über die Verletzungen oder die Defektfolge sowie die Tumorinfiltrationen zu erhalten (Röntgen, CT, MRT). Bei ausgedehnteren komplexen Defekten ist es auch ratsam, endoskopische Darstellungen der äußeren Atemwege zu veranlassen. Die genaue Erfassung der Tiefe, der Ausdehnung und der Einbeziehung der verschiedenen Schichten sowie der Lokalisation des Defektes sind ein grundlegender Teil für die Planung der Wiederherstellung. N. infratrochlearis N. infraorbitalis
Abb. 10.5. Die Nervenversorgung der Nase
10.1.1.6 Nervenversorgung Alle Muskeln der Nasenregion werden vom oberen bukkalen Ast des N. facialis versorgt. Die sensible Versorgung der Nasenhaut erfolgt durch den N. ophthalmicus, über dessen supra- und infratrochlearen Nervenäste und den Ramus nasalis externus sowie den infraorbitalen Ästen des N. maxillaris (Abb. 10.5).
10.1.3 Klassifikation Die Defekte können nach Lokalisation und Tiefe eingeteilt werden. Die Defekttiefe orientiert sich am Aufbau der Nasenwand (Außenhaut, Stützgerüst, Innenhaut) und kann ein- bis 3-schichtig (Verlust aller Schichten) sein. Aus praktischen Gründen werden hier ein- bis 2schichtige Defekte als oberflächige Defekte und die 3schichtigen als vollschichtige Defekte der Nase abgehandelt. Um die Vielfalt der rekonstruktiven Methoden im Bereich der Nase darstellen zu können, sollte die Nase in unterschiedliche Abschnitte unterteilt werden. Dabei ist es logisch, sich an den ästhetischen Einheiten der Nase zu orientieren (s. 10.1.4). Die resultierenden Narben von Defekt und Hebedefekt sollten innerhalb dieser, bestenfalls entlang der Grenzlinien der ästhetischen Einheiten, verlaufen und natürlich den Verlauf der Hautspannungslinien (HSL) berücksichtigen (Abb. 10.6). Obwohl dieses in der Praxis nur selten möglich ist, sollte es der höchste Anspruch des versierten Operateurs sein.
10.1.1.7 Physiologie Die Nase dient hauptsächlich als Atmungs- und Riechorgan. Die eingesogene Luft wird durch die Nasenhaare und die Schleimhaut gefiltert. Die Schleimhaut der inneren Nase samt Muscheln und Nebenhöhlen dient besonders der Erwärmung und Anfeuchtung der Atemluft.
10.1.2 Diagnostik Für die Wiederherstellung von Defekten im Nasenbereich, die traumatisch oder tumorbedingt sein können,
Einteilung von Defekten der Nase a) Oberflächige Defekte (s. Kap. 4) b) Vollschichtige (perforierende) Defekte (teilweiser und totaler Verlust) 1. Defekte des Nasenrückens 2. Defekte des Nasenabhangs 3. Defekte der Nasenspitze 4. Defekte der Nasenflügel 5. Defekte der Facette 6. Defekte des Nasenstegs (Columella) 7. vollständiger Nasenverlust
KAPITEL 10
Rekonstruktion der Nase
Nasenrücken Nasenspitze
Nasenabhang
Nasenflügel Nasensteg
Facette
Abb. 10.6. Ästhetische Einheiten der Nase
Abb. 10.7. Verlauf der Hautspannungslinien
10.1.4.1 Rekonstruktion 10.1.4 Therapie Um bei einer Nasenrekonstruktion ein flickenartiges Aussehen des Ergebnisses zu vermeiden, müssen gewisse Grenzen bei der Positionierung von Narben und Ersatzgewebe berücksichtigt werden. Diese Grenzen orientieren sich an der Grundform der Nase, welche individuell durch das Zusammenwirken von Haut, Knochen und Knorpel definiert wird. Die durch die Grenzlinien gebildeten Flächen werden als ästhetische Einheiten bezeichnet und müssen für jede Nase neu festgelegt werden. Das Prinzip der Einheiten besagt, dass, wenn ein großer Teil einer Einheit verloren geht, es ästhetisch sinnvoller ist, den gesamten Bereich der Einheit zu rekonstruieren als nur den Defekt zu decken.
Dieses Prinzip ist funktionell anwendbar in der Lappenplastik, da bei dieser erhabene Kanten entstehen. Bei Hauttransplantaten entstehen häufiger flache, manchmal eingesunkene Flächen, daher sollte hier nur der Defekt aufgefüllt werden. Abbildung 10.6 zeigt ein Grundschema, weiterentwickelt aus dem Vorschlag von Burget [4]. Die Facette bezeichnet das knorpelfreie zweiseitige Hautareal unterhalb der Dome der Flügelknorpel, welches hier als eigenständige Einheit dargestellt wird.
Bei Defekten nach einem Trauma ist vor allem auf Mitverletzungen zu achten; diese sind in den Plan der Rekonstruktion mit einzubeziehen. Nicht selten bedingen sie die Art der möglichen Lappenplastiken.
! Komplexe Rekonstruktionen nach Tumorresektion
sollten erst dann vorgenommen werden, wenn durch histologische Befunde gesichert ist, dass kein Malignomgewebe zurückgelassen wurde (s.zeitliches Vorgehen).
Wenn dies während der Operation nicht erreicht wird, sollte eine temporäre Deckung des Defektes mit einem Spalthauttransplantat vorgenommen werden. Die Versorgung mit einer temporären Epithese ist vor allem bei großen Defekten und Totaldefekten für die Lebensqualität der Patienten notwendig. Die Epithese kann auch bei Patienten, bei denen eine komplexe Wiederherstellung der Nase nicht möglich ist, eine gute Dauerlösung sein. Bei oberflächlichen Defekten (s. Kap. 4) ist die Auswahl des Transplantatspenderareals, ob für Spalthaut oder Vollhaut, wichtig. Das Farbmatch ist wesentlich für eine akzeptable ästhetische Rekonstruktion. Die Auswahl des Transplantates (Spalthaut oder Vollhaut) hängt wie bei allen Defekten von dem Transplantatlager ab, in das es eingebracht wird (s. Bd. I, Kap. 17).
239
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Rekonstruktion der Nase
KAPITEL 10
b
c a
Rekonstruktion von vollschichtigen Defekten der Nase Die Rekonstruktion von vollschichtigen Defekten der Nase stellt den Operateur vor die Aufgabe, neben der Wiederherstellung der äußeren Nasenhaut durch lokale oder Fernlappenplastiken auch die Innenauskleidung der Nase und bei größeren Defekten das Stützgerüst rekonstruieren zu müssen. Von Bedeutung ist hier auch die Intaktheit der angrenzenden Gesichtsabschnitte.
Abb. 10.8. Defekt auf Nasenbasis beschränkt, a Defektausdehnung auf die linke Wange, b Anzeichnung eines Wangenrotationslappen zur Deckung des Wangendefekts, c Wiederherstellung der Wange
Die Rekonstruktion angrenzender Gesichtsabschnitte Eine ästhetisch befriedigende Rekonstruktion der Nase ist nur möglich, wenn die angrenzenden Gesichtsabschnitte intakt sind. Dies gilt sowohl für partielle, wie auch für totale Defekte.
Rekonstruktion der Nase
KAPITEL 10
a
b
c
Sind die angrenzenden Hautareale von Stirn, Wange oder Oberlippe auch nur randständig von der Läsion mitbetroffen, müssen sie evtl. vorher, besser gleichzeitig rekonstruiert werden. Anderenfalls resultiert bei partiellen Defekten eine lokale Deformierung und bei totalen Defekten eine zu große, breite, plumpe Nase.
Abb. 10.9. Defekt auf Nasenbasis beschränkt, a Defektausdehnung auf den Lippenbereich (samt Philtrum), 84 jährige Patientin, rezidivierendes Basaliom, b Anzeichnung von zwei Vorschublappen der Oberlippe,Wangen- und Oberlippenlappen, c Wiederherstellung der Oberlippe, Einnähen der Lappen (3 Monate später)
Es genügt nicht, bezüglich der Stirn-, Wangen- und Lippenrekonstruktion auf die einschlägigen Kapitel zu verweisen. Da sowohl die Stirn als auch die Wangen und die Oberlippe (in Form des Nasolabialfaltenbereichs) Spenderareale für die eigentliche Nasenrekonstruktion sind, muss aufgezeigt werden, wie die der Nase anliegenden Gesichtsabschnitte rekonstruiert werden können, ohne die Spenderareale der Nasenrekonstruktion zu tangieren. (Abb. 10.8, 10.9).
241
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Rekonstruktion der Nase
KAPITEL 10
Innenauskleidung Die Innenauskleidung der Nase spielt eine zentrale Rolle für die Langlebigkeit des Rekonstruktionsergebnisses. Ohne Innenauskleidung kommt es zu einer baldigen narbigen Schrumpfung des gesamten Rekonstruktes mit Verengung oder Verlegung der Luftwege, gerade bei großen Defekten. Sehr gut zur Gewinnung von epithelialisierter Haut als Innenauskleidung der Nase eignen sich lokale Lappen aus der Nasenregion (Nasenabhang, Nasenrücken) sowie bei größeren Defekten aus der angrenzenden Gesichtsregion (Nasolabialfalte, Glabella und Philtrum). Die Lappen werden als Umkipplappen präpariert. Bei Letzteren ist darauf zu achten, dass der Lappenstiel innerhalb der natürlichen Nasenbasis zu liegen kommt, damit diese nicht verbreitert wird. Aufgrund der guten Vaskularisation der Gesichtshaut kann die übliche 1:3 Ratio der Lappenplanung bei Bedarf überschritten werden. Bei kleineren Defekten können lokale Lappenplastiken aus der benachbarten Mukosa oder Voll- bzw. Spalthauttransplantate eingebracht werden. Letzteren wird eine höhere Schrumpfungstendenz nachgesagt. Die Verwendung äußerer Haut als Schleimhautersatz kann problematisch sein, da sie trotz Anpassung an das feuchte Nasenmilieu immer deutlich trockener ist und keine Schleimdrüsen besitzt. Dies kann zu Schorf- und Geruchsbildung führen. Als das am Besten geeignete Gewebe zur Wiederherstellung der Innenauskleidung der Nase ist die Mundschleimhaut anzusehen, da sie in ihren Eigenschaften der Nasenschleimhaut am nächsten kommt. Sie kann als freies Transplantat oder als gestielter Lappen (Abb. 10.10), welcher durch einen Tunnel zur Nasenhöhle in den Defekt eingebracht wird, verwendet werden.
a
b
Das Stützgerüst Auch bei kleineren vollschichtigen Defekten sollte zur Vermeidung von narbig bedingten Verziehungen der fehlende Knorpel durch autologe Transplantate vom Ohr oder Septum ersetzt werden; dies kann auch in einer zweiten Sitzung erfolgen. Bei einem vollständigen oder großteiligen Nasenverlust muss zur Formung und Erhaltung der Nasenform ein stabiles Stützgerüst eingebracht werden. Dabei finden Rippenknorpel, Knochen, mit Knorpel armierte Kunstoffwinkel und vieles andere Verwendung.
c Abb. 10.10. a Transversal gestielter Schwenklappen aus der Oberlippe. Dieser wird durch einen genügend großen Tunnel zwischen Mundvorhof und Nasenhöhle zum Defekt geführt. b Vollhaut zur Deckung eines oberflächlichen Defektes, c Ergebnis nach 1 Jahr
Weichteilmantel Die Haut für den äußeren Weichteilmantel der zu rekonstruierenden Nase kann von verschiedenen Körperarealen gewonnen werden. Bei den meisten Patienten bietet
KAPITEL 10
sich die Stirnhaut aufgrund der ähnlichen Hautqualität als Spenderareal für lokale Lappenplastiken an, welche hier u. a. vorgestellt werden. Wegen der doch erheblichen Narbenbildung kann besonders bei Frauen mit fester und elastischer Haut auf Fernlappenplastiken (freier Radialislappen) ausgewichen werden.
Rekonstruktion der Nase
In der dritten und letzten Sitzung wird nach Einheilung und erster Abschwellung der Weichteile der Lappenstiel durchtrennt. Kleinere Formkorrekturen können in dieser Sitzung oder später nach vollständiger Abschwellung und dem Weichwerden der Narben nach etwa 4–6 Monaten erfolgen.
10.2 Spezielle Techniken Die Verwendung von Hautexpandern 10.2.1 Oberflächliche und einfache Defekte Die präoperative Hautaufdehnung der Stirn hat den Nachteil, dass ein präzises Ausmessen der notwendigen Haut nicht möglich ist. Im älteren Gesicht sind Vollhauttransplantate nach einem Jahr relativ unauffällig. Im jungen Gesicht ist es von Vorteil, erst nach erfolgreicher Nasenrekonstruktion, die primär eingesetzten Vollhauttransplantate im Spenderbereich durch expandierte Haut zu ersetzen.
Wenn ein ausreichend vaskularisiertes Wundbett vorhanden ist und Perichondrium und Periost noch verfügbar sind, ist es bei Beachtung der ästhetischen Einheiten eine gute Möglichkeit, den oberflächlichen Defekt mit Vollhauttransplantaten oder Spalthauttransplantaten zu decken. Dies ergibt oft überraschend gute Resultate.
! Diese Technik ist vor allem bei älteren Patienten, Risi-
Zeitliches Vorgehen Sowohl bei traumatischen wie auch bei tumorbedingten Defekten ist es nicht nur aus psychosozialen, sondern auch aus operationstechnischen Gründen angezeigt, die Rekonstruktion sofort durchzuführen. Bei der primären Rekonstruktion sind Form und Größe der Defekte präzise einzuschätzen, da noch keine narbigen Verziehungen vorhanden sind. Bei starken Quetschungen und bei Unsicherheit bezüglich der Radikalität der Tumorresektion ist die sekundäre Wiederherstellung der bessere Weg. Nur der erfahrene Operateur sollte Weichteile und Stützgerüst in einer Sitzung rekonstruieren. Der Anfänger tut sich leichter, wenn er das Stützgerüst erst nach vollständiger Einheilung des Weichteilmantels implantiert. Zwar ist es etwas mühsam, das entstandene Narbengewebe zu entfernen, aber die Gefahr, die nichtvaskularisierten Implantate des Stützgerüstes über Wundranddehiszenz und Infekt zu verlieren, ist deutlich geringer. Allgemein akzeptiert ist ein dreizeitiges Vorgehen bei ausgedehnteren Rekonstruktionen des Weichteilmantels sowie des Stützgerüstes der Nase mit Lappenplastiken. Dabei wird im ersten Schritt der Defekt durch lokale oder Fernlappenplastiken gedeckt mit oder ohne Einbringung von Stützmaterial. Dabei werden die Lappenplastiken nach den Kriterien der Durchblutungssicherheit gewählt (Mitnahme des M. frontalis, keine oder nur geringfügige Ausdünnung). In der zweiten Sitzung nach drei Wochen erfolgt die Ausdünnung der zur Rekonstruktion notwendigen Lappenareale unter Erhalt des Lappenstiels sowie neugebildeter Hautbrücken. Dabei können Stützmaterialien eingebracht oder korrigiert werden.
kopatienten und temporären Bedeckungen von Defekten empfehlenswert.
Bei oberflächlichen Defekten ist das freie Vollhauttransplantat zum Ausgleich des Niveaueffektes oft ästhetisch besser als eine Lappenplastik. Um ein gutes Farbmatch zu erreichen, ist die retroaurikuläre Haut, die Haut im Bereich des Halses, der Oberlider oder auch bei größeren Defekten die Haut von der Innenseite des Oberarmes als Entnahmestelle zu empfehlen. Bei Spalthauttransplantaten muss eine gewisse Farbveränderung zur Umgebungshaut akzeptiert werden, die aber leicht durch Überschminken auszugleichen ist.
10.2.2 Defekte im Bereich des Canthus medialis Defekte im Bereich des Canthus medialis wurden bereits in Kap. 8 beschrieben.
10.2.3 Vollschichtige Defekte des Nasenrückens Isolierte vollschichtige (perforierende) Defekte des Nasenrückens erfordern bei Verlust der knorpeligen und knöchernen Anteile neben der Wiederherstellung des Weichteilmantels und der Innenauskleidung vor allem ein stabiles zentrales Stützgerüst als Nasenrücken. Dazu bieten sich je nach Defektgröße Knochentransplantate aus der Kalotte, Rippen- oder Ohrknorpel an. Der Weichteilmantel des Nasenrückens kann bei Teildefekten durch lokale Lappenplastiken aus der Glabella rekonstruiert werden, bei größeren müssen gestielte Lappen von der Stirn Verwendung finden (Abb. 10.11).
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Abb. 10.11. a Anzeichnung des geplanten Stirn- und der lokalen Umkipplappen bei perforierendem Defekt des Nasenrückens. Oberflächige subkutane Einlage eines Knorpelspans in das Areal des Stirnlappens. b Hebung der Lappenplastiken, c Ergebnis mit positioniertem Knorpelspan
c
Letztere können durch eine subkutane Einlage von Knorpel und Unterfütterung mit Spalthaut vorfabriziert werden (s. Kap. 4). Für die Innenauskleidung können bei kleinen Defekten lokale Umkipplappen, bei größeren muss ein ganzer Stirnlappen genutzt werden. Dieser kann mit Rippenknorpel und Vollhaut vorgefertigt werden (s. Abb. 10.11).
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10.2.4 Vollschichtige Defekte des Nasenabhangs Bei perforierenden Defekten des Nasenabhangs kann je nach Defektgröße auf eine Verstärkung mit Knorpel eher als am Nasenrücken verzichtet werden. Je nach Hautelastizität bietet sich zur Deckung des Weichteilmantels des gesamten Nasenabhangs ein Verschiebe- oder Rotationslappen aus der Wange (Abb. 10.12) an. Außerdem eignen sich horizontal gestielte, vorfabrizierte Lappen von der Stirn (Abb. 10.13).
Abb. 10.12. a Perforierender Defekt des Nasenabhangs. Anzeichnung der lokalen Umkipplappen im Bereich der ästhetischen Einheit und des Vorschublappens von der Wange. b Einnaht der Umkipplappen, c Verschluss des entstandenen Defektes durch einen Vorschublappen von der Wange
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Stiel wird später wieder zurückverlagert
Abb. 10.13. a. Großer perforierender Defekt des Nasenabhangs. Anzeichnung eines horizontalen Stirnlappens, b Oberflächige subkutane Einlage von Knorpel in die Lappenspitze und Unterfütterung mit Spalthaut, temporäre Deckung des Hebedefektes mit Spalthaut oder Kunsthaut, c nach Stabilisierung der Lappenspitze erfolgt eine zweischichtige Einnaht dieser in der zweiten Sitzung
10.2.5 Vollschichtige Defekte der Nasenspitze
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Bei vollschichtigen Defekten der Nasenspitze muss das knorpelige Stützgerüst sowie die Innenauskleidung und ggf. angrenzende betroffene Areale (Columella, Alae) wiederhergestellt werden. Bewährt haben sich hier vorfabrizierte Lappen von der Stirn (Abb. 10.14). Dabei wird das zu rekonstruierende Nasenspitzenareal samt Innenauskleidung und ggf. Knorpel bereits im Hebeareal der Stirn vorbereitet. Die Innenauskleidung wird durch eine Einlage von Spalthaut, Vollhaut oder Mehrschichttransplantaten auf der Unterseite der Lappenspitze hergestellt. Der Autor bevorzugt dabei eine spätere Einlage von autologem Knorpel zur besseren Positionierung. Als gestielte Lappenplastiken eignen sich der frontotemporale sowie der konventionelle Stirnlappen (s.Bd.I, Kap. 5).
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Abb. 10.14 a Vollschichtiger Defekt der Nasenspitze unter Beteiligung von Kolumella und Alae. Im ersten operativen Schritt erfolgt die Vorschneidung des frontotemporalen Lappen nach Ausmessung der Defektgröße. 28-jährige Patientin Basaliom Nasenspitze, b Im ersten operativen Schritt erfolgt die Vorbereitung der späteren Nasenspitze Hebeareal der Stirn. Die Innenauskleidung wird hier durch die Einlage von Spalthaut, die Flügelkanten durch Mehrschicht-Transplantate aus der Koncha eines Ohres vorfabriziert. Unterfüttern der geplanten Nasenspitze, c Nach Einpassung des Lappens Verschluss des Hebedefektes durch ein Vollhauttransplantat, Ergebnis 2 Jahre später rezidivfrei Abb. 10.14 c. Seite 248
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Abb. 10.14 c
10.2.6 Vollschichtige Defekte der Nasenflügel
10.2.7 Vollschichtige Defekte der Facette
Diese Defekte des Nasenflügels sind dreischichtig (HautKnorpel-Haut).Von Bedeutung ist der Erhalt der Flügelkante, deren Rekonstruktion besonders anspruchsvoll ist. Besteht ein peripherer Defekt der Flügelkante, kann dieser in der Regel durch ein dreischichtiges Mehrschichttransplantat aus dem Helixbereich des Ohres rekonstruiert werden (Abb. 10.15). Größere Defekte sind durch die Kombination von lokalen und gestielten Lappenplastiken zu decken (Abb. 10.16). Ist die Flügelkante mitbetroffen, wird diese durch eine Verbindung der Lappen geformt (Abb. 10.17, 10.18). Ist ausreichend Haut zur Deckung des Weichteilmantels vorhanden, sollte bei einem großteiligen Verlust der ästhetischen Einheit diese vollständig ersetzt werden (Abb. 10.19). Nicht unerwähnt sollte eine Technik von Burget [4] bleiben, welche eine Modifikation der von König u. Göcke [11] beschriebenen Methode darstellt. Dabei wird durch die Vergrößerung eines bestehenden Ala-Defektes ein mit Knorpel armierter, an der Mukosa gestielter Brückenlappen gewonnen, welcher zur Rekonstruktion der Flügelkante dient (Abb. 10.20).
Isolierte Defekte der Facettenregion sind selten. Eine Rekonstruktion erfolgt mit dreischichtigen Mehrschichttransplantaten aus dem Helixbereich des Ohres.
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Abb. 10.15. a Dreischichtiger, peripherer Defekt des Nasenflügels samt Flügelkante, 20-jähriger Patient, Defekt im Bereich der Nasenflügelkante, b Hebung des Transplantates aus dem Helixbereich, die dunkel gezeichneten Areale müssen zur Wiederherstellung eines natürlichen Helixbogens mit exzidiert werden.Transplantat, c Einnaht des Transplantates, dieses sollte aufgrund der Schrumpfungstendenz etwas größer gewählt werden.Transplantat eingeheilt
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Abb. 10.16. a Deckung der Innenauskleidung eines großflächigen Nasenflügeldefektes durch einen nasolabialen Umkipplappen, 39-jähriger Patient, Defekt linke Nasenspitze, b Deckung des nasolabialen Hebedefektes durch eine lokale Insellappenplastik, c Verschluss des Defektes durch einen frontotemporalen Lappen, Ergebnis 1 Jahr später
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f Abb. 10.16. d 72-jähriger Patient, seitlicher Defekt, Basaliom, e Bildung eines Gleitlappen aus der Wange, f eingenäht in den Defekt und verriegelt. (PHW – Hannover)
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Abb. 10.17. a Rekonstruktion der Innenauskleidung eines großflächigen, die Flügelkante einbeziehenden Nasenflügeldefektes durch einen lokalen Umkipplappen vom Nasenrücken. b Die Unterkante des Umkipplappens bildet die Unterseite der wiederherzustellenden Flügelkante. Hebung des von links gestielten medianen Stirnlappens (bei hoher Stirn). c Verschluss des Flügeldefektes sowie des Hebedefektes
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Abb. 10.18 a–c. Verschluss eines die Flügelkante einbeziehenden Defektes des Nasenflügels durch eine lokale Umkippplastik sowie einer Nasenhautrotation nach Rieger
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c Abb. 10.19. a Tumorbedingte Exzision eines Großteils des Nasenflügels samt Flügelkante, b Rekonstruktion der Innenauskleidung durch lokalen Umkipplappen vom Nasenabhang,Vergrößerung des Defektes auf Niveau der ästhetischen Einheit.Der präfabrizierte frontotemporale Lappen wurde mit einem Stück Konchaknorpel armiert. c Deckung der gesamten ästhetischen Einheit
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Abb. 10.20. Großflächiger Nasenflügeldefekt samt Flügelkante, der kraniale Defektrand liegt im Bereich des Crus laterale. a Einzeichnung des an der Mukosa gestielten Brückenlappens. b Der mit dem Konchaknorpel armierte Brückenlappen wird mit dem Epithel zum Vestibulum hin als Unterseite der zukünftigen Flügelkante eingepasst. Der verbleibende Defekt der Innenauskleidung wird durch ein Vollhauttransplantat gedeckt. c Deckung des verbliebenen äußeren Defektes durch einen Stirn- oder Nasolabiallappen in den Grenzen der ästhetischen Einheit
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10.2.8 Vollschichtige Defekte des Nasenstegs (Columella) Trotz seiner geringen Defektausmaße ist der vollständige Ersatz eines Nasenstegs eine der anspruchvollsten Rekonstruktionen im Gesichtbereich. Der Gewebeersatz kann aus der Oberlippe, den benachbarten Wangenpartien, aus der Stirn sowie durch Rundstiellappen aus dem Oberarm erfolgen. Eine Auswahl von bewährten Techniken soll hier vorgestellt werden. Besonders die Oberlippe kann als Spendeareal dienen. Äußerlich bietet sich das Philtrumareal an. Bei der von New und Figi beschriebenen Technik wird ein Philtrum-Brückenlappen gebildet und mit Vollhaut unterfüttert (Abb. 10.21). Bei der Umlagerung des Lappens als Columellaersatz kann dieser zusätzlich mit Knorpel armiert werden. Auch die Innenseite der Oberlippe ist ein wertvoller Gewebelieferant. Eine zu Unrecht weitgehend vergessende Technik des Columellaersatzes durch die Lippenschleimhaut wurde von Lexer [12] beschrieben (Abb. 10.22). Aufgrund der Form des Nasenstegs ist auch der klassische Rundstiellappen weiterhin von Bedeutung. Dieser kann aus den Bereichen der Nasolabialfalte (Abb. 10.23) oder auch vom Oberarm (Abb. 10.24) gehoben und transponiert werden.
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Abb. 10.21. a Heben des Brückenlappens aus dem Philtrum, b Einlage eines ringförmigen Vollhauttransplantates, c Lösen der Lappenspitze, Einnaht als Columella
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f Abb. 10.21. d Basaliom bei 63-jährigen Patienten Nasenspitze und Columella, e Rekonstruktion mit nasolabialen Lappen und dem Columellarest, f Ergebnis 5 Jahre später
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Abb. 10.22. a Bildung eines basal gestielten Schleimhautlappens aus der Innenseite der Oberlippe, welcher durch Nähte zu einer Rolle geformt wird. b Durchzug des Lappens durch einen genügend großen Spalt in der Oberlippe
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Abb. 10.23. a Bildung eines Rundstiellappens aus der Nasolabialfalte durch Anlage einer Raffnaht. b Mobilisierung des Lappens von kaudal und Primärverschluss des Hebedefektes. c Rundstiellappen an der Columellabasis eingenäht, d Endzustand
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Abb. 10.24. Nasenstegrekonstruktion durch Rundstiellappen vom Oberarm
10.3 Totalrekonstruktion der Nase Wie bei vollschichtigen Teildefekten müssen zur vollständigen Rekonstruktion einer Nase die Innenauskleidung, das Stützgerüst und der äußere Weichteilmantel wiederhergestellt werden.
10.3.1 Innenauskleidung Die Rekonstruktion der Innenauskleidung entspricht den unter Abschn. 10.4.1.3 angegebenen Richtlinien. Die Abbildung 10.25 zeigt eine Rekonstruktion durch lokale Umkipplappen aus den nasolabialen Falten sowie der Glabella.
10.3.2 Stützgerüst Zur Fertigung des Stützgerüstes bevorzugen die Autoren einen Beckenkammspan, welcher nach Abmessung mithilfe einer Fernröntgenaufnahme intraoperativ geformt wird (Abb. 10.26). Zur Fixation kann er im Glabellabereich mit einer Miniplatte befestigt werden, eine Befestigung im Bereich der Spina nasalis ist meistens nicht notwendig (Abb. 10.27).
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Abb. 10.25. a Anzeichnung von lokalen Hautschwenklappen zur Bildung der Innenauskleidung der Nase (Glabella- und Nasolabialfalten). b Nach Einschwenkung der Hautfettlappen Primärverschluss der Hebeareale ohne Vergrößerung des Defektbereiches
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Abb. 10.27. Einlage des Kortikalisspans als Stützgerüst der zukünftigen Nase oberhalb der fertiggestellten Innenauskleidung. Fixation im Glabellabereich mit einer Miniplatte
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Abb. 10.26. a Hebung eines spanförmigen Kortikalisareals der Tabula interna vom rechten Darmbeinkamm (Crista iliaca) nach Abmessung. Die Tabula externa sollte erhalten bleiben. b Präparation und Ausdünnung der gewonnenen Kortikalis mit dem Minibohrer. c Fertiger Kortikalisspan
Die Wiederherstellung eines Nasenseptums ist in der Regel nicht erforderlich und kann zu einer weiteren Verschlechterung der Nasenatmung führen.
Das Einbringen von Knorpel (zu bevorzugen ist aurikulärer Konchaknorpel) zur Rekonstruktion der Flügelknorpel sollte in einem zweiten operativen Schritt erfolgen (s. unten).
10.3.3 Weichteilmantel Als Spendeareal für den Weichteilmantel bietet sich in der Regel trotz der benötigten Größe der Hautinsel die Stirn an, von der sie als gestielte Lappenplastik zur Nase transportiert wird.
10.3.4 Lappenform Bei einem totalen Nasenverlust hat sich die Ausmessung mit Alufolie an einem Gipsmodell der Nase bewährt. Eine typische Lappenform zeigt Abb. 10.28 a nach Ausmessung am Modell. Die angegebenen Maße sind Standardmaße [13] für den totalen Nasenersatz und müssen individuell angepasst werden. Der entstehende Defekt kann durch Exzision der Hautdreiecke (s. Abb. 10.28 b) primär verschlossen werden.
10.3.5 Lappentechnik bei hoher Stirn Bei hoher Stirn bietet sich der klassische Stirnlappen (s. Abb. 10.29a) als Stielung an. Die Gefäßversorgung erfolgt über die supratrochlearen Gefäße, dabei reicht ein Gefäßbündel einer Seite aus. Zur Verlängerung des Stieles kann bis in den medialen Kanthusbereich präpariert werden, unter Sicherung der A. angularis, welche mit der A. supratrochlearis über die A. dorsalis nasi verbunden ist (s. Abb. 10.29 b). Da-
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a–c Abb. 10.28. a Lappenform nach Ausmessung mit Alufolie an einem Gipsmodell. Die angegeben Maße sind Mittelwerte und müssen individuell angepasst werden. b Anzeichnung von BurowDreiecken, c Zustand nach primären Defektverschluss
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Abb. 10.29. a Klassischer Stirnlappen. Der Drehwinkel des Stiels beträgt etwa 180°, b Verlängerung des Stiels in den medialen Kanthusbereich unter Sicherung der A. angularis. Dadurch wird eine Stielverlängerung sowie eine Verkleinerung des notwendigen Drehwinkels erreicht (130°). c Schräger Stirnlappen. Aufgrund der guten Vaskularisation der Stirnhaut ist ein Vorschneiden des Lappens meistens nicht nötig
durch erfolgt eine Senkung des Rotationspunktes sowie eine Schwenkung des Stieles, bei der Stielschwenkung wird weniger Länge verbraucht. Für einen weiteren Längengewinn kann die gesamte Stielachse schräg geplant werden (s. Abb. 10.29c).
! Bei einem totalen Nasenersatz resultieren jedoch sehr unvorteilhafte Narben, weshalb in diesem Fall dem Skalplappen der Vorzug gegeben werden sollte (s. unten).
Abbildung 10.30 zeigt die Durchführung der Weichteildeckung durch einen Stirnlappen nach Rekonstruktion der Innenauskleidung mittels zweier langer Nasolabiallappen. Fehlende Areale können mit Spalthaut gedeckt werden. Als Stützgerüst wurde der präparierte Beckenkammspan eingebracht.
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KAPITEL 10 䉳 Abb. 10.30. a Anzeichnung eines Stirnlappens bei hoher Stirn. Der Lappenstiel kann vertikal gewählt werden, die Basis kommt im Bereich des supratrochlearen Gefäßbündels zu liegen. b Hebung des Lappens unter Mitnahme der Frontalismuskulatur. Durch Einschlagung und Fixierung der vorderen Lappenkanten erfolgt die Ausbildung der Kolumella. Anzeichnung von Burow-Dreiecken für den Verschluss des Hebedefektes. c Nach Einnaht des Hautmantels kann ein primärer Verschluss des Stirndefektes erfolgen. Durch Mobilisation der Stirnhaut und Skarifikation der Frontalis- und Galeafaszie kann mehr Mobilität erreicht werden. d Stirnnarbe nach Zurückverlagerung des Hautstiels
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10.3.6 Lappentechnik bei niedriger Stirn Zur Vermeidung von Narbenbildung im zentralen Stirnbereich bietet sich gerade bei niedriger Stirn der Skalpierungslappen an. Hierbei werden die Inzisionen hinter die Haargrenze verlagert. Der Hebedefekt wird in einer der beiden Stirnwinkel platziert, dabei fungiert die mediale Begrenzung als Teil des Lappenstiels. Von der lateralen Begrenzung aus wird ein bogenförmiger Schnitt über die behaarte Kopfhaut bis zur kontralateralen Schläfe gelegt. Das zur Nasendeckung bestimmte Hautareal wird in der Regel großzügig abgemessen und kann an der Spitze gerade entlang der Stirnfalten verlaufen. Es wird ohne M. frontalis und Galea aponeurotika gehoben. Im Bereich der Lappenbasis werden diese Schichten jeweils mit abpräpariert, unter Darstellung des Schädelperiosts. Durch Faltung des Lappenstieles kann nachfolgend die unbehaarte Stirnhaut auf den Nasendefekt aufgebracht werden. Der obere Rand des Lappenstiels wird am Periost der Stirn fixiert. Der Bereich des Stirnwinkels, in dem die Haut zur Deckung der Nase gewonnen wurde, sollte mit einem Vollhauttransplantat gedeckt werden, welches von retroaurikulär gewonnen wird. Der Stirndefekt, welcher später wieder mit der Stielhaut bedeckt werden kann, wird mit dünner Spalthaut gedeckt, diese ist bei der späteren Stielrückverlagerung wieder zu entfernen (Abb. 10.31).
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KAPITEL 10 Abb. 10.31. a Stirnrekonstruktion durch Skalplappen bei niedriger Stirn. Das Hebeareal zur Deckung der Nase wird in einem der unbehaarten Stirnwinkel platziert. 48-jährige Patientin, Plattenepithelkarzinom, b Lappenhebung; der M. frontalis wird belassen zur späteren Vollhautdeckung. Mitnahme des M. frontalis im Stielbereich. Ausformung des Hautmantels, die Kolumella wird durch Einschlagen der Hautkanten gebildet. Rekonstruktion aus der Stirnregion, c Situation nach Einnaht des Hautmantels, Deckung des Hebedefektes mit Vollhaut, temporäre Deckung des Stielbereiches mit dünner Spalthaut, lokale Situation 3 Wochen später, d Narbenbild nach Rückverlagerung des Stiels, Röntgen des eingebrachten Spanes
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10.3.7 Ausdünnung des Weichteilmantels und Knorpeleinlage Nach Einheilung der transpositionierten Haut kann ab der dritten postoperativen Woche mit deren Ausdünnung begonnen werden. Hierzu kann die Haut von den Seiten aus vollständig vom Nasengerüst mobilisiert werden, unter Belassung von Hautbrücken im Bereich der Nasenspitze (Kolumella, Alae) und der Nasenwurzel. Vorhandenes Narbengewebe und Muskelgewebe wird entfernt, die Haut sollte nach Möglichkeit ausgedünnt werden (Abb. 10.32). Zur Konturierung der Nase und Komplementierung des Nasengerüstes kann der Konchaknorpel, als Ersatz der Ala-Knorpel eingebracht werden (s. Abb. 10.32 b). Die endgültige Durchtrennung des Lappenstiels erfolgt nach Abheilung in einer dritten operativen Sitzung. Hierbei können noch Feinkorrekturen des Hautmantels durchgeführt werden. a
Abb. 10.32. a Zustand nach Einheilung des Hautmantels auf der Innenauskleidung und dem Kortikalisspan. Die Haut zeigt sich verdickt (Mitnahme des M. frontalis, Narbenbildung). b Mobilisation der Haut oberhalb des M. frontalis und weitestgehende Ausdünnung des Untergrundes unter Mitnahme des Muskels sowie des Narbengewebes.Einlage von Konchatransplantaten als Ersatz der Crurae lateralae. Ergebnis 2 Jahre später frontal, c Zustand nach Ausdünnung der Haut und Rekonstruktion der Crurae lateralae mit Domrekonstruktion (zweifacher Lichtreflex!); Ergebnis 2 Jahre später seitlich
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b Abb. 10.33. a 35-jähriger Patient mit posttraumatischem Verlust der linken distalen Nasenhälfte und Wangendefekt, b nach mikrochirurgischem Lappentransfer, c nach kleiner Nachkorrektur 4 Jahre später. (PHW – Hannover)
10.3.8 Mikrochirurgische Methoden Wenn weder aus der Stirnregion noch aus der benachbarten Gesichts- und Schädelregion eine Wiederherstellung möglich ist, da Narben dies verhindern, kann auch mit mikrochirurgischen Techniken eine totale Rekonstruktion oder partielle Rekonstruktion durchgeführt werden. Der Vorteil besteht darin, dass die Nase am Spenderareal komplett vorgebildet wird und dann unter mikrochirurgischen Bedingungen als freier Lappen an die Gesichts- und Halsgefäße angeschlossen werden kann. Als Spenderregion hat sich der Fußrücken bewährt (Abb. 10.33), hierbei kann gleichzeitig der Knochen aus einem Mittelfußknochen mitentnommen werden. Allerdings ist die Entnahmestelle, die mit einem Vollhaut- oder Spalthauttransplantat gedeckt werden muss, nicht unproblematisch. Eine zweite mögliche Entnahmestelle ist der Unterarm, an der A. radialis kann entsprechend ein Nasenrekonstrukt vorgebildet werden. Wenn nur Hautsubkutis und die Innenauskleidung notwendig sind, ist dies auch in einer Operation als freier Radialislappen durchzuführen. Die Haut vom Fußrücken und auch vom Unterarm zeigt ein gutes Farbmatch. Die erzielten Ergebnisse rechtfertigen den höheren Aufwand (Abb. 10.34).
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b Abb. 10.34. a 30-jähriger Patient mit Verbrennung 3. Grades, auch im Gesichtsbereich. Resektion der verbrannten Anteile an der Nase.Die Umgebung ist stark vernarbt. b Freier mikrochirugischer Radialislappen angeschlossen an die A. facialis und Halsvenen, c Ergebnis 4 Jahre später. (PHW – Hannover)
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III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 11
W. Mühlbauer · C. Holm
Inhalt 11.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . 11.1.1.1 Topographische Anatomie. . . . 11.1.1.2 Physiologie . . . . . . . . . . . . 11.1.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.3.1 Chirurgische Gesichtspunkte . . 11.1.3.2 Problemstellung aus chirurgischer Sicht . . . . . . . . 11.1.3.3 Problemstellung aus Patientensicht . . . . . . . . . . . 11.1.3.4 Auswahl des Patienten . . . . . . 11.1.3.5 Präoperatives Anzeichnen . . . . 11.1.3.6 Anästhesie. . . . . . . . . . . . . 11.1.3.7 Desinfektion, Abdeckung, Tamponade . . . . . . . . . . . . 11.1.3.8 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . 11.1.3.9 Komplikationen . . . . . . . . . . 11.2 Spezielle Technik . . . . . . . . . . . . . . 11.2.1 Basistechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.1.1 Modellierung der Nasenspitze – endonasal . . . . . . . . . . . . . 11.2.1.2 Modellierung des Nasenrückens 11.2.1.3 Freilegung des Nasenrückens, der Sub-SMAS und der subperiostalen Schicht . . . . . . 11.2.1.4 Freilegung des Nasenrückens – submukös . . . . . . . . . . . . . 11.2.1.5 Abtragung des knorpeligen Nasenrückens und -höckers . . . 11.2.1.6 Abtragung des knöchernen Nasenrückens und -höckers . . . 11.2.1.7 Verschmälerung der Nase durch seitliche Osteotomie und Infraktion . . . . . . . . . . . 11.2.1.8 Rückverlagerung der Hautweichteile . . . . . . . . . . 11.2.1.9 Ruhigstellung . . . . . . . . . . . 11.2.1.10 Postoperative Nachsorge . . . .
. . . . . . .
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282 282 283 284
. . . . .
284 284 284 284 284
. 287 . 287
. 287 . 288 . 289 . 289
. 291 . 291 . 292 . 292
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11.2.2 Modifikation der Basistechnik . . . . . . . 11.2.2.1 Schnitzen und Feilen . . . . . . . 11.2.2.2 Höckerreplantation nach Skoog. 11.2.2.3 Kürzung einer Langnase . . . . . 11.2.2.4 Verschmälerung der knorpeligen Breitnase . . . . . . 11.2.3 Offene Rhinoplastik . . . . . . . . . . . . . 11.2.3.1 Korrektur einer stark vorspringenden Nase in offener Technik . . . . . . . . . 11.2.3.2 Spitzenprojektion mittels Knorpeltransplantaten . . . . . . 11.2.3.3 Ohrmuschel als Knorpelspender 11.2.4 Profilplastik . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
292 292 296 297
. 299 . 300
. 303 . . . .
308 310 311 313
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Rhinoplastik
KAPITEL 11
a Ossa nasalia Processus frontalis maxillae Cartilago triangularis Apertura piriformis
Cartilagoalaris Crus laterale Cartilagoalaris Crus mediale Spina nasalis ant.
b
Abb. 11.1 a, b. Topographische Anatomie der Nase. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
11.1 Allgemeines Die korrigierende Rhinoplastik stand am Anfang der sog. Schönheitschirurgie ohne medizinische Indikation. Ende des 19. Jahrhunderts hatten Jacques Joseph in Berlin und J. O. Roe in New York fast zeitgleich die Idee, störende Höcker durch unsichtbare Schnitte in der Nase zu beseitigen. Nasenkorrekturen erfreuen sich seither großer Beliebtheit. Die Rhinoplastik ist von allen ästhetisch-chirurgischen Eingriffen emotional am meisten belastend. Patienten, die mit ihrer Nase unzufrieden sind, erwarten sehr viel von einer Korrektur, sind äu-
ßerst kritisch bei der Beurteilung des Ergebnisses und reagieren besonders sensibel auf Unzulänglichkeiten oder Komplikationen. Der Operateur steht deshalb vor einer großen Herausforderung und Verantwortung. Die chirurgische Technik muss sich mit Kunst und Einfühlungsvermögen glücklich vereinen. Als „Bildhauer am lebenden Objekt“ können wir, ohne sichtbare Narben zu hinterlassen, mit einer geschickten Formveränderung der Nase die Harmonie des Gesichtes verbessern, die Zufriedenheit mit dem eigenen Aussehen erhöhen und damit das Selbstbewusstsein heben. In der Rhinoplastik, die der Idealvorstellung von der Plastischen Chirurgie besonders nahe
KAPITEL 11
Cartilago alaris Genu Cartilago alaris Crus laterale Cartilago alaris Crus mediale
a
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kommt, sind viele chirurgische Ansätze möglich, um ein ästhetisch zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen. Mühlbauer und Holm stellen in diesem Kapitel die Grundzüge ihres eigenen Vorgehens dar, das sich über drei Jahrzehnte entwickelt und an Tausenden von Patienten bewährt hat. Sie bezeichnen diese Methode als kontrollierte, remodellierende Rhinoplastik. Nach entsprechender Übung verhilft sie zu vorhersehbaren und regelmäßig wiederholbaren Ergebnissen, jedenfalls in der Mehrzahl der Fälle.
11.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie 11.1.1.1 Topographische Anatomie
Lamina perpendicularis ethmoidei
Die topographische Anatomie der Nase muss dem Operateur geläufig sein, gerade wegen der eingeschränkten Übersicht durch die Nasenlöcher. Die beste Übungspraxis erhält man durch die Präparation an frischen Leichen, an denen auch die Operationstechniken optimal zu erlernen sind (Abb. 11.1).
Das Stützgerüst Cartilago quadrangularis
Vomer
b
Das Stützgerüst besteht aus knorpeligen und knöchernen Anteilen.Die Spitze wird durch die beiden Flügelknopel (Cartilago alaris und Crus mediale et laterale) gebildet. Der untere Teil des Nasenrückens und der Seitenwände formt sich durch die oberen Seitenknorpel (Cartilago triangularis), die mit der Septumoberkante verschmelzen. Die knöcherne Nase stützt mit den beiden Nasenbeinen (Ossa nasalia) den oberen Nasenrücken, während die Seitenwände von den nasenwärtigen Oberkieferfortsätzen (Processus frontales maxillae) gebildet werden. Die Scheidewand, bestehend aus einem knorpeligen (Cartilago quadrangularis) und zwei knöchernen Anteilen (Lamina perpendicularis ethmoidei und vomer), trennt die Nasenhöhle in zwei Anteile und stützt durch ihren knorpeligen Anteil den Nasenrücken.
Abb. 11.2 a, b. Hautweichteilbedeckung
Haut- und Weichteilbedeckung Über dem knöchernen Stützgerüst ist die Haut meistens dünn, verdickt sich zur Nasenspitze und wird großporiger mit zahlreichen Hautanhangsgebilden. Ähnlich verhält es sich mit der Verteilung des subkutanen Fettgewebes (Abb. 11.2). Zwischen Haut und Stützgerüst breitet sich das nasale SMAS („superficial musculo-aponeurotic system“) aus (Abb. 11.3). Es umfasst die Levatoren, Konstriktoren und Dilatatoren der äußeren Nase als eine ineinander verwobene Funktionseinheit, aber auch als wichtige
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Rhinoplastik
KAPITEL 11
M. procerus
M. nasalis M. quadratus labii superior
M. dilator naris anterior Pars alaris M. nasalis M. depressor septi nasi
M. orbicularis oris
M. zygomaticus major et minor
Abb. 11.3. Nasale SMAS. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
Abb. 11.4. Nasale SMAS mit Querschnitt durch die Nasenrückenhaut am Leichenpräparat, Innenauskleidung. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
Abb. 11.5. Schematischer Querschnitt durch die Nase
KAPITEL 11
Rhinoplastik
Weichteilschicht. Hierzu zählen auch das Perichondrium und das Periost (Abb. 11.4).
Innenauskleidung Die Nasenvorhöfe werden von einer mit Haaren bedeckten Vestibulumhaut ausgekleidet. Die Schleimhaut beginnt erst hinter der Nasenklappe (Valvula nasi). Sie ist mit dem Perichondrium und dem Periost innig verwachsen als Mukoperichondrium und Mukoperiost (Abb. 11.5, 11.6). a
Blutversorgung Sie wird äußerlich durch die Vv. faciales mit Zuflüssen aus den Vv. infraorbitales und orbitales mediales und innerlich durch Äste der Vv. ethmoidales und sphenopalatinales gewährleistet (Abb. 11.7).
Lymphabfluss Die Lymphe der äußeren Nase drainiert zu den präaurikulären und submandibulären Lymphknoten, während der innere Abfluss von den tiefen Halslymphknoten und den retropharyngealen Knoten gefiltert wird.
b
Nervenversorgung Die Sensibilität der äußere Nase erfolgt von den Ästen der Nn. infraorbitalis, der Nn. infratrochlearis und den äußeren Ästen der Nn. ethmoidalis anterior. Die Innenauskleidung der Nase wird von den Ästen des N. ethmoidalis anterior und des Ganglion pterygopalatinum versorgt. Darüber hinaus befinden sich Riechfasern (Filae olfactoriae) im Dach der Nasenhöhle (Abb. 11.8).
c Abb. 11.6. a Knöcherne Nase, b knorpelige Nase, c Nasenspitze mit Flügelknorpel. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
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A. dorsalis nasi (aus A..ophtalmica)
A. angularis (aus A. facialis) A. infraorbitalis
A. nasalis (aus A. facialis)
A. labialis sup.
a A. ethmoidalis ant. (aus A. ophtalmica)
A. ethmoidalis post. A. sphenopalatina
b A. palatina
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Rhinoplastik
A. ethmoidalis ant. et post.
A.sphenopalatina
c A. labialis sup.
Abb. 11.7 a–c. Blutversorgung der Nase, a arterielle Gefäßversorgung der äußeren Nase. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
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N. supraorbitalis
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N. supratrochlearis N. infratrochlearis
N. infraorbitalis Ramus nasalis ext. ni. ethmoidalis ant.
a
Abb. 11.8 a–c. Sensible Nervenversorgung der Nase. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
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N. ethmoidalis ant. (aus N. ophtalmicus)
Rami nasales post. (aus Ganglion sphenopalatinum des N. maxillaris)
b N. palatinus (aus N. maxillaris)
N. ethmoidalis ant. (aus N. ophtalmicus)
N. nasopalatinus (aus Rami nasales posteriores)
c
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11.1.1.2 Physiologie Die physiologische Funktion der Nase definiert sie als Atmungs- und Riechorgan, als Lufteinlass, -filterung, anwärmung und -befeuchtungsorgan über die Nasenflügel, die Nasenklappen, das SMAS, die Nasenmuscheln und -nebenhöhlen. Die Tränenflüssigkeit wird über die Tränennasengänge in die Nase abgeleitet (Abb. 11.9, 11.10).
11.1.2 Diagnostik Menschen mit dem Wunsch nach äußerer Formveränderung ihrer Nase müssen besonders sorgfältig evaluiert, beraten und geführt werden. Während bei medizinisch notwendigen Behandlungen der Arzt im Verhältnis zum Patienten (Leidender) dominiert, ist das Verhältnis bei freiwilligen, medizinisch nicht notwendigen Eingriffen bei voller Gesundheit eher partnerschaftlich. Der mit seinem Aussehen unzufriedene Mensch wünscht vom Arzt einen operativen Einriff, der sein Aussehen, hier die Nase, ästhetisch verbessern soll. Meistens hat er eine ziemlich genaue Vorstellung vom gewünschten Ergebnis. Nicht selten bringt er zur Veranschaulichung Bilder von sich, von „schönen“ Nasen, Skizzen, Collagen oder gar Modelle mit. Der Chirurg sollte zunächst genau zuhören, um zu verstehen, was sein Gegenüber erhofft und erwartet nicht nur bezüglich des Operationsergebnisses, sondern auch hinsichtlich der Auswirkung auf seine Lebenssituation (Selbstzufriedenheit, sicheres Auftreten, zwischenmenschliche Beziehungen, Beruf, Rolle in der Gesellschaft etc.). Die tieferen Motivationen müssen aufgedeckt werden. Ärztliche Erfahrung und psychologische Kenntnisse sind Voraussetzung zur Erfassung der Persönlichkeitsstruktur des Operationswilligen. Auch Geschlecht und Lebensalter sind dabei von Bedeutung. Daran schließt sich die klinisch orientierende Untersuchung der äußeren und inneren Nase einschließlich einer klinischen Funktionsprüfung an sowie die Erhebung der Krankheitsvorgeschichte und die Beurteilung des allgemeinen Gesundheitszustandes. Der Ausgangsbefund soll fotografisch dokumentiert werden. Eine gemeinsame Bildanalyse einschließlich des zu erwartenden Ergebnisses hilft dem gegenseitigen Verständnis, ohne dass sich der Chirurg im Sinne einer Garantie festlegt. Besonders anschaulich ist dabei eine Computersimulation (Abb. 11.11).
Letztlich muss die Entscheidung für oder gegen die Rhinoplastik gemeinsam gefunden werden.
Abb. 11.9. Knorpelspangen des Naseneingangs
Abb. 11.10. Vertikales Schädel-CT mit Darstellung der Nase und der Nasennebenhöhlen mit Septumdeviation.(Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
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Rhinoplastik Abb. 11.11. a Computersimulation zur Planung der OP, b, c Computersimulation der Korrektur einer ausgeprägten Höckerschiefnase
a
b
c
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11.1.3.3 Problemstellung aus Patientensicht 11.1.3 Therapie 11.1.3.1 Chirurgische Gesichtspunkte Obwohl die Mehrzahl der Patienten mehr an dem Aussehen der Nase interessiert sind, darf der Chirurg die Funktion der Nase als Atmungs- und Riechorgan nicht außer acht lassen oder über Gebühr beeinträchtigen. Im Rahmen der ästhetischen Nasenkorrektur kann man im Gegenteil auch Verbesserungen der Nasenfunktionen erreichen, z. B. durch Begradigung der Scheidewand oder Verkleinerung hypertropher Muscheln. Die schier unerschöpflichen Varianten der Nasenform fordern auch den erfahrenen Chirurgen ein Leben lang heraus und lassen ihn zusammen mit den Unwägbarkeiten des Heilungsverlaufs nicht selbstzufrieden werden. Die notwendige Umformung und Resektion des Stützgerüsts soll so vorgenommen werden, dass dieses möglichst wenig geschwächt wird. Zur Freilegung präpariert man in den vorgegebenen Schichten, d. h. unter dem SMAS bzw. Periost und dem Mukoperichondrium, um Durchblutung, Nervenversorgung und Lymphabfluss zu schonen. Das Maß der Hautweichteilschrumpfung muss individuell und situationsbezogen beurteilt werden. Die Innenauskleidung der Naseneingänge und -höhlen sollten besonders sorgfältig und schonend behandelt werden, um spätere typische Funktionsstörungen, wie eine zu trockene oder zu feuchte Nase, Neigung zu Nasenbluten, Beeinträchtigung des regulären Luftstroms durch mechanische Hindernisse, Schädigung der Nasenklappen, Synechien oder Funktionsbeeinträchtigung des SMAS zu verhindern.
Mit der Resektion eines vermeintlichen Schleimhautüberschusses sind Mühlbauer und Holm besonders zurückhaltend.
11.1.3.2 Problemstellung aus chirurgischer Sicht ∑ Sind die allgemeinen und lokalen medizinischen Voraussetzungen gegeben? ∑ Ist die chirurgischen Veränderung der Nase realisierbar und der gewünschte Operationserfolg mit ausreichender Sicherheit auch unter Berücksichtigung einer kleineren Nachkorrektur zu verwirklichen? ∑ Sind die Erwartungen des Patienten realistisch? ∑ Hat er eine ausreichend stabile Persönlichkeit und Lebenssituation?
∑ Habe ich das operative Vorgehen und die gesamte Behandlung mit allen Konsequenzen wirklich verstanden? ∑ Akzeptiere ich eventuelle Unzulänglichkeiten und Abweichungen vom gewünschten Idealergebnis bis hin zur Möglichkeit einer Verschlechterung der Ausgangslage? ∑ Ist die Veränderung der Nase für mich persönlich wirklich so wichtig? Nach der bei ästhetischer Operation besonders ausführlichen Aufklärung über das Vorgehen, die Risiken und Gefahren ist die gemeinsame Entscheidung zur Operation mit der Patienteneinwilligung und mit einem deutlichen zeitlichen Abstand zum eigentlichen Eingriff schriftlich zu dokumentieren.
11.1.3.4 Auswahl des Patienten Die richtige Auswahl der Kandidaten für eine ästhetische Rhinoplastik ist von entscheidender Bedeutung. Hier werden die Weichen gestellt für ein gutes oder schlechtes Operationsergebnis und damit für die Patientenzufriedenheit, ein chirurgisches Erfolgserlebnis oder aber lang anhaltende Unannehmlichkeiten. Neben der chirurgischen Erfahrung ist ein gewisses Maß an ärztlicher Psychologie erforderlich. Als Hilfestellung für die Auswahl geeigneter Patienten zur ästhetischen Rhinoplastik seien – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – einige Einschluss- und Ausschlusskriterien aufgeführt in nebenstehender Aufstellung. Das oberste Ziel der ästhetischen Rhinoplastik ist nicht die absolut schöne Nase, sondern der zufriedene Patient. Die individuell neu geformte Nase soll nicht als operiert erkennbar sein, harmonisch in das Gesicht passen, nicht das Markenzeichen eines egomanischen Operateurs darstellen, voll funktionstüchtig sein und möglichst ein ganzes Leben lang stabil bleiben. Wie erreicht man diese hochgesteckten Ziele?
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Indikationskriterien ∑ Allgemeine Gesundheit ∑ Günstige anatomische Verhältnisse ∑ Eigenmotivation ∑ Subjektives Empfinden der Nasendeformität entspricht dem objektiven Befund ∑ Einsicht der Verwirklichung ∑ Realistische Erwartungen ∑ Ausreichende Intelligenz ∑ Jugend (jünger als 30) ∑ Gefestigte Persönlichkeit ∑ Weibliche Patientin ∑ Vertrauen in den Arzt ∑ Gefestigte soziale Situation Kontraindikationskriterien ∑ Allgemeine oder lokale Erkrankungen ∑ Extreme Nasendeformität ∑ Abnorme Gesichtskonfiguration ∑ Lebensalter jünger als 16 und älter als 30 Jahre (relativ) ∑ Dicke Hautweichteile ∑ Schwaches Stützgerüst ∑ Fremdmotivation ∑ Diskrepanz zwischen subjektiv empfundener und objektiver Nasendeformität ∑ Unrealistische Erwartungshaltung ∑ Hoffnung auf Lösung von Lebenskonflikten und auf beruflichen Erfolg ∑ Unentschlossener, ängstlicher Patient ∑ Ausgeprägter Narzissmus ∑ Neurotische Persönlichkeitsstruktur ∑ Männlicher Patient (unsicher, Sexualprobleme) ∑ Ungewöhnliches Drängen auf raschen Operationstermin ∑ Patient, der seine „Bedeutung“ herausstellt ∑ Herabsetzende Äußerungen über andere Ärzte
a
11.1.3.5 Präoperatives Anzeichnen Da jede Nase unterschiedlich strukturiert ist, empfiehlt sich eine präoperative Markierung der wesentlichen knorpeligen und knöchernen Stützelemente der vorliegenden Nase auf der Haut. Zusätzlich kann man das Ausmaß der Veränderung bzw. der Resektion vorab festlegen (Abb. 11.12, 11.13).
b Abb. 11.12 a, b. Präoperative Anzeichnung des Stützgerüstes und der geplanten Resektionen. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
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auch weiterhin. Je schonender der Eingriff vorgenommen wurde, desto geringer wird das Risiko einer operationsbedingten Verschlechterung sein. Der größte Lehrmeister in der Rhinoplastik ist die Langzeitbeobachtung der eigenen Patienten.
11.1.3.9 Komplikationen
Abb. 11.13. Anzeichnen des Transfixationsschnittes durch die häutige Kolumella
11.1.3.6 Anästhesie Bei normal empfindlichen Patienten reicht die Lokalanästhesie, ergänzt durch intravenöse Analgosedierung und entsprechendem Monitoring, aus. Das gesamte Gesichtsprofil bleibt überschaubar, da kein Tubus störend vorhanden ist. Das Naseninnere wird durch einen mit 0,5 g Kokainlösung getränkten Wattestreifen betäubt und gleichzeitig abgeschwollen. Die Kokainwatte sollte nach etwa 10 min gegen einen mit NaCl befeuchtete Wattestreifen ausgetauscht werden. Die äußere Nase wird durch Leitungs- und Infiltrationsanästhesie in der SubSMAS und Submukoperichondrialschicht mit 1 % Lokalanästhetikum unter Adrenalinzusatz 1 : 100 000 zur Blutstillung betäubt. Durch die gleichzeitige „Hydrodissektion“ wird die nachfolgende Präparation in den zu rekonstruierenden Schichten erleichtert.
11.1.3.7 Desinfektion, Abdeckung, Tamponade
Allgemeine oder örtliche Frühkomplikationen sind extrem selten. Leichte Restschwellungen können ein Operationsergebnis in den ersten Monaten noch schönen. Nach der endgültigen Abschwellung treten allerdings auch bei erfahrenen Operateuren in 5–20 % der Fälle Unzulänglichkeiten zu Tage, die weder dem Patienten noch dem Chirurgen gefallen. Meistens handelt es sich um sicht- und tastbare Asymmetrien, scharfe Kanten, Adhärenzen, Eindellungen, Verbiegungen und Verbreiterungen. Operative Nachkorrekturen sollte man aber 6–12 Monate aufschieben. Die Nase beeinflusst die Psyche in besonderer Weise. Die Ansprüche sind recht hoch, und dementsprechend groß ist die Enttäuschung über ein unzureichendes Ergebnis. Frauen neigen zur Depression, Männer zur Aggression. In solchen Fällen ist eine besonders einfühlsame Beratung und Führung gefordert, sonst kann die Rhinoplastik in einem beide Seiten belastenden Rechtsstreit enden. Als vorbeugende Maßnahmen sind zu empfehlen: ∑ seriöse präoperative Untersuchungen, ∑ Beratung, Aufklärung und Auswahl der Kandidaten für eine ästhetische Rhinoplastik, ∑ realistische Einschätzung des Machbaren sowie eine ∑ solide Operationstechnik und Beherrschung von unvermeidbaren Komplikationen. Unter diesen Voraussetzungen kann die Rhinoplastik ein nie versiegender Quell der Freude, des Glücks und der Genugtuung sein.
Die Gesichtshaut wird wie üblich desinfiziert, die Nasenhöhle mit Polyvidonlösung gereinigt und sicher mit armierten Wattestreifen verschlossen, um eine Blutung in den Rachen zu unterbinden.
11.2 Spezielle Technik
! Unter der Abdeckung sollten Gesicht und Hals frei
11.2.1 Basistechnik
11.1.3.8 Ergebnisse
Die Basistechnik der kontrollierten, remodellierenden Rhinoplastik nach Mühlbauer soll am Beispiel der Korrektur der hypertrophen Höckernase dargestellt werden. Diese Operationsmethode mit endonasalem Zugang eignet sich für einen Großteil der primären Rhinoplastiken und erlaubt situationsgerechte Abweichungen sowie Ergänzungen (Abb. 11.14).
bleiben, damit die Gesichtsproportionen, vor allem das Profil permanent beurteilt werden kann.
Die endgültige Abschwellung dauert mehrere Monate, sodass das Operationsergebnis erst nach etwa einem Jahr vorliegt. Im Laufe der Jahre verändern sich viele operierte Nasen, unabhängig vom natürlichen Alterungsprozess
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a
b
c
d Abb. 11.14 a–d. Beispiel einer jugendlichen Höckerbreitnase präoperativ und drei Jahre nach kontrollierter, remodellierender Rhinoplastik. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
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a
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Abb. 11.15. a Inzisionen im Vestibulum: infrakartilaginär, intrakartilaginär, interkartilaginär, b intrakartilaginäre Inzision mit Resektion des kranialen Crus laterale, c Entfernung des kranialen Crus laterale zusammen mit Fett- und Bindegewebe unter Schonung der Vestibulumhaut, d verbleibende kaudale Knorpelspange des Flügelknorpels. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
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11.2.1.2 Modellierung des Nasenrückens Die Spitzenmodellierung führt zu einem Absacken der Nasenspitze, dadurch verstärkt sich der Nasenrücken bzw. der Höcker. Die neue entstandene Rückenlinie sollte dies berücksichtigen, damit am Ende des Eingriffs die Nasenspitze als höchster Punkt des Profils erhalten bleibt.
11.2.1.3 Freilegung des Nasenrückens, der Sub-SMAS und der subperiostalen Schicht Abb. 11.16. Intrakartilaginäre Inzision des Crus laterale am Leichenpräparat. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
11.2.1.1 Modellierung der Nasenspitze – endonasal Die Formung der Nasenspitze mit Festlegung ihrer neuen Höhe stellt den wichtigsten und damit ersten Schritt der ästhetischen Rhinoplastik dar. In der Regel reicht eine einzige Vestibuluminzision aus, um Zugang zur Spitze, zum Nasenrücken und zur Scheidewand zu erhalten. Sie wird als intrakartilaginäre Inzision kranial und parallel zum kaudalen Rand des Crus laterale des Flügelknorpels entsprechend der präoperativen Markierung ausgeführt und mit dem Schnitt durch das membranöse Septum vor der kaudalen Septumkante verbunden. Nach zusätzlicher Infiltration der am Knorpel adhärenten Vestibulumhaut (Hydrodissektion) lässt sich der zuvor markierte kraniale Anteil des Crus laterale mit einer stumpfen, flachen Schere herauslösen. Die laterale Basis des Crus laterale bleibt zur Vermeidung eines seitlichen Nasenflügelkollapses und der Gewährleistung der Funktion des beidseits vorhandenen M. dilatator naris erhalten. Für eine ausreichende Reststabilität muss die verbleibende Alarknorpelspange mindestens 3 mm breit sein. Mit dieser subkutanen Teilresektion des Crus laterale erreichen wir eine Verschmälerung,Verfeinerung und Triangulierung der Nasenspitze, eine Erniedrigung des höchsten Punktes um 1–2 mm und eine neue „Betonung der Spitze“. Die Nasenspitze rotiert etwas nach oben in die entstandene Lücke, was im Profil eine Verkürzung der Nase und eine Öffnung des Nasenlippenwinkels zur Folge hat. Die zunächst überschüssige Vestibulumhaut schrumpft ohne Resektion. Die Valvula nasi bleibt in ihrer Funktion unbeeinträchtigt. Auf der kontralateralen Seite muss absolut symmetrisch vorgegangen werden (Abb. 11.15, 11.16).
Über die vorgegebene intrakartilaginäre Inzision wird der gesamte Hautweichteilmantel des Nasenrückens mit einer stumpfen, flachen Schere über dem knorpeligen Nasenrücken in der Sub-SMAS-Schicht bis zur Apertura piriformis abgehoben (Abb. 11.17). Von hier aus erfolgt die subperiostale Präparation über dem knöchernen Nasenrücken mit einem schmalen Raspatorium bis zur Nasenwurzel. Die Hautweichteile und das Periost sollen an den Seitenwänden weitgehend belassen werden, um diese nach der Osteotomie und Infraktion zu stabilisieren und einen Kollaps in die Nasenhöhle zu vermeiden.
! Auf keinen Fall darf man mit dem Raspatorium in die
Apertura piriformis abgleiten, um eine Zerstörung der bindegewebigen Fixierung der oberen Seitenknorpel zu vermeiden (Abb. 11.18).
Abb. 11.17. Abheben der Hautweichteile über der knorpeligen Nase mit einer stumpfen, flachen Schere in der SubSMAS-Schicht. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
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Abb. 11.18. Abheben der Hautweichteile über der knöchernen Nase mit einem Raspatorium in der subperiostalen Schicht. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
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Abb. 11.20. Submukoperichondriale Ablösung der Innenauskleidung unter dem Nasendach entlang des Septums. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
Abb. 11.19. Subperiostale Freilegung des knöchernen Nasenrückens mit einem Raspatorium am Leichenpräparat. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
11.2.1.4 Freilegung des Nasenrückens – submukös Das Mukoperichondrium bzw. das Mukoperiost unter dem Nasenrücken wird nochmals aufgequaddelt, um es nachfolgend mit einem feinen Raspatorium oder einem Saugerdissektor, ausgehend vom kaudalen Septumende, abheben zu können. Auch die Aushülsung des Nasenrückens ist auf ein notwendiges Maß zu beschränken (Abb. 11.19–11.21).
Abb.11.21.Submukoperichondriale Ablösung der Innensauskleidung unter dem Nasendach entlang des Septums mit einem Raspatorium am Leichenpräparat. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
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Abb. 11.22. Abtragung des knorpeligen Nasenrückens und höckers mit dem Skalpell. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
Abb. 11.24. Abtragung des knöchernen Nasenrückens mit dem Osteotom. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
Abb. 11.23. Abtragung des knorpeligen Nasenrückens und höckers mit dem Skalpell am Leichenpräparat. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
Abb. 11.25. Abtragung des knöchernen Nasenrückens mit dem Osteotom am Leichenpräparat. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
11.2.1.5 Abtragung des knorpeligen Nasenrückens und -höckers
11.2.1.6 Abtragung des knöchernen Nasenrückens und -höckers
Der vom Hautweichteilmantel und der Mukosa befreite knorpelige Nasenrücken wird auf der vorgesehenen Höhe mit einem an der Spitze abgebrochenen Skalpell Nr. 11 quer durch die oberen Seitenknorpel und die dorsale Septumkante inzidiert. Hierfür kann auch eine Knieschere benutzt werden, wobei Septumoberkante und Seitenknorpel getrennt einzuschneiden sind (Abb. 11.22, 11.23).
Der knöcherne Nasenrücken bzw. -höcker wird mit einem flachen Osteotom (12–16 mm breit, mit seitlich abgestumpfter Führung) in Kontinuität mit der Abtragungslinie des knorpeligen Nasenrückens abgetragen (Abb. 11.24, 11.25). Der osteokartilaginäre Nasenrücken bzw. -höcker kann nun in einem Stück zur möglichen Verwendung als Re- oder Transplantationsmaterial entfernt werden. Zur Kontrolle auf Vollständigkeit und Symmetrie werden sowohl der Höcker wie auch die re-
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Abb. 11.26. Resezierte Alarknorpel und Nasenrücken sind zur Kontrolle äußerlich aufgelegt, Operationsaufnahme. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung) a
Abb. 11.27. Glättung der knöchernen Abtragungsränder mit einer Feile, Operationsdemonstration. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
sezierten Alarknorpelanteile nochmals äußerlich aufgelegt und mit der präoperativen Planung verglichen (Abb. 11.26). Scharfe, knöcherne Abtragungsränder oder kleinere Asymmetrien können mit der Feile geglättet werden (Abb. 11.27). Eventuelle Nachresektionen an der Septumoberkante oder den oberen Seitenknorpeln kann man am besten mit der Winkelschere vornehmen. Bei massiven Nasenbeinen und breiter, knöcherner Septumoberkante (besonders bei Männern) empfiehlt sich eine zusätzliche paramediane Osteotomie mit Knochenkeilresektion, um die spätere Verschmälerung mit Rekonstruktion eines geschlossenen Nasendaches zu erleichtern.
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Abb.11.28.a Verschmälerung durch Osteotomie der knöchernen Seitenwand, b Verschmälerung durch Infraktion der Seitenwand und Rekonstruktion des Nasenrückens. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
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Abb. 11.30. Rückverlagerung und Verklebung der Hautweichteile mit Fibrinkleber. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
b Abb. 11.29 a, b. Verschmälerung der Nase durch Osteotomie und Infraktion der Seitenwand am Leichenpräparat. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
11.2.1.7 Verschmälerung der Nase durch seitliche Osteotomie und Infraktion Über eine Stichinzision im Vestibulum nasi, an der seitlichen Basis der Apertura piriformis, werden mit einem feinen Raspatorium je ein subperiostaler und ein submuköser Kanal am seitlichen Nasenabhang in Richtung Sutura frontonasalis 3 mm oberhalb des medialen Lidbändchens präpariert. Über diese Inzision und die präparierten Kanäle wird die seitliche Osteotomie mit einem leicht gebogenen 3 mm breiten Meißel und mit einer durch die Haut tastbaren, stumpfen Führungsnase durch den Processus frontalis maxillae sowie abgewinkelt zur Nasenwurzel hin ausgeführt. Die Infraktion der knöchernen Seitenwand lässt sich durch Einwärtsbewegen des Meißels oder durch einen ergänzenden Daumendruck am besten als Grünholzfraktur ausführen. Damit wird die Nase verschmälert und der knöcherne und knorpelige Nasenrücken auf dem vorgesehenen Niveau rekonstruiert.
! Abschließend erfolgt eine Inspektion des Nasenrückens auf Asymmetrien oder lose Knochen und Knorpelsplitter (Abb. 11.28, 11.29).
Abb. 11.31. Rückverlagerung der Hautweichteile, Verklebung und Blutstillung mit Fibrinkleber. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
11.2.1.8 Rückverlagerung der Hautweichteile Die Hautweichteile werden nun in der richtigen Position auf dem umgeformten Stützgerüst wieder angelegt und mit Fibrinkleber fixiert. Der Fibrinkleber hat den zusätzlichen Effekt einer sofortigen Blutstillung. Die Kolumella wird mit resorbierbaren „Transfixationsnähten“ wieder an dem kaudalen Septumende fixiert. Die Haut des intrakartilaginären Schnittes im Vestibulum ist mit schnell resorbierbaren Fäden zu nähen (Abb. 11.30, 11.31).
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KAPITEL 11
11.2.2 Modifikation der Basistechnik 11.2.2.1 Schnitzen und Feilen
Abb. 11.32. Ruhigstellung mit geschichtetem Steristripverband und darüber geklebter Thermoplastschiene
11.2.1.9 Ruhigstellung Ein geschichteter Steristripverband dient der äußeren Stabilisierung und Ödemprophylaxe. Darüber wird eine Thermoplastschiene geklebt zum Schutz und zur Fixierung der Osteotomie für 8 bis 10 Tage. Die Wattestreifen werden aus den Nasenhöhlen entfernt. Eine postoperative Tamponade ist unnötig, sie würde subjektiv als sehr unangenehm empfunden, zum Sekretstau und Weichteilödem führen. Fibrinkleber und Luftstrom sorgen auf natürliche Weise für die Blutstillung. Eine innere Zusatzstabilisierung ist bei korrekter Operationstechnik nicht nötig (Abb. 11.32).
11.2.1.10 Postoperative Nachsorge Die postoperativen Schmerzen sind erstaunlich gering. Schmerzmedikation für 2–3 Tage und örtliche Kühlung reichen in der Regel aus. In der ersten Woche sind ausgeprägte Schwellungen und Blutergüsse besonders im Bereich der Augenlider unvermeidlich. Antiphlogistika haben keinen nachgewiesenen positiven Effekt. Ein Antibiotikaschutz ist nur in Ausnahmefällen angezeigt.
Wenn es sich lediglich um eine geringfügige Erniedrigung und Begradigung des Nasenrückens von 1–2 mm handelt, ist ein schichtweises Schnitzen mit dem Skalpell am knorpeligen Nasenrücken und Feilen des knöchernen Nasenrückens mit einer scharfen Feile in der Regel ausreichend. Das Nasendach kann dadurch geschlossen erhalten bleiben. Eine submuköse Aushülsung ist nicht nötig.
! Beim Feilen sollte man jedoch vorsichtig vorgehen,
um die bindegewebigen Verbindungen zwischen oberem Seitenknorpel und der Apertura piriformis nicht einzureißen, da sichtbare Eindellungen die Folge sind.
Bei einer dünnen, knöchernen Nasenpyramide kann die Nase zusätzlich durch eine seitliche Osteotomie und Infraktion verschmälert werden (Abb. 11.33 bis 11.37).
KAPITEL 11
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Abb. 11.33. Erniedrigung des knorpeligen Nasenrückens durch Schnitzen mit dem Skalpell
Abb. 11.35. Erniedrigung des knöchernen Nasenrückens mit der Feile subperiostal. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
Abb. 11.34. Erniedrigung des knorpeligen Nasenrückens durch Schnitzen mit dem Skalpell am Leichenpräparat. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
Abb. 11.36. Erniedrigung des knöchernen Nasenrückens mit der Feile subperiostal am Leichenpräparat. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
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a
c
b
d Abb. 11.37 a–d. Leicht vorspringende konvexer Nasenrücken mit abfallender Spitze: geringfügige Erniedrigung und Begradigung des Nasenrückens durch Schnitzen und Feilen sowie zusätzliche Spitzenmodellierung durch kraniale Alarknorpelresektion. a, b präoperativ, c, d zwei Jahre nach der modifizierten, remodellierenden Rhinoplastik. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
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b
a
c
d
Abb. 11.38 a–d. Technik der Abtragung des Nasenrückens-und -höckers, Replantation nach Skoog. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
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Abb. 11.39. Bearbeitung des resezierten Nasenhöckers vor der Replantation. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
11.2.2.2 Höckerreplantation nach Skoog Das operative Vorgehen entspricht der Basistechnik, jedoch wird der Nasenrücken und -höcker 2–3 mm tiefer abgetragen als die gewünschte, neue Nasenrückenlinie. Der resezierte Nasenrücken und -höcker wird auf dem Tisch durch Trimmen der Seitenwände und Entfernung des Septumanteils verkleinert. Hierdurch lässt sich der Höcker am „Scharniergelenk“ der Knorpelknochengrenze begradigen (Abb. 11.38). Danach folgt die orthotope Replantation des neu modellierten Nasenrückens und die Fixierung durch eine Minischraube an der Nasenwurzel oder durch temporäre perkutane Nähte und eine zusätzlich Fibrinklebung (Abb. 11.39, 11.40).
a
Indikation. Erniedrigung und Begradigung einer besonders großen, massiven Nase unter Erhaltung einer ausreichend großen Nasenhöhle und evtl. einer männlichen Charakternase. Vorteil. Rekonstruktion eines natürlichen Nasenrückens und -dachs mit geringerer seitlicher Verschmälerung. Gefahren. Dislokation oder Teilresorption des replantierten Nasenrückens.
b Abb. 11.40 a–d. Hypertrophe Nase mit konvexer Rückenlinie beim Mann. Operative Korrektur nach Skoog durch Erniedrigung, Begradigung,Verschmälerung und Kürzung sowie Spitzenformung unter Replantation des bearbeiteten Höckers.a, c Präoperativ, b, d ein Jahr postoperativ
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c
Abb. 11.41. Kürzung der kaudalen Septumkante, gewinkelt. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
11.2.2.3 Kürzung einer Langnase
d
Eine Kürzung des kaudalen Septumendes ist nach Mühlbauer nur bei den „echt“ hypertrophen Scheidewänden nötig, wie sie bei ausgesprochenen Langnasen mit kurzer Oberlippe oder massiven Höckernasen mit S-förmiger Septumdeviation vorkommen. Zusätzlich zur kranialen Alarknorpelresektion kann man das kaudale Septum abgewinkelt resezieren, um die Spitze besser nach oben rotieren zu können (Abb. 11.41, 11.42). Bei der sog. Spannungsnase mit kurzer, hochgezogener Oberlippe muss zusätzlich eine Teilresektion der Spina nasi anterior inferior mit dem Meißel oder Luer vorgenommen werden.
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c Abb. 11.42 a–d. Langnase mit hypertrophem Septum: Kürzung der Nase mit Anhebung der Spitze durch gewinkelte Resektion des kaudalen Septumendes sowie Teilresektion des kranialen Crus laterale. a, c Präoperativ, b, d ein Jahr postoperativ
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11.2.2.4 Verschmälerung der knorpeligen Breitnase Hierbei werden die flachen, weit ausladenden oberen Seitenknorpel (Cartilago triangularis) vom Septum abgetrennt, längs geritzt und wieder zusammengenäht. Die breit ausladenden, konkav gewölbten Crura lateralia werden kranial teilreseziert. Der kaudal verbleibende Knorpelbogen wird im Dombereich durchtrennt und durch eine Naht in der Mitte vereinigt (Abb. 11.43, 11.44).
Abb. 11.43. Zwei Drittel Resektion der breiten, konkaven Crura lateralia. Transsektion des verbliebenen Doms und Nahtrekonstruktion zur Verschmälerung. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
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c
d Abb. 11.44 a–d. Patientin mit knorpeliger Breitnase vor und ein Jahr nach der Korrektur
11.2.3 Offene Rhinoplastik Die offenen Zugänge sind historisch älter, wurden aber zugunsten der endonasalen Schnittführung ohne sichtbare Narbe zurückgedrängt. Für Spezialprobleme blieb die offene Rhinoplastik jedoch in mehreren Varianten erhalten, wie äußere Inzisionen am Nasenrücken, an der Nasenspitze, an den Flügeln und der Kolumella. Im letzten Jahrzehnt feierte die Kolumellainzision und -auf-
klappung nach Rethi eine Wiederaufstehung insbesondere in den USA. Sie ist besonders beliebt bei Novizen der Plastischen Chirurgie wegen der Übersichtlichkeit, der besseren Demonstration und des leichteren Erlernens der Rhinoplastik. Sie erlaubt zudem, die Spitze vorwiegend durch Nähte zu modellieren und Transplantate exakt zu positionieren und zu fixieren.Die Inzisionen an der Kolumella verheilen in aller Regel unauffällig. Die Autoren bevorzugen dabei die Querinzision an der Kolumellabasis oder der schmalsten Stelle. Die Kolumella
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Abb.11.45. a Kolumellainzision am Übergang zur Oberlippe oder schmalster Stelle sowie entlang der Vorderkante des Crus mediale und laterale, b Aufklappen der Kolumellahaut und Freilegung der knorpeligen Nasenspitze. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
Indikation ∑ Angeborene Fehlbildung ∑ Problemnase ∑ Tumor ∑ Sekundäre Revision ∑ Trauma ∑ Funktionsstörung ∑ Septumdeviation ∑ Ästhetik Vor- und Nachteile ∑ Vorteile – Übersicht – Kontrollierte Modellierung – Transplantatfixierung – Schonung der Valvula nasi ∑ Nachteile – Durchblutungsstörungen – Sichtbare Narbe – Länger anhaltendes Ödem im Spitzenbereich – Ausgedehnte Hautweichteilmobilisierung – Verweigerung durch Patient
wird als kranial gestielter Hautweichteillappen unter Mitnahme von möglichst viel subkutanem Gewebe von der Vorderkante der Crura medialia abgelöst und nach oben geschlagen. Der Schnitt wird dann an der Unterkante der Crura lateralia in die Nasenflügel weitergeführt. Die Abpräparation der darüber liegenden Haut verschafft einen sehr guten Ein- und Überblick über die Spitze, den knorpeligen und knöchernen Nasenrücken sowie die Crura medialia und die kaudale Septumkante (Abb. 11.45–11.53). Günstige Indikationen für eine offene Rhinoplastik sowie die Vor- und Nachteile sind in der Aufstellung dargestellt.
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b
Abb. 11.46 a, b. Erniedrigung der vorspringenden Nasenspitze durch Teilresektion der Crura medialia unterhalb des Doms. Anhebung der „hängenden Kolumella“ und Nasenkürzung durch Streifenresektion am kaudalen Rand des Crus mediale und der kaudalen Septumkante. Korrektur der hochstehenden Nasenflügel durch submuköse Mobilisation und Interposition von Knorpeltransplantaten zwischen Crus laterale und Cartilago triangularis. Unterfütterung der eingezogenen Nasenwurzel mit Knorpeltransplantat
a
b
Abb. 11.47 a, b. Vorspringende Nase mit hängender Kolumella und hochgezogenen Flügeln sowie tiefer Nasenwurzel. Perkutane Anzeichnung der Alarknorpel
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Abb.11.48. Offene Rhinoplastik über einen Zugang an der Kolumellabasis mit Darstellung der knorpeligen Nasenspitze.Die hypertrophen Crura medialia weisen einen asymmetrischen Knick unterhalb des Doms auf
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Abb. 11.49. Erniedrigung der Nasenspitzenprojektion durch Teilresektion der Crura medialia unterhalb des Doms (asymmetrisch)
11.2.3.1 Korrektur einer stark vorspringenden Nase in offener Technik Problem. Die Nase springt zu stark aus dem Gesicht vor, die Nasenflügel sind ungewöhnlich hochgezogen mit breiter Basis, sog. hängende Kolumella und eingezogene Nasenwurzel (Abb. 11.46–11.54). Operative Korrektur. Offener Zugang über einen Querschnitt an der Kolumellabasis und Umschneidung des Hautweichteillappens mit Darstellung der Flügelknorpel und des Nasenrückens. Verschmälerung der Spitze durch Resektion der kranialen Hälfte der Crura lateralia. Erniedrigung der Spitzenprojektion durch Teilresektion der Crura medialia (3 mm) unterhalb des Knorpeldoms mit Naht. Anheben der hängenden Kolumella durch Streifenresektion (1,5 mm) vom Unterrand der Crura medialia. Zusätzliches Anheben durch Denudierung der Vorderkante des Septums und Transfixationsnähten. Rotation der hochstehenden Nasenflügel nach unten und innen durch Basisresektion und Mobilisierung sowie gleichzeitig Transposition der hochstehenden restlichen Crura lateralia und Interpositionsplastik der resezierten Alarknorpelanteile als Widerlager. Zusätzliche Knorpelunterfütterung an der Nasenwurzel zur Verbesserung des Profils.
Abb. 11.50. Markierung der Resektion der kranialen Hälfte der hypertrophen Crura lateralia
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Abb. 11.51 a, b. Teilresektion (2 mm) der kaudalen Kante des Crus mediale und Naht der Resektionskanten
a
b
Abb. 11.52. a Die Nasenspitze ist erniedrigt, die „hängende Kolumella“ ist angehoben. Auffüllung der eingezogenen Nasenwurzel durch Knorpeltransplantat, b Der hochstehende Nasenflügel ist submukös nach unten mobilisiert, das Knorpelinterponat mit einer transkutanen Matratzennaht über Silikonplättchen fixiert
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a
b Abb.11.53 a, b. Keilresektion aus der Nasenflügelbasis zur Verschmälerung
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e Abb. 11.54a–f. Patient mit vorspringender Nase, hängender Kolumella, hochgezogenen Flügeln und eingezogener Nasenwurzel vor und sechs Monate nach offener Rhinoplastik
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a
Abb. 11.56. Offene Darstellung der Flügelknorpel und des Nasenrückens. Aufrichtung der Spitze durch Dominzision im Genubereich und Naht der Knorpelkanten in der Mittellinie sowie zusätzliche Anlagerung eines flügelförmigen Knorpeltransplantates aus der Ohrmuschel und Nahtfixierung. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
11.2.3.2 Spitzenprojektion mittels Knorpeltransplantaten b Abb. 11.55 a, b. Ohrknorpeltransplantat für die Nasenspitze mit Nahtfixierung. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
Problem. Mangelhafte Projektion der Nasenspitze wegen schwacher Nasenflügelknorpel oder sekundär nach übermäßiger Schwächung. Operative Korrektur. Offene Darstellung der Nasenspitzenknorpel und des Nasenrückens: Durchtrennung der Alarknorpeldome und Naht der Knorpelkanten der Crura medialia und lateralia in der Medianlinie führen zur Verschmälerung und leichten Aufrichtung von etwa 1 mm. Zusätzliche Spitzenhebung durch Einlagerung eines flügelförmigen, evtl. auch mehrfach geschichteten Knorpeltransplantates, aus der Ohrmuschel mit exakter Nahtfixierung (6/0 nichtresorbierbare Naht). Der Bindegewebsknorpel aus der Ohrmuschel ist elastischer, weicher und reichlicher vorhanden als der steife, hyaline Septumknorpel (Abb. 11.55 bis 11.57).
