Butler � Parker � Nr. 544 � 544
Günter Dönges �
Parker trickst den � ›Libero‹ aus �
2
Sie kamen vom nahen Fußball...
13 downloads
260 Views
531KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Butler � Parker � Nr. 544 � 544
Günter Dönges �
Parker trickst den � ›Libero‹ aus �
2
Sie kamen vom nahen Fußball-Stadion, grölten Lieder, aus deren Texten deutlich hervorging, daß man den Gegner restlos fertigmachen würde, waren völlig betrunken und wollten sich nur einen Spaß machen, wie sie später sagten. Sie hatten einen altersschwachen Wagen ausgemacht und wollten ihn in seine Bestandteile zerlegen. Die Insassen dieses betagten Taxis lösten bei ihnen zusätzliche Aggressionen aus. Am Steuer des hochbeinigen Wagens saß nämlich ein Butler, im Fond eine Dame, die ebenfalls nicht mehr als Teenager zu bezeichnen war. Die sechs jungen Hooligans schwärmten aus und stoppten das Fahrzeug. Sie trommelten mit den Fäusten an die Scheiben und wollten zwei Türen aufreißen, um sich intensiv mit den Insassen zu befassen. Die Kerle reagierten allerdings verärgert, als sie die Türen nicht zu öffnen vermochten. Sie versuchten es mit den beiden anderen, kamen aber auch hier nicht zum Zug. Sie begannen, den Wagen in seinen Federn zu schaukeln und versuchten, das hochbeinige Monstrum auf die Seite zu kippen.
Die Hauptpersonen: Herbie Wallot betreut die ›Bisons‹ und harte Hooligans. Ray Robbins bezahlt seltsame Fußballfans und harte Schläger. Pete Rostale aktiviert Mörder und sorgt für Schußfeld. Edward Splitters wird von einem geheimnisvollen ›Libero‹ gehetzt. Jim Mulford pumpt als Zeugwart des Clubs nicht nur Bälle auf. 3
Stan Matters trainiert eine Spitzenmannschaft und wettet hoch. May Luton ist eine mütterliche Sekretärin mit GaunerAllüren. Lady Agatha Simpson kickt Bälle in Vitrinen. Butler Parker verstreut Knall-Erbsen. *** »Rauskommen!« riefen sie dann, als der Wagen sich nicht so ohne weiteres auf die Seite legen ließ. Sie zerrten erneut an den Türgriffen und wurden plötzlich von einer unsichtbaren Kraft auf den Asphalt geschleudert, auf dem sie in seltsam verkrampfter Haltung liegenblieben. Sie befanden sich im Zustand einer Katalepsie und waren nicht in der Lage, auch nur die geringste Bewegung auszuführen, sahen und hörten jedoch, was um sie herum vorging. Die übrigen Hooligans, weitere Fußballfans, Passanten und Ordner waren bereits aufmerksam geworden und bildeten einen Kreis um den hochbeinigen Wagen und um die vier am Boden liegenden Randalierer. Fast schüchtern näherten sich endlich die Nichtbetroffenen ihren Freunden. Der Kreis der verdutzten Zuschauer wurde enger. Man wollte die Regungslosen aus der Nähe betrachten. Und wohl auch die beiden Insassen des Wagens, die dem Treiben in einer Mischung aus Höflichkeit und Ungeduld zuschauten. »Ich bin versucht, Mister Parker, auszusteigen und einige Ohrfeigen an die Lümmel zu verteilen«, ließ Lady Agatha sich vom Rücksitz vernehmen. Sie verfügte über eine erstaunlich tiefe Stimme, es war sozusagen ein weiblicher Bariton. Agatha Simpson war, wie man deutlich sehen konnte, älter als 4
sechzig Jahre. Groß und stattlich, verfügte sie über die Gestik einer Bühnen-Heroine. Sie trug ein weitgeschnittenes Tweedkostüm und einen Hut, der Fragen aufwarf. Einem Südwester allein war dieses Gebilde nicht ähnlich. Ein mißglückter Napfkuchen und ein gutbesetztes Blumenbeet schienen ebenfalls Spuren hinterlassen zu haben. Kurz, Lady Agathas Gesamterscheinung forderte zur Stellungnahme heraus. Josuah Parker hingegen war alterslos. Er bot das Bild des korrekten, hochherrschaftlichen Butlers bester englischer Schule. Er hatte das glatte, fast ausdruckslose Gesicht eines professionellen Spielers, der keine Gefühlsregung zeigt. Parker saß am Steuer eines ehemaligen Taxis, doch unter dem konventionellen Chassis wartete eine hochmoderne Technik darauf, sich beweisen zu dürfen. Allein der Motor und die Radaufhängung hätten einem Rennwagen alle Ehre gemacht. Darüber hinaus hatte der Butler im Lauf der Zeit viele Zusatzeinrichtungen installieren lassen, um die ihn ein James Bond beneidet hätte. Nicht umsonst nannten Eingeweihte den Wagen eine raffinierte Trickkiste auf Rädern. Die aufgeheizte Stimmung entspannte sich schlagartig, als einige uniformierte Polizisten erschienen und um Ruhe und Vernunft warben. Die Regungslosen hatten sich inzwischen vom Schock erholt und bewegten ungläubig-erleichtert ihre Arme und Beine. Dabei blickten sie zum Wagen hinüber, von dem sie nach ihrem Eindruck zu Boden geschleudert worden waren. Sie konnten sich dieses Phänomen einfach nicht erklären. Parker hatte den ersten Gang eingelegt, lüftete höflich die schwarze Melone und bewegte danach das Gefährt in Richtung Zufahrtsstraße. Der Kreis der Umstehenden öffnete sich und ließ den Wagen ohne weiteres passieren. Die Hooligans hatten noch immer nicht zu ihrer anfänglichen 5
Aggressivität zurückgefunden. Sie leisteten keinen Widerstand, als sie von dem hochbeinigen Monstrum passiert wurden. »Das war ein recht hübsches Intermezzo, Mister Parker«, meinte Lady Agatha im Fond des Wagens. »Die kleine Abkürzung hat sich also durchaus gelohnt.« »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Mylady«, lautete die gemessene Antwort des Butlers. »Die jungen Randalierer dürften sich das Kennzeichen eingeprägt haben und sicher bald vor Myladys Haus erscheinen.« »Ausgezeichnet«, fand die passionierte Detektivin und lächelte wohlwollend. »Sie wissen doch, daß ich nichts so sehr hasse wie die Langeweile.« * Mylady war immens vermögend, verfügte über eine Unzahl von stillen Beteiligungen, war seit vielen Jahren Witwe und hielt sich für eine begnadete Kriminalistin und Schriftstellerin. Agatha Simpson bewohnte in Shepherd’s Market, einem erstaunlich stillen Winkel zwischen Hyde Park und Green Park, ein altes, zweistöckiges Fachwerkhaus. Der Bau, der auf den verwinkelten Gebäuden einer ehemaligen Abtei aus dem Mittelalter stand, wurde flankiert von je einem einstöckigen Seitenflügel, die mit zur Gesamtanlage gehörten. Zur nahen Durchgangsstraße hin gab es eine übermannshohe Mauer aus Sandsteinquadern und ein zweiflügeliges, reich verziertes Gittertor. Butler Parker hatte diesen Gesamtkomplex elektronisch absichern lassen. Über die hausinterne Alarmanlage hinaus konnte er durch verschiedene Einrichtungen sehr aktiv werden und ungebetene Besucher in größte Verlegenheit bringen. Als er das Gittertor passierte und das Blumenrondell in der 6
Mitte des großen Innenhofes und der Auffahrt passierte, blickte er natürlich erneut in den Rückspiegel seines hochbeinigen Monstrums. Und da war wieder der kleine Mini-Cooper mit den verbreiterten Kotflügeln und den walzenartigen Reifen zu sehen, der ihnen seit der Begegnung im Umfeld des Stadions hartnäckig gefolgt war. Parker wußte längst, daß in dem Wagen drei junge Männer saßen, die einen sehr konzentrierten Eindruck machten. »Mylady haben es weiterhin mit den bereits erwähnten Verfolgern zu tun«, meldete der Butler nach hinten in den Wagen. Er hatte die Front des Haupthauses passiert und hielt vor dem überdachten Eingang. Eine Art gotisches Spitzdach wurde von je drei kleinen Säulen getragen, die ihrerseits auf einem fast kniehohen Sockel standen. »Fragen Sie diese Individuen nach ihren Wünschen, Mister Parker«, meinte die ältere Dame, »und verbitten Sie sich dann auch in meinem Namen irgendwelche Störungen.« Der Butler hatte seinen Wagen gestoppt, stieg aus und lieh Mylady seine hilfreiche, schwarz behandschuhte Hand. Er sperrte das Schloß der Haustür auf, öffnete und ließ Agatha Simpson in den verglasten Windfang und Vorflur eintreten. Der Mini-Cooper preschte jetzt in Höchstfahrt heran, hielt mit quietschenden Bremsen und spuckte förmlich die drei Insassen aus. Sie waren ein gut eingespieltes Team und hätten es um ein Haar doch noch geschafft, sich hinter Parker ins Haus zu drängen, wenn der Butler nicht schneller gewesen wäre. Die Mini-Cooper-Benutzer prallten förmlich an das Türblatt, hämmerten dann wütend mit den Fäusten gegen das Hindernis und waren zu beschäftigt, um sich über den satten, sehr festen Ton dieser Klopferei zu wundern. Er deutete zumindest akustisch darauf hin, daß man es hier mit einer Tür zu tun hatte, die ungewöhnlich solide war. 7
Als sich natürlich nichts rührte, bearbeiteten die Kerle, die um die Zwanzig sein mochten, abwechselnd und hartnäckig den Klingelknopf. »Sollten die Herren Wünsche haben?« fragte Parker über die Sprechanlage nach draußen. »Aufmachen, Mann, sonst hämmern wir die Fensterscheiben ein!« drohte einer der Besucher. Er war wie seine Begleiter mittelgroß, schlank, hatte sehr kurz geschorenes Haar und trug einen verwaschenen, ausgefransten Jeansanzug. »Die Herren sollten sich nicht beklagen, falls man sie daran hindert«, warnte Parker. Er stand in der großen Wohnhalle des Fachwerkhauses, hielt eine Fernbedienung in der rechten Hand und beobachtete die jungen Männer auf dem Umweg über eine private TV-Anlage. Auf dem Bildschirm eines Kontrollmonitors waren die potentiellen drei Fenstereinwerfer sehr deutlich zu sehen. Sie kamen sich recht überlegen vor und dazu noch unbeobachtet. Von der Durchgangsstraße aus waren sie nur schlecht auszumachen, von fahrenden Fahrzeugen aus schon gar nicht. »Du hast genau drei Sekunden Zeit, Alterchen«, rief der Wortführer der drei Verfolger, »und bete zu Gott, daß wir kein Kleinholz machen.« Josuah Parker reagierte auf seine Art. Mit dem Zeigefinger der linken Hand drückte er einen der vielen Schaltknöpfe der Fernbedienung und sorgte auf diese Weise dafür, daß der überdachte Vorbau zu einem ausbruchssicheren Käfig wurde. Aus dem Dachteil sausten schwere Rollsysteme aus Panzerstahl nach unten. Sie vergitterten die beiden Säulenreihen und den vorderen Zugang. Der Zwischenfall hatte nur wenige Augenblicke gedauert, und die drei Männer waren völlig überrascht worden. Solch eine Reaktion hatten sie nicht erwartet. 8
Als sie den ersten Schreck überwanden, ging ihnen auf, wie fest eingesperrt sie waren. Sie rüttelten in einer Mischung aus Wut und Verzweiflung an den Rollgittern, traten gegen die Haustür, die sich unbeeindruckt zeigte, und wurden nach wenigen Minuten recht kleinlaut. Sie riefen nach Josuah Parker, doch der Butler reagierte nicht. Er wartete darauf, daß die Ungebetenen sich verbal austauschten, und bekam bereits nach wenigen Minuten die ersten Äußerungen zu hören. Die beiden bisher so Schweigsamen belegten ihren Wortführer mit Vorwürfen und behaupteten, er hätte sie in diese Schwierigkeiten gebracht. »Und wer wollte kassieren?« fragte der Wortführer gereizt. »Wer wollte denn schnell abstauben?« Man belegte sich anschließend mit ausgesuchten Schimpfworten, stand dicht davor, sich gegenseitig mit den Fäusten zu traktieren, und rief sich quasi im letzten Moment wechselseitig zur Ordnung. Dann machte der Wortführer sich erneut bemerkbar, nachdem er intensiv geläutet hatte. »Hier wollte niemand Fenster einschmeißen«, schmeichelte er, »das war nur blödes Gerede, Mann. Lassen Sie uns raus. Wir ziehen ab. War doch alles nur als Gag gedacht.« »Sie hatten die Absicht, für wen zu kassieren, wie Sie es auszudrücken beliebten?« erkundigte sich Josuah Parker. »Na ja, für unseren Club«, lautete die Antwort. »Der gewiß einen Namen und eine Adresse haben dürfte«, vermutete Josuah Parker. »Wir sind die Bisons«, erfolgte prompt die Antwort. »Und wir tagen in Wallots Billard-Etage in Stepney.« »Eine Lokalität, die sicher über einen Telefonanschluß verfügt«, unterstellte Parker. »Hat sie, hat sie«, gab der Wortführer erleichtert zurück. 9
»Rufen Sie ruhig mal Wallot an. Der wird Ihnen bestätigen, daß es uns gibt.« »Ihrer Rückfahrt steht nichts mehr im Weg«, ließ der Butler sich vernehmen und sorgte dafür, daß die drei Rollgitter sich erstaunlich schnell wieder hoben. Zu diesem Zeitpunkt konnte er wirklich nicht ahnen, was da alles noch auf ihn und Mylady zukommen würde. * Parker befand sich in der großen Wirtschaftsküche, die im ausgedehnten Souterrain des Hauses untergebracht war. Er bereitete für Lady Agatha einen Imbiß vor, um damit die Zeit bis zum Dinner zu überbrücken. Agatha Simpson hatte sich die Einlage ausdrücklich gewünscht. Sie war wieder mal dabei, Gewicht zu machen, und hielt auf eine besonders strenge Diät. Da sie irgendwo freudig gelesen hatte, daß man in diesem Zusammenhang viele kleine Mahlzeiten, über den ganzen Tag verteilt, zu sich nehmen sollte, hielt sie sich an diesen Vorschlag. Parker hatte vor, seiner Herrin eine Scheibe Nierenpastete, etwas Fisch und kaltes Huhn zu reichen. Er reagierte beherrscht wie stets, als das Telefon läutete. Parker hob den Hörer vom Wandapparat und nannte seinen Namen. »Bitte, legen Sie nicht auf«, sagte eine rauhe Männerstimme. »Hier spricht Edward Splitters, wenn Ihnen das etwas sagt.« »Nicht unbedingt«, erwiderte Parker. »Meine Wenigkeit geht aber davon aus, daß Sie sich umgehend näher erklären werden.« »Ich bin der technische Direktor des LWC-Fußballclubs hier in London.« »Ein erlauchter Name, Mister Splitters, was den Club betrifft.« »Wir sind eine Spitzenmannschaft in der Liga«, redete der tech10
nische Direktor weiter. »Eine Mannschaft, die den Pokal anvisiert, wie man in Ihren Kreisen wohl zu sagen pflegt, Mister Splitters. Sie rufen sicher nicht aus Werbegründen an, wie zu vermuten ist.« »Der Club wird erpreßt. Und wir brauchen jetzt die Hilfe von Fachleuten, die unkonventionell arbeiten.« »Dies, Mister Splitters, dürfte Lady Simpson sicher nicht ungern zur Kenntnis nehmen.« »Ich dachte mehr an Sie, Mister Parker.« »Sie schