Günter Hirth · Rainer Przywara Planungshilfe für technologieorientierte Unternehmensgründungen
Günter Hirth · Rainer Przywara
Planungshilfe für technologieorientierte Unternehmensgründungen Ein erfahrungsbasierter Leitfaden für Naturwissenschaftler und Ingenieure
Mit 16 Abbildungen
123
Professor Dr. Günter Hirth Fachhochschule Hannover FB Wirtschaft Ricklinger Stadtweg 120 30459 Hannover Germany
[email protected]
Professor Dr.-Ing. M.A. Rainer Przywara Fachhochschule Hannover FB Maschinenbau – Technischer Vertrieb u. Marketing Ricklinger Stadtweg 120 30459 Hannover Germany
[email protected]
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 3-540-47454-4 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN 978-3-540-47454-8 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Satz: Digitale Vorlagen der Autoren Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Einbandgestaltung: WMX Design, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier
68/3100/YL – 5 4 3 2 1 0
Inhalt
Einführung
1
I
Gebrauchsanweisung / Manual
1
I.1 Warum diese Planungshilfe? I.2 Zielgruppe I.3 Vorgehensweise
1 2 3
Executive Summary: Die schnelle Übersicht
8
II
II.1 II.2 II.3 II.4 II.5 A.
B.
Interessensphase Definitionsphase Entwicklungsphase Umsetzungsphase Organisation
8 9 10 12 13
Interessensphase
15
1
Rand- und Anfangsbedingungen Ihrer Gründung
16
1.1 Persönliche Voraussetzungen 1.1.1 Eigener Finanzbedarf pro Monat 1.1.2 Eigene Lebenssituation als Unternehmer 1.1.3 Gesundheitliche Belastbarkeit 1.1.4 Partnerschaft/Kinder 1.1.5 Unternehmerpersönlichkeit
16 16 17 18 18 20
1.2 Objektive Randbedingungen 1.2.1 Zeithorizont bis zum Start 1.2.2 Nachfrage sofort
21 22 22
1.3 Zwischenergebnis 1.4 Informationen
25 25
Definitionsphase
27
2
Persönliche Entscheidungen
27
2.1 Einzelunternehmen vs. Teamgründung 2.2 Kleines oder größeres Unternehmen?
27 30
VI
Inhalt
2.3 Finanzierung: Risikopräferenz 31 2.4 Zwischenergebnis zu den persönlichen Entscheidungen 33 2.5 Informationen 33 C.
Entwicklungsphase
35
3
Markt und Geschäftsmodell
36
3.1 Ein wenig Marketing-Theorie 3.1.1 Marktbeschreibung 3.1.2 Marktsegmentierung 3.1.3 Fünf Unternehmenskräfte 3.1.4 Wege zum Wachstum
37 37 39 39 42
3.2 Marktabgrenzung 3.2.1 Nachhaltige Nachfrage? 3.2.2 Wettbewerbsintensität 3.2.3 Räumliche Abgrenzung 3.2.4 Mikrosegmentierung 3.2.5 Zwischenergebnis Marktabgrenzung
43 43 48 49 50 51
3.3 Geschäftsmodell 3.3.1 Kundennutzen präzisieren 3.3.2 Womit verdienen Sie wirklich Ihr Geld? 3.3.3 Referenzkunden 3.3.4 Kundenstrategie und Kaufprozess 3.3.5 Make or buy? 3.3.6 Zwischenergebnis Geschäftsmodell
52 54 56 57 58 60 61
3.4 Informationen
63
Preise und Mengen
64
4.1 Kosten/Preisuntergrenze 4.2 Marktpreise/Preise der Wettbewerber 4.3 Preisbereitschaft 4.3.1 Preisstrategie 4.3.2 Zahlungsmodalitäten 4.3.3 Leistungseinheiten und Stückzahlen 4.3.4 Zwischenergebnis Preise und Mengen
65 69 71 73 75 79 81
4.4 Informationen
81
4
Inhalt
D.
VII
Umsetzungsphase
83
5
Markteintritt: Wie gehen Sie mit Kunden um?
84
5.1 Bedeutung des persönlichen Verkaufs 5.2 Dauer und Phasen des B2B-Vertriebsprozesses 5.2.1 Sie interessieren sich für den Kunden 5.2.2 Der Kunde beginnt sich für Sie zu interessieren 5.2.3 Überzeugung wird auf-, Kritik abgebaut 5.2.4 Der Kunde entscheidet sich für Sie 5.2.5 Der Kunde erlebt die Realisierung
85 87 89 89 91 91 92
6
5.3 Das Verhalten von Unternehmen 5.3.1 Das Buying Center 5.3.2 Rollen im Verkaufsprozess 5.3.3 Promotoren und Opponenten 5.3.4 Einfluss der Unternehmensgröße des Kunden 5.3.5 Der Schlüssel zum Verkaufserfolg
92 93 94 97 99 100
5.4 Prioritäten im Verkauf wirksam setzen 5.4.1 Vorstufe 5.4.2 Die erste Trichterebene 5.4.3 Die zweite Trichterebene 5.4.4 Die dritte Trichterebene 5.4.5 Zeitmanagement mit dem Verkaufstrichter
103 104 105 105 106 106
5.5 Markteintritt: Wie finden Sie Ihre ersten Kunden? 5.5.1 Fall 1: Erstkunden vorhanden 5.5.2 Fall 2: Start ohne Erstkunden 5.5.3 Schutzrechte und früher Vertrieb
107 107 108 113
5.6 Informationen
113
Finanzplanung
114
6.1 Hinweise zum Umgang mit Planzahlen 6.2 Bedeutung der Planrechnungen 6.3 Kapitalbedarfsplan 6.3.1 Investitionsplan 6.3.2 Kapitalbedarf für die Anlaufphase
116 117 119 119 120
6.4 Liquiditätsplan 6.5 Ertragsvorschau 6.6 Finanzierung
120 122 123
VIII
Inhalt
6.6.1 Typische Ausgangssituation 6.6.2 Eigenkapital-Quellen 6.6.3 Zwischenergebnis Finanzierung
7
8
124 125 134
6.7 Informationen
135
Organisation des Geschäftsbetriebs
136
7.1 Standort 7.2 Verträge 7.2.1 Rechtsformauswahl/Gesellschaftsverträge 7.2.2 Geschäftsräume und Infrastruktur 7.2.3 Versicherungen 7.2.4 Persönliche Absicherung für Unternehmer 7.2.5 Lieferverträge von grundsätzlicher Bedeutung
136 137 137 137 138 138 138
7.3 Anmeldungen 7.4 Genehmigungen 7.5 Informationen
139 139 140
Zum Start
142
Anhang
143
I)
Informationsquellen Literatur Gründerportale und Onlinequellen Persönliche Beratung
143 143 144 145
II)
Sachverzeichnis
147
Einführung
I
Gebrauchsanweisung / Manual
I.1
Warum diese Planungshilfe?
Die Landschaft der gedruckt oder online erhältlichen Ratgeber für Unternehmensgründer ist reichhaltig und vielfältig. Warum also noch ein Produkt? Diese Planungshilfe richtet sich vor allem an x technologieorientierte Unternehmensgründer x aus Hochschulen x ohne kaufmännischen Hintergrund, die Unternehmen als Kunden haben werden. Die Planungshilfe wird spezifisch auf die Belange dieser Gründer eingehen und sich auf die erfolgskritischen Aspekte der Gründungsplanung konzentrieren. Auf Hochschulausgründungen wird besonders Bezug genommen, weil diese Gründer in der Regel mit besonderen Herausforderungen wie begrenzter Marktkenntnis und begrenzten eigenen Mitteln zu tun haben. Diese Probleme haben „normale“ Technologiegründer wegen einschlägiger Berufserfahrung weniger. Der Planungsprozess einer solchen Technologiegründung ist aber vergleichbar, so dass diese Planungshilfe auch nutzbar ist, wenn nicht aus einer Hochschule heraus gegründet wird. Diese Planungshilfe ist vor allem praktischer Natur. Sie ist aus der Befragung 40 aktiver Unternehmer aus verschiedenen Technologiebereichen entstanden. Diese Unternehmer, die von einem bis über 20 Jahre unternehmerische Erfahrung haben, wurden in Interviews nach ihrer eigenen Gründungsplanung befragt und haben zu den nach ihrer Erfahrung wichtigsten Aspekten der Gründungsvorbereitung Stellung genommen. Ihre Ratschläge und Erkenntnisse wurden auf der breiten Erfahrungsbasis der Autoren im Gründungsbereich zur vorliegenden Planungshilfe verarbeitet.
2
Einführung
Vielleicht werden Sie in der Gliederung die Schlüsselwörter Businessplan und Produkt vermissen. Beides wird dennoch in diesem Buch gründlich behandelt. Genauer gesagt werden Sie sich beiden Themen mit Hilfe dieses Buches wiederholt widmen: x Der Businessplan ist ein Ergebnisbericht: Er ist das schriftliche, in sich konsistente und aussagefähige Ergebnis nach erfolgreichem Durcharbeiten des gesamten Planungspfades. Er ist nicht lediglich ein Stück Papier zum Gewinnen eines Gründerpreises oder eines Kredits, das anschließend abgeheftet wird. Der Businessplan wächst im Laufe des Planungspfades. Er wird als eine Art qualifiziertes Logbuch die Ergebnisse der Teilabschnitte dokumentieren. Bei neuen Erkenntnissen ist er auch in schon abgearbeitet geglaubten Aspekten immer wieder zu überarbeiten. Viele Kontakte zu Externen (potentiellen Kunden, Kapitalgebern) werden Sie mit noch unvollständigem Businessplan aufnehmen und die Ergebnisse im Businessplan verarbeiten. x Zum Produkt: Technologiegründer haben zu Beginn der Planung meist eine recht klare Vorstellung über das Produkt, Verfahren, die Software oder allgemein die Leistung, die sie auf dem Markt anbieten möchten. Inhaltlich wird intensiv diskutiert, wie dieses Angebot wirtschaftlich Erfolg haben kann. Leitsatz dabei ist: „Der Fisch soll dem Wurm schmecken und nicht dem Angler!“ Wenn sich diese Vorbemerkungen wie die Ankündigung eines aufwändigen Arbeitsprogramms lesen, dann ist der Eindruck richtig. Die Gründung eines Unternehmens ist genau dieses. Die Planungshilfe soll Ihnen dabei zeigen, wie gut Sie jeweils im Thema sein müssen, um die erfolgskritischen Aspekte der Gründung fundiert planen zu können. I.2
Zielgruppe
Sie sind NaturwissenschaftlerIn oder IngenieurIn, haben Ihr Studium oder Ihre Promotion abgeschlossen bzw. sind in der Endphase. Sie haben vielleicht einige Zeit in einem Kooperationsprojekt mit der Industrie gearbeitet. Sie haben eine konkrete Idee für eine Unternehmensgründung: Sie sehen eine Chance, mit Ihren Fähigkeiten oder einem von Ihnen entwickeltem Produkt oder einer Software selbstständig Geld verdienen zu können. Möglicherweise möchten Sie dieses Unternehmen gemeinsam mit anderen gründen. Sie haben schon einige Zeit darüber nachgedacht, aber nicht wirklich geplant. Jetzt ergibt sich aufgrund des Auslaufens des Forschungsprojektes oder des Abschlusses der Promotion oder schlicht wegen der Anfrage
I Gebrauchsanweisung / Manual
3
„Könnt Ihr mir das liefern?“ die Notwendigkeit zu entscheiden: Ist der Gedanke mit der Selbstständigkeit wirklich etwas für Sie (und Ihre möglichen Partner), oder soll es doch eher die wissenschaftliche Laufbahn oder eine angestellte Tätigkeit werden. Ob Sie männlich oder weiblich sind, spielt für den Ablauf der Gründungsplanung keine Rolle. Dieses Buch will ausdrücklich auch Frauen ermutigen und helfen, ein Unternehmen zu gründen. Aus sprachlichen Gründen wird in der Beschreibung stets die geläufigere Variante des Geschlechts verwendet; zumeist ist diese männlich. Gemeint sind selbstverständlich stets beide, Frauen wie Männer. I.3
Vorgehensweise
An diesem Punkt soll diese Planungshilfe Ihnen helfen, die für Sie selbst und das Unternehmen wichtigsten Entscheidungen so vorzubereiten, dass die bei den meisten Technologiegründern erfolgskritischen Fragen hinreichend geklärt sind. Die hier angesprochenen Fragestellungen und die möglichen Lösungswege sind auch über Branchengrenzen und unterschiedliche Geschäftskonzepte hinaus ähnlich. Vor allem aber sind diese Fragestellungen in jedem Fall vor einer Gründung zu bearbeiten, um nicht unkalkulierbare Risiken einzugehen. Schließlich sind bei gut 45 Prozent der Insolvenzen in Deutschland Unternehmen betroffen, die jünger als sechs Jahre sind (Quelle: Creditreform – Insolvenzen, Neugründungen, Löschungen 2005). Ihre Gründung wird ab jetzt wie ein Projekt betrachtet. Technische Projekte haben Ziele, Teilziele und Lasten- und Pflichtenhefte, die zum Erreichen dieser Ziele dienen. Ihr Gründungsprojekt hat vornehmlich einen Zeitpfad und Meilensteine, an denen bestimmte Teilaufgaben als erledigt abgehakt werden oder rückgekoppelt werden. Projekte haben immer einen Anfang und ein Ende. Dieses Projekt „Unternehmensplanung“ fängt mit dem ernsthaften Befassen an und endet mit der Gründung (oder dezidierten Nicht-Gründung) des Unternehmens. Projekte haben zeitlich gesehen einen so genannten kritischen Pfad. Auf diesem liegen bei vielfältig parallel verlaufenden Aktivitäten diejenigen, bei deren zeitlicher Verzögerung das Gesamtvorhaben verzögert wird. Die Planung eines neuen Unternehmens lässt sich nicht linear darstellen. Oft ergibt sich geradezu systematisch in einer späteren Phase der Bedarf, schon abgehakte Entscheidungen zu überprüfen und ggf. den neuen Erkenntnissen anzupassen. Dieser Notwendigkeit iterativen, „verschleiften“ Vorgehens soll diese Planungshilfe durch eine ganzheitliche Vorgehensweise Rechnung tragen. So wird der Pfad zwar in einer sachlogischen Rei-
4
Einführung
henfolge linearisiert, aber nur die jeweils in der Phase vorrangigen Aspekte werden im Detail dargestellt. Am Ende der Abschnitte wird darauf verwiesen, welche vorher schon behandelten Gesichtspunkte möglicherweise noch einmal zu prüfen sind. Dazu ein Beispiel aus der unten näher beschriebenen Entwicklungsphase: Schwerpunktmäßig wird in dieser das Geschäftsmodell geplant, d. h. mit welchen Aktivitäten konkret Umsätze getätigt werden sollen. Wenn vorher in der Definitionsphase festgelegt worden war, ein Einzelunternehmen ohne Partner zu gründen, so kann sich durch die Konkretisierung des Geschäftsmodells ergeben, dass die durchschnittlichen Auftragsvolumina so komplex und der Investitionsbedarf so hoch werden, dass die Aufnahme weiterer tätiger und investierender Partner sinnvoll ist. Dann muss das schon vorläufig abgeschlossene Kapitel „persönliche Entscheidungen“ noch einmal modifiziert werden. Der hier gezeigte Ablauf stellt die Hauptphasen einer Gründungsplanung bis zum Start des Unternehmens dar: x Interessensphase: x Definitionsphase: x Entwicklungsphase: x Umsetzungsphase:
Klärung der Rand- und Anfangsbedingungen Treffen der die Gründung betreffenden persönlichen Entscheidungen Entwicklung des inhaltlichen Unternehmenskonzeptes mit Markt, Geschäftsmodell und Preisen Umsetzung der Ergebnisse der Entwicklungsphase: Markteintritt, Finanzplanung und Finanzierung, Organisatorisches und Verträge
Alle hier der jeweiligen Hauptphase linear zugeordneten Themen sind in den anderen Phasen aber zumindest „im Hinterkopf“ oder werden hier in einer Iterationsschleife tatsächlich wieder aufgegriffen. In der nachfolgenden grafischen Darstellung des Prozesses tauchen daher die Themen in allen Hauptphasen auf. Die jeweils dunkel beschrifteten Themengebiete werden schwerpunktmäßig bearbeitet. Interesse
Definition
Entwicklung
Umsetzung
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
Abb. 1
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
Hauptphasen der Gründungsplanung
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
I Gebrauchsanweisung / Manual
5
Erfahrungsgemäß wird der gesamte hier beschriebene Pfad etwa sechs Monate in Anspruch nehmen. Etwa die Hälfte der Technologiegründer schafft es in diesem Zeitraum, das Unternehmen auf die Beine zu stellen. In der Endphase einer Dissertation oder eines Forschungsprojektes oder aber, wenn Sie noch sehr viel Zeit in die Entwicklung Ihres Produktes oder Angebots stecken müssen, kann diese Phase auch bis zu einem Jahr dauern, wie die Ergebnisse der aktuellen Erhebung zeigen (Abb. 2). Auch sich im Erkenntnisprozess ergebende grundlegende Überarbeitungen wie die Neudefinition der Zielkunden oder eine grundlegende Neukonzeption des Geschäftsmodells können den Planungsprozess verzögern.
20
Anzahl Nennungen
18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 k. A.
Abb. 2
0-3 Monate
4-6 Monate
7-12 Monate
>12 Monate
Planungsdauer von Unternehmensgründungen (Ergebnisse einer Studie im Auftrag von hannoverimpuls aus einer Befragung von 40 Technologieunternehmen der Region Hannover)
Das wichtigste Ziel dieser Gründerhilfe ist es, dass Sie und Ihre Partner in der knappen zur Verfügung stehenden Zeit die erfolgskritischen Themen so bearbeiten, dass Sie auf dem angestrebten Markt eine echte Chance haben. Die weitaus meisten Technologiegründer bereiten ihren Start neben einer beruflichen oder wissenschaftlichen Tätigkeit vor. Daher muss „das richtige Gute“ und nicht „das bekannte Gute“ oder „das angenehme Gute“ getan werden.
6
Einführung
Ihre Rolle Die meisten dieser Fragen kann und sollte kein noch so guter Unternehmensberater, Steuerberater oder Coach für Sie lösen, sondern Sie selbst müssen sich so gut in den Kernthemen auskennen, wie Sie es später in Ihrem Unternehmen auch müssen. Es gibt kein „betreutes Gründen“ in Art einer beschützenden Werkstatt. Nur in den Fachfragen, bei deren Bewältigung professionelle Erfahrungen gepaart mit Spezialistenwissen erforderlich sind, sollten Technologiegründer Experten eine größere Rolle zubilligen. Ein Beispiel hierfür ist der Finanzierungsbereich, wenn Sie für ein schnell wachsendes Unternehmen Kapitalbeteilungen von Beteiligungsgesellschaften benötigen. Aber auch in diesem Fall sollten Sie den Sachverhalt bei Entscheidungen vollständig durchschauen, denn besonders diese Entscheidungen binden Sie und Ihr Unternehmen langfristig. Auch Fragen der Rechtsform, der Gesellschaftsverträge sowie der steuerlichen Seite fallen hierunter. Die Themen Diese Themen sind als die wichtigsten Punkte aus Sicht der befragten Unternehmen identifiziert worden: x x x x x x
Rand- und Anfangsbedingungen, persönliche Entscheidungen, Markt und Geschäftsmodell, Preise und Mengen, Markteintritt („Wie finden wir unsere ersten Kunden?“), Finanzplanung und Finanzierung. Anschließend werden die folgenden sechs Themengebiete genannt:
x x x x x x
Entscheidungsbedarf, notwendige Wissenstiefe nach Erledigung, Vorgehensweise, Zeithorizont, Quellen, Unterstützer.
Nicht für alle Themen gibt es klare Bearbeitungsprozeduren. Für diese Fälle werden mehrere methodische Optionen beschrieben und damit zusammenhängende Erfahrungen von Technologieunternehmern geschildert. Es bietet sich an, das Erreichen einzelner Meilensteine jeweils mit einem Coach zu verifizieren.
I Gebrauchsanweisung / Manual
Zur leichteren Einordnung
Wichtige Hinweise aus der vorab vorgenommenen Befragung bzw. bewährte Ratschläge erfahrener Unternehmer, die Ihnen einen Hinweis auf die Planungsdauer oder die Wichtigkeit des Aspekts geben sollen, sind mit diesem Symbol gekennzeichnet.
Tipps bzw. Warnhinweise sind mit diesem Symbol versehen.
Praxisbeispiele tragen dieses Symbol und werden in einem gerahmten Kasten auf grauem Grund wiedergegeben.
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8
Einführung
II
Executive Summary: Die schnelle Übersicht
Als schnelle Übersicht vorab werden auf wenigen Seiten die wichtigsten Aufgabenstellungen und die zu erarbeitenden Ergebnisse zusammengefasst. Der Planungsablauf, wie er im folgenden Schema zu sehen ist, zeigt die Reihenfolge der Bearbeitung. Es ist wichtig zu wissen, dass eine Unternehmensplanung nicht linear ablaufen kann, sondern dass neue Erkenntnisse immer wieder erfordern, bereits „abgehakte“ Annahmen neu zu überplanen. II.1
Interessensphase
In der ersten Phase Ihrer Planung sollten Sie die Rand- und Anfangsbedingungen prüfen. Hierunter werden persönliche und objektive Restriktionen Ihrer Gründung betrachtet, bevor die Planung im Einzelnen beginnen kann. Es ist nur dann sinnvoll, das Unternehmen weiter zu planen, wenn Ihnen, Ihrem Lebenspartner und auch den möglichen Mitgesellschaftern die Rand- und Anfangsbedingungen Ihrer Gründung klar sind und die möglichen Konflikte wenigstens benannt sind. Die wichtigsten von Ihnen zu prüfenden Themenbereiche der persönlichen Voraussetzungen sind im Einzelnen: x x x x x
eigener Finanzbedarf pro Monat, eigene Lebenssituation als Unternehmer, gesundheitliche Belastbarkeit, Partnerschaft/Kinder, Unternehmerpersönlichkeit.
Hierzu müssen Sie selbstkritisch analysieren, ob das Unternehmerdasein zu Ihren Lebensumständen passt. Gravierende Ungleichgewichte in diesen Bereichen können sowohl Sie als auch das neue Unternehmen als auch Ihre Partner und Kinder in existenzielle Krisen bringen. Können Sie sich ein „wettbewerbsfähiges Gehalt“ leisten, und kann das Unternehmen ganz grundsätzlich in der Lage sein, sich so zu entwickeln, dass Sie Ihre Einkommensziele verwirklichen können? Als angehende Unternehmer sollten Sie sich vorstellen können, über viele Jahre Freude daran zu haben, x x x x
Ihr Unternehmen „immer dabei“ zu haben, Ihre Arbeit zu strukturieren, selbstbestimmt zu arbeiten, schnell zu sein.
II Executive Summary
9
Sie sollten folgende Fragen mit einem ehrlichen Ja beantworten können: x Sind Sie voraussichtlich den gesundheitlichen Herausforderungen gewachsen? x Werden Sie von Ihrem privaten Umfeld unterstützt? x Werden Sie im Rahmen Ihrer Partnerschaft familiäre Verpflichtungen gemeinsam bewältigen können? Sie sollten sich nach Prüfung dieses Aspekts sicher sein, dass Sie persönlich selbstständig sein können und wollen. Die objektiven Randbedingungen Ihrer Unternehmensgründung sind zu Beginn festzuhalten. Sie bestimmen den Startpunkt Ihres Unternehmens und damit auch das Zeitraster, in dem Sie bis zum Start weiter arbeiten. Hierunter fallen die Themenbereiche: x Zeithorizont bis zum Start, x Nachfrage sofort, x Wettbewerbsvorsprung (Wie lange haben Sie welchen technischen Vorsprung?), x Reife des Produkts, x Rechtsschutz bei Innovationen, x Gründungstermin (Wann können Sie frühestens gründen? Wann haben Sie Arbeitsverträge, Nebentätigkeitsgenehmigungen, Reife des Produkts, Schutzrechte etc.?), x Termin der Kundenansprache (Wann können/sollten Sie spätestens Kunden ansprechen?), x Termin der Marktreife (Wann müssen Sie spätestens auf dem Markt sein? Sie sollten Ihren Wettbewerbsvorsprung nutzen und Ihre potentiellen Kunden fragen.). Diese Fragen sind mit konkreten Terminen zu beantworten, die auch die Taktgeschwindigkeit Ihrer weiteren Planung vorgeben. Die Frage der Schutzrechte kann sich länger hinziehen. Hören Sie in dieser Frage mehr als eine Meinung. II.2
Definitionsphase
Zu den persönlichen Entscheidungen gehören alle Entscheidungen, bei denen Sie nicht aufgrund äußerer Umstände festgelegt sind, sondern bei denen es darum geht, wie Sie in Zukunft unternehmerisch arbeiten möchten.
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Einführung
Zu diesem Zeitpunkt, der ca. vier Wochen nach Beginn der ersten ernsthaften Überlegungen abgeschlossen sein kann, x wissen Sie, ob Sie lieber als Einzelperson oder im Team gründen möchten, x haben Sie ein Tätigkeits- und Verantwortungsprofil für sich und evtl. Partnern erstellt, x haben Sie grob die Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung durch Beteiligung sowie Förderung geprüft. Gleichzeitig haben Sie x das Entwicklungspotenzial Ihres Unternehmens abgeschätzt und x Hinweise auf Marktzwänge, das Unternehmen in einem bestimmten Zeitfenster oder mit einer Mindestgröße gründen zu müssen, grob geprüft.
II.3
Entwicklungsphase
Mit Eintritt in die Entwicklungsphase nach ca. vier Wochen fängt die tatsächliche Entwicklung Ihres Unternehmens an. In dieser Phase werden Sie festlegen, für welche Art von Kunden in welchen Branchen Sie arbeiten möchten. Dafür müssen Sie die Kundenbranchen, also Ihren Markt, zunächst gut kennen lernen. In einem zweiten Schritt werden Sie definieren, welche Leistungen Sie Ihren Kunden genau anbieten. Markt und Geschäftsmodell sind die zentralen Elemente Ihrer Geschäftsplanung. Beide Aspekte werden Sie gemeinsam mit der später einsetzenden Preis- und Mengenplanung je nach Branchenkenntnis und Produkt mehrere Monate in Anspruch nehmen. Immer wieder werden neue Erkenntnisse über Kunden und deren tatsächlicher Bedarf die Überarbeitung der übrigen Annahmen notwendig machen. Am Ende des Abschnitts „Markt- und Geschäftsmodell“ haben Sie herausgearbeitet, x für welche Art von Kunden Sie tätig werden möchten (Segmentierung nach Branche, Region, technischer Ausstattung o. Ä.). Für diese Kundengruppen, die durchaus in mehrere Segmente unterteilt werden können, können Sie auch x quantitativ (physikalisch und monetär) den Nutzen beziffern, den Ihr Angebot beim Kunden verursacht.
II Executive Summary
11
x beschreiben, welchen Teil der Wertschöpfung Ihrer Kunden Sie genau übernehmen und x benennen, worin der Vorteil Ihres Angebots gegenüber dem der Konkurrenz liegt. Sie kennen den grundsätzlichen Kaufentscheidungsprozess in der Branche bzw. in wichtigen Unternehmen. Sie haben mit den ersten potentiellen Kunden Kontakt aufgenommen und können Bedarf und Kaufbereitschaft einschätzen und haben einen möglichen Liefertermin. Erfolglose Kontaktaufnahmen haben Sie ausgewertet und Ihre Zielkundensegmente sowie Ihr Leistungsangebot entsprechend überarbeitet. Sie kennen die möglichen Kaufhindernisse. Sie haben eine klare Vorstellung darüber, wie Ihre Leistung konkret zu beschreiben ist und welche Teile Ihrer Leistung von Zulieferern kommen sollen. Sie kennen Ihre möglichen Zulieferer, deren Kapazität, Qualität und Vorlauf und haben eine ungefähre Preisvorstellung über die Ihnen entstehenden Kosten. Am Ende dieser ersten Runde zur Definition Ihres Geschäftmodells sollten Sie die Grundannahmen, die Sie unter „Persönliche Entscheidungen“ getroffen haben, überdenken. Passt die Rolle, die Sie sich zu Beginn zugedacht haben, noch zu dem Geschäftsmodell, dass Sie nach Information und Kontakt mit potentiellen Kunden entwickelt haben? Reicht die Personaldecke der Gesellschafter? Reichen die finanziellen Ressourcen? Entspricht Ihr Tätigkeitsprofil dem, was Sie ursprünglich tun wollten? Die unter „Geschäftsmodell“ ermittelten Daten und plausiblen Schätzungen benötigen Sie zwingend um Ihre Preiskalkulation qualifiziert durchführen zu können. Drei Determinanten bestimmen im Grundsatz den Preis Ihrer Leistung: x Ihre Kosten, x Marktpreise bzw. Preise der Wettbewerber, x Preisbereitschaft des Kunden. Nach intensiver Beschäftigung mit diesem Abschnitt sollten Sie: x Ihre Preisuntergrenze für Ihre typischen Leistungen berechnet haben, x die Preise Ihrer Mitbewerber und deren qualitative Positionierung auf dem Markt kennen sowie deren Umsätze und Marktanteile kennen, x Informationen über die Preisbereitschaft und Zahlungsmodalitäten Ihrer Kunden beschafft haben,
12
Einführung
x eine Preisstrategie erarbeitet haben (Marktabschöpfungs- oder Marktdurchdringungsstrategie mit einer preislichen und qualitativen Positionierung im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern), x ein den Preisen zugrunde liegendes plausibles Mengengerüst über die ersten drei bis fünf Jahre geplant haben.
II.4
Umsetzungsphase
In dieser Phase noch vor dem offiziellen Start des Unternehmens gehen Sie bereits vertragliche Verpflichtungen ein und planen vor allem Markteintritt und Finanzen bzw. Finanzierung Ihres Unternehmens. Die hier vorgeschlagene Vorgehensweise der Planung des Markteintritts trägt in besonderer Weise den Erfahrungen von Technologieunternehmen Rechnung. Insofern wird es in zwei Szenarien darum gehen, wie Unternehmensgründer selbst ihre Kunden systematisch finden und zu Aufträgen kommen. Hier werden die beiden erfahrungsgemäß wichtigsten konkreten Wege der Planung des Markteintritts dargestellt: Entweder sind bereits Kunden vorhanden, oder die ersten Kunden müssen noch gewonnen werden. Die Ergebnisse der Markteintrittsplanung sind: x Liste aller „Wunschkunden“ mit fachlichen Ansprechpartnern nach Priorität geordnet, x Planung und Umsetzung der Kontaktaufnahme mit Wunschkunden ab Entwicklungsphase bis zur Unternehmensgründung (wer spricht welche Unternehmen wann an?), x Planung der eigenen Kapazität für den Vertrieb wenigstens für das erste halbe Jahr nach Gründung, x eingeplante regelmäßige Auswertung der Vertriebserfahrungen, x Stop-Loss: Legen Sie mit Ihren Partnern einen Worst Case der Vertriebserfolge fest, bei dessen Unterschreiten Sie das Unternehmen nicht starten oder liquidieren. Die Finanzplanung hat als Ergebnis Ihrer bisherigen Planungen mehrere Ziele: x Sie beziffern den wirtschaftlichen Erfolg: Wird es sich für die Gründer lohnen, das Unternehmen zu gründen? x Sie stellen sicher, dass Sie jederzeit Ihre Zahlungsverpflichtungen erfüllen können. x Sie ermitteln den für Gründung und Start notwendigen Kapitalbedarf und zeigen, wie Sie diesen finanzieren wollen.
II Executive Summary
13
x Sie legen die Grundlage für die unternehmerische Steuerung Ihrer Firma, indem Sie Ihre Planungen regelmäßig wenigstens monatlich mit der eingetroffenen Realität konfrontieren (Soll-Ist-Vergleiche), die Ursachen für die Abweichungen identifizieren und die Planzahlen entsprechend anpassen. In dieser Phase haben Sie x Ihren Kapitalbedarf im Zeitablauf mit hinreichender Reserve eingeplant, x Ihre Zahlungsfähigkeit im Liquiditätsplan unter vorsichtigen Annahmen gesichert, x die Rentabilität Ihres Unternehmens klar geplant, x die nahe liegenden Quellen von Eigenkapital und Zuschüssen systematisch geprüft und die möglichen Mittel erschlossen bzw. in Aussicht, x Kontakte zu Banken aufgenommen, Echos zu Ihren Planungen bekommen und Finanzierungsangebote eingeholt, x im Fall eines Kapitalbedarfs, der 100 T€ deutlich übersteigt, Hilfe eines einschlägig erfahrenen Coaches in Anspruch genommen, x einen fast vollständigen, in sich stimmigen und wohl begründeten Businessplan mit den Elementen: - Executive Summary, - Leistungsangebot, - Branche/Markt, - Marketing/Vertrieb/Markteintritt, - Unternehmensleitung/Gründerteam, - Drei- bis Fünfjahresplanung einschließlich der o. g. Planrechnungen.
II.5
Organisation
An dieser Stelle der Umsetzungsphase werden nur die wichtigsten organisatorischen Aspekte angesprochen. In der Befragung der jüngeren Technologieunternehmer in der Region Hannover zeigte sich deutlich, dass in der Rückschau auch keiner dieser Aspekte eine wirklich erfolgskritische Bedeutung hatte. Dennoch ist wichtig, dass diese Entscheidungen bzw. Arbeitspakete rechtzeitig angegangen werden, damit zum Unternehmensstart die Leistungsbereitschaft in allen Bereichen gegeben ist.
14
Einführung
In dieser Phase mit wenigstens acht Wochen Vorlauf vor der Gründung ist eine Vielzahl von Sachfragen definitiv zu klären, und die entsprechenden Verträge sind abzuschließen: x x x x x x x x x
Standort, Verträge, Rechtsformauswahl/Gesellschaftsverträge, Geschäftsräume und Infrastruktur, Versicherungen, persönliche Absicherung für Unternehmer, Lieferverträge von grundsätzlicher Bedeutung, Anmeldungen, Genehmigungen.
A.
Interessensphase
Interesse
Definition
Entwicklung
Umsetzung
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
In dieser Phase prüfen Sie, wie ernsthaft Ihr Interesse an einer selbstständigen Tätigkeit tatsächlich ist. Vorausgesetzt wird natürlich, dass Sie eine Idee eines Produktes oder einer Dienstleistung haben. In dieser Phase werden zunächst die für Sie persönlich geltenden Rand- und Anfangsbedingungen analysiert. Als Ergebnis werden Sie nach einigen Tagen, spätestens aber nach wenigen Wochen, begründen können, warum nichts gegen eine Selbstständigkeit spricht oder aber warum es für Sie nicht sinnvoll ist, selbst unternehmerisch tätig zu werden. Rechnen Sie für diese Phase mit maximal vier Wochen. Es lohnt sich, die Rand- und Anfangsbedingungen mit Ihrem Lebenspartner ehrlich zu klären. Im Fall einer Teamgründung sollten diese persönlichen Randbedingungen mit den anderen Gründungspartnern sehr offen angesprochen werden. Drei Gründer planten und finanzierten gemeinsam ein Unternehmen. Während der Anlaufphase schieden zwei der drei Gründer wieder aus und nahmen auch Teile der Finanzierung mit. Hintergrund: Für diese Zwei war die Gründung ein Versuchsballon, der recht schnell beendet werden sollte, wenn es nicht so gut anlief. Für den Dritten war dies nicht so klar, und so hat er allein und mit weitaus weniger Eigenmitteln als geplant weitergemacht. Besser wäre es gewesen, ehrlich über die eigenen Erwartungen zu sprechen und möglicherweise Ausstiegszeitpunkte („Wenn nicht binnen acht Monaten fünf Aufträge da sind, hören wir auf“) von vornherein zu verabreden.
A. Interessensphase
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Rand- und Anfangsbedingungen Ihrer Gründung
Eine Unternehmensgründung wird nicht nur Ihr Leben, sondern auch das Ihrer Umgebung von Grund auf verändern. Bevor die Planung im Einzelnen beginnen kann, sollten Sie unbedingt schauen, ob die Sie umgebenden Menschen bereit sind, Ihre Entscheidung mit zu tragen. Es ist nur dann sinnvoll, das Unternehmen weiter zu planen, wenn Ihnen, Ihrem Lebenspartner und auch den möglichen Mitgesellschaftern die Rand- und Anfangsbedingungen Ihrer Gründung klar sind und die möglichen Konflikte wenigstens benannt sind. Mit den unten stehenden Fragen sollten Sie sich sofort auseinander setzen: Gespräche mit Ihren Lebenspartnern und Ihren möglichen Mitgesellschaftern über alle angesprochenen Themen sind notwendig. Hilfreich ist es auch, gemeinsam mit schon aktiven Selbstständigen über deren Erfahrungen zu sprechen. Falls Sie persönlich keine Selbstständigen kennen, versuchen Sie über Jungunternehmerverbände (wie z. B. die Wirtschaftsjunioren) oder Hochschulinstitute, Alumni und Fördergesellschaften Kontakte herzustellen. www.wjd.de (Wirtschaftsjunioren); www.bju.de (Bundesverband junger Unternehmer).
1.1
Persönliche Voraussetzungen
Hierzu müssen Sie selbstkritisch analysieren, ob das Unternehmerdasein zu Ihren Lebensumständen passt. Gravierende Ungleichgewichte in diesen Bereichen können sowohl Sie als auch das neue Unternehmen als auch Ihre Partner und Kinder in existenzielle Krisen bringen. Die wichtigsten von Ihnen zu prüfenden Themenbereiche sind: x x x x x
eigener Finanzbedarf pro Monat, eigene Lebenssituation als Unternehmer, gesundheitliche Belastbarkeit, Partnerschaft/Kinder, Unternehmerpersönlichkeit.
1.1.1
Eigener Finanzbedarf pro Monat
Sie müssen überschlägig wissen, was Ihr Unternehmen auf Dauer wenigstens erwirtschaften muss, damit Sie die für Ihren Lebensunterhalt notwendigen Gewinnentnahmen (als Einzelunternehmer oder Gesellschafter einer
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Personengesellschaft wie GbR, OHG) tätigen können. Hohe notwendige Entnahmen erschweren die Finanzierung. Die wenigstens vorübergehende Möglichkeit, den Lebensunterhalt vom Partner oder der Partnerin finanzieren zu lassen, kann den Start erleichtern. Erfahrungsgemäß wird in der Anfangszeit jeder verfügbare Euro im Unternehmen benötigt. Der Lebensunterhalt muss dann im ungünstigsten Fall per Kredit finanziert und mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt werden. Auch wenn Sie in einer GmbH oder AG formal als Geschäftsführer (Vorstand) Angestellte Ihres Unternehmens werden, muss die Firma Ihr Gehalt erwirtschaften. Beachten Sie, dass Sie bei Kapitalgesellschaften auch die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung (gut 20 Prozent des Bruttogehalts) und zusätzliche Versicherungen zahlen müssen. Über die Untergrenze (Sicherung des Existenzminimums) hinaus sollten Sie auch benennen, was das Unternehmen für Sie erwirtschaften muss, damit Sie genauso viel verdienen wie als Angestellte. Auch Ihre persönlichen Einkommensziele sollten Sie formulieren. Ein brauchbares Formular zur Ermittlung des monatlichen Finanzbedarfes finden Sie in den Gründerzeiten Nr. 7 „Kapitalbedarf und Rentabilität“ des BMWI. Sie werden in der konkreten Planung dann Anhaltspunkte haben, ob das Unternehmen Sie überhaupt wirtschaftlich tragen kann. Können Sie sich ein „wettbewerbsfähiges Gehalt“ leisten, und kann das Unternehmen ganz grundsätzlich in der Lage sein, sich so zu entwickeln, dass Sie Ihre Einkommensziele verwirklichen können? 1.1.2
Eigene Lebenssituation als Unternehmer
Unternehmer berichten in Bezug auf ihre Lebenssituation gerade in den ersten Jahren nach der Gründung, dass dieses „Baby“ eine dominante Rolle im Leben spielt. Erstens ist die Arbeitszeit immer zu knapp, weil man sich neben der eigentlichen Arbeit für die Kunden um Rechnungen, Statistiken, Steuererklärungen, Genehmigungen und Mitarbeiter zu kümmern hat. Dies belegt zeitlich Abende und Wochenenden. Mental sind die Fragen der Firma auch am Abend und am Wochenende vorherrschend. Dies ist – um im Bild zu bleiben – wie bei Babys eine gleichermaßen befriedigende wie anstrengende Lebenssituation. Als „Eltern“ des Unternehmens sehen Sie, Ihr Lebenspartner und Ihre Mitunternehmer das kleine Wesen heranwachsen – und zwar mit allen Kinderkrankheiten und den damit verbundenen Schwierigkeiten. Fremdbestimmung durch Hierarchien und Verwaltung gibt es nicht mehr. Das wird gerade von denen, die an der Hochschule oder in Unternehmen strenge Hierarchien kennen gelernt haben, sehr genossen.
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A. Interessensphase
An die Stelle der Fremdbestimmung tritt gerade in der Anfangszeit die durch Eigenmotivation gespeiste tägliche Herausforderung. Besteht das Unternehmen am Markt, folgt schließlich eine durch die Anforderungen der Kunden vorgegebene Taktgeschwindigkeit, die Sie in dieser Form in Universitäten nicht kennen gelernt haben. Ihre tatsächliche Tätigkeit tagsüber beinhaltet jetzt neben der fachlichen Arbeit, für die Sie qualifiziert und motiviert sind, auch Vertrieb, Büro und Verwaltung. Bei Teamgründungen ist die Möglichkeit gegeben, die Aspekte Vertrieb, Administration und Technik/Entwicklung nach Neigung und Eignung auf unterschiedliche Schultern zu verteilen. Bei Einzelgründungen hängt erfahrungsgemäß alles an Ihnen persönlich. Es wird erforderlich, persönliches Zeitmanagement zu betreiben und sich gut zu organisieren. Als angehende Unternehmer sollten Sie sich vorstellen können, über viele Jahre Freude daran zu haben, 9 Ihr Unternehmen „immer dabei“ zu haben, 9 Ihre Arbeit zu strukturieren, 9 selbstbestimmt zu arbeiten, 9 schnell zu sein. 1.1.3
Gesundheitliche Belastbarkeit
Auch ganz zu Beginn der ernsthaften Planung ist die Frage zu klären, ob Sie aller Voraussicht nach den körperlichen und seelischen Herausforderungen durch die Selbstständigkeit auf Dauer gewachsen sind. Erfahrungsgemäß benötigen die meisten Unternehmer einige Jahre, bis sie sich einen ausgeglichenen Lebensstil zulegen (können). Latent vorhandene gesundheitliche Schwächen neigen dazu, sich unter Belastung zu verschlimmern. Eine eingehende ärztliche Konsultation klärt die Frage nach der gesundheitlichen Eignung als Unternehmer. Erkennbare Beeinträchtigungen müssen benannt, gewichtet und möglicherweise bei der Aufgabenteilung unter Geschäftspartnern berücksichtigt werden. 9 Sind Sie voraussichtlich den gesundheitlichen Herausforderungen gewachsen? 1.1.4
Partnerschaft/Kinder
Aller Erfahrung nach sind zwei Partnerschaftsszenarien möglich. Erstes Szenario: Die Selbstständigkeit wird vom Partner oder der Partnerin mit getragen. Dies gilt sowohl für die zeitliche Belastung wie auch
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für das Mitwirken an Lösungen zu immer offenen Fragen der Art: Was tun wir jetzt? Wie lösen wir dieses Problem? Übereinstimmend wird von Unternehmern mit langjähriger Erfahrung für dieses Szenario berichtet, dass die Partnerschaft sich vertieft und das Unternehmen gewinnt. Vereinbarkeit von Familie und Beruf(ung) Der Unternehmer Martin Klein gründete Ende 1993 aus dem Institut für Fertigungstechnik der Universität Hannover die Firma Visitec GmbH in Grevesmühlen (Mecklenburg-Vorpommern), welche sich dem Bau von Großkammer-Rasterelektronenmikroskopen widmet. Martin Klein war zum Zeitpunkt der Gründung seiner Firma bereits verheiratet und stolzer Vater zweier kleiner Kinder, zu denen sich kurz darauf ein drittes gesellte. Ira und Martin Klein praktizieren seit Firmengründung eine klassische Rollenverteilung: Die Firma verlangt den vollen Einsatz und die unbeschränkte Verfügbarkeit ihres Gründers, der seine Kunden weltweit suchen und besuchen muss und, auch zu seinem Leidwesen, immer wieder über längere Zeiträume der Familie nicht zur Verfügung steht. Ira hat ihre beruflichen Ambitionen in den ersten ca. zehn Lebensjahren der Kinder vollständig zugunsten der Familie (und der Firma) zurückgestellt und dafür gesorgt, dass das Familienglück in Ostseenähe gedieh. Mit größerer Selbstständigkeit der Kinder widmete sie sich verstärkt vorwiegend ehrenamtlichen Aufgaben in der Betreuung jugendlicher und älterer Menschen. Beide haben in ihren Lebensentwürfen offenbar Sinn, Glück und Befriedigung gefunden. Beide sagen aber auch, dass das eng mit ihrer persönlichen Disposition zusammenhänge und überhaupt nicht verallgemeinert werden könne. Im Gegenteil: Jeder, der eine Firma gründet, sollte sich klar machen, dass er nicht nur von sich selbst, sondern auch von seiner Umgebung vielfach Verzicht und Durststrecken verlangt, die die Gemeinsamkeit auf harte Proben stellen. Familie Klein hat ihren Lebensentwurf übrigens konsequent weiter verfolgt: 2003 zog die Firma in neue, größere Räumlichkeiten um. Außerdem wurde der jüngste Spross der Familie geboren. Familie und Firma befinden sich also weiter auf Expansionskurs!