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c
d Abb.11.57 a–d. Abgeflachte Spitze durch schwache Nasenflügelkorpel.Über einen offenen Zugang Aufrichtung der Nasenspitze durch Domdurchtrennung und Resektion mit Ohrknorpeltransplantat. Zusätzliche Verschmälerung der korpeligen und knöchernen Nase über paramediane und seitliche Osteotomien mit Infraktion. a, c Präoperativ, b, d zwei Jahre postoperativ. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
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a Abb. 11.58. Komponenten des Ohrknorpelgerüstes als autologes Spendermaterial. (Aus Mühlbauer, in Lemperle 1998 [3a], mit freundlicher Genehmigung)
11.2.3.3 Ohrmuschel als Knorpelspender Neben dem Septumknorpel eignet sich der weichere Bindegewebsknorpel der Ohrmuschel besonders als Transplantatmaterial für die Nase. Er muss allerdings entsprechend geformt werden, ein- oder mehrlagig mit Brechung der ungewünschten Eigenelastizität. Die Infektions- und Resorbtionsgefahr sind minimal. Unter Belassung der Helix und Anthelix können große Knorpelareale aus der Ohrmuschel ohne Deformierung entfernt werden (Abb. 11.58, 11.59).
b Abb. 11.59. a Ohrknorpelentnahme (ganze Concha auriculi) von vorne zur autologen Transplantation, b Versorgung der Entnahmestelle mit eingeknüpftem Schaumstoffband zur Vermeidung eines Hämatoms und einer Ohrmuscheldeformität
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11.2.4 Profilplastik Die Profilplastik stellt eine Erweiterung der Rhinoplastik dar. In der Regel muss zusätzlich eine Kinnkorrektur vorgenommen werden. Bei gleichzeitiger Dysgnathie wird der Unterkiefer durch Osteotomie vor- oder rückverlagert. Bei orthognathen Verhältnissen genügt die ein- oder mehrschichtige Osteotomie der Symphysis mandibulae mit Vor- oder Rückverlagerung und anschließender Stabilisierung durch eine Miniplattenosteosynthese. Alloplastische Implantate zur Korrektur eines fliehenden Kinns sind mit den bekannten Komplikationsmöglichkeiten belastet (Abb. 11.60, 11.61).
Abb. 11.60. Reduktion einer hypertrophen Höckernase mit der kontrollierten, remodellierenden Rhinoplastikmethode. Gleichzeitiger Kinnvorschub durch Unterkieferosteotomie
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d Abb. 11.61. a, b Patientin mit Profilanomalie (hypertrophe Höckernase und fliehendes Kinn) vor und ein Jahr nach Profilplastik: simultane Reduktionsrhinoplastik und Mandibulaosteotomie mit Vorschub. c, d Schädelprofil der Patientin vor und nach der Genioplastik
KAPITEL 11
Literatur 1. Aiach G (1993) Atlas de rhinoplastie et de la voie d´abord externe. Masson, Paris 2. Daniel RK (1999) Rhinoplasty. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokyo 3. Joseph J (1931) Nasenplastik und sonstige Gesichtsplastik nebst Mammaplastik. Kabitzsch, Leipzig 3a. Lemperle G (1998) Ästhetische Chirurgie, Bd V/2. Ecomed, Landsberg 4.Mühlbauer W (1988) Rhinoplasty – personal technique. pp 140–148, Unusual tip problems. pp 92–100, Secondary and revisional rhinoplasty.pp 297–311.In: Rees TD,Baker D,Tabbal N (eds) Rhinoplasty: problems and controversies. Mosby, St.Louis 5. Mühlbauer W (1986) Rhino-Profilplastik. Handchir Mikrochir Plast Chir 18: 90–95 6.Mühlbauer W (1998) Primäre Rhinoplastik. In: Lemperle G (1998) Ästhetische Chirurgie, Bd V/2. Ecomed, Landsberg, S 1–32 7. Peck GC (1984) Techniques in aesthetic rhinoplasty. Thieme, Stuttgart New York 8.Rees TD (1980) Aesthetic plastic surgery, vol I. Saunders, Philadelphia London New York 9.Sheen ZH (1987) Aesthetic rhinoplasty, 2nd edn. Mosby, St.Louis 10. Skoog T (1974) The large nose. In: Skoog T (ed) Plastic surgery. Thieme, Stuttgart New York, pp 225–250 11. Tardy ME jr, Brown RJ (1990) Surgical anatomy of the nose. Raven, New York 12. Eugene Tardy M jr (1997) Rhinoplasty – the art and the science, vols I, II. Saunders, Philadelphia London
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III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 12
R. Hierner · P. Kunert · J. Pasel
Lippendefekte
Inhalt 12.1 Allgemeines 12.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . 12.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie . . . 12.1.1.1 Topographie der Lippen . . 12.1.1.2 Vaskularisation . . . . . . . 12.1.1.3 Lymphatische Versorgung . 12.1.1.4 Innervation . . . . . . . . . 12.1.2 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1.3 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . 12.1.4 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . 12.1.5 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . 12.2.1 Technik des mehrschichtigen primären Wundschlusses. . . . . . . 12.2.2 Defekte des Lippenrot . . . . . . . . 12.2.2.1 Lippenrotdefekte im Unterlippenbereich. . . . . 12.2.2.2 Lippenrotdefekte im Oberlippenbereich . . . . . 12.2.3 Defekte der Unterlippe . . . . . . . . 12.2.3.1 Oberflächliche bzw. partielle Defekte . . . . . . 12.2.3.2 Allschichtige Defekte . . . . 12.2.4 Defekte der Oberlippe . . . . . . . . 12.2.4.1 Oberflächliche bzw. partielle Defekte . . . . . . 12.2.4.2 Allschichtige Defekte . . . . 12.2.5 Defekte des Mundwinkels . . . . . . 12.2.5.1 Oberflächliche bzw. partielle Defekte . . . . . . 12.2.5.2 Allschichtige Defekte . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . 322 . . . . 324 . . . . 324 . . . . 328 . . . . 329 . . . . 329 . . . . 333 . . . . 341 . . . . 341 . . . . 344 . . . . 350 . . . . 350 . . . . 351 . . . . 353
Bei jedem primären oder sekundären rekonstruktiven Eingriff im Bereich der Lippen müssen stets sämtliche funktionellen, ästhetischen und sozialen Aspekte gemeinsam betrachtet werden, nur so lässt sich ein gutes, für den betroffenen Patienten optimales Ergebnis erzielen. Funktionell gesehen haben die Lippen folgende Hauptaufgaben: ∑ Nahrungsaufnahme („Zugang zum Schlunddarm“), ∑ orale Kontinenz (Flüssigkeit > feste Nahrung), ∑ verbale Kommunikation und sonstige Formen der Artikulation (z. B. Pfeifen), ∑ nonverbale Kommunikation (Mimik und Gestik, z. B. herunterhängende Mundwinkel als Zeichen der Enttäuschung oder Trauer), ∑ taktile Gnosis und Sexualfunktion („Küssen“).
Die Funktionen der Lippen sind unabhängig von Geschlecht, Alter und ethnischer Zugehörigkeit.
! Nahrungsaufnahme und orale Kontinenz stellen die Mindestanforderung einer jeden Rekonstruktion im Lippenbereich dar.
Das Bild der Lippen und des Mundes als zentraler Punkt des unteren Gesichtsdrittels trägt primär zum Gesamteindruck einer Person bei. Für ein harmonisches Erscheinungsbild der Lippen bzw. des Mundes sind die Größe, die Proportionen der einzelnen Elemente zueinander*, ein normales symmetrisches Bewegungsmuster und der mukokutane Übergang zwischen Lippenrot und Gesichtshaut die wichtigsten Merkmale. Die normale laterale Mundbegrenzung wird durch eine gedachte Linie senkrecht von den Pupillen auf jeder Seite begrenzt
* Im Bereich der Oberlippe ist das Philtrum mit der doppelt konvex verlaufenden Lippenrotgrenze für die natürliche Lippenform von Bedeutung, im Bereich der Unterlippe die zentrale Lippenfülle.
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Lippendefekte
Nasenflügel
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Nasolabialfalte
Nasenlochbasis
Lippe: ästhetische und soziale Aspekte ∑ Größe ∑ Proportionen der einzelnen Elemente zueinander ∑ Normales symmetrisches Bewegungsmuster ∑ Mukokutane Übergang zwischen Lippenrot und Gesichtshaut ∑ Gesellschaftliche Stellung ∑ Familiärer Stand ∑ Sonstiges
Lippenweiß
Tuberkel
12.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie
Cupid’s Bogen Lippenrot
horizontale Kinnfalte
Philtrum
Philtrumsrand
Abb. 12.1. Äußere Erscheinung und Ästhetik im Lippenbereich
(s.Abb. 12.30). Bei normalem Bewegungsmuster und Gebrauch des Mundes fällt auch eine Verkleinerung der Mundöffnung bis zu einem Viertel auf den ersten Blick nicht auf. Von entscheidender Bedeutung für die Ästhetik der Lippen ist der mukokutane Übergang zwischen Mukosa und Gesichtshaut. Schon kleinste Unregelmäßigkeiten führen hier zu großen ästhetischen Beeinträchtigungen. Die Ästhetik der Lippen wird vor allem von Form, Funktion, Größe und Oberflächenbeschaffenheit bestimmt, diese sind ihrerseits von einer Reihe von Faktoren abhängig. Neben dem Geschlecht (Bartwuchs beim Mann, oft als Symbol der Männlichkeit) spielt vor allem das Alter (volle Lippen als jugendliches Statussymbol) eine große Rolle.Volle rote Lippen gelten als besonders attraktiv, atrophische z.T. auch invertierte Lippen mit Faltenbildung sind dagegen ein Stigmata des Alters. Darüber hinaus bestehen deutliche Unterschiede bei verschiedenen Rassen (große dicke Lippen bei Farbigen im Gegensatz zu schmalen Lippen bei Asiaten; Abb. 12.1).Was in einer ethnischen Gruppe als besonders schön gilt, kann in einer anderen einen deutlichen Makel darstellen. In manchen Kulturen spiegeln die Lippen die soziale Stellung wider. Bei einigen afrikanischen Stämmen zeigt die Größe der Lippen und der daran bzw. darin angebrachte Schmuck die Stellung der Frau in der Gesellschaft an. Aber auch im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts hat die Position eines künstlich aufgemalten Muttermals die soziale Stellung der Frau (verheiratet, nichtverheiratet) angegeben.
Die Lippen, Labia oris, werden vom M. orbicularis oris geformt und außen von Gesichtshaut, innen von der Mundschleimhaut bedeckt. Die Übergangszone trägt das Epithel des Lippenrots. Das Lippenrot der Ober- und Unterlippen begrenzt die Mundöffnung, Rima oris. Seitlich am Übergang zur Wange sind die Lippen im Mundwinkel, Angulus oris, miteinander verbunden. Lippen und Wangen bilden eine, mithilfe ihrer Muskelanteile aktiv verformbare, äußere Wand das Vestibulum oris. Sie kann passiv durch Luft, Speisen, Flüssigkeit geweitet werden und den Inhalt der dadurch gebildeten Backentasche unter Kontraktion ihrer Muskulatur weiter befördern.
12.1.1.1 Topographie der Lippen Beim Aufbau der Lippen können mehrere Schichten unterschieden werden; Haut, Subkutis mit Anteilen des SMAS („superficial musculo-aponeurotic system“), Muskel, Submukosa und Mukosa (Abb. 12.2, Tabelle 12.1). Die Lippenhaut ist weich und besitzt normalerweise keine ausgeprägte Hornhautschicht. Im Vergleich zur restlichen Körperhaut des Mitteleuropäers hat sie eine rosige Farbe. Die Unterlippe enthält einen höheren Anteil an gelben Hautpigmenten, was bei der „AustauschLappenplastik“ von der Unterlippe zur Oberlippe und vice versa zu berücksichtigen ist. Die Gesichtshaut der Lippen besitzt eine Terminalbehaarung; abhängig von Alter und Rasse besteht beim Mann im Ober- und Unterlippenbereich ein mehr oder weniger ausgeprägter Bartwuchs. Ober- und Unterlippe und die periorale Region bilden die funktionell-ästhetische Einheit. Im Bereich der Unterlippe können außerdem zwei laterale und eine mediane Untereinheit unterschieden werden. Weitere Untereinheiten sind die gesamte Haut im Oberlippenbereich und der Bereich des Lippenrots im Ober- und Unterlippenbereich. Die Untereinheiten sollten nach Möglichkeit komplett rekonstruiert werden (Abb. 12.3).
Lippendefekte
KAPITEL 12
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Tabelle 12.1. Topographie der Lippen und deren chirurgische Bedeutung Gewebeschicht
Chirurgische Bedeutung
Haut
Funktionell-ästhetische Einheiten und Untereinheiten Relaxed skin tension line
Subkutis/SMAS
Lobulärer Aufbau mit bindegewebigen Septen, in denen Blutgefäße, Lymphgefäße und Nerven verlaufen Durchgehende kompakte fibromuskuläre Schicht zwischen Haut und darunterliegender Muskulatur ohne natürliche Trennschicht
Intrinsische Lippenmuskulatur (M. orbicularis oris)
Mimische Muskelplatte ist über das SMAS an vielen Stellen mit der Gesichtshaut durch kurze elastische Sehnen verbunden M. orbicularis oris bildet die muskuläre Grundlage der Lippe, in die 11 weitere Muskeln einstrahlen
Extrinsische Lippenmuskulatur Submukosa/Mukosa
Verläuft vom oberen zum unteren Sulcus buccalis und von den Mundwinkeln zum Lippenrot Im enoralen Mukosabereich existieren viele in Gruppen angelegte kleine Speicheldrüsen (verantwortlich für die meisten tiefgreifenden malignen Tumoren im Bereich der Oberlippe). Deutlich ausgebildete natürliche Trennschicht, auch als chirurgische Dissektionsebene verwendbar
trockener Anteil M. orbicularis oris
feuchter Anteil A. labialis inferior
Haut-LippenrotGrenze Philtrumrand Lippenrotgenzen nasolabiale Falte
Lippenkinnfalte kleine Schleimdrüse
Abb. 12.2. Querschnitt im Unterlippenbereich
Abb. 12.3. Funktionell ästhetische Lippeneinheit und deren Untereinheiten
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Lippendefekte
KAPITEL 12
M. levator labii superioris M. zygomaticus minor
M. zygomaticus major
M. orbicularis oris M. depressor labii inferioris
M. mentalis
Abb. 12.5. Intrinsische und extrinsische Muskeln im Mundund Lippenbereich
! Durch diese innige Verbindung besteht im Mundbereich keine natürliche Trennschicht zwischen Haut, Subkutis und Muskulatur.
Linien der maximalen Dehnbarkeit
Abb. 12.4. Verlauf der RSTL im Lippenbereich
Die Spannungslinien der Haut („relaxed skin tension lines“ (RSTL) nach Borges [6]) verlaufen rechtwinkelig zu der darunter liegenden Muskulatur; im Mundwinkelbereich ergibt sich daraus eine horizontale Lage, die für die Planung und Durchführung von Eingriffen im Mundwinkelbereich (Kommissur) von Bedeutung ist (Abb. 12.4). Die Dicke und Textur der subkutanen Fettschicht zeigt große interindividuelle Unterschiede, nicht aber der prinzipielle Aufbau. Die subkutane Fettschicht folgt einem lobulären Aufbau, da das Fett durch bindegewebige Septen unterteilt wird. In diesen verlaufen Blutgefäße, Lymphgefäße und Nerven. Die bindegewebigen Septen stellen den Anteil des SMAS im kaudalen Gesichtsdrittel dar. Sie sind fest mit den darunter liegenden Muskeln verbunden und übertragen so auch feinste Muskelbewegungen an die Oberfläche.
Ausgedehnte Präparationen zwischen Haut und Muskel führen zu gewollten und ungewollten Veränderungen der Hautoberfläche in Ruhe und bei Bewegung (Mimik). Der M. orbicularis oris bildet die muskuläre Grundlage der Lippen. Seine Faserbündel umkreisen die Mundöffnung. Sie entspringen zum Teil im Bereich der Mundwinkel aus eingeschalteten Sehnen, aber auch in der Tiefe vom Alveolarfortsatz des Ober- und Unterkiefers. Der Muskel wird von Faserbündeln in radialer Richtung (aus der Tiefe gegen die Oberfläche) durchsetzt. Die Pars marginalis grenzt mit schmalen dicht gelagerten Bündeln an die Mundspalte und verläuft unter dem Lippenrot nach außen gegen die Haut. Der peripher gelegene Hauptteil des Muskelrings, Pars labialis, ist nur unscharf abgegrenzt und besteht aus größeren Faserzügen (Abb. 12.5). Der Aufbau der Submukosa und Mukosa zeigt sehr starke interindividuelle Unterschiede. Die Bauprinzipien sind an Ober- und Unterlippe prinzipiell gleich. Zwischen Muskel und Submukosa bestehen im Gegensatz zu Subkutis und Muskel keine ausgeprägten Verbindungen. Hier kann eine chirurgische Trennung, z. B. im Rahmen einer Dehnungslappenplastik nach Dieffenbach [11] zum Vermillionersatz, ohne größere funktionelle Beeinträchtigung erfolgen. Zwischen Muskel und Submukosa liegen zahlreiche kleine Speicheldrüsen in Gruppen angeordnet. Während der Geschlechtsreife wachsen häufig stecknadelkopfgroße Talgdrüsen heran,
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Lippendefekte
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die eine bis in die Wangenschleimhaut reichende Reihe bilden können. Bei der Mukosa sind zwei Anteile zu unterscheiden: ∑ die rote Umrandung der Lippe mit Mukosa, das Lippenrot oder Vermillion, ∑ die Fortsetzung der Mukosa als enorale Auskleidung der Ober- und Unterlippenhinterwand. Das Lippenrot beginnt an der Außenseite mit einem scharfen Übergang von Gesichtshaut zu Schleimhaut, der sog. mukokutanen Grenzschicht.
! Die mukokutane Grenzschicht ist für alle rekonstruktiven und ästhetischen Eingriffe von größter Bedeutung. Kleinste Ungenauigkeiten und Stufenbildungen können sehr auffällig sein und zu großen ästhetischen Beeinträchtigungen führen.
Das Lippenrot ist von mehrschichtigem, schwach verhorntem Plattenepithel bedeckt, in das die Lamina propria mucosa mit Kapillarschlingen in hohen Papillen weit hineinragt. Drüsen fehlen, das Epithel wird beim Sprechen und bei der Nahrungsaufnahme angefeuchtet.
! Beim Bewusstlosen und bei extremer Beanspruchung
(z. B. Bergsteigen) besteht die Gefahr des Austrocknens der Lippen. Protektion und kontinuierliches Anfeuchten sind nötig.
Im Bereich des Lippenrots können ein externer und ein interner Anteil unterschieden werden. Die Trennung beider Anteile erfolgt durch die diffuse Linie, in der Ober- und Unterlippe aneinander zuliegen kommen und somit auch eine Milieuänderung von feucht auf der Innenseite zu trocken auf der Außenseite erfolgt. Der externe Anteil des Lippenrots zeigt in Abhängigkeit vom Feuchtigkeitsgrad und der Sonnenexposition eine mehr oder weniger ausgeprägte Faltenbildung, Verhornung und Abschilferung der oberflächlichen Schichten. Der interne Anteil des Vermillions zeigt sich als eine glatte Oberfläche. Das Lippenrot geht ohne scharfe Grenze in die Lippenschleimhaut über. Ober- und Unterlippe sind durch eine Schleimhautfalte, Frenulum labii superior und inferior, mit dem Zahnfleisch verbunden.
12.1.1.2 Vaskularisation Die arterielle Durchblutung der Ober- und Unterlippe erfolgt durch die meistens paarig angelegten Aa. labiales superior bzw. inferior und die Äste der A. facialis, welche untereinander funktionell bedeutende Anastomosen ausbilden (Abb. 12.6). Zahlreiche anatomische Varianten sind beschrieben. Neben unterschiedlicher Anzahl und Dicke der Gefäßversorgung einer Seite kann in seltenen
A. labialis superior A. labialis inferior A. facialis
Abb. 12.6. Vaskularisation im Bereich der Ober- und Unterlippe und häufige anatomische Gefäßvarianten
Fällen auch eine einseitige Versorgung der Unter- und Oberlippe vorliegen. Die A. labialis inferior entspringt beidseits aus der A. facialis etwa in Höhe des Mundwinkels. Sie verläuft unter dem M. depressor anguli oris, durchbricht den M. orbicularis oris und zieht in geschlängeltem Verlauf zwischen dem Muskel und der Mukosa gegen die Mitte, um mit dem gegenüberliegenden Analogon eine zirkuläre Anastomose, das A.-labialis-inferior-System, auszubilden. Dieses System hat zahlreiche Verbindungen zu den Ästen der Aa. alveolares inferiores (Rr. Mentales) und der Aa. labiales superior. Nach Abgang der A. labialis inferior liegt die A. facialis auf dem M. buccinator und M. levator oris und verläuft entweder auf oder durch den M. levator labii superioris. In diesem Abschnitt zweigt die A. labialis superior ab. Bei hypoplastisch angelegter A. facialis kann die A. labialis superior auch aus der A. tranversa facii entspringen. Die A. labialis superior verläuft zwischen M. orbicularis oris und Mukosa wiederum zur Mittellinie, um mit dem Analogon der Gegenseite das A.-labialis-superior-System zu bilden. Aus diesem gehen Äste für die Versorgung des Septum nasii und der Alae nasii ab. Der venöse Abfluss erfolgt über die Vv. labiales superiores et inferiores, welche die gleichnamigen Arterien begleiten, primär aber auch über die V. facialis, welche unterhalb des Platysma verläuft.
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12.1.1.3 Lymphatische Versorgung 12.1.3 Diagnostik Der lymphatische Abfluss erfolgt überwiegend über die Nn. lymphatici submentales und den Lymphknoten, die entlang des Unterrandes der Mandibula die Gefäße begleiten. Die Lymphe aus der Oberlippe und den lateralen Anteilen der Unterlippe wird vornehmlich in die Nn. lymphatici submandibulares et faciales drainiert. Lymphe aus den zentralen Anteilen der Unterlippe fließt hauptsächlich über die Nn. lymphatici submentales ab.
12.1.1.4 Innervation Die sensible Versorgung der Oberlippe erfolgt durch Abgänge aus dem N. infraorbitalis (N.V2), die von oben paranasal zur Oberlippe ziehen. Die Unterlippe wird sensibel von den Ästen des N. mentalis (N. V3) innerviert. Die motorische Versorgung erfolgt über die Rr. buccales et mandibulares des N. facialis (N. VII).
12.1.2 Ätiologie Lippendefekte können angeboren oder erworben sein. Die häufig im Rahmen von Spaltbildungen auftretenden Lippendefekte sollen hier nicht berücksichtigt werden (s. Bd. II, Kap. 2 (Spaltbildungen)). Erworbene Lippendefekte entstehen häufig durch Trauma oder nach Tumorresektion und Infektion. Bezüglich tumorbedingter Defekte können folgende allgemeine Anmerkungen gemacht werden: Das spinozelluläre Karzinom (SCC) stellt den häufigsten Tumor im Lippenbereich dar. Es bestehen deutliche Unterschiede zwischen Ober- und Unterlippe, die sich hauptsächlich mit der unterschiedlichen Dosis von aktinischer (Sonneneinstrahlung) oder andersartiger Schädigung (z. B. Zigaretten) erklären lassen. Das spinozelluläre Karzinom entsteht in den meisten Fällen im Bereich des Lippenrots der Unterlippe. Das spinozelluläre Karzinom im Bereich der Oberlippe stellt eine ausgesprochene Seltenheit dar.
! Bei Tumoren im Oberlippenbereich,die eine allschich-
tige Resektion notwendig machen, ist unbedingt an einen malignen Tumor der kleinen Speicheldrüsen zu denken.
Primäre spinozelluläre Karzinome im Mundwinkelbereich sind ebenfalls selten, hier sollte bei positivem Befund auch nach einem intraoralen Primärherd gesucht werden. Naevi und Lentigo sind vor allem im Unterlippenbereich sehr häufig, eine maligne Entartung ist hier jedoch selten. Im Gegensatz dazu treten maligne Entartungen dieser Tumoren im Oberlippenbereich wesentlich häufiger auf.
Die Ätiologie des Lippendefektes bestimmt vornehmlich Art und Umfang der Diagnostik (s. Bd. II, Kap. 2 (Spaltbildungen) und Bd. II, Kap. 4 (Erworbene Gesichtdefekte)).
12.1.4 Klassifikation Es existieren zahlreiche Klassifikationen der erworbenen Lippendefekte. Aus klinischer Sicht hat sich eine Einteilung hinsichtlich Lokalisation (Lippenrot, Oberlippe, Unterlippe, Mundwinkel), Tiefe (oberflächliche Hautdefekte vs. allschichtige Lippendefekte) und Ausdehnung bewährt.
Erworbene Lippendefekte Monoregionale Defekte ∑ Defekte des Lippenrots (Vermillion) – Lippenrotdefekte im Unterlippenbereich Lokalisierte Defekte Ausgedehnte Defekte – Lippenrotdefekte im Oberlippenbereich Lokalisierte Defekte Ausgedehnte Defekte ∑ Defekte der Unterlippe – Oberflächliche bzw. partielle Defekte – Allschichtige Defekte Defekte < 1/3–1/2 Defekte zwischen 1/2 und 2/3 Defekte > 2/3 und komplette Unterlippendefekte ∑ Defekte der Oberlippe – Oberflächliche bzw. partielle Defekte – Allschichtige Defekte Defekte < 1/3–1/2 Defekte zwischen > 1/2 und < 2/3 Defekte > 2/3 und komplette Oberlippendefekte ∑ Defekte des Mundwinkels (Kommissur) – Oberflächliche bzw. partielle Defekte – Allschichtige Defekte Polyregionale Defekte
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12.1.5 Therapie Bei der primären und sekundären plastisch-chirurgischen Rekonstruktion sollten eine Anzahl allgemeiner Prinzipien beachtet werden: ∑ Alle Inzisionen im Lippenbereich sollten parallel der RSTL verlaufen, d. h. vertikal und im Bereich der Mundwinkel horizontal. ∑ Vor jeder allschichtigen Resektion im Lippenbereich sollte die mukokutane Grenzlinie genau markiert werden, um später eine exakte Wiederherstellung zu erleichtern. ∑ Um bei durchgreifenden Defekten der Lippen die Lippenform zu erhalten, ist ein schichtweiser Verschluss notwendig. Dieser kann entweder zweischichtig (Mukosa/Muskel und Haut) oder dreischichtig (Mukosa, Muskel, Haut) erfolgen. ∑ Bei traumatischen Defektzuständen muss bedacht werden, dass die Defekte durch die Elastizität des Gewebes größer erscheinen, als sie wirklich sind (scheinbarer Defekt versus. wirklicher Defekt). Nach Débridement des Defektes und Anlegen von Haltefäden im Mukosabereich kann ausprobiert werden, wie groß der Defekt tatsächlich ist. ∑ Lippen sind aktiv und passiv dehnbar, deshalb muss nie der volle Defekt in ganzer Länge rekonstruiert werden. Diese Dehnbarkeit verändert sich im Alter. Bei jungen Patienten können Defekte bis zu einem Viertel, bei älteren Patienten bis zu einem Drittel durch einfache schichtweise Wundrandadaptation direkt verschlossen werden. Dieser Unterschied erklärt sich durch den Elastizitätsverlust der Haut im Alter, die Verminderung der Hautdicke im Alter und den zusätzlichen Höhenverlust des prämaxillären und mandibulären Knochens. Für die Rekonstruktion größerer Defekte bedeutet dies aber auch, dass die Rekonstruktion um ein Viertel respektive ein Drittel der Lippenlänge reduziert werden kann.
Bei der Lippenrekonstruktion wird die Wahl der Methode von der Größe des Defektes und der funktionserhaltenden Potenz der Methode bestimmt.
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Für die Funktionalität sind vor allem Mobilität und Sensibilität von Bedeutung.Grundsätzlich gilt,dass eine Rekonstruktion besser gelingt je kleiner der Defekt ist und die Möglichkeit besteht, eine Rekonstruktion mit defektangrenzendem Gewebe durchzuführen.
Bei den Methoden nach Webster [39] und Karapandzic [24] bleibt die Motorik und Sensibilität weitgehend erhalten. Auch die Techniken nach Abbé [1] und Estlander [13, 14] führen nur zu einem geringen Funktionsausfall. Die Methoden nach de Fries,Webster [38], Bernard [4, 5] und Steeple dagegen führen zu größeren sensiblen und motorischen Einbußen. Die Technik nach Gilles [20, 21], weniger deren Modifikation nach McGregor [32, 33], führen zum kompletten Funktionsausfall einer oder beider Mundhälften. Ihr Einsatz ist restriktiv auf die kompletten Oberlippen- oder Unterlippendefekte zu beschränken. Schließlich ist zu bedenken, dass der Einsatz der funktionserhaltenden Techniken in Kombination mit einer sekundären Lippenspalterweiterung eine gute Kompromisslösung mit geringer Funktionseinbuße darstellt. Indikationen für freie mikrovaskuläre Lappenplastiken bestehen bei fehlender Mobilität und Sensibilität nur bei ausgedehnten Gesichtsdefekten mit umfangreichen Lippendefekten.
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a
b
12.2 Spezielle Techniken 12.2.1 Technik des mehrschichtigen primären Wundschlusses Um bei durchgreifenden Defekten der Lippen die Lippenform zu erhalten, ist ein schichtweiser Verschluss notwendig. Dieser kann entweder zweischichtig (Mukosa/Muskel und Haut) oder dreischichtig (Mukosa, Muskel, Haut) erfolgen. Die schleimhautfassende Naht kann mit resorbierbarem Nahtmaterial (3/0 oder 2/0) so gelegt werden, dass die Knoten nach innen zu liegen kommen. Die Haut sollte mit 6/0 Einzelknopfnähten verschlossen werden. Besonders wichtig ist die exakte Wiederherstellung des mukokutanen Überganges. Bereits kleinste Unebenheiten können zu einer großen ästhetischen Beeinträchtigung führen (Abb. 12.7).
! Der genaue Verlauf des mukokutanen Übergangs ist
bei zu starker,direkter Beleuchtung im Operationssaal häufig schwer zu erkennen. Auf eine exakte Wiederherstellung der mukokutanen Grenzlinie ist unbedingt zu achten.
Zusätzlich aufgebrachte Steristrips stabilisieren die Naht in der Frühphase. Zur besseren postoperativen Abschwellung sollte frühzeitig mit einer kühlenden Nachbehandlung begonnen werden. Heiße Speisen, Milch und Zucker sollten für 24 Stunden vermieden werden. In Abhängigkeit von Ausmaß und Festigkeit der Rekonstruktion und der Gewebedurchblutung sollten starke Kaubewegungen und große Mimikamplituden für 3–5 Tage unterbleiben. In dieser Zeit empfiehlt sich flüssige oder breiige Kost. Die Fäden müssen möglichst früh, d. h. am 5.–7. postoperativen Tag entfernt werden. Eine anschließende Narbenpflege ist zu empfehlen.
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c
d
Abb. 12.7 a–e. Zweischichtige Rekonstruktion im Lippenbereich.a Klinischer Aspekt,intraoperativ,b Präparation der Haut von Muskel-Mukosa-Lappen, c Naht von Muskel und Mukosa (alternativ können bei dreischichtiger Naht Muskel und Mukosa separat koaptiert werden). Zur Erhöhung der Genauigkeit der Wundnaht kann die Haut im Wundrand auf einer Strecke von 2–3 mm von der darunter liegenden Muskelschicht abpräpariert werden, d Hautnaht, e klinischer Aspekt postoperativ
e
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12.2.2 Defekte des Lippenrot (Vermillion) Für die Einteilung der Defekte im Bereich des Lippenrots hat sich aus klinischer Sicht neben der Lokalisation (Oberlippe, Unterlippe, Ober- und Unterlippe) das Defektausmaß und die Defekttiefe bewährt. In Abhängigkeit vom Defektausmaß werden kleine lokalisierte Defekte und große ausgedehnte Defekte unterschieden. Im Hinblick auf die Defekttiefe differenziert man zwischen reinen Lippenrotdefekten sowie Defekten des Lippenrots und der darunter liegenden bzw. daran anschließenden Strukturen (Gesichtshaut, M. orbicularis oris).
Klassifikation und Differentialtherapie der Defekte im Lippenrotbereich ∑ Lokalisierte Lippenrotdefekte – Direkter Wundschluss – Mukosatransplantation – Gestielte Mukosalappenplastiken ∑ Ausgedehnte Lippenrotdefekte Reine Lippenrotdefekte – Mukosadehnungslappenplastik (nach Dieffenbach) – Gestielte Zungenlappenplastiken Ventrale Zungenlappenplastik Laterale Zungenlappenplastik Dorsale Zungenlappenplastik ∑ Defekte des Lippenrots und der darunter liegenden bzw. daran anschließenden Strukturen – Gestielte Zungenlappenplastiken Ventrale Zungenlappenplastik Laterale Zungenlappenplastik Dorsale Zungenlappenplastik
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12.2.2.1 Lippenrotdefekte im Unterlippenbereich Lokalisierte Defekte Kleine Defekte im Lippenrotbereich, vor allem wenn sie parallel der Hautspannungslinien liegen, können primär verschlossen werden. Es ist jedoch darauf zu achten, dass keine Verformung entsteht, die die Lippenästhetik beeinträchtigen könnte. Bei einer eingezogenen Narbe kann primär oder sekundär eine Korrektur mithilfe einer Z-Plastik indiziert sein. Obwohl freie Mukosatransplantate im Allgemeinen gut einheilen, können nur oberflächliche Defekte behandelt werden, da zu wenig Gewebevolumen vorliegt. Bei lappenbildenden posttraumatischen Wunden sollte, wenn möglich, immer eine Refixierung von nicht gequetschten Mukosaanteilen im Sinne einer freien Vollhauttransplantation erfolgen. Bei kleinen Lippenrotdefekten, die nicht primär verschlossen werden können, sind gestielte Mukosalappenplastiken die Therapie der Wahl.
! Es ist wichtig, primär eine Überkorrektur durchzuführen, da sekundär eine narbenbedingte Gewebeschrumpfung auftreten kann.
Häufig sind kleine Sekundärkorrekturen im Sinne einer Narbenkorrektur frühestens 3–6 Monate nach erfolgter Lappenplastik notwendig. Aus der großen Anzahl an beschriebenen Lappenplastiken, welche immer individuell eingesetzt, kombiniert und modifiziert werden können, haben sich besonders zwei bewährt: Für runde Defekte verwenden die Autoren häufig die uni- oder bilaterale VY-Lappenplastik. Für Defekte, die weniger als ein Drittel der Lippenrotbreite ausmachen, ist die transversale Dehnungslappenplastik nach Goldstein [20] von Vorteil (Abb. 12.8).
Ausgedehnte Defekte Mukosa im Lippenrotbereich unterscheidet sich von der intraralen Mukosa. Deshalb bestehen immer Unterschiede zwischen der ortsständigen Mukosa im Lippenbereich und der transferierten Mukosa aus dem Mundbereich. Die Mukosa aus dem Mundbereich trocknet leichter aus und bekommt schneller ein mattes Erscheinungsbild. Aus ästhetischen Gründen ist es bei ausgedehnten Defekten des Lippenrots im Bereich der Unterlippe und vor allem bei aktinischen Schädigungen im Allgemeinen ratsam, die gesamte funktionelle Einheit im Sinne einer kompletten Vermillektomie („lip-shave“) zu entfernen. Für die Rekonstruktion derartiger Defekte stehen folgende Rekonstruktionstechniken bereit: die
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Mukosadehnungslappenplastik nach Dieffenbach [11] und die mehrzeitige gestielte Mukosalappenplastiken aus dem Zungenbereich. Die Mukosadehnungslappenplastik nach Dieffenbach [11] ist indiziert bei Defekten, die nur auf das Lippenrot beschränkt sind. Nach Präparation zwischen Mukosa, Submukosa und M. orbicularis oris bis maximal in den Bereich des Vestibulum oris kann die Mukosa unter geringer Spannung und ohne Verziehung der Unterlippe im Sinne eines „Einrollen“ verschoben werden.
! Die Präparation des Mukosalappens sollte auf das
a
notwendige Minimum reduziert sein, um ein Maximum an Sensibilität im Lappenbereich zu erhalten. (Abb. 12.9).
Bei Defekten mit zusätzlichem Gewebeverlust im darunter liegenden Muskelbereich sind Lappenplastiken aus dem Zungenbereich der Dehnungslappenplastik nach Dieffenbach [11] vorzuziehen, da mit Letzterer kein ausreichendes Gewebevolumen verschoben werden kann und eine flache atrophische Lippe resultierten würde.
! Gestielte Mukosalappenplastiken aus dem Zungenbereich erfordern ein zweizeitiges Vorgehen.
b
Abb. 12.8 a, b. Rekonstruktion eines Lippenrotdefektes mit weniger als ein Drittel der Lippenrotbreite mithilfe der transversalen Dehnungslappenplastik. a Präoperativer Aspekt und Lappenplanung, b postoperativer Aspekt (Nach Goldstein [20])
Nach der initialen Defektrekonstruktion muss die Lappenplastik 10–14 Tage mit der Spenderstelle in Verbindung bleiben bis eine ausreichend Neovaskularisation aus dem Empfängergebiet erreicht ist („demanding flap“). Während dieser Zeit ist die Funktion weitgehend aufgehoben. Auf eine ausreichende Hydrierung und Ernährung ist unbedingt zu achten. Des Weiteren ist ein Beißschutz zwischen Ober- und Unterkiefer (Methacrylat oder andere zahnärztliche Materialien) unbedingt anzuraten, um eine akzidentielle Verletzung im Lappenstielbereich zu vermeiden. Lappenplastiken können entweder von der dorsalen Zungenoberfläche [21], (Abb. 12.10), der ventralen Zungenunterfläche [22] oder beidseitig vom Zungenrand gehoben werden. Die Wahl des Spendergebiets ist abhängig von der Beschaffenheit der Mukosa auf der Zungenoberfläche. Im dorsalen Zungenbereich bestehen häufig tiefe Furchen und große Papillen. In diesen Fällen würde nach einer Transposition ein unbefriedigendes ästhetisches Ergebnis resultieren. Ist die dorsale Zungen-Mukosalappenplastik aus diesem Grund nicht möglich, sollte auf die ventrale Mukosalappenplastik zurückgegriffen werden. Liegt zusätzlich ein größerer Muskeldefekt vor, hat sich die bilaterale Mukosalappenplastik vom Zungenrand bewährt. Die evtl. auftretenden Probleme der Nachbehandlung sollten in diesem Zusammenhang Berücksichtigung finden.
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a
c
Abb. 12.9 a–c. Mukosadehnungslappenplastik zur Rekonstruktion nach kompletter Vermillektomie. a Präoperativer Aspekt, Lappenplanung und Aspekt nach kompletter Vermillektomie bis auf den M. orbicularis oris, b Querschnitt im Bereich der Unterlippe und Planung der Lappenverschiebung, c postoperativer klinischer Aspekt (Nach Dieffenbach [11])
b
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a b
c d
Abb. 12.10 a–f. Rekonstruktion eines kompletten Lippenrotdefektes mit einer ventralen Zungen-Lappenplastik. a Klinischer Aspekt nach kompletter Vermillektomie im Unterlippenbereich, b Planung und Präparation des Mukosalappens vom anterioren Bereich der dorsalen Zungenoberfläche, c Aspekt nach Einnähen der Lappenplastik, d Aspekt nach sekundärer Stieldurchtrennung 10–14 Tage nach initialer Operation, e klinischer Aspekt nach Einnähen der Lappenplastik im Unterlippenbereich und primärem Wundschluss im Bereich der Zungenspitze, f schematische Darstellung der Lappenprotektion mit Beißschutz (Nach Guerrero-Santos [21]) Abb. 12.10 e, f. Seite 328
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e f
Abb. 12.10 e, f
12.2.2.2 Lippenrotdefekte im Oberlippenbereich Im Vergleich zur Unterlippe treten Korrektureingriffe im Lippenrotbereich der Oberlippe aus mehreren Gründen häufiger auf. Angeborene Defekte (Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten) betreffen primär die Oberlippe. Die Erscheinung der Oberlippe hat eine größere ästhetische Bedeutung als die der Unterlippe: Deshalb sind sekundäre Korrektureingriffe oder primäre ästhetische Eingriffe viel häufiger. Klassifikation und differentialtherapeutisches Vorgehen entsprechen jenem im Unterlippenbereich.
Lokalisierte Defekte Die Indikationen für einen direkten Wundschluss, freie Mukosatransplantate und gestielte Mukosalappenplastiken entsprechen denen im Bereich der Unterlippe (s.Abschnitt 12.2.2.1.). Für zentral gelegene kleine Defekte, vor allem bei angeborenen Spaltbildungen, hat sich die uni- oder bilaterale VY-Mukosalappenplastik bewährt.
! Alle gestielten Lappenplastiken sollten primär zu ei-
ner Überkorrektur führen, da sekundäre Gewebeschrumpfungen immer einkalkuliert werden müssen.
Wird das Lippenrot der Oberlippe subjektiv als zu klein empfunden, kann eine Vergrößerung mithilfe mehrerer Techniken erreicht werden: ∑ Vor allem bei älteren Menschen kommt es durch eine altersbedingte Verlängerung der Oberlippe zu einem „Einrollen der Oberlippe“ mit verminderter Exposition des Lippenrots. Eine Kürzung der Oberlippe durch eine einfache Hautresektion kann hier mit geringem Aufwand ausgezeichnete Ergebnisse bringen (s. Kap. 17, Gesichtsstraffung). ∑ Bei zentral gelegenem Defiziten stellt die bilaterale VY-Mukosa-Lappenplastik und die W-Plastik eine gute Therapiemöglichkeit dar. Bei lateral gelegenen Defiziten hat sich die Mukosdehnungslappenplastik bewährt (Abb. 12.11). ∑ Bei Patienten mit wulstigen Unterlippen und schmalen Oberlippen kann ein bipedikulär gestielter Mukosatransfer im Sinne einer Visierlappenplastik beide Defizite gleichzeitig korrigieren.
Ausgedehnte Defekte Große ausgedehnte Lippenrotdefekte im Bereich der Oberlippe sind aus mehreren Gründen schwierig zu rekonstruieren. Lokal besteht nur eine limitierte Menge an Mukosa zur Verfügung. Eine Dehnungslappenplastik nach Dieffenbach [11] ist im Oberlippenbereich nicht indiziert, da sie zu einer auffallenden Deformität im Sinne eines „Einrollens“, vor allem der zentralen Oberlippenanteile führt. Gestielte Mukosalappenplastiken aus dem Zungenbereich haben aufgrund der unphysiologischen
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12.2.3 Defekte der Unterlippe 12.2.3.1 Oberflächliche bzw. partielle Defekte Einfache Hautdefekte im Unterlippenbereich sind selten und können häufig primär verschlossen oder mit lokalen Hautlappenplastiken funktionell und ästhetisch rekonstruiert werden. a
Differentialtherapie bei Hautdefekten im Unterlippenbereich ∑ Wunden und kleine Defekte – Direkter Wundschluss (entlang den RSTL) ∑ Linear verlaufende Narben – Z-Plastik ∑ Defekte in der Nachbarschaft der Nasolabialfalte – A-to-T-Rotationslappenplastik ∑ Defekte in der Nachbarschaft des Lippenrots – A-to-T-Rotationslappenplastik ∑ Zentrale Defekte – „Crescent advancement flap“ nach Burow bzw. Webster ∑ Laterale Defekte – „Crescent advancement flap“ nach Burow bzw. Webster – Nasolabiale Transpositionslappenplastik
b
Abb. 12.11 a, b. Korrektur eines unilateral schmaleren Lippenrots im Oberlippenbereich mit einer Mukosadehnungslappenplastik. a Präoperativer Aspekt und Lappenplanung, b postoperativer Aspekt
Zungenlage ein erhöhtes Risiko der sekundären Dehiszenz. Für die anterior gestielte laterale Zungenlappenplastik besteht diesbezüglich das geringste Risiko, deshalb ist diese Technik im Oberlippenbereich eine gute Wahl. Die Wiederherstellung des bikonvexen Cupidbogens stellt das größte ästhetische Problem dar. Fast alle Rekonstruktionen zeigen den typischen Makel einer Oberlippenrekonstruktion bei angeborener Spaltbildung: Fehlen des oberen konvexen Bogens und abrupter Übergang zwischen Gesichtshaut und Lippenrot. Durch sekundäre Tätowierung kann hier eine deutliche Ergebnisverbesserung erreicht werden.
Zur Korrektur eines linearen Narbenzuges hat sich die einfache bzw. multiple Z-Plastik bewährt. Bei Defekten in Nachbarschaft der Nasolabialfalte bzw. des Lippenrots sollte immer an eine A-to-T-Rotationslappenplastik nach Imre [25] gedacht werden (Abb. 12.12). Für die Rekonstruktion zentral gelegener Hautdefekte im Unterlippenbereich hat sich die uni- bzw. bilaterale Dehnungslappenplastik bewährt: Die Hautinzision liegt im Bereich der Nasolabialfalte und erstreckt sich in Abhängigkeit von der Defektgröße in den Wangenbereich. Durch eine mehr oder weniger große Resektion eines sog. Burow-Dreiecks kann ein primärer Wundschluss erzielt werden. Für größere Defekte stellt die Wangenrotationslappenplastik eine gute Therapiemöglichkeit dar (Abb. 12.13). Lateral gelegene Hautdefekte im Unterlippenbereich können entweder mithilfe einer Verschiebelappenplastik, Rotationslappenplastik oder einer Transpositionslappenplastik aus dem Bereich der Nasolabialfalte (Abb. 12.14) gedeckt werden.
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Abb. 12.12 a, b. Deckung eines Hautdefektes in Nachbarschaft zum Lippenrot mit einer A-to-T-Rotationslappenplastik. a Präoperativer Aspekt und Lappenplanung, b postoperativer Aspekt
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b a
d
c
e Abb. 12.13 a–e. Rekonstruktion eines zentral gelegenen Hautdefektes im Unterlippenbereich mit einem modifizierten (erweiterten) Wangenrotationslappen.a Präoperativer Aspekt,b Schema der Lappenhebung,c Schema der Lappenverschiebung,d klinischer Aspekt am Ende der Operation, e klinischer Aspekt 3 Monate postoperativ
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Abb. 12.14 a–c. Rekonstruktion eines Hautdefektes im Bereich der lateralen Unterlippe mit einer inferior gestielten Lappenplastik aus dem Bereich der Nasolabialfalte. a, b Präoperativer Aspekt und Lappenplanung, c postoperativer Aspekt
c
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12.2.3.2 Allschichtige Defekte Bei rekonstruktiven Eingriffen im Unterlippenbereich mit allschichtigen Defekten sollten mehrere Punkte beachtet werden: ∑ Es ist darauf zu achten, dass im Unterlippenbereich keine zu große Spannung entsteht. ∑ Die Unterlippe sollte funktionell sein und eine adäquate Höhe aufweisen.
Für die Rekonstruktion von allschichtigen Unterlippendefekten stehen dem Chirurgen, in Abhängigkeit von der Defektgröße, alle therapeutischen Möglichkeiten zur Verfügung: ∑ primärer Wundschluss, ∑ alleinige Nutzung der bilaterale Dehnungslappenplastik bzw. in Kombination mit den Austauschlappenplastiken nach Abbè [1] respektive Estlander [13, 14, 15] ∑ Lappenplastiken aus dem Bereich der Nasolabialfalte ∑ Lappenplastik nach Bernard [4, 5] und Burow [9].
Differentialtherapie bei allschichtigen Defekten im Unterlippenbereich ∑ Allschichtige Unterlippendefekte < 1/3 bis 1/2 – Primärer Wundschluss – Mukomyokutane-crescentic-advancement-Technik nach Celsius bzw. Bruns ∑ Allschichtige Unterlippendefekte > 1/2 bis 2/3 Zentrale Defekte – A-to-T-Rotationslappenplastik – Karapandzic flap – Bilaterale Wangendehnungslappenplastik nach Bernard bzw. Webster Laterale Defekte ohne Beteiligung des Mundwinkelbereichs – Lappenplastik nach Abbè Unilaterale Wangendehnungslappenplastik nach Bernard bzw. Webster Laterale Defekte mit Beteiligung des Mundwinkels – Lappenplastik nach Estlander ∑ Allschichtige Unterlippendefekte > 2/3 und komplette Unterlippendefekte Subtotale Defekte – Bilaterale Lappenplastik nach Karapandzic – Bilaterale modifizierte Fahnen-Lappenplastik nach McGregor – Bilateraler „Steeple-flap“ nach Stranc Komplette Defekte – Bilaterale Lappenplastik nach Karapandzic mit sekundärer Mundwinkelerweiterungsplastik – Bilaterale modifizierte Fahnen-Lappenplastik nach McGregor
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– Bilateraler „Steeple-flap“ nach Stranc – „Gate-flap“ nach Fujimori – Bilaterale Wangendehnungslappenplastik nach Bernard bzw. Webster
Defekte < 1/3 bis 1/2 der Unterlippenlänge Aufgrund der großen Elastizität im Bereich der Unterlippe können allschichtige Defekte bis zu einer Größe von einem Viertel (bei jungen Patienten) und bis zu einem Drittel (bei älteren Patienten) schichtweise verschlossen werden. Bei Resektionen wird deshalb häufig eine V-förmige Schnittführung gewählt. Zur Vermeidung von narbenbedingten Beeinträchtigungen sollte die V-förmige Exzision nicht unter den Sulcus buccalis ausgedehnt werden. In den meisten Fällen kann hiermit eine funktionell und ästhetisch gute Rekonstruktion erreicht werden. Bei einem primären Wundschluss kann sekundär eine narbenbedingte Einziehung im Narbenbereich auftreten. Die Korrektur sollte 3–6 Monate nach Primäroperation durch eine einfache Z-Plastik erfolgen. Falls dies für einen spannungsarmen Verschluss nötig ist, muss die Inzision parallel entlang des Sulcus buccalis verlängert werden. (Abb. 12.15). Bei größeren Defekten und zu großer Spannung im Narbenbereich stellt die Mukomyokutane-crescenticadvancement-Technik nach Celsius bzw. Bruns [7] durch zusätzliche Inzisionen im Bereich der Gesichtshaut entlang der kaudalen Grenze der funktionell-ästhetischen Unterlippeneinheit eine zuverlässige Erweiterung der Therapie dar, um eine adäquate Höhe im Unterlippenbereich wiederherzustellen (Abb. 12.16). Da eine Verkürzung um ein Viertel der Unterlippenlänge, vor allem beim älteren Menschen zu keinen nennenswerten funktionellen ursprünglichen bzw. ästhetischen Nachteilen führt, können auch Defekte, die die Hälfte der Unterlippe einnehmen, mit dieser schrittweisen Operationstechnik erfolgreich rekonstruiert werden.
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Abb. 12.15 a–g. Modifizierte V-Exzision eines Tumors mit Verlust von einem Drittel der Unterlippenlänge. a Klinischer Aspekt präoperativ, b Schema der V-förmigen Tumorresektion, c klinisches Bild intraoperativ, d Schema der Mobilisation im Unterlippenbereich für spannungsfreien Primärverschluss (Release im Bereich des Sinus buccalis zur Vergrößerung des Radius der Dehnungslappenplastik), e klinisches Bild 1 Jahr postoperativ, f Z-Plastik im Bereich der Mukosa zur Vermeidung einer narbenbedingten Einziehung im medianen Bereich des Sulcus buccalis, g postoperativer Aspekt
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Abb. 12.16 a, b. Korrektur eines Ektropiums im Unterlippenbereich nach Verbrennung mithilfe einer Mukomyokutanen-crescentic-advancement-Lappenplastik nach Celsius bzw. Bruns [7]. a Aspekt nach Resektion und Lappenplanung, b postoperativer Aspekt
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Abb. 12.17 a, b. Bilateral A-to-T-Rotationslappenplastik zum Verschluss eines allschichtigen zentral gelegenen Unterlippendefekts. a Präoperativer Aspekt und Lappenplanung, b postoperativer Aspekt
Defekte > 1/2 bis 2/3 der Lippenlänge Jeder tatsächliche Defekt im Unterlippenbereich, der größer als 50 % der ursprünglichen Unterlippenlänge ist, benötigt eine formale Rekonstruktion. Allen Rekonstruktionstechniken gemeinsam ist, dass der Defekt in eine V-förmige oder viereckige Form gebracht wird. Für zentral gelegene Defekte bis zu 50 % der Ausgangslänge der Unterlippe hat sich eine rechteckige Exzision mit anschließender A-to-T-Rotationslappenplastik mit Inzisionen entlang des Sulcus mentolabialis bewährt. Für den faltenfreien Verschluss ist die Entfernung von je einem Burow -Dreieck im lateralen Inzisionsbereich notwendig (Abb. 12.17). Bei Defekten von 50–75 % der ursprünglichen Unterlippenlänge stellt die Lappenplastik nach Karapandzic [24] die Therapie der Wahl dar. Das Prinzip besteht in einer bilateralen Rotation von Gewebe aus dem Bereich der Oberlippe und des perioralen Gewebes nach unten
c Abb. 12.18 a–c. Deckung eines zentral gelegenen Unterlippendefektes von 50–75 % mit einer Lappenplastik nach Karapandzic [24]. a Präoperativer Aspekt und Lappenplanung, b postoperativer Aspekt schematisch, c klinischer Aspekt 6 Monate postoperativ
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Abb. 12.19 a–e. Rekonstruktion eines allschichtigen lateralen Unterlippendefektes mit einer Lappenplastik nach Estlander [13]. a Präoperativer klinischer Aspekt und Lappenplanung, b klinischer Aspekt nach Lappentransposition, c Planung der sekundären Kommissuroplastik 3 Monate nach der Erstoperation (Technik nach Converse [10]), d Resektion eines Hautdreiecks bis auf den M. orbicularis oris. Einkerbung der Muskelfasern in diesem Bereich in horizontaler Richtung. Deckung des Defektes im Lippenrotbereich mit einer Transpositionslappenplastik aus der Lappenplastik, e Advancement der Mukosa aus dem Unterlippenbereich zur Deckung des Lippenrotdefektes im Unterlippenbereich
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medial. Falls die Lappenplastik nach Karapandzic [24] nur unilateral durchgeführt wird, resultiert eine Asymmetrie im Kommissurbereich. Obwohl im Laufe der Zeit eine spontane Verbesserung auftritt, sollte die unilaterale Indikation nur in Ausnahmesituationen gestellt werden (Abb. 12.18). Für laterale Defekte von 30–50 % mit Beteiligung der Kommissur hat sich die Lappenplastik nach Estlander [13–15] und Abbé [1] bewährt (Abb. 12.19). Sollte eine zweizeitige Rekonstruktion nicht möglich sein, kann alternativ auch die Wangenrotationslappenplastik nach Bernard [4, 5] bzw. Webster [39] eingesetzt werden.
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Defekte > 2/3 und komplette Unterlippendefekte Bei subtotalen allschichtigen Unterlippendefekten ohne Beteiligung der Kommissuren stellt die Lappenplastik nach Karapandzic [24] die Therapie der Wahl dar, da sie eine deutlich bessere Funktion als die Fahnen-Lappenplastik nach Gilles [20, 21] aufweist. Aufgrund der entstehenden Mikrostomie muss jedoch darauf geachtet werden, dass die Nahrungszufuhr adäquat möglich ist und dass evtl.Zahnprothesen und Gebisse durch den Patienten eingesetzt und entfernt werden können. Für Defekte, die größer als 75 % sind, sollte diese Lappenplastik alleine nicht mehr eingesetzt werden, da neben den oben genannten Problemen noch eine zu stark gespannte Unterlippe mit überhängender Oberlippe („Vogelgesicht-Aspekt“) auftritt.
b
! In vielen Fällen stellt die Kombination der Lappenpla-
stik nach Karapandzic mit sekundärer Lippenspaltenerweiterung eine ausgezeichnete Kompromisslösung zur Rekonstruktion eines kompletten Unterlippendefektes mit geringer Funktionseinbuße dar und sollte deshalb immer bedacht werden.
Die optimale Technik zur Rekonstruktion vollständiger Unterlippendefekte ist noch nicht gefunden.Wie für den Oberlippenbereich bestehen auch hier signifikante Probleme, die jedoch z. T. eine größere funktionelle Bedeutung haben. Anforderungen an eine komplette Rekonstruktion sind adäquate ∑ Lippenhöhe, ∑ Muskelfunktion, ∑ Sensibilität.
Die bisher erfolgreichsten Rekonstruktionstechniken basieren auf dem Fahnenlappenplastikprinzip nach Gilles [20, 21]: ein ursprünglich rechteckiger Defekt wird durch Gewebeverschiebung aus dem Nasolabialbereich im Sinne einer Transpositionslappenplastik gedeckt. In
c
Abb. 12.20 a–c. Rekonstruktion eines kompletten Unterlippendefektes mit dem Fahnen-Lappenplastik-Prinzip nach Gilles [18]. a Präoperativer Aspekt, Planung der Resektion in Rechteckform und bilaterale Lappenhebung, b Transposition der Lappenplastik aus dem Nasolabialbereich, c postoperativer Aspekt nach Einnähen der bilateralen Lappenplastiken und Lippenrotersatz mit einer anterioren Mukosalappenplastik. (Nach Jackson [22])
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zukünftiges Lippenrot nur Haut
Stürzen
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nur Haut Ziehen zukünftiges Lippenrot
Verrutschen Vorsicht!
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Abhängigkeit von der Defektgröße ist eine unilaterale oder bilaterale Gewebeverschiebung nötig. Die Rekonstruktion des fehlenden Lippenrots erfolgt durch eine mehrzeitige Mukosalappenplastik aus dem anterioren Zungenbereich nach Jackson ([22], Abb. 12.20). Der Vorteil dieser Technik liegt darin, dass durch Gewebeverschiebung in den Defektbereich keine signifikante Mikrostomie entsteht, nachteilig ist die weitgehend fehlende Muskelfunktion und Sensibilität. Durch Schonung der A. facialis und der motorischen Äste des N. facialis kann bei der Modifikation der Originaltechnik von Gilles [20, 21] durch Mc Gregor [28] sowie beim „Steeple-flap“ nach Stranc [35], (Abb. 12.21) eine deutliche Funktionsverbesserung erzielt werden, weshalb diese beiden Techniken heute die Therapie der Wahl zu Rekonstruktion eines kompletten Unterlippendefektes darstellen. Obwohl die proximal gestielte Gatelappenplastik nach Fujimori [16] die Unterlippenhöhe gut rekonstruiert, ist sie aufgrund der durch die Schnittführung be-
d
Abb. 12.21 a, b. Rekonstruktion eines subtotalen lateralen Unterlippendefektes mit einer „Steeple-Lappenplastik“ nach Stranc [24]. a Präoperativer Aspekt und Lappenplanung, b postoperativer Aspekt
dingten fehlenden Motorik und Sensibilität nur als Therapie der 2. Wahl anzusehen. Aus demselben Grund ist auch die Technik der Unterlippenrekonstruktion nach Bernard [4, 5] bzw.Webster [39] nicht überzeugend. Falls die letztgenannte Technik eingesetzt wird, sollte sie in der Modifikation nach Meyer [34] Anwendung finden, um ein ästhetisch besseres Ergebnis zu erzielen. Durch die Platzierung der beiden Burow -Dreiecke am Oberrand der Oberlippe anstatt im Bereich der Nasolabialfalte kann der „Vogelgesicht-Ausdruck“ deutlich vermindert werden (Abb. 12.22). Für ausgedehnte (komplexe) Gesichtsdefekte mit zusätzlich vollständigem Unterlippendefekt stehen eine Vielzahl von gestielten und freien mikrovaskulären Lappenplastiken zur Verfügung.
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12.2.4 Defekte der Oberlippe Anforderungen an die Rekonstruktion im Oberlippenbereich sind: ∑ Beachtung, Bewahrung bzw. Wiederherstellung der komplexen Form und Symmetrie im Oberlippenbereich; beim Mann muss zusätzlich haartragende Haut verwendet werden. ∑ Keine Veränderung der Basis der Nasenflügel im Bereich der Nasolabialfalte und der Position der Mundwinkel. ∑ Die Rekonstruktion sollte idealerweise zu keiner Verkürzung der Oberlippe mit signifikanter Spannung führen.
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12.2.4.1 Oberflächliche bzw. partielle Defekte Die Wiederherstellung perioral gelegener Hautdefekte im Oberlippenbereich gestaltet sich schwierig durch die enge Nachbarschaft von Lippenrot und Nase. Da weder im Oberlippenbereich, noch im kaudalen Nasenbereich Haut für größere lokale Lappenplastiken vorliegt, müssen gestielte Lappenplastiken aus dem medialen Wangenbereich transponiert werden. g
Abb. 12.22 a–g. Rekonstruktion eines totalen Unterlippendefektes mit der Technik nach Bernard bzw.Webster [4,38].a Präoperativer Aspekt und Lappenplanung (Modifikation nach Meyer), b klinischer Aspekt nach Tumorresektion, c Schema postoperativ, d klinischer Aspekt postoperativ, e klinischer Aspekt 1 Jahr postoperativ: Ruhestellung, f klinischer Aspekt 1 Jahr postoperativ: Pfeifen (Lippenkontinenz), g klinischer Aspekt 1 Jahr postoperativ: maximale Mundöffnung
Differentialtherapie bei allschichtigen Defekten im Oberlippenbereich ∑ Mediane (Philtrum) Untereinheit – Sekundäre Wundheilung – Vollhauttransplantat ∑ Laterale Untereinheit Kleine Defekte in Nachbarschaft zum Philtrum gelegen – Crescent advancement flap nach Burow bzw. Webster Kleine Defekte in Nachbarschaft zum Lippenrot gelegen – Primärer Wundschluss – A-to-T-Rotationslappenplastik Große Defekte – Inferior gestielte Nasolabial-Transpositionslappenplastik nach Esser ∑ Komplette Oberlippenhautdefekte – Vollhauttransplantation
Kleine Hautdefekte, die auf die Untereinheit des Philtrums begrenzt sind, heilen oft sekundär mit erstaunlich guten Ergebnissen.Alternativ kann primär (oder sekundär bei unbefriedigendem Ergebnis) eine Vollhauttransplantation aus dem prä- bzw. retroaurikulären Bereich erfolgen. Hierbei ist zu beachten, dass die vollständige ästhetisch-funktionelle Einheit transplantiert wird.
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Kleine und mittelgroße Hautdefekte im Bereich der lateralen Untereinheit können oft primär parallel zu den RSTL verschlossen werden. Narbenzüge im Oberlippenbereich sind mithilfe einer Z-Plastik optimal zu behandeln. Kleine Defekte im Perialarbereich der Nasolabialfalte heilen oft spontan mit sehr guten Ergebnissen. Defekte im Bereich der Nasolabialfalte können oft ästhetisch unauffällig durch Resektion und Primärverschluss versorgt werden. Größere Defekte in direkter Nachbarschaft zur Nasolabialfalte können mithilfe einer proximal gestielten Transpositionslappenplastik oder einer lateralen Rotationslappenplastik gedeckt werden. Die laterale Rotationslappenplastik ist vor allem beim Mann wertvoll, da mit ihr haartragende Haut in den Oberlippenbereich implantiert wird. Die Crescent-advancement-Lappenplastik nach Burow [9] bzw. Webster [39]
Abb. 12.23 a–d. Rekonstruktion eines Hautdefektes in Nachbarschaft zur Philtrumuntereinheit mit einer Crescent-advancement-Lappenplastik nach Burow bzw. Webster [9, 38]. a Schema: präoperativer Aspekt und Lappenplanung, b klinischer Aspekt präoperativ und Lappenplanung, c Schema: postoperativer Aspekt, d klinischer Aspekt postoperativ
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Abb. 12.24 a, b. Rekonstruktion eines Hautdefektes >2 cm im Bereich der lateralen funktionell ästhetischen Untereinheit der Oberlippe mithilfe einer inferior gestielten Transpositionslappenplastik nach Esser aus dem Nasolabialbereich. a Präoperativer Aspekt und Lappenplanung, b postoperativer Aspekt
Abb. 12.25 a, b. Rekonstruktion einer Verbrennungsnarbe im gesamten Oberlippenbereich mit einem Vollhauttransplantat. a Präoperativer Aspekt und Planung der Resektionsgrenzen entlang der gesamten ästhetisch funktionellen Einheit der Oberlippe, b postoperativer Aspekt (ein Überknüpferverband ist anzuraten)
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ist die Therapie der Wahl für alle Defekte in Bezug auf die Philtrumuntereinheit. Es handelt sich um eine äußerst elegante Operationstechnik, da die resultierenden Narben in natürlichen Hautfalten zu liegen kommen und somit unauffällig sind. Durch eine zusätzliche Inzision im Grenzbereich zum Lippenrot können größere Lappenplastiken gehoben werden (Abb. 12.23). Hautdefekte an der Grenze zum Lippenrot können mit einer A-to-T-Lappenplastik gedeckt werden; die Inzisionen liegen im Bereich der mukokutanen Grenzlinie. Für Defekte >2 cm im Bereich der lateralen Untereinheit hat sich die inferior gestielte Transpositionslappenplastik nach Esser [15] aus dem Nasolabialbereich bewährt. Auf die unterschiedlichen Farbpigmentierungen von Spender- und Empfängergebiet (Rötung) ist jedoch zu achten (Abb. 12.24). Hautdefekte,die alle drei Untereinheiten der Oberlippe betreffen, können v. a. bei Brandverletzungen durch ein Vollhauttransplantats aus dem supraklavikulär, bzw. retroklavikulären Bereich gedeckt werden. Dieses Verfahren ist bevorzugt anzuwenden, wenn der Nasolabialbereich, als mögliche Spenderstelle für gestielte Lappenplastiken, ebenfalls narbig verändert ist (Abb. 12.25).
12.2.4.2 Allschichtige Defekte Wie im Unterlippenbereich können bei fast allen Patienten Oberlippendefekte von mindestens 25 % der Ausgangslänge ohne funktionelle und ästhetische Beeinträchtigung primär geschlossen werden. Bei Patienten mit ausgesprochen großen laxen Lippen können auch Defekte bis zu einem Drittel der Ausgangslänge auf diese Art primär gedeckt werden.
Defekte < 1/3 bis 1/2 ! Bei der Rekonstruktion größerer allschichtiger Defekte im Oberlippenbereich sind Form und Lage der ästhetisch-funktionellen Philtrumuntereinheit besonders zu beachten.
Bei alleinigen allschichtigen Oberlippendefekten im Philtrumbereich oder in Kombination mit Defekten des lateralen Bereichs sollte die Philtrumeinheit vollständig rekonstruiert werden.
! Die Rekonstruktion der Philtrumeinheit steht am Be-
ginn der Rekonstruktion. Erst nach Wiederherstellung dieser zentralen Struktur sollte der laterale Defekt unter strenger Beachtung der Oberlippensymmetrie bzw. -ästhetik wiederhergestellt werden.
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Differentialtherapie bei allschichtigen Defekten im Oberlippenbereich Allschichtiger Oberlippendefekt 25–33 % ∑ Medianer Defekt (Philtrumuntereinheit) – Zweizeitige Lappenplastik nach Abbè (W-modification) ∑ Lateraler Defekt Ohne Beteiligung des Mundwinkels – (Primärer Wundschluss) – Mukomyokutane-crescentic-advancementLappenplastik nach Celsius bzw. Bruns – Zweizeitige Lappenplastik nach Abbè – Neurovaskulär gestielte Verschiebelappenplastik aus dem Bereich der Nasolabialfalte Mit Beteiligung des Mundwinkels – Zweizeitige Lappenplastik nach Estlander – Lappenplastik nach Burow bzw. Zisser ∑ Medianer (Philtrumuntereinheit) und lateraler Defekt – Zweizeitige Lappenplastik nach Abbè:Mukomyokutane gefolgt von Crescentic-advancement-Lappenplastik nach Celsius bzw. Bruns Allschichtiger Oberlippendefekt 50–75 % – Zweizeitige Lappenplastik nach Abbè Mukomyokutane- gefolgt von Crescenticadvancement-Lappenplastik nach Celsius bzw. Bruns – Inverse Lappenplastik nach Karapandzic (evtl. mit sekundärer Mundspaltenvergrößerung) Allschichtiger kompletter Oberlippendefekt – Kombinierte bilaterale inferior gestielte nasolabial Transpositionslappenplastik nach Esser und Mukosaadvancement alleine oder nach zweizeitiger Lappenplastik nach Abbè
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Für die Rekonstruktion der Philtrumeinheit hat sich die zweizeitige Lappenplastik nach Abbè [1] bewährt (Abb. 12.26). Bei allschichtigen Defekten von 25–33 % der Ausgangslänge der Oberlippe, ohne Beteiligung der Philtrumuntereinheit kommt es aufgrund der Fixierung der Oberlippe im zentralen Bereich am knöchernen Nasenskelett und der komplexen Form im Philtrumbereich nach primärem Wundschluss häufig zu ästhetisch äußerst störenden Verziehungen. Bei dieser Art der Beeinträchtigung sollte für die Rekonstruktion Gewebe in den Oberlippenbereich eingebracht werden. Die Mukomyokutane-crescentic-advancement-Lappenplastik nach Celsius bzw. Bruns [7] ist hier die Therapie der Wahl. Als Therapie der 2.Wahl hat sich die zweizeitige Lappenplastik nach Abbè [1] etabliert: Falls das Lippenrot noch intakt ist, kann auch eine inferior neurovaskulär gestielte Verschiebelappenplastik gewählt werden. Defekte von 33–50 % im lateralen Bereich mit Beteiligung der Kommissur können mit der zweizeitigen Lappenplastik nach Estlander [13, 14, 15] rekonstruiert werden (Abb. 12.27). Bei ästhetisch störender postoperativer Asymmetrie der beiden Mundwinkel sollte nach 3–6 Monaten postoperativ eine Mundspaltenerweiterung erfolgen. Alternativ kann die Technik nach Karapandzic [24] zum Einsatz kommen (Abb. 12.28). Falls kein zusätzlicher Defekt im Unterlippenbereich gewünscht wird, kann die Technik nach Burow [9] bzw. Zisser [41] eingesetzt werden (Abb. 12.29).
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Abb. 12.26 a, b. Rekonstruktion der ästhetisch funktionellen Philtrumuntereinheit mit einer zweizeitigen Lappenplastik nach Abbè [1],„lip switch-procedure“. a Präoperativer Aspekt und Lappenplanung (ein W-förmiges Lappendesign wird gewählt, um den Gewebedefekt besser auffüllen zu können). b klinischer Aspekt nach Stieldurchtrennung und Einnähen der Lappenplastik
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Abb. 12.27 a–c. Rekonstruktion eines lateralen Defektes von 33–50 % mit Beteiligung des Mundwinkels mit einer zweizeitigen Lappenplastik nach Estlander [13]. a Präoperativer Aspekt und Lappenplanung, b postoperativer Aspekt, c Aufgrund der Asymmetrie im Mundwinkelbereich ist eine sekundäre Kommissuroplastik indiziert
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d Abb. 12.28 a–h. Rekonstruktion eines lateralen Defektes von 33–50 % mit Beteiligung des Mundwinkels mit einer Lappenplastik nach Karapandciz [24].a Klinischer Aspekt präoperativ,b klinischer Aspekt und Lappenplanung, c klinischer Aspekt nach Tumorresektion, d klinischer Aspekt nach Wiederherstellung des Lippenrots, e klinischer Aspekt am Ende der Operation, f klinischer Aspekt postoperativ 1 Jahr postoperativ: Ruhestellung, g klinischer Aspekt 1 Jahr postoperativ: Pfeifen (Kontinenztest), h klinischer Aspekt 1 Jahr postoperativ: maximale Mundöffnung Abb. 12.28 f–h. Seite 348
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b h Abb. 12.28 f–h
Abb. 12.29 a, b. Rekonstruktion eines lateralen Defektes von 33–50 % mit Beteiligung des Mundwinkels mit einer Lappenplastik nach Burow [9] bzw. Zisser [41]. a Präoperativer Aspekt und Lappenplanung, b postoperativer Aspekt
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Defekte > 1/2 bis 2/3 Als Therapie der ersten Wahl bei allschichtigen Defekten von 50–75 % hat sich die bilaterale Mukomyokutanecrescentic-advancement-Lappenplastik nach Celsius bzw. Bruns [7] alleine oder nach zweizeitiger Lappenplastik nach Abbè [1], zur Wiederherstellung der Philtrumuntereinheit bewährt. Durch Fixierung der Lappenplastiken mithilfe von tiefen, nicht-resorbierbaren Periostnähten im Bereich der Apertura piriformis und Spina nasalis kann die Spannung im Lippenbereich signifikant vermindert werden. Die inverse Lappenplastik nach Karapandzic [24] (s.Abb. 12.28) kann als Therapie der zweiten Wahl eingesetzt werden. Hier ist auf die technikbedingte Mikrostomie besonders bei Zahnprothesenträger zu achten.
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Defekte > 2/3 und komplette Oberlippendefekte Komplette allschichtige Oberlippendefekte sind selten und schwierig zu behandeln. Keine bisher beschriebene Rekonstruktionstechnik führt zu einem Ergebnis mit normaler Anatomie und Funktion.Allen gängigen Techniken gemeinsam ist die Rekonstruktion mit Gewebe aus dem Bereich der Nasolabialfalte. Vor allem bei älteren Patienten mit ausreichender Wangenlaxizität kann die komplette Oberlippe mithilfe einer bilateralen inferior gestielten Transpositionslappenplastik aus dem Nasolabialbereich nach Esser rekonstruiert werden. Die Rekonstruktion des Lippenrots erfolgt entweder im Sinne einer Mukosadehnungslappenplastik oder mit einer gestielten Mukosalappenplastik aus dem anterioren Zungenbereich nach Jackson [22]. Für die Rekonstruktion der Philtrumuntereinheit kann eine zweizeitige Lappenplastik nach Abbè [1] vorgeschaltet werden (Abb. 12.30).
Abb. 12.30 a–c. Rekonstruktion eines kompletten allschichtigen Oberlippendefekts mit einer zweizeitigen Lappenplastik nach Abbè [1] zur initialen Wiederherstellung der Philtrumuntereinheit, einer bilateralen inferior gestielten Transpositionslappenplastik aus dem Nasolabialbereich nach Esser [15] und einem Mukosaadvancement. a Präoperativer Aspekt und Lappenplanung, b klinischer Aspekt nach der ersten Operation, c postoperativer Aspekt nach Stieldurchtrennung 10–14 und Einnähen der Lappenplastik nach Abbè [1]
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Abb. 12.31. Physiologische Position der Mundwinkel im Verhältnis zu anderen Gesichtsstrukturen
Abb.12.32 a, b.Rekonstruktion eines partiellen Kommissurdefektes mit der Technik nach Ganzer [16a]. a Präoperativer Aspekt und Lappenplanung, b postoperativer Aspekt
12.2.5.1 Oberflächliche bzw. partielle Defekte 12.2.5 Defekte des Mundwinkels (Kommissur) Defekte im Mundwinkelbereich sind häufig bedingt durch Verbrennung, Trauma oder entstehen sekundär nach Rekonstruktion im Lippenbereich. Bei allen Eingriffen im Mundwinkelbereich muss immer die Ästhetik und Funktion beachtet werden (Abb. 12.31). Defekte im Kommissurbereich können bedingt sein durch eine veränderte Kommissurlage oder einer „Synechie“, die entweder einzeln oder in Kombination mit einem zusätzlichen Gewebedefekt auftreten kann.
Differentialtherapie bei oberflächlichen bzw. partiellen Kommissurdefekten ∑ Veränderte Mundwinkelposition – Z-Plastik – Transpositionslappenplastik ∑ Synechie – Kommissuroplastik
Falls die Position des Mundwinkels narbenbedingt verändert ist, sollte geprüft werden, ob diese Deformität nicht mit einer einfachen Z-Plastik auszugleichen ist. Bei ausreichender Haut, aber inkorrekter Lage der Kommissur haben sich mehrere Techniken für die Mundspaltenkorrektur bewährt. Liegt ausreichend mobiles Lippenrot vor, hat sich die Technik nach Ganzer (Abb. 12.32) bewährt. Bei Mangel an mobilem Lippenrot ist bevorzugt die Technik nach Convers [10] zu empfehlen (Abb. 12.33). Bei ungenügender Mukosa im Mundwinkelbereich können auch Mukosalappenplastiken aus dem Zungenbereich eingesetzt werden.
! Aufgrund der Lappendicke,der unterschiedlichen Farbe und Textur sowie der Patientenbeeinträchtigung sollte auf diese Therapiemöglichkeit nur in Ausnahmefällen zurückgegriffen werden.
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12.2.5.2 Allschichtige Defekte Zur Rekonstruktion allschichtiger Gewebedefekte im Mundwinkelbereich sind mehrere Techniken beschrieben worden.
Differentialtherapie bei allschichtigen Kommissurdefekten ∑ Kleine bis mittelgroße Defekte – Technik nach Rehn modifiziert nach Brusati – Technik nach Rehn modifiziert nach Fries ∑ Große Defekte – Bilaterale mukomyokutane Transpositionslappenplastik
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Für kleine bis mittelgroße Defekte stellt die Lappenplastik nach Rehn in der Modifikation nach Brusati [8] eine wenig auffällige Technik dar (Abb. 12.34). Wenn ein Mukosaadvancement bei der obengenannten Technik nicht möglich ist, kann die Modifikation der Technik nach Rehn von Fries [15a] angewendet werden (Abb. 12.35) Große Defekte werden vorzugsweise mit zwei großen rechteckigen Haut-Mukosalappenplastiken gedeckt. Der Lippenrotersatz erfolgt vorzugsweise durch ein Mukosaadvancement. Eine posterior gestielte geteilte Mukosalappenplastik aus dem Zungenbereich stellt die Therapie der zweiten Wahl zur Rekonstruktion des Lippenrotdefektes dar.
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Abb.12.33 a, b.Rekonstruktion eines partiellen Kommissurdefektes mit der Technik nach Converse [10]. a Präoperativer Aspekt und Lappenplanung, b postoperativer Aspekt
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Abb. 12.34 a, b. Rekonstruktion eines mittelgroßen allschichtigen Mundwinkeldefektes mit der Lappenplastik nach Rehn in der Modifikation nach Brusati [8]. a Präoperativer Aspekt und Lappenplanung, b postoperativer Aspekt
Abb. 12.35 a, b. Rekonstruktion eines mittelgroßen allschichtigen Mundwinkeldefektes mit der Lappenplastik nach Rehn in der Modifikation nach Fries [15a]. a Präoperativer Aspekt und Lappenplanung, b postoperativer Aspekt
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Lippendefekte
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353
III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 13
T. Rath
Unterkiefer- und Mundbodendefekte
Inhalt 13.1 Allgemeines 13.1 13.1.1 13.1.2 13.1.3 13.1.4
Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . . Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien der Diagnostik. . . . . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1.4.1 Klassifikation der Unterkieferdefekte nach Urken . . . . . . . . . 13.1.4.2 Klassifikation der Halslymphknoten . . . . . . . . . . 13.1.4.3 TNM-Klassifikation . . . . . . . . . 13.1.5 Prinzipien der Therapie . . . . . . . . . . . . 13.1.5.1 Das Therapieteam . . . . . . . . . 13.1.5.2 Tumorresektion . . . . . . . . . . . 13.1.5.3 Neck dissection . . . . . . . . . . . 13.1.5.4 Rekonstruktion . . . . . . . . . . . 13.1.5.5 Adjuvante Therapie . . . . . . . . . 13.1.6 Bedeutung der Sensibilität und der Resensibilisierung nach Tumorentfernung im Mund-Rachen-Bereich . . . . . . . . . . 13.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . 13.2.1 Lokale Lappenplastiken . . . . . . . . . . . 13.2.1.1 M.-pectoralis-majorLappenplastik . . . . . . . . . . . . 13.2.2 Mikrovaskuläre Lappenplastiken . . . . . . 13.2.2.1 A.-radialis-Lappenplastik . . . . . . 13.2.2.2 Freies Fibula-DiaphysenTransplantat . . . . . . . . . . . . . 13.2.2.3 Freies Beckenkamm-Transplantat . 13.2.2.4 Freies Dünndarm-Transplantat . . 13.2.2.5 Präfabrizierte Lappenplastiken (Lappenprälamination). . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
355 355 357 357 359 359 359 362 362 362 362 363 364 364
365 366 366 366 368 369 372 376 384 387 393
13.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie Der Unterkiefer besteht aus einem horizontalen Corpus mandibulae und den beiden aufsteigenden Unterkieferästen – Rami mandibulae –, welche proximal einen Processus condylaris und Processus coronoideus ausbilden. Die Mandibula bildet damit die knöcherne Umrahmung des unteren Teils der Mundhöhle. Den Boden der Mundhöhle umfasst das Diaphragma oris mit dem M. mylohyoideus und die Regio sublingualis, in deren Mitte sich die Zunge befindet. In der Mandibula ist die Hälfte unserer Zähne verankert, in ihr verlaufen die beiden Nn. alveolares inferiores und an ihr entspringt außen ein Teil der mimischen Muskeln (M. buccinator, M. depressor anguli oris, M. depressor labii inferioris, M. mentalis) sowie innen der M. genioglossus, der M. geniohyoideus und der M. mylohyoideus. Sie bietet Ansatz für den M. masseter, den M. temporalis, die beiden Mm. pterygoidei und den M. digastricus. Die Regio sublingualis beinhaltet auf jeder Seite die Glandula sublingualis mit ihrem Ausführungsgang, einen Teil der Glandula submandibularis, den N. lingualis und die A. und V. sublingualis. Auf dem Mundboden findet sich der vordere Anteil der Zunge, das Corpus linguae, mit dem Geschmacksorgan, der Zungeneigenmuskulatur, der Skelettmuskulatur und den versorgenden Nerven und Gefäßen. Die nur unvollständig beschriebene Anatomie [47] der Region lässt erkennen, dass Defekte nicht nur zu einer massiven Einschränkung des äußeren Erscheinungsbilds, sondern der Funktionen Kauen, Schlucken, Sprechen, der Geschmacksempfindung, der Sensibilität und der Schleimsekretion führen können (Abb. 13.1).
356
Unterkiefer- und Mundbodendefekte
Caruncula sublingualis
KAPITEL 13
M. genioglossus
A. sublingualis mit Ductus submandibularis
M. buccinator M. geniohyoideus M. mylohyoideus
A. facialis
V. facialis
Glandula sublingualis
M. pterygoideus medialis
N. lingualis
A., V., N. alveolaris inferior
V. sublingualis M. masseter
Tendo m. digastrici
Glandula submandibularis Cornu minus ossis hyoidei
M. stylohyoideus
Lig. hyoepiglotticum
M. hyoglossus
Epiglottis Cornu majus ossis hyoidei
a
A. maxillaris
N. maxillaris
Ggl. pterygopalatinum A. , N. infra-orbitalis
N. mandibularis A. meningea media
Rr. dentales superiores und gingivales superiores des Plexus dentalis sup.
A. temporalis superficialis A. tympanica ant.
M. tensor veli palatini, A. u. N. buccalis M.levator veli palatini, N. lingualis
N. facialis Venter posterior des M. digastricus
N. nasopalatinus Hamulus pterygoideus, Raphe pterygomandibularis u. M. buccinator (durchtrennt)
N. glossopharyngeus M. sternocleidomastoideus A. occipitalis Lig. stylohyoideum
A. palatina major (sinistra), N. palatinus major (sinister) Tonsilla palatina, M. palatoglossus
A. carotis ext. A. facialis
Aponeurosis linguae
N. hypoglossus A. carotis int.
Gl. lingualis ant.
A. lingualis
M. hyoglossus, Ggl. submandibulare
A. thyroidea sup.
M. genioglossus
N. vagus M. geniohyoideus und M. mylohyoideus M. constrictor pharyngis inf.
Venter anterior des M. digastricus A. submentalis, N. mylohyoideus Os hyoideum, Mm. sternohyoideus und omohyoideus M. thyrohyoideus, M. sternothyroideus
A. carotis communis
M. cricothyroideus
b
Gl thyroidea mit Ästen des R. anterior der A. thyroidea sup.
KAPITEL 13
Unterkiefer- und Mundbodendefekte
Tabelle 13.1. Ätiologie der Unterkieferdefekte Tumor – Plattenepithelkarzinome (90 %) – Seltene maligne Tumoren (Sarkome, Plasmozytom) – Seltene benigne Tumoren (Ameloblastom, fibröse Dysplasie) Osteoradionekrose Trauma
䉳 Abb. 13.1 a, b. Chirurgisch relevante anatomische Strukturen des Mundbodens
13.1.2 Ätiologie In weitaus größtem Ausmaß entstehen Defekte bei der Behandlung onkologischer Erkrankungen und deren Folgen und nur in einem geringem Anteil traumatisch. 9,8 % aller neuer Krebsfälle in Österreich pro Jahr diagnostiziert man im Kopf-Hals-Bereich. In mehr als 90 % handelt es sich um Plattenepithelkarzinome. Neben dem Kehlkopf stellt die Mundhöhle die häufigste Lokalisation dar, wobei Zunge und Mundboden am häufigsten betroffen sind. Die Inzidenz des Plattenepithelkarzinoms der Mundhöhle und des Pharynx im deutschsprachigen Raum beträgt 7 pro 100 000, die Mortalität 4,8 pro 100 000, die Fünfjahresüberlebensrate 40–60 %. Die Geschlechtsverteilung wird mit 4 bis 5 : 1, männlich zu weiblich angegeben [16, 58, 86]. Osteoradionekrosen der Mandibula sind die zweithäufigste Ursache für Defekte nach onkologischer Therapie. Selten sind andere maligne Tumoren, wie Sarkome, solitäre Plasmozytome (multiples Myelom; [85]) oder Melanome. Eine seltene Indikation stellen gutartige Tumoren, wie das Ameloblastom (Adamantinom) oder Erkrankungen wie die fibröse Dysplasie dar. Traumatisch bedingte Defekte des Unterkiefers und der Mundhöhle entstehen zumeist durch Schussverletzungen (Tabelle 13.1).
13.1.3 Prinzipien der Diagnostik Die präoperative Diagnostik umfasst die klinische Untersuchung, die Panendoskopie (endoskopische Untersuchung von Larynx und Pharynx), die Sonographie, die CT und die MRT [58]. Die klinische Untersuchung erfolgt durch Palpation, nur wenige Kriterien – wie Konsistenz und Verschieblichkeit – lassen zwischen entzündlich und metastatisch veränderten Lymphknoten unterscheiden. Retromandibulär und unter dem M. sternocleidomastoideus gelege-
ne Lymphknoten sind schwer tastbar. Somit ergibt sich für die Palpation eine Sensitivität von 70 % und eine Spezifität von 65 % [26, 148]. Die direkte Inspektion des oberen Aerodigestivtrakt mit Hilfe der Panendoskopie hat in den letzten Jahren – vor allem durch die Entwicklung flexibler Endoskope – an Bedeutung gewonnen. Neben der Bedeutung für die Primärdiagnostik stellt die Panendoskopie auch eine wichtige Untersuchung im Rahmen der Tumornachbetreuung dar. Etwa ein Drittel der diagnostizierten Zweitkarzinome entwickeln sich im Pharynxbereich und ist damit durchaus einer klinischen und apparativen Frühdiagnostik im Rahmen der Tumornachuntersuchung zugänglich [146].
