Atlan - Der Held von Arkon Nr. 246
Planet der Gräber Flug ins Unbekannte - am Zielort wartet das Unheil von Clark Darl...
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Atlan - Der Held von Arkon Nr. 246
Planet der Gräber Flug ins Unbekannte - am Zielort wartet das Unheil von Clark Darlton
Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren, Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Feinde ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindliche Rückschläge entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol III. den Diktator und Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen. Gegenwärtig ist Atlan allerdings nicht in der Lage, an diesem Kampf mitzuwirken, da er sowie ein paar Dutzend seiner Gefährten von der ISCHTAR im Bann AkonAkons, des Psycho-Tyrannen, stehen, gegen dessen Befehle es keine Auflehnung gibt. Akon-Akon, der mit Atlans und Fartuloons Hilfe den »Stab der Macht« in Besitz nehmen konnte, treibt die von ihm beherrschte Gruppe von Männern und Frauen durch immer neue Gefahren zu einem Ziel, an dem der Hypnosuggestor »sein« Volk zu finden hofft. Zur Zwischenstation der Reise ins Ungewisse wird für Atlan und seine Gefährten der PLANET DER GRÄBER …
Planet der Gräber
3
Die Hautpersonen des Romans: Akon-Akon - Der Willenstyrann landet auf dem Planeten der »Gräber«. Atlan, Fartuloon, Ra, Karmina Arthamin und Brontalos - Akon-Akons unfreiwillige Begleiter. Vandra von Laggohn - Kommandantin eines akonischen Transporters. Karlakon - Ein Akone, der sich mit Insekten beschäftigt.
1. Als Saruhl, der ehemalige Kolonialplanet der Akonen, in den Tiefen des Alls versunken war, kam es Vandra von Laggohn erst so recht zu Bewußtsein, was geschehen war. Sie war eine Gefangene an Bord ihres eigenen Schiffes, eines 500-Meter-Kugelraumers, der im Dienst der akonidischen Flotte dem 14. Demontagegeschwader zugeteilt war. Ahnungslos war sie auf Saruhl gelandet, und ehe sie die Situation hatte sondieren können, wurde ihr Schiff überraschend von Arkoniden gestürmt und in Besitz genommen. Man zwang sie zum Start mit unbekanntem Ziel.
* Mir war ebenfalls nicht klar, was AkonAkon mit uns vorhatte. Seinen Plan, einen Planeten zur Besiedlung zu suchen, hatte er aufgegeben. Aber wir waren noch immer gezwungen, seinen Befehlen zu gehorchen, die er uns mit hypnosuggestiver Kraft erteilte. Seit er den Kerlas-Stab besaß, war seine Macht über uns noch größer geworden. Sein Einfluß erstreckte sich auch auf die Akonen, was jedoch nur dem geheimnisvollen Kerlas-Stab zuzuschreiben war. Auf seine hypnosuggestiven Befehle reagierten sie nicht. Wohl aber wir, und wir konnten nichts dagegen tun. Was immer Akon-Akon auch sagte, es wurde von uns befolgt. In gewissem Sinn jedoch hatte sich sein Verhältnis zu uns gebessert. Fartuloon machte seinem Ärger trotzdem mehr als einmal Luft, und er war nur schwer zu beruhigen. Auch Vorry, der Magnetier, hätte den
Jungen am liebsten an seine stählerne Brust gedrückt, aber es blieb auch hier nur bei dem Wunsch. Mit von der Partie waren noch die Sonnenträgerin Karmina Arthamin, ehemals Kommandantin der Arkon-Flotte, Ra, der Barbar, und einunddreißig Männer und Frauen der ISCHTAR, die – so hoffte ich – längst zu meinem Stützpunkt Kraumon unterwegs war. Ich hatte zusammen mit Brontalos, der einiges von Astronavigation verstand, die Wache in der Kommandozentrale übernommen. Natürlich weil Akon-Akon es so angeordnet hatte. Aber wahrscheinlich hätten wir es in dieser Situation auch freiwillig getan, denn viel Entgegenkommen hatten wir von den Akonen kaum zu erwarten. Vandra von Loggohn kümmerte sich nicht um uns. Akon-Akon hatte einen Kurs programmieren lassen, der uns vorerst nirgendwohin führte. Wahrscheinlich legte er Wert darauf, erst einmal eine möglichst große Entfernung zwischen sich und Saruhl zu bringen, um einer eventuellen Verfolgung zu entgehen. Vandras silberne Haarlocken waren straff nach hinten gelegt, bemerkte ich, während ich sie beobachtete. Die enganliegende blaue Kombination brachte ihre schlanke Figur gut zur Geltung, aber das interessierte mich im Augenblick weniger als der entschlossene Ausdruck ihres Gesichts, der anzudeuten schien, daß sie früher oder später den Versuch unternehmen würde, ihr Schiff wieder zurückzugewinnen. Ich konnte es ihr nicht übelnehmen. Brontalos beugte sich zu mir herüber. »Sie könnte gut eine arkonidische Prinzessin sein«, flüsterte er bewundernd. »Aber ich traue ihr nicht.« »Das tut keiner von uns«, gab ich ebenso leise zurück. »Behalten Sie den Navigator
4 im Auge.« »Es ist noch zu früh für Tricks, Atlan.« Der Meinung schien Akon-Akon auch zu sein, denn er hatte sich in eine der unbesetzten Kabinen zurückgezogen und verließ sich ganz auf uns. Wenn er auch niemals schlief, so brauchte er doch hin und wieder Ruhe. Doch auch in solchen Augenblicken ließ sein Einfluß auf uns nicht nach. »Tricks, Brontalos, die gegen Akon-Akon oder gegen uns gerichtet sind?« fragte ich. Er machte eine Geste der Unsicherheit. »Gegen ihn und uns, nehme ich an.« Ich nickte und schwieg, um mich nicht zu sehr von dem ablenken zu lassen, was in der Kommandozentrale vor sich ging. Zwar hatten wir die Akonen entwaffnet, aber es war ihr Schiff. Sie kannten es besser als wir. Sie konnten uns hereinlegen, wenn sie wollten. Die Akonen hatten es über die Jahrtausende hinweg verstanden, ihr Heimatsystem geheimzuhalten. Niemand wußte, wo es sich befand, und wenn man davon sprach, nannte man es nur das »Versteck«. Orbanaschol III. Imperator von Arkon, hätte sicherlich einen Arm dafür geopfert (nicht seinen natürlich), wenn er die Koordinaten des Verstecks erfahren könnte. Mich persönlich interessierte es weniger. Ich hatte andere Aufgaben, und zur vordringlichsten gehörte die, den Mörder meines Vaters zu entlarven und unschädlich zu machen – eben diesen Orbanaschol. Vandra von Laggohn überließ das Schiff den Kontrollen und drehte sich zu mir um. »Haben Sie eine Ahnung, was dieser Akon-Akon von uns will? Er trägt den Kerlas-Stab, das verpflichtet uns, und wir müssen ihm gehorchen, aber was haben Sie damit zu tun? Wohin fliegen wir?« »Ich weiß nicht mehr als Sie«, gab ich zurück. »Aber es wird besser für uns alle sein, wenn wir tun, was er anordnet. Er wird uns noch früh genug in seine Pläne einweihen.« »Und das Demontagekommando, das wir auf Saruhl zurückließen?« »Man wird früher oder später erfahren, was dort geschehen ist, und die Leute abho-
Clark Darlton len. Der Transmitter, der dort steht, wurde soweit demontiert, daß er unbrauchbar geworden ist, aber ich nehme an, man besitzt noch Funkgeräte. Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen.« Sie warf mir einen durchdringenden Blick zu und wandte sich dann wieder ab. Die Akonen und wir waren Verbündete auf Zeit, wenn es offiziell auch anders aussah. Fartuloon kam mit drei der Gefangenen, um Vandra und ihre Leute in der Zentrale abzulösen. Das bedeutete auch für Brontalos und mich eine Ruhepause, denn Fartuloon würde die Wache übernehmen. »Was Neues?« erkundigte sich Fartuloon und löste die Fesseln der Ablösung, um sie Vandra und ihren Männern anzulegen, damit ich sie in ihre Kabine zurückbringen konnte. »Akon-Akon scheint sich noch immer zu überlegen, was er anfangen soll. Er redet immer von ›seinem Volk‹, wen immer er auch damit meint. Die Akonen vielleicht …« Ich schüttelte den Kopf und wandte mich an die Akonin. »Vandra, kommen Sie bitte mit.« Fartuloon ließ sich in einem der Sessel nieder und stützte sich auf den Griff seines Schwertes Skarg, von dem er sich nur trennte, wenn er badete. Ich glaube, er schlief auch damit. Kein Wunder, denn das Skarg war kein gewöhnliches Schwert, sondern eine hervorragende Waffe mit vielen überraschenden Eigenschaften. Ich schloß die Akonen ein und betrat nach einem kleinen Kontrollgang meine Kabine, in der Karmina Arthamin und Ra auf mich warteten. Sie sahen mir erwartungsvoll entgegen, stellten aber keine Fragen. Ich wußte auch so, was sie gern erfahren hätten. »Nichts«, sagte ich deshalb sofort. »Akon-Akon hat noch keinen bestimmten Kurs befohlen. Wir entfernen uns von Saruhl, das ist alles.« Karmina mochte etwa 27 Arkonjahre alt sein, war von edler Abstammung und Trägerin des höchsten Ordens, den das Imperium zu vergeben hatte. Für meinen Geschmack war sie ein wenig zu hager und groß, aber
Planet der Gräber ich war froh, sie als Verbündete gewonnen zu haben. Trotz ihres zart und fast gebrechlich wirkenden Gesichtes war sie sachlich und von erstaunlicher Härte, wenn es darum ging, ein Ziel zu erreichen. Ra, der Barbar von einer unbekannten Welt, erhob sich, als ich die Tür hinter mir schloß. »Wo ist Akon-Akon?« wollte er wissen. »Er hat sich zurückgezogen, aber du brauchst dir keine falschen Hoffnungen zu machen. Er hat uns unter Kontrolle, und die setzt in dem Augenblick ein, in dem du auf dumme Gedanken kommst.« Ich setzte mich Karmina gegenüber. Auch Ra nahm wieder Platz. »Kommandantin Laggohn ist sehr hübsch«, sagte sie ohne jeden Zusammenhang und sah mich dabei an. Ich nickte. »Häßlich ist sie gerade nicht«, gab ich dann zu. »Aber das hat leider mit unserer Situation nichts zu tun. Was also soll deine Feststellung?« »Ich meinte nur so«, erwiderte sie etwas verlegen. Ich wechselte das Thema: »Akon-Akon wird bald seine Anordnungen treffen, dann erfahren wir endlich, wohin die Reise geht.« Ich stand auf, ging zu meinem Bett und streckte mich darauf aus. »Du möchtest jetzt schlafen?« fragte Karmina. »Dann gehen wir.« »Bleibt, bitte. Ich will nicht schlafen, nur liegen. In den nächsten Stunden wird einiges geschehen, und ich möchte es nicht verpassen.« »Was soll denn geschehen?« Ra schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß etwas passiert.« »Es wäre aber besser«, sagte ich ruhig, »denn sonst fliegen wir bis zum Ende des Universums, ohne etwas dagegen tun zu können.« Karmina wollte etwas sagen, blieb aber stumm, als der Interkom des Schiffes eine Verbindung ankündigte. Als der kleine Bild-
5 schirm hell wurde, erkannten wir das Gesicht Akon-Akons. »Ich habe meine Entscheidung getroffen«, sagte er in fast akzentfreiem Arkonidisch. »Kommt alle in den Versammlungsraum, den sie Messe nennen. Begleitet mich in die Kommandozentrale und bringt die Gefangenen mit. Ich möchte meine Anweisungen geben.« Ich schaltete das Gerät wieder ab. »So, er möchte seine Anweisungen bekanntgeben«, knurrte Ra wütend über unsere Hilflosigkeit. »Der Herr befehlen, und wir haben zu gehorchen. Möchte wissen, wann meine Geduld zu Ende geht.« »Im richtigen Moment, hoffe ich.« Wir verließen meine Kabine. Auf dem Weg zur Messe trafen wir die anderen Arkoniden, die gemeinsam mit mir ein Schiff erobert hatten, ohne daß es uns nun gehörte. »Warten wir ab, was Akon-Akon uns zu sagen hat.« »Uns und den acht Akonen!« erinnerte mich Karmina. Der Kontrollraum bot uns allen genug Platz. Fartuloon und Brontalos bewachten die acht gefangenen Akonen. Vandra blieb hinter ihren Kontrollen sitzen, als ginge sie das alles nichts an. Sie schwenkte den Sessel erst herum, als Akon-Akon hereinkam und sich so hinsetzte, daß er uns alle im Auge behalten konnte. Er trug ebenfalls die Standardausrüstung der arkonidischen Flotte und unterschied sich rein äußerlich kaum von uns. Den Kerlas-Stab hielt er in der Hand. »Vandra von Laggohn«, begann AkonAkon mit sanfter Stimme, »höre meinen Befehl: du wirst uns mit diesem Schiff in das Versteck bringen. Programmiert den Kurs!« Vandras Gesicht verlor ein wenig an Farbe. »Du verlangst Unmögliches, Träger des Kerlas-Stabes. Ich darf deinen Befehl nicht ausführen.« Akon-Akon war von der Weigerung offenbar so überrascht, daß er für einige Sekunden stumm blieb und die gefangene Kommandantin nur anstarrte.
6 »Ich fordere es von dir, Kommandantin! Programmiere den Kurs in das Versteck der Akonen! Sofort!« »Die Koordinaten sind seit Jahrtausenden das streng gehütete Geheimnis meines Volkes. Verlangst du von mir, daß ich zum Verräter werde? Das kannst du nicht tun …« »O doch, ich kann es, denn ihr alle seid meine Diener!« Er sah nun auch mich an, und ich verspürte das Unbehagen, das seine Worte bei mir auslösten. »Jeder wird das tun, was ich von ihm verlange. Auch du, Vandra von Laggohn!« »Ich muß mich an die Anordnungen der Flotte halten!« »Du wirst dich an die meinen halten!« Akon-Akons Stimme gewann an Schärfe. »Wer außer mir ist Träger des Kerlas-Stabes?« »Ich kenne niemanden«, gab Vandra zu. »Damit ist die Diskussion beendet. Programmiere den Kurs!« Vandra von Laggohn wirkte für meine Begriffe jetzt unentschlossen, was ich nicht ganz verstand. Bisher hatte sie sich standhaft geweigert, dem Befehl Akon-Akons Folge zu leisten, darum erschien mir die plötzliche Unentschlossenheit unlogisch. Es war mir klar, daß sie eine Entscheidung zu treffen hatte, fragte mich aber, welche. Daß sie freiwillig Akon-Akons Befehl nicht ausführen würde, war mir klar. Niemals würde sie die Koordinaten des unbekannten Sonnensystems verraten, das von den Akonen »Versteck« genannt wurde. »Nun, wird es bald?« erkundigte sich Akon-Akon mit unheimlicher Ruhe. »Du solltest nicht so lange überlegen, Vandra von Laggohn, sonst wirst du nie mehr Kommandantin eines akonidischen Schiffes sein.« »Und wenn ich mein Volk verrate werde ich es erst recht nie mehr sein!« gab sie entschlossen zurück. »Ich achte dich als Träger des heiligen Stabes, Akon-Akon, aber ich verweigere dir in diesem Augenblick den Gehorsam. Gehörtest du zu unserem Volk, würdest du mich sicherlich verstehen. Ver-
Clark Darlton giß auch nicht, daß sich in diesem Schiff Arkoniden aufhalten. Sie sind die letzten, die ich ins Versteck bringen würde.« »Sie werden keine Gelegenheit mehr erhalten, es jemals zu verlassen.« Das waren ja herrliche Aussichten, die Akon-Akon da von sich gab. Er wollte uns den Akonen ausliefern, die man nicht gerade als Freunde der Arkoniden bezeichnen konnte. Ich hätte gern protestiert, aber es war unmöglich, sich gegen Akon-Akons Einfluß zu wehren. Aber diesen Einfluß hatte er nicht auf die Akonen. »Du bist frei, sobald wir das Versteck erreichen«, sagte Akon-Akon. Sie lehnte ab: »Ich gebe nichts auf deine Versprechungen, auch wenn du Träger des Kerlas-Stabes bist. Ich darf ihnen keinen Glauben schenken. Der Friede meines Volkes ist wichtiger als deine Wünsche.« Ich bemerkte, daß Akon-Akon die Zornesröte ins Gesicht schoß. Nur noch mühsam beherrschte er sich, aber ich wußte, daß es nicht mehr lange dauern würde, bis er explodierte. Fartuloon, der neben mir stand, stieß mich sachte an. Eine überflüssige Geste, denn wir konnten nicht eingreifen, obwohl ich es diesmal gern zugunsten der Akonen getan hätte. »Du wirst gehorchen, Vandra von Laggohn!« brüllte er sie an. »Nein!« Mit der rechten Hand hob er den KerlasStab. »Du kennst die Kräfte des Stabes nicht, aber ich versichere dir, sie sind furchtbar. Und ich werde sie benutzen, um dich zu zwingen! Niemand kann der Macht des Stabes widerstehen. Ich frage dich zum letzten Mal: Bist du bereit, dieses Schiff zum Versteck zu bringen?« Sie erwiderte seinen zwingenden Blick mit plötzlicher Entschlossenheit. »Lieber werden wir alle sterben!« sagte sie und rief dann in einer mir unbekannten Sprache ein Wort. Es mußte ein Kodewort
Planet der Gräber sein, ein akustischer Impuls zum Unterbewußtsein der acht Akonen. In derselben Sekunde, in der sie das Wort aussprach, erstarrten ihre sieben Besatzungsmitglieder und sie selbst zur völligen Bewegungslosigkeit, dann fielen sie um. Ich konnte noch hinzuspringen und Vandra auffangen, aber ich spürte, daß ihr Körper steif wie Holz geworden war. Das Leben schien aus ihm entflohen zu sein. Während ich sie auf den Boden legte, legte ich meine Hand auf ihre Brust – und spürte den verlangsamten Herzschlag. Langsam richtete ich mich wieder auf. Akon-Akon war von dem, was sich vor seinen Augen abspielte, wie gelähmt. Er ließ die Hand mit dem Stab wieder sinken. »Was war das?« fragte er ratlos. »Wahrscheinlich ein posthypnotischer Befehl, dessen Durchführung von dem Kodewort abhing«, sagte ich. »Jedenfalls werden wir jetzt nicht mehr so schnell die Koordinaten des Verstecks der Akonen erfahren.« »O doch, wir werden sie erfahren!« entgegnete Akon-Akon. »Bringt die Akonen in ihre Zelle zurück, man soll sie untersuchen. Vielleicht können wir einen von ihnen aufwecken. Und wenn nicht, dann werden wir selbst den Navigationsspeicher des Schiffes erforschen. Er muß die Koordinaten enthalten! Wir werden sie finden!« »Die Technik der Akonen unterscheidet sich von der der Arkoniden«, erinnerte ich ihn. »Um sie kennenzulernen, benötigen wir Zeit.« »Zeit ist das, was wir nicht haben!« fuhr er mich an. »Beginnt mit der Arbeit, oder ihr zieht euch meinen Zorn zu.« Fartuloon nickte mir zu. Wir brachten die starren Körper der Akonen in die Kabine, legten sie auf die Betten und schlossen die Tür. »Es existiert eine gewisse Verwandtschaft zwischen akonischer und arkonidischer Technik«, sagte Fartuloon, als wir wieder auf dem Weg zur Kontrollzentrale waren. »Das sollte uns die Arbeit erleichtern.« »Wir sind erledigt, wenn wir wirklich das
7 Versteck finden sollten«, gab Karmina zu bedenken. »Habt ihr das vergessen?« »Natürlich nicht«, beruhigte ich sie. »Sobald wir einigermaßen mit dem Schiff umgehen können, wird uns schon etwas einfallen, das wir durchführen können, ohne direkt den Anordnungen Akon-Akons zuwiderhandeln. Ich muß allerdings zugeben, daß mich die Koordinaten schon interessieren würden …« »Vergiß es lieber wieder!« riet sie mir. Nicht in bester Stimmung erreichten wir die Zentrale. Einige unserer Techniker erwarteten uns bereits. Brontalos hatte sich am Navigationscomputer zu schaffen gemacht. »Wo ist Akon-Akon?« fragte ich. »Der Herr hat sich zurückgezogen«, gab Brontalos Auskunft. »Er muß nachdenken.« »Das kann er dann gleich für uns mitbesorgen«, meinte Ra bissig. »Es kommt so oder so nichts Vernünftiges dabei heraus.« »Kommen Sie mit dem Computer klar, Brontalos?« fragte ich. Er hob beide Hände in einer Geste des Bedauerns. »Noch nicht, Atlan, aber ich kann Parallelen zu unserer eigenen technischen Entwicklung entdecken. Es sollte möglich sein, das Ding zur Preisgabe seiner Geheimnisse zu bewegen.« »Ich lege keinen Wert auf die Koordinaten des Verstecks«, eröffnete ich ihm. »Wenn wir sie finden, löschen wir sie. Noch besteht kein hypnotischer Zwang, es nicht zu tun.« »Die einzige Möglichkeit«, gab Fartuloon ein wenig neidisch zu, weil er nicht selbst auf den Gedanken gekommen war. Akon-Akons Befehle wurden erst dann zwingend, wenn er sie erteilt hatte. Zwar hatte er uns die Anordnung gegeben, die betreffenden Koordinaten zu finden, aber er war so leichtsinnig gewesen, uns nicht die Übergabe ausdrücklich zu befehlen. Das war ein kleiner, aber wichtiger Unterschied. Ich kümmerte mich nicht mehr um die Koordinaten, sondern setzte mich hinter die
8 Hauptkontrollen des Schiffes. Im Nebensessel saß bereits Karmina. Auf dem Panoramaschirm standen die Sterne eines Teils des Universums, das ich nicht kannte. Wenigstens nicht so gut, um mich zurechtzufinden. In diesem Gebiet, das wußte ich inzwischen, hatte es viele Kolonialplaneten der Akonen gegeben, die inzwischen von ihnen aufgegeben worden waren. Deshalb waren die Demontagekommandos unterwegs. Niemand sollte vielleicht noch intakte Transmitter finden. Sie führten vielleicht mitten ins Versteck. In aller Ruhe studierte ich die Kontrollen. Obwohl sie in der Anlage und Konstruktion eine gewisse äußere Ähnlichkeit mit jenen auf unseren Schiffen hatten, waren sie doch fremd. Es würde schwer sein, ihre einzelnen Bedeutungen richtig zu erfassen. »Gar nicht so unkompliziert, Atlan«, meinte Karmina, und es klang nicht sehr optimistisch. »Ich fürchte, Akon-Akon mutet uns ein wenig zuviel zu.« »Du hast recht, Karmina. Im Augenblick fallen wir ohne Antrieb und Steuerung mit Unterlicht durchs All. Es gibt kein Ziel, das programmiert worden wäre. Vandra und ihre Akonen liegen in totenähnlicher Starre in ihrem Gefängnis. Sie können uns nicht helfen. Selbst wenn sie wollten, könnten sie es nicht.« »Sie dürfen es nicht!« berichtigte ich sie. Sie deutete auf eine kleinere Schalttafel. »Das wird für die Orter sein, nehme ich an. Aber wo sind die Kontrollen für Antrieb und Transition?« »Das können wir uns aussuchen«, erklärte ich ihr und zeigte mit einer großartigen Geste auf die tausend Knöpfe, Schalter und Hebel. »Aber wir dürfen keinen falschen betätigen, sonst …« Das war ihr ebenfalls klar. Brontalos sprach mit Fartuloon, der kurz darauf zu mir kam. »Ziemlich komplizierter Vorgang, Atlan. Es gibt gespeicherte Daten, aber wie sollen wir herausfinden, welche zum Versteck gehören? Der bisher zurückgelegte Kurs jeden-
Clark Darlton falls ist im Speicher nicht enthalten. Höchste Geheimhaltung auch hier. Es ist, als ob die Akonen mit der Kaperung ihres Schiffes gerechnet hätten.« »Sie sind vorsichtig«, vermutete ich. »Wie steht es mit den Entfernungen der Koordinationspunkte?« »Unterschiedlich. Das nächststehende System müßte 32 Lichtjahre entfernt sein. Das weiteste in vierhundert Lichtjahren. Kannst du damit etwas anfangen?« »Vielleicht«, gab ich zurück, während in meinem Gehirn ein Plan zu reifen begann, der nicht im Widerspruch zu den Befehlen Akon-Akons stand. »Brontalos soll mir die genauen Daten der nächsten verzeichneten Sonne geben. Ich nehme an, es handelt sich um jene Systeme, in denen sich einer der ehemaligen Kolonialplaneten befindet.« Fartuloon staunte: »Wie kommst du denn auf diese Idee?« »Ohne besonderen Grund, mein Lieber. Ich nehme es nur an, das ist alles. Vielleicht habe ich sogar recht.« Er schüttelte den Kopf und ging zurück zu Brontalos. »Es wäre fast logisch«, meinte Karmina. »Vandra, wie du sie zu nennen pflegst, hat ja schließlich die Aufgabe, derartige Welten anzufliegen, um die Kommandos nach Erfüllung ihres Auftrags abzuholen.« Sie sah mich forschend an. »Was hast du eigentlich vor, Atlan?« Ich lächelte vorsichtig. »Ehrlich gesagt, das weiß ich selbst noch nicht. Aber wir müssen Zeit gewinnen, das dürfte auch dir klar sein. Wir müssen AkonAkon in Sicherheit wiegen und dafür sorgen, daß Vandra bald erwacht. Vielleicht verrät sie sich.« Sie warf mir einen undefinierbaren Blick zu und schwieg. Ich begriff ihre Eifersucht auf die Akonin nicht, ganz abgesehen davon, das sie völlig grundlos war. Mit beiden Frauen verband mich lediglich der Umstand, daß wir Gefangene Akon-Akons waren. Nun ja, ich mußte zugeben, daß ich Karmina länger kannte und
Planet der Gräber daß sie sich schon früher auf meine Seite geschlagen hatte, aber das gab ihr noch lange nicht das Recht, mich in meiner persönlichen Bewegungsfreiheit einzuengen. »Um die Betriebstechnik des Schiffes richtig kennenzulernen, müssen wir landen – falls wir wenigstens das können. Wir müssen ja Akon-Akon nicht unbedingt auf die Nase binden, wieviel wir herausfinden oder bereits herausgefunden haben.« Ich deutete auf die Kontrollanlage, mit der sich Brontalos die ganze Zeit über beschäftigt hatte. Karmina nickte. »Ja, ich weiß – die Transitionsprogrammierung. Da wir genaue Koordinaten haben, dürfte es nicht schwierig sein, den Kurs zu diesen 32 Lichtjahren entfernten Planeten zu berechnen. Ich frage mich nur, ob uns das wirklich weiterhelfen wird.« »Versuchen müssen wir so ziemlich alles«, gab ich zurück. Sie nickte mir zu und machte sich wieder an die Arbeit. Fartuloon kam aus der Orterzentrale, die mit der Funkzentrale durch eine Tür verbunden war. »Es hat wenig Sinn, Funksprüche loszujagen«, sagte er und setzte sich zu mir. »Wer weiß, wer sie auffängt …? Bestimmt keiner, den wir zu sehen wünschen. Und was die Orter angeht: nichts! Aber die Fernortung kann das System ausmachen, von dem wir sprachen. Wenn Brontalos mit der Programmierung nicht zurechtkommt, könnten wir fast eine Transition auf Sicht wagen.« »Ziemliches Risiko«, machte ich ihn aufmerksam. Er zuckte die Schultern. »Na, und wenn schon? In der Sonne werden wir nicht gerade landen. Und Korrekturen können wir immer noch vornehmen.« »Keine Sorge!« mischte sich Brontalos ein. »Ich glaube, ich komme mit der Programmierung klar. Wie gut, daß ich vorher aufgepaßt habe.« »Du hast die Akonen beobachtet?« fragte ich ihn.