Zweites Szenario: Der Partner hat kein oder nur geringes Verständnis für die Notwendigkeiten der Selbstständigkeit. Praktische Auswirkung ist oft eine nicht ausgesprochene Unzufriedenheit, ein Sich-zurückgesetztFühlen. In diesem Fall muss deutlich gesagt werden, dass in vielen Fällen entweder das Unternehmen oder die Partnerschaft überlebt.
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A. Interessensphase
Eine besondere Herausforderung an das Zeitmanagement von unternehmerisch Tätigen ist es, Kinder zu ihrem Recht kommen zu lassen. Dies funktioniert technisch nur, indem ihnen Zeit zugeplant wird. Diese Zeit steht dann anderen Zwecken nicht mehr zur Verfügung. Dieses Thema muss in der Partnerschaft vorab geklärt werden. Die Aufgabenstellung wird sein, Partner in die eigene unternehmerische Lebenssituation einzubeziehen und, wenn notwendig, Spielregeln besonders für die Zeit mit den Kindern zu entwickeln. Es gibt durchaus Unternehmer, die sich für ihre persönlichen Angelegenheiten und Verpflichtungen die notwendige Zeit nehmen. Dies muss erfahrungsgemäß gewollt und verabredet werden. Eine Balance zwischen beruflichem und persönlichem Engagement ist notwendig: Unternehmer sein heißt nicht, sich kurzfristig total zu verausgaben, sondern Sie sind auf der Marathonstrecke unterwegs (aber auch da können Zwischenspurts notwendig sein!). 9 Werden Sie von Ihrem privaten Umfeld unterstützt? 9 Werden Sie im Rahmen Ihrer Partnerschaft familiäre Verpflichtungen gemeinsam bewältigen können? 1.1.5
Unternehmerpersönlichkeit
Vielfach wird in einschlägigen Ratgebern auf die Notwendigkeit hingewiesen, einen „Unternehmertest“ zu machen, um festzustellen, ob Ihre Persönlichkeit zum Unternehmer sein taugt. Dabei geht es um Selbstbewusstsein, Extrovertiertheit, Entscheidungsfreude, Gestaltungswillen und weiteres mehr. Technologieorientierte Unternehmer, die im Wesentlichen für und mit Berufskollegen arbeiten, benötigen zwar auch Selbstbewusstsein und persönliche Glaubwürdigkeit, um Kunden davon zu überzeugen, für sie erfolgreich tätig zu sein. In diesem Umfeld ist aber verkäuferische Schaumschlägerei, wie sie der Aalverkäufer auf dem Hamburger Fischmarkt braucht, nicht von Vorteil. In diesem Sinne ist es sinnvoll zu prüfen, ob Sie bei Gesprächen mit Geschäftsführern von Kundenunternehmen „geländegängig“ sind und vor allem ob Sie kalkulierbare Risiken tragen können und wollen. Hierfür gibt es einige Tests, die Sie online anonym durchführen können. Der Gründerservice der Region Hannover bietet einen Test einschließlich Auswertungsgespräch an. Einen Online-Pre-Check finden Sie unter www.kfwmittelstandsbank.de.
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Es ist durchaus ratsam, Personen aus Ihrem Umfeld zu fragen, ob man Ihnen zutraut, Geschäftspartnern Ihre Leistungen zu verkaufen und ein Unternehmen zu führen. Innerhalb eines Gründerteams gibt es bei Arbeitsteilung durchaus Positionen, die eine weniger extrovertierte Persönlichkeitsstruktur verlangen. Erfahrungsgemäß ist auch eine gewisse Hartnäckigkeit von Vorteil. So mussten Gründer u. a. feststellen, dass erst mehrere Telefonate zielführend sind. Um Genehmigungen u. Ä. einzuholen, empfehlen sie sogar, Druck aufzubauen und bisweilen sogar etwas unangenehm bzw. penetrant zu agieren. Bedenken Sie aber bitte auch, dass nicht alle Arbeitsgebiete von Ihnen oder Ihren Partnern selber besetzt werden müssen. Befassen Sie sich nicht zu detailliert mit Themen, die Sie Fachleuten überlassen können. Oft kann z. B. die Buchhaltung von einem Steuerberater übernommen werden. Nebenbemerkung: Am Markt sehr erfolgreiche Unternehmer beherrschen nicht nur ihr Metier, sondern haben auch Freude am Geldverdienen. Ausschließlich ideengetriebene Gründer sind, wie viele Beispiele zeigen, wirtschaftlich nicht so erfolgreich. Sie tragen zwar auch das ganze Risiko, erwirtschaften aber keine dem Risiko entsprechende Rendite.
Echtes Unternehmertum „Wir würden auch Kleiderbügel verkaufen, wenn sich das lohnen würde.“ (Geschäftsführer einer Photonics-Ingenieurgesellschaft)
9 Sie sollten sich nach Prüfung dieses Aspekts sicher sein, dass Sie persönlich selbstständig sein können und wollen.
1.2
Objektive Randbedingungen
Die objektiven Randbedingungen Ihrer Unternehmensgründung sind zu Beginn festzuhalten. Diese bestimmen den Startpunkt Ihres Unternehmens und damit auch das Zeitraster, in dem Sie bis zum Start weiter arbeiten.
A. Interessensphase
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1.2.1
Zeithorizont bis zum Start
Bestehen noch arbeitsvertragliche Bindungen, müssen Sie klären, wann Sie frühestens in Vollzeit Ihrem Unternehmen zur Verfügung stehen können. Für den Fall, dass Sie noch im Studium sind bzw. an einer Dissertation arbeiten: Wann werden Sie Ihr Studium bzw. Ihre Promotion abgeschlossen haben? Gibt es zeitliche und inhaltliche Unwägbarkeiten? Verschiedentlich ist zu beobachten, dass bei Gründungsteams einer oder mehrere der Partner zeitlich noch gebunden sind. Dann ist vor dem Hintergrund der Marktentwicklung und der Wettbewerbsfähigkeit zu entscheiden, ob so schnell wie möglich gegründet werden sollte, um bestimmte Zeitfenster der Nachfrage nicht zu versäumen, oder ob die gründliche Planung und Verfügbarkeit aller Gründer Vorrang haben sollte. Promotion oder Gründung? Ein Hightech-Gründer hatte seine Dissertation zu 80 % fertig gestellt. Sämtliche notwendigen Untersuchungen waren abgeschlossen. In dieser Endphase der Promotion beschloss er, sein Unternehmen zu gründen, und trieb dieses Geschäft energisch voran. Das Unternehmen ist seit über 10 Jahren erfolgreich am Markt. Es wird bis heute von einem Diplomingenieur geführt …
1.2.2
Nachfrage sofort
Falls Kunden auf sofortige Leistung dringen: Sind Sie dazu inhaltlich, zeitlich und rechtlich (Nutzungsrechte an Hochschulerfindungen, Nebentätigkeitsgenehmigung) in der Lage? Wenn alle drei Fragen zu bejahen sind, dann sollten Sie es tun, weil es keine bessere Gelegenheit gibt, Ihre Kunden und deren Bedürfnisse gut kennen zu lernen. Viele der später angesprochenen Planungsfragen können Sie viel einfacher bearbeiten, wenn Sie schon (nebenbei) tätig sind. Aufpassen müssen Sie haftungsrechtlich: Als Einzelunternehmer oder – falls gemeinschaftlich – als Gesellschaft bürgerlichen Rechts – sollten Sie die Haftung einzelvertraglich beispielsweise auf das Auftragsvolumen beschränken. Hier benötigen Sie Rat und Formulierungshilfe eines Rechtsanwalts. Gute Rechtsanwälte wie auch Steuerberater findet man auf persönliche Empfehlung oder schlicht in den Gelben Seiten.
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Diese Ratgeber müssen Ihr Vertrauen genießen. Deshalb ist der persönliche Eindruck wichtig. Auch über die Höhe von Honoraren ist wie bei jedem anderen Dienstleister vorab zu sprechen. Falls es um einen einzigen Auftrag geht, müssen Sie noch nicht einmal ein Gewerbe anmelden oder Ihre freiberufliche (meist „höhere“, beratende) Tätigkeit dem Finanzamt melden. Bei Umsätzen bis € 17.500 p. a. können Sie auf den Vorsteuerabzug verzichten (die so genannte Kleinunternehmerregel) und versteuern Ihr Einkommen nur mit einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung und der Anlage GSE der Steuererklärung. Hier gibt es nur Beratungsbedarf, wenn die Auftragsvolumina größer sind und wenn Sie Investitionen tätigen müssen. Dann sollten Sie zwingend vorab einen Steuerberater einschalten, der diese Fragen mit Ihnen klärt. Bei Erstaufträgen aus Forschungsprojekten sollten Sie vor Gründung genau prüfen, ob es auch nachfolgend eine Nachfrage für Ihr Produkt gibt, oder zumindest, wie weit es sich für andere Branchen/Bereiche anpassen lässt.
9 Ist das Produkt auch auf Dauer tragfähig oder ist es nur eine EinmalGelegenheit zum Geldverdienen? Wettbewerbsvorsprung: Zeitfenster Falls Sie über eine technische Innovation verfügen, müssen Sie überlegen, wie groß Ihr zeitlicher Wettbewerbsvorteil ist. Möglicherweise ist es notwendig, sehr schnell auf Kunden zuzugehen, bevor Wettbewerber das Feld besetzen. In manchen Fällen wird die objektiv schlechtere Lösung eingesetzt, weil die bessere am Markt noch nicht verfügbar war. In anderen Fällen muss sehr schnell und mit hoher erforderlicher personeller Kapazität angeboten und geliefert werden, damit nicht andere die Standards setzen. Diese Situation kann erfordern, dass Arbeitsverträge beendet, Dissertationen oder Habilitationen verschoben und mit professioneller Hilfe ein sehr schnell expandierendes Unternehmen gegründet wird. Hier kann die Hilfe von einschlägig branchen- und industrieerfahrenen Business Angels (siehe Abschnitt „Finanzierung“) als tätige Investoren sinnvoll und notwendig sein. Reife des Produkts Gerade bei Unternehmensgründungen aus Hochschulen, die mit Neuentwicklungen an den Markt gehen wollen, stellt sich die Frage der notwen-
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A. Interessensphase
digen Reife des Produkts. Kann man schon mit einem Konzept oder Funktionsmuster gründen, oder sollte das im Grunde serienreife und Industriebedingungen genügende Produkt vorliegen? Die Erfahrungen von erfolgreichen Technologieunternehmen variieren hier stark: Es gibt Märkte, in denen angesprochene Kunden sofortige Lieferfähigkeit erwarten. Dies ist vielfach bei standardisierbaren Produkten und Dienstleistungen der Fall. In diesem Fall ist es sinnvoll, erst bei stabil funktionierendem Produkt und absehbarer Lieferfähigkeit an den Markt zu gehen. Hilfreich kann dann ein Pilotkunde sein, der bei der Herstellung der Industriereife tätig mitwirkt und dessen Vorteil darin liegt, eine perfekt auf seine Bedürfnisse abgestimmte Lösung zu günstigem Preis zu erhalten. Bei individuellen Problemlösungen, bei denen die Ingenieurtätigkeit bei der Anpassung dominant ist, kann es sehr sinnvoll sein, früh an den Markt zu gehen, um zu testen, ob für diese Leistung im geplanten Umfang überhaupt Nachfrage besteht. Erfahrungsgemäß wird in dieser Phase nicht nur das Produkt, sondern das Geschäftsmodell insgesamt den Anforderungen der Kunden angepasst. Im Extremfall wird festgestellt, dass die angebotene Leistung so nicht verkäuflich ist. Es ist wichtig, diese Möglichkeit so schnell wie möglich auszuschließen und notwendige Anpassungen vorzunehmen. Deshalb ist grundsätzlich anzuraten, möglichst schnell und mit noch nicht ganz marktreifen Produkten Kontakt zu potentiellen Kunden zu suchen. Rechtsschutz bei Innovationen Risiken, mit der vorzeitigen Veröffentlichung Schutzrechte zu verlieren, sind durchaus gegeben: Bereits veröffentlichte Verfahren oder Produkte sind dann zum Stand der Technik geworden und damit nicht mehr schutzfähig. Solche Risiken müssen mit fachkundiger Hilfe (Hochschulen, Patentanwälte und Erfinderzentrum Norddeutschland) bewertet und wenn möglich ausgeschlossen werden. Grundsätzlich sollten Prüfung der Schutzwürdigkeit von Innovationen, die Freigabe durch die Hochschule und auch die Anmeldung von Schutzrechten so schnell wie möglich erfolgen. Hierbei sind folgende Aspekte zu beachten: x Zeitliche Risiken, nämlich zu spät in den Markt zu kommen, können sich wegen Verzögerungen der Patentierung von Innovationen ergeben. x Wirtschaftliche Risiken bestehen dadurch, dass möglicherweise der Aufwand für die Erlangung der Rechtssicherheit in keinem angemessenen Verhältnis zum Marktpotential des Produktes steht.
1 Rand- und Anfangsbedingungen Ihrer Gründung
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x Rechtliche Risiken können dadurch entstehen, dass finanziell starke Wettbewerber Ihre Rechte bewusst verletzten, weil Sie finanziell nicht in der Lage sein werden, diese bei Gericht durchzusetzen. x Technische Risiken bestehen darin, dass Konkurrenten durch die Patentschrift erst schlau gemacht werden und dann Ihr Patent durch eine sehr ähnliche Lösung umgehen.
1.3
Zwischenergebnis
Im Rahmen der Rand- und Anfangsbedingungen einer Technologiegründung sind folgende Aspekte definitiv zu klären: 9 Ist unternehmerische Tätigkeit persönlich verantwortbar im Hinblick auf -
Finanzen, Gesundheit, Partner/Kinder, eigene Persönlichkeit?
Falls ja: 9 Termin: Wann können Sie frühestens gründen? (Arbeitsverträge, Nebentätigkeitsgenehmigungen, Reife des Produkts, Schutzrechte) 9 Termin: Wann können Sie spätestens Kunden ansprechen? 9 Termin: Wann müssen Sie spätestens auf dem Markt sein? (Wettbewerbsvorsprung nutzen, Kunden fragen) Diese Fragen sind mit ja/nein bzw. konkreten Terminen zu beantworten, die auch die Taktgeschwindigkeit Ihrer weiteren Planung vorgeben. Die Frage der Schutzrechte kann sich länger hinziehen. Hören Sie in dieser Frage mehr als eine Meinung. 1.4
Informationen
Informationen zu den in der Interessensphase zu bearbeitenden Themen finden Sie in folgenden Schriften bzw. Quellen. Ansprechpartner im Unternehmerlager finden Sie unter www.wjd.de (Wirtschaftsjunioren); www.bju.de (Bundesverband junger Unternehmer).
Eine gut strukturierte interaktive Hilfe zu allem Themengebieten der Gründungsplanung einschließlich der Fragen zu Unternehmerpersönlich-
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A. Interessensphase
keit und Motivation bietet das Gründerzentrum der KfW Mittelstandsbank im Internet unter www.kfw-mittelstandsbank.de/DE_Home/Gruenderzentrum/index.jsp
Eine Vorlage für die Planung des eigenen Finanzbedarfs entnehmen Sie der Schrift Gründerzeiten Nr. 7 „Kapitalbedarf und Rentabilität“ des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWI), die im Internet verfügbar ist: www.existenzgruender.de/imperia/md/content/pdf/gz7.pdf
Als allgemeine schriftliche Einführung empfiehlt sich die kostenlose und ständig aktualisierte Broschüre „Starthilfe. Der erfolgreiche Weg in die Selbstständigkeit“ des BMWI: www.existenzgruender.de/imperia/md/content/pdf/starthilfe.pdf
Informationen zu Schutzrechten finden sich in der „Patentfibel. Von der Idee bis zum Patent“ der Innovationsgesellschaft Universität Hannover www.ipal.de/cmsupload/Patentfibel_ipal.pdf,
in den Gründerzeiten Nr. 40 „Patente und Schutzrechte“ www.existenzgruender.de/imperia/md/content/pdf/gz40.pdf.
Ein gut verständlicher Leitfaden zur Gründungsplanung gerade auch für Technologiegründer: Heucher, M, Ilar D, Kubr Th (2002) Planen, gründen, wachsen. Mit dem professionellen Businessplan zum Erfolg. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage, Redline, Heidelberg Sehr ausführlich und mit vielen Beispielen hilft Svenja Hofert bei der nicht branchenspezifischen Gründungsplanung. Etliche Detailfragen werden sachkundig und anschaulich dargestellt: Hofert S (2004) Praxishandbuch Existenzgründung. Erfolgreich selbständig werden und bleiben. Eichborn, Frankfurt am Main Für Gründer aus dem Bereich Multimedia bietet sich der Gründerleitfaden Multimedia der VDI/VDE IT GmbH an. Hier werden auch Hintergrundinformationen über die persönlichen Entscheidungen gegeben. www.gruenderleitfaden.de/
B.
Definitionsphase
Interesse
Definition
Entwicklung
Umsetzung
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
In der Definitionsphase entscheiden Sie über die Struktur Ihres Unternehmens. Sie berücksichtigen dabei die in der Interessensphase sorgfältig geklärten Rahmenbedingungen und wägen mehrere Alternativen gegeneinander ab. Bereits jetzt sind Sie unternehmerisch tätig – Sie treffen persönliche Entscheidungen.
2
Persönliche Entscheidungen
Dies sind alle Entscheidungen, bei denen Sie nicht aufgrund von äußeren Umständen festgelegt sind, sondern bei denen es darum geht, wie Sie in Zukunft unternehmerisch arbeiten möchten. 2.1
Einzelunternehmen vs. Teamgründung
Zur Frage der Rechtsformwahl gibt es bei allen einschlägigen Gründerhilfen ausführliche Informationen und Checklisten. Daher werden hier nur die wichtigsten Entscheidungskriterien in Bezug auf Einzel- oder Teamgründung angesprochen. Beispielhaft sind ist der Infoletter Gründerzeiten Nr. 33 „Rechtsformen“ des BMWI. Neben den objektiven Pros und Contras spielt erfahrungsgemäß Ihre Persönlichkeitsstruktur die herausragende Rolle bei dieser Entscheidung. Wer kein Teamplayer ist, sondern Freude an der alleinigen Entscheidung hat, wird sich auch von den weiteren Argumenten nicht davon abhalten lassen, allein zu gründen.
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B. Definitionsphase
Hinweis: Sprechen Sie mit Unternehmern unterschiedlicher Rechtsformen und fragen diese nach ihren Erfahrungen.
Vorteile der Einzelunternehmen Entscheidungen treffen Sie allein und ohne Abstimmungen mit anderen. Das macht Sie schneller und beweglicher. Für Außenstehende sind Sie das Unternehmen. Auch die Gewinne und Verluste tragen Sie allein. Als Einzelunternehmer ist Ihr monatlicher Entnahmebedarf, den das Unternehmen abwerfen muss, auf Sie begrenzt. Sie benötigen auch kein Mindestkapital, um das Unternehmen zu gründen. Einzelunternehmer haben die gesamte Bandbreite der unternehmerischen Aufgaben allein zu verantworten und wenigstens zu Beginn auch allein zu bewältigen. Es gibt sehr erfolgreiche Einzelunternehmer mit technischem oder naturwissenschaftlichem Hintergrund. Viele davon haben sich betriebswirtschaftlich weitergebildet. Wer in dieser Weise allein arbeiten möchte, gründet ein Einzelunternehmen, das in folgenden Rechtsformen erfolgen kann: x „eingetragener Kaufmann“ (e. K.), was einen gewissen Geschäftsumfang signalisiert und Sie den Rechten und Pflichten des Handelsgesetzbuches unterwirft. Dies ist die Normalform des Einzelunternehmers. x „Freiberufler“: Dann kommt es vor allem auf Ihre persönliche „höhere“ Leistung an. Sie werden beispielsweise als „Beratende Ingenieurin“ tätig. x „Kleingewerbetreibender“ bei begrenztem Geschäftsumfang, mit wenigen Formvorschriften und ohne doppelte Buchführung. x „Ein-Mann-GmbH“: Kein Einzelunternehmen im juristischen Sinne, aber faktisch. Sie allein halten die Gesellschaftsanteile. Die Haftung ist auf die Gesellschaft und damit im Wesentlichen auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Allerdings erhält eine solche GmbH ohne zusätzliche Sicherheiten aus dem Bereich des Gesellschafters keine Kredite. Nachteile der Einzelunternehmen Zunächst ist Ihre Kapazität beschränkt. Größere oder komplexere Aufträge können Sie dann nur in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen anbieten bzw. annehmen. Notwendiges Kapital zur Gründung müssen Sie vollständig selbst aufbringen.
2 Persönliche Entscheidungen
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Wirtschaftlich werden Sie als Einzelunternehmer gerade bei Industriekunden die Frage beantworten müssen, was denn passiert, wenn Sie ausfallen oder sich beruflich umorientieren. Wer vertritt Sie, falls Sie krankheitsbedingt ausfallen? Die Kosten laufen dann weiter, nicht aber Ihre Einnahmen. Einschlägige Versicherungen gegen Betriebsunterbrechung und Krankenversicherungen mit notwendigem Tagegeld sind ein zusätzlicher Kostenfaktor. Vorteile der Teamgründungen Die Vorteile der Gesellschaften (mehrere Beteiligte) z. B. als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), als Offene Handelsgesellschaft (OHG), als Kommanditgesellschaft (KG), als GmbH oder Aktiengesellschaft liegen vor allem in folgenden Aspekten: x x x x x x
Arbeitsteilung entsprechend Fähigkeiten und Neigungen der Beteiligten, höhere Kapazität in Bezug auf Auftragsvolumina bzw. Komplexität, Beschleunigung der Durchlaufzeiten, weil nicht alles allein zu tun ist, leichteres Aufbringen des notwendigen Kapitals, gegenseitige Vertretung: Risikoteilung bei Krankheit eines Partners, Vorteil industrieerfahrener Partner: Beziehungspolster, Wissen um Entscheidungswege, Preise, Modalitäten.
Nachteile der Teamgründungen Teamgründungen bringen ebenfalls Nachteile und Risiken mit sich: x Entscheidungen sind immer abzustimmen; Lähmung bei Patt. x Geschäft muss alle Beteiligten ernähren. x Erwartungen aller Beteiligten in Bezug auf die eigenen Beiträge zum Unternehmen, die strategische Ausrichtung, aber auch auf die wirtschaftlichen Ergebnisse müssen sich in etwa decken. x Die Gefahr persönlicher Konflikte steigt überproportional an.
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B. Definitionsphase
Die entsprechende Beziehungsformel (extra für Ingenieure) lautet:
B
P
¦ i 1
i
1
mit B = Anzahl Beziehungen und P = Anzahl Partner Also: Ein Gesellschafter = keine Beziehung; zwei Partner = eine Beziehung; drei Partner = drei Beziehungen; vier Partner = sechs Beziehungen. Und Beziehungen sind mögliche Konflikte!
Die Erwartungshaltung aller Beteiligten kann dadurch angeglichen werden, dass der Planungsprozess, wie er hier dargestellt ist, in allen Aspekten gemeinsam erstellt wird. Zwei Drittel der 2005 in der Region Hannover befragten Technologieunternehmen waren Teamgründungen, zumeist Zweier- oder Viererteams.
Geschäftsführer oder Spezialist? Bei Gründerteams stellt sich die Frage einer internen Spezialisierung: Wer möchte Geschäfte führen und nach außen vertreten? Wer möchte fachlich weiterarbeiten? Wichtig ist dies bei der Wahl der Rechtsform und auch beim Zuschnitt der internen Zuständigkeiten im Gesellschaftsvertrag. Hier werden Sie in Abstimmung mit den Mitgesellschaftern juristischen Rat benötigen, weil in diesem Zusammenhang auch interne und externe Haftungsfragen eine Rolle spielen. An dieser Stelle sollten Sie Ihre Vorstellungen über Ihr Tätigkeits- und Verantwortungsprofil formulieren und offen mit den potentiellen Mitgesellschaftern abstimmen. 2.2
Kleines oder größeres Unternehmen?
Ob allein oder im Team: Für die Planung eines Unternehmens ist es von Bedeutung, ob das Geschäft nur seine Betreiber ernähren oder ob es in absehbarer Zeit stark wachsen soll. Falls das Unternehmen schnell wachsen soll, wachsen auch der Kapitalbedarf und die Notwendigkeit, eine Finanzierung dafür zu organisieren. Dann sind folgende Fragen relevant: Wie groß müssen wir wenigstens
2 Persönliche Entscheidungen
31
starten? Auch Standort, Immobilie und Verfügbarkeit qualifizierten Personals spielen eine größere Rolle, als wenn es bei bis zu 20 Beschäftigten bleiben soll. Das „größere Rad“ birgt auch mehr Risiken (s. u.), über die sich alle Beteiligten einig sein müssen. Auf der anderen Seite kann es sich aus den Erkenntnissen über den Markt und das Geschäftsmodell ergeben, dass ein Unternehmen schneller wachsen muss, als es Ihnen ursprünglich lieb war. Mit dem Erkenntnisfortschritt über den Markt geht aber auch eine bessere Risikoeinschätzung einher. Falls die Beteiligten unterschiedliche Vorstellungen haben, sollte dies vorher geklärt werden. Geschieht dies nicht vorab, werden erfahrungsgemäß künftige Investitionsentscheidungen strittig: Die eher expansiven Mitgesellschafter sehen vor allem die Chancen, während die zurückhaltenderen Gesellschafter die Risiken betonen. Durch die Wahl der Rechtsform (zum Beispiel der Kommanditgesellschaft oder der GmbH) können unterschiedliche Vorstellungen vereinbar gemacht werden. Wenn Ihr Produkt sehr innovativ und absehbar ist, dass es sich binnen kurzer Zeit flächendeckend in Ihrem Zielmarkt durchsetzt, dann haben Sie unternehmerisch keine andere Wahl, als schnell einen Markt zu besetzen. Dafür brauchen Sie eine Mindestkapazität und Mindestgröße der Organisation. Diesen Aspekt werden Sie in der nächsten Phase noch eingehend planen müssen. So viel schon jetzt: Die unternehmerische Grundsatzentscheidung, klein bleiben zu wollen, werden Sie sich nicht leisten können, wenn der Markt beispielsweise binnen zwei Jahren verteilt wird. Dann kann es sein, dass Sie zu spät dran sind. In diesem Fall sollten Sie u. U. darauf verzichten, selbst ein Produkt anzubieten, und stattdessen Lizenzen Ihrer Innovation verkaufen. 2.3
Finanzierung: Risikopräferenz
Die Hälfte der Technologiegründer spricht nach der kürzlich von den Autoren durchgeführten Befragung erst gar nicht mit einer Bank. Diese Gründer (meist Teams) möchten ohne Schulden und Abhängigkeiten in die Selbstständigkeit starten. Meist bringen diese Gründer das notwendige Kapital allein auf. Vielfach können sie aufgrund privater anderweitiger Absicherung die Entnahmen aus dem Unternehmen zunächst strikt begrenzen. Vor dem Hintergrund, dass Technologiegründer durchschnittlich in den 30er Lebensjahren gründen, zum Teil über Rücklagen verfügen und oft familiäre Verpflichtungen haben, ist diese Zurückhaltung in Bezug auf persönliche Haftung mehr als verständlich.
32
B. Definitionsphase
Die Freiheit, ohne Kredite zu starten, wird dann mit einem ständig spürbaren Kapitalmangel und deutlich geringeren Wachstumsmöglichkeiten erkauft, wenn andere Eigenkapitalquellen nicht erschlossen werden. Dieser Frage ist in der Umsetzungsphase ein ganzer Abschnitt gewidmet. Erst dann müssen Sie sich vertieft damit auseinandersetzen, woher das Geld kommen soll. Für diejenigen, die sich nicht verschulden möchten: Grundsätzlich kann auch ohne Verschuldung mehr (eigenes) Kapital mobilisiert werden als auf den ersten Blick deutlich wird. Die drei F (friends, family and „fools“) können um Beteiligungen im Rahmen einer „Stillen Gesellschaft“ gebeten werden. Weiterhin sind Businessplanwettbewerbe, Forschungszuschüsse und Länderzuschüsse für Hochschulausgründungen möglich. Dieses Geld haftet dann mit und ist im Fall des Scheiterns weg. Darlehen mit geringen Zinssätzen (und ohne Sicherheiten) sind auch denkbar. Für expansiv gestimmte Gründer kommt Beteiligungskapital von Kapitalbeteiligungsgesellschaften in Betracht. Schon jetzt der Hinweis: Dieses Kapital will mitreden und erwartet zu Recht eine dem (hohen) Risiko angemessene (hohe) Rendite. Bei Konzepten mit „technischem Eros“ d. h. innovativen Produkten und Dienstleistungen, die gut medial verwertbar sind, kann Preisgeld aus einer Vielzahl von Businessplanwettbewerben (Städte, Regionen, Branchen, Bundesländer, Hochschulen u. a. veranstalten solche Wettbewerbe) einige tausend Euro in die Kasse bringen, die am Anfang sehr helfen. Ausgesprochen hilfreich kann eine tätige Beteiligung eines branchenerfahrenen Investors (eines Business Angels) sein, der nicht nur Geld, sondern auch seine Geschäftskontakte und unternehmerische Kompetenz einbringt. Solche Partner sind vorab sehr sorgfältig zu prüfen: x Wie groß ist der eingebrachte Beitrag im Verhältnis zum Anteil an der Gesellschaft? Denken Sie bei expansiven Konzepten daran, dass Sie bei weiteren Finanzierungsrunden weitere Partner mit Anteilen anwerben müssen. Was bleibt Ihnen dann noch von Ihrer Gesellschaft? x Sind die Industrieerfahrungen für dieses neue Unternehmen wirklich nützlich? Handelt es sich um Industrieerfahrungen in der Branche (und möglicherweise in einem Unternehmen), für die Sie tätig werden möchten? Vertriebskompetenz und Vertriebserfolge sollten nicht geglaubt, sondern nachgeprüft werden wie Referenzen bei Bewerbungen. Derartige Coaches findet man entweder im Coachpool von KfW und NBank oder über das Business-Angels-Network Deutschland oder über Fördereinrichtungen wie Technologiezentren.
2 Persönliche Entscheidungen
2.4
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Zwischenergebnis zu den persönlichen Entscheidungen
Sie haben nach Treffen der persönlichen Entscheidungen 9 für sich geklärt, ob Sie lieber als Einzelperson oder im Team gründen möchten, 9 ein Tätigkeits- und Verantwortungsprofil für sich und evtl. Partner erstellt, 9 grob die Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung durch Beteiligung sowie Förderung geprüft. Gleichzeitig haben Sie 9 das Entwicklungspotenzial Ihres Unternehmens abgeschätzt und 9 Hinweise auf Marktzwänge, das Unternehmen in einem bestimmten Zeitfenster oder mit einer Mindestgröße gründen zu müssen, grob geprüft. Diese Phase kann wenige Tage dauern, wenn Sie schon seit längerem mit Partner und Mitgründern im Gespräch waren. Sie kann sich auch über mehrere Wochen hinziehen, wenn die Entscheidungen erst diskutiert und Mitgründer gesucht werden müssen. In der Praxis sind die Mitgründer in den meisten Fällen Kollegen aus der Hochschule. 2.5
Informationen
Coaches und Business Angels lassen sich über www.kfw-beraterboerse.de
finden. Hintergrundinformationen über die persönlichen Entscheidungen sind gut dargestellt im Kapitel 9 Management des Gründerleitfaden Multimedia der VDI/VDE-IT-GmbH unter www.gruenderleitfaden.de/download/glf/gruenderleitfaden.pdf.
Inspirierendes zur Thema Partnerschaft bietet Azriela Jaffe: Jaffe A (2000) Existenzgründung: So planen Sie mit Ihrem Partner den Schritt in die Selbstständigkeit“. Mvg, Landsberg
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B. Definitionsphase
Mit der persönlichen Zielbildung setzt sich auch Michael Opoczynski in seinem Ratgeber wiso Existenzgründung auseinander: Opoczynski M (2006) WISO: Existenzgründung, vollständig überarbeitete Neuausgabe, Campus, Frankfurt am MainZDF
C.
Entwicklungsphase
Interesse
Definition
Entwicklung
Umsetzung
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
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Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
Um ein Unternehmen erfolgreich zu machen, brauchen Sie nur zwei Dinge. Sie müssen: 1. ein überlegenes Produkt besitzen und 2. Ihre Kundenkontakte etabliert haben. Mehr nicht! Sie als technologieorientierter Gründer haben noch mehr Glück: Der erste Punkt sollte Ihnen leicht fallen, da Sie eine neue, überlegene Technik an den Start bringen. Aber wer interessiert sich eigentlich dafür? Wenn es jetzt noch niemand tut: Wie ändern Sie das? Mit Eintritt in die Entwicklungsphase nach ca. vier Wochen fängt die tatsächliche Planung Ihres Unternehmens an. In dieser Phase werden Sie festlegen, für welche Art von Kunden in welchen Branchen Sie arbeiten möchten. Dafür müssen Sie die Kundenbranchen, also Ihren Markt, zunächst gut kennen lernen. In einem zweiten Schritt werden Sie definieren, welche Leistungen Sie Ihren Kunden genau anbieten. Markt und Geschäftsmodell sind die zentralen Elemente Ihrer Geschäftsplanung. Beide Aspekte werden gemeinsam mit der logisch später einsetzenden Preis- und Mengenplanung je nach Branchenkenntnis und Produkt mehrere Monate in Anspruch nehmen. Wenn Sie mit einem Coach arbeiten, dann sollten Sie diese Phase in Arbeitspakete zerlegen und Meilensteine vereinbaren, die sich an dem jeweils erforderlichen Wissensstand orientieren müssen. Erfahrungsgemäß wird Sie diese Phase über die nächsten drei bis fünf Monate intensiv beschäftigen. Immer wieder werden neue Erkenntnisse über Kunden und deren tatsächlichen Bedarf Sie die übrigen Annahmen
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C. Entwicklungsphase
überarbeiten lassen. Auch in der Umsetzungsphase und nach Start werden Sie sich immer wieder mit diesen Themen befassen, wie die befragten Technologieunternehmer mehrheitlich angaben. Produkte durch Dienstleistungen ergänzen Maschinen- und Anlagenhersteller haben häufig das Problem, dass ihre Nachfrage starken Schwankungen unterliegt. Großaufträge sorgen für eine kaum zu bewältigende Auftragsflut, in Ebbezeiten drücken die Fixkosten. Ein guter Weg, dennoch kontinuierliche Umsätze zu generieren, ist die Dienstleistung. Beispielsweise baut die Formen- und Maschinenfabrik FMF der Continental AG, die sich früher als reiner Maschinenlieferant für Reifenaufbautechnik verstand, mit ihrer Mannschaft in auftragschwachen Zeiten geschlossene Reifenwerke ab und renoviert alte Maschinen. Diese Dienstleistungen sorgen in der Kundenbranchen-Rezession für kontinuierliche Auslastung und auskömmlichen Umsatz. Das Unternehmen Visitec liefert nicht nur Großkammer-Rasterelektronenmikroskope, sondern führt in seinem hauseigenen Gerät auch Auftragsuntersuchungen durch. So wurde beispielsweise die berühmte Sonnenscheibe von Nebra in Grevesmühlen zerstörungsfrei REM-untersucht.
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Markt und Geschäftsmodell
Ihr Markt wird durch die klare Beantwortung folgender und weiterer Fragen bestimmt: x Wem möchten Sie Ihre Leistungen eigentlich anbieten? x Wie viele potentielle Kunden gibt es in dem Marktsegment in den von Ihnen vorgesehenen geographischen Grenzen Ihres Marktes? x Geben die möglichen Kunden zur Befriedigung der Bedürfnisse, die Sie bedienen möchten, bisher schon Geld aus? - Wenn sie das tun, an welche Unternehmen und für welche Technologien zu welchen Preisen? - Wer sind die Wettbewerber? - Wenn bisher für Ihre Art von Technologie oder Verfahren oder Leistung kein Geld ausgegeben wird: Woran liegt das? Diese und weitere Fragen sind zu beantworten, wenn der angestrebte Markt hinreichend abgegrenzt werden soll. Das wird in diesem Abschnitt
3 Markt und Geschäftsmodell
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im Rahmen der Entwicklungsphase im Detail von Ihnen vorgenommen. Märkte verändern sich genau so schnell wie Anbieter und Nachfrager gezwungen sind, sich zu verändern. Deshalb liegt Ihre Hauptaufgabe jetzt darin, Ihren Markt zu definieren und auszuwählen sowie die diesen Markt bestimmenden Faktoren zu kennen. Sie werden nach einiger Recherche festlegen, für welche Branchen und Unternehmen Sie arbeiten möchten. Dieser Aspekt der Arbeit kann und darf mit „Desktop Research“ (Recherche vorhandener Online- und gedruckter Quellen) anfangen, er darf aber nicht damit aufhören. Der Erfolg Ihrer Leistung auf dem Markt besteht nicht in der Anerkennung der Fachleute, ein elegantes Verfahren entwickelt zu haben, sondern in einer wichtigen Verhaltensänderung bei Ihren Kunden: Diese sollen Geld ausgeben für eine Leistung, die sie früher nicht in Anspruch genommen haben und/oder an ein Unternehmen, das sie bisher nicht kannten. Gerade bei großen Kunden sind Verhaltensänderungen begründungsbedürftig, weil viele interne Stellen an einer neuen Beschaffungsentscheidung beteiligt sind. Um Gründe dafür zu liefern, warum Sie zum Zuge kommen und Rechnungen schreiben dürfen, müssen Sie die Branche, ihre Player und deren Ziel und Absichten gut kennen. Das geht nur in engen Grenzen vom Schreibtisch aus. Erfolgversprechender ist es, von Beginn der Entwicklungsphase an Kontakt mit potentiellen Kunden zu suchen, deren betriebliche Bedürfnisse und Zwänge kennen zu lernen und ihnen den Wert Ihrer Leistung bei der Lösung der betrieblichen Probleme zu liefern. Bevor die nächste Planungsrunde eröffnet wird, gibt es jetzt einen kleinen Theorieblock zum Thema Marketing. Er wird Ihnen helfen, eine klare Vorstellung von Ihrem Geschäft zu entwickeln. 3.1
Ein wenig Marketing-Theorie
Theorie ist normalerweise grau, diese hier hoffentlich nicht. Sie können sie nämlich direkt anwenden, um ein klareres Bild Ihrer zukünftigen Geschäftstätigkeit zu gewinnen. 3.1.1
Marktbeschreibung
Der Begriff Markt wird im Marketing im Sinne folgender Bedeutungen gebraucht: x Ort des Austauschs „Ware gegen Geld“, z. B. als Wochenmarkt, Börse, Supermarkt, virtueller Marktplatz (Güteraustausch per Internet),
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C. Entwicklungsphase
x Summe aller Käufer und Anbieter eines Produkts (Seniorenmarkt, Heiratsmarkt, Ärztemarkt, Verbrauchermarkt), x Sammelbegriff für eine Güterkategorie (Gebrauchtwarenmarkt, Reisemarkt, Heimwerkermarkt). Für Orte des Güteraustausches mit Unternehmen unterscheidet man die Marktformen: x B2B (business to business), also Transaktionen zwischen Geschäftsleuten, x B2C (business to consumer), also Transaktionen von einem Unternehmen an einen Endkunden. Sie als technologieorientierter Gründer sind im Normalfall im B2B-Bereich tätig. Damit werden Sie zum Bestandteil einer vielstufigen industriellen Wertschöpfungskette. An deren Ende steht immer ein privater Endkunde, also ein B2C-Geschäft. Beispiel einer Wertschöpfungskette Eine Vertriebskette in der Flugzeugindustrie sieht wie folgt aus: Rohstoffe Æ Stahl Æ Schraube Æ Rotor Æ Turbine Æ Airbus Æ Airline Æ Flugreise
Spezielle Märkte können anhand folgender sieben W-Fragen der Marktbeschreibung genau charakterisiert werden: x Wer bildet den Markt? Es wird nach den Marktteilnehmern gefragt. Hierzu gehört Ihr Unternehmen, Ihre Konkurrenz und Ihre (derzeitigen und potenziellen) Nachfrager. x Was wird verkauft/gekauft? Die Frage zielt auf Kaufobjekte, also Ihr Produkt, ab. x Wie groß ist der Markt? Das Marktpotenzial, also Ihr derzeitiger Marktanteil, der Ihrer Kunden sowie das bisher unerschlossene Potenzial, werden erfragt. x Wer verkauft/kauft? Diese Frage gilt den Kaufakteuren. Erfragt werden hier die handelnden Personen, nicht etwa die in der ersten Frage schon genannten Unternehmen. In einfachen Fällen sind das Verkäufer und Einkäufer, bei hochwertigen Gütern mehrere Personen mit unterschiedlichen Aufgaben. x Warum wird gekauft? Diese Frage zielt auf die Kaufziele ab.
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x Wo findet der Kaufvorgang statt? Es geht um den konkreten Kaufort. Dies kann bei Geschäftsbeziehungen auch der Verhandlungsort sein. x Wie läuft der Kaufvorgang ab? Hier wird nach den Marktspielregeln eines bestimmten Sektors gefragt. Marktspielregeln sind (zumeist) ungeschriebene Gesetze und Usancen. Sie beschreiben, wie die Marktpartner Kontakte knüpfen, Verträge schließen und ihre Geschäftsbeziehungen festigen. Marktspielregeln werden stark von Umweltbedingungen (Politik, Gesetzgebung, Umwelt-, Steuerrecht etc.) beeinflusst. Aufgabe: Beschreiben Sie Ihre angestrebten Märkte jeweils möglichst genau anhand der sieben W-Fragen. Fragen Sie ggf. Leute, die sich in der Branche auskennen. Fixieren Sie Ihr Ergebnis schriftlich. 9 Sie wissen, mit wem Sie es beim Verkauf zu tun haben und wie der Verkaufsvorgang abläuft, kurz: was im Vertrieb auf Sie zukommt. 3.1.2
Marktsegmentierung „Wer nicht über Segmente nachdenkt, denkt nicht [über Marketing] nach.“ Ted Levitt
Marktsegmentierung umfasst alle Maßnahmen, um 1. Käufer mit gleichartigen Merkmalen oder Verhaltenseigenschaften zu Gruppen, den Marktsegmenten, zusammenzufassen, 2. aus den Marktsegmenten Zielgruppen herauszufiltern, 3. Marketing und Vertrieb gezielt auf Zielkunden auszurichten. Segmentierungen dienen dazu, gezielt Kunden anzusprechen, anstatt in operativer Hektik seine Kräfte diffus zu vergeuden. Im B2B-Bereich werden typische Segmentierungen entsprechend der Branche der Kunden, der regionalen Zugehörigkeit, der Unternehmensgröße oder auch der technischen Ausstattung vorgenommen. Die Bedeutung dieses sehr kurzen Unterkapitels für Ihr Unternehmen ist reziprok proportional zu seiner Länge. Verwenden Sie also viel Zeit auf eine sorgfältige Marktsegmentierung! Beachten Sie dabei Abschnitt 3.2. 3.1.3
Fünf Unternehmenskräfte
Wenn Sie Unternehmer sind, setzen Sie sich einem freien Spiel der Kräfte aus, das Sie bisher wahrscheinlich so noch nicht kannten. Seine Regeln sind im Wesentlichen einfach; zart besaitete Zeitgenossen würden sie als
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C. Entwicklungsphase
archaisch und primitiv bezeichnen. Es handelt sich um die Regeln des freien Marktes, in denen sich der Stärkere im Ringen von Angebot und Nachfrage durchsetzt. Wer zu schwach ist, wird darin nicht überleben. Als Naturwissenschaftler oder Ingenieurin kennen Sie das Hebelgesetz (Moment = Kraft x Hebel). Dieses gilt – im übertragenen Sinne – auch auf Märkten. Hier bedeutet es: Sie müssen stark sein (Kraft) und geschickt verhandeln (Hebel). Ergo: x Seinen Sie stark! Sie müssen Ihren Kunden etwas bieten, was diese unbedingt brauchen oder zumindest wirklich gerne hätten und was es möglichst so nur bei Ihnen gibt. x Seien Sie realistisch! Schätzen Sie Ihre eigene Position stets vernünftig ein. Das ist die Grundlage einer effektiven Verhandlung. Das von Michael Porter, Professor an der amerikanischen Eliteuniversität Harvard, entwickelte Five-Forces-Modell zeigt die Situation eines typischen Unternehmens, welches sich im Wettbewerb behaupten muss. Es agiert gleichzeitig in mehreren Märkten, z. B. im Rohstoff-, Arbeits- und Absatzmarkt. Aufgrund der Marktsituationen wirken fünf Kräfte auf das Unternehmen ein (Abb. 3).