Sonographisch können Lymphknoten ab 5 mm Größe dargestellt werden. Spezifische Kriterien dieser Untersuchungsmethode für das Vorliegen einer Metastase sind Vergrößerung und Entrundung des Lymphknoten. Er weist eine heterogene Struktur auf und der Lymphknotenhilus verschwindet. Unscharfe Begrenzung und fehlende Beweglichkeit sind Hinweise auf eine Kapselruptur und Infiltration benachbarter Strukturen. Durch diese spezifischen Kriterien konnte die Sensitivität der Untersuchung auf 95 % und die Spezifität auf 85 % angehoben werden [29]. In der CT sind unregelmäßige Kontrastmittelanreicherung in der Lymphknotenperipherie und eine fehlende Anreicherung im nekrotischen Lymphknotenzentrum Hinweise auf metastatisch veränderte Lymphknoten. Mit diesen Nachweismöglichkeiten erzielt die CT eine Spezifität von 95 %, jedoch eine Sensitivität von nur 85 %. Gegenüber Sonographie und CT bietet die MRT keine weiteren Verbesserungen in der Diagnosestellung.
! Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass eine begin-
nende Lymphknotenmetastasierung und Mikrometastasen mit keinem bildgebenden Verfahren, sondern nur histologisch nach Entfernung der Lymphknoten festgestellt werden können.
357
358
Unterkiefer- und Mundbodendefekte
KAPITEL 13
Tabelle 13.2. Klassifikation der Mundbodendefekte nach Urken Segmentale knöcherne Defekte
Weichteildefekte in der Mundhöhle
Mukosa
C
Kondylus
R
Ramus
B
Korpus
S
Symphyse
SH
Hemisymphyse
L
Labial
B
Bukkal
SP
Weicher Gaumen
SPH
Hemi
PT
S
FOM
Mundboden
FOMA
Anterior
FOML
Lateral
H
Pharynx
HL
P
Lateral
PHP
Posterior
TM
Mobil
P
Zunge
M 1/4
Ein Viertel
M 1/2
T
Eine Hälfte
TM3/4
Drei Viertel
TMNF
Nicht funktionierend
T
B
Zungenbasis
B 1/4
T
Ein Viertel
TB1/2
Eine Hälfte
TB3/4
Drei Viertel
T
B NF
Kutane Defekte
T
Nicht funktionierend
TG
Totale Glossektomie
C CCH
Wange
N
Hals
M
C
Kinn
CL
Lippen
CUL,1/4,1/2,3/4,total
Oberlippe
C
LL
Unterlippe
H
C ,1/4,1/2,3/4,total Neurologische Defekte
Total
N
Hypoglossal
NL
Lingual
NF
Fazial
IA
Inferior-alveolar
B
Bilateral
N N
KAPITEL 13
Unterkiefer- und Mundbodendefekte
13.1.4.2 Klassifikation der Halslymphknoten 13.1.4 Klassifikation 13.1.4.1 Klassifikation der Unterkieferdefekte nach Urken Ein Schema zur Klassifikation dieser Defekte wurde von Urken [153, 155] vorgeschlagen. Knöcherne Defekte der Mandibula werden in Defekte des Kondylus, des Ramus, des Korpus und der Symphyse (wobei zwei Hemisymphysen unterteilt werden können) klassifiziert. Wegen ihrer Bedeutung für eine funktionelle Wiederherstellung werden Weichteildefekte besonders detailliert klassifiziert. Schleimhautdefekte werden in labial, bukkal, die des weichen Gaumens, des Mundbodens und des Pharynx unterschieden. Zungendefekte werden in Defekte der mobilen vorderen Zunge und die der Zungenbasis unterschieden, Hautdefekte in die der Wange, des Halses, des Kinns und der Lippen. Die Zunge wird in vier longitudinale Segmente unterteilt. In Hinblick auf die Funktion werden neurologische Defizite in Defekte des N. hypoglossus, N. lingualis, N. facialis, N. alveolaris inferior, einseitig und beidseitig unterteilt (Tabelle 13.2).
Die Einteilung der zervikalen Lymphknotenebenen und somit des chirurgischen Vorgehens orientiert sich an den Regionen des Halses, welche von Muskeln und Faszien begrenzt werden (Abb. 13.2 [41, 51, 130]). Ebene I: Lymphknoten der Regio submentalis (zwischen beiden vorderen Digastricusbäuchen und Hyoid). Lymphknoten des Trigonum submandibulare (zwischen vorderem und hinterem Digastricusbauch und Unterkieferrand) einschließlich Glandula submandibularis. Ebene II: Lymphknoten der oberen jugulären Gruppe entlang des oberen Drittels der V. jugularis interna von der Karotisbifurkation (bzw. dem Hyoid) bis zur Schädelbasis sowie des lateralen Randes des M. sternohyoideus bis zum Hinterrand des M. sternocleidomastoideus. Ebene III: Lymphknoten der mittleren jugulären Gruppe entlang des mittleren Drittels der V. jugularis interna vom M. omohyoideus (bzw. dem krikothyroidalen Übergang) bis zur Karotisbifurkation sowie des lateralen Randes des M. sternohyoideus bis zum Hinterrand des M. sternocleidomastoideus. Ebene IV: Lymphknoten der unteren jugulären Gruppe entlang des unteren Drittels der V. jugularis interna von der Klavikula bis zum M. omohyoideus sowie des lateralen Randes des M. sternohyoideus bis zum Hinterrand des M. sternocleidomastoideus. Ebene V: Lymphknoten des Trigonum colli laterale, begrenzt vom Hinterrand des M.sternocleidomastoideus, vom Vorderrand des M. trapezius und der Klavikula.
Am Hals werden drei Faszienblätter unterschieden (Abb. 13.3; [47]): ∑ die Fascia colli superficialis liegt unter dem Platysma, umscheidet den ganzen Hals und umhüllt die beiden Mm. sternocleidomastoidei, ∑ die Fascia colli media findet sich in einem Areal zwischen Hyoid, dem lateralen Rand der beiden Mm. omohyoidei und kaudal der Klavikula (ein Teil wird als Fascia omoclavicularis bezeichnet) und ∑ die Fascia colli profunda, deren hinteres Blatt als Fascia praevertebralis bezeichnet wird (ihr vorderes Blatt verbindet die beiden Gefäßnervenscheiden).
359
360
Unterkiefer- und Mundbodendefekte
a
c
Abb. 13.2 a–c. Klassifikation der Halslymphknoten
KAPITEL 13
b
KAPITEL 13
Unterkiefer- und Mundbodendefekte
Fascia colli prävertebralis
Fascia colli superficialis
Fascia colli media
Fascia colli prävertebralis
Fascia colli media Fascia colli superficialis
Abb. 13.3. Faszienblätter am Hals
361
362
Unterkiefer- und Mundbodendefekte
13.1.4.3 TNM-Klassifikation
KAPITEL 13
Die T-Stadieneinteilung für die Mundhöhle lautet [58]:
N2c Metastasen in bilateralen oder kontralateralen Lymphknoten, keiner mehr als 6 cm in der größten Ausdehnung N3 Metastase(n) in Lymphknoten, mehr als 6 cm in der größten Ausdehnung
T1 T2
13.1.5 Prinzipien der Therapie
Mundhöhle
T3 T4
2 cm oder weniger in größter Ausdehnung Mehr als 2 cm, aber nicht mehr als 4 cm in größter Ausdehnung Größer als 4 cm in größter Ausdehnung Tumorinvasion in benachbarte Strukturen, wie Knochenkortikalis, tiefe Zungenmuskulatur, Haut
Halslymphknoten Die N-Stadien für alle Halslymphknoten mit Ausnahme jener, die die Schilddrüse drainieren, lauten [146]: NX
Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen N1 Metastase in solitärem ipsilateralem Lymphknoten, 3 cm oder weniger in der größten Ausdehnung N2 Metastase in solitärem ipsilateralem Lymphknoten, mehr als 3 cm, aber nicht mehr als 6 cm in der größten Ausdehnung; oder in multiplen ipsilateralen Lymphknoten, keiner mehr als 6 cm in der größten Ausdehnung; oder in bilateralen oder kontralateralen Lymphknoten, keiner mehr als 6 cm in der größten Ausdehnung N2a Metastase in solitärem ipsilateralem Lymphknoten, mehr als 3 cm, aber weniger als 6 cm in der größten Ausdehnung N2b Metastasen in multiplen ipsilateralen Lymphknoten, keiner mehr als 6 cm in der größten Ausdehnung
13.1.5.1 Das Therapieteam Die Therapie ausgedehnter Defekte im Kopf-HalsBereich benötigt ein interdisziplinäres Vorgehen. Mitglieder des Therapieteams sind: Chirurg, Anästhesist, Pflegepersonal, Sozialdienst, Logopäde, Kieferorthopäde, Krankenkassen/Berufsgenossenschaften u. a. (Abb. 13.4).
13.1.5.2 Tumorresektion Ziel der Tumorresektion ist die vollständige Tumorentfernung.Ausreichende Sicherheitsgrenzen für eine radikale, kurative Resektion des Tumors wären wegen der engen anatomischen Lagebeziehungen nur mit bedeutenden funktionellen und kosmetischen Defiziten zu erreichen. Die radikale Tumorresektion hat zumindest mit einem Sicherheitsabstand von 1–2 cm von der palpablen Tumorgrenze unter intraoperativer Schnellschnittkontrolle zu erfolgen.
! Erst die gleichzeitige plastisch-chirurgische Versor-
gung der Defekte, bevorzugt mit mikrovaskulären Lappenplastiken entspricht heute dem „state of the art“ in der Kopf-Hals-Chirurgie [15, 157]. Weite Resektionsgrenzen werden dadurch ermöglicht und kosmetische und funktionelle Defizite zumindest teilweise behoben.
Chirurgie/Pathologie Radiologie (Diagnostik, Strahlentherapie)
HNO MKG
Onkologie Sozialdienst
Pflegedienst Kieferorthopädie Hausarzt/Patient/Familie Physiotherapie/Logopädie
Schmerzambulanz (Anästhesie) Psychotherapeut
Arbeitsamt/Krankenkassen/ Berufsgenossenschaft Entzugsambulanz (Psychiatrie)
Selbsthilfegruppen
Abb. 13.4. Therapieteam
KAPITEL 13
Mehrzeitige oder zweizeitige Rekonstruktionen bei Komplikationen nach Tumorresektion sind komplikationsreicher [77, 110]. Verbesserte präoperative Abklärung und somit engere Indikationsstellung, genaue Operationsplanung, verkürzte Operationszeiten mit Hilfe von zumindest zwei Teams, verfeinerte Operationstechniken und postoperative Betreuung konnten den Erfolg mikrovaskulärer Lappenplastiken zur Wiederherstellung von Kopf- und Halsdefekten deutlich verbessern [2, 15, 129]. Trotzdem erscheint eine Lappenverlustrate um 5 % realistisch [91]. Trotz des großen operativen Aufwands sind ausgedehnte Tumorresektionen und einzeitige Wiederherstellungen bezüglich Lebensqualität und funktionellem Ergebnis gerechtfertigt [42]. Lebensqualität und Funktion verschlechtern sich postoperativ, erreichen nach 6 Monaten ihren Ausgangswert und überschreiten diesen erst nach 12 Monaten [93]. Aufgrund des im Verhältnis zu anderen Tumorresektionen in anderen Körperregionen kleinen Sicherheitsabstands hat sich eine multimodale Therapie im KopfHals-Bereich bewährt.
13.1.5.3 Neck dissection Die Indikation zur Neck dissection setzt die Operabilität des Primärtumors im Bereich des Mundbodens voraus [58]. Wegen der Häufigkeit regionärer Lymphknotenmetastasen muss die radikale Resektion des Primärtumors die Entfernung der Halslymphknoten – wenn möglich en bloc – miteinschließen. Einerseits soll damit möglichst die gesamte Tumormasse entfernt werden, andererseits eine genaue Klassifizierung entsprechend dem TNM-Schema ermöglicht werden.
Die Häufigkeit einer lymphogenen Metastasierung ist abhängig von der Lokalisation des Primärtumors. Ventral gelegene Tumoren (Mundboden) und kranial gelegene (Gaumen) metastasieren weniger oft. Trotzdem sind regionäre Lymphknotenmetastasen bei Plattenepithelkarzinomen der Mundhöhle in 50 % der Patienten vorhanden, bei Tonsillen- und Zungengrundkarzinomen sogar in 60–75 % der Patienten, in 15 % auf beiden Halsseiten. Auch die Tumorgröße beeinflusst die Häufigkeit regionärer Lymphknotenmetastasen. Tumoren größer als 2 cm (ab T2) metastasieren doppelt so häufig wie Tumoren kleiner als 2 cm (T1; [86]). Bei der Neck dissection werden verschiedene Techniken unterschieden [58, 86, 130]: ∑ Radikale Neck dissection: Sie beinhaltet die Resektion aller Halsweichteile und Lymphknotengruppen der Ebenen I–V gemeinsam
Unterkiefer- und Mundbodendefekte
mit dem Platysma, dem M. sternocleidomastoideus, dem M. omohyoideus, der V. jugularis interna, dem N. accessorius, dem Ramus descendens des N. hypoglossus und den sensible Ästen des Plexus cervicalis. ∑ Modifizierte radikale Neck dissection: So wie radikale Neck dissection unter Erhaltung ein oder mehrerer nicht lymphatischer Strukturen, wobei die erhaltene Struktur benannt werden soll. Bei Erhaltung von Platysma, dem M. sternocleidomastoideus, der V. jugularis interna und dem N. accessorius spricht man auch von einer konservativen oder funktionellen Neck dissection. ∑ Selektive Neck dissection: Erhaltung aller nicht lymphatischer Strukturen und Erhaltung ein oder mehrerer Lymphknotengruppen. – Supraomohyoidale Neck dissection: Erhaltung der Ebenen IV und V. – Anterolaterale Neck dissection: Erhaltung der Ebene V – Laterale Neck dissection: Erhaltung der Ebenen I und V. ∑ Erweiterte radikale Neck dissection: Erweiterung der radikalen Neck dissection durch Mitnahme oberer mediastinaler, paratrachealer, para- und retropharyngealer oder bukkaler Lymphknoten bzw. Mitnahme zusätzlicher nicht lymphatischer Strukturen. Die Strukturen, um welche die radikale Neck dissection erweitert wird, sollen benannt werden. Bevorzugte Abflussgebiete von Karzinomen des Oropharynx sind die Lymphknotengruppen der Ebenen I, II und III [41, 51]. Die jeweilige Art der durchzuführenden Neck dissection ergibt sich aus folgenden Gesichtspunkten [84, 58, 86, 130]: ∑ Gibt die präoperative Diagnostik keinen Hinweis auf suspekte Lymphknoten, wird auf der Seite des Tumors eine supraomohyoidale Neck dissection durchgeführt. ∑ Bestehen präoperativ als suspekt beurteilte Lymphknoten, ergibt sich die Indikation zur ipsilateralen konservativen Neck dissection. ∑ Werden präoperativ fixierte Lymphknotenmetastasen festgestellt, wird eine modifizierte radikale Neck dissection unter Erhaltung des N. accessorius durchgeführt. Sind Lymphknoten auch am N. accessorius fixiert, muss dieser mitreseziert werden und somit die Neck dissection radikal gestaltet werden. ∑ Bei Mittellinienüberschreitung erfolgt zusätzlich zur Halsseite der Haupttumormasse eine kontralaterale supraomohyoidale Neck dissection, die bei positivem histologischen Befund nach 6 bis 8 Wochen auf eine konservative Neck dissection erweitert wird.
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Unterkiefer- und Mundbodendefekte
Für die radikale Resektion eines Mundbodenkarzinoms und gemeinsamer Durchführung einer Neck dissection eignet sich bevorzugt eine Inzision nach McFee unter Erhaltung eines Brückenlappens (insbesondere nach Vorbestrahlung) [86, 130]. Die kraniale Inzision wird von der Regio submentalis bis 4 cm von der Mandibula entfernt bogenförmig zum Mastoid geführt. Die kaudale Inzision wird 2 cm oberhalb und parallel der Klavikula gezogen. Alternativ kann von der submandibulären Inzision vertikal entsprechend einem verkehrten S über den M. sternocleidomastoideus zur Klavikula inzidiert werden. Damit werden drei Lappen gebildet, die nach kranial, medial und lateral abpräpariert werden können. Bei Durchführung einer Neck dissection sollte ein besonderes Augenmerk folgenden Gebilden geschenkt werden [130]: ∑ Dem Ramus marginalis mandibulae des N. facialis, welcher A.und V.facialis am Unterrand der Mandibula überkreuzt. ∑ Dem N. hypoglossus, der kaudal des hinteren Digastricusbauchs verläuft. ∑ Dem N. phrenicus auf dem M. scalenus anterior und dem Plexus brachialis in der hinteren Skalenuslücke, welche beide von der Fascia colli profunda bedeckt werden. ∑ Dem N. vagus auf der A. carotis communis und interna. ∑ Dem N. accessorius, der vor seinem Eintritt in den M. trapezius nach kranial präpariert wird und im hinteren Halsdreieck einen relativ oberflächlichen Verlauf nimmt. ∑ Dem Ductus thoracicus im linken Venenwinkel und einem Ductus lymphaticus dexter im rechten Venenwinkel, um Lymphfisteln zu vermeiden. ∑ Den Ästen der A. carotis externa, als mikrochirurgische Anschlussgefäße. ∑ Der V. jugularis externa und Seitenästen der V. jugularis interna als mikrochirurgische Anschlussgefäße. ∑ Der A. transversa colli und ihrer Begleitvene als alternative mikrochirurgische Anschlussgefäße.
13.1.5.4 Rekonstruktion Die Indikation zur Rekonstruktion wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst [104]: ∑ Tumorstadium: palliative Eingriffe verbieten aufwändige Rekonstruktionsverfahren, sind aber von Patient zu Patient individuell interdisziplinär zu entscheiden. Dem Patienten soll für die verbliebene Lebensspanne die bestmögliche Lebensqualität ermöglicht werden [42, 93].
KAPITEL 13
∑ Allgemeinzustand und Alter des Patienten – Herz-, Lungenfunktion, Leberfunktion – Blutgerinnung, Gefäßstatus, Stoffwechselerkrankungen [75]. Bei den zumeist durch chronischen Alkohol- und Nikotinabusus vorerkrankten Patienten stellen das Ausmaß und die Schwere der Vorerkrankungen einen entscheidenden Faktor für das Auftreten postoperativer Komplikationen dar [16]. Hohes Alter alleine stellt keinen Risikofaktor dar, alte Patienten reagieren jedoch empfindlich auf lange Operationszeiten (über 10 Stunden) und entwickeln schwerwiegendere Komplikationen. ∑ Handelt es sich um eine einzeitige oder mehrzeitige Rekonstruktion? ∑ Handelt es sich um eine Wiederherstellung der Form und/oder der Funktion? Wird eine Rekonstruktion eines knöchernen Defekts, eines Weichteildefekts, eines neurologischen Defizits oder einer Kombination dieser Defekte angestrebt? Klassifikation? Sind ein reiner Faszien-, fasziokutaner, reiner Muskel-, myokutaner, osteomyokutaner, prälaminierter Lappen mit oder ohne Nervenkoaptation notwendig? ∑ Qualität des Empfängerbetts – bestehen Voroperationen, Narben, Fisteln, Infektion, Vorbestrahlung? Strahlentherapie ist die häufigste Ursache für Spätkomplikationen nach mikrovaskulären Rekonstruktionen [34]. Ursache dafür sind weniger Probleme an der mikrovaskulären Anastomose, als vielmehr die strahlenbedingte Minderdurchblutung des Empfängerbetts. Vorbestrahlung wird als besonders komplikationsträchtig eingestuft [129]. ∑ Präsenz und Qualität der Empfängergefäße – arterielle, venöse Situation, alternative Gefäßanschlüsse? ∑ Welche Gewebe stehen für den Transfer zur Verfügung – Alternativen? ∑ Welchen Erfolg kann ich erwarten? Kommen einfachere Verfahren mit gleicher Erfolgschance in Frage? ∑ Hebedefektmorbidität!! Unter dem Bestreben, eine möglichst funktionelle orale Rekonstruktion zu erzielen, darf sie nicht unterschätzt werden! Aufklärung des Patienten!
Um funktionell sehr gute Ergebnisse zu erreichen, sollte bei genauer interdisziplinärer Indikationsstellung, Planung und Durchführung in Hinblick auf die Grunderkrankung das für den Patienten schonendste und für Form und Funktion entsprechende Rekonstruktionsverfahren gewählt werden.
13.1.5.5 Adjuvante Therapie Da oft nur eine R0-Resektion mit geringem Abstand oder gar nur eine R1-Resektion durchgeführt werden kann, haben adjuvante Therapien einen großen Stellenwert im Kopf-Hals-Bereich.
KAPITEL 13
Die Bestrahlung kann prä- und/oder postoperativ durchgeführt werden. Meist wird eine externe Bestrahlung verwendet. Zur Reduktion der Nebenwirkungen der externen Bestrahlung (Hautschäden, Schleimhautschäden) hat sich in letzter Zeit vor allem die Technik der Brachytherapie sehr bewährt.
13.1.6 Bedeutung der Sensibilität und der Resensibilisierung nach Tumorentfernung im Mund-Rachen-Bereich Ersichtlich aus der Darstellung des Homunkulus sind, wie die Hand, der untere Teil des Gesichts, die Mundhöhle und die Zunge überdimensional groß im Gyrus praecentralis repräsentiert [21, 32]. Die Mundhöhle und der Unterkiefer werden vom N. alveolaris inferior und dem N. lingualis innerviert. Die Innervation der Mundschleimhaut ist mit der sensiblen Versorgung der Haut [142] vergleichbar.VaterPacini-Körperchen, Merkel-Zell-Neurit-Komplexe und Haarrezeptoren fehlen aber in der Schleimhaut. Die sensiblen Rezeptoren der Mundschleimhaut bestehen aus Netzwerken nicht myelinisierter Nervenfasern in der Lamina propria und Submukosa und freien intraepithelialen Nervenendigungen. Im Lippenepithel werden mukokutane Endorgane ausgebildet [32]. Trotz Fehlens mehrerer spezifischer, sensibler Rezeptoren hat Mundschleimhaut – gemeinsam oder aufgrund ihrer kortikalen Repräsentation – eine ausgezeichnete sensorische Funktion. Nach Strahlentherapie [32], mit zunehmenden Alter [5, 32], bei Rauchern [27] und Zahnprothesenträgern [27] verschlechtert sich die Sensibilität in der Mundhöhle. Nach einem Zahnarztbesuch werden uns funktionelle Defizite durch eine gute Leitungsanästhesie bewusst, Speichelverlust, Schluckstörungen, Wangenbiss und fehlende Temperaturempfindung sind nur einige von vielen [32]. Eine intakte orale Empfindung ist somit ein wichtiger Bestandteil unserer Lebensqualität [21]. Eine qualitativ hochstehende, funktionelle Rekonstruktion sollte das Ziel der Wiederherstellung sein. Die alleinige Versorgung von Mundhöhlendefekten mit nur gut durchbluteten Transplantaten sollte heute nicht mehr angestrebt werden [27, 44]. Die Notwendigkeit einer intakten Sensibilität ist uns plastisch-rekonstruktiven Chirurgen – vertraut mit mikrovaskulärer Chirurgie und mikrochirurgischer Nervenchirurgie – aus der Handchirurgie bekannt. Trotzdem wird die Frage der Reinnervation – die Koaptation eines Empfänger- an einen Spendernerven – mikrovaskulärer Transplantate zur Wiederherstellung von Mundboden- und Unterkieferdefekten kontrovers behandelt. Ein Grund dafür ist auch, dass es sich hier zu-
Unterkiefer- und Mundbodendefekte
meist um ältere, onkologisch erkrankte Patienten handelt, während handchirurgische Patienten jüngere Unfallpatienten sind. Diese kontroverse Diskussion wurde erst nach Einführung des reinnervierten Oberarmlappens [78] und des radialen Vorderarmlappens [36, 152] geführt. Zumindest in dünnen fasziokutanen radialen Vorderarmlappen konnte klinisch [26, 159], aber auch histologisch [10], eine Reinnervation aus der angrenzenden Mundschleimhaut und dem Empfängerbett nachgewiesen werden. In dicken muskulokutanen Transplantaten waren die Ergebnisse bereits schlechter [26, 55]. Die zudem guten funktionellen Ergebnisse ließen unter dem Hinweis auf lange Operationszeiten einen Verzicht auf eine Nervenkoaptation empfehlen [10]. Diese Empfehlung wurde dahingehend abgeschwächt, sie nur bei intaktem N. lingualis anzuwenden [92, 159]. Andererseits konnte nachgewiesen werden, dass aufgrund der höheren kortikalen Repräsentanz der Empfängernerven intraoral transplantierte radiale Vorderarmlappen ein „sensory upgrading“ erfuhren. Die an den N. lingualis koaptierten Radialislappen erzielten eine bessere Sensibilität, als die am kontralateralen Unterarm belassenen [21]. Innerhalb von drei Wochen konnte mit „sensory reeducation“ am radialen Vorderarmlappen eine verbesserte Sensibilität erzielt werden [22]. Die Diskriminierung der Nahrung innerhalb der Mundhöhle stellt ein – für notwendig gehaltenes [27] – einzigartiges Resensibilisierungsprogramm [159] dar. Untersuchungen über verschiedene Empfängernerven empfehlen für Mundboden und Unterkieferrekonstruktionen die Verwendung des N. lingualis oder des N. alveolaris inferior [117]. Koaptationen an den N. auricularis magnus [6], N. laryngeus superior [6, 150] oder N. glossopharyngeus [150] sind anderen Indikationen vorbehalten. Neben dem lateralen Oberarmlappen und dem radialen Vorderarmlappen wurden der sensible osteoseptokutane Fibulalappen [162] und mit Hilfe elektrophysiologischer Techniken der sensible Beckenkamm und Skapulalappen [114] beschrieben. Durch Reinnervation des in die Mundhöhle transplantierten radialen Vorderarmlappens aus dem Empfängerbett konnten mit Semmes-Weinstein-Monofilamenten Werte von 27,7 g/mm2 gemessen werden [21]. An der kontralateralen Zunge betrugen die Werte 7,91 g/mm2. Nach Koaptation des N. cutaneus antebrachii lateralis an den N. lingualis wurden Werte von 14,25 g/mm2 gemessen [21]. Handelt es sich bei oben genannten Techniken um Reinnervation einer in die Mundhöhle transplantierten Hautinsel, so konnte bereits 1984 beim Hund eine Reinnervation oraler Schleimhauttransplantate aus dem Transplantatbett [48] histologisch nachgewiesen werden.
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Unterkiefer- und Mundbodendefekte
Die Technik der neuromukösen Prälamination [109] ermöglicht eine Reinnervation der prälaminierten Wangenschleimhaut durch Koaptation des eingebrachten N.-suralis-Transplantats an den Stumpf des aus onkologischen Gründen resezierten N. lingualis oder N. alveolaris inferior. Nach 9 bis 11 Monaten konnten histologisch nicht myelinisierte Nervenfasern in der Lamina propria dargestellt werden. Die Semmes-Weinstein-MonofilamentWerte innerhalb der Lappen betrugen 11,1 g/mm2 bzw. 17,7 g/mm2 im Vergleich zu 4,86 g/mm2 auf der kontralateralen, gesunden Mundschleimhaut. Die Patienten hatten eine tadellose Kaufunktion und berichteten spontan über eine Verbesserung ihrer Lebensqualität durch rascheres Wiedererkennen kalter und heißer Flüssigkeiten oder verbesserte Diskrimination ihrer Nahrungsmittel und dadurch verbesserter oraler Funktion. Aufgrund oben angeführter Gründe und operativer Möglichkeiten sollte deshalb heute die Wiederherstellung intraoraler Defekte mit reinnervierten – durch End-zu-End oder sogar End-zu-Seit koaptierten Spender und Empfängernerven – mikrovaskulären Transplantaten erfolgen [32, 92, 117, 125, 150, 159, 165]. Bei entsprechender Operationsplanung und -technik steht der notwendige nur gering längere Zeitaufwand in keinem Verhältnis zum qualitativ hochwertigem Ergebnis.
KAPITEL 13
an die Crista, während die kaudalen schrägen Fasern dorsal liegen und proximal an der Crista inserieren. Die Blutversorgung [111, 112] erfolgt über die A. thoracoacromialis und deren Ramus pectoralis für die Pars sternocostalis. Fasziokutane Äste versorgen die über dem lateralen Rand gelegene Haut. Die Pars clavicularis und die darüber liegende Haut werden vom Ramus deltoideus gespeist. Perforierende Äste aus dem Ramus pectoralis sind für die 3. bis 5. Rippe zuständig. Segmental wird der Muskel von Ästen der A. thoracica interna versorgt, welche die ersten sechs Interkostalräume perforieren. Anastomosen zwischen diesen, dem Ramus pectoralis und der A. epigastrica superior gewährleisten eine randomisierte Blutversorgung der über der vorderen Rektusscheide gelegenen Hautinsel [111]. Weitere versorgende Gefäße sind die A. thoracica lateralis, die in 49 % alleinig die Versorgung der Pars abdominalis übernimmt [147], und die A. thoracica suprema. Der Muskel wird von Nn. pectorales laterales (C5, C6, C7) und mediales (C8, Th1) segmental [87, 147] innerviert. Die Lymphe aus dem kaudalen Teil des M.-pectoralismajor-Lappen fließt in Lymphgefäßen entlang der A. thoracica lateralis, aus dem kranialen Teil entlang der A. thoracoacromialis [68].
Indikation 13.2 Spezielle Techniken 13.2.1 Lokale Lappenplastiken 13.2.1.1 M.-pectoralis-major-Lappenplastik Aufgrund seiner Anatomie, der axialen Gefäßversorgung und Größe bietet der M.-pectoralis-major-Lappen zahlreiche Möglichkeiten zur Wiederherstellung im Kopf-Hals-Bereich [51] und dient als „Arbeitspferd“ [70, 96, 111, 121] in dieser Region. Reine Muskel-, myokutane und osteomyokutane Rekonstruktionen sind mit ihm durchführbar. Seit der Einführung mikrovaskulärer Lappenplastiken zur Deckung von Unterkiefer- und Mundbodendefekten sollte er nur noch für besondere Indikationen herangezogen werden.
Anatomie Der M. pectoralis major besteht aus einer Pars clavicularis, die von der medialen Hälfte bis zwei Drittel der Klavikula entspringt, aus einer Pars sternocostalis vom Sternum und dem 2. bis 6. Rippenknorpel und aus der Pars abdominalis, die von der vorderen Rektusscheide herstammt. Er inseriert an der Crista tuberculi majoris des Humerus. Sein Aufbau ist fächerförmig. Die horizontalen Fasern sind vorne gelegen und gelangen distal
Mit dem am Ramus pectoralis axial gestielten M.-pectoralis-major-Lappen können Defekte der unteren Gesichthälfte bis zur Höhe des Jochbogens sicher gedeckt werden [99]. Als myokutaner Lappen eignet er sich zur Wiederherstellung von Defekten des Mundbodens und des Pharynx [167]. Unter Mitnahme der 5. Rippe kann er sogar zur Wiederherstellung des Unterkiefers herangezogen werden [65, 67, 90]. Die Anatomie des Lappens erlaubt seinen Einsatz als freies funktionelles Muskeltransplantat [74]. Der Lappen kann ohne Umlagerung des Patienten gehoben werden. Er muss nicht als „delay“ angelegt werden und seine Gefäßversorgung wird bei einer Neck dissection nicht unterbrochen [99]. Bei kräftigem M. pectoralis wird die Lappenplastik jedoch äußerst voluminös [95], die randomisierte Durchblutung der Hautinsel kann bei Frauen (Mammagewebe) und adipösen Patienten Probleme bereiten [9, 121]. Durch die Schwerkraft wird die Lappenplastik nach kaudal gezogen. Zur Schleimhautdefektdeckung verwendete Hautinseln sind asensibel. Eine Resensibilisierung kann nur aus der Umgebung erfolgen. Die Komplikations- und Fistelrate dieser Hautinseln ist relativ hoch [8, 63, 96, 121]. Deshalb ist heute, bei intakten Empfängergefäßen, mikrovaskulären Rekonstruktionen unbedingt der Vorzug zu geben [95, 99, 173]. Das gilt besonders für die Wie-
KAPITEL 13
derherstellung kombinierter Weichteil- und Knochendefekte. Die M.-pectoralis-major-Lappenplastik sollte nur noch bestimmten spezifischen Indikationen vorbehalten werden [25, 69, 173]: ∑ als reine Muskellappenplastik mit darauf applizierter Spalthaut bei Weichteildefekten des Halses mit freiliegenden vitalen Strukturen, bei Tumorinfiltration der Haut, radiogener Schädigung der Haut und chronisch peptischer Schädigung der Haut; ∑ als myokutane Lappenplastik zur Versorgung kleiner Schleimhautdefekte und Fisteln und gleichzeitig aktinischer Schädigung der Halsweichteile (zur Rekonstruktion des Schleimhautdefekts dient die Hautinsel, der äußere Hautdefekt kann mit Spalthaut oder Doppelung der Hautinsel in Geminitechnik [160] wiederhergestellt werden); ∑ in Kombination mit mikrovaskulären Lappenplastiken [25] sowie ∑ bei großen Schleimhautdefekten und nicht vorhandenen Anschlussgefäßen am Hals als „salvage procedure“.
Hebetechnik In Hinblick auf die spezifische Indikation zur M.-pectoralis-major-Lappenplastik soll nur die Hebung des reinen Muskel- und des myokutanen Lappens dargestellt werden. Bei Männern gelingt es zumeist, notwendige Hautinseln noch direkt über den distalen medialen Anteilen des Muskels zu platzieren. Somit ist eine axiale Blutversorgung gewährleistet [8, 95, 96]. Bei Frauen sollte wegen des Mammagewebes die Hautinsel parasternal über der Rektusscheide und nicht submammär platziert werden.
! Die vordere Rektusscheide wird mitgehoben [70, 99,
111, 147]! Es empfiehlt sich, die Hautinsel an der darunter liegenden Muskulatur und der vorderen Rektusscheide mit Nähten zu fixieren.
Bei großen Defekten, z. B. am Hals, kann der gesamte M. pectoralis major gehoben werden. In Hinblick auf die Hebedefektmorbidität sollten jedoch, wenn möglich, funktionelle Einheiten, wie die Pars abdominalis oder Pars clavicularis, bei der Hebung als myokutaner Insellappen geschont und belassen werden [87, 96, 99, 147]. Der axial versorgende Ramus pectoralis verläuft von der Mitte der Klavikula nach kaudal. Die Inzision zur Darstellung und Hebung wird entweder parallel des Sulcus deltoideopectoralis und lateral des Muskels in die Submammärfalte (bevorzugt bei Frauen) [99, 173] oder von der Mitte der Klavikula ge-
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schwungen direkt über den Muskel geführt [4, 65, 167]. Bei diagonal, parallel der Klavikula, geführten Inzisionen wird die proximale Hautbrücke intakt gelassen und tunneliert [8, 87, 95, 96, 112]. Nach Abpräparation von Haut und Subkutis werden die drei funktionellen Einheiten des Muskels, der laterale Rand und der Sulcus deltoideopectoralis mit der V. cephalica dargestellt. Nach Eingehen am lateralen Muskelrand wird die zwischen M. pectoralis major und minor liegende, gefäßführende Faszien- und Bindegewebsschicht gemeinsam mit dem M. pectoralis major stumpf abpräpariert und hochgehoben. Der darin liegende Ramus pectoralis ist mit Diaphanoskopie einfach zu sehen. Der darunter liegende M. pectoralis minor kommt faszienfrei zur Darstellung. Danach werden die benötigten Muskelanteile unter Klemmung und Ligatur der verbliebenen Muskelanteile gehoben. Vor Durchtrennung medial wird der Ansatz am Humerus unter Schonung der V. cephalica mit der Diathermie durchtrennt. Abpräparation, Klemmung und Ligatur medial erfolgt unter Schonung der perforierenden Äste der A. thoracica interna, um den medialen Haut-Subkutis-Lappen in seiner Durchblutung nicht zu gefährden. Proximal kann die Pars clavicularis geschont werden und der Gefäßstiel vollkommen isoliert werden. Der dadurch isolierte Insellappen kann dann zwischen Pars clavicularis und Klavikula hindurchgezogen werden [96, 164]. Der Ursprung an der Klavikula kann aber auch belassen werden und die A. thoracica lateralis in die Gefäßversorgung miteinbezogen werden [95].
! Nach Blutstillung empfiehlt es sich, die verbliebene
Wundhöhle mit zwei dicken Redon-Drains zu versorgen und mit Fibrinkleber auszusprühen, um Serome möglichst zu verhindern.
Wir transferieren den Lappen nach kranial immer über die Klavikula, um eine Abflussstörung durch postoperative Schwellung zu verhindern. Das dadurch anfänglich bestehende Gewebeplus verschwindet rasch durch Abschwellen und Muskelatrophie [95]. Reine Muskel- und myokutane Pektoralislappen können an der Klavikula wie eine Buchseite hochgeklappt werden, dadurch kommt der versorgende Ramus pectoralis außen zu liegen. Wird der Gefäßstiel isoliert, ist eine Drehung des Lappens nach kranial möglich. Ein direkter Verschluss des Hebedefekts durch Mobilisierung angrenzender Haut und Subkutis ist anzustreben. Mit Spalthaut gedeckte Hebedefekte können Probleme bis hin zu einer Perichondritis bereiten [96].
Insertion des Lappens Reine Muskellappen werden mit resorbierbaren Einzelknopfnähten fixiert. Darüber eingebrachte Spalthaut
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wird über ein Druckpolster eingenäht. Hautinseln myokutaner Lappenplastiken werden nach gründlicher Auffrischung der Wundränder im Empfängergebiet zweischichtig mit resorbierbaren Einzelknopfnähten fixiert.
Hebedefektmorbidität Exakte Untersuchungen über die Hebedefektmorbidität fehlen. Im Allgemeinen wird sie als „gering“ angegeben. Wird der gesamte Muskel entnommen, sind natürlich entsprechende funktionelle Defizite zu erwarten. Der M. pectoralis major ist ein kräftiger Adduktor und Innenrotator des Humerus. Bei festgestelltem Arm dient er als auxiliärer Atemmuskel. Eine fast komplette funktionelle Wiederherstellung gelingt, wenn bei der Lappenhebung die Pars clavicularis und abdominalis belassen werden können [99]. Ästhetisch können das Fehlen der vorderen Axillarfalte oder das Verziehen des Areola-Mamillen-Komplexes Probleme bereiten.
13.2.2 Mikrovaskuläre Lappenplastiken Mikrovaskuläre Lappenplastiken setzen intakte Arterien und Venen als Empfängergefäße voraus. Präoperativ soll zumindest eine Dopplersonographie der großen Halsgefäße durchgeführt werden. Bei einem pathologischen Befund und nach Voroperationen im Bereich des Halses wird eine Angiographie sowohl der A. carotis als auch der A. subclavia mit Darstellung ihrer Äste beiderseits durchgeführt. Liegen hochgradige Stenosen der A. carotis vor, sollen diese vor der Tumorresektion und Rekonstruktion interventionell radiologisch oder gefäßchirurgisch saniert werden. Die am häufigsten verwendeten Empfängerarterien sind die A. thyreoidea superior und die A. facialis [33, 75, 88, 100, 156]. Aufgrund der Länge und des kongruenten Durchmessers dieser Gefäße eignen sie sich besonders zur Durchführung mikrovaskulärer End-zu-End-Anastomosen, mit 8/0 oder 9/0 Einzelknopftechnik. End-zuSeit-Anastomosen an der A. carotis selbst [75] lehnen wir wegen der Gefahr einer Blutung [100] ab. Im Falle einer Sekundärrekonstruktion eignen sich als alternative arterielle Gefäßanschlüsse die Äste der gegenseitigen A. carotis externa [15, 33, 110] oder die gleichseitige A. temporalis superficialis [33] oder die gleichseitigen Äste des Truncus thyreocervicalis, wie die A. thyreoidea inferior oder die A. transversa colli [33, 100, 110, 156]. Veneninterponate sollen vermieden werden [15, 75]! Die mikrovaskulären Venenanastomosen werden abhängig von der Art der Neck dissection angelegt [75]. Bei Erhaltung der V. jugularis interna wird bevorzugt Endzu-Seit an diese [100] oder End-zu-End an deren Äste [33] anastomosiert.
KAPITEL 13
Im Falle einer radikalen Neck dissection wird an die V. jugularis externa oder deren Äste anastomosiert [75, 88, 100]. Alternativ stehen wieder Venen der Gegenseite, Begleitvenen des Truncus thyreocervicalis oder eine im Sulcus deltoideopectoralis auspräparierte und nach kranial geschlagene V. cephalica zur Verfügung [33, 88, 156]. Wenn möglich und falls von der Lappenplastik vorgegeben – radialer Vorderarmlappen, Fibulalappen – sollten zwei Venenanastomosen angelegt werden [75]. Präoperativ sind die Spendergefäße abhängig von der zu transferierenden Lappenplastik zu untersuchen. Mikrovaskulärer Beckenkamm und Jejunum benötigen keine Untersuchung. Für einen radialen Vorderarmlappen sollte eine Dopplersonographie durchgeführt werden.Vor dem Heben eines Fibulalappens sind unbedingt eine Angiographie und nach unserer Erfahrung eine Phlebographie durchzuführen. Eine dominante A. peronaea wird in 10 % der Patienten beschrieben und anhand des Angiogramms können atherosklerotische Plaques und Stenosen erkannt werden [75].Eine Phlebographie lässt varikös veränderte Vv. peronaeae erkennen. In diesem Fall führen wir keine Fibulatransplantation durch. Entsprechende Planung bei der Hebung des Lappenstiels – Länge, zusätzliche Auspräparation der V. cephalica beim radialen Vorderarmlappen – hilft, Veneninterponate zu vermeiden [75]. Die Darstellung der Empfängergefäße ist natürlich beim Ersteingriff am einfachsten. Bei der Neck dissection sollten sie möglichst schonend dargestellt und bewahrt werden [2]. Narben, Fibrose, Strahlenschaden und Infektion erschweren die Präparation beim Zweiteingriff [2, 110]. Obwohl ein Einfluss präoperativer Strahlentherapie auf die Erfolgsrate mikrovaskulärer Transplantate teilweise verneint [2, 129], aber auch bejaht wird [88], sind strahlenbedingte Gefäßveränderungen [2] und damit verbundene Gefäßrevisionen [100] unbestritten. So wie die verletzliche Intima nach Radiatio erfordern atherosklerotische Plaques sowohl der Empfänger-, als auch der Spendergefäße (Fibulalappen) eine entsprechend feine mikrovaskuläre Technik. Mikrovaskulär anzuschließende Lappenplastiken können vor der Anastomosierung mit kalter Eurocollins-Lösung [100] oder heparinisierter physiologischer NaCl-Lösung perfundiert werden. Dies empfiehlt sich besonders für funktionell anzuschließende Transplantate (Jejunum) oder bei zu erwartenden langen Ischämiezeiten.
! In Blutsperre gehobene Transplantate sollen auf jeden
Fall vor Durchtrennung der Gefäße noch für 20 Minuten mit Blut versorgt werden.
Die Notwendigkeit einer postoperativen Heparinisierung wird von einzelnen Zentren völlig unterschiedlich
Unterkiefer- und Mundbodendefekte
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N. cutaneus antebrachii lateralis A. radialis myo-periostale Arterienäste
faszio-kutane Arterienäste
A. ulnaris
a
M. flexor pollicis longus Arcus palmaris superficialis N. cutaneus antebrachii medialis
Abb.13.5 a–g.A.-radialis-Lappenplastik zur Rekonstruktion eines anterioren Mundbodendefektes. a Anatomie des Spendergebiets und Lappenplanung, b fasziokutaner Radialislappen mit N. cutaneus antebrachii lateralis. Mediane Deepithelialisierung des Lappens als Vorbereitung für eine Faltung zur Innen- und Außenauskleidung eines Wangendefekts, c osteofasziokutaner Radialislappen, d Übernähung der freiliegenden M.-flexor-carpi-radialis-Sehne als Vorbereitung zur Deckung mit einem Spalthauttransplantat, e intraoraler Aspekt eines fasziokutanen Radialislappen 9 Monate nach Wiederherstellung des vorderen Mundbodens, f endoskopische Ansicht eines fasziokutanen Radialislappens zur Rekonstruktion eines Defekts der Fossa tonsillaris, g Hebedefekt eines fasziokutanen Radialislappens, beachte das Spalthauttransplantat und das Streckdefizit im Handgelenk
b
c
Abb. 13.5 e–g Seite 370
gehandhabt.Wir verabreichen vor Freigabe der Zirkulation immer 1000 IU Einheiten Heparin intravenös, postoperativ erhält der Patient einen Heparinbypass unter PTT-Kontrolle. Ein Abknicken oder eine Torsion des abführenden venösen Gefäßes, venöser Überdruck in der Empfängervene,Kompression,Zug und Spannung an der Anastomose und Lumeninkongruenzen können weitere Ursachen für vaskuläre Komplikationen sein [71, 156], eine Infektion ist eine typische Ursache für einen Spätverschluss der Gefäßanastomose [2, 100, 156].
13.2.2.1 A.-radialis-Lappenplastik Die Anwendung des radialen Unterarmlappens für intraorale Rekonstruktionen [131, 132] brachte eine deutliche Erweiterung unserer Möglichkeiten zur Wiederher-
d
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KAPITEL 13
stellung. Da der Lappen in unterschiedlicher Gewebezusammensetzung – ohne Faszie [66, 161], nur als Faszie [76, 158, 171], fasziokutan, osteofasziokutan [72, 131, 143, 144, 158] und gemeinsam mit Sehnen [134] – gehoben werden kann, sich ausgezeichnet zur Lappenprälamination eignet und auch resensibilisiert werden kann, wurde er zu Recht als „rekonstruktives Chamäleon“ [94] bezeichnet. Aufgrund dieser Wandelbarkeit eignet er sich besonders zur funktionellen Wiederherstellung [57] verschiedener Regionen der Mundhöhle (Abb. 13.5).
Anatomie
e
f
g Abb. 13.5 e–g
Das von der A. radialis versorgte Hautareal umfasst die gesamte volare Unterarmhaut und reicht dorsal an der Radialseite zur Sehne des M. extensor pollicis longus und an der Ulnarseite bis zur Sehne des M. extensor carpi ulnaris. Distal wird der Lappen von der Handgelenksfurche begrenzt, proximal endet er etwas oberhalb der Ellenbeuge [134]. Arteriell wird er von direkten Ästen der A. radialis, welche im Muskelseptum zwischen M. brachioradialis und M flexor carpi radialis bzw. M. flexor digitorum superficialis liegen, versorgt. Diese Äste verlaufen in einer Gruppe für den proximalen Unterarm und einer Gruppe für den distalen Unterarm, ziehen im Septum durch die Faszie in das subkutane Fettgewebe, wo zahlreiche longitudinale epifasziale Anastomosen vorhanden sind. Das ist der Grund, warum dieser Lappen auch ohne Faszie gehoben werden kann, und z. B. kutane Perforatoren des distalen Unterarms Hautareale des proximalen Unterarms versorgen [144]. Die M.-palmaris-longus-, M.-flexor-carpi-radialisund M.-brachioradialis-Sehne werden durch direkte Äste der A. radialis und Ästen aus den kutanen Perforatoren versorgt [144]. Die Durchblutung des Radius erfolgt über Muskeläste der A. radialis und periostale Gefäße [144]. Variationen im Verlauf der A. radialis sind selten. In 14 % der Fälle wird ein hoher Abgang aus der A. brachialis beschrieben. Sie verläuft dann im Bereich des Unterarms normal, kann aber auch oberflächlich zur Beugemuskulatur liegen. Eine Zweiteilung der A. radialis wird ebenfalls beschrieben [118], ebenso ein völliges Fehlen perforierender Lappengefäße aus der A. radialis [69]. In mehr als 10 % werden Daumen und Zeigefinger nicht aus Ästen des oberflächlichen Hohlhandbogens versorgt. In 4,5 % ist kein geschlossener tiefer Hohlhandbogen vorhanden, sodass die alleinige Durchblutung von Daumen und Zeigefinger aus Ästen der A. radialis sehr selten vorkommt [118]. Venös fließt das Blut über die oberflächlichen subkutanen Venen und die tiefen beiden Begleitvenen der A. radialis ab. Oberflächliches und tiefes System stehen miteinander in Verbindung. Jeder Ast der A. radialis hat
KAPITEL 13
ein bis zwei Begleitvenen [98, 144]. In der Ellenbeuge vereinigen sich die beiden Begleitvenen der A. radialis und kommunizieren über eine V. mediana profunda mit den dicken oberflächlichen Venen [43]. Die tiefen Begleitvenen stehen untereinander über „cross over“ Äste miteinander in Verbindung. Jede Begleitvene hat noch zusätzlich kollaterale „Bypass-Äste“, sodass mit diesen beiden Systemen Klappen umgangen werden können und ein retrograder venöser Abfluss ermöglicht wird [98, 134]. Die epifaszial verlaufenden Nn. cutanei antebrachii medialis und lateralis innervieren die volare Unterarmhaut. Am radialen Rand der M.-brachioradialis-Sehne kommt der Ramus superficialis nervi radialis mit seinen Ästen zum Vorschein. Am distalen Unterarm ziehen die Rami palmares aus den Nn. medianus und ulnaris durch die Faszie zur Palma manus [47].
Indikation Für die Wiederherstellung von Mundbodendefekten kommt der proximal gestielte, distale Radialislappen zum Einsatz. Dieser Lappen ist dünn, formbar, belastbar und von ausreichender Größe. Der Lappen wird gemeinsam mit der Faszie gehoben. Sie bietet sozusagen die Grundlage des Lappens und gewährleistet seine Widerstandsfähigkeit für die dentale Versorgung. Die sehr gut durchblutete Faszie ermöglicht eine Versorgung mit Spalthauttransplantaten [171] oder eine muköse Prälamination. Die Gefäßversorgung ist von hoher Qualität und die A. radialis in der Regel frei von Intimaplaques. Der Gefäßstiel, die subkutanen Venen und die versorgenden Nerven können in notwendiger Länge gehoben werden. Indikationen für den fasziokutanen Radialislappen sind die Wiederherstellung ∑ des vorderen Mundbodens, ∑ der lateralen Zunge und ∑ des hinteren Zungendrittels.
Ein Hinzuziehen einer ossären Komponente im Sinne eines osteofasziokutanen Lappens ist notwendig zur Versorgung kleinerer Defekte des vorderen Mandibulabogens und der Mandibula im Retromolarbereich gemeinsam mit einer Rekonstruktionsplatte. Für Zungenrekonstruktionen eignen sich „bilobed flaps“ mit zusätzlich gehobenem deepithelialisierten subkutanen Gewebe, um Volumendefekte aufzufüllen [154, 155]. Für die Deckung des Alveolarkamms eignen sich die kutanen Lappenanteile nicht, da sie zu verschieblich sind und Druckulzera ausbilden. Für diese Region ist mit Spalthaut gedeckte [171], mukös prälaminierte oder reine Faszie zu bevorzugen.
Unterkiefer- und Mundbodendefekte
Hebetechnik Prinzipiell ist der radiale Unterarmlappen proximal oder distal gestielt zu entnehmen. Für orale Rekonstruktionen ist der proximal gestielte, distale, radiale Unterarmlappen indiziert. Nach präoperativer Besprechung mit dem Patienten, Durchführung einer Dopplersonographie der Unterarmarterien und eines Allen-Tests wird in der Regel die Lappenentnahme am nicht dominanten Unterarm vorgenommen. Planung und Anzeichnung am distalen Unterarm erfolgen so, dass die Hebedefektmorbidität gering gehalten werden kann. Oft genügen eine laterale Begrenzung an der radialen Unterarmkante und eine mediale median des ulnaren Gefäßnervenbündels, um so eine Spalthautdeckung über dem Ramus superficialis nervi radialis und der A. und dem N. ulnaris zu vermeiden. Die distale Grenze wird etwas proximal der Handgelenksfurche gezogen, einerseits um distale radiale Gefäßstümpfe für eine evtl. notwendige Gefäßrekonstuktion zu bewahren, andererseits um die Rami palmares von N. medianus und ulnaris möglichst zu schonen.„Bilobed flaps“ sind natürlich größer zu planen. Mitzuhebende subkutane und ossäre Anteile sind einzuzeichnen. In Blutsperre werden nach proximal querer Inzision zunächst, falls notwendig, die versorgenden Nn. cutanei antebrachii und Subkutanvenen dargestellt, danach das versorgende radiale Gefäßbündel. Nach distal querer Inzision wird ebenfalls das radiale Gefäßbündel gesichert. Der Lappen wird nach Umschneidung und unter Mitnahme der Faszie von ulnar gehoben. Eine zumeist vorhandene M.-palmaris-longus-Sehne wird mitgehoben. An der radiale Kante der M.-flexor-carpi-radialis-Sehne wechselt die zunächst oberflächliche Präparation in die Tiefe. Unter Anhebung des proximal und distal dargestellten radialen Gefäßbündels mit „vessel loops“ werden A. radialis und die beiden Begleitvenen unter Erhaltung des Muskelseptums schrittweise von proximal nach distal auspräpariert. Danach werden die radialen Anteile des Lappens unter Darstellung und Schonung des Ramus superficialis nervi radialis gehoben. Nach Mobilisierung des Lappens von der Unterlage werden die versorgenden Gefäße und Nerven nach proximal bis zur Ellenbeuge auspräpariert. Zumeist sind die beiden Begleitvenen der A. radialis für die venöse Drainage ausreichend. Die Präparation kann bis in die V. mediana profunda und die oberflächlichen Venen erfolgen. Seitenäste werden geklippt. Für eine mögliche Reinnervation des Lappens wird der subkutan verlaufende N. cutaneus antebrachii lateralis gehoben. Im Falle eines osteofasziokutanen Lappens wird eine laterale Spange (ein Drittel bis Hälfte der Zirkumferenz) mit der oszillierenden Säge gehoben, wobei Anteile des M. flexor pollicis longus mitgehoben werden müssen. Diese ossäre Komponente kann bis zum Ansatz des
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Unterkiefer- und Mundbodendefekte
M. pronator teres proximal gewonnen werden, das distale Ende des Radius wird intakt gelassen. Vor Öffnung der Blutsperre werden distal die A. radialis mit einem „Pulley“ geklemmt, um nach Öffnung die Durchblutung des Daumens über die Hohlhandbögen nochmals überprüfen zu können. Nach definitiver distaler Klemmung wird der Lappen für 20 Minuten perfundiert und dann erst proximal geklemmt und abgesetzt. Der Verschluss des Hebedefekts wird mit Spalthaut durchgeführt. Damit diese problemlos einheilen kann, wird die freiliegende Sehne des M. flexor carpi radialis mit Muskelgewebe der darunter liegenden Beugemuskulatur und Paraneurium des N. medianus eingehüllt [106]. Die Spalthaut wird über ein Polster eingeknüpft und der Arm für 10 Tage in einer Schiene, nach Knochenentnahme für 6 Wochen im Gips [128] ruhiggestellt.
Insertion des Lappens Wegen besserer Sicht wird der Lappen zuerst ein- oder zweischichtig dicht mit resorbierbarem Nahtmaterial in den Mundhöhlendefekt eingenäht. Die ossäre Komponente wird mit einer Rekonstruktionsplatte fixiert. Erst danach werden die Mikroanastomosen genäht. Der in kompletter Länge entnommene Gefäßstiel wird nicht rückgekürzt. Eine Torsion wird dadurch vermieden und proximal sind die Lumina am stärksten. Arterie und Venen müssen aber voneinander über eine gewisse Strecke separiert werden. Wenn möglich, werden beide Venen anastomosiert, aufgrund ihrer Verbindungen ist aber auch nur eine Venenanastomose ausreichend. Zuletzt wird der mitgehobene Nerv an den Spendernerv koaptiert. Der Nerv wird soweit rückgekürzt, dass Kopfexkursionen möglich sind, aber die Reinnervationsstrecke möglichst kurz gehalten wird.
KAPITEL 13
Ein besonderes Problem sind schmerzhafte Neurome – bei 3–34 % der Patienten – und Par- und Dysästhesien – bei 32–71 % [9, 17, 115, 137]. Davon betroffen können nicht nur der Ramus superficialis nervi radialis, sondern auch der Ramus palmaris des N. medianus oder N. ulnaris sein. Diese neurologischen Defizite können auch ursächlich für deutliche Bewegungs- und Krafteinschränkungen sein [89, 136]. Einschränkungen der Handfunktion werden besonders nach Entnahme osteofasziokutaner Radialislappen berichtet [115]. Die Hebestelle am Radius kann in bis zu 43 % der Fälle frakturieren [128]. Ein weiteres Problem stellt Kälteintoleranz der betroffenen Hand in 8–40 % der Patienten dar [9, 17, 56, 115, 135, 136, 145].Von der früher routinemäßigen Wiederherstellung der A. radialis mit einem Veneninterponat [131, 132] ist man bei Vorliegen intakter Hohlhandbögen abgekommen [56, 80, 89, 115]. Eine deutliche Senkung der Hebedefektmorbidität gelingt nur durch Verschluss mit intakter, innervierter Haut/Subkutis. Dies ist nur bei Entnahme reiner Faszienlappen [76, 158, 171] oder durch Prälamination [89] möglich.
13.2.2.2 Freies Fibula-Diaphysen-Transplantat Trotz ihres geraden Verlaufs und ihrer geringen Dicke stellt die mikrovaskuläre Fibula das zweite ideale Transplantat zur Wiederherstellung der Mandibula dar. Für diese Indikation, von Hidalgo 1989 [52] eingeführt, eignet sie sich, trotz anfänglicher Zweifel an der sicheren Durchblutung ihrer zugehörigen Hautinsel, als osteoseptokutanes Transplantat [54]. Dazu beigetragen hat die im Vergleich zum mikrovaskulären Beckenkamm geringe Hebedefektmorbidität und die Formbarkeit der ossären und kutanen Komponente. Die Qualität des versorgenden Gefäßstiels kann aber auch Probleme bereiten (Abb. 13.6).
Hebedefektmorbidität Die Hebedefektmorbidität des proximal gestielten, distalen, radialen Vorderarmlappens ist sowohl funktionell als auch ästhetisch beträchtlich. Der Patient muss deshalb vor der Operation genau darüber informiert werden, es muss gemeinsam entschieden werden, aus welchem Unterarm entnommen wird.
Wundheilungsstörungen des eingebrachten Spalthauttransplantats werden bei 19–70 % der Patienten berichtet [9, 137, 145]. 17–50 % aller Patienten sind mit dem kosmetischen Resultat am Hebedefekt unzufrieden [17, 56, 115, 137, 145].
Abb. 13.6 a–j. Rekonstruktion der Mandibula mithilfe eines 䉴 freien Fibula-Diaphysen-Transplantats. a Anatomie des Spendergebiets und Lappenplanung, b Fibulaentnahme: Darstellung des N.peronaeus superficialis (gelb angeschlungen), c Fibulaentnahme: Darstellung eines septalen Perforators am distalen Drittel der Fibula (rot angeschlungen), beachte den auf der Fibula belassenen Muskelrasen nach Abtrennung der Mm. peronaei, d Fibulaentnahme: Distale Osteotomie und Darstellung der peripheren Vasa peronaea,e Fibulaentnahme: Durchtrennung der Membrana interossea (N. peronaeus gelb angeschlungen), f Fibulaentnahme: Verlängerung des Gefäßstiels durch Abpräparation (gemeinsam mit dem Periost) von der proximalen Fibula, g entnommener osteofasziokutaner Fibulalappen mit distal gelegener Hautinsel, h fehlende Höhe des Unterkiefers eines Patienten nach Resektion des vorderen Mandibularbogens und alleiniger Überbrückung mit einer Osteosyntheseplatte,i sekundäre Wiederherstellung der Höhe des Unterkiefers dieses Patienten mit mikrovaskulärer Fibula, j fehlende Funktion des M. flexor hallucis longus nach Fibulaentnahme Abb. 13.6 f–j Seite 374
KAPITEL 13
M. tibialis anterior
Unterkiefer- und Mundbodendefekte
373
Membrana interossea M. extensor digitorum longus
Tibia
N. peroneus profundus, A. et V. tibialis
M. flexor digitorum longus
M. extensor hallucis longus N. peroneus superficialis, A. accessoria Septum intermusculare anterior
M. tibialis posterior
M. peroneus brevis Fibula M. peroneus longus Septum intermusculare posterior
M. flexor hallucis longus M. soleus A. et V. peronea M. gastrocnemius Fascia cruralis
a
A. et V. tibialis posterior, N. tibialis
Septum intermusculare transversum
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Abb. 13.6 f–j
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Anatomie Die durchschnittliche Länge der Fibula beim Erwachsenen beträgt 33 cm, ihre Dicke 1,5–2 cm [134]. Sie bietet Ursprung für die Mm. peronaeus longus, brevis und tertius, für die Mm. extensor digitorum longus und extensor hallucis longus, für den M. tibialis posterior und die Mm. soleus und flexor hallucis longus. An ihr inserieren vier Muskelsepten und Faszien – das Septum intermusculare anterius, die Membrana interossea, die Fascia cruris profunda und das Septum intermusculare posterius. Die Blutversorgung der Fibula erfolgt über Äste der A. peronaea und ihrer Begleitvenen. Die A. peronaea entspringt in 90 % der Fälle aus der A. tibialis posterior, in 1 % aus der A. tibialis anterior und in 1 % aus der A. poplitea. In 8 % der Patienten fehlt eine A. tibialis posterior, und an ihre Stelle tritt die A. peronaea [134]. Am Übergang vom proximalen in das mittlere Drittel tritt ein direkter Ast in den Knochen der Fibula ein. Vier bis sechs perforierende Äste versorgen segmental Fibula, Periost, benachbarte Muskulatur und über das Septum intermusculare posterius verlaufend die darüber liegende Haut. Die erste dieser Arkaden stammt aus der A. poplitea, tibialis posterior oder anterior. Die Perforatoren verlaufen septokutan, muskulokutan oder septomuskulär [119]. Rein septale Perforatoren findet man über dem distalen Drittel der Fibula [59]. Proximale Hautinseln können von alleinigen Perforatoren eines muskulokutanen Asts der A. peronaea oder sogar poplitea versorgt werden. Dieser Ast verläuft parallel der A. peronaea innerhalb des M. soleus und kann bei unvorsichtiger Präparation durchtrennt werden [166]. Distal besteht ein Ramus perforans der A. peronaea zur A. dorsalis pedis, der die Membrana interossea durchbricht und kräftig ausgebildet sein kann. Die A. peronaea wird von zwei Vv. peronaeae begleitet, welche mit den Begleitvenen der anderen beiden Unterschenkelarterien kommunizieren. Die Äste der A. peronaea werden von ein bis zwei Venen begleitet. Die eigentliche Stiellänge der Peronäalgefäße vom Abgang bis zur Fibula ist kurz und etwa 5 cm lang. Die Hautinsel des osteoseptokutanen Fibulalappen wird vom N. cutaneus surae lateralis innerviert [162]. Dieser versorgt konstant weiter proximal gelegene Hautinseln. Da aber eine rein septokutane Blutversorgung weiter distal vorhanden ist, wird eine Hebung größerer Hautinseln im Falle einer beabsichtigten Reinnervation empfohlen [164].
Indikation Die Indikationen zur Wiederherstellung mit einem mikrovaskulären Fibulatransplantat sind Defekte der vorderen Mandibulakurvatur, lange Defekte einer Seite,
Unterkiefer- und Mundbodendefekte
welche die vordere Kurvatur miteinbeziehen, und Defekte, die praktisch die gesamte Länge der Mandibula betreffen. Wegen ihrer geringen Dicke ist sie für ältere Patienten mit entsprechender Atrophie des Unterkiefers zu bevorzugen. Trotzdem ist die Fibula wegen ihrer dicken Kompakta für die Einbringung von Implantaten geeignet [40]. Das Ausmaß der Knochenresorption nach erfolgreicher Transplantation ist gering [35]. Junge Patienten mit kräftigem Unterkiefer und einseitigen Defekten ohne Einbeziehung der gesamten vorderen Kurvatur werden besser mit einem Beckenkamm rekonstruiert. Nach Hidalgo [53] sind praktisch alle Unterkieferdefekte zur Rekonstruktion mit einer Fibula geeignet. Die einzigen beiden Ausnahmen sind Defekte mit großem Weichteilverlust innerhalb und außerhalb der Mundhöhle und Defekte des Trigonum retromolare. Für die Versorgung von ersteren werden mikrovaskuläre Skapulalappen, für letztere osteokutane Radialislappen empfohlen. Ein oder zwei mitgehobene Hautinseln dienen zur Versorgung innerer Schleimhaut- oder äußerer Hautdefekte [54, 163, 170].
Hebetechnik Zur Bestätigung einer regulären Gefäßanatomie und zum Ausschluss atherosklerotischer Gefäßveränderungen sollte prinzipiell eine Angiographie durchgeführt werden [168]. Zum Ausschluss variköser Veränderungen der Vv. peronaeae führen wir auch immer eine Phlebographie durch. Sind nur zwei Unterschenkelgefäße vorhanden, bestehen massive atherosklerotische Veränderungen und Stenosen und sind Varizen vorhanden, besteht eine Kontraindikation zur mikrovaskulären Fibulatransplantation [54, 168]. Von welchem Unterschenkel die Fibula gehoben wird, ist abhängig von der notwendigen Gefäßstiellänge und der Positionierung der mitgehobenen Hautinsel. Für einen Anschluss an die gegenseitigen Halsgefäße und für Rekonstruktionen des vorderen Mandibularbogens empfiehlt Hidalgo [53] die Entnahme vom zum Mandibuladefekt gegenseitigen Unterschenkel und die Verwendung der distalen Fibula. Wolff [168] empfiehlt prinzipiell die Entnahme der zu den Empfängergefäßen am Hals kontralateral gelegenen distalen Fibula. Diese Technik ermöglicht die Hebung rein septokutan versorgter Hautinseln [59, 168] und eine deutliche Verlängerung des Gefäßstiels durch Resektion proximaler Fibulaanteile unter Erhaltung des Periosts und der daran gelegenen A. und V. peronaea [168]. Für die Planung der Hautinsel können die Perforatoren präoperativ mit Dopplersonographie geortet werden [59, 168]. Kleine Hautinseln können damit geplant und gehoben werden. Um eine sichere Durchblutung der Hautinsel zu gewährleisten, kann aber auch das ge-
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Unterkiefer- und Mundbodendefekte
samte Septum intermusculare posterius mit der darüber liegenden Hautinsel gehoben werden [53]. Nicht gebrauchte Hautanteile werden deepithelialisiert. Nach Anzeichnung wird in Blutsperre entlang der Fibula inzidiert, die Hautinsel wird ventral gemeinsam mit der darunter liegenden Faszie umschnitten. Dabei ist am Übergang vom mittleren zum distalen Drittel auf den N. peronaeus superficialis unmittelbar unter der Faszie zu achten. Nach Fixierung der Faszie an die Haut wird das Septum intermusculare posterius mit den versorgenden Gefäßen dargestellt. Unter Anhebung der peronäalen Muskelgruppe, welche distal die Fibula von ventral nach dorsal hinter dem Malleolus lateralis überkreuzt, werden die Mm. peronaeus longus und brevis von der Fibula abgetrennt. Ein Muskelrasen wird belassen. Die Präparation erfolgt von distal nach proximal. Proximal ist der N. peronaeus communis mit seinen Ästen, insbesondere vor Hakendruck, zu schonen. Nach Durchtrennung des Septum intermusculare anterius werden die Extensoren bis zur Darstellung der Membrana interossea abgetrennt. Der dorsale Anteil der Hautinsel wird umschnitten und gehoben. Nach distaler Osteotomie 6 cm oberhalb des Malleolus lateralis wird die Fibula herausgehebelt, die distale A. und V. peronaea dargestellt, ligiert und durchtrennt. Die Membrana interossea wird danach von distal nach proximal inzidiert und unter Durchtrennung des M. tibialis posterius werden A. und V. peronaea auspräpariert. Muskeläste werden geklippt. Dieser Präparationsschritt wird durch eine proximale Osteotomie 5 cm kaudal des Caput fibulae deutlich erleichtert. Die Fibula kann jetzt vollkommen herausgehebelt werden. Danach wird die Präparation dorsal unter Darstellung und Erhaltung des gefäßführenden Septum intermusculare posterius komplettiert. Die Perforatoren verlaufen bogenförmig dorsal der Fibula. Sie können einen septalen (distal) [59], muskuloseptalen, aber auch muskulären (proximal) Verlauf nehmen. Es empfiehlt sich deshalb insbesondere proximal Anteile des M. soleus und M. flexor hallucis longus mitzuheben [119]. Zur Unterfütterung und weiteren Weichteilrekonstruktion kann dieser Muskel überhaupt mitgehoben werden [53, 168]. Nach Präparation und Isolation des proximalen Gefäßstiels bis zum Abgang wird die Blutsperre aufgelassen und das Transplantat für zumindest 20 Minuten perfundiert. Um die Ischämiezeit zu verkürzen, können die Vorbereitung des Transplantats und notwendige Osteotomien entsprechend der Vorlage an der noch gestielten und perfundierten Fibula erfolgen [53]. Nach Absetzen des Transplantats und genauer Blutstillung empfiehlt es sich, die große Wundhöhle mit 5 ml Fibrinkleber auszusprühen. Nach Versorgung mit zwei dicken Redon-Drains werden die Muskeln locker adaptiert und die Reste des M. flexor hallucis longus in ihrer ursprünglichen Spannung am M.soleus fixiert.Die Muskelfaszie wird nicht verschlossen.
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! Ein direkter Hautverschluss im Bereich der ehemaligen Hautinsel soll nicht erzwungen werden, hier sind Spalthauttransplantate anzuwenden.
Insertion des Lappens Osteotomien der Fibula erfolgen entsprechend eines 3D-Stereolithographiemodells unter strikter Erhaltung des medial und dorsal gelegenen Periostschlauchs [163]. Die Lage der Osteotomien richtet sich nach Positionierung des Gefäßstiels, um diesen möglichst lang gestalten zu können [53]. Maximal 2 Osteotomien werden empfohlen [53, 54]. Fixiert wird die Fibula mit Miniosteosyntheseplatten in 2 Ebenen an der Lateralseite und an der Unterkante, wobei zusätzlich eine intermaxilläre Fixation für 5 Tage angebracht werden sollte [53]. Eine Osteosynthese mit einer AO-Überbrückungsplatte ist ebenfalls möglich. Nach der Osteosynthese werden die Mikroanastomosen genäht. Das Septum mit der Hautinsel wird über der Fibula positioniert. Die Hautinsel wird intraoral zweischichtig dicht inseriert.
Hebedefektmorbidität Die Hebedefektmorbidität wird allgemein als gering eingestuft. Sie beruht auf Ablösung der Muskulatur von ihrem Ursprung, Einblutungen in die Muskulatur, Spateldruck auf den N. peronaeus und Wundheilungsstörungen der Spalthauttransplantate. Klinisch auffällig sind vorübergehende partielle Läsionen des N. peronaeus [3, 7, 54, 90] und eine Sprungelenkssteifigkeit und -instabilität [3, 54, 90]. Eine große physiologische Reserve ermöglicht den meisten Patienten beschwerdefreie tägliche Aktivitäten. Erst isokinetische Untersuchungen ergaben bei fast allen Patienten eine signifikante Verminderung der Sprunggelenksbeweglichkeit und einen Kraftverlust im Knie- und Sprungelenksbereich [3]. Behinderungen in der Zehenstreckung und Großzehenbeugung [7, 54, 90, 126, 163, 1168] zeigen keine Auswirkungen auf das Gangbild, sowohl klinisch [163, 168], als auch in der kinetischen und kinematischen Ganganalyse [90].
13.2.2.3 Freies Beckenkamm-Transplantat Die Wiederherstellung des Unterkiefers ist aus mehrfachen Gründen schwierig. Form und Funktion stellen an die Rekonstruktion hohe ästhetische und funktionelle Ansprüche. Der entstandene Defekt und das Empfängerbett stellen an das Transplantat hohe Anforderungen.
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A. epigastrica superficialis A. circumflexa iliaca superficialis
b
c
a N. cutaneus femoris lat.
M. sartorius
d Abb. 13.7 a–w. Freies Beckenkamm-Transplantat zur Wiederherstellung eines kombinierten Knochen-Weichteil-Defektes im Bereich des seitlichen Mandibulaanteils. a Anatomie des Spendergebiets und Lappenplanung, b Hebung eines osteomyokutanen Beckenkamms, angezeichnet sind das Lig. inguinale, die A. femoralis und die zu hebende Hautinsel. Inzision 2 Querfinger oberhalb des Leistenbands, welches intakt gelassen wird, die Externusaponeurose ist bereits durchtrennt, c kleines, osteomyokutanes Beckenkammtransplantat mit Gefäßstiel, d kleines, rein ossäres Beckenkammtransplantat mit Gefäßstiel, e Panoramaröntgen zweier nicht eingeheilter frei transplantierter Rippentransplantate nach Resektion eines Ewingsarkoms der linken Mandibula vor viereinhalb Jahren, f Stereolithographiemodell dieser Patientin zur Planung des Beckenkamms und der Überbrückungsplatte, g Hebung des ossären Beckenkamms der Patientin von rechts, h der eingebrachte Beckenkamm der Patientin mit Überbrückungsplatte,i Panoramaröntgen der Patientin nach Rekonstruktion und Einbringen von osseointegrierten Implantaten, j Computertomographie eines solitären Plasmozytoms der linken Mandibula, k Präoperative Ansicht des Patienten, l intraoperatives Röntgen des Resektats,m Panoramaröntgen des Patienten nach Wiederherstellung mit mikrovaskulärem Beckenkamm und Einbringen osseointegrierter Implantate, n orale Ansicht des Patienten nach dentaler Wiederherstellung, o radioszintigraphischer Nachweis der Durchblutung des Beckenkammtransplantats dieses Patienten, p postoperative Ansicht des Patienten, q Stegkonstruktion in einem mikrovaskulären Beckenkamm zur Fixierung einer Zahnprothese, r fixierte Zahnprothese, s Patient nach Rekonstruktion mit einem osteomyokutanen Beckenkamm links, Hautinsel zur Versorgung eines Hautdefekts, t Seitenansicht des Patienten, u metaplastische Knochenneubildung nach Beckenkammentnahme links, v Ergebnisse nach kinematischer Ganguntersuchung nach Beckenkammentnahme rechts Abb. 13.7 e–w Seiten 378–381
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i
j Abb. 13.7 e–p
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Erst die experimentellen Arbeiten von Taylor [140] und deren klinische Anwendung [141] ermöglichten erstmals eine Rekonstruktion des Unterkiefers [138], welche Form, Funktion und den Anforderungen des Empfängerbetts gerecht wurde. Der mikrovaskuläre Beckenkamm bietet ein Transplantat von ausreichender Knochenlänge, Dicke und vor allem Höhe, das von einem qualitativ hochstehenden Gefäß versorgt wird. Obwohl der seitlichen Mandibula von der Form her äußerst ähnlich, kann seine Formgebung, insbesondere die Positionierung seiner Hautinsel, Schwierigkeiten bereiten [20]. Zudem ist seine Hebung mit einer hohen Morbidität verbunden. Wegen dieser Nachteile gaben später viele der mikrovaskulären Fibula den Vorzug (13.7).
t
Anatomie Die Crista iliaca und der kraniale Anteil des Os ilium haben in der Sagittalebene eine sinusförmige Krümmung, der vordere Anteil ist nach außen konvex gekrümmt, der hintere Anteil nach innen konvex. In der Horizontalebene besteht ebenfalls eine Krümmung, der vordere Teil ist nach innen konkav geformt, der hintere Anteil nach außen konkav [73, 134]. Der Knochen der Crista besteht aus einer Spongiosa und einer inneren und äußeren Kortikalis. Er hat eine Dicke von 0,8–2 cm und ermöglicht das Einbringen osseointegrierter Implantate [19, 35, 40, 116, 123, 124]. Die Gesamtlänge der Crista iliaca beträgt beim Erwachsenen ca. 23 cm. Die vorderen 14–16 cm, gemeinsam mit der Spina iliaca anterior superior und ein angren-
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Beckenschiefstand (Grad) 15 10 Kran 5 0 5 Kaud 10 15 Hüft-Ad-, Abduktion (Grad) 15 10 Add 5 0 5 Abd 10
u
15
Abb. 13.7 q–v
zender 4 cm breiter Anteil des Os ilium sind für einen mikrovaskulären Transfer geeignet [75, 134, 140]. An der Crista iliaca selbst setzt der M. obliquus externus abdominis an, und es entspringen der M. obliquus internus abdominis und der M. transversus abdominis. Innen, aus der Fossa iliaca, entspringt der M. iliacus.Außen entspringen an der Spina iliaca anterior superior der M. gracilis, dorsal der Spina der M. tensor fasciae latae und danach großflächig der M. glutaeus medius und minimus. Der mikrovaskuläre Beckenkamm wird von der A. circumflexa ilium profunda versorgt. Sie entspringt lateral aus der A. iliaca externa, 1–2 cm kranial des Leistenbandes. Das Gefäß zieht hinter und parallel des Lig. inguinale Richtung Spina iliaca anterior superior in einem fibrösen Kanal, der von der Anheftung der Fascia
rechts links Referenzwerte
transveralis und Fascia iliaca gebildet wird. 1–2 cm vor der Spina iliaca anterior superior durchbricht es die Fascia transversalis und zieht dann bogenförmig auf dem M. iliacus, zwischen dem Labium internum der Crista kranial und der Anheftung der Fascia transversalis und iliaca kaudal, zum Rand des Beckenkamms 8–9 cm dorsal der Spina [140]. Dort durchbricht sie den M. transversus abdominis, anastomosiert mit der A. iliolumbalis, der A. glutaea superior und den Interkostalarterien und gibt zahlreiche Äste an die Bauchwandmuskeln und die darüber liegende Haut ab. Die Länge des Gefäßstiels vom Abgang bis zur Spina iliaca anterior superior beträgt ungefähr 6 cm [73]. Weitere Äste der A. circumflexa ilium profunda sind der Ramus ascendens, von der Unterseite ein Ast zum
v
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M. iliacus mit zahlreichen weiteren Ästen und entlang des Beckenkamms Äste direkt zum Knochen oder über den M. iliacus und zahlreiche muskulokutane Äste für die Bauchdeckenmuskulatur und die darüber liegende Haut [140]. Der Ramus ascendens verlässt in ca. 62 % der Fälle die A. circumflexa ilium profunda ca. 1 cm vor der Spina iliaca anterior superior, durchbricht den M. transversus abdominis und versorgt den M obliquus internus abdominis. In ungefähr 16 % der Fälle entspringt dieser Ast viel weiter medial der Spina, oft nahe der A. iliaca externa, und in weiteren 22 % nehmen mehrere Äste einen aszendierenden Verlauf [134, 140]. Die A. circumflexa ilium profunda wird von zwei Vv. comitantes begleitet, die sich 1–4 cm lateral der A. iliaca externa zu einer Vene vereinigen. Diese Vene verläuft dann zentral der Arterie, über- oder unterkreuzt die A. iliaca externa in jeweils 50 % der Fälle und mündet in die V. iliaca externa. Im Operationsgebiet findet man den N. cutaneus femoris lateralis, den N. ilioinguinalis und den Ramus femoralis nervi genitofemoralis, welche die A. circumflexa ilium profunda überkreuzen. Der Ramus anterior des N. subcostalis und der N. iliohypogastricus durchbohren die Bauchdeckenmuskulatur dorsal der Spina iliaca anterior superior. Der N. subcostalis kann zur Reinnervation einer transferierten Hautinsel herangezogen werden [73, 114, 140].
das an der vorderen Kurvatur nicht der Fall. Eine Fibula lässt sich für diese Art von Defekt leichter anpassen und Mundbodendefekte sind damit einfacher zu rekonstruieren. Taylor weist aber ausdrücklich darauf hin, bei korrekter Planung anhand eines Modells, den vorderen Mandibularbogen mit nur einer Osteotomie wiederherstellen zu können [138, 139].
Indikation
Spezifische Voruntersuchungen, insbesondere eine Angiographie, sind für die Entnahme nicht notwendig. Präoperativ soll der Darm vollkommen entleert werden.Allerdings bedarf es einer genauen Planung in Hinblick auf Form und Krümmung des Transplantats, Lage des Kieferwinkels, Positionierung der Hautinsel und des Gefäßstiels und Lage der Gefäßanastomosen. Kürzere Stücke können aus dem vorderen Teil der Crista iliaca entnommen werden. Eine ipsilaterale Entnahme ist möglich, wenn als Kieferwinkel die Spina iliaca anterior superior, als Ramus mandibulae (mit seinen beiden Fortsätzen) der vordere Anteil der Crista gemeinsam mit der Spina iliaca anterior inferior [19] und als Corpus mandibulae der nach weit dorsal reichende Bogen der Crista geplant werden [73, 138]. Der Gefäßstiel wird dann am zukünftigen Kieferwinkel herausgeleitet. Kontralateral entnommen wird, wenn als Protuberantia mentalis die Spina iliaca anterior superior geplant wird. Dort wird auch der Gefäßstiel herausgeleitet. Das Corpus mandibulae hat dann ebenfalls einen gebogenen Verlauf, Kieferwinkel und Ramus mandibulae müssen aber dorsal an der Crista und am Os ilium geplant werden [73]. Für die Rekonstruktion eines Ramus mandibulae mit nur kurzem Korpus kann man an beiden Hüften entneh-
Der mikrovaskuläre Beckenkamm kann als rein ossäres, myoossäres oder osteomyokutanes Transplantat gehoben werden [124, 138]. Er bietet kurze oder lange Abschnitte gut vaskularisierten Knochens in der Länge von 6–16 cm [73]. Es können damit Abschnitte der Mandibula, aber auch komplette Hemimandibeln rekonstruiert werden [138, 140, 141]. Der Beckenkamm kann bikortikal, aber auch nur monokortikal – unter Bewahrung der äußeren Kortikalis – gehoben werden [124, 125, 138]. Die ideale Indikation stellen große Defekte der lateralen Mandibula inklusive des Kieferwinkels bis hin zu Defekten einer kompletten Mandibulahälfte dar [19, 20, 138]. Insbesondere bei jüngeren, bezahnten Patienten mit kräftigem Unterkiefer kann die komplette Höhe der Mandibula wiederhergestellt werden. Äußere Weichteil- und Hautdefekte sind damit einfach zu rekonstruieren, während die Wiederherstellung von inneren Schleimhautdefekten Schwierigkeiten bereiten kann. Das Transplantat ist oft äußerst voluminös und die Hautinsel weniger mobil als vergleichsweise die einer mikrovaskulären Fibula. Das gilt auch für Defekte des vorderen Mandibularbogens [64]. Ist die Krümmung der seitlichen Mandibula dem Beckenkamm von Natur aus vorgegeben, so ist
Kontraindikationen und Hebetechnik Von der Hebung eines mikrovaskulären Beckenkamms auszuschließen sind Patienten: ∑ nach Rippenbogenrandschnitt – Denervation der Bauchdeckenmuskulatur, Herniengefahr (!), ∑ mit Bauchwandhernien, ∑ nach Bestrahlungen und Operationen im Beckenbereich, ∑ nach Hüftoperationen und ∑ mit deutlichen Funktionseinschränkungen der unteren Extremität. Keine Kontraindikation besteht bei gut verheilten Narben nach: ∑ Appendektomie, ∑ Leistenhernie, ∑ medianer Laparotomie und ∑ kontralateraler Beckenkammentnahme.
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men [138]. Die Spina iliaca anterior superior entspricht wieder dem Kieferwinkel, der Korpus dem vorderen Anteil der Crista, der Processus condylaris wird an der Crista selbst geplant und der zukünftige Processus coronoideus muss aus dem Os ilium herausosteotomiert werden. Der Gefäßstiel wird wieder am Kieferwinkel herausgeleitet. Am Patienten werden Tuberculum pubicum, Spina iliaca anterior superior, das Leistenband, die A. femoralis und der gebogene Verlauf der Crista iliaca eingezeichnet. Diese stellt die Längsachse der Hautinsel dar, welche bis zu einer Größe von rund 20·15 cm [134, 138] entnommen werden kann. Die versorgenden Perforatoren finden sich 2,5 cm oberhalb der Crista und ca. 6 cm dorsal der Spina [140]. Zunächst wird 2 Querfinger kranial des Leistenbandes von Höhe der A. femoralis bis zur medialen Ecke der Hautinsel inzidiert. Haut, Subkutis, Externusaponeurose und die in diesem Bereich verschmolzenen Mm. obliquus internus abdominis und transversus abdominis werden durchtrennt und schichtweise nach kranial und kaudal soweit abpräpariert, um dann einen raschen, übersichtlichen und sicheren Verschluss zu ermöglichen. Das Lig. inguinale wird in seiner kompletten Länge erhalten und nicht inzidiert. Falls es die Länge des Beckenkammtransplantats erlaubt, wird die Spina erhalten. Nach Darstellung des präperitonealen Fettgewebes wird das Peritoneum stumpf nach kranial abgeschoben. Die an der Hinterseite des Lig. inguinale und unter einer Faszie liegenden Vasa circumflexa ilium profunda werden identifiziert. Für einen übersichtlichen Zugang wird die Hautinsel kranial umschnitten, danach schichtweise die Bauchmuskulatur unter Erhaltung eines mindestens 4 cm breiten Saums an der Crista iliaca, um die perforierenden Gefäße nicht zu gefährden, durchtrennt. Bei dieser Präparation muss die Bauchdecke, die sich über die Crista schiebt, von der Assistenz gespannt werden [73]. Das abgeschobene Peritoneum muss gesichert werden. Der Gefäßstiel wird von medial nach lateral auspräpariert, abgehende Äste werden geklippt. Bei Bedarf kann der Ramus ascendens gemeinsam mit Anteilen des von ihm versorgten M. obliquus internus abdominis mitgehoben werden [151]. Überkreuzende Nerven werden strikt geschont. Am Ursprung des Gefäßstiels vorbeiziehende Lymphgefäße werden geklippt. Der nächste Präparationsschritt umfasst die kaudale Umschneidung der Hautinsel. M. tensor fasciae latae, glutaeus minimus und medius werden dann von der Außenseite des Os ilium abgeschoben, bis genügend Platz für die vorgesehenen Osteotomien geschaffen wurde. Entsprechend der Planung wird dann osteotomiert, wobei innen die Teile des M. iliacus, die das Transplantat bedecken, mitgehoben werden. Es empfiehlt sich, die Osteotomien zunächst mit dem Meißel zu markieren,
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und erst dann den Knochen mit der oszillierenden Säge herauszusägen. Unmittelbar nach Hebung des Transplantats wird der Hebedefekt exakt verschlossen. Zur Unterstützung einer genauen Blutstillung wird die große Wundhöhle mit Fibrinkleber ausgesprüht, unter jede Bauchwandschicht kommt eine Redon-Drainage. Der osteotomierte Beckenkamm wird mit Knochenwachs versorgt. Es wird kräftiges resorbierbares Nahtmaterial verwendet. Dorsal der Spina werden der M. transversus abdominis mit dem M. iliacus vernäht, der M. obliquus internus abdominis mit den Mm. glutaei und tensor fasciae latae und der M. obliquus externus abdominis mit der Faszie dieser drei Muskeln.Ventral der Spina werden die einander korrespondierenden Muskelanteile vernäht. Postoperativ erhält der Patient als Verband eine Bauchbinde, später zur Mobilisierung ein angepasstes Bauchmieder, das mehrere Monate getragen werden sollte.
Insertion des Lappens Wegen der segmentalen Blutversorgung [144] sind mehrere Osteotomien des Beckenkamms möglich. Taylor [144] betont aber, nie mehr als eine Osteotomie für die Rekonstruktion des Unterkiefers benötigt zu haben. Die natürliche Krümmung des Beckenkamms ermöglicht die Wiederherstellung einer Hemimandibel ohne Osteotomie. Eine Osteotomie ist nur notwendig bei Überschreitung der vorderen Kurvatur zur Gegenseite. Wird die natürliche Krümmung des Beckenkamms nicht ausgenutzt, können 2 oder 3 Osteotomien unter Erhaltung des inneren Periostschlauchs angefertigt werden [30, 64, 73, 123, 124]. Die Osteosynthese erfolgt mit AO-Überbrückungsplatten, welche anhand eines Modells vorgebogen werden. Danach werden die Mikroanastomosen angelegt. Mitgehobene Hautinseln zur Wiederherstellung von Schleimhautdefekten werden über oder unter den Beckenkamm [73] in den intraoralen Defekt eingebracht und dicht zweischichtig eingenäht. Wegen der für die Durchblutung notwendigen Muskelmanschette sind diese Hautinsel aber bei weitem nicht so mobil wie die einer mikrovaskulären Fibula. Die intraorale Positionierung kann somit Probleme bereiten, während die Versorgung äußerer Hautdefekte keine Schwierigkeiten bereitet.
Hebedefektmorbidität Obwohl von manchen die Hebedefektmorbidität als „gering“ bezeichnet wird [30, 37, 38, 61, 138], muss sie bei genauer Evaluation als hoch eingestuft werden und stellt mit einen Grund dar, weshalb viele der mikrovaskulären Fibula den Vorzug geben.
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Die Hebung des mikrovaskulären Beckenkamms verursacht nicht nur eine Morbidität im Operationsgebiet selbst, sondern hat negative Auswirkungen auf das Gangbild der gesamten betroffenen unteren Extremität. Das Ausmaß der Morbidität ist abhängig von der Operationsmethode und der Gewebezusammensetzung des gehobenen Lappens. Unter Stielung der notwendigen Hautinsel an der A. circumflexa ilium superficialis erzielte Stock [60, 133] eine erstaunlich niedrige Hebedefektmorbidität. Die an der Crista iliaca anhaftende Muskelmanschette konnte durch diese Technik schmal (1 cm) gehalten werden. In dieser Serie von 95 Patienten – 44 % rein ossäre Lappen, 26 % osteokutane, 18 % osteomuskuläre, aber nur 12 % osteomyokutane – entwickelten nur 3 % der Patienten eine Hernie, 9,5 % einen Sensibilitätsverlust des N. cutaneus femoris lateralis (zwei Drittel erholten sich), über Schmerzen klagten nur 7 % der Patienten und über eine Behinderung im täglichen Leben 11,9 %. In einer zweiten Serie von 82 Patienten [29] – mit alleiniger Stielung des Beckenkamms an der A. circumflexa ilium profunda – konnte eine höhere Defektmorbidität in Hinblick auf Sensibilitätsstörungen, Hernien und Konturdefekte nach Hebung osteomuskulokutaner Transplantate nachgewiesen werden. 27 % aller Patienten klagten über Sensibilitätsstörungen, 20 % über Konturdefekte, 10,9 % über Gehstörungen und 9,7 % über Hernien. Diese Beobachtung konnten wir in unserer Nachuntersuchung von 15 osteomuskulären und 20 osteomyokutanen Beckenkammentnahmen bestätigen. Mitnahme einer breiten Muskelmanschette für die Versorgung einer Hautinsel erhöhte die Schmerzhäufigkeit von 33 auf 45 % (vorwiegend wetterabhängige Schmerzen), das Auftreten von Sensibilitätsstörungen von 33 auf 50 % und die Bildung einer Hernie von 6 auf 10 %. Auffallend war auch das Auftreten einer metaplastischen Knochenneubildung an der Entnahmestelle in beiden Patientengruppen [105]. Nach Hebung eines osteomuskulären Beckenkamms konnten 26 % der Patienten einer sportlichen Tätigkeit nachgehen, während kein Patient dies nach Hebung eines osteomyokutanen konnte. Bei 15 % dieser Patienten fielen schon bei der klinischen Untersuchung Gehstörungen auf. Unabhängig von der Gewebezusammensetzung des Transplantats zeigten kinetische und kinematische Ganganalysen bei praktisch allen Patienten Gangstörungen im Hüft-, Knie- und Sprunggelenk. Sie betrafen sowohl die Seite der Beckenkammentnahme als auch die Gegenseite und waren hochsignifikant für Schrittlänge, Beckenschiefstand, Beckenrotation und Hüftbeugung. Ursache für die Gangstörungen könnte hauptsächlich der Verlust des Ursprungs der Mm. tensor fasciae latae, glutaeus medius und glutaeus minimus sein. Schmerzen
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werden sicher mitursächlich für die Veränderungen des Gangbilds sein. Insgesamt kann das Gangbild von Patienten nach Beckenkammentnahme mit breitbeinig, kurzen, raschen Schritten beschrieben werden, wobei die Entnahmeseite des Beckens kranial und ventral der Gegenseite gehalten wird und somit beim Gang führt.
13.2.2.4 Freies Dünndarm-Transplantat Der mikrovaskulär anastomosierte Dünndarm war das erste weit verbreitete freie Transplantat zur Wiederherstellung von Defekten der oberen Atem- und Schluckwege [13, 45, 81, 103, 106, 113, 156]. Antimesenterial eröffnet eignet er sich als Patch ausgezeichnet zur Rekonstruktion großer Defekte des Mundbodens [113, 122].
Frei transplantiertes Jejunum:Vor- und Nachteile ∑ Vorteile – Nahezu unbegrenztes Angebot an Schleimhaut – Vorgegebene Rohrform – Sehr gute Durchblutung – Sehr gute Formbarkeit und Einheilung [50] – Fehlende narbige Induration und geringe Schrumpfungsneigung [12] – Erhaltene Peristaltik – Erhaltene Schleimsekretion [84] – Sehr gute Bestrahlbarkeit [13] – Geringe Hebedefektmorbidität ∑ Nachteile – Eröffnung der Peritonealhöhle – Vulnerabilität über dem Alveolarkamm und Druckulzera durch Zahnimplantate [84] – Fehlende Möglichkeit einer Reinnervation – Dunkelrote Farbe trotz teilweiser Anpassung an die umgebende Mundschleimhaut [84]
Wegen der Nachteile ist von vielen später dem radialen Vorderarmlappen zur Rekonstruktion von Defekten des Mundbodens der Vorzug gegeben worden (Abb. 13.8).
Anatomie Die zweite und dritte Dünndarmschlinge werden von der 2. und 3. A. jejunalis aus der A. mesenterica superior mit ihrer Begleitvene versorgt. Die Gefäße bilden zwei bis drei regelmäßige Reihen von Arkaden. Der Gefäßstiel kann auf eine Länge von 10–15 cm auspräpariert werden [11].
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Abb. 13.8 a–h. Rekonstruktion eines Mundbodendefektes mithilfe eines freien Dünndarm-Transplantats. a Anatomie des Spendergebiets und Lappenplanung, b Dünndarmsegment aus der zweiten Jejunumschlinge mit Mesenterialstiel, c Dünndarmpatch zur Wiederherstellung eines Mundbodendefekts, d Angiographie mit Darstellung der A. transversa colli beiderseits, Äste der A. carotis externa können nach Voroperation und Bestrahlung nicht dargestellt werden, e sekundäre Wiederherstellung des Schluckwegs dieses Patienten mit Dünndarmrohr, Anschluss an die A. transversa colli dextra, f großer M.-pectoralis-major-Lappen von links zur Deckung des Dünndarmrohrs nach Resektion der strahlengeschädigten Haut dieses Patienten, g postoperatives Bild des Patienten, beachte Erhaltung der Pars abdominalis des M. pectoralis auf der linken Entnahmeseite, h Entnahme des linken M. pectoralis mit Darstellung und Erhaltung der Pars abdominalis (weiß angeschlungen), der V. cephalica (blau angeschlungen), des M. pectoralis minor und des versorgenden Ramus pectoralis (Pinzette) Abb. 13.8 d–h Seite 386
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Indikation Nach wie vor ergibt sich eine Indikation zum mikrovaskulären Dünndarm bei ausgedehnten Defekten des Mundbodens mit Einbeziehung der Wange, der Zunge, des Velum palatinum und des Oropharynx [82, 83]. Die Indikation wird somit von der Größe des Defekts, der Notwendigkeit der Formbarkeit und der Möglichkeit, die vorgegebene Rohrform auszunutzen, bestimmt.
! Eine Kontraindikation zur Entnahme eines Jejunumtransplantats ergibt sich bei chronischen Darmerkrankungen und bei Vorliegen eines Verwachsungsbauchs [13].
Die notwendige Eröffnung der Peritonealhöhle (Zweihöhleneingriff) kann für die Patienten eine zusätzliche Belastung darstellen. Bei Vorliegen einer Atherosklerose sind die Mesenterialgefäße davon meist betroffen, während Plaques in der A. radialis selten anzutreffen sind. Spezielle Voruntersuchungen,wie eine Angiographie, sind vor der Hebung des Transplantats nicht notwendig. Präoperativ soll der Darm vollkommen entleert werden.
Hebetechnik Die Hebung des Transplantats wird bevorzugt von einem Abdominalchirurgen vorgenommen. Somit ergibt sich eine Operation in drei Teams, Kiefer/HNO-, Bauchund plastischer Chirurg, was wesentlich zur Verkürzung der Operationszeit und zur niedrigen Hebedefektmorbidität beiträgt [13, 83, 122, 172]. In der Regel wird die zweite oder dritte Dünndarmschlinge entnommen, da hier die Arkaden regelmäßig ausgebildet sind. Der Gefäßstiel kann verlängert werden, indem der Dünndarm überlang entnommen wird, überschüssiges Dünndarmrohr entfernt wird und die am Mesenterialansatz eintretenden Gefäße geklemmt und ligiert werden [84]. Nach Absetzen des Transplantats perfundieren wir immer mit 4°C kalter Eurocollins-Lösung, was in anderen Zentren jedoch nicht durchgeführt wird [13, 100]. Während das Transplantat in der Mundhöhle inseriert wird, stellt der Bauchchirurg die Darmkontinuität wieder her und verschließt das Mesenterium und die Bauchdecke.
Insertion des Lappens Die Perfusion des Jejunumsegments erfolgt, bis klare Flüssigkeit aus der Mesenterialvene austritt, danach wird das Dünndarmrohr antimesenterial eröffnet und mit Eurocollins-Lösung ausgewaschen [100].
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Der Dünndarmpatch wird vor Anlegen der Mikroanastomosen in den Mundbodendefekt inseriert, da Blutungen aus dem Lappenrand, Schleimbildung und Peristaltik ein exaktes Einpassen behindern. Mehrere Stunden Ischämiezeit sind dem Transplantat zumutbar [13, 83]. Die Insertion wird isoperistaltisch, spannungsfrei und in allschichtiger invertierender Nahttechnik vorgenommen [106]. Eine spannungsfreie Insertion ist wichtig, um die Vorteile der Formbarkeit und der Absenz narbiger Induration zu nutzen. Das mesenteriale Fettgewebe kann zur Auffüllung von Toträumen genutzt werden [50]. Erst danach werden die Mikroanastomosen angelegt.
Hebedefektmorbidität Die Hebedefektmorbidität des mikrovaskulären Dünndarms ist gering [172]. In einer Nachuntersuchung von 104 Patienten [172] zeigte sich, dass nur bei drei Patienten innerhalb von 30 Tagen nach Hebung des Transplantats relaparotomiert werden musste. Zwei Relaparotomien standen in keinem Zusammenhang mit der Voroperation, ein Patient hatte einen Platzbauch. Es trat kein Fall von Anastomosendehiszenz, Ileus, Abszess oder Nachblutung auf. Probleme bereitete weniger die Reanastomosierung des Dünndarms als vielmehr der Laparotomieverschluss. In 17 % von 35 nach zwei Jahren nachuntersuchten Patienten traten Hernien auf, wobei nur bei einem Patienten die Hernie verschlossen werden musste.
13.2.2.5 Präfabrizierte Lappenplastiken (Lappenprälamination) Lappenplastiken können vor dem Transfer durch Prälamination oder Präfabrikation vorbereitet werden. Der Begriff „Prälamination“ – das Einbringen autologen Gewebes oder alloplastischen Materials in einen Lappen vor dem Transfer – wird vom Begriff „Präfabrikation“ – das Einbringen eines Gefäßstiels – unterschieden [101]. In Abhängigkeit vom resultierenden Defekt werden fasziokutane, osteofasziokutane und myokutane Lappenplastiken bevorzugt zur Wiederherstellung verwendet. Wie der Name bereits sagt, werden Hautinseln zur Versorgung von Schleimhautdefekten herangezogen. Die Koaptation des mitgehobenen versorgenden Hautnervens an den entsprechenden Spendernerv ermöglicht eine sensible Reinnervation. Trotzdem werden intraorale Schleimhautdefekte mit Haut wiederhergestellt, die sich in ihrer Textur, Erscheinung und Farbe von Schleimhaut unterscheidet. Intraorale Hautinseln können Haare tragen, schilfern kontinuierlich Epithel ab und produzieren natürlich keinen
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m Abb. 13.9 a–p. Neuromukös prälaminierte A.-radialis-Lappenplastik zur Wiederherstellung eines vorderen Mundbodendefektes. a Neuromuköse Prälamination eines radialen Vorderarmlappens mit einem N. suralis Transplantat, einem Stück Wangenschleimhaut und einer Silastikfolie, b Prälamination: Entnahme eines dreieckigen Stücks Wangenschleimhaut, c Prälamination: Einbringen des distal interfaszikulär geteilten Nerventransplantats auf die radiale Vorderarmfaszie, Darstellung des Ramus superficialis nervi radialis (gelb angeschlungen), d Prälamination: Einbringen des gemeshten Schleimhauttransplantats auf das Nerventransplantat und die Faszie, e Prälamination: Bedeckung mit einer Silastikfolie, f Prälamination: Verschluss der Wunde, g Prälamination: Eröffnung der Tasche nach 6 Wochen, die Silastikfolie wird sichtbar, h Prälamination: Nach Entfernung der Folie wird die ausgebreitete Schleimhaut sichtbar, i Prälamination: Hebung des Lappens, deutlich sichtbar die Schleimhautinsel, ein Fasziensaum zur Unterfütterung im Mundboden, die Sehne des M. flexor carpi radialis (weiß angeschlungen), j Hebung eines neuromukös prälaminierten Radialislappens, deutlich sichtbar distal (rot angeschlungen) und proximal die radialen Gefäße, proximal das eingebrachte Nerventransplantat, k gehobener neuromukös prälaminierter radialer Vorderarmlappen, l orale Ansicht eines neuromukös prälaminierten radialen Unterarmarmlappens einige Wochen nach der Transplantation, m Komplikation bei Prälamination: Perforation der Silastikfolie an der radialen Inzision,die Prälamination kann aber fortgesetzt werden, n Hebedefekt eines neuromukös prälaminierten Radialislappens, beachte die Deckung des distalen Entnahmedefekts mit Haut und die volle Streckfähigkeit des Handgelenks, o nichtverhornendes Plattenepithel eines mukös prälaminierten Radialislappens, (PAS, Vergr. 200:1), p nichtmyelinisierte Nervenfaser in der Lamina propria eines neuromukös prälaminierten Radialislappens 11 Monate postoperativ, q Nervenkoaptation an den N. lingualis (gelb unterlegt). (Bielschowsky, Vergr. 400:1) Abb. 13.9 n–q. Seite 390
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Schleim. Intraorale Haut passt sich zwar der Umgebung an, verliert aber nicht ihren hochspezifischen, dermalen Charakter. Histologisch werden ein vielgeschichtetes, verhornendes Plattenepithel, eine Parakeratose, atrophe Haarfollikel, Schweiß- und Talgdrüsen beschrieben. Zusätzlich besteht eine Infiltration mit Entzündungszellen [79, 120]. Des Weiteren ist die Wiederherstellung intraoraler Schleimhautdefekte mit Hautinseln mit einer höheren Hebedefektmorbidität verbunden, das trifft besonders für den radialen Vorderarmlappen zu [89, 31]. Andererseits können schleimproduzierende Dünndarmpatches nicht sensibel reinnerviert werden.Die Technik der Lappenprälamination ermöglicht eine weitere Verbesserung der funktionellen Wiederherstellung. Der radiale Vorderarmlappen wurde bereits mit intraoraler Mukosa zur Wiederherstellung des Orbitabodens prälaminiert [46]. Lappenplastiken zur Nasenrekonstruktion wurden ebenfalls schon mit Schleimhaut vorbereitet [49], während Defekte der Mundhöhle mit Lappenplastiken, die mit Vollhaut oder mit Spalthaut prälaminiert worden sind, wiederhergestellt wurden [149, 169]. Experimentell gelang es am Schwein, fasziomuköse Lappen zu prälaminieren [24]. Durch Aussprossen konnte eine Oberflächenzunahme der eingebrachten Schleimhaut zwischen 33 % und 238 % erzielt werden (Abb. 13.9, 13.10).
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Indikation Wegen der sehr gut durchbluteten Faszie eignen sich der radiale Vorderarmlappen [28, 97, 169] und der Fibulalappen zur Prälamination. Durch Vorbereitung eines Lappens mit Schleimhaut (muköse Prälamination) [31, 107, 108] und einem N.-suralis-Transplantat (neuromuköse Prälamination) [109] können intraorale Schleimhautdefekte mit (reinnervierter) Schleimhaut rekonstruiert werden. Die Nachteile intraoraler Hautinseln und einer erhöhten Hebedefektmorbidität werden damit umgangen [31, 89]. Für die Wiederherstellung von Mundbodendefekten, insbesondere der Deckung des Alveolarkamms, sind mit Schleimhaut prälaminierte Lappen den weniger belastbaren Hautinseln vorzuziehen. Eine Reinnervation ist durch Koaptation des eingebrachten Nerventransplantats an den aus onkologischen Gründen resezierten N. lingualis oder alveolaris inferior möglich [109]. Ist eine Resektion dieser Nerven nicht notwendig, wird End-zu-Seit an den N. lingualis koaptiert.
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Abb. 13.10 a–i. Neuromukör prälaminiertes Fibula-Diaphysen-Transplantat zur Wiederherstellung eines kombinierten Knochenweichteildefektes im vorderen Mandibularbogens. a Neuromuköse Prälamination eines Fibulalappens: Ansicht des geteilten Nerventransplantats und kleiner applizierter Schleimhautstücke, b Ergebnis dieser von uns nicht mehr durchgeführten Technik: Kopfsteinpflasterartige Vorwölbung der eingebrachten Schleimhautstücke, gelb angeschlungener N. suralis, c geplante Inzision nach sechswöchiger Prälamination eines Fibulalappens, d die gehobene Schleimhautinsel eines mukös prälaminierten Fibulalappens, e die im vorderen Mundboden eingenähte Schleimhautinsel dieser Patientin, f Ansicht des mukös prälaminierten Fibulalappens dieser Patientin einige Wochen postoperativ, g gehobener neuromukös prälaminierter Fibulalappen nach von uns bevorzugter Prälamination mit gemeshter und dadurch gleichmäßig ausgebreiteter Schleimhaut, h in den vorderen Mandibularbogen penetrierendes Plattenepithelkarzinom des vorderen Mundbodens, i postoperative Ansicht dieses Patienten nach Wiederherstellung mit neuromukös prälaminierter Fibula Abb. 13.10 g–i. Seite 392
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Bei der Erstoperation werden ein bis zwei 2,5·1,5 cm große, dreieckige Schleimhautstücke aus der Wangenschleimhaut entnommen und die Hebedefekte direkt verschlossen. Gleichzeitig führen wir eine Zahnsanierung und Tumortätowierung durch [109]. Die Schleimhautstücke werden von anhaftendem Muskelgewebe befreit und dann mit einem Vergrößerungsfaktor von 1:3 gemesht. Eine zweite Mannschaft stellt am distalen Unterarm von einer queren Inzision am Handgelenk, welche an der radialen Unterarmkante nach proximal verlängert wird, die Unterarmfaszie in der Größe des zukünftigen Lappens, normalerweise 6 ¥ 4 cm, dar. Der gehobene Haut-Subkutis-Lappen wird von proximal und ulnar mit Gefäßen und Nerven versorgt. Bei der Präparation ist der Ramus superficialis des N. radialis mit seinen Ästen zu schonen. Von einer Stichinzision am proximalen radialen Unterarm wird ein N.-suralis-Transplantat subkutan eingezogen. Das distale Ende des Transplantats wird mikrochirurgisch interfaszikulär geteilt und die resultierenden beiden Enden proximal und distal auf der freigelegten Unterarmfaszie mit 10/0 Fäden fixiert. Darüber werden die beiden gemeshten Schleimhauttransplantate mit mehreren 5/0 Vicrylfäden angenäht. Wird eine rein muköse Prälamination gewünscht, verzichtet man auf das Nerventransplantat. Um Adhäsionen zu vermeiden und ein Aussprossen der Schleimhaut zu ermöglichen, wird darüber eine 1 mm dicke Silastikfolie in der Größe des zukünftigen Lappens mit einer fortlaufenden Naht mit 5/0 nichtresorbierbaren Faden fixiert. Nach Einbringen einer Redon-Drainage wird die Wunde primär verschlossen. Für den Fibulalappen werden Haut und Subkutis über dem distalen Anteil des versorgenden intermuskulären Septums gehoben. Die vaskularisierte Faszie, in einer Größe von 6 ¥ 12 cm, wird von einer nach dorsal konvexen Inzision aus dargestellt. Der N. suralis wird distal davon über zwei kleine quere Inzisionen aufgesucht, distal durchtrennt und auf der Faszie fixiert. Sein proximales Ende in der Fossa poplitea bleibt intakt. Die weitere Prälamination entspricht der des Radialislappens. Die Patienten werden eine Woche lang antibiotisch behandelt. Der Unterarm oder Unterschenkel wird für eine Woche mit einer Schiene ruhiggestellt und die Nähte nach zwei Wochen entfernt. Weitere Wundkontrollen erfolgen einmal pro Woche, da produzierter Schleim alle 2–3 Wochen abpunktiert werden sollte. Unter der Silastikfolie reepithelialisiert die gemeshte Schleimhaut die freiliegende Faszie, die Zunahme der Schleimhautoberfläche beträgt 30–50 %. Die ursprünglich sehr dünne Faszie und die eingebrachte Schleimhaut transformieren in eine 5–8 mm dicke, gut vaskularisierte und sehr gut formbare Gewebeschicht.
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Nach 8–10 Wochen werden die prälaminierten Lappen gehoben. Diese Zeit kann für eine Radiochemotherapie genutzt werden [107, 109]. Das Zeitintervall kann aber auf 3 Wochen gekürzt werden [31]. Der Lappen wird von einer zweiten Mannschaft simultan zur radikalen Tumorresektion gehoben. Beim Radialislappen wird die bestehende Inzision nach proximal zur Stichinzision verlängert, an der Fibula erfolgt eine Verlängerung nach proximal und distal. Die Lappen werden konventionell gehoben. Anstelle der Hautinsel, die man zur Deckung des Hebedefekts verwendet, werden die ausgebreitete Schleimhaut gemeinsam mit der Faszie gewonnen. Am Radialislappen wird das subkutan eingebrachte N.-suralis-Transplantat gemeinsam mit den Radialisgefäßen an der Fibula nach proximaler Durchtrennung gehoben. Der Hebedefekt wird mit dem gehobenen unversehrten Haut-Subkutis-Lappen verschlossen. Eine RedonDrainage ist obligat. Die Verwendung eines Fibrinklebersprays für den Hebedefekt des Fibulalappens ist zu empfehlen.
Insertion des Lappens Prälaminierte Lappen werden wie konventionelle radiale Vorderarmlappen oder Fibulalappen in den Mundhöhlendefekt eingebracht.
Hebedefektmorbidität Die Vermeidung von Spalthaut zum Verschluss des Hebedefekts bringt eine deutliche Verbesserung der Hebedefektmorbidität. Das gilt besonders für den radialen Vorderarmlappen [31, 89]. Die Möglichkeit, den Hebedefekt mit intakter, innervierter Haut und Subkutis zu verschließen, erbringt eine bessere Ästhetik. Aus funktioneller Sicht wird ein Rückgang der Bewegungseinschränkung, der Neurombeschwerden und des Kraftverlusts erzielt. Eine Verbesserung der Kälteempfindlichkeit kann natürlich nicht erzielt werden.
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KAPITEL 13
III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 14
N. Pallua · S. von Bülow
Halsdefekte
Inhalt 14.1 Allgemeines 14.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . 14.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie . . 14.1.2 Epidemiologie und Ätiologie . . . 14.1.2.1 Narben und Kontrakturen 14.1.2.2 Tumor . . . . . . . . . . . 14.1.2.3 Tracheostoma . . . . . . . 14.1.3 Prinzipien der Diagnostik . . . . . 14.1.4 Klassifikation . . . . . . . . . . . . 14.1.5 Prinzipien der Therapie . . . . . . 14.1.5.1 Vorüberlegungen und Indikationsstellung . . . . 14.1.5.2 Differentialtherapie. . . . 14.1.5.3 Postoperative Nachsorge 14.1.6 Risiken und Komplikationen . . . . 14.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . 14.2.1 Narbenexzision und Z-Plastik . . . 14.2.2 Hauttransplantation . . . . . . . . 14.2.3 Lokale Lappenplastiken . . . . . . 14.2.4 Gewebeexpander . . . . . . . . . . 14.2.5 Regionale Lappenplastiken . . . . 14.2.6 Freie Lappenplastiken . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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14.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie Der Hals, Collum, ist das bewegliche Verbindungsstück zwischen Kopf und Rumpf. Die kraniale Grenze des Halses ist durch eine Linie festgelegt, die am Unterrand des Corpus mandibulae entlang verläuft, über die Spitze des Proc. mastoideus hinweg zieht und längs der Linea nuchae superior zur Protuberantia occipitalis externa führt. Die kaudale Grenze wird durch den Oberrand des Manubrium sterni, durch Clavicula, Acromion, Spina scapulae und Proc.spinosus des 7.Halswirbels bestimmt. Die Spannungslinien der Haut verlaufen am Hals in horizontaler Richtung. Nahtreihen, die senkrecht zu diesen Linien verlaufen,führen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu verbreiterter und auffälliger Narbenbildung.
Die Narbe wird ständig gedehnt und mechanisch beansprucht. Dadurch kommt es zu einer vermehrten Bindegewebsbildung mit einer gesteigerten Anzahl von Myofibroblasten im Narbengewebe. Durch deren kontraktile Aktivität kommt es so zusätzlich zu der ästhetischen Beeinträchtigung zur Schrumpfung des Narbengewebes. Auf diese Weise entwickelt sich dann eine Narbenkontraktur. Diese kann so ausgeprägt sein, dass sie die Beweglichkeit des Halses gänzlich beeinträchtigt (Abb. 14.2). Die Beweglichkeit des Halses wird insbesondere auch durch den Aufbau der Faszienräume gewährleistet (Abb. 14.1 a, b)). Unterhalb der epidermalen und dermalen Hautschichten schließt sich das subkutane Fettgewebe an. Zur Tiefe hin folgen dann das Platysma und die oberflächliche Schicht der Halsfaszie. In der ventralen Halsregion findet sich darunter eine weitere Faszienschicht, welche als Lamina praetrachealis die Luftwege und die infrahyale Muskulatur umgibt. Auf diese Weise wird die Verschieblichkeit des Hautmantels gegenüber der Muskulatur, dem Kehlkopf und der Trachea gewährleistet. So ist es möglich, dass die Bewegung des Kehlkopfes beim Schlucken und Sprechen weitgehend unab-
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Halsdefekte
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a
Lamina superficialis Lamina praetrachialis Lamina praevertebralis
Abb. 14.1 a, b. Schematische Darstellung der Halsfaszie im Quer- und Längsschnitt
hängig von der Bewegung des Kopfes und des Halses erfolgen kann. Bei rekonstruktiven Operationen im Halsbereich müssen diese Verhältnisse ebenfalls berücksichtigt werden.
14.1.2 Epidemiologie und Ätiologie Defekte im ventralen Halsbereich sind bedingt durch Verbrennung, Trauma oder Tumor. Seltene Ursachen stellen angeborene Fehlbildungen und Infektionen dar.
14.1.2.1 Narben und Kontrakturen Eine Vielzahl von Haut- und Weichteildefekten am Hals, mit denen der Plastische Chirurg konfrontiert wird, entsteht als Folge von Verbrennungsverletzungen. Das thermische Trauma führt oftmals zu ausgedehnten Schäden, bei denen alle Hautschichten bis in das subkutane Fettgewebe hinein betroffen sind. Da der Verbrennungspa-
b
tient häufig vital gefährdet ist, muss ein operativer Wundverschluss möglichst rasch und mit einfachen Maßnahmen erreicht werden. Das sofortige operative Entfernen von möglichst großen Flächen der verbrannten Haut verbessert die Prognose des Brandverletzten.
Nach Abtragen der Nekrosen am Hals wird zur Defektdeckung meist eine Spalthauttransplantation durchgeführt. Bereits wenige Monate nach einer Spalthauttransplantation beginnt das entstandene Narbengewebe sich zu kontrahieren. Es entwickeln sich besonders an den Stoßkanten einzelner Transplantate derbe Narbenstränge, die keine elastischen Eigenschaften besitzen. Der Entstehung dieser Narbenkontrakturen kann teilweise durch besonders akkurate Operationsweise und begleitende Maßnahmen wie Narbenpflege und Kompressionskleidung entgegen gewirkt werden. Der Vorgang lässt sich aber nicht gänzlich unterdrücken, sodass es regelmäßig zu funktionellen Beeinträchtigungen durch
KAPITEL 14
Halsdefekte
de Formen wachsen lokal invasiv und können so Defekte bis in die Halseingeweide verursachen.
14.1.2.3 Tracheostoma
Abb. 14.2. Mentosternale Adhäsion vom exzessiven Schweregrad nach Verbrennungstrauma
den Narbenzug kommt. Die oben beschriebene Bewegungsfreiheit des Kopfes wird zunehmend eingeschränkt. Bei Bewegungen entstehen Zugkräfte, die auf die Narbenstränge wirken und dem Betroffenen so zusätzlich Schmerzen verursachen können. Das äußere Erscheinungsbild kann durch den Narbenzug auf groteske Weise entstellt sein. Als Folge einer mentosternalen Kontraktur verändert sich die Kontur des ventralen Halses. Der Narbenstrang spannt sich in gerader Linie direkt zwischen Kinn und Sternum auf, dadurch verstreicht das Relief des Halses mit dem zervikomandibulären Winkel zu einer ebenen und kontrakten Narbenplatte. Zusätzlich überträgt sich der Narbenzug auch auf das Gesicht. Die Haut der Wange, die Unterlippe sowie das Unterlid werden nach kaudal verzogen (extrinsisches Ektropium).In ausgeprägten Fällen resultiert ein inkompletter Lidschluss sowie ein gestörter Schluss der Mundöffnung. Der Unterkiefer wird von den Narbensträngen auf dem Sternum fixiert, motorische Abläufe beim Sprechen sowie bei der Aufnahme von Nahrung sind teils erheblich beeinträchtigt (Abb. 14.2).
14.1.2.2 Tumor Plattenepithelkarzinome am Hals können als Spinaliome von der Epidermis der Haut ausgehen, viel häufiger sind in dieser Lokalisation allerdings Karzinome, die von den Epithelien der oberen Luftwege ausgehen. Bei-
Bei diesen Defekten ist zwischen der Tracheotomie und der Tracheostomaanlage zu unterscheiden. Die Tracheotomie ist häufig ein Notfalleingriff, bei dem die Wiederherstellung der Halsweichteile im Gegensatz zur elektiven Anlage eines Tracheostomas nicht berücksichtigt wird. Die freipräparierte Trachea wird meist durch Längsinzision eröffnet und eine Beatmungskanüle rasch eingeführt. Vorbereitungen für eine Rekonstruktion können dabei nicht berücksichtigt werden. Sämtliche durchtrennte Gewebeschichten des ventralen Halses vernarben miteinander. Wird die Beatmungskanüle wieder entfernt,so verschließt sich die Tracheotomieöffnung häufig durch Granulationsgewebsbildung. Nach einem ähnlichen Prinzip wird die endoskopisch unterstützte Punktionstracheotomie durchgeführt. Über eine Punktionskanüle wird ein Draht in das Tracheallumen vorgeschoben. Über diesen werden Dilatatoren zunehmender Dicke vorgeschoben und die Öffnung damit aufbougiert. Nach Zuheilen einer Tracheotomie führen Verwachsungen zwischen Haut, Halsfaszien und Trachea häufig zu Beschwerden. So kann durch Verwachsungen der Verschiebeschichten beispielsweise das Schlucken behindert werden.
14.1.3 Prinzipien der Diagnostik Der operativen Versorgung von Halsdefekten sind diagnostische Schritte vorangestellt. Dabei kann weitestgehend auf den Einsatz von apparativer Diagnostik verzichtet werden. Die wesentlichen Informationen kann der Plastische Chirurg aus der Inspektion und funktionellen Untersuchung der Defektregion ableiten. Bei der Defektdeckung nach einer Tumorentfernung wird die Defektgröße durch den erforderlichen Sicherheitsabstand um die Tumorlokalisation definiert. Bei der Exzision von kontraktem Narbengewebe jedoch entsteht ein Defekt, der in der Regel größer ist, als das präoperativ vermessene Narbenareal. Bei der Planung der Defektdeckung müssen solche Überlegungen berücksichtigt werden. Die nicht betroffene Haut in der Umgebung des Defektes ist bei der Untersuchung ebenso wichtig, wie der Defekt selbst. Folgende Fragen müssen bei der Diagnostik beantwortet werden: Steht eine ausreichende Menge an Gewebe für die Defektdeckung zur Verfügung? Stimmen Dicke, Textur und Farbe des Gewebes von Spenderregion und Empfängerareal überein? Ist eine ausreichende Durchblutung des Gewebes nach dem Transfer gewährleistet?
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Narben von vorangegangenen Operationen können die Durchblutung von Lappenplastiken beeinträchtigen. Die Reklination des Kopfes sowie Seitenneigung und Drehbewegungen müssen nach der Defektdeckung möglich sein. Der Stiel oder die Basis einer Lappenplastik dürfen nicht torquiert oder abgeknickt werden. Die Elastizität des Gewebes muss solche Bewegungen zulassen. Bei Defekten, die in die Tiefe der Halseingeweide reichen, sollten die Lagebeziehungen der großen Halsgefäße, der Schilddrüse sowie des Larynx und der Trachea zur Defektregion präoperativ mit bildgebenden Verfahren dargestellt werden. Bei geplanten Lappenplastiken mit einem definierten Gefäßstiel wird die Perfusion mit Dopplersonographie dargestellt.
14.1.4 Klassifikation Die mentosternale Kontraktur wird von Achauer [1] in vier Schweregrade eingeteilt (Tabelle 14.1). Die Klassifikation beschreibt den relativen Anteil, den das Narbengewebe an der Fläche der vorderen Halsseite hat: Sind weniger als ein Drittel der ventralen Halsoberfläche narbig verändert, so liegt eine milde Form der mentosternalen Kontraktur vor. Hat das Narbengewebe einen Anteil zwischen einem und zwei Dritteln, so wird die Kontraktur als mäßiggradig beschrieben. Bei schweren mentosternalen Kontrakturen sind mehr als zwei Drittel der Halsvorderfläche involviert. In der ausgedehntesten Form liegt eine durch den Narbenzug bedingte mentosternale Adhäsion vor.
Tabelle 14.1. Einteilung der mentosternalen Kontraktur nach Achauer Betroffene Halsfläche
Schweregrad
< 1/3
Gering
> 1/3 und < 2/3
Mäßig
> 2/3
Schwer
> 2/3 mit mentosternaler Adhäsion
Exzessiv
KAPITEL 14
14.1.5 Prinzipien der Therapie 14.1.5.1 Vorüberlegungen und Indikationsstellung Narben und Kontrakturen Wenn ein narbenbedingtes Bewegungsdefizit über einen längeren Zeitraum bestehen bleibt, so wird die Kontraktur noch zusätzlich durch Schrumpfung von Gelenkkapseln und Bändern im Bewegungsapparat fixiert. Eine derartige funktionelle und auch ästhetische Beeinträchtigung macht deshalb eine baldige operative Korrektur der Narbenkontraktur erforderlich. Auf der anderen Seite sollten operative Korrekturen erst bei reifen Narben durchgeführt werden. Das Ausreifen der Narben lässt sich dabei an der Färbung erkennen. Ist die Narbe rötlich bis livide verfärbt und zeigt nach leichtem Druck ein deutliches Rekapillarisieren, so ist sie noch nicht ausgereift. Es laufen noch Umbauvorgänge auf zellulärer Ebene ab, die durch Mediatorsubstanzen im Gewebe gesteuert werden. Es besteht dann die Gefahr, dass durch eine erneute Operation eine hypertrophe Narbenbildung provoziert wird. Ausgereifte Narben weisen im Vergleich zur umgebenden gesunden Haut eine blassere Färbung auf. In dem Narbengewebe finden sich weniger kapilläre Blutgefäße und vermehrt Bindegewebsfasern. Bei der Indikationsstellung zur operativen Narbenkorrektur muss zwischen der Gefahr erneuter hypertropher Narbenbildung und fortschreitenden funktionellen Defiziten der Bewegungsabläufe abgewogen werden.
Tumor Während gutartige Hauttumoren zumeist keine ausgedehnten Defekte nach Resektion zur Folge haben, besteht bei malignen Läsionen die Notwendigkeit zur Exzision mit einem entsprechenden Sicherheitsabstand. Basaliome werden mit wenigen Millimetern Sicherheitsabstand im Bereich der makroskopisch sichtbaren Ausdehnung der Hautveränderung entfernt. Die definitive Defektdeckung sollte möglichst erst in einem zweiten Operationsschritt erfolgen, wenn die histologische Untersuchung des Exzidats eine Absetzung im Gesunden bestätigt. Auf diese Weise kann das Ausmaß des Defektes so gering wie möglich gehalten werden, was die Defektdeckung vereinfacht. Der Preis dafür ist die Notwendigkeit eines oder mehrerer Wiederholungseingriffe, bis sämtliches Tumorgewebe exzidiert ist und die Deckung durchgeführt werden kann. Bei malignen Melanomen wird das Ausmaß der Exzision vom Tumorstadium vorgegeben. Auffällige Haut-
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veränderungen, bei denen der klinische Verdacht auf das Vorliegen eines Melanoms besteht, werden zunächst in Form einer Exzisionsbiopsie entnommen und histologisch untersucht. Bestätigt sich die klinische Verdachtsdiagnose, so ist zunächst ein Tumorstaging erforderlich. Solche Tumoren, die keine Fernmetastasen verursacht haben, können durch eine weite Exzision mit kurativer Zielsetzung operiert werden. In Abhängigkeit von der Eindringtiefe der Läsion wird ein Sicherheitsabstand von zwei oder drei Zentimetern gewählt. Zur Tiefe hin wird das subkutane Fettgewebe mit in die Resektion eingeschlossen, das Gewebe oberhalb der Faszie wird entnommen. Die Darstellung eines Sentinel-Lymphknotens ist am Hals oft schwierig, da die primäre Tumorlokalisation in direkter Nachbarschaft zum Lymphabflussgebiet liegt. Hierbei kommt es zu einer Signalunschärfe bei der szintigraphischen Darstellung des Lymphabflusses.
Tracheostomie Im Gegensatz zur Tracheotomie wird ein Tracheostoma plastisch angelegt. Die Trachealknorpel werden türflügelartig mit Hochnähten am Corium der Haut fixiert. Bei dieser Vorgehensweise wird die operative Wiederherstellung der Verschiebeschichten in einem Folgeeingriff eingeplant.
14.1.5.2 Differentialtherapie Defekte der Halsregion entstehen häufig nach Tumorresektionen und bei der operativen Behandlung von Narbenkontrakturen – hier besonders bei der mentosternalen Kontraktur nach Verbrennungsverletzungen. Weniger ausgedehnte Defekte lassen sich primär oder mit Hilfe von Z-Plastiken verschließen. Lokale Lappenplastiken sind für mäßiggradige Läsionen geeignet. Für ausgedehntere Defekte wurde lange die Deckung durch einzelne große Vollhauttransplantate oder Spalthauttransplantate mit einer Dicke von 0,4 mm empfohlen. Diese Therapieform macht eine aufwendige postoperative Schienenbehandlung erforderlich.
! Bis zu sechs Monate muss der Hals dabei in Streckstellung fixiert werden, um ein Rezidiv der Narbenkontraktur zu verhindern.
Das ästhetische Ergebnis nach einer solchen Operation ist jedoch häufig nicht zufriedenstellend. Die eingeheilten Hauttransplantate entsprechen in Textur und Kolorit nicht den ursprünglichen regionalen Verhältnissen.
Halsdefekte
Außerdem heilen sie häufig mit einer Narbenbildung ein und besitzen wenig elastische Eigenschaften, die am Hals von großer funktioneller Bedeutung sind. Neue Methoden zur Defektdeckung mit regionalen Lappenplastiken haben die Transplantation von Spalthaut und Vollhaut zum Hals in den Hintergrund treten lassen. Ausgedehnte Halsdefekte, wie sie bei der Behandlung von schweren und exzessiven mentosternalen Kontrakturen vorliegen, lassen sich am besten mit regionalen fasziokutanen Lappenplastiken korrigieren.Fasziokutane Lappenplastiken sollten dabei am ehesten von der Schulter gehoben werden. Die Haut der Schulterregion entspricht der des Halses in idealer Weise. Der supraklavikuläre Insellappen ist dabei zur Deckung von ausgedehnten Halsdefekten besonders geeignet. Der Hebedefekt an der Schulter kann primär verschlossen werden. Der Lappen kann subkutan getunnelt werden. So ist es möglich, den Lappen gezielt dem Defekt und der ästhetischen Einheit entsprechend zu gestalten. Sollte die Haut der Schulterregion ebenfalls narbige Veränderungen aufweisen, so stehen weitere regionale Lappenplastiken zur Verfügung.Weiterhin können freie, bevorzugt fasziokutane Lappen zur Defektdeckung transplantiert werden.
14.1.5.3 Postoperative Nachsorge Nach einem primären Wundverschluss oder nach kleineren regionalen Lappenplastiken kann auf eine postoperative Ruhigstellung verzichtet werden. Bei komplexeren Operationen ist eine Ruhigstellung für die ersten zwei bis drei Wochen jedoch indiziert. Spalthauttransplantate und Vollhaut erreichen nach sieben bis zehn Tagen eine Stabilität, die eine Beübung zulässt. Fasziokutane Lappenplastiken sollten für eine Woche ruhig gestellt werden. Als Schienen können Schanz-Krawatten oder Stiff-neck-Schienen verwendet werden, wenn diese keinen Druck auf die Lappenplastik ausüben. Nach einer Ruhigstellung sollten Bewegungsübungen zunächst unter physiotherapeutischer Anleitung durchgeführt werden. Ab der dritten postoperativen Woche kommen Maßnahmen zur Narbenprophylaxe zum Einsatz. Hauttransplantate werden mit Silikonauflagen in Kombination mit Kompressionskleidung behandelt, bis das entstandene Narbengewebe ausgereift und abgeblasst ist. In regelmäßigen Abständen sollte der Operateur das Operationsgebiet auf Anzeichen beginnender Narbenhypertrophie kontrollieren. Gegebenenfalls können lokale Kortisoninjektionen zusätzlich zur Kompressionsbehandlung sinnvoll eingesetzt werden. Auch nach Lappenplastiken kann eine Kompressionskleidung das Operationsergebnis langfristig verbessern. Kompressionsmasken nach Maß können ein Anlegen der Lappenplastik an die natürliche Halskontur un-
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terstützen. Eine solche Kompressionsmaske muss für mehrere Monate getragen werden. Erst ab einem halben Jahr nach der Operation kann davon ausgegangen werden, dass keine weiteren Veränderungen der Kontur mehr zu erwarten sind.
14.1.6 Risiken und Komplikationen Die Halsregion verfügt ähnlich wie das Gesicht über ein dichtes kapilläres Gefäßnetz, sodass Wundheilungsstörungen aufgrund einer schlechten Perfusion selten auftreten. Aber die hohe mechanische Beanspruchung des Gewebes kann Störungen im Heilungsverlauf verursachen. Sowohl Hauttransplantate als auch Lappenplastiken können durch Scherkräfte rasch vom Wundgrund abgelöst werden. Abgescherte Hauttransplantate gehen zu Grunde.
! Unter abgescherten Lappenplastiken entwickelt sich
oft eine Seromhöhle, die den Heilungsverlauf beeinträchtigen kann. Die Seromflüssigkeit bahnt sich einen Austritt durch die Nahtreihen und führt zu Nahtdehiszenzen.
Da die Durchblutung des Wundbettes sehr gut ist, besteht auch ein erhöhtes Risiko von Blutungskomplikationen.Es ist daher vor der Defektdeckung auf eine sorgfältige Blutstillung zu achten. Hauttransplantate können gestichelt werden, damit Nachblutungen und Wundsekret einen Abfluss finden. Das geringere Risiko von Hämatomen unter den Transplantaten wird dann aber auf Kosten eines schlechteren ästhetischen Ergebnisses erkauft. Bei Lappenplastiken werden Drainagen eingebracht, um den Abfluss von frühen Nachblutungen und Wundsekret zu gewährleisten. In den ersten postoperativen Tagen müssen auch regelmäßige Lappenkontrollen durchgeführt werden. Dabei werden Farbe, Temperatur und Rekapillarisierung der Haut des Lappens beurteilt. Ein blasses Hautkolorit in Kombination mit einer trägen Rekapillarisierung und niedriger Temperatur zeigt eine gestörte arterielle Perfusion an. In einem solchen Fall muss der Lappenstiel oder die Lappenbasis dekomprimiert werden. Gelegentlich reicht es aus, einige Nähte im Bereich des Stiels zu lösen und somit die Spannung aus dem Gewebe zu nehmen. Ein livides Kolorit und rasche Rekapillarisierung deuten auf eine venöse Stauung hin. Ein regelmäßiges Ausstreichen des Lappens mit einer sterilen Kompresse von der Spitze zur Basis hin reicht evtl. bei weniger schweren Fällen aus, um die Perfusion aufrecht zu erhalten. Bei stärkerer Stauungssymptomatik kann die Perfusion kritisch niedrige Werte erreichen oder komplett zum Stillstand kommen.Als erstes Anzeichen hierfür ist oft eine Epitheliolyse im Bereich der livide verfärbten
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Lappen zu beobachten. Der Einsatz von Blutegeln stellt eine sehr effektive Behandlungsmöglichkeit dieser venösen Perfusionsstörungen bei Lappenplastiken dar. Eine solche Therapie muss für einige Tage fortgesetzt werden, bis sich der venöse Abfluss den veränderten Bedingungen angepasst hat. Wenn die Stauung rasch progredient voran schreitet, kann das Lösen von Nähten oder eine operative Revision des Lappenstiels erforderlich sein.
14.2 Spezielle Techniken 14.2.1 Narbenexzision und Z-Plastik Die einfachste Möglichkeit, eine Narbe operativ zu korrigieren, besteht in der Narbenexzision mit nachfolgendem primärem Wundverschluss durch Naht. Der Wundverschluss muss spannungsfrei erfolgen. Das Narbengewebe muss komplett ausgeschnitten werden, auch im Subkutangewebe gelegene Narbenzüge werden mit entfernt. Die Notwendigkeit zur kompletten Resektion dieser Narbenzüge ist eine elementare Therapierichtlinie,die ebenso bei allen in der Folge beschriebenen Methoden zur Defektdeckung berücksichtigt werden muss.
Das Maximum an Bewegungsfreiheit wird während der operativen Auflösung der Narbenstränge erreicht. Nach der Defektdeckung kann der erreichte Bewegungsumfang günstigstenfalls gehalten werden. Zum Wundverschluss wird das umgebende unveränderte Gewebe auf der Ebene der Faszie unterminiert und so für die spannungsfreie Adaptation der Wundränder mobilisiert. Durch mehrschichtige Naht wird die Zugkraft auf das Corium gleichmäßig verteilt und die Epidermis exakt adaptiert. Die Naht sollte nach Möglichkeit entlang der Spannungslinien der Haut zum Liegen kommen. Ist dies wegen des Verlaufes des Narbenstranges nicht möglich, so sollte eine Z-Plastik durchgeführt werden. Dadurch kann die Spannung des Gewebes in eine günstigere Richtung parallel zu den Spannungslinien der Haut und senkrecht zu der bestehenden Narbenkontraktur umgeleitet werden. Der Narbenstrang wird vor der Operation zunächst auf der Haut markiert. An beiden Enden werden in einem Winkel von meist 60° dazu weitere Inzisionslinien markiert, sodass zwei gleichschenklige Dreiecke entstehen. Nach Exzision der Narbe werden die dreieckigen Hautlappen gehoben und gegeneinander verlagert. Der Wundverschluss wird dann wie zuvor beschrieben durchgeführt. Müssen längere Narben aufgelöst werden und steht hierfür seitlich der Narbe nicht ausreichend Gewebe zur Verfügung, so können serielle Z-Plastiken durchgeführt
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Abb. 14.3. Schematische Darstellung der Planung und Durchführung einer Z-Plastik
werden. Die resultierende Narbe ist insgesamt länger als die zuvor bestehende. Durch eine derartige Auflösung eines langen Narbenstranges wird die Narbe jedoch insgesamt unauffälliger, da die einzelnen Narbenabschnitte günstiger zu den Spannungslinien der Haut platziert werden können. Einer erneuten hypertrophen Narbenbildung und Narbenkontraktur wird durch die erreichte Umverteilung der Zugkräfte entgegengewirkt. Intraoperativ muss mit besonderer Vorsicht auf eine ausreichende Durchblutung in den Lappenspitzen geachtet werden. Hier kann es leicht zu einer schlechten Perfusion der Haut kommen.Als Folge können in diesen Abschnitten Hautnekrosen auftreten. Eine leicht bogenförmige Schnittführung verbreitert die Lappenbasis und hilft so, derartigen Komplikationen vorzubeugen. Die Läppchen dürfen außerdem nicht zu dünn sein. Sie sollten oberhalb der Ebene der Faszie gehoben werden, sodass eine maximale zusätzliche Vaskularisierung über die Subkutis erhalten bleibt. Als Nahttechnik sollten neben adaptierenden Coriumnähten fortlaufende Intrakutannähte verwendet werden. Einzelknopfnähte üben einen gewissen Druck auf die Hautoberfläche aus, der gerade im Bereich der Lappenspitzen die nötige Perfusion stören kann (Abb. 14.3).
14.2.2 Hauttransplantation Beim Einschneiden einer kontrakten Narbe mit dem Skalpell weichen die Wundränder oftmals weit auseinander. Der Wundverschluss kann dann häufig nicht mehr direkt durch Naht oder Z-Plastiken erreicht werden. In solchen Fällen ist eine regelrechte Defektdeckung erforderlich. Eine einfache Möglichkeit der Defektdeckung ist die Hauttransplantation. Auch bei Defekten nach Tumorexzision kann eine Hauttransplantation zum Wundverschluss in Frage kommen. Spalthauttransplantate werden mit dem Dermatom in einer Dicke von 0,2–0,4 mm entnommen. Je dicker das Transplantat entnommen wird, desto länger wird die Abheilung des Hebedefektes dauern.Auch das Risiko für eine auffällige Narbenbildung an der Entnahmestelle steigt mit zunehmender Dicke des Transplantats. Spalthaut heilt mit Narbenbildung ein und neigt daher zur erneuten Bildung von kontrakten Narbenplatten. Je dicker das Hauttransplantat ist, desto geringer ist die zu beobachtende Kontraktion der entstehenden Narbe. Die Auflösung mentosternaler Kontrakturen durch Transplantation von dicken Spalthauttransplantaten wird
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nach wie vor von einigen Autoren als Standardverfahren propagiert.
! Um ein Wiederauftreten der Kontraktur in dem trans-
plantatgedeckten Areal zu verhindern, werden individuell angefertigte Halsschienen bis zu sechs Monate nach der Operation empfohlen.
Die Schiene sollte nur für wenige Stunden täglich abgelegt werden. In dieser Zeit muss eine physiotherapeutische Beübung der Halswirbelsäule und der Halsmuskulatur erfolgen. Ferner kann dem Auftreten von Narbensträngen durch besonders sorgfältige Operationsweise vorgebeugt werden. Es sollte versucht werden, den gesamten Defekt mit einem einzelnen Spalthauttransplantat zu decken, das nicht als „mesh-graft“ sondern als „sheet-graft“ aufgelegt wird. Sollten mehrere Transplantate erforderlich sein, so müssen die Stoßkanten horizontal verlaufen. Ein besseres Ergebnis kann durch Transplantation von Vollhaut erzielt werden. Diese zeigt eine deutlich geringere Tendenz zur Kontraktion. Auch das ästhetische Ergebnis ist meist besser als bei der Verwendung von Spalthaut. Am unauffälligsten heilen solche Hauttransplantate ein, die von benachbarten Arealen entnommen werden.Als Faustregel sollten für denKopf-Hals-Bereich Hauttransplantate oberhalb der Mamillenlinie entnommen werden. Als Entnahmestellen für Vollhauttransplantate kommen demnach die supraklavikuläre Haut, retroaurikuläre Haut oder evtl. noch Haut von der Innenseite des Oberarmes in Frage. Aus der Leistenregion entnommene Vollhaut weist in Textur und Farbe zumeist deutliche Unterschiede zu der Haut des Halses auf und führt zu ästhetisch unbefriedigenden Ergebnissen. Die Defektdeckung mit Vollhauttransplantaten wird durch die begrenzte Transplantatgröße limitiert. Die Deckung am Hals sollte möglichst mit einem einzelnen Transplantat erreicht werden, um auffällige Stoßkanten zu vermeiden, die ihrerseits auch Ausgangspunkt für erneute Narbenkontraktion sein können. Auch sollte nach Möglichkeit das Konzept der ästhetischen Einheiten berücksichtigt werden. Sowohl Vollhaut als auch Spalthaut benötigen einen gut durchbluteten, tragfähigen Wundgrund zum Einheilen. Im Idealfall kann bei der Narbenexzision das Platysma erhalten werden. Bevor das Transplantat in den Defekt eingenäht wird, muss mit größter Sorgfalt Blutstillung erzielt werden. Eine Hämatomansammlung unter dem Transplantat verhindert in der Frühphase die Ernährung des Transplantats durch Diffusion aus dem Wundgrund. Ein Einheilen des Transplantats ist so nicht möglich. In den ersten zehn postoperativen Tagen ist die Verbindung zum Transplantatgrund noch nicht stabil genug, um den massiven Scherkräften standzuhalten, wie sie bei Bewegungen des Kopfes und des Halses hervorgerufen werden. Postoperativ ist daher eine Schie-
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c Abb. 14.4 a–c. Rekonstruktion eines Narbenareals mithilfe eines Vollhauttransplantats. a Narbenareal nach Verbrennungsverletzung mit mäßiggradiger mentosternaler Kontraktur, b früh-postoperativer Befund nach Exzision des Narbengewebes und nach Defektdeckung mit einem Vollhauttransplantat, c Langzeitresultat nach Einheilen des Vollhauttransplantats
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nung zur Ruhigstellung des Halses erforderlich. Einige Autoren empfehlen sogar eine mehrwöchige Ruhigstellung in reklinierter Kopfhaltung, um einem frühen Rezidiv einer Narbenkontraktur vorzubeugen. Derartige Immobilisierungsmaßnahmen haben jedoch erhebliche Folgen für den Bewegungsapparat des Halses und des Kopfes. Außerdem beeinträchtigen sie den Patienten übermäßig. Ausgeprägte Narbenkontrakturen sollten daher durch eine Lappenplastik behoben werden, auch wenn dies ein operativ aufwendigeres Verfahren bedeutet. Auch das ästhetische Ergebnis ist nach einer Defektdeckung durch Vollhaut oder Spalthauttransplantation oftmals nicht zufriedenstellend. Im Resultat zeigen sich auch bei sorgfältiger Auswahl der Entnahmestelle und der Transplantatdicke deutliche qualitative Unterschiede zur Umgebung. Das Transplantat ist derber und gegen den Untergrund schlechter verschieblich. Es besitzt wenig elastische Eigenschaften, wie sie für die Haut am Hals typisch sind.Ausgedehnte Defekte sind deshalb mit einer Hauttransplantation nicht zufriedenstellend zu decken (Abb. 14.4).
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14.2.3 Lokale Lappenplastiken b
Mit Lappenplastiken können die besten funktionellen Ergebnisse erzielt werden. Diese Methode zur Rekonstruktion kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die vorliegende Läsion eine entsprechende Ausdehnung auch zur Tiefe hin aufweist. Der Defekt wird mit intaktem Gewebe ersetzt, somit werden sämtliche Schichten von Haut und Subkutis wiederhergestellt. Für begrenzte Defekte, wie sie beispielsweise nach der lokalen Exzision von Hauttumoren entstehen, können Lappenplastiken nach Limberg oder Dufourmentel angewandt werden. Größere Defekte entstehen hingegen bei der Exzision von ausgedehnteren Narbenplatten. In diesen Fällen können lateral am Hals vertikale Lappen gehoben werden und zur Defektdeckung in horizontale Richtung zur ventralen Halsregion transponiert werden. Bei größerer Defektfläche reicht ein einzelner lokaler Lappen zum Verschluss oftmals nicht mehr aus. In solchen Fällen kann eine gegenläufige beidseitige Transpositionslappenplastik oder ein „bilobed flap“ zur Anwendung kommen.
Abb. 14.5 a–d. Behandlung einer mentosternalen Kontraktur 䉴 mithilfe einer lokalen Lappenplastik.a Auffälliges Narbenareal nach Verbrennungsverletzung mit nur geringgradiger mentosternaler Kontraktur. Das ästhetische Erscheinungsbild ist jedoch durch die hypertrophe Narbenbildung erheblich beeinträchtigt.Anzeichnung der lokalen Lappenplastiken,c postoperatives Langzeitresultat nach Abheilung (Ansicht von ventral) d postoperatives Langzeitresultat nach Abheilung (Ansicht von lateral)
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Sämtliche lokale Lappenplastiken setzen aber voraus, dass die an den Defekt angrenzende Haut nicht geschädigt ist. Narbig verändertes Gewebe besitzt im Gegensatz zu ungeschädigter Haut eine gestörte Mikrozirkulation. Beim Mobilisieren von Lappenplastiken im Narbengewebe reicht die verbleibende Perfusion meist nicht mehr aus, um den gehobenen Lappen zu versorgen, und es kommt zu Lappennekrosen. Die Haut der lateralen Halsregion ist für lokale Lappenplastiken gut geeignet. Sie besitzt genügend Laxizität und eine dichte Vaskularisierung. Für sehr ausgedehnte Defekte des ventralen Halses steht allerdings nicht ausreichend Gewebe zur Verfügung. So ist diese Form der Lappenplastik Defekten mit geringerer Flächenausdehnung vorbehalten (Abb. 14.5).
14.2.4 Gewebeexpander Die Defektdeckung mit gedehnten Hautlappen stellt eine Erweiterung der Möglichkeiten von lokalen Lappenplastiken dar. Expander werden in verschiedenen Größen und Formen von verschiedenen Herstellern angeboten, sodass sich für jeden Patienten ein geeigneter finden läßt. Der Expander besteht aus einem Silikonballon, der meist auf einer festen Kunststoffplatte aufgebracht ist. Die Befüllung erfolgt über einen Schlauch, an dessen Ende ein Ventil angebracht ist. Dieses kann als Portsystem subkutan implantiert werden. Unmittelbar an das Narbenareal angrenzend wird eine Tasche für den Expander präpariert. Die Bodenplatte wird dabei auf der Faszie platziert. Das subkutane Fettgewebe und die Haut verbleiben oberhalb des Expanders. Der Port muss weit vom Expander entfernt platziert werden, damit dieser beim Befüllen nicht beschädigt wird. Der Expander wird dann mit einem geringen Volumen mit sterilem Wasser vorgefüllt, sodass ein spannungsfreier Wundverschluss noch möglich ist, aber ein Verkleben der Silikonhülle durch Faltenbildung unterbunden wird.
a
b
c
Ventil
Haut
Expander
Narbe
a
b
c=a+b
c Abb. 14.6. Prinzip der Implantation eines Gewebeexpanders. Der Expander wird subkutan unter der an das Narbenareal angrenzenden gesunden Haut implantiert. Das Auffüllen beginnt ab der 3. postoperativen Woche. Ein ebenfalls subkutan platzierter Port ist über einen Schlauch mit dem Expanderlumen verbunden. Der Port kann durch die darüber liegende Haut punktiert werden, ohne dass der Expander mit der Kanüle beschädigt wird
Abb. 14.7 a–c. Rekonstruktion eines Hautdefektes mithilfe eines Hautexpanders. a Narbenkontraktur an der rechten Halsseite bei Zustand nach ausgedehnter Verbrennungsverletzung, die auch Teile der Schulterregion und den Thorax betrifft. Für eine Defektdeckung mit einer supraklavikulären Lappenplastik steht nicht ausreichend ungeschädigtes Gewebe zur Verfügung. b Mit einem Gewebeexpander wird die ungeschädigte Haut der Schulterregion gedehnt, um die benötigte Lappengröße zu erlangen. c Postoperativer Langzeitverlauf nach Einheilen der Lappenplastik (Ansicht von lateral)
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Frühestens drei Wochen nach Einbringen des Expanders kann dann mit der sukzessiven Befüllung des Expanders und mit Aufdehnung der Haut begonnen werden. Die Füllmenge an jedem Termin richtet sich dabei nach dem klinischen Bild der gedehnten Haut. Die Haut sollte sich straff anfühlen, die Durchblutung muss aber noch ausreichend gewährleistet sein (Abb. 14.6). Der Einsatz von Gewebeexpandern am Hals ist komplizierter und weniger effektiv als an anderen Körperregionen. Der Druck wirkt sich auch zur Tiefe hin aus, da kein knöchernes Widerlager vorhanden ist. Bei der Platzierung müssen funktionelle Strukturen berücksichtigt werden. Insbesondere der venöse Rückstrom vom Kopf kann durch den Druck des Expanders leicht gedrosselt werden. Nach ventral hin darf die Mobilität des Kehlkopfes beim Schlucken nicht beeinträchtigt werden (Abb. 14.7). Das Verfahren ist außerdem mit einer hohen Komplikationsrate behaftet. Häufig kommt es zu Nahtdehiszenzen an der Wunde, durch die der Expander implantiert wurde. Eine Spülung der Wundhöhle mit anschließendem sekundären Wundverschluss kann evtl. den Totalverlust des Expanders verhindern. Das Verfahren verlängert sich aber um mindestens drei weitere Wochen, bis die Nahtreihe wieder ausreichend stabil verheilt ist.
14.2.5 Regionale Lappenplastiken Die regionalen Lappenplastiken unterscheiden sich untereinander hinsichtlich der enthaltenen Gewebeanteile. Neben regionalen fasziokutanen Lappenplastiken existieren reine Muskellappen oder myokutane Lappen. Eine Gemeinsamkeit aller regionalen Lappenplastiken ist das Vorhandensein einer definierten Gefäßversorgung. Bei den fasziokutanen Lappen entspricht die Lappengröße dem Ausbreitungsgebiet der Gefäßversorgung. Der Längsachse des Angiosoms eines solchen Gefäßes folgend kann das Heben eines fasziokutanen Lappens geplant werden. Bei Muskellappen ergibt sich das Durchblutungsmuster aus den Rami musculares, die an definierten Lokalisationen in den Muskel ziehen. Bei der myokutanen Lappenplastik ist neben dem Perfusionsmuster innerhalb des entsprechenden Muskels auch noch eine Hautinsel über dem Muskel definiert, die en bloc mit dem Muskel gehoben werden kann, ohne im Verlauf Nekrosen zu entwickeln. Aus verschiedenen lokalen Gefäßterritorien ergeben sich Möglichkeiten zur Deckung von Defekten mit regionalen Lappenplastiken am Hals. Dabei sind die A. transversa colli mit ihrem superfizialen und profunden Ast, die A. supraclavicularis, die A. thoracoacromialis sowie Perforatoräste der A. thoracica interna von größter Bedeutung in der klinischen Anwendung. Zum Versorgungsgebiet der A. transversa colli gehört der M. trapezius. Verschiedene myokutane Lappenplastiken
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zur Deckung von Halsdefekten, die Anteile des M. trapezius enthalten, finden sich in der Literatur beschrieben. Weitere regionale Lappenplastiken zur Deckung von Halsdefekten sind an der vorderen Thoraxwand beschrieben. Der M. pectoralis major besitzt einen medialen und einen lateralen Gefäßstiel. Der medial gestielte Pektoralislappen erhält seine Blutversorgung aus Ästen der A. thoracica interna. Dieser myokutane Lappen findet vor allem als Deltopectorallappen (Bakamjian [4a]) vielfach Anwendung zur Rekonstruktion des Mundbodens nach ausgedehnten Tumorresektionen. Ein weiterer myokutaner M.-pectoralis-major-Lappen kann lateral am Muskelansatz gestielt werden, wo Äste der A. thoracoacromialis in den Muskel ziehen. Seltener finden sich Lappenplastiken vom M. sternocleidomastoideus oder vom Platysma beschrieben. Platysmalappen spielen insbesondere bei der Wiederherstellung der Verschiebeschichten nach Tracheotomien eine Rolle. Gegenüber den myokutanen Lappenplastiken besitzen fasziokutane Lappen mehrere Vorteile, die besonders bei der Deckung von Halsdefekten zum Tragen kommen. Der Mobilisation und Transposition von Muskeln folgt ein gewisses funktionelles Defizit durch den Ausfall der physiologischen Muskelfunktion. Ferner sind myokutane Lappen für oberflächliche Defekte häufig zu voluminös. Dadurch ist es schwieriger, die Kontur des Halses mit solchen Lappen wiederherzustellen. Lediglich bei sehr tiefen Defekten kann die Dicke der myokutanen Lappen von Vorteil sein, um große Substanzdefekte aufzufüllen. Solche Defekte sind meist das Ergebnis von ausgedehnten Tumorresektionen. Für oberflächlichere Defekte, wie sie aus der Exzision von Narbengewebe und der Auflösung von Narbenkontrakturen resultieren, sind fasziokutane Lappen besser geeignet. Die Dicke dieser Lappen entspricht der Tiefenausdehnung solcher Defekte. Auf diese Weise kann die natürliche Kontur des Halses am besten wiederhergestellt werden. Fasziokutane Lappenplastiken, die zur Defektdeckung am Hals angewendet werden, können an der vorderen und hinteren Thoraxwand gehoben werden.An der vorderen Brustwand liegt der Hebedefekt im Bereich des Dekolletees. Fasziokutane Lappen von der dorsalen Thoraxwand weisen eine derbere Hautqualität auf, wie sie der Haut des Rückens entspricht. Im Vergleich zur umgebenden Haut des ventralen Halses besteht ein Unterschied in Kolorit und Textur, der häufig zu unbefriedigenden ästhetischen Resultaten führt. Die Schulterregion ist als Spenderregion für kutane und fasziokutane Lappenplastiken besonders gut geeignet. Die Qualität der Haut entspricht der des ventralen und lateralen Halses. Zusätzlich kann die angrenzende Haut der vorderen und hinteren Brustwand weit unterminiert werden, was einen primären Verschluss des Hebedefektes erlaubt. Thomas Mutter beschrieb 1842 [24] als Erster einen fasziokutanen Lappen der Schulterregion. Ohne die Möglichkeiten der modernen Anästhesie
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führte er eine Operation durch, bei der eine mentosternale Narbenkontraktur aufgelöst und mit dem von ihm beschriebenen Lappen gedeckt wurde. Der Hebedefekt des Lappens reichte bis über den M. deltoideus. Die Transposition des Lappens erfolgte um die mediale Lappenbasis. Der vom Autor selbst angefertigten graphischen Illustration zufolge lag postoperativ eine deutliche Besserung der Beschwerden vor. Seine Patientin konnte den Hals wieder reklinieren. Das vorherbestehende Narbenektropium sowie die Störung des Mundschlusses waren behoben worden. In der Folge wurde bei der Durchführung dieser Lappenplastik jedoch häufig das Auftreten von Nekrosen, insbesondere in den distalen Anteilen der Lappenspitze beschrieben. Weitere Modifikationen des Lappens folgten. Um die Komplikation der Lappennekrose zu vermeiden, wurde am Drehpunkt ein Platysmastreifen mitgehoben, der eine ausreichende Durchblutung sicherstellen sollte. Erst 1979 wurde die arterielle Gefäßversorgung der supraklavikulären Schulterregion von Lamberty [18] exakt untersucht. Der „axial-pattern-flap“ nach Lamberty hat einen Ast der A. transversa colli zum Gefäßstiel, der vom Hals oberhalb der Clavicula zur Schulter zieht. Das Gefäß nannte Lamberty A. supraclavicularis. Diese anatomi-
sche Beschreibung ermöglichte es nun, diesen fasziokutanen Lappen exakt an diesem Gefäßstiel zu heben und zu rotieren. Allerdings dauerte es noch bis 1994, bis der Lappen nach einer Studie der venösen Gefäßversorgung (Pallua [27, 28]) als supraklavikuläre Insellappen erstmals Anwendung fand. Auch das Ausbreitungsgebiet des Angiosoms der A. supraclavicularis musste zuvor in weiteren anatomische Studien exakt gesichert und beschrieben werden (Abb. 14.8). Der supraklavikuläre Insellappen kann zur Defektdeckung am Hals, im Gesicht und an der vorderen oberen Thoraxwand eingesetzt werden. Die operative Planung der Lappenplastik beginnt mit dem Anzeichnen der Resektionsränder im Bereich der geplanten Narbenoder Tumorexzision. Dabei wird die Resektion so durchgeführt, dass die ästhetischen Einheiten von Hals oder Gesicht möglichst berücksichtigt werden. Im nächsten Schritt erfolgt die Markierung des Gefäßstiels, der mit einer Ultraschall-Doppler-Sonde dargestellt werden kann. Die supraklavikuläre Arterie, die den Gefäßstiel des Lappens mit einer Begleitvene bildet, entspringt aus dem superfiziellen Ast der A. transversa colli, die ihrerseits ein Ast aus der A. subclavia ist. Der Abgang der A. supraclavicularis findet sich stets in dem Halsdreieck,
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Abb. 14.8 a–d. A.-supraclavicularis-Lappenplastik. a Schematische Darstellung der A. supraclavicularis, b schematische Darstellung der Hebung eines supraklavikulären Insellappens, c Anfärbung des Angiosoms der A. supraclavicularis im anatomischen Präparat, d Situs des Abgangs der A. supraclavicularis aus der A. transversa colli. (A.: A. supraclavicularis, V.: V. supraclavicularis, Stern: A. transversa colli)
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das vom dorsalen Rand des M. sternocleidomastoideus, von der V. jugularis externa und vom mittleren Anteil der Clavicula gebildet wird, wobei der Abstand zur Clavicula durchschnittlich 2–3 cm beträgt. Das von der supraklavikulären Arterie versorgte Angiosom erstreckt sich bis auf die Haut, die den ventralen Anteil des M. deltoideus bedeckt. In Abhängigkeit von der Körpergröße des Patienten können Lappen mit einer Breite zwischen 10 und 14 cm und einer Länge von 16–30 cm gehoben werden. Mit Hilfe einer Schablone kann nun im Verlauf des Gefäßstiels die geplante Lappenausdehnung für den zu deckenden Defekt angezeichnet werden. Intraoperativ erfolgt zunächst die Narben- oder Tumorexzision. Die Hebung des Lappens erfolgt von lateral nach medial. Es werden Haut, subkutanes Fettgewebe und die Faszie en bloc gehoben. Zur Tiefe hin können Anastomosen zu den kutanen Ästen der A. circumflexa humeri posterior bestehen. Im medialen Drittel kann der Gefäßverlauf durch Diaphanoskopie mit Hilfe einer Lichtquelle auf der Rückseite des Lappens sichtbar gemacht werden. Wenn die Präparation des Stiels die Eintrittsstelle des supraklavikulären Gefäßbündels in den Lappen erreicht, ist darauf zu achten, dass der in der Nähe verlaufende N. accessorius geschont wird. Der so gehobene supraclaviculäre Insellappen kann jetzt in den Defekt platziert werden. Der Lappen wird mit zweischichtiger Naht fixiert, wobei resorbierbares Nahtmaterial zur Subkutannaht verwendet wird, während die Hautnaht mit nichtresorbierbaren Nähten durchgeführt wird. Unter dem Lappen wird eine Wunddrainage eingebracht. Die Entnahmestelle der Hautinsel lässt sich primär verschließen. Hierzu ist ein ausgedehntes Unterminieren der angrenzenden Haut erforderlich. Danach lassen sich die Wundränder dann approximieren und können mit mehrschichtiger Naht verschlossen werden. In die Wunde wird eine Saugdrainage eingelegt. Im Vergleich zu dem von Lamberty beschriebenen „axial-pattern-flap“ bietet der supraklavikuläre Insellappen erhebliche Vorteile. Die mediale Lappenbasis des Lamberty-Lappens muss um 180° gedreht werden, was zum Aufwerfen einer Hautfalte im Sinne eines „dog ear“ führt. So wird ein erheblicher Anteil an der gesamten Länge des Lappens für die Rotation verbraucht. Defekte der kontralateralen Halsseite sind daher nur mit maximal lang dimensionierten Lappen zu erreichen. Dies erhöht aber wiederum das Risiko von Perfusionsstörungen der Lappenspitze und führt so häufiger zu Hautne-
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c Abb. 14.9 a–c. Defektdeckung mithilfe einer A. supraclavicularis Lappenplastik. a Ausgedehnte Narbenareale an der Vorderseite des Halses bei Zustand nach schwerer Brandverletzung. Neben funktionellen Defiziten liegt auch eine besonders schwere Beeinträchtigung des ästhetischen Erscheinungsbildes vor. b Langzeitresultat 15 Monate nach Exzision des Narbenareales und Defektdeckung mit einem supraklavikulären Insellappen (Ansicht von frontal), c Langzeitresultat 15 Monate nach Exzision des Narbenareales und Defektdeckung mit einem supraklavikulären Insellappen (Ansicht von lateral)
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d Abb. 14.10 a–h. Rekonstruktion eines Defektes bei submental gelegenem Plattenepithelkarzinom als Spätfolge einer Strahlentherapie. a Klinischer Aspekt vor Operation, b die Exzision muss mit einem Sicherheitsabstand um die sichtbare Tumorlokalisation geplant werden, sodass sich der Defekt über die Kinnregion bis auf das obere Drittel des ventralen Halses ausdehnt, c in einer ersten Operation wurde das Karzinom exzidiert, der Defekt wurde temporär mit einer Kunststofffolie (Alevyn) gedeckt. Die definitive Defektdeckung erfolgte erst nach der histologischen Bestätigung, dass der Tumor komplett in sano exzidiert ist (Ansicht von frontal).d Ansicht von lateral.e An der linken Schulter ist ein supraklavikulärer Insellappen gehoben worden.Nach Druck mit einem Instrument auf die Hautinsel zeigt sich eine deutliche Rekapillarisierung und damit eine gute Durchblutung des Lappens. f Im nächsten Schritt wird der Lappen unter der Haut der linken Halsseite getunnelt und in den Defekt transponiert, g Langzeitresultat 15 Monate nach der Defektdeckung mit dem supraklavikulären Insellappen. Postoperativ wurde eine maßangefertigte Gesichtsmaske für 6 Monate getragen, um den Erhalt der Halskontur zu gewährleisten (Ansicht von frontal). h Ansicht von lateral Abb. 14.10 e–h. Seite 414
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KAPITEL 14
f
e
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g Abb. 14.10 e–h
krosen und Wundheilungsstörungen. Das „dog ear“ selbst beeinträchtigt das ästhetische Ergebnis. Korrekturen können erst sekundär durchgeführt werden, um die Durchblutung der Lappenbasis nicht zu beeinträchtigen. Beim supraklavikulären Insellappen erfolgt die Rotation um den Gefäßstiel. Dieser enthält die A. supraclavicularis mit zwei Begleitvenen. Um einen ungestörten Lymphabfluss zu gewährleisten, sollte der Stiel nicht skelettiert werden. Die Rotation um den Austrittspunkt des Gefäßes verursacht keine Einbußen in der Lappenlänge. Selbst die kontralaterale Halsseite kann so problemlos erreicht werden. Bei sehr ausgedehnten Defekten ist eine Deckung mit beidseitigen supraklavikulären Insellappen möglich. Diese fasziokutane Lappenplastik vereint dank der passenden Textur, Lappendicke und Kolorierung die Vorteile der sicheren Anwendbarkeit mit einem großem Spiel-
raum in der Auswahl der Lappendimensionierung und einem hervorragenden ästhetischen Resultat (Abb. 14.9, 14.10). Lediglich bei adipösen Patienten kann eine spätere Lappenausdünnung zur besseren Konturierung der Halssilhouette nötig sein.
KAPITEL 14
Halsdefekte
415
14.2.6 Freie Lappenplastiken Wie die regionalen Lappenplastiken werden auch die freien Lappen nach den enthaltenen Gewebeanteilen benannt. Freie Muskellappen und myokutane Lappen sind wie zuvor beschrieben meist zu dick, um eine gute Konturierung des Halses zu ermöglichen. Diese Lappen finden aber regelmäßig Anwendung zur Rekonstruktion von Gesicht und Hals nach ausgedehnten Resektionen von malignen Tumoren der Mundhöhle, des Pharynx oder des Kehlkopfes. Häufig beschrieben werden hier freie myokutane Lappenplastiken vom M. latissimus dorsi oder M. rectus abdominis. Als fasziokutane freie Lappen finden der Radialislappen, Skapulalappen und der laterale Oberarmlappen sowie als Hautfettgewebelappen der Leistenlappen Anwendung. Die Komplikationsrate beim freien Gewebetransfer liegt bei ca. fünf Prozent. Häufig passt die Haut dieser Spenderregionen nicht gut zr Umgebung am Hals. Neben den Unterschieden in Textur der Dermis und Farbe der Epidermis besitzen diese Lappen mit Ausnahme des Radialislappens eine zu dicke subkutane Fettschicht, die spätere konturangleichende Operationen erforderlich machen können. So kommen die freien Lappenplastiken vor allem dann zur Anwendung, wenn die Haut im Bereich der Hebestellen regionaler Lappen ebenfalls pathologisch verändert ist (Abb. 14.11).
a
b Abb. 14.11 a–f. Korrektur einer schweren mentosternalen Kontraktur in der Folge eines Verbrennungsunfalles mithilfe einer freien mikrovaskulären Skapula-Lappenplastik. a Klinischer Aspekt präoperativ (Ansicht von frontal), b klinischer Aspekt präoperativ (Ansicht von lateral), c Anzeichnung des geplanten Lappens sowie des Gefäßstieles, d gehobener freier Skapulalappen, e Befund nach Einheilen des freien Skapulalappens in der Frontalansicht, f Befund nach Einheilen des freien Skapulalappens in der Seitenansicht mit rekliniertem Kopf Abb. 14.11 c–f Seite 416
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f Abb. 14.11 c–f
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417
III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 15
C.Tizian · O. Wölfle
Pharynxdefekte
Inhalt 15.1 Allgemeines 15.1 15.1.1 15.1.2 15.1.3 15.1.4
Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien der Diagnostik. . . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . 15.1.4.1 Defektklassifikation der Pharynxdefekte. . . . . . . 15.1.4.2 Klassifikation der Halslymphknoten . . . . . . . . 15.1.4.3 TNM-Klassifikation . . . . . . . 15.1.5 Prinzipien der Therapie . . . . . . . . . . 15.1.5.1 Das Therapieteam . . . . . . . 15.1.5.2 Tumorresektion . . . . . . . . . 15.1.5.3 Neck dissection . . . . . . . . . 15.1.5.4 Rekonstruktion . . . . . . . . . 15.1.5.5 Adjuvante Therapie . . . . . . . 15.1.5.6 Nachsorge . . . . . . . . . . . . 15.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . 15.2.1 Gestielte fasziokutane oder myokutane Lappenplastiken. . . . 15.2.1.1 Deltopektorallappen . . . . . . 15.2.1.2 Pectoralis-major-Lappen . . . . 15.2.1.3 Latissimus-dorsi-Lappen . . . . 15.2.2 Freie mikrovaskuläre Lappenplastiken . 15.2.2.1 A.-radialis-Lappen . . . . . . . 15.2.2.2 Paraskapula- und Skapula-Lappen. . . . . . . . . 15.2.3 Lappenplastiken aus dem Darmbereich 15.2.3.1 Gestielte Koloninterpositionsplastik . . . . . . 15.2.3.2 Freie mikrovaskuläre Jejunumtransplantation . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
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Die Rekonstruktion ausgedehnter Defekte des Oropharynx sowie Hypopharynx und zervikalen Anteils des Ösophagus, alleine oder in Verbindung mit zervikalen Haut-Weichteil-Defekten, stellt für den Plastischen Chirurgen eine interessante Herausforderung dar.
. . 423 . . . . . . . . . .
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15.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie Der Pharynx, auch Rachen genannt, ist ein gemeinsamer Vorraum des Luft- und Speiserohres hinter der Mundund Nasenhöhle. Er reicht vom Rachendach (Fornix pharyngis) bis zum Ösophagusmund. Er ist trichterförmig gestaltet, haftet mit seiner Breitseite an der Schädelbasis und geht bei einer Länge von 13 cm in den Ösophagus über (Abb. 15.1). Der Pharynx besteht an seiner hinteren sowie an der jeweils seitlichen Wand aus quergestreifter Muskulatur. Neben der Verbindung mit der Speiseröhre hat der Pharynx sechs Kommunikationen in der Vorder- und Seitenwand. Letztere bestehen aus den durch das Nasenseptum getrennten Choanen in die Nasenhöhle, aus der rechten und linken Tubenöffnung mit der jeweiligen Verbindung zum Mittelohrraum, aus dem Isthmus faucium, der in die Mundhöhle führt sowie aus dem Aditus ad laryngem, welcher in die Luftröhre führt. Demzufolge ist die vordere Wand des Pharynx unvollständig und wird nur vom Choanenseptum, vom Gaumensegel, vom Zungengrund und der Hinterwand des Kehlkopfes gebildet. In der Folge von proximal nach distal werden drei Abschnitte unterschieden: ∑ Epipharynx (Pars nasalis pharyngis), ∑ Mesopharynx (Pars oralis pharyngis), ∑ Hypopharynx (Pars laryngea).
Bezüglich der chirurgisch relevanten Anatomie des Epipharynx und des Mesopharynx wird auf Kap. 13 verwiesen.
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Pharynxdefekte
KAPITEL 15
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Abb. 15.1 a, b. Chirurgisch relevante Anatomie des Pharynx (Aus Lanz, Wachsmuth. Praktische Anatomie, Hals, Erster Band, Zweiter Teil. 1955)
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b
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Pharynxdefekte
Der Hypopharynx (Pars laryngea) liegt hinter dem Larynx, vor dem 5. und 6. Halswirbelkörper. Der kraniale Anteil der Vorderwand wird durch den dreieckförmigen Zugang zum Larynx gebildet, dessen Hinterwand aus Ring- und Aryknorpel sowie der sie deckenden Muskulatur besteht. So entsteht zu beiden Seiten in der Höhe der Aryknorpel rechts und links eine tiefe Bucht in der vorderen Wand des Hypopharynx, der Sinus piriformis, dessen feste Grundlage einerseits vom Schildknorpel, andererseits vom Aryknorpel gebildet wird. An der Schildknorpelwand des Sinus steigt eine Schleimhautfalte schräg abwärts gegen den Ringknorpel, die Plica nervi laryngei, welche den Ramus internus des N. laryngicus superior in sich birgt. Unterhalb des Kehlkopfeingangs bildet die Ringknorpelplatte mit den sie deckenden beiden Mm. cricoarytaenoidei posteriores die vordere Wand des Hypopharynx. Die Pharynxhinterwand liegt der Wirbelsäule an. Die oberen Teile der Seitenwände grenzen an den Kieferast und den M. pterygoideus medialis, die unteren Anteile an die Fossa carotica. In der Höhe des unteren Drittels beginnen die Längsfalten der Ösophagusschleimhaut, die als Ösophagusmund den Übergang des Pharynx in die Speiseröhre bilden. Die Pharynxmuskulatur besteht aus einer inneren und äußeren Schicht, wobei Erstere längs, Letztere zirkulär angeordnet ist. Es werden drei Mm. constrictores pharyngis unterschieden, von welchen der untere den mittleren und dieser den oberen dachziegelartig überdeckt. Die Konstriktormuskeln beider Seiten treffen sich in einem medianen Submukosastreifen, der Raphe pharyngis und umschließen den Rachen an den Seiten von rückwärts. Demzufolge wird die Hinterwand des Hypopharynx vom M. constrictor pharyngis inferior und vom M. constrictor pharyngis medius gebildet. Die Innervation der Konstriktormuskeln des Pharynx erfolgt aus dem pharyngealen Plexus. Die Levatorenmuskeln des Pharynx umscheiden Letzteren zum Teil von innen, zum Teil von außen. Der M. stylopharyngeus entspringt am Proc. styloideus, zieht an der Außenseite der Gaumentonsille vorbei und inseriert am oberen Rand des Schild- und Ringknorpels. Die arterielle Blutversorgung des Pharynx stammt aus der A. carotis externa und ihrem Aufzweigungsgebiet, während der venöse Abfluss größtenteils über die V. jugularis interna erfolgt.
KAPITEL 15
15.1.2 Ätiologie Die operative Behandlung maligner Pharynxtumoren stellt die Hauptindikation für die Notwendigkeit einer Pharyngektomie dar, wobei sich aus Radikalitätsgründen oft eine Ausweitung der Resektion auf Hypopharynx und zervikalen Ösophagus als unumgänglich erweist. Bei den Karzinomen des oberen Aerodigestivtraktes handelt es sich in den meisten Fällen um Plattenepithelkarzinome, es kommen jedoch auch Speicheldrüsenkarzinome oder lymphoepitheliale Karzinome in Betracht. Weniger häufige Indikationen sind traumatisch bedingte Passagehindernisse, die in den meisten Fällen durch mechanische oder thermische Traumen verursacht sind sowie Folgezustände nach Säure/Laugenverätzungen. Zu den thermischen Schädigungen gehört neben Verbrühungen und Verbrennungen im weitesten Sinne auch die im Rahmen einer Karzinombehandlung entstandene radiogene Pharynxnekrose. Angeborene Fehlbildungen des oberen ösophagealen oder präösophagealen Verdauungsabschnittes sind neben den zuvor genannten Ursachen weitere, wenn auch seltene Indikationsstellungen für rekonstruktive Verfahren.
15.1.3 Prinzipien der Diagnostik Eine eingehende klinische Untersuchung im Rahmen des präoperativen Stagings gehört ebenso wie die Ultraschalluntersuchung der Halsweichteile zur Routinediagnostik. Für die präoperative Planung unverzichtbar sind Computertomographie und Magnetresonanztomographie (s. auch Kap. 13).
KAPITEL 15
Pharynxdefekte
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15.1.4.2 Klassifikation der Halslymphknoten 15.1.4 Klassifikation 15.1.4.3 TNM-Klassifikation 15.1.4.1 Defektklassifikation der Pharynxdefekte In Abhängigkeit von Größe und Ausmaß des durch die Resektion vorhandenen Defektes sind folgende Variationsmöglichkeiten zu unterscheiden:
Klassifikation der Pharynxdefekte ∑ Partieller Pharynxwanddefekt ohne Hautweichteildefekt Die Rekonstruktion erfolgt mittels eines als Patch präparierten freien Jejunumtranplantats ∑ Partieller Pharynxwanddefekt mit Hautweichteildefekt Die Rekonstruktion erfolgt mittels eines als Patch präparierten freien Jejunumtranplantats, wobei der begleitende Hautweichteildefekt sowohl mittels einer aus dem Interponat präparierten, antimesenterial eröffneten, mukosektomierten und mit Spalthaut gedeckten Dünndarmschlinge als auch mittels einer weiteren fasziokutanen oder myokutanen gestielten oder freien Lappenplastik erfolgt ∑ Die gesamte Zirkumferenz des Pharynx umfassender Defekt mit oder ohne Beteiligung des Hypopharynx und des zervikalen Ösophagus ohne Hautweichteildefekt Die Rekonstruktion erfolgt mittels eines isoperistaltisch eingebrachten freien Jejunumtransplantats ∑ Die gesamte Zirkumferenz des Pharynx umfassender Defekt mit oder ohne Beteiligung des Hypopharynx und des zervikalen Ösophagus mit radiogenem Hautweichteildefekt Die Rekonstruktion erfolgt auch hier mittels eines isoperistaltisch eingebrachten, freien Jejunumtransplantates, wobei auch hier der begleitende Hautweichteildefekt sowohl mittels einer aus dem Interponat präparierten, antimesenterial eröffneten, mukosektomierten und mit Spalthaut gedeckten Dünndarmschlinge als auch mittels einer weiteren fasziokutanen oder myokutanen gestielten oder freien Lappenplastik erfolgt
Pharynx Die TNM-Klassifikation gilt nur für Karzinome. Eine histologische Diagnosesicherung ist erforderlich, die pT-, pN- und pM-Kategorien entsprechen den T-, N- und MKategorien. Die Verfahren zur Bestimmung der TNM-Kategorien sind: T-Kategorien
N-Kategorien M-Kategorien
Klinische Untersuchung Endoskopie Bildgebende Verfahren Klinische Untersuchung Bildgebende Verfahren Klinische Untersuchung Bildgebende Verfahren
Einteilung und Klassifikation des Nasopharynx soll an dieser Stelle ausgespart werden. Bei Oropharynx und Hypopharynx werden folgende anatomische Bezirke und Unterbezirke beschrieben: Oropharynx
1. Vorderwand (glossoepiglottisches Areal) 2. Seitenwand
3. Hinterwand 4. Obere Wand
a) Zungengrund b) Vallecula a) Tonsillen b) Tonsillarnische und Gaumenbögen c) Glossotonsillarfurche
a) Vordere Oberfläche des weichen Gaumens b) Uvula Hypopharynx 1) PharyngoösoErstreckt sich von der phageale Grenze Höhe der Aryknorpel mit Verbindungsfalten bis zum Unterrand des Ringknorpels und bildet die Vorderwand des Hypopharynx 2) Sinus piriformis Erstreckt sich von der pharyngoepiglottischen Falte bis zum oberen Ende des Ösophagus. Er wird seitlich vom Schildknorpel und medial von der hypopharyngealen Oberfläche der aryepiglottischen Falte sowie von Ary- und Ringknorpel begrenzt
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Pharynxdefekte 3) Hypopharynxhinterwand
Erstreckt sich zwischen der Höhe des oberen Randes des Zungenbeins (oder des Bodens der Vallecula) bis zur Höhe des Unterrandes des Ringknorpels und vom Apex eines Sinus piriformis zum anderen
T – Primärtumor TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden T0 Kein Anhalt für Primärtumor Tis Carcinoma in situ Oropharynx T1 Tumor in der größten Ausdehnung maximal 2 cm T2 Tumor größer als 2 cm, aber nicht größer als 4 cm in der größten Ausdehnung T3 Tumor größer als 4 cm in der größten Ausdehnung T4 Tumor infiltriert Nachbarstrukturen, wie z. B. M. pterygoideus, Unterkiefer, harter Gaumen, Zungenmuskulatur, Larynx Hypopharynx T1 Tumor auf einen Unterbezirk des Hypopharynx beschränkt und 2 cm oder weniger in der größten Ausdehnung T2 Tumor infiltriert mehr als einen Unterbezirk des Hypopharynx oder einen benachbarten Bezirk, oder misst mehr als 2 cm, aber nicht mehr als 4 cm in der größten Ausdehnung, ohne Fixation des Hemilarynx T3 Tumor misst mehr als 4 cm in der größten Ausdehnung oder Tumor mit Fixation des Hemilarynx T4 Tumor infiltriert Nachbarstrukturen, wie z. B. Schild/Ringknorpel, A. carotis interna oder externa, Weichteile des Halses, prävertebrale Muskeln oder Faszien, Schilddrüse und/oder Ösophagus
KAPITEL 15
N2b Metastasen in multiplen ipsilateralen Lymphknoten, keiner mehr als 6 cm in der größten Ausdehnung N2c Metastasen in bilateralen oder kontralateralen Lymphknoten, keiner mehr als 6 cm in der größten Ausdehnung N3 Metastase(n) in Lymphknoten, mehr als 6 cm in der größten Ausdehnung In der Mittellinie gelegene Lymphknoten gelten als ipsilateral. M – Fernmetastasen MX Fernmetastasen können nicht beurteilt werden M0 Keine Fernmetastasen M1 Fernmetastasen
Halslymphknoten Bezüglich der Einteilung der Halslymphknoten sei auf das Kapitel „Unterkiefer- und Mundbodendefekte“ verwiesen.
15.1.5 Prinzipien der Therapie
Als anerkannte Therapieschemata zur Behandlung der malignen Tumoren des oberen Aerodigestivtraktes gelten Operation, Radiotherapie und Chemotherapie, wogegen die Wirksamkeit alternativer Therapiemethoden wie immunstimulierende Therapie als nicht erwiesen gilt. Die Therapie der malignen Erkrankungen des Hypopharynx ist eine Kombination aus Radiochemotherapie und resezierenden chirurgischen Verfahren, da die meisten malignen Tumoren dieses Areals strahlensensibel sind. Für jeden Patienten ist ein individuelles, interdisziplinäres, dem jeweiligen TNM-Stadium angepasstes N – Regionäre Lymphknoten (Oro- und Hypopharynx) Therapieschema zu entwickeln. NX Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt In die Operationsplanung einbezogen werden muss werden evtl. eine Mandibulateilresektion mit Rekonstruktion N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen durch freie mikrochirurgische Knochentransplantation N1 Metastase in solitärem ipsilateralem Lymphkno- sowie ggf. ein N.-suralis-Transplantat bei Erfordernis ten, 3 cm oder weniger in der größten Ausdehnung der Resektion des N. accessorius. N2 Metastase(n) in solitärem ipsilateralem Lymphknoten, mehr als 3 cm, aber nicht mehr als 6 cm in der größten Ausdehnung, oder in multiplen ipsila- 15.1.5.1 Das Therapieteam teralen Lymphknoten, keiner mehr als 6 cm in der größten Ausdehnung, oder in bilateralen oder Die operative Planung ist in enger interdisziplinärer Zukontralateralen Lymphknoten, keiner mehr als sammenarbeit von Plastischer Chirurgie, Kieferchirur6 cm in der größten Ausdehnung gie, HNO, Onkologie sowie unter Einbindung von LogoN2a Metastase in solitärem ipsilateralem Lymphkno- päden und Phoniatern zu koordinieren (s. auch Kap. 13). ten, mehr als 3 cm, aber weniger als 6 cm in der größten Ausdehnung
Pharynxdefekte
KAPITEL 15
15.1.5.2 Tumorresektion
15.1.5.4 Rekonstruktion
Eine intraoperative antibiotische Abschirmung ist zu empfehlen. Das Ziel der operativen Therapie jeder maligner Erkrankungen ist die R0-Resektion, d. h. die vollständige Entfernung des Tumors einschließlich aller Lymphknotenmetastasen. Es ist wichtig anzumerken, dass die Operabilität durch die Größe des Primärtumors, einen eventuellen Einbruch in benachbarte Strukturen oder die erfolgte Lymphknotenmetastasierung limitiert wird. Ist eine R0-Resektion nicht durchführbar, so muss dem Patienten auch unter Verzicht auf Radikalität eine Therapiemöglichkeit aufgezeigt werden, die ihm durch Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung wichtiger Funktionen wie Atmung, Schluckakt oder Wiedererlangung der Sprache ermöglicht, möglichst lange ein lebenswertes Dasein zu führen. Umschriebene Karzinome der Hinterwand des Hypopharynx werden an vielen Kliniken hauptsächlich transoral laserchirurgisch therapiert. Kleinere Tumoren des Kehlkopfes können in vielen Fällen kehlkopferhaltend operiert werden, ausgedehnte Tumoren der Stadien T3 und T4 erfordern jedoch eine ausgedehnte Tumorresektion. Auch kleine bösartige Tumoren des oberen Aerodigestivtrakts erfordern aus Gründen der Radikalität oftmals ausgedehnte Tumorresektionen, die rekonstruktive Verfahren erforderlich machen.
Selbstverständlich ist eine subtile Rekonstruktion auch nach Tumorresektion bei wenig günstiger Prognose durch den verständlichen Wunsch des Patienten nach Verbesserung der Lebensqualität gerechtfertigt und sollte vom Operateur respektiert werden. Unabhängig, ob resektionsbedingt oder traumatisch verursacht, resultiert ein Passagedefekt, welcher eine Rekonstruktion erforderlich macht. Anforderungen an die Rekonstruktion von Defekten im Mund-, Pharynxund Hypopharynxbereich (Tabelle 15.1) sind
15.1.5.3 Neck dissection Art und Umfang der erforderlichen Neck dissection sind abhängig von Anzahl, Größe und Lokalisation der LK-Metastasen sowie der Lage des Primärtumors. Ist durch klinische Untersuchungen keine LK-Metastasierung nachweisbar, so kann trotzdem eine elektive Neck dissection erforderlich sein. Ist aufgrund des Primärtumors eine adjuvante Radiotherapie erforderlich, so kann auf die Entfernung unverdächtiger Lymphknoten verzichtet werden, wenn postoperativ eine Bestrahlung des Lymphabflussgebietes des Tumors erfolgt. Ob eine Neck dissection uni- oder bilateral durchgeführt wird, muss von der Tumorlokalisation bzw. von dem aufgrund der Histologie bekannten Risiko der kontralateralen Metastasierung abhängig gemacht werden (s. auch Kap. 13).
! Die bilaterale Neck dissection führt zu ausgeprägten
Schwellungszuständen im Gesicht/Halsbereich und zu einer deutlichen Steigerung der Inzidenz an Wundheilungsstörungen.
∑ ∑ ∑ ∑
Wundschluss, Widerstandsfähigkeit gegen Bestrahlung, mechanische Stabilität und Funktionalität (Atmung, Schlucken, Sprache).
Die Wahl der Operationsmethode sollte sich in diesen Fällen an einer möglichst kurzen Hospitalisierung orientieren, d. h. es ist ein Verfahren zu wählen, dass bei möglichst guter, funktioneller Wiederherstellung des Schluckakts die Zeitdauer des Krankenhausaufenthaltes minimiert. Rob u. Bateman beschrieben 1949 Rekonstruktionsverfahren mittels über Stent angelegter Spalthaut- und Vollhauttransplantate. Bei Patienten mit „ersatzstarkem“ Lager kann zwar oft ein Wundschluss erreicht werden, eine erfolgreiche Defektdeckung ist aber nicht möglich. Es sind multiple Operationen notwendig und es besteht eine hohe Komplikationsrate (Fisteln, Stenosen, Gewebezusammenbrüche usw.). Patienten mit „ersatzunfähigem“ und „ersatzschwachem“ Lager können nicht therapiert werden. Mit der Entwicklung von gestielten fasziokutanen (Deltopektorallappen) sowie myokutanen Lappenplastiken (Pectoralis-major-Lappen, lateraler Trapeziuslappen, Sternocleidomastoideuslappen sowie Latissimus-dorsi-Lappen) können auch Patienten mit „ersatzschwachem“ bzw. „ersatzunfähigem“ Lager behandelt werden, da die gestielten Lappenplastiken ihre eigene Durchblutung mit in den Defekt bringen. Neben dem einfachen Wundschluss besteht auch eine mechanische Stabilität und Resistenz gegen Bestrahlung. Der Nachteil dieser Methoden liegt in einer oft langen Hospitalisierung aufgrund hoher Komplikationsraten sowie der fehlenden Peristaltik des rekonstruierten Passageweges. Es kommt zu Fistelbildungen, Stenosierungen, Transplantatverlusten als Folge häufiger Bougierungsmanöver, Komplikationsraten von weit über 50 % werden beschrieben.Eine funktionelle Rekonstruktion,mit der die aktive Schluckfunktion wieder hergestellt wird, ist durch gestielte fasziokutane oder myokutane Lappen nicht suffizient möglich. Als weitere Nachteile werden angeführt eine eingeschränkte Formbarkeit vor allem bei zirkulärem Ersatz (eine dreidimensionale Rekon-
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Pharynxdefekte
KAPITEL 15
Tabelle 15.1. Anforderungen an die Rekonstruktion im Pharynxbereich und therapeutische Möglichkeiten Wundschluss
Mechanische Stabilität
Resistenz Atmung gegen postoperative Bestrahlung
Schlucken
Sprechen
Spalthaut/Vollhaut
+
–
–
+
–
–
Gestielte fasziokutane oder myokutane Lappenplastiken
+
+
+
+
–
–
Freie fasziokutane oder myokutane mikrovaskuläre Lappenplastiken
+
+
+
+
–
–
Gefäßgestielter Kolonhochzug
+
+
+
+
+
–
Freier mikrovaskulärer Jejunumtransfer
+
+
+
+
+
+
struktion ist oft aus Gründen der Rigidität der Lappen nicht möglich), die Austrocknungstendenz, die störende Behaarung und die infektverursachende Hautdesquamation. Gestielte Lappenplastiken sind oft in der Größe limitiert. Oftmals ist gerade der peripherste und damit am schlechtesten durchblutete Lappenanteil das Areal, welches zur Defektdeckung benötigt wurde. Außerdem ist nach vorausgegangener Radiatio die Nekrosegefahr der gestielten Lappenplastiken deutlich erhöht. Ein weiterer Nachteil ist oftmals die Notwendigkeit der Rekonstruktion in mehreren Sitzungen. Gestielte Lappenplastiken sind heute indiziert in Situationen, in denen keine Möglichkeit für einen gesicherten, mikrovaskulären Gefäßanschluss vorliegt. Mit der Entwicklung der mikrochirurgischen Operationstechniken können freie mikrovaskuläre Lappenplastiken wie z. B. der A.-radialis-Lappen, der laterale Oberarmlappen, der Paraskapula- und Skapulalappen und der freie mikrovaskuläre Latissimus-dorsi-Lappen eingesetzt werden. Durch den mikrochirurgischen Anschluss kann die Anzahl der notwendigen Operationen deutlich verringert werden. Darüber hinaus ist es möglich, den optimal vaskularisierten Lappenanteil in den Defekt einzubringen. Aufgrund der fehlenden Peristaltik und der höheren Komplikationsrate (Fisteln, Stenosen) sollten die gestielten bzw. freien mikrovaskulären, fasziokutanen oder myokutanen Lappenplastiken nicht als Therapie der 1. Wahl für die Pharynxrekonstruktion eingesetzt werden. Sie haben jedoch einen unverzichtbaren Platz in der Deckung begleitender Weichteildefekte, z. B. als Folge der Radiatio. Unter dem Aspekt der Verbesserung der Lebensqualität nach kurativer, aber auch nach palliativer Pharyngektomie, können die an den Pharynxdefektersatz ge-
stellten, mechanischen und funktionellen Anforderungen nur durch Transplantate mit muköser Oberfläche aus dem Darmbereich suffizient erreicht werden. Für die Rekonstruktion ausgedehnter Defekte des oberen Aerodigestivtraktes stehen heute im Wesentlichen drei Verfahren zur Auswahl: ∑ der transmediastinale Magenhochzug, ∑ die gefäßgestielte Koloninterposition und ∑ der freie mikrovaskuläre Jejunumtransfer.
Der Nachteil der beiden erstgenannten Verfahren liegt in einem längenmäßig begrenzten Gefäßstiel und somit einer begrenzten Transplantatlänge. Des Weiteren ist ein relativ großer abdomineller Eingriff erforderlich. Der transmediastinale Magenhochzug findet seine Indikation hauptsächlich bei der Rekonstruktion des thorakalen Ösophagus und soll hier nicht weiter abgehandelt werden. Mit dem freien Jejunumtransfer können neben der Möglichkeit der Wiederherstellung der Schluckfunktion auch große Defekte als Patch oder als zirkulärer Ersatz physiologisch ersetzt werden. Der transferierte Dünndarm bedarf keiner Anpassung an das neue Empfängergebiet. Ausgestattet mit muköser Innenauskleidung ermöglicht die Schleimproduktion einen ungehinderten Transport der Speise in der rekonstruierten Nahrungspassage. Durch die Geschmeidigkeit der Wandstrukturen können nicht nur flächenförmig geartete, sondern auch dreidimensional ausgerichtete Defekte problemlos rekonstruiert werden. Voraussetzung für den Erfolg eines freien Dünndarmtransfers sind neben dem Bestreben nach Radikalität eine sorgfältige präoperative Diagnostik durch Computertomographie, Magnetresonanztomographie und Endoskopie sowie eine detaillier-
KAPITEL 15
te Planung des operativen Ablaufs mit interdisziplinärer Beteiligung sowie eine zügige mikrochirurgische Anastomosierung mit einer Minimierung der Ischämiezeit. Ständiges postoperatives Monitoring, bei dem durch Dopplersonographie einerseits die Durchgängigkeit der arteriellen und venösen Mikrogefäßanastomose, durch Endoskopie andererseits die Durchblutung der Mukosa geprüft werden können, geben verlässliche Auskunft über die Vitalität des Jejunumtransplantats. Die schrittweise funktionelle Belastung der neu geschaffenen Nahrungspassage ist gleichrangig der Beachtung der Behandlungskriterien der Dünndarmanastomose im Spendergebiet. Durch die Möglichkeit eines einzeitigen Rekonstruktionsverfahrens, durch die geringe Komplikationsrate sowie durch die kurze Hospitalisierung empfiehlt sich der freie Dünndarmtransfer als Methode der Wahl, die alle Kriterien für eine Verbesserung oder Wiederherstellung der Lebensqualität nach partieller oder totaler Pharyngektomie erfüllt.
Mögliche Komplikationen nach Pharynxrekonstruktion ∑ Nachblutung ∑ Stenosierungen der Anastomose ∑ Insuffizienz der zervikalen Anastomose ∑ Fistelbildung (heilt meist spontan ab) ∑ Verlust des Transplantats durch arterielle oder venöse Thrombose ∑ Mediastinitis
! Im Falle einer Transplantatnekrose ist eine sofortige
operative Revision mit Entfernung des Interponats und erneuter Interposition oder Bildung eines Ösophago- und Laryngostomas mit anschließender mehrzeitiger Rekonstruktion erforderlich.
15.1.5.5 Adjuvante Therapie Die Notwendigkeit der postoperativen Radiatio ist abhängig vom histologischen Befund des Tumors, dem TNM-Stadium sowie der erfolgten Metastasierung und ist in jedem Einzelfall im Rahmen der onkologischen Konferenz festzulegen. Gleiches gilt für eine evtl. adjuvante chemotherapeutische Nachbehandlung. Die eventuelle postoperative Strahlentherapie erfolgt ab dem 2. oder 3. Monat postoperativ.
Pharynxdefekte
15.1.5.6 Nachsorge Postoperative Kontrolle Postoperativ ist die klinische und/oder apparative Kontrolle der Lappenperfusion von größter Bedeutung. Stündliche dopplersonographische Durchblutungskontrollen der Gefäßanastomosen des Interponates geben verlässliche Auskunft über die Vitalität des transponierten Dünndarms. Im Falle einer arteriellen oder venösen Durchblutungsstörung ist eine sofortige Revision der Gefäßanastomosen erforderlich. Nur durch Letztere gelingt es, im Falle einer Durchblutungsminderung das Interponat zu retten. Lässt man einen kleinen Teil des Transplantats als „Monitor-Insel“ durch die Haut hervorragen, kann eine direkte Sichtkontrolle der Durchblutung erfolgen. Eine solche Monitor-Insel kann auch im Falle einer auftretenden Anastomosenfistel in Form eine Patches zum Fistelverschluss Verwendung finden. Weitere Möglichkeiten des Monitorings sind wiederholte endoskopische Kontrollen.
! Essentiell ist die Beachtung der postoperativen Lage-
rung, um ein Abknicken der Mikroanastomose und damit eine arterielle oder venöse Perfusionsminderung des Interponats zu verhindern.
Durch eine über 5 Tage dauernde Infusionstherapie mittels niedermolekularer Dextrane erfolgt eine rheologische Verbesserung der Durchblutung. Danach sollte eine Low-dose-Heparinisierung nach den allgemeinen Richtlinien der Antithrombosetherapie erfolgen. Es erfolgt über 4 Tage eine parenterale Ernährung, dann enterale Ernährung über Ernährungssonde. Am 10. postoperativen Tag wird die Dichtigkeit der Anastomosen durch radiologische Kontrolle in zwei Ebenen mit Kontrastmittel überprüft und nach Bestätigung der Dichtigkeit erfolgt der Kostaufbau, beginnend mit flüssiger Kost.
Stimmrehabilitation Zur Stimmrehabilitation nach Laryngektomie stehen sowohl operative als auch nichtoperative Verfahren zur Verfügung, wobei eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Chirurgen, HNO-Ärzten sowie Logopäden und Phoniatern erforderlich ist.
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Pharynxdefekte
15.2 Spezielle Techniken
KAPITEL 15
kann bei notwendiger Wiederherstellung im Zungenbereich durch diesen eher dicken Lappen auch eine Rekonstruktion von größeren Defekten der Zunge erfolgen.
15.2.1 Gestielte fasziokutane oder myokutane Lappenplastiken 15.2.3 Lappenplastiken aus dem Darmbereich 15.2.1.1 Deltopektorallappen Vgl. dazu Kap. 14: Halsdefekte.
15.2.1.2 Pectoralis-major-Lappen
Im Falle einer Rekonstruktion mittels Kolon sollte eine präoperative Darmreinigung erfolgen, im Falle der Rekonstruktion mittels Dünndarminterponat empfiehlt sich am Vortage der Operation flüssige Kost mit Nulldiät ab dem Vorabend der Operation.
Vgl. dazu Kap. 13: Unterkiefer und Mundbodendefekte.
15.2.3.1 Gestielte Koloninterpositionsplastik 15.2.1.3 Latissimus-dorsi-Lappen
Anatomie
Der Latissimus-dorsi-Lappen kann sowohl gestielt als auch frei zur Rekonstruktion des Pharynx und oberen Ösophagusanteils verwendet werden, besonders wenn eine Darmtransplantation aufgrund vorangegangener Bauchoperationen nicht möglich ist oder zusätzlich Hautdefekte im Halsbereich bestehen. Diese Hautdefekte können durch Strahlungsfolgen oder Tumorfolgen bedingt sein. Der Nachteil dieser Technik ist, dass die Innenauskleidung aus Oberflächenepithel besteht und daher sehr vulnerabel ist. Zusätzlich bildet sich dadurch ein relativ starres Rohr ohne Peristaltik. Die Anastomosen zwischen Ösophagus und Hautmuskellappen neigen zu Fistelbildung und Stenosierung. Bei der Operation ist es oft notwendig, den Patienten umzulagern, um nach Präparation des Latissimus-dorsi-Lappen diesen in den Gesichts- und Halsbereich zu bringen. Bei schlanken Patienten kann die Seitenlage hilfreich sein.
Die Gefäßversorgung des Kolons gestattet immer die Gewinnung eines ausreichend langen und gut vaskularisierten Kolonanteils. Am besten eignet sich das Colon transversum einschließlich der linken Flexur, gestielt am aufsteigenden Ast der A. colica sinistra (Abb. 15.2).
15.2.2 Freie mikrovaskuläre Lappenplastiken 15.2.2.1 A.-radialis-Lappen Vgl. dazu Kap. 13: Unterkiefer- und Mundbodendefekte.
15.2.2.2 Paraskapula- und Skapula-Lappen Auch diese beiden Lappen sind, wie der Latissimus-dorsi-Lappen,in sehr schweren Fällen bei kombinierten Defekten im Hals- und oberen Ösophagusbereich mögliche Techniken zur Rekonstruktion. Die Vor- und Nachteile sind in Abschn. 15.2.1.3 aufgezählt. Wenn keine bessere Technik zur Verfügung steht, dann können diese Lappen auch lebensrettend sein, zumindest für eine begrenzte Zeit. Wenn eine kombinierte Rekonstruktion mit einem osteokutanen Lappen zum Aufbau des Unterkiefers notwendig ist, ist dieser Lappen zu empfehlen. Es
Indikation Die Wiederherstellung der intestinalen Passage nach Resektion des Ösophagus kann durch Magenhochzug oder Koloninterposition erfolgen. Die Mageninterposition stellt hierbei die Methode der Wahl dar. Diese Operationsmethode soll hier nicht dargestellt werden, es sei auf die entsprechende chirurgische Literatur verwiesen. Die Koloninterposition durch Colon transversum bzw. linkes Hemikolon, gestielt an der A. colica sinistra (isoperistaltische Interposition) ist die Methode der Wahl, wenn aufgrund von Voroperationen der Magen nicht zum Hochzug geeignet ist oder wenn der Ösophagus bei gutartiger Grundkrankheit zu ersetzen ist und der Magen nicht funktionell beeinträchtigt werden soll. Verfahren der zweiten Wahl ist die Interposition des Colon transversum inklusive der rechten Flexur, gestielt an
Abb. 15.2 a–d. Ösophagusersatz durch Kolonhochzug. a Anatomie des Spendergebiets, 1 A. mesenterica superior, 2 A. ileocolica, 3 A. colica media, 4 A. mesenterica inferior, 5 Ramus ascendens A. colica sinistra, 6 Ramus descendens A. colica sinistra, 7 Aa. sigmoideae, 8 V. mesenterica inferior b Präparation des Querkolons für den Hochzug, c schematische Darstellung des Kolonhochzugs zum Ersatz des proximalen Ösophagus. Das retrogastral an der A. colica sinistra gestielte Kolonsegment ist isoperistaltisch interponiert. Einreihige allschichtige Kologastrostomie und Ösophagogastrostomie, d Schluckaktkontrolle nach 3 Monaten Abb. 15.2 c ,d. Seite 430
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R. ascendens a. colica sin.
A. colica media
V. mesenterica inf. A. mesenterica sup.
R. desscendens a. colica sin.
A. ileocolica
A. mesenterica inf.
Aa. sigmoideae
a
A. colica sin. R. ascendens
b
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Magen
A. colica sin. R. ascendens
c
d Abb. 15.2 c ,d
der A. colica media. Die Interposition erfolgt dann anisoperistaltisch. Das Rekonstruktionsverfahren der dritten Wahl ist die Interposition des an der A. colica media gestielten Colon ascendens unter Einschluss der Ileozäkalklappe.
Hebetechnik Die Präparation umfasst die folgenden Schritte: ∑ Mediane Laparatomie. ∑ Ablösung des Omentum majus vom Colon transversum. ∑ Mobilisierung sowohl der linken als auch der rechten Kolonflexur sowie des Colon ascendens und descendens, um eine spannungsfreie Anastomose nach Resektion des Interponats zu ermöglichen. ∑ Diaphanoskopie des Mesokolons zur Identifizierung der Gefäßversorgung. ∑ Identifizierung der A. colica media (aus der A. mesenterica superior) sowie der A. colica sinistra (aus der A. mesenterica inferior). ∑ Ausklemmen des Colon transversum etwa 4–5 cm aboral der linken Flexur mit weicher Darmklemme.
KAPITEL 15
∑ Unter Erhaltung der A. colica sinistra wird das Colon transversum bis zur A. colica media ursprungsnah skelettiert. Vor Durchtrennung der A. colica media empfiehlt es sich, diese temporär abzuklemmen und die ausreichende Durchblutung zu überprüfen. Je nach Durchblutungssituation ist es auch möglich, die A. colica media zu erhalten. ∑ Wiederherstellung der Kolonpassage durch End-zuEnd-Anastomose.
Um das Koloninterponat nach zervikal zu verlagern, stehen 3 verschiedene Wege zur Verfügung: ∑ Intrathorakal im Bett des resezierten Ösophagus. Die Verlagerung im Bett des resezierten Ösophagus stellt den risikoreichsten Weg dar. ∑ Retrosternal (Methode der Wahl). Zu beachten ist hier im Falle der Transplantatnekrose die Gefahr der lebensbedrohlichen Mediastinitis. ∑ Subkutan antesternal. Dies ist der längste und sicherste Weg, der jedoch aufgrund der erheblichen kosmetischen Beeinträchtigung von den Patienten am wenigsten toleriert wird und nur sehr alten bzw. Risikopatienten vorbehalten sein sollte.
Insertion des Lappens ∑ Retrogastrisches Durchziehen des an der A. colica sinistra gestielten Colon transversum ∑ Isoperistaltische Interposition des Kolonanteils mit End-zu-End-Ösophagokolostomie und Anastomose zwischen Interponat und Magenvorderwand.
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15.2.3.2 Freie mikrovaskuläre Jejunumtransplantation Die Erfolgsrate des freien Jejunumtransfers wird in der Literatur mit etwa 90 % angegeben, die Rate des primären Transplantatverlusts mit 6–13,5 %. Fistelbildungen an den zervikalen Anastomosen werden mit 3–30 % angegeben, wobei diese meist spontan ausheilen (Abb. 15.3).
Anatomie Am besten geeignet für den freien Dünndarmtransfer ist die zweite Jejunalschlinge, es kann aber auch die dritte und vierte Schlinge ausgewählt werden. Die erste Jejunalschlinge ist nicht geeignet, da der Gefäßstiel und auch das resultierende Transplantat hier wesentlich kürzer sind als im Bereich der zweiten Schlinge, des Weiteren hat das versorgende Gefäß der ersten Arkade häufig einen gemeinsamen Stamm mit der A. pancreaticoduodenalis inferior. Die Äste der A. mesenterica superior bilden im Mesenterium des Dünndarms mehrere Arkaden, von denen parallele, den Darm versorgende Gefäßäste abgehen. Die Länge des Gefäßstiels bei Auswahl der zweiten Jejunalschlinge kann bis zu 36 cm betragen, die Länge des versorgten resektablen Transplantats bis zu 53 cm. Die versorgende Arterie weist einen durchschnittlichen Durchmesser von etwa 3,8 mm, die Vene von 5,6 mm auf.
Indikation ! Die ösophagoenterale Anastomose sollte wegen des Das Interponat wird durch eine Magensonde geschient, die Anlage eines Jejunalkatheters zur postoperativen Ernährung ist empfehlenswert.
Die Rekonstruktion mittels eines freien, mikrovaskulären Dünndarmtranfers findet ihre hauptsächliche Indikation in der Defektdeckung nach ausgiebiger Resektion im Bereich des Mundbodens, Pharynx und Hypopharynx sowie des zervikalen Ösophagus.
Hebedefektmorbidität
Hebetechnik
Bei sorgfältiger operativer Technik ist die Hebedefektmorbidität als gering anzusehen. Funktionelle Ausfälle nach Resektion eines entsprechenden Kolonanteils sind nicht zu erwarten. Zu beachten sind die üblichen Komplikationen wie Nachblutung, postoperative intraabdominelle Verwachsungen, Anastomoseninsuffizienzen mit ggf. Peritonitis, Anastomosenstenosen sowie Narbenhernien.
Der technische Ablauf der Operation soll im Folgenden dargestellt werden:
geringeren Risikos zervikal erfolgen.
∑ Eröffnung des Abdomens durch eine mediane Oberbauchlaparatomie, ∑ Revision des Abdomens und Exposition des Dünndarms, Darstellung der Flexura duodenojejunalis, ∑ sorgfältige Darstellung der Dünndarmschlingen, des Mesenteriums und mittels Diaphanoskopie, Darstellung der mesenterialen Blutversorgung, ∑ Darstellung der zweiten Jejunalschlinge sowie der korrespondierenden Gefäße,
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KAPITEL 15
Aorta Magen
Duodenum A. mesenterica sup.
Äste der A. mesenterica sup. Colon
arterielle Gefäßarkade
Dünndarm
a
2. Jejunalschlinge
c
b
Flexura duodenojejunalis 3. Ast der A. mesenterica sup. 2. Ast der A. mesenterica sup. 1. Ast der A. mesenterica sup.
Abb. 15.3 a–k. Freier mikrovaskulärer Jejunumtransfer zur Pharynxrekonstruktion nach Tumorresektion. a Anatomie des Spendergebiets, b,c Entnahme der 2. Jejunumschlinge zur mikrochirurgischen Transplantation, c intraoperativer Situs, Präparation der Jejunumschlinge, d, e Entnahme der 2. Jejunumschlinge zur mikrochirurgischen Transplantation, d schematische Darstellung vor Durchtrennung der Spendergefäße, e intraoperativer Situs nach Abtragung der Jejunumschlinge und Eröffnung antimesenterial, f,g freier mikrochirurgischer Jejunumtransfer zur Pharynxrekonstruktion, f schematische Darstellung g Jejunumsegment an Gefäße angeschlossen,gut durchblutet, h–j freier mikrochirurgischer Jejunumtransfer mittels geteilten Interponats zur kombinierten Pharynx- und Hautweichteilrekonstruktion, h schematische Darstellung, i Jejunumsegment antimesenterial eröffnet vor der Implantation, j mikrochirurgisch erfolgte Gefäßanastomosen, k postoperative Schluckfunktion, Röntgen des Mund-Pharynx-Anteils nach Jejunuminterponat, Knochenrekonstruktion und Zahnrekonstruktion. 1 Jahr postoperativ. (PHW – Hannover) Abb. 15.3 h–k. Seite 434
KAPITEL 15
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e Gefäßversorgung der zweiten Jejunalschlinge Jejunum
g d
Gl. submandibularis
A. carotis V. jugularis Jejunuminterponat
M. sternocleidomastoideus
f
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KAPITEL 15
V. jugularis
A. carotis
Jejunuminterponat
antimesenteriell eröffneter Jejunumanteil
h
i
j Abb. 15.3 h–k
k
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∑ Festlegen der Resektionsgrenzen in Abhängigkeit von der benötigten Transplantatlänge sowie der entsprechenden Blutversorgung, ∑ Ausstreichen des Dünndarms und Setzen zweier weicher Darmklemmen im Bereich der proximalen und distalen Resektionsgrenzen, ∑ Ausklemmen des Transplantats ebenfalls mittels zweier in kurzem Abstand zu den vorherigen Klemmen gesetzten weichen Darmklemmen, ∑ Durchtrennen des Jejunums zwischen den Darmklemmen, scharfe Präparation des Mesenteriums von beiden Resektionslinien aus in Richtung der Mesenterialwurzel unter Einbeziehung und vorsichtiger Schonung der das Transplantat versorgenden Gefäßarkade. Sorgfältige Ligatur durchtrennter mesenterialer Gefäße, ∑ Präparation des Gefäßstiels bis zu seinem Ursprung aus der A. mesenterica superior, ∑ vor Absetzen des Gefäßstiels wird das Transplantat in feuchte Kochsalztücher gebettet und es erfolgt die End-zu-End-Anastomose des Jejunums. (Es ist auch möglich, zuerst den Gefäßstiel abzusetzen, dies würde jedoch die Ischämiezeit unnötig verlängern). Es empfiehlt sich, das proximale Ende des gewonnenen Transplantats mittels eines Fadens zu markieren, um sicher eine isoperistaltische Interposition zu gewährleisten, da es bei anisoperistaltischer Interposition zu intolerablen Refluxerscheinungen kommen würde. Durch Eröffnung des proximalen Transplantatanteils streng antimesenterial gelingt die Gewinnung eines großen „Einflusstrichters“, mit dessen Hilfe ein ausgedehnter Pharynxdefekt gedeckt werden kann, bzw. die intraorale Mukosa rekonstruiert werden kann. Des Weiteren gelingt hierdurch die Gewinnung eines großen Patches, wenn eine zirkuläre Rekonstruktion nicht erforderlich ist. ∑ Absetzen des Gefäßstiels,Verschluss des Mesenterialschlitzes,Verschluss des Abdomens. Die Drainage des Abdomens nach Dünndarmresektion ist fakultativ.
Insertion des Lappens Interposition des Transplantate, wobei zunächst die Anastomosen mit dem Darmlumen erfolgen, anschließend der mikrochirurgische Anschluss der arteriellen und venösen Versorgung. Die Einhaltung dieser Reihenfolge verhindert für die Gefäßanastomosen folgenschwere Zugbelastungen während der Manipulation im Bereich des Transplantats. Eine Zugbelastung der Mikroanastomosen ist unbedingt zu vermeiden. Gegebenenfalls kann das freie Jejunumtransplantat auch in mehrere, jeweils gestielte Interponate aufgeteilt werden, von denen eins zur Rekonstruktion eines zirkulären Defektes und ein weiteres nach antimesenterialer Eröffnung als Patch Verwendung finden kann.
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Ein antimesenterial eröffnetes Jejunumsegment kann ggf. nach Mukosektomie mit Spalthaut gedeckt werden und somit zur simultanen Deckung eines Defekts der Halsweichteile Verwendung finden, ohne dass eine weitere Mikroanastomose angelegt werden muss, so wie es im Falle der Weichteildeckung durch einen fasziokutanen bzw. myokutanen freien Lappen erforderlich wäre. Es kann damit einzeitig auch ein Hautweichteildefekt des zervikalen Bereichs ohne wesentliche Verlängerung der Operationszeit mit der Rekonstruktion des Orobzw. Hypopharynx erfolgen. Das entnommene Jejunumtransplantat wird in den Defekt inseriert. Dies geschieht bei einem Defekt, der alle Schichten umfasst, als zirkuläres Interponat. Sofern nur ein Teil der Pharynxwand zu ersetzen ist, wird das Jejunumtransplantat als Patch verwendet. In letzterem Fall erfolgt eine antimesenteriale Eröffnung des Jejunums. Unabhängig, ob als zirkuläres Interponat oder als Patch verwendet, erfolgt die jeweilige Insertion durch zweischichtige, spannungsfreie Naht.
Je nach Beschaffenheit der Spender- bzw. Empfängergefäße wird die arterielle oder venöse Anastomose als End-zu-End- oder als End-zu-Seit-Anastomose angelegt. Dabei dienen die bei der Präparation der Gefäße im Spenderbereich sowie die am Gefäßstiel des Jejunumtransplantats angebrachten Mikroklemmen als Markierungsorientierung, durch welche durchblutungsbeeinträchtigende Rotationsabweichungen des Gefäßverlaufs ausgeschlossen werden. Für die Einzelknopftechnik wird 10/0 nichtresorbierbares Nahtmaterial verwendet. Als Anschlussgefäße für den mikrochirurgischen Gewebetransfer eignen sich die Äste der A. carotis externa: ∑ A. thyroidea superior, ∑ A. lingualis, ∑ A. facialis, ∑ A. carotis externa (selten) und die ∑ A. mammaria interna, und für den venösen Anschluss die ∑ V. facialis, die ∑ V. jugularis interna und die ∑ V. jugularis externa. Zum Ausschluss einer Thrombosierung in der unmittelbaren Anfangsphase wird zuerst die venöse, sodann in unmittelbarer Folge die arterielle Anastomose freigegeben. Eindeutiger Indikator für die Durchblutung des transferierten Dünndarms ist die unmittelbar eintretende Peristaltik sowie die sofort einsetzende Schleimproduktion.
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Sollte sich nach erfolgter Inserierung des Jejunums eine spannungsfreie Anastomose bei zu kurzem Gefäßstiel nicht ermöglichen lassen, muss der Defekt durch Veneninterponate überbrückt werden. Dabei erfolgt zuerst die jeweilige Gefäßanastomose im Ausbreitungs- bzw. Einflussgebiet der A. carotis externa und der Jugularisvenen. Durch kurzes Eröffnen der Gefäßanastomosen kann sodann die notwendige Länge für die Gefäßanastomosen mit den Mesenterialgefäßen bestimmt werden. Letztere erfolgen durch End-zu-End-Anastomosen in Einzelknopftechnik. Die Veneninterponate werden bezogen auf die jeweilige arterielle oder venöse Strömungsrichtung orthograd eingebracht. Eine solide Weichteildeckung der Anastomosen ist wesentliche Voraussetzung für ständige Durchgängigkeit.Ist eine Weichteildeckung durch einen direkten Verschluss nicht möglich, erfolgt derselbe durch gestielte oder freie Lappenplastiken.
! Vor dem Hautverschluss ist auf völlige Bluttrockenheit
zu achten, da durch hämatombedingte Kompression die Durchgängigkeit der Gefäßanastomosen gefährdet wird. Notwendige Drainagen werden abseits der Anastomosenstellen positioniert, um beeinträchtigende Sogwirkungen auf die Gefäßanastomosen zu verhindern.
Nach durchgeführtem Hautverschluss werden die Anastomosenstellen an der Oberfläche der erfolgten Weichteildeckung farblich markiert, um in der postoperativen Phase eine möglichst anastomosennahe Kontrolle durch Dopplersonografie zu ermöglichen.
Hebedefektmorbidität Die Resektion der zweiten Jejunalschlinge führt zu keinerlei funktionellen Ausfällen, während bei Resektion des Ileums ein Malabsorptionssyndrom resultieren würde. Narbenhernien, Anastomoseninsuffizienz mit nachfolgender Peritonitis und postoperativer Adhäsionsileus sind mögliche Komplikationen im Spendergebiet.
KAPITEL 15
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437
III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 16
M. Frey
Inhalt 16.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . 16.1.1.1 Konzept der neuromuskulären Einheit . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.1.2 Anatomie des N. facialis . . . . . 16.1.1.3 Mimische Muskulatur. . . . . . . 16.1.1.4 Chirurgisch relevante Muskeln im Gesichts- und Halsbereich . . 16.1.2 Diagnostik und Dokumentation („Wiener Dokumentations-System“ nach Frey) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.3.1 Problemstellung und Indikation. 16.1.3.2 Entscheidungsparameter zur Operationsplanung. . . . . . 16.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . 16.2.1 Vorübergehende oder definitive chirurgische Schutzmaßnahmen im Augenbereich . . . . . . . . . . . . . . 16.2.2 Aktivitätsmindernde Eingriffe an der gesunden Gesichtshälfte zur Symmetrieverbesserung . . . . . . . . 16.2.3 Rekonstruktionen des geschädigten N. facialis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2.4 Reinnervation der gelähmten Gesichtsseite durch den N. facialis der gesunden Gesichtsseite (Cross-face-Nerventransplantation) . . . .
. 440 . 440 . 440 . 440 . 441 . 441
. 442 . 443 . 443 . 444 . 445
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. 451 . 451
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Fazialisparese
16.2.5 Muskeltransposition . . . . . . . . . . . . . 16.2.5.1 M. temporalis . . . . . . . . . . . . 16.2.5.2 M. masseter . . . . . . . . . . . . . 16.2.5.3 Venter anterior des M. digastricus . 16.2.6 Freie funktionelle (mikrochirurgische) Muskeltransplantation . . . . . . . . . . . . 16.2.6.1 Mehrzeitige freie funktionelle Transplantation des M. gracilis (Cross-face und FFMT) . . . . . . . 16.2.6.2 Einzeitig freie funktionelle Transplantation . . . . . . . . . . . 16.2.7 Fremdnervenpfropfung . . . . . . . . . . . 16.2.7.1 N. hypoglossus (N. XII) . . . . . . . 16.2.7.2 N. massetericus (N. V) . . . . . . . . 16.2.8 Statische, symmetrierende Korrekturen durch Hautexzisionen . . . . . . . . . . . . 16.2.8.1 Brauenanhebung . . . . . . . . . . 16.2.8.2 Rekonstruktion der Nasolabialfalte . . . . . . . . . . . 16.2.8.3 (Einseitige) Gesichtshautstraffung . . . . . . . . . . . . 16.2.8.4 Korrektur der paretischen Ober- und Unterlippe . . . . . . . 16.2.9 Suspension durch Faszienstreifen, Sehnen oder Kunstmaterialien. . . . . . . . 16.2.10 Postoperative Nachbehandlung . . . . . . . 16.2.11 Erzielbare Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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16.1 Allgemeines Wenn auch ein guter Teil der idiopathisch auftretenden Gesichtslähmungen ohne chirurgische Therapie rückläufig sein kann, so bleiben trotz aller konservativer Therapieversuche noch genügend Fälle, vor allem auch nach Tumorchirurgie, iatrogener, traumatischer oder Infektschädigung bzw. als Geburtsdefizit übrig, die den Patienten kosmetisch und funktionell schwer beeinträchtigen. Die Gesichtslähmungen werden eingeteilt in die totale und komplette Fazialislähmung, die partielle, d. h. regional beschränkte Lähmung und die inkomplette, d. h. graduell unvollständige Lähmung. Sinnvollerweise wird das Gesicht funktionell in drei Regionen untergliedert, die Stirn, die Augenregion und den Mund-Nasen-Komplex. Der Stirnbereich ist funktionell unbedeutend und auch kosmetisch ist das bei Lähmung auftretende Defizit gering. Beim jugendlichen Gesicht tritt es nur bei mimischer Aktivierung der Stirnmuskulatur zutage, während beim altersbedingten Elastizitätsverlust der Gesichtshaut die Asymmetrie mit tiefer stehender Braue bereits in Ruhe sichtbar ist. Die operative Korrektur dieses hauptsächlich statischen Problems ist entsprechend viel einfacher als Korrekturen in den beiden anderen, viel komplexeren Regionen. Wegen der wichtigen Schutzwirkung der vom N.facialis innervierten mimischen Muskulatur für das Auge müssen rekonstruktive Maßnahmen diesem funktionellen Anspruch gerecht werden, um Folgesymptomatik in Form von Lagophthalmus, Unterlidektropium, Augentränen, chronischer Konjunktivitis oder Keratitis möglichst weitgehend zu verhindern.
Obwohl die Entstellung durch den Ausfall der mimischen Muskulatur im Mund-Nasen-Bereich primär am eindrucksvollsten ist, so ist der gesichtsgelähmte Patient auch durch die funktionellen Defizite in diesem Bereich schwer behindert. Die orale Inkontinenz betrifft meistens Flüssigkeiten und veranlasst den Patienten gemeinsam mit der Tatsache, dass der Kauvorgang durch das Liegenbleiben der Speisebrocken in der schlaffen Wange empfindlich gestört ist, sich beim Essen gesellschaftlich zu isolieren. Die Nasenatmung kann behindert sein und die gestörte Lautbildung führt zur typischen, verwaschenen Sprache des Gesichtsgelähmten. Die mimische Muskulatur spielt eine zentrale Rolle in der nonverbalen Kommunikation. Die emotional gesteuerte Aktivierung wird vom gesichtsgelähmten Patienten gerne unterdrückt, um die grimassierende Entstellung des Gesichts besonders beim Lachen zu minimieren. Die Mimik kann dann kaum mehr repräsentativ für die Gemütsverfassung des Patienten sein. Verständlich ist es also, wenn von anspruchsvollen rekonstruktiven Methoden gefordert wird, der gelähmten Gesicht-
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hälfte wieder ein möglichst symmetrisches, synchrones und emotional gekoppeltes Lächeln zurückzugeben. Durch die Kombination der freien Muskeltransplantation mit der Cross-face-Nerventransplantation kann erstmals eine solche synchrone, emotional gekoppelte Bewegung in einer langfristig, irreversibel gelähmten Gesichthälfte rekonstruiert werden. Durch Einführung der Mikrogefäßchirurgie auch auf dem Gebiet der Muskeltransplantation und die Berücksichtigung der Ergebnisse von experimentellen Grundlagenuntersuchungen [4] konnten die funktionellen Erfolgsaussichten ganz wesentlich gesteigert werden.
16.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie 16.1.1.1 Konzept der neuromuskulären Einheit Der mimische Muskel und sein versorgender Gesichtsnerv bis hin zu den Nervenzellen des Nucleus nervi facialis ergeben die neuromuskuläre Einheit des mimischen Systems; die Funktion des Muskels steht in entsprechender Abhängigkeit vom Nerv. Ist der Gesichtsnerv nicht angelegt – wie etwa bei der angeborenen Gesichtslähmung – so kann sich auch die mimische Muskulatur nicht entwickeln. Fehlt dem Gesichtsmuskel das ständige Eintreffen nervaler Impulse, kommt es zur Atrophie des Muskels und ca. nach einem Jahr ohne diesen ständigen Einfluss des Nervs zum Verlust der Reinnervierbarkeit des gelähmten Muskels und damit zur irreversiblen Gesichtslähmung. Dann müssen Rekonstruktionskonzepte angewendet werden, die neben dem Ersatz der versorgenden Nervenquelle auf den Ersatz des Zielorgans Muskel abzielen. Diese Konzepte konnten sich erst in den letzten Jahren durchsetzen. Waren es früher fast ausschließlich Rekonstruktionsversuche, die auf die lädierte Nervenstrecke abzielten oder statische Maßnahmen, so kommen heute entweder primär oder sekundär nach erfolgloser nervaler Rekonstruktion Muskeltranspositionen oder Muskeltransplantationen zum Einsatz. Die Besonderheit der mimischen neuromuskulären Einheit ist die besonders starke Abhängigkeit von der Emotionalität, sodass ein sehr vordergründiges Ziel der Reanimation des gelähmten Gesichts die Wiederherstellung der emotionalen Steuerung sein muss.
16.1.1.2 Anatomie des N. facialis Die für den Plastischen Chirurgen wichtigen Abschnitte des N. facialis betreffen den Austrittsbereich des Fazialisstamms aus dem Foramen stylomastoideum, den Verlauf innerhalb der Glandula parotis geflechtartig als Plexus parotideus und den periphersten Verlauf vom Aus-
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tritt der einzelnen Fazialisäste am Vorderrand der Parotis bis zu den immer feiner verzweigten Ästen, die schließlich mehrheitlich von der Tiefe an die einzelnen Gesichtsmuskeln herantreten. Muss der Stamm des N. facialis aufgesucht werden, so empfiehlt sich die Präparation ventrokaudal, entlang dem knorpeligen, äußeren Gehörgang, bis die Leitstruktur des dreieckigen Knorpelfortsatzes in die Verlaufsrichtung des Nervenstamms knapp nach seinem Austritt aus dem Foramen und kurz vor seinem Eintritt in die Ohrspeicheldrüse weist. Wenn sich auch im Plexus parotideus nervi facialis die Äste für die verschiedenen Versorgungsregionen allmählich formieren, so finden sich in sehr variablem Ausmaß Verbindungen zwischen den Ästen, sodass man zwischen oberflächlicher und tiefer Portion der Ohrspeicheldrüse ein einfacheres oder komplexeres Nervengeflecht findet. Die Darstellung des Plexus parotideus erfolgt nach Anschlingung des Stamms und der peripheren Äste am Vorderrand der Parotis entweder von proximal oder von peripher. Die peripheren Äste des N. facialis sind am besten am Vorderrand der Ohrspeicheldrüse aufzusuchen: 3–4 Rami temporales ziehen nach ventrokranial. Diese Äste sind recht dünn und liegen oberflächlich. Es empfiehlt sich, die Hautsubkutisschicht dünn abzupräparieren, um die Äste dann im tieferen Fettgewebe über der Fascia temporalis zu identifizieren. Die Rami zygomatici lassen sich am leichtesten knapp kaudal des Ductus parotideus aufsuchen, ein kräftiger Ast tritt oft in enge Beziehung mit der A. transversa faciei. Nicht selten wird eine Geflechtbildung 1–2 cm über den Parotisrand hinaus beobachtet. Dementsprechend ist dann meist eine deutlichere Trennung der Funktionen für das Auge und für den Mund erst sehr weit peripher möglich.
! Dennoch ist eine Exposition auch des sehr peripheren
Nervenabschnittes über eine präaurikuläre Hautinzision mit Umschneidung des Ohrläppchens stets möglich und eine zusätzliche Hautinzision nasolabial zu verhindern.
16.1.1.3 Mimische Muskulatur Die dreidimensionale Anatomie der mimischen Muskulatur und ihre Beziehung zu den versorgenden Ästen des Gesichtsnerven wurde erstmals von Freilinger et al. 1987 [3] im Detail beschrieben. Bei allen zwanzig Muskeln einer Gesichtsseite handelt es sich um parallel gefaserte Muskeln, die in vier Schichten angeordnet sind. An die Muskeln der drei oberflächlichen Schichten tritt die Nervenversorgung von der Tiefe heran, bei der tiefsten, vierten Schicht von der Oberfläche. Die Nervenäste haben bis zum Muskeleintritt zumindest vier Stellen des Faseraustauschs. Die oberflächlichste Muskelschicht
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enthält den M. depressor anguli oris, den M. zygomaticus minor und den M. orbicularis oculi; die zweite Muskelschicht den M. depressor labii inferioris, den M. risorius, das Platysma, den M. zygomaticus major und den M. levator labii superioris alaeque nasi; die dritte Schicht den M. orbicularis oris und den M. levator labii superioris und schließlich die vierte und tiefste Schicht den M. mentalis, M. levator anguli oris, und den M. buccinator. Die bezüglich chirurgischer Reanimation des gelähmten Gesichts besonders wichtigen Muskel, wie der M. zygomaticus major hat Abmessungen von etwa 70 ¥ 8 mm, der M. levator anguli oris 38 ¥ 14 mm und der M. levator labii superioris 34 ¥ 25 mm. Diese Muskeln sind nur knapp 2 mm dick, das klinische Vorgehen der Muskeltransplantation bedeutet also eine Überdimensionierung um das Mehrfache mit dem Ziel, ein klinisch brauchbares, funktionelles Ergebnis zu erhalten. Diese Überdimensionierung betrifft nicht nur die Muskeldicke, sondern auch die Muskellänge, da neben einer ausreichenden Kraft auch eine ausreichende Bewegungsamplitude angestrebt werden muss. Von chirurgischer Bedeutung ist auch die Bewegungsrichtung der zu rekonstruierenden Muskeln, die interindividuell sehr schwanken kann. Die präoperative Bewegungsanalyse kann so z. B. einen flacheren oder steileren Vektor des Lächelns feststellen. So ist die funktionelle Anatomie für die funktionelle Rekonstruktion noch wichtiger als die topographische Anatomie der mimischen Muskulatur.
16.1.1.4 Chirurgisch relevante Muskeln im Gesichts- und Halsbereich Neben den mimischen Muskeln haben auch andere, nicht vom Gesichtsnerv innervierte Muskeln chirurgische Bedeutung, da sie im Rahmen funktioneller Ersatzoperationen herangezogen werden können. Da das Potential des Umlernens bei den meisten Patienten doch sehr begrenzt ist, sind die erzielbaren Ergebnisse durch die Tatsache der Fremdinnervation begrenzt und sind auch von der Emotionalität entkoppelt. Für manche speziellen Indikationen, wie z. B. für die Rekonstruktion des Lidschlusses oder auch für eine dynamische Suspension des gelähmten Mundwinkels beim Patienten mit limitierter Lebenserwartung sind solche Muskeltranspositionen sehr nützlich. Der Vorschlag Freilingers [2], Kaumuskulatur über Cross-face-Nerventransplantate zu reinnervieren und so eine emotional gesteuerte Bewegung zu rekonstruieren, hat sich aus operationstechnischen Gründen nicht durchgesetzt und wurde vor allem durch die Möglichkeit des freien funktionellen Muskeltransplantats mit mikroneurovaskulären Anastomosen verdrängt. So werden in den verschiedenen Modifikationen der Operationstechniken der M. temporalis für die Wieder-
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herstellung des Augenschlusses bzw. als Mundwinkelheber verwendet, der M. masseter als Mundwinkelheber, relativ selten der Venter anterior des M. digastricus zum Ersatz der Depressorfunktion an der Unterlippe. Weitere Muskeln, wie z. B. der M. sternocleidomastoideus haben praktisch nur mehr historische Bedeutung.
16.1.2 Diagnostik und Dokumentation („Wiener Dokumentations-System“ nach Frey) Nicht nur diese Schwierigkeit macht den Vergleich verschiedener Behandlungsmethoden fast unmöglich, sondern auch das ungelöste Problem, die wiedererlangten Gesichtsbewegungen hinsichtlich Quantität und Qualität zu erfassen und zu bewerten. Wir haben für diesen Zweck ein Messgerät für Gesichtsbewegungen entwickelt und detaillierte Datenerhebungsblätter entworfen [9]. Datenanalysen im Rahmen einer internationalen Datensammlung sollen durch Vergleiche innerhalb homogenerer Patientengruppen mehr Aufschluss über die Effizienz und Erfolgsrate der verschiedenen chirurgischen Maßnahmen geben [7]. Wesentlichen Stellen-
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Abb. 16.1. Anlage zur 3-D-Videoanalyse. Der Kopf des Patienten wird zwischen zwei Spiegel positioniert. Die Spiegel sind unter einem konstanten spitzen Winkel an einem Rahmen montiert. Am Beginn der Videoaufnahme wird ein Kalibrationskörper zwischen die Spiegel gezogen und so das System geeicht. Der digitale Videofilm wird auf die Festplatte des Computers transferiert. Mit einem komplexen Computerprogramm werden die Videosequenzen analysiert und anschließend visualisiert. Die definitiven Daten werden auf einer CD gespeichert
wert verdient dabei nicht nur die Quantität der Gesichtsbewegung, sondern vor allem auch die Qualität. Die gleichzeitige Beurteilung von Quantität und Qualität der emotionalen Gesichtsbewegungen ist schließlich erst durch Entwicklung eines 3-D-Videoanalyse-Systems in befriedigender Weise möglich geworden. Durch Anwendung eines Spiegelsystems, zwischen welches der Kopf des Patienten positioniert wird, werden jeweils drei Ansichten der standardisierten Gesichtsbewegungen von der digitalen Videokamera aufgenommen. Ein komplexes Bildanalyseprogramm ermöglicht alle standardisiert im Gesicht markierten
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Punkte über den zeitlichen Verlauf der Bewegung im dreidimensionalen Raum absolut zu berechnen. Alle so verfolgten Punkte können in Beziehung gesetzt werden und so z. B. die Distanz Traguspunkt zu Mundwinkelpunkt während des Lächelns verfolgt werden. Neben der Bewegungsamplitude an der gesunden und an der gelähmten bzw. rekonstruierten Gesichtsseite kann auch jede Änderung des Bewegungsvektors dargestellt werden. Zwei- und dreidimensionale Darstellungsformen der einzelnen Bewegungen ergeben eine exzellente Dokumentation der Lähmung selbst, aber auch des durch operative Maßnahmen erzielten, funktionellen Ergebnisses. Zu jeder Bewegungskurve kann sofort immer auch der Vergleich zum Originalfilm der Bewegung und somit zur subjektiv empfundenen Bewegungsqualität hergestellt werden. Dieses von uns entwickelte Dokumentationssystem wird nun regelmäßig als Planungsinstrument für den individuellen Patienten, zur Dokumentation der an unserer Abteilung erzielten Ergebnisse, für Vergleichsstudien verschiedener operativer Techniken bei gleicher Indikation und schließlich im Rahmen von Multicenter-Studien eingesetzt [10] (Abb. 16.1).
16.1.3 Therapie 16.1.3.1 Problemstellung und Indikation Der N. facialis verläuft topographisch-anatomisch sehr kompliziert: Nach seinem Austritt aus dem Hirnstamm am Kleinhirnbrückenwinkel zunächst intrakraniell, dann im knöchernen Kanal des Schläfenbeins mit seiner engen Beziehung zum Mittelohr und schließlich extrakraniell als Stammnerv aus dem Foramen stylomastoideum tretend, geflechtartig durch die Ohrspeicheldrüse und zum Schluss – mit zahlreichen peripheren Ästchen – zu den 24 mimischen Muskeln einer Gesichtshälfte. Diese Komplexität ist die Ursache dafür, dass Schädigungen des Nervs – seien sie angeboren, traumatisch, durch Infekt oder Tumor oder auch als Nebeneffekt einer anderen chirurgischen Intervention bedingt – auf unterschiedlichster Höhe lokalisiert sind und deren Rekonstruktion in verschiedenste Fachbereiche, wie Neurochirurgie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Plastische Chirurgie fallen. Bei lokalisierbarer Läsion am N.facialis ist primär die Rekonstruktion des Nervs selbst anzustreben. Diese Operation kann in einer Dekompression des Nervs, in einer direkten mikrochirurgischen Nervennaht oder in einer Defektüberbrückung mit Nerventransplantaten bestehen. Ist der proximale Abschnitt des N. facialis für eine Rekonstruktion nicht verfügbar, kann evtl. der Nerv der gesunden Gesichtshälfte über ein Cross-face-Nerventransplantat zur Reinnervation der gelähmten Gesichtsmuskulatur herangezogen werden. Die Verwen-
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dung von Fremdnerven, wie beispielsweise des die Zungenmuskulatur versorgenden N. hypoglossus, ist wegen der Kopplung zweier unterschiedlicher motorischer Systeme problematisch. Diese Methode hat aber dennoch in neuere rekonstruktive Konzepte zur Atrophieprophylaxe der betroffenen Muskulatur und Verstärkung des Effektes gefunden, sozusagen eine „Babysitter-Funktion“ [26]. Die Steuerung der reinnervierten Gesichtsmuskulatur wird schließlich dabei durch den kontralateralen, gesunden N. facialis überlagert. Allen diesen Eingriffen am Nerven haften zudem zwei prinzipielle Probleme an: Erstens sind die für die motorische Versorgung der verschiedenen Regionen des Gesichts zuständigen Fasern im Verlauf des Nervs am Querschnitt topographisch äußerst variabel repräsentiert. So ist die Vereinigung von einander exakt entsprechenden Querschnittsanteilen an einer Durchtrennungsstelle des Nervs – besonders bei der Notwendigkeit von Nerventransplantaten zur Überbrückung eines entstandenen Defekts – sehr kompliziert, und Fehlleitungen von regenerierenden Axonen sind nicht selten zu beobachten. Folge dieser falschen Bahnung der Reinnervation sind Massenbewegungen und Synkinesien, d. h. die ungewollte Mitbewegung anderer Gesichtsregionen. Dieses Problem nimmt im Verlauf des N. facialis von distal nach proximal zu, da Nervenrekonstruktionen im Stammbereich nur viel weniger selektiv sein können als im peripheren Verzweigungsbereich. Zweitens ist oft die bis zur Reinnervation der gelähmten Gesichtsmuskulatur verstreichende Zeit zu lang, und die zwischenzeitlich atrophierten Muskeln können keine oder nur noch eine insuffiziente Funktion aufnehmen. Bis heute konnte dieser Zeitraum, in dem eine Reaktivierung gelähmter Gesichtmuskeln durch rekonstruktive Eingriffe am Nerven möglich ist, nicht exakt eingegrenzt werden. Mehrheitlich sprechen jedoch klinische Beobachtungen dafür, dass gelähmte Muskeln der Gesichtsregion nach Ablauf von eineinhalb Jahren kaum mehr mit brauchbarem Ergebnis von regenerierenden Nervenfasern innerviert werden können. Bei der Indikationsstellung muss also zur Zeit seit dem Auftreten der Lähmung jene für die Nervenregeneration bis zur Muskelreinnervation benötigte dazugezählt werden. Ist eine solche langfristige Gesichtslähmung als irreversibel zu bezeichnen, müssen Ersatzoperationen erwogen werden, die dann eine eher statische oder mehr dynamische Komponente aufweisen. Viele solcher Eingriffe wurden bereits um die Jahrhundertwende entwickelt und bilden noch heute einen ergänzenden Teil des chirurgischen Konzeptes zur Rekonstruktion einer differenzierten, emotional gekoppelten, dynamischen Funktion. Letzteres – ein extrem schwieriges Ziel – wurde allerdings erst in den zurückliegenden zwanzig Jahren durch die Kombination der Muskeltransposition oder freien Muskeltransplantation als Ersatz der verlo-
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rengegangenen Gesichtsmuskeln mit der Reinnervation des neuen Zielorgans durch Äste des N. facialis der gesunden Seite über Nerventransplantate zur gelähmten Gesichtsseite möglich [2, 13]. In den frühen 70er-Jahren dieses Jahrhunderts lieferte Thompson [27] den experimentellen und klinischen Beweis dafür, dass unter bestimmten Bedingungen Skelettmuskeln frei transplantiert werden können und in der Empfängerregion bis zu einem gewissen Grad ihre Funktion wieder aufnehmen. Die Erschließung der kleinsten peripheren Gefäße durch Fortschritte in der Mikrochirurgie ermöglichte es, die freie Muskeltransplantation mit mikroneurovaskulären Anastomosen mit Erfolg durchzuführen (im Experiment erstmals durch Tamai et al. [25] und klinisch durch Harii et al. [13]).
16.1.3.2 Entscheidungsparameter zur Operationsplanung Bei Erstellung eines chirurgischen Behandlungskonzepts einer Gesichtslähmung kommt vier Überlegungen besondere Bedeutung zu. Ist die Lähmung irreversibel oder besteht die Chance einer Spontanheilung oder zumindest einer -besserung? Die Antwort ist klar, wenn eine vollständige Parese des Gesichts mit eindeutiger, irreversibler Kausalität vorliegt. Besonders schwierig ist die Beurteilung bei idiopathischen Formen, wo eine Remission in 60 % der Fälle zu erwarten ist und ein zu frühes chirurgisches Vorgehen nur Nachteile erbringen würde. Es ist also evident, dass am Anfang die diagnostische Abklärung der Kausalität und der Irreversibilität stehen muss. Diese Informationen kann die Anamnese liefern, wobei der Dauer des Bestehens der Lähmung und dem zeitlichen Auftreten von Besserungen zentrale Bedeutung zukommt. Auf der einen Seite gilt es, nicht zu früh zu operieren, um der Spontanbesserung eine Chance zu geben, falls sie überhaupt in Frage kommt. Auf der anderen Seite ist ein sinnloses Zuwarten insofern von Nachteil, als eine ganze Reihe von Rekonstruktionsverfahren ein umso besseres Ergebnis erwarten lassen, je früher rekonstruiert wird. Namentlich sind es jene Verfahren, die darauf ausgerichtet sind, die bodenständige Gesichtsmuskulatur zu reinnervieren. Das Verstreichen von ein bis zwei Jahren nach dem Auftreten der Fazialisläsion kann schließlich eine so weitgehende Atrophie der gelähmten Gesichtsmuskulatur verursacht haben, dass eine Reinnervation nicht mehr möglich oder nur mehr ein unbrauchbares klinisches, funktionelles Resultat erzielbar ist. Der exakte Zeitpunkt kann nicht generell festgesetzt werden, aber als Richtwert sollten 1,5 Jahre nach Lähmung gelten, die Regenerationszeiten müssen schließlich noch addiert werden. Soll zu einem späteren Zeitpunkt rekonstruiert werden, reicht wohl eine alleinige Nervenrekonstruktion
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nicht mehr aus und es muss der Ersatz des Erfolgsorgans, nämlich der Gesichtsmuskulatur selbst, in ein funktionelles, chirurgisches Konzept miteingeschlossen werden. Wichtige Informationen zur Ursache und zur Frage der Reversibilität können morphologische Abklärungen, z. B. mithilfe der Computertomographie, liefern. Gerade bei der kongenitalen Fazialisparese kann ein CT ein morphologisches Substrat für eine Irreversibilität nachweisen, denken wir z. B. an die Aplasie des Canalis nervi facialis. Die gezielte klinisch-neurologische Untersuchung ist vor chirurgischem Vorgehen genau so wichtig wie die elektroneuro- und myographische Abklärung. Letztere sind besonders gut geeignet, Teilläsionen oder Reinnervationsvorgänge nachzuweisen und durch Befundwiederholung auch prognostische Aussagen zum zeitlichen Verlauf zu machen. Betrifft die Lähmung das gesamte Gesicht – also totale Fazialisparese – oder nur Teile davon – also partielle Fazialisparese – und ist sie dann jeweils komplett oder inkomplett, d. h. als volle Lähmung oder als Schwäche ausgebildet? Eindeutig ist die Situation bei einer totalen, kompletten Gesichtslähmung, sie betrifft das gesamte Gesicht zu 100 %. Die Lähmung kann aber auch regional beschränkt, also partiell sein, oder sie ist nicht in voller Ausprägung festzustellen, sondern als Schwäche, also als inkomplette Gesichtslähmung. Klinisch hat sich die Unterscheidung von drei funktionellen Gesichtsregionen bewährt: die Stirnregion, der Augenbereich und der Mund-Nasen-Komplex. Über die rekonstruktiven Prioritäten der verschiedenen Gesichtsregionen wurde in der Einleitung dieses Kapitels bereits eingegangen. Für die Dokumentation inkompletter Läsionen bieten sich Prozentangaben im Vergleich zur Funktion der gesunden Seite an, als Abstufungen 25 %, 50 % und 75 %. Damit ist die Beschreibung recht subjektiv und grob, eine genauere Dokumentation erfordert exakte Vermessungen des Gesichts und Bewegungsanalysen, wie sie jüngst zur funktionellen Verlaufsdokumentation besonders im Vergleich prä- zu postoperativ vorgeschlagen wurden [9]. Inwiefern beeinflusst das Alter des Patienten die zu wählenden Operationsverfahren? Je jünger der irreversibel gesichtsgelähmte Patient ist, desto komplexer und zeitaufwändiger kann das gewählte Rekonstruktionskonzept sein. Wenn wir bedenken, dass eine emotional gekoppelte Rekonstruktion mit Nerven- und Muskeltransplantation bis zum Erreichen des funktionellen Endzustandes inklusive kleinerer Nachkorrekturen etwa drei Jahre benötigt, so wird ein solches Verfahren kaum für einen 70-jährigen Patienten mit einer durch Tumorresektion bedingten Fazialisparese in Frage kommen. Hier werden es eher rasch wirksame, vielleicht nur bedingt dynamisch, aber zumindest statisch wirksame
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Maßnahmen sein, die dem Patienten Linderung seines plötzlich aufgetretenen Problems bringen. Neben solchen Überlegungen spielen spezifische Unterschiede des alten und des jungen Gesichts eine Rolle, aber auch die seit dem Auftreten der Lähmung bis zur operativen Korrektur verstrichene Zeit. Der Elastizitätsverlust des alternden Gesichts verursacht bereits in Ruheposition durch das Absinken der Haut entsprechend der Schwerkraft an der gelähmten Seite eine viel stärkere Asymmetrie als beim jungen Gesicht,mit dem Alter an der gesunden Seite entstehende Falten, wie z. B. die Vertiefung der Nasolabialfalte müssen evtl. an der gelähmten Gesichtshälfte rekonstruiert werden. Kongenitale oder im Kleinkindalter erworbene Gesichtslähmungen zeigen oft als altersspezifisches Detail eine gute Kompensation der Augenproblematik, sodass sich in solchen Fällen die Rekonstruktion auf die Mund-Nasen-Wangen-Region beschränken kann. Selbstverständlich sind solche Faktoren jeweils individuell unter Einschluss aller anderen gerade relevanten Faktoren des Patienten zu werten. Welche individuellen Faktoren des Patienten, wie Beruf, soziale Umwelt, Kooperationsbereitschaft für aufwändige therapeutische Maßnahmen etc. müssen besonders berücksichtigt werden? Ein gutes, funktionell befriedigendes Ergebnis ist zumindest bei der irreversiblen, lang bestehenden Fazialisparese nur über einen chirurgisch, aber auch für den Patienten sehr aufwändigen Weg zu erzielen. Dieser Weg kann nur nach eingehender Abklärung der Bedürfnisse und der Kooperationsbereitschaft des Patienten eingeschlagen werden. Der Patient muss über den operativen Aufwand, die langen Regenerationszeiten, die postoperative Nachbehandlung, evtl. mit langfristiger Elektrostimulation, und die zeitraubenden Bewegungsübungen zum neuerlichen Erlernen des möglichst harmonischen Bewegungsablaufs im Gesicht eingehend informiert sein. Der Aufwand, den auch der Patient meist bereit ist auf sich zu nehmen, zeigt, um welch einschneidendes Problem und ersehntes Ziel es sich handelt. Zusammenfassend kann als Konsequenz aus diesen Überlegungen für die therapeutische Entscheidungsfindung empfohlen werden, den irreversibel gesichtsgelähmten Patienten möglichst früh an einem mit allen Verfahren der Fazialisrekonstruktion, d. h. inklusive der Mikrochirurgie, vertrauten Zentrum vorzustellen, um dort nach Analyse der individuellen Komplexität dem Patienten das optimale chirurgische Konzept zum optimalen Zeitpunkt anzubieten.
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16.2 Spezielle Techniken Die Operationsverfahren sollen hier nicht nach ihrer technischen Zusammengehörigkeit geordnet beschrieben werden, sondern nach den unterschiedlichen Indikationen, aus welchen sich komplexere chirurgische Konzepte ergeben, die sich oft auch aus einer ganzen Reihe von Operationen zusammensetzen. Damit ist es auch möglich, in der Darstellung Prioritäten bei jenen Verfahren hervorzuheben, die derzeit bei entsprechender Indikation als das Optimum der rekonstruktiven Versorgung angesehen werden müssen.
16.2.1 Vorübergehende oder definitive chirurgische Schutzmaßnahmen im Augenbereich Diese Eingriffe betreffen praktisch ausschließlich den Augenbereich und sind dann indiziert, wenn der konservative Schutz von Kornea und Konjunktiva durch konsequente Applikation von künstlicher Tränenflüssigkeit oder Salbe in der Phase zwischen Verlust des Lidschlusses durch die Fazialisparese und einer eventuellen Spontanbesserung oder auch dem Wirksamwerden einer funktionellen Rekonstruktion nicht ausreicht, oder auch der Patient die regelmäßige Anwendung der konservativen Methoden nicht realisieren kann oder dadurch zu sehr gestört ist. Diese Korrekturen an den Lidern können nach Funktionsrückkehr wieder aufgelöst werden oder als ergänzender Bestandteil letztlich belassen werden. Dieser letztere Aspekt sollte bei der Operation bedacht werden. Die laterale Tarsorrhaphie nach McLaughlin [20] heftet im lateralen Drittel Ober- und Unterlid zusammen, verschmälert den zu weiten Lidspalt und legt das evtl. vom Bulbus abgehobene Unterlid wieder an, wodurch einerseits die Austrocknung des Auges durch Verminderung der Exposition und durch Hebung der Effizienz der Tränenbenetzung verhindert wird,aber andererseits das Gesichtsfeld des betroffenen Auges nicht eingeschränkt wird. Dieser relativ kleine Eingriff in Lokalanästhesie kann oft eine wesentliche Erleichterung der Augenproblematik bringen, wenn auch selten eine volle Unabhängigkeit von Augentropfen und -salbe erreicht werden kann. Um ein ausreichendes Verwachsen von Ober- und Unterlid am lateralen Augenwinkel zu ermöglichen, ist es notwendig, ein entsprechendes Hautareal an der Außenseite der Unterlidkante inklusive der Unterlidwimpern in diesem Abschnitt und ein entsprechendes Konjunktivaareal an der Innenseite der lateralen Oberlidkante zu exzidieren (Abb.16.2).Die Ober- und Unterlid gegeneinander fixierenden U-Nähte aus 5/0 Nylon müssen mit Stücken eines dünnen Gummidrains abgestützt werden.
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c Abb. 16.2 a–c. Laterale Tarsorrhaphie nach McLaughlin. a Oberlid angeschlungen, Areal der Deepithelialisierung an der Oberlidinnenseite ohne Wimpern und an der Unterlidaußenseite mit Wimpern angezeichnet, b Tarsorrhaphie mit tragender U-Naht komplettiert,dünne Gummidrainstücke dienen als Widerlager, c Verlauf der U-Naht im Querschnitt der Tarsorrhaphie dargestellt. Der Kontakt der Wundflächen an Ober- und Unterlid muss flächenhaft sein
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䉳 Abb. 16.3 a–c. Unterlidraffung nach Kuhnt–Szymanovsky. a Versetzte,pentagonale Exzisionslinien an Außen- und Innenschicht des Unterlids, b Raffbewegung durch Annäherung von medialem und lateralem Unterlidabschnitt, c versetzter Wundverschluss zur Verhinderung einer durchgehenden, kontrakturgefährdeten Narbe. Die Kante des ursprünglich ektropischen Unterlids ist wieder an den Bulbus angelegt, die Lidspalte angleichend verschmälert
Abb. 16.4 a–d. Modifizierende Kombination von Tarsorrhaphie und Unterlidraffung. a Hautinzision, b Mobilisierung des lateralen Unterliddrittels. c Der laterale Unterlidanteil wird dreieckförmig mit einem Ausläufer an der Lidkante deepithelialisiert und mit einer feinen Drahtnaht an einem ausreichend kranial in den lateralen Orbitarand platzierten Bohrloch fixiert. Entsprechende Deepithelialisierung an der Innenseite des Oberlids, um den Effekt einer Tarsorrhaphie gleichzeitig auszunutzen, d nach dem Wundverschluss ist das Ektropium und die ausgeweitete Lidspalte korrigiert
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b a
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Abb. 16.5 a–f. Implantation eines Goldgewichts ins Oberlid. a Hautinzision in der ersten Oberlidfalte, b Darstellung des oberen Tarsusrandes nach Durchtrennung des M. levator palpebrae superioris und Präparation einer knappen Implantattasche, c Implantation und Nahtfixierung des Goldgewichtes,d Lage des Goldgewichts in Relation zu den Strukturen des Oberlids am Querschnitt, e Schema der Position des Goldgewichts bei geöffnetem Auge, f Schema der Position des Goldgewichts bei geschlossenem Auge
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e
f
Um eine postoperative Dehiszenz der Tarsorrhaphie zu verhindern, werden diese Nähte 10 Tage belassen. Ist zu einem späteren Zeitpunkt die Schließfunktion der Lider durch Reinnervation des gelähmten M. orbicularis oculi oder durch Muskeltransposition oder transplantation in diesem Bereich wiederhergestellt, so können meist aus kosmetischen Gründen die Lider wieder getrennt werden. Liegt der Schwerpunkt des Problems auf einem Ektropium des gelähmten Unterlids, kann eine Unterlidraffung nach Kuhnt-Szymanowski [17,24] zur Behebung des Ektropiums nützlich sein. Diese Ektropiumkorrektur ist nicht reversibel, kann aber bei nachlassendem Effekt durch zunehmende Laxität der Unterlider wiederholt werden. Nach Anzeichnen des zu exzidierenden, pentagonalen Hautanteils am mittleren Unterlid wird die Lokalanästhesie gesetzt. Nach Exzision der ventralen Schichten des Lids wird die dorsale, konjunktivale Lidschicht in gleicher pentagonaler Form, allerdings nach lateral versetzt, exzidiert (Abb. 16.3). Ist das Ektropium mehr medial betont, kann die Lidexzision weiter medial geführt
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werden, jedoch maximal bis knapp lateral des Tränenpünktchens. Die konjunktivale Schicht wird mit feinen 7/0 Katgut Nähten, die äußere Schicht mit 6/0 Nylon Nähten adaptiert. Die exakte Adaptierung der Lidkante ist von besonderer Wichtigkeit, um keine kosmetisch störende Stufenbildung in Kauf nehmen zu müssen. Eine beide Maßnahmen kombinierende Modifikation ergibt in unserer Klinik besonders beim älteren Patienten mit reduziertem Hautturgor die besten Ergebnisse. Die laterale Tarsorrhaphie wird mit der Unterlidraffung insofern kombiniert, als ein dreieckiger Unterlidanteil im Bereich des lateralen Augenwinkels deepithelialisiert wird, nicht reseziert, sondern zur stabilen Aufhängung des gestrafften Unterlids gegen laterokranial am lateralen knöchernen Orbitarand verwendet wird. Um ein neuerliches Absinken zu verhindern, ist es notwendig, den deepithelialisierten Hautrand mit einer feinen Drahtnaht durch ein ausreichend hohes Bohrloch am lateralen Orbitarand zu verankern (Abb. 16.4). Ähnliche Absichten wie bei der Tarsorrhaphie werden durch die Implantation einer Lidfeder oder eines genau austarierten Goldgewichts verfolgt. Die zarte Lidfeder aus Stahl bringt nach Implantation ins Oberlid gerade soviel Druck auf die Lidkante auf, dass die Lidspalte möglichst weitgehend im Liegen geschlossen wird, aber in aufrechter Position durch den Zug der Lidheber gerade so im Gleichgewicht gehalten wird, dass das Lid nicht über die Pupille kommt und das Gesichtsfeld einschränkt. Das gleiche Ziel wird von einem dünnen Goldgewicht verfolgt, wenn es nach individueller Bestimmung des Gewichts und der Form in das Oberlid implantiert wird und durch die Schwerkraft den Lidschluss unterstützt. Der Implantationsort ist sehr heikel, da bei zu hoher Positionierung im Liegen der umgekehrte Effekt, nämlich Lidöffnung auftreten kann. Deshalb kommt der Positionierung in der richtigen Schicht, nämlich zwischen dem M. levator palpebrae und Tarsus, und im richtigen Abstand von 3 mm von der Lidkante große Bedeutung zu. Neben der richtigen Implantationsschicht können harmonisch auslaufende Implantatränder die sichtbare Durchzeichnung zumindest lindern, wenn auch nicht ganz verhindern. Bei Indikation zur Verwendung eines Implantats zur Unterstützung des Lidschlusses bevorzugen wir das Goldgewicht (Abb. 16.5). Der wesentlichste Nachteil beider Methoden besteht in der Perforationsgefahr des Fremdkörpers, im Fall der Feder durch die chronische Spannung und im Fall des Gewichts durch die Schwerkraft gegen die ohnehin hauchdünnen Weichteile,wesentlichster Vorteil ist die gute Reversibilität.
Persönlich bevorzugen wir bei diesen Operationstechniken die laterale Tarsorrhaphie, meist in Kombination mit unserer modifizierten Lidraffung, weil dieser Ein-
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c a
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Abb.16.6 a–d. Erhöhung des Oberlidgewichts durch Implantation eines lateral gestielten Dermislappens.a Deepithelialisierung oberhalb der Braue entsprechend der beabsichtigten Brauenhebung, b Hebung des lateral gestielten Dermislappens, c Tunnelierung von der Lappenbasis bis ins Oberlid, d transkutane Fixierungsnähte zum Schutz des Dermislappens vor Dislokation, Wunde am kranialen Brauenrand durch resorbierbare Intrakutannaht verschlossen
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griff bei tolerablem kosmetischen Resultat als ergänzende Maßnahme mit anderen Rekonstruktionen kombiniert und bei Bedarf permanent belassen werden kann, während Implantate, langfristig belassen, oft Probleme und schließlich Reoperationen verursachen.Vorrangige Bedeutung kommt der Goldgewichtimplantation als passagere Maßnahme bei dynamischen Rekonstruktionskonzepten zu, bei denen es gilt, die Zeit bis zur Wiedererlangung des neuromuskulären Lidschlusses zu überbrücken. Im älteren Gesicht mit der Notwendigkeit einer symmetrierenden Brauenhebung hat es sich sehr bewährt, den Hautüberschuss nicht zu resezieren, sondern als lateral gestielten, deepithelialisierten Lappen in das Oberlid tunnelierend einzubringen und auf diese Weise zur Erhöhung des Lidgewichts mit Eigengewebe beizutragen (Abb. 16.6).
16.2.2 Aktivitätsmindernde Eingriffe an der gesunden Gesichtshälfte zur Symmetrieverbesserung Ziel solcher Eingriffe ist es, durch gezielte Manipulationen am neuromuskulären Apparat der gesunden Gesichtsseite die Seitendifferenz der Mimik zu mildern. Diese gewollte Schädigung im Bereich der periphersten Aufzweigung des N. facialis kann chirurgisch durch Neurotomie, d. h. Ausschaltung durch Durchtrennung der entsprechenden Nervenäste, oder durch Neurektomie, d. h. Resektion der Nervenäste, wodurch der Effekt nachhaltiger sein sollte, erzielt werden. Die kurze Wirksamkeit solcher Operationen ist dadurch bedingt, dass einerseits von den proximalen Durchtrennungsstümpfen wieder eine Reinnervation erfolgt, und dass andererseits diese trotz aller protektiver Maßnahmen am proximalen Stumpf von den erhaltenen Nervenästen durch sog. Sprouting, also Aussprossen zusätzlicher Axone ermöglicht wird. Dieses chirurgische Vorgehen hat deshalb heute kaum mehr Bedeutung, umso mehr, als sich die rekonstruktiven Bemühungen auf Verbesserungen an der gelähmten Seite konzentrieren und zusätzlich ein praktisch identischer Effekt auf viel weniger invasive Weise, nämlich durch gezielte lokale Applikation eines Neurotoxins, des Botulinustoxins erzielen lässt. Auch hier kann der Effekt reversibel sein, wiederholte Unterspritzungen sind meist notwendig. Myotomien sollen durch chirurgische Durchtrennung von Gesichtsmuskulatur, also am Erfolgsorgan selbst einen schwächenden Effekt erzielen, die Entfernung der Muskeln, also Myektomien sind verständlicher Weise viel nachhaltiger wirksam. Das Problem der Dosierbarkeit des Effekts und die Tatsache, dass es sich um funktionsmindernde Maßnahmen handelt, hat auch diese Operationen in den Hintergrund treten lassen.
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16.2.3 Rekonstruktionen des geschädigten N. facialis Ist der N. facialis durch ein Unfalltrauma oder iatrogen meist im Rahmen von Tumorchirurgie, sei es intrakraniell oder extrakraniell, nachgewiesenermaßen irreversibel geschädigt, so ist die möglichst baldige Rekonstruktion des Nervs als Methode der Wahl anzustreben. Eine exakte Festlegung der Läsionshöhe und die chirurgische Zugänglichkeit sind dann Voraussetzung meist beachtlicher Rekonstruktionserfolge. Wird die Rekonstruktion sofort nach Durchtrennung des N. facialis oder seiner Äste durchgeführt und handelt es sich um keine Defektläsion, so ist die direkte Nervenkoaptation möglich. Operationstechnisch gesehen kommen auch hier die Gesetze einer interfaszikulären, perineuralen Nervennaht zur Anwendung. Ist die Schienung anatomisch vorgegeben, wie etwa im knöchernen Kanal des N. facialis, so kann die Aufrechterhaltung der Koaptation der Nervenstümpfe durch Fibrinklebung von Vorteil sein, solange nicht eine gewisse elastische Spannung eine sekundäre Dehiszenz befürchten lassen muss. Durch akute, exakte Koaptation des N. facialis kann ein besonders günstiges funktionelles Resultat erwartet werden. Wie bei jeder peripheren Nervenläsion gilt auch beim Stamm des N.facialis und seinen Ästen sowohl bei der primären als auch bei der sekundären Versorgung das Prinzip, sich der Durchtrennungsstelle des Nervs jeweils von distal und von proximal entlang unverletzter Nervenstrukturen zu nähern.
Für die besondere Situation des Verlaufs in der Glandula parotis bedeutet dies proximale Aufsuchung des Stamms des N. facialis am Foramen stylomastoideum und Darstellung der peripheren Äste am Vorderrand der Parotis. Die Hautinzision ist entweder durch vorgängiges Verletzungsmuster oder den ursprünglichen Operationszugang vorgegeben, bei noch freier Wählbarkeit empfiehlt sich eine Schnittführung präaurikulär wie zur Gesichtsstraffung, unter Umschneidung des Ohrläppchens nach dorsokranial und wieder nach kaudal-vorne in die erste tiefere Hautfalte des Halses. Nach Abpräparation dieses Haut-Subkutis-Lappens nach Expositionsbedarf mehr oder weniger weit nach vorne, werden die Äste des N. facialis am Vorderrand der Parotis mit Lupenbrille oder Mikroskop dargestellt und angeschlungen, Orientierungshilfe bietet der Ductus parotideus, von welchem knapp kaudal gelegen meist ein bis zwei kräftige Rr. buccales zu finden sind. Die Darstellung der Äste unter Elektrostimulation beim nicht relaxierten Patienten stellt eine ganz wichtige Hilfe dar. Die Verfolgung der Äste erfolgt von peripher nach proximal in die Parotis bei Bedarf unter Resektion der oberflächlichen Drüse. Der Stamm des Fazialis wird durch Präparation
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a
c N. facialis
b Ductus parotideus Ramus buccalis
unmittelbar entlang dem unteren Anteil des knorpeligen äußeren Gehörgangs unter Verdrängung des etwas mobilisierten dorsalen Parotisrandes nach vorne dargestellt. Der Nervenstamm verläuft medial des hinteren Bauchs des M. digastricus, der als Leitstruktur übersichtlich dargestellt werden sollte. Ist die Lokalisation der Nervenläsion nahe am Foramen stylomastoideum und kann kein proximaler Stumpf über diesen Zugang dargestellt werden, so kann noch immer der transmastoidale Zugang erfolgversprechend sein (Abb. 16.7). Die Qualität des Ergebnisses hängt neben den individuellen Regenerationsbedingungen ganz wesentlich von der Läsionshöhe ab. Liegt sie im proximalen Verlauf
Abb. 16.7 a–c. Aufsuchung des peripheren N. facialis. a Hautinzision, strichliert bei Erweiterung zur Darstellung des N. facialis am Foramen stylomastoideum, b Präparation der peripheren Fazialisäste am Vorderrand der Glandula parotis, der Ductus parotideus als Leitstruktur der Rami buccales, c Präparation entlang des Knorpels des äußeren Gehörgangs; der Knorpelfortsatz zeigt auf die Austrittsstelle des Nervs aus dem Foramen stylomastoideum medial vom hinteren Bauch des M. digastricus
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Auge Chorda tympani Mittelgesicht Stirn unteres Gesicht Unterlippe N. stapedius
Abb. 16.8. Die Änderung der Fasertopographie am Querschnitt des N. facialis während seines Verlaufs
des N. facialis, so ergibt sich neben dem Problem einer totalen, die gesamte Gesichtshälfte betreffenden Parese die Unmöglichkeit, die topographische Faserzuordnung bei der Vereinigung der beiden Stümpfe des Stammnervs wiederherzustellen (Abb. 16.8). Durch regionale Fehlleitungen der regenerierenden Axone wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu mehr oder weniger starken Synkinesien zwischen den einzelnen Gesichtsregionen kommen, d. h. unbeabsichtigte und unkontrollierbare Mitbewegungen in den anderen, ebenfalls reinnervierten Gesichtsabschnitten. Durch solche Fehlinnervationen kann auch die differenzierte Aktivierung der mimischen Muskelgruppen verloren gehen, es kommt zu Massenbewegungen, die jedoch durchaus von derselben Kräftigkeit wie die normalen Bewegungen an der gesunden Seite sein können. Diese Probleme nehmen ab, je weiter die Läsions- und Koaptationsebene nach peripher verlagert ist. Dort sind die einzelnen Nervenäste bereits sehr selektiv für bestimmte mimische Funktionen ausgerichtet, eine Nervennaht vor dem Vorderrand der Parotis wird somit das Problem der Synkinesien oder Massenbewegungen kaum zeigen. Zusätzlich ist diese Läsionshöhe auch insofern prognostisch günstiger, als die regenerierenden Nervenaxone einen kürzeren Regenerationsweg zurückzulegen haben und die gelähmten Gesichtsmuskeln weniger atrophieren, da die Reinnervation entsprechend früher erfolgt. Daraus ergibt sich die Wichtigkeit, bei jeder tieferen Gesichtsverletzung auf eine Schädigung des N. facialis zu achten, da gerade im peripheren Bereich jede Sekundärrekonstruktion der Primärnaht funktionell weit unterlegen sein muss.
Ist die Primärnaht versäumt worden, so kann in günstigen Fällen eine frühsekundäre Versorgung innerhalb weniger Tage trotz notwendiger Anfrischung bei genü-
gender Mobilisierung der Nervenstümpfe eine direkte Nervennaht ohne ergebnisgefährdender Spannung gerade noch ermöglichen. Erscheint die Spannung der Nervenkoaptation doch zu groß oder ist auch dieser Zeitpunkt versäumt worden, so ist eine möglichst baldige Rekonstruktion mit Nerventransplantation anzustreben. Bei der sekundären Nervenrekonstruktion spielt der Zeitfaktor nicht mehr die Rolle bezüglich Verhinderung der Notwendigkeit eines Nerventransplantats, sondern es sollte keine unnötige Zeit verstreichen, um die denervierten Muskeln zum Zeitpunkt der Reinnervation in einem guten, noch reinnervierbaren Zustand anzutreffen, d. h. der Grad der Muskelatrophie sollte durch baldige Sekundärrekonstruktion möglichst gering gehalten werden. Wie bei allen anderen mikrochirurgischen Rekonstruktionen peripherer Nerven ist der Spendernerv der ersten Wahl der N. suralis, welcher bezüglich Länge,Dicke und minimales Hebedefektproblem von Seiten des kleinen asensiblen Hautareals am fibularen Fußrücken am besten als Nerventransplantat geeignet ist. Ein umgekehrtes Einsetzen des Transplantats verhindert den Verlust regenerierender Nervenfasern über abzweigende Seitenäste.
Erfolgt die Regeneration vom ursprünglich distalen Ende des Nerventransplantats her, so werden alle Faserregenerate zur distalen Nahtstelle zwischen Transplantat und distalem Abschnitt des N. facialis konzentriert. Selbstverständlich erfolgt die Freilegung und Präparation der Nervenstümpfe und die Ausführung der Nervennähte sowohl bei der direkten Koaptation als auch bei der Defektüberbrückung mit Nerventransplantaten unter dem Operationsmikroskop und unter Verwendung mikrochirurgischer Instrumente, Nahtmaterialien und Operationstechniken. Wenn auch möglichst kurze
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Transplantate günstigere Ergebnisse als lange erwarten lassen, so konnten wir experimentell die klinische Erfahrung bestätigen, dass die Transplantatlänge prinzipiell nicht ein absolut limitierender Faktor sein muss [6]. Selbst wenn ein weiter entfernt liegender Nerv als Reinnervationsquelle verwendet wird und dabei durch lange Nerventransplantate weit über seine ursprüngliche Länge hinaus verlängert wird, so ist dennoch letztlich mit einem von klinisch-funktionellem Standpunkt nützlichen Ergebnis zu rechnen. Die Notwendigkeit dieses chirurgischen Vorgehens ergibt sich,wenn die Läsion des N.facialis nicht rekonstruierbar ist und alternative Reinnervationsquellen zu entfernt liegen, als dass eine direkte Nervennaht möglich wäre, bzw. wenn von vornherein die Verwendung von Anteilen des kontralateralen, intakten N. facialis mit dem Ziel der emotionalen Kopplung der neuen Funktion angestrebt wird.
16.2.4 Reinnervation der gelähmten Gesichtsseite durch den N. facialis der gesunden Gesichtsseite (Cross-face-Nerventransplantation) Ist eine Rekonstruktion des geschädigten N. facialis ausgeschlossen, müsste rein theoretisch mit Anteilen des N. facialis der gesunden Gesichtsseite unter Überbrückung der Distanz zwischen den beiden Gesichtshälften mit langen Nerventransplantaten ein funktionelles Ergebnis erreichbar sein, das bezüglich Qualität nicht überbietbar ist [1, 22, 23]. Die Voraussetzung dafür ist, dass einerseits die ursprüngliche, anatomisch so komplex strukturierte Gesichtsmuskulatur als zu reinnervierendes Zielorgan erhalten bleibt und andererseits die Steuerung der reinnervierten Gesichtsmuskeln über das System des N. facialis erfolgt, wenn auch über den kontralateralen. Diese Kopplung der beiden Gesichtshälften ist in dieser Situation insofern nicht problematisch, als eine synchrone und symmetrische Bewegung der beiden Gesichtshälften ohnehin primäres Rekonstruktionsziel ist. Die Verwendung dieses Rekonstruktionskonzepts zeigte in unseren Händen und in jenen verschiedenster internationaler Zentren folgende Problematik auf: Das funktionelle Endergebnis ist erstens durch die Zahl und Reinnervationspotenz der schließlich bei den gelähmten Gesichtsmuskeln ankommenden Nervenfaserregeneraten begrenzt. Wenn auch möglichst viele, entbehrliche Äste des N. facialis der gesunden Seite Verwendung finden, so bedingt der komplexe Nervenregenerationsvorgang mit langer Regenerationsstrecke und der Überwindung von zwei Nervennahtstellen doch eine hochgradige Reduktion des anfänglichen Nervenfaser-Inputs [8]. Durch die längere Regenerationsstrecke ergibt sich auch eine längere Regenerationszeit. Diese addiert sich mit der Zeit seit der Läsion des N. facialis, wenn es
a
Abb. 16.9 a–f. Einzeitige Cross-face-Nerventransplantation mit Überlänge. a Schema des Verlaufs der beiden Cross-faceNerventransplantate zwischen proximalen Stümpfen von Augen- bzw. Mundästen der gesunden, linken Seite und distalen Stümpfen von Augen- bzw. Mundästen an der gelähmten, rechten Seite.Überlänge der Transplantate präaurikulär an gelähmter Seite, b subkutane Tunnelierung über die Stirn mit Lochschere bis zur Zwischeninzision an der rechten Brauengrenze,Vorlegen von Seidenfäden zum Einziehen der Nerventransplantate, c subkutane Tunnelierung über die Oberlippe, Vorlegen des Durchzugsfadens über die kleine Zusatzinzision an der Lippenrotgrenze der linken Oberlippe,d Suralisnerventransplantat etappenweise von linker Schläfe bis zur rechten Stirn durchgzogen, e gesunde Augen- und Mundäste vor dem Parotisvorderrand möglichst weit peripher durchtrennt, in die Präaurikulärregion zur besseren Exposition zurückgeschlagen, und unter dem Mikroskop mit den beiden Nerventransplantatenden durch perineurale 10/0 Nähte koaptiert, f an der gelähmten Seite wurden die Transplantatenden mit den peripheren Augen- und Mundästen koaptiert, die beiden Schleifen der Überlängen wurden mit nichtresorbierbaren, gefärbten, epineuralen 5/0 Nähten an standardisierter Stelle gegen die Faszie fixiert und so für eine eventuelle Reexploration markiert
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Transplantat über Stirn
periphere Augenäste (gelähmte Seite)
Transplantat über Oberlippe periphere Mundäste (gelähmte Seite)
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um den zweiten limitierenden Faktor dieser Methode, nämlich die Muskelatrophie geht. Offensichtlich atrophieren die gelähmten Gesichtsmuskeln bis zu einem gewissen Zeitpunkt doch so stark, dass sie ab dann nicht mehr mit ausreichendem funktionellen Effekt reinnerviert werden können. Dieser entscheidende Zeitpunkt kann wegen der großen individuellen Schwankungen für den einzelnen Patienten nicht exakt festgelegt werden, jedoch zeigte sich, dass dann brauchbare Resultate ausgeschlossen sind, wenn zwischen Auftreten der Lähmung und Beginn der chirurgischen Rekonstruktion mehr als ein Jahr verstrichen ist. Bei späteren Rekonstruktionen muss neben der Nervenversorgung auch das Zielorgan, die Gesichtsmuskulatur rekonstruiert werden, was durch Kombination mit Muskeltransposition oder mit Muskeltransplantation erreicht werden kann. Die Technik der Cross-face-Nerventransplantation wird ursprünglich in zwei Operationsschritten durchgeführt. Bei der ersten Operation werden über einen präaurikulären, faceliftartigen Zugang die peripheren Fazialisnervenäste am Vorderrand der Glandula parotis dargestellt und durch intraoperative Elektrostimulation die Wahl der entsprechenden Äste getroffen. Dieselbe Funktion kann dabei über mehrere Äste ausgelöst werden, die Verwendung von bis der Hälfte der Äste bleibt unserer Erfahrung nach ohne jeden sichtbaren Effekt an der gesunden Seite. Bei diesen Eingriffen mit elektrostimulatorischer Aufsuchung von Nervenästen muss bis nach Abschluss dieser Phase der Operation von der Verwendung von Muskelrelaxantien Abstand genommen werden. Selbst eine leichte Funktionsminderung an der relativ überaktiven gesunden Seite würde eher positiv zu einer Symmetrierung der beiden Gesichtshälften beitragen. Meist ist selbst eine solche Schwächung bald rückläufig, weil offensichtlich diese Teildenervation der gesunden Seite durch Aussprossung der erhaltenen Nervenäste kompensiert wird. Um die Regionen des Gesichtes möglichst selektiv funktionell wiederherzustellen, werden 2 bis 4 Nerventransplantate von der gesunden zur gelähmten Gesichtshälfte verlegt. Als Transplantat wird der N. suralis oft von beiden Seiten verwendet. Die subkutane Tunnelierung über die Stirn und die Oberlippe, manchmal auch zusätzlich die Unterlippe oder submental, ermöglicht ohne störende Narben die doch weite Distanz von der einen Wangen- bzw. Schläfenregion zur anderen zu überwinden. Priorität haben Augen- und Mundregion, weitere Transplantate können evtl. für die Stirnregion oder die Mundwinkeldepressorfunktion Anwendung finden. Die Verlegung über Unterlippe und unter dem Kinn ist wegen der großen Unterkieferbeweglichkeit und dadurch bedingten mechanischen Dehnbeanspruchung des Tranplantats nur sehr bedingt brauchbar. Die Transplantate werden in umgekehrter Richtung eingesetzt, d. h. das ursprünglich distale Suralisnervenende wird unter dem Mikroskop mit den frisch
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durchtrennten Fazialisästen koaptiert, meist mit interfaszikulären perineuralen Nähten. Dadurch gehen keine regenerierenden Axone über die abzweigenden Seitenäste des Nerventransplantates verloren, sondern die Regenerate werden auf das letztlich distale Transplantatende, und somit auf ihr endgültiges Ziel, die peripheren Fazialisäste der gelähmten Seite konzentriert. Die distale Nervennaht wird mehrheitlich mit der Überlegung erst nach einigen Monaten sekundär durchgeführt, um einen hinderlichen Narbenblock, der sich bis zum verzögerten Eintreffen der vorwachsenden Nervenfasern entwickeln könnte, zu verhindern. Um ein Wiederauffinden der Cross-face-Nerventransplantate zu ermöglichen, werden diese jeweils durch eine nichtresorbierbare Naht markiert und gegen Dislokation geschützt. Selbstverständlich handelt es sich bei der ersten Operation um einen vorbereitenden Eingriff, welcher für den Patienten noch keinen funktionellen Effekt haben kann. Erst nach der zweiten, je nach Regenerationsfortschritt etwa nach sechs Monaten stattfindenden Operation, kann, wieder erst nach mehreren Wochen bis Monaten, mit ersten Kontraktionen in den ursprünglich gelähmten Gesichtsmuskeln gerechnet werden. So lange dauert es bis nach Durchführung der distalen Nervennaht zwischen den angefrischten Transplantatenden und den nun frisch durchtrennten, funktionell entsprechenden peripheren Fazialisästen der gelähmten Seite, die Muskelnerven durchwachsen und die gelähmten Muskelfasern reinnerviert sind, und danach schließlich die Muskeln tatsächlich Kraft entwickeln können. Um auch jenen Patienten letztlich ein funktionell nützliches Ergebnis zugänglich zu machen, die durch alleinige Cross-face-Nerventransplantation nicht zum Ziel kommen, haben wir diesbezüglich ein neues Konzept entwickelt: Beim Vorliegen einer einseitigen irreversiblen Fazialislähmung führen wir eine einzeitige Cross-face-Nerventransplantation mit Überlänge des Transplantats durch, wenn das Auftreten der Lähmung nicht länger als ein Jahr zurückliegt (Abb. 16.9). Die Einzeitigkeit, d. h. gleichzeitige proximale und distale Nervennaht, soll den positiven Stimulationseffekt denervierter Muskulatur auf die Nervenregeneration nützen. Die Überlänge des Transplantats soll die Möglichkeit offen lassen, bei ausbleibender Reinnervation der gelähmten Gesichtmuskeln 1,5 Jahre nach der Nerventransplantation, das vorhandene Cross-face-Transplantat zur Reinnervation eines nun doch eingesetzten Muskeltransplantats zu verwenden [8]. Wird durch das an der distalen Nahtstelle über 2 bis 3 Monate stehengebliebene Tinel-Zeichen ein Regenerationshindernis identifiziert, kann eine Resektion und Erneuerung der distalen Nervennahtstelle dann ins Auge gefasst werden, wenn der zeitliche Verlauf nicht schon bezüglich Reinnervierbarkeit der denervierten Gesichtsmuskulatur bedenklich erscheint.
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! Wichtig ist es, den Patienten von vorneherein über
dieses variable Stufenkonzept aufzuklären, da ansonsten eine vom Patienten nicht erwartete, zusätzliche Operation die Motivation abbrechen lassen könnte.
Bei irreversiblen Lähmungen, die bereits länger als ein Jahr bestehen, ersetzen wir das Zielorgan von vornherein, falls ein funktionelles Rekonstruktionskonzept zur Diskussion steht.
16.2.5 Muskeltransposition Die Verwendung regionaler Muskulatur mit erhaltener Innervation zum funktionellen Ersatz der gelähmten Gesichtsmuskulatur wurde bereits Anfang unseres Jahrhunderts entwickelt [15, 18, 21]. Die verschiedensten Muskeln wurden versucht, heute sind im wesentlichen drei verblieben; M. temporalis, M. masseter,Venter anterior des M. digastricus. Die Bedeutung der Muskeltransposition im gesamten Spektrum der operativen Korrekturmöglichkeiten rückt bei drei Indikationen in den Vordergrund: ∑ Erstens beim älteren Patienten, für den eine rasche Gesichtsrehabilitation mit diesen limitiert dynamischen, allerdings emotional nicht gekoppelten Rekonstruktionstechniken erzielt werden soll. Oft ist der gleichzeitige Einsatz des M. temporalis für das Auge und der M. masseter für den Mundwinkelbereich recht effektvoll. Der Schwerpunkt liegt auf der statischen Wirkung, die Protektion des Auges wird durch die verschmälerte Lidspalte und den erhöhten Lidtonus gewährleistet, der Mundwinkel wird zumindest in Ruhe in symmetrischer Position unterstützt und bei Aktivierung wird die entstellende Verziehung zur gesunden Seite verhindert. ∑ Zweitens stellt die Transposition des vorderen Anteils des M. temporalis zum Auge eine wesentliche Komponente unseres funktionellen Rekonstruktionskonzepts dar, nämlich dem durch Muskeltransplantation reanimierten Nasen-Mund-Komplex eine zweite funktionelle Einheit der Augenregion beizufügen, welche durch ihre Trigeminusinnervation völlig getrennt von der Steuerung durch den kontralateralen N. facialis ist. Dadurch sind störende Synkinesien ausgeschlossen und dennoch eine klinisch effiziente Schutzfunktion mit gleichzeitig guter Lidspaltensymmetrie erreicht. ∑ Drittens kann die Tatsache der vom N. facialis unabhängigen Innervation zur Rekonstruktion von antagonistischen Funktionen genutzt werden. Wenn auch selten angewendet, so betrifft dies meist die Depressorfunktion im Mundwinkel-Unterlippen-Bereich und als Motor den Venter anterior des M. digastricus.
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Freilinger beschrieb 1975 [2] die Kombination der Crossface-Nerventransplantation mit der Muskeltransposition. Dadurch wurden erstmals fremde Motoren unter die nervale Kontrolle des Fazialissystems gestellt. Leider waren die klinischen Ergebnisse sehr inkonstant, nicht zuletzt, weil die Denervation des M. temporalis präparatorisch sehr schwierig war; entweder war sie nicht vollständig genug und die Trigminusinnervation bekam wieder die Oberhand, oder die Verflechtung von Nerven- und Gefäßästen verursachte bei der Freilegung und Durchtrennung der Nervenäste eine vaskuläre Schädigung des transponierten Muskels. Aus diesen Gründen geben wir heute der Kombination der Cross-face-Nerventransplantation mit der Muskeltransplantation den Vorzug.
16.2.5.1 M. temporalis Die Transposition meist des vorderen Anteils erfolgt entweder zur Rekonstruktion des Augensphinkters [12] oder der Mundwinkelhebung. Häufig ist die Verlängerung des Muskelansatzes mit Faszienstreifen notwendig, um die Kraftwirkung des transponierten Kaumuskels richtig zu lokalisieren (Abb. 16.10). Wir verwenden die Temporalistransposition praktisch nur im Sinne von Gillies zur statischen Verschmälerung der Lidspalte, Unterstützung des Unterlids und dynamischen Rekonstruktion eines erstaunlich suffizienten Lidschlusses, der allerdings nicht unter Kontrolle des N. facialis steht. Präoperativ muss das Vorhandensein und die Funktionstüchtigkeit des M. temporalis geprüft werden, da etwa bei angeborenen Fazialislähmungen der M.temporalis oder seine Innervation auch von der Missbildung betroffen sein kann oder iatrogen das neuromuskuläre System dieses Muskels evtl. zerstört wurde – denken wir etwa an eine Tumorresektion – oder vielleicht im Rahmen der jahrelangen therapeutischen Bemühungen bereits vorgängig für eine Transposition verwendet wurde.
Die Freilegung des vorderen Abschnittes des M. temporalis erfolgt über eine präaurikuläre Inzision, welche relativ weit gegen parietal in den behaarten Bereich geführt wird, etwa bis an den Rand des Muskelursprungs. Die Gesichtshaut wird bis zum lateralen Augenwinkel abpräpariert, subkutanes und zwischen den Faszien gelegenes Fettgewebe sowie Fasziengewebe selbst oberhalb der Eminentia zygomatica exzidiert, um so viel Platz für den zu transponierenden Temporalismuskel zu schaffen, dass die Kontur lateral der Orbita dennoch symmetrisch imponiert und keine störende Vorwölbung auftritt.
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Schnittführung zur Gewinung des Muskelabschnitts Tunnelierung Hautschnitt des Ober- und Unterlids
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Abb. 16.10 a–e. Transposition des vorderen Abschnitts des M. temporalis zum Auge. a Inzisionslinien präaurikulär zur Hebung des gestielten Temporalisanteils und am inneren Augenwinkel zur Darstellung des medialen Lidbändchens. Region der Unterminierung an Ober- und Unterlid rot gezeichnet, Inzisionen am M. temporalis und am Übergang zum parietalen Perikranium zur Gewinnung der beiden Muskelfaszienzügel für Ober- und Unterlid, b in-situ-Darstellung der Gewinnung der beiden Muskelfaszienzügel, c,d Transposition des Muskelanteils zum inneren Augenwinkel, c Schema, d Foto, e Insertion am Lig. palpebrale mediale; die beiden Zügel werden jeweils hinter dem vorderen Schenkel des Lidbändchens durchgezogen und mit nichtresorbierbarer 4/0 Naht fixiert
e
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! Besondere Vorsicht verdienen dabei die oberflächli-
chen Temporalisgefäße vor allem dann, wenn in einer späteren Operation diese Gefäße als Anschlussgefäße für eine freie Muskeltransplantation dienen sollen.
Nun werden in einem Abstand von etwa 2 cm und in Muskelfaserrichtung zwei parallele Inzisionen in der Temporalisfaszie vom Muskelrand bis zum Arcus zygomaticus geführt. Bei der immer tiefer in die Muskulatur fortschreitenden Präparation muss auf die Erhaltung der Gefäß- und Nervenversorgung geachtet werden. Da das distale Ende des mit der Faszie auspräparierten Muskelstreifens niemals das mediale Lidbändchen erreichen kann, wird das peripher etwas aufgespaltene Ende mit zwei schmalen Streifen aus der weiter dorsal gelegenen Temporalisfaszie verlängert. Für die Fasziennähte verwenden wir mehrere 4/0 Einzelknopfnähte eines nichtresorbierbaren, ungefärbten polyphilen Nahtmaterials. Über eine etwa 1 cm lange, gewinkelte Hautinzision am medialen Augenwinkel wird der vordere Schenkel des Lig. palpebrale mediale freigelegt. Nahe den Lidkanten wird von lateral gegen medial sowohl das Oberlid als auch das Unterlid mit vorsichtig spreizenden Bewegungen einer Lochschere tunneliert, je ein 2/0 Seidenfaden in das Loch der Scherenspitze eingefädelt und durch Rückziehen der Schere in beiden Lidern vorgelegt. Das laterale Fadenende wird jeweils an das für das entsprechende Lid vorgesehene Faszienstreifenende geknüpft. Die Tunnelierung darf nicht zu breit erfolgen, damit die verlängerten Muskelstreifen bei Kontraktion nicht dislozieren und vielleicht deshalb wirkungslos bezüglich Lidschluss bleiben. Auf diese Weise können nun problemlos die Faszienstreifen bis zum medialen Lidbändchen vorgezogen werden, beide Zügel werden dorsal um den vorderen Schenkel des Lidbändchens geführt, mit letzterem und untereinander vernäht (Abb. 16.10). Die Verwendung nichtresorbierbarer 4/0 Nähte trägt der Wichtigkeit der Haltbarkeit dieser Insertion Rechnung. Prinzipiell ist bezüglich der Spannung dieser Zügel besonders beim Unterlid eine Überkorrektur anzustreben. Die Wunde am medialen Augenwinkel wird mit 6/0 monofilen Hautnähten verschlossen.
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16.2.5.2 M. masseter Dieser Kaumuskel ist wegen seiner topographischen Nähe zum Mundwinkel mit relativ geringem operativen Aufwand als Mundwinkelheber einzusetzen (Abb. 16.11). Die Indikation zur Massetertransposition zum gelähmten Mundwinkel sehen wir fast ausschließlich im Rahmen des älteren bzw. nicht in Richtung Muskeltransplantation qualifizierenden Gesichtsgelähmten, meist in Kombination mit der Temporalis-Muskeltransposition zum Auge. Deshalb ist der M. masseter gegenüber dem M. temporalis für die Suspension des Mundwinkels in unserem Konzept bevorzugt. Da die Massetertransposition gerade im älteren Gesicht mit einer Rekonstrution der Nasolabialfalte und einer symmetrierenden, einseitigen Gesichtsstraffung einhergeht, ergibt sich der operative Zugang zwangsläufig über die präaurikuläre Inzision bzw. über jene in der Nasolabialfalte. Nach Unterminierung der Wangenhaut bis zum Unterkieferrand und bis zur Ober- und Unterlippe wird jenes halbmondförmige Hautareal lateral der Nasolabialfalte deepithelialisiert, welches einerseits die Faltenbildung hervorrufen und andererseits einen der neuen Ansätze des M. masseter bilden wird. Nun kann von ventral und dorsal der Ansatz des M. masseter relativ übersichtlich dargestellt und in seinen vorderen zwei Dritteln vom Unterkiefer scharf abgetrennt werden. Je nach Größe des Muskels wird mehr oder weniger für die Transposition verwendet, oft genügt der oberflächliche Anteil, der vom tiefen Muskelanteil durch eine leicht versetzten Muskelfaserverlaufsrichtung zu differenzieren ist. Wird nicht der ganze Masseter transponiert, so ist der Gefäß- und Nervenaufzweigung genaue Beachtung zu schenken, um nicht eine unerwünschte Denervation des transponierten Anteils herbeizuführen. Der gegen proximal-kranial mobilisierte Muskel wird nun zum Mundwinkel transponiert, das distale Ende in drei Portionen aufgeteilt und nach Durchflechtung mit einer resorbierbaren 2/0 Naht die obere in die Oberlippe, die untere in die Unterlippe eingezogen und die durch die Lippenhaut möglichst medial herausgeführte Naht jeweils über ein Fettgazepölsterchen geknüpft. Die mittlere Portion wird so ein wenig gekürzt, dass deren Insertion am deepithelialisierten Hautstreifen der Nasolabialfalte in ausreichender Spannung erfolgt. Nach einigen subkutanen 5/0 Nähten aus resorbierbarem Material, werden die Hautwunden mit resorbierbarer und ungefärbter Intrakutannaht (6/0) verschlossen.
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c Abb. 16.11 a–c. Transposition des vorderen Anteiles des M. masseter zum Mund. a Freilegung des M. masseter über eine präaurikuläre Inzision und über die Inzision zur Nasolabialfaltenrekonstruktion.Rot schraffiertes Areal entspricht Deepithelialisierung, Inzision der gesamten Dermis anschließend am lateralen Rand. Abspaltung der vorderen zwei Drittel des M. masseter unter Ablösung von der Mandibula. Die Spaltung darf nicht zu weit nach kranial geführt werden, um die Gefäß- und Nervenversorgung des transponierten Teiles nicht zu gefährden. b,c Insertion des transponierten Muskels am M. orbicularis bzw. transkutan an Ober- und Unterlippe sowie am lateralen Rand des deepithelialisierten Feldes in der Nasolabialfalte, b Schema, c Foto
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16.2.5.3 Venter anterior des M. digastricus Wenn auch die gleichzeitige Rekonstruktion von Agonisten und Antagonisten ein sehr schwieriges Problem darstellt, so hat sich gerade der M. digastricus zur Rekonstruktion einer Depressorfunktion im MundwinkelUnterlippen-Bereich am ehesten qualifiziert. Das Problem dieser Muskeltranspositionen ist, dass nur ein dominant statischer Effekt zum Tragen kommt, der dynamische zeigt durchschnittlich eine viel zu geringe Exkursion der Bewegung und ist wegen der Trigeminusinnervation kaum der mimischen Kontrolle unterzuordnen. Die Folge sind Synkinesien in den transponierten Muskeln beim Essen und die fehlende Aktivierung während emotionalen Gesichtsbewegungen, auch wenn exzessive Bewegungstherapie eingesetzt wurde.
16.2.6 Freie funktionelle (mikrochirurgische) Muskeltransplantation Die sofortige, mikrochirugische Wiederherstellung der Durchblutung auch größerer Muskeltransplantate hat konstante, klinisch brauchbare funktionelle Ergebnisse ermöglicht, sodass sich dieses doch aufwändige Verfahren als Methode der ersten Wahl bei der Behandlung der langbestehenden, irreversiblen Gesichtslähmung bewährt hat [4, 5]. Als Muskeltransplantate finden solche Muskeln Anwendung, die von Größe, Anatomie und definiertem neurovaskulären Stiel für die Positionierung im Gesicht geeignet sind, und andererseits vom Durchmesser der versorgenden Gefäße her für einen sicheren mikrochirurgischen Gefäßanschluss garantieren.Am meisten verbreitet für diesen Zweck sind der M. pectoralis minor, Anteile des M. gracilis oder des M. latissimus dorsi.
16.2.6.1 Mehrzeitige freie funktionelle Transplantation des M. gracilis (Cross-face und FFMT) Da die Muskelfaserzusammensetzung vom innervierenden Nerven geprägt wird, ist der Anteil an schnell und langsam kontrahierenden Muskelfasern eines Muskels vor der Transplantation wenig relevant [8]. Deshalb verwenden wir standardmäßig bei der Fazialisparese einen entsprechend zurechtgeschnittenen Anteil des M. gracilis. Dieser Muskel hat konstant einen kräftigen, dominanten proximalen neurovaskulären Stiel. Die Muskelarchitektur mit parallelen, langen Fasern ermöglicht auch bei entsprechender Reduktion durch den Transplantationsprozess eine gute Exkursion der Muskelkontraktion. Ebenso ist eine volumenmäßige Überdimensionierung möglich, um den ca. 50 % Verlust zu kompen-
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sieren und schließlich als Endergebnis eine noch ausreichende Kraft im Muskeltransplantat zu erzielen. Außerdem ermöglicht die von Manktelow et al. 1984 [19] beschriebene territoriale Innervation des M. gracilis eine gleichzeitige Verwendung für zwei Regionen, realistisch für die Augen- und Mundregion. Da diese Innervationsterritorien meist Überlappungen zeigen, verwenden wir ein Muskeltransplantat nur dann gleichzeitig für Mundund Augenregion, wenn die Transposition des M. temporalis als getrennte funktionelle Einheit nicht mehr verwendbar ist. Das ist der Fall bei entsprechenden kongenitalen Aplasien oder bei Verlust des M. temporalis, sei es, dass er rekonstruktiv bereits verwendet wurde oder durch Unfall bzw. vorgängiges Operationstrauma geschädigt wurde. Bei direktem Trauma der Gesichtsmuskulatur kann die verlorengegangene Muskulatur durch ein Muskeltransplantat ersetzt werden und die noch erhaltenen Äste des N. facialis der gelähmten Seite zur Reinnervation des Muskeltransplantates verwendet werden. Verständlicherweise ist dies die prognostisch günstigste Ausgangsituation einer Muskeltransplantation, aber zugleich die seltenere. In den meisten Fällen muss die Fazialisinnervation von der kontralateralen Seite über ein Cross-face-Nerventranplantat zur gelähmten Seite gebracht werden, um die emotionale Kopplung dieses neuen Motors auch sicherzustellen. Das gesamte Rekonstruktionskonzept um die freie Muskeltransplantation umfasst dann in der Regel drei Abschnitte. 1a) Cross-face-Nerventransplantation mit proximalem Anschluss an die durch intraoperative Elektrostimulation selektionierten, möglichst weit peripher durchtrennten Mundäste der gesunden Seite. Nach Tunnelierung und Einziehen des Suralis-Nerventransplantats durch die Oberlippe wird das distale Transplantatende an standardisierter Stelle präaurikulär an der gelähmten Seite markiert und fixiert (Abb. 16.9, 16.12).Wir nähen zu diesem Zweck das Nerventransplantatende mit einer gefärbten 5/0 Nylonnaht knapp vor dem Tragus an der Fascia parotidea fest, um es vor Dislokation zu schützen und um beim Freilegen des Transplantatendes anlässlich der Muskeltransplantation nahe der wiedereröffneten präaurikulären Inzision im Narbengewebe sicher und rasch auf diese Markierung zu stoßen. 1b) Im selben Eingriff wird die Transposition des vorderen Anteils des M. temporalis zum Auge durchgeführt, wodurch bereits kurz postoperativ bezüglich Augenprotektion ein funktioneller Effekt zum Tragen kommt (Abb. 16.10, 16.12). Ist die Verwendung des Temporalismuskels nicht mehr möglich, so wird stattdessen ein zweites Cross-face-Nerventransplantat über die Stirn tunnelierend verlegt und an Augenäste der gesunden Seite angeschlossen (Abb. 16.13). In einem solchen Fall
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c Abb. 16.12 a–e. Erste Operation einer dynamischen Rekonstruktion bei einseitiger, irreversibler Gesichtslähmung: Temporalistransposition und Cross-face-Nerventransplantation. a Hebung des vorderen Anteils des M. temporalis über eine präaurikuläre gegen parietal verlängerte Inzision,Verlängerung der beiden Zügel mit je einem Streifen aus der Fascia temporalis, b Transposition und Verankerung am inneren Lidbändchen, c Vorbereitung des Nerventransplantats aus dem N. suralis zum Einziehen in den Oberlippentunnel; die mit Elektrostimulation selektionierten Mundäste an der gesunden rechten Seite sind angeschlungen, d Nervennaht zwischen proximalen Stümpfen von zwei durchtrennten Mundästen des gesunden N. facialis und dem einen Ende des Cross-face-Nerventransplantats, e Ausschnitt von Abb. 12 d unter dem Mikroskop, perineurale Nervennaht mit 10/0 Nähten
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c Abb. 16.13 a–d. Zweifache Cross-face-Nerventransplantation zur Vorbereitung einer späteren freien Muskeltransplantation mit territorialer Funktionsaufteilung. a Beide Nn. surales sind zur Transplantation entnommen und werden in umgekehrter proximal-distaler Positionierung in die beiden Tunnel an Stirn und Oberlippe mithilfe der vorbereiteten Seidenfäden eingezogen. Die am Vorderrand der Parotis präparierten peripheren Fazialisäste an der gesunden Seite sind angeschlungen. b Meist je zwei der vielen dargestellten gesunden Fazialisäste werden möglichst peripher durchtrennt und mit den Enden der bereits eingezogenen Cross-face-Nerventransplantate koaptiert.c Nervennaht mit den jeweils ausgewählten Fazialisästen unter dem Mikroskop ausgeführt. Nach guter Exponierung zur Nervennaht kann nun der Überschuss gegen Stirn und Oberlippe vorsichtig unter Sicht vorgezogen werden,um die Nervenregenerationsstrecke zu reduzieren.d Beide Transplantatenden werden nun an der gelähmten Seite jeweils mit einer nichtresorbierbaren, gefärbten 5/0 Naht auf Höhe des Tragus gegen die Faszie fixiert und so für die spätere Wiederauffindung unweit der Narbe markiert
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Cross-face Nerventransplantate A., V. temporalis superficialis
Abb. 16.14. Operative Vorbereitungen an der gelähmten Gesichtsseite vor Hebung des Muskeltransplantats. Darstellung und Mobilisierung der beiden Nerventransplantatenden, Darstellung und Vorbereitung der A. und V. temporalis superficialis für den mikrovaskulären Anschluss des Muskeltransplantats, Tunnelierung von Ober- und Unterlid, Vorlegen von Einzugsfäden,Unterminierung der Wangenhaut unter Darstellung und Schonung des Cross-face-Nerventransplantats, Vorlegen der Muskelinsertionsnähte möglichst weit medial an der Ober- und Unterlippe sowie medial der Nasolabialfalte
ist die spätere Muskeltransplantation mit geteilten Innervationsterritorien zu planen. 2) Nach 8- bis 10-monatiger Nervenregenerationszeit wird in einer zweiten Operation die freie Transplantation des M. gracilis mit mikrovaskulären Anastomosen durchgeführt. Das Tinel-Zeichen gibt guten klinischen Aufschluss, ob die Front der durch das Nerventranplantat regenerierenden Nervenfasern das jeweilige distale Transplantatende erreicht hat und nun bezüglich Muskelatrophie die günstigsten Voraussetzungen zur Muskeltransplantation vorliegen.
Die Muskelgefäße des M. gracilis werden meist an die oberflächlichen Temporalisgefäße unter dem Mikro-
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skop angeschlossen, der Muskelnerv an das angefrischte distale Ende des Cross-face-Nerventransplantats. Die Operation beginnt mit der Freilegung dieser Gebilde über die vorgegebene präaurikuläre Inzision der vorangegangenen Operation (Abb. 16.14). Sind die oberflächlichen Temporalisgefäße für den mikrochirurgischen Anschluss nicht geeignet oder vorgängig zerstört, so werden A. und V. facialis für den Anschluss vorbereitet. Dies ist selten notwendig, wenn routinemäßig die temporalen Gefäße bis tief hinter bzw. in die Parotis verfolgt werden. Hier erreichen sie auch stets ein ausreichendes Kaliber. Das Transplantatende wird etwa bis zu Mitte der Wange unter reichlicher Erhaltung des gefäßführenden Epineuriums mobilisiert, um einerseits ausreichende Mobilität für die Nervennaht zum Muskelnerv zu erreichen, aber andererseits die Gefäßversorgung des Nerventransplantats möglichst wenig zu beeinträchtigen. Besondere Vorsicht ist notwendig, wenn nun unter Sicht – die Verwendung eines Kaltlichthakens ist von großem Nutzen – ohne Verletzung des Nervs der Raum für die Aufnahme des Muskeltransplantats präpariert wird. Um das Muskeltransplantat möglichst steil positionieren zu können, muss diese Präparation bis über den Jochbogen in die Schläfenregion, tunnelierend bis in die Mitte der Oberlippe und der Unterlippe und nach kaudal bis zum Unterkieferrand reichen. Eine gewisse Reserve ist nicht nur zur Aufnahme des Muskels, sondern auch für die zu erwartende, beträchtliche postoperative Schwellung notwendig. Im älteren, faltenreichen Gesicht wird in diesem Stadium ein entsprechender halbmondförmiger Hautbezirk in der Nasolabialfalte deepithelialisiert, lateral umschnitten und so als einer der Muskelansatzstellen vorbereitet. Überschüssiges Gewebe in der Wange, besonders über der Eminentia zygomatica wird reseziert, um einen zu prominenten Konturverlauf des Gesichts durch das Muskeltransplantat zu verhindern.Um die Muskelischämie während der Transplantation möglichst kurz zu halten, werden U-Nähte aus spätresorbierbarem Material (2/0) transkutan über Fettgazeröllchen vorgelegt. Soll das Muskeltransplantat auch zum Lidschluss dienen, wird die Augenregion in ähnlicher Weise wie zur Temporalistransposition vorbereitet. Auch hier wird je ein Seidenfaden in das tunnelierte Ober- und Unterlid vorgelegt und der vordere Schenkel des medialen Lidbändchens dargestellt. An der Innenseite des zur Gesichtslähmung gleichseitigen Oberschenkels wird in Längsrichtung über dem M. gracilis die Haut-Subkutis-Schicht inzidiert. Die Richtung ergibt sich aus der Verbindungslinie der Ansatzstelle am Pes anserinus und des tastbaren Ursprungs am unteren Schambeinast. Die Hautinzision beginnt 3 Querfinger unterhalb des Muskelursprungs und sollte die Mitte des Oberschenkels nach distal kaum überschreiten, um den kosmetischen Nachteil zu minimieren. Nach Inzision der Muskelfaszie wird der M. gracilis zunächst in der Mitte von der Umgebung mehr oder we-
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niger stumpf isoliert. Von hier aus erfolgt die vorsichtige Präparation gegen proximal unter Beachtung des am Übergang vom mittleren zum proximalen Drittel von medial in den Muskel tretenden Gefäß-Nerven-Stiel. Zuerst wird dieser dominante Muskel-Gefäß-Stiel sichtbar, welcher beinahe senkrecht an den Muskelhilus herantritt. Indem die Muskelgefäße gegen zentral unter Ligatur von sehr kurzen Seitenästen zu anderen Muskeln der Adduktorengruppe verfolgt werden, lässt sich ein schließlich 4–6 cm langer Stiel darstellen. Er enthält eine Arterie und 2 Begleitvenen, die oft zentral in eine gemeinsame einmünden oder zumindest Querverbindungen aufweisen, sodass eine venöse Anastomose der stärkeren Vene vollkommen ausreicht. Der aus dem N. obturatorius stammende Muskelnerv tritt sehr spitzwinkelig an den Muskel heran. Bei Dissektion unter der Lupe lässt sich dieser Muskelast leicht von den anderen Ästen weit nach proximal auf eine Länge von 6–8 cm isolieren. Meist besteht er aus zwei mittelgroßen Faszikeln, welche voneinander getrennt und durch Elektrostimulation verschiedenen Territorien des Muskels zugeordnet werden können. Dies ist dann notwendig, wenn zwei Cross-face-Nerventransplantate vorbereitet wurden, um schließlich den Augen- und Mundbereich getrennt voneinander zu innervieren. Die Trennung der Innervationsterritorien kann recht scharf sein,oft findet man jedoch ein deutliches Überlappen, was entsprechende Synkinesien der beiden Transplantatanteile erwarten lässt. Das Problem liegt in der Unmöglichkeit, zum Zeitpunkt der Planung eine Aussage über die individuellen, intramuskulären Innervationsverhältnisse zu treffen. Den beiden, so gebildeten neuromuskulären Komplexen wird das jeweilige Cross-face-Nerventransplantat durch eine 10/0 Fadenmarkierung am Epineurium des einen der beiden Faszikel zugeordnet, die Blutversorgung erfolgt für beide Teile über einen gemeinsamen, mikrochirurgisch anschließbaren Gefäßstiel. Nun wird entsprechend den im Gesicht abgenommenen Massen die Grenze des Muskeltransplantats an der Oberfläche des M. gracilis angezeichnet, wobei einerseits der Positionierung des Muskelhilus und der Planung der unterschiedlich langen Muskelansätze für Ober- und Unterlippe sowie etwas kürzer für die Nasolabialfalte besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Im Fall der gleichzeitigen Augensphinkterrekonstruktion durch das Muskeltranplantat sind zwei entsprechend lange und schmale Anteile im entsprechenden Innervationsterritorium für Ober- und Unterlid zu planen, welche nach dem Transfer zum Gesicht, kranial vom Mundanteil zu liegen kommen müssen. Das gleichseitige Bein wird zur Muskelentnahme deshalb verwendet, damit der Muskelhilus in der Tiefe positioniert werden kann, um ihn nicht bei Reoperationen einer Läsionsgefahr auszusetzen. Bevor Muskelfasern durchtrennt werden, muss in situ die Muskelgrundspannung bei gestrecktem Bein
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mit einem an der Muskelfaszie gespannt aufgenähten 6/0 Seidenfaden dokumentiert werden. So kann das Muskeltransplanat im Gesicht wieder bis zur Straffung des Fadens gedehnt und eingenäht werden, der Wichtigkeit der Muskelgrundspannung für das funktionelle Endergebnis wird damit Rechnung getragen. Unter Beachtung der intramuskulären Gefäß- und Nervenverzweigungen wird nun die definitive Form des GrazilisAnteils auspräpariert, nach Anbringen von Mikroklemmen an Muskelarterie und -vene werden die Gefäße und der Muskelnerv möglichst weit proximal durchtrennt und das Muskeltransplantat zum Gesicht transferiert (Abb. 16.15). Der exakten Planung entsprechend wird das Muskeltransplantat mit den vorbereiteten Nähten zunächst inseriert. Im Mundbereich erfolgt die Fixierung transkutan, im Augenbereich am Lig. palpebrale mediale. Der Ursprung wird zumindest kranial bereits an der Temporalisfazie mit nichtresorbierbaren Nähten fixiert, der kaudale Teil wird erst nach Komplettierung der End-zuEnd-Anastomosen unter dem Mikroskop und Koaptation des angefrischten Cross-face-Nerventransplantats mit dem Muskelnerven an der Faszie inseriert. Nun kann der wieder gespannte Seidenfaden von der Muskeloberfläche entfernt werden. Die Nervenenden, vornehmlich der Muskelnerv werden möglichst weitgehend zur Reduktion des Regenerationweges gekürzt. Ist das Transplantatende in Bezug auf den Muskelnerven größer, so werden überschüssige Nerventransplantatfaszikel durch zusätzliche Implantation in das Muskeltransplantat genutzt. Zuletzt wird auch der kaudale Rand des Muskeltransplantats an der Faszie befestigt, wodurch meist die neurovaskulären Anastomosen verdeckt werden. Zur Drainage des Operationsgebietes werden lediglich einige Gummilaschen eingelegt, die präaurikuläre Wunde wird mit resorbierbaren, subkutanen 5/0 Nähten und intrakutanen 6/0 Nähten verschlossen. Zur Entlastung des Muskeltransplantats können äußerliche Suspensionsnähte des Mundwinkels etwa aus 2/0 Nylon verwendet und für 2 bis 3 Wochen belassen werden (Abb. 16.16). 3) Bis zur effektiven Funktionsaufnahme des Muskeltransplantats verstreichen meist mehrere Monate. Ist ein funktionelles Plateau erreicht, so können Nachkorrekturen im Sinne von Hautexzisionen an der gelähmten Seite (Brauenlift, Nasolabialfaltenakzentuierung, einseitige Gesichtsstraffung etc.) und Korrekturen am Muskeltransplantat (Nachspannen, Reduktion bei Überdimensionierung etc.) noch eine wesentliche Verbesserung des definitiven Gesamtergebnisses ermöglichen. Am häufigsten wird zu diesem Zeitpunkt die einseitige Gesichtstraffung an der ursprünglich gelähmten Seite durchgeführt, um dem Absinken der Haut durch ihr Eigengewicht entgegenzuwirken, oft auch in Kombination mit einer Raffung des Muskeltransplantats, wodurch oft noch eine ganz beträchtliche Effizienzsteige-
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Fazialisparese 䉳 Abb. 16.15 a–f. Hebung des M. gracilis als freies Muskeltransplantat zum Gesicht.a Darstellung des Muskelhilus des M.gracilis über eine Längsinzision der Haut-, Subkutis- und Faszienschicht am proximalen, medialen Oberschenkel. Verfolgung und Auspräparation der Muskelarterie mit den beiden begleitenden Muskelvenen entlang den intermuskulären Septen unter Ligatur und Durchtrennung von Seitenästen zu benachbarten Muskeln. Der Muskelnerv aus dem N. obturatorius wird möglichst weit nach proximal verfolgt und in seine meist zwei Faszikel getrennt. Prüfung der Innervationsterritorien durch selektive Elektrostimulation. Dokumentation der Muskelgrundspannung durch Aufnähen eines gespannten 6/0 Seidenfadens vor Durchtrennung des Muskels, b Abtrennung des entsprechenden Muskelteils inklusive Hilus und Aufgliederung des planmäßig distalen Abschnittes in die 5 fingerförmigen Ansätze, zwei für den Augenbereich, drei für den Mundbereich entsprechend der territorialen Innervationszuordnung und nach Übertragung der entsprechenden Distanzen zwischen geplanten Ansätzen und Ursprüngen im Gesicht. Der Seidenfaden an der Muskeloberfläche verläuft nun durch die Muskelverkürzung geschlängelt. Das Muskeltransplantat hängt nur mehr am neurovaskulären Stiel. c Das völlig isolierte Grazilis-Muskeltransplantat ist zur vorbereiteten Gesichtsregion transferiert, Muskelarterie und -vene mit Mikroklemme versehen. d Nach Befestigung des Ursprungs des Tranplantats an der Temporalifaszie mit nichtresorbierbaren Nähten und der Ansätze am Lig. palpebrale mediale bzw. transkutan an Ober-, Unterlippe und Nasolabialfalte sind die End-zu-End-Mikrogefäßanastomosen zwischen A. und V. temporalis superficialis und Muskelgefäßen sowie die interfaszikulären Nervennähte zwischen den distalen Enden der beiden Cross-face-Nerventransplantate und den beiden für Auge und für Mundfunktion zugeordneten Faszikel des Muskelnervs unter dem Mikroskop ausgeführt. Ein überschüssiger Anteil des Cross-face-Transplantats für die Mundfunktion ist zusätzlich in den entsprechenden Muskelanteil implantiert. e In steiler Verlaufrichtung der Fasern des Muskeltransplantats ist der Ursprung vollständig befestigt, der Bereich des Muskelhilus und der Mikroanastomosen in der Tiefe geschützt.f Nach Verschluss der Wunden und transkutaner Fixierung der Transplantatansätze über das Widerlager von Fettgazeröllchen ist die gesamte Gesichthälfte durch die Überdimensionierung des Muskeltransplantats und das Ödem stark geschwollen. Starke äußere Nylonnähte zur passageren Zugentlastung des Mundwinkels
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b Abb. 16.16 a, b. Transplantation des M. gracilis mit mikroneurovaskulären Anastomosen zur Reanimation der Mundregion, a 10 Monate nach Cross-face-Nerventranplantation ist das markierte distale Ende auf Höhe des Tragus nahe der Inzision leicht auffindbar, das Stumpfneurom wird vor dem Nervenanschluss reseziert. b Bei vorgängig zerstörten Temporalisgefäßen werden hier A. und V. facialis als Anschlussalternative gewählt (vor dem Rand des M. masseter angeschlungen). Das Muskeltransplantat aus dem M. gracilis wurde mit seinen drei präparierten Ansätzen für die Mundregion alleine vorbereitet
Abb. 16.17 a, b. Nachkorrekturen nach Erreichen des funktio- 䉴 nellen Plateaus. a Hautexzisionen zur Brauenhebung, Rekonstruktion der Nasolabialfalte und zur einseitigen, symmetrierenden Straffung der gelähmten Gesichtsseite, b Straffung des Muskeltransplantats zur Optimierung der Effizienz der erlangten Kontraktion. Bestimmung des Verkürzungsausmaßes (oben), Knüpfen der vorgelegten, nichtresorbierbaren Raffnähte (unten)
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rung des Muskeltransplantats zu erzielen ist. Die Raffnähte werden nach Mobilisierung des Transplantatursprungs, evtl. nach Kürzung mit nichtresorbierbaren Nähten gegenüber der Faszie fest verankert (Abb. 16.17). Ist die Kontraktion im Muskeltransplantat zu kräftig geworden, wird das Transplantat oberflächlich reduziert, manchmal in ganz umschriebenen Lokalisationen. Selbstverständlich muss eine Läsion des Gefäß-NervenStiels in jedem Fall vermieden werden. Es ist nicht zu übersehen, dass es sich bei diesem Behandlungskonzept um ein sehr aufwändiges handelt, allerdings auch um das einzige, das schließlich eine über Fazialisinnervation gesteuerte Gesichtsbewegung in der ursprünglich gelähmten Gesichtshälfte bieten kann. Neben dem operativen ist der zeitliche Aufwand nicht zu unterschätzen, bis zum funktionellen Endergebnis kann es bedingt durch die summierende Dauer der verschiedenen, komplexen Regenerationsvorgänge in Nerv und Muskel bis zu 2 bis 3 Jahren dauern. Die erreichbaren Ergebnisse lassen diesen Aufwand jedoch verschmerzen. Noch kein einziger der auf diese Weise rekonstruierten Patienten hat bei der retrospektiven Befragung angegeben, dass der Gesamtaufwand zum erreichten Ergebnis unproportional war oder,dass er nicht wieder genau den gleichen Weg einschlagen würde. In der Einschätzung des Ergebnisses beurteilt der betroffene Patient sogar durchschnittlich um eine Stufe besser als der Untersucher, wie wir in einer umfangreichen Studie des psychosozialen Umfeldes dieser Patienten erheben konnten. Die Qualität des erreichbaren Ergebnisses hängt neben den chirurgischen Maßnahmen ganz wesentlich von der Nachbehandlung in Form von Elektrostimulation und Bewegungstherapie ab, aber genauso von der Motivation des Patienten, durch langfristiges Bewegungstraining des Gesichts, die wiedererlangte Muskelfunktion an der ursprünglich gelähmten Seite harmonisch in den mimischen Bewegungsablauf einzugliedern. So empfehlen wir, wenige Wochen nach der tatsächlichen Muskeltransplantation, mit der flächenhaften transkutanen Stimulation des Transplantatmuskels zu beginnen, um ihn vor allzu großer Atrophie bis zum Beginn der Reinnervation zu bewahren. Ein brauchbarer Stimulationseffekt kann jedoch nur erzielt werden, wenn die Zahl der Gesamtstimuli pro Tag eine kritische Grenze überschreitet. Daraus ergibt sich, dass in der Praxis nur mit einem Heimgerät und bei täglicher Stimulation ein relevanter Effekt erzielt werden kann. Aktives mimisches Bewegungstraining wird dann umso wichtiger, wenn das Muskeltransplantat allmählich seine Funktion aufnimmt. Ziel dieses Trainings muss es dann in überlappender Ablösung der Elektrostimulation sein, die Kontraktionskraft und den Kontraktionsweg aufzutrainieren und zu erlernen, die Bewegung des Muskeltransplantats in den Gesamtablauf der Gesichtsbewegung zu integrieren.
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16.2.6.2 Einzeitig freie funktionelle Transplantation Einzeitige Muskeltransplantation mit kontralateralem Fazialisnervenanschluss Koshima [16] brachte die Idee auf, anstatt der zweizeitigen Rekonstruktion mit Cross-face-Nerventransplantation und freier Muskeltransplantation den gleichen Effekt mit einer einzeitigen Muskeltransplantation zu erreichen, indem ein besonders langer Muskelnerv direkt kontralateral an einem gesunden Fazialisnervenast angeschlossen wird. Er verwendete dafür den M. rectus femoris, andere Autoren schlugen den M. abductor hallucis, den M. gracilis, bzw. den M. latissimus dorsi dafür vor. Harii [14] berichtete anhand einer größeren Vergleichsgruppe – Teil des M. latissimus dorsi einzeitig versus M. gracilis nach Cross-face-Nerventransplantation zweizeitig – dass ähnliche Resultate allerdings etwas rascher zu erzielen wären. Unseres Erachtens spricht eine größere Zahl von Nachteilen gegen das einzeitige Verfahren und wir konnten nicht zuletzt anhand der 3D-Bewegungsanalysen zeigen, dass für gute, detaillierte und regional differenzierte Ergebnisse ein Vorgehen in mehreren operativen Schritten zu bevorzugen ist [11].
Einzeitige Muskeltransplantation beim Moebius-Syndrom Eine andere Situation ist die beidseitige Gesichtslähmung, z. B. im Rahmen des Moebius-Syndroms. Dann kommt der kontralaterale Gesichtsnerv nicht als Reinnervationsquelle für ein freies Muskeltransplantat in Frage und die einzeitige Vorgangsweise – wir verwenden den M. gracilis – ist das Verfahren der Wahl. Ein ipsilateraler Fremdnerv muss dann als Reinnervationsquelle dienen, entweder der N. hypoglossus oder der N. massetericus. Das Fehlen jeder Fazialisinnervation führt dann zumindest zu recht symmetrischen Bewegungen, da die Kontrolle des Muskeltransplantats an beiden Seiten vom gleichen Fremdnerven kommt. Die freie funktionelle Muskeltransplantation bevorzugen wir jedenfalls für jede Seite als getrennten Eingriff, üblicherweise in einem Abstand von einem halben Jahr.
16.2.7 Fremdnervenpfropfung Alle möglichen motorischen Nerven der Gesichts- und Halsregion wurden herangezogen, um die gelähmte Muskulatur bei Fazialisparese zu reinnervieren. Naheliegend sind der N. hypoglossus, der N. massetericus als motorischer Ast aus dem N. trigeminus und der N. accessorius. Kritischer Aspekt dieser Methode der Fremdnervenpfropfung sind unkontrollierte Mitbewegungen des
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Gesichtes bei Willkürbewegungen im ursprünglichen Versorgungsgebiet des Fremdnerven, d. h. bei Verwendung des N. hypoglossus Grimassieren beim Essen oder Sprechen durch Zungenbewegungen, bzw. im Fall des N. accessorius Grimassieren beim Schulterheben. Manchmal zwingt diese auffällige, unkontrollierbare Mitbewegung zur Aufhebung dieser chirurgisch herbeigeführten Nervenverbindung. Probleme durch Ausfall der ursprünglichen Fremdnervenfunktion können durch teilweise Erhaltung dieser Nerven gemildert werden. Die weiter verbreitete und auch heute noch an so manchem Zentrum durchgeführte Hypoglossuspfropfung auf den distalen N. facialis ist dann nicht mehr vom einschneidenden Defizit der einseitigen Zungenlähmung begleitet, sondern von einem kompensierbaren Teildefizit. Wesentlicher Nachteil der erzielten Beweglichkeit der Gesichtsmuskulatur ist ein hoher Grad von Synkinesie und das Fehlen der emotionalen Kontrolle, selbst dann wenn das Einbinden dieser mimischen Bewegung in ein artifizielles Lächeln durch viel Üben gelungen ist.
16.2.7.1 N. hypoglossus (N. XII) Für zwei Situationen hat auch noch heute die Hypoglossuspfropfung ihre Berechtigung: Erstens bei der beidseitigen, meist angeborenen Fazialisparese (MoebiusSyndrom), aber auch hier ist wegen der fehlenden Innervierbarkeit der bodenständigen, atrophen Gesichtsmuskulatur eine freie Muskeltransplantation am sinnvollsten, zur Innervation muss dann allerdings der N. hypoglossus herangezogen werden, solange sichergestellt ist, dass auch nicht dieser Hirnnerv durch nukleäre Aplasie fehlt. Zweitens kann eine Teilpropfung des N. hypoglossus nach dem Vorschlag von Terzis [26] im Sinne eines „Babysitters“ die betroffene Gesichtsmuskulatur bis zur N. facialis-gekoppelten Reinnervation in besserem Zustand halten. Die Schwierigkeit dieses Konzepts liegt in der richtigen Balance zwischen Hypoglossus- und Fazialis-Steuerung. Ein einmal etabliertes Übergewicht des N. hypoglossus ist kaum mehr durch die zusätzliche Innervation durch vom N. facialis der Gegenseite abhängige Nervenfasern zu durchbrechen, da eine bereits innervierte Muskelfaser gegen weitere Innervation geschützt ist und Mehrfachinnervationen kaum zu beobachten sind.
16.2.7.2 N. massetericus (N. V) Der N. massetericus wird dann bei der beidseitigen Gesichtslähmung herangezogen, wenn der N. hypoglossus nicht als Reinnervationsquelle zur Verfügung steht. Dies ist etwa beim Moebius-Syndrom der Fall, wenn die
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Kernaplasie auch den N. hypoglossus betrifft oder hier zumindest eine deutliche Hypoplasie besteht. Manche Autoren bevorzugen diesen Nerven prinzipiell gegenüber dem N. hypoglossus.
16.2.8 Statische, symmetrierende Korrekturen durch Hautexzisionen Beim Einsatz von Hautexzisionen zur Symmetrierung des Gesichtes, vornehmlich in Ruhestellung, müssen verschiedene Faktoren überlegt werden. Wichtig zum Beispiel ist es, ob es sich um ein Kind oder einen älteren Patienten handelt. Beim Kind ist die Asymmetrie in Ruhe bei weitem nicht so stark ausgeprägt wie beim älteren Patienten, ein weiterer altersbedingter Unterschied liegt in der Ausprägung der Hautfalten und der allgemeinen Narbenbildung. Dementsprechend wird man beim Kind mit fehlenden Hautfalten zum Verbergen der manchmal auch stärker ausgebildeten Narben sehr zurückhaltend mit der Indikationsstellung für Hautresektionen sein. Unbedingt Berücksichtigung muss die gesamte Planung der Rekonstruktion finden, da evtl. dasselbe Ziel durch geplante funktionelle Rekonstruktionen ohnehin zu einem späteren Zeitpunkt erreicht wird. (Zum Beispiel kann der zunehmende Tonus eines funktionellen Muskeltransplantats die Nasolabialfalte an der ursprünglich gelähmten Seite andeuten.) Im Rahmen eines funktionellen Rekonstruktionskonzeptes müssen also Korrekturen durch Hautresektionen am Ende, d. h. erst nach Erreichen eines funktionellen Endergebnisses, stehen (Abb. 16.17).
16.2.8.1 Brauenanhebung An der Stirn gehört die einseitige, symmetrierende Brauenanhebung zu den effektvollsten Maßnahmen. Besonders beim älteren Menschen ist durch die Laxität der Haut eine störende Differenz der Höhe der Braue gegeben, in manchen Fällen mit deutlichem Überhang gegen das Oberlid und dadurch bedingten Abdrängen der Oberlidkante nach kaudal bis über den Pupillarrand. Die Operation besteht in einer sichelförmigen Hautexzision oberhalb der Braue in der Weise, dass schließlich die Narbe am Oberrand der Brauenbehaarung zu liegen kommt und durch diese verborgen wird. Die Schwierigkeit dieses relativ kleinen Eingriffs ist die richtige Bestimmung des Exzisionausmaßes, da die Verhältnisse in aufrechter Kopfposition und bei normalem Muskeltonus an der gesunden Seite, also noch ohne Narkose festgelegt werden muss. Eine gewisse Überkorrektur ist anzustreben, da ein gewisses Nachgeben und Absinken postoperativ zu erwarten ist.
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16.2.8.2 Rekonstruktion der Nasolabialfalte Bei markanter, tiefer Nasolabialfalte an der gesunden Gesichtsseite stellt die Rekonstruktion der Nasolabialfalte an der ursprünglich gelähmten Seite eine effektvolle, ergänzende Maßnahme dar. Durch Deepithelialisierung eines sichelförmigen Hautareals gelingt es, eine nach lateral prominente Falte zu erzeugen, die in Ruhe statische Symmetrie vermitteln kann. Zusätzlich kann der deepithelialisierte Anteil als Ansatz dynamischer Rekonstruktionmaßnahmen dienen, sei es als einer der Ansätze eines freien Muskeltransplantats, eines transponierten Temporalis- oder Masseter-Muskels oder auch heute kaum noch verwendeter Fasziensuspensionen. Wird die neue Nasolabialfalte als Muskelansatz verwendet, so wird diese Operation zugleich mit der Muskeltransposition oder -transplantation ausgeführt. In einem solchen Fall geht der operationstechnische Vorteil vor.
16.2.8.3 (Einseitige) Gesichtshautstraffung Der fehlende Muskeltonus der mimischen Muskulatur mit ihren multiplen Einstrahlungen in die Haut verursacht eine entsprechende, der Schwerkraft folgende Ptose der gesamten Gesichtshaut. Je weiter die allgemeine Laxität der Haut fortgeschritten ist, um so mehr ist mit einer einseitigen Gesichtsstraffung ein wesentlicher Effekt zu erzielen. Auch hier gilt das Prinzip, dass diese präaurikuläre Hautexzision nach entsprechender Mobilisation erst dann ausgeführt werden sollte, wenn keine weiteren funktionellen Rekonstruktionen vorgesehen sind. Die definitiven Hautexzisionen müssen auf das funktionelle Rekonstruktionsergebnis abgestimmt werden. Im Fall der Muskeltransplantation wird zusätzlich der größere, präparierbare subkutane Raum für die Unterbringung eines überdimensionierten Muskeltransplantats und die postoperative Schwellung gebraucht. Andernfalls wären die Mikrogefäßanastomosen durch die Druckerhöhung gefährdet.
16.2.8.4 Korrekturen der paretischen Ober- und Unterlippe Trotz des Versuchs,die an den Lippen und am Mundwinkel inserierten, transponierten oder transplantierten Muskeln möglichst in dynamische Verbindung zur gesunden Seite zu bringen, bleiben oft Deformierungen der paretischen Lippenanteile zur Sekundärkorrektur. Meist sind es vom Inneren der Lippen durchgeführte Schleimhautexzisionen, die zu breite oder evertierte Lippen symmetrieren. Falls die paretische Lippenhälfte zwischen dem gesunden M. orbicularis oris und dem nun funktionierenden Muskeltransplantat dilatiert wird
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und so die Asymmetrie verstärkt und vor allem auch das Philtrum aus seiner medianen Position gezogen wird, empfiehlt sich die stabilisierende Implantation von Faszien- oder Sehnenstreifen, um die beiden dynamischen Systeme aneinander zu koppeln.
16.2.9 Suspension durch Faszienstreifen, Sehnen oder Kunstmaterialien Zur Suspension des Unterlids und des Mundwinkels wurden Streifen und Bänder aus vielfältigsten Materialien verwendet. Kunstmaterialien werden wegen der unvergleichlich höheren Komplikationsrate praktisch nicht mehr verwendet, am häufigsten sind es Anteile der Fascia temporalis, wegen ihrer topographischen Nähe, Anteile der Fascia lata wegen ihrer Dimensionen und die Sehne des M. palmaris longus. Die Temporalisfaszie ist bei der Transposition des Temporalismuskels bereits im Operationsfeld exponiert, sodass ihre Verwendung zur Verlängerung des Aktionsradius des transponierten Muskels naheliegend ist. Wir verwenden sie fast immer für eine verlässliche Verankerung der beiden, in Ober- und Unterlid eingezogenen Temporalismuskelstreifen am medialen Lidbändchen. Für die reine Fasziensuspension des Mundwinkels wird meist ein ausreichend langer Streifen der Fascia lata verwendet, einerseits um den Jochbogen geschlungen und andererseits, meist über die Vermittlung eines semizirkumoralen Faszienstreifens, am Mundwinkel befestigt. Durch den zweiten Faszienanteil parallel zum paretischen Mundsphinkter wird eine einseitige Ausweitung der gelähmten Mundspalte verhindert. Diese Technik kann auch ausgenutzt werden, wenn ein Muskeltransplantat bis zum kontraktilen Mundsphinkter der gesunden Gesichtsseite Anschluss erhalten soll. Faszie kann somit als statische Suspensionsvorrichtung und als Verlängerung eines Muskelansatzes verwendet werden, aber auch zur regionalen Stabilisierung, um die Verziehung und Ausweitung paretischer Bezirke zu verhindern. Als alternatives Transplantat steht die Sehne des M. palmaris zur Verfügung. Wir verwenden fast ausschließlich die Fascia temporalis wegen der raschen Verfügbarkeit und der unauffälligen Entnahmestelle. Langstreckige Suspensionen führen wir kaum durch, vielmehr haben – bei Kontraindikation zur freien Muskeltransplantation – bei derselben Indikation Muskeltranspositionen Priorität.
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16.2.10 Postoperative Nachbehandlung Das letztlich erzielbare Ergebnis hängt wesentlich von der postoperativen Therapie ab. Die dynamischen, aber auch die statischen Korrekturen bedürfen einer konsequenten, langfristigen physikalischen Therapie. Hauptaufgabe dieser Bewegungsübungen muss es sein, einen möglichst harmonischen Ablauf der Gesichtsbewegungen unter den veränderten Verhältnissen weitgehend wieder zu erlernen. Ist ein neuer Motor zur Reanimation der gelähmten Gesichtsseite eingesetzt worden, so geht es neben der möglichst guten Integration auch um ein aktives Muskeltraining, um Kontraktionskraft und exkursion zu steigern. Elektrostimulation mit entsprechender Applikationsfrequenz, d. h. täglich angewendet, ist als zusätzliche Maßnahme geeignet, ein Muskeltransplantat bis zum Zeitpunkt der Reinnervation vor zu starker Denervationsatrophie zu schützen und bei beginnender Reinnervation die Muskelfasern in ähnlicher Weise wie das aktive Training zu stärken. Ein reinnervationsförderlicher Effekt durch die Elektrostimulation konnte bislang nicht eindeutig nachgewiesen werden. Bei sicherer Wundheilung sollte die Elektrostimulation des Muskeltransplantats 6 Wochen nach der Operation beginnen und mit entsprechender Intensität – sinnvollerweise 2mal täglich für 15–30 min – bis zu dem Zeitpunkt weitergeführt werden, an dem durch Willkürkontraktion das Transplantat weiter auftrainiert werden kann.Verständlicherweise ist die Dauer vorteilhafter Stimulation von den individuellen Regenerationsfortschritten abhängig. Gleiche Überlegungen können bei der Reinnervation der bodenständigen, gelähmten Gesichtsmuskulatur via Cross-face-Nerventransplantate gelten; aber auch bei inkompletten Läsionen, wo eine kleine Population funktionierender Muskelfasern zur Hypertrophie gebracht werden sollen. Da die Gesamtzahl von Stimuli pro Zeiteinheit ausschlaggebend ist, erfordert ein realistisches Elektrostimulationsprogramm den Einsatz eines Heimstimulationsgerätes.
16.2.11 Erzielbare Ergebnisse Die Komplexität sowohl des Krankheitsbildes als auch der rekonstruktiven Maßnahmen deuten bereits darauf hin, dass die Quantität und die Qualität der erzielbaren Ergebnisse sehr unterschiedlich sind. Statische Maßnahmen sind bezüglich ihrer Wirkung eher im voraus kalkulierbar, dynamische Rekonstruktionen sind in ihrem funktionellen Effekt infolge vieler zusätzlicher Faktoren viel schlechter vorhersehbar (Abb. 16.18 bis 16.20).
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b Abb.16.18.a Kongenitale,einseitige Gesichtslähmung rechts mit ausreichender Funktion des M.orbicularis oculi und völlig fehlender Funktion des Lächelns mit entsprechender statischer und dynamischer Asymmetrie präoperativ, b funktionelles Ergebnis 18 Monate nach freier Muskeltransplantation aus dem M. gracilis, reinnerviert über ein 8 Monate zuvor durchgeführtes Cross-face-Nerventransplantat zu einem Levatorenast des gesunden N. facialis. Neben einem hohen Grad an Ruhesymmetrie wurde eine sehr gute, symmetrische und emotional gesteuerte Bewegung des Lächelns erzielt
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d Abb. 16.19 a–d. Irreversible, posttraumatische Gesichtslähmung links, die bereits im Kindesalter durch M.-temporalis-Transposition zum Mund zu korrigieren versucht wurde. a Präoperativ defizitärer Augenschluss, c defizitäres Lächeln, d durch ein territorial differenziertes M.-gracilis-Transplantat nach zweifacher Cross-face-Nerventransplantation ist 1 Jahr nach letzten Nachkorrekturen eine unabhängige Bewegung im Augen- (b) und im Mundbereich (d) erreicht
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d Abb. 16.20. a, c Komplette rechtsseitige Gesichtslähmung bei einem siebzigjährigen Patienten nach Entfernung eines Akustikusneurinoms, b, d die multiplen einzeitigen Korrekturen mit Brauensuspensionsplastik, M.-temporalis-Transposition zum gelähmten Auge, Rekonstruktion der Nasolabialfalte durch nasolabiale Dermissuspensionsplastik und Transposition eines M.-masseter-Anteils zur Verbesserung der Mundwinkelhebung hat für diesen älteren Patienten eine rasche Verbesserung durch eine bessere Symmetrierung des Gesichts, einen kompetenten Augenschluss und durch eine gewisse Reanimation des Mundregion mit verbessertem Wangentonus gebracht. b Augenschluss, d Lächeln
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III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 17
U.T. Hinderer
Inhalt 17.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . . . 17.1.1.1 Die Schläfenregion . . . . . . . . . 17.1.1.2 „SMAS“,„Retinacula cutis“ und „Retaining ligaments“ . . . . . 17.1.1.3 Augenlider und periokularer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . 17.1.1.4 N. fazialis und Facelifting . . . . . . 17.1.2 Allgemeine Betrachtungen zum Altern . . . 17.1.3 Geschichte der Gesichtsstraffung . . . . . . 17.1.3.1 Die subkutane Rhytidektomie . . . 17.1.3.2 Wegbereiter zur aktuellen mehrschichtigen Technik . . . . . 17.1.3.3 Zusatzkorrekturen . . . . . . . . . 17.1.3.4 Die minimal-invasive Chirurgie mittels endoskopischer Techniken 17.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . . . 17.2.1 Die präperiostale Sub-SMAS-Rhytidektomie der oberen zwei Drittel des Gesichts . . . . 17.2.1.1 Die temporale präperiostale Sub-SMAS-Straffung des periokularen Rahmens und des Mittelgesichts mit kurzer Inzision . . . . 17.2.1.2 Die temporale und transpalpebrale präperiostale Sub-SMASStraffung der oberen zwei Drittel des Gesichts mit kurzer Inzision . . 17.2.1.3 Die frontotemporale präperiostale Sub-SMAS-Straffung von Augenlidrahmen und Mittelgesicht mittels Koronarinzision. . . . . . .
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17.2.2 Der seitliche Zugang zur Straffung des mittleren und unteren Gesichts und des Halses . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.2.1 Technik nach Jost-Levet . . . . . 17.2.2.2 Korsett-Platysmaplastik nach Feldman . . . . . . . . . . . 17.2.2.3 Die vertikale Straffung des unteren lateralen Mittelgesichts und Halses mit SMAS-Stabilisierungsnähten . . . . . . . . . . . 17.2.3 Chirurgische Zusatzkorrekturen . . . . . . 17.2.3.1 Korrekturen der alternden Lippe 17.2.3.2 Korrektur der tiefen Nasolabialfalte . . . . . . . . . . 17.2.3.3 Chirurgische Modulation des Augenlidrahmens . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 516 . 517 . 519
. 523 . 529 . 529 . 531 . 532 . 535
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Gesichtsstraffung
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17.1 Allgemeines Um lang anhaltende Ergebnisse eines natürlichen, nicht operierten Aussehens zu erreichen, die sowohl für den Chirurgen als auch für den Patienten zufriedenstellend sind, ist es erforderlich, dass der Chirurgie des alternden Gesichts eine minuziöse präoperative Untersuchung und eine eingehende Besprechung mit dem Patienten vorausgeht und die Durchführung unter Ausnutzung der bestmöglichen Techniken multimodal und sorgfältig erfolgt.
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17.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie 6
17.1.1.1 Die Schläfenregion Der Temporalmuskel ist von der Fascia temporalis bedeckt, die sich oberhalb des Arcus zygomaticus in eine Lamina superficialis und Lamina profunda teilt und zwischen beiden Schichten Fettgewebe enthält. Dubin et al. [24] stellten 1989 fest, dass auch etwas Fett zwischen der Faszie und dem Muskel nach unten bis zum Bichatschen Corpus adiposum reicht, das tiefe temporale Fett. Die Temporalfaszie setzt längs der Crista frontalis lateralis und an der oberen Temporallinie sowie mit der Lamina superficialis an der lateralen Orbita und am vorderen Rand des Jochbeinbogens an, wo sie mit dem Periost verschmilzt. Die Temporalfaszie ist von einem gut kapillarisierten areolaren, mehrschichtigen Gewebe bedeckt, das insbesondere von Tolhurst et al. [117], aber auch von Firmin (1996, persönl. Mitteilung) beschrieben und „Subgalealfaszie“ benannt wurde. Es ist aufgrund seines Gefäßreichtums sehr gut für Lappenplastiken im Gesichtsbereich geeignet [12] und auch, als freies Transplantat, von Hinderer 1995 [61] zur Behandlung der alternden Lippe verwendet worden.
17.1.1.2 „SMAS“,„Retinacula cutis“ und „Retaining ligaments“ Die Subgalealfaszie ist von der Fascia temporoparietalis, Ausläufer der Galea und des M. frontalis, bedeckt. Dieser ist Teil der oberflächlichen mimischen Muskulatur des SMAS („superficial musculoaponeurotic system“), wie auch der M. orbicularis oculi, der M. corrugator und M. procerus, die Mm. levator alaeque nasii und levator labii superioris, der M. risorius und das Platysma. Die stufenweise Anordnung der Muskel und ihre Innervation wurde eingehend von Freilinger et al. [28] beschrieben. Bedauerlicherweise werden in den USA nicht die „Nomina anatomica“ verwendet, sondern die Temporalisfaszie als „deep temporal fascia“ und die Fascia tem-
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Abb. 17.1. Die „retaining ligaments“ unterteilen das Gesicht in eine laterale, unbeweglichere Region der Kaufunktion und einen vorderen mobilen Anteil, der für das Minenspiel verantwortlich ist und am Kinn vom vorderen Unterkieferligament, der die vordere Grenze zur „Jowl“ bildet, begrenzt wird. 8 das orbitale Ligament (Hinderer 1987 [83]), 1 das Jochbeinligament [7], 2–3 das „Parotis-Masseterfaszie/Platysma-SMAS-Ligament [70, 113], 7 vorderes Unterkieferligament [31]. Zwischen M. orbicularis oculi und den Mm. zygomatici verbinden feine Bindegewebsfasern Dermis und Periost, das Orbikularisligament 4, [52]. Entsprechende Fasern wurden von Pessa u. Garza [105] als „malar septum“ bezeichnet. 5 Platysma-auricular-Ligament [31]
poroparietalis als „superficial temporal fascia“ bezeichnet, was zu Verwechslungen führen kann. Das SMAS ist eine fibroelastische Schicht, die die Muskeln einhüllt und als Verteiler mimischer Muskelkontraktionen agiert. Dermis und SMAS bilden insofern eine Einheit, als sie durch fibröse Septa im Fettgewebe der Hypodermis, den „Retinacula cutis“, verbunden sind. Unter dem SMAS befindet sich das subkutane Fett, das die Beweglichkeit der SMAS-Komponenten ermöglicht. Furnas [31] gebührt die Anerkennung, 1989 die fibrösen Verbindungen zwischen SMAS und den tiefen Muskelfaszien bzw. dem Periost als „retaining ligaments“ beschrieben und bezeichnet zu haben. Diese sind von Patient zu Patient variabel, begrenzen die Tendenz zur
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Gesichtsstraffung
Abb.17.2. Anatomisches Fundament der präperiostalen Straffung des periokularen Rahmens der Augenlider. Die oberen zwei Drittel der Weichteile des Gesichts können beim Kadaver nach periokularer Umschneidung von Haut und SMAS unter starkem Zug vom Periost abgezogen und dann,wie auch nach intraoperativer Unterminierung, lateral vertikal nach oben rotiert werden. Die Aufwärtsbewegung wird letztendlich nur durch das laterale Kanthalligament (1), das Supraorbitalbündel (2) und den Korrugatormuskel begrenzt. Das orbitale Ligament und die Fasern des unteren Orbikularisligaments zum Periost sind zwar wesentliche Hemmnisse gegen die Ptosis der periokularen Weichteile, bieten jedoch weniger Resistenz gegen die Aufwärtsrotation am Kadaver. Falls die „retaining ligaments“ jedoch durchtrennt werden, ist es erforderlich, sie intraoperativ durch andere Stabilitätsfaktoren zu ersetzen. 4,5 Intraseptale Fettvorverlagerung, 6 Arcus marginalis, 7 M. frontalis. (Aus [59])
Abb. 17.3. Oben links: Das Orbitalligament, das die Fascia temporoparietalis mit der Fascia temporalis verbindet. Oben rechts: Lateral der Crista frontalis lateralis durchquert ein Ast der A. temporalis profunda anterior (Ramus der A. maxillaris interna) den M. und die Fascia temporalis und anastomosiert auf der Fascia temporoparietalis mit Gefäßen des vorderen Asts der A. temporalis superficialis [51]. Unten links: Die Fasern des unteren Orbikularisligaments (1, 2) verbinden Dermis und Periost zwischen dem M. orbicularis und den Mm. zygomatici. SMAS (3) und der M. orbicularis oculi (4) sind nach lateral abgelöst. Unten rechts: Die ligamentösen Faserbündel zwischen der Parotis und Masseterfaszie und dem Platysma-SMAS. (Aus [51])
Ptosis aufgrund der Schwerkraft und bestimmen somit das Muster der absinkenden Haut. Mehrere fibröse Fixierungen des SMAS wurden jedoch schon vorher beschrieben. Schon 1925 differenzierte der französische Gesichts- und Kieferchirurg Virenque [124] die subkutanen Weichteile zwischen einer vorderen beweglichen und einer hinteren, resistenten und unbeweglicheren Parotisregion, an der er mit Ein-
zelknopfnähten die vordere befestigte, um das Ergebnis u.a. von Nasolabialfalten oder eines Doppelkinns zu verbessern (Virenque’s Arbeit wurde von Vrebos u. Dupuis 1998 [125] wiederentdeckt), 1960 empfahl Aufricht [3], ebenfalls eine Faltung (Plikation) im unteren Gesichtsbereich vorzunehmen (Abb. 17.1, 17.2). Die Grenze zwischen der hinteren Kauregion und dem medialen mimetischen und beweglichen Mittelge-
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Gesichtsstraffung
sicht, aber auch der Stirn, zieht sich von dem von Hinderer 1987 beschriebenen und von Knize [1996] benannten „Orbitalligament“, über das „Jochbeinligament“ von Bossé u. Papillon [7] zu den „Parotis-Masseter-Ligaments“ die sich etwa 1 bis 2 cm hinter dem vorderen Masseterrand bis zum Unterkieferrand und Ohransatz erstrecken [70, 113]. Im Jahr 1987 empfahl Hinderer, die fibrösen Fixierungen im Bereich der unteren Crista frontalis lateralis zu durchtrennen, um die Braue mobilisieren zu können. Er machte des Weiteren auf einen Ast der A.temporalis profunda anterior (Ramus der A. maxillaris interna) aufmerksam, der den M. temporalis durchquert und mit Gefäßen des vorderen Astes der A. temporalis superficialis anastomosiert, und empfahl dessen Ligatur. Das Gefäß wurde bereits 1865 im Atlas von Béraud [5] eingezeichnet. Die Satellitenvene wurde 1991 von De la Plaza [20] „Sentinel-Gefäß“ genannt (Abb. 17.3). Bossé u. Papillon [7] veröffentlichten 1987 die fibröse Verbindung der Dermis mit dem Periost im Bereich des unteren Jochbeins, unmittelbar hinter dem Ansatz der Mm. zygomatici, und empfahlen sie zu durchtrennen, um die Weichteile nach oben straffen zu können. Es besteht noch die Kontroverse, ob die Parotis direkt durch Platysmamuskel oder auch von einer unabhängigen Faszie bedeckt ist. Einige Autoren [78, 79, 80, 81, 87] glauben, dass es sich um die gleiche Struktur entsprechend allen anderen Säugetieren handelt. Hinderer et al. stellten 1986 und 1987 fest, dass das Platysma-SMAS und die Parotisfaszie als gemeinsame Schicht am Periost des unteren Jochbeinbogens ansetzen und im Bereich der Parotis und auch des Masseters durch feste Bindegewebsfaserbündel verbunden sind, zu denen wahrscheinlich das Platysma-auricular-Ligament gehört. Zwei weitere Ligamenta sind in Bezug auf die Chirurgie des alternden Gesichts wesentlich: das vordere Unterkieferligament [31], das die vordere Grenze zur sog. „Jowl“ bildet (die hintere Grenze wird durch den unteren Kieferansatz des „Masseter-parotis-Ligaments“ begrenzt). Das zweite ist das untere „Orbicularis oculi-Ligament“, das ebenfalls 1987 von Hinderer beschrieben wurde. Es besteht aus feinen Fasern, die die Dermis zwischen dem M. orbicularis oculi und den Mm. zygomatici mit dem Periost der Maxilla und des Jochbeins verbindet. Bereits 1979 wurde von Lang et al. [84] über diese Fasern berichtet. Pessa u. Garza [105] haben 1997 entsprechende Fasern als „Malar septum“ bezeichnet.
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Abb. 17.4. Die quantitative Diagnose der Augenlider und des Augenlidrahmens [42, 43] ermöglicht es, wesentliche Daten und die Symmetrie quantitativ zu erfassen: Die vertikale, mediale und laterale Augenlidfissur (3, 4) sollte etwa gleich sein und die transversale Fissur bei der Ablichtung für die quantitative Erfassung etwa 30 mm betragen. Der Transversalachsenwinkel (5) sollte positiv, d. h. der laterale Kanthus oberhalb des medialen sein. (Aus [51], mod. nach [43])
17.1.1.3 Augenlider und periokularer Rahmen Der Prozess kann alle Strukturen individuell verschiedenartig betreffen und daher auch verschiedenartige Lösungen erfordern. 1975 empfahl Hinderer [43] die quantitative Diagnose mittels Teleaufnahmen bei senkrechter Kopfhaltung und Ablichtung der Augenlider entsprechend der etwa 30 mm breiten Lidachse. Sie ist besonders bei Asymmetrien und Sekundäroperationen neben einer qualitativen Untersuchung von Nutzen (Abb. 17.4). Beim jugendlichen Auge verläuft der untere Lidrand fast horizontal und bedeckt die Sklera. Der prätarsale M. orbicularis ist füllig, sodass in der Jugend eine wenig ausgeprägte, etwas nach außen und unten abgeschrägte Falte direkt unter dem unteren Tarsalrand entsteht. Von lateral aus gesehen bildet sie den tiefsten Punkt des Augenlids. Unter diesem geht das Unterlid ohne Vertiefung des Sulcus nasopalpebromalaris in die Rundung der Wange bis zur Nasolabialfalte über, die jedoch beim Jugendlichen kaum auffällt. Im Alter lässt die Spannung von Haut, SMAS und Bindegewebsstrukturen der Augenlider und der Periokularregion nach, sodass sie sich dehnen und aufgrund der Schwerkraft absinken.Sowohl der prätarsale, als auch der präseptale und prämaxillare M. orbicularis oculi werden hypotonisch, weiten sich und werden ptotisch. Der Sulcus nasopalpebromalaris sinkt ab und bildet oder vertieft Augenringe,da auch das Mittelgesicht aufgrund der Schwerkraft absinkt. Dies bildet dann einen Wulst über der vertieften Nasolabialfalte. Das Fett unter dem Jochbein sinkt ebenfalls ab, und es kann eine nach außen und unten sichtbare Depression entstehen.
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Von der Seite aus gesehen wird das Augenlid beim Altern nicht nur flacher, ausgenommen bei intraseptaler Fettvorverlagerung, sondern auch vertikal bedeutend länger, und auch das Mittelgesicht verliert seine jugendliche Konvexität. Zusätzlich können die Gewebsschrumpfungen knöcherne Konturen des unteren Orbitarandes erscheinen lassen („Skeletonisierung“ nach Hamra [36]). Die Augen erscheinen häufig tiefliegender. Die Dehnung der Stützstrukturen der Augenlider, einschließlich des Lockwood-Ligaments, können eine geringe Absenkung des Augapfels mit sekundärer Protrusion des vorderen Orbitalfettes hervorrufen und dadurch Augensäcke verursachen, insbesondere wenn die Haut, der M. orbicularis und das Septum an Spannung verlieren. Die Spannung des äußeren Kanthalligaments kann auch nachlassen, sodass die transversale Augenlidachse lateral nach unten abweicht und der Winkel in Bezug zur Horizontalen,negativ wird.Dies kann dann eine Blepharokanthoplastik [42, 43] oder Kanthopexie erforderlich machen. Wenn das Ligament neben einer Hypotonie des M. orbicularis an Spannung verliert und sich Tarsus und Augenlidrand dehnen, entsteht, besonders lateral, eine Wölbung des Randes nach unten mit geringerer Anpassung an den Augapfel sowie eine vermehrte Sichtbarkeit der Sklera mit Tendenz zur Epiphora, da auch das Punctum lacrimale den Kontakt zum Augapfel verlieren kann. Ein vertikales subperiostales Lifting hebt zwar das Mittelgesicht an und wirkt daher verjüngend, bessert jedoch nicht die Tiefe des Sulcus nasopalpebromalaris, da der M. orbicularis oculi und sein unterer Rand nicht unterminiert und damit die ligamentären Fasern nicht durchtrennt werden, wie dies bei der präperiostalen Straffung der Fall ist. Eine Freisetzung des intraseptalen Orbitalfettes wurde erstmals 1981 und 1988 von Loeb [91, 92] empfohlen sowie von Hamra 1995 [36] erweitert, insbesondere, um eine „Skeletonisierung“ des Unterlids zu korrigieren. Nach Hamras Technik wird der Arcus marginalis im Bereich des unteren Orbitarandes transpalpebral mit Elektrokauter durchtrennt, sodass das Fett austreten kann. Wenn nötig, wird der Septumrand etwas getrimmt und auch vertikal eingeschnitten und mit einigen Einzelknopfnähten befestigt. Die Technik kann auch transkonjunktival durchgeführt werden. Nicht nur die qualitative Untersuchung des Unterlids einschließlich der funktionalen Tests des Bandapparats und des M. orbicularis ermöglichen es, den Altersprozess des Mittelgesichts präoperativ zu untersuchen. Auch die präoperative Ablichtung des lateralen Profils, die ebenfalls aufschlussreich ist, ermöglicht durch postoperativen Vergleich eine Beurteilung des Ergebnisses und insbesondere des Langzeitresultats verschiedener Techniken.
Gesichtsstraffung
Die Behandlung der Ptosis und Abflachung des Unterlids und Mittelgesichts, kann insbesondere nach folgenden Techniken erfolgen: ∑ nach Tessiers subperiostalem Masklift [115], ∑ nach Hamras „Composite Rhytidectomy“ [35] mit „zygorbikularer Dissektion“ [37] und Freisetzung des intraseptalen Fetts [36], um auch das laterale Profil und die „Skeletonisierung“ zu bessern, ∑ nach Little [88] mittels sub- und supraperiostaler Übereinanderfaltung „Imbrication“ zwecks Volumenvergrößerung des Mittelgesichts einschließlich eines freien maxillaren Dermis-Fett-Transplantats, sodass im Profil eine jugendliche „Ogee-Kurve“ entsteht oder ∑ nach Hinderer mittels Anhebung aller ptotischen Gewebe einschließlich ihrer Stabilisierung.
Sowohl die rationalen Überlegungen als auch die Langzeitergebnisse bis zu 15 Jahren postoperativ überzeugen mich von der Richtigkeit letztgenannter Technik. Ist eine Abflachung der Jochbeinregion vorhanden, so muss untersucht werden, ob diese auf die Absenkung der Weichteile zurückzuführen ist, die durch die Aufwärtsverschiebung bei der vertikalen Sub-SMAS Gesichtsstraffung korrigiert werden kann (Abb. 17.5, 17.6), oder ob sie aufgrund einer kongenitalen Hypoplasie des Jochbeins besteht. Diese sollte dann, gleichzeitig mit der Straffung, durch Vergrößerung mittels eines JochbeinSilikonimplantats, das erstmals von Hinderer 1964 bei Asymmetrien [38] sowie 1971 [40], gleichzeitig mit Spadafora [111], aus rein ästhetischen Gründen empfohlen wurde, korrigiert werden.
! Die Implantation sollte subperiostal erfolgen,denn sie
soll eine knöcherne Hypoplasie ersetzen, stabil sein und nicht später beweglich zu einer Ptosis der Jochbeinweichteile beitragen (Abb. 17.7, 17.8).
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b Abb. 17.5 a, b. Altersveränderungen des lateralen Profils des Unterlids und des Mittelgesichts und Ergebnis nach der vertikalen Sub-SMAS-Gesichtsstraffung:Bei beiden Patienten hat sich die Länge des Unterlids wesentlich verringert,die„Skeletonisierung“ gebessert und das Mittelgesicht ist jugendlicher, konvex, geworden. Bei der 52-jährigen Patientin war gleichzeitig eine Rhinoplastik durchgeführt worden
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b Abb. 17.6 a, b. Bei einer 56-jährigen Patientin war eine Korrektur der alternden Lippe mit meiner Technik vorgenommen worden: Die flache Lippe wurde kürzer und wieder konkav, das Lippenrot breiter, der Kolumella-Lippenwinkel verbessert und die tiefen Oberlippenfalten korrigiert
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Abb. 17.7. Oben: Der verjüngende Effekt einer Besserung der Harmonie der Gesichtsproportionen bei einer 39-jährigen Patientin. Es wurde 1977 lediglich eine Rhinoplastik, Jochbeinvergrößerung mittels subperiostaler Silikonprothese nach Technik des Verfassers [38, 40] und Blepharoplastik mit Orbikularis-Muskelsuspension durchgeführt, obwohl die Patientin zwecks Facelifting konsultierte. Unten: Langzeitergebnis 13 Jahre nach einzeitiger vertikaler Straffung des Augenlidrahmens und des Mittelgesichts, Orbikularis-Suspensions-Blepharoplastik [46], Rhinoplastik sowie subperiostaler Jochbeinvergrößerung wegen einer „realen“ Hypoplasie. 4 Jahre nach der Gesichtsstraffung wurde auch ein TCA-Peeling durchgeführt
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Abb. 17.8. Oben: Komplette Gesichts- und Halsstraffung sowie Rhinoplastik. Es wurde (bei der angeblich 33-jährigen Patientin) eine Besserung des Schrägprofils mittels Korrektur der Ptosis des submalaren Fettgewebes (ohne Jochbeinimplante), des Mittelgesichts und der Nasolabialfalte sowie der Unterkieferkonturen und des Halses erzielt. Unten: Langzeitergebnis 9 Jahre nach Gesichtsstraffung und Orbikularis-Suspensions-Blepharoplastik bei einer 54-jährigen Patientin. Die Besserung des Schrägprofils wurde ebenfalls ohne Jochbeinimplantate durch die vertikale Anhebung des ptotischen submalaren Fettes und des Mittelgesichts bei gleichzeitiger Korrektur des Sulcus nasopalpebromalaris, der Nasolabialfalte und der Hohlwangen erzielt
17.1.1.4 N. facialis und Facelifting Die temporale Aufzweigung des N. facialis besteht aus 5 bis 7 Ästen, die den Schutz der Parotis je nach ihrer Größe etwa 1,5 cm vor der Tragusmitte verlassen. Von hier aus durchzieht der oberste Ast, zumeist als terminaler Frontalast (nach Baker u. Conley [4] in 85 bis 90 %), in einem Abstand von etwa 0,8 cm Breite, den Mittelpunkt zwischen der Radix helicis und dem lateralen Kanthus. Medial und oberhalb dieser Zone, seltener vorher, erfolgen Aufzweigungen, die sich fächerförmig in Richtung des lateralen Randes des M. frontalis und M. corrugator zwischen Augenbrauenende und einem Punkt, etwa 5 cm vertikal über dem lateralen Kanthus, aufteilen. Sie
weisen untereinander Anastomosen auf. Im Bereich der Augenbraue nähern sich die Äste jener Zone, in der der Temporofrontalast der A. temporalis superficialis, die auf der SMAS-Oberfläche verläuft, einen vorderen Ast abgibt und nach oben abschwenkt. Die nächsten beiden unterhalb gelegenen Äste innervieren den oberen Teil des M. orbicularis oculi, in den sie etwa 3 bis 4 mm medial seines Randes in die Unterfläche eintreten [28]. Unterhalb derselben befinden sich meist zwei Rami zygomatici. Der obere, etwas dünnere, kreuzt im SMAS die Oberfläche des M. zygomaticus major in Richtung des unteren Teils des M. orbicularis oculi. Der untere Hauptast verläuft unterhalb des M. zygomaticus major um diesen zu innervieren und die Unterfläche des
KAPITEL 17 Abb. 17.9. a Links oben: Unterteilung und Verlauf der Äste des N. facialis. 1 Austritt der temporalen Division des N. facialis, 2 Frontalast, 5 Orbikularäste, 6 Zygomatische Äste, 8 Parotisfaszie, 9 Masseteraponeurose, 10 M. masseter, 11 Platysma, 12 Bukkaläste, 17 Mandibularast. Rechts oben: 1 Austritt der temporalen Division des N. facialis aus der Parotis, 1,5 cm vor der Mitte des Tragus, 2 Frontalast, 5 Orbikularäste, 6 Zygomatische Äste, 8 Parotisfaszie. Links unten: Der terminale Frontalast (1) ist aus der tiefen fibroadipösen Schicht des SMAS freigelegt worden. Die Unterteilungen erfolgen meist etwa in der Mitte zwischen Radix helicis (2) und lateralem Kanthus und sind danach (4) untereinander anastomosiert. 5 Orbikularäste, 6 Zygomatische Äste, 8 Parotisfaszie. Unten rechts: Unterminierung des „Meso-temporalis“ zum Mittelgesicht. 2 Frontalast, 3 Division des Frontalasts, 4 fächermörmige Subdivision des Frontalasts, 5 Orbikularäste, 6 zygomatische Äste, 8 Parotisfaszie, 11 Platysma, 13 temporofrontaler Ast der A. temporalis superficialis, 14 frontaler Zweig des temporofrontalen Asts der A. temporalis superficialis, 19 M. frontalis. (Aus [70]). b Präparation der temporalen Division der Äste des N. fazialis, in Kollaboration mit Prof. A. Baeza für Anatomie, Barcelona. 1 Terminaler Frontalast; 2 Äste zum mittleren und oberen M. orbicularis; 3 oberer zygomatischer Ast zum unteren M. orbicularis; 4 unterer zygomatischer Ast, von dem Zweig der Unterseite in den M. zygomaticus eindringend, 5 anastomotischer Ast zu dem Rami buccale,unter der Masseter Faszie zum M. buccinator laufend; 6 M. masseter; 7 Parotis. Bis auf den Frontalast, der in 85–90 % terminal ist, weisen alle restlichen Äste häufige Anastomasen auf. Der obere zygomatische Ast, der den unteren M. orbicularis von unten her in einem 90° Winkel erreicht, verläuft in diesem Fall mit einem Ast auf der Oberfläche, dringt jedoch mit anderen Ästen ein paar mm entfernt vom Muskelrand in diesen ein. Der M. obicularis gehört nach Freilinger zu der oberflächlichsten Gruppe der Gesichtsmuskel, während der M. zygomaticus major zu der nächst tieferen der vier Schichten der Gesichtsmuskel gehört. In grün die 0,8 cm Zone zwischen dem lateralen Kanthus und der Radix helicis. Die Dissektion für die tiefe Gesichtsstraffung sollte diese Zone sowie die zwischen der gestrichelten schwarzen Linie und der Parotis liegende respektieren, da nach Verlassen aus der Parotis die Äste verletzt werden könnten. Aber selbst im Bereich des M. zygomaticus major ist eine Dissektion sicher,da der Muskel tiefer liegt und die Äste bereits oberflächlich im SMAS zum unteren M. orbicularis ziehen
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Abb. 17.10. Links oben: Markierung des Frontalasts (1) von 1,5 cm vor der Mitte des Tragus (2) bis zu einem Kreis von 0,8 cm Durchmesser um den Mittelpunkt zwischen Radix helicis und lateralem Kanthus (3). Unterteilungen erfolgen meist zephalad dieses Punktes und weisen dann Anastomosen untereinander auf. Der Ast ist immer unterhalb des temporofrontalen Asts der A. temporalis superficialis. Rechts oben: Die doppelt gebogene Rhytidektomie-Schere nach Hinderer (Fa. Padget) zwecks Unterminierung bei der Straffung des Mittelgesichts. Links unten: Risikozone des N. supratrochlearis, etwa 1,7 cm, sowie des Supraorbitalbündels, etwa 2,7 cm von der Glabella-Mittellinie. Rechts unten: Risikozone des N. auricularis magnus. 1 Ohrläppchen, 2 M. sternocleidomastoideus, 3 N. auricularis magnus: der oberflächlichste Punkt liegt 6,5 cm unter dem Gehörkanal, 4 Nylonfaden umfasst den freigelegten hinteren Platysmarand (5). (Aus [70])
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Levator labii superioris und Oberfläche des Levator anguli oris zu erreichen. Unterhalb der Rami zygomatici befinden sich zwei Rami buccale, die, tiefergelegen, unter der Masseterfaszie zum M. buccinator verlaufen. Zusammen mit dem Ramus marginalis mandibulae innervieren sie auch den Depressor anguli oris (Abb. 17.9). Unmittelbar nach Verlassen des tieferen Schutzes der Parotis erreichen die oberen Äste die untere fibroadipöse Schicht des SMAS, in der sie im weiteren Verlauf zur Muskulatur eingebettet sind. Im Gegensatz zum Frontalast weisen alle anderen Rami multiple Anastomosen untereinander auf, sodass im Falle einer Schädigung bei diesen eine Wiederherstellung der Funktion erwartet werden kann.
Präoperativ wird der Verlauf des Frontalasts auf der Haut markiert, um eine Schädigung der Äste bei ihrem Aufstieg aus der Tiefe in der Parotis zum fibroadipösen Gewebe im Segment des „Meso temporalis“ von Marino [94] vorzubeugen. Medial des oberen Markierungspunktes ist eine tiefe Unterminierung des SMAS ungefährlich, sofern die stumpfe Spitze der Schere auf der Temporalfaszie in Richtung laterale Braue, Kanthalregion und Mittelgesicht gleitet. Die Markierung des Frontalasts ist auch vorteilhaft, um tiefe SMAS-Stabilisierungsnähte in diesem Bereich zu vermeiden (Abb. 17.10).
! Bei einer Dissektion unter der Temporalaponeurose in
Richtung auf den Bichat-Fettpfropf kann die Unterminierung unter der Masseteraponeurose Bukkaläste des N. facialis verletzen. Eine Lähmung der Lippenkommissur, des Nasenflügels und der Oberlippe kann die Folge sein.
Eine spontane Wiederherstellung der Funktion tritt jedoch meist, aufgrund der häufigen Anastomosen der Mittelgesichtsäste, nach etwa 3 bis 4 Monaten ein, kann jedoch einen spontanen Tick unter Stressbedingungen zur Folge haben. Bei einer Mobilisierung sollte berücksichtigt werden, dass, nach Dingmann u. Grabb [23], der Mandibularast in 19 % der Fälle unterhalb des Unterkieferrandes verlaufen kann (im Alter bis zu 3 cm unterhalb). Hinsichtlich der sensitiven Nerven betreffen die Risikozonen hauptsächlich den N. supraorbitalis, der den oberen Orbitarand etwa 2,7 cm von der Glabellamitte durch die Inzisura bzw. das Foramen frontalis bzw. supraorbitalis die Orbita verlässt. Der Austrittspunkt ist meist von außen her zu tasten. In 30,7 % zweigt er sich, nach Lang et al. [84], in einen Ramus medialis und einen Ramus lateralis auf. Der N. supratrochlearis, der 1,7 cm von der vertikalen Mitte entfernt ist, kann bei der Exzision des M. corrugator supercilii verletzt werden und einen Sensibilitätsver-
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lust im Bereich der Stirnmitte verursachen, der möglichst vermieden werden sollte, aber nicht wesentlich ist.
! Die wichtigste Risikozone des N. auricularis magnus liegt, nach McKinney u. Katrana [95], an seiner oberflächlichsten Stelle auf dem M. sternocleidomastoideus, 6,5 cm unterhalb des Gehörgangs, sodass, falls erwünscht,eine Durchtrennung des Platysmamuskels unterhalb dieser Stelle durchgeführt werden sollte.
17.1.2 Allgemeine Betrachtungen zum Altern Das Altern, mit der „großen Unbekannten“ vor Augen, ist wohl der schwierigste Prozess, den der Mensch zu meistern hat. Manche fürchten den Alterungsprozess schon, bevor physische, psychische und auch sexuelle Kapazitäten nachzulassen beginnen. Die Angst zu altern – Gerontophobie – wie auch das Selbstwertgefühl stehen in umgekehrtem Verhältnis zur Akzeptanz durch die Umwelt. Das Altern bringt häufig eine Einbuße des finanziellen und sozialen Status mit sich und wird auch im kompetitiv aggressiven Umfeld benutzt, um den Alternden aus seiner errungenen Vorrangstellung zu verdrängen. Altern ist ein polysystemischer biologischer Prozess, der insbesondere von der Schwäche des kränklichsten Organs oder Gewebes abhängt. Der in der medizinischen Wissenschaft erzielte Fortschritt hat zu einer längeren Lebenserwartung geführt und ermöglicht dem Menschen die Verbesserung der Funktion schwächerer Organe oder Systeme, sodass ein höheres Alter in einer guten physischen und psychischen Verfassung erreicht werden kann. Tissue-Engineering und Genmanipulation werden sicher in Zukunft auch beim Menschen weitere Fortschritte machen, um sowohl die Lebenserwartung zu verlängern – wie es bei Würmern und Fliegen erreicht wurde – als auch ein jüngeres Aussehen zu behalten. Zusätzlich wird es mittels Enzymen möglich sein, Schädigungen der Telomere, in denen der Alterungsprozess stattfindet, zu verringern. Doch selbst wenn dies in absehbarer Zeit gelingen sollte, werden auch weiterhin ästhetisch-chirurgische Korrekturen erwünscht sein. Die meisten Menschen wünschen sich ein äußeres Erscheinungsbild, welches sowohl dem jüngeren Gesundheitszustand als auch ihrer jugendlicheren Selbsteinschätzung entspricht: sie wollen „mindestens so jung aussehen“, wie sie sich fühlen. Die ästhetische Chirurgie ermöglicht es, die kritische Periode des Alterns bis hin zur Senilität wesentlich zu verbessern und damit eine längere Adaptationsphase an den Alterungsprozess herzustellen. Der Patient muss über die physischen und psychischen Begleiterscheinungen der erwünschten und vor-
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gesehenen chirurgischen Behandlung sowie über mögliche Komplikationen und das Ausmaß der zu erwartenden Besserung informiert werden. Ein sorgfältiges Studium der Persönlichkeit des Patienten vom ersten Patientenkontakt an, sowie das Erkennen seiner Motivationen werden es dem Chirurgen ermöglichen, Patienten mit einer Psychose und unrealistischen Erwartungen, die eher einer Psychotherapie bedürfen, von einer chirurgischen Behandlung auszuschließen und in Zweifelsfällen psychiatrische Unterstützung heranzuziehen. Der ideale Patient hat ein Aussehen, welches nicht mit seinen psychischen und physischen Konditionen harmonisiert. Er möchte sein Image verbessern, um sich seinem sozialen, beruflichen oder affektiven Umfeld besser anzupassen, und so eine Verbesserung seiner Lebensqualität herbeiführen. Der Alterungsprozess betrifft alle Gewebe von der Haut bis zum Knochengerüst. Das Behandlungskonzept sollte deswegen umfassend sein. Da die meisten Patienten oft nicht oder nur ungenau präzisieren können, welche Veränderungen das ältlichere Aussehen verursachen, werden sie nach einer genauen Untersuchung dankbar sein, entsprechend beraten zu werden. Hierbei kann die Computer-Image-Studie hilfreich sein und dem Patienten ermöglichen, besser erklären zu können, was ihn seiner Meinung nach älter aussehen lässt. So kann er seine Wünsche bildlich darstellen und auch der Chirurg kann dem Patienten verdeutlichen, ob und wo eine Disharmonie der Gesichtsproportionen besteht, welche verjüngenden Verbesserungen vorgenommen werden sollten, und ob sie mit der Vorstellung des Patienten übereinstimmen.
! Der Patient sollte jedoch darauf aufmerksam gemacht werden, dass es sich hierbei um ein fiktives Bild handelt, das nicht immer erreichbar ist, da auch individuelle Faktoren den Heilungs- und Vernarbungsprozess beeinflussen.
Schon 1972 wies Hinderer auf den verjüngenden Effekt einer Besserung der Harmonie der Gesichtsproportionen hin [41]. Es ist jedoch angebracht, bei älteren Patienten, die vermuten lassen, dass sie sich psychisch nicht an weitreichende Veränderungen des Knorpel-Knochengerüsts anpassen werden, hierauf zu verzichten und vor allem die Veränderungen vorzuschlagen, die vornehmlich ein, noch in ihrem Erinnerungsvermögen existierendes, jüngeres Erscheinungsbild aufleben lassen. Im Gesicht macht sich der Alterungsprozess meist zuerst an den Augenlidern bemerkbar, sodass eine Blepharoplastik und, bei angeborenen Lidsäcken, eine transkonjunktivale Lipektomie erforderlich sein kann. Ab dem 3. Lebensjahrzehnt ist bei beginnender Orbikularis-Muskelschwäche zusätzlich eine Suspension angebracht.
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Häufig macht sich schon ab Mitte des 3. Lebensjahrzehnts eine Ptosis der periokularen Gewebe und des Mittelgesichts bemerkbar. Dies betrifft insbesondere den vorderen mobilen Anteil des Gesichts, der für das Minenspiel verantwortlich ist. Eine Straffung der oberen zwei Drittel des Gesichts ist hier indiziert, um neben einer evtl. Blepharoplastik auch den Rahmen der Augenlider, d. h. die abgesenkte Braue und das dazugehörige Segment direkt unterhalb der Braue anzuheben und den M. orbicularis oculi und die laterale Kanthalregion seitlich nach oben zu rotieren und außerdem die Weichteilgewebe im Bereich der Maxilla, des Jochbeins und der Wangen bis hin zur Nasolabialfalte zu liften. Manche Patienten scheinen jedoch mehr über die beginnende Ptosis des Halses beunruhigt als die der periokularen Gewebe, die sie in Wirklichkeit älter aussehen lässt. Solche Patienten sollten dahingehend aufgeklärt und davon überzeugt werden, die obere Straffung zusätzlich zum gewünschten Halslift durchzuführen zu lassen.
Letzteres kann mittels einer unabhängigen, okzipitalen Exzision der Kopfhaut nach Dissektion des Halses erreicht werden. Manchmal kann auch eine Miniinzision hinter dem Ohrläppchen, komplette subkutane Unterminierung des Halses, Fettabsaugung und vordere Korsettplatysmaplastik zwecks Straffung des Platysma nach vorn und Durchtrennung von Bändern, von einer Inzision in der Submentalfalte aus, erforderlich werden [26]. Ein mindestens zweiwöchiger Kopfhalsverband ist dann anzulegen [127], damit sich die Haut nach der Fettabsaugung entsprechend retrahieren kann. Ab Mitte des 4. Lebensjahrzehnts und je nach Ptosis der Haut sowie der Weichteile von Gesicht und Hals ist es erforderlich, eine komplette Gesichtsstraffung mit periaurikulärer Inzision unter Einbeziehung der oberen zwei Gesichtsdrittel durchzuführen, falls dies nicht schon vorher geschehen ist.
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17.1.3 Geschichte der Gesichtsstraffung 17.1.3.1 Die subkutane Rhytidektomie Die Chirurgie des alternden Gesichts begann Anfang des 20. Jahrhunderts und wurde erstmals 1912 von Eugen Holländer und danach 1919 von Passot [104] veröffentlicht. Lexer [90] schreibt 1931, dass er schon 1906 eine Gesichtsstrafung bei einer Schauspielerin vorgenommen habe. Sie soll auch 1912 von Joseph durchgeführt worden sein, der sie jedoch erst 1921 [76] veröffentlicht. Nach anfänglich begrenzter Hautexzision und Unterminierung lag das Augenmerk in den folgenden Jahrzehnten hauptsächlich auf einer ausgedehnteren Dissektion, auf der Verlagerung der Narbe an weniger sichtbare Stellen sowie auf der Zugrichtung der zu straffenden ptotischen Gewebe. Ihre Geschichte ist insbesondere mit den Namen bedeutender Chirurgen, wie Miller (Submentalexzision [97]), Noël (Haaransatzinzision vor dem Ohr sowie okzipital [103]), Claoué (erweiterte Stirn- und Okzipitalinzision [15]), González Ulloa (Zirkumferenzialinzision [32]), Uchida (tiefe und subkutane M. frontalis Dissektion [120]), Marino (zum „Meso temporalis“ erweitertes Stirnlifting [94]) verbunden.
17.1.3.2 Wegbereiter zur aktuellen mehrschichtigen Technik Der seitliche tiefe Zugang zum Mittelgesicht und zum Hals Erst ab 1974, nach Skoogs [110] Straffung der Fascia buccalis sowie des unterminierten Platysma nach okzipital, wurde die Chirurgie auf die tiefen Gewebe ausgedehnt. Mit ausgelöst wurde dies auch durch die unter P. Tessier durchgeführte anatomische Studie seiner Mitarbeiter Mitz u. Peyronie [99] über das „faziale oberflächliche muskuloaponeurotische System“ (SMAS). Skoogs seitlicher Zugang zum Mittelgesicht wurde zum Ausgangspunkt einer Reihe weiterer Arbeiten, unter denen zu den bekanntesten die von Bossé-Papillon [7], Jost-Levet [80], Hamra [34, 35], Tapia et al. [114], Stutzin et al. [113], Connell [17] und Mendelson [96] zählen.
Der vertikale subperiostale Zugang zum Mittelgesicht Tessier [115] veröffentlichte 1979 aufgrund seiner Erfahrungen in der kraniofazialen Chirurgie den vertikalen, subperiostalen Zugang zum Mittelgesicht, mit dem Ziel, über die freigelegte periokulare und maxillomalare, kaudal durchtrennte Knochenhaut, die Weichteile der
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oberen zwei Drittel des Gesichts anzuheben und zu straffen, eine Technik, die er „Masklift“ nannte. Dem Prinzip dieser Technik folgten zahlreiche Publikationen ([106, 107, 109] u.a.).
Der vertikale präperiostale (Sub-SMAS-) Zugang zum Mittelgesicht Im Jahr 1969 wurde von Hinderer [39] eine neue Technik, die „erweiterte Augenlidplastik“ veröffentlicht, bei der die präperiostale-prätemporale fronto-temporale Straffung, lateral der Orbita, subkutan bis zur Nasolabialfalte, der Wange und dem Unterkiefer erweitert wurde. Ziel dieser Technik war es, die oberen zwei Drittel des Gesichts und insbesondere die gesamten periokularen Gewebe einschließlich der Braue und des dazugehörigen Segments unmittelbar unter der Braue vertikal nach oben zu straffen, da dies mittels einer Blepharoplastik allein nicht möglich war und mindestens ein Stirnlifting bzw. eine Hautexzision am oberen Brauenrand erfordert hätte (Abb. 17.11). Im Jahr 1983 untersuchte der Autor dann die Möglichkeit, das SMAS und die tiefen Weichteile der oberen zwei Drittel des Gesichts statt über das wenig dehnbare Periost, nach präperiostaler Unterminierung, unmittelbar nach oben zu mobilisieren. Die Technik wurde anfangs als „Blepharo-Periorbitoplastik“ [49, 51, 71] sowie mehrfach danach, einschließlich des rationalen Vergleichs zur subperiostalen Technik, als „präperiostale Sub-SMASRhytidektomie der oberen zwei Drittel des Gesichts“ in vielen Hauptvorträgen beschrieben und auch veröffentlicht. Entsprechende Publikationen folgten 1988 und 1991 von De la Plaza et al. [20, 21]. Die Prinzipien wurden in den letzten Jahren von vielen Verfassern übernommen. Das Prinzip des „Primum non nocere“ erforderte, insbesondere zu Beginn der Technik, aber auch heute, sowohl eine genaue Kenntnis der Anatomie der verschiedenen Schichten, als auch der Nervenrisikozonen, besonders der Fazialisäste. Eine erste diesbezügliche Arbeit wurde 1986 [70] veröffentlicht und Markierungen zur Vermeidung von Nervenschädigungen angegeben, die sich bei über 750 Sub-SMAS-Rhytidektomien ohne Fazialisschädigung in der Praxis bewährt haben.
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Abb. 17.11. Bei der „erweiterten Blepharoplastik“ wurde in Kontinuität zu einer lateralen präperiostalen und prätemporalen Straffung des Augenlidrahmens, eine subkutane Straffung des Mittelgesichts durchgeführt.Oben: Markierung der Blepharoplastik-Inzision sowie unmittelbares postoperatives Ergebnis. Die Zugrichtung ist nach oben und gering nach medial, d. h. als vertikale Rhytidektomie. (Aus [39])
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17.1.3.3 Zusatzkorrekturen
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17.1.3.4 Die minimal-invasive Chirurgie mittels endoskopischer Techniken
Lippenkorrekturen und Profilplastiken Selbst wenn mittels einer kompletten Rhytidektomie ein verjüngtes Aussehen erzielt worden ist, können Altersveränderungen der Oberlippe auf das chronologische Alter hinweisen. Eine Korrektur sollte daher gleichzeitig vorgenommen werden. Der verjüngende Effekt einer Harmonisierung der Gesichtsproportionen mittels Profilplastiken wird nur anhand einiger Beispiele unterstrichen.
Andere Zusatzkorrekturen Gute Ergebnisse mittels Fettabsaugung und -injektion sind insbesondere von Guerrerosantos, Coleman [16] und Trepsat [119] 2001 erzielt worden. Auch Dermabrasion, Peeling und Laser-Resurfacing sowie Konturverbesserungen mittels diverser Füllmaterialien und Botulininjektionen können das Ergebnis einer Gesichtsstraffung verbessern. Darüber zu berichten, übersteigt den Rahmen dieses Kapitels. Bei der Veröffentlichung von postoperativen Ergebnissen sollten Sekundärkorrekturen sowie die postoperative Zeitspanne angegeben werden, um eine realistische Beurteilung insbesondere von Langzeitergebnissen zu ermöglichen.
Der offene Zugang zur subkutanen und sub- oder präperiostalen (Sub-SMAS) Gesichts- und Halsstraffung wurde im letzten Jahrzehnt durch die minimal-invasive Chirurgie mit endoskopischer Technik bereichert. In der Plastischen Chirurgie wurde sie durch Vasconez et al. [122] eingeführt und in Details von vielen Verfassern verbessert ([1, 2, 6, 8, 14, 18, 19, 22, 25, 29, 73, 93, 108, 116, 122] u.v.a.). In Deutschland machten sich insbesondere Berger und seine Mitarbeiter in Kursen um ihre Verbreitung in der ästhetischen und rekonstruktiven Chirurgie verdient. Die Vorteile der endoskopischen Technik sind kleine Inzisionen, ein geringeres Trauma sowie ein vermindertes Risiko von Alopezie und Sensibilitätsstörungen. Die Indikation ist vornehmlich bei Patienten mit weniger ausgeprägtem Hautüberschuss gegeben, da die Haut nicht oder kaum exzidiert werden muss. Dies setzt eine genügende Retraktionsfähigkeit der Haut voraus. Die endoskopische Technik ermöglicht es, Stabilisierungsnähte tiefer Gewebe durchzuführen, sie erleichtert die Blutstillung und Gleichförmigkeit der Dissektionen sowie andere Zusatzeingriffe, wie auch die Durchführung der Modulation periokularer Muskeln und hat darüber hinaus auch zu ihrer besseren Kenntnis beigetragen.
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Abb. 17.12. Die temporale, präperiostale Sub-SMAS-Straffung des periokularen Rahmens und Mittelgesichts mit kurzer Inzision. Links oben: Markierung des Frontalasts des N. facialis von 1,5 cm vor der Tragusmitte bis zu einem 0,8 cm Kreis um den Mittelpunkt zwischen Radix helicis und dem lateralen Kanthus. Rechts oben: Die Inzision wird 3,5 cm lang von einem Punkt, 3,5 cm senkrecht oberhalb des Radix helicis, markiert und kranial 2 bis 3 cm nach medial und kaudal 2 cm nach lateral verlängert. Unten: Die Kopfschwarte wird einschließlich der Fascia temporoparietalis und der darüberliegenden Subgalealfaszie eingeschnitten und die Stirn mit einer Castañares-Schere bis unterhalb der lateralen Braue zum Oberlid abgelöst
17.2 Spezielle Techniken 17.2.1 Die präperiostale Sub-SMAS-Rhytidektomie der oberen zwei Drittel des Gesichts Diese Technik wird sowohl mittels Koronarinzision als auch anhand einer kurzen Temporalinzision vorgenommen. Erstere ist vor allem bei Patienten mit bedeutender Ptosis der Stirn oder mit sehr hohem Haaransatz angezeigt. Das Ergebnis ist aufgrund des erweiterten medialen Stirnliftings etwas besser, hat jedoch den Nachteil, neben einer Alopezie Sensibilitätsstörungen im Bereich der kranialen Kopfschwarte verursachen zu können. Die zweite Version ist besonders bei jüngeren Patienten, meist ab Mitte des dritten Lebensjahrzehnts ange-
zeigt, hat den Vorteil kurzer Inzisionen und kann je nach Bedarf mit oder ohne Blepharoplastik vorgenommen werden. Meist ist jedoch eine obere Blepharoplastik erforderlich.
17.2.1.1 Die temporale präperiostale Sub-SMAS-Straffung des periokularen Rahmens und des Mittelgesichts mit kurzer Inzision Diese Technik wurde vom Autor manchmal schon bei Patienten zwischen 20 und 30 Jahren angewandt: Bei den Betroffenen handelte es sich meist um als Schauspieler oder Models tätige Patienten mit etwas traurigem oder ältlicher wirkendem Ausdruck der Augenregion aufgrund einer konstitutionellen Absenkung des lateralen periokularen Rahmens.
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Abb. 17.13. Oben: Mit der doppelt abgewinkelten Schere des Verfassers (Abb. 17.10), deren Spitze vor der Frontalastmarkierung auf der Temporalfaszie bzw. dem maxillomalaren Periosteum nach unten gleitet, wird das SMAS unter Protektion des Infraorbitalbündels bis zur Nasolabialfalte unterminiert.Unten:Die Dissektion wird mit dem Zeigefinger zur Braue,zum Mittelgesicht und zur Nasolabialfalte sowie bis 0,5 cm oberhalb des Frontalasts und unter dem oberen Ohr revidiert, um evtl. Restverwachsungen zu lösen. Besonders wird die laterale Braue und die Raphe bis zum lateralen Kanthus abgelöst
Markierung. Zusätzlich zur Markierung des Frontalasts wird die Inzisionsstelle von einem 3,5 cm oberhalb des Ansatzes der Radix helicis liegenden Punkt aus eingezeichnet. Von hier aus verläuft sie 3,5 cm vertikal und wird kranial 2 bis 3 cm nach medial und kaudal 2 cm nach lateral, oberhalb des Ohres, verlängert. Technik. Nach Inzision der Kopfhaut, der Temporoparietalfaszie und der Subgalealfaszie werden diese stumpf im lateralen Drittel der Stirn, einschließlich der Braue bis zum supraorbitalen Gefäßbündel mit einer Castañares-Schere präperiostal abgelöst (Abb. 17.12). Im Anschluss wird mit der doppelt seitlich abgewinkelte Rhytidektomie-Schere nach Hinderer (Fa. Padgett) mit der Spitze auf der Temporalfaszie nach unten gleitend zwischen dem oberen Markierungspunkt des Frontalasts und dem lateralen Orbitarand präperiostal zum Jochbein und im Mittelgesicht bis hin zur Nasola-
bialfalte das SMAS unterminiert. Im Bereich des Unterlids erfolgt die präperiostale Unterminierung bis zum Infraorbitalbündel, ebenfalls mit der RhytidektomieSchere, die am besten geeignet ist, den unteren Orbikularismuskel einschließlich der Raphe und das Mittelgesicht abzulösen. Es kommt meist nur zu einer geringfügigen Blutung. Lateral des oberen Markierungspunktes erfolgt die Unterminierung ebenfalls stumpf bis etwa 0,5 cm von der Markierungslinie des Frontalasts und, weiter seitlich, bis unter das kraniale Ohr. Die Dissektion mittelgesichtswärts, zur Braue und seitlichen Stirn sowie auf die Markierung des Frontalasts zu und ebenfalls in Richtung auf das Ohr wird mit dem Zeigefinger vorsichtig revidiert, wobei eine Dehnung des Frontalasts und der Nervenäste zum M. orbicularis oculi vermieden werden muss. Die Revision ermöglicht es außerdem, eventuelle Adhäsionen zu lösen (Abb. 17.13).
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Abb. 17.14. Die Durchtrennung des Jochbeinligaments und des Orbitalligaments, um sowohl das Mittelgesicht als auch den lateralen Augenlidrahmen vertikal nach oben zu verschieben,erfordert als Ersatz neben einer Naht der Kopfschwarte eine zusätzliche tiefe Stabilisierungsnaht. Sie erfolgt mit zwei oder drei 3/0 Polyester-Ti-Cron-Nähten, die die Fascia temporoparietalis mit der Fascia temporalis verbindet, wobei der Temporallappen fest nach oben angespannt wird. Während der seitliche Rand der Temporalinzision nach unten verschoben wird, kann der mediale vertikale Überschuss sowie der der zephalen und kaudalen Extensionen bestimmt, exzidiert und geklammert werden
Der Temporallappen wird mit einer Martel-Klemme nach zephal und minimal nach lateral angespannt, während die Fascia temporoparietalis mit zwei oder drei 3/0 Polyester-Ti-Cron Nähten im Bereich der behaarten Kopfhaut mit der Temporalisfaszie verbunden wird. Daraufhin wird der seitliche Rand der Temporalinzision nach unten verschoben, der mediale vertikale Überschuss und der der zephalen und kaudalen Extension mittels einer d’Assumpçao-Klemme bestimmt, exzidiert und geklammert.Von der Temporalinzision aus wird eine Redon-Saugdrainage zur Nasolabialfalte eingelegt, die am nächsten Morgen entfernt werden kann (Abb. 17.14).
! Es empfiehlt sich, während der ersten drei Tage an Stirn, Augenlidern und Mittelgesicht Klammerpflaster anzulegen,um einer Dehnung des Gewebes aufgrund des postoperativen Ödems vorzubeugen (Abb.17.15).
Bei Bedarf kann zusätzlich zu der ersten Stabilisierungsnaht (Fascia temporoparietalis – Fascia temporalis) eine weitere Naht mit einem Polyester- oder Goretex-Faden von der Unterfläche der lateralen Braue zum vorderen zephalen Ende der Temporalinzision nach Lassus [85] durchgeführt werden. Diese zweite Stabilisierungsnaht trägt ebenfalls zum Ersatz der durchtrennten „retaining ligaments“ bei (Abb. 17.16). Seit einem Jahr hat sich auch die Implantation von Sulamanidzes-Aptos-Fäden bewährt (siehe Abb. 17.48–17.50).
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Abb. 17.15. Oben: Präoperatives Aussehen des Augenlidrahmens bei der 23-jährigen Patientin der Abb. 17.12, 17.13 und 17.14 sowie postoperatives Ergebnis. Die Asymmetrie, hauptsächlich aufgrund einer Rundung des linken unteren Augenlides, konnte weitgehend ausgeglichen werden. Unten: Präoperatives Aussehen und postoperatives Ergebnis einer temporalen und transpalpebralen präperiostalen Sub-SMAS-Straffung der oberen zwei Drittel des Gesichts mit kurzer Inzision bei einer 32-jährigen Patientin
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Abb. 17.16. Lifting und Stabilisierung der lateralen Braue nach Lassus.Von einer 2 mm Temporalinzision aus wird am besten eine Gasparotti-Fettabsaugungskanüle an der Braue herausgeführt.Die Kanüle dient dazu, einen Urethralkatheter mit einer nichtresorbierbaren 3/0 Naht erst nach unten herauszuleiten und letztere durch die tiefen Gewebe der Braue und danach wieder nach oben herauszuführen, um an der tiefen Dermis vernäht zu werden. Es wurden bei der 46-jährigen Patientin Jochbeinimplantate von oral her, subperiostal eingeführt
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Abb.17.17. Die temporale und transpalpebrale präperiostale Sub-SMAS-Straffung der oberen zwei Drittel des Gesichts mit oberer Blepharoplastik. Die Exzision des oberen Augenlids wird am sitzenden Patienten präoperativ markiert. Eine Inzision zum Periost oberhalb der Raphe ermöglicht die Dissektion mit Schere zur Nasolabialfalte sowie nach lateral in Richtung des oberen Markierungspunktes des Frontalasts und zur Temporalinzision (oben) sowie die Revision von dieser aus (unten links). Es folgen die Stabilisierungsnähte der Fascia temporalis an die Fascia temporalis (unten rechts)
17.2.1.2 Die temporale und transpalpebrale präperiostale Sub-SMAS-Straffung der oberen zwei Drittel des Gesichts mit kurzer Inzision Diese Technik unterscheidet sich von der zuvor beschriebenen, indem zusätzlich eine untere Blepharoplastik, sei es transpalpebral oder transkonjunktival und/oder nur eine obere Blepharoplastik durchgeführt wird. Der transpalpebrale Zugang ermöglicht es, die Unterminierung gleichzeitig von den Augenlidern aus durchzuführen, eine zusätzliche Stabilisierung mittels Suspension des lateralen unteren M. orbicularis oculi und der Raphe durchzuführen, evtl. überschüssige Haut des lateralen unteren Augenlids und insbesondere des oberen Augenlids zu entfernen sowie, bei Bedarf, auch eine transpalpebrale Modulation der periokularen Depressormuskel durchzuführen. Eine etwa 2,5 cm lange, transversale zusätzliche Inzision im Bereich des behaarten Schädels in Stirnmitte er-
möglicht eine weitere Unterminierung der mittleren zwei Stirndrittel und nach kaudal zur Glabella und Nase, um die Straffung ggf. entsprechend auszuweiten. Die im Folgenden besprochenen Varianten werden je nach Bedarf vorgenommen.
Erste Variante: zusätzliche obere Blepharoplastik Die erforderliche Exzision des oberen Augenlids wird am sitzenden Patienten markiert. Die untere Inzision liegt in Pupillenmitte 8 mm über dem Lidrand und endet medial horizontal etwa 2 bis 3 mm oberhalb des medialen Kanthus und lateral etwa 3 mm oberhalb des lateralen Kanthus, wo sie schräg nach oben in Richtung des Orbitalrandes abgewinkelt wird. Die obere Inzision wird bei Geradeaussicht entsprechend der erforderlichen Exzision in Höhe der unteren Markierung zunächst mit
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Abb.17.18. Nach Trimmung des Exzesses des medialen vertikalen Randes und Klammerung werden der obere und untere Überschuss der Extensionen exzidiert. Die Raphe wird mit einem 5/0-Nylonfaden am Periost oberhalb des Kanthus befestigt (oben rechts) und mit 4/0 Vicryl-Einzelfäden mit dem Rand des getrimmten oberen M. orbicularis verbunden (unten links). Aussehen von oben her vor der intrakutanen Naht und vor einer gleichzeitig geplanten Rhinoplastik
einzelnen Punkten angezeichnet und dann bei geschlossenen Augen zu einer Linie verbunden. Die laterale Braue, einschließlich der lateralen Kanthalregion wird hierbei, soweit wie erwartet, nach oben gespannt, um zu vermeiden, dass zuviel Augenlidhaut entfernt wird. Nach Exzision der Haut wird der M. orbicularis oberhalb des Kanthus bis zum Periost inzidiert und der laterale M. orbicularis, einschließlich der Raphe nach kaudalwärts unterminiert. Die Inzision ermöglicht des Weiteren, den lateralen oberen M. orbicularis zur Braue hin und nach oben und lateral längs des Periosts am Orbitalrand und der Crista frontalis lateralis sowie lateral auf der Temporalfaszie von der Fascia temporoparietalis zu trennen. Die Dissektion von der Temporalinzision aus ermöglicht es dann, beide Unterminierungen zu vereinen, sodass die Scherenspitze von oben her an der Augenlidinzision heraustreten kann (Abb. 17.17). Zusätzlich zur Stabilisierungsnaht zwischen Fascia temporoparietalis und Temporalfaszie wird eine weitere Stabilisierung mittels Suspensionsnaht der Raphe mit zwei 5/0 Nylonfäden am Periost des lateralen Orbital-
randes oberhalb des lateralen Kanthus angelegt und auch die Raphe mittels zweier 6/0 Vicrylfäden mit dem, falls erforderlich getrimmten, lateralen oberen Orbikularisrand verbunden. Lateral wird meist noch etwas überschüssige Haut exzidiert und der Wundverschluss mit einer fortlaufenden 6/0 Intrakutannaht sowie 2–3 lateralen Einzelnähten und Klammerpflaster (z. B. SteriStrips) vorgenommen (Abb. 17.18). Mittels der zuvor beschriebenen Technik wird ebenfalls eine Straffung des unteren Augenlids mit Anhebung der lateralen Kanthalregion einschließlich des Mittelgesichts erzielt, da auch der untere M. orbicularis nach oben verschoben wird. Die obere Blepharoplastik bessert nicht nur das obere Augenlid, sondern stabilisiert zusätzlich die seitliche Augenregion. Der obere palpebrale Zugang kann gleichzeitig dazu benutzt werden, eine Ostektomie eines nach unten gewölbten lateralen Supraorbitalrandes mit Meißel vorzunehmen oder den Überschuss abzuschleifen sowie eine Modulation mittels Exzision hypertropher Depressormuskel vorzunehmen.
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Abb. 17.19. Die temporale und obere sowie untere transpalpebrale präperiostale Sub-SMAS-Straffung der oberen zwei Drittel des Gesichts mit kurzer Inzision. Nach Markierung des Frontalasts und Temporalinzision wird von der unteren Blepharoplastikinzision aus das gesamte Mittelgesicht bis zur Nasolabialfalte und dem Jochbein präperiostal vor der oberen Markierung des Frontalasts unterminiert. Die Dissektion nach oben längs der Crista frontalis lateralis, der Augenbraue und prätemporal in Richtung der Temporalinzision wird vom oberen Augenlid aus vorgenommen
Zweite Variante: zusätzliche transkonjunktivale bzw. transpalpebrale untere Blepharoplastik Diese Technik ist bei Patienten mit vermehrter Erschlaffung der Unterlidhaut und des unteren M. orbicularis oculi sowie bei intraseptaler Fettvorverlagerung angezeigt. Das vorverlagerte Fett kann entweder von außen her, transpalpebral oder aber transkonjunktival, wie es Bourget schon 1926 [9] beschrieb, entfernt werden. Es kann jedoch in beiden Fällen auch rückverlagert und mittels Naht der Kapsulopalpebralfaszie am Arcus marginalis zurückgehalten werden, wie De la Plaza et al. [21] es erstmals transpalpebral beschrieben und es von Camirand [10] transkonjunktival empfohlen wurde. Bei der transkonjunktivalen Fettexzision wird die Konjunktiva etwas oberhalb der Fornix transversal eingeschnitten und das Fett nach unten hin freigelegt, mit Mosquitoklemmen gefasst, exzidiert und der Stumpf kauterisiert.
Bei der Technik nach Camirand wird die Konjunktiva in Höhe des Arcus marginalis transversal eingeschnitten, die Kapsulopalpebralfaszie durchtrennt und bei gleichzeitiger Fettrückverlagerung der Rand des proximalen Lappens der Faszie am Arcus marginalis befestigt. Die Konjunktivaränder sollten m. E. etwas freigelegt und mit 6/0 Catgut-Fäden vernäht werden. Bei der transpalpebralen unteren Blepharoplastik wird die Inzision üblicherweise „im Schatten der Wimpern“, etwa 2 mm vom Lidrand entfernt, meist nur in der lateralen Lidhälfte, bis etwa 3 mm unter dem Kanthus und dann einige Millimeter in einem der horizontalen Krähenfüße vorgenommen. Die Haut wird mehrere Millimeter weit mit Skalpell vom M. orbicularis scharf abgetrennt, wobei das Blatt zur Kontrolle von außen her durch die dünne Haut scheint, damit keine Muskelfasern an der Haut verbleiben, wie dies manchmal der Fall ist, wenn man eine Schere benutzt. Es folgt die Unterminierung mit stumpfer Schere bis unterhalb des nasopalpebromalaren Sulcus sowie zur
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Abb. 17.20. Die Dissektion kann dann mit der von der Temporalinzision aus, der lateralen Stirn und lateralen zwei Drittel der Braue vereinigt werden, sodass die Scherenspitze an der Blepharoplastikinzision heraustreten kann. Zusätzlich zur ersten Stabilisierungsnaht Fascia temporoparietalis – Fascia temporalis wird eine zweite Unterlidsuspensions-Stabilisierung [46] durchgeführt.Der M.orbicularis wird im Bereich des lateralen Kanthus nach oben und medial gespannt, ein laterales Dreieck exzidiert und der neue Muskelrand oberhalb des lateralen Kanthus am Periost befestigt.Nach medial wird der Muskelrand nur soweit exzidiert, wie es zur Anpassung erforderlich ist, um besonders eine laterale Augenlidrundung zu vermeiden. Auch die Hautexzision sollte zurückhaltend sein
Nasolabialfalte nach Durchtrennung des Muskels in Höhe der Mitte der Tarsalplatte. Soweit wie möglich wird sie auf das laterale Drittel beschränkt, um jedwede iatrogene Schädigung des Muskels zu begrenzen. Nach medial erfolgt die Unterminierung des Orbikularmuskels vorsichtig, um eine Schädigung des Infraorbitalbündels zu vermeiden. Die Suborbikulardissektion ermöglicht es, präperiostal bis zur Nasolabialfalte und lateral bis zur Wange und zum Jochbein zu unterminieren. Entlang des lateralen Orbitarandes zur Braue und nach temporal wird die Dissektion vom oberen lateralen Augenlid vorgenommen (Abb. 17.19). Die restliche Technik mittels Temporalinzision erfolgt wie beschrieben. Zwecks Suspension des M. orbicularis wird nach Spannung des Muskels im Bereich des lateralen Kanthus nach oben und medial ein laterales Dreieck exzidiert und der neue Muskelrand oberhalb des lateralen Kanthus am Periost befestigt (Abb. 17.20). Nach medial wird der Muskelrand sehr zurückhaltend nur zur Anpassung exzidiert, um eine laterale Au-
genlidrundung zu vermeiden. Auch die Hautexzision am Unterlid erfolgt nach der Temporalstraffung und sollte ebenfalls zurückhaltend gehandhabt werden. Die Spannung der Haut nach oben und medial ermöglicht es, die Narbe kurz zu gestalten. Im Fall einer transkonjunktivalen Technik zwecks Fettexzision wird die Unterminierung zur Nasolabialfalte transkonjunktival vorgenommen, jedoch die Freilegung nach lateral und oben vom Oberlid aus durchgeführt (Abb. 17.21).
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Abb. 17.21. Die transkonjuntivale präperiostale Unterminierung im Bereich des Oberkiefers bis zur Nasolabialfalte ist im Falle einer erforderlichen Fettexzision am Unterlid angezeigt.Die laterale Dissektion in Richtung der Braue und Temporalinzision von einer kleinen Inzision im lateralen oberen Augenlid ist jedoch vorzuziehen
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KAPITEL 17 Abb. 17.22. Die temporale und transpalpebrale präperiostale Sub-SMAS-Straffung der oberen zwei Drittel des Gesichts mit zusätzlicher kurzer Inzision der Kopfschwarte in der Stirnmitte. Eine nach unten konkave Inzision in der Stirnmitte, etwa 5 cm vom Haaransatz entfernt, ermöglicht es unter Schonung des Supraorbitalbündels, die Stirn in der Mitte bis zum Nasenrücken und lateral, in Verbindung mit dem Zugang von lateral her, zu unterminieren und zu straffen
Dritte Variante: zusätzliche kurze Inzision der Kopfschwarte in der Stirnmitte Zusätzlich zu den beschriebenen Varianten erfolgt eine etwa 2,5 cm lange nach unten konkav verlaufende Inzision in der Mittellinie der Kopfhaut, ca. 5 cm hinter dem Haaransatz. Von hier aus wird eine präperiostale Unterminierung der Galea und des Frontalmuskels bis zur Glabella und, falls gewünscht, zur Nase sowie lateral, unter Schonung des Supraorbitalbündels zur lateralen Braue und zur Temporalinzision vorgenommen. Die mediale Stirn kann somit besser gestrafft werden (Abb. 17.22).
Falls die mediale Braue stärker angehoben werden soll, kann sie mittels einer 3/0 Polyester-, einer 4/0 GoreTex oder einer anderen nichtresorbierbaren Naht, jeweils zum lateralen Ende der Stirn Inzision gespannt werden (s. Abb. 17.16). Der Stirnlappen wird in der Mittellinie nach zephal gespannt, der Überschuss an Kopfhaut einschließlich lateraler „Schweinsohren“ exzidiert und geklammert. Erst dann wird der Überschuss der Temporallappen mittels der Stabilisierungsnähte gesichert, der Überschuss getrimmt und ebenfalls geklammert (Abb. 17.23).
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Abb. 17.23. Stabilisierung der medialen Braue. Da bei dem 55-jährigen Patienten, neben einer Straffung des Augenlidrahmens und des Mittelgesichts mit kurzer Inzision vorgesehen war, tiefe Glabellarfalten mit einem Subdermis-PTFE-Implantat („Softform“) vorzunehmen, wurden beide oberen Inzisionen mit einer tiefen Dermisnaht mit 3/0 Ti-Cron verbunden und beide Enden mit Hilfe eines Katheters an der frontalen Kopfschwarte herausgeführt und am zephalen Inzisionsrand unter Anspannung befestigt (links oben). Im Anschluss daran wurden die Goretex-Implantate eingeführt (links unten). (Aus [67])
Vierte Variante: zusätzliche Blepharokanthoplastik oder Kanthopexie Die Blepharokanthoplastik wurde erstmals von Hinderer 1974 [42] beschrieben, 1975 [43] veröffentlicht und bei zahlreichen Indikationen angewandt mit dem Zweck, ein älteres Aussehen aufgrund einer nach außen und unten abgesenkten transversalen Augenlidachse zu korrigieren oder bei negativem Winkel der transversalen Achsenlinie bei kongenitalen Missbildungen, wie z. B. bei der Blepharophimose, dem Treacher-Collins-Syndrom oder nach einem Trauma. Ein negativer transversaler Achsenwinkel verleiht meistens ein trauriges und älteres Aussehen. Abgesehen von der Schwächung des M. orbicularis geht der Alterungssprozess der Augenlider häufig mit einer Dehnung des äußeren Kanthalligaments als Teil des Bandapparats einher. Die laterale Aufwärtsverschiebung der äußeren Kanthalregion durch die Sub-SMAS-Technik und der Suspensionstechnik des Orbikularismuskels oder der Raphe erreichen zwar eine bedeutende Verbesserung, allerdings nicht oder nur kaum in Bezug
auf den transversalen Achsenwinkel. Dies erfordert eine zusätzliche Blepharokanthoplastik oder Kanthopexie. Nach der Technik der Blepharokanthoplastik nach Hinderer wird von der Inzisionsstelle des M. orbicularis am Oberrand der Raphe der untere Orbikularismuskel über den Sulcus nasopalpebromalaris hinaus unterminiert. Von oben her wird eine stumpfe, runde Schere längs des lateralen Orbitalrandes eingeführt und um 180° gedreht, sodass die Spitze um den Ansatzpunkt des lateralen Kanthalligaments am Whitnalschen Tuberculum orbitale herumgeführt wird. Das Ligament wird mit einer Mosquito-Klemme gefasst und nahe des Ansatzpunkts durchtrennt. Laterale Fasern, die von unten her am unteren Arm des Ligaments ansetzen, müssen soweit durchtrennt werden, bis eine komplette Mobilität der lateralen Hälfte des Lids erreicht wird. Je nach erwünschter Korrektur wird zwischen 4 und 8 mm oberhalb des Ansatzes entweder ein Tunnel am Periost des Orbitalrandes angelegt oder eine Perforation am lateralen Orbitalrand gebohrt, das Ligament durchgezogen und mit sich selbst vernäht. Die Entfernung vom Tuberkulum aus sollte gemessen und markiert werden,wobei der TriSquare von McCoy (Fa. Padgett) hilfreich ist, um Asym-
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Abb. 17.24. Die Blepharokanthoplastik [42, 43], als Zusatz zur vertikalen Sub-SMAS-Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts. Nach Inzision direkt oberhalb der Raphe bis zum Periost und Unterminierung des unteren M. orbicularis bis über den Sulcus nasopalpebromalaris hinaus, wird eine stumpfe Schere längs des lateralen Orbitalrandes nach unten eingeführt und um 180° gedreht, sodass die Spitze um den Ansatzpunkt des lateralen Kanthalligaments herumgeführt wird.Das Ligament wird mit einer Mosquitoklemme gefasst, nahe des Ansatzpunktes durchtrennt und laterale Fasern, die von unten her am unteren Arm des Ligaments ansetzen, soweit durchtrennt, bis eine komplette Beweglichkeit der lateralen Hälfte des Lids erreicht wird Abb. 17.26. Oben links: Am Kadaver sind die Unterlidhaut und der M. orbicularis oculi nach unten geschlagen. Durch das brillan- 䉴 te Septum (5) erscheint das etwas weißere mediale, vorgelagerte Fett (1), das mittlere und laterale Fett (2, 3), sowie das im Eisler-Rezessus (4). An diesem ist das Septum etwas unterhalb des Arcus marginalis am Periost befestigt. Durch Zug an der Klemme,die am lateralen Kanthalligament ansetzt,ändert sich die Neigung der Transversalachse kaum.Oben rechts:Das Septum wurde vom Tarsus abgetrennt und mit Klemmen nach unten geschlagen, ist jedoch noch am Periost des Arcus marginalis (in grün) befestigt. Auch danach ändert der Zug am lateralen Kanthalligament die Inklination der Transversalachse kaum. Das am Tarsus mit der Kapsulopalpebralfaszie ansetzende Septum ist daher kein Hemmnis für eine Änderung der Neigung der Transversalachse, sodass der Winkel auch nicht positiv werden kann, wie viele meinen, wenn das Septum bei Durchführung einer Kanthoplastik oder Kanthopexie am Arcus marginalis durchtrennt wird. Eine Zugnaht ist durch das, vom Whitnal’schen Tuberkulum abgetrennte, laterale Kanthalligament gezogen. Erst eine Durchtrennung des Fasergeflechts, das mit dem lateralen Retinakulum verwoben ist und dessen fibröse Stränge am unteren Arm des Kanthalligaments ansetzen, ermöglicht es, das laterale Unterlid schräg nach oben zu neigen und damit den Transversalachsenwinkel positiv zu gestalten. Intraoperativ sollte jedoch die Abtrennung bei der Blepharokanthoplastik nur soweit erfolgen, als notwendig ist, um eine komplette Mobilisierung des lateralen Unterlids zu erreichen.Weiter nach medial hängt das Fasergeflecht auch mit den Strukturen zusammen (wie z. B.das LockwoodLigament), die den Augapfel von unten her stützen. 5 Septum, 6 laterales Kanthalligament, 7 (in grün) Arcus marginalis, 8 Trennschnitt der Fasern zum lateralen Retinakulum, 9 nach unten umgeschlagener M. orbicularis oculi. Unten links: Das laterale Kanthalligament (mit Naht) ist nicht angespannt. Die Pinzette spannt den unteren Anteil der lateral durchtrennten Kapsulopalpebralfaszie nach oben. Obwohl das laterale Augenlid nicht nach oben gespannt ist, sichert es jedoch die Kontinuität der nicht durchtrennten medialen Kapsulopalpebralfaszie mit dem Lockwood-Ligament und den fibrösen Stützstrukturen des Augapfels. Unten rechts: Die Zugnaht durch das Kanthalligament ist angespannt, so dass die laterale Hälfte des Lidrandes und die Tarsalplatte nach oben rotiert sind. Die Sektion der Kapsulopalpebralfaszie mit Schere wird so lange zur Mitte fortgesetzt, bis eine komplette Mobilität des lateralen Lides erreicht ist. (Aus [66])
KAPITEL 17
Gesichtsstraffung
Abb. 17.25. Das Ligament wird entweder durch ein Bohrloch am lateralen Orbitalrand oder durch einen periostalen Tunnel in höherer Position durchgezogen, angespannt und mit sich selbst mit nichtresorbierbaren Nähten befestigt
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Gesichtsstraffung
KAPITEL 17 Abb. 17.27. 55-jährige Patientin, bei der eine prätemporale und im Anschluss subkutane Gesichts- und Halsstraffung, Anhebung der Braue durch direkte Hautexzision am oberen Brauenrand und Blepharokanthoplastik vorgenommen sowie, wegen einer Asymmetrie, ein linksseitiges subperiostales Jochbeinimplantat eingeführt wurde
metrien zu vermeiden. Falls diese aufgetreten sein sollten, können sie mittels einer verstärkten oder verminderten Anspannung des Kanthalligaments, das durch den periostalen Tunnel bzw. das Bohrloch gezogen wird, korrigiert werden, bevor es mit sich selbst durch Naht verbunden wird. Durch die Anhebung des lateralen Kanthus entstehen Überschüsse am lateralen oberen Orbikularismuskel und an der Haut, die entsprechend exzidiert werden müssen. Raphe und oberer M. orbicularis werden mit 6/0 Vicryl Einzelnähten vereinigt, die Haut lateral mit 6/0 Ethilon Einzelfäden und nach medial mit einer intrakutanen fortlaufenden Naht verschlossen (Abb. 17.24, 17.25). Die Blepharokanthoplastik sollte nicht ohne Anheben der lateralen Braue durchgeführt werden, da die Distanz zwischen dem angehobenen lateralen Kanthus und der Braue verringert wird [43]. Sie erfordert daher zumindest ein direktes Brauen- oder Stirnlifting, oder besser noch die präperiostale Straffung von Augenlidrahmen und Mittelgesicht (Abb. 17.26 bis 17.28). Im Gegensatz zur Blepharokanthoplastik besteht die Kanthopexie in einer lateralen Aufwärtsspannung mittels Naht an die Temporalfaszie [27], einer Naht des unteren Arms des Kanthalligaments zum Periost [75] oder einer transkanthalen Kanthopexie mit Fixierung am lateralen Orbitalrand in höherer Position [37] (Abb. 17.29 bis 17.33). Abb. 17.28. Mit der Blepharokanthoplastik verbesserte sich bei der Patientin aus der Abb.17.26 der Transversalachsenwinkel von +3° auf +14°
KAPITEL 17
Gesichtsstraffung
Abb. 17.29. Die Ostektomie eines nach unten gewölbten lateralen Supraorbitalrands bessert das sog.„Schlupflid“ und erzielt einen „freieren“ Blick. Die Ostektomie kann mit Fräse erfolgen, besser ist ein Meißel. Links oben: Bei der Patientin wurde desgleichen eine Blepharokanthoplastik und Anhebung der Braue durch direkte Hautexzision am oberen Rand mit Ostektomie (oben rechts) sowie eine Dermabrasion durchgeführt. Die Ostektomie wurde gleichzeitig von Tessier, von Hinderer 1979, aber wahrscheinlich schon vorher von Lintilhac, in einer Monographie ohne Datum, empfohlen. Unten rechts: Die Ostektomie kann sehr gut auch vom oberen Augenlid aus durchgeführt werden (aus [51, 52])
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Abb 17.30. Oben: eine Schrägaufnahme der Patientin Abb. 17.29 oben: Ein Teil der breiten Braue konnte entfernt werden (s. Position des Nävus am äußeren Oberlid sowie den „freieren Blick“ mit Besserung des Transversalachsenwinkels). Obwohl es keine Probleme bezüglich der Narbe am oberen Brauenrand gibt, ist eine Anhebung der Braue mittels Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts vorzuziehen. Unten: 48-jährige Patientin, bei der, neben der Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts,eine unabhängige Straffung des Halses,Blepharoplastik mit Ostektomie des nach unten gewölbten lateralen Supraorbitalrands sowie supratarsale Fixierung des linken Augenlids zwecks Korrektur einer erworbenen geringen Ptosis, links, vorgenommen wurde. (Aus [51, 52])
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Gesichtsstraffung
Abb. 17.32. Präoperative Ablichtung mit gleicher Spiegelbildtechnik und Langzeitergebnis 9 Jahre später bei einer 54-jährigen Patientin nach Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts sowie separater Straffung des Halses. Unten: 63-jährige Patientin, bei der in einem anderen Land nach einer Blepharoplastik eine erhebliche, mit an Ektropium grenzender Augenlidrundung und Lagophthalmus mit Epiphora aufgetreten war,und Ergebnis nach vertikaler Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts
䉳 Abb. 17.31. Die folgenden Aufnahmen (Abb. 17.31 und 17.32) wurden jeweils nach dem von Hamra vorgeschlagenen Vergleichsverfahren mit prä- and postoperativen Spiegelbildaufnahmen der entsprechenden Gesichtshälften durchgeführt. Besserung der Augenbrauenstellung, des Ober- und Unterlids, des Sulcus nasopalpebromalaris und der intraseptalen Fettvorverlagerung mittels Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts, bei einer 39-jährigen Patientin (oben) sowie bei einer 40jährigen Patientin mit einer bedeutenden Asymmetrie der Augenbrauen (unten)
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KAPITEL 17 Abb. 17.33. 7,5-jährige Evolution nach Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts bei einer 32-jährigen Patientin. Zwischenzeitlich wurden lediglich zweimal Lippenfüllungen vorgenommen („Artecoll“ und „Dermalife“)
17.2.1.3 Die frontotemporale präperiostale Sub-SMAS-Straffung von Augenlidrahmen und Mittelgesicht mittels Koronarinzision Bei einer bedeutenden Ptose von Stirn und Braue bei normalem Haaransatz wird die Inzision vom oberen Ende der Temporalinzision aus in etwa 6 cm Entfernung parallel zur Haaransatzlinie über die Mittellinie hinaus bis zur Temporalinzision der Gegenseite durchgeführt. Die Unterminierung des Stirnlappens erfolgt präperiostal. Der Stirnlappen kann nach unten umgeschlagen werden und ermöglicht so einen offenen Zugang zum Frontalmuskel und den Depressoren der Braue zwecks Modulation, zum oberen intraseptalen Fettgewebe [21], zur Exzision eines nach unten gewölbten lateralen Supraorbitalrandes, zur operativen Behandlung eines Va-
kuumsinus des Sinus frontalis und einen Zugang zum Nasendorsum bis hin zur Nasenspitze (Abb. 17.34). Im Falle einer hohen Stirn oder temporaler Rezessionen („Geheimratsecken“) verläuft die Naht an den entsprechenden Stellen am Haaransatz. Die Schnittführung des Skalpells erfolgt dann schräg nach unten, sodass nach einigen Monaten aufgrund der erhaltenen Haarfollikel vereinzelt Haare durch die Narbe wachsen können (bezüglich Schnittführung beim Mann, s. Abb. 17.35, oben rechts, und Abb. 17.36.) Die Stirn- bzw. Kopfhautexzision und nachfolgend die Naht erfolgt erst medial, um Seitenverschiebungen zu vermeiden. Im Bereich des Haaransatzes werden horizontale Matratzennähte und in der Kopfschwarte Klammern verwendet. Nach Durchführung der Stabilisationsnähte erfolgt die Naht erst in Mittellinie und da-
KAPITEL 17 Periost M. frontalis
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Frontalast der A. temporalis superficialis Frontalast des N. facialis Fascia temporalis
M. corrugator
Mm. zygomatici
nach lateral temporal. Im dazwischen liegenden Bereich wird die Stirnhaut zephal nach medial angespannt, exzidiert und geklammert. Damit erübrigt sich die Exzision eines medialen Dreiecks der Kopfschwarte, die von vielen Autoren bei Verwendung einer geraden Koronalinzision meist vorgenommen werden muss.
Abb.17.34. Bei normalem Haaransatz wird die Schnittführung vom oberen Ende der Temporalinzision aus in etwa 6 cm Entfernung, parallel zur Haaransatzlinie, über die Mittellinie hinaus zur Temporalinzision der Gegenseite durchgeführt. Die Unterminierung erfolgt präperiostal-prätemporal von oben her und transpalpebral unter dem M. orbicularis und der lateralen Braue und über den Mm. zygomatici. (Mod. aus Hinderer 2001)
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Abb. 17.36. Schnittführung bei Alopezie bei einem 47-jährigen Mann mit Exzision der Haut zwischen zwei Stirnfalten. Neben der Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts wurde auch eine Rhinoplastik und Jochbeinvergrößerung mit subperiostalen Silikonimplantaten durchgeführt
䉳 Abb. 17.35. Oben links: Bei temporalen Rezessionen („Geheimratsecken“) bzw. einer hohen Stirn verläuft die Naht an den entsprechenden Stellen am Haaransatz. Oben rechts: Beim Mann sollte die Inzision am Ohr wegen des Bartwuchses immer etwas weiter von und nie an den Tragusrand verlegt werden. Bei Alopezie kann diese mittels Verlegung der Exzision in die Alopeziezone (wie angezeichnet) etwas gebessert werden. Im Bereich der Stirn ist es manchmal erforderlich, die Braue direkt anzuheben oder aber auch eine wellenförmige Exzision der Haut zwischen zwei Stirnfalten vorzunehmen. Unten links: Schnittführung in Stirnmitte am Haaransatz. Unten rechts:Verkleinerung von „Geheimratsecken“. Bei beiden Patienten ist das SMAS prätemporal und präperiostal einschließlich der Braue und Kanthalregion unterminiert. Eine Revision evtl. verbliebener Adhärenzen sollte durchgeführt werden. Die Daumen befinden sich im Stirnbereich und die Zeigefinger im Mittelgesicht zur Nasolabialfalte
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Abb. 17.37. Die Virenque-Aufricht-Plikation des SMAS. Diese wird häufig in unserer Klinik durchgeführt. Die SMAS-Naht erfolgt in einer kontinuierlichen Linie von der unteren Gesichtshälfte bis zur Mastoidregion einschließlich okzipitaler Verlegung des Platysma nach Skoog [110]
17.2.2 Der seitliche Zugang zur Straffung des mittleren und unteren Gesichts und des Halses Bei den meisten Patienten mittleren Lebensalters ist es erforderlich, zusätzlich das untere Mittelgesicht und Gesichtsdrittel und den Hals zu straffen. Primär wird dies gleichzeitig mit der Straffung der oberen zwei Drittel des Gesichts durchgeführt. Sollte es jedoch bereits zuvor erfolgt sein, so ist eine Wiederholung zumeist nicht erforderlich, sodass die Gesichts- und Halsstraffung unabhängig davon durchgeführt werden kann. Der Vektor der Spannung ist auch in diesem Bereich vornehmlich vertikal. Von einem größeren Zug nach lateral sollte abgesehen werden, um, wie es eine Patientin präoperativ ausdrückte, einen „High-Speed-Look“ zu vermeiden. Bezüglich des lateralen SMAS und Platysma bieten sich insbesondere folgende Möglichkeiten an: ∑ Plikationsnähte des SMAS [3, 124] in Verbindung mit einer Unterminierung des Platysma am Hals und Fixierung des Randes mastoidwärts (wird häufig verwendet; Abb. 17.37),
∑ die Anwendung einer der Sub-SMAS-Techniken mit lateralem Zugang, wie z. B. die Technik nach Jost u. Levet [80], die „Composite-Rhytidektomie“ von Hamra [35], die auch von Connell [17] später veröffentlichte „Dreilappentechnik“ von Tapia [114] sowie die Sub-SMAS-Techniken von Stuzin et al. [113] und von Mendelson [96], u.a.m., ∑ eine Erschlaffung der vorderen Halspartie mit Platysmasträngen erfordert meist eine vordere Platysmaplastik, entsprechend der „Korsettplastik“ nach Feldmann [26]. Technik. Die Inzision beginnt am unteren Rand des Haaransatzes vor der Radix helicis, nach Noël [103], verläuft weiter in drei Kurven vor dem Ohr und Tragus, dann um das Ohrläppchen herum nach oben, ein paar Millimeter vom Sulkus zum Ohr, bis sie oberhalb der Höhe des Tragus horizontal in die okzipitale Kopfhaut abbiegt. Seit Anfang der 70er-Jahre verwendeten wir im Deutschen Krankenhaus Madrid auf den Rat von Castañares hin anstelle der Inzision am hinteren Tragusrand die präaurikuläre Inzision.Wenn die Naht am Ohr ohne jeglichen Zug vorgenommen wird, können die Fäden am
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Abb. 17.38. Dissektion eines SMAS-Platysmalappens des Gesichts und Halses. Der Lappen wird vorn mehrere Zentimeter nach unten durchtrennt. Unten: Nach Markierung des Frontalasts wird der abgetrennte Lappen vertikal nach oben versetzt und an der Temporalfaszie, oberhalb der Markierung des Frontalasts des N. facialis angenäht
dritten Tag entfernt werden und hinterlassen weder Stichkanäle noch resultiert eine sichtbare Narbe, wohingegen die Verlegung der Narbe an den Tragusrand voraussetzt, dass die Haut wegen der unterschiedlichen Hautdicke ausgedünnt wird, weshalb sie zuweilen schlechter einheilt. Häufig wird auch der Tragus unnatürlich nach vorn gezogen. Beim Mann ist sie sowieso wegen des Bartwuchses unverwertbar. Die Spannung sollte daher im ersten Fall im Bereich des präaurikulären Haaransatzes und hinter dem Ohr liegen.
17.2.2.1 Technik nach Jost-Levet Nach einer weiten subkutanen Hautablösung kann anstelle einer SMAS-Plikation auch die Technik nach Jost u. Levet [80] verwendet werden. Die Hautdissektion erfolgt zunächst mit dem Skalpell, dann mit der Castañares-Schere und in den vorderen zwei Dritteln als „Fingertip-Ablösung“. Diese gelingt zügiger, bewegt sich automatisch in der richtigen Schicht und blutet weitaus weniger als dies bei einer scharfen oder auch stumpfen Unterminierung mit Schere der Fall wäre. Ein etwa 3 cm breiter SMAS-Platysmalappen wird nach lateraler Unterminierung von oben her abgelöst, nach lateral-oben angespannt und an der Temporalisfaszie befestigt. Nach Fixierung resultiert meist ein seitlicher Überstand, sodass ein zweiter Lappen, nach hinten angespannt zur weiteren Stabilisierung in der Mastoidregion mit zwei permanenten Nähten befestigt werden kann (Abb. 17.38, 17.39).
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Abb. 17.39. Im unteren Bereich kann ein zweiter Lappen vertikal abgelöst werden, um in der Mastoidregion angenäht zu werden. Nach Trimmung um das Ohrläppchen herum werden Einzelknopfnähte durchgeführt sowie der hintere Platysmarand mit zwei permanenten horizontalen Matratzennähten in der Mastoidregion befestigt und mit oberflächlichen Vicrylnähten vervollständigt. Die Haut wird etwas angespannt und im Bereich des Ohrläppchens eingeschnitten. Das Läppchen wird etwas abgetrennt, um jeglichen Zug nach vorn oder unten zu vermeiden und mit 2 Vicrylnähten ohne Spannung am SMAS angenäht. Die überschüssige Haut wird erst im Bereich der präaurikulären Inzision und danach okzipital getrimmt und nach Noël [103] angenäht. Die okzipitale Naht beginnt am Haaransatz um einer Stufenbildung vorzubeugen. Zwecks Vermeidung einer Hautdehnung aufgrund des Ödems sollte man während der ersten drei Tage „Steri-Strips“ anlegen
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Abb. 17.40. Oben: Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts bei einer 36-jährigen Patientin. Unten: 53-jährige Patientin, bei der eine temporofrontale Straffung des Augenlidrahmens und sowohl eine präperiostale Sub-SMAS-Straffung des Mittelgesichts, eine Blepharoplastik als auch eine subkutane untere Gesichts- und Halsstraffung mit SMASPlatysma-Plikation durchgeführt wurden (aus Hinderer 1987)
17.2.2.2 Korsett-Platysmaplastik nach Feldman Die Korsett-Platysmaplastik nach Feldman [26] erfordert eine transversale Inzision unter dem Kinn und eine totale subkutane Freilegung, sowohl von lateral her als auch am vorderen Hals, weiterhin die Dissektion von einigen Zentimetern des Platysmas zur Vereinigung sei-
ner Ränder im submentalen Bereich mit Polyester-Einzelnähten und im Zungenbeinbereich mit 3/0-VicrylNähten. In diesem Bereich kann eine Inzision des Platysma nach lateral nützlich sein, um ein besseres Halsprofil zu erlangen. Überflüssiges Fett kann mit der Schere entfernt und/oder von lateral her einer Fettabsaugung unterzogen werden (Abb. 17.40, 17.41, 17.42, 17.43, 17.44).
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Abb. 17.41. Oben: 50-jährige Patientin bei der eine temporofrontale Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts sowie eine untere Gesichts- und Halsstraffung mit SMAS-Platysma-Plikation durchgeführt wurde. Es wurde des Weiteren eine Blepharoplastik,eine Rhinoplastik sowie ein Lippenlifting vorgenommen.Unten:52-jährige Patientin,bei der ein frontotemporales Lifting mit Inzision vor dem Haaransatz, Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts, Straffung der unteren Gesichtshälfte und des Halses mit Fettabsaugung, Blepharoplastik, Rhinoplastik und Kinnvergrößerung einzeitig durchgeführt wurden (aus Hinderer 1999)
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Abb. 17.42. Oben: 45-jährige Patientin, bei der eine frontotemporale Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts, eine SMAS-Platysma-Plikation im Bereich des unteren Gesichts und Halses, eine Blepharoplastik und Rhinoplastik einzeitig durchgeführt wurden. Unten: 45-jährige Patientin, bei der eine frontotemporale Sub-SMAS-Straffung des Augenlidrahmens mit subkutaner Straffung des Mittelgesichts, des unteren Gesichts und Halses, Blepharoplastik und Rhinoplastik durchgeführt wurden
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KAPITEL 17 Abb. 17.43. Langzeitergebnis bei einer 49jährigen Patientin, bei der eine Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts mit temporalem und oberem transpalpebralem Zugang, eine Rhinoplastik sowie Jochbeinvergrößerung mit subperiostalem Silikonimplantat vorgenommen wurden. Unten: Langzeitergebnis bei einer 43jährigen Patientin, bei der eine frontotemporale und transpalpebrale Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts sowie Straffung des unteren Gesichts und Halses mit SMAS-Platysma-Plikation, Rhinoplastik und Kinnverkleinerung durchgeführt wurden. 1997 erfolgte auch ein TCA-Peeling
Abb. 17.44. Nach Goldwyns Vorschlag sollte immer neben durchschnittlichen oder guten Ergebnissen auch das schlechteste Ergebnis vorgeführt bzw. veröffentlicht werden. Nach Durchsicht meiner vorliegenden Ergebnisse, einschließlich auch der Beurteilung meiner Mitarbeiter, war das schlechteste das bei einer 46-jährigen Patientin, bei der eine Blepharoplastik und temporale Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts vorgenommen worden war. Die postoperative Aufnahme wurde 8,5 Jahre danach gemacht und zeigt, dass die laterale Braue und das „Schlupflid“ sowie auch das Mittelgesicht nach 8,5 Jahren wieder etwas abgesunken sind
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Abb. 17.45. MACS-lift-Technik nach Tonnard u. Verpaele mit Einführung von Flowers-Tear-Trough-Implantaten
17.2.2.3 Die vertikale Straffung des unteren lateralen Mittelgesichts und Halses mit SMAS-Stabilisierungsnähten Nach Virenques Stabilisierungsnähten der vorderen mobilen Gesichts- und Halsregion an die laterale unbewegliche Kauregion [1925] wurden Platysma-Stabilisierungsnähte zur Korrektur einer Ptosis der Submaxillardrüse und des Platysma von Guerrerosantos sowie des Letzteren auch von Smith eingeführt. Des Weiteren wurden sie von Lassus [85] zur Hebung der lateralen Braue und des lateralen M. orbicularis und von Hinderer zur Hebung der medialen Braue und zur Korrektur tiefer Nasolabialfalten angewandt (s. auch Abschn. 17.2.3.2). Saylan veröffentlichte 1999 als „S-Lift“ die Suspension der ptotischen Weichteile mittels Tabaksbeutelnähten, eine Technik, die von Tonnard u.Verpaele 2001 als minimal-invasives kraniales Suspensionslift (MACS-Lift) signifikant verbessert wurde. Zwei permanente (U bzw. O) Tabaksbeutelnähte werden vertikal zum Unterkieferwinkel bzw. 30° schräg davor im SMAS-Gewebe eingeflochten und oberhalb der Radix helicis an der Temporalisfaszie verankert. Dies erzielt ein vornehmlich verti-
kales Lift mit Hebung des Platysma und damit bedeutender Besserung des Halses, der sogenannten „Jowls“ einschließlich des vorderen Halses mittels Hinzuziehung einer Fettabsaugung und der entsprechenden Hautexzision. Eine dritte Naht zwecks Hebung des abgesunkenen Jochbeinfetts erzielt eine Besserung der Nasolabial- und Marionettenfalten. Die SMAS-Stabilisierungsnähte werden nach begrenzter präaurikulärer Hautablösung, mit Schnittführung am Tragusrand und bis zum Ohrläppchen, gesetzt. In unserer Klinik konnten die guten Ergebnisse von Tonnard u. Verpaele nachvollzogen werden. Bei den meisten Patienten kann eine Halsstraffung nach okzipital vermieden werden. Sollte eine bedeutende Ptosis des Halses eine ausgedehnte Hautexzision und Verlegung nach oben erfordern,kann die Inzision postaurikulär als Omega-Schnittführung nach Stark, 1962 sowie neuerdings auch von Little [88] empfohlen, verwendet werden (Abb. 17.45 bis 17.47). Im September 2004 hat Fogli beim ISAPS-Kongress in Houston gute Ergebnisse mit einer Stabilisierungsnaht des lateralen Randes des Platysma an das resistente Platysma-auricular-Ligament [31] vorgeführt, das die vertikale Zugrichtung verbessert.
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Abb. 17.46. Ergebnis nach vertikaler, koronarer und transkonjunktivaler Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts, nach Hinderer.Wegen der hohen Stirn verläuft die Naht am Haaransatz.Transkonjunktivale Entfernung des intraseptalen Fettes, Einführung von Flowers Jochbeinimplantaten sowie MACS lift nach Tonnard u. Verpaele (s. Abb. 17.45)
In Ausnahmefällen kann man bei Patienten, die keinerlei präaurikuläre Inzision akzeptieren, den Eingriff mit einer kleinen Inzision oberhalb der Radix helicis sowie unter dem Ohrläppchen durchführen, um beide Tabaksbeutelnähte vor dem Ohr subkutan vorzunehmen. Eine endoskopische Technik ist hierbei von Vorteil.
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! Insbesondere bei der vorderen Naht sollten tiefe Einstiche vermieden werden, um eine Parese der Bukkaläste zu vermeiden.
Selbst nach einer Durchtrennung eines Bukkalasts ist die Motorik aufgrund der Anastomosen fast immer nach 3 Monaten behoben. Die Technik des vertikalen „MACS-Lifts“ ist eine befriedigende und zeitsparende Technik, die ein empfehlenswertes Komplement zu der vertikalen Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts nach Hinderer bildet (Abb. 17.48 bis 17.50).
KAPITEL 17 Abb. 17.47. Nahaufnahme des Augenlidrahmens und Mittelgesichts (s. Abb. 17.45 und 17.46)
Abb. 17.48. Die Gesichtsspannung ist auch in der rekonstruktiven fazialen Chirurgie einschließlich der Augenlider angezeigt, wie z. B. in der Behandlung 23 Jahre nach einer Fazialisparese a frigore links, bei der folgende Techniken angewandt wurden: Vertikale präperiostale und transpalpebrale periokuläre und Mittelgesichtsspannung mit oberer Blepharoplastik mit Orbikularis Suspension bds. sowie unterer Gesichts-Halsspannung (mit Virenque-Aufricht-Plikation) links; Transplantat der Subgalealfaszie in die linke Nasolabialfalte; tiefe Naht der Lippenkommisur zur Basis des linken Ala nasi, sowie „Lipofilling“ der Lippe und des Kinns. Zusätzlich wurden Aptos-Fäden nach Sulamanidze im Bereich der linken Wange tief subkutan eingezogen (siehe Markierungen). Wegen verbleibender Depressionen am Kinn bei Muskelkontraktionen wurden 4 Wochen nach dem Eingriff Botox-Injektionen vorgenommen 䉲
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Abb. 17.49. Resultat entsprechend Abb. 17.48
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Abb. 17.50. Vor und nach Botox-Injektion
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Abb. 17.51. Korrektur der alternden Lippe: Die Inzision wird weitmöglichst in das Innere der Nasenbasis verlegt, um eine Spannung an der restlichen Nahtstelle zu verringern. Unten: Ein der Größe entsprechendes Transplantat der Subgalealfaszie wird während der Straffung temporal entnommen und nach Unterminierung der Lippenhaut bis zum Lippenrot an den Nasolabialfalten mit ein paar Vicrylnähten befestigt. (Aus Hinderer [61])
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Abb. 17.53. Ergebnis nach einer frontotemporalen und transpalpebralen Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts sowie Straffung des Untergesichts und Halses und Lippenkorrektur: (s. auch Abb.17.51,unten).49-jährige Patientin,bei der neben einer frontotemporalen und transpalpebralen Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts und des Halses, eine Rhinoplastik und Lippenkorrektur durchgeführt wurde. Ein TCA-Peeling erfolgte vier Monate später
䉳 Abb. 17.52. Die Lippenkorrektur des Verfassers erzielt ein jugendliches konkaves Profil mit Verkürzung der Lippe und Vergrößerung des Lippenrots sowie Besserung der vertikalen Vertiefungen im Bereich der Retinacula cutis. Die oberflächlichen „Balken-Codes“ und Runzeln erfordern jedoch eine zusätzliche Dermabrasion, ein Peeling oder Laser-Resurfacing, die bei beiden Patienten nicht vorgenommen wurden. Die obere Patientin entspricht den Fotos Abb. 17.51. Die postoperativen Fotos wurden 14 bzw. 11 Wochen postoperativ gemacht
17.2.3 Chirurgische Zusatzkorrekturen 17.2.3.1 Korrekturen der alternden Lippe Schon im mittleren Lebensalter treten im Bereich der Lippe folgende Veränderungen hervor: zunehmend tiefe vertikale Falten, die sog. „Balken-Codes“, Verlängerung und Abflachung der Lippe und des Philtrums mit Verlust der charakteristisch jugendlichen Konkavität der Lippe. Die längere Oberlippe bedeckt die obere Zahnreihe bei mäßig geöffnetem Mund, und es tritt ein Herabhängen der Mundwinkel auf, das einen verbitterten Eindruck vermittelt. Sowohl Mir y Mir [98] als auch Hinderer empfahlen 1970, die Retinacula-cutis-Fasern zwischen Dermis und M. orbicularis oris zu durchtrennen. Entgegen Mir y Mir,
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Abb. 17.54. Vertikale präperiostale Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts, transkonjunktivale Fettentfernung, MACS-lift der unteren Gesichtshälfte und des Halses. Die tiefe Nasolabialfalte wurde mittels eines subkutanen Durchzugs eines Transplantats der Subgalealfaszie nach Hinderer-Espinosa bedeutend gebessert. Unten links: Behandlung einer tiefen Nasolabialfalte mittels subkutaner Einführung eines V. saphena magna Fragments. Ein anderes Fragment wurde zur Vergrößerung des Lippenrots verwendet (unten rechts)
der gleichzeitig eine Dermabrasion bzw. Peeling durchführte, empfahl Hinderer, ebenfalls von der Kolumella aus, für drei Wochen eine dünne Silikonfolie einzulegen. Im Jahr 1971 veröffentlichten Cardoso u. Sperli [11] eine Teilunterminierung zwecks Hautexzision zur Verkürzung der Nasolabialdistanz (Abb. 17.51, 17.52). Während des letzten Jahrzehnts wählten wir in unserer Klinik diesen Zugang, um die Lippe bis zum Lippenrot komplett zu unterminieren und verwendeten anstatt der Silikonfolie ein bei der Rhytidektomie im Temporalbereich anfallendes Transplantat aus der Subgalealfalte. Dieses wird dann zwischen Dermis und M. orbicularis oris anstelle der Silikonfolie implantiert. Die Narbe ist nach kurzer Zeit kaum mehr sichtbar und die Resultate waren bislang immer sehr befriedigend (Abb. 17.53).
Abb. 17.55. Ergebnis bei der Patientin Abb. 17.54
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17.2.3.2 Korrektur der tiefen Nasolabialfalte Tiefe Nasolabialfalten werden durch die Ptose der Wange verursacht. Im Bereich der Falte selbst ist die Dermis sowohl mit den Fasern des M. orbicularis oris als auch mit denen der Mm. zygomatici verbunden. Ein indirekter Zug über die Mm. zygomatici würde m. E. die Falte nur vertiefen. Eine Besserung wird daher am besten mittels der vertikalen Sub-SMAS-Technik im Mittelgesicht oder auch mittels der Technik nach Tapia [114] von lateral her erreicht, bei der das SMAS entsprechend den Erfordernissen in drei Lappen nach lateral und zephal angespannt und vernäht wird. Zur Korrektur von Hohlwangen kann ein Lappen um 180° unter die entsprechende Depression rotiert werden (Abb. 17.54, 17.55). Bewährt haben sich sowohl Transplantate der bei der temporalen Straffung anfallenden Subgalealfaszie nach subkutaner Dissektion der Falte, als auch die Einführung von V. saphena magna Fragmenten. Eine weitere Möglichkeit ist es, die Weichteile unmittelbar oberhalb der Falte endoskopisch mit Nähten am Periost im unteren Jochbeinbereich zu befestigen, eine Technik, die durchaus zu empfehlen ist (Abb. 17.56). Bei tiefen Falten im Bereich des paraalaren Segments lassen sich ebenfalls befriedigende Ergebnisse durch die Einfügung eines kleinen dreieckigen Silikonimplantats durch eine laterale Osteotomieinzision erzielen. Diese Technik wurde 1983 auch von Lettermann u. Schurter [86] veröffentlicht (Abb. 17.57).
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Abb. 17.56. Anlegen einer endoskopischen Stabilisierungsnaht bei tiefen Nasolabialfalten aufgrund eines stark abgesunkenen Mittelgesichts. Die Darstellung am Kadaver erfolgte mit Prof. Berger und Herrn Krause-Bergmann in der MHH Hannover. Die Haut wurde nach Durchtrennung des Unterlids nach unten abgezogen. Der Faden erfasst die abgesunkenen Weichteile direkt oberhalb der Nasolabialfalte, um sie am Jochbeinperiost zu befestigen
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Abb. 17.57. Oben links : Die Nasolabial-Jochbein-Fixierung mit endoskopischer Technik (s. Abb. 17.56). Oben rechts: Zwecks Behandlung einer paraalaren Vertiefung der Nasolabialfalte empfahl Hinderer [44] ein entsprechendes kleines Silikonimplantat von einer lateralen Oseotomieinzision einer Rhinoplastik subperiostal einzuführen. Unten: Bei einer 41-jährigen Patientin wurden neben einer temporalen und transpalpebralen Straffung des Augenlidrahmens und Mittelgesichts beide oben angegebenen Techniken zwecks Besserung der paraalaren Vertiefung der Nasolabialfalte und Stabilisierung der Ptosis des Mittelgesichts durchgeführt
17.2.3.3 Chirurgische Modulation des Augenlidrahmens Bei der normal geschwungenen Braue liegt der höchste Punkt zwischen den mittleren zwei und dem lateralen Drittel der Augenbraue. Jede Gleichgewichtsstörung aufgrund einer Hypertrophie oder Hypotonie eines Muskels beeinflusst Form und Minenspiel der Braue und hat eine verschiedenartige mimische Bedeutung. Fehlformen können durch Myotomie oder Myektomie der hypertrophen Muskulatur und somit zur Wiederherstellung eines normalen muskulären Gleichgewichts beseitigt werden. Die Modulation (ein von Mühlbauer 1995 geprägter Begriff [101]) kann sowohl durch Lähmung mittels Botulinus-Injektionen (Botox) als auch chirurgisch von einem koronalen Zugang mittels endoskopischer minimal-invasiver Chirurgie oder auch vom Oberlid aus erreicht werden (Abb. 17.58). Die Hypertrophie des M. procerus verursacht querverlaufende Falten an der Nasenwurzel und die des M. corrugator vertikale Glabellarfalten (Abb. 17.59, 17.60).
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f Abb. 17.58. a Stellung der Braue, abhängig vom funktionellen Gleichgewicht der Depressoren und des M. frontalis. b Die Senkung der medialen Braue durch Hypertrophie des M. depressor supercilii vermittelt ein verbissenes, strenges Aussehen. c Die Senkung der lateralen Braue durch Hypertrophie der lateralen vertikalen Fasern des M. orbicularis (M. depressor supercilii lateralis) und Hypotonie des lateralen Anteils des M. frontalis drückt Traurigkeit aus. d Die Senkung der gesamten Braue durch Hypotonie des kompletten M. frontalis macht älter. e Die Hypertrophie des mittleren Anteils des M. frontalis vermittelt ein erstauntes Aussehen. f Die Hypertrophie des M. depressor supercilii und der lateralen zwei Drittel des M. frontalis, einschließlich der Hypotonie des lateralen M. depressor supercilii des M. orbicularis oculi, verursacht ein diabolisches Aussehen. g Exzision der Nasenansatzstelle des M. procerus nach Dissektion zwecks Behandlung einer tiefen transversalen Falte am Nasenrücken. h Dissektion des M. corrugator vor Teilexzision zwecks Behandlung einer tiefen vertikalen Glabellarfalte nach Knize sowie Guyuron et al. [33] vom Augenlid aus. Der M. corrugator ist mit einem Faden vor seiner Teilexzision, sei es am Knochenansatz oder nahe der Braue, isoliert. Am M. depressor supercilii ist der N. supratrochlearis (obere Fadenschlinge) sichtbar, der, soweit möglich, bei der Muskelexzision zwecks Behandlung einer Senkung der medialen Braue geschont werden sollte,um eine Sensibilitätstörung im Bereich der Stirnmitte zu vermeiden
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Abb. 17.59. Oben: Kongentiale Ptosis des linken Oberlids. Der konstante Versuch, das Augenlid indirekt über Hebung der Braue weiter zu öffnen, verursachte eine Hypertrophie des M. frontalis. Ergebnis nach Korrektur der Ptosis mit der Technik von Carraway, präperiostalem Lifting der oberen zwei Drittel des Gesichts und Myotomie des linken M. frontalis, etwa 2 cm oberhalb der Braue. Unten: Exophthalmus, mit gutem Ergebnis von Prof. Olivari voroperierte Patientin. Die Korrektur der sekundären Ptosis der Augenlider wurde vom Verfasser in einem zweiten Eingriff mittels Rhytidektomie der oberen zwei Drittel des Gesichts sowie supratarsaler Fixierung durchgeführt
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Abb. 17.60. Oben: Strenger Ausdruck durch Senkung der medialen Braue. Ergebnis nach Blepharoplastik der oberen Augenlider und vertikalem präperiostalem Lifting der oberen zwei Drittel des Gesichts. Zwecks Korrektur der Glabellarfalten und Senkung der medialen Braue wurde eine Myektomie des M. corrugator und des M. depressor supercilii vom Augenlid aus durchgeführt. Unten: Erstauntes Aussehen durch Hypertrophie der mittleren Fasern des linken M. frontalis, die während der Straffung des Augenlidrahmens und des Mittelgesichts von der Temporalinzision aus durchtrennt wurden
Technik nach P. Castillo-Campos Eine neue Methode der Stirnstraffung mit Muskelmodulation des mexikanischen Plastischen Chirurgen Castillo-Campos [13], bei über 350 Patienten während fast 8 Jahren erprobt, wurde kürzlich in Barcelona mit Lifeübertragung vorgeführt: Unter Lokal- und Regionalanästhesie und Sedierung, wird von einer 0,7 cm Inzision der Kopfschwarte in Stirnmitte die gesamte Stirn präperiostal sowie von 1,5 cm vom Orbitalrand aus subperiostal unterminiert. Der M. corrugator und M. procerus sowie die medialen Anteile des M. frontalis werden mit einem bis auf die Spitze isolierten Spezialhaken mit variabler Intensität elektrokauterisiert. Die Methode ist effektiv, relativ einfach und erzielt eine Anhebung der lateralen Braue zwischen 8 mm und 15 mm mit Korrektur vertikaler und horizontaler Stirn- und Nasenwurzelfalten, erfordert jedoch einen zweiwöchigen Stirnverband in angehobener Stellung. Komplikationen: ausgeprägte Hämatome.
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III Erkrankungen der Genitalorgane KAPITEL 18
D. Axmann
Faltenbehandlung im Gesicht
Inhalt 18.1 Allgemeines 18.1 Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . 18.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie . . . . . 18.1.1.1 Das alternde Gesicht . . . . . . 18.1.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.1.3 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . 18.1.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.1.4.1 Allgemeine Betrachtungen . . 18.1.4.2 Therapieplanung . . . . . . . . 18.1.4.3 Therapiekonzept . . . . . . . . 18.2 Spezielle Techniken . . . . . . . . . . . 18.2.1 Ablative Verfahren . . . . . . . . . . . . 18.2.1.1 Oberflächenbehandlung der Haut . . . . . . . . . . . . . 18.2.1.2 Tiefgreifende Hautbehandlung 18.2.2 Botulinumtoxin . . . . . . . . . . . . . . 18.2.3 Füllsubstanzen . . . . . . . . . . . . . . 18.2.3.1 Injizierbares Material . . . . . . 18.2.3.2 Implantate. . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
539 539 539 540 540 540 540 542 543 543 543
. . . . . . .
. . . . . . .
543 544 545 546 548 549 551
Die Faltenbehandlung im Bereich sichtbarer Körperregionen ist sowohl beim männlichen als auch beim weiblichen Geschlecht durch die Jahrtausende immer Thema operativer und konservativer Maßnahmen gewesen. Bereits im Papyrus Eberi (ca. 1500 Jahre a.D.) werden kosmetische Maßnahmen wie Öle, Abrasivstoffe und pflanzliche Säureextrakte zur Verbesserung des Aussehens der Haut beschrieben.
18.1.1 Chirurgisch relevante Anatomie 18.1.1.1 Das alternde Gesicht Morphologisch sind Falten eine sekundäre Linienbildung durch Fältelung der Dermis und der Epidermis. Bei längerem Bestehen der Faltung entsteht eine irreversible Narbe (Abb. 18.1). Die Ursachen für das Entstehen von Falten im Gesichtsbereich liegen im ∑ Verlust des Hautturgors durch Abnahme der Wasserbindungsfähigkeit (Proteoglykane), ∑ Elastizitätsverlust der Dermis durch Abbau der Kollagenfibrillen, ∑ Hyperaktivität der mimischen Muskulatur, ∑ schwerkraftbedingten Absinken der anatomischen Einheiten.
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Faltenbehandlung im Gesicht
a
KAPITEL 18
c
b
Abb. 18.1. a Zellaufbau der jungen Haut, b Zellaufbau der älteren Haut, c es bildet sich eine Narbe
18.1.2 Diagnostik Der Wunsch des Patienten nach einer Faltenbehandlung verlangt nach einer eingehenden Anamnese und Problemanalyse. Der Arzt muss neben der Beurteilung der Falte als Ausdruck der körperlichen Veränderung auch die Erwartungshaltung des Patienten analysieren und ihm das Machbare darstellen; er muss korrigierbare „Alterungserscheinungen“ von psychischen Begleiterkrankungen trennen.
18.1.3 Klassifikation Um ein Therapiekonzept zu systematisieren, können die Falten grob morphologisch in drei Gruppen unterteilt werden, auch wenn in natura die Falten einer Gesichtsregion fast immer das Ergebnis kombinierter ätiologischer Faktoren sind. Oberflächliche Falten sind meist Folge einer vermehrten Sonneneinstrahlung sowie des Austrocknens der Haut. Es kommt zu einer Zunahme der Hornschicht bei gleichzeitigem Rückgang des Hautturgors sowie der Elastizität der Dermis. Mimische Falten sind Ausdruck einer sekundären Linienbildung aufgrund der Tonussteigerung der mimischen Muskulatur bestimmter anatomischer Bereiche des Gesichtes.Hervorzuheben sind die Regionen des Or-
bicularis oris, der Korrugatoren und des Procerus sowie des Frontalis und des Orbicularis occuli (Abb. 18.2). Schwerkraftbedingte Falten entstehen durch die Ptosis des „superficial musculo-aponeurotic system“ (SMAS) und des Wangenfettkörpers mit entsprechendem Verschieben des Hautmantels.
18.1.4 Therapie 18.1.4.1 Allgemeine Betrachtungen Nur die kompetente Kooperation und das Nutzen von Synergieeffekten verschiedener Leistungsbereiche führt letztlich zur Qualitätssteigerung der Behandlung, zur Sicherung der Ergebnisse und zur Erweiterung des Behandlungsspektrums des Arztes.
Recht Die Entwicklung moderner chirurgischer Instrumente und Materialien sowie das bessere Verständnis für die Biologie der Haut hat in der Neuzeit für enorme Innovationen bei der Faltenbehandlung, besonders des Gesichtes, gesorgt. Allerdings verlangt dieses große Angebot an verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten vom Behandelnden eine intensive Auseinandersetzung mit der Ma-
KAPITEL 18
M. procerus
Faltenbehandlung im Gesicht
541
M. corrugator supercilii
Venter frontalis des M. occipitofrontalis
M. orbicularis oculi
b
a M. orbicularis oris
Abb. 18.2. a Anatomie der mimischen Muskulatur, b, c Hautschema, b ohne Kontraktion, c mit Kontraktion
terie; zum einen, um dem Patienten eine kompetente Beratung und Therapie bieten zu können; zum anderen, um sich selbst vor den rechtlichen Folgen unsachgemäßer oder falscher Therapie zu schützen. Der Arzt ist sowohl aus ethischen als auch aus rechtlichen Gründen (§ 631 BGB) verpflichtet, den Patienten über das gesamte Spektrum der therapeutischen Maßnahmen aufzuklären. Er muss die Vor- und Nachteile des Therapiekonzeptes verständlich darstellen, das mögliche Ergebnis evaluieren, Alternativen diskutieren und erklären, welche Folgen die Behandlung sowohl physisch als auch
c
psychisch für den Patienten hat und nicht zuletzt auch deren Bedeutung für den Patienten im sozialen Kontext. Sollte der Arzt selber nicht über das gesamte Spektrum der therapeutischen Maßnahmen verfügen, so ist er auf alle Fälle gehalten, dem Patienten hierüber Auskunft zu geben und ihn in eine andere Behandlung weiterzuleiten. Anders als im Fall medizinisch-indizierter Leistungen kann der Arzt mit dem Patienten bei ästhetisch-chirurgischen Maßnahmen einen Werkvertrag und keinen Dienstvertrag eingehen.
542
Faltenbehandlung im Gesicht Tabelle 18.1. Konzept, Integration und Kooperation Konzept, Integration und Kooperation Operateur
Personal
Anästhesie
Psychologie
Kosmetik
Rechtsberatung
Massage
Werbung
Fitness/Wellness
Ambiente
Integration und Kooperation Die Faltenkorrektur stellt ein integratives Konzept von chirurgischen und konservativen Maßnahmen in der prä-, intra- und postoperativen Behandlung dar, das nach enger Kooperation und Wissen über die Behandlungsmöglichkeiten der Kooperationspartner verlangt (Tabelle 18.1). Kompetente Partner wie Kosmetikinstitute, Massagepraxen sowie Fitness- und Wellness-Center helfen bei der Optimierung des ästhetischen Ergebnisses und steigern die Kompetenz des Arztes.
Dienstleistung Ein Patient, der den Wunsch nach einer Faltenkorrektur an den Behandelnden heranträgt, erwartet von diesem im Unterschied zu medizinisch indizierten Erkrankungen eine Dienstleitung. Dies fordert von dem Arzt ein Umdenken hinsichtlich seines Behandlungsauftrages und eine Umstrukturierung seiner Behandlungseinheiten. Das Ambiente der Behandlungsräume muss dem Anspruch des Patienten genügen; das Personal sollte nicht nur fachlich, sondern auch serviceorientiert geschult sein. Heil- und Hilfsmittel sowie prä- und postoperative Materialien zur Vorbereitung der Haut bzw. zum Abdecken sichtbarer Zeichen eines Eingriffs sollten im Ambulatorium zeitnah verfügbar sein. Nicht zuletzt verlangen alle nicht medizinisch indizierten (Dienst)Leistungen nach Rechtssicherheit für den Arzt und nach einer wirksamen Außendarstellung,um das Leistungsspektrum des Arztes publik zu machen. Hierfür sollte der Arzt kompetent beraten bzw. ausgebildet sein, bevor er ästhetisch-chirurgische Behandlungen anbietet.
KAPITEL 18
18.1.4.2 Therapieplanung Die Therapie einer Faltenbehandlung ist nicht zu normieren, da sie so individuell wie der Patient ist. Die Definition des Begriffs der Schönheit als „Übereinstimmung von Form und Inhalt“ ist zu starr und bietet keinen Raum für die individuelle Betrachtung des Einzelnen. Der von dem Patienten geäußerte Wunsch nach einer Faltenbehandlung basiert auf der individuellen Ansicht des Patienten selbst. Das geflügelte Wort „Schönheit entsteht im Auge des Betrachters“ ist hier die Norm, da Schönheit durch die Lebensweise (Ethos), durch Lebensäußerung (Kultur), durch den Zeitgeist und am meisten durch die individuelle Sichtweise des Einzelnen beeinflusst ist.
Analyse Vgl. hierzu Abschn. 18.1.2.
Beratung Die Beratung sollte sowohl patientenorientiert als auch problemorientiert erfolgen. Nicht alles, was technisch möglich ist, ist für den individuellen Patienten auch nötig. Nicht jede therapeutische Maßnahme darf bei jedem Patienten angewandt werden, da ggf. Grunderkrankungen einer aufwändigen therapeutischen Maßnahme entgegenstehen oder z. B. soziale Verpflichtungen der längeren Rekonvaleszenzzeit einer invasiven Therapie widersprechen.
Rechtssicherheit Das Therapieangebot muss in seiner vollständigen Breite dargestellt und die jeweilige Behandlungsmaßnahme hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile differenziert und verständlich dargelegt werden. Hierbei muss der Arzt nicht nur die Folgen der Behandlung für den Patienten, sondern auch für sich selber bedenken.
! Bei Zweifeln hinsichtlich der Compliance des Patien-
ten sollte auf eine Behandlung verzichtet werden, um sich vor Ansprüchen des Patienten zu schützen. Darüber hinaus muss sich der Arzt vergewissert haben, dass sein Leistungsangebot komplett durch seine Haftpflichtversicherung abgedeckt ist.
KAPITEL 18
Faltenbehandlung im Gesicht
18.1.4.3 Therapiekonzept
Schwerkraftbedingte Falten
Wie in Abschn. 18.1.3 (Klassifikation) beschrieben, können die Falten grob schematisch in drei Gruppen eingeteilt werden, auch wenn in natura die Falten einer Gesichtsregion fast immer das Ergebnis kombinierter ätiologischer Faktoren sind. Dementsprechend besteht die Therapie meist in einer Kombination verschiedener ursächlicher Behandlungsmaßnahmen, die synergistisch das Ergebnis der Behandlung optimieren. Auch muss unter Umständen auf die optimale ursächliche Behandlung zugunsten einer rein symptomatischen Therapie verzichtet werden, wenn Erkrankungen oder soziale Gründe einer bestimmten Behandlung entgegen stehen.
Die einzig ursächliche Therapie ist hier die Reduktion der abgesunkenen Volumina, z. B. durch Liposuktion, und die Reposition der ptotischen anatomischen Strukturen mittels invasiver chirurgischer Technik (s. Kap. 9, Kap. 17). Auch hier wird zum Optimieren des Ergebnisses mit Füllmaterialien gearbeitet.
Oberflächliche Falten Ein ursächlicher Therapieansatz ist eine Kombination von ∑ Verbesserung der Wasserbindungsfähigkeit durch nicht vernetzte Hyaluronsäuren sowie eine Rehydratation und Tonisierung der Haut durch Kosmetika, ∑ Reduktion der Hornschicht bei gleichzeitiger Aktivierung der Basalmembran der Haut durch abrasive Verfahren bzw. Vitamin-A-Säure und ∑ Vermehrung bzw. Organisation der Kollagenfibrillen mittels tiefenwirksamer Peelings bzw. einer Laserbehandlung, ∑ zuletzt können verbleibende feine Fältchen und Unebenheiten der Haut mit niedrig viskösen Füllmaterialien ausgeglichen werden. Durch diese Kombination werden alle Schichten der Haut systematisch behandelt und damit wird das ästhetische Ergebnis optimiert.
Mimische Falten Die ursächliche Therapie besteht in einer Schwächung bzw. dem kompletten Verlust des Tonus der jeweiligen Muskelgruppe.Zeitlich begrenzt ist dies durch die Injektion einer den Muskel lähmenden Substanz (Botulinumtoxin) zu erreichen (s. Abb. 18.4). Mit einer operativen Muskelinzision/-resektion ist dagegen ein dauerhafter Erfolg zu erzielen. Verbliebene sichtbare Linien der Haut als Ausdruck einer bereits eingetretenen Vernarbung der Falte werden mit injizierbarem Material adjuvant aufgefüllt.
18.2 Spezielle Techniken 18.2.1 Ablative Verfahren Die Therapie der Oberflächenbehandlung der Haut ist die Kombination einzelner Behandlungsschritte, die eine Stimulation der proliferativen Hautstrukturen und eine Korrektur der Hornschichten beinhalten; d. h., dass der aufgeworfene „Bergkamm“ der Epidermis so weit abgeschliffen wird, bis er auf das Niveau des „Bergtales“ geglättet ist und damit eine flache und faltenarme Ebene geschaffen wurde. Als Leitlinie gilt: Je tiefer die Schädigung der Haut, desto größer und anhaltender der Therapieerfolg; aber desto länger auch die Zeit der Rekonvaleszenz und damit die Dauer sichtbarer Zeichen der Behandlung.
18.2.1.1 Oberflächenbehandlung der Haut Kombinationen von Vitamin-A-Säuren, Fruchtsäuren, Hydrokortikoiden und unterschiedlich stark abrasiven Substanzen führen zu einer Korrektur sowohl der Textur als auch des Teints der Haut. Ziel der Behandlung ist eine Tonisierung des HautpH und die Anregung der Hautdurchblutung, eine Exfoliation verhornter Hautschichten, die Stimulation der Kollagenneogenese und eine Verfeinerung des Hautreliefs durch Verkleinerung grobporiger Haut. Es empfiehlt sich eine Reinigungsmilch, um den Säuregehalt der Haut oberflächlich einzustellen.Adstringierende Substanzen wirken antibakteriell und viruzid.Der Fettfilm der Haut wird reduziert. Die Herstellung des Farbgleichgewichtes wird durch die Gabe von exfoliativen Substanzen wie Fruchtsäuren (Glycolsäure oder Milchsäure) und Vitamin-A-Säure (Tretinoin) erreicht. Die Begleitumstände der Hautkorrektur wie Rötung, Trockenheit, gesteigerte Hautempfindlichkeit mit Juckreiz und Brennen sowie Abschuppung der Haut sind regelhaft, wobei die Stärke der Hautreaktion mit der Geschwindigkeit der Hautkorrektur korreliert. Ein zusätzlicher Effekt der Vitamin-A-Säure ist eine Stimulation der elastischen Faserstrukturen sowie des Kollagens in der Dermis. Die Vitamin-A-Säure
543
544
Faltenbehandlung im Gesicht
KAPITEL 18
greift in die Proteinbiosynthese ein, die die Kollagenbildung und die dermale Durchblutung erhöht.
! Nach einer Behandlung mit Vitamin-A-Säuren können Kapillaren, Teleangiektasien und brüchige Blutgefäße deutlicher hervortreten.
Der Erfolg dieser Behandlungsmaßnahmen ist in Abhängigkeit von der Intensität auf wenige Monate begrenzt. Allerdings ist der instrumentelle Aufwand und die Gefahr der irreversiblen Hautschädigung gering, was die Behandlung einfach, sicher und preiswert macht.
18.2.1.2 Tiefgreifende Hautbehandlung Zusätzlich zu den Behandlungsmaßnahmen oberflächlicher Hautstrukturen werden stark abrasive Therapieverfahren zur Behandlung flacher Narben, grobporiger Haut, oberflächlicher und mitteltiefer Falten, epidermaler und dermaler Pigmentstörungen, aktinischer Keratosen und anderer prämaligne Hautläsionen eingesetzt. Auch zur Verbesserung des Hauttonus, bei der Behandlung von Akne, Komedonen und flachen Warzen und letztlich zur Verlängerung des Therapieerfolgs bei der Behandlung oberflächlicher Falten können diese hochwirksamen Verfahren eingesetzt werden. In Relation zu oberflächlichen Verfahren ist die Eindringtiefe und damit die Schädigung der Haut, aber auch der Erfolg der Dermisablation größer. Die Patienten müssen auf die Gefahr der Pigmentstörung,der Exazerbation von viralen und bakteriellen Infektionen und auf die Narbenbildung bei zu tiefer Eindringtiefe hingewiesen werden.
Abb. 18.3. Faltenbehandlung mittels Dermabrasion
! Im Gesicht muss unbedingt die Region der Unterlider
ausgespart werden, da hier die Haut für die Fräse zu vulnerabel ist.
Chemisches Peeling Je nach Intensität der Säure (gebräuchlich sind TriChlor-Essigsäure, TCA, und Phenol) kommt es zu einer Zerstörung der anatomischen Strukturen mit einer Epidermolyse entweder oberhalb der Basalschicht oder in der papillären und oberen retikulären Dermis. Eine einfache Handhabung bietet das „Blue-Peel“, bei dem der Zusatz von Lebensmittelfarbe die Grenzen der behandelten Region und das Ausmaß der Proteindenaturierung der Haut gut sichtbar macht.
Dermabrasion Die Dermabrasion stellt ein mechanisches Verfahren zum Entfernen oberflächlicher Hautschichten mittels eines rotierenden Schleifaufsatzes im Sinne einer Exkoriation dar (Abb. 18.3).
Gute Indikationen für die Dermabrasion sind hingegen periorale, bukkale und glabellare Partien (s. auch Bd. I, Kap. 19).
Laser Für die Exkoriation bieten sich ultragepulste thermischablative Laser, wie der CO2-Laser und der Neodym-YagLaser an. Diese instrumentell und finanziell aufwändigen Geräte erlauben großflächiges, berührungsfreies Vaporisieren von Hautschichten in sicher zu bestimmender Eindringtiefe. Der Vorteil des Lasers liegt im berührungsfreien Vorgehen ohne massive Scherkräfte wie bei der Dermabrasion. Damit ist auch eine Exkoriation der empfindlichen Haut in der Unterlidregion möglich. Allerdings verlangt diese Technik im Gegensatz zu den
KAPITEL 18
bereits erwähnten Behandlungsmaßnahmen nach einer Narkose oder zumindest einer Analgosedierung (s. auch Bd. I, Kap. 14).
Faltenbehandlung im Gesicht
Abb. 18.4 a–d. 24-jährige Frau mit hyperkinetischer Korrugatoren- und (weniger) Procerus-Muskulatur. Sie wird alle 5 Monate mit Botulinustoxin-Injektion zur Prophylaxe von Hautbruchlinien behandelt
Nachbehandlung Die Nachbehandlung besteht in Abhängigkeit von der Schädigungstiefe der Haut in der Verwendung von Feuchtigkeitscreme, Dermatokortisonen und ausreichendem Sonnenschutz.
18.2.2 Botulinumtoxin Bei diesem Toxin handelt es sich um ein Neurotoxin, welches vorübergehend die Überbringung von Neurotransmittern blockiert. Ursächlich ist eine starke Bindung der präsynaptischen cholinergen Nervenendigungen. Es kommt zu einer vollständigen oder nahezu vollständigen Erschlaffung des Muskels und damit zu einem Ausgleichen der hyperkinetischen Faltung der Haut (Abb. 18.4). Demzufolge verbietet sich der Eingriff bei
Schauspielern und anderen Berufsgruppen, die von der Funktionsfähigkeit und dem Ausdrucksvermögen der mimischen Muskulatur abhängig sind. Der kosmetische Effekt ist zeitlich auf etwa 4 bis 6 Monate begrenzt.
! Das Medikament ist bislang auf dem deutschen Markt
für die Therapie hyperkinetischer Falten nicht zugelassen.
Es besteht lediglich eine Zulassung für medizinische Indikationen wie Schweißsekretionsstörung, Strabismus, Dystonien usw. Der Vorteil der Verwendung von Toxinen zur Behandlung hyperkinetischer Falten im Gegensatz zu chirurgischen Verfahren besteht in der noninvasiven Technik, dem sicheren Wirkungseintritt, der vollständigen
545
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Faltenbehandlung im Gesicht
KAPITEL 18
Tabelle 18.2. Produkte, Lokalisation und evtl. notwendige Betäubung Produkt
Lokalisation
Betäubung
Haltbarkeit
Preis
Kollagen
Intra- und subdermal
Nein
3–4 Monate
Niedrig
Hyaluronsäure
Intra- und subdermal
Nein
3–9 Monate
Niedrig
Milchsäure
Intra- und subdermal
Nein
12 Monate
Mäßig
Kombinationspräparate Streng subdermal
Nein
Dauerhaft nach mehreren Injektionen
Mäßig
Implantate
Streng subdermal
Leitungsblock
Dauerhaft
Mäßig
Polyacrylamid
Streng subdermal
Leitungsblock
Dauerhaft (?)
Teuer
Dermisstreifen
Subdermal
Leitungsblock und ggf. Sedation
Dauerhaft
Entfällt
Autologes Fett
Subdermal und intramuskulär
Leitungsblock und ggf. Sedation
Dauerhaft nach Entfällt mehreren Injektionen
Reversibilität bei ungenügendem Ergebnis und der einfachen Technik sowie des geringen Aufwandes. Allerdings wirkt sich die geringe Halbwertszeit und damit hohe Materialkosten sowie die Rechtsunsicherheit bei der Verwendung von Botulinustoxin bei ästhetischen Indikationen als Nachteil aus. Zudem erlaubt das Toxin keine graduelle Abstufung der Wirkung, so dass eine Nuancierung der Therapie unmöglich ist.
18.2.3 Füllsubstanzen Im Laufe der Jahre wurden verschiedenste Füllsubstanzen zum Einbringen in und unter die Haut entwickelt, um alleinig oder in Kombination mit weiteren Maßnahmen das Niveau der Haut zu glätten und damit eine Fal-
tenkorrektur vorzunehmen. Das Ziel des Verfahrens ist nicht, die Textur der Haut zu verändern, sondern vielmehr ein „Tal“ des Hautniveaus zu unterfüttern, um das Niveau des „Bergkammes“ zu erreichen (Abb. 18.5). In Abhängigkeit vom Ausmaß der Faltentiefe und der Körperregion werden unterschiedlich visköse Materialien verwandt (Tabelle 18.2, 18.3). Wir unterscheiden grob zwischen injizierbaren Präparaten und Implantaten und zwischen abbaubaren und permanenten Substanzen, wobei die Verwendung von Materialien, wie das freie Silikonöl, die ihre Schädlichkeit bewiesen haben, obsolet sind (Tabelle 18.4).
KAPITEL 18
Faltenbehandlung im Gesicht
Erfolgssicherheit
Handhabung
Aufwand
Komplikationsrate
Besonderes
Hoch
Einfach
Niedrig
Niedrig
Gut für oberflächliche Falten, z. B. perioral
Hoch
Einfach
Niedrig
Niedrig
Breites Anwendungsspektrum
Hoch
Einfach
Niedrig
Niedrig
Schwierig zu injizieren
Niedrig
Schwierig
Niedrig
Hoch
Oberflächliche Injektionstechnik führt zu Granulomen und Entzündungen, schwierige Materialentfernung, mehrfache Injektionen notwendig
Hoch
Einfach
Mäßig
Niedrig
Starres Material, gute Formgebung; aber keine Modellage möglich
Hoch
Einfach
Niedrig
(?)
Wenig erforscht, ungefährliche Zystenbildung bei oberflächlicher Injektion
Mäßig
Schwierig
Hoch
Hoch
Hebedefekt, Material verhält sich nicht wie das ortsständige Gewebe, schwierige Materialentfernung
Niedrig
Schwierig
Hoch
Hoch
Hebedefekt, mehrfache Injektionen notwendig, Material verhält sich nicht wie das ortsständige Gewebe, schwierige Materialentfernung
Tabelle 18.3. Anforderungsprofil an Füllsubstanzen Physikalisch und chemisch stabil Nonallergen Biokompatibel Kostengünstig Haltbar Ortsständig Flexibel
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Faltenbehandlung im Gesicht
KAPITEL 18
Tabelle 18.4. Füllmaterialien Injizierbar
Implantate
Abbaubar
Nicht abbaubar
Heterolog
Autolog
Kollagen
Kollagen mit PMMA (Artecoll)
Goretex
Dermis
Goldfäden
Fett
Hyaluronsäure Milchsäure (New-Fill)
Hyaluronsäure mit HEMIS (Dermalife) Polyacrylamid (Aquamid) [Silikonöl]
ePTFE (Softform)
18.2.3.1 Injizierbares Material
Kollagen, nicht oder wenig vernetzte Hyaluronsäure, Milchsäure Kombinationspräparate Polyactylamid, autologes Fett autologes Fett
Dermis
Goretex, ePTFE, Goldfaden, Dermisstre ifen
Subcutis
Muskel
Abb. 18.5. Technik der Injektion
Alle injizierbaren Materialien sind – mit Ausnahme des Polyacrylamids – erprobte Substanzen, die wegen ihrer Galenik leicht zu verarbeiten und schmerzarm einzubringen sind. Da fast alle Produkte in unterschiedlicher Viskosität und Stabilität angeboten werden, bestechen sie durch ein breites Anwendungsspektrum, der einfachen und leicht zu erlernenden Technik, eines geringen instrumentellen Aufwandes und damit des – bei sparsamer Anwendung – geringen Preises (Abb. 18.6). Sie unterscheiden sich hinsichtlich des Soforteffektes, der allergischen Potenz, der Haltbarkeit sowie der histologischen und immunologischen Reaktionen. Die Reversibilität abbaubarer Substanzen ist Vorund Nachteil zugleich. Das Fremdmaterial verbleibt nicht im Körper, sodass es bei Missfallen oder bei Komplikationen wie Infektion, Dislokation und Abstoßungsreaktion nicht entfernt werden muss; allerdings sind für einen lang anhaltenden Therapieeffekt wiederholte Injektionen notwendig, was für den Patienten unbequem und teuer ist. Je nach Präparat beträgt die Haltbarkeit eines stabilen Therapieerfolges zwischen 3 und 12 Monaten. Werden abbaubare, injizierbare Substanzen wie Hyaluronsäure oder Kollagen mit kleinen Festkörpern versetzt, soll sich im gleichen Zeitraum, wie das instabile Material abgebaut wird, um die Mikrosphären volumengebendes Narbengewebe bilden, was den permanenten Erfolg bedingt. Diese Reaktion des Körpers ist allerdings nicht steuerbar, sodass sichtbare und schmerzhafte Granulome entstehen können, was das Einsatzspektrum dieser Substanzen trotz ihrer Dauerhaftigkeit stark begrenzt (Abb. 18.7).
! Auch ist eine Materialentfernung nur mit erheblichem
chirurgischem Aufwand und entsprechender Narbenbildung möglich, sodass diese Substanzen für die Korrektur oberflächlicher Falten nicht und für die Augmentation in der subdermalen Schicht nur unter Vorbehalt verwandt werden sollten.
KAPITEL 18
Faltenbehandlung im Gesicht 䉳 Abb. 18.6. a 23-jährige Frau mit subjektiv schmaler und zu wenig konturierter Ober- und Unterlippe, b 2 Wochen nach Lippenaugmentation mittels wenig vernetzter Hyaluronsäure. Es wurde sowohl das Volumen der Lippen vermehrt als auch die Lippenrot-/Lippenweiß-Grenze unterfüttert (Oberlippe 1 ml, Unterlippe 0,7 ml). Bei optimalem Behandlungserfolg kann der Patientin eine Augmentation mittels eines stabileren Produkts angeboten werden
18.2.3.2 Implantate Implantate sind zumeist industriell gefertigte und exakt dimensionierte Fremdkörper, die chirurgisch zur Augmentation tiefer Falten oder hypotropher anatomischer Strukturen eingebracht werden (s. auch Bd. I, Kap. 8). Sie werden vom Körper als Fremdmaterialien erkannt, mit einer Kapsel ummantelt und damit in situ gehalten (Abb. 18.8). Als Vorteil hat sich ihre geringe allergene Potenz und ihre Stabilität von Form und Volumen erwiesen. Dadurch sind unter der Voraussetzung einer akkuraten chirurgischen Technik eine dauerhafte und exakte Positionierung des Implantats gewährleistet. Im Falle einer Komplikation, wie Infektion, Dislokation und dem Auftreten einer Abstoßungsreaktion oder bei ungenügendem ästhetischen Ergebnis ist die komplette Entfernung des Fremdkörpers mit wenig Aufwand möglich. Allerdings bedarf die Implantation einer chirurgischen Intervention mit entsprechendem instrumentellem und zeitlichem Aufwand. Ein Implantat ist immer gefährdet, infiziert oder abgestoßen zu werden und kann wegen der Formstabilität nicht individuell angepasst werden. Ein Zwitterstellung zwischen Implantaten und injizierbaren Materialien nimmt das Polyacrylamid ein. Es handelt sich um ein injizierbares Füllmaterial, das die Vor- und Nachteile beider Gruppen zugleich aufweist,da es als injizierbares Material leicht zu verarbeiten und gut modellierbar ist; zugleich ist es – soweit zum jetzigen Zeitpunkt beurteilbar – dauerhaft und nach der Implantation stabil.
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b
! Allerdings ist die Injektion schmerzhaft, weshalb im-
Abb. 18.7. 37-jährige Frau 2 Jahre nach Augmentation der Nasolabialfalten mit Kollagen und PMMA (Artecoll). Die Granulombildung wurde mit einem lokalen Steroid behandelt, was die entstellende Hautveränderung zur Folge hatte
mer ein Leitungsblock notwendig ist, und das Implantat ist stark infektionsgefährdet; eine komplette chirurgische Entfernung des Materials ist wegen der Viskosität nur mit erheblichem chirurgischem Aufwand möglich. Zu oberflächlich injiziertes Material zeigt zystoide Knotenbildung und muss durch Exzision entfernt werden (Abb. 18.9).
Körpereigenes Material wie Eigenfett- und Dermistransponate sind für die Faltenkorrektur komplikationsträchtig. Zwar handelt es sich um körperidentisches Material, sodass keine Abstoßungsreaktion zu befürch-
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Faltenbehandlung im Gesicht
KAPITEL 18
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ten ist. Aber das Material wird nicht komplett vom Körper angenommen und weist hinsichtlich von Form und Volumen damit nicht den erwarteten Erfolg auf. Ein erhebliches Maß an Erfahrung und chirurgischem Geschick, mehrere Operationen und Korrekturen sowie der hohe instrumentelle und zeitliche Aufwand und der Bedarf einer geeigneten Spenderregion machen körpereigenes Material bei der Faltenkorrektur zu einer aufwändigen Alternative der Füllmaterialien. Die beste Positionierung ist wegen der besseren Durchblutung tief intradermal, sodass Eigenmaterial zur Behandlung oberflächlicher und mitteltiefer Falten unbrauchbar ist. Die Indikation ist die Augmentation großflächiger Regionen und tiefer Falten.
Abb. 18.8. a Die 56-jährige Frau litt subjektiv unter ihren schmalen Lippen und den zunehmendn radiären Oberlippenfältchen, b 1 Jahr nach Lippenaugmentation mittels Softformfäden (Fa. Collagen Corp., Size 3,2 mm × 90 mm)
KAPITEL 18
Faltenbehandlung im Gesicht
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b Abb. 18.9. a Nach zu oberflächlicher Positionierung von Polyacrylamid (Aquamid) bei der Oberlippenaugmentation zeigt sich nach 1 Woche ein ästhetisch und funktionell störender zystoider Knoten (Pfeil). b Intraoperativer Situs nach Stichinzision und Kürettage
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Sachverzeichnis
A Abflussgebiete, Oropharynx-Karzinome 363 Achondroplasie 3 Advancement 13–17 – „crescent-advancement“-Lappenplastik (Burow/Webster) 342 – „floating-forehead-advancement“ 12 – mukomyokutane-„crescenticadvancement“-Technik (Celsius/Bruns) 333, 345, 349 Allgemeinzustand 364 Alopezie – Allgemeines 125, 126 – Anatomie 127 – Diagnostik 127 – Gewebeexpansion 130–133 – Glatzenbildung, Norwood-Klassifikation 126 – Haartransplantation, freie 136–146 – Klassifikation 127 – Nordström-Naht 127–129 – serielle Exzision 127–129 – Skalp-Lappen-Plastiken 134, 135 – TPO-Lappen (temporo-parietookzipital gestielt) 134 Altern 489, 490 Angiosom 409, 412 Anschlussgefäße, mikrochirurgische 364 Antehelixfalte 49, 54–56 – vermindert ausgebildete/fehlende, operatives Vorgehen 57–59 Antibiotikum 55, 56 Apert-Syndrom 3 Arterie / Arteria – A. circumflexa ilium profunda 381 – A. jejunalis 384 – Aa. labiales superior/inferior 319 – A. mesenterica superior 384 – A. peronaea 375 – A. radialis 370 – A. supraclavicularis 410 – A. thoracoacromialis 366 ästhetische Probleme 4 Atemprobleme 4 A-to-T-Rotationslappenplastik (Imre) 329
Auge, Diagnostik 166 Augenlider, funktionelle und ästhetische Chirurgie 19 – Allgemeines 182 – Anatomie 182–189, 482–484 – Augenlidfalte, obere 182 – Augenlidrahmen, Form 182 – Blepharokanthoplastik 204, 205 – – laterale 205–207 – Blepharophimose 201–205 – Blepharoplastik mit Haut- und Muskelexzision 189 – Brauenform 182 – Fettexzision – – transkonjunktivale (Bourget) 209, 210 – – transpalpebrale 209 – Fettverlagerung, transkonjunktivale (Loeb und Hamra) 210, 211 – intraseptales Fettgewebe 185, 186 – Kanthopexie 19, 207–209 – – transkanthale 185 – Liddefekte (s. dort) – Orbikularismuskel, Suspensionstechnik (Hinderer) 213, 214 – – Entropium-Behandlung 221, 222 – – mit stufenweiser Exzision des Lidrandes 214, 215 – Ptosis – – Augenlid – – – erworbene 193 – – – kongenitale 195–201 – – Tränendrüse 189 – Retentionstechniken, intraseptales Fett 211–213 – Suborbicularis-oculi-Fett 189 – Sulcus palpebralis superior, Bildung 189–191 – Supraorbitalrand, lateraler, Ostektomie 189 – Temporalis-FaszienschlingenKorrektur (Hinderer) 223, 224 – Transversalachse, positiver Winkel 185 – Unterlid, Spannungsverhältnisse 187–189 Augenlidrahmen, chirurgische Modulation 532–535
B Basalzellkarzinom 166, 175 Beckenkamm – freies Transplantat 365, 376–384 – – Anatomie 380–382 – – Ganganalyse 384 – – Hebedefektmorbidität 383, 384 – – Hebetechnik 382, 383 – – Indikation 382 – – Kontraindikation 382 – – Lappeninsertion 383 – Span 259 Beißschutz 325 Bernard, Unterlippen-Rekonstruktion 339 Bewegungsübung 472 Blaskovics 174 Blepharokanthoplastik 204, 205 – und Gesichtsstraffung 505–511 – laterale 205–208 Blepharophimose 201–205 Blepharoplastik 6 – mit Gesichtsstraffung 499, 503 – mit Haut- und Muskelexzision 189 – mit Lidinvagination 189, 192 – Verankerungsblepharoplastik 189, 192 Blutverlust 5 Borges, Spannungslinien 64, 238, 318 Botulinumtoxin 451, 545, 546 Brachyzephalus 7, 13 Brauen – Anhebung 471 – Form 182 – Rekonstruktion 72, 73 Breitnase, Verschmälerung 299 Brückenlappenplastik, funktionelle 39–45 Burow / Webster,„crescent-advancement“-Lappenplastik 342 C Calvaria 21 Canales diploici 100 Carraway-Technik 196, 197 Castillo-Campos-Technik 535
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Sachverzeichnis Celsius/Bruns, mukomyokutane„crescentic-advancement“-Technik 333, 345, 349 Composite-Grafts 151, 154 Convers-Technik 350 „crescent-advancement“-Lappenplastik (Burow/Webster) 342 „cross-face“-Nerventransplantation 454–457 Crouzon-Syndrom 3, 15, 16 Cupidbogen, bikonvexer 329 D Darmbeinkamm 260 Débridement, Skalpdefekte 104 Dehnungslappenplastik 118 – transversale (Goldstein) 324 Dekompression, Nervus facialis 443 Deltopektorallappen 425 Dermabrasio 544 Dieffenbach 49, 150, 154 – Mukosadehnungslappenplastik 325 Distraktionstechnik 17 Dufourmentel, Lappenplastik 407 Dünndarmtransplantat, freies – Anatomie 384 – Hebedefektmorbidität 387 – Hebetechnik 387 – Indikation 387 – Lappenisertion 387 Dysplasie, fibröse 3, 24 E Ektropium 173 Elektrostimulation 472 Elisa 125 Entropium, Suspensionsplastik nach Hinderer 221, 222 Epithese, Schaffung eines Bettes 179 Exophtalmus 4 Expander 19 – Halsdefekt 408 – Nasendefekt 243 – Skalpdefekte 121, 122 F Fahnen-Lappenplastik (Gilles) 338 Faltenbehandlung, Gesicht – ablative Verfahren 543–545 – Allgemeines 539 – Anatomie 539 – Beratung 542 – Botulinumtoxin 545, 546 – Dermabrasio 544 – Diagnostik 540 – Dienstleistung 542 – Füllsubstanzen 546, 547
– Implantate 549–551 – injizierbares Material 548, 549 – Integration und Kooperation 542 – Klassifikation 540 – Laser 544, 545 – Oberflächenbehandlung 543, 544 – Peeling, chemisches 544 – Recht 540, 541 – Rechtssicherheit 542 – Therapiekonzept 543 – Therapieplanung 542 – tiefgreifende Hautbehandlung 544 Faszienblätter, Hals 359, 361 Faszienlappen, temporoparietaler 150 Fazialisparese – Allgemeines 440 – Bewegungsübung 472 – Computertomographie 444 – Diagnostik 442, 443 – Elektrostimulation 472 – emotionale Steuerung 440 – erzielbare Ergebnisse 472–477 – inkomplette 440, 444 – komplette 440, 444 – neuromuskuläre Einheit 440, 441 – partielle 440, 444 – postoperative Nachbehandlung 472 – Reinervierbarkeit 440 – Therapie – – aktivitätsmindernde Eingriffe, gesunde Gesichtshälfte 451 – – Augenbereich, Schutzmaßnahmen 445–451 – – Brauenanhebung 471 – – „cross-face“-Nerventransplantation 454–457 – – Dekompression, Nerv 443 – – Fremdnervenpfropfung 470, 471 – – Gesichtshautstraffung, einseitige 471 – – Hautexzision 471, 472 – – Indikation 443, 444 – – Lippenkorrektur 471, 472 – – Muskeltransplantation, freie funktionelle 461–470 – – Muskeltransposition 457–461 – – Nasolabialfalte, Rekonstruktion 471 – – Nervennaht 443 – – Nerventransplantation 443, 453 – – Operationsplanung 444, 445 – – Rekonstruktion, Nervus facialis 451–454 – – Suspension 472 – – Tarsorrhaphie, laterale (McLaughlin) 445 – – Unterlidraffung (Kuhn-Szymanowski) 449 – totale 440, 444 – Videoanalyse-System, 3D 442 – „Wiener Dokumentations-System“ (Frey) 442, 443 Faziokraniostenose 17
Feldman (Korsett-Platysmaplastik) 519–522 Fettexzision – transkonjunktivale (Bourget) 209, 210 – transpalpebrale 209 Fettgewebe, intraseptales 185, 186 Fettverlagerung, transkonjunktivale (Loeb und Hamra) 210, 211 Fibulalappen, osteoseptokutaner 365, 372–376 – Anatomie 375 – Hebedefektmorbidität 376 – Hebetechnik 375, 376 – Indikation 375 – Lappeninsertion 376 Fissur, sphenoidale 24 „floating-forehead-advancement“ 12 Flügelknorpel, Nase 236 Frey („Wiener DokumentationsSystem“) 442 Fruchtsäure 543 Fujimori, Gatelappenplastik 339 Füllsubstanzen 546, 547 G Galea aponeurotica 6, 97 – Entlastungsinzision 108 Galeanaht 108 – tiefgreifende 97 Ganganalyse, nach Beckentransplantatentnahme 384 Gatelappenplastik (Fujimori) 339 Gaumen – primärer 28 – – Spalten, chirurgische Techniken 29–38 – sekundärer 28 – – Spalten chirurgische Techniken 39–47 Gaumenschutzplatte 45 Gefäßterritorien 409 Genetik, kraniofaziale Missbildungen 3 Gesichtsdefekte, erworbene – Anatomie 63 – ästhetische Prinzipien 63 – Ätiologie 64 – Diagnostik 65 – Durchblutungssteuerung, vegetative 64 – Epidemiologie 64 – Klassifikation 65 – Mimik 63 – Therapie – – Brauen 72, 73 – – Gesichtsskelett, Wiederherstellung 67 – – Indikation 65 – – intermaxillare Verdrahtung 91 – – Komplikationen 91
Sachverzeichnis – – Lippe 84–90 – – Lider 72, 73 – – lokale Hautverschiebung 65 – – Mittelgesichtsfraktur 92 – – Nase 74–81 – – Präparation 67 – – Risiken 91 – – Schläfen 68–72 – – Stirn 68–72 – – Verschluss, Planung 65–67 – – Wangen 82, 83 Gesichtsfelderung 64 Gesichtslähmung (s. Fazialisparese) Gesichtsregion, funktionelle 444 Gesichtsstraffung – Allgemeines 480 – Altern, allgemeine Betrachtungen 489, 490 – Anatomie 480–489 – Augenlider 482–486 – Castillo-Campos-Technik 535 – einseitige 471 – Geschichte 491–493 – Jost-Levet-Technik 517, 518 – Korsett-Platysmaplastik (Feldman) 519–522 – minimal-invasive Chirurgie 493 – periokularer Rahmen 482–486 – „Retaining ligaments“ 480–481 – Retinacula cutis 480–482 – Rhytidektomie – – präperiostale Sub-SMAS, obere zwei Drittel 494 ff – – subkutane 491 – Schläfenregion 480 – SMAS („superficial musculo-aponeurotic system“) 480–482 – vertikale Straffung, unteres laterales Mittelgesicht 523–529 – Zugang 491 – – seitlicher 516, 517 – Zusatzkorrekturen 493 – – Augenlidrahmen 532–535 – – Lippe 529, 530 – – Nasolabialfalte 531 Gewebeexpansion 130–133 – Schritte, Übersicht 130 – Vor- und Nachteile, Tabelle 133 Gilles, Fahnen-Lappenplastik 338 Gillis, Harold 1 Glabella-Lappen 175 „Glasgow Coma Scale“ (GCS) 103 Glatzenbildung, Norwood-Klassifikation 126 Goldgewicht 449 Goldstein, transversale Dehnungslappenplastik 324
H Haaransatz, Defekte 115, 116 Haarlinie 21, 97 Haartransplantation, freie – Indikation 136, 137 – Klassifikation, Haartransplantate 137 – Schritte, Übersicht 138 – Technik 137–146 Haarwuchscharakteristika 95 Halsdefekte – Anatomie 399, 400 – Ätiologie 400, 401 – Diagnostik 401, 402 – Differentialtherapie 403 – Epidemiologie 400, 401 – Gewebeexpander 408, 409 – Hauttransplantation 405–407 – Klassifikation 402 – Komplikationen 404 – Kontrakturen 400–402 – Lappenplastiken – – freie 415, 416 – – lokale 407, 408 – – regionale 409–415 – Narben 400–402 – Narbenexzision und Z-Plastik 404, 405 – Narbenprophylaxe 403 – postoperative Nachsorge 403, 404 – Risiken 404 – Tracheostoma 401, 403 – Tumor 401–403 Halslymphknoten, Klassifikation 359, 360, 362, 423, 424 Hämatom – extradurales 5 – Kephalhämatom 100 – Otoplastik 55, 56 Hamra 210, 211 Hautexpander 19 – Halsdefekt 408 – Nasendefekt 243 – Skalpdefekte 121, 122 Hautmuskellappen 6 Hauttransplantation, Hals 405–407 Hauttumor 402 Hautverschiebung, lokale 65 Hebedefektmorbidität 364 Helixdefekt 150 – Helixrand 151, 152 Heparinisierung, postoperative 368 Hinderer – Temporalis-FaszienschlingenKorrektur 223, 224 – Suspensionstechnik 213, 214 – – Entropium-Behandlung 221, 222 – – mit Stufenweiser Exzision des Lidrandes 214, 215 Hippokrates 125 Höckerreplantation (Skoog) 296 „Horse-shoe“-Lagerung 104
555 Hydrokortikoide 543 Hydrozephalus 5 Hypertelorismus 3 Hypopharynx 419, 422 – TNM-Klassifikation 423, 424 I Imre, A-to-T-Rotationslappenplastik 329 Infektion, Otoplastik 55, 56 Insellappen, supraklavikulärer 410–415 Instillagel 104 intermaxillare Verdrahtung 91 J Jejunumtransfer, freier mikrovaskulärer 426 – Anatomie 431 – Hebedefektmorbidität 436 – Hebetechnik 431–435 – Indikation 431 – Lappeninsertion 435, 436 Jochbein 19 Jost-Levet-Technik 517, 518 Julius Cesar 125 K Kantholyse, laterale 167 Kanthopexie 19, 207–209 – und Gesichtsstraffung 505–511 – transkanthale 185 Kanthoplastik 185 Kanthusrekonstruktion – laterale 175 – mediale 175–179 Karapandzic, Lappenplastik 336, 345, 349 Keloide, Otoplastik 56 Kephalhämatom 100 Kieferspaltenverschluss, primäre Osteoplastik 36–38 Klippel-Feil-Syndrom 3 Knochentransplantat 4, 6 Knorpeldefekte, Ohr 150 Knorpelfeder, Ohr 57 Knorpelnaht 61 Knorpelritzung 49, 56 Koloninterposition, gefäßgestielte 426 – Anatomie 428 – Hebedefektmorbidität 431 – Hebetechnik 430, 431 – Indikation 428, 430 – Lappeninsertion 431 Kompressionskleidung 403 Koncha, zu große 59–61 Koncharesektion 56
556
Sachverzeichnis Konjunktiva, Irritation 173 Konjunktivalsack 164 Kontraktur, Hals 400–402 Kopfschwarte (s. Skalp) Korsett-Platysmaplastik (Feldman) 519–522 Kraniektomie, totale 7 kraniofaziale Chirurgie – Allgemeines 1, 2 – Anatomie 3 – benigne Tumoren 24 – bikoronarer Zugang 5, 6 – Diagnostik, Grundprinzipien 3 – Epidemiologie 3 – Klassifikation, Missbildungen 3, 4 – klinisches Team 4 – Komplikationen 5 – Kraniostose 6–13 – LeFort-Osteotomie 13–17 – Risiken 5 – Spalte – – laterale 21–23 – – mediane 17–19 – – paramediane 19, 20 – Therapie, Grundprinzipien 4, 5 Kraniostose 3, 6–13 Kranznaht 12 kribriforme Platte 5 Kuhn-Szymanowski (Unterlidraffung) 449 L Lagophtalmus 173 Langnase, Kürzung 297, 298 Lappen 66 – A-to-T-Rotationslappenplastik (Imre) 329 – Brückenlappenplastik, funktionelle 39–45 – „crescent-advancement“-Lappenplastik (Burow/Webster) 342 – Dehnungslappenplastik 118 – – transversale (Goldstein) 324 – Deltopektorallappen 425 – Dufourmentel 407 – Fahnen-Lappenplastik (Gilles) 338 – Faszienlappen, temporoparietaler 150 – Fibulalappen, osteoseptokutaner 365, 372–376 – frontaler 19 – Glabella-Lappen 175 – Hautmuskellappen 6 – Insellappen, supraklavikulärer 410–415 – Karapandzic 336, 345, 349 – Latissimus-dorsi-Lappen 116, 425, 428 – Limberg 407 – M.-pectoralis-major-Lappen 366–368, 425
– mikrovaskuläre, freie 122, 368, 369 – Mukosadehnungslappenplastik (Dieffenbach) 325 – Mukosalappenplastik, gestielte 324 – Oberarmlappen, lateraler 365 – Paraskapula-Lappen 426, 428 – Pharynxlappen 45–47 – PICK-Lappen 109 – „prefabricated flap“ 158, 160, 387–393 – Radialislappen 268, 365, 369–372, 456 – Rehn 351 – Rotationslappen 118, 170, 174 – Rundstiellappen 256 – Schläfenlappen 6 – Schwenklappen 242 – Skalp-Lappen-Plastiken 134, 135 – Skalpierungslappen 263 – Skapulalappen 365, 426, 428 – „steeple-flap“ (Stranc) 339 – Sternocleidomastoideuslappen 425 – Stirnlappen 18, 175, 260 – „Three-scalp-expansile“-Lappen (Orticochea) 109, 114, 115, 121 – TPO-Lappen (temporo-parietookzipital gestielt) 134 – Transpositionslappen 118 – Trapeziuslappen 425 – trianguläre 29–36 – Umkipplappen 240 – Verschiebelappen 152 – Visierlappentechnik (Tripier) 167 – VY-Lappenplastik 324 – Wangenrotationslappen 167 – zweigeteilter 175 Larrey 125 Laser 544, 545 LeFort-Osteotomie 13–17 – Monoblocktechnik 17 – Übersicht 17 Levatoraponeurose 164 – Raffung 193 Lidbänder, laterale 163 Liddefekte – Anatomie 163–166 – Basalzellkarzinom 166, 175 – Diagnostik 166 – Epidemiologie 166 – Klassifikation (Mustardé) 166 – Komplikationen 173 – Oberlid 167 – postoperative Nachsorge 173 – Risiken 173 – Therapie 72, 73 – – Epithesenlager 179 – – Indikation 166, 167 – – Kantholyse, laterale 167 – – Knorpeltransplantat 167 – – laterale Kanthusrekonstruktion 175 – – mediale Kanthusrekonstruktion 175–179
– – mukochondrales Transplantat 168 – – Oberlidrekonstruktion 170–173, 179 – – primäre Naht 173, 174 – – Rotationsläppchen 170, 174 – – Unterlidrekonstruktion 167–170 – – Visierlappentechnik (Tripier) 167 – – Vollhauttransplantation 167 – – Wangenrotationslappen 167 – Tumoren 166 – Unterlid 166 – Verletzung, perforierende 166 Lidfeder 449 Lidgewicht, Erhöhung durch Eigengewebe 451 Lidschluss 166 Ligament/Ligamentum – Ligg. canthi 164 Limberg, Lappenplastik 407 Lippe – alternde, Korrektur 529, 530 – Anatomie 316–320 – ästhetische und soziale Aspekte 316 – funktionell ästhetische Lippeneinheit 317 – Innervation 320 – lymphatische Versorgung 320 – mukokutane Grenzschicht 319 – Mukosa 318, 319 – Oberlippe 316 – Spannungslinien (Borges) 318 – Submukosa 318 – Topographie 316–319 – Unterlippe 316 – Vaskularisation 319 Lippendefekte – A-to-T-Rotationslappenplastik (Imre) 329 – Allgemeines 315, 317 – Ätiologie 320 – „crescent-advancement“-Lappenplastik (Burow/Webster) 342 – Fahnen-Lappenplastik (Gilles) 338 – Gatelappenplastik (Fujimori) 339 – Karapandzic, Lappenplastik 336, 345, 349 – Klassifikation 320 – mehrschichtiger primärer Wundverschluss 322, 323 – mukokutaner Übergang 316 – mukomyokutane-„crescenticadvancement“-Technik (Celsius/Bruns) 333, 345, 349 – Mukosalappenplastik, gestielte 324 – Mukosatransplantate 324 – „steeple-flap“ (Stranc) 339 – Oberlippe – – Defekte < 1/3 bis 1/2 der Oberlippenlänge 344–348 – – Defekte > 1/2 bis 2/3 der Oberlippenlänge 349
Sachverzeichnis – – Defekte > 2/3 und komplette Defekte 349 – – oberflächliche/partielle Defekte 341–344 – Therapie 84–90, 321 – Unterlippe 329 – – allschichtige Defekte 333 – – Bernard, Rekonstruktion 339 – – Defekte < 1/3 bis 1/2 der Unterlippenlänge 333 – – Defekte > 1/2 bis 2/3 der Lippenlänge 336 – – Defekte >2/3 und komplette Defekte 338–341 – – oberflächliche / partielle Defekte 329–332 – – Webster, Rekonstruktion 339 – VY-Lappenplastik 324 Lippen-Kiefer-Gaumenspalte – Allgemeines 27 – Anatomie 27 – Diagnostik 27 – Gaumenverschluss, Brückenlappenplastik 39–45 – Kieferorthopädie 28 – Kieferspaltenverschluss, primäre Osteoplastik 36–38 – Klassifiaktion 28 – Lippenverschluss, zwei trianguläre Lappen 29–36 – Operationszeitpunkt 28 – postoperative Nachsorge 28 – Therapie 28 – Velo-Pharyngo-Plastik 45–47 Lippenrot (Vermillion) 319 – Defekte 324 – – Beißschutz 325 – – „lip-shave“ (komplette Vermillektomie) 324 – – Mukosadehnungslappenplastik (Dieffenbach) 325 – – Oberlippenbereich 328, 329 – – Unterlippenbereich 324–327 „lip-shave“ (komplette Vermillektomie) 324 Loeb 210, 211 Lymphknotenmetastasierung 357 M M.-pectoralis-major-Lappen 425 – Anatomie 366 – Hebedefektmorbidität 368 – Hebetechnik 367 – Indikation 366, 367 – Lappeninsertion 367, 368 Magenhochzug, transmediastinaler 426 Maxilla 6 McGregor-Manöver 97 McLaughlin (Tarsorrhaphie, laterale) 445
Meningeom 3, 24 Meningitis 5 Mikrograft 137 – Herstellung 145 Mikroophtalmie 20 Mikroorbitismus 3, 20 Mimik 63 mimische Muskulatur 441 Mittelgesichtsfraktur, Osteosynthese 92 Mladick, Orbikularismuskel-Suspensionstechnik 188 Moebius-Syndrom 470 Monoblocktechnik 17 Morbus (siehe Syndrome / Morbus) mukochondrales Transplantat 168 mukomyokutane-„crescentic-advancement“-Technik (Celsius/Bruns) 333, 345, 349 Mukosadehnungslappenplastik (Dieffenbach) 325 Mukosalappenplastik, gestielte 324 Mukosatransplantate 324 Müller-Muskel 164, 190 Mundbegrenzung 315 Mundbodendefekt – adjuvante Therapie 364, 365 – Anatomie 355, 356 – Beckenkamm, freies Transplantat 365, 376–384 – Diagnostik 357, 358 – Dünndarmtransplantat, freies 384–387 – Fibulalappen, osteoseptokutaner 372–376 – M.-pectoralis-major-Lappen 366–368 – „prefabricated flap“ 387–393 – Radialislappen 369–372 – Reinervation 365 – Rekonstruktion, Indikation 364 – Tumorresektion 362, 363 Mundhöhle, TNM-Klassifikation 362 Mundwinkel (Kommissur) 318 – allschichtige Defekte 351, 352 – Convers-Technik 350 – oberflächliche/partielle Defekte 350 – physiologische Position 350 Muskel/Musculus – M. digastricus, Venter anterior 461 – M. gracilis 461–469 – M. epicranius 98 – M. levator palpebrae superioris 164 – M. masseter 459 – M. orbicularis obliquus 6 – M. orbicularis oculi 163, 187–189, 213 ff – M. orbicularis oris 31, 316, 318 – M. pectoralis major 366–368 – M. temporalis 6 – – Transposition 457–459 – M. temporoparietalis 98 – mimische Muskulatur 441
557 – Müller-Muskel 164, 190 Muskeltransplantation, freie funktionelle – einzeitige 470 – mehrzeitige (M. gracilis) 461–469 Muskeltransposition 457–461 Mustardé – Klassifikation, Liddefekte 166 – Oberliddefekt, Rekonstruktion 179 Mutter, Thomas 410 Myektomie 451 Myotomie 451 N Napoleon 125 Narbe, Hals 400–402 – Prophylaxe 403 Narbenexzision 404, 405 Nase – Anatomie 235, 273–279 – ästhetische Einheiten 239 – Blutversorgung 237, 275–277 – Facette 239 – Haut-Weichteil-Bedeckung 237, 273 – Hautspannungslinien 238 – Innenauskleidung 237, 275 – Lymphabfluss 237, 275 – Nervenversorgung 238, 275, 278, 279 – Physiologie 238, 280 – SMAS („superficial musculo-aponeurotic system“) 237, 273, 274 – Stützgerüst 236, 273 Nasenbein 236 Nasendefekte – Diagnostik 238 – Klassifikation 238 – Rekonstruktion 74–81, 239 – – angrenzende Gesichtsabschnitte 240 – – Facette 248 – – Hautexpander 243 – – Innenauskleidung 259 – – Lappenform 260 – – mikrochirurgische Methoden 268 – – Nasenabhang 245 – – Nasenflügel 248 – – Nasenspitze 246 – – Nasensteg 256 – – oberflächliche Defekte 243 – – Stirnlappen 260–263 – – Stützgerüst 242, 259, 260 – – Totalrekonstruktion 259–268 – – Weichteilmantel 242, 260, 266 – – zeitliches Vorgehen 243 Nasendeformität 3 Nasenflügel, Defektrekonstruktion 248 Nasenklappe 236 Nasenprojektion 21
558
Sachverzeichnis Nasenrücken 236 – Abtragung knöcherner Strukturen 289, 290 – Abtragung knorpeliger Strukturen 289 – Defektrekonstruktion 243 – Freilegung 287, 288 – Modellierung 287 Nasenscheidewand 236 Nasolabialfalte – Korrektur 531 – Rekonstruktion 471 Neck dissection 363, 425 Nerv/Nervus – N. alveolaris inferior 355, 365 – N. auricularis magnus, Blockade 55 – N. facialis 440, 441 – – Facelifting 486–489 – – Rekonstruktion 451–454 – N. hypoglossus 443, 470 – N. lingualis 355, 365 – N. massetericus 470, 471 – N. orbitalis inferior 6 – N. peronaeus communis 376 – N. peronaeus superficialis 376 Nervenkoaptation 451 Nervennaht 443 Nerventransplantation 443, 453 – „cross-face“-Nerventransplantation 454–457 Neurektomie 451 Neurofibromatose 3, 24 neuromuskuläre Einheit 440, 441 Neurotomie 451 Nordström-Naht 127–129 Norwood-Klassifikation, Glatzenbildung 126 O Oberarmlappen, lateraler 365 Ödem, zerebrales 5 Ohr 21, 49–53 – Innervation 51 – Lymphabfluss 51, 53 – Topographie, Weichteile, Knorpel 51 – Vaskularisation 51, 52 Ohrdefekte – Allgemeines 149 – Anästhesie 151 – Composite-Grafts 151, 154 – Diagnostik 149 – Faszienlappen, temporoparietaler 150 – Hautdefekte 150 – Helixdefekt 150 – Helixranddefekt 151, 152 – Indikation 150, 151 – Klassifikation 149, 150 – Knorpeldefekte 150 – Komplikationen 151 – Missbildung 160
– mittleres Drittel 154 – Nachsorge, postoperative 151 – oberer Pol 152–154 – Ohrläppchen 154–158 – Operationsprinzipien 151 – Operationszeitpunkt 151 – Rippenknorpeltransplantat 154 – Therapie 150 – totaler Defekt 158–160 – unterer Pol 154–157 Ohrknorpel, Reklination 57, 58 Ohrläppchen – abstehende 57 – Defekt 154–158 Ohrmuschel, als Knorpelspender 310 Ohrteile, präfabrizierte 150 olfaktorische Fasern 19 orale Kontinenz 315 Orbikularismuskel-Suspensionstechnik (Mladick) 188 Orbita, knöcherne Rekonstruktion 92 Oropharynx 419 Orticochea („Three-scalp-expansile“Lappen) 109, 114, 115, 121 Ösophagus 419, 422 Osteoplastik, primäre, Verschluss der Kieferspalte 36–38 Osteoradionekrose, Mandibula 357 Osteotomie 6 otomandibuläres Syndrom 21 Otoplastik – Allgemeines 49 – ambulante Behandlung 54 – Anästhesie 54, 55 – Antehelixfalte, vermindert ausgebildete/fehlende 57–59 – Antibiotikum 55, 56 – Asymmetrie 54 – Diagnostik 53 – Drainage 59 – Ergebnisse 56 – Hämatom 55, 56 – Hautnekrose 56 – Indikation 54 – Infektion 55, 56 – Keloide 56 – Klassifikation 54 – Knorpelnaht 61 – Knorpelritzung 49 – Koncha, zu große 59–61 – Koncharesektion 56 – konservative Maßnahmen 54 – Kontrolluntersuchung 56 – Matratzennaht 49 – Narbe 56 – Operationszeitpunkt 54 – postoperative Nachsorge 55 – Rezidive 57 – Schüsselohr 54 – Telefonohr 56 – Verband 57, 59 Oxyzephalus 8, 10
P Panendoskopie 357 Paraskapula-Lappen 426, 428 Peeling, chemisches 544 Perikranium 100 Periost 6 Perücke 126 Pfeiffer-Syndrom 3 Pharyngektomie 422 – TNM-Klassifikation 423, 424 Pharynxdefekte – adjuvante Therapie 427 – Allgemeines 419 – Anatomie 419–422 – Ätiologie 422 – Defektklassifikation 423 – Diagnostik 422 – Halslymphknoten, Klassifikation 424, 425 – Jejunumtransplantation, freie mikrovaskuläre 426, 431–436 – Koloninterpositionsplastik 426, 428–431 – Latissimus-dorsi-Lappen 425, 428 – Neck dissection 425 – Paraskapula-Lappen 426, 428 – postoperative Kontrolle 427 – Rekonstruktion 425–427 – Skapula-Lappen 425, 428 – Staging, präoperatives 422 – Stimmrehabilitation 427 – Therapie-Prinzipien 424 – TNM-Klassifikation 423 – Tumoren 422 – Tumorresektion 425 Pharynxlappen 45–47 Pharynxnekrose 422 – TNM-Klassifikation 423, 424 PICK-Lappen 109 Plagiozephalus 3, 8, 11 Plattenepithelkarzinom 357 Platysma, Korsett-Platysmaplastik (Feldman) 519–522 Plexus parotideus nervi facialis 441 Prälamination, neuromuköse 366 „prefabricated flap“ 158, 160, 387–393 – Hebedefektmorbidität 393 – Indikation 390 – Lappeninsertion 393 – Technik 392, 393 Proboscis lateralis 19 Profilplastik 311, 312 Prothese 19 Pterygoid 6 Ptosis – Augenlid – – erworbene 193, 194 – – kongenitale 195–201 – Tränendrüse 189
Sachverzeichnis R Radialislappen 268, 365, 369–372, 426 – Anatomie 370, 371 – Hebedefektmorbidität 372 – Hebetechnik 371, 372 – Indikation 371 – Lappeninsertion 372 Raney-Clips 97 Rehn, Lappenplastik 351 Rekapillarisierung 404 Rekonstruktion, nach Tumorentfernung 4 Resensibilisierung, nach Tumorentfernung 365, 366 „Retaining ligaments“ 480–481 Retinacula cutis 480–482 Rhinoplastik – Abdeckung 284 – Allgemeines 272, 273 – Anästhesie 284 – Basistechnik 284 – Breitnase, Verschmälerung 299 – chirurgische Gesichtspunkte 282 – Desinfektion 284 – Diagnostik 280, 281 – Ergebnisse 284 – Hautweichteile, Rückverlagerung 291 – Höckerreplantation (Skoog) 296 – Indikationen 283 – Komplikationen 284 – Kontraindikationen 283 – Langnase, Kürzung 297, 298 – Nasenrücken – – Abtragung knöcherner Strukturen 289, 290 – – Abtragung knorpeliger Strukturen 289 – – Freilegung 287, 288 – – Modellierung 287 – Nasenspitzenmodellation 287 – Ohrmuschel, als Knorpelspender 310 – offene 301–312 – Patientenauswahl 282, 283 – postoperative Nachsorge 292 – präoperatives Anzeichnen 283 – Problemstellung 282 – Profilplastik 311, 312 – Ruhigstellung 292 – Schnitzen und Feilen 292–296 – spitzenprojektion, Knorpeltransplantate 307–310 – Tamponade 284 – Verschmälerung, Nase 291 Rhinorrhoe 5 Rhytidektomie – präperiostale Sub-SMAS, obere zwei Drittel 494 – – frontotemporale, mit Koronarinzision 512–515 – – temporal, periokularer Rahmen, kurze Inzision 494–498
– – temporale transpalpebrale – – – zusätzliche Inzision der Kopfschwarte 504 – – – zusätzliche Blepharokanthoplastik/Kanthopexie 505–511 – – – zusätzliche obere Blepharoplastik 499, 500 – – – zusätzliche untere Blepharoplastik 501–503 – subkutane, Geschichte 491 Rippenknorpeltransplantat 154 Rotationslappen 118, 170, 174 Rundstiellappen 256 S Saethre-Chotzen-Syndrom 3 Samson 125 Sanvenero-Roselli, Pharynxlappen 47 Scapha-Koncha-Winkel 54 Schädel, wichtige Maße 2 Schädelnaht 7 Schädelpforten 2 Schläfendefekt, Rekonstruktion 68–72 Schläfenlappen 6 Schläfenregion 480 Schleimhautdefekt, intraoraler 387 Schüsselohr 54 Schutzreflex, Lid 166 Schwenklappen 242 Seitenknorpel, Nase 236 Septum orbitale 163 serielle Exzision 127–129 Silikonauflage 403 Skalp ( Kopfschwarte) – Anatomie 95–103 – Begrenzung 95 – Blutversorgung 102 – – arterielle 101 – – venöse 99 – Canales diploici 100 – chirugische Inzision 96 – Galea aponeurotica 97 – Haarlinie 97 – Innervation 102, 103 – Perikranium 100 – subgaleale Schicht 98 – Topographie 96–102 – Verschiebeschicht, aponeurotische 104 – Weichgewebe 100 Skalpdefekte 95–122 – Débridement 104 – Defekte, größer als 3-5 cm 109–116 – Defekte, kleiner als 3-5 cm 109 – Diagnostik 103 – Differentialtherapie 108 – Haaransatz, Defekte 115, 116 – Hautexpander 121, 122 – Klassifikation 103, 104 – Lappenplastiken – – freie mikrovaskuläre 122
559 – – – –
– lokale 118–121 postoperative Nachsorge 116 präoperative Vorbereitung 104 Rekonstruktion, Grundprinzipien 108 – Skalp-Replantation 122 – Spalthautdeckung 118 – Temporalregion 108 – „Three-scalp-expansile“-Lappen (Orticochea) 109, 114, 115, 121 – vollständige/nahezu vollständige 116 Skalpierungslappen 263 Skalp-Lappen-Plastiken 134, 135 Skapulalappen 365, 426, 428 Skeletttonisierung 210, 211 Skoog, Höckerreplantation 296 SMAS („superficial musculo-aponeurotic system“) 237, 273, 274, 480–482 Spalte – bikoronarer Zugang 5 – Klassifikation, Abbildung 4 – laterale 3, 21–23 – Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (s. dort) – mediane 3, 17–19 – okulonasale 19 – paramediane 19, 20 Spalthautdeckung, Skalpdefekte 118 Spannungslinien (Borges) 64, 238, 318 Stabilisierungsnähte, SMAS 523–529 „steeple-flap“ (Stranc) 339 Sternocleidomastoideuslappen 425 Stirn – oberer Anteil 8 – supraorbitaler Anteil 7 Stirndefekt, Rekonstruktion 68–72 Stirnlappen 18, 260 – medialer 175 Stranc,„steeple-flap“ 339 Suborbicularis-oculi-Fett 189 Sulcus palpebralis superior, Bildung 189–191 Supraorbitalrand, lateraler, Ostektomie 189 Suspension, Fazialisparese 472 Suspensionstechnik, Orbikularismuskel (Hinderer) 213, 214 – Entropium-Behandlung 221, 222 – mit Stufenweiser Exzision des Lidrandes 214, 215 Syndrome/Morbus – Apert-Syndrom 3 – Crouzon-Syndrom 3, 15, 16 – Goldenhar-Syndrom 21 – Klippel-Feil-Syndrom 3 – Moebius-Syndrom 470 – Pfeiffer-Syndrom 3 – Saethre-Chotzen-Syndrom 3 – Treacher-Collins-Syndrom 3, 21, 22 Synostose 6 – koronale 8 – sagitale 8
560
Sachverzeichnis
T Tagliacozzi 150 Tarsorrhaphie, laterale (McLaughlin) 445 Tarsus 164, 167 Telefonohr 56 Teleorbismus 17 Telikanthus 17 Temporalis-Faszienschlingen-Korrektur (Hinderer) 223, 224 Tessier, Paul 1 „Three-scalp-expansile“-Lappen (Orticochea) 109, 114, 115, 121 TNM-Klassifikation – Hypopharynx 423, 424 – Mundhöhle 362 – Oropharynx 423 TPO-Lappen (temporo-parietookzipital gestielt) 134 Tracheostoma 401, 403 Tränendrüse, Ptosis 189 Tränen-Nasen-Gang 166, 175 Transpositionslappen 118 Transversalachse, Augenlid, positiver Winkel 185 Trapeziuslappen 425 Trauma 3 Treacher-Collins-Syndrom 3, 21, 22 Trigonozephalus 3, 8, 11 Tripier, Visierlappentechnik 167 Tumoren, benigne 24 Tumorstadium 364
U Umkipplappen 240 Unterkieferdefekt – adjuvante Therapie 364, 365 – Anatomie 355, 356 – Ätiologie 357 – Beckenkamm, freies Transplantat 365, 376–384 – Diagnostik 357, 358 – Dünndarmtransplantat, freies 384–387 – Fibulalappen, osteoseptokutaner 372–376 – Klassifikation (Urken) 358, 359 – M.-pectoralis-major-Lappen 366–368 – „prefabricated flap“ 387–393 – Radialislappen 369–372 – Rekonstruktion, Indikation 364 – Tumorresektion 362, 363 Unterlidraffung (Kuhn-Szymanowski) 449 Urken, Klassifikation Mundbodendefekte 358, 359 V Vaseline 104 Velo-Pharyngo-Plastik 45–47 Vene/Vena – Vv. diploicae 102 Venenenanastomose, mikrovaskuläre 368 Veneninterponat 368 Verankerungsblepharoplastik 189, 192 Vermillektomie, kopmplette („lip-shave“) 324 Verschiebelappen 152 Verschiebeschicht, aponeurotische 104 Videoanalyse-System, 3D 442 Visierlappentechnik (Tripier) 167 Vitamin-A-Säure 543 Vogelgesicht-Ausdruck 339 Vollhauttransplantation 167 – Hals 406 VY-Lappenplastik 324
W Wangendefekt, Rekonstruktion 82, 83 Wangenrotationslappen 167, 169 Webster, Unterlippen-Rekonstruktion 339 Weichteile 6 Weichteilkorrektur 19 „Wiener Dokumentations-System“ (Frey) 442, 443 Z Zick-Zack-Inzision 5 Z-Plastik 404, 405 Zugang – bikoronarer 5, 6 – infrazilliarer 6 – intrakranieller 5 – temporaler Z-Zugang 5 – transkonjunktivaler 6 – vestibulärer 6 – Z-Zugang, temporaler 5