9 »Natürlich habe ich das. Wir hätten sie doch nicht ewig hinter den Kontrollen lassen können. Zwar hatte ich mir den Kommandowechsel auch anders vorgestellt, aber das spielt nun keine Rolle mehr. In einer halben Stunde bin ich soweit. Aber mehr als die 32 Lichtjahre möchte auch ich nicht riskieren.« »Das wird vorerst auch nicht notwendig sein.« Ich sah Fartuloon an. »Kommst du mit? Ich möchte mir die Akonen ansehen.« Ich ignorierte Karminas Seitenblick und verließ mit Fartuloon den Kontrollraum. »Blöde Situation!« knurrte er, als wir im Korridor waren. »Wenn das so weitergeht, verlieren wir unser eigentliches Ziel völlig aus den Augen. Wir kommen keinen Schritt vorwärts.« »Seien wir froh, wenn es nicht rückwärts geht«, versuchte ich ihn zu trösten, aber es klang nicht sehr überzeugend. »Wir haben doch Mediziner in der Gruppe. Kümmern sie sich um Vandra und ihre Besatzung?« »Wir werden ja sehen …« In der Tat waren zwei Arkonidinnen bei den so plötzlich erstarrten Akonen und untersuchten sie. Und als wir eintraten, richtete sich eine von ihnen auf. »Ich bin Karelia, eine Medizinerin. Es tut uns leid, aber wir können die Ursache der … der Erkrankung nicht feststellen. Alle Lebensfunktionen sind nahezu erloschen, aber sie sind nicht tot. Wir müßten Spezialapparaturen zur Verfügung haben, dann ließe sich Näheres feststellen.« »Müßten an Bord sein«, gab ich zurück und bückte mich, um Vandras Hals abzutasten. »Die Körpertemperatur ist stark abgesunken.« »In diesem Zustand würden sie monatelang ohne Nahrung auskommen können, Atlan. Eine künstliche Hibernation, würde ich sagen.« »Man müßte sie aufwecken.« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Das könnte ihren Tod herbeiführen. Ein posthypnotischer Befehl darf nicht ohne weiteres unterbrochen werden. Außerdem haben wir uns in der Krankenabteilung des
10 Schiffes umgesehen. Viel ist da nicht vorhanden, das uns nützen könnte. Wir sind auf unsere eigenen Mittel angewiesen.« Ich betrachtete Vandras Gesicht. Die Augen waren geschlossen, aber es kam mir so vor, als bewegten sich die feinen Nasenflügel der Akonin. Ihre Haut fühlte sich aber kalt und leblos an. Sie war steif wie ein Brett. Fartuloon sagte: »Wir können hier nichts tun, Atlan. Wir können nur warten, bis sie von selbst wieder erwachen.« Ich richtete mich wieder auf. »Hoffentlich tun sie das im richtigen Augenblick. Vielen Dank, Karelia. Sie bleiben hier?« »Solange Akon-Akon uns nicht daran hindert, ja.« »Er hat ebenfalls ein Interesse daran, daß sie wieder lebendig werden. Ich glaube daher nicht, daß er etwas dagegen hat, wenn Sie hierbleiben. Wir werden ab und zu hereinschauen.« Wieder auf dem Gang hörte ich das Summen eines Interkoms. Schnell drückte ich auf den Empfangsknopf. Auf dem Bildschirm über der Anlage erschien Karminas Gesicht. Sie sah mich forschend an, dann sagte sie: »Brontalos ist mit der Sichtberechnung fertig, Atlan. Sollen wir die Transition durchführen?« »Ohne Akon-Akon zu fragen?« »Warum sollen wir ihn fragen? Er hat uns ja auch die Transition nicht verboten.« Das stimmte allerdings. Er hatte uns freie Hand gelassen, um nach einer Lösung zu suchen. Wir hatten eine gefunden. »Wartet, bis wir in der Zentrale sind.« Wir beeilten uns, denn ich hatte das Gefühl, keine Zeit mehr verlieren zu dürfen. Ra, dem wir begegneten, folgte uns, ohne Fragen zu stellen. Brontalos blickte uns entgegen. »Sichere Transition mit einem Faktor von plus oder minus einem Lichtjahr. Wenn man sich Zeit läßt, kommt man schon hinter den
Clark Darlton technischen Kram hier. Man merkt doch, daß ein gemeinsamer Ursprung vorhanden ist. Das Resultat ist fast identisch.« »Aber auch nur fast«, erwiderte ich und setzte mich. »Wie geht es den Akonen?« fragte Karmina. »Sie schlafen tief und fest«, gab ich kurz zurück. Brontalos erklärte mir die einzelnen Funktionen der Transitionsanlage, und ich mußte ihm recht geben. Die Ähnlichkeit mit den arkonidischen Anlagen war unverkennbar. »Also gut, versuchen wir es«, sagte ich, ohne viel zu überlegen. »Gibt es schon Daten des Systems, das wir anfliegen wollen?« »Ein paar«, warf Karmina ein. »Eine Sonne mit drei Planeten. Der zweite scheint recht gute Lebensbedingungen zu bieten.« »Wenn unsere Vermutungen richtig sind, muß er es zumindest vor einigen tausend Jahren getan haben«, schränkte ich ihren Optimismus ein. »Bald wissen wir mehr.« »Die Bezeichnung im Speicher lautet ›Gonwarth‹ damit ist wohl der zweite Planet gemeint.« »Wir werden sehen«, sagte ich. »Brontalos … fertig?« »Schon lange!« Ich schaltete den Interkom ein, um die Besatzung auf die bevorstehende Transition vorzubereiten. Das war schon bei einer normalen Transition üblich, ganz zu schweigen von der bevorstehenden. Niemand konnte vollkommen sicher sein, ob sie gelang oder nicht. Heimlich befürchtete ich das Eingreifen Akon-Akons, aber er meldete sich nicht. Ich war sicher, daß er den Interkom abhörte und somit unterrichtet war, was wir planten. Daß er keine Reaktion zeigte, schien mir ein Zeichen für sein Einverständnis zu sein. Ich nickte Brontalos zu. »Einleiten!« Fartuloon und ich hatten die Gurte angelegt. Nun konnten wir nichts anderes tun, als auf den Bildschirm zu starren und abzuwar-
Planet der Gräber ten. Die Sterne verschwanden. Gleichzeitig setzte der Entzerrungsschmerz ein, und zwar mit solcher Intensivität, daß ich fast das Bewußtsein verlor. Aber nur eine kaum meßbare Zeit dauerte der materielose Zustand, dann wurde der Panoramaschirm wieder hell. Neue Konstellationen erschienen, und genau in ihrer Mitte stand eine helle, flammende Sonne. Wir fielen genau auf sie zu. Vier oder fünf Lichtstunden, schätzte ich die Entfernung, also Zeit genug, Vorbereitungen zu treffen. Das Schiff flog mit halber Lichtgeschwindigkeit. Ich löste die Gurte, Fartuloon und die anderen folgten meinem Beispiel. »Scheint ja gutgegangen zu sein«, sagte Brontalos, und ich konnte seiner Stimme entnehmen, daß er darüber genauso verblüfft war wie ich. »Keine weitere Transition mehr nötig.« Die Tür öffnete sich. Akon-Akon erschien. »Ist die Transition gelungen?« erkundigte er sich. Er sah die helle Sonne. »Was ist das?« »Der Stern des Planeten Gonwarth, auf dem wir landen werden, um das Schiff besser kennenzulernen«, klärte ich ihn auf. »In einigen Tagen werden wir mehr wissen, vielleicht sogar die Koordinaten des Verstecks, das uns die Akonen nicht verraten wollten.« Er machte keine weitere Bemerkung und verschwand wieder. Fartuloon sah ihm skeptisch nach. »Er hat nichts zu meckern?« wunderte er sich. »Das nenne ich ein Wunder.« »Ich hoffe, wir erleben noch mehr solche Wunder in Zukunft.« Ich stand auf und ging zu Brontalos. »Gut gemacht, mein Freund. Sie haben gut aufgepaßt und den Akonen eine Menge abgesehen.« »Die Landung wird ein Kinderspiel sein.« Das war Karmina, die sich anscheinend übergangen fühlte. »In zehn Stunden werden wir landen. Oder soll ich die Geschwindig-
11 keit erhöhen, Atlan?« »Das ist überflüssig. Versuche lieber, die Daten für die Umlaufbahn zu errechnen, damit wir sicher landen können. Fartuloon und ich kümmern uns um Orter und Massetaster. Vorsichtshalber werden wir auf Funkempfang bleiben, damit es keine Überraschungen gibt. Es könnte ja gut sein, daß auf Gonwarth ein Demontagekommando der Akonen bei der Arbeit ist.« »Das fehlte uns gerade noch!« entfuhr es Fartuloon. »Allerdings!« gab ich ihm recht. »Aber soweit wir den Speichern entnehmen können, war zum Beispiel der Planet Saruhl gelöscht worden. Daraus ist zu folgern, daß nur jene Welten mit ihren Koordinaten gespeichert sind, die noch angeflogen werden müssen. Und dazu gehört auch Gonwarth. Wir dürfen also hoffen, daß uns dort niemand erwartet, daß wohl aber jemand irgendwann in der Zukunft eintreffen wird.« »Genauso unangenehm«, meinte Fartuloon peinlich berührt. Die Stunden vergingen mit Messungen. Mit den betreffenden Instrumenten kamen wir einigermaßen klar. Akon-Akon ließ sich nicht sehen. Karelia berichtete, daß keine Veränderung im Befinden der acht Akonen eingetreten sei. Der Planet Gonwarth besaß eine atembare Sauerstoffatmosphäre, normale Gravitationsverhältnisse, eine Rotation und erträgliches Klima. Es gab einige kleinere Meere und zwei Hauptkontinente. Die Instrumente verrieten eine gleichmäßig auf der Oberfläche verteilte Vegetation. »Hört sich gut an«, meinte Fartuloon. »Da halten wir es ein paar Wochen aus, wenn nichts dazwischenkommt.« »Wir haben keine Zeit zu verlieren – und doch haben wir Zeit«, erwiderte ich mit zwiespältigen Gefühlen. »Jedenfalls versäumen wir in unserer augenblicklichen Lage nicht viel, denn solange Akon-Akon bei uns ist, ist jeder Zeitverlust zugleich auch ein Zeitgewinn.« Fartuloon grinste.
12 »Sehr weise gesprochen, mein Sohn. Ich hätte es nicht besser ausdrücken können.« Sein Spott kränkte mich nicht, denn ich kannte ihn schließlich schon lange genug. Schließlich war er mein Lehrmeister, seit er mich im Alter von vier Jahren zu sich genommen hatte, kurz nachdem mein Vater ermordet worden war. Ich gab sein Grinsen zurück und wandte mich an Karmina. »Wann erreichen wir die Umlaufbahn?« »In dreißig Minuten. Dann kann ich die Landung programmieren.« »Wir suchen uns einen guten Platz aus«, schlug ich vor. »Die Massetaster haben bereits angesprochen. Kann sein, daß wir auf Anhieb die alte Station der Akonen finden, samt Transmitter.« Ich setzte mich wieder vor den Panoramaschirm, auf dem Gonwarth von Minute zu Minute an Größe und Umfang zunahm. Meere und Kontinente waren deutlich zu unterscheiden. Die Wolkendecke war nur dünn und meist unterbrochen, so daß der Blick auf die Oberfläche fast ständig frei blieb. Ein Bild, wie ich es schon hundertmal erlebt hatte, und doch eine fremde, unbekannte Welt. Eine Warnung kam von meinem Extrahirn, doch ich ignorierte sie. Ich wußte aus Erfahrung, daß es manchmal auch gefühlsmäßig reagierte. »Die Massetaster zeigen eine ziemlich gleichmäßig verteilte Metallansammlung auf dem größeren Kontinent an«, informierte mich Fartuloon. »Es könnte sich sehr gut um eine Station handeln.« Eine Station …? Ich hatte nichts dagegen einzuwenden, denn mit einer Station war zumeist auch ein Depot und ein Transmitter verbunden. Ob uns das aus der Klemme half, blieb abzuwarten. Wir glitten in die Umlaufbahn. Karmina sammelte die hereinkommenden Daten und ließ sie vom Computer bearbeiten und auswerten. Auf der Oberfläche waren nun Einzelheiten zu erkennen. Mehr als nur einmal glaubte ich in der Vergrößerung Bau-
Clark Darlton ten oder zumindest Ruinen zu entdecken, war mir aber meiner Sache nicht sicher. Von großer Höhe aus gesehen, wirkten manche natürlichen Formationen wie künstlich angelegt – und umgekehrt. »Jetzt ist die Station genau unter uns«, sagte Fartuloon. Das Gebiet lag in der Mitte des Bildschirms. Rein optisch konnte ich keine Besonderheiten bemerken, die auf eine künstliche Beeinflussung der Oberfläche hingedeutet hätten. Im Gegenteil: ich erblickte nichts als riesige Savannen, Steppen, flache Gebirge und Wälder. Manchmal kam es mir so vor, als gäbe es gewaltige Einbrüche auf den sonst ebenen Flächen, dann wieder glaubte ich lange Reihen von kleinen Türmen zu sehen, die allerdings nicht exakt ausgerichtet waren. Ich hatte sie schon vorher beobachtet. Wenn die Akonen sie einst errichtet hatten, so blieb mir ihr Zweck vorerst noch ein Rätsel. »Die Berechnung ist fertig«, unterbrach Karminas Stimme meinen fruchtlosen Gedankengang. »Soll ich einleiten?« Ich nickte ihr zu. Die Tatsache, daß Akon-Akon uns gewähren ließ, bereitete mir Sorgen, so paradox das auch klingen mochte. Sonst hatte er uns ständig bewacht. Das Schiff verlangsamte die Fahrt und sank tiefer. Wir überflogen das Meer und den kleineren Kontinent und erreichten wieder ein Meer. Als am Horizont abermals Land auftauchte, wußten wir, daß es der große Kontinent mit der Station war – wenn es überhaupt eine war. Aber alle Anzeichen deuteten darauf hin. Über allen Problemen durfte ich unsere Hauptaufgabe nicht vergessen: wir mußten die Technik des Akonenschiffs studieren und kennenlernen. Notfalls mußten wir in der Lage sein, es ohne Schwierigkeiten zu jedem Platz der Galaxis zu steuern. Mit oder ohne diesen Akon-Akon, der uns allen allmählich auf die Nerven ging. Die Küstenlinie lag nur noch wenige Kilometer unter uns, als wir den Ozean hinter
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uns ließen. Der programmierte Landeplatz lag im Landesinnern, mehr als tausend Kilometer vom Meer entfernt. Wir gingen tiefer und näherten uns ihm. Dann standen wir senkrecht darüber, und nun hatte ich Gelegenheit, das Gelände besser sondieren zu können. Der Bildschirm zeigte die nähere Umgebung des Landesplatzes in allen Einzelheiten. In drei Kilometern Entfernung entdeckte ich einen dieser Einbrüche, die mir schon vorher aufgefallen waren. Er besaß einen Durchmesser von etwa zwei Kilometern und war nahezu rund. Er sah aus wie ein Krater, aber er war mit Sicherheit keiner. Der typische Ringwall fehlte völlig. Das Gelände war einfach eingebrochen, so, als habe es darunter einen riesigen Hohlraum gegeben, dessen Decke das Gewicht der darüber lagernden Massen nicht mehr tragen konnte. Das Schiff landete sanfter, als ich gehofft hatte. Karmina desaktivierte ihre Kontrollen und sah mich triumphierend an. »Wir sind gelandet«, sagte sie. Ich stand auf und ging zu ihr. »Gut gemacht«, lobte ich. »Du bist ein erstklassiger Pilot.« Diesmal grinste Brontalos, wie ich mit einem Seitenblick feststellte. »Und was nun?« wollte Fartuloon wissen. »Sehen wir uns die Gegend an?« »Später! Ich glaube, es ist ratsam, wenn wir uns um Akon-Akon kümmern. Bis jetzt hat er uns ja freie Hand gelassen, aber wir müssen ihm zeigen, daß wir auf seine Anordnungen warten, sonst schiebt er unserer Freiheit einen Riegel vor.« »Das klingt vernünftig«, stimmte mir Fartuloon sofort zu. »Ich gehe zu ihm.« Sie sahen mir nach, bis ich auf dem Korridor stand. Ich ging langsam, um Zeit zu gewinnen. »Was sage ich ihm?« überlegte ich laut.
2.
Wir erhielten von Akon-Akon die Genehmigung zum Verlassen des Schiffes, aber er machte uns darauf aufmerksam, daß unsere Hauptaufgabe das Studium der Antriebskontrollen und der übrigen technischen Anlagen sei, nicht das Erforschen einer längst verlassenen Station der Akonen. »Es wäre aber möglich«, warf ich ein, »daß in dieser Station Unterlagen über das Versteck zu finden sind.« »Das ist auch der Grund, warum ich euch den Ausflug erlaube. Ich jedenfalls werde im Schiff zurückbleiben und es bewachen. Sollten die Akonen wieder zu sich kommen, werden sie keine Gelegenheit zur Flucht erhalten.« »Die Arkoniden kümmern sich um sie.« »Auch Arkoniden verstehen es, mit Raumschiffen umzugehen«, gab er zurück. »Sie könnten auf dumme Gedanken kommen, wenn ich von Bord gehe.« Von seinem Standpunkt aus hatte er natürlich recht, aber leider war der seine nicht auch der unsere. Solange er sich im Schiff aufhielt, bestand nicht die geringste Chance, es eventuell zu kapern und damit seinem Einfluß zu entfliehen. Zusammen mit Fartuloon und Ra unternahm ich den ersten Ausflug auf die Oberfläche von Gonwarth. Karmina wollte unter aller Umständen dabei sein, aber ich erklärte ihr, daß die erste Inspektion viel zu gefährlich sei, um sie daran teilnehmen zu lassen. »Außerdem«, fügte ich leise hinzu, »ist uns allen wohler, wenn jemand an Bord zurückbleibt, den wir für besonders zuverlässig halten.« Damit gab sie sich zufrieden. Fartuloon nahm sein Skarg mit, Ra und ich die Impulsstrahler. Mit dem Telekom konnte ich notfalls Verbindung mit Karmina aufnehmen. Das Gras war hoch und üppig, aber nicht höher als einen halben Meter. Darüber spannte sich ein blauer Himmel mit feinen Wolkenschleiern, die jedoch die Sonneneinstrahlung kaum abschwächten. Es war angenehm warm und die Luft gut.
14 Wir waren weit genug von der Einbruchstelle entfernt gelandet, um das Schiff nicht zu gefährden. Sicher und fest stand es auf seinen Teleskopstützen, unter sich gewachsenen Boden, der bald in Fels überging. Das hatte der Massetaster verraten. Fartuloon übernahm die Führung, das Skarg in der Hand. Ich bemerkte, daß sein Lederwams dringend einer Reinigung bedurfte. Es war speckig und voller Flecken. Die Hosen sahen auch nicht viel besser aus. Wir folgten einer Art Pfad, ohne uns Gedanken über seinen Ursprung zu machen. Vielleicht gab es hier Tiere, Gras zum Weiden jedenfalls würden sie genügend vorfinden. Vom Raum aus hatten wir allerdings nichts von einer Fauna registrieren können. Fartuloon blieb stehen. »Und so wunderbare Welten haben die Akonen damals aufgegeben, nur um sich in ihr Versteck zurückzuziehen – die müssen verrückt gewesen sein!« »Sie hatten sicher ihre Gründe«, warf ich ein. »Diese Welt erinnert mich ein wenig an meine Heimat«, sagte Ra. »Auch sie besitzt weite Steppen, aber auch viel Wälder und Flüsse. Es ist eine wilde, urwüchsige Welt, meine Heimat.« Immer wieder konnte ich seinen Wunsch spüren, die Heimat wiederzusehen, aber ich konnte ihm nicht helfen. Niemand kannte die Koordinaten des Sonnensystems, aus dem er einst von Sklavenhändlern entführt worden war. Es stand weit außerhalb der Region, die vom Großen Imperium beherrscht wurde. Wenn ich meine mir selbst gestellte Aufgabe erfüllt hatte und der Tod meines Vaters gerächt war, blieb mir vielleicht Zeit und Gelegenheit, Ras Herzenswunsch zu erfüllen und zumindest nach seiner Heimat zu suchen. »Hier gibt es ebenfalls Wälder, Ra, wie wir feststellen konnten, aber wir haben andere Dinge zu tun. Dort vorn muß die Station liegen, vielleicht unter der Oberfläche. Vielleicht hat der Einbruch damit zu tun.«
Clark Darlton Fartuloon war weitergegangen. Ohne sich umzudrehen, meinte er: »Ob es wirklich ein Einbruch ist, werden wir noch feststellen müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die hochtechnisierten Akonen ihre Station über einem Hohlraum errichteten, von dem sie annehmen mußten, daß er eines Tages zusammenstürzen könnte.« Ich sah ein, daß es wenig Sinn hatte, weiter über Ursache und Wirkung nachzudenken. Außerdem näherten wir uns unserem Ziel, dem Rand des Einbruchs. Wir blieben stehen und sahen hinab auf das, was einst die Station der Akonen gewesen war. Das riesige Loch war nicht exakt rund, sondern mußte einst fast quadratisch gewesen sein. Nach und nach waren die Ränder abgebröckelt und hatten der Mulde ihre jetzige Form verliehen. Nahezu senkrecht fielen die Wände nach unten, allerdings nicht besonders tief. Zwanzig oder dreißig Meter unter uns erhoben sich in dem Loch einzelne Hügel, deren gleichmäßige Formen auf einen künstlichen Ursprung schließen ließen. Sie waren mit Erde und Sand bedeckt und zum Teil mit Gras bewachsen. Stumm betrachteten wir die Reste des einst sicherlich imposanten Bauwerks und versuchten, eine Erklärung für das zu finden, was hier geschehen war. Die einleuchtendste war die, daß es von Anfang an einen Hohlraum gegeben hatte, über den man die Station errichtet hatte, aber das widersprach eindeutig jeder Vernunft. Also mußte der Hohlraum erst viel später entstanden sein. Aber wie? Mir kam der Gedanke, daß die Katastrophe absichtlich herbeigeführt worden war, alles deutete darauf hin. Auf der anderen Seite hätten die Akonen, wenn sie damals die Absicht gehabt hätten, ihre Station zu vernichten, einfach eine Bombe legen können. »Wenn wir uns das nicht näher ansehen, werden wir nie dahinterkommen«, sagte Fartuloon.