Verhandlungsmacht
Zulieferermarktmacht Zulieferer-Produktunterschiede Konzentration Zulieferer Bedeutung großer Liefervolumina Kosten im Vergleich zum Durchschnitt mögl. Vorwärts-/Rückwärtsintegration
renz
Konkur-
Bisherige Wettbewerber
Determinanten der Substitution Preisniveau der Wettbewerber Wechselkosten, -neigung
Wettbewerbsdeterminanten Wettbewerbsdeterminanten Wachstum des des Sektors Sektors Wachstum Produktunterschiede Produktunterschiede Markenidentität Markenidentität Fixkosten vs. vs. Wertschöpfung Wertschöpfung Fixkosten Austrittsbarrieren Austrittsbarrieren Firmeninteressen Firmeninteressen Verhandlungsmacht
Unternehmen
renz
Zulieferer
Neue Wettbewerber
Konkur-
Eintrittsbarrieren Größenvorteile Produktunterschiede Kapitalbedarf Vertriebszugang Gesamtkosten (Lernkurve!) Möglicher Gegenschlag
Kunden
Kundenmarktmacht Einkaufsvolumen Konzentration Kunden vs. Lieferanten Wechselkosten des Kunden Information Geschäftliche Situation des Kunden Verfügbarkeit von Ersatzprodukten Preissensitivität
Quelle: Michael Porter, Competitive Advantage, New York 1985
Abb. 3
Five-Forces-Modell von Michael Porter
3 Markt und Geschäftsmodell
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Die fünf Kräfte bedeuten im Einzelnen: x Abnehmerstärke (Kundenmarktmacht) Die Verhandlungsmacht Ihrer Kunden hängt davon ab, wie sehr diese auf Ihr Produkt angewiesen sind bzw. welche Vorteile sie davon haben. Wichtig ist auch, wie stark der Bedarf vom Preis abhängt (Preisempfindlichkeit der Nachfrager). x Lieferantenmacht (Zulieferermarktmacht) Dieses ist das Pendant zur Abnehmerstärke. Wie sehr benötigen Sie Ihren Lieferanten? Wie sehr ist er auf Sie angewiesen? Für Sie als Unternehmer umfasst dieser Bereich die Zulieferer von Rohstoffen und Vorprodukten, aber auch Ihre eigenen Angestellten und Arbeiter! x Rivalität (Wettbewerbsdeterminanten) In welches Haifischbecken sind Sie geraten? Wie groß ist die Intensität des Wettbewerbs innerhalb einer Branche? Gibt es ein Branchenwachstum, oder müssen Sie in einer stagnierenden oder schrumpfenden Branche Ihrer Konkurrenz ein Stück vom Kuchen abjagen? x Eintrittsbarrieren Welche künstlichen oder strukturellen Hindernisse gegen den prinzipiell jederzeit möglichen Eintritt neuer Anbieter bestehen? Haben Sie als neuer Anbieter zunächst Kostennachteile oder einen hohen Investitionsbedarf? Halten andere Firmen Patente, oder gibt es staatliche Regelungen, die Ihnen den Marktzugang erschweren? x Substitutionsgefahr Wie einfach oder schwierig ist es für den Abnehmer, seinen angestrebten Nutzen durch branchenfremde Produkte zu befriedigen? Vielleicht haben Sie ja auch eine Idee, um ein bisher verwendetes aufwändiges Verfahren durch etwas Einfacheres zu ersetzen.
Laserbearbeitung ersetzt Schleifen und Polieren Mittels eines neuartigen laserbasierten Trennverfahren kann für die Herstellung bestimmter Displays auf die vorher eingesetzte aufwändige Bearbeitung mit mehreren Schleif- und Polierschritten verzichtet werden. Das Substitutionsverfahren spart Abfall und ist kostengünstiger. Es ist die Basis eines neu gegründeten Technologieunternehmens.
C. Entwicklungsphase
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Das Five-Forces-Modell zeigt das Unternehmen ganzheitlich. Es dient als Grundlage, um den früher eher stiefmütterlich behandelten Einkauf („Einkaufen kann jeder!“) als gleichrangig mit anderen Unternehmensbereichen zu etablieren. Aufgabe: Welche fünf Kräfte wirken auf Ihr Unternehmen? Betrachten Sie alle fünf Kräfte genau, und fixieren Sie Ihr Ergebnis schriftlich.
9 Sie haben ein genaues Bild des Kraftfeldes, in dem sich Ihr Unternehmen befindet. 3.1.4
Wege zum Wachstum
Beinahe jedes Unternehmen möchte seinen Marktanteil vergrößern und beständig wachsen. Dieses kann es auf zwei Arten tun (siehe Abb. 4): 1. indem es der Konkurrenz Marktanteile wegschnappt, um mehr vom bestehenden Marktvolumen abzubekommen, 2. indem es in bisher unbeackertes Terrain vorstößt. um das Marktvolumen zu vergrößern und dem vorhandenen Marktpotential anzunähern.
1: Wettbewerbsangriff
2: wettbewerbsfriedlicher Weg
+ freies Potenzial = Marktpotenzial + Absatzvolumen Konkurrenz = Marktvolumen
1
Abb. 4
2
Eigenes Absatzvolumen = Marktanteil
Wege zu Markterschließung und Wachstum (nach Winkelmann)
Als technologieorientierter Gründer sind Sie möglicherweise in der Situation, dass es noch gar kein Marktvolumen gibt, sondern lediglich ein vage umrissenes Marktpotential. Das ist eine sehr günstige Lage! Allerdings geht es Ihnen auf vollkommen unbekanntem Terrain ähnlich wie den Entdeckern früherer Jahrhunderte: Große Schätze warten nur darauf geho-
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ben zu werden, aber überall lauern unbekannte Gefahren. In vertrauten Gewässern könnten Sie sich womöglich ruhiger bewegen, aber die Konkurrenz wäre Ihr ständiger Begleiter. 3.2
Marktabgrenzung „Allen alles recht getan ist eine Kunst, die niemand kann.“ (Sprichwort, anonym)
Das Abgrenzen der von Ihrem Unternehmen künftig bedienten Märkte sollte nach mehreren Kriterien stufenweise erfolgen. Niemand ist in der Lage, allein oder mit einem kleinen Gründerteam alle potentiellen Märkte so gut zu kennen, dass er sie erfolgreich bedienen kann. Schlechtes Beispiel Schlechte Geschäftsplanungen zeichnen sich dadurch aus, dass eine Vielzahl von möglichen Anwendungen in unterschiedlichen Märkten und Branchen genannt wird. Die notwendige Beschreibung des Vorteils der Leistung je Markt oder Anwendung sowie die Beschreibung des Nachfragepotentials unterbleiben aber. (Sie haben das, indem Sie Kapitel 3.1 konsequent durchgearbeitet haben, bereits besser gemacht.) 3.2.1
Nachhaltige Nachfrage?
Im ersten Schritt sind also mehrere mögliche Zielmärkte darauf hin zu scannen, welche vom möglichen nachhaltigen Nachfragevolumen her für Sie dauerhaft am attraktivsten sind. Da es bei begrenzten Mitteln und begrenzter Zeit nicht realistisch ist, eine große Zahl von Märkten so tiefgehend kennen zu lernen, wie es für einen erfolgreichen Unternehmensstart notwendig ist, sollten Sie bei Ihnen fachlich und/oder regional nahe liegenden Märkten mit der Recherche anfangen. Im Ergebnis können Sie die folgenden Fragen zu den Themen Marktvolumen, Kundennutzen und Nachhaltigkeit definitiv beantworten oder wenigstens eine begründete Einschätzung vornehmen: x Aktuelles jährliches Marktvolumen: Wie viel gibt die Branche jährlich für Leistungen, die Sie anbieten wollen, aus? x Welche Mitbewerber sind die Marktführer? x Auf welche jährlichen Umsätze kommen diese?
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C. Entwicklungsphase
Die Beantwortung dieser Fragen zeigt, ob es überhaupt bisher für Ihre Leistung einen Markt gibt, ob also Unternehmen bereit sind, für Angebote, die Ihrer Leistung vergleichbar sind, Geld auszugeben. Wenn dies der Fall ist, ist das zunächst eine gute Nachricht. Sie müssen Ihre Kunden später nur überzeugen, bei Ihnen zu kaufen, nicht aber, überhaupt dafür Geld auszugeben. Wenn es bisher keinen Markt gibt: Ist Ihr Angebot so innovativ, dass es den zukünftigen Kunden aufgrund der Vorteile sofort einleuchtet, bei Ihnen zu kaufen? Dies ist erfahrungsgemäß nur äußerst selten der Fall. Eher ist die Nische, d. h. das Nachfragepotential, so klein, dass es sich für Anbieter bisher nicht gelohnt hat, diese Nachfrage zu bedienen. Oder der zusätzliche Nutzen war bisher nicht hoch genug, um Geld auszugeben. Es kann auch sein, dass es der Kundenbranche so schlecht geht, dass auch für sinnvolle Leistungen kein Geld ausgegeben wird. Informationen hierzu liefern die einschlägigen Branchenpublikationen der Branchenfachverbände, einschlägig branchenmäßig spezialisierte Marktforschungsinstitute und bei allgemeinen statistischen Kennziffern das Deutsche Statistische Bundesamt (www.destatis.de). Derartige Informationen sind auch durch den Besuch von Fachkongressen und Messen zu erschließen. Schließen Sie aus, dass Sie Marktnischen anstreben, die sich für Sie wirtschaftlich nicht lohnen, weil keine Zahlungsbereitschaft oder nicht genug Nachfragevolumen vorhanden sind. Merke: Nischen sind kleine, dunkle Räume, in denen man sich kaum bewegen kann!
Aber: Marktnischen können auch sehr behaglich sein, wenn sie denn klein, aber fein, d. h. technisch anspruchsvoll und auskömmlich sind. Wenig andere wird es geben, die sich dorthin verirren. Technische Märkte bilden einen Flickenteppich von lauter Nischenmärkten!
Neben der Abschätzung des potentiellen Marktvolumens sollten Sie auch einschätzen, wie groß Ihre Chance ist, einen möglichst großen Teil vom jeweiligen Kuchen abzubekommen. Dazu müssen Sie Ihr eigenes Unternehmen aus der Sicht Ihrer Kunden betrachten, denn es geht hier um den Kundennutzen: x In welchen Branchen schafft Ihre Technologie für Ihre Kundenunternehmen den größten Vorteil gegenüber der derzeit eingesetzten Technolo-
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gie? Dies sollte physisch quantifizierbar (z. B. 20 % höhere Produktivität des Aggregats) und auch bewertbar (potentieller Bruttomehrerlös von x € pro Jahr) sein. Dies wird Ihr Hauptargument sein, überhaupt bei Ihren Kunden als Lieferant in Betracht gezogen zu werden. Um den Nutzen zu quantifizieren und wirtschaftlich zu bewerten, müssen Sie die Einsatzgebiete Ihrer Leistung bei den Kunden gut kennen. Sie müssen wissen, wie bei den für Sie relevanten Kundenbereichen die Wertschöpfung funktioniert. Das bedingt regelmäßig, auch die Kunden-Kunden zu kennen. Letztlich wollen Sie ja Ihrem Kunden helfen, seine Leistung bestmöglich zu erbringen. Hierfür reicht in der Regel das Desktop Research nicht aus. Es ist von Vorteil, die für Sie interessanten Bereiche selbst zu kennen. Wenn dies nicht der Fall ist, sollten Sie schon in dieser Phase der Planung Kontakt zu den Fachleuten der möglichen Zielbranche aufnehmen und versuchen, möglichst viel über die Einsatzmöglichkeiten und den Nutzen bei den möglichen Kunden zu lernen. Kunden gesucht Ein später sehr erfolgreiches Unternehmen im Bereich Sensorik nutzte Kontakte über den Förderkreis der Universität und bekam über diese Kontakte Zugang zu Unternehmen unterschiedlichster Art: vom Keksbäcker über Automobilzulieferer bis hin zum Stahlerzeuger. Weder der Keksbäcker noch der Stahlerzeuger sind erste Kunden geworden, aber über die persönlichen Besuche und Gespräche vor Ort war vor allem eine Einschätzung über die eingesetzte Technologie und den Nutzen des eigenen Angebots möglich.
x Nachhaltigkeit: Wie groß ist der mögliche Bedarf, wenn Ihre Lösung sich durchsetzt? Werden Sie so viele Lösungen verkaufen können, dass es für Sie dauerhaft interessant ist (z. B. 10 Anlagen pro Jahr je 40.000 € oder reicht es voraussichtlich nicht aus (z. B. 2 Anlagen zu je 25.000 € und keine Nachfolgeaufträge)? Derartige Informationen können Sie über Sekundärquellen herleiten: Wie viele Aggregate dieser Art haben die möglichen Kunden im Einsatz? Wird sich die Anzahl der Produktionsstätten verringern oder werden diese verlagert? Wie lang ist die wirtschaftliche Lebensdauer Ihres Angebots im Markt? Wie viele Serviceleistungen sind wann absetzbar? Wie viel Ersatzbedarf fällt wann an?
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C. Entwicklungsphase
Beispiel aus der Umwelttechnik Ein norddeutsches Unternehmen beherrscht ein Verfahren zur Wasserkonditionierung mittels Magnetfeldinduktion auf dem Wege der Impulstechnik. Diese dem Laien obskur anmutende Technik arbeitet reproduzierbar auf der Basis eines Wirkmechanismus, der eine rheologisch und spektrometrisch nachweisbare Veränderung der Partikelverteilung im Wasser hervorruft. Der Gründer dieses Unternehmens lernte die Technik als selbständiger Vertreter einer Herstellerfirma in Spanien kennen. Er erkannte rasch, dass deren Wasseraufbereitungsgeräte nicht ausgereift und die Ergebnisse zwar vorhanden, aber nicht reproduzierbar waren. Außerdem war man in Märkten tätig, in denen nur kleine Anlagen und geringe Umsätze zu erzielen waren und erhebliche Konkurrenz vorhanden war (Landwirtschaft, Gastronomie). Durch einen zufälligen Kontakt zu einem erfahrenen Kenner der Betonindustrie wurde er auf die Möglichkeiten und das Potential der Wasseraufbereitung in diesem Sektor aufmerksam. Er beschloss, ein eigenständiges Unternehmen aufzubauen, was ausschließlich im Betonsektor tätig sein sollte. Vorteile dieser Spezialisierung sind: – keine Konkurrenz (Monopolstellung), – großes Marktpotential (ca. 5.000 Betonwerke in Spanien, ca. 2.000 in D), – hoher Umsatz pro Auftrag. Um in dieser Nische erfolgreich tätig zu sein, musste der Unternehmer erhebliches Prozesswissen über die Betonindustrie erwerben und mit dem Wissen um die Wasserkonditionierung kombinieren. Dieses gelang. Mithilfe des speziell aufbereiteten Wassers können nunmehr in Abhängigkeit von den eingesetzten Rohmaterialien ca. 3 bis 15 % des normalerweise eingesetzten Zements und der Additive eingespart werden. Das ermöglicht Amortisationszeiten der Anlage von im Regelfall unter einem Jahr.
Die erhaltenen Informationen sollten Sie in persönlichen Branchenkontakten auf ihre Plausibilität prüfen. Zur Gewinnung von Kontakten in den gewünschten Branchen: Wenn das eigene Netzwerk nicht ausreicht, dann bieten sich Kontakte über Branchenverbände und branchenspezifische Messen und Kongresse an, um die notwendigen Fachkontakte aufzubauen. Neben den oben angesprochenen Informationen über die Nachfrage bei einzelnen Kunden sind Marktvolumen und Perspektiven des Marktes generell zu analysieren: x Das für Sie relevante Marktvolumen unter Berücksichtigung realistischer Marktanteile sollte attraktiv sein. x Branchentrends: Schrumpft oder expandiert die Branche in Bezug auf die Gesamtumsätze? Gibt es Preiskämpfe? Sind Fusionen absehbar?
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Wer werden die Sieger sein? (Sie haben das schon in der Analyse der Unternehmenskräfte unter dem Stichwort „Rivalität (Wettbewerbsdeterminanten)“ kennen gelernt. Produktionsverlagerungen, Standortschließungen, Übernahmen, selbst Insolvenzen sind bei großen und kleinen industriellen Kunden eher die Regel als die Ausnahme. Schon in dieser Phase sollten Sie sich in der Makroperspektive eher stabile Branchen und in der Mikroperspektive überlebensfähige Unternehmen aussuchen. Branchenstabilität wird in der einschlägigen Fachpresse, aber auch bei Wertpapier-Analysten diskutiert. Die Aktiengurus haben sich in der Regel auf wenige Branchen spezialisiert und beobachten vor allem derartige Trends, die Sie kennen müssen, um nicht auf das berühmte „tote Pferd“ zu setzen. Die Analyse der Branchentrends dient also zunächst der Vermeidung erkennbarer Risiken. Gerade bei industriellen Basistechnologien ist ein umfassendes Scanning aller möglichen Industrien oft aus wirtschaftlichen oder zeitlichen Gründen nicht möglich. Die Erfahrung erfolgreicher Unternehmen zeigt, dass es auch nicht umfassend erforderlich ist: Oft gibt es aufgrund von Industriekontakten aus Forschungsprojekten oder früheren Arbeitsverhältnissen von Mitgesellschaftern nahe liegende Kontakte, die zuerst auf ihre Tragfähigkeit hin geprüft werden sollten. Diese Prüfung umfasst zunächst das übliche Verarbeiten der einschlägigen Branchenfachliteratur. Dies sind weniger wissenschaftliche Journale als Periodika von Fachverbänden und weitere branchenbezogene Informationen wie Analystenberichte und Studien einschlägiger Marktforschungsinstitutionen wie Forrester oder Gartner im Bereich IT. Auch Dokumentationen von Fachkongressen und Fachmessen können wertvoll sein. Sie sollten Ihre Ideen durch persönliche Gespräche mit Brancheninsidern auf Plausibilität und Attraktivität prüfen: Informationen dieser Art können durch x Kontakte mit Lieferanten, x Mitbewerbern, die räumlich oder fachlich keine direkten Konkurrenten sind, x potentiellen Kunden (und da den Nutzern Ihres Angebots) und den x Kunden Ihrer potentiellen Kunden gewonnen werden. Wie kommen Sie in Kontakt? Zunächst über die schon angesprochenen persönlichen Brücken wie Alumni, Ihre Professoren, Beiräte etc. in der Hochschule, private und persönliche Beziehungen. Dann aber besonders auf Fachkongressen und Fachmessen, die, wenn gut geplant, eine Vielzahl von Kontakten in kurzer Zeit ermöglichen.
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Die Frage, ob es nachhaltige Nachfrage nach Ihrer Leistung von Seiten der Zielbranchen und Zielunternehmen gibt, lässt sich nach einigen Wochen intensiver Recherche sicher nur vorläufig beantworten. Sie sollten sich einen Arbeitsplan der Informationssuche und Kontaktaufnahme machen und nach ca. acht bis zehn Wochen einen Statusbericht erstellen, in dem Sie die oben angesprochenen Fragen so weit Sie können beantworten. Mit Sicherheit werden Sie dann schon einige Branchen und Unternehmen von der Liste der nahe liegenden potentiellen Kunden streichen. Vielleicht ergibt sich auch, dass Ihre bisherige Idee dringend zu überarbeiten ist, weil die potentiellen Kunden eine anders strukturierte Leistung wünschen. Diese Informationen werden im nächsten Abschnitt unter „Geschäftsmodell“ diskutiert. Oder Sie müssen feststellen, dass Ihre Idee wirtschaftlich keinen Erfolg verspricht. Dann müssen Sie sich konsequent von ihr verabschieden und eine bessere haben. Vermutlich bleibt Ihnen das Themengebiet fortdauernd erhalten. 3.2.2
Wettbewerbsintensität
Beachten Sie in dieser Phase Marktstruktur und Marktgröße: Wenn große und etablierte Wettbewerber selbst Interesse an Ihren Kunden haben und aus Kundensicht auch wenigstens akzeptable Leistungen bieten können, dann müssen Sie mit Gegenwind rechnen. Ihr Markteintritt kann von etablierten Wettbewerbern auf mehr oder weniger elegante Art und Weise verhindert werden. (Im Five-Forces-Modell haben Sie Markteintrittsbarrieren bereits kennen gelernt.) Versuchen Sie zu klären, wie Wettbewerber in der Vergangenheit in den Markt gekommen sind oder – wenn dies nicht der Fall war – ob es an Abwehrmaßnahmen der Etablierten gelegen hat. Sie können in diesem Fall versuchen, auf Märkte auszuweichen, die für große Wettbewerber nicht strategisch interessant sind, aber die Ihnen genügend Potential bieten. (Willkommen in der Nische!) Eine weitere Alternative bietet sich u. U. an: Versuchen Sie, Ihr Angebot in Kooperation mit einem etablierten Marktteilnehmer in den Markt zu bringen. Dies lässt Sie zwar in der Wertschöpfungskette und der Außenwahrnehmung nach hinten treten, bietet aber die Möglichkeit, bewährte Vertriebsnetze zu nutzen und das Risikoempfinden der Kunden zu mindern.
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Erfolg im Huckepack-Verfahren Ein innovatives Unternehmen der Materialbearbeitungsbranche vertreibt seine spezifische Leistung unter dem Dach eines marktführenden Maschinenherstellers. Nutzen für beide: Der Maschinenhersteller bietet seinen Kunden eine echte Innovation für bestimmte Anwendungen, während das neue Unternehmen sich auf die Entwicklung des speziellen Know-hows konzentrieren kann und auf eigenen Vertrieb verzichtet.
3.2.3
Räumliche Abgrenzung
Im zweiten Schritt wird die räumliche Abgrenzung Ihres Leistungsangebots entschieden. Hierfür sind zwei Kriterien relevant: x Gibt es vom Markt her eine Notwendigkeit, eine Mindestmarktgröße zu bedienen? Dies ist dann der Fall, wenn Sie ein nachhaltiges Nachfragevolumen beispielsweise im deutschsprachigen Raum nicht realisieren können. Wenn die Produktion der für Sie interessanten Kunden im Wesentlichen im Fernen Osten stattfindet, werden Sie keine Wahl haben, als sich später bei der Planung des Vertriebs und des Markteintritts eine kundenbezogene Lösung zu überlegen. In der Folge werden Sie möglicherweise aber auch Ihre Grundsatzentscheidungen, mit wem und in welcher Größe und mit wie viel Kapitaleinsatz Sie starten wollten, überdenken müssen. Hier ist auch die gezielte Hilfe eines branchenerfahrenen Coaches und/oder die Aufnahme von Partnern mit einschlägiger vertrieblicher Erfahrung in Branche und Region anzuraten. Solche Personen finden Sie beispielsweise über die Förderinstitute des Bundes (KfW-Mittelstandsbank), der Länder (z.B. NBank) oder Kreditinstitute bzw. regionale Fördergesellschaften, die technologiekompetent aufgestellt sind (z. B. hannoverimpuls GmbH), sowie über die Business-Angel-Netzwerke. x Ist die Wirtschaftlichkeit abhängig von der Entfernung zum Kunden? Räumliche Eingrenzung Ihres Angebots ist vor allem bei serviceintensiven Leistungen sinnvoll, u. U. auch erforderlich, wenn Sie oft bei Kunden persönlich präsent sein müssen und ggf. vor Ort leisten. Geschäftskonzepte mit starker Ingenieurbüro-Ausrichtung sollten festlegen, in welchem Radius Kunden bereit sind, die entstehenden Kosten zu tragen. Dies ist bei Hochtechnologiespezialisten eher zu erwarten als bei „allgemeinen Fabrik-
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optimierern“. Wenn Sie Tagessätze abrechnen, sollten Sie darauf achten, in räumlicher Nähe zu arbeiten, also auf Dauer die Zahl der abrechenbaren Tagewerke zu maximieren. (Nur ganz wenigen Unternehmen gelingt es, sich bereits die Anreise voll vergüten zu lassen.) Bedeutung der Kundennähe Ein im Umland von Hannover ansässiger freiberuflich tätiger Vertriebscoach für den B2B-Bereich hatte ursprünglich vor, bundesweit tätig zu werden. Es stellte sich heraus, dass sich das einfach nicht lohnte. Die Reisekosten wurden von den Kunden nicht übernommen, und die Einsätze waren zu kurz, um sie wieder „einzuspielen“. Außerdem konnten dringende Kundenwünsche schlecht befriedigt und die Kontaktpflege zum Kunden nicht gewährleistet werden. Der Freiberufler konzentriert sich nunmehr auf den engeren Umkreis seines Wohnortes (bis zu ca. 100 km Entfernung). Merke: „All business is local!“
3.2.4
Mikrosegmentierung
Im dritten Schritt sollten unter den möglichen Kunden Ihrer Zielbranchen die für Sie attraktivsten Typen von Kunden definiert werden. Diese Eingrenzung kann zunächst nach Unternehmensgröße, Position im Wettbewerb und räumlichen Kriterien erfolgen. Im Ergebnis werden Sie nicht nur das Segment, sondern auch eine Liste derjenigen Kunden erarbeiten, die x nachhaltig Aufträge versprechen (notwendige Bedingung) und x die für Sie am ehesten für einen Auftrag zu motivieren sind (hinreichende Bedingung). Dies ist beispielsweise gegeben, wenn Sie direkte Kontakte zur Fachebene bei Ihren potentiellen Kunden haben und dort Interesse für Ihre Leistung wecken können. Diese erste Auswahl nahe liegender Kunden ist die Basis Ihrer später zu entwickelnden Markteintrittsstrategie.
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Die Grenzen des Wachstums Marktgröße und Marktpotential sind so spezifisch wie möglich zu quantifizieren. Bei realistischer Einschätzung Ihres Kundennutzens können Sie auf Ihr (Umsatz-) Potential im Markt schließen. Achten Sie darauf, dass es Ihnen nicht so geht wie einem florierenden Software-Unternehmen. Es hat seinen sehr eng definierten Markt in einer bestimmten Branche inzwischen so gut durchdrungen, dass das Neugeschäft dort als Umsatzträger nicht mehr ausreicht. Die alten Systeme laufen über viele Jahre, und die Software muss nur gelegentlich aktualisiert werden. Der Verkauf neuer Systeme stoppt. Auf Grund der bisher engen Spezialisierung besteht ein erheblicher zeitlicher Vorlauf bis zur erfolgreichen Ausweitung des Geschäfts auf weitere Branchen.
Wählen Sie den Markt nicht zu eng. Bei Konzentration auf einen bestimmten Markt sind u. U. dem Wachstum enge Grenzen gesetzt. Auch im Falle einer Branchenkrise haben Sie nur wenige Ausweichmöglichkeiten. Auf der anderen Seite müssen Sie aus Kapazitäts- und Wirtschaftlichkeitsgründen Synergien nutzen: Es ist nicht sinnvoll, von Beginn an in mehreren unverbundenen Branchen mit mehreren völlig verschiedenen Leistungen präsent zu sein. Oft ist die räumliche Ausdehnung des Geschäftsgebiets zu erwägen: Ist es sinnvoll, sich auf Deutschland zu beschränken?
3.2.5
Zwischenergebnis Marktabgrenzung
Den Aspekt der Marktabgrenzung haben Sie vorläufig bewältigt, wenn Sie folgende Aspekte klar definiert haben: x Zielbranchen im engeren Sinne, z. B. Autozulieferer im Bereich Elektronik. x Regionale Abgrenzung, z. B. deutscher Sprachraum. x Quantitativ, z. B. - „Zielbranche hat 10 große und 250 kleinere und mittlere Unternehmen. Sie setzte im vergangenen Jahr ca. xx Mrd. € um. Branchenreporte prognostizieren ein weiteres Wachstum der Autoelektronik von ca. x Prozent pro Jahr. Unsere Hauptwettbewerber sind die Firmen A, B, C, D und E mit geschätzten jährlichen Umsätze von x €.“ - „Unser Produkt kann bei den Großen der Branche maximal 50-mal eingesetzt werden. Ersatzbedarf dauerhaft: 5 Stück pro Jahr pro Großunternehmen.“
C. Entwicklungsphase
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- „Wir konzentrieren uns auf große und technologieführende Anbieter, die wir als Referenzkunden vorzeigen möchten. Dies sind die Firmen A, B, C... Zu drei dieser Firmen gibt es persönliche Kontakte.“ - „Unser Marktpotential auf diesem Markt beträgt x T€, das sind z. B. 10 % Prozent der bisher von den Hauptwettbewerbern getätigten Umsätze.“ Nehmen Sie diese Informationen als Arbeitsgrundlage für Ihre weitere Planung. Es wird sich zeigen, dass mit der weiteren Präzisierung des nun anzusprechenden Geschäftsmodells und der Preise und Mengen auch die Segmentierung wieder zu überarbeiten sein wird. 3.3
Geschäftsmodell
Das Geschäftsmodell beschreibt drei wesentliche Aspekte Ihres geplanten Geschäftes: x Welchen Nutzen stiftet Ihr Angebot beim Kunden? (value proposition) x Wie wird die Leistung erstellt? Welchen Teil der Wertschöpfungskette des Kunden übernehmen Sie? (Architektur der Wertschöpfung) x Womit genau verdienen Sie Ihr Geld? (Ertragsmodell) Kunden im Technologiebereich kaufen in den wenigsten Fällen nur ein Produkt. Kunden kaufen – auch wenn Produkte im Spiel sind – eine Lösung oder eine Verbesserung der bisherigen Lösung einer betrieblichen Aufgabenstellung. Um eine Lösung anbieten zu können, muss man die Probleme des Kunden nicht nur inhaltlich kennen, man muss sie auch physisch quantifizieren und monetär bewerten können. Kunden, die mit Ihrer Hilfe eine Aufgabe bewältigen möchten, stehen vor dem Risiko, ob es Ihr Unternehmen morgen noch gibt, wenn Unterstützung oder Anpassungen erforderlich sind. In diesem Abschnitt sollten Sie auch entscheiden, was genau Sie künftig selbst anbieten bzw. erstellen möchten und was nicht. Womit genau möchten Sie in Zukunft Geld verdienen? Das so genannte Geschäftsmodell ist das Ergebnis dieser Überlegungen. Nach Bearbeitung dieses Themenbereiches sollten Sie klar definieren können, x welche Leistungsbündel (z. B. Produkte plus Software plus Dienstleistungen plus Garantien) Sie für x welche Kunden in x welchem Umfang
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erbringen müssen, um für Ihre Kunden als Lieferant überhaupt in Betracht zu kommen. Dabei wird deutlich werden, in welchen Bereichen Sie u. U. sich oder Ihr Team noch verstärken müssen, um die erforderliche Kompetenz abbilden zu können. Wenn Sie sich entscheiden, bestimmte Teile Ihrer Leistung von Dritten zuliefern oder erledigen zu lassen, dann sind diese Bereiche und die Qualitätssteuerung jetzt im Vorfeld zu planen. Dabei geht es um Aspekte der Lieferfähigkeit, der Qualität, der Verrechnung und der Zuverlässigkeit Ihren Kunden gegenüber, für die Sie ja einstehen müssen. Machen Sie sich ganz klar, dass der Hinweis: „Das hat aber mein Lieferant X verbrochen!“ bei Ihren Kunden nicht gut ankommen wird und Ihre Lage nicht verbessert.
So genannte Service Level Agreements gewinnen einen immer höheren Stellenwert. In diesen Vereinbarungen werden Leistungen genau definiert. Bei negativen Abweichungen werden in der Regel Vertragsstrafen festgelegt. Je zeitkritischer der Produktionsprozess bei Ihren Kunden ist, desto wichtiger ist der Aspekt der Zuverlässigkeit bei Ihrer Leistung. Diese ist im Vorfeld sicherzustellen. Es kann sinnvoll sein, sich Teile oder Dienstleistungen wie Software von Ihnen nahe stehenden Hochschulinstituten zuliefern zu lassen. Sie sollten aber auch vertraglich großen Wert auf terminliche Liefertreue legen. Bei Ihren Kunden ist dies ein herausragendes (Wieder-) Kaufkriterium. Hochschulen und ihre (An-) Institute haben erfahrungsgemäß Termindruck von verschiedenen Seiten wie Forschungsprojekte, Publikationen, eigene Dissertationen, Habilitationen. Passen Sie auf, dass Sie in der Priorität nicht hinten stehen. Ihre Kunden haben dafür überhaupt kein Verständnis.
Von erfolgreichen Technologieunternehmen wird dieser Teil der Unternehmensplanung als mit der wichtigste benannt. Vielfach muss schon in der frühen Phase des Unternehmens das Geschäftsmodell geändert werden: Es zeigt sich, dass die Kunden auf bestimmte Elemente Ihrer Leistung besonderen Wert legen. Im Extremfall entwickeln Sie ein Angebot, das wesentliche Anforderungen des Kunden nicht beinhaltet oder das aus Kundensicht nur einen nebensächlichen Vorteil bietet.
C. Entwicklungsphase
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Fiktives Beispiel Sie haben ein neues, besonders standfestes Laserinstrument entwickelt, das Sie herstellen und vertreiben möchten. Ursprünglich wollten Sie Gerät plus Software in kleinen Serien liefern. Nach vielen Gesprächen mit potentiellen Kunden stellen Sie Folgendes fest: Ihre Industriekunden möchten nicht nur Ihren neuen Laser, Sie möchten auch die Steuerung und die Einpassung in den Produktionsprozess sowie eine Servicegarantie, dass bei Stillstand binnen vier Stunden jemand vor Ort ist. Außerdem wird Wert auf die Einbindung in die Prozesssteuerung der gesamten Produktionsstraße gelegt. Diese Anforderungen erfordern, dass Sie neu überdenken, ob Sie beispielsweise selbst dieses Bündel anbieten wollen und können oder ob Sie als Gerätelieferant an einen „Bündler“ liefern.
Die Konsequenz kann sein, dass Ihre technische Leistung überall gewürdigt wird, aber niemand dafür bezahlen möchte. Gegen diese Gefahr sollten Sie versuchen sich weitgehend abzusichern. Die Erfahrung zeigt, dass ein gutes Drittel der Technologieunternehmer nach einigen Jahren ein anderes Angebot vorhält als das, mit dem sie gestartet sind.
Um diesen Themenkomplex zu bearbeiten, müssen Sie wissen, welche Kunden Sie demnächst bedienen möchten. 3.3.1
Kundennutzen präzisieren
Wie genau optimieren Sie mit Ihrer Leistung die Wertschöpfung, die Ihr Kunde wiederum für seine Kunden erbringt? Sie helfen ihm, erfolgreicher auf seinen Märkten tätig zu sein. Um dies tun zu können, müssen Sie Ihren Platz in der Wertschöpfungskette Ihrer Kunden oder Ihre Rolle beim Design der Wertschöpfungskette Ihrer Kunden sehr genau kennen. Wofür setzen Ihre Kunden Ihr Angebot genau ein, und welche konkreten Vorteile sprechen für Ihr Produkt bzw. Ihre Leistung x gegenüber der derzeit eingesetzten Technologie oder x gegenüber Angeboten der Wettbewerber oder x gegenüber Eigenentwicklungen des Kunden? Nachdem Sie festgelegt haben, welche Kunden aus welchen Branchen Sie bedienen möchten, beschreiben Sie jetzt präzise,
3 Markt und Geschäftsmodell
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x in welchen Prozessen, x zu welchen Anlässen und x in welcher Frequenz Ihre Leistung typischerweise gekauft und verwendet wird. Was genau wird durch Ihre Leistung schneller, preiswerter, qualitativ besser? x Präzisieren und quantifizieren Sie diese Aspekte, so gut Sie können. x Beschreiben Sie auch die Wettbewerber und deren Leistung. Wenn Sie meinen, dass es für Ihre Leistung keinen Wettbewerb gibt, dann unterschätzen Sie nicht die Möglichkeit, dass Ihre Kunden unter Umständen diese Leistungen auch selbst erstellen oder schlicht darauf verzichten können. Wenn Sie nicht genau wissen, ob es Wettbewerber gibt, sollten Sie nicht behaupten, es gäbe keine: Seien Sie ehrlich zu sich, und notieren Sie sich dies als Merkposten für Ihre nächsten Messebesuche oder Branchenkontakte. Vergleichen Sie systematisch Ihre Leistungsmerkmale (Vorteile Ihrer Leistung gegenüber der Ist-Situation) mit den Leistungsmerkmalen des Wettbewerbs. Für die qualitative und preisliche Positionierung Ihres Angebots ist dies eine entscheidende Grundlage. Nutzen Sie nicht lediglich die üblichen Datenblätter, um Leistungsfähigkeit zu zeigen, sondern auch zusätzliche klare unmissverständliche Leistungsversprechen, die Sie einhalten können und müssen. Dies betrifft Kriterien wie Schnelligkeit bei der Lieferung, Gewährleistung, Service Level im Reparaturfall. Beachten Sie, dass Kunden Zusagen tatsächlich ernst nehmen und dass das Nicht-Einhalten dieser Zusagen in aller Regel Geld kostet. Deshalb sollten Sie Prozesse und Fachebene bei den potentiellen Kunden so gut kennen, dass Sie beurteilen können, auf welche Leistungsattribute besonderer Wert gelegt wird. Versuchen Sie, bei diesen kaufentscheidenden Kriterien besser zu sein als der Wettbewerb. Auch wenn Ihr Angebot „unvergleichlich innovativ“ ist, werden Sie es schwerer haben, Geschäftskunden zum Kauf zu motivieren, als bei der Lieferung einer Ersatzbeschaffung. Bei Erstbestellungen wird der Nutzen Ihres Angebots von vielen Beteiligten kritisch hinterfragt. In schlechten Businessplänen wird eine Alleinstellung in der Regel behauptet, aber nicht plausibel begründet. Es gibt in aller Regel auch Verfahren, die auf anderen Wegen das gewünschte Ergebnis bringen; auch hieraus können Wettbewerber erwachsen. Ihr Angebot muss belegen, dass die „innovative Sprunghöhe“ einen Umstieg von bisherigen Verfahren und Lieferanten wirtschaftlich (in € pro Leistungs- oder Zeiteinheit) rechtfertigt.
C. Entwicklungsphase
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Wer seinen betriebswirtschaftlich als KKV (komparativen Konkurrenzvorteil) oder USP (unique selling proposition) bezeichneten Wettbewerbsvorteil nicht in den für Kunden wichtigen Kriterien zu formulieren weiß, dem fällt erfahrungsgemäß nur noch ein, eben 15 oder 20 Prozent günstiger zu sein als die Wettbewerber. Die meisten Gründer wissen nicht, dass sie sich diese Großzügigkeit gar nicht leisten können. (siehe Abschnitt „Preise und Mengen).
Wenn Sie ein den Wettbewerbern sehr ähnliches Angebot vorhalten, das in anderer Form schon vom Kunden genutzt wird, dann handelt es sich mehr oder weniger um modifizierte Ersatzbeschaffungen, die beim Käufer intern weniger stark geprüft werden und einen kürzeren Vorlauf haben. Bei sehr vergleichbaren Angeboten nimmt auch die Bedeutung des „Nasenfaktors“ zu. Über in der Planungsphase aufgebautes Vertrauen lassen sich Entscheidungen positiv beeinflussen. Merke: Ihr potentieller Kunde investiert mit jedem Kontakt und jedem Gespräch vor dem Kauf schon in die Geschäftsbeziehung. Wichtigste Entscheidungskriterien beim Kauf sind regelmäßig: x x x x
Qualität der Produkte und Dienstleistungen Pünktlichkeit der Lieferung Ehrlichkeit, Verlässlichkeit konkurrenzfähige Preise.
Viele dieser Aspekte drücken ein wahrgenommenes Risiko beim Käufer bzw. Nutzer aus, das bei neuen Lieferanten vorhanden ist. Auch in diesen Kategorien müssen Sie Ihre Angebote positionieren, um das wahrgenommene Kaufrisiko zu mindern. Kundennutzen ist in der Praxis zu Recht das wirtschaftliche Thema bei der Gründungsplanung: 81% der befragten Gründer haben sich ab Anfang der Gründung nachhaltig mit diesem Thema beschäftigt.
3.3.2
Womit verdienen Sie wirklich Ihr Geld?
Nehmen wir an, Sie haben sich gründlich überlegt, welche Produkte Sie auf den Markt bringen. Sie haben außerdem recherchiert, welche Dienstbzw. Serviceleistungen Ihre Kunden zwingend von Ihnen erwarten. Außerdem haben Sie ein Konzept, welche Dienstleistungen Ihre Kunden gerne zusätzlich von Ihnen in Anspruch nehmen wollen. Fein! Oder: So weit, so gut.
3 Markt und Geschäftsmodell
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Jetzt bleibt nur noch die Frage zu klären: Womit verdienen Sie Ihr Geld? Hiermit ist nicht gemeint, wie Sie Preise und Mengen kalkulieren; dazu erfahren Sie Näheres in Kapitel 4. Hier geht es noch um das Geschäftsmodell. Es gilt insbesondere folgende Fragen zu beantworten: x Welche Dienstleistungen wollen Sie unentgeltlich erbringen, also als Service deklarieren? (Hinweis: Die Kosten dafür müssen Sie anderweitig aufschlagen. Auch die Apothekenrundschau zahlt Ihr Apotheker natürlich letztlich nicht für Sie!) x Wollen Sie Ihr Geld hauptsächlich mit dem Produkt oder dem Aftermarket, also nach dem eigentlichen Verkauf zu erbringenden Dienstleistungen erzielen?
Geld verdienen im Aftermarket Viele Unternehmen des Maschinenbaus liefern ihre Maschinen gerade einmal kostendeckend aus. Sie sehen dies als sicheren Einstieg in ein sehr lukratives Geschäft aus Wartung, Instandhaltung, Ersatzteillieferungen, Ausrüstung mit speziellen Werkzeugen etc. Ein mittelständischer Kunststoffmaschinen-Hersteller agierte in den 1980er Jahren sehr erfolgreich auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Nach relativ preiswerten Maschinen folgten sehr viele dringend benötigte Ersatzteile, deren Preise umgekehrt proportional zu ihrer Verfügbarkeit im Ostblock waren. So lange das Sowjetreich existierte, florierte also auch das Unternehmen …
3.3.3
Referenzkunden
Im positiven, aber nicht typischen Fall gibt es bereits Nachfrage: Ein Unternehmen zeigt Interesse und bittet Sie um ein Angebot. Das ist erfreulich, weil für Ihr Angebot offenbar Bedarf besteht. Der wichtigste Aspekt ist, dass Sie Dritten zeigen können, dass Ihre Leistung tatsächlich zuverlässig funktioniert. Gerade bei innovativen Produkten ist es von Vorteil, gemeinsam mit einem oder mehreren industriellen Partnern Ihr Produkt so anzupassen, dass es bei den Kunden deren Anforderungen entsprechend läuft. Bei dieser Gelegenheit sind die Schwachstellen auf dem Weg vom Laborprototyp zum industriereifen Produkt zu beseitigen. Dieser Fall ist aber in Bezug auf die Preisbildung Ihres Angebots besonders kritisch: Auf der einen Seite sind Kunden, die zunächst Fehler
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C. Entwicklungsphase
tolerieren und aktiv an der Entwicklung mitwirken, nicht so zahlungswillig wie Sie es in der Startphase Ihres Unternehmen benötigen würden. Auf der anderen Seite leisten diese Partner ja auch. Die Kunst ist, diese Kunden nicht ans Nichtzahlen oder „low budget“ zu gewöhnen. Diesem Aspekt ist ein eigener Abschnitt gewidmet. Auch im Fall eines Erst- oder Referenzkunden werden Sie von einem Kunden auf Dauer nicht leben können und sollten das tun, was im Normalfall zunächst angesagt ist: Umhören, wo Ihr Angebot benötigt werden könnte. In den meisten Fällen ist es sinnvoll, schon vor dem offiziellen Start das nahe liegende zu tun: Vorhandene Ansprechpartner aus Forschungskooperationen befragen, Studienfreunde und Alumni kontaktieren, persönliche Kontakte aktivieren. In dieser Phase der Gründungsplanung müssen Sie bereit sein, von anderen eine Gefälligkeit zu erbitten und zur Not auch lästig zu fallen. Falls Sie einen Großkunden haben, sollten Sie trotzdem weitere Kunden suchen, da langfristig eine Abhängigkeit von einem Großkunden nicht ratsam ist. Auch Großkunden können insolvent werden oder von anderen Unternehmen übernommen werden. Gerade bei Großkunden kann das Beschaffungswesen mit personellen Neubesetzungen plötzlich so geändert werden, dass Sie nicht mehr zum Zug kommen. Dieser Aspekt der weiteren Kundenakquise muss bei der Markteintrittsstrategie sauber mit geplant werden. Manchmal kommen die ersten Aufträge nicht mit dem Hauptprodukt in der gewünschten Branche, sondern mit Dienstleistungen, die Sie selbst bei der Planung eher als Ergänzung gesehen hatten. Dann ist recht schnell zu prüfen: x Lässt sich damit nachhaltig Geld verdienen, oder investieren Sie Ihre knappe Kapazität in wenig ertragreiche Bereiche? x Können diese Nebenleistungen Türen zu Kunden für das Hauptangebot öffnen? x Können und sollen diese Leistungen Hauptleistungen des neuen Unternehmens werden? 3.3.4
Kundenstrategie und Kaufprozess
Wohin bewegen sich Ihre Kunden strategisch? Wie können Sie den Kunden helfen, seine Ziele besser zu erreichen? Diese Fragestellung sollten Sie sowohl in Bezug auf allgemeine Branchentrends als auch auf die Strategie einzelner Kundenunternehmen beantworten können, damit Sie Ihren Kunden den Wert Ihrer Leistungen auch aus deren Perspektive verdeutlichen können.
3 Markt und Geschäftsmodell
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Ihre Chancen, wirklich bedarfsgerecht anzubieten und einen Auftrag zu erhalten, sind umso besser, je genauer Sie Ziele dieser Kunden und deren Strategien zur Erreichung dieser Ziele kennen. Bitte beachten Sie, dass Kaufentscheidungen für Neubeschaffungen namentlich in größeren Unternehmen und insbesondere in Industrieunternehmen nahezu immer von mehreren Beteiligten getroffen werden, die unterschiedliche Rollen spielen. In Analogie zur Mathematik ausgedrückt ist das fachliche Überzeugen der Nutzer im Kundenunternehmen von den Vorteilen Ihrer Leistung eine notwendige Bedingung für die Auftragserteilung. Sie ist aber allein oft nicht hinreichend: Die Kaufentscheidung wird in der Regel nicht vom Nutzer oder Anwender Ihrer Leistung allein getroffen. Besonders bei der Entscheidung über Neuanschaffungen oder bei erstmaliger Auftragsvergabe wird diese zwar vom fachlich zuständigen Nutzer vorbereitet. Sie wird aber von anderen mit beeinflusst: Hier wirken andere Bereiche der Technik, Vorgesetzte wie auch Einkaufsmanager mit. Die Beteiligten am Kaufprozess haben zum Teil unterschiedliche Ziele, Prioritäten und auch Durchsetzungsfähigkeit. Wenn Sie als Anbieter einer Leistung mit nur wenigen industriellen Kunden zu tun haben, sollten Sie versuchen, dieses Geflecht und auch den Ablauf der Kaufentscheidung zu durchdringen und Ihre Botschaften so formulieren, dass die wichtigen Beteiligten am Kaufentscheidungsprozess den Nutzen Ihres Angebots – auch in Euro und Cent – einschätzen können. Zudem sollten Sie Argumente formulieren, die die Risiken der Kaufentscheidung für alle Beteiligten mindern. Das fachlich als Buying Center bezeichnete Geflecht sollten Sie bei wichtigen größeren Kunden schon in der Anbahnungsphase versuchen zu durchschauen. Näheres dazu finden Sie in Kapitel D.5.3. Üblicherweise wird der Kontakt über fachliche Nutzer Ihrer Leistung hergestellt, ohne deren Unterstützung Sie auch bei den übrigen Beteiligten nicht weiterkommen werden. Beziehungsmanagement Ein IT-Dienstleister für größere Dienstleistungsunternehmen legt großen Wert darauf, die strategischen und operativen Ziele des Top-Managements und die handelnden Personen zu kennen. Hintergrund: In dieser Branche gibt es erheblichen wirtschaftlich bedingten Fusions- bzw. Kooperationsdruck. Risiko: Wenn wichtige Kunden von Nicht-Kunden übernommen werden, droht Auftragsverlust. Lösung: Kundenstrategie der Unabhängigkeit und Kooperation verstehen und das Management in seinen Strategien unterstützen.
C. Entwicklungsphase
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Versuchen Sie, so früh wie möglich schon während der Entwicklungsphase in Kontakt mit den Wunschkunden zu treten und die handelnden Personen und Entscheidungswege nach und nach zu erfragen. Das gelingt bei innovativen Angeboten, die als Forschungskooperation gestartet sind, besser als bei möglichen Kunden, die Sie „kalt“ ansprechen. Manche Unternehmen lassen auch derartige Kontakte nicht zu, sondern bitten erst um ein Angebot, wenn die Leistung verfügbar ist. Der Zeitbedarf für den Kaufentscheidungsprozess bei Kunden wird bei Neugründungen regelmäßig stark unterschätzt. Man kann davon ausgehen, dass bei einer Neubeschaffung wenigstens sechs Monate ins Land gehen. Gespräche führen, immer wieder modifizierte Angebote erstellen, Pflichtenhefte überarbeiten: Diese Aktivitäten sind zeitaufwändig. Wenn aber der Auftrag einmal erteilt wurde, dann steht der Liefertermin wie zu Anfang der ersten Gespräche. Hierauf muss ein neues Unternehmen insofern eingerichtet sein: Die Leistung ist schnell und unter hohem Zeitdruck zu erbringen. Umsätze fließen meist erst nach Lieferung. Kosten entstehen früher und sind vorzufinanzieren. Hierzu weiteres im Aspekt „Preise“.
Am Ende Ihrer Planung stehen bei diesem Aspekt Beschreibungen 9 der Entscheidungssituation Ihrer wichtigsten Zielkunden, 9 der Struktur des Kaufprozesses, 9 der Rollen der Beteiligten, 9 des zeitlichen Ablaufs bei den ersten Kunden (realistische Einschätzung). 3.3.5
Make or buy?
Sie müssen entscheiden, wie genau Sie Ihre Leistung erstellen möchten. Diese Entscheidung ergibt sich zum einen aus der Notwendigkeit, zu wettbewerbsfähigen Preisen liefern zu müssen. Zum anderen kann es gut sein, dass Ihr vorläufiges Geschäftsmodell erfordert, Elemente anzubieten, die nicht in Ihre Kernkompetenz fallen, sondern die Dritte effizienter und qualitativ hochwertiger zuliefern können. Folgende Fragen sind also zu beantworten: x Wer liefert Ihnen zu? x Wie stellen Sie Qualität und Pünktlichkeit sicher? Die Bearbeitung dieses Aspekts wird Sie durchgängig beschäftigen, sobald Rand- und Anfangsbedingungen geklärt und eine grundsätzliche Go-Entscheidung, mit der weiteren Planung fortzufahren, getroffen wurde.
3 Markt und Geschäftsmodell
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Geschäftskunden (B2B) haben lange Vorlauf- und Entscheidungswege. Erfahrungsgemäß wird mehrere Monate lang verhandelt. Der Liefertermin bleibt aber fest. Deshalb kommt in der Phase der Leistungserstellung erheblicher zeitlicher Druck auf Sie zu. Stellen Sie sicher, dass Sie im Zweifel sehr kurzfristig lieferfähig sind. Das heißt konkret: Sie müssen die möglichen Lieferanten im weitesten Sinne frühzeitig auswählen, deren Qualität und Kapazität kennen und einschätzen, mit welchem zeitlichen Vorlauf diese lieferfähig sind. Kontaktaufnahme zu dem Zeitpunkt Ihrer Kundengespräche, wenn Mengengerüst, Liefertermin und ungefähres Lastenheft feststehen, ist angebracht. Preise von Zulieferern unterscheiden sich zum Teil erheblich. „Im Einkauf liegt der Gewinn“ ist ein bewährter alter Kaufmannsspruch. Insbesondere bei standardisierbaren Vorleistungen sollte entweder über (Internet-) Auktionen oder mit Hilfe von professionellen Einkäufern (die auf Provisionsbasis arbeiten) ein Sie wettbewerbsfähig machender Preis vereinbart werden. Je individueller die Vorleistung, desto weniger kommt es auf den Preis und desto mehr auf die garantierte Qualität an. Die Abhängigkeit von einem Lieferanten kann gefährlich werden, wenn dieser aufgrund anderer Verpflichtungen nicht rechtzeitig verfügbar ist. Für Gründungen aus Hochschulen ergibt sich ein Sonderproblem, wenn Sie auf Vorleistungen Ihrer ehemaligen Kollegen in Instituten oder An-Instituten angewiesen sind. Gründer aus dieser Situation berichten vielfach, dass zeitliche Liefertreue in diesem Fall ein Problem sein kann. Hintergrund: Die eigentliche Institutstätigkeit, die Dissertation rangieren vor derartigen Anliegen, auch wenn sie bezahlt werden.
3.3.6
Zwischenergebnis Geschäftsmodell
Ein erstes Zwischenergebnis, das in Ihrem Geschäftsplan detailliert zu schildern ist, kann je nach Vorkenntnis nach ca. drei bis vier Monaten vorhanden sein. Gründerteams, die erfahrene Brancheninsider aus der Kundenbranche haben, können erfahrungsgemäß viel Planungszeit sparen und die Risiken aus dem Markt („Schöne Idee, aber dafür wollen wir kein Geld ausgeben“) begrenzen. Am Ende dieses Abschnitts haben Sie herausgearbeitet: 9 für welche Arten von Kunden Sie tätig werden möchten (Segmentierung nach Branche, Region, …) Für diese Kundengruppen, die durchaus in mehrere Segmente unterteilt werden können, können Sie auch
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C. Entwicklungsphase
9 quantitativ (physikalisch und monetär) den Nutzen beziffern, den Ihr Angebot beim Kunden verursacht, 9 beschreiben, welchen Teil der Wertschöpfung Ihrer Kunden Sie genau übernehmen und 9 beschreiben, worin der Vorteil Ihres Angebots gegenüber dem der Konkurrenz liegt, 9 benennen, womit Sie im Wesentlichen Ihr Geld verdienen wollen (Produkt oder Aftermarket). Sie haben sich Gedanken über Ihren Vertrieb gemacht und sind aktiv geworden. Daher 9 kennen Sie den grundsätzlichen Kaufentscheidungsprozess in der Branche bzw. in wichtigen Unternehmen, 9 haben Sie mit den ersten potentiellen Kunden Kontakt aufgenommen und können Bedarf und Kaufbereitschaft einschätzen und haben einen möglichen Liefertermin, 9 haben Sie erfolglose Kontaktaufnahmen ausgewertet und Ihre Zielkundensegmente sowie Ihr Leistungsangebot entsprechend überarbeitet, 9 kennen Sie die möglichen Kaufhindernisse. Sie können Ihre geforderte Leistung mit großer Sicherheit auch erbringen, denn: 9 Sie haben eine klare Vorstellung darüber, wie Ihre Leistung konkret zu beschreiben ist und welche Teile Ihrer Leistung von Zulieferern kommen sollen, 9 Sie kennen Ihre möglichen Zulieferer, deren Kapazität, Qualität und Vorlauf und haben eine ungefähre Preisvorstellung über die Ihnen entstehenden Kosten. Am Ende dieser ersten Runde zur Definition Ihres Geschäftsmodells sollten Sie die Grundsatzannahmen, die Sie unter „Persönliche Entscheidungen“ getroffen haben, überdenken. 9 Passt die Rolle, die Sie sich zu Beginn zugedacht haben, noch zu dem Geschäftsmodell, dass Sie nach Information und Kontakt mit potentiellen Kunden entwickelt haben? Reicht die Personaldecke der Gesellschafter? Reichen die finanziellen Ressourcen? Entspricht Ihr Tätigkeitsprofil dem, was Sie ursprünglich tun wollten? Die unter „Geschäftsmodell“ ermittelten Daten und plausiblen Schätzungen benötigen Sie zwingend, um Ihre Preiskalkulation qualifiziert durchführen zu können. Bei der mittlerweile in den meisten Fällen schon erfolgten Kontaktaufnahme mit potentiellen Kunden ist es zunächst um die
3 Markt und Geschäftsmodell
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Kundenanforderungen an Ihre Leistung gegangen. Das Thema „Preis“ haben Sie eher von Kundenseite als Kundenvorstellung, Budget, Obergrenze etc. gehört und sich selbst nicht allzu sehr festgelegt. Diese Rahmenbedingungen von Seiten der potentiellen Kunden sind aber für Sie extrem wichtig, weil Sie im nächsten logischen Abschnitt Ihrer Unternehmensplanung binnen derartiger (Ober-)Grenzen planen müssen und klären müssen, ob Sie zu den Konditionen überhaupt anbieten können. Die Kunden wollen uns, aber für andere Leistungen, als wir geplant hatten Den Gründern OSIF GmbH aus Garbsen war von Anfang an klar, dass sie mit der einer Beschränkung ihres Angebotes auf Fertigung und Vertrieb der selbst entwickelten Anlagen nicht wirtschaftlich zurechtkommen würden. Deshalb hat man von Beginn an den Kunden auch Entwicklungsleistungen auf Basis der beherrschten Technologie angeboten. Die im ersten halben Jahr marktreif entwickelte Referenzanlage zeigte dann auch, dass die Firma ihr Metier beherrscht. Es kamen wie erwartet Nachfragen und Aufträge zu der Anlage, und zum Engineering. Die Referenzanlage zeigte den Kunden, dass die Firma in der Lage ist, spezifische Problemstellungen in ihrem Segment zu lösen. Insofern hat sich das „Zwei-Beine-Geschäftsmodell“ nicht nur bewährt, sondern es kamen zusätzlich Nachfragen, Kunden beim Qualitätsmanagement technisch zu beraten. Daher bietet die Firma inzwischen als drittes Standbein auch Consulting-Leistungen an. Überlegungen zur eigentlichen Kernkompetenz (Anlagen und Engineering) haben zu einem klar definierten Geschäftsmodell geführt. Das Eindringen in den Markt und Kundenwünsche haben zu einer Erweiterung des Angebots in eine Richtung, die die Kernkompetenz nutzt und zusätzliche Erträge schafft, zur Folge gehabt.
3.4
Informationen
Als erste Einführung in Markt und Marketing sind die Infoletter Gründerzeiten Nr. 26 Brancheninformationen http://www.existenzgruender.de/imperia/md/content/pdf/publikationen/ gruenderzeiten/gz_26.pdf
und Gründerzeiten Nr. 20 Marketing http://www.existenzgruender.de/imperia/md/content/pdf/publikationen/ gruenderzeiten/gz_20.pdf
zu empfehlen.
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C. Entwicklungsphase
Grundlegende Informationen zu Markt und Geschäftsmodellen für Technologieunternehmen sind einschlägigen Lehrbüchern zum Marketing, insbesondere zum Industriegütermarketing zu entnehmen. Dies sind beispielsweise Backhaus K (2003) Industriegütermarketing, 7. Aufl, Vahlen, München oder Godefroid P (2003) Business-to Business Marketing, Kiehl, Ludwigshafen oder Kotler Ph et al (2003) Grundlagen des Marketing, Pearson Studium, 3. überarbeitete Aufl, München. Schnelle und prägnante Information, was ein Geschäftsmodell ist, liefert das Online Lexikon wikipedia unter http://de.wikipedia.org/wiki/Gesch%C3%A4ftsmodell
Als Standardwerk zu Wettbewerb und Strategie ist Michael Porter ergänzend zu empfehlen: Porter M E (2002) Wettbewerbsvorteile. Spitzenleistungen erreichen und behaupten. Campus, Frankfurt am Main.
4
Preise und Mengen
Preise bei Leistungen mit Geschäftskunden sind immer Verhandlungssache. Es gibt keine „richtigen Preise“, sondern nur Preise, die für Sie mehr oder weniger auskömmlich sind. Ob die erzielbaren Preise für Sie auskömmlich sind, müssen Sie zwingend wissen, bevor Sie ein bindendes Angebot machen. Ausnahme: das Pilotprojekt mit viel aktiver Mitarbeit bei Referenzkunden. Als Vorbemerkung zu den folgenden Überlegungen zur Preisbildung: Je transparenter und vergleichbarer das Produkt, desto intensiver der Preiswettbewerb. Industrielle Kunden – insbesondere die Einkäufer dieser Kunden – stehen unter erheblichem Erfolgsdruck. Je unvergleichlicher Ihre Leistung ist, je mehr für den Kunden relevante Vorteile sie ausweist, desto besser ist Ihre Verhandlungsposition. Preisverhandlungen sind schon im Vorfeld gut vorzubereiten, auch wenn zunächst einige Unbekannte geschätzt werden müssen. Drei Determinanten bestimmen im Grundsatz den Preis Ihrer Leistung: x Ihre Kosten, x Marktpreise/Preise der Wettbewerber, x Preisbereitschaft des Kunden.
4 Preise und Mengen
4.1
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Kosten/Preisuntergrenze
Der einfachste denkbare Fall besteht darin, dass Sie im Wesentlichen Ihre Arbeitszeit „verkaufen“ und in Ingenieurstunden abrechnen. Die üblichen Sätze pro Einheit (Stunden- oder Tagessätze) sind dann meist bekannt. In diesem Fall des Ingenieurbüros i. w. S. ist aber Ihre Wertschöpfung bzw. Ihr Gewinn beschränkt durch die Personalkapazität. Zudem werden bei Industrieunternehmen Berater in Bezug auf Budgets und Ausgaben kritischer gesehen als Lieferanten. Ausgaben für Berater sind beim Kundenunternehmen intern in der Regel immer wieder zu rechtfertigen. Es kann von Vorteil sein, ein Leistungsbündel wie Beratung plus Software oder Wartung anzubieten, das Sie als normalen Lieferanten kennzeichnet, der regelmäßig liefert. Wenn Sie komplexere Leistungsbündel anbieten, sollten Sie vor Verhandlungsbeginn klar haben, wo Ihre preisliche Schmerzgrenze liegt, wo also die Kosten nicht mehr gedeckt werden. In der Betriebswirtschaftslehre werden in Bezug auf die Ausbringung variable und fixe Kosten unterschieden. x Variable Kosten variieren mit dem Umfang der Leistung. Typische Beispiele sind Kosten für zugelieferte Teile oder Lohnkosten. x Fixe Kosten sind diejenigen Kosten, die unabhängig vom einzelnen Auftrag und der Menge der erstellten Leistungen entstehen. Die müssen über das Jahr gesehen auch abgedeckt werden. Beispiele sind Mieten oder eigene Anlagen. Fixe Kosten können beispielsweise durch subventionierte Geschäftsräume und Benutzung vorliegender Infrastruktur gering gehalten werden (z. B. Ansiedlung in Technologiezentren). Die Stückkosten für Ihre Leistung sind umso einfacher zu bestimmen, je höher der Anteil der variablen Kosten ist. Schwieriger ist gerade für NichtKaufleute die Zurechnung von Fixkosten. Für Technologiegründer stellt sich die Frage in der Praxis meist so: Kosten für zugelieferte Teile und Dienstleistungen sind in dieser Phase wenigstens der Größenordnung nach bekannt. Vielfach wird nicht auf eigenen Anlagen produziert, sondern zugekauft. Der weitere wesentliche Kostenfaktor ist die eingebrachte eigene Zeit. Die Berechnung der Preisuntergrenze zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes verläuft in drei Schritten:
66
C. Entwicklungsphase
Zunächst muss der notwendige Brutto-Soll-Umsatz Ihres Unternehmens pro Jahr ermittelt werden. Im zweiten Schritt werden die geschäftstypischen Losgrößen und Ihre Normalkapazität geschätzt. Im dritten Schritt wird der Mindestpreis pro Losgröße ermittelt. Erster Schritt: Der Mindestumsatz pro Jahr Wenn Sie Ihren Mindestumsatz pro Jahr kalkulieren möchten, dann bestimmen Sie und Ihre Partner zunächst, wie viele € Sie pro Jahr mindestens aus dem Unternehmen entnehmen müssen, um Ihren normalen Lebensunterhalt zu decken (siehe Abschnitt 1.1, Persönliche Voraussetzungen). Denken Sie dabei nicht nur an die laufenden Ausgaben, die Sie kennen, sondern auch an alle Einmal-Ausgaben, die im Laufe eines Jahres anfallen, sowie den zusätzlichen Bedarf für die persönliche Absicherung wie Berufsunfähigkeit, Krankentagegeld, Altersvorsorge. Berücksichtigen Sie bei den eigenen Vorsorgeaufwendungen, dass kein Arbeitgeber mehr da ist, der 50 % trägt, und dass auch die Risiken in der Tendenz höher sind als bei einem Arbeitnehmer. Im Detail helfen Ihnen bei diesen Fragen die für die Sozialversicherung für Selbstständige zuständigen Stellen der Krankenkassen und unabhängige Versicherungsmakler, die Ihnen gegen Honorar ein Risikoprofil erstellen und den notwendigen Versicherungsbedarf erläutern. Sie werden sich wundern, welche monatliche bzw. jährliche Summe zusammenkommt. Diese Summe müssen Sie (und ggf. Ihre Partner) auf Dauer mindestens aus dem Unternehmen entnehmen können. Leider entnehmen Sie aus dem Unternehmen nicht das Betriebsergebnis oder den Bruttogewinn, sondern der Gewinn muss zunächst versteuert werden. Der Entnahmebedarf ergibt sich also als Gewinn nach Steuern. Der Gewinn vor Steuern ist die Differenz zwischen Umsatz und Kosten. Natürlich ist in dieser Phase nur dann auf die individuelle Besteuerung einzugehen, wenn Sie Steuerexperte sind oder aber ein Steuerberater jetzt in die Planungen einbezogen wird. Grundsätzlich werden Einkommensteuer und Gewerbesteuer (diese nur für Gewerbetreibende, nicht für Freiberufler) fällig. Der Rechenweg ist rechtsformabhängig und komplex. Daher gehen Sie zunächst von einem Einkommensteuersatz von 25 Prozent aus. Wie Sie wissen, steigt der Steuersatz der Einkommensteuer zwischen 19 und 42 Prozent linear. In den ersten Jahren (mit noch geringem Gewinn) sind Sie damit auf der sicheren Seite. Später haben Sie erstens Erfahrung und zweitens einen Steuerberater.
4 Preise und Mengen
67
Es gilt folgender Rechenweg:
U min K G br T mit:
Umin K T Gbr Gne
G br G ne
M Mindestumsatz, Kosten Steuern Bruttogewinn Nettogewinn
Konkret bedeutet das also:
U min K U min K 0,25 U min K 0,75 M U min
M
K M / 0,75
Anwendungsbeispiel Ihr Entnahmebedarf nach Steuern p. a.: 50.000 € Kalkulatorischer Steuersatz: 25 % Ihre Kosten (Miete, PKW, Büro, Werbung, Versicherungen ...) grob geschätzt: 30.000 € Dies ist ein sehr einfaches Beispiel für eine Person und ein Einzelunternehmen, das aber für eine GmbH und ein Gründerteam im Prinzip analog anzuwenden ist: Der Unterschied liegt darin, dass Ihr Geschäftsführergehalt bei der Kapitalgesellschaft eine Kostenposition ist. Dann mindert Ihr Gehalt (einschließlich Sozialversicherung und anderen Lohnnebenkosten) den Gewinn. Sie finanzieren Ihren Lebensunterhalt dann nicht aus Gewinnentnahmen aus dem Unternehmen, sondern aus dem Geschäftsführergehalt. Wirtschaftlich rechnen Sie an dieser Stelle der Einfachheit halber wie vorgeschlagen. Später in der Liquiditätsplanung und der Rentabilitätsvorschau ist dies der Rechtsform entsprechend vorzunehmen. Also:
U min
30.000 € 50.000 € / 0,75
96.666 ,66 €
Sie müssten also unter den getroffenen Annahmen pro Jahr ca. 96.667 € umsetzen, um 50.000 € entnehmen zu können.
68
C. Entwicklungsphase
Zweiter Schritt: Normalkapazität und Losgröße Beispiel 1: Wenn Sie allein arbeiten und im Wesentlichen nach Tagen abrechnen, kalkulieren Sie vorsichtshalber 100 verkaufbare Ingenieurtage pro Jahr. Die restlichen Arbeitstage pro Jahr werden Sie für andere Tätigkeiten wie Büroarbeit, Akquise neuer Kunden etc. benötigen. Beispiel 2: Wenn Sie selbst entwickelte Geräte verkaufen und beim Kunden einpassen, gehen Sie von folgenden Annahmen aus: Sie können allein derzeit vier Geräte pro Jahr einbauen, weil Sie pro Kunden ca. zwei Monate für das Aufstellen und reibungslose In-Gang-Bringen benötigen. Dritter Schritt: Notwendiger Mindestpreis Unter den oben getroffenen Annahmen ergibt sich für Beispiel 1: 100 Tage müssen 96.667 € erbringen. Der Tagessatz darf nicht unter 967 € liegen. Plus Umsatzsteuer (ab 01.01.2007 19 %) macht das ca. 1.150 €. Für Beispiel 2 darf Ihr Mindestpreis für den Auftrag € 24.166 plus USt. nicht unterschreiten. Vorsicht: Hier ist der tatsächliche Zahlungseingang gemeint, also Rabatte, einbehaltene Sicherheiten u. Ä. abgerechnet. Wichtig: Dieser Mindestpreis darf nicht unterschritten werden, wenn das Geschäft Sie und Ihre Partner auf Dauer ernähren soll. Eine Strategie „wir sind ein wenig preiswerter als der Wettbewerb“ findet hier zwingend ihre Grenze. Erfahrungsgemäß lassen sich einmal verhandelte Preise beim nächsten Auftrag nicht erhöhen. Ausnahme: Sie haben noch keinen Referenzkunden, ohne den Sie nicht in den Markt kommen. Aber auch dort gilt, dass der Kunde Interesse daran haben muss, dass Ihr Unternehmen auf Dauer zur Verfügung steht. Nach Durchlauf der drei Schritte können Sie begründet darstellen, 9 welchen finanziellen Mindestbedarf Sie und Ihre Mitgründer aus dem Unternehmen decken müssen und 9 welche Preise Sie unter der Bedingung normaler Auslastung hierfür mindestens verlangen müssen. Falls Sie mit diesen Preisen über den Marktpreisen oder sogar oberhalb der begründeten Preisbereitschaft der Kunden liegen, müssen Sie noch einmal Ihr Geschäftsmodell unter die Lupe nehmen und klären, ob Sie z. B. über Outsourcing weiterer Vorleistungen oder aber über eine Skalierung (deutliche Erhöhung der Kapazität, Verteilen der fixen Kosten auf eine größere Anzahl von Leistungseinheiten) wettbewerbsfähig werden können. Im Fall der Skalierung sind die Themenbereiche der persönlichen Entscheidungen in Bezug auf Gründerteam, finanzielles Engagement und Risiken zu prüfen. Zudem ist dann auch der Zielmarkt erneut zu definieren.
4 Preise und Mengen
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Der so genannte „Erfahrungskurveneffekt“ besagt, dass Sie bei einer Verdoppelung Ihrer Stückzahlen mit 20 bis 30 % geringeren Stückpreisen rechnen können. (Sie haben Handgriffe gelernt, kaufen günstiger ein, verteilen Ihre Fixkosten stärker usw.)
4.2
Marktpreise/Preise der Wettbewerber
Die Marktpreise sind die Preise, die Ihre Kunden tatsächlich für diese Leistung an Wettbewerber zahlen. Wenn Ihr Unternehmerteam einen branchenerfahrenen Mitgründer umfasst, ist diese Aufgabenstellung für Ihre Planungen bereits erledigt oder aber besonders einfach zu bewältigen: Dieser sollte Preise, Kalkulationsgrundlagen und Zahlungsmodalitäten wenigstens des Unternehmens, bei dem er früher tätig war, und der Lieferanten dieses Unternehmens kennen. Da es um die Kenntnis der tatsächlichen Preise geht, reicht die Kenntnis der Listenpreise oder der Angebotspreise nicht aus: Wie viel wird in der Branche tatsächlich nach Abzug von Skonti, Rabatten oder Einbehalten wirklich bezahlt? Erwarten Kunden zusätzliche unbezahlte Leistungen, die den nominellen Preis aus optischen Gründen bestehen lassen, aber den tatsächlichen Preis pro Leistungseinheit deutlich mindern? Wenn es im Wesentlichen um Ingenieurstunden geht, sind Ihnen die einschlägigen Preise in aller Regel bereits während der Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule bekannt. Wenn nicht, dann fragen Sie doch befreundete Alumni. Bei komplexeren Leistungen, die beispielsweise Produkt, Dienstleistungen und Software beinhalten, ist zunächst zu fragen, welche Handlungsalternativen Ihre Kunden einer bestimmten Branche haben. Hieraus ergibt sich Ihre preisliche Verhandlungsposition. Als Handlungsalternativen kommen in Frage: x x x x
Kauf von Ihnen, Kauf von Wettbewerbern, Eigene Entwicklung/Selbst erstellen, Unterlassen/Weitermachen wie bisher.
Welche dieser Alternativen zum Zug kommt, hängt vom Problemdruck bei den Kunden und von den messbaren Vorteilen Ihres Angebotes ab. Im Falle hohen Problemdrucks und messbaren Vorteilen Ihrer Lösung hängt Ihre Wettbewerbsstärke an der Leistungsfähigkeit der Wettbewerber. Wenn Ihre Wettbewerber bei einem unbedingt vorzunehmenden Vergleich
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C. Entwicklungsphase
einschlägiger Datenblätter in wichtigen Leistungsparametern hinter Ihnen liegen, kann es Preisspielraum nach oben geben. Leider ist gerade bei maßgeschneiderten Lösungen oft kein direkter Marktpreis ermittelbar. Dann versuchen Sie, Anhaltspunkte, nach denen Ihre Kunden die Plausibilität von Angeboten prüfen, herauszufinden. Gibt es „Kilopreise“ (pro kg Maschine) oder Stundenecksätze? Welches Preisimage haben Ihre wichtigsten Wettbewerber und wo liegen sie bei den Eckgrößen? Derartige Informationen erhält man auf Messen und Fachtagungen von Gesprächspartnern, die keine Wettbewerber, aber nahe am Markt sind. Wiederum kann das informelle Befragen befreundeter Alumni sehr helfen, um eine realistische Einschätzung zu erhalten. Als Ergebnis der Wettbewerbsanalyse sollten Sie die wesentlichen Wettbewerber in einem Portfolio nach Preis (Eckpreise s. o.) und Nutzen für den Kunden abbilden und sich selbst dort ebenfalls einordnen. Dann haben Sie einen begründeten Überblick als Basis Ihrer Entscheidung über Ihre preisliche Positionierung im Wettbewerb. Kunden neigen dazu, bei für sie nicht transparenten Leistungen den Preis und das Produktdesign als Indikatoren für die Qualität der Leistung anzusehen. Es lohnt sich, über Industriedesign und Preisniveau die Wertigkeit Ihrer Leistung darzustellen.
Nichtpreiswettbewerb/Markteintrittsbarrieren Die Anzahl und das Verhalten der Wettbewerber spielen im Einzelfall eine entscheidende Rolle: Bei Märkten mit wenigen Anbietern und relativ transparenten Leistungen werden Ihre Angebote sehr schnell transparent, und Wettbewerber werden möglicherweise versuchen, Sie von vornherein aus dem Markt fernzuhalten. Dagegen gibt es zwei probate Mittel: Erstens bauen Sie persönliche Beziehungen nicht nur zur Nutzerebene Ihrer Kunden, sondern zu allen an der Kaufentscheidung beteiligten Personen auf, die Sie kennen lernen können (siehe Abschnitt 5.3). Sie persönlich (und Ihre Mitgesellschafter) sind für die künftigen Kunden die einzige Gewähr, dass es Ihr Unternehmen auch in zwei Jahren noch gibt. Verlässlichkeit, Liefertreue und das Verständnis für die Ziele und Zusammenhänge des Kundenunternehmens sind hier von zentraler Bedeutung. Interessieren Sie sich dafür, und zeigen Sie, dass Sie Ihren Problemlösungsbeitrag liefern möchten und können. Zweitens: Arbeiten Sie Ihre Wettbewerbsvorteile heraus und sorgen Sie dafür, dass auch Ihr Kunde eine klare Vorstellung davon bekommt (siehe Kundennutzen).
4 Preise und Mengen
4.3
71
Preisbereitschaft
Ihre Kunden haben in der Regel drei Restriktionen, unter denen sie Preisverhandlungen führen und Aufträge erteilen: x Erstens sind Beschaffungsvolumina wenigstens in industriell organisierten Unternehmen in der Regel budgetiert: (Erst-)Beschaffungen konkurrieren mit anderen Beschaffungen um ein jährliches Budget. Bei innovativen Leistungen sollten schon in den Vorgesprächen ungefähre Auftragsvolumina und Budgetgrenzen angesprochen werden, damit Sie bereits in dieser Phase der Preis- und Mengenplanung wissen, ob Sie die notwendigen Einnahmen überhaupt im vorgesehenen Zeitraum erzielen können. x Zweitens verfügen Kunden bei Wiederholungskäufen und bei modifizierten Wiederholungskäufen über ein Preiswissen, das Sie (siehe Wettbewerb) wenigstens bei den Eckpreisen auch haben sollten. Bei standardisierten Leistungen, die nach Menge eingekauft werden, gibt es wenige Möglichkeiten, sich preislich nach oben vom Wettbewerb abzuheben. x Drittens gibt es je nach Einkaufsvolumen, Art des Auftrags und Struktur bzw. Größe des Unternehmens das schon erwähnte Buying Center. Es ist auch gelegentlich damit zu rechnen, dass von der Fachebene gewünschte Beschaffungen aus unternehmenspolitischen Gründen zu Gunsten anderer Verwendungen gestrichen werden. Auch diese Risiken sind im Laufe der ersten Kundenkontakte dezent zu eruieren. Die Preisbereitschaft der Kunden spielt vor allem für diejenigen Anbieter eine Rolle, die innovative und/oder Leistungen mit Nutzenvorteilen anbieten. Nur bei dieser Art von Angeboten besteht auf der Kundenseite keine aus bisherigen Erfahrungen hergeleitete Preisobergrenze. Kurz gesagt geht es darum, den zusätzlichen Nutzen Ihrer Leistung für den Kunden zu bewerten und ihn den Handlungsmöglichkeiten des Kunden gegenüberzustellen. Die Ergebnisse zur Definition des Kundennutzens in der Definitionsphase müssen Sie nun aus Kundensicht bewerten. Im Kern: Wie viel würde der Kunde maximal zahlen, damit der Kauf bei Ihnen unter dem Strich für ihn vorteilhaft bleibt? Ihre Aufgabe ist es, den Vorteil gegenüber den derzeit angewendeten Verfahren zu quantifizieren und wenn eben möglich finanziell zu bewerten. Können Sie beispielsweise bestimmen, wie viel produktiver Ihr Kunde nach Kauf Ihrer Leistung ist? Wenn Sie dies in Stück pro Zeiteinheit bzw. pro Jahr messen, dann kommen Sie bei der Multiplikation mit Nettorendi-
72
C. Entwicklungsphase
ten pro Stück auf einen Vorteil pro Jahr. Auch Senken der Ausschussrate, Entfallen ganzer Prozessschritte oder bessere Standfestigkeit (sinkende Wartungskosten etc.) lassen sich so rechnen. Sie sollten in diesem Fall Ihrem Kunden zeigen können, wie schnell sich Ihre Leistung amortisiert. Amortisationszeiträume von einem Jahr oder kürzer helfen sehr bei der Durchsetzung der Kaufentscheidung, während Amortisationszeiträume (oder Pay-Off-Perioden) von mehr als drei Jahren gerade in sich schnell wandelnden Branchen wenig attraktiv sind. Sie ermitteln so die Einzigartigkeit Ihres Angebots und damit eine Überlegenheitsprämie, die gleichzeitig die wirtschaftliche Obergrenze des Kunden für Ihre Leistung darstellt. Diese Überlegenheitsprämie setzen Sie auch als Argumentationshilfe gegenüber Ihrem Wettbewerb ein. In vielen Fällen ist ein monetärer Einspareffekt oder ein Mehrerlös nicht einfach zu belegen, weil die bessere technische Performance keine direkten monetären Wirkungen hat. Hier gilt es, die für die Kunden wichtigsten zusätzlichen Vorteile als technische Parameter darzustellen. In diesem Fall werden Sie keine Preisbereitschaft errechnen können. Sie werden aber fundiert einschätzen können, ob die Vorteile Ihrer Leistung beim Kunden die Bereitschaft auslösen kann, höhere als bisherige Preise zu zahlen oder im Fall der Erstbeschaffung überhaupt Geld für Ihre Leistung auszugeben. Unter der Überschrift Preisbereitschaft sollten Sie also Folgendes bestimmen können: x Gibt es überhaupt aus Kundensicht wichtige Nutzen-Argumente, Ihre Leistung zu kaufen? x Gibt es nichtmonetäre Nutzenargumente der Kunden, einen höheren Preis als den bisher üblicherweise gezahlten zu zahlen? x Können Sie den potentiellen Kunden einen Wirtschaftlichkeitsvorteil monetär verdeutlichen? Zwischen diesem wirtschaftlichen Zusatznutzen und dem bisherigen Preis liegt die Preisobergrenze oder Preisbereitschaft aus Kundensicht. Industrielle Produzenten verwenden bei klar erkennbaren Preisobergrenzen ihrer Produkte das Instrument der Zielkosten (Target Costing). Bei neu zu entwickelnden Produkten wird von vorn herein eine Obergrenze der Herstellkosten festgelegt, die sich vom erzielbaren Marktpreis herleiten lässt (siehe Abb. 5).
4 Preise und Mengen
%
70
Verw.GK
60
Fert.GK
Fertigung
50 40
Verwaltung + Vertrieb
Fert.EK
= Lohnkosten + Maschinenkosten
30 20 10
Mat.GK Mat.EK
Material
Gewinn Zuschläge
Variable Kosten
Brutto-Verkaufspreis
Vertr.EK Vertr.GK
Selbstkosten
80
Rabatt Skonto etc. Provision
Netto-Verkaufspreis
Gewinn
90
Herstellkosten
100
73
Fixkosten
0 Zuschlagskalkulation
Abb. 5
Fixe/Variable Kosten
Vollkosten-Kalkulation (EK = Einzelkosten, GK = Gemeinkosten)
Der im Markt tatsächlich erzielbare Preis wird um die Kosten für Verwaltung und Vertrieb und den kalkulatorischen Gewinn geschmälert Diese Summe ergibt die maximal möglichen Herstellkosten. Wenn Sie feststellen, dass Ihr Angebot in der Produktion so zu teuer ist, dann prüfen Sie systematisch, wie Sie auf der Kostenseite im Rahmen der Zielkosten bleiben können. 4.3.1
Preisstrategie
Gerade in der Planungsphase ist es sinnvoll, über Ihre unternehmerische Strategie nachzudenken. Dies wirkt sich unmittelbar auf Ihre Preise aus. Wenn Ihr Angebot im Wesentlichen in einem innovativen Produkt besteht, dann haben Sie grundsätzlich zwei unternehmerische Optionen: x Markt durchdringen (Penetration) oder x Abschöpfen (skimming). Marktdurchdringungsstrategie Wenn Sie über größere Mengen schnell einen größeren Marktanteil erreichen möchten, dann bietet sich eine „Penetrationsstrategie“ an, mit Preisen, die unterhalb der Zahlungsbereitschaft der Kunden liegen.
74
C. Entwicklungsphase
x Chancen Diese Strategie kann dann sinnvoll sein, wenn Sie über niedrigere Preise Wettbewerber fernhalten und im Markt u. U. viele Kunden für ergänzende Dienstleistungen und weitere Produkte an sich binden möchten. Außerdem haben Sie Wirtschaftlichkeitsvorteile bei der Herstellung großer Mengen. x Risiken Die Risiken dieser Strategie bestehen zum einen darin, dass sich Ihre Anfangsinvestitionen nur langsam bezahlt machen. Es kann sein, dass Sie mit dem Produkt nicht lange genug am Markt sein können, um die Investitionen zu amortisieren. Zum anderen kann die Nachfrage erst verspätet anlaufen, so dass Sie hohen Betriebsmittelbedarf zu finanzieren haben. Zum dritten ist es durchaus möglich, dass Sie die angestrebten Mengenziele gar nicht erreichen. Abschöpfungsstrategie Alternativ können Sie anstreben, so schnell wie möglich Ihre Entwicklungskosten wieder einzufahren und als Premiumanbieter zu Premiumpreisen auf den Markt zu gehen. x Chancen Dies bietet sich in Märkten mit kurzen Innovationszyklen und bei technischen Innovationen mit größerem Wettbewerbsvorsprung vor den Konkurrenten an. Sie amortisieren Ihre Anfangsinvestitionen sehr schnell. Der hohe Preis kann und sollte in diesem Fall auch ein klarer Qualitätsindikator für Ihr Unternehmen und Ihre Angebote sein. Später können im Fall aufkommenden Wettbewerbs immer noch Preise gesenkt werden. x Risiken Hochpreisstrategien locken sehr schnell Wettbewerber an, wenn es für die Leistung hinreichend Nachfrage gibt. Wirtschaftlichkeitsvorteile der Produktion (Losgrößenvorteile, economies of scale) können nur sehr begrenzt erzielt werden. Insgesamt spricht preisstrategisch bei wirklich innovativen Produkten, die zudem urheberrechtlich geschützt sind und bei kurzen Innovationszyklen einiges für eine Skimming-Strategie. Dies gilt vor allem für die Unternehmen, die sich als Spezialisten weniger dem schnellen Wachs-
4 Preise und Mengen
75
tum als dem hochwertigen und profitablen Bedienen eines spezialisierten Marktes zugewendet haben. In den vergangenen Jahren hat der Preisdruck auf industrielle Zulieferer erheblich zugenommen. Pricing-Profis widerstehen dem Preisdruck vor allem über handwerklich saubere Darstellung und Quantifizierung des Nutzens ihrer Leistungen. Teuer ist immer gut Ein Unternehmer baut einzigartige und patentierte Geräte zur zerstörungsfreien Bauteiluntersuchung. Er hatte seine Herstellkosten kalkuliert, auf diese einen moderaten Gewinnzuschlag gepackt und wollte mit dem so ermittelten Preis auf den Markt. Einer seiner Coaches mit breiter vertrieblicher Erfahrung wies den Unternehmer darauf hin, dass ein Herstellkosten-basiertes Vorgehen im angepeilten Markt aus mehreren Gründen kontraproduktiv wäre: 1. Zu niedrige Preise würden eine niedrige Qualität suggerieren, evtl. auch mangelnde Marktreife. 2. Aufträge für ein derartig exklusives Produkt würden ohnehin nur von ganz wenigen Forschungseinrichtungen oder hoch spezialisierten Technologieunternehmen zu erwarten sein. Bei technischem Bedarf würde der Preis keine entscheidende Rolle bei der Bewertung spielen. 3. Aufträge sind selten und das Timing schwer zu prognostizieren. Jeder dieser Einzelaufträge muss aber die Liquidität über einen langen Zeitraum sichern. 4. Die reinen Herstellkosten entsprachen nicht den Vollkosten; viele Gemeinkosten aus der Kontinuität der Firma wurden nicht abgedeckt. 5. Das Unternehmen hat ein Monopol auf sein Produkt und kann den Preis (innerhalb der Preisbereitschaft) diktieren. Der Unternehmer erhielt vom Coach eine Abschätzung der Preisbereitschaft der Kunden. Diese lag um ca. den Faktor 3 höher als der Herstellkosten-basierte Preis. Der Coach führte mit dem Firmeninhaber, der sich scheute, einen scheinbar überhöhten Preis zu nennen, ein Vertriebstraining mit folgendem wesentlichen Element durch: „Sprechen Sie mir bitte ohne ein Wimpernzucken nach, Herr Martin: ,Der Preis beträgt 1,2 Millionen!´“
4.3.2
Zahlungsmodalitäten
Die vereinbarte Zahlungsweise mit ihren Nebenbedingungen hat erheblichen Einfluss auf Ihre wirtschaftliche Lage, wie ein Beispiel zeigt: Im un-
76
C. Entwicklungsphase
günstigsten Fall haben Sie ganz zu Beginn der Verhandlungen einen Preis von 100 Geldeinheiten (GE) genannt. Es stellt sich dann heraus, dass Sie bis zur Auftragsvergabe die bekannten sechs Monate verhandeln. Vielfache Kundentermine über Pflichtenhefte und mehrfache Modifikation der Angebote verursachen eigene Kosten, die Sie nicht berücksichtigt hatten. Zudem sind möglicherweise Ihre Kunden nicht willig, bei Vertragsabschluss einen Abschlag zu zahlen. Sie bestehen darauf, dass es nur zwei Zahlungstermine pro Jahr gibt. Der nächste ist erst in vier Monaten. Außerdem hatten Sie nicht kalkuliert, dass dieser Kunde notorisch immer fünf Prozent des Rechnungsbetrages als Sicherheit einbehält. Sie bekommen also in diesem Fall maximal 95 Prozent Ihres Rechungsbetrages und zwar erst nachschüssig, nachdem Sie geleistet haben. Sie haben also das Projekt komplett vorzufinanzieren. Ihre aus den Kosten abgeleitete Preisuntergrenze hätte in diesem Fall wenigstens zehn Prozent über den geforderten 100 GE liegen müssen. Neben der Zahlungshöhe muss durch die vereinbarten Zahlungsmodalitäten aus Verkäufersicht sichergestellt werden, dass der vereinbarte Geldsegen auch tatsächlich eingeht. (Das ist leider überhaupt nicht selbstverständlich; nur auf Vertrauen sollte man nicht bauen, zumindest nicht am Anfang einer Geschäftsbeziehung.) Eine gute Möglichkeit dafür ist beispielsweise die Eröffnung eines unwiderruflichen L/C (letter of credit), bei dem eine Bank das Zahlungsrisiko übernimmt und nach Vorlage ordnungsgemäßer Warendokumente zahlt. Natürlich kostet das zusätzlich Geld; richtig teuer wird eine zusätzliche Überbesicherung der Bank beispielsweise durch eine Hermes-Bürgschaft. All diese Kosten müssen von vornherein kalkulatorisch berücksichtigt werden. Dabei muss man aufpassen, dass man sich nicht aus dem Markt kalkuliert. Generell gilt: Je größer die Entfernung und je unsicherer das Terrain, desto höher ist der vom Kunden zu entrichtende Preis.
4 Preise und Mengen
77
Risiko und Finanzlast Importeur
Exporteur
Vorauszahlung/Anzahlung ** L/C – Kasse gegen Dokumente * L/C – Akzept gegen Dokumente * D/P-Inkasso * D/A-Inkasso * Zahlung nach Erhalt der Ware ** Offenes Zahlungsziel/Liefererkredit ** *
Dokumentäre Sicherung
**
Keine dokumentäre Sicherung
D/P
documents against payment
D/A documents against accept
Abb. 6
Zahlungsbedingungen im internationalen technischen Vertrieb (nach Altmann 2001)
Der Kunde hat natürlich auch ein Sicherheitsbedürfnis: Er möchte mit Sicherheit die bezahlte Ware bekommen. Die vereinbarten Konditionen sollten den berechtigten Anliegen beider Seiten gerecht werden. Bei größeren Kunden haben Sie erfahrungsgemäß dessen Vertragsbedingungen zu akzeptieren. Es ist in dieser Situation nützlich, diese vor Abgabe eines Angebots zu kennen. Dann können Sie das Angebot so formulieren, dass die zusätzlichen Finanzierungskosten abgedeckt werden. Sehr sinnvoll ist es, gerade bei größeren Objekten ein Zug-um-Zug-Vorgehen zu vereinbaren. Der Kunde leistet dabei eine Anzahlung und weitere Zahlungen nach Erbringung definierter Teilleistungen. Wenn der Kunde parallel zum Leistungsprozess zahlt, kann Ihr Preis niedriger liegen und wettbewerbsfähiger sein.
Verschiedentlich wird über den Zahlungsverlauf auch mit großen Unternehmen wie folgt verhandelt: „In meinem Preis 100 GE sind 6 GE enthalten, die ich als Projektfinanzierung der Bank zahlen muss. Wenn Sie (Kunde) weniger 100 GE zahlen möchten, dann lassen wir doch gemeinsam die Bank außen vor und sprechen über Abschlagszahlungen nach Projektfortschritt bzw. nachgewiesenen Leistungen“. Für Sie als junge Unternehmer ist es notwendig, die Vorfinanzierungskosten und branchenübliche Abschläge vorab zu kennen und in das erste Angebot eingepreist zu haben.
78
C. Entwicklungsphase
Industrielle Praxis In Spanien ist es üblich, mit Wechseln (pagarés) zu bezahlen. Dies ist für den Lieferanten sicher. Kommen die pagarés von Firmen mit guter Bonität, werden sie sofort von spanischen Banken angekauft; der Wertabschlag beträgt knapp 4 %. Anlagen zur Wasserkonditionierung in der Betonindustrie werden üblicherweise zu folgenden Bedingungen verkauft: 1. Abschlag bei Bestellung ca. 30 % 2. Zahlung bei Auslieferung ca. 50 % 3. nach Leistungsnachweis (Zementeinsparungen > 5 %) 10…30 %
Neben der Abfolge der Zahlungen sind, gerade im internationalen Geschäft, auch die Lieferbedingungen von großer Bedeutung. Mit ihnen wird vereinbart, wie die Kosten und Risiken des Transports aufgeteilt werden. Neben den Kosten spielen vor allem praktische Aspekte eine Rolle: Wer kann leichter den Seetransport organisieren? Wer kennt sich im Exportbzw. Importhafen und mit den Zollmodalitäten besser aus? Meist werden im internationalen Geschäft die von der ICC (International Chamber of Commerce) herausgegebenen Standardklauseln, die so genannten Incoterms, verwendet, um die Lasten zwischen Käufer und Verkäufer aufzuteilen.
6
ZOLL
2 3
Abb. 7
8
ZOLL
5
1
7
4
Typischer Transportweg im internationalen Geschäft
9
4 Preise und Mengen
79
Ihre Aufgabe zu diesem Abschnitt lautet: Finden Sie vor Abgabe eines Angebots die Zahlungsbedingungen der Kunden heraus. Erfragen Sie die branchenüblichen Abschläge und Sicherungsmaßnahmen für Kunden und Lieferanten. Möglicherweise erfahren Sie diese Informationen von Ihren Lieferanten oder aber von Fachverbänden der Industrie bzw. über persönlich bekannte Insider. 4.3.3
Leistungseinheiten und Stückzahlen
Parallel zur Preissetzung ist auch die Planung des Mengengerüstes Ihres Unternehmens von Bedeutung. Für die Preisermittlung benötigen Sie wie schon bei der Berechnung der Mindestpreise gezeigt, dieses „Normalmengengerüst“. Bei Unternehmenskonzepten des Typs „Spezialist“ mit Fokus auf begrenzter Kapazität und organisch wachsendem Geschäftsvolumen stellt sich diese Frage zunächst von der Angebotsseite aus Ihrer eigenen Planung her: x Wie viele Kunden können Sie pro Jahr bedienen? Ihre Personalkapazität, Ihre räumliche Kapazität, die Lieferfähigkeit Ihrer Zulieferer begrenzen Ihre Möglichkeiten. Es gibt branchenspezifisch für derartige Unternehmen Faustformeln, wie viele Projekte oder Tagewerke ein Unternehmen typischerweise pro Jahr und Mitarbeiter bewältigen kann. In einigen Branchen kann man auch aus der Kenntnis der Preise und der Umsatzproduktivität pro Mitarbeiter (Umsatz pro Mitarbeiter und Jahr) Anhaltspunkte für die eigene Mengenplanung gewinnen. Rechnen Sie bei der Kapazitäts- und Mengenplanung von Einzelunternehmen oder kleinen Teams bitte ein, dass die Geschäftsführer sich gerade in der Anfangszeit mit der Organisation des Unternehmens und Auftragsanbahnungen befassen müssen. Diese führen erstens nicht direkt zu Einnahmen und begrenzen zweitens Ihre Zeit für „produktives Arbeiten“.
Sie benötigen also eine Mengenplanung für die ersten Geschäftsjahre, die langsam bis zur Normalauslastung ansteigt. Die Preisstellung sollte dann so erfolgen, dass bei „Normallast“ ein dem eingesetzten Kapital und der eingesetzten Arbeit angemessener Gewinn übrig bleiben kann. Falls Ihr Geschäftsmodell also nicht produktionsorientiert, sondern eher freiberuflich aussieht (Ingenieurbüro etc.), dann nehmen Sie die in der Branche übliche Normalauslastung und versuchen, diese in ca. drei Jahren zu erreichen.
80
C. Entwicklungsphase
Bei der Planung schnell wachsender Unternehmen ist die Planung des Mengengerüsts mit noch mehr Unsicherheit versehen. Die Mengengerüste solcher Unternehmen sind oft vertriebsgetrieben und mit den Risiken von Werbewirksamkeit, ungeeigneten Vertriebskanälen und schlechten Vertriebsmitarbeitern behaftet. Ein oft gesehener Planungsfehler, der aufgrund des zeitlichen Umsatzverlaufs so genannte „Hockeystock-Effekt“, kann über logische Plausibilitätsprüfung an dieser Stelle vermieden werden. Hierzu ein fiktives Beispiel: Wenn Sie im ersten Geschäftsjahr den Absatz von fünf Anlagen zu je 40.000 € planen und damit zu zweit neben dem Geschäftsanlauf zeitlich ausgelastet sind, dann können Sie nicht im zweiten Jahr eine Verdreifachung und im dritten Jahr eine Versechsfachung des Absatzes einplanen, wenn Sie nicht die personelle Kapazität bei Vertrieb und/oder Produktion entsprechend erhöhen. Aller Erfahrung nach benötigen die ersten Aufträge den persönlichen Arbeitseinsatz der Gründer, so dass diese oft kaum dazu kommen, viele weitere Kunden anzusprechen und bis zum Vertragsabschluss zu bringen. Allein die Vorlaufzeit derartiger Aufträge (ca. sechs Monate) und die Zeitkapazität der Unternehmer machen exponentiell wachsende Umsatzkurven nahezu unmöglich. Derartige Prognosen, die vor 2001 die Phantasie der Venture-Capital-Geber stimulieren sollten, ruinieren heute in einem Geschäftsplan auch die Seriosität der Gründer als Gesprächspartner. Gründer aus Hochschulen neigen dazu, in Projekten zu denken: Ein Forschungsprojekt wird gewonnen, abgearbeitet und dann das nächste beantragt. Unternehmen funktionieren so nicht. Hier muss kontinuierlich für Aufträge und Kundenbetreuung gesorgt werden, wenn die o. g. Auftragslöcher vermieden werden sollen. Ein geeignetes anschauliches Werkzeug des Vertriebscontrollings wird in Kapitel 5.4 vorgestellt. In der Befragung gaben an, dass 47 % der Unternehmen sich ab Anfang der Planung mit Preisen und Mengen beschäftigten, davon konnten nur 22 % innerhalb von vier Wochen ihre Preise und Mengen festlegen. Für insgesamt 16 % war dieses Thema noch nach der Gründung weiter zu bearbeiten.
4 Preise und Mengen
4.3.4
81
Zwischenergebnis Preise und Mengen
Nach intensiver Beschäftigung mit diesem Abschnitt sollten Sie: 9 Ihre Preisuntergrenze für Ihre typischen Leistungen berechnet haben, 9 Die Preise Ihrer Mitbewerber und deren qualitative Positionierung auf dem Markt sowie deren Umsätze und Marktanteile kennen, 9 Informationen über die Preisbereitschaft und Zahlungsmodalitäten Ihrer Kunden beschafft haben, 9 eine Preisstrategie erarbeitet haben (Marktabschöpfungs- oder Marktdurchdringungsstrategie mit einer preislichen und qualitativen Positionierung im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern), 9 ein den Preisen zugrunde liegendes plausibles Mengengerüst über die ersten drei bis fünf Jahre geplant haben.
4.4
Informationen
Umfänglich und auf Multimedia zugeschnitten ist der VDI/VDE-IT-Leitfaden mit dem Kapitel 4 Marketing: www.gruenderleitfaden.de/download/glf/gruenderleitfaden.pdf.
Die Infoletter Gründerzeiten Nr. 26 „Brancheninformationen“, Nr. 20 „Marketing“ und Nr. 28 Preisgestaltung des BMWI geben kurzen und kompetenten Einblick. www.existenzgruender.de/imperia/md/content/pdf/gz26.pdf, www.existenzgruender.de/imperia/md/content/pdf/gz20.pdf, www.existenzgruender.de/imperia/md/content/pdf/gz28.pdf)
Praxisorientiert mit Kalkulationsbeispiel zeigt Svenja Hofert, wie Preise ermittelt werden: Hofert S (2004) Praxishandbuch Existenzgründung. Erfolgreich selbständig werden und bleiben. Eichborn, Frankfurt am Main Zu den Themen Markt, Marketing, Preise und Mengen ist zunächst ein einschlägiges Lehrbuch mit Lexikoncharakter zu empfehlen. Kotler ist ein sehr gut lesbares, voluminöses Standardwerk zum Nachlesen. Kotler Ph et al (2003) Grundlagen des Marketing, Pearson Studium, 3., überarb Aufl, München. Als leicht verständlich geschriebene Hintergrundlektüre im Bereich Vertrieb ist auch hier Peter Godefroid zu empfehlen: Godefroid P (2003) Business-to Business-Marketing, Kiehl, Ludwigshafen.
82
C. Entwicklungsphase
Statistische Informationen sind auf der Website des Statistischen Bundesamt Deutschland erhältlich: www.destatis.de.
Ein sehr gelungenes und umfassendes Buch zu den Themen des Außenhandels, insbesondere der Angebots- und Vertragsgestaltung, ist Altmann J (2001) Außenwirtschaft in Unternehmen, 2. Aufl., Lucius & Lucius, Stuttgart Außenwirtschaftsinformationen wie Wirtschaftsdaten, Marktanalysen, Ausschreibungen, Zoll, Recht, Projekte, Geschäftspartner und Fördermaßnahmen, liefert die Bundesagentur für Außenwirtschaft: www.bfai.de.
D.
Umsetzungsphase
Interesse
Definition
Entwicklung
Umsetzung
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
Rand-/Anfangsbedingungen Persönliche Entscheidungen Markt u. Geschäftsmodell Preise u. Mengen Markteintritt: erste Kunden Finanzplan u. Finanzierung Organisation des Betriebs
In dieser Phase noch vor dem offiziellen Start des Unternehmens gehen Sie bereits vertragliche Verpflichtungen ein und planen vor allem Markteintritt und Finanzen bzw. Finanzierung Ihres Unternehmens. Die für jedes Start-up-Unternehmen anstehenden Organisationsaufgaben vom Finden von Geschäftsräumen über die Einrichtung, das Verpflichten passender Rechtsanwälte für die Rechtsformwahl wie auch Steuerberater für Buchführung und Jahresabschlüsse bis hin zum Freischalten des Telefons (zeitlichen Vorlauf beachten; nicht trivial!) werden hier nicht abgebildet. Diese Aufgaben halten Unternehmensgründer in der Regel ab acht Wochen vor dem Start in Trab. Die Ergebnisse der Befragung zeigen aber, dass diese Aspekte für den Geschäftserfolg grundsätzlich nachrangig sind. Sie können aber – falls nicht rechtzeitig erledigt – den Start erschweren oder verzögern. Auch Mitarbeiter werden zunehmend erst in einer späteren Phase der Expansion eingestellt. Zunächst helfen sich die weitaus meisten Technologiegründungen in der ersten Zeit mit Werkverträgen formal selbstständiger Dienstleister. Sehr gute Informationsquelle zu organisatorischen Aspekten und Rahmenbedingungen finden sich in den verschiedenen kostenlosen „Gründerzeiten“ des Bundeswirtschaftsministeriums. Einen guten Überblick über alle derartigen Aspekte bietet die „Starthilfe“ aus demselben Haus. Von zentraler Bedeutung für Ihren Geschäftserfolg ist dagegen Ihr professioneller Umgang mit Ihren Kunden, denn nur diese bringen Geld ins Haus.
84
5
D. Umsetzungsphase
Markteintritt: Wie gehen Sie mit Kunden um?
Fragt man einen Durchschnittbürger, was er vom Verkaufen hält, so wird er mit großer Wahrscheinlichkeit die Nase rümpfen und Verkauf irgendwie anrüchig finden. Warum ist das so, obwohl doch kein Geschäft ohne Verkauf abgewickelt werden könnte? Im Abendland wird, spätestens seit Benedikt von Nursia im 4. Jahrhundert die Ordensregel ora et labora (bete und arbeite) schuf, Arbeit als gottgefällig betrachtet. Kaufmännische Tätigkeit wurde dagegen – erkennbar am Zinsverbot des Thomas von Aquin und auch Martin Luthers – erschwert und stets geringer geschätzt als die „ehrliche“ Arbeit. (Auch der Islam kennt das Zinsverbot. Man überließ den Umgang mit Geld daher vielerorts den Menschen, welchen der Zins nicht religiös untersagt war: den (Hof-)Juden. Diese hatten dafür unter weltlichen Berufsverboten zu leiden, durften beispielsweise nicht Handwerker werden.) Auf diesem kulturellen Humus gedeihen bis heute Zerrbilder des Verkaufs. Das Bild des Verkäufers wird einerseits geprägt durch die Angst vor der von Haustür zu Haustür eilenden Drückerkolonne, andererseits von einem wahren Wunderwesen, nämlich der Verkaufskanone. Diese verkauft in der Wüste erfolgreich Sandkörner und gilt im allgemeinen Bewusstsein als Idealbesetzung für jede Art von Verkauf. Aber keine Angst! Um es ganz klar zu sagen: Genau so geht technischer Vertrieb nicht! Im Gegenteil: Sie können (und sollen) ein anständiger Mensch sein und bleiben und trotzdem sehr erfolgreich in Industriegütermärkten agieren. Um aber erfolgreich im B2B-Geschäft zu werden, sollten Sie über einige Grundzüge des Geschäfts Bescheid wissen. Insbesondere hilft es Ihnen, Folgendes zu kennen: x x x x
Bedeutung des persönlichen Verkaufs, Dauer und Phasen des B2B-Vertriebsprozesses, das Verhalten von Unternehmen (bzw. seiner Mitarbeiter) und wie Sie im Verkauf wirksam Prioritäten setzen.
Diese Inhalte werden Ihnen in den nachfolgenden Abschnitten zunächst theoretisch näher gebracht. Auf dieser Basis entwickeln Sie dann einen konkreten Handlungsleitfaden für Ihr Unternehmen.
5 Markteintritt: Wie gehen Sie mit Kunden um?
5.1
85
Bedeutung des persönlichen Verkaufs
Mit steigender Produktkomplexität steigt im Produktgeschäft der Erklärungsbedarf. Es werden verstärkt Rückfragen nötig, die nicht mehr automatisiert beantwortet können, sondern durch Experten geklärt werden müssen. Im Systemgeschäft (Erweiterungs-, Verkettungssysteme) oder gar im Anlagengeschäft (Güterbündel mit komplexen Sach- und Dienstleistungen) reicht häufig nicht einmal mehr ein einzelner Experte, sondern sowohl in den Verkaufs- als auch Einkaufsprozess sind Personengruppen involviert. Der persönliche Verkauf ist also in weiten Bereichen des Investitionsgütergeschäfts nach wie vor unverzichtbar.
guter persönlicher Verkauf langfristige Partnerschaft
längerfristige Verkaufschance
gute Produkte
schlechte Produkte
kurzfristige Partnerschaft
keine Verkaufschance
schlechter persönlicher Verkauf
Abb. 8
Bedeutung des persönlichen Verkaufs (nach Weis 2001)
Persönlicher Verkauf hat große Vorteile: x x x x x
wechselseitige Kommunikation, direktes Feedback, Konzentration des Verkäufers auf den Käufer und seine Probleme, Möglichkeit der Beteiligung am Entscheidungsprozess des Käufers, aktive Problemlösung mit und für den Käufer.
86
D. Umsetzungsphase
Allerdings weist er auch gravierende Nachteile auf: x hohe Kosten, x Qualität der Kommunikation abhängig von der Qualität des Verkäufers, x durch schlechte Verkaufstätigkeit kann die Kundenbeziehung verschlechtert werden, x die tatsächliche Verkäufertätigkeit kann oft nicht unmittelbar beurteilt werden. Persönlicher Verkauf sollte daher nur dort eingesetzt werden, wo es wirklich erforderlich ist. Auch ist bei Verkäufern darauf zu achten, dass ihre Zeit tatsächlich möglichst produktiv, d. h. im Kundengespräch, eingesetzt wird. Bei Ihnen als technologieorientiertem Gründer wird es allerdings ohne persönlichen Verkauf nicht gehen. Warum ist das so? Die Bedeutung der Anforderungen im Verkauf hängt stark vom Produkt ab (Abb. 9). Mit steigender Komplexität wird es immer wichtiger, den konkreten Einsatzfall beim Kunden zu verstehen und dessen Lösungsbedarf zu erkennen. Dieses gilt insbesondere im Investitionsgüterbereich. 100%
Verkäufer Konsumgüter (beim Kunden)
Fähigkeit, persönlich zu überzeugen
Verkäufer Gebrauchsgüter (beim Kunden)
Industrieverkäufer (Pharmareferent o. ä.) Ladenverkauf Gebrauchsgüter
Verkäufer Investitionssgüter
Ladenverkauf Konsumgüter
0% 0%
Abb. 9
Verkäufer Dienstleistungen
Kenntnis der Kundenprobleme
100%
Bedeutung der Anforderungen im Verkauf (nach Weis 2000, S. 18)
Eine dauerhaft gute Beziehung zum Kunden kann nur ein Unternehmen aufbauen, welches gute Produkte besitzt und über einen angemessenen persönlichen Verkauf eine von gegenseitigem Vertrauen geprägte Beziehung herstellt.
5 Markteintritt: Wie gehen Sie mit Kunden um?
87
Der persönliche Verkauf betrifft aber nicht nur die eigentlichen Verkäufer. Technisches Spezialwissen muss im B2B-Bereich, also im Verkauf von Firmen an Firmen, und gerade im System- und Anlagenbereich von den Mitarbeitern der F&E und Konstruktion in direktem Kontakt mit den Spezialisten der Kunden ausgetauscht werden. Dafür sind neben den technischen auch gute kommunikative und soziale Fähigkeiten nötig. Fazit: Sie können nicht alles per E-Mail regeln, sondern müssen vieles persönlich erklären. Nur so können Sie Vertrauen bei ihren Partnern aufbauen. Die dafür erforderliche Zeit, das Geld und die Manpower sollten Sie von vornherein einkalkulieren.
5.2
Dauer und Phasen des B2B-Vertriebsprozesses
Prägend für den B2B-Geschäftsprozess ist x das hohe Wertvolumen, x die räumliche Distanz zwischen Anbieter und Nachfrager, x die Dauer des gesamten Transaktionsprozesses. Die gesamte Transaktion kann in bestimmte Phasen aufgeteilt werden. Je nach Sicht von der Warte des Anbieters oder des Käufers spricht man von Absatz- bzw. Beschaffungsphasen. Der genaue Ablauf hängt auch davon ab, ob eine Investition erstmalig oder erneut geschieht. Man unterscheidet: x Neukauf (new task), x modifizierter Wiederholkauf (modified rebuy), x identischer Wiederholkauf (straight rebuy). Auch innerhalb dieser Klassen gibt es große Unterschiede. So ist die Neubeschaffung eines Standardprodukts (z. B. marktübliches Computersystem) wesentlich einfacher als die eines Produkts, welches erstmalig eingesetzt wird (z. B. Produktionsanlage mit neuem Verfahren). Im ersten Fall ist die Funktion praktisch gesichert, im zweiten Fall besteht ein erhebliches Risiko, die Anlage überhaupt in Produktion zu bringen. Der Informationsbedarf ist maximal, Alternativen werden umfassend geprüft.
D. Umsetzungsphase
88
Modifizierte Wiederholkäufe treten bei Kapazitätserweiterungen auf, wenn also nach einiger Zeit mittlerweile weiterentwickelte Anlagen zugekauft oder bestehende Anlagen durch Neubeschaffungen auf den neuesten Stand gebracht werden. Der Informationsbedarf ist gering, die Betrachtung von Alternativen erfolgt nur begrenzt. Beim identischen Wiederholkauf gibt es praktisch keinen Informationsbedarf, die Betrachtung von Alternativen unterbleibt. Die Beschaffungsklassen werden im Buygrid-Modell mit acht Beschaffungsphasen kombiniert. Man erkennt, dass bei Wiederholkäufen die Phasen der Vorüberlegung, Suche und Information entfallen.
Kaufphasen
Kaufarten Neugeschäft
Modifizierter Wiederholkauf
Identischer Wiederholkauf
1.
Vorwegnahme oder Erkennen eines Problems (Bedürfnisses) und einer allgemeinen Lösungsmöglichkeit
--
--
2.
Bestimmung der Eigenschaften und Mengen der benötigten Produkte
--
--
3.
Beschreibung der Eigenschaften und Mengen der benötigten Produkte
--
--
4.
Suche und Bewertung potenzieller Produktquellen
--
--
5.
Einholen und Analyse von Angeboten
(--)
--
6.
Bewertung der Angebote, Lieferantenauswahl
(--)
--
7.
Auswahl eines Bestellverfahrens
8.
Leistungs-Feedback und Leistungsbewertung
Abb. 10 Buygrid-Modell (nach Webster u. Wind 1972)
Aus Sicht des technologieorientierten Gründers, der seine Produkte verkaufen möchte, kann man den Prozess auch ganz praktisch in folgende fünf Phasen aufteilen: 1. Sie interessieren sich für den Kunden. 2. Der Kunde beginnt sich für Sie zu interessieren. 3. Überzeugung wird aufgebaut, Kritik wird abgebaut. 4. Der Kunde entscheidet sich für Sie. 5. Der Kunde erlebt die Realisierung.
5 Markteintritt: Wie gehen Sie mit Kunden um?
Geschäftsanbahnung Æ Information
Anbahnung
Akquisition Æ Erfolg
Projektakquise Bestandsaufnahme
Kundenselektion
Anfrage Anfragenbewertung
Projektselektion
Angebot Angebotserstellung
Anfragenselektion
89
Akquisition Æ Ergebnis
Auftrag
Abwicklung
Kunden zum Auftrags„Ja“ führen begleitung
Abgabe/ Annahme
Auftragseingang
Abnahme
Abb. 11 B2B-Transaktionsprozess (nach Smidt u. Marzian 2001, S. 23)
5.2.1
Sie interessieren sich für den Kunden
In der ersten Phase werden potentielle Kunden identifiziert und geprüft, inwieweit das Leistungsvermögen des Lieferanten den Bedürfnissen des Kunden entspricht. Ist eine grundsätzliche Möglichkeit der Zusammenarbeit gegeben, wird nach konkreten Kooperationsgelegenheiten gesucht. Damit beginnt der eigentliche Akquisitionsprozess. Wird beim Kunden ein Bedarf erkannt, den der Lieferant decken kann, so könnte sich daraus ein Projekt entwickeln (Projektakquise). Der Bedarf kann durch den Kunden, den Lieferanten oder Dritte aufgezeigt werden. Probleme werden vielfach durch externe Personen wie z. B. Unternehmensberater wahrgenommen, die unvoreingenommen die Situation beurteilen und Vergleichsmöglichkeiten zu anderen Unternehmen haben. Aber auch gute Lieferanten erkennen Probleme ihrer Nachfrager vielfach früher, indem sie Vergleiche zu deren Konkurrenz anstellen und von dieser womöglich auch Lösungsansätze kennen. Guter technischer Vertrieb beginnt also bereits in den Investitionspausen! 5.2.2
Der Kunde beginnt sich für Sie zu interessieren
Erwidert der Kunde das Interesse, so wird er im Bedarfsfall konkret anfragen bzw. ein Angebot erbitten. Schriftliche Anfragen gehen an ausgewählte Anbieter (bei Anlagen ca. drei bis fünf). Ggf. werden Vorverhand-
90
D. Umsetzungsphase
lungen geführt. Es erfolgen Besuche von Anbietern, Produkttests, Besuche von Referenzkunden der Anbieter. Der Kunde hat vorab bei neuartigen Lösungen ein Lastenheft (Problemdefinition) und schließlich ein Pflichtenheft (Lösungsansatz) erstellt: x Das Lastenheft enthält die technische Problemdefinition. Die Anforderungen des Kunden werden als Liefer- und Leistungsumfang einschließlich aller Randbedingungen zusammengestellt. Der Auftraggeber beschreibt also, was zu welchem Zweck gelöst werden muss. Das Lastenheft dient als Ausschreibungs-, Angebots- und Vertragsgrundlage. x Im Pflichtenheft wird beschrieben, wie und womit die im Lastenheft aufgezeigten Anforderungen umzusetzen sind. Es ist also eine Lösungskonzeption, in der die technischen Mittel zur Lösung beschrieben werden. Das Pflichtenheft wird vom Auftragnehmer, also dem Lieferanten, auf der Grundlage des Lastenhefts erstellt, welches gleichzeitig zum Teil des Pflichtenhefts wird. Die entsprechende VDI/VDE-Richtlinie sieht eine durchgängige Nummerierung beider Teile vor.
Lastenheft 1. Einführung in das Projekt 2. Beschreibung der Ausgangssituation (IstZustand)
Pflichtenheft 9.
Systemtechnische Lösung 9.1
Kurzbeschreibung der Lösung
9.2
Gliederung und Beschreibung der systemtechnischen Lösung
9.3
Beschreibung der systemtechnischen Lösung für regulären Betrieb (Normalbetrieb) und irregulären Betrieb (Störungs- bzw. Notfall)
3. Aufgabenstellung (Soll-Zustand) 4. Schnittstellenbestimmung (technischer Prozess/Rechner, Mensch/Rechner, Rechner/Rechner, Programm/Rechner, Programm/Programm) 5. Anforderungen an die Systemtechnik 6. Anforderungen an die Inbetriebnahme und den Einsatz 7. Anforderungen an die Qualität 8. Anforderungen an die Projektabwicklung
10. Systemtechnik (Ausprägung) 10.1 Datenverarbeitungssystem 10.2 Datenverwaltungs-/Datenbanksystem 10.3 Software 10.4 Gerätetechnik 10.5 Technische Daten der Geräte 10.6 Technische Angaben für das Gesamtsystem
Abb. 12 Inhalte von Lasten- und Pflichtenheft (nach VDI/VDE-Richtlinie Nr. 3694)
Ein so genanntes Buying Center, also ein Beschaffungsteam, hat sich beim Kunden informell zusammengefunden (siehe Abschnitt 5.3).
5 Markteintritt: Wie gehen Sie mit Kunden um?
5.2.3
91
Überzeugung wird auf-, Kritik abgebaut
Auf Erfolg versprechende Anfragen werden technische Lösungen ausgearbeitet. Die Bearbeitung erfolgt nach Auftragswahrscheinlichkeit, denn Angebote im Investitionsgüterbereich sind häufig mit hohen Kosten verbunden (bis 5 % des Projektwerts!). Das Angebot wird im Dialog mit dem Kunden entwickelt und schließlich unterbreitet. Im ständigen Kundenkontakt wird das Angebot vertreten und, eventuell durch Anpassungen, versucht eine positive Kundenentscheidung herbeizuführen. Ein Angebot ist stets auch eine Visitenkarte Ihres Unternehmens. Es muss daher sauber strukturiert und makellos gestaltet werden. Auch darf kein wichtiger Punkt vergessen werden, denn ein Angebot ist bindend, d. h. kann nicht einfach zurückgezogen werden. Um keinen Fehler zu machen, sollten Sie auf die Erfahrungen eines Coaches zurückgreifen.
Aufbau guter Angebote Ein hohes Maß an Übersichtlichkeit, aber auch leichter Aktualisierbarkeit erreicht man durch einen modularen Aufbau. Er erleichtert auch die stets empfehlenswerte Arbeit mit Checklisten. Einen mustergültigen modularen Aufbau praktiziert der holländische Reifenmaschinenhersteller VMI. Seine Angebote bestehen aus: 1. Anschreiben, darin enthalten die 2. wesentlichen kaufmännischen Bedingungen (z. B. Zahlung, Lieferung, Befristung), 3. strukturierter und nummerierter Preisübersicht, 4. entsprechend nummerierter genauer Leistungsbeschreibung, 5. technischem Anhang (Zeichnungen, Spezifikationen, Normen etc.)
Technische Fachleute wählen kundenseitig Angebote mit geeignetem Eigenschaftsprofil aus. Falls nötig, erfolgen Rückfragen an den Lieferanten. Es gibt meist mehrere Verhandlungsepisoden mit Verhandlungspausen. 5.2.4
Der Kunde entscheidet sich für Sie
Der Kunde entscheidet rational beispielsweise auf Basis einer Nutzwertanalyse oder einer Wirtschaftlichkeitsanalyse. Wenn Ihre Leistungen passen und Sie im Vorfeld alles richtig gemacht haben, geht der Auftrag schließlich ein.
D. Umsetzungsphase
92
Beispiel Werkzeugmaschinenindustrie Im Werkzeugmaschinenbereich waren laut einer Untersuchung aus dem Jahre 1990 (E. Kern) im Durchschnitt 3,6 Verhandlungen bis zum Abschluss notwendig. Die Werte streuten insbesondere in Abhängigkeit vom Wert der Transaktion stark. Bei 4 % der Geschäfte wurde elf- bis zwanzigmal verhandelt! Die Auftragswahrscheinlichkeit betrug ca. 13 %, d. h. weniger als jedes siebte Angebot führte zu einem Auftrag. Heute liegt dieser Wert nach Angaben eines führenden Herstellers noch wesentlich geringer. Im Vertrieb ist also ein hohes Maß an Frustrationstoleranz nötig!
5.2.5
Der Kunde erlebt die Realisierung
Es erfolgen die Anlieferung und Montage durch den Lieferanten und die Abnahme durch den Auftraggeber. Ggf. werden Nachbesserungen ausgeführt und Garantieleistungen erbracht. Werthaltigkeit und Ergebnis der Lieferung werden durch den Kunden beurteilt. Und nur wenn das Ergebnis stimmt, gibt es die Chance auf den nächsten Auftrag! 5.3
Das Verhalten von Unternehmen
Um in Investitionsgütermärkten erfolgreich zu agieren, reicht es nicht aus, die zeitlichen Abläufe der Beschaffung bzw. des Verkaufs zu kennen. Darüber hinaus ist es notwendig, die sich aus der hohen technischen Komplexität der Aufgaben ergebende Arbeitsteiligkeit beim Verkauf von Anlagen und Systemen genauer zu analysieren. In das Investitionsgütergeschäft werden bei sehr großen Investitionen beinahe alle Unternehmensbereiche einbezogen; typischerweise sind dies Geschäftsführung, Forschung und Entwicklung, Einkauf, Fertigung, Marketing und Personal. In all diesen Bereichen agieren Menschen individuell, d. h. in Abhängigkeit von ihrer Persönlichkeit, hierarchischen Stellung und Fachkompetenz. Die an der Beschaffung beteiligten Personen haben außerdem eine gewisse Entscheidungsmacht gegenüber dem anbietenden Unternehmen und dessen Mitarbeitern, denn in einer konkreten Verkaufssituation ist das einkaufende Unternehmen Quasi-Nachfragemonopolist. Aus diesen vielen Einflussgrößen ergibt sich ein überindividuelles „Verhalten“ der beschaffenden und der anbietenden Unternehmung. Man be-
5 Markteintritt: Wie gehen Sie mit Kunden um?
93
zeichnet das resultierende Entscheidungs- und Informationsverhalten als organisationales Verhalten. Auf der Einkaufsseite spricht man von organisationalem Beschaffungsverhalten, auf der Verkaufsseite von organisationalem Absatzverhalten. Die Gruppe der handelnden Personen im Beschaffungsprozess wird als Buying Center, die des verkaufenden Unternehmens als Selling Center bezeichnet. Nicht jeder Einkauf erfordert überhaupt ein Buying Center. Die Beschaffung stets gleicher oder geringfügig modifizierter Standardprodukte kann auch von qualifizierten Einkäufern allein abgewickelt werden. Im Allgemeinen gilt: Je spezieller die Beschaffung und je höher das Beschaffungsvolumen, desto mehr Personen werden in die Einkaufs-, aber auch Verkaufsentscheidung einbezogen. Spielregeln in der Automobilindustrie Es gibt auf dem Weltmarkt nur sehr wenige Hersteller von Pkw-Bremssystemen, denen ebenfalls wenige Fahrzeughersteller gegenüberstehen. Eigentlich liegt somit ein bilaterales enges Oligopol vor. In der konkreten Beschaffungssituation schreibt jedoch nur einer der Fahrzeughersteller seinen Bedarf aus, beispielsweise sucht Mercedes einen Bremsenlieferanten für die neue S-Klasse. Um diesen einen Auftrag buhlen nun die Hersteller von Bremssystemen. Der Nachfrager besitzt also eine monopolartige Stellung und hat daher, obwohl es mehr Fahrzeug- als Bremssystemhersteller gibt, die bessere Verhandlungsposition. In die Verhandlungen sind aufgrund der sehr komplexen und speziellen Technik und der Höhe des Beschaffungsvolumens auf Angebots- wie Nachfrageseite zusätzlich zum Ver- bzw. Einkäufer mindestens weitere Techniker involviert. Es besteht also ein Buying Center und ein Selling Center.
5.3.1
Das Buying Center
Das Buying Center (BC) ist, wenn Sie ein hochwertiges und technisch anspruchsvolles Produkt anbieten, Ihr Kunde: x Ihr Kunde ist keine homogene Masse, sondern besteht aus einzelnen Personen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten und unterschiedlichen Aufgaben und Befugnissen. x Ihr Kunde ist eine informelle Gruppe, die nur für jeweils eine anstehende Beschaffungsentscheidung gebildet wird. Natürlich können in-
D. Umsetzungsphase
94
nerhalb einer Firma Buying Center immer wieder gleich oder ähnlich besetzt werden. Das Buying Center ist wie folgt gekennzeichnet: x x x x x
Es ist problemspezifisch tätig (in eine konkrete Beschaffung involviert). Es ist informell konstituiert. Auch Außenstehende können dazugehören. Die Mitglieder spielen verschiedene Rollen (siehe unten). Eine Person kann mehrere Rollen spielen. Eine Übersicht über das Buying Center beantwortet folgende Fragen:
x Welche Personen mit welchen Funktionen gehören zum Buying Center? x Welche sachlichen und persönlichen Interessen verfolgen die Mitglieder? x Welches aktive und passive Informationsverhalten zeigen diese Personen? x Welches Entscheidungsverhalten haben die einzelnen BC-Mitglieder? x Welche Bedeutung hat jedes einzelne Mitglied in den verschiedenen Phasen des Kaufprozesses? 5.3.2
Rollen im Verkaufsprozess
In der Literatur (z. B. Miller u. Heiman) werden mindestens vier aus Verkäufersicht maßgebliche Rollen (Kaufbeeinflusser-Gruppen) im Buying Center des Investitionsgütergeschäfts unterschieden: x x x x
Entscheider, Anwender, Wächter, Coach.
Die Rollenverteilung hängt ab von x x x x x x
Hierarchie, Fachkompetenz, Informationsverhalten, Einflussstärke, Psyche, sozio-kulturellen Faktoren.
Manchmal bleiben einzelne Rollen unbesetzt.
5 Markteintritt: Wie gehen Sie mit Kunden um?
95
Um den Verkaufsvorgang positiv zu beeinflussen, ist es für Sie wichtig, die Rollen der einzelnen Mitglieder des Buying Centers zu verstehen. Das macht es möglich, über gezielte Kontakte zu bestimmten Mitgliedern das organisationale Verhalten in die gewünschte Richtung zu lenken. Entscheider Der Entscheider spricht letztlich das entscheidende „Ja“. Es gibt nur einen Entscheider je Kauf, der die Mittel freigeben kann. Dieses kann bei kleineren Firmen der Inhaber sein, in großen Unternehmen auch eine hierarchisch niedrigere Person. Wer entscheidet, hängt vom Auftragswert, der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens und den voraussichtlichen Auswirkungen der Investition auf das Unternehmen ab. Entscheider müssen letztlich die Frage beantworten, ob der ROI (return on investment) die Investition rechtfertigt. Wichtig ist es, den Entscheider sicher zu identifizieren. Das ist nicht immer ganz leicht, da andere Leute im Buying Center gern den Eindruck erwecken, besonders wichtig zu sein (Wächter scheinen geradezu prädestiniert dafür). Man kann in Verhandlungen direkt nach dem Entscheidungsweg fragen oder einen Coach (s. u.) um Hilfe bitten. Denken Sie beim Umgang mit Entscheidern daran, dass deren Zeit meist knapp bemessen ist. Wenn Sie diesen kontaktieren, dann aus adäquatem Anlass und um ihm Wissen zu vermitteln, dass ihn weiterbringt. Dies kann in unmittelbarem Zusammenhang mit Ihrem Produkt geschehen, kann aber womöglich auch nur in indirektem Zusammenhang dazu stehen. Sie hinterlassen dann einen kompetenten Eindruck und schaffen eine positive Grundstimmung für spätere Entscheidungen. Dennoch sollten Kontakte zum Entscheider regelmäßig geschehen. Verkaufsprofis finden stets einen adäquaten Anlass, um sich immer wieder in kompetente Erinnerung zu bringen. Anwender Die Rolle der Anwender besteht darin, den Nutzen des Produkts für ihren speziellen Tätigkeitsbereich zu beurteilen. Sie konzentrieren sich auf Bedienerfreundlichkeit, Zuverlässigkeit, Serviceleistungen, Schulungsbedarf, Ausfallquoten, Wartung, Sicherheit o. Ä. Anwender fragen sich, was ihnen das Produkt für ihren Job bringt. Auf der Anwenderebene entscheidet sich der Geschäftserfolg, denn nur ein gutes Produkt kann zu einer langfristigen Partnerschaft führen.
96
D. Umsetzungsphase
Wächter Wächter können den Kauf zwar nicht genehmigen, aber verhindern – und sie tun das oft. Wächter prüfen das Kaufangebot auf unterschiedliche Arten, die ihrem Kompetenzbereich entsprechen. Dies kann technisch, wirtschaftlich, rechtlich, bisweilen auch zwischenmenschlich geschehen. Dementsprechend sind die Personen technische Spezialisten, Controller, Mitglieder der Rechtsabteilung, aber vielleicht auch die Sekretärin, auf deren persönliches Urteil der Chef (Entscheider) Wert legt. Der Wächter fragt: „Werden unsere Anforderungen erfüllt?“ Wächter können auch externe Personen sein, beispielsweise Mitglieder einer Genehmigungsbehörde. Wächter können Sie, um erfolgreich zu verkaufen, x für sich gewinnen, indem Sie ihnen ihre persönlichen Vorteile aus dem Geschäft aufzeigen (siehe 5.3.5), x umgehen, um Sie dann langfristig als Feind zu haben (schlecht!), x absolut ernst nehmen und ihren Anweisungen folgen (kurzfristig meist ungünstig, langfristig womöglich von Vorteil). Coach Der Coach ist eine Person, die einerseits die Personen innerhalb des Buying Centers gut kennt und dort Glaubwürdigkeit besitzt und andererseits besonders vertrauensvoll mit dem Verkäufer zusammenarbeitet und diesen unterstützt. Der Coach kann der Käuferorganisation entstammen, gelegentlich aber auch in der Verkäuferorganisation oder extern, beispielsweise bei einem Unternehmensberater, gefunden werden. Er beschafft und beurteilt Informationen über den aktuellen Stand und die Kaufbeeinflusser. Ein Coach ist, im Gegensatz zu den anderen Rollen im Buying Center, nicht einfach vorhanden, sondern muss vom Verkäufer aufgebaut werden. Am schönsten ist es, wenn Sie über längere Zeit das Vertrauen des Entscheiders gewinnen, so dass der Ihr Coach wird. Weitere Rollen Gelegentlich werden noch weitere Rollen beschrieben, die sich aber auch dem oben aufgeführten Schema zuordnen lassen. x Der Einkäufer (buyer) spielt beim Wiederholkauf die entscheidende, beim Neukauf häufig eine untergeordnete Rolle; sollte vom Anbieter stets kontaktiert werden.
5 Markteintritt: Wie gehen Sie mit Kunden um?
97
Der Einkäufer ist, je nach Bedeutung und Spezifität der Transaktion, Wächter oder Entscheider. Er kann unter Umständen, beispielsweise bei einer gut eingespielten Geschäftsbeziehung, auch als Coach agieren. x Der Initiator ist die Person, die die erste Idee hatte. Sie kann auch von außerhalb stammen, z. B. Anbieter, Berater, Wettbewerber. Der Initiator tritt im eigentlichen Einkaufsprozess nicht mehr in Erscheinung oder er schlüpft in die Rolle des Wächters oder Coaches. x Der Beeinflusser (influencer) hat erheblichen (i. d. R.) informellen Einfluss auf die Kaufentscheidung. Beeinflusser haben eine Wächter-Funktion, können aber auch als Coach agieren. x Der Informationsselektierer (gatekeeper) beeinflusst Informationsfluss, u. U. auch informell die Entscheidung (Assistent, Sekretärin). Achtung: Informationsselektierer haben eine Wächter-Funktion! Wenn Sie bei Ihrem Kunden sind, behandeln Sie insbesondere die Damen (bzw. Herren, auch das kommt vor) im Vorzimmer mit ausgesuchter Höflichkeit. Viele Chefs verlassen sich sehr stark auf den persönlichen Eindruck ihrer engen Mitarbeiter. Sie können an dieser Stelle Aufträge verlieren, aber auch gewinnen. Bei einem guten Verhältnis zum Vorzimmer können Sie sogar Einschätzungen und Zwischenstände in Erfahrung bringen. Bei einem schlechten Verhältnis erfahren Sie gar nichts. Schlimmer noch: Womöglich erfährt der Entscheider noch nicht einmal, dass Sie vorgesprochen haben, oder er erhält einen sehr negativ gefärbten Bericht.
5.3.3
Promotoren und Opponenten
In jedem Beschaffungsprozess gibt es Treiber und Bremser. Diese werden im Promotoren/Opponenten-Modell nach Witte identifiziert: x Promotoren unterstützen intensiv den Kauf. x Opponenten stellen ihm Widerstand entgegen. Daraus resultiert ein Grad der Zustimmung (der sog. Konsensstatus).
98
D. Umsetzungsphase
Um erfolgreich zu verkaufen, sollte man die Rollenverteilung im Buying Center kennen. Besonders wichtig und schwierig ist es, die Bremser zu entdecken. Opponenten sind schwerer identifizierbar als Promotoren, da sie meist nicht offen, sondern im Hintergrund agieren. Im Buying Center agieren folgende Promotoren und Opponenten: x Machtpromotoren sind Entscheider, die formalen Einfluss haben, um Fachpromotoren belohnen und Opponenten bestrafen zu können. x Fachpromotoren unterstützen die Beschaffungsentscheidungen im BC durch permanente Problembeschäftigung, Informationsaufnahme, langjährige Erfahrung. Sie können Beeinflusser, Benutzer, Entscheider, Initiatoren sein. x Machtopponenten tun das Gegenteil von Machtpromotoren. Steht nicht Eigennutz im Vordergrund, so können sie eine positive Rolle im Sinne der Risikovermeidung spielen. x Fachopponenten verzögern, behindern Beschaffungsentscheidungen. Promotoren wie Opponenten treten auch paarweise oder in Personalunion auf. Promotorengespanne bilden sich aus Entscheidern, Beeinflussern, Benutzern. Übliche Unterstellungsverhältnisse spielen für die Dauer der Beschaffung eine untergeordnete Rolle. Die Kritik von Opponenten erfolgt meist nicht offen und innerhalb des Buying Centers, sondern versteckt und von außerhalb. Sie argumentieren häufig nicht direkt gegen die Beschaffungsentscheidung, sondern gegen mit dieser im Zusammenhang stehende Maßnahmen. Typische Aktivitäten von Opponenten sind: x x x x x x x x x
Argumentation gegen organisatorische Ist-Aufnahmen, Argumentation gegen Einschaltung von Beratern, Argumentation gegen Konferenzen, Kritik an problemlösenden Beiträgen, Aufdecken von Informationslücken, Verzögerung von Teilentschlüssen, Verwerfen von Lösungsvorschlägen der Promotoren, Anzweifeln vorgelegter Prognosen, Anzweifeln der Vorteilhaftigkeit erzielter Vereinbarungen.
5 Markteintritt: Wie gehen Sie mit Kunden um?
99
Opponenten und Opponentengespanne sind dennoch durchaus nicht nur negativ zu sehen, da sie die Promotoren zu sorgfältiger Arbeit zwingen und unter Umständen Schaden vom einkaufenden Unternehmen abhalten. Konflikte beim Kunden Manche Konflikte beim Kunden sind vorprogrammiert: Der Einkäufer wird für Kosteneinsparungen in der Beschaffung honoriert, der Fertigungsleiter nach seiner Produktionsleistung. Der Einkäufer kauft womöglich eine billige, aber nicht solide Anlage, mit der die Fertigung sich anschließend herumärgert. Der Einkäufer hat die Finanzabteilung auf seiner Seite, die Fertigung die Qualitätssicherung. Der Entscheider muss dann seinem Namen gerecht werden. Sie sollten ihn unbedingt auf Ihrer Seite haben.
5.3.4
Einfluss der Unternehmensgröße des Kunden
Je größer das Unternehmen, desto größer ist (tendenziell) das Buying Center. Mit steigender Größe x nimmt der Gruppendruck zu, x steigt die Wahrscheinlichkeit der Herausbildung von Meinungsführerschaften, x treten Individuen in Gegenwart anerkannter Fachleute engagierter als sonst auf, x zeigen sich Individuen gegenüber anerkannten Fachleuten kompromissbereiter, x ändert sich allgemein der Charakter der Interaktionen. Bei Zeitdruck und strafferer Führung sind also weniger Buying-CenterMitglieder aktiv am Entscheidungsprozess beteiligt. Die Mitglieder verlassen sich stärker auf Führungskräfte und Experten sowie vorliegenden Informationsquellen. Hohes wahrgenommenes Risiko (Unsicherheit hinsichtlich der Bedeutung und der Folgen der Entscheidung) verstärkt den Einfluss der Experten- und Informationsmacht. Es kommt Ihnen nicht nur so vor, sondern es ist tatsächlich so: In Unternehmen geht es zu wie in der Politik: Koalitionen formieren sich, und es kommt durch gegenteilige Interessen und Meinungen zu Konflikten. Wenn Sie diese Politik Ihrer Kunden verstehen, womöglich sogar beeinflussen, verbessern Sie Ihre Verkaufschancen ganz erheblich.
100
5.3.5
D. Umsetzungsphase
Der Schlüssel zum Verkaufserfolg
Die Beschaffungsentscheidung in der für ein Investitionsgütergeschäft typischen Automobilbranche erfolgt üblicherweise durch eine Nutzwertanalyse (Kosten-Nutzen-Verhältnis) aufgrund von x x x x x x x x x x
Preis, Kompetenz auf technischem Gebiet, Liefersicherheit, Produktionserfahrung, Größe, weltweite Präsenz, Produktinnovation, Qualitätsniveau, Qualität und Dauer der Geschäftsbeziehung, Bereitschaft zur Offenlegung der Kalkulation.
All das klingt sehr rational; bei genauer Betrachtung der Liste wird man jedoch feststellen, dass sich nicht alle Punkte einfach und eindeutig bewerten lassen, sondern das viele Punkte eine subjektive Bewertung erforderlich machen. Die Rationalität ist auch im Investitionsgütergeschäft nicht vollständig gegeben: In Verhandlungen wird üblicherweise etwas beschlossen, was die Beteiligten „gut“ finden. Ob es „richtig“ oder „wahr“ ist, steht auf einem anderen Blatt und erweist sich meist erst später. Wer ausschließlich auf Logik vertraut, liegt häufig daneben. Gefühlsmäßige Entscheidungen werden von vielen Menschen im Nachhinein „rationalisiert“. Dahinter verbergen sich eine Angst vor der Unberechenbarkeit der eigenen Gefühle und eine große Sorge vor der Beeinflussbarkeit der eigenen Wünsche und Empfindungen durch andere. Verhandlungsgeschick trägt der Gefühlsebene Rechnung und zeigt sich darin, sich nicht auf die besseren Argumente zu verlassen, sondern sich auf den Gesprächpartner, seine individuellen Wünsche und momentanen Probleme einzustellen. Alle beteiligten Individuen haben nun ihre individuelle und gefühlsbeeinflusste Sicht auf den Verkaufsprozess. Wichtig aus Verkäufersicht ist es, diese individuelle Wahrnehmung zu akzeptieren und zu verstehen. Alle Kaufbeeinflusser müssen daher auch individuell kontaktiert und angesprochen werden! Um sie für den einen Kauf zu gewinnen, sollte der persönliche Gewinn der Kaufbeeinflusser aus dem Geschäft verstanden werden, denn dieser ist entscheidend für die Unterstützung.
5 Markteintritt: Wie gehen Sie mit Kunden um?
101
Bei diesem Gewinn handelt es sich um die Eigeninteressen. Er ist keinesfalls zu verwechseln mit dem monetären Gewinn des Verkäufers, und er ist auch nicht für alle Rollen gleich. Mögliche Gewinne für einzelne Rollen sind in der nachstehenden Grafik zusammengefasst.
Entscheider
Anwender
Geringe Anschaffungskosten
Zuverlässigkeit
Hoher Return on Investment (ROI)
Gesteigerte Effizienz
Finanziell vertretbar
Arbeit besser, schneller, leichter
Steigerung der Produktivität
Leichte Einarbeitung und Anwendung
Ertragssteigerung
Erweiterte Fertigkeiten, vielseitiger Einsatz
Verstetigter Cash-flow
Hervorragender Service
Verstärkte Flexibilität
Erfüllte Leistungsanforderungen, beste Lösung
Wächter
Coach
Produkt erfüllt Kriterien der Ausschreibung
Anerkennung
Termingerechte Lieferung
Sichtbarer Erfolg
Beste technische Lösung
Durchschlagendes Ergebnis
Günstigstes Angebot
Leistet guten Beitrag
Hoher Nachlass
Wird als Problemlöser angesehen
Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
Zuverlässigkeit
Abb. 13 Positive Resultate für die Käufer (nach Mil1er u. Heiman 1999, S. 157)
Unberechtigte Eigeninteressen (Bestechung) Die unmittelbare Bereicherung in Form von Bestechungsgeldern ist leider vielerorts üblich, hier allerdings mit persönlichen Gewinnen ausdrücklich nicht gemeint. Manchmal ist sie im Wirtschaftsleben leider der Schlüssel zum Verhalten bestimmter Personen. Dabei wird häufig „über Bande“ gespielt, d. h. die Vorteilsnahme lässt sich nicht unmittelbar zuordnen. Das Verhalten ist dann zwar unmoralisch, aber nur schwierig justitiabel. Bedenken Sie aber stets: Wer einmal zahlt, zahlt immer. Er wird selbst erpressbar, denn er verstößt gegen geltendes Recht.
102
D. Umsetzungsphase
Die von den Käufern wirklich angestrebten persönlichen Gewinne können auf drei Arten ermittelt werden: x indirekte Rückschlüsse aus Resultaten, die Käufer anzustreben scheinen, oder dem Wissen über deren Wertvorstellungen oder persönlichen Lebensstil, x direkte Fragen an die Kaufbeeinflusser, die auf deren Haltung oder Gefühle in der Verkaufssituation abzielen, x Befragung eines Coaches nach den Eigeninteressen der Käufer. Um erfolgreich zu sein, besteht die absolute Notwendigkeit, allen am Kaufprozess beteiligten Personen die Möglichkeit eines persönlichen Gewinns aufzuzeigen. Buying Center eines Marktführers der spanischen Betonindustrie Ein Großunternehmen der spanischen Betonindustrie besitzt mehrere 100 Betonwerke. Der technische Direktor der Region Balearen las einen wissenschaftlichen Artikel über die erheblichen Möglichkeiten der Einsparung von Zement und Additiven durch Wasserkonditionierung. Er hat sich bereits vorher als Rationalisator und Innovator positioniert und sah offenbar die Chance, sich mit dieser Technik weiter zu profilieren. Er kontaktierte den Autor und Inhaber der Firma zur Wasserkonditionierung. Er vereinbarte einen Probelauf der Anlage in einem seiner Werke. Der Probelauf wurde im Beisein des technischen Direktors des Gesamtkonzerns durchgeführt und verlief überaus erfolgreich. Anfängliche Bedenken des lokalen Produktionsleiters (Mischmeister) und des Leiters der Qualitätssicherung wurden damit überwunden. Ein Angebot über zwei Pionieranlagen wurde unterbreitet und nach zwei Verhandlungsrunden der Auftrag erteilt. Dieser wurde unterzeichnet vom technischen und auch dem kaufmännischen Konzerndirektor. Der technische Direktor steht hinter der Technik und hat mittlerweile ein Exklusivangebot für den Gesamtkonzern mit garantierter Abnahme einer zweistelligen Zahl von Anlagen erbeten. Er unterstützt den Anbieter mit Daten aus den Werken und ermöglicht dort einen guten Einstieg. Mittlerweile wurden von ihm auch Kontakte zu den britischen Konzerntöchtern angebahnt. Es ergaben sich somit folgende Rollen im Buying Center: – Technischer Direktor Balearen Nutzer, 1. Coach – Technischer Direktor Konzern Entscheider, 2. Coach – Qualitätschef Werk Wächter – Mischmeister Wächter – Kaufmännischer Direktor Konzern Entscheider
5 Markteintritt: Wie gehen Sie mit Kunden um?
5.4
103
Prioritäten im Verkauf wirksam setzen
Verträge werden auf freiwilliger Basis geschlossen. Jede Seite erhofft und erwartet sich davon einen Vorteil. Nur solche B2B-Deals sind sinnvoll, bei denen beide Seiten tatsächlich einen Vorteil haben. Konzentrieren Sie sich auf solche Geschäfte, bei denen der Kundennutzen offensichtlich ist. Anders herum ausgedrückt: Vermeiden Sie Angebote, bei denen es lediglich ein diffuses Verkaufspotential gibt, aber der Nutzen für Ihren Kunden nicht klar erkennbar ist. Vermeiden Sie also beispielsweise die Belieferung eines Kunden in Übersee, wenn Sie dafür noch kein Servicekonzept haben. Es gibt es ein einfaches Konzept, um den Verkauf wirksam zu organisieren und sich selbst klare Ziele zu setzen: den Verkaufstrichter. Mit diesem werden die drei wesentlichen Aufgaben des Vertriebs abgebildet: 1. Kaufinteressenten ausfindig machen und bewerten, 2. alle direkten Verkaufstätigkeiten erledigen (strategisch/taktisch), 3. den Verkaufsvorgang abschließen.
Vorstufe
1
2
3
Kunden aufspüren, erste Beziehung, Chancen beurteilen alle strategischen und taktischen Arbeiten
Abschluss
Auftrag erscheint möglich aufgrund verfügbarer Daten Mindestens ein Kaufbeeinflusser kontaktiert Alle geprüften Daten bestätigen möglichen Auftrag
Auftrag wird in max. ½ Verkaufszyklus erwartet Nächste Schritte klar Kaum glückliche Zufälle
Auftrag
Abb. 14 Verkaufstrichter
D. Umsetzungsphase
104
5.4.1
Vorstufe
In der vor dem Eintritt in den Trichter liegenden Phase werden potentielle Kunden mit Anforderungen gesucht (und möglichst auch gefunden), zu denen das Produkt und/oder die Dienstleistung passt. Diese Suche nach Daten und Informationen kann gestaltet werden, indem man z. B. entsprechend bestimmter Segmentierungskriterien (Branche, Region, Anlagenbestand etc.) aktiv auf Kunden zugeht. In der Identifizierungsphase sollten aber auch Voraussetzungen geschaffen werden, um vom Kunden gefunden zu werden (z. B. Internet-Auftritt). In jedem Fall ist es notwendig, ansprechend gestaltete und aussagefähige Unterlagen bereitzuhalten, um dem Kunden einen positiven Eindruck vom Unternehmen und seinen Produkten zu vermitteln. Erscheint ein Auftrag aufgrund der vorgefundenen Daten möglich, so wird das Projekt in die erste Ebene des Verkaufstrichters aufgenommen. Wichtig ist es zu verstehen, dass im Verkaufstrichter einzelne Verkaufsvorgänge behandelt werden, nicht etwa Kunden.
Die Fachkontakte auf Fachmessen helfen Das Unternehmen OSIF GmbH aus Garbsen bei Hannover fand seinen ersten Referenzkunden für eine Anlage zur Online- 3D Inspektion großer Messobjekte durch eine Präsentation anlässlich eines Fachkolloquiums des Produktionstechnischen Zentrums Hannover. Schon ein Vierteljahr nach dem Erstkontakt kam der Auftrag, was vom Unternehmen aus heutiger Sicht als schnell bezeichnet wird. Entgegen der ursprünglichen Annahme waren Publikationen in der einschlägigen Fachpresse vertrieblich weniger erfolgreich. Als wichtiger stellten sich Vorträge bei Fachkongressen und insbesondere Fachmessen heraus. Geschäftsführer Dr.-Ing. Thomas Wolf bemerkt dazu, dass sich Kontakte mit Nutzern und ihren Problemstellungen vor allem auf diesen Messen ergeben. In diesem Fall halfen als relevante Messen die Hannover Messe Industrie, die Euroblech in Essen, und die Control in Sinsheim bei Heidelberg. Für das Unternehmen ganz wichtig sind Referenzimplementierungen, also der vom Kunden bestätigte Nachweis der Industriefähigkeit, der zu positiver Mundpropaganda führt. OSIF hat auch von Beginn an hohen Wert auf einen seriösen und aussagefähigen Webauftritt gelegt. Heute sind monatlich mehr als 5000 Zugriffe auf die Webseiten zu verzeichnen, und manche Kunden sind über das Internet auf das Unternehmen aufmerksam geworden.
5 Markteintritt: Wie gehen Sie mit Kunden um?
5.4.2
105
Die erste Trichterebene
Die Eingangsbedingung für die erste Trichterebene ist, dass aufgrund der verfügbaren Daten und Informationen Ihr Produkt zu einer Kundenanforderung passt. Indikatoren dafür können beispielsweise sein: x Interessent fordert Prospekt an, x Produktionsanlagen eines potentiellen Kunden sind veraltet, x Zeitungsbericht über Expansionspläne eines potentiellen Kunden lässt Bedarf vermuten. Zu den Aufgaben des Verkäufers gehört es nunmehr, die verfügbaren Informationen zu verifizieren. Dazu muss man mindestens einen Kaufbeeinflusser kontaktieren, also Entscheider, Wächter, Nutzer oder Coach. Auf diese Weise findet man sicher heraus, ob x der Kunde expandieren möchte oder x ein aktuelles Problem hat, zu dessen Lösung das eigene Unternehmen sicher beitragen kann. Ist das der Fall, so gelangt der Verkaufsvorgang in die zweite Trichterebene. Gelangt der Verkaufsvorgang aber aufgrund der bestehenden Situation mit Sicherheit nicht dorthin, ist es wichtig, ihn konsequent auszusortieren. Spielt man ein Spiel weiter, das man nicht gewinnen kann, verschwendet man seine Kraft, die man anderweitig dringend brauchen würde. 5.4.3
Die zweite Trichterebene
Die Eintrittskriterien für die zweite Trichterebene werden durch das Verkaufsprojekt erfüllt, da Informationen durch einen Kontakt zu einem Kaufbeeinflusser verifiziert wurden und der Kunde eine Expansion plant oder ein aktuelles Problem hat, bei dem das eigene Unternehmen zur Lösung beitragen kann. Nunmehr beginnen typische Aufgaben des Verkäufers: Zunächst werden sämtliche Kaufbeeinflusser identifiziert, dann direkt oder über Dritte kontaktiert und ihre Rollen und Haltungen zum Projekt festgestellt. Wichtig ist es außerdem, die Interessen der Kaufbeeinflusser herauszufinden, denn der Verkäufer muss individuell verdeutlichen, dass und wie das Angebot ihren Eigeninteressen dient (siehe 5.3.5). Stehen die wesentlichen Kaufbeeinflusser hinter dem Angebot, so sollten Unsicherheiten oder Glück keine große Rolle mehr für den Verkaufserfolg spielen. Der Verkaufsvorgang gelangt mit großer Sicherheit bald zum Abschluss.
D. Umsetzungsphase
106
5.4.4
Die dritte Trichterebene
Als Eingangskriterium für die Trichterebene sollte eine Einschätzung der Haltungen der Kaufbeeinflusser deren Unterstützung signalisieren. Der Auftrag kommt zu 90 % im halben durchschnittlichen Verkaufszyklus (also der durchschnittlichen Gesamtdauer von der Kundenidentifikation bis zum Auftrag). Dauer des Verkaufs (durchschnittlicher Verkaufszyklus) Im Maschinen- und Anlagengeschäft beträgt der Verkaufszyklus mehrere Monate bis sogar Jahre. Häufig müssen sogar politische Unwägbarkeiten berücksichtigt werden. Der Verkauf einer Reifenfabrik in den Iran erstreckte sich beispielsweise über rund fünf Jahre, obwohl bereits nach knapp zwei Jahren eine Absichtserklärung (LOI, d. h. letter of intent) abgeschlossen wurde.
Zu den Aufgaben des Verkäufers gehören Abschlussarbeiten wie z. B.: x Last-Minute-Einwände entkräften, x Unklarheiten beseitigen, x Auftragsbestätigung und nötige Unterschriften einholen. Werden diese gewissenhaft erledigt, sollte dem Auftrag eigentlich nichts mehr im Wege stehen. 5.4.5
Zeitmanagement mit dem Verkaufstrichter
Positiv für jedes Unternehmen ist eine kontinuierliche Auslastung seiner Kapazitäten. Die Voraussetzung dafür ist eine gute und stabile Auftragslage. Um eine solche zu bekommen, muss die Vertriebsarbeit so gestaltet werden, dass stets genug zukünftige Aufträge anstehen, d. h. der Vertriebstrichter nicht „austrocknet“. Die Zeiteinteilung für die Bearbeitung der einzelnen Trichterebenen ist von Firma zu Firma und Branche zu Branche, ja von Mitarbeiter zu Mitarbeiter höchst unterschiedlich. Um die Auftragslage zu stabilisieren, ist folgende Prioritätensetzung ratsam: 1. Verkaufsvorgänge auf dritte Ebene abschließen, 2. Neukunden ausfindig machen und Erfolgsaussichten bewerten, 3. Tätigkeiten der zweiten Trichterebene ausführen. Die meisten Vertriebsmitarbeiter arbeiten am liebsten auf der zweiten Ebene und wenden sich instinktiv gerne diesen Aufgaben zu. Es ist jedoch
5 Markteintritt: Wie gehen Sie mit Kunden um?
107
wichtig, zunächst unmittelbar anstehende Erfolge zu sichern (dritte Ebene) und dann dafür zu sorgen, dass der Trichter nicht austrocknet (erste Ebene). Man darf diese Vorgehensweise aber auch nicht verabsolutieren, denn es gibt äußere Einflüsse, die unter Umständen eine Veränderung der Prioritäten notwendig machen. Beispielsweise sind dies: x x x x x
Anzahl der Aufgaben je Verkaufsvorgang, Umsatzvolumen der bearbeiteten Aufträge, produktbezogene Faktoren (z. B. Auslastung Ihrer Fertigung), Investitionen in die Zukunft, Absatzschwankungen.
5.5
Markteintritt: Wie finden Sie Ihre ersten Kunden?
Die hier vorgeschlagene Vorgehensweise der Planung des Markteintritts trägt in besonderer Weise den Erfahrungen von Technologieunternehmen Rechnung. Insofern wird es hier in zwei Szenarien darum gehen, wie Unternehmensgründer selbst ihre Kunden systematisch finden und zu Aufträgen kommen. Hier werden die beiden erfahrungsgemäß wichtigsten konkreten Wege der Planung des Markteintritts dargestellt: Entweder sind bereits Kunden vorhanden, oder die ersten Kunden müssen noch gewonnen werden. Die eher akademische, für B2C-Märkte (business-to-consumer) wichtige Darstellung aller möglichen Entscheidungen über die Kommunikation, insbesondere Werbung, und die Auswahl der richtigen Vertriebswege, ist hier kaum nötig. Erfahrungsgemäß sprechen die Gründer ihre zukünftigen Kunden entweder selbst an oder sie suchen sich strategische Partner, mit deren Hilfe bzw. als deren Zulieferer sie auf ihren Märkten aktiv werden. Nur Gründer, die stark expansive Geschäftskonzepte planen, sollten sich intensiv mit den Marketing-Aspekten des Kommunikationsmix und des Distributionsmix auseinandersetzen. Die beiden nun betrachteten Szenarien unterscheiden sich vor allem in den ersten Monaten des Geschäftsbetriebs, dort aber erheblich. 5.5.1
Fall 1: Erstkunden vorhanden
Der schnelle Weg: Sie haben zum Beispiel über Kontakte aus Ihrem Institut heraus bereits Erstkunden, die Sie beauftragen möchten und mit denen Sie nicht mehr lange verhandeln müssen. Auch in diesem für Sie günstigen
108
D. Umsetzungsphase
Fall sollten Sie in der Entwicklungsphase die Überlegungen zur Marktabgrenzung und zum Geschäftsmodell nicht übersprungen haben. Ein verbreiteter Planungsfehler am Anfang ist es, sich mit Elan auf den ersten Auftrag zu stürzen und zu vergessen, genügend Zeit für die Gewinnung weiterer Kunden einzuplanen. Dann entsteht nach Abarbeitung des ersten Auftrages ein Auftragsloch von bis zu einigen Monaten, bis Sie wieder „produktiv arbeiten“ können. (Mit dem Vertriebstrichter sollte Ihnen das nicht passieren!) Ein zweiter Fehler besteht darin, nicht zu prüfen, ob genügend nachhaltige Nachfrage hinter der Anfrage steht, um das Gründen eines Unternehmens zu rechtfertigen. Es bietet sich also an, sowohl mit dem Erstkunden rechtzeitig über weitere Aufträge zu sprechen als auch weitere mögliche Kunden anzusprechen. Hierfür kann die Methodik im Fall 2 (s. u.) verwendet werden. Sie haben dann den Vorteil, dass Sie bereits einen oder mehrere Kunden vorweisen und zeigen können, dass Ihre Leistung sich bewährt. Bitte beachten Sie einen ganz grundlegenden Unterschied zwischen Projektarbeit in Hochschulen und Industrieaufträgen: Bei letzteren hat die Termintreue einen überragenden Stellenwert, was nicht bei jedem Forschungsprojekt zwingend gegeben ist. Es ist ausgesprochen misslich, mögliche Neukunden zunächst anzusprechen und dann mangels ausreichender Kapazität nicht zum Termin lieferfähig zu sein. 5.5.2
Fall 2: Start ohne Erstkunden
In diesem Fall haben Sie zunächst die Qual der freien Wahl: Bei welchen Kunden wird sich Ihr Einsatz am meisten lohnen? Die Ergebnisse von vier Aspekten, die Sie in der Entwicklungsphase unter Markt und Geschäftsmodell schon bearbeitet haben, sind hier zu verwenden: x Erstens: In welche Branche und in welchem Segment möchten Sie mittelfristig Ihre Kunden haben? Dieser Aspekt wurde in der Entwicklungsphase unter „Markt“ angesprochen und geklärt. x Zweitens: Der Referenzkunden-Aspekt. Welche Kunden sind unter Prestige- und Glaubwürdigkeitsaspekten Ihre besten Erstreferenzen? x Drittens: Bei welchen Kunden lohnt sich Ihre Tätigkeit am meisten? In der Regel dort, wo Ihre Leistung für die Kunden den höchsten Nutzen schafft und wo mit Folgeaufträgen zu rechnen ist. x Viertens: Welche Kunden sind für Sie am naheliegendsten? Räumliche Nähe und geringstmögliche Vorlaufkosten spielen hier eine Rolle.
5 Markteintritt: Wie gehen Sie mit Kunden um?
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Aus diesen Informationen ist ein Arbeitsplan für die Monate bis zum offiziellen Start und auch für das erste halbe Jahr nach Start zu erstellen. Die Vorgehensweise ist wie folgt: Sie suchen sich nach den o. g. Kriterien Ihre möglichen „Lieblingskunden“ aus. Als Ergebnis der Planung haben Sie eine Kontaktliste, die wenigstens eine zweistellige Zahl von Unternehmen, bei Zielmärkten mit sehr vielen potentiellen Kunden auch 100 Unternehmen oder mehr, umfassen darf. Der Erfolg technischen Vertriebs ist vor allem eine Frage der richtigen Ansprechpartner. Bei innovativem Angebot hat es wenig Sinn, den Kontakt zum Unternehmen nur über die Einkäufer zu suchen. Hier ist, gegebenenfalls nach Kontaktaufnahme über den Einkauf, die gehobene fachliche Ebene der Anwender anzusprechen. Bei kleinen und mittleren Unternehmen sind dies oft die technischen Geschäftsführer. Versuchen Sie deshalb vorab, die fachlichen Ansprechpartner für Ihr Angebot für jedes dieser Unternehmen herauszufinden. Wenn Sie Namen und Positionen verwenden, dann müssen diese orthographisch und die Titel und Funktionsbezeichnungen sachlich korrekt sein. Bedenken Sie bei der folgenden Planung, dass es vor allem um Ihre knappste Ressource geht: Ihre Arbeitszeit. Die Situation bei den meisten Technologiegründern sieht wie folgt aus: In der Entwicklungs- und Umsetzungsphase noch vor der offiziellen Gründung sind die meisten Unternehmensgründer noch in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis tätig. Viele wissenschaftliche Mitarbeiter von Hochschulen arbeiten zusätzlich an einer Dissertation oder einer Habilitation. Im Vordergrund der Gründung steht naturgemäß ein innovatives Produkt oder Verfahren, das oft noch weiter zu entwickeln und zu vervollkommnen ist. Erst dann scheint Zeit für Kundenansprache zu sein. Die Kundenansprache benötigen Sie aber aus drei Gründen schon von der Entwicklungsphase an – und Sie benötigen sie zwingend: 1. Bei der weiteren Entwicklung Ihres Verfahrens oder Produkts brauchen Sie Informationen über die von den zukünftigen Kunden benötigten technischen Leistungsparameter und die dazu gewünschten Leistungen. Sonst perfektionieren Sie u. U. ein Produkt, das so niemand braucht. Die Bedenken vieler Naturwissenschaftler, ihr Produkt oder Verfahren sei vielleicht noch nicht reif genug, um es zu zeigen, sind in wenigen Fällen berechtigt. In den meisten Fällen überwiegt aus Kundensicht der Vorteil, das Produkt oder Verfahren noch auf die unternehmensspezifischen Anforderungen hin entwickeln zu können. 2. Sie finden vielleicht in dieser Phase schon einen oder mehrere strategische (Vertriebs-) Partner, die Ihre Anwendung in Kombination mit ihrer Kernleistung verkaufen. Das hat Auswirkungen auf Ihre gesamte Unter-
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D. Umsetzungsphase
nehmensplanung, weil Sie dann das Mengengerüst und die Preisspanne (Preiskorridor zwischen Preisuntergrenze und Zahlungsbereitschaft) viel präziser planen können, als wenn Sie diese nur durch Plausibilitätsüberlegungen ableiten.
Noch einmal im Huckepack Ein innovatives Verfahren der Werkstoffbearbeitung wird auf der technischen Basis zweier Maschinen eingesetzt, bei denen es im deutschsprachigen Raum zwei marktführende Unternehmen gibt: Anstatt das Verfahren selbst weltweit zu vertreiben, schloss das Start-up-Unternehmen mit einem der Marktführer ein Vertriebsabkommen: Das neue Verfahren wird über die Vertriebswege des Marktführers der Technologiebasis mit vertrieben. Win-win-Situation: Der Marktführer bietet seinen Kunden zusätzlich ein Verfahren mit erheblichen Vorteilen beim Produktionsprozess. Das neue Unternehmen vermeidet Risiko und Kosten, unbekannte Märkte weltweit erschließen zu müssen.
3. Sie verkürzen die Time-to-Market, den Zeitraum zwischen Produktidee und Lieferfähigkeit auf dem Markt: Wenn normalerweise bei technologischen Angeboten von wenigstens einem halben Jahr Vorlaufzeit plus Produktionszeit plus Zahlungsfrist ausgegangen werden muss, dann ist sofort plausibel, dass erst frühestens neun Monate nach Erstkontakt mit Geldeingang zu rechnen ist. Dies ist noch eine vorsichtige Annahme. Je früher Sie an den Markt gehen, desto früher fließt auch Geld, und desto weniger Mittel brauchen Sie nach dem offiziellen Start, um den Geschäftsbetrieb vorzufinanzieren, bis der Netto-Zahlungsfluss (Einnahmen abzüglich Ausgaben), der so genannte Cashflow, positiv wird. In dieser zeitlich außerordentlich knappen Phase müssen Sie Zeit für Kontakte zu möglichen Kunden ausdrücklich einplanen. Wenn Sie dies nicht tun, werden die täglichen Anforderungen aus bisheriger beruflicher Tätigkeit, Weiterentwicklung Ihres Produktes o. Ä. Sie davon abhalten. Auch für die Phase nach dem Start sollten Sie weitere Akquise planen. Vielfach sind die ersten Gespräche nach der Gründung langwierig, und Sie sind nicht wirklich überlastet mit der Abwicklung von Aufträgen. Die Lieblingsversuchung von Unternehmern in dieser Situation ist es, sich einzuschließen und der Perfektionierung ihrer Technik zu widmen. Dies hat noch selten zu geschäftlichem Erfolg geführt. Besonders für diesen Fall benötigen Sie einen konkreten Arbeitsplan für den Vertrieb wenigstens über sechs Monate.
5 Markteintritt: Wie gehen Sie mit Kunden um?
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Dazu bringen Sie die Liste der gewünschten Unternehmenskontakte nach Priorität geordnet auf eine Zeitachse: x x x x
Wie viele Telefonate pro Woche wollen Sie schaffen? Wie viele Kundenbesuche generieren Sie pro 10 Anrufe? Wie viele Aufträge generieren Sie aus 10 Kundenbesuchen? Wie viele Aufträge können Sie im Erfolgsfall maximal bearbeiten?
Ein Vertriebsprofi im Gründerteam ist zur Abschätzung dieser Relationen hilfreich. Aber auch wenn Sie anfangs nur auf eigene Schätzungen angewiesen sind, ist es besser, mit einer Arbeitshypothese über die Kennziffern anzufangen und die Planung mit Erkenntnisfortschritt der Realität anzupassen. Ein fiktives Beispiel zur Akquise eines Projektauftrags: Sie nehmen sich vor, pro Woche fünf Unternehmen telefonisch zu erreichen. Pro 10 Unternehmen rechnen Sie mit zwei Einladungen, über Ihr Angebot zu sprechen. Jedes vierte Gespräch führt zu einem Auftrag – und zwar frühestens sechs Monate nach dem Erstkontakt. Rechnerisch bedeutet dies: Im ersten Monat der Akquise schaffen Sie 20 Unternehmenskontakte, führen daraus zwei Gespräche noch im laufenden Monat und zwei im kommenden Monat. Aus diesen Gesprächen generieren Sie einen Auftrag, der in einem halben Jahr zur Bearbeitung kommt. Die Akquise eines Auftrags beansprucht Sie wie folgt: 20 Telefonate (einschließlich Fehlversuche): acht Stunden. Vier Gespräche mit An- und Abreise sowie Vor- und Nachbereitung: vier Tage. Vier weitere Gespräche mit dem in Frage kommenden Kunden: zwei Tage. Angebot erstellen und dreimal modifizieren: ein Tag. So kann Sie allein die Gesprächsanbahnung eines einzigen größeren Auftrags acht Arbeitstage kosten, die Sie selbstverständlich nicht berechnen können. Hinzu kommen dann mehrere eher fachliche Kontakte zur genauen Definition Ihres Auftrages sowie ein Angebot, das oft mehrfach überarbeitet werden muss. Selbstverständlich gibt es auch andere Vertriebswege wie Handelsvertreter, Direktmailing, Einbindung von Callcentern und Ähnliches. Bei Geschäftskunden sind aber der persönliche Kontakt und das persönliche Wissen um die Probleme der Kunden von herausragender Bedeutung. Daher ist der typische Vertriebsweg bei Technologieunternehmen die persönliche Ansprache potentieller Kunden durch die Unternehmer selbst. Bei der beispielhaften Kalkulation des Akquiseaufwands zeigt sich ein wesentliches Auswahlkriterium der Kundenliste sehr deutlich: Ist es sinnvoll, einen möglichen Kunden an die Spitze Ihrer Liste zu setzen, bei dem Sie vermutlich nur ein System verkaufen können?
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D. Umsetzungsphase
Markteintritt in der Betonindustrie Der bereits erwähnte Gründer des Unternehmens zur Wasseraufbereitung mittels Magnetfeldern hatte einen extrem schwierigen Markteintritt vor sich. Sein Produkt wirkt auf eine mysteriös anmutende Art und verändert die herkömmlichen Prozessparameter der Betonherstellung. Die Produktionsleiter sind meist handfeste Leute, die auf ihrem Erfahrungswissen aufbauen. Ihr Vertrauen zu gewinnen und gegen die Erfahrungen laufende Prozessparameter zu wählen – höhere Mischwerkleistungen aufgrund geringerer Wasserzugabe und scheinbar zäherer Mischung – das setzte sehr hohes Prozesswissen gepaart mit hohem persönlichem Geschick voraus. Anfängliche Kaltakquise wurde gepaart mit Angeboten, in denen die Zahlung zu 100 % an eine Einsparung von mindestens 5 % des Zements und der Additive gekoppelt war. Mittlerweile gibt es hinreichend Referenzen, um derartig riskante Angebote nicht mehr machen zu müssen. Fachpublikationen führen zu kundenseitigem Interesse, was eine gute Ausgangsposition für erfolgreiche Verhandlungen ist.
Sie werden bei der Vertriebsplanung feststellen, dass Sie mit Ihrer Arbeitskapazität sorgfältig umgehen müssen. In der Phase vor dem Start werden Sie weniger Zeit zur Verfügung haben als nach dem Start. Auch im Rahmen der personellen Besetzung des Gründerteams und der Aufgabenteilung sollten Sie gemeinsam die notwendigen Zeitbudgets pro Woche vorsehen und einplanen. Die Ergebnisse der Markteintrittsplanung: 9 Liste aller „Wunschkunden“ mit fachlichen Ansprechpartnern nach Priorität geordnet. 9 Kontaktaufnahme mit „Wunschkunden“ ab Entwicklungsphase bis zur Unternehmensgründung: Wer spricht welche Unternehmen wann an? 9 Planung der eigenen Kapazität für den Vertrieb wenigstens für das erste halbe Jahr nach Gründung. 9 In dem Zusammenhang auch eine regelmäßige Auswertung der Vertriebserfahrungen einplanen. 9 Stop-Loss: Legen Sie mit Ihren Partnern einen Worst Case der Vertriebserfolge fest, bei dessen Unterschreiten Sie das Unternehmen nicht starten oder liquidieren. Nach den ersten Kontakten mit potentiellen Kunden werden Sie besser wissen, wie Ihre Erfolgsquote nach der Erstansprache ist, d. h. ob und in welchem Umfang Sie und Ihr Leistungsangebot ein positives Echo bekommen haben. Sie sollten daraufhin falls nötig noch vor dem Start Ihre Ziel-
5 Markteintritt: Wie gehen Sie mit Kunden um?
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gruppenplanung (Markt) und Ihr geplantes Leistungsangebot (Geschäftsmodell) darauf hin prüfen, ob Sie die richtigen Schwerpunkte bei Leistungsbündel und Kundensegmenten geplant hatten. Diese Anpassungen verbessern Ihre Trefferquote bei Erstkontakten. Sie führen auch bei Preisen und Mengen und letztlich bei den Umsatzerwartungen zu realistischeren Zahlen. 5.5.3
Schutzrechte und früher Vertrieb
Auch wenn im Einzelfall die Frage der Schutzrechte (Verlust der schutzwürdigen Innovation, Imitation durch Kunden und Wettbewerber) dem entgegenstehen kann: Generell sollten Sie so früh wie möglich mit dem Vertrieb beginnen. Sie merken dann nämlich recht bald, ob Ihr Angebot wirklich marktgängig ist. Nach dem 20. Anruf ohne irgendeine Gesprächseinladung oder Aufforderung, ein Angebot abzugeben, ist es sinnvoll, sehr grundsätzlich über den möglichen Misserfolg Ihrer Gründung nachzudenken und sie möglicherweise noch vor dem offiziellen Start aufzugeben. Eine sorgfältige Analyse der Vertriebsergebnisse kann offen legen, ob es an Ihnen persönlich, Ihrem Angebot oder an der derzeitigen Situation der Kunden liegt, dass sie nicht kaufen. Mehrere Unternehmen wären nicht gegründet worden, hätte ihre Umfeldbefragung keine Aussicht auf Erfolg versprochen.
Auch wenn Ihre Urheberrechte nicht verlässlich gerichtlich durchgesetzt werden können: Wenigstens eine Geschmacksmusteranmeldung vor der vertrieblichen Offenbarung Ihrer Innovation hält das Risiko in Grenzen. Bei schutzwürdigen Innovationen informieren und helfen die Innovationsgesellschaften der Hochschulen, in Niedersachsen zum Beispiel auch das Erfinderzentrum Norddeutschland. 5.6
Informationen
Als erste Einführung bietet sich der Infoletter Gründerzeiten Nr. 37 „Kunden gewinnen. Der Weg in den Markt“ an. Tiefergehende Informationsquellen zu diesen Marketingentscheidungen bietet beispielsweise Backhaus K (2003) Industriegütermarketing, 7. Aufl, Vahlen, München, ein auch als Nachschlagewerk gut geeignetes, wenn etwas theorielasti-
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D. Umsetzungsphase
ges Lehrbuch zum Industriegütermarketing. Ebenfalls gut, wenn auch substantivlastig und sperrig formuliert, ist folgendes Buch Richter H P (2001) Investitionsgütermarketing. Hanser, München. Einen besonders gut lesbaren Überblick bietet: Godefroid P (2003) Business-to-Business-Marketing, Kiehl, Ludwigshafen. In derselben Reihe sind auch folgende ebenfalls als Einführung sehr gut geeignete Bücher erschienen: Weis, Chr (2001) Marketing. 12. Aufl, Kiehl, Ludwigshafen Weis, Chr (2000) Verkauf. 5. Aufl, Kiehl, Ludwigshafen Mittlerweile zum Standardwerk im Bereich Marketing und Vertrieb ist avanciert: Winkelmann P (2002) Marketing und Vertrieb. 3. Aufl., Oldenbourg, München Kenntnisse zum Umgang mit Kunden und der Arbeit mit dem Vertriebstrichter vermitteln besonders Miller/Heiman: Miller R B, Heiman St E (2005) New Strategic Selling, rev ed, Warner Business Books, New York Miller R B, Heiman St E (1999) Strategisches Verkaufen, 9. Aufl, Verlag Moderne Industrie, Landsberg Als Orientierungshilfe zur Verkaufsgesprächsführung kann Goldmann, Goldmann, H G (2005) Wie man Kunden gewinnt, 14. Aufl, Cornelsen, Berlin, herangezogen werden.
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Finanzplanung
Die Finanzplanung hat als Ergebnis Ihrer bisherigen Planungen mehrere Ziele: x Sie prüfen den wirtschaftlichen Erfolg: Wird es sich für die Gründer lohnen, das Unternehmen zu gründen? x Sie stellen sicher, dass Sie jederzeit Ihre Zahlungsverpflichtungen erfüllen können. x Sie ermitteln den für Gründung und Start notwendigen Kapitalbedarf und zeigen, wie Sie diesen finanzieren wollen. x Sie legen die Grundlage für die unternehmerische Steuerung Ihrer Firma, indem Sie Ihre Planungen regelmäßig wenigstens monatlich mit der eingetroffenen Realität konfrontieren (Soll-Ist-Vergleiche), die Ursachen für die Abweichungen identifizieren und die Planzahlen entsprechend anpassen.
6 Finanzplanung
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Die Finanzplanung hat Sie in einigen Elementen schon von der Interessensphase Ihrer Gründung an begleitet, als Sie den eigenen Finanzbedarf der Gründer ermittelt und so die Anforderungen an den Jahresüberschuss, den das Unternehmen wenigstens erbringen muss, festgestellt haben. Jetzt, nach Abschluss der Entwicklungsphase und der Markteintrittsplanung, haben Sie alle begründeten Elemente der Unternehmensplanung in der Qualität, dass Sie die Finanzen durchplanen können. In dieser Phase der Umsetzung wird der gesamte finanzielle Teil der Unternehmensplanung systematisch zusammengestellt. Grundsätzlich können Sie es erst verantworten, bindende Verträge einzugehen, wenn die Finanzplanung so weit fortgeschritten ist, dass oben genannte Ziele erreicht sind. Vorher sind Sie nicht in der Lage, die finanziellen Risiken, die sich hieraus ergeben, seriös abzuschätzen. Dies gilt besonders für diejenigen Unternehmen, die über hohe Investitionen oder Verträge mit langer Fristigkeit (Mietverträge) zu entscheiden haben. Innerhalb der Finanzplanung werden Sie feststellen, dass Sie u. U. Elemente des Geschäftsmodells noch einmal auf ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit hin prüfen müssen. Dies erhöht die Qualität Ihrer Unternehmensplanung deutlich. Zeitlich werden Sie darauf achten müssen, mit einer Finanzplanung dieser Qualität genug zeitlichen Vorlauf zu haben, um nötigenfalls weitere Gesellschafter, Beteiligungen, Business Angels, Zuschüsse von öffentlichen Stellen oder Kredite einzuwerben. Alle diese Geldquellen haben zwischen acht Wochen und bis zu einem Jahr Vorlauf ab dem Zeitpunkt, zu dem diese Zahlen in der Qualität, die unten beschrieben wird, vorliegen. Ihre Arbeitsaufgabe im Teilbereich Finanzplanung/Kaufmännische Planung wird problemorientiert beschrieben. Vor allem typische Planungsfehler von Technologiegründern werden thematisiert. Zunächst geht es dabei um den generellen Umgang mit Planzahlen. Dann wird die Bedeutung dieser Zahlen erläutert. Anschließend stehen die einzelnen Arbeitsschritte in ihrer logischen Reihenfolge und die Ergebnisse im Mittelpunkt. Auf eine vollständige Darstellung der Finanzplanung kann hier verzichtet werden, weil die Einzelheiten im Softwarepaket des Bundeswirtschaftsministeriums, in Planungshilfen von Businessplanwettbewerben und Gründerzentren sowie Kammern (www.hannover.ihk.de/technologiegruendung) und Verbänden umfassend dargestellt sind (www.softwarepaket.de).
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6.1
D. Umsetzungsphase
Hinweise zum Umgang mit Planzahlen
Unternehmer aus dem Technologiebereich berichten regelmäßig, dass ihre ersten Modellrechnungen und Prognosen besonders der Umsatzentwicklung noch weit an der Realität vorbei gingen. Sie raten aber fast unisono, auf diese Planung nicht zu verzichten, um die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens jederzeit überschauen zu können. Ursache dieser realistischen und selbstkritischen Einschätzung ist die mangelnde Herleitung der betriebswirtschaftlichen Zahlen aus der bisherigen Planung. Oft wurden vorhandene Tabellen und andere Vorlagen mit irgendwie gegriffenen Werten ausgefüllt, weil die Bank oder der Veranstalter eines Businessplanwettbewerbs Zahlen haben wollte. Derartige Zahlen sind nicht nur inhaltlich bedenklich. Sie täuschen die Ersteller auch über die vorhandenen Risiken und Unsicherheiten bei den zugrunde liegenden Annahmen hinweg. Der deutlichste und bei vielen derartigen Geschäftsplänen gleichermaßen anzutreffende Fehler ist eine Umsatzsteigerung mit Parabelfunktion. Von 0 auf 1,5 Millionen € binnen 15 Monaten, dann noch mal zwei Jahre bis zu 5 Millionen €. In den seltensten Fällen sind diese Zahlen im Detail nachvollziehbar hergeleitet. Und noch viel seltener sind derartige Prognosen bisher eingetroffen. Die Zahlenwerte und die betriebswirtschaftlichen Planungen sind Ergebnisse Ihrer bisherigen Überlegungen, wenn sie realistisch sein sollen. Die unten kurz beschriebenen einschlägigen betriebswirtschaftlichen Planrechnungen sollten Sie bitte erst dann vornehmen, wenn Sie Ihre Umsatzentwicklung wenigstens per Plausibilität hergeleitet haben. Begründete Annahmen über Preise, Mengen und Zahlungsverläufe sind zwingende Voraussetzungen der nun folgenden Planungen. Sie müssen wenigstens abschätzen können, welche und wie viele Unternehmen welche Ihrer Angebote von welchen Stückzahlen abnehmen. Die hierauf fußenden Umsatzzahlen, aber auch das daraus sich ergebende Mengengerüst bei den Kapazitäten und Kosten sind die Basis der weiteren Planungen. In den meisten Geschäftsplänen wird der Kostenseite weitaus mehr Aufmerksamkeit gewidmet als der Umsatzseite. Dies ist plausibel, weil alle verfügbaren Formulare für die Liquiditätsplanung und die Ertragsplanung nur wenige Zeilen für die Einnahmeseite anbieten, dafür aber detailliert die Ausgaben bzw. Kostenseite abbilden. Widmen Sie sich also bitte sehr viel intensiver der Frage, wie viele Leistungseinheiten zu beispielsweise 4.000 € Sie pro Monat absetzen können, als der Frage, ob die Telefonkosten eher bei 80 € oder bei 150 € pro Monat liegen.
6 Finanzplanung
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An dieser Stelle sei ausdrücklich davon abgeraten, die Planrechnungen lediglich anhand öffentlich verfügbarer Durchschnittszahlen zu erstellen oder Berater bzw. Steuerberater damit zu betrauen. Derartige Kennziffern sind erstens vergangenheitsbezogen und zweitens meist Durchschnittszahlen. Drittens ist nicht klar, welche Geschäftsmodelle den Kennziffern zu Grunde liegen. Viertens verstehen Sie als Unternehmer Ihr Geschäft und seine Besonderheiten. Erfahrungsgemäß können auch außen stehende Experten die Spezifika Ihres Geschäfts nicht so gut verstehen und finanziell ausdrücken, wie Sie es an dieser Stelle können müssten. Sie sollten betriebswirtschaftliche Kennziffern wie „Personalproduktivitäten“ (Umsatz pro Mitarbeiter), Kostenquoten (Miete/Umsatz * 100 %) verwenden, um die Plausibilität der eigenen Planungen zu überprüfen. Derartige Kennziffern erhalten Sie von Branchenfachverbänden, von der DATEV (über Ihren Steuerberater) oder von Kreditinstituten. Damit können Sie sich, weiteren Beteiligten und Banken beispielsweise erklären, ob und warum Ihre Personalkostenquote über der branchenüblichen Quote liegt. Dies kann plausibel sein, wenn Sie ein Mehr an Dienstleistungen erbringen wollen, das sich beispielsweise in höheren Preisen niederschlägt. Derartige Erläuterungen kann ein Steuerberater oder ein Unternehmensberater/Coach in der Regel nicht vornehmen, weil er Ihr Leistungsangebot nicht so gut kennt, wie Sie es als Unternehmer müssen. 6.2
Bedeutung der Planrechnungen
Oberste Priorität als notwendige Bedingung einer guten Unternehmensplanung hat die Erstellung der Liquiditätsplanung. Mit dieser monatlichen Gegenüberstellung von voraussichtlichen Einzahlungen und Auszahlungen stellen Sie sicher, dass Sie jederzeit Ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen können. So bald Sie dies nicht können, müssen Sie Insolvenz anmelden, auch wenn Sie ein hoch profitables Unternehmen mit besten Aussichten führen. Daher genießt die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit absolute Priorität vor anderen Zielen wie der Erzielung hoher Renditen (Liquidität vor Rentabilität). Gute Liquiditätsplanung führt dazu, dass voraussichtlichen Zahlungsengpässen vorgebeugt werden kann. Gerade bei den Annahmen über die Umsätze und die zeitliche Verteilung der Zahlungseingänge müssen Sie realistische Werte einsetzen, die auf Erfahrungen beruhen. In der aktuellen Befragung von Technologieunternehmern erklärten über ein Drittel der Unternehmer, dass die Gewinnentwicklung in den ersten Jahren schlechter als erwartet verlaufen sei. Um böse Überraschungen in der Realität zu vermeiden, sollten neben
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D. Umsetzungsphase
dem „Realistic Case“ auch ein „Best Case“ und ein „Worst Case“ dargestellt werden, um zu zeigen, wie Liquidität und Wirtschaftlichkeit sich bei positiven oder negativen Abweichungen von den erwarteten Entwicklungen darstellen. Oft zeigt die Ex-post-Analyse, dass aufgrund nicht erwarteter zeitlicher Verzögerungen bei der Auftragsvergabe die Realität in der Nähe oder knapp unter dem Worst-Case-Szenario liegt. Sie sollten Vorsorge treffen, dass Sie jederzeit Ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen können. Für den Fall, dass dies absehbar nicht der Fall ist, muss in Betracht gezogen werden, die Gründungsplanung wesentlich zu verändern oder sie sogar ganz abzubrechen und sich beruflich anders zu orientieren. Natürlich müssen Sie vorab einschätzen, ob sich das Unternehmen, so wie Sie es geplant haben, wirtschaftlich auf Dauer für Sie überhaupt lohnen kann. Dies leiten Sie aus der Ertragsvorschau, der so genannten SollGewinn-und-Verlust-Rechnung (GuV) her. Eine gute Einführung hierzu bietet die BMWI-Broschüre Gründerzeiten Nr. 7, „Kapitalbedarf und Rentabilität“. Sie sollten eine angemessene Verzinsung Ihres eingesetzten Kapitals, Ihrer Arbeits- und Geschäftsführungsleistung und des von Ihnen getragenen Risikos erzielen können. Dies nicht im ersten und zweiten, dann aber ab dem dritten Jahr. Wenn die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist, müssen Sie wiederum zurück zu Ihrem Angebot, dem Geschäftsmodell und den Überlegungen zu Markt und Preis. Die bisherigen Planungen sind zu hinterfragen und nötigenfalls anzupassen, um eine bessere Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Sorgfältig hergeleitete Finanzplanungen sind durchaus nicht nur für die Planung vor dem Start erforderlich und können dann an die Seite gelegt werden. Sie sollten diese Planungen regelmäßig aktualisieren und über Soll-Ist-Vergleiche wenigstens monatlich über den wirtschaftlichen Status Klarheit haben. Bei Planabweichungen sollten Sie aus der Abweichungsanalyse lernen. Für diese so genannte rollierende Planung, die die Grundlage eines jeden betriebswirtschaftlichen Controllings bildet, sind die Elemente der Finanzplanung unverzichtbar. Erfolgreiche Technologieunternehmer zeichnen sich geradezu dadurch aus, dass Liquidität und Rentabilität tag- oder wochengenau bekannt sind. Hingegen empfehlen diejenigen Unternehmer, die zunächst nur Zahlen generiert haben und die sorgfältige Aufarbeitung später nachholen mussten, gleich sorgfältig zu planen.
6 Finanzplanung
6.3
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Kapitalbedarfsplan
Der Kapitalbedarfsplan beantwortet im Ergebnis folgende Frage: Wie viel Kapital benötigen Sie voraussichtlich, um Ihr Unternehmen zu starten und so lange am Laufen zu halten, bis die Einnahmen die Ausgaben dauerhaft übersteigen? Der gesamte Kapitalbedarf ergibt sich aus zwei Komponenten: dem Investitionsplan und den Anlaufkosten des Betriebs. 6.3.1
Investitionsplan
Zunächst ist der Investitionsbedarf zu ermitteln. Er umfasst alle anzuschaffenden Güter, die Sie benötigen, um Ihre Leistungen überhaupt anbieten zu können. Die meisten Technologiegründer möchten ihr Risiko – die persönliche Verschuldung – begrenzen. Daher gilt hier wieder einmal die alte Kaufmannsweisheit: „Im Einkauf liegt der Gewinn“. In der Anschaffung eingespartes Kapital oder Liquidität schonender Erwerb (etwa über Leasing) reduzieren den Gesamt-Kapitalbedarf und geben finanziell Luft für die Finanzierung der Anlaufphase. Manche Dinge wie Büroausstattung lassen sich auch preiswert gebraucht anschaffen bzw. liquiditätsschonend leasen statt kaufen. Auch teure Softwarelizenzen können bei Geschäftsauflösungen günstig gekauft werden; es muss nur sichergestellt werden, dass sie der neuen Firma überschrieben werden. Außerdem lässt sich über die Fremdvergabe von Fertigungsaufträgen bzw. das Anmieten von Fertigungskapazität der anfängliche Investitionsbedarf oft kräftig absenken.
In den Investitionsplan gehören auch alle Vorkosten der Gründung wie Nebenkosten des Erwerbs, Gebühren für Baugenehmigungen und Ähnliches. Bei der Investitionsplanung unterscheiden Sie bitte, wie lange die anzuschaffenden Güter dem Unternehmen zur Verfügung stehen sollen. Bei der Finanzierung ist darauf zu achten, dass die langfristig genutzten Güter entweder mit Eigenkapital oder mit langfristig zur Verfügung stehendem Fremdkapital finanziert werden. Je kürzer die Nutzungsdauer im Unternehmen, desto kürzer kann auch der Finanzierungshorizont sein. Oder wollen Sie einen drei Jahre zu nutzenden Laptop-Computer nach sechs Jahren immer noch finanzieren? Diese so genannte Fristenkongruenz muss beachtet werden.
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6.3.2
D. Umsetzungsphase
Kapitalbedarf für die Anlaufphase
Die Höhe dieses Kapitalbedarfs können Sie aus der unten beschriebenen Liquiditätsplanung entnehmen. Technisch gesehen ist es der Betrag, den Sie benötigen, um Ihr Unternehmen am Laufen zu halten, bis die Einnahmen die Ausgaben nachhaltig übersteigen. Dies ist bei den meisten Neugründungen im ersten Jahr der Fall. Lediglich bei (technischen) Dienstleistungen, für die Sie wenig Vorlaufkosten haben, bei denen Aufträge vorhanden sind und die zeitnah abzurechnen sind, kann damit gerechnet werden, dass die Einzahlungen schon in den ersten Monaten über den Auszahlungen liegen. Die Planzahlen besonders dieses Mittelbedarfs sind unsicher und hängen von Risiken wie den folgenden ab: x x x x x
Aufträge kommen nicht oder nur später, Ausfall wegen Krankheit, Verzögerung wegen unpünktlicher Zulieferer, Mangelhafte Qualität wegen Problemen der Produktentwicklung, …
Planen Sie beim Kapitalbedarf eine zusätzliche Reserve ein, um negative Planabweichungen aufzufangen. Hierzu müssen Sie diese Risiken bewerten: Was kann nach bisherigen Erfahrungen passieren, und wirkt sich das finanziell aus? Die Bewertung muss nicht förmlich erfolgen, Sie sollten sie aber mit Branchenkundigen auf Plausibilität prüfen. Hilfreich sind auch Hinweise erfahrener Firmenkundenberater von Banken. Für eingehende Erläuterungen zum Kapitalbedarf einschließlich Formularen bzw. Vorlagen können Sie das Softwarepaket des BMWA nutzen. Ihr Kapitalbedarfsplan gibt Auskunft darüber, 9 wie viel Kapital Sie für die Gründung samt Gründungskosten, Investitionen und Betriebsmittel in der Anlaufphase unter vorsichtigen Annahmen benötigen werden.
6.4
Liquiditätsplan
Für Sie als Technologiegründer hat die sorgfältig erstellte Liquiditätsplanung eine besonders hohe Bedeutung: Bei Projektgeschäften fällt in der Regel ein erheblicher Betrag an vorzufinanzierenden Kosten an. Sie sollten die klaren Vorstellungen, die Sie während der Entwicklungsphase über Projektdauern und Zahlungsmodalitäten entwickelt haben, hier nutzen. Mit der Liquiditätsplanung sehen Sie auch erstmals, welche Bedeutung Finan-
6 Finanzplanung
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zierungskosten für die finanzielle Stabilität Ihres Unternehmens haben, und Sie werden nachhaltig motiviert, in Richtung Äquivalenz von Projektfortschritt und Abschlagszahlungen zu verhandeln. Für besonders expansive Unternehmenskonzepte, wie sie häufig bei ITund E-Commerce-Gründungen vorkommen, ergibt sich oft ein erheblicher Betriebsmittelbedarf für Marketing und Kommunikation, dem recht unsichere Einnahmeerwartungen gegenüber stehen. Alle Einzahlungen und Auszahlungen, die voraussichtlich anfallen, werden in der Liquiditätsplanung dem Betrag und der tatsächlichen Kassenwirksamkeit nach monatlich erfasst. Achten Sie darauf, die Zahlungszeitpunkte möglichst genau zu schätzen. Annahmen über das tatsächliche Zahlungsverhalten der Kunden (x Tage nach Rechnungsstellung) sind unumgänglich. Das Zahlungsverhalten kann deutlich nach hinten von Ihren Zahlungszielen abweichen. Ebenso möglich ist die Inanspruchnahme von Skonti, die sich umsatzmindernd auswirkt. Einschlägige Formulare bzw. rechnergestützte Kalkulationshilfen finden sich wiederum im Softwarepaket des BMWA und in den einschlägigen Gründungsratgebern. Die meisten Positionen sind selbsterklärend dargestellt. Lediglich die Umsatzsteuer/Vorsteuer ist Gründern ohne kaufmännische Vorkenntnisse nicht auf den ersten Blick eingängig. Diese Steuerzahlungen werden in der Liquiditätsvorschau getrennt ausgewiesen. Sie sind vor allem für Betriebe mit erheblichen Anfangsinvestitionen wichtig, denn die den Lieferanten von Investitionsgütern gezahlten Umsatzsteuern (= Mehrwertsteuern) bekommen Sie im nächsten Monat als gezahlte Vorsteuern vom Finanzamt erstattet. Dies sind oft nicht zu vernachlässigende Beträge, die Sie einplanen sollten. Nicht alle Planungshilfen berücksichtigen das. Die Einzahlungen sind die von den Gründern zur Verfügung gestellten Mittel, mögliche Kredite, die Ihnen von der Bank zur Verfügung gestellt werden, sowie mögliche öffentliche Fördermittel und Vorsteuererstattungen des Finanzamts. Ihre Umsatzerlöse können Sie nach der Preisermittlung und nach vorsichtiger Herleitung des Zeitbedarfs bis zur Auftragsvergabe und Kenntnis der Zahlungsbedingungen jetzt auch realistisch einschätzen. Es wird sich ergeben, dass bei Projektgeschäften zunächst die Ausgaben die Einnahmen übersteigen werden, wenn nicht schon Aufträge vorliegen. In diesem Fall kalkulieren Sie Liquiditätslöcher nach Abwicklung der ersten Aufträge ein. Bei im Stundentakt abzurechnenden Ingenieurleistungen wird der Überbrückungsbedarf an so genannten Betriebsmitteln erfahrungsgemäß weniger groß ausfallen.
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D. Umsetzungsphase
Die in den ersten Monaten regelmäßig gegebene Lücke zwischen Einund Auszahlungen plus Planungsreserve muss im Rahmen des Finanzierungskonzeptes immer sicher geschlossen werden. Ausgabendisziplin ist besonders dann von Nöten, wenn am Anfang viel liquides Kapital vorhanden ist. Die Konzentration liegt oft auf dem Produkt, Wirtschaftlichkeit und Vertrieb werden vielfach eher vernachlässigt. Viele Unternehmen geraten zwei bis drei Jahre nach Gründung in Liquiditätsschwierigkeiten, weil aus erwirtschafteten Überschüssen nicht genügend Reserven im Unternehmen belassen wurden. Zum einen beginnen bei Krediten nach der tilgungsfreien Zeit die Rückzahlungen. Zum anderen wird das Finanzamt im Anschluss an das erste Jahr, das Sie mit Gewinn abschließen, Vorauszahlungen auf die vermutliche Einkommensteuer verlangen. Beide Effekte werden in vielen Liquiditätsplanungen nicht berücksichtigt und können zu Illiquidität führen. Eingehende Erläuterungen finden Sie in den Gründerzeiten Nr. 31 „Liquidität“. Ein krasser Fall Ein Jungunternehmer der Softwarebranche hatte Mitte der 1980er Jahre so große Anfangserfolge, dass er sogar seine Sekretärinnen mit hochwertigen Dienstfahrzeugen ausstattete. Als wenig später Programmierfehler kundenseitig moniert wurden, fehlte das Geld für rasche Nachbesserungen und Schadenersatz. Trotz großen Marktpotentials und eines bereits beachtlichen Marktvolumens ging das Unternehmen aufgrund fehlender Liquidität in Konkurs.
6.5
Ertragsvorschau
Die Ertragsvorschau oder Rentabilitätsvorschau zeigt Ihnen durch die Ermittlung des Betriebsergebnisses, des Jahresüberschusses und des Cashflows deutlich, x ob, x in welcher Höhe, x ab wann die Unternehmensgründung sich wirtschaftlich für Sie lohnen wird. Einschlägige Muster sind in jedem Leitfaden für Unternehmensgründung erhältlich. Die Ertragsvorschau stellt den Umsatzerlösen die Aufwendungen gegenüber. Im Gegensatz zur Liquiditätsplanung gehen hier auch kalkula-
6 Finanzplanung
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torische Kosten wie Abschreibungen (AfA= Absetzung für Abnutzung) ein. Die einzelnen Positionen der Aufwendungen wie Materialkosten, Personalkosten, Werbung etc. sind nach den bisherigen Planungen für Sie weitgehend selbsterklärend. Lediglich bei der Kalkulation der Abschreibungen werden Sie die Abschreibungssätze vom Steuerberater erfragen müssen. Auch bei der Schätzung des Zinsaufwandes und der Steuern sollten Sie den Steuerberater oder erfahrene Unternehmer fragen. Insbesondere bei der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft ist zu beachten, dass Sie als Geschäftsführer ein Angestellter des Unternehmens sind. Das Unternehmen hat deshalb auch Sozialversicherungsbeiträge für Sie zu entrichten. Bei Personengesellschaften sind die Entnahmen der Gesellschafter hingegen nicht Teil der Personalkosten. Die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen sollten Sie sich von einem Steuerberater und einem der speziell für Unternehmer zuständigen Ansprechpartner einer Krankenkasse erläutern lassen. Marktsicht ist wichtiger als Controlling Ein erfolgreicher Unternehmer gab zu bedenken, dass Erfolge beim Kunden nur sehr bedingt zu planen seien. Insofern sie die beste Gewähr für eine ausreichende Liquidität und gesunde Ertragssituation nicht durch immer feinere Planung, sondern verstärkte Marktbearbeitung in Kombination mit möglichst geringen Fixkosten zu haben. Der Unternehmer hat die Anlagenentwicklung und -produktion komplett outgesourct (Fixkostenreduktion) und konzentriert sich darauf, seine Kernkompetenz, das einmalige Prozesswissen (Betontechnologie in Kombination mit Wasserkonditionierung) beim Kunden zu vertreten.
6.6
Finanzierung
Ausgangspunkt der Entscheidung über die Herkunft des notwendigen Kapitals sind Kapitalbedarfsplan und Liquiditätsvorschau. Der Kapitalbedarfsplan zeigt die Verwendung und den Betrag der zur Verfügung zu stellenden Mittel. Der Liquiditätsplan zeigt die zeitliche Dimension des Mittelbedarfs.
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6.6.1
D. Umsetzungsphase
Typische Ausgangssituation
Technologiegründungen haben einige Besonderheiten in Bezug auf die Gründerpersonen und die Geschäftsmodelle, die sie von anderen Gründungen unterscheiden und zu spezifischen Unternehmensfinanzierungen führen: Gründerpersonen Die Gründerpersonen sind in der Regel zwischen 30 und 40 Jahre alt. Sie haben begrenzte eigene finanzielle Rücklagen und in der Regel keine Sicherheiten wie eigene Immobilien. Sie haben als NaturwissenschaftlerIn oder IngenieurIn oft auch finanziell interessante Alternativen zur Selbstständigkeit. Deshalb ist die Neigung, eine Gründung über Kredite zu finanzieren, extrem niedrig ausgeprägt. Über die Hälfte der befragten Technologiegründer hat vor der Gründung keine Bankgespräche geführt und sich die notwendigen Mittel ohne Banken beschafft. Es ist aber ratsam, vor der förmlichen Gründung ein Geschäftskonto zu eröffnen und wenigstens einen Kontokorrentrahmen zu vereinbaren. Alle Banken, die sich nicht ausschließlich auf Privatkunden beschränken, haben in den vergangenen Jahren zentrale Teams von Gründerberatern etabliert, die angehende Unternehmer in allen Planungsfragen beraten und die Planungen von Gründern als außen Stehende kritisch hinterfragen können. Diese Möglichkeit sollte genutzt werden. Für Technologiegründer ergibt sich typischerweise weniger die Notwendigkeit, Kredite zu beschaffen, als sich haftendes Eigenkapital zu besorgen. Deshalb wird hier auf die Darstellung des üblichen Kreditportfolios für Gründer, wie es die KfW-Mittelstandsbank des Bundes (www.kfwmittelstandsbank.de) und die Förderinstitute der Bundesländer bereitstellen (in Niedersachsen: www.nbank.de), verzichtet. Hier sei nur ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Kredite ausschließlich über die so genannte Hausbank, Ihre spätere Hauptbankverbindung, beantragt und verwaltet werden können. Geschäftsmodelle Viele der befragten Technologiegründungen benötigten nur geringe Anfangsinvestitionen, weil sie zunächst auch bei der Produktion Fremdfertigung bzw. Nutzung von Hochschulinfrastruktur für F&E planen. Der Kapitalbedarf besteht vor allem darin, den Lebensunterhalt der Gründer in der Startphase zu finanzieren. Zusätzlich werden Betriebsmittel zur Vorfinan-
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zierung von Produkt- oder Softwareentwicklungen bzw. zur Markterschließung benötigt. Besonders hoher Kapitalbedarf, der über einen längeren Zeitraum in mehreren Wellen entsteht, ergibt sich bei stark expansiv geplanten Unternehmen besonders im IT-, E-Business und Life-Sciences-Bereichen. Auf starkes Wachstum angelegte Unternehmen haben naturgemäß mit größeren Risiken zu rechnen als diejenigen, die mit einer begrenzten Anzahl von Kunden und Mitarbeitern überschaubare Leistungen anbieten möchten. Als Zwischenergebnis ist festzustellen, dass technologieorientierte Gründungen oft wenige Investitionen, dafür aber ein hohes Maß Betriebsmitteln erfordern. Diese können, im Gegensatz zu Investitionen, Banken nicht als Sicherheiten für Kredite dienen. Technologiegründungen sind darüber hinaus mit höherer Unsicherheit behaftet als Gründungen in traditionellen Geschäftsfeldern und Modellen. Aus diesen Gründen ist es für Gründer und Banken gleichermaßen in den meisten Fällen weder attraktiv noch objektiv möglich, größere Teile des Kapitalbedarfs über Kredite zu finanzieren. Wenn Fremdkapital zur Finanzierung weniger in Betracht kommt, dann muss der Schwerpunkt des aufzubringenden Kapitals den Charakter von Eigenkapital haben. Es haftet mit. Es profitiert von den wirtschaftlichen Ergebnissen wie Gewinn und Wertzuwachs. Je mehr Eigenmittel Sie über Zuschüsse, Wettbewerbe und Ähnliches einwerben, desto besser kommen Sie auch an Fremdmittel. Wenn Sie den Einstieg von Beteiligungsgesellschaften zur Finanzierung der Expansion planen, ist es hilfreich, bei der Produktentwicklung und im Markt schon recht weit zu sein. Je früher Sie Beteiligungen benötigen und je unsicherer dieses Engagement ist, desto höher ist der Anteil am Unternehmen, das Sie den Kapitalgebern fürs Geld abtreten müssen. Je weiter Sie unternehmerisch sind, je mehr eigene Mittel Sie haben, desto besser ist bei Beteiligungsverhandlungen Ihre Verhandlungsposition. 6.6.2
Eigenkapital-Quellen
Hier sollen die für Technologiegründer in den meisten Fällen relevanten Quellen von Eigenkapital dargestellt werden. Diese Darstellung geschieht in der Reihenfolge der Geschwindigkeit und des Aufwands, den Sie zum Erlangen dieser Mittel treiben müssen. Anschließend werden dann Szenarien von typischen Finanzierungsportfolios dargestellt. Gerade bei der Einwerbung öffentlicher Mittel über Bundes- und Länderprogramme sowie bei der Auswahl geeigneter Wettbewerbe sollten Gründer versuchen, Unterstützung eines versierten Coaches zu bekommen. Derartige Personen findet man beispielsweise in Technologie- und Grün-
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D. Umsetzungsphase
derzentren, in Transferstellen von Hochschulen sowie in größeren Kammern. In dieser Phase der Unternehmensplanung dürfte bei den meisten Gründern Zeit ein sehr knapper Faktor sein, und die Hilfe eines Fachmanns spart viel Aufwand. Derartige Coaches müssen auch nicht kostenpflichtig oder teuer sein, weil die öffentlich und halböffentlich geförderten Einrichtungen zum Teil über sehr versierte Fachleute verfügen. Fragen Sie aber auch hier nach einschlägigen Erfahrungen und Empfehlungen früher betreuter Gründer.
Mehrere Monate
Zuschuss F&E: Landesprogramme BmBF
Ersparnisse der Gründer
keiner
Wettbewerbe Branchen-, Technologie-, Hochschul-, Kommunale Wettbewerbe
Landeszuschüsse Gründungen aus Hochschulen
Weitere Geldanlagen Auflösen, einbringen Fonds Aktien Münzen
Agentur für Arbeit: Eingliederungszuschuss Einstellungszuschuss Gründungszuschuss
Sacheinlagen Gründer: PCs, EDV, BüroGeschäftsausstattung Werkzeuge, Maschinen, Fahrzeuge
Kommunale Gründerunterstützung: Mietnachlässe Günstige Grundstücke/Immobilien Beratungszuschüsse Beteiligungen von Verwandten und Freunden Stille Gesellschaft
Zeitlicher Vorlauf
Abb. 15 Eigenkapitalquellen von Technologiegründern
Eigene Mittel der Gründer Eigene Mittel der Gründer sind als Basis nahezu unabdingbar, um ein Unternehmen zu gründen. Nur selten finden Gründer ohne jegliche finanzielle Reserven Mitgesellschafter oder Kapitalgeber, die Bargeld einbringen. Dies ist erfahrungsgemäß nur dann der Fall, wenn die Gründer über einzigartige Verfahren, Produkte, Kenntnisse verfügen, die offensichtlich großes Marktpotential haben. Bei mehreren Gründern in einer Personengesellschaft (GbR, OHG) ist darauf zu achten, dass Sie nicht nur aktiv Mittel beisteuern, sondern dass auch jeder einzelne Gesellschafter für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft unmittelbar und mit dem gesamten Vermögen haftet. Deshalb ist neben der Vereinbarung über das Einbringen von Mitteln auch Klarheit über den jeweiligen Vermögensstatus der Beteiligten und die Haftungsfrage zu erzielen. Dies ist bei nahezu mittellosen Gründern ohne familiäre Verpflichtungen nicht problematisch, wohl aber, wenn einer oder mehrere der Gründer durchaus über nennenswertes Vermögen verfügen. In dieser Situation benötigen Sie anwaltlichen Rat und werden möglicherweise die geplante Rechtsform ändern. Die GmbH oder eine KG sind in dieser Situation möglicherweise geeignet, das Problem zu lösen.
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Beteiligungen von Familie, Freunden und Bekannten Relativ verbreitet ist auch bei Technologiegründern die Unterstützung von nahe stehenden Personen, die entweder als stille Beteiligung, Geschenk oder niedrig oder gar nicht verzinsliches Privatdarlehen Mittel zur Verfügung stellen. Diese Mittel haften als Eigenkapital mit. Interessant an dieser Finanzierungsquelle ist, dass in der Regel niemand mitbestimmen oder eine Mehrheit an Gesellschafteranteilen an Ihrem Unternehmen erlangen möchte. Derartige Beteiligungen sind oft recht schnell zu erlangen, dafür aber in der Höhe in aller Regel begrenzt.
Kapitalbeteiligung
FK EK Jahr 1
FK
Kapitalbeteiligung
FK
FK
EK
EK
EK Jahr 3
Jahr 1
Jahr 3
Szenario 1: geringer Eigenkapitalanteil
Szenario 2: hoher Eigenkapitalanteil
Bei Expansion schlechtere Verhandlungsposition zu Banken und Beteiligungsgebern
Bei Expansion mehr Zeit und bessere Verhandlungsposition; weniger Anteile müssen abgegeben werden
Abb. 16 Vorteile für Technologiegründungen mit hohem Eigenkapitalanteil schon zu Beginn (EK = Eigenkapital, FK = Fremdkapital)
Öffentliche Zuschüsse für Gründungen aus Hochschulen Viel weniger bekannt als angenommen sind Zuschüsse des Bundes oder der Länder für Unternehmensgründungen, die technologieorientierten Gründern ohne Rückzahlungsverpflichtungen über die Gründungsphase und das erste Jahr nach Gründung helfen sollen. Auf Bundesebene ist auf das Programm EXIST-SEED hinzuweisen. EXIST-SEED ist ein bundesweites Förderprogramm zur direkten Unterstützung technologieorientierter Unternehmensgründungen in der Frühphase. Es fördert die Umsetzung der Gründungsidee in einen Businessplan. Ähnliche Programme bieten inzwischen viele Bundesländer an. Auf Landesebene gab es beispielsweise bisher Mittel aus dem Programm „Gründercampus Niedersachsen“ für das erste Jahr nach der Gründung. Diese Programme stellen in der Größenordnung von 20 bis 30 T€ Zuschüsse zur
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D. Umsetzungsphase
Verfügung, um den Gründern die Fertigstellung ihres Produkts/Verfahrens/Angebots und den ersten Markteintritt zu erleichtern. Diese auch manchmal als „Gründerbafög“ bezeichneten Mittel helfen, den Lebensunterhalt in der Umsetzungs- und Startphase sicherzustellen. Bei diesen Mitteln ist die Unterstützung der Hochschule obligatorisch. Ob und welche Landesprogramme es in diesem Zusammenhang gibt, erfährt man bei den Technologietransferstellen und Innovationsgesellschaften der Hochschulen sowie bei regionalen bzw. kommunalen Wirtschaftsförderern. Wenn für Ihr Unternehmen das Programm EXIST-SEED in Betracht kommt, dann muss die Hochschule auch den Antrag stellen. Diese Mittel müssen rechtzeitig beantragt werden, weil es nur zwei bis vier Antragstermine pro Jahr gibt und ein zeitlicher Vorlauf von bis zu einem halben Jahr einzurechnen ist. In der Definitionsphase sollte bereits ein vorläufiger Businessplan geschrieben und bei den entsprechenden Stellen eingereicht werden. Dieser Businessplan ist in der Regel nicht so fundiert wie der Plan, den Sie an dieser Stelle nach Abschluss der Entwicklungsphase bereits entwickelt haben. Sie werden diese erste Ideenskizze aber schon recht frühzeitig brauchen. Es lohnt sich aus zwei Gründen, sich schon während der Entwicklungsphase mit der Erstellung eines schriftlichen Businessplans zu befassen: Erstens gibt es bisher für plausible Konzepte nach einschlägiger Erfahrung der Autoren eine deutlich mehr als 50%ige Erfolgschance bei derartigen Wettbewerben. Zweitens gewöhnen Sie sich daran, den Businessplan als Ergebnispapier des derzeitigen Kenntnisstands ständig zu überarbeiten und bei neuen Erkenntnissen auch schon bewältigt geglaubte Themen erneut zu überprüfen. Ein häufig von Gewinnern dieser Zuschüsse und auch von Businessplanwettbewerben gemachter Fehler besteht darin zu glauben, ihr Businessplan wäre schon so gut, dass er nicht weiter bearbeitet werden müsste. Dann wird emsig am Produkt weiter entwickelt, und am Ende des Geldes ist noch kein zahlungswilliger Kunde in Sicht. Der Gewinn eines solchen Preises bedeutet nicht mehr und nicht weniger als eine Plausibilitätsprüfung. Die Jurys sind nur im Ausnahmefall mit Personen besetzt, die den Markterfolg in Ihrem spezifischen Markt sicher einschätzen können. Ein Preis hilft vor allem finanziell und bringt Publicity, aber selbst Publicity bringt erfahrungsgemäß keinerlei Aufträge und ersetzt nicht das aktive Verkaufen. Businessplanwettbewerbe/Regionale Förderung Die Vielzahl der regionalen und branchenspezifischen Businessplanwettbewerbe kann an dieser Stelle nur erwähnt, aber nicht aufgezählt oder bewertet werden. Der bekannteste Wettbewerb ist sicher der Start-up-Wett-
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bewerb, der jährlich von den Sparkassen, dem Stern und der Beratungsfirma McKinsey durchgeführt wird. Allen Wettbewerben zu eigen sind Preise in bar oder in Sachleistungen von einigen tausend Euro. Ein Beispiel hierfür sind der Plug-and-Work- und der Lighthouse-Wettbewerb der Hannoverimpuls GmbH, die den Gewinnern kostenlose Räumlichkeiten und Informationsinfrastruktur in räumlicher Nähe zu Hochschulen und anderen Gründern bieten. Außerdem sind hier Technologie- und Gründerzentren zu erwähnen, die als Businessinkubatoren reduzierte Mieten und Infrastruktur bieten. Einige der Wettbewerbe subventionieren Unternehmensberatung und Coaching durch Experten. Innovative Unternehmenskonzepte haben gute Chancen, Preise im Rahmen derartiger Wettbewerbe zu gewinnen. Engpass ist eher die Anzahl plausibler Konzepte als die Anzahl der Wettbewerbe und Preise. In der Summe sind durch die bis jetzt genannten Quellen relativ schnell und mit vergleichsweise sehr geringem Aufwand Mittel bzw. Kostenersparnisse in erheblicher Größenordnung zu mobilisieren. Dies zeigt folgendes Beispiel: x x x x
Eigenmittel (eigene Ersparnisse, Verwandtenbeteiligungen) 25.000 € Gründercampus Niedersachsen ein Jahr 18.000 € EXIST-SEED 30.000 € Wert Plug and Work 5.000 €
Die Größenordnung von gut 50.000 € an Fördermitteln allein aus diesen Quellen ist also möglich, dies allerdings nur mit erstklassigen Businessplänen und unter der Einschränkung, dass es sich um innovative Gründungen aus Hochschulen handelt. Für viele auch technologisch ausgerichtete Gründer mit begrenzten Expansionsplänen und reifem Produkt reichen diese Mittel aus, um zu starten und die Zeit bis zur Erzielung ausreichender Einnahmen zu überbrücken. Zuschüsse F&E Eine bei vielen Technologiegründern unbekannte Geldquelle sind Zuschüsse zur Forschung und Entwicklung. Neben der öffentlichen Förderung kooperativer Forschungsprojekte in Kooperation mit Hochschulen gibt es auch auf Länderebene nicht rückzahlbare Zuschüsse für innovative Produkte und Verfahren. Diese Programme werden in aller Regel von den Landesförderinstituten verwaltet. In Niedersachsen ist beispielsweise eine Förderung von bis zu 150 T€ pro antragsfähigem Projekt möglich. Allerdings sind diese Zuschüsse immer als Ergänzung bzw. Komplettierung der Finanzierung einzusetzen. Sie decken maximal 25 bzw. 35 Prozent der förderfähigen Aufwendungen. Die Zuschüsse sind budgetiert und werden jährlich im Windhundverfahren
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D. Umsetzungsphase
(wer zuerst kommt, mahlt zuerst) vergeben. Es gilt, sich frühzeitig an die zuständigen Ansprechpartner (hier: www.nbank.de) zu wenden. Voraussetzungen sind ein nachgewiesener hoher Innovationsgrad, wirtschaftliche Verwertbarkeit und Zugehörigkeit zu vom Land definierten Technologiefeldern. Schon in der Interessensphase werden Sie bei der Feststellung der Reife des Produktes u. U. feststellen, dass vor Markteintritt noch erheblicher Entwicklungsaufwand auf Sie zukommt. In diesem Fall sollte in der Entwicklungsphase nach Definition des Marktes und des Geschäftsmodells mit den entsprechenden Stellen Kontakt aufgenommen werden. Dann wird schnell zu klären sein, ob und wann Mittel verfügbar sind und ob Ihr Vorhaben hierzu passt. Vom Zeithorizont her sind derartige Mittel sechs Monate vor der Gründung zu beantragen. Sie sind vor allem dann erforderlich, wenn Ihr Produkt noch einigen Entwicklungsaufwand erfordert. Insofern ist eine erste Kontaktaufnahme zum Beispiel mit der NBank noch aus der Hochschule und zu Beginn der Entwicklungsphase sinnvoll. Einen Überblick über Förderprogramme erhalten Sie auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Öffentliche Frühphasenbeteiligungen Die nun darzustellenden Eigenkapitalquellen sind dann sinnvoll und notwendig, wenn der Kapitalbedarf sechsstellig wird und nicht von den oben genannten Quellen gedeckt werden kann. Zeitliche Risiken aus der Produktentwicklung sind ebenso abzudecken wie der erhebliche Aufwand eines schnellen und flächendeckenden Markteintritts. Erfahrungsgemäß benötigen derartige Projekte einen hohen sechsstelligen €-Betrag und durchschnittlich in der Größenordnung von 500 T€, um das Unternehmen erfolgreich zu starten. Hierfür gibt es zunächst öffentlich geförderte Kapitalbeteiligungsangebote. Diese lassen zwar die Unternehmenskonzepte genauso wie die privaten Beteiligungsgesellschaften einen umfassenden Prüfprozess durchlaufen, sind aber nicht daran interessiert, aktiv in die Geschäftsführung einzugreifen oder eine risikoadäquate Rendite zu erzielen. Sie „bewachen ihr Geld nicht so intensiv“.
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Wie man Zuschüsse erhält und wer dabei hilft Dr. Ing. Thomas Wolf und seine Partner gründeten 2004 das Unternehmen OSIF GmbH. Die Hauptarbeitsbereiche der OSIF GmbH sind die Entwicklung, Fertigung und der Vertrieb optischer Messsysteme und Sensoren für die Qualitätskontrolle in Produktion und Fertigung. Den Schwerpunkt ihrer Entwicklungen und ihre Kernkompetenz sieht die OSIF GmbH in der fertigungsintegrierten bzw. fertigungsnahen Online-3D-Inspektion großer Messobjekte. Das Unternehmen musste Referenzanlagen und weitere Entwicklungen sowie den Vertrieb vorfinanzieren. Bei den üblichen Rahmenbedingungen wie geringen Sicherheiten für Kredite und hohem Risikopotential waren die Gründer darauf angewiesen, sich über die Eigenkapitalseite und Zuschüsse aus verschiedenen Quellen zu finanzieren. In der Frühphase noch vor der GmbH Gründung gelang es Dr. Wolf, seine Eigenkapitalbasis durch die Akquise mehrerer spezifischer Programme zu verbessern: 1. Start Up Impuls Wettbewerb Hannover 2003: 2.000 € 2. Center of Excellence Förderung der hannoverimpuls GmbH: 2.500 € 3. Landesprogramm Gründercampus 2004 Niedersachsen mit Hilfe des Technologie Centrum Hannover (TCH): 18.000 € 4. GründeN04: Niedersächsischer Landeswettbewerb: 25.000 € 5. Gründungszuschuss der Agentur für Arbeit 6. Einarbeitungszuschuss der Agentur für Arbeit für einen Gesellschafter, der vom Unternehmen eingestellt wird (ein halbes Jahr 50 % Prozent des Gehaltes). 7. Tbg Frühphasenförderung: 150.000 € (Dieses Programm ist ausgelaufen. Nachfolgeprogramme der kfw-Mittelstandsbank sind der High-Tech Gründerfonds bzw. der ERP Startfonds). So ist es der OSIF gelungen, über 50.000 € an Zuschüssen und 150.000 € an Beteiligungskapital (Genussrechtskapital! Noch halten die Gründungs-Gesellschafter 100 %) einzuwerben. Besonders hilfreich war bei der Einwerbung der Mittel ein auf Technologiegründungen spezialisierter Coach des TCH. Inzwischen ist das Unternehmen aus der Anlaufphase heraus. Weitere Beteiligungen von Beteiligungsunternehmen wird das Unternehmen kritisch prüfen, weil damit erhebliche monatliche Berichtspflichten und eine Einschränkung der unternehmerischen Freiheit einhergehen.
Leider ist das bei kaufmännisch nicht versierten Gründern nicht immer nur von Vorteil, denn es verleitet dazu, ohne Rückkopplung zu den Erfordernissen der Kunden weiterzuentwickeln, bis das Geld aufgebraucht ist.
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D. Umsetzungsphase
Die einschlägigen öffentlichen Angebote, die für die frühe Phase bis zu einem Jahr nach Start bis zu 1,5 Mio. € kofinanzieren, sind vor allem x Produkte der KfW-Mittelstandsbank wie - ERP-Startfonds-Frühphase, - High-Tech Gründerfonds. x Beteiligungen der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften der Bundesländer. Diese Beteiligungsgesellschaften erwarten nur eine etwa halb so große Rendite auf ihr eingesetztes Kapital wie private Beteiligungsgesellschaften. Sie werden in diesem Fall persönlich bürgen und eine Risiko-Lebensversicherung abschließen müssen. In der Regel wird ein so genannter Lead Investor benötigt, der mit eigenem Geld das Unternehmen begleitet. Die öffentlichen Gesellschaften finanzieren dann mit und ersparen sich den bei privaten Beteiligungsgesellschaften notwendigen Kontrollaufwand. Die Abläufe einer Kapitalbeteiligung sind auf der Website der KfWMittelstandsbank (www.kfw-mittelstandsbank.de) und auch bei den Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften im Detail dargestellt. Allen privaten und öffentlichen Beteiligungen ist gemein, dass sie erheblichen zeitlichen Vorlauf haben und schon während der Entwicklungsphase nach Klarheit über Markt und Geschäftsmodell angeschoben werden müssen, wenn die Mittel kurz nach dem Start zur Verfügung stehen sollen. In der Regel haben kaufmännisch nicht vorgebildete Gründer weder die Fachkompetenz noch die Zeit, sich um diese Aspekte zu kümmern. Daher wird in der Regel ein Coach oder ein privater Lead Investor die Planungen beschleunigt vorantreiben. Der Prozess des Einwerbens von Beteiligungskapital ist in Bezug auf Zeit und Kosten derart aufwändig, dass sich Beteiligungen überhaupt erst ab ca. 250 T€ lohnen. Business Angels Der Fall einer Business-Angel-Beteiligung ist hier ebenfalls anzusprechen. In diesem Fall beteiligen sich Privatpersonen an Ihrem Unternehmen, d. h. sie geben Kapital in der Größenordnung von 50 T€ und stehen gleichzeitig als Coach für das Management bereit. Zwischen Business Angels und Gründern muss die persönliche Chemie stimmen. Beide Seiten müssen sich über die persönlichen und unternehmensbezogenen Ziele sehr weitgehend einig sein. Beide Seiten haben auf faire Bedingungen zu achten. Business Angels sind in Deutschland im Business-Angels-Network Deutschland (BAND) organisiert. Business Angels sind in der Gründungs-
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phase (Seed-Phase) deutlich einfacher zu finden als Kapitalbeteiligungsgesellschaften. Beteiligungsgesellschaften (Venture-Capital-Gesellschaften) Private Beteiligungsgesellschaften haben in den Jahren 2000 und 2001 sehr viel Geld mit maroden Internetbeteiligungen verloren und tun sich seither schwer, Neugründungen in der Startphase zu finanzieren. Die von VC-Gesellschaften erwartete jährliche Rendite auf das eingesetzte Kapital beläuft sich in der Größenordnung ab 25 % p. a. Das war in der Vergangenheit die Hoffnung, im Rahmen eines Börsenganges am Ende des Investments durch den Verkauf von Aktien sehr gut zu verdienen. VCGesellschaften beteiligen sich immer nur temporär am Unternehmen und müssen in Anbetracht des Risikos zum Ausstieg (Exit) eine entsprechende Verzinsung durch Verkauf der Anteile an die Gründer oder Dritte erzielen. Beteiligungen für Gründungen sind seit 2001 nur sehr schwer zu erlangen. Die meisten VC-Gesellschaften konzentrieren sich auf die Finanzierung der Expansionsphase und steigen dann ein, wenn das Unternehmen auf dem Markt schon gezeigt hat, dass es wettbewerbsfähig ist. Wenn Ihr Unternehmen ein auf viele Jahre stark wachsendes Geschäft sein soll, dann werden Sie im Rahmen der Finanzierungsplanung schon an dieser Stelle einige so genannte Finanzierungsrunden planen, in deren Rahmen dem Unternehmen zum planvollen Wachstum weiteres Kapital zugeführt wird. Hier spielen die privaten VC-Gesellschaften eine wichtige Rolle, denn diese gehen sorgfältig mit ihrem Geld um. Sie als Unternehmer bekommen, positiv formuliert, Managementunterstützung. Wenn die Kapitalgeber aber den Gründern die weitere erfolgreiche Führung des Unternehmens nicht zutrauen, dann werden sie diese ohne Zögern aus der Geschäftsführung entlassen. Dann sind Sie als Gründer bestenfalls noch Minderheitsgesellschafter und aus dem Geschäft. Eine Übersicht über die Kapitalbeteiligungsgesellschaften in Deutschland und Recherchemöglichkeiten, welche davon für spezielle Vorhaben in einer gegebenen Situation in Betracht kommen, findet sich auf der Website des Bundesverbands der Kapitalbeteiligungsgesellschaften (www.bvk-ev.de). Mezzanine Beteiligungen Mezzanine Beteiligungen sind zwischen Krediten und Eigenkapital einzuordnen. Wirtschaftlich haftet dieses Kapital mit, es hat aber auch Elemente eines Kredites und ist rückzahlbar. Beispiele sind stille Beteiligungen, Genussrechte oder Nachrangdarlehn.
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Unternehmer haben bei dieser Finanzierungsform größere Entscheidungsfreiheit als bei offenen Beteiligungen. Die Beteiligungen werden vom Unternehmen zurückgezahlt, es werden keine Unternehmensanteile veräußert. Öffentliche Anbieter wie die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften der Bundesländer, aber auch die Eigenkapital ersetzende Eigenkapitalhilfe der KfW fallen in diesen Bereich. Vorgehensweise bei der Finanzierungsplanung Sie werden in jedem Fall externe Unterstützung brauchen, wenn Sie mehrere Beteiligungsrunden zur Finanzierung benötigen und nicht über einschlägige Erfahrungen verfügen. Diese Unterstützung eines finanzfachlich versierten Coaches benötigen Sie schon recht früh im Rahmen Ihrer Entwicklungsphase. Die finanziell zu Ihren Lasten durchzuführende eingehende Prüfung Ihres Unternehmenskonzeptes (Due Diligence) ist sorgfältigst vorzubereiten. Wenn Sie es allein versuchen, laufen Sie Gefahr, die Finanzierungsrunden zeitlich und quantitativ nicht optimal zu planen. Genau so wichtig ist, dass Sie Ihre Gesellschafteranteile nicht vorzeitig bei den ersten Beteiligungen so stark verwässern, dass Sie am Ende keinen nennenswerten Einfluss mehr haben. Ihr Coach sollte nachweisen können, dass er im Beteiligungsgeschäft mit Gründern firm ist. Dies weist er am besten durch Referenzen von jungen Unternehmen ähnlicher Ausrichtung nach, die er erfolgreich betreut hat. Coaches findet man beispielsweise über den Kompetenzpool der KfW-Mittelstandsbank oder in Niedersachsen über die NBank oder aber über das Business-Angels-Network. Bedenken Sie aber bei Ihrer Finanzierung, dass Kundenaufträge für Sie fast schon bares Geld sind. So stellte ein erfolgreicher Gründer fest: „Wenn ich Aufträge habe, kann ich auch zu meiner Hausbank gehen!“
6.6.3
Zwischenergebnis Finanzierung
In dieser Phase haben Sie 9 Ihren Kapitalbedarf im Zeitablauf mit hinreichender Reserve eingeplant, 9 Ihre Zahlungsfähigkeit im Liquiditätsplan unter vorsichtigen Annahmen gesichert, 9 die Rentabilität Ihres Unternehmens klar geplant, 9 die nahe liegenden Quellen von Eigenkapital und Zuschüssen systematisch geprüft und die möglichen Mittel erschlossen bzw. in Aussicht,
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9 Kontakte zu Banken aufgenommen und ein Echo zu Ihren Planungen und Finanzierungsangebote eingeholt, 9 im Fall eines Kapitalbedarfs, der 100 T€ deutlich übersteigt, Hilfe eines einschlägig erfahrenen Coaches in Anspruch genommen, 9 einen fast vollständigen, in sich stimmigen, wohl begründeten Businessplan mit folgenden Elementen erstellt: - Executive Summary, - Leistungsangebot, - Branche/Markt, - Marketing/Vertrieb/Markteintritt, - Unternehmensleitung/Gründerteam, - Drei- bis Fünfjahresplanung einschließlich der o. g. Planrechnungen.
6.7
Informationen
In Sachen Finanzplan und Finanzierung sei als erste Übersichtsquelle auf die Gründerzeiten Nr. 6 „Finanzierung“ www.existenzgruender.de/imperia/md/content/pdf/gz_6_02_04.pdf
und Nr. 7 „Kapitalbedarf und Rentabilität“ www.existenzgruender.de/imperia/md/content/pdf/gz7.pdf
sowie Nr. 31 „Liquidität“ www.existenzgruender.de/imperia/md/content/pdf/gz31.pdf
verwiesen. Als technische Planungshilfe mit umfänglichem Glossar und weiteren Erläuterungen ist das Softwarepaket des BMWI einsetzbar www.softwarepaket.de.
Einige Kreditinstitute stellen für finanzielle kleinere Gründungen eigene übersichtliche Kalkulationsschemata zur Verfügung. Auch Gründerwettbewerbe stellen Kalkulationshilfen mit Erläuterungen online zur Verfügung. Ein Beispiel hierfür ist die Excel-Kalkulationshilfe des StartUp-Impuls Wettbewerbs: http://startup-impuls.hannoverimpuls.de.
Die Abläufe einer Kapitalbeteiligung sind auf der Website der KfWMittelstandsbank www.kfw-mittelstandsbank.de.
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im Detail dargestellt. Der High-Tech Gründerfonds der KfW findet sich unter www.high-tech-gruenderfonds.de.
Die Förderdatenbank der BMWI ist unter der Adresse http://db.bmwa.bund.de/_DE_de/WZL_205b4ea5f8364058799b4bf763 045371_WZL/app.wiz?WDC=index__foerderrecherche__open
zu recherchieren.
7
Organisation des Geschäftsbetriebs
An dieser Stelle der Umsetzungsphase werden nur die wichtigsten organisatorischen Aspekte angesprochen. In der Befragung der Technologieunternehmer in der Region Hannover zeigte sich deutlich, dass in der Rückschau keiner dieser Aspekte eine wirklich erfolgskritische Bedeutung hatte. Entscheidend ist aber, dass diese Entscheidungen bzw. Arbeitspakete rechtzeitig angegangen werden, damit zum Unternehmensstart die Leistungsbereitschaft in allen Bereichen gegeben ist. 7.1
Standort
Die Standortsuche ist für die meisten Technologieunternehmer nicht mit großem Aufwand verbunden. Für Hochschulausgründungen ist es auf der Kostenseite sehr empfehlenswert über Kooperationsvereinbarungen mit der Hochschule zunächst Labore, Modellwerkstätten, EDV-Infrastruktur und Anderes gegen geringes Entgelt mit nutzen zu können. Das entlastet in der frühen Unternehmensphase den Finanzbedarf und senkt damit das Risiko der Gründer. Sie können dann zunächst abwarten, ob Ihr Angebot tatsächlich vom Markt angenommen wird und ob Sie bestimmte Ausstattung tatsächlich selbst anschaffen müssen. Einige Länderförderprogramme für Hochschulausgründungen finanzieren sogar die Nutzung der Hochschuleinrichtungen oder stellen kostenlos oder kostengünstig komplette Räume in Hochschulnähe zur Verfügung. Ein Beispiel für ein derartiges kommunales Programm sind die Plug-andWork-Angebote der hannoverimpuls GmbH, die Gründern ein Jahr kostenlos Geschäftsräume und Infrastruktur zur Verfügung stellt. Auf die Dauer stellt sich die Standortfrage allerdings aus einem anderen Grund neu: Von vielen Unternehmern, die aus einer Hochschule heraus gegründet hatten, wird darauf hingewiesen, dass es sich empfiehlt, eine ei-
7 Organisation des Geschäftsbetriebs
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gene Adresse zu haben, wenn man als professionelles Unternehmen wahrgenommen werden möchte. Zudem wird die Zusammenarbeit mit der Hochschule förmlicher und professioneller in Bezug auf zeitliche Zusagen bei Aufträgen. Rückwirkend wird selbstkritisch angemerkt, dass außerhalb der Hochschule schneller, effizienter und termintreuer gearbeitet wird als dies im Rhythmus des öffentlichen Dienstes in Hochschulen der Fall sein kann. 7.2
Verträge
In dieser Phase mit wenigstens acht Wochen Vorlauf vor der Gründung ist eine Vielzahl von Sachfragen definitiv zu klären, und die entsprechenden Verträge sind abzuschließen. 7.2.1
Rechtsformauswahl/Gesellschaftsverträge
Die Wahl der Rechtsform stellt sich bei mehreren Gründern schon in der Interessensphase. Nach Durchlauf der Entwicklungsphase hat sich gezeigt, ob die vorab angedachte Rechtsform tatsächlich den Anforderungen in Bezug auf Organisation, Vertretung, Haftung und Finanzierung entspricht. Hierzu sollte ein fachlich versierter Rechtsanwalt (Gesellschaftsrecht) befragt werden. Im Fall von Gesellschaften ist ein Gesellschaftsvertrag abzuschließen, der die Rechte und Pflichten der Beteiligten klärt. Es gibt natürlich (auch als download von verschiedenen Websites von Gründungsberatungsinstitutionen erhältliche) Standardverträge. Diese können aber besonderen Situationen nicht Rechnung tragen. Bei den Personengesellschaften, der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) und der Kommanditgesellschaft (KG) ist darauf zu achten, dass Gesellschafter mit unterschiedlichen privaten Vermögenssituationen und Verpflichtungen die private Situation und die Haftungsfrage mit fachanwaltlicher Hilfe klären. Schließen Sie aus, dass Sie und Ihre Familie allein für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft gerade stehen, weil Ihre Partner vollständig mittellos sind. 7.2.2
Geschäftsräume und Infrastruktur
Auch wenn die Standortfrage oft kurzfristig zu klären ist: Sie sollten rechtzeitig zum Start über Geschäftsräume verfügen. Achten Sie darauf, dass der Mietvertrag mit dem Unternehmen, nicht mit Ihnen persönlich, abgeschlossen wird. Vereinbaren Sie Ausstiegsklauseln. Im Fall des Misser-
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D. Umsetzungsphase
folgs der Gründung haben Sie sonst einen möglicherweise lang laufenden privaten Mietvertrag zu erfüllen. Nach der Anmietung der Räumlichkeiten ist schnellstmöglich für die Anmeldung und Inbetriebnahme der Infrastruktur (Strom, Heizung, Wasser, Telekommunikation, Müllabfuhr) zu sorgen. Zeitlich ist vor allem bei der Schaltung von Telefon- und Datenleitungen oft mit längeren Verzögerungen zu rechnen. Auf die Dauer wirkt ein Unternehmen, das nur mobil erreichbar ist und weder Fax noch Website hat, als Geschäftspartner nicht seriös. Die Geschäftsräume sollten auch die den Kunden zu vermittelnde Botschaft „atmen“, d. h. professionell (nicht teuer oder luxuriös) erscheinen. 7.2.3
Versicherungen
Zu betrieblichen Versicherungen gibt es in allen einschlägigen Broschüren umfängliche Hinweise. Hier sei auf die Gründerzeiten Broschüre Nr. 24 „Versicherungen“ des Bundeswirtschaftsministeriums verwiesen. Dieses Thema ist erst nach der Entwicklungsphase, insbesondere nach Klarheit über das Geschäftsmodell, entscheidungsreif. 7.2.4
Persönliche Absicherung für Unternehmer
Die Sozialversicherung für Unternehmer hat deshalb eine große Bedeutung, weil weder Krankheit noch Unfälle prognostizierbar sind. Auch die Absicherung Ihrer Angehörigen und die Altersvorsorge müssen bedacht werden. Schon während der Interessensphase haben Sie sich im Rahmen der Kalkulation des persönlichen monatlichen Finanzbedarfs hiermit auseinandergesetzt. Die für Sie notwendigen Versicherungen sollten Sie in der Umsetzungsphase abschließen. Orientierung bieten Gründerzeiten Nr. 41 „Persönliche Absicherung für Existenzgründer“ sowie die einschlägigen Broschüren vieler Krankenversicherungen. 7.2.5
Lieferverträge von grundsätzlicher Bedeutung
Für den Fall, dass Ihre Leistung zwingend bestimmte Vorleistungen von Lieferanten erfordert, sollten Sie vor Start und bevor Sie weitere Verpflichtungen eingehen sicher sein, dass diese Lieferanten Sie auch versorgen werden. Dies gilt beispielsweise für Konzepte, bei denen Sie auf laufende Bereitstellung von Rohdaten angewiesen sind und bei denen es nur sehr wenige und große Lieferanten gibt.
7 Organisation des Geschäftsbetriebs
7.3
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Anmeldungen
Der oft beklagte Behördendschungel ist für Unternehmensgründer immer dann einfach, wenn das Unternehmen nur angemeldet werden muss und keiner weiteren Genehmigungen bedarf. Gewerbliche Unternehmer melden ihr Unternehmen in der Gewerbemeldestelle des Ordnungsamtes der Stadt oder Gemeinde an. Freiberufler melden die Aufnahme der Tätigkeit lediglich beim Finanzamt an. Falls Sie Mitarbeiter beschäftigen, dann benötigen Sie bei der Agentur für Arbeit eine Betriebsnummer, die per E-Mail beantragt werden kann. Dies gilt auch dann, wenn Sie geringfügig Beschäftigte („Minijobs“) einsetzen. Sie sollten sich vorab beim Verband der Berufsgenossenschaften kundig machen, ob Sie Mitglied einer Berufsgenossenschaft sein müssen oder können. Die Adresse lautet www.vbg.de.
7.4
Genehmigungen
Bei einigen Unternehmensgründungen benötigen Sie behördliche Genehmigungen, um starten bzw. Ihre Anlagen nutzen zu können. Die Bearbeitungszeiten dieser Genehmigungen können sich zeitlich über viele Monate hinziehen, besonders, wenn mehrere Behörden involviert sind. Das klassische Beispiel hierfür ist die Baugenehmigung, die auch für Produktionsanlagen in bereits zur Produktion genutzten Immobilien erforderlich ist. Manche dieser Genehmigungen oder Abnahmen sind mit erheblichen Gebühren durchaus in der Höhe von einigen tausend Euro verbunden. Die zusätzlich erforderliche Feuerschutztür kann das Finanzierungskonzept einer kleineren Gründung zur Makulatur werden lassen. Prüfen Sie deshalb, sobald die Entwicklungsphase abgeschlossen ist, ob und welche Genehmigungen oder Erlaubnisse Ihr Unternehmen benötigt. Vergessen Sie nicht, sich nach Kosten und voraussichtlicher Dauer der Verfahren zu erkundigen. Hinweise gibt die örtliche Industrie- und Handelskammer. In der Region Hannover steht das Unternehmerbüro der Region Hannover als Behördenlotse kostenlos zur Verfügung und koordiniert die einzubeziehenden öffentlichen Stellen. Informativ zum Thema Genehmigungen ist die BMWA Broschüre Gründerzeiten Nr.36 „Genehmigungen“.
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D. Umsetzungsphase
7.5
Informationen
Aus der Vielzahl von Orientierungshilfen wird hier vor allem auf die Gründerzeiten des BWMI sowie einschlägige Websites verwiesen. Diese werden regelmäßig aktualisiert, was bei Themen wie „Steuern“ offensichtlich ist, aber auch andere Bereiche wie Rechtsformen betrifft. Eine Zusammenfassung wichtiger Aspekte der betrieblichen Absicherung findet sich in Gründerzeiten Nr. 24 „Betriebliche Versicherungen“ www.existenzgruender.de/imperia/md/content/pdf/gz24.pdf.
Die Gründerzeiten Nr. 41 „Persönliche Absicherung für Existenzgründer“ erklären, worauf zu achten ist: www.existenzgruender.de/imperia/md/content/pdf/gz41.pdf.
Gründerzeiten Nr.36 „Anmeldungen und Genehmigungen“ klären über den meist nicht vorhandenen „Behördendschungel“ auf: www.existenzgruender.de/imperia/md/content/pdf/gz36.pdf.
Musterverträge sind online beispielsweise beim Technologie Centrum Hannover und bei einigen IHKs erhältlich: http://www.tch.de/15.html
Eine ausführliche Darstellung der steuerlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten mit einer Reihe von nachvollziehbaren Praxisbeispielen stellt Michael Hebig vor. Die steuerlichen Hinweise und Ausführungen zu Finanzierungsquellen stammen aus 2004 und können deshalb nicht ganz aktuell sein: Hebig, M (2004) Existenzgründungsberatung. Steuerliche, rechtliche und wirtschaftliche Gestaltungshinweise zur Unternehmensgründung, 5., überarb Aufl, Erich Schmidt, Göttingen. Zur freiwillig möglichen oder verpflichtenden Mitgliedschaft in einer Berufsgenossenschaft (www.vbg.de) informiert die Broschüre „Versichert bei der VBG. Freiwillige Versicherung für Unternehmer“ www.vbg.de/imperia/md/content/produkte/broschueren/f15.pdf.
Bei behördlichen Genehmigungen hilft in der Region Hannover das Unternehmerbüro als Behördenlotse www.unternehmerbuero-hannover.de.
In anderen Regionen bieten gelegentlich die Wirtschaftsförderer der Landkreise oder der Kommunen eine derartige Dienstleistung an. Gründerzeiten Nr. 35 „Recht und Verträge“ gibt eine Kurzeinführung in die wichtigsten Aspekte: www.existenzgruender.de/imperia/md/content/pdf/gz35.pdf.
7 Organisation des Geschäftsbetriebs
141
Steuern für Unternehmer werden in den Gründerzeiten Nr. 34 erläutert: www.existenzgruender.de/imperia/md/content/pdf/gz34.pdf.
Eine ausführliche Darstellung der Themen Recht und Management bieten die Kapitel Steuern und Management des Gründerleitfadens Multimedia der VDI/VDE IT GmbH www.gruenderleitfaden.de/download/glf/gruenderleitfaden.pdf.
Zum Aspekt Organisation der inneren Abläufe des neuen Unternehmens informieren die Gründerzeiten Nr. 50 „Organisation“ www.existenzgruender.de/imperia/md/content/pdf/bmwi_gruenderzeiten50_08.pdf.
142
8
D. Umsetzungsphase
Zum Start
Sie haben natürlich während der Planung festgestellt, dass Sie auch im Vorfeld der formellen Unternehmensgründung schon unternehmerisch tätig waren. Sie haben auch in der Entwicklungsphase der Gründungsplanung Kontakt zu Kunden aufgenommen und Ihr Angebot „verkauft“. Dabei werden Sie naturgemäß positive wie auch negative Echos zu Ihrem Vorhaben erhalten haben. Gerade negative Echos oder Bedenken werden meist dezent geäußert, um Sie nicht zu verletzen. Es kommt darauf an, auch diese Rückmeldungen ernst zu nehmen und auszuwerten – am besten mit Personen Ihres Vertrauens. „Beratungsresistenz“ führt erfahrungsgemäß dazu, dass es um die Gründer immer einsamer wird und dass sie mit immer weniger Kontakt zum Markt so lange ihre Technik entwickeln, bis das Geld zu Ende ist. Jedes negative Echo hilft, teure Fehler zu vermeiden. Auf diese kostenlosen Geschenke sollten Sie ebenso wenig verzichten wie später auf Kundenbeschwerden. Sie helfen Ihnen, besser zu werden. Es ist ein schmaler Grat zwischen dem notwendigen unternehmerischen Beharrungsvermögen und der schon angesprochenen Beratungsresistenz. Trotzdem gilt für die Selbstständigkeit die bekannte chinesische Weisheit: Wenn der Wind der Veränderung weht, dann gibt es zwei Sorten von Menschen: Die einen bauen Mauern, um sich dagegen zu schützen. Die anderen errichten Windmühlen, um den Wind zu nutzen.
Anhang
I)
Informationsquellen
Die nachfolgenden Informationsquellen und Institutionen ergänzen die schon im Text kapitelweise gegebenen Quellen. Nach Hinweisen zur allgemeinen Gründungsplanung sind die spezifischeren Informationen nach den im Buch verwendeten Sachgebieten gegliedert. Die Autoren haben sich dabei vor allem auf die kostenfrei verfügbaren öffentlichen und halböffentlichen Quellen konzentriert. Nicht umsonst nimmt Deutschland im internationalen Vergleich des Global Entrepreneurship Monitor 2005 einen vorderen Platz bei der öffentlichen Förderinfrastruktur ein. Literatur Altmann J (2001) Außenwirtschaft in Unternehmen, 2. Aufl., Lucius & Lucius, Stuttgart Backhaus K (2003) Industriegütermarketing. 7. Aufl, Vahlen, München Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg) (2006) Starthilfe. Der erfolgreiche Weg in die Selbstständigkeit, 27. Aufl, Berlin Godefroid P (2003) Business-to Business-Marketing, Kiehl, Ludwigshafen Goldmann, H G (2005) Wie man Kunden gewinnt, 14. Aufl, Cornelsen, Berlin Heucher M, Ilar D, Kubr Th (2002) Planen, gründen, wachsen. Mit dem professionellen Businessplan zum Erfolg. 3. Aufl, Redline, Heidelberg. Hofert S (2004) Praxishandbuch Existenzgründung. Erfolgreich selbständig werden und bleiben. Eichborn, Frankfurt am Main Jaffe A (2000) Existenzgründung: So planen Sie mit Ihrem Partner den Schritt in die Selbstständigkeit. Mvg, Landsberg Kotler Ph et al (2003) Grundlagen des Marketing, 3. Aufl, Pearson, München Miller R B, Heiman St E (2005) New Strategic Selling, rev ed, Warner Business Books, New York
144
Anhang
Miller R B, Heiman St E (1999) Strategisches Verkaufen, 9. Aufl, Verlag Moderne Industrie, Landsberg Opoczynski M (2006) ZDFwiso: Existenzgründung. Vollständig überarbeitete Neuausgabe, Campus, Frankfurt am Main Porter M E (2002) Wettbewerbsvorteile. Spitzenleistungen erreichen und behaupten. Campus, Frankfurt am Main Richter H P (2001) Investitionsgütermarketing. Hanser, München. Sanft E (2003) Leitfaden für Existenzgründer. Wie man sich als Gründer selbstständig macht, 4. Aufl, Springer, Berlin Heidelberg New York Smidt W, Marzian S (2001) Brennpunkt Kundenwert. Springer, Berlin Heidelberg New York VBG (Hrsg) (2006) Versichert bei der VBG. Freiwillige Versicherung für Unternehmer, Hamburg VDI (Hrsg) (2006) Ratgeber Existenzgründung. Hilfe auf dem Weg zur Selbstständigkeit für Ingenieure, Informatiker und andere technische Berufe. 6. Aufl, Düsseldorf. VDI/VDE (Hrsg) Innovation und Technik GmbH (2006) Gründerleitfaden Multimedia, Berlin Weis, Chr (2001) Marketing. 12. Aufl, Kiehl, Ludwigshafen Weis, Chr (2000) Verkauf. 5. Aufl, Kiehl, Ludwigshafen Winkelmann P (2002) Marketing und Vertrieb. 3. Aufl., Oldenbourg, München
Gründerportale und Onlinequellen www.kfw-mittelstandsbank.de Kfw-Mittelstandsbank. Die Förderbank des Bundes. Umfangreiche Informationen und Planungshilfen www.existenzgruender.de Offizielles Existenzgründerportal des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie mit umfassenden Informationen zum Thema Existenzgründung. Hier sind auch die sehr instruktiven Merkblätter der Reihe Gründerzeiten als pdf Datei zu downloaden. Die für die hier behandelten Themen wichtigsten Gründerzeiten sind: Gründerzeiten Nr. 6 Finanzierung Gründerzeiten Nr. 7 Kapitalbedarf und Rentabilität Gründerzeiten Nr. 20 Marketing Gründerzeiten Nr. 24 Betriebliche Versicherungen Gründerzeiten Nr. 26 Brancheninformationen Gründerzeiten Nr. 28 Preisgestaltung Gründerzeiten Nr. 31 Liquidität
I) Informationsquellen
145
Gründerzeiten Nr. 33 Rechtsformen Gründerzeiten Nr. 34 Steuern für Unternehmer Gründerzeiten Nr. 35 Recht und Verträge Gründerzeiten Nr. 36 Anmeldungen und Genehmigungen Gründerzeiten Nr. 37 Kunden gewinnen. Der Weg in den Markt Gründerzeiten Nr. 40 Patente und Schutzrechte Gründerzeiten Nr. 41 Persönliche Absicherung für Existenzgründer www.vdi.de Interaktiver FAQ Leitfaden des VDI und dort unter VDI-SELBSTSTÄNDIGKEIT. www.softwarepaket.de liefert kostenlos ein Planungspaket des Bundeswirtschaftsministeriums. www.kfw-mittelstandsbank.de unter BETEILIGUNGSFINANZIERUNG. Die Abläufe einer Kapitalbeteiligung werden auf der Website der KfW-Mittelstandsbank dargestellt www.bvk-ev.de/kapitalsuche und MITTELSTÄNDISCHE BETEILIGUNGSGESELLSCHAFTEN Adressen der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften der Bundesländer: www.high-tech-gruenderfonds.de www.bvk-ev.de Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (bvk)
Persönliche Beratung Industrie- und Handelskammern: flächendeckendes Netz von Gründungsberatern für Erstkontakte recherchierbar über www.dihk.de und dort unter IHKFINDER. Einzelne IHKs unterhalten sehr differenzierte Internet-Gründerportale: Gute Beispiele sind die IHK Hannover unter www.hannover.ihk.de und die IHK München und Oberbayern unter muenchen.ihk.de. Weitere Beispiele sind die IHKs in Brandenburg, Handelskammer Hamburg, IHKs in Hessen, IHK Kiel, IHKs in Thüringen, IHK Saarland, IHK Berlin und die IHKs in Sachsen (Lern-Tool). Handwerkskammern: flächendeckendes Netz von betriebswirtschaftlichen Beratern für Gründungen im Handwerk. Recherchierbar unter www.handwerk.de und dort unter WEGWEISER HANDWERK und BERATUNG im HANDWERK. Technologie- und Gründerzentren: Gerade Technologiezentren sind oft auf Technologiegründungen spezialisiert und halten Fachleute zur Start-up-Beratung vor. Eine nicht vollständige Liste von Technologie- und Gründerzentren (nur Mitglieder) findet sich unter www.adt-online.de und dort unter STANDORTE.
146
Anhang
Expertennetzwerk des VDI: www.vdi.de und dort unter VDI-SELBSTSTÄNDIGKEIT. Gründernetzwerke von Hochschulregionen: recherchierbar unter www.exist.de Expertenpool der Kfw-Mittelstandsbank: www.kfw-Mittelstandsbank.de und dort unter BERATUNG und KFW GRÜNDERCOACHING. Förderbanken der Bundesländer: Beispielsweise ist dies für Niedersachsen: www.nbank.de
II) Sachverzeichnis
II)
147
Sachverzeichnis
Abnahmen Abschöpfungsstrategie Abschreibungen Abwehrmaßnahmen Amortisationszeitraum Anfangsbedingungen
92, 102, 139 12, 74, 81 123 48 46, 72 4, 6, 8, 15, 16 ff., 60 Angebote 57, 64, 70, 73, 74, 76, 77, 79, 88 ff., 96, 101, 102, 103, 105, 111, 112 Anlagengeschäft 85, 106 Anmeldungen 14, 139 f. Anwender 59, 94, 95, 101, 109 Auftragswahrscheinlichkeit 91, 92
94, 95, 96, 97, 98, 99, 101, 102, 105 Entscheidungsverhalten 94 Entwicklungsphase 4, 10 ff., 35 ff., 108, 109, 112, 115, 120, 128, 130, 132, 134, 137, 138, 139, 142 Erfahrungskurveneffekt 69 ERP-Startfonds 132 Ersatzbedarf 45, 51 Ersatzbeschaffung 55, 56 Erstkunden 107 ff. Ertragsvorschau 118, 122 f. EXIST-SEED 127 ff.
Basistechnologien 47 Baugenehmigung 119, 139 Betriebsmittel 74, 120, 121, 124, 125 Branchentrends 46, 47, 58 Branchenverbände 45 Budget 58, 63, 65, 71, 129 Business Angels 23, 32, 33, 49, 115, 132, 134 Businessplan 2, 13, 26, 55, 127, 128, 129, 135 Businessplan-Wettbewerbe 32, 115, 116, 128 Buying Center 59, 71, 90, 93 ff., 102
19, 127, 137 4, 6, 12, 13, 15, 17, 23, 30, 31, 32, 77, 83, 119, 122, 123 ff., 137, 139, 140 Five-Forces-Modell siehe Unternehmenskräfte Forschungskooperationen 58, 60 Frühphase 127, 130, 131, 132
Coach
Coachpool
6, 13, 32, 33, 35, 49, 50, 75 76, 91, 94, 95, 96 f., 101, 102, 105,117, 125, 126, 129, 131, 132, 134, 135 32
Definitionsphase E-Commerce eigener Finanzbedarf Eigeninteresse Einzelunternehmen Entnahmebedarf
4, 9, 27 ff., 71, 128 121 8, 16 f., 116, 136, 138 101 ff., 105 4, 27 f., 67, 79 28, 66, 67
Entscheider
Familie Finanzierung
Genehmigung
9, 14, 17, 21, 22, 25, 96, 119, 139 f. Geschäftsmodell 4, 5, 6, 10, 11, 24, 31, 35, 36 ff., 52 ff., 68, 79 108, 113, 115, 117, 118, 124 f., 130, 132, 138 Geschäftsräume 14, 65, 83, 136, 137 f. gesundheitliche Eignung 8, 9, 16, 18, 25 Gründerpersonen 124 Hauptphasen 4 High-Tech Gründerfonds 131, 132, 136 Informationsverhalten 93, 94 Interessensphase 4, 8, 15 ff., 27, 115, 130, 137, 138 interne Spezialisierung 30, 46, 51 Investitionsplan 119 f.
148
Anhang
Kalkulation
11, 62, 69, 73, 81, 100, 111, 121, 123, 135, 138 Kapitalbedarf 12, 13, 17, 26, 30, 40, 114, 118, 119 f., 123, 124, 125, 130, 134, 135 Kaufentscheidungsprozess 11, 59, 60, 62, 70, 72, 97 Kinder 8, 17, 18 f., 25 Konflikte beim Kunden 99 Kooperation 2, 48, 58, 59, 60, 89, 129 Kooperationsvereinbarungen 136 Kosten 11, 29, 36, 41, 49, 50, 57, 60, 62, 64, 65 ff., 86, 91, 99, 100, 108, 110, 116, 117, 119, 120, 121, 123, 129, 132, 136, 139 Kundenanforderung 63, 105 Kundenansprache 9, 109 Kundennutzen 43, 44, 51, 54 f., 70, 71, 103 Lead Investor Lebenssituation Leistungsbündel Liefertreue Lieferverträge Liquidität Losgröße Markt
132 8, 16, 17 f., 20 52, 65, 113 53, 61, 70 14, 138 f. 13, 67, 75, 116, 117, 118, 119, 120 ff., 134 66, 68, 74
2, 4, 5, 6, 9, 10, 11, 13, 18, 21, 23, 24, 25, 31, 36 ff., 68, 70, 73, 74, 75, 76, 81, 107, 108, 110, 113, 118, 122, 123, 125, 128, 130, 132, 133, 135, 136, 142 Marktabgrenzung 43 ff., 108 Marktbeschreibung 37 f. Marktdurchdringungsstrategie 12, 73 f., 81 Markteintritt 4, 6, 12, 13, 48, 49, 50, 58, 70 ff., 83, 84 ff., 107 ff., 115, 128, 130, 135 Marktpreis 11, 64, 68, 69 ff. Marktreife 9, 24, 75 Marktsegmentierung 10, 39 ff., 50 ff., 61, 104 Marktvolumen 42, 43, 44, 46, 122 Messen 44,46, 70, 104
Mindestmarktgröße 49 Mindestumsatz 66 f. Mittelständische Beteiligungsgesellschaft 132, 134 Nachfrage sofort Nachhaltigkeit Neukauf Nichtpreiswettbewerb Normalkapazität Opponenten
9, 22 ff. 43, 45 87, 96 70 f. 66, 68 97 ff.
Partnerschaft 8, 9, 16, 18 ff., 33, 95 Pay-off-Periode siehe Amortisationszeitraum persönliche Absicherung 14, 31, 66, 138, 140 persönlicher Verkauf 85, 86 Plug and Work 129, 136 Preise 4, 6, 10, 11, 12, 24, 29, 35, 36, 41, 52, 55, 56, 57, 60, 61, 63, 64 ff., 91, 100, 113, 116, 117, 118, 121 Preisstrategie 12, 73 f., 81 Preisober-/-untergrenze 11, 65 ff., 71, 72, 76, 81, 110 Preisverhandlungen 64, 71 Preiswissen 71 Projekt 2, 3, 5, 23, 47, 53, 64, 76, 77 79, 80, 82, 89, 90, 91, 104, 105, 108, 111, 120, 121, 129, 130 Promotoren 97 ff. Prototyp 57 Randbedingungen räumliche Abgrenzung
9, 15, 21 f., 90 49 ff., 87, 108, 129 Rechtsform 6, 14, 27, 28, 30, 31, 66, 67, 83, 123, 126, 137, 140 Rechtsschutz bei Innovationen 9, 24 Referenzkunden 52, 57 f., 64, 68, 90, 104, 108 regionale Förderung 49, 128 f.
II) Sachverzeichnis Reife des Produktes
9, 23 ff., 57, 75, 129, 130 Rentabilitätsvorschau 13, 17, 26, 67, 117, 118, 122, 134, 135 Rollen im Buying Center 59, 60, 94 ff. Segmentierung siehe Marktsegmentierung Selling Center 93 Service 45, 49, 53, 54, 55, 56, 57, 95, 101, 103 Standort 14, 31, 47, 136 f. Systemgeschäft 85
Teamgründung 15, 18, 27 ff. Technologie- und Gründerzentren 26 32, 65, 115, 125, 129, 145
Unternehmerpersönlichkeit Unternehmertest USP
8, 16, 20 f. 20 56
Verhandlungen
40, 41, 64, 65, 69, 71, 76, 91, 92, 93, 95, 100, 102, 112, 125 Verkaufstrichter 103 ff. Verträge 4, 6, 9, 12, 14, 22, 23, 25, 30, 39, 53, 76, 77, 80, 82, 83, 90, 103, 115, 137 f. Vertriebskompetenz 32 Vorgehensweise 3, 6, 12, 107, 109, 134 Wächter Wettbewerbsvorsprung Wiederholkauf
8, 91, 94, 133, 135 4, 11, 23, 36, 43, 46, 51, 52, 60, 66 f., 68, 79, 80, 81, 107, 113, 116 f., 121 f. Unternehmensgröße des Kunden 39, 50, 99 Unternehmenskräfte 39 ff., 47, 48
149
94, 95, 96, 97, 101, 102, 105 9, 23, 25, 56 64, 70, 74 87, 88, 96
Übersicht Umsatz
Zahlungsbedingungen Zeitbudget Zeitliche Risiken Zuschüsse F&E
77, 79, 121 112 24, 130 32, 129 ff.
hannoverimpuls GmbH – Ein Impuls für unternehmerischen Erfolg am Standort Hannover Als Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft von Stadt und Region Hannover hat es sich hannoverimpuls zur Aufgabe gemacht, die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Hannover langfristig zu sichern und zukunftsorientiert weiter zu entwickeln. Der Fokus liegt dabei auf fünf Wachstumsbranchen: Automotive, Informations- und Kommunikationstechnologie, Life Sciences, Optische Technologien und Produktionstechnik. Durch Gründungs-, Ansiedlungs- und Wachstumsinitiativen werden die Potentiale dieser Fokusbranchen wirtschaftlich weiter gestärkt und die jeweiligen Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft miteinander vernetzt. Um potentielle Gründer zum Aufbau eines eigenen Unternehmens zu motivieren und dabei zu unterstützen, bietet hannoverimpuls eine Vielzahl von Seminaren, Workshops und die Gründungs- und Ansiedlungsinitiative „Plug & Work“ an. Neben diesem Wettbewerb für Gründer und Unternehmer, die sich in Hannover niederlassen wollen, führt hannoverimpuls den Ideenwettbewerb „StartUp-Impuls“ durch, der die Weiterentwicklung neuer Geschäftsideen fördert. Der Wettbewerb „WachstumsImpuls“ stellt eine Maßnahme für regionale Unternehmen, dar. Hier steht das Thema Wachstum durch Innovationsumsetzung im Mittelpunkt. Aktivitäten wie die Gründung des Projektzentrums Automotive, der Hannover Clinical Trial Center GmbH sowie des Projektzentrums BiomeTI dienen der konkreten Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Hier wurden Schnittstellen zwischen den wissenschaftlichen Einrichtungen in der Region Hannover mit der örtlichen Industrie geschaffen, um innovative Forschungsergebnisse schneller in die industrielle Umsetzung zu bringen. Mit den regelmäßig durchgeführten Branchenforen in allen fünf Fokusbranchen hat hannoverimpuls darüber hinaus für die Akteure in der
Region eine Plattform für Networking und den gemeinsamen Dialog erfolgreich installiert. Einen weiteren Schwerpunkt legt hannoverimpuls auf das Thema Gründungsunterstützung. hannoverimpuls bietet gemeinsam mit den jeweiligen Kooperationspartnern für Gründungsinteressierte eine Vielzahl von gezielten Maßnahmen zur Gründungsunterstützung an, die sich an den unterschiedlichen Bedürfnissen – je nach Stand des jeweiligen Gründungsvorhabens – orientieren. Im gesamten Gründungsprozess gilt es verschiedene Hürden zu überwinden, wichtige Entscheidungen zu treffen und komplexe Arbeitsschritte zu vollziehen. Von der ersten fiktiven Gründungsidee bis hin zur Wachstumsförderung werden Gründer und Unternehmen durch Projektleiter und Kooperationspartner aktiv unterstützt und begleitet. Dabei kann hannoverimpuls durch vielfältige Kompetenzen und Netzwerke ein breites Spektrum an Know-how und Erfahrungen zur Gründungsunterstützung anbieten. So helfen z.B. die Gründungsseminare an Hochschulen wie zum Beispiel Summer- und WinterSchool Studenten und Absolventen, ihre Geschäftspläne zu konkretisieren. Insbesondere zur Unterstützung technologieorientierter Unternehmen hat hannoverimpuls den Hannover Innovation Fonds (hif) gegründet. Sollte finanzielle Unterstützung notwendig sein, so können diese Unternehmensgründer im Rahmen der Seed-Finanzierung über diesen Fond gefördert werden. Sie erhalten somit auch Zugang zu weiteren Finanzierungsmöglichkeiten. hannoverimpuls sorgt außerdem dafür, dass den Unternehmen qualifizierte Auszubildende zur Verfügung stehen. Hierfür werden gemeinsam mit der Wirtschaft, den Kammern und Gewerkschaften Verbundlösungen erarbeitet. Ziel ist es, die branchenspezifische Qualifikation der Auszubildenden zu erhöhen und Klein- und Mittelstandsunternehmen beim Ausbilden zu unterstützen, um zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen. Kontakt: hannoverimpuls GmbH Christian Munzke Projektleiter Gründungsprozess Breite Str. 7 30159 Hannover
[email protected] Tel. 0511 300 333 – 44 Fax. 0511 300 333 – 99