Planet der Gräber »Es ist ja auch nicht unsere eigentliche Aufgabe«, erinnerte ich ihn. »Wir sollen das akonische Schiff und seine Anlagen studieren.« »Immerhin sollen wir aber auch versuchen, die Koordinaten des Verstecks zu finden, und du hast selbst die Vermutung geäußert, die könnten in den Speichern der Station enthalten sein.« »Du weißt genau, warum ich das sagte, Fartuloon.« Er nickte. Ra fragte: »Soll ich hinabklettern? Die Erde am Rand des Hanges scheint einigermaßen fest zu sein.« »Allein kommst du da nicht wieder hoch, Ra.« Er sah mich an. »Na, dann müßt ihr mir eben dabei helfen.« »Warte noch!« hielt ich ihn zurück, als er mit dem Abstieg beginnen wollte. »Es wird besser sein, wir holen Verstärkung. Niemand weiß, was uns dort unten erwartet.« »Ich habe keine Angst!« »Das ist es ja eben«, erklärte ich. »Wenn du Angst hättest, würdest du vorsichtiger sein.« Wir gingen weiter, immer in der Nähe des Randes, und umrundeten das Loch, wozu wir fast eine Stunde benötigten. Die Sonne sank allmählich dem westlichen Horizont entgegen. Unseren Berechnungen nach mußte in zwei Stunden die Dämmerung einsetzen. Heute würden wir nicht mehr viel unternehmen können. »Gehen wir zurück zum Schiff«, schlug ich vor. »Morgen ist auch noch ein Tag.« »Und morgen klettere ich hinab!« sagte Ra bestimmt. »Wir werden sehen …« Auf dem Rückweg sprachen wir nicht viel. Vor uns in der Ebene stand der fünfhundert Meter hohe Kugelraumer, der uns hierher gebracht hatte. Er würde uns auch wieder fortbringen – dachte ich. Vor dem Schiff sah ich einige Gestalten.
15 Akon-Akon hatte den Arkoniden also erlaubt, sich ins Freie zu begeben. Vielleicht wollte er uns bei guter Laune halten. Brontalos war es, der uns entgegenkam. »Nun?« fragte er. »Habt ihr etwas gefunden?« »Die Station«, sagte Fartuloon an meiner Stelle, als ich nicht sofort antwortete. »Sie ist eingebrochen und wahrscheinlich zerstört. Morgen werden wir sie uns näher ansehen.« »Das wird auch gut sein, Fartuloon. Wir haben inzwischen festgestellt, daß hier nicht alles geheuer ist.« Fartuloon warf mir einen auffordernden Blick zu. Also übernahm ich die Fortführung des Gesprächs. »Nicht geheuer? Wie meinen Sie das, Brontalos?« Und er berichtete, was geschehen war.
* Karmina Arthamin sah uns nach, als wir zu der verschütteten Station gingen. Sie hatte keine Lust mehr, in der Kommandozentrale weiterzuarbeiten. Sie wollte raus aus dem Schiff und sich die Beine vertreten. Die Arkoniden, die sie fragten, stimmten ihr zu. Akon-Akon hörte sich ihre Bitte an und gab zehn Arkoniden die Erlaubnis, das Schiff zu verlassen, befahl ihnen aber, sich in der Nähe zu halten und uns auf keinen Fall zu folgen. Brontalos nahm in einer romantischen Anwandlung seine Tagesration an Konzentratwürfeln mit, um einmal wieder »im Freien das Abendbrot« zu verzehren, wie er sich ausdrückte. Er fand einen geeigneten Platz dicht bei einer der äußeren Teleskopstützen, setzte sich in das dichte Gras und genoß zuerst die Aussicht. Das Paket mit den Konzentratwürfeln legte er neben sich. Karmina und einige der Wissenschaftlerinnen entfernten sich fast fünfhundert Meter vom Schiff, ehe Akon-Akon sie über Funk zurückrief. Er beobachtete sie also ständig.
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Brontalos saß da und döste vor sich hin. Es war warm, und fast wäre er eingeschlafen, wenn er nicht ein schleifendes Geräusch gehört hätte. Es war ganz dicht bei ihm, aber er sah nichts. Das Gras war viel zu niedrig, als daß sich jemand an ihn hätte heranschleichen können, um ihn vielleicht zu erschrecken. Raumfahrer, die endlich mal wieder festen Boden unter den Füßen spürten, kamen manchmal auf derartig kindische Gedanken. Brontalos suchte nicht weiter. Arglos griff er nach seinem Lunchpaket – aber seine Hand fand es nicht sofort. Er blickte fassungslos auf die Stelle, an der es gelegen hatte. Das Gras war noch niedergedrückt, und ein schmaler Pfad ebenfalls flachliegenden Grases führte von ihr weg. Brontalos blieb ganz ruhig sitzen und überlegte. Einer der Männer konnte ihm das kleine Paket nicht gestohlen haben, dazu war die Spur zu schmal. Sie war nicht breiter als eine Hand. Und derjenige, der sie verursacht hatte, konnte auch nicht schwerer als ein paar Pfund gewesen sein, denn das Gras begann sich bereits wieder aufzurichten. Der ersten Verblüffung folgte der Ärger über die Frechheit, er stand auf und sah sich suchend nach allen Seiten um, ohne etwas Verdächtiges entdecken zu können. Dann folgte er der Spur, die jedoch bereits nach einigen Dutzend Metern in einem kleinen Loch endete. Damit war Brontalos endlich klar, was geschehen sein mußte. Es gab Leben auf Gonwarth, wenn auch in primitiver Form.
* Ich hatte mir seine Geschichte angehört, ohne ihn zu unterbrechen. Fartuloon sagte ironisch: »Ich werde dafür sorgen, Brontalos, daß Sie eine neue Ration erhalten. Schließlich sind Sie der erste von uns, der Leben auf
Gonwarth festgestellt hat – eine umwälzende Entdeckung.« Daß es Tiere auf dieser Welt gab, bereitete mir keine Sorgen – noch nicht. Es handelte sich wahrscheinlich um dieselbe Gattung, die auch die Pfade in der Steppe verursacht hatte, wenngleich diese auch breiter waren als die Spur, die Brontalos gefunden hatte. Doch das hatte nicht viel zu bedeuten. Wo ein Tier nur einmal ging, entstand eine Spur. Benutzten aber mehrere Tiere immer wieder die gleiche Spur, entstand allmählich ein festgetretener Pfad. »Spotten Sie nur, Fartuloon«, beschwerte sich Brontalos. »An meiner Stelle hätten Sie auch einen Schreck bekommen, nicht nur wegen der verschwundenen Konzentrate. Aber das Tier hätte ja auch gefährlich sein und mich anfallen können. Zum Glück ist das nicht geschehen. Wir müssen herausfinden, was es ist und wovon es lebt.« »Heute jedenfalls von Raumfahrerverpflegung«, sagte ich. »Ist sonst noch etwas passiert?« »Nicht daß ich wüßte«, gab Brontalos verdrossen Auskunft. Karmina kam herbei. »Komische Sache, nicht wahr?« fragte sie und deutete auf Brontalos. »Wir haben sonst keine Spuren gefunden, obwohl wir alles abgesucht haben.« Fartuloon sagte ungeduldig: »Nun laßt uns endlich mit diesem Getier in Frieden, wir haben andere Sorgen. Morgen nehmen wir Gerätschaften mit und untersuchen die Station. Vielleicht finden wir einen Eingang, der sich freigraben läßt. Was machen die Akonen?« »Da müßt ihr Karelia fragen«, teilte sie uns schnippisch mit und stolzierte davon, um bald darauf im Schiff zu verschwinden. Fartuloon sah ihr nach und meinte: »Wenn die einen Mann kriegt, so ist der schon heute zu bedauern. Sie wird sein Kommandant sein.« Abends saßen wir noch in der Messe zusammen und unterhielten uns über die Ereignisse des Tages.
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Zum Leidwesen von Brontalos schien sich niemand für sein verschwundenes Päckchen und den geheimnisvollen Dieb zu interessieren. Die verschüttete Station war es, die jeden faszinierte.
* Mit einiger Mühe gelang es uns, die im Hangar gelagerten Antigravplatten gefahrlos aus dem Schiff zu manövrieren und voll beladen zu dem Loch schweben zu lassen, an dessen Rand sie landeten. Bald häuften sich dort die Geräte, die wir vermutlich benötigen würden. Bevor wir sie zu der Station hinabschafften, wollten wir eine genauere Erkundung vornehmen. Ra und ich legten uns auf eine der Platten und hielten uns fest. Fartuloon steuerte sie von dem Fernlenkautomaten aus. Langsam glitten die zerbröckelnden Wände nach oben, während wir nach unten sanken. Wir landeten auf einem der Hügel. Ich winkte Fartuloon zu, daß alles in Ordnung sei. Mühsam bahnten wir uns einen Weg durch das Gebüsch und rutschten dann zur eigentlichen Talsohle hinab. Jetzt wirkten die Bauten keineswegs mehr wie natürliche Hügel, denn die zum Teil noch senkrecht stehenden Metallwände waren nicht mit Erde bedeckt worden. Dumpf und kalt blinkten sie im schräg einfallenden Sonnenlicht. »Wird ja wohl eine Tür zu finden sein«, knurrte Ra und stand auf. Er zog seinen Strahler, faßte ihn beim Lauf und klopfte mit dem Griff vorsichtig gegen die Metallwand. »Nicht sehr dick. Im Notfall schmelzen wir sie durch.« Wir wanderten durch die engen »Gassen«, bis wir endlich das größte der Gebäude erreichten. Das mußte die eigentliche Transmitterstation gewesen sein. Vielleicht aber auch nur ein riesiges Depot. Einen Eingang konnten wir nicht finden, und noch widerstrebte es mir, mit Gewalt
einzudringen. Wahrscheinlich war die Erdschicht mehrere Meter dick und hatte die Türen und Fenster verschüttet. Was wir sahen, waren nur die obersten Etagen. »Nun, was ist?« fragte Fartuloon über Telekom. Ich berichtete ihm, was wir gefunden hatten und bat ihn, entsprechende Gerätschaften und einige Arkoniden herabzuschicken. Dann begannen wir damit, den unteren Teil des großen Bauwerks freizulegen.
* Die Sonne stand schon hoch, als wir es endlich geschafft hatten und den Eingang fanden. Er lag sieben Meter unter der eigentlichen Talsohle und war geöffnet, so, als habe gerade jemand das Gebäude verlassen wollen, als der Hohlraum darunter zusammenbrach. Vorsichtig stiegen wir über Steine und Geröll und drangen ein. Es war dunkel, und wir mußten die Lampen einschalten. Über Telekom hörte ich Fartuloon sagen: »Wartet, ich komme mit! Das muß ich mir ansehen!« Wir standen in einem nicht übermäßig großen Raum ohne jede Einrichtung. Sein ursprünglicher Verwendungszweck war nicht mehr zu erraten. Immerhin gab es drei Türen, die in verschiedene Richtungen führten. Fartuloon erschien schnaufend, als sei er den Hang herabgeklettert und nicht geschwebt. Auch er schaltete seine Lampe ein. »Weiter, Freunde! Was stehen wir hier nutzlos herum?« Wir öffneten die mittlere Tür ohne Mühe und kamen in einen breiten Korridor, der vor einer Sicherheitswand endete, die wir nur mit den Strahlern beseitigen konnten, weil wir trotz allen Suchens die Kontrollen nicht fanden. Wenn wir gehofft hatten, den großen interstellaren Materietransmitter hier zu finden, so sahen wir uns getäuscht. Wir standen in einem ausgeräumten De-
18 pot, von dem aus die ehemalige Kolonie versorgt worden war. Lange Reihen von leeren Regalen zeugten von der einst reichhaltigen Auswahl der hier aufbewahrten Gegenstände, ohne die eine Niederlassung nicht existieren konnte. Wir ließen uns Zeit mit der Durchsuchung, aber es war offensichtlich, daß der Auszug vor vielen tausend Jahren in aller Ruhe und mit peinlicher Sorgfalt durchgeführt worden sein mußte. Wir fanden nichts, keinen einzigen lockeren Gegenstand, den man vielleicht vergessen hatte. Treppen führten nach unten in Räume, in denen noch Maschinenanlagen standen; die jedoch keinen funktionsfähigen Eindruck mehr machten. Die Schalttafeln sahen so aus, als habe jemand sie mit Beilen bearbeitet. Akon-Akon rief uns über den Telekom vom Schiff aus. »Habt ihr die Speicheranlagen gefunden? Was ist mit den Koordinaten, die ich haben will?« Fartuloon wollte antworten, aber ich kam ihm zuvor: »Noch nicht, Akon-Akon, aber wir suchen danach. Wenn die Speicher nicht gelöscht oder mitgenommen wurden, finden wir sie auch.« »Ich hoffe es im Interesse aller.« Er schaltete wieder ab. »Da kann er aber lange warten«, murmelte Fartuloon kaum hörbar. Wir durchforschten den ganzen Komplex, aber so etwas Ähnliches wie eine Transmitteranlage war nicht zu entdecken, allerdings auch keine Speicher mit Koordinaten oder anderen Daten, die uns weitergeholfen hätten. Hier jedenfalls, das war uns allen klar, würde ein akonisches Demontagekommando nicht mehr viel zu tun haben. Wir durchsuchten noch einige der halbverschütteten kleineren Gebäude, fanden aber nichts von Bedeutung. Enttäuscht und müde standen wir später wieder auf dem Grund des Loches und kletterten auf die An-
Clark Darlton tigravplatten, um uns nach oben bringen zu lassen. Die anderen kehrten zum Schiff zurück, Fartuloon, Ra und ich blieben noch. Wir setzten uns ins Gras und schalteten die Telekomgeräte ab, damit niemand unser Gespräch belauschen konnte. »Alles verdammt merkwürdig«, faßte Fartuloon zusammen. »Ob das Loch von selbst entstanden ist?« fragte Ra. Ich schüttelte den Kopf. »Es sieht so aus, aber ich glaube es nicht. Jedenfalls steht fest, daß die Katastrophe erst dann eintrat, als die Akonen Gonwarth bereits verlassen hatten. Darauf deutet so ziemlich alles hin. Der Einbruch ist also keineswegs die Ursache für die Aufgabe der Station. Den Spuren nach zu urteilen, muß es vor zwei- oder dreitausend Jahren passiert sein.« »Aber warum?« bohrte Fartuloon. »Die Akonen waren doch nicht so dumm, eine derartige Anlage über Hohlräumen zu errichten!« »Das haben wir bereits schon einmal festgestellt«, meinte ich. »Jemand muß also später hierhergekommen sein und die Station bewußt zerstört haben. Aber wer?« Darauf wußte natürlich niemand eine Antwort. Wir rätselten noch lange hin und her, kamen aber zu keinem Ergebnis. Schließlich schalteten wir die Telekome wieder ein, um keinen Verdacht bei Akon-Akon zu erregen. Jemand rief uns, und ich glaubte, Brontalos' Stimme zu erkennen. Fartuloon meldete sich. Es war Brontalos. »Könnt ihr zurückkommen? Wir haben etwas Interessantes gefunden.« »Was denn?« »Kommt und seht es euch an! Keine fünfhundert Meter vom Schiff entfernt.« Fartuloon stand ächzend auf. »Die halten uns ganz schön in Bewegung«, beschwerte er sich. Da die anderen alle Schwebeplatten mitgenommen hatten, gingen wir zu Fuß. Am
Planet der Gräber Schiff vorbei gelangten wir auf die andere Seite der Grassteppe, die sich allmählich absenkte. Darum hatten wir auch unsere Leute und Brontalos nicht sehen können, die uns zuwinkten. Ra beschleunigte seine Schritte. Ich sah, wie Brontalos auf ihn einredete und immer wieder auf die pyramidenähnlichen Gebilde deutete, die wir ebenfalls vorher nicht hatten sehen können. Sie standen in unregelmäßiger Anordnung in der riesigen Senke, manche bis zu zehn Meter hoch. Es waren mindestens zwanzig Stück, und sie waren – das konnten wir jetzt deutlich erkennen – durch Wege verbunden. Richtige Wege waren es natürlich nicht, aber das Gras war niedergetreten oder sogar absichtlich beseitigt worden. Jedenfalls waren sie deutlich als benutzte Pfade zu identifizieren. Endlich erreichten wir die Gruppe. »Ich fand sie zufällig, als ich mich ein wenig vom Schiff in dieser Richtung entfernte«, erzählte Brontalos aufgeregt. »Was ist das?« Mir war klar, daß es keine künstlichen Gebilde waren, schon gar keine, die von den Akonen hier zurückgelassen worden waren. Welchen Sinn sollten sie auch schon gehabt haben? Das Material war Erde, ganz normale Erde wie jene, auf der wir standen. Dazwischen bemerkte ich eingeflochtene Grashalme, die dem Ganzen Halt zu geben schienen. Ich bröckelte ein wenig ab und zerrieb es auf der Hand. Sehr haltbar war die Zusammensetzung nicht gerade, aber die Sonne hatte das ihrige getan, die Pyramidenbauten widerstandsfähig zu machen. »Insektenbauten«, teilte uns Fartuloon überzeugt mit. »Das haben Insekten getan. Aber sie müssen ziemlich groß sein.« »So groß wie dein Arm«, bestätigte ich seine Vermutung. »Nur glaube ich nicht, daß es sich bei den Pyramiden um Bauten handelt. Ich nehme an, es ist überflüssige Erde.« »Ich teile deine Meinung nicht«, widersprach Fartuloon. »Überflüssige Erde wür-
19 den sie einfach hier oben verstreuen, statt zu Pyramiden aufzuhäufen. Diese Hügel haben also einen ganz bestimmten Zweck. Ich nehme auch nicht an, daß sie in ihnen hausen, aber vielleicht dienen sie als Aussichtstürme.« Ich verzichtete auf eine Fortsetzung der Diskussion. Wenn es hier wirklich größere Insekten gab, so brauchten wir uns deshalb nicht den Kopf zu zerbrechen. Immerhin noch besser, als würden riesige Saurier die Gegend unsicher machen. Die anderen mochten ähnlich denken, denn in Grüppchen kehrten sie wieder zum Schiff zurück. Fartuloon und ich folgten ihrem Beispiel. Ra gesellte sich zu uns. »Auf meinem Heimatplaneten gab es auch Insekten, die ähnliche Bauten errichteten«, sagte er und beschrieb sie als manchmal bis zur Länge eines Fingers werdende Tiere. »Gefährlich waren sie nicht, aber sie konnten lästig und schädlich werden, wenn ein Zug von ihnen unsere Dörfer überfiel. Sie waren nicht aufzuhalten, und selbst Flüsse konnten sie überqueren. Als mir dann die Goldene Göttin das Feuer brachte, bekämpften wir sie damit und vertrieben sie.« »Ähnliche Insekten sind mir auch bekannt«, erklärte Fartuloon. »Es gibt sie überall, warum nicht auch hier.« Als wir im Schiff waren, verlangte AkonAkon von mir einen Bericht. Ich suchte ihn in seiner Kabine auf. »Ihr habt keine Anzeichen eines Koordinatenspeichers gefunden«, stellte er fest, ehe ich beginnen konnte. »Es wird also besser sein, ihr vergeßt die verschüttete Station und kümmert euch um die Kontrollen des Schiffes, das ist wichtiger.« »Ohne einen Hinweis auf die ungefähre Lage werden wir das Versteck der Akonen niemals finden«, machte ich ihn aufmerksam. »Es würde ein sinnloses Suchen werden. Vielleicht gibt es noch andere Stationen auf Gonwarth. Wir müssen sie alle durchsuchen.« »Wir wollen nicht unser halbes Leben auf dieser Welt zubringen, Atlan! Ich lasse euch
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noch einen Tag, die Station zu erforschen, dann darf niemand mehr aus dem Schiff.« »Zwei Tage«, versuchte ich zu handeln, und ich hatte Glück. »Also gut, zwei Tage, aber dann ist Schluß!« Ich teilte den anderen Akon-Akons Entschluß mit. Niemand war sonderlich überrascht, denn jeder wußte, wie verrückt der Junge danach war, das Versteck der Akonen ausfindig zu machen. Das erinnerte mich an Vandra und ihre sieben Besatzungsmitglieder. Karelia meldete keinerlei Veränderung im Zustand der Erstarrten. Keiner von ihnen hatte sich bisher gerührt oder auch nur die Augen geöffnet. Aber sie lebten noch. »Das kann Wochen, ja Monate dauern«, vermutete die Medizinerin. »Es hat sogar schon Fälle gegeben, die von einem Erwachen erst nach Jahren berichten.« Ich wußte davon. So sehr ich auch bedauerte, daß Vandra sich gezwungen gesehen hatte, sich und ihre Leute auf diese seltsame Art und Weise jeder Verantwortung zu entziehen, so froh war ich auf der anderen Seite darüber. Niemand von uns hatte wirklich ein Interesse daran, das Versteck der Akonen zu finden, denn wir würden es nie mehr lebendig verlassen dürfen. Das stand fest. An diesem Abend begaben wir uns alle ziemlich ratlos zur Ruhe.
* Wir durchsuchten am nächsten Tag noch einmal alle verschütteten Gebäude und drangen auch in jene ein, deren Eingänge wir vorher nicht hatten finden können. Bei dem Einbruch waren sie regelrecht umgekippt und von den nachfolgenden Erdmassen begraben worden. Eine zweite Gruppe von uns war unter der Leitung Karminas ein Stück nach Osten in die Steppe hinausgewandert, wo in einigen Kilometern Entfernung ebenfalls ein kleinerer Einbruch stattgefunden hatte. Wir hofften, dort eine zweite Station zu finden.
Gegen Mittag meldete sich Karmina über Telekom. »Es handelt sich um ein einzelnes Gebäude, das etwa zehn Meter tief unter die Oberfläche sank. Die Umstände erinnern an das Loch, das wir gestern inspizierten. Wir haben keine Erklärung.« »Könnt ihr eindringen?« »Wir haben eine Öffnung geschmolzen. Es muß sich um eine Art Labor oder Werkstatt gehandelt haben, aber viel ist davon nicht mehr vorhanden. Einige Maschinen und Metallblöcke. An manchen Stellen sieht es so aus, als habe man Wände oder Boden mit Säure übergossen.« »Säure?« Ich warf Fartuloon, der neben mir stand, einen bedeutsamen Blick zu. »Wie meinst du das, Karmina?« »Das Metall wirkt zerfressen oder doch zumindest angegriffen. Ob die Akonen keine Spuren hinterlassen wollten, als sie abzogen?« »Das hätten sie wirkungsvoller haben können. Es muß eine andere Erklärung dafür geben. Sucht weiter.« Ich kehrte früher als die anderen zum Schiff zurück, weil Brontalos mir wegen der Insektenbauten keine Ruhe ließ. »Ich wollte es den anderen nicht sagen«, begann er, als ich ihn auf halbem Wege zwischen dem Schiff und den Insektenbauten traf. »Eben habe ich so ein Biest gesehen.« »Ein Insekt?« »Ich bin sicher, daß es ein Insekt war, denn es verschwand in einem der Löcher, die wir rings um die Pyramiden bemerkten. Die Größe stimmt ungefähr. Nun weiß ich auch, wer mir das Paket mit den Konzentraten gestohlen hat.« »Wie groß war es denn?« Er hielt mir seinen Unterarm vor die Nase. »So groß, vielleicht etwas größer. Sie haben einen dunkelbraun schimmernden Panzer – wenigstens nehme ich an, daß es einer ist. Kaum sah es mich, da flitzte es auch schon davon und verschwand.« »Chitinpanzer«, vermutete ich sofort.
Planet der Gräber »Wieviel Beine?« »Das konnte ich nicht so schnell sehen, aber ich glaube acht. Die beiden vorderen Beine jedenfalls sind sehr breit und erinnern an Schwimmflossen. Aber hier in der Nähe gibt es doch gar kein Wasser.« Ich dachte mir meinen Teil, behielt aber meine Vermutung für mich, eine Tatsache, die ich noch bereuen sollte. »Wir müssen versuchen, eins dieser Tiere einzufangen, Brontalos. Aber Vorsicht! Das Beste wird sein, wir betäuben es.« »Mit dem Paralysestrahler?« »Ja. Es muß geschehen, bevor sie Gelegenheit haben, sich zu organisieren.« Er starrte mich an. »Wie ist das gemeint? Sie halten sie doch wohl nicht für intelligent?« Ich schüttelte den Kopf. »Die Insekten auf allen uns bekannten Welten haben eine ähnliche Entwicklung durchgemacht und eine gewisse Kollektivintelligenz erworben. Das einzelne Insekt denkt nicht für sich allein, sondern für das ganze Volk. Sie sind Kollektivwesen, das unterscheidet sie von uns. Und sie sind in der Lage, sich zu organisieren, und vielleicht sogar anzugreifen, wenn es ihnen einfällt.« Brontalos wirkte nicht gerade überzeugt durch meine Warnung, aber er versprach, sich um die Sache zu kümmern. Von nun an würde er hier mit dem Strahler auf der Lauer liegen und versuchen, eines der Tiere einzufangen. Ich kehrte ins Schiff zurück und traf unterwegs Karmina. Sie berichtete noch einmal ausführlich, was sie entdeckt hatte. »Es sieht nach einer absichtlichen Zerstörung aus«, schloß sie ihre Schilderung ab. »Nicht nur das mit der Säure, sondern überhaupt der ganze Einbruch. Nur noch Metall ist geblieben, alles andere ist verschwunden.« »Habt ihr Insektenbauten gesehen?« fragte ich. »Nein, dort sind keine. Aber wir haben ein paar von den Tieren gesehen, ziemlich
21 große. Sie rannten davon, als sie uns bemerkten, so als hätten sie schon schlechte Erfahrungen mit uns gemacht. Ob sie sich noch an die Akonen erinnern können, die schon vor Jahrtausenden Gonwarth verlassen haben?« »Das ist möglich – eine Art Generationengedächtnis. Wir werden das untersuchen müssen.« Sie blieb stehen. »Ich glaube kaum, daß Akon-Akon dafür sein Einverständnis geben wird. Warum sollte er sich auch für die Insekten interessieren?« »Weil sie vielleicht eine Antwort darauf geben können, was hier passiert ist.« Ich war weitergegangen. Sie folgte mir und sprach kein Wort mehr. Dafür war sie sehr nachdenklich geworden.
* Der nächste Tag sollte zugleich der letzte sein, den wir auf Gonwarth selbst verbringen durften. So wenigstens wollte es AkonAkon. Im Grunde genommen hatte ich inzwischen jedes Interesse an den nutzlos gewordenen Stationen der Akonen verloren, und schon gar nicht hoffte ich, dort noch Koordinaten zu finden. Warum ich versuchte, Akon-Akon hinzuhalten, war mir selbst nicht ganz klar. Wollte ich lediglich Zeit gewinnen? Zeit – wozu? Heute weiß ich, daß ich unbewußt nur auf eine Gelegenheit wartete, ihn auszuschalten, gegen seinen Einfluß und Hypnobefehl, ihn niemals anzugreifen. Nur der Zufall konnte uns da noch zu Hilfe kommen, und ich wußte auch, daß alle Zufälle Zeit benötigen. Brontalos teilte mir mittags mit, daß es ihm gelungen sei, ein Insekt zu paralysieren. Ich war gerade außerhalb des Schiffes. »Wo?« fragte ich über den Telekom zurück. »Vor den Pyramiden Richtung Schiff. Bringt etwas mit, wo wir es hineinlegen
22 können, anfassen tue ich das Biest nicht.« »Wir sind gleich da, Brontalos!« Ich nahm zwei Arkoniden mit, die tatenlos herumstanden. Einer von ihnen hatte einen Beutel aus dem Schiff geholt. Wir sahen Brontalos winken. Da ich schneller war als meine Begleiter, war ich als erster bei ihm. Das Insekt sah genauso aus, wie er es beschrieben hatte. Der dunkelbraune Panzer schimmerte im Licht der Sonne. Die Vorderbeine erinnerten an kleine Schaufeln. Damit gruben sie ihre Gänge und bauten die Pyramiden. Zwei starre Augen blickten mich an, als ich mich bückte. Das Tier war bei Bewußtsein, konnte sich aber nicht mehr bewegen. Die zwei feinen Fühler waren in sich zusammengefallen. »Sehen aus wie Antennen«, meinte einer der beiden Arkoniden, die mich begleitet hatten. »Sollen wir es einpacken?« »Aber vorsichtig«, bat ich sie und dachte über die Grabfüße und die Fühler nach. Brontalos erzählte mir, daß er mehrere Stunden gewartet habe, ehe sich eins der Tiere sehen ließ. Es schien ihn nicht bemerkt zu haben und kam ihm ziemlich nahe. Dann habe er es paralysiert. »Es war allein?« vergewisserte ich mich ungläubig. »Ganz allein!« Das paßte wieder nicht ganz in das Bild, das ich mir von einem Kollektivwesen gemacht hatte. Entwickelten die Insekten etwa Eigenleben? Akon-Akon hatte natürlich wieder etwas einzuwenden, als ich ihn unterrichtete, aber ich konnte ihn davon überzeugen, daß es wichtig für uns alle sei, mehr über die Insekten zu erfahren, die vielleicht für den Rückzug der Akonen vor Jahrtausenden verantwortlich waren. Abends waren wir wieder alle im Schiff versammelt. Die einzelnen Berichte der Untersuchungsgruppen ergaben keine Neuigkeiten. Brontalos, der den Biologen beim Studium des gefangenen Insektes geholfen hatte, informierte uns:
Clark Darlton »Solange es paralysiert war, konnten wir es in aller Ruhe betrachten und untersuchen. Pflanzenfresser, soweit wir feststellen können, aber sicher sind wir nicht. Sehr empfindliche Sehorgane, was von einem Leben in Dunkelheit zeugt. Grabfüße, ganz klar. Die Antennen scheinen zum Senden und Empfang von Impulsen eingerichtet zu sein, doch auch das ließ sich nicht endgültig feststellen, da unser Objekt plötzlich sehr schnell wieder lebendig wurde. Im letzten Augenblick gelang es uns, den Coumarg in einen der durchsichtigen Plastikbehälter zu werfen und den Deckel zu schließen.« »Wen?« fragte ich. »Wir haben das Tier ›Coumarg‹ getauft, weil es ein Gräber ist.« Coumarg war die Bezeichnung für eine auf Arkon heimische Insektenart, die durch ihre unermüdliche Wühlarbeit unter der Erde bekannt war. Ich war lange nicht mehr auf Arkon gewesen, und schon damals hatte man mit der Ausrottung dieses Schädlings begonnen. Vielleicht gab es ihn schon lange nicht mehr. »Wie benahm sich der Coumarg?« fragte ich. »Wie ein Raubtier, das man in einen Käfig gesperrt hat. Er wollte uns wütend angreifen, wurde aber durch den Plastikstoff daran gehindert. Natürlich konnte er uns sehen, und ich denke noch jetzt an seine Augen, in denen ich so etwas wie tödlichen Haß zu bemerken glaubte. Er begann den transparenten Plastikstoff zu zernagen.« »Und?« »Wir haben das Tier wieder paralysieren müssen.« Fartuloon riet: »Wir sollten es freilassen, ehe es Schaden anrichten kann. Warum sollten wir es töten?« »Das hat niemand vor«, hielt ich ihm entgegen. »Aber du hast recht. Weitere Untersuchungen sind überflüssig. Vielleicht legt es bei seinen Artgenossen ein gutes Wort für uns ein …« Das war natürlich ironisch gemeint, denn
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keiner von uns traute den Coumargs mehr als eine allgemeine kollektive Intelligenz zu. Brontalos ging, um das Tier ins Freie zu bringen. Wir saßen noch einige Zeit zusammen, dann trennten wir uns, um schlafen zu gehen. Keiner von uns wußte, was der morgige Tag bringen würde.
3. Ein paar Jahrtausende vorher … Das Depot und die Nebenanlagen waren fertiggestellt worden, und man hatte die für die nächsten Jahre benötigten Vorräte eingelagert. In regelmäßigen Abständen trafen die Transportschiffe ein. Sie brachten weitere Gebrauchsgüter und Bauteile für einen Großtransmitter. Das alles interessierte den Biologen Karlakon nur am Rande. Mehr als einmal schon war er beim Kommandanten der Station vorstellig geworden, um seine Forderung vorzutragen, aber den Kommandanten wiederum interessierten die Insekten nicht, die Karlakon studieren wollte. »Unsere Aufgabe ist es, diese Station zu errichten, und sonst nichts. Ich verstehe Ihren Wunsch nicht.« »Wir leben nun schon sehr lange auf dieser Welt, und meine Aufgabe ist es, das tierische und pflanzliche Leben hier zu untersuchen. Sie wissen das, und Sie wissen auch, daß mir die Unterstützung der Station und ihrer Einrichtungen zusteht. Ich habe bis jetzt feststellen können, daß die großen Insekten, die wir hin und wieder beobachten, eine gewisse Intelligenz besitzen. Wir haben sie ›Coumargons‹ genannt, weil sie den größten Teil ihres Daseins unter der Oberfläche verbringen und riesige Tunnels graben. Sie scheinen harmlos und verständigungsbereit zu sein. Darum bitte ich Sie noch einmal, mir den Bau einer Forschungsstation zu genehmigen und entsprechende Schritte zu unternehmen.«
»Was beabsichtigen Sie?« »Mir ist der Gedanke gekommen, daß wir die Insekten unter Umständen beim Bau unterirdischer Anlagen einsetzen können.« Der Kommandant starrte den Biologen verständnislos an. »Sind Sie verrückt geworden?« erkundigte er sich. »Selbst dann, wenn Ihnen die Verständigung mit den Coumargons gelänge, ist der Gedanke absurd. Wir haben entsprechende Maschinen, wozu brauchen wir da die Insekten?« Karlakon, dem es in erster Linie um das Studium, weniger um einen Arbeitseinsatz der Insekten ging, verteidigte seinen Standpunkt mit allen möglichen Argumenten, bis er den Kommandanten halbwegs überzeugen konnte. Eine entsprechende Anfrage beim Flottenoberkommando wurde positiv beantwortet. Karlakon erhielt die erforderlichen Mittel zum Bau eines Forschungslabors, außerdem wurde ihm ein Assistent zugeteilt, der zugleich Spezialist für Funkwesen war. Tonkan war ebenfalls von der Lebensweise der Coumargons fasziniert und froh, eine Spezialaufgabe erhalten zu haben, der er sich nun voll und ganz widmen konnte. Seine Faszination stieg, als er von Karlakon mehr Einzelheiten erfuhr. »Es gibt Stellen, an denen man in ihre unterirdische Welt eindringen kann, ohne Zerstörungen anzurichten, Tonkan. Sie wissen, daß die Eingänge meist nur schmal und klein sind, aber Sie werden sich wundern, wie geräumig die Gänge und Kammern unter der Erde sind. Das ist es auch, was mich auf den Gedanken brachte, die Tiere zum Bau unserer Anlagen einzusetzen.« »Ein kühner Gedanke, Karlakon.« »Nicht wahr? Aber Sie werden sehen, er ist zu verwirklichen. Doch zuerst müssen wir versuchen, Verbindung mit ihnen aufzunehmen, besonders mit einer ihrer Königinnen. Ich halte sie für ziemlich intelligent.« »Sie denken an Funk?« »Ja, richtig, Tonkan. Daß sie untereinander durch Gedankenimpulse kommunizie-
24 ren, habe ich bereits herausgefunden. Ich konnte sogar vereinzelte Impulse auffangen, wenn auch leider noch nicht entziffern.« »Gedankenimpulse?« wunderte sich Tonkan. »Glauben Sie nicht, daß es eher Funkimpulse sind, die organisch erzeugt werden?« Karlakon winkte ab. »Das spielt keine so große Rolle. Wichtig ist nur, daß wir ihnen antworten können. Während mit dem Bau des Labors begonnen wird, unternehmen wir die ersten Ausflüge zu den Coumargons. Später werden wir einzelne Exemplare einfangen und untersuchen. Wenn wir sie gut behandeln und dann wieder freilassen, müßten sie unseren guten Willen erkennen und entsprechend kooperieren. Wenigstens hoffe ich das.« Am nächsten Tag flogen sie mit einem der Gleiter ein Stück nach Norden, wo der große Wald begann. Dort hatte Karlakon durch Messungen festgestellt, daß große Teile des unwegsamen Geländes unterhöhlt waren. Manche der Gänge führten bis tief unter den Wald und sogar hinein in das im Westen ansteigende Gebirge. Demnach waren die Coumargons in der Lage, selbst Fels zu bearbeiten. Hunderte von Pyramiden zeugten von dem unermüdlichen Fleiß der Tiere und erinnerten, von oben gesehen, an eine seit Jahrhunderten verlassene Stadt, in der es kein Leben mehr gab. Sie landeten und stiegen aus. Tonkan trug ein kleines Funkgerät, das er in einem schlanken Zylinder untergebracht hatte. Wenn er durch einen der unterirdischen Gänge kroch, konnte er es leicht vor sich herschieben, ohne es zu beschädigen. In der Nähe des Landeplatzes waren einige Coumargons damit beschäftigt, eine neue Pyramide zu errichten. Sie gingen dabei so systematisch und geschickt vor, daß man ihnen eine gehörige Portion von Intelligenz nicht absprechen konnte. Trotzdem wurden die beiden Forscher den Eindruck nicht los, daß sie nicht selbständig, sondern nach genauen Anweisungen arbeiteten.
Clark Darlton Einige der Tiere scharrten die aus dem Gang geworfene Erde zusammen und schoben sie auf einem Haufen zusammen. Andere wiederum krabbelten auf diesem Haufen herum, der sich allmählich zu formen begann, bis er zu einer der bekannten Pyramiden wurde. Kaum damit fertig, begannen die Coumargons mit dem Bau der nächsten. Um die beiden Akonen kümmerten sie sich nicht. »Sie haben keine Angst mehr vor mir«, erklärte Karlakon triumphierend. »Sie kennen mich bereits, und an Sie werden sie sich auch mit der Zeit gewöhnen.« »Wie sollen wir einen Eingang finden, der groß genug für uns ist?« »Drüben am Abhang, der zum Fluß führt. Die Höhleneingänge sind dort größer als in der Ebene und führen meist waagrecht in den Berg hinein. Viele von ihnen sind wohl natürlichen Ursprungs.« Sie ließen den Gleiter unter dem Schutz des Energieschirms zurück und gingen dicht an den arbeitenden Coumargons vorbei. Einige der Tiere stellten für wenige Sekunden ihre Tätigkeit ein, um die beiden Männer neugierig zu betrachten. Dabei bewegten sich ihre langen Fühler wie spielerisch hin und her. Karlakon war überzeugt, daß sie ihrer Königin Informationen übermittelten und Anweisungen von ihr erhielten. Dann nahmen sie ihre Arbeit wieder auf. Als das Gelände zum Fluß abfiel, hielten sie an. Karlakon hatte nicht zuviel versprochen. Der Abhang, unterschiedlich steil, war mit Löchern regelrecht übersät. Die meisten waren nicht größer als eine Hand, andere wiederum hätten zwei Männern zugleich Platz geboten. Tonkan war stehengeblieben und beobachtete einige Coumargons, die auf schmalen Verbindungspfaden dahineilten, um von einem Bau in den anderen zu gelangen. Sie nahmen kaum Notiz von den Akonen, ähnlich wie die Pyramidenbauer. »Sie haben noch keine schlechte Erfahrungen mit Akonen gemacht«, konstatierte
Planet der Gräber Karlakon befriedigt. »Um so leichter werden wir es mit ihnen haben.« »Was planen Sie eigentlich wirklich?« fragte Tonkan. »Glauben Sie im Ernst daran, sie in Arbeitstiere für unsere Zwecke verwandeln zu können?« »Der Gedanke ist immerhin frappierend, das müssen Sie doch zugeben.« »Ich halte nicht viel davon, wenn ich Ihnen auch am Anfang zustimmte. Mir geht es in erster Linie um den Kontaktversuch. Wenn er gelingt, ergeben sich daraus ungeahnte Möglichkeiten zur Entwicklung entsprechender Funkeinrichtungen. Ich denke da an Kommandoübermittlung per Funk.« »Wir könnten der Königin Befehle erteilen, die sie befolgen müßte!« stimmte Karlakon begeistert zu. »Sie wiederum leitet diese Befehle an ihr Volk weiter. Sehen Sie, das ist ja genau das, was ich plane!« »Eigentlich ja, trotzdem interessiert mich der Arbeitseinsatz der Coumargons nicht besonders, nur das Experiment selbst. Haben Sie sich schon einen Bau ausgesucht?« Karlakon ging weiter. »Wir nehmen den da vorn. Der Gang dahinter scheint groß genug zu sein. Haben Sie Ihr Gerät eingeschaltet?« »Noch nicht.« »Dann tun Sie es. Versuchen Sie, Impulse aufzufangen. Haben Sie den Translator dazwischengeschaltet?« »Wie besprochen, aber ich glaube nicht, daß es so einfach sein wird. Impulse werden wir empfangen und auch registrieren können, aber ob uns der Translator helfen wird, sie auch zu verstehen, möchte ich bezweifeln. Versuchen können wir es ja …« Karlakon kümmerte sich nicht um die Bedenken seines Assistenten. Zielstrebig ging er auf den Tunneleingang zu und wich den entgegenkommenden Coumargons aus. Tonkan folgte ihm, so schnell er es vermochte. Sein Funkgerät arbeitete bereits und empfing erste Impulse. Wie erwartet, ergaben sie keinen Sinn, aber eine gewisse Systematik der Zeichen war durchaus erkennbar. Im Eingang saß eines der Insekten. Es sah
25 ihnen entgegen. Seine Fühler bewegten sich spielerisch auf und ab, hin und her. Karlakon zögerte ein wenig, als er den Eingang erreichte, dann bückte er sich und sprach auf das Tier ein, was Tonkan völlig sinnlos erschien. Er registrierte stärkere Funkimpulse auf den Instrumenten, so als wolle das Insekt antworten. Sonst gab es keine Reaktion. Vorsichtig stieg Karlakon über den Gräber hinweg und drang in den schräg nach unten führenden Stollen ein. Tonkan folgte ihm mit einem flauen Gefühl im Magen. Er begriff nicht, warum die Coumargons so teilnahmslos zusahen, wie Fremde ihr Reich betraten. Schon nach wenigen Metern mußten sie die Lampen einschalten und konnten nur noch gebückt weitergehen. Der Boden, die Wände und die Decke des Ganges waren glatt. Für die relativ kleinen Insekten mußte ihre Bearbeitung alles andere als einfach gewesen sein, und Tonkan fragte sich, warum sie so große und hohe Tunnels benötigten. Mehrmals begegneten ihnen Coumargons, die zum Ausgang eilten. Das Licht schien sie zu irritieren, aber sie liefen unbeirrt weiter, ohne die Eindringlinge aufzuhalten. Die beiden Forscher hatten selten so friedfertige Lebewesen kennengelernt, was ihre Hoffnung auf einen Erfolg nur noch steigerte. »Waren Sie schon einmal in diesem Bau, Karlakon?« »Nein, aber sie ähneln sich alle in der Anlage. Wenn dieser hier keine Ausnahme darstellt, werden wir bald den Verteiler erreichen und uns entscheiden müssen.« »Verteiler?« »Eine Art Halle, von der aus weitere Gänge in verschiedene Richtungen führen. Einer davon geht direkt zur Festung der Königin.« »Woher wissen Sie das?« »Dies ist nicht mein erster Besuch bei den Coumargons, wie Sie wissen. Die Königin ist größer als ihre Untertanen, vor allen Dingen besitzt ihr Panzer eine andere Farbe. Er ist fast weiß.« Tonkan hätte gern noch mehr erfahren,
26 aber er mußte sich um sein Gerät kümmern, dessen Zeiger immer heftiger ausschlugen. Aus dem Lautsprecher kamen seltsame Pfeiftöne. Sie klangen fast wie Warnrufe, aber das konnte auch Einbildung sein. Als sie den Verteilerraum erreichten, hielt Karlakon an. Eine Weile lauschte er den Geräuschen, die aus dem Funkgerät kamen. Dann meinte er: »Warum antworten wir eigentlich nicht? Vielleicht werden wir gerufen.« »Welchen Gang nehmen wir nun?« fragte Tonkan, ohne auf Karlakons Bemerkung einzugehen. »Ich sehe vier Eingänge.« »Drei führen fast eben weiter, nur einer geht weiter nach unten. Das wird der richtige sein. Obwohl ich keinen Grund dafür erkennen kann, scheinen sich die Königinnen möglichst tief unter der Oberfläche am sichersten zu fühlen. Vielleicht ist das ein Überbleibsel der uns nicht bekannten Vergangenheit der Coumargons. Heute haben sie keine natürlichen Feinde mehr, aber das kann früher anders gewesen sein.« Tonkan sagte: »Möglich. Ich lasse auf jeden Fall ab jetzt den Tonspeicher mitlaufen, dann können wir uns die Aufzeichnungen später in aller Ruhe anhören. Jetzt bleibt uns doch zu wenig Zeit zum Studium.« Die Reichweite der Sendungen, stellte Tonkan durch seine Beobachtungen fest, war nicht sonderlich groß. Er schätzte sie auf ungefähr zwei Kilometer. Die der Königin schien größer zu sein. Das war offensichtlich überflüssig, denn was nützte ihr eine größere Reichweite, wenn sie damit ihre Untertanen nicht erreichte. Aber auch hier wußte Karlakon eine Erklärung. Er war davon überzeugt, daß die Königinnen der verschiedenen Völker untereinander in ständigem Kontakt standen. Das bedeutete, daß sich eine Information sehr schnell ausbreiten konnte, auch wenn die einzelnen Stämme und Siedlungen weiter als zwei Kilometer auseinander lagen. Die Tiefenmesser zeigte einhundert Meter an, und die Luft war stickiger geworden.
Clark Darlton Der säuerliche Beigeschmack war unverkennbar. Immer öfter begegneten ihnen nun die Insekten, und es schienen keine gewöhnlichen Arbeiter zu sein. Ihr Panzer war etwas heller, die Fühler kürzer. Die meisten waren damit beschäftigt, Schäden am Gang auszubessern und die Wände mit ihren Grabschaufeln glatt zu polieren. Sie achteten ebenfalls nicht auf die Eindringlinge, und Tonkan vermutete, daß sie von ihrer Königin entsprechende Anweisungen erhalten hatten. Der Gang mündete in eine große und hohe Halle, in der es von Coumargons geradezu wimmelte. Die beiden Akonen konnten bemerken, daß sie nicht einfach wahllos durcheinanderliefen, sondern eine gewisse Ordnung in ihren Bewegungen beibehielten. Karlakon und Tonkan waren unwillkürlich stehengeblieben. Etwas erhöht auf einem Podest sahen sie den weißen Panzer der Königin schimmern, die ihnen mit starren Augen entgegenblickte. Sie hatte besonders lange Fühler, die sie den Fremden entgegenstreckte. Tonkan mußte die Lautstärke seines Geräts vermindern, denn die Pfeiftöne wurden so schrill, daß sie zu schmerzen begannen. Es war offensichtlich, daß die Königin versuchte, Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Tonkan versuchte es mit der Tongebertaste. Er schickte Signale in gleichbleibendem Rhythmus aus, die zwar ohne Bedeutung blieben, dessen Systematik jedoch Verständigungsbereitschaft und Intelligenz verriet. Die schrillen Pfeiftöne kamen im gleichen Rhythmus zurück. Der Anfang war gemacht.
* Einige Wochen später konnten die beiden Forscher ihr inzwischen fertiggestelltes Labor beziehen. Jetzt erst waren sie technisch in der Lage, ihre auf mehreren Ausflügen gesammelten Tonaufnahmen richtig und systematisch auszuwerten. Auf Karlakons Bitte hatte der Kommandant des Depots ihm
Planet der Gräber einen weiteren Spezialisten zugeteilt, so daß sie nun drei Männer waren, die sich mit den Coumargons befaßten. Per hatte sich sein Leben lang mit dem Bau ferngesteuerter Roboter befaßt, eine Tätigkeit, die ihn selbstverständlich auch mit der Funktechnik vertraut gemacht hatte. Tonkan hatte ihm erklärt, worum es ging, nachdem es endlich gelungen war, einige Signale der Coumargons zu entziffern und ihre Bedeutung zu erkennen. Sie entwickelten gemeinsam einen Kode, der den aufgefangenen und enträtselten Signalen entsprach, darunter auch Befehlssignalen der Königin an ihre Untertanen, Soldaten wie auch Arbeiter. Die Sendeimpulse wurden derart gespeichert, daß auf Abruf jederzeit das gewünschte Signal ausgestrahlt werden konnte. Umgekehrt übersetzte eine sinnvolle Einrichtung, von Tonkan entwickelt, die eintreffenden Signale der Königin. Karlakon zeigte sich über die Zusammenarbeit seiner beiden Gehilfen äußerst befriedigt. Was er allerdings mit ferngesteuerten Robotern im Sinn hatte, verriet er vorerst noch nicht. Einige Tage nach dem Umzug wurde die Funkanlage praktisch erprobt. Die »Unterhaltung«, mit der Königin des am Flußufer wohnenden Coumargon-Volkes beschränkte sich nur auf gut zwei Dutzend Begriffe, die sich allerdings miteinander kombinieren ließen und so andere Bedeutungen erhielten. Karlakon versicherte der Königin, ein Freund ihres Volkes zu sein und ihm keinen Schaden zufügen zu wollen. Dann stellte er die Frage, ob man nicht etwas tun könne, um die guten Absichten unter Beweis zu stellen. Es stellte sich heraus, daß die Coumargons Versorgungsprobleme hatten. Sie lebten – nur der Not gehorchend – von der Vegetation, die auf ihrer Welt wuchs. Einige Tiersorten, die es früher einmal gegeben hatte, und die als Hauptnahrung galten, waren ausgestorben. Es gab nur noch selten Fleisch in den Wäldern zu erbeuten, und jedes Volk
27 schickte im Sommer Jäger aus. Dabei kam es oft zu Zusammenstößen und blutigen Auseinandersetzungen der Coumargons untereinander. Karlakon versprach der Königin Hilfe, sobald er mit dem Kommandanten gesprochen habe, dann machte er einen Vorschlag. Wenn die Coumargons bereit wären, beim Bau der Station zu helfen, würde er dafür sorgen, daß sie Lebensmittel erhielten. Dazu sei es allerdings notwendig, daß gewisse technische Apparate in den unterirdischen Bauten installiert würden, um eine ständige Kontaktaufnahme zwischen den Insekten und den Akonen zu ermöglichen. Die Königin erbat sich Bedenkzeit und ließ durchblicken, daß sie sich mit den Königinnen der benachbarten Völker beraten müsse. Zufrieden mit dem ersten Ergebnis seiner Bemühungen, verließ Karlakon mit seinen Begleitern den Bau der Coumargons und kehrte zum Labor zurück. Hier hörte er sich noch einmal die von Tonkan gemachte Aufzeichnung an, ehe er sagte: »Per, Ihnen steht alles Material zur Verfügung, das Sie benötigen, um kleine flugfähige Roboter zu bauen. Tonkan wird sich bemühen, Mikrofunkgeräte zusammenzubasteln, die unsere Befehlsimpulse auf Verlangen abstrahlen können. Damit haben wir die Königinnen unter Kontrolle und können sie so zwingen, unseren Anordnungen Folge zu leisten. Natürlich geschieht das zu Beginn freiwillig, denn wir versorgen sie dafür mit Lebensmitteln. Mit der Zeit jedoch werden diese Impulse zu einem fast hypnotischen Zwang, und es wird keiner Königin mehr möglich sein, sich unseren Anordnungen zu widersetzen.« Tonkan gab zu bedenken, daß man mit dieser Methode ein kosmisches Gesetz verletze, das einwandfrei die Versklavung eines anderen Volkes verbot. Karlakon verspottete ihn und fragte, seit wann Tonkan Insekten mit einer Kollektivintelligenz als »Volk« bezeichne. Per enthielt sich jeden Kommentars, denn
28 er wußte nur zu gut, daß es dem Biologen lediglich darum ging, seinen Ehrgeiz zu befriedigen. Ob die Akonen arbeiten mußten oder nicht, war ihm ziemlich egal. Er versprach, sofort mit der Konstruktion der Roboter zu beginnen. Nach etlichen Wochen hatte Per einen Prototyp zusammengebastelt, den er mit Tonkan in einen weiter entfernten Coumargonbau brachte, um ihn zu testen. Mehr aus einer Laune heraus hatte er dem Roboter Form und Größe der Königin gegeben, was die Insekten im ersten Augenblick zu irritieren schien. Im Innern dieses künstlichen Coumargons befanden sich Sender, Empfänger und Speicheranlage mit Abrufautomatik. Die Königin des Volkes, mit der vorher noch kein Kontakt bestanden hatte, war offensichtlich von dem Vorhaben unterrichtet worden, denn sie verhielt sich neutral und abwartend. Das war ein weiterer Beweis dafür, daß die einzelnen Bauten und Völker in ständiger Verbindung waren. Trotzdem atmeten die beiden Akonen erleichtert auf, als sie wieder draußen im Freien standen. Sie kletterten in ihren Gleiter, der startbereit auf sie wartete. Hier erst begannen sie mit dem geplanten Experiment. Durch die raffinierte Kombination der entschlüsselten Impulse gab Tonkan der Königin den Befehl, von einem dicht unter der Oberfläche liegenden Seitengang einen Querstollen zur Oberfläche zu treiben und vier Pyramiden zu errichten. Dann warteten sie, nachdem sie Karlakon vom bisherigen Verlauf des Experiments berichtet hatten. Vorerst geschah nichts, das sie hätten beobachten können. Immerhin würde die Länge des Querstollens etwa zehn Meter betragen. Aber dann bewegte sich an der errechneten Stelle die Erde, ein winziger Hügel entstand – und dann kroch ein Coumargon durch ein kleines Loch an die Oberfläche. Er begann sofort damit, Gras und Erde miteinander zu vermischen und das Fundament der Pyramide auszulegen. Immer mehr Coumargons erschienen, der
Clark Darlton Erdhaufen wurde größer. »Es klappt wahrhaftig!« berichtete Tonkan über Funk. »Sie haben einen schmalen Gang, gegraben, den sie nun vergrößern. Zwei Pyramiden stehen bereits …« Per sagte nicht viel. Er betrachtete voller Faszination die Insekten, die ohne jeden Widerspruch den Befehl des Funkroboters ausführten, so sinnlos der Querstollen zur Oberfläche für sie auch sein mochte. »Sehr gut!« hörten sie Karlakons Stimme. »Nun kommt zurück! Ihr dürft mir glauben, daß sie Stollen und Pyramiden noch heute fertigstellen, ohne Pause zu machen. Wir haben es geschafft!« Nach dem Vorbild des Prototyps wurden mehr als zwei Dutzend Funkroboter gebaut, die in einer jeweiligen Entfernung von zwei Kilometern in den Bauten installiert wurden. So konnte man ein ziemlich großes Gebiet unter Kontrolle bekommen, ohne auf die einzelnen Königinnen angewiesen zu sein. Der Kommandant der Station zeigte sich hocherfreut über den Erfolg des Wissenschaftlers, wenn er auch keinen hervorragenden Nutzen sehen konnte. Die Coumargons wurden zu allen möglichen Arbeiten eingesetzt und erhielten anfangs auch die versprochenen Lebensmittel. Dann wurden die Lieferungen eingestellt. Die Königinnen protestierten, aber es war bereits zu spät. Sie waren schon längst zu willenlosen Sklaven der Funkroboter geworden, die sie positronisch überwachten, und sie mußten den Befehlsimpulsen gehorchen, ob sie wollten oder nicht. Ehe weiter entfernte Völker, durch die Vorgänge alarmiert, die Revolte organisieren konnten, geschah etwas anderes: Der Kommandant der Station erhielt vom Oberkommando der akonischen Flotte den Befehl, das Depot und den Planeten zu räumen. Es war soweit. Die Akonen zogen sich für immer in ihr Versteck zurück. Als das letzte Schiff im Himmel verschwunden war, gab es für die Königinnen der Coumargons keine Befehlsimpulse
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mehr. Sie waren plötzlich wieder frei, aber sie ließen die nun toten Roboter an ihren Plätzen – vielleicht, um in alle Ewigkeiten an sie und an das Unheil, das sie gebracht hatten, erinnert zu werden. Der Sturm auf die Station der verschwundenen Akonen begann. Die Coumargons trieben von allen Seiten ihre unterirdischen Gänge gegen die Stationen vor, in erster Linie gegen das Hauptdepot. Tief unter der Anlage entstand im Verlauf einiger Wochen ein gewaltiger Hohlraum, der jeden Augenblick einstürzen konnte – was dann auch geschah. Wieviel Untertanen bei dieser absichtlich herbeigeführten Katastrophe den Tod fanden, blieb auch den Königinnen verborgen, aber der Zweck war erreicht worden. Wenn die Zweibeiner zurückkehrten, würden sie nur noch Trümmer vorfinden. Doch auch für diesen Fall der Rückkehr sorgten die Königinnen gemeinsam vor. Von Generationen zu Generationen wurden die Geschehnisse übermittelt, damit sie niemals in Vergessenheit gerieten. Die Kugelschiffe der Fremden blieben im Gedächtnis der Coumargons haften. Sie wurden das Symbol für Vorsicht – und für blindwütigen Haß. Wenn jemals wieder ein solches Schiff auf ihrer Welt landen sollte, würde man wissen, was zu tun war.
4. Von all diesen Vorkommnissen hatte ich natürlich nicht die geringste Ahnung, ich erfuhr die ganze Geschichte erst nach und nach. Eigentlich gingen Fartuloon und ich ähnlich vor wie jener akonische Biologe, nur mit einer anderen Zielsetzung. Wir brauchten den Kontakt mit den Coumargons, und das kam so:
* Akon-Akon befahl, die Luken zu schließen und erließ noch einmal das Verbot, das Schiff zu verlassen. Die gesamte Mann-
schaft sollte sich intensiv in das Studium der Kontrollen vertiefen, so daß wir in der Lage sein würden, das Schiff an jeden beliebigen Punkt der Galaxis zu bringen. Von dem Haß der Coumargs und ihren Plänen wußten wir zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Sie hatten sich uns gegenüber abwartend verhalten. Wir hatten keinen Grund zum Mißtrauen. Brontalos konnte bereits am dritten Tag melden, daß die Navigationsanlage kein Problem mehr für ihn darstellte, während Karmina und ich dem Antrieb sämtliche Geheimnisse entlockten. Ähnlich erging es den anderen Gruppen, die sich ebenfalls bemühten, die Unterschiede zwischen akonischer und arkonidischer Technik und Bauweise zu erkennen. Akon-Akon war es, der zu dieser Zeit öfter allein Spaziergänge auf Gonwarth unternahm, nachdem wir von ihm den zwingenden Befehl erhalten hatten, nicht ohne ihn zu starten. Es wäre natürlich für uns die einfachste Lösung gewesen – aber es war unmöglich. Wir mußten ihm gehorchen, ob wir wollten oder nicht. Aber wir konnten miteinander reden. »Ich glaube, daß sogar unsere acht Akonen wieder zu sich kämen, wenn wir ohne Akon-Akon im Raum wären.« Fartuloon sagte es mit der ihm eigenen Bitterkeit, die seine ganze Hilflosigkeit ausdrückte. »Wie geht es ihnen übrigens?« »Ich war bei ihnen. Unverändert.« »Ich würde es ja mit einem Belebungsmittel versuchen, wenn es nicht so gefährlich wäre. Vandra und ihre Leute unterliegen nicht dem hypnotischen Zwang AkonAkons. Sie könnten trotz seines Verbots das Schiff starten. Und dann …« »Vergiß es gleich wieder«, unterbrach ich ihn. »Karelia hat alles versucht, aber wir dürfen das Leben der Akonen nicht aufs Spiel setzen. Sie müssen den Zeitpunkt ihrer Rückkehr zum Leben selbst bestimmen – und haben es wahrscheinlich bereits.« Fartuloon biß sich auf die Unterlippe. Ra, der sich zu uns gesetzt hatte, sagte hitzig:
30 »Aber unsere ganze Existenz hängt davon ab, daß wir hier wegkommen, und zwar ohne Akon-Akon! Er hat uns den Start verboten, aber nicht das Wiederbeleben der gefangenen Akonen. Das ist unsere einzige Möglichkeit!« Ich nickte ihm zu. »Das wissen wir auch, Ra, aber das Risiko ist zu groß. Ich will jetzt nichts mehr davon hören. Die letzten Entscheidungen trifft, wie immer, Akon-Akon. Eines Tages wird er einen verhängnisvollen Irrtum begehen, und darauf wollen wir warten.« Bevor es dunkelte kam Akon-Akon ins Schiff zurück. Er fragte: »Wie weit seid ihr? Könnt ihr das Schiff fliegen, ohne daß die Gefahr von Fehltransitionen besteht? Kennt ihr nun die Technik der Akonen? Wann starten wir?« Vorsichtig erwiderte ich: »Es kann nicht mehr lange dauern, AkonAkon. Unsere Teams haben hart arbeiten müssen, aber nun beherrschen sie ihre Spezialgebiete. Es wäre gut, wenn jeweils ein Ersatzteam bereitstünde, falls das eine oder andere ausfallen sollte. Also: jede Gruppe muß mindestens zwei Gebiete absolut sicher im Griff haben. Das dauert eben noch ein oder zwei Tage.« Das sah Akon-Akon ein. Wir erhielten eine neue Frist. Die Schulung konnte am Abend des zweiten Tages abgeschlossen werden. Nicht ohne gewisse Beklemmung machte ich AkonAkon die Vollzugsmeldung. Er schien befriedigt und ordnete den Start für den kommenden Tag an. Wir sollten uns ausschlafen. Ich konnte an diesem Abend nicht einschlafen, obwohl es spät geworden war. Ruhelos wälzte ich mich auf meinem Bett hin und her. Die Ungewißheit, was morgen alles geschehen würde, lastete schwer auf mir. Welche Koordinaten würde Akon-Akon bestimmen …? Jene, die wir suchten, besaßen wir noch immer nicht. Und wenn wir sie in dem Depot der Akonen gefunden hätten, wäre mir
Clark Darlton auch nicht wohler zumute gewesen. Ob ein Ziel oder nicht, unsere Zukunft lag in absoluter Dunkelheit. Gegen Mitternacht muß ich dann endlich eingeschlafen sein, aber um so erschreckender war dann das Erwachen kurz vor Morgengrauen des Tages, der unser letzter auf Gonwarth sein sollte. Zuerst weckte mich ein fernes Grollen, dann gab es eine Erschütterung, die mich aus dem Bett schleuderte. Krampfhaft hielt ich mich an dem verankerten Tisch fest, um nicht davonzurutschen, als meine Kabine sich zu neigen begann. Lose herumstehende Gegenstände folgten dem Gesetz der Schwerkraft und fielen zu Boden. Dann hatte ich plötzlich das Gefühl, daß wir fielen – wir alle und das Schiff. Dieser Zustand dauerte etwas mehr als fünf oder sechs Sekunden, dann erfolgte der Aufprall. Ich erwartete ihn und war gewarnt. Trotzdem wurde ich derart zusammengestaucht, daß ich fast das Bewußtsein verloren hätte. Die Coumargs! In diesen wenigen Sekunden wurde mir fast alles klar, wenn mir die Motive auch noch verborgen blieben. Das Depot und das Forschungslabor der Akonen war durch die Insekten vernichtet worden. Sie hatten einen Hohlraum geschaffen und dann zum Einsturz gebracht. Damals mit den Stationen und heute mit unserem Schiff. Ich versuchte aufzustehen und hielt mich an den verankerten Einrichtungsgegenständen fest. Die Beine und der Rücken schmerzten. Der Fußboden war schräg, aber er bot noch Halt genug. Langsam arbeitete ich mich zur Tür vor und öffnete sie. Draußen auf dem Gang waren Schreie und aufgeregtes Rufen. Ich konnte mir gut vorstellen, daß es Verletzte gegeben hatte. Meiner Schätzung nach waren wir mit dem Schiff mindestens zweihundert Meter tief gestürzt, es würde also fast bis zum Antriebswulst in Höhe des Äquators in der Erde stecken. Fartuloon kam aus der Nebenkabine.
Planet der Gräber »Was war denn das? Hat jemand versucht, das Schiff zu starten?« »Eher das Gegenteil«, sagte ich und erklärte ihm meine Theorie. »Wir sitzen fest, nehme ich an, aber darüber rege ich mich kaum noch auf. Wir haben eine Frist bekommen.« »Hoffentlich dauert sie keine Ewigkeit«, knurrte er und rieb sich die Arme. »So blitzartig bin ich noch nie aus dem Bett gefallen.« Ein kurzer Inspektionsgang überzeugte uns davon, daß niemand ernstlich verletzt worden war. Akon-Akon nahm unseren Bericht mit unbewegtem Gesicht entgegen und verschob jede Entscheidung auf den kommenden Tag. Dann verschwand er wieder. Karelia kümmerte sich um die erstarrten Akonen. Sie waren in ihrem Gefängnis durcheinandergekollert, und es war nicht festzustellen, ob sie Knochenbrüche oder Verrenkungen davongetragen hatten. Ihr Zustand jedenfalls hatte sich offensichtlich nicht verändert. Sie wurden wieder in ihre Betten gelegt und alleingelassen. Ich überzeugte mich davon, daß der Panoramaschirm noch arbeitete, und erhielt so einen ersten Überblick. Das Schiff war halb unter die Oberfläche von Gonwarth gesunken und saß fest. Ohne fremde Hilfe würden wir so schnell nicht wieder freikommen. Das Aktivieren der Triebwerke unter den gegebenen Umständen würde lebensgefährlich sein. Schlafen konnte ich nicht mehr. Karmina und ich überprüften die Funktionen der einzelnen Kontrollanlagen und kamen zu dem erfreulichen Ergebnis, daß kein nennenswerter Schaden entstanden war. Sobald wir den Ringwulst am Schiffsäquator freigelegt hatten, würden wir starten können. Wie wir das allerdings anstellen sollten, war mir vorerst noch ein Rätsel. Die Coumargs! Sie hatten uns in diese Lage gebracht, daran konnte kein Zweifel bestehen. Daß sie uns gegenüber neutral geblieben waren, wenigstens dem Schein nach, bestärkte mich nur noch in meiner Meinung,
31 daß sie über eine gewisse Intelligenz verfügten. Aber warum wollten sie uns dann am Start hindern? Was überhaupt wollten sie von uns? Auch die sinnloseste Tat hatte eine Ursache. Ich wollte sie herausfinden.
* Fartuloon und Brontalos begleiteten mich am Vormittag hinaus ins Freie. Akon-Akon hatte keine Einwände erhoben. Wir sollten das Schiff so schnell wie möglich wieder flottmachen, das war sein Befehl. Wir konnten keinen einzigen Coumarg entdecken. Sie schienen sich ausnahmslos in ihr unterirdisches Reich zurückgezogen zu haben. Hatten sie Angst vor unserer Rache? Am Rand der Einbruchstelle entdeckten wir die Eingänge zu den Stollen der Coumargs. Sie waren von allen Seiten gekommen und hatten eine riesige Höhle geschaffen, die das halbe Schiff aufnahm. Meine Frage, wo sie die überflüssige Erde gelassen hatten, blieb unbeantwortet. Ich konnte keine neuen Pyramiden in der näheren Umgebung sehen. Nun kam ich auf die gleiche Idee wie der Akone Karlakon vor Tausenden von Jahren. »Fartuloon, wir müssen versuchen, Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Sie verständigen sich durch Impulse, das haben wir herausgefunden. Mit einem empfindlichen Telekom müßte es gelingen.« Ganz so einfach war es allerdings nicht. Brontalos machte einige Verbesserungsvorschläge, um die Empfangsqualität zu steigern und die Leistung des Geräts zu verstärken. Während er daran arbeitete, drangen Fartuloon und ich, mit Strahlern bewaffnet, in einen Bau der Insekten ein. Die Coumargs wußten von unserem Kommen, das wurde uns sofort klar, da wir keinem einzigen begegneten. Sie wurden gewarnt, wahrscheinlich von ihrer Königin. Wir erreichten ihre Kammer, und hier wurden wir aufgehalten. Eine ganze Armee
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von Coumargs erwartete uns in drohender Haltung, ohne jedoch anzugreifen. Die Königin betrachtete uns mit starr blickenden Augen. Ihre Fühler bewegten sich in unsere Richtung. Seitlich auf einem zweiten Podest sah ich plötzlich etwas, das wie ein versteinerter Coumargs aussah, aber es war keiner. Ich näherte mich dem Gegenstand und stellte durch eine kurze Berührung fest, daß er aus Metall war. Vorn am »Kopf« saßen zwei unbewegliche Antennen – ebenfalls aus Metall. Natürlich konnte ich nicht ahnen, daß ich einen der Funkroboter von Karlakon gefunden hatte. Als nichts geschah, nahm ich den Gegenstand von seinem Podest und trat den Rückzug an. Fartuloon folgte mir mit gezogenem Strahler. Die Coumargs blieben bei ihrer Königin und ließen uns ziehen. Wir kehrten zum Schiff zurück. Brontalos geriet sichtlich in Aufregung, als wir ihm den künstlichen Coumargs vor die Füße legten. Er begann sofort mit der Untersuchung und vergaß sein eigenes Funkgerät, an dem er herumbastelte. Schließlich sagte er: »Wenn es von dem Ding einen Schaltplan gäbe, so würde er dem meinen sehr ähnlich sehen.« Er deutete auf einige Notizen, die er sich zum Umbau des Telekoms gemacht hatte. »Da muß schon einmal jemand den gleichen Gedanken wie wir gehabt haben, wahrscheinlich damals, als die Akonen noch hier waren.« Wir waren der Lösung um einen Schritt nähergekommen.
* Am nächsten Tag schickte Akon-Akon uns alle ohne Ausnahme aus dem Schiff und folgte als letzter. Wir sollten versuchen, die nachgerutschten Erdmassen fortzuräumen, damit der Antriebswulst wieder frei wurde. Maschinen und Arbeitsroboter hätten wir nicht einsetzen können, auch wenn wir sie besessen hätten. Wir begannen also mit ein-
fachstem Gerät, den Willen Akon-Akons zu erfüllen. Er selbst hatte sich ein Stück vom Schiff entfernt und auf einem Hügel niedergelassen, von wo aus er uns ständig im Auge behalten konnte. Fartuloon, Brontalos und ich hatten uns abgesondert und studierten den Funkroboter der Akonen. Sein Zweck wurde uns erst klar, als wir die ersten Impulse auffangen konnten, die von den Coumargs unter der Erde abgestrahlt wurden. Brontalos entdeckte dann den gespeicherten Kode, und nun war es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir ihn entziffern konnten. Wir hatten das größte Hindernis genommen, denn nun konnten wir Kontakt zu den Coumargs aufnehmen. Noch am gleichen Nachmittag, versuchten wir es, nachdem wir Akon-Akon unterrichtet hatten. Wir drangen nicht in den Bau ein, sondern blieben davor sitzen. Fartuloon setzte aus den vorhandenen Symbolen einen kurzen Spruch zusammen, den wir dann abstrahlten. Brontalos hielt den inzwischen gesäuberten und wie neu blinkenden Robot auf dem Schoß. Die Botschaft lautete übersetzt: »Wir kamen in friedlicher Absicht und wollen diese Welt für immer verlassen. Seid ihr bereit, uns dabei zu helfen?« Eine Zeitlang geschah nichts, außer daß unzählige chaotisch wirkende Impulse zurückkamen, die sich nicht entziffern ließen. Dann, nach einer Pause, empfingen wir ungleich stärkere und viel deutlichere Signale, die wir speicherten, um sie später entschlüsseln zu können. Sonst geschah nichts. »Den Sinn habe ich ungefähr begriffen«, meinte Fartuloon, als wir zum Schiff zurückgingen. »Sie wollen, daß wir sie in Ruhe lassen, weil sie uns hassen. Grund: sie wären von uns versklavt worden.« Sie verwechselten uns mit den Akonen, die vor uns hier waren!
5.
Planet der Gräber Als Vandra von Laggohn aus der Hypnostarre erwachte und spürte, daß ihr Bett, auf das man sie gelegt hatte, nicht mehr waagrecht stand, fiel sie nicht wieder sofort in den ursprünglichen Zustand zurück. Nur sie allein war es, die in gewissen Zeitabständen für einige Minuten »lebte«, um die Situation zu überprüfen. Sie blieb auf dem Bett liegen. Die sieben Männer rührten sich nicht. Erst wenn sie das entsprechende Kodewort aussprach, würden auch sie erwachen. Das Schiff stand schief auf der Oberfläche eines Planeten, das war ihr klar. Hatte es eine Bruchlandung gegeben, weil die Arkoniden nicht richtig mit den Kontrollen umgehen konnten? Jedenfalls mußte etwas geschehen sein, das nicht eingeplant war. War das die Chance, auf die sie gewartet hatte? Sie blieb so lange liegen, bis das Blut wieder richtig zirkulierte und der Körper wieder ihren Befehlen gehorchte. Dann erhob sie sich vorsichtig und hielt sich an der Wand fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sie fühlte sich schwach und unsicher. Wie lange sie »geschlafen« hatte, wußte sie nicht, denn die Arkoniden hatten ihnen alle Instrumente abgenommen. Sichtluken besaß die Kabine, in die man sie eingesperrt hatte, nicht. Vandra untersuchte die Tür und stellte fest, daß sie nicht durch ein positronisches Sperrschloß abgesichert war. Der Mechanismus der Normalverriegelung war ihr bekannt. Die Tür konnte mit einigen Tricks auch von innen geöffnet werden. Aber noch zögerte sie. Sie wußte nicht, was geschehen war und ob der richtige Augenblick zum Handeln noch auf sich warten lassen mußte. Sollte sie die Männer aufwecken oder noch damit warten? Sie überlegte, daß ihr Risiko geringer war, wenn sie versuchte, die Lage allein zu erkunden. Sie konnte sich jederzeit in die Starre versetzen, wenn sich das als notwendig erweisen sollte. Ihre Mannschaft jedoch
33 nicht. Behutsam öffnete sie das Schloß der Tür. Draußen auf dem Gang herrschte völlige Stille. Sie hatte das Gefühl, allein in dem riesigen Schiff zu sein. Ihre Zuversicht stieg. Ohne ein Geräusch zu verursachen, schlich sie weiter, vorbei an geschlossenen Kabinentüren und Seitengängen, bis sie den Hauptkorridor erreichte. Niemand begegnete ihr. Sie kannte sich hier bestens aus, darum wählte sie den kürzesten Weg zu einer der bevorzugten Kabinen, die Sichtluken hatten. Draußen war Tag, und die Sonne schien. Vandra sah hinaus und stellte mit einem Blick fest, daß etwas nicht stimmte. Sie befand sich im oberen Teil des Schiffes, und doch war die Oberfläche des ihr unbekannten Planeten nur knapp fünfzig Meter unter ihr. Dann entdeckte sie die Arkoniden und das Loch, in dem das Schiff festsaß. Die Dummköpfe hatten tatsächlich eine Bruchlandung gemacht! Und nun versuchten sie, das riesige Schiff wieder auszugraben. Vandra überlegte blitzschnell und wog die Chancen gegeneinander ab. Vor allen Dingen mußte sie jetzt sicher sein, daß sich außer ihr und ihren Leuten niemand mehr im Schiff aufhielt, besonders nicht dieser junge Mann, der ihr mehr als nur unheimlich erschienen war. Sie entdeckte ihn bei den Arkoniden, die am Rand des Einbruchs standen. Das gab den Ausschlag. So schnell sie konnte, eilte sie in ihr bisheriges Gefängnis zurück und sprach das Kodewort aus. Es dauerte einige Minuten, bis sich die Akonen zu rühren begannen und einer nach dem anderen erwachte. Auch sie mußten einige Minuten, die Vandra wie Ewigkeiten erschienen, ruhig liegen bleiben, bis sie die Kontrolle über ihre Körper zurückerlangten. Vandra nutzte die unliebsame Wartezeit, um ihren Leuten zu berichten, was geschehen war. Es war ihnen klar, daß sie nun keine Zeit mehr verlieren durften, wenn sie die
34 einmalige Gelegenheit, das Schiff zurückerobern zu können, nicht sofort nutzten. »Wir besorgen uns zuerst Waffen«, schlug Vandra vor. »Falls die Arkoniden vorzeitig ins Schiff kommen sollten, müssen wir sie daran hindern. Außerdem werden wir die Einstiegluke von innen schließen. Aber vielleicht öffnen sie sie mit Gewalt, wenn sie keinen anderen Ausweg sehen. Seid ihr bereit?« Sie standen auf und massierten sich gegenseitig, bis sie sich wieder richtig bewegen konnten. Vandra ordnete an, daß man zusammenblieb und sich nicht trennte. In der Waffenkammer nahm jeder einen Handstrahler an sich, dann schlossen sie die Einstiegluke, die knapp über dem Rand des Abbruchs lag. Kein Arkonide war zu sehen, so daß es eine Weile dauern konnte, bis diese bemerkten, was geschehen war. Als sie sich der Kommandozentrale näherten, vernahmen sie Geräusche. »Mehr als zwei oder drei Wachen können es nicht sein«, vermutete Vandra. »Wir müssen sie überraschen, ehe sie in der Lage sind, die Energiebarriere einzuschalten. Wenn ihnen das gelingt, war alles umsonst.« Sie bewegten sich mit äußerster Vorsicht und hofften, daß die Wachen in der Zentrale so sorglos gewesen waren, den Bild-Interkom nicht einzuschalten. Aber wenn sie ihre Gefangenen ständig beobachtet hätten, wäre ihnen auch nicht entgangen, daß Vandra aus ihrer Starre er wacht war. Die Tür zur Kommandozentrale war nur halb geschlossen. Vandra gab zwei der Männer einen Wink. Sie selbst blieb mit den anderen zurück, während die beiden mit entsicherten Waffen weiterschlichen und die Tür mit einem Ruck öffneten. Sie hatten nicht die Absicht, die Arkoniden zu töten, die ihnen wertvolle Informationen über die augenblickliche Situation im Großen Imperium liefern konnten. »Aufstehen und herkommen!« befahl einer von ihnen.
Clark Darlton Die beiden Arkoniden warfen sich einen Blick zu und zögerten. Sie sahen nur zwei Akonen, die anscheinend frühzeitig aus ihrer Starre erwacht waren. Natürlich mußten sie annehmen, es nur mit diesen beiden zu tun zu haben, und das gab den Ausschlag. Wie auf Kommando sprangen sie in verschiedenen Richtungen davon und rissen die Impulsstrahler an sich, die an der Wand hingen. Sie kamen aber nicht mehr dazu, sie zu entsichern, denn ihre Gegner waren schneller und nahmen keinerlei Rücksicht. Die beiden Arkoniden waren tot, ehe sie ein Energiebündel abstrahlen konnten. Vandra war darüber nicht gerade glücklich, aber sie machte ihren beiden Männern keinen Vorwurf. Das hatte Zeit bis später. Ruhig und entschlossen gab sie ihre Befehle. Jetzt war sie wieder die umsichtige und kluge Kommandantin, die nichts als ihren Auftrag kannte und sich durch nichts an seiner Durchführung hindern ließ. Die Energiesperre wurde aktiviert. Sie isolierte die Kommandozentrale mit Funkund Orteranlagen vom übrigen Teil des Schiffes. Selbst wenn es den Arkoniden gelang, jetzt noch an Bord zu kommen, so würde ihnen das nichts nützen. Sämtliche Funktionen konnten von der Zentrale aus gesteuert werden. Die Arkoniden hatten keine Chance mehr, das Schiff zurückzuerobern. Vandra wußte, daß sie sich nun Zeit lassen konnte. Nur an eins hatte sie in der Eile nicht gedacht: an Lebensmittel. Die lagerten tief unten im Schiff in den Kühlräumen, und um zu ihnen zu gelangen, mußte die Sperre abgeschaltet werden. Niemand hätte später zu sagen vermocht, ob dieser Umstand mit jenen Ereignissen zusammenhing, die noch folgten.
* Wir waren alle völlig ahnungslos und mit unseren eigenen Problemen beschäftigt. An Bord hatten wir zwei zuverlässige Männer zurückgelassen, obwohl selbst das überflüs-
Planet der Gräber sig schien. Auch Karelia hatte ihre Schützlinge allein gelassen und war ins Freie gekommen. Die Grabarbeit unserer Männer und Frauen nahm ihren Fortgang, während Fartuloon, Ra und ich weiterhin versuchten, einen brauchbaren Kontakt zu den Coumargs herzustellen. Brontalos half uns. Den Kode hatten wir einigermaßen entziffern können, allerdings mit der unfreiwilligen Hilfe der Insekten, die zu unserer Verblüffung allen Befehlen folgten, die wir über den Funkrobot ausstrahlten. Das machte uns zuversichtlicher. Mit einiger Mühe versuchte ich der Königin, aus deren Bau wir den Robot geholt hatten, klarzumachen, daß wir nicht jene waren, für die sie uns hielt. Es war sehr kompliziert, aus den wenigen uns bekannten Kodebegriffen eine vernünftig klingende Information zu kombinieren. Aber wir hofften, daß wir richtig verstanden wurden. Auf unsere Aufforderung hin schickte die Königin zehn Coumargs an die Oberfläche, was uns einwandfrei bewies, daß sie verstand und gehorchte. Vielleicht sogar gegen ihren Willen. Der Anfang war gemacht. Brontalos übernahm die weitere Kontaktaufnahme mit den zehn Coumargs und nahm sie mit zum Einbruch, um ihnen zu zeigen, was wir von ihnen wollten, während ich Akon-Akon Bericht erstattete. Er zeigte sich zufrieden über den Erfolg unserer Bemühungen und ordnete an, daß wir versuchen sollten, die Coumargs als Hilfskräfte einzusetzen. Schließlich hatten uns die Insekten in diese Klemme gebracht, nun sollten, sie auch dafür sorgen, daß wir wieder freikamen. Als ich zu den anderen zurückkehrte, hielt ich verblüfft inne. Brontalos hatte bereits gehandelt. Von überall her kamen unübersehbare Kolonnen von Coumargs herbeigekrochen, ließen sich den Abhang des Einbruchs hinabrutschen und begannen unverzüglich damit, die Erde um den Äquatorwulst abzutragen.
35 Sie schoben sie einfach in die Gänge hinein, von wo aus andere Arbeiter sie weiterbeförderten. Fartuloon und Ra kamen zu mir. »Gratulation!« Fartuloon setzte sich ins Gras und deutete in das Loch hinab. »Ich kann mir ungefähr vorstellen, was hier vor einigen Jahrtausenden passiert ist. Die Akonen haben die Coumargs als Hilfskräfte eingesetzt, so wie wir es jetzt auch tun. Irgendein kluger Kopf hat ähnlich gedacht und gehandelt wie wir, allerdings konnte er nicht damit rechnen, daß sich die Insekten rächen und das Depot zerstören würden. Erstaunlich ist nur, daß die Coumargs die Geschehnisse vor so langer Zeit nicht vergaßen. Im Gegenteil: die Erinnerung daran muß so frisch sein, daß sie sofort zu handeln begannen, kaum daß wir gelandet waren.« Brontalos kam zu uns, seinen Funkroboter im Arm. »Sie arbeiten nun ohne Aufsicht weiter«, teilte er uns mit. »In ein oder zwei Tagen ist das Schiff frei, und wir können starten.« »Von mir aus können sie länger brauchen«, murmelte Ra. Karmina Arthamin erschien ebenfalls. Ihre Bordkombination war verschmutzt. Verärgert meinte sie: »Ihr bildet euch wohl ein, eine Ausnahme machen zu können, was?« Ra grinste breit und hielt ihr seine schwieligen Hände hin. Ich machte ihr klar, daß weder sie noch die anderen Arkoniden künftig einen Finger zu rühren brauchten, weil die Coumargs schließlich die Arbeit für alle übernommen hatten. Ihre Miene glättete sich, denn nun begriff sie die Zusammenhänge. »War auch nicht so gemeint«, gab sie versöhnt zu. Als ein Viertel des Antriebswulstes freigelegt worden war, summte die Rufanlage meines Telekoms. Das Signal mußte aus dem Schiff kommen. Ich drückte den Knopf ein und meldete mich. Als ich Vandra von Laggohns Stimme
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hörte, hielt ich für Sekunden die Luft an. Ich wußte sofort, daß etwas Entscheidendes geschehen war.
* »Wir haben das Schiff zurückerobert und stellen nun unsere Bedingungen, Atlan«, sagte sie, als sie meine Stimme erkannte. »Leider kamen dabei Ihre beiden Leute in der Zentrale ums Leben. Sie waren unvernünftig genug, sich zur Wehr zu setzen. Sie haben eine wunderbare Bruchlandung vollführt, das muß ich schon sagen. Sehen Sie zu, daß unser Schiff wieder freikommt.« Ich hatte mich inzwischen von meiner Überraschung erholt. Wenn Vandra glaubte, alle Trümpfe in der Hand zu haben, so sollte sie sich geirrt haben. Aber ich beschloß, erst einmal abzuwarten, was sie von uns wollte. Drüben auf dem Hügel sah ich Akon-Akon aufmerksam lauschen. Er hatte den Anruf gehört und sein Gerät ebenfalls eingeschaltet. »Sie sind also aus der Starre erwacht«, erwiderte ich vorsichtig. »Was haben Sie nun vor?« »Wir bleiben drinnen, Sie draußen. Setzen Sie die Arbeiten fort.« »Warum? Damit Sie starten und uns hier zurücklassen? Damit sind wir nicht einverstanden.« »Das werden Sie wohl müssen. Wir können jeden einzelnen von Ihnen von hier aus genau beobachten. Zwingen Sie uns, mit Gewalt zu drohen?« »Wenn Sie das Feuer auf uns eröffnen, kommen Sie nie mehr von hier weg, Vandra. Das garantiere ich Ihnen. Bequemen Sie sich zu einem für beide Seiten annehmbaren Kompromiß, dann können wir weiter verhandeln.« Ich gab Brontalos einen Wink, den er sofort verstand. Als sei weiter nichts geschehen, erhob er sich und spazierte mit seinem Funkroboter in Richtung des nächsten Coumargbaus davon. Ra flüsterte ich zu: »Geh mit ihm! Stoppt die Insekten!«
Vandra hatte zwar meine Worte nicht verstanden, wohl aber gesehen, daß zwei von unserer Gruppe aufstanden und weggingen. »Was soll das bedeuten? Wohin gehen sie?« »Aber Vandra, Sie stellen zu indiskrete Fragen. Wollen Sie uns auch noch in rein persönlichen Angelegenheiten nachspionieren? Ihre Haltung zeugt von wenig Selbstsicherheit.« Das hatte gesessen, denn sie stellte keine Fragen mehr. Ich auch nicht. Wir saßen in einer Klemme, und es würde schwer sein, da wieder herauszukommen. Abgesehen davon, daß das Schiff festgehalten wurde, waren wir auf Gnade oder Ungnade den Akonen ausgeliefert. Sie waren in ihren Methoden nicht gerade zimperlich, denn zwei von unseren Leuten hatten bereits den Tod gefunden. Wenn Vandra sich in der Kommandozentrale verschanzte, bestand für uns so gut wie keine Möglichkeit, wieder in den Besitz des Schiffes zu gelangen. Wahrscheinlich konnte uns da auch Akon-Akons Zauberstab nicht weiterhelfen. Oder doch …? Ra schlenderte herbei und flüsterte mir zu: »Die Coumargs beginnen sich zurückzuziehen. Sie verschwinden in noch freien Gängen, die Akonen können das Einstellen der Arbeit also vorerst nicht feststellen.« »Du kannst laut reden, ich habe den Telekom abgeschaltet. Übrigens hat Akon-Akon mich gerufen. Mal sehen, was er zu sagen hat.« Den Kerlas-Stab zwischen den Knien, saß er auf dem Hügel im Gras. Sein Gesichtsausdruck verriet keine Unruhe, und er verzichtete auch darauf, mir Vorwürfe zu machen. Schließlich wußte er, daß er zumindest die gleiche Last von Schuld trug wie ich. Wir hätten beide vorsichtiger sein müssen. »Die Akonen haben uns überlistet, nun gilt es, noch listiger zu sein als sie. Was werden wir tun?« »Die Arbeiten sind eingestellt worden,
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Akon-Akon. Das Schiff kann sich unmöglich von selbst befreien. Falls die Akonen das versuchen sollten, geschieht eine Katastrophe. Mehr als siebzig Prozent des Triebwerkwulstes steckt im Erdreich. Die Energie würde somit gestaut und flösse zurück. Das halten die Absicherungen nicht aus. Explosionen innerhalb des Schiffes sind die Folge. Die Akonen wissen das ohne jeden Zweifel. Sie werden es also nicht allein sein, die Bedingungen stellen können.« Akon-Akon nickte. »Sie sind demnach auf uns angewiesen – und wir auf sie. Ob wir da eine Lösung finden werden?« »Das bleibt abzuwarten, Akon-Akon.« »Sie haben sich gut mit der Kommandantin verstanden, wie ich beobachten konnte. Reden Sie mit ihr. Versprechen Sie ihr alles, was sie haben möchte. Ob wir dann später unser Wort halten werden, bleibt uns überlassen. Ich bleibe hier und hoffe.« Nicht sonderlich ermuntert kehrte ich zu den anderen zurück. Es half mir auch nicht viel, daß Karmina auf Vandra zu schimpfen begann und immer wieder betonte, sie hätte von Anfang an gewußt, daß wir noch Ärger mit ihr haben würden. Fartuloon grinste nur müde. Es wurde später Nachmittag und dann Abend. Zum Glück waren die Nächte auf Gonwarth recht warm, so daß wir im Freien bleiben konnten, ohne frieren zu müssen. Wir zogen uns bis hinter die ersten Hügel zurück, wo man uns vom Schiff aus nicht sehen konnte. Ich sorgte dafür, daß sämtliche Telekome abgeschaltet waren. Akon-Akon blieb auf seinem Hügel.
* In dieser Nacht meldete sich Vandra nicht mehr. Ich hätte das Anrufsignal mit Sicherheit gehört, da es mich geweckt hätte. Die Akonen schienen noch nicht bemerkt zu haben, daß die Coumargs ihre Ausgrabungsarbeiten eingestellt hatten, wenn sie überhaupt
davon wußten. Als der Morgen graute, ging ich auf den Hügel und sah hinüber zum Schiff. Dort hatte sich nichts verändert. Es lag noch immer schief in der Grube, die Luken waren geschlossen. Auf dem Hügel rechts daneben saß Akon-Akon, den Stab zwischen den Beinen. Vielleicht hatte er die ganze Nacht so zugebracht. Karmina wickelte sich aus der Decke, die zufällig jemand aus dem Schiff mitgenommen hatte. Das erste Problem tauchte auf. »Wo kriegen wir ein Frühstück her?« fragte Brontalos. »Der ganze Kram ist im Schiff.« Wir hielten einen Kriegsrat ab. Den rettenden Gedanken hatte schließlich Fartuloon: »Die Vorräte lagern im unteren Teil. Wir müssen nur ins Schiff gelangen, dann können wir an sie heran. Aber wie? Die Akonen werden die Luke verschlossen haben.« Dann leuchtete es in seinem Gesicht auf. »Aber, wer arbeitet, soll auch essen! Wir machen Vandra darauf aufmerksam, daß wir keinen Handschlag mehr tun können, wenn sie uns keine Lebensmittel gibt.« Ehe wir darauf reagieren konnten, kam der Signalruf des Interkoms. Ich gab den anderen einen Wink und meldete mich. »Ihr seid noch nicht bei der Arbeit«, stellte Vandra sachlich fest. »Beginnt damit, oder wir müssen deutlicher werden.« »Ohne Essen können wir nicht arbeiten, Vandra, das sollten Sie einsehen. Gestatten Sie, daß zwei von unseren Leuten das Schiff betreten und Konzentrate holen. Sie kommen unbewaffnet.« »Wir werden auf keinen Trick mehr hereinfallen«, gab sie kalt zurück. »Niemand wird das Schiff betreten! Wenn Sie heute fleißig arbeiten, werden wir Ihnen am Abend Ihre Rationen zuteilen. Das ist unser letztes Angebot.« Ich glaubte, ihrer Stimme ein wenig Unsicherheit entnehmen zu können, die ich mir allerdings nicht erklären konnte. Fartuloon
38 hielt mir einen Zettel hin, auf dem geschrieben stand: »Erkläre dich einverstanden!« »Also gut, Vandra, wir tun, was du verlangst. Aber es wird Tage dauern, bis das Schiff startklar ist. Wir müssen noch darüber verhandeln, was dann geschieht.« »Das bestimmen wir!« kam es zurück. Ich schaltete den Telekom ab. Fartuloon sagte: »So, und nun werden wir etwas unternehmen. Die Coumargs hat Vandra noch nicht bemerkt und somit auch nicht ins Kalkül gezogen. Wir werden so tun, als setzten wir die Arbeit fort, aber von den Sichtluken aus können die Akonen nicht viel sehen. Der Antriebswulst ist dazwischen, und die Luken darunter stecken in der Erde. Zwei von uns dringen in das Schiff ein und versuchen, an die Lebensmittel zu gelangen. Und wenn wir die Luke mit Gewalt sprengen müssen.« »Wozu eigentlich?« fragte ich ihn. »Wir erhalten doch noch heute die Konzentrate.« »Um die geht es gar nicht!« klärte er mich auf. »Die Akonen sollen wissen, daß wir nicht so ohne weiteres aufgeben und uns ihrem Diktat beugen. Außerdem nehme ich an, daß sie sich in der Kommandozentrale verschanzt haben. Wenn sie feststellen, daß jemand von uns im Schiff ist, müssen sie bleiben, wo sie sind. Es sei denn, sie stellen sich offen zum Kampf. Aber das traue ich ihnen nicht zu. Wir haben ihr Schiff schon einmal erobert, warum also sollte es nicht zum zweiten Mal gelingen?« »Beim ersten Mal haben wir sie überrascht!« »Das ist richtig, Atlan, aber diesmal überraschen wir sie noch viel mehr. Außerdem will ich sie nur bluffen. Sie sollen sich nicht aus der Kommandozentrale herauswagen, und darum müssen sie glauben, im unteren Teil des Schiffes lauerte jemand auf sie. Glaubt ihr, sie wären in der Eile so umsichtig gewesen, an Lebensmittel und. Wasser zu denken? Die Notvorräte im Kommandoteil sind schnell aufgebraucht. Ich habe Vandras Stimme gehört und analysiert, als sie
Clark Darlton davon sprach. Ihre Stimme klang unsicher.« Ich wußte, daß Fartuloon ein sehr guter Beobachter war. Er irrte sich nur selten. »Wer geht?« fragte ich. »Ich werde Fartuloon begleiten«, rief Ra. Damit war der Fall erledigt. Wir verließen nach einiger Zeit die schützenden Hügel und kehrten zum Schiff zurück, wo wir wieder mit der Arbeit begannen, nur daß wir den freigelegten Teil des Wulstes wieder zuschütteten. Fartuloon und Ra schlichen sich vor bis zur Einstiegluke und benutzten ihre Strahler, um sie zu öffnen. Später, wenn sich das Schiff wieder im Weltraum aufhielt, würde man darauf achten müssen, daß die innere Luke geschlossen blieb. Ungehindert gelangten sie in die Lagerräume und schleppten soviel Kisten mit Konzentraten, wie sie nur tragen konnten, in die Luftschleuse, wo sie von den Arkoniden in Empfang genommen wurden. Sie gingen dreimal, dann summte die Interkomanlage des Schiffes. »Aha, jetzt endlich haben sie es bemerkt«, knurrte Fartuloon und meldete sich. »Ja, Vandra von Laggohn, was gibt es?« »Sie haben meine Anordnungen nicht befolgt! Was fällt Ihnen ein?« »Wir hatten keine Lust, ohne Frühstück zu arbeiten. Möchten Sie, daß wir Ihnen aus der Küche eine kräftige Mahlzeit servieren lassen?« »Ihnen wird der Spott noch vergehen!« kam es wütend zurück. »Verlassen Sie unser Schiff, und zwar sofort!« »Sicher werden wir das, aber einer von uns wird bei der Luke bleiben.« »Dann werden wir weitere Energiesperren dazuschalten.« »Schön, und wir werden langsamer arbeiten.« Zornig schaltete sie ab. Fartuloon grinste, als er mit Ra die letzten Kisten aus der Luke schob. Sie wurden hinter die Hügelkette transportiert. Niemand von uns kam auf den Gedanken, im Schiff zu übernachten, wenn der Tag vorbei war.
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Ich glaube, das war unsere Rettung.
6. Brontalos, Ra und ich hatten uns hinter die Hügel zurückgezogen. Fartuloon blieb bei den anderen und kommandierte herum wie ein General, um bei den beobachtenden Akonen den Eindruck zu erwecken, es würde kräftig gearbeitet. Brontalos nahm seine Puppe aus Metall und strahlte einige Impulse ab. Es dauerte auch nicht lange, bis etwa ein Dutzend Coumargs erschienen und damit begannen, den schräg in die Erde führenden Gang zu vergrößern. Ra sah mit Interesse zu, dann meinte er: »Wenn wir Fartuloon mitgenommen hätten, müßten die armen Tierchen sich noch mehr anstrengen, weil er dicker ist. Die Königin will uns also empfangen?« »Jedenfalls vergrößert sie den Gang, wie ich anordnete«, gab Brontalos zurück. »Sie scheint also einverstanden zu sein.« Ich versprach mir einiges davon, direkten Kontakt mit den Coumargs aufzunehmen. Es mußte ihnen noch einmal gesagt werden, daß es die Akonen waren, die sie vor Jahrtausenden versklavt hatten, nicht die Arkoniden. Außerdem sollten sie erfahren, daß sich die Akonen in den Besitz unseres Schiffes gebracht hatten, wobei der Begriff »unser« natürlich rechtlich nicht ganz einwandfrei war, aber das mußten die Coumargs ja nicht unbedingt wissen. Vielleicht würden sie unter diesen Umständen bereit sein, uns noch mehr als bisher zu helfen. »Wie weit sind sie?« fragte ich nach einer halben Stunde. »Die Königin gibt gerade bekannt, daß wir kommen können«, sagte Brontalos, nachdem er die Impulse entschlüsselt hatte. Sehr groß hatten sie den Gang nicht gemacht. Wir mußten uns zuerst bücken, und später kamen wir sogar nur noch auf allen vieren voran. Dann stießen wir auf einen Hauptkorridor, so daß wir uns wieder aufrichten konnten. Wenige Minuten später er-
reichten wir die Kammer der Königin. Es war eine andere als jene, der wir schon einmal begegnet waren. Ich sah mich um, konnte aber keinen Funkroboter entdecken. Es gab sie also nicht in jedem Bau. Auch hier lag die Königin auf ihrem Podest, um sich ihre Leibwache. Die nun folgende Unterhaltung mit ihr war mühsam und zeitraubend, da nicht sehr viele Begriffe zur Verfügung standen. Aber Brontalos hatte bereits eine solche Übung im Kombinieren, daß Fehlinterpretationen völlig ausblieben. Die Unterhaltung verlief in etwa folgendermaßen: »Wir sind nicht jene, für die ihr uns haltet, Königin. Wir wissen, daß euer Volk vor langer Zeit von Wesen versklavt wurden, die uns ähnlich sahen. Sie ließen euch diese Metallköniginnen zurück, die jederzeit wieder aktiviert und zu euren Diktatoren werden können.« »Ihr seid nicht Angehörige desselben Volkes?« »Nur acht von uns, aber sie sind unsere Feinde. Sie haben unser Schiff in Besitz genommen, können aber nicht starten, weil ihr es unterhöhlt und halb verschüttet habt, ähnlich wie die Stationen.« »Wenn sie eure Feinde sind, ist das gut so.« »Auf der einen Seite ist es gut, da gebe ich dir recht. Aber irgendwann wird es uns gelingen, das Schiff zurückzuerobern. Bis dahin werden wir euch nicht um Hilfe bitten. Wir könnten befehlen, und ihr müßtet gehorchen, aber wir möchten eure freiwillige Hilfe.« Die Königin versprach, sich mit ihren Kolleginnen der anderen Völker zu beraten. Eigentlich konnte uns das Ergebnis gleichgültig sein, denn wir besaßen jederzeit die Möglichkeit, sie zu zwingen. Aber es war meine Absicht, die von Natur aus friedlichen Coumargs für immer von der drohenden Gefahr einer künftigen neuen Versklavung zu befreien. Im Augenblick jedoch mußten wir in erster Linie an uns selbst denken, denn beson-
40 ders rosig war unsere Lage gerade nicht. Ich erklärte der Königin, daß sie und ihr Volk und auch die benachbarten Völker vorerst nichts unternehmen sollten, um die Akonen im Schiff nicht noch weiter zu beunruhigen. Wenn wir neue Aktionen wünschten, würde sie entsprechende Anweisungen erhalten. Dann begann ich in der Vergangenheit zu forschen, und nach und nach erfuhren wir die ganze Geschichte mit den Akonen, dem Biologen Karlakon und seinen beiden Assistenten, denen es gelungen war, die Coumargs unter ihre Kontrolle zu bringen. Als wir zum Schiff zurückkehrten, dunkelte es bereits. »Ist es nicht immer so?« fragte Ra, als wir uns den Hügeln näherten und wir das Lagerfeuer schon sehen konnten. »Die Schwächeren werden stets unterdrückt und ausgebeutet, obwohl beide Seiten mehr Nutzen hätten, wenn kooperiert würde.« »Sicher«, gab ich ihm recht, schränkte aber sofort wieder ein: »Den Stärkeren geht es aber in erster Linie um ihren eigenen Vorteil, nicht um den der Schwächeren, darum die Versklavung. Die Geschichte hat jedoch bewiesen, daß diese Methode mit der Zeit immer wieder zur Niederlage der herrschenden Schicht führt – früher oder später.« »Ich bin nicht ganz Ihrer Ansicht, Atlan«, griff Brontalos das Thema auf, um nachdenklich fortzufahren: »Es gab schon Versuche der Kooperation zwischen Herrschenden und Unterdrückten. Die Starken räumten den Schwächeren gleiche Rechte und Pflichten ein. Und was war die Folge? Die vorher Versklavten machten den Fehler, nur die Rechte zu sehen, die Pflichten jedoch zu ignorieren. Sie mißachteten das uralte Gesetz, daß Rechte auch Pflichten mit sich bringen. Unter gleichen Rechten verstanden sie die Rache an jenen, die sie vorher ausgebeutet hatten und die ihnen nun die Freiheit zurückgaben. Das Resultat war das Chaos, der Rückzug der vorherigen Unterdrücker und schließlich die eigene Diktatur der vormals Versklavten. Sie hatten nichts gewon-
Clark Darlton nen.« »Im Gegenteil«, meinte Ra, »nun hatten sie alles verloren.« Ich antwortete nicht, denn ich wußte, daß Brontalos recht hatte. Zu oft hatte ich diese Dinge selbst erlebt. Zumindest hatte ich von ihnen gehört. Sie wiederholten sich immer wieder im Großen Imperium. Sie wiederholten sich wahrscheinlich in allen Imperien. Die Frage nach Ursache und Wirkung und damit nach dem endgültig Schuldigen blieb jedoch offen. Keine der beiden Seiten schien lernen zu wollen. Karmina stand auf, als sie uns kommen sah. »Vandra hat sich wieder gemeldet«, berichtete sie. »Du hast es wahrscheinlich nicht hören können, da du gerade im Bau der Coumargs warst. Sie verlangt, daß keiner von uns das Schiff betritt.« »Und warum?« Sie zuckte die Schultern. »Das hat sie uns nicht verraten. Aber Fartuloon meint, er wüßte die Erklärung.« Wir setzten uns ans Feuer. Fartuloon sagte: »Wie ich vermutet habe, Atlan. Sie sitzen in der Kommandozentrale ohne Lebensmittel fest und wagen es nicht, den Energieschirm abzuschalten. Ich wundere mich, daß sie nicht den Gesamtschirm aktivieren, dann wären sie völlig sicher. Aber dann könnte auch niemand mehr raus aus dem Schiff, und noch sind sie auf unsere Hilfe angewiesen. Wenn wir sie nicht freischaufeln, stecken sie bis in alle Ewigkeit im Dreck.« »Vielleicht wollen sie auch nur Energie sparen«, vermutete Ra. »Die haben mehr Energie, als sie jemals verbrauchen können«, klärte Karmina ihn auf. »Ich glaube, Fartuloons Theorie stimmt.« »Ist jemand von uns im Schiff?« erkundigte ich mich. »Akon-Akon wollte mit ihnen sprechen«, gab Fartuloon Auskunft. »Er wird kein Glück haben, denn sie lassen ihn mit seinem Kerlas-Stab bestimmt
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nicht zu sich. Vor ihm haben sie noch mehr Angst als vor uns.« Ich beugte mich vor. »Karmina, glaubst du, daß es möglich wäre, auch gegen den Willen der Akonen einen der Gleiter aus dem Hangar zu holen? Ich habe bemerkt, daß eine der Ladeluken über der Einbruchstelle liegt.« »Was willst denn mit einem Gleiter?« »Bitte, beantworte meine Frage.« Sie schürzte die Lippen, was ihr recht gut stand. »Vielleicht ist es möglich, ich weiß es nicht. Aber was sollten sie dagegen haben? Mit einem Gleiter kann niemand von uns diesen Planeten verlassen. Wir sitzen so oder so fest.« »Schön, ich wollte nur deine Meinung hören. Morgen besorgen wir uns einen Gleiter. Und dann suchen wir eine vielleicht noch intakte Station der Akonen.« »Wenn du Vandra schöne Augen machst, gibt sie dir vielleicht freiwillig einen«, sagte Karmina bissig. Ich grinste vor mich hin und antwortete nicht. Fartuloon hingegen hatte begriffen. »Ich weiß schon, Atlan, was du willst. Es könnte ja sein, daß nicht alle Depots und Stationen so zerstört wurden wie diese hier. Vielleicht finden wir sogar den Transmitter. Allerdings wüßten wir kaum, wohin er uns bringt, falls er überhaupt noch funktioniert.« »Wir brauchen den Transmitter nicht, denn wir holen uns das Schiff zurück«, eröffnete ich ihm voller Optimismus. »Allein kommen sie nicht weg von hier, und wenn wir ihnen helfen, dann nur unter gewissen Bedingungen.«
* Wir holten uns den Gleiter am anderen Tag. Akon-Akon hatte mich unterrichtet, daß sein Vermittlungsversuch gescheitert war. Vandra hatte sich strikt geweigert, die Energiebarriere abzuschalten und ihn zu empfan-
gen. Sie schien sich offensichtlich vor dem Anblick des Kerlas-Stabes zu fürchten. Und dann teilt er uns mit: »Wenn sie starten, wollen sie nur mich mitnehmen. Ihr sollt auf Gonwarth zurückbleiben, und zwar so lange, bis ein Schiff des Demontagegeschwaders eintrifft – falls jemals eines kommen sollte. Das ist alles, was ich in Erfahrung bringen konnte.« Die Nachricht war alles andere als erfreulich. Nun kam es nur noch darauf an, wie Akon-Akon sich entschieden hatte. Ich fragte ihn. »Keine Sorge«, erwiderte er, und ich sah ihn ein wenig lächeln, was selten genug geschah. »Ich habe das Angebot abgelehnt. Ich bleibe auf Gonwarth und fliege nicht mit ihnen – falls sie überhaupt hier wegkommen. Es liegt nur an uns, ob sie starten können oder nicht. Jedenfalls ist die Reihe an Vandra, den nächsten Vorschlag zu machen.« Fartuloon und ich bestiegen erleichtert den Gleiter, um einen ersten Erkundungsflug zu unternehmen. Wir waren davon überzeugt, daß es auf Gonwarth noch mehrere Stationen geben mußte, aber wir hatten nicht die geringste Ahnung, was wir Nützliches für uns dort finden konnten. Vielleicht war es auch nur die erzwungene Untätigkeit, die uns dazu bewog, etwas zu unternehmen. Brontalos versuchte uns zu überreden, ihn mitzunehmen, damit wir über »seinen« Funkroboter Kontakt zu fremden Völkern der Coumargs aufnehmen konnten, aber ich konnte ihn davon überzeugen, daß es dazu noch zu früh war. Außerdem wußten wir nicht, wie jene Coumargs reagieren würden, die niemals versklavt worden waren. Wir flogen in nördliche Richtung, in ein Gebiet also, das wir noch nicht erforscht hatten. Der »Diebstahl« des Gleiters war ohne Komplikationen verlaufen. Ohne bemerkt zu werden, war ich mit drei Arkoniden in das Schiff eingedrungen. Vandra schien in der Tat nicht zu wissen, ob immer jemand von uns im Schiff wachte oder nicht. Nur als wir den Hangar betraten, schaltete sich der auto-
42 matische Alarm ein. Vandra meldete sich und fragte nach der Ursache. Ich erklärte ihr, daß wir einen Gleiter benötigten, um in einer weiter entfernten Station vielleicht technische Hilfsmittel auftreiben zu können, die das Ausgraben des Schiffes beschleunigen könnten. Nach einigem Zögern gab sie dann ihre Erlaubnis. Fartuloon überzeugte sich davon, daß die Funkanlage und unsere Armbandtelekome abgeschaltet waren, ehe er sagte: »Sie ist ganz schön auf unseren Trick hereingefallen, deine hübsche Vandra.« »Fang du nicht auch noch mit diesem Unsinn an!« riet ich ihm. »Mir genügen Karminas dumme Bemerkungen. Mit Vandra verbindet mich überhaupt nichts, und warum sollte ich mir ihren Haß zuziehen? Damit wäre keinem von uns gedient.« Fartuloon lachte aus vollem Hals. »Junge, Atlan, kannst du dir denn nicht vorstellen, daß solche Anspielungen einen ungeheuren Spaß bereiten? Nun ja, vielleicht hat Karmina andere Motive, ich jedenfalls habe meine Freude daran, dich wütend zu machen.« »Merkwürdige Art von Humor«, knurrte ich. »Wir fliegen übrigens auf eine Gebirgskette zu. Du mußt höher steigen.« Die Warnung war überflüssig, denn Fartuloon war ein ausgezeichneter Pilot. Sehr hoch waren die Berge nicht, aber sie bildeten eine fast lückenlose Wand, die sich von Osten nach Westen erstreckte und den Kontinent in zwei Teile spaltete. Wir glitten dicht über die Gipfel dahin, bis wir die andere Seite erreichten. Vor uns erstreckten sich bis zum Horizont endlose Steppen und dichte Wälder. Rechts war in der Ferne der dunkle Streifen des Ozeans zu erkennen. »Ich möchte wissen, Atlan, ob es einen Kontakt zwischen den Coumargs nördlich und südlich des Gebirges gibt. Glaubst du, daß sie bereits soviel soziales Verhalten entwickelt haben?« Ich wußte es genausowenig wie er. Aber es spielte auch keine Rolle. Allerdings konn-
Clark Darlton te ich mir nicht vorstellen, daß es den Insekten gelungen war, Tunnels durch das Felsmassiv zu graben, und weiter als zwei Kilometer reichten ihre Funkimpulse auch nicht. »Da vorn!« rief Fartuloon plötzlich und deutete nach Nordwesten. »Was ist das?« Ich sah es sofort. Ein kuppelartiger Bau erhob sich aus der Grasebene. Sein Durchmesser betrug fast einen Kilometer, und er war mindestens halb so hoch. Die riesige Anzahl der Insektenpyramiden, die sich darum herum gruppierte, wirkte dagegen wie ein Haufen winziger Splitter, die jemand in die Oberfläche von Gonwarth gespießt hatte. »Eine Station, Fartuloon, und zwar eine noch intakte. Wer weiß, wie viele es davon noch auf Gonwarth gibt. Diese jedenfalls haben wir gefunden. Wir landen.« Nachdem die Akonen abgezogen waren, hatten sich hier die Coumargs nicht um die verlassene Station gekümmert. Der Biologe Karlakon war also niemals bis hierher gekommen. Wir landeten in dem hohen Gras dicht bei den Pyramiden der Insekten, die uns einfach ignorierten und ihrer Tätigkeit nachgingen. Ohne Brontalos und den Funkroboter fehlte uns natürlich jede Möglichkeit, mit den Coumargs Kontakt aufzunehmen, aber schon an ihrem Verhalten uns gegenüber glaubten wir zu bemerken, daß sie mit den Akonen keine schlechten Erfahrungen gemacht hatten. Aber darauf waren wir schon einmal hereingefallen. Wir fanden den Eingang zur Kuppel. Er war ordnungsgemäß verschlossen, was jedoch für uns kein unüberwindliches Hindernis darstellte, wohl aber für die Insekten. Es gelang Fartuloon sogar, die Sicherheitssperre ohne jede Beschädigung zu beseitigen. Dann allerdings erlebten wir eine herbe Enttäuschung. Die Kuppel war in fünf Stockwerke unterteilt, die durch Treppen miteinander verbunden waren. Die Räume hinter den Türen der Rundgänge waren leer. Ich nahm an, daß sie
Planet der Gräber als Unterkünfte gedient hatten. Die eigentlichen Forschungsanlagen fanden wir unter der Oberfläche, aber die Maschinen und Geräte waren verstaubt und voller Rost. Die am tiefsten gelegene Anlage war von Grundwasser überflutet. »Eine Transmitterstation ist es auf jeden Fall nicht«, faßte Fartuloon das Ergebnis unserer Durchsuchung zusammen. »Hier finden wir nichts, das uns weiterhelfen könnte.« Enttäuscht kletterten wir wieder in den Gleiter und starteten. Ich nahm Verbindung mit Karmina auf und gab ihr einen kurzen Bericht. Sie bestätigte ihn und sagte dann: »Hast du schon jemals in deinem Leben etwas von einem Blauen System gehört?« »Noch nie!« gab ich zurück. »Was soll das sein?« »Akon-Akon erwähnte es. Er behauptet, Vandra hätte davon gesprochen, und zweifellos müsse es sich dabei um das Versteck der Akonen handeln. Wahrscheinlich nennen sie es so nach einem besonders blau strahlenden Stern.« »So leichtsinnig würde Vandra nicht sein«, meinte ich, denn ich wußte, wie vorsichtig sie bisher gewesen war. »Die Koordinaten des Verstecks sind das größte Geheimnis der Akonen, und sie lassen es sich nicht entreißen.« »Ich kann nur wiederholen, was AkonAkon gesagt hat. Sie wollen ihn ja mitnehmen und wollen ihm die Geschichte vielleicht schmackhaft machen. Verstehst du übrigens, warum er ablehnt, wenn er vorher doch so scharf darauf war, die Koordinaten zu erfahren?« »Dafür gibt es vorerst keine logische Erklärung, Karmina. Vielleicht hält er uns doch für die wertvolleren Verbündeten.« »Sklaven wäre wohl der treffendere Ausdruck dafür.« Ich widersprach nicht. »Wir werden noch ein Stück nach Westen fliegen und dann umkehren, Karmina.« Eine Station fanden wir nicht mehr, dafür
43 aber immer mehr Bauten der Coumargs und zum ersten Mal auch andere Lebewesen außer den Insekten. Als wir wieder nach Süden flogen, entdeckten wir auf einer grasigen Hochebene riesige Herden kleiner, vierbeiniger Pflanzenfresser. »Hier oben haben sie sich noch gehalten«, sagte Fartuloon. »Es gibt auch kaum Coumargs hier, denn ich sehe keine Bauten. Die Vierbeiner sind schneller als sie und wahrscheinlich keine leichte Beute. Sie haben sich ins Gebirge geflüchtet und leben relativ sicher. Darum konnten sie sich auch so zahlreich vermehren.« »Und die Coumargs stellen sich auf vegetarische Nahrung um«, fügte ich hinzu. Fartuloon nickte. »So lange, bis das ökonomische Gleichgewicht abermals gestört wird, weil es keine Pflanzen mehr gibt.« »Der Natur wird immer wieder etwas Neues einfallen.« Wir überflogen das Gebirge nun von Norden nach Süden und verringerten die Geschwindigkeit, um besser beobachten zu können, aber unsere Vermutung, die Akonen könnten vielleicht in großer Höhe auch eine Station errichtet haben, traf nicht zu. Auch die Massetaster zeigten nichts an. Wohlbehalten landeten wir schließlich wieder hinter den Hügeln, wo uns Karmina und die Arkoniden mit Erleichterung in Empfang nahmen.
* Es war für uns alle kein Geheimnis mehr, daß wir an einem toten Punkt angelangt waren. Vandra und ihre sieben Akonen hatten das Schiff, wenn sie auch da mit nicht starten konnten. Wir dagegen hockten untätig im Freien herum und warteten. Jedenfalls konnten wir nichts unternehmen. Zu meinem Mißvergnügen experimentierte Brontalos weiter mit den Coumargs. Ich wollte ihn daran hindern, aber Ra meinte, es sei ganz gut, wenn die Insekten in Übung
44 blieben. Niemand könne wissen, wozu das noch einmal gut sei. Selbstverständlich sorgte ich dafür, daß immer einige von uns in dem Loch »arbeiten«, aber ich wußte, daß nicht mehr viel dabei herauskam. Das Schiff saß nun endgültig fest, der Ringwulst war völlig verschüttet. Wenn Vandra sich erkundigte, erhielt sie die Auskunft, daß es noch einige Tage dauern würde, bis der Antrieb eingeschaltet werden konnte. Ich konnte spüren, daß ihre Geduld allmählich zu Ende ging. Nicht mehr lange, dann mußte es zur Katastrophe kommen. Sie brauchte nur einen ihrer Männer aus dem Schiff zu schicken, um nachzusehen, dann wußte sie, was gespielt wurde. Trotzdem war es gerade das, worauf wir warteten. Fartuloon und ich unternahmen noch weitere Flüge mit dem Gleiter, aber wir fanden nichts mehr, was uns weitergeholfen hätte. Es war einfach unmöglich, die gesamte Oberfläche von Gonwarth systematisch abzusuchen. Am vierten Tag nach unserem ersten Erkundungsflug geschah dann genau das, was wir zugleich befürchteten und erhofften. Vandra rief mich über Funk an. »Wie lange dauert das denn noch, Atlan?« »Uns fehlt das richtige Werkzeug, das sagte ich Ihnen doch bereits. Sie müssen Geduld haben.« »Wir nehmen an, Sie verzögern die Arbeit. Ich werde einen meiner Männer hinausschicken. Stellen Sie sich drüben am Rand des Einbruchs auf, damit ich sie zählen kann!« »Wir verlieren nur Zeit, und …« »Tun Sie, was ich Ihnen sage!« unterbrach sie mich in scharfem Ton. »Na schön, wie Sie meinen.« Ich wußte, daß sie uns mit einem einzigen Feuerstoß aus dem Schiff erledigen konnte, und wenn wir in Deckung blieben, würde es für uns künftig unmöglich sein, an den Raumer heranzukommen.
Clark Darlton Als Vandra festgestellt hatte, daß wir vollzählig waren und niemand in einem Versteck lauerte, ordnete sie an: »Und nun verschwindet hinter den Hügeln, auch Akon-Akon! Laßt euch nicht sehen, bis ich es sage. Vergeßt nicht, daß einer meiner Männer am Feuerleitstand sitzt. Er hat Befehl, jeden zu töten, der sich dem Schiff nähert.« Wir zogen uns zurück. Fartuloon meinte voller Bedenken: »Und wenn sie nun merkt, daß wir sie hereingelegt haben? Ich fürchte, sie wird ziemlich wütend werden.« »Das macht nichts, Fartuloon«, erwiderte ich mit zwiespältigen Gefühlen, denn ich war mir meiner Sache durchaus nicht sicher. »Sie wird sich vielleicht eher zu Verhandlungen bereit erklären, wenn sie sieht, daß wir hart geblieben sind. Sie hat auch keine andere Wahl. Sie braucht uns, wenn sie freikommen will.« »Ich weiß nicht«, entgegnete Fartuloon pessimistisch. »Sie kann einen Mann in der Kommandozentrale am Feuerleitstand zurücklassen und selbst versuchen, das Schiff frei zu graben.« »Dazu würde sie ein halbes Jahr benötigen.« Wir lagen hinter den Hügeln und spähten über den Kamm hinweg. Viel war nicht zu sehen, auch die Ausstiegluke nicht. Aber Vandra hielt Funkkontakt mit dem Mann, den sie zur Erkundung losschickte. Der Akone öffnete die Luke und berichtete dann, was er sah. Für Vandra konnte das keine sehr erfreuliche Nachricht sein, denn wir hörten sie fluchen. Sie kündigte uns eine blutige Vergeltung an, wenn wir nicht sofort mit der Arbeit beginnen würden. Und zwar unter der Aufsicht eines Akonen. Ich stellte meine Bedingung: »Gut, Vandra, ich garantiere Ihnen, daß wir das Schiff in zwei Tagen freibekommen, aber nur dann, wenn Sie die Zentrale verlassen und sich in meine Obhut begeben. Es wird Ihnen nichts geschehen, aber ich muß sicher sein, daß Sie uns keine Falle stellen.
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Wir haben keine Lust, für immer auf Gonwarth zu bleiben.« »Ich soll mich freiwillig zurück in die Gefangenschaft begeben? Niemals, Atlan!« »Dann bleiben Sie, wo Sie sind!« Es entstand eine lange Pause. Wahrscheinlich beriet sie sich mit ihren Leuten. Wir hingegen brauchten nicht zu beraten. Wir warteten. Endlich sagte Vandra: »Ich werde Ihnen morgen meinen Entschluß mitteilen, Atlan.« »Lassen Sie sich nur Zeit«, gab ich zurück. »Aber erwarten Sie nicht, daß wir inzwischen eine Hand rühren werden, um das Schiff auszugraben. Unsere Lebensmittel reichen noch für einige Wochen, außerdem haben wir eine gute Fleischquelle entdeckt. Überlegen Sie also gut, wie Sie sich entscheiden.« »Was ist mit Akon-Akon? Will er noch immer bei Ihnen bleiben?« »Sieht so aus, Vandra. Fragen Sie ihn doch!« Sie verzichtete darauf und schaltete ab. Wir verbrachten den Rest des Tages mit außerordentlicher Gelassenheit, denn wir waren fest davon überzeugt, die Akonen in eine für sie aussichtslose Lage manövriert zu haben. Vandra mußte nachgeben, oder es auf eine endlose Belagerung ankommen lassen. Und im Notfall konnten wir den Coumargs noch befehlen, einen weiteren Hohlraum unter dem Schiff zu erzeugen, damit es völlig unter die Oberfläche versank. Aber eine solche Anordnung wollte ich erst dann geben, wenn kein anderer Ausweg mehr blieb. Abends saßen wir wieder um unser Lagerfeuer, während ein Mann auf den Hügeln Wache hielt. Akon-Akon saß abseits und schien zu träumen. Mit weit geöffneten Augen starrte er in den Nachthimmel, als wolle er die Sterne zählen.
* Der Hügel vermochte nicht, die Druck-
welle völlig abzufangen, die uns gegen Mitternacht aus dem Schlaf riß. Ich wurde einige Meter weit durch die Luft geschleudert und landete in einer Pyramide der Coumargs, die den Aufprall milderte. Ein greller Feuerblitz blendete mich, und als er erlosch, konnte ich minutenlang nichts sehen. Das Donnern der Explosionen machte mich halb taub. Größere und kleinere Splitter surrten mit hoher Geschwindigkeit über uns durch die Luft, nur wenige hatten so geringen Schwung, daß sie bei uns landeten und sich in die Erde bohrten. Sie kamen alle aus der Richtung des Schiffes. Der Arkonide, der auf dem Hügel gewacht hatte, kam herbeigerannt. Er blutete an der Stirn. Seine Waffe hatte er unterwegs verloren. »Das Schiff!« keuchte er. »Ich glaube, sie wollten starten …« Fartuloon rollte sich aus einer Mulde, in der er gelegen hatte. »Vandra muß verrückt geworden sein«, keuchte er. »Sie hat die Nerven verloren«, sagte ich und ging den Abhang hinauf, bis ich das Schiff sehen konnte. In der rötlich schimmernden Glut aber konnte ich nur erkennen, daß der Krater nun auch einen Ringwall bekommen hatte …
7. Vandra hatte die Nerven verloren und den Start befohlen. Als es hell wurde und wir etappenweise in das fast vollends zerstörte Schiff eindrangen, konnten wir die Ereignisse der vergangenen Nacht rekonstruieren. Obwohl Vandra wissen mußte, daß der Ringwulst mit den Antriebsstrahlern fast völlig verschüttet war, hatte sie den Befehl zum Start gegeben. Vielleicht hatte sie gehofft, doch freizukommen und dabei übersehen, daß die Wirkung der Antriebsenergie in entgegengesetzter Richtung freiwerden
46 konnte. Es erfolgte ein sogenannter Energieumschlag, der im Bruchteil einer Sekunde sämtliche Aggregate und Reaktoren überlastete und zur Detonation brachte. Mühsam nur konnten wir uns den Weg durch die zusammengeschmolzenen Trümmer bahnen. Es war uns allen klar, daß dieses Wrack nie mehr fliegen würde. Selbst in der bestausgerüsteten Werft wäre es irreparabel gewesen. Es dauerte zwei Stunden, bis wir die Kommandozentrale erreichten. Wenn die Verwüstungen hier auch nicht so schlimm aussahen, hatte die plötzliche Entladung der zurückfließenden Energie genügt, Vandra und ihre sieben Akonen zu töten. Ihre Leichen waren zum Teil verkohlt und nicht mehr zu identifizieren. Ich teilte Akon-Akon, der draußen geblieben war, mit, was geschehen war. Er zeigte sich nicht sonderlich berührt von dem Schicksal der Akonen, und auch die Tatsache, daß wir nun endgültig auf Gonwarth festsaßen, schien ihn kaum zu erschüttern. »Nun könnten uns auch die Coumargs nicht mehr helfen«, stellte Brontalos bedauernd fest, und ich mußte ihm zustimmen. »Aber vielleicht finden wir unten in den Hangars noch ein brauchbares Beiboot. Damit könnten wir das nächste System ansteuern. Wenn alles danebengeht, müssen wir eben einen Notruf abstrahlen.« »Und die Akonen hierherlocken?« Ich schüttelte den Kopf. »Das würde unser Ende bedeuten, Brontalos, vergessen Sie das nicht.« Fartuloon gab nicht so schnell auf. »Trotzdem werden wir das Wrack von oben bis unten systematisch durchsuchen. Wir müssen etwas finden, das uns weiterhilft!« »In dem Trümmerhaufen ist nichts mehr heil«, behauptete ich. »Wir haben ein paar Waffen und den Gleiter, mit mehr können wir nicht rechnen.« »Aber wir leben!« gab Fartuloon störrig zurück. Aus dem ewigen Pessimisten war
Clark Darlton mal wieder ein Optimist geworden, wie immer, wenn die Lage aussichtslos war. »Und wir können uns wieder frei bewegen.« »Also bewegen wir uns«, meinte ich ohne viel Hoffnung. Akon-Akon schien sich kaum für unsere Rettungsversuche zu interessieren. Man konnte ihn im Augenblick nicht gerade als unfreundlich bezeichnen, wohl aber als völlig teilnahmslos. Ich wurde das Gefühl nicht los, daß er den Ausweg aus unserer schlimmen Situation bereits kannte. Aber ich fragte ihn nicht danach. Wir versiegelten die Kommandozentrale und ließen die Überreste der Akonen in ihr. Ein besseres Begräbnis konnten sie als Raumfahrer nicht bekommen. Sie blieben in ihrem Schiff – für alle Zeiten. Zur Funkzentrale gab es einen zweiten Eingang. Während Fartuloon mit den anderen die systematische Durchsuchung des Wracks einleitete, machte ich mich mit Vorry daran, die Hyperfunkanlage zu untersuchen. Der Magnetier besaß ein gewisses Talent für technische Dinge, und sein Instinkt in dieser Hinsicht war unübertroffen. Zum Glück hatten wir unsere Telekome, so daß ich mich mit den anderen jederzeit in Verbindung setzen konnte, wo immer sie auch gerade waren. Zu meinem Erstaunen war die Anlage nur wenig beschädigt worden. Wenn wir an das Ersatzteillager heran konnten und die entsprechenden Dinge dort fanden, würde es nicht schwierig sein – so wenigstens meinte Vorry –, die Geräte in Ordnung zu bringen. Nach zwei Stunden gab er mir eine Liste. Ich nahm Kontakt zu Fartuloon auf. »Nun, wie sieht es aus?« fragte ich ihn. »Fürchterlich! Man könnte meinen, im Innern des Schiffes hätte ein Kampf getobt. Man kommt von einer Sektion in die andere.« »Wie sieht es mit dem Ersatzteillager aus?« »Wir arbeiten uns gerade in die unteren Regionen vor. Da wird es noch schlimmer sein, weil dort auch die Energiereaktoren
Planet der Gräber sind. Warum?« Ich erklärte ihm, was wir haben wollten. Er versprach, sich zu melden, sobald er am Ziel angelangt sei. Immerhin mußten wir drei Stunden warten, ehe das geschah. Vorry gab die Nummern und Bezeichnungen der gewünschten Ersatzteile durch. »Ist ein herrliches Durcheinander hier unten«, sagte Fartuloon. »Regale und Schränke sind umgekippt, der ganze Kram liegt verstreut herum. Aber ich will es versuchen …« »Soll ich ihm nicht helfen?« erbot sich Vorry. »Warte damit noch«, riet ich. »Bis du da unten bist, hat Fartuloon vielleicht schon Erfolg.« Vorry baute inzwischen die beschädigten Teile aus den Geräten aus und legte sie fein säuberlich der Reihe nach auf den Tisch, damit es keine Verwechslungen geben konnte. Ich bemerkte, daß die Unterschiede zu den entsprechenden arkonidischen Werkstücken meist nur geringfügig waren. Brontalos meldete sich am Nachmittag und schlug vor, die Coumargs wieder an die Arbeit zu schicken. Er meinte, es könne nicht schaden, wenn sie den unteren Teil des Wracks frei gruben. Ich lehnte mit der Begründung ab, daß die Hitze in der Äquatorgegend und damit in Wulsthöhe die Erde zu Glas geschmolzen hatte. Außerdem erschien es mir sinnlos, ein flugunfähiges Schiff freizulegen. Als es schon dunkelte, teilte uns Fartuloon mit, daß er alle gewünschten Ersatzteile gefunden habe. Wir trafen uns bei der Luke. Vorry zeigte sich befriedigt und versprach, noch in der Nacht den Hyperfunk in Ordnung zu bringen. Ich legte ihm ans Herz, auf keinen Fall den Sender auszuprobieren, nur den Empfänger. Morgen wollten wir den Raum um uns systematisch abhorchen und feststellen, ob Schiffe in der Nähe waren. Wir verbrachten die Nacht wie gewohnt im Freien. Akon-Akon erkundigte sich, wie es im Innern des Schiffes aussah und gab sich mit der Mitteilung zufrieden, daß es
47 noch Tage dauern würde, bis wir alle Sektionen durchstöbert hätten. Mir schien, als warte er auf eine ganz bestimmte Nachricht.
* Ich war überrascht, wie gut ich in dieser Nacht geschlafen hatte. Vielleicht deshalb, weil zumindest eine Ungewißheit von uns genommen worden war, wenn auch eine größere blieb. Fartuloon beobachtete mich eine Weile, dann kam er zu mir und setzte sich neben mich auf einen Stein. Ich hatte gerade mein Frühstück beendet. »Man könnte manchmal meinen, du würdest dich auf einen ständigen Aufenthalt hier vorbereiten. Hast du deine ursprünglichen Ziele vergessen, Atlan?« Ich reagierte mit einem Lächeln auf seine überflüssige Frage. »Wie könnte ich jemals vergessen, welche Aufgabe vor uns liegt, mein väterlicher Freund? Aber warum soll ich meine Kräfte vergeuden und mich aufregen, wenn es nutzlos ist? Wir werden eine Lösung finden, so oder so. Auch kann ich mir nicht vorstellen, daß Akon-Akon sich so fatalistisch in sein Schicksal ergeben würde – und sieh ihn dir an! Er ist die Ruhe selbst. Warum wohl?« »Das frage ich mich auch die ganze Zeit.« »Es gibt nur eine Antwort: er ist davon überzeugt, daß wir einen Ausweg finden werden.« »Und welchen?« »Ja, wenn ich das wüßte!« Ich stocherte in der restlichen Glut des Feuers. Die anderen Schiffbrüchigen – so waren wir wohl nun wirklich zu bezeichnen – gingen in Gruppen zum Wrack, um ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen. »Vielleicht vermutet er etwas im Schiff, das uns weiterhelfen kann, und er überläßt es uns, dieses Etwas zu finden.« »Ein Beiboot vielleicht? Da hat er Pech. Wir haben gestern den Hangar gefunden. Total zerstört! Alle Beiboote sind unbrauchbar, berichtete Ra. Brontalos hat es bestä-
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tigt.« »Vielleicht ist es etwas anderes …« Fartuloon erhob sich abrupt. »Dann sucht weiter! Ich kümmere mich … nun, ich suche auch weiter! Was soll ich sonst tun?« Ich begleitete ihn zur Luke. Von den Coumargs war nichts zu sehen.
* Vorry hatte auch den Funkspeicher in Ordnung gebracht, daß er mitlief und alle hereinkommenden Sendungen aufnahm und konservierte. Es war ihm tatsächlich gelungen, die Anlage wieder funktionsfähig zu machen. Lediglich für den Sender fehlten einige wichtige Ersatzteile, die nicht mehr aufzutreiben waren. Auf verschiedenen Frequenzen empfingen wir verschlüsselte Signale, die wir mit Hilfe der gefundenen Kodebücher entziffern konnten. So erfuhren wir, daß die Demontageflotten noch immer bei der Arbeit waren. Früher oder später würden sie auch nach Gonwarth gelangen. Eine Aussicht, die nicht gerade beruhigend auf mich wirkte. Anhand der Sternkarten und Positionsmeldungen konnten wir uns ein ungefähres Bild von der Verteilung der akonischen Schiffe machen. Räumlich betrachtet, hatten sie unseren Sektor fast eingekreist, wenn man die unterschiedlichen Entfernungen zu Gonwarth nicht berücksichtigte. Die Koordinaten gaben jedoch keinen Hinweis auf die Ausgangsbasis der Schiffe. Die Position des Verstecks blieb somit auch weiterhin unbekannt. Nicht einmal seine ungefähre Lage war zu vermuten. Ich nickte Vorry zu. »Du kannst abschalten, mehr wollte ich nicht wissen.« Vorry wirkte enttäuscht. »Und dafür die ganze Arbeit?« »Sie hat sich gelohnt, glaube mir. Aber nun wollen wir den anderen helfen. Es kann Wochen dauern, bis wir das ganze Schiff
durchsucht haben.« »Was hoffst du eigentlich zu finden?« Ich sah an ihm vorbei, als ich antwortete: »Es wäre besser, du würdest Akon-Akon danach fragen, denn ich selbst weiß es nicht. Wir suchen einfach, das ist alles.« Am Abend ging ich zu Akon-Akon, der oben auf dem Hügelkamm saß und nach Westen in die Dämmerung schaute. Im Osten war es bereits dunkel geworden. »In ein paar Tagen kennen wir jeden Winkel des Wracks, Akon-Akon. Die Beiboote sind vernichtet. Lebensmittel sind genügend vorhanden. Warum sollen wir weitersuchen?« Er betrachtete mich fast eine Minute lang, dann sagte er: »Ich vernahm, daß nicht alle Sektionen des Schiffes völlig zertrümmert wurden. Wir würden uns eine Menge Arbeit ersparen, wenn wir einen genauen Plan besäßen. Wo stehen in den Schiffen der Arkoniden die Materietransmitter?« Nun wußte ich, was er zu finden hoffte: Einen Transmitter! »Niemand weiß, ob die Akonen einen Transmitter an Bord hatten«, dämpfte ich seinen Optimismus. »Und wenn, dann ist er sicherlich beschädigt worden. Es sind sehr empfindliche Geräte.« »Findet ihn, Atlan!« sagte er ruhig und bestimmt. Ich erhob mich. »Na schön, ich werde morgen dafür sorgen, daß nach nichts anderem gesucht wird. Wenn wir ihn gefunden haben, geben wir sofort Bescheid.« »Gute Nacht«, erwiderte Akon-Akon und versank erneut in Nachdenken. Ich kehrte zum Lagerfeuer zurück. Fartuloon und Karmina unterhielten sich, als ich mich zu ihnen setzte. Sie wußten, daß ich bei Akon-Akon gewesen war. »Was will er von uns?« fragte die Arkonidin. »Er hat schon lange nicht mehr befohlen.« Ich berichtete ihnen von meinem Gespräch mit dem Jungen. Fartuloon schüttelte den Kopf.
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»So ein Unsinn! Wenn das seine ganze Hoffnung ist, können wir uns schon jetzt begraben lassen. Selbst wenn es einen Transmitter in dem Wrack gibt und selbst dann, wenn er nicht total zerstört wurde, kann er uns nichts nützen. Ganz abgesehen davon, daß wir nicht wissen können, wohin er uns bringt.« »Mitten hinein ins Versteck!« mutmaßte Karmina, ohne es richtig ernst zu meinen. »Niemals!« sagte ich überzeugt. »Wenn es auf dem Schiff einen Transmitter gab, dann nur einen für kurze Strecken. Nicht einmal interplanetarische Entfernungen würde er bewältigen. Aber Akon-Akon wünscht, daß wir ihn suchen, also müssen wir es tun. Morgen fangen wir damit an.« »Ist ja auch völlig egal, wonach wir suchen!« Karmina erhob sich. »Ich gehe jetzt schlafen«, verkündete sie und ging. Fartuloon sah ihr nach. »Sie ist ein ganz passables Weib, aber wenn ich es mir recht überlege, bin ich ganz froh, daß ich allein geblieben bin.«
* Vorry arbeitete als Rammbock und räumte die Trümmer beiseite. So gelangten wir in eine Region, die wir bisher noch nicht durchsucht hatten. Aber der Unterschied war nicht besonders groß. Auch hier fanden wir in erster Linie nur Trümmer. Zusammen mit Ra drang ich ins Zentrum des unteren Teils vor, der schon zweihundert Meter unter der Oberfläche von Gonwarth lag. Es fiel mir auf, daß hier die Verwüstungen nachließen. Die Druckwellen der Detonationen waren kaum bis hierher gekommen. Einige der geschlossenen Schottentüren hatten sogar gehalten. Hinter ihnen allerdings, in den Antriebsräumen, sah es hoffnungslos aus. Wir verzichteten auf eine Inspektion. Eine grüne Metalltür weckte unsere Neugier. Fartuloon versuchte sie zu öffnen, aber es gelang ihm nicht. Als er seinen Strahler zog,
hielt ich seinen Arm fest. »Halt, nicht mit Gewalt, Fartuloon! Wir wissen nicht, was dahinter ist. Vielleicht etwas, das keine Wärme verträgt. Die Tür jedenfalls ist auffällig, das mußt du zugeben. Wir sollten Akon-Akon unterrichten.« Ich rief ihn über Telekom. Er meldete sich sofort. »Eine grüne Tür …?« fragte er dann langsam, wie um sich zu vergewissern. »Und aus Metall? Seht ihr ein Zeichen darauf?« »Nur ein einziges, aber es scheint ohne Bedeutung.« Ich beschrieb es ihm, so gut ich konnte. »Das genügt, Atlan. Wartet, ich komme! Versucht nicht, mit Gewalt einzudringen!« Fartuloon schob den Strahler in den Gürtel zurück. »Du scheinst mit deiner Vermutung recht zu haben. Vielleicht ist es der gesuchte Transmitter.« Ich lehnte mich gegen die Wand des Korridors. »An soviel Glück glaube ich nicht.« Es dauerte fast zwei Stunden, bis AkonAkon eintraf. Karmina hatte ihm den Weg gezeigt. Er trug seinen Kerlas-Stab, von dem er sich niemals trennte. Ich hätte ein Vermögen dafür gegeben, wenn ich sein Geheimnis ergründen könnte, aber das war ein aussichtsloser Wunsch. Fartuloons Skarg war gegen den geheimnisvollen Stab ein harmloses Spielzeug. Akon-Akon starrte lange auf das rätselhafte Zeichen im oberen Teil der grünen Tür, dann bat er uns, ein Stück zurückzutreten. Er hob den Stab und legte den Ring am oberen Ende genau auf das Zeichen. Ohne jedes Geräusch öffnete sich die Tür, die vorher fest verschlossen gewesen war. Es war unbegreiflich. Akon-Akon betrat den Raum und winkte uns zu. Wir folgten ihm. In der Mitte stand auf einem Podest der typische Gitterkäfig eines Kleintransmitters. An den Wänden waren die Kontrollen, aber
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Clark Darlton
die verstellbare Ziel-Koordinaten-Karte fehlte. Karmina sagte enttäuscht: »Wir hatten einen ähnlichen Transmitter auf meinem Schiff. Die Reichweite ist nur gering. Sie bringt uns nicht einmal aus diesem Sonnensystem hinaus.« Akon-Akon warf ihr einen Blick zu, in dem ich Bestätigung zu lesen glaubte. Er schien sich keiner Illusion hingeben zu wollen. »Richtig, ein Kleintransmitter mit geringer Reichweite. Mehr hat wohl auch keiner von uns erwartet.« »Und was sollen wir damit?« wollte Karmina ungeduldig wissen. Und wieder sah ich Akon-Akon lächeln, wenn auch nur flüchtig. »Ihn benutzen«, sagte er dann und bat uns, den Raum zu verlassen. Er schloß die Tür wieder. »Ich werde zu euch ans Lagerfeuer kommen und euch dort meine Absicht mitteilen. Geht schon vor.«
* Wir waren alle beim Lagerfeuer versammelt, als Akon-Akon den Hügel herabgeschritten kam. Er setzte sich auf den freien Stein, den Kerlas-Stab zwischen den Knien. »Es ist sinnlos, Fragen zu stellen«, begann er, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß wir vollzählig versammelt waren. »Ich könnte euch nicht antworten, selbst wenn ich es wollte. Ich weiß genau so wenig wie ihr, wohin uns der Transmitter bringt, sobald ich ihn aktiviert habe. Aber ich vermute, daß es auf jedem ehemaligen Kolonialplaneten der Akonen Empfangsstationen gibt, vielleicht tief unter der Oberfläche, auf die die Schiffstransmitter geeicht sind. Das würde bedeuten, daß wir vielleicht eine solche Station erreichen und dort rematerialisieren.« »Ein ziemliches Risiko«, warf Fartuloon ein, obwohl er wissen mußte, daß AkonAkon keine Unterbrechungen liebte. Aber der Junge verriet keinen Unmut. »Natürlich gehen wir ein Risiko ein, aber
wollt ihr hier warten, bis das Demontagekommando der Akonen eintrifft? Immerhin besteht doch die Möglichkeit, daß wir durch den kleinen Transmitter eine Großstation finden, die uns weiterbefördert, wohin auch immer.« »Warum geht nicht einer von uns voran?« fragte Karmina. »Er könnte zurückkommen und berichten, was geschieht.« Akon-Akon stützte sich auf den Ring seines Stabes. »Es handelt sich um einen Einwegtransmitter, der nur von der anderen Seite her wieder auf Empfang geschaltet werden kann – soweit ich das beurteilen kann. Es gibt also wahrscheinlich kein Zurück mehr für uns. Wir werden einer nach dem anderen das Transmitterfeld betreten und entmaterialisieren, ohne eine Spur zu hinterlassen. Morgen! Hat noch jemand etwas zu sagen?« Er sah sich suchend in der Runde um, begegnete aber nur zweifelnden Blicken und betroffenem Schweigen. Er stand auf. »Also gut! Verbringen wir die letzte Nacht auf dem Planeten Gonwarth in Frieden …« Wir sahen ihm stumm nach, bis er in der Dunkelheit jenseits des flackernden Feuerscheins untertauchte. Es war Brontalos, der das Schweigen brach. »Die Coumargs, Atlan!« sagte er, als gäbe es keine anderen Sorgen. »Wir wollten ihnen doch helfen …« Ich beruhigte ihn: »Das habe ich keineswegs vergessen, Brontalos. Morgen haben wir noch Zeit dazu. Jetzt ist es zu spät.« In dieser Nacht machte ich kaum ein Auge zu.
* Als es hell wurde, machten sich Ra, Brontalos und ich auf den Weg zum Bau der Königin, der wir den Funkrobot abgenommen hatten. Wie am ersten Tag empfing sie uns mit ihrer Leibwache. Wenig später war die Verbindung hergestellt.
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Geduldig erklärte ich ihr die Funktion der weißen Puppe und die Gefahr, die von ihr für sie und ihr Volk ausging. Ich machte sie darauf aufmerksam, daß sie mit Hilfe des Funkrobots auch in der Lage war, die benachbarten Völker zu versklaven, wenn sie von den Akonen die entsprechenden Befehl erhielt. Sie begriff, was eine Kettenreaktion war. Wenn sie Anordnungen erhielt, mußte sie diese weitergeben an die nächste Königin. Diese wiederum mußte ebenfalls gehorchen – und es nahm kein Ende. Ich zeigte ihr den winzigen Knopf im Hinterkopf des Funkrobots. »Ihr seid kräftig genug, ihn einzudrücken, Königin. Aber tut es erst dann, wenn ihr die von uns erhaltene Information weitergegeben habt – es ist euer letzter Befehl an die anderen Völker und ihre Königinnen. Sie sollen es ebenfalls tun. Wenn das geschehen ist, werdet ihr für alle Zeiten frei und unabhängig sein. Habt ihr das verstanden?« Wir erhielten die Bestätigung und Impulse des Dankes. Dann gingen wir zurück zum Wrack, wo wir schon von Akon-Akon und den anderen erwartet wurden. So wie gestern gelangten wir in den Transmitterraum. Akon-Akon schloß hinter uns die Tür, nachdem er sich abermals davon überzeugt hatte, daß niemand fehlte. Dann trat er vor den Transmitter und hob den Kerlas-Stab.
Drüben an der Wand leuchteten plötzlich die Kontrollampen auf, ohne daß AkonAkon etwas berührt hatte. Auch am Eingang zum Transmitter war nun ein Licht, das die Betriebsbereitschaft anzeigte. Der leuchtende Torbogen verriet nichts. Dahinter lag absolute Finsternis – und die quälende Ungewißheit, was der Schritt in die Dunkelheit bringen würde. Akon-Akon sah uns der Reihe nach mit zwingendem Blick an. »Folgt mir, einer nach dem anderen«, befahl er. Er brauchte nicht zu befürchten, daß auch nur einer den Befehl verweigern würde. Aber in diesem Augenblick mußte ich doch seinen Mut bewundern, als erster zu gehen. In Wirklichkeit machte das keinen Unterschied. Keiner von uns wußte, was mit dem vor ihm Gehenden geschah. Wir würden alle das gleiche Schicksal erleiden. So oder so. Ich wartete, bis alle verschwunden waren, dann betrat ich den Transmitterkäfig und durchschritt den Lichtbogen. Um mich herum wurde es dunkel, und für den Bruchteil einer Sekunde existierte ich nicht mehr.
ENDE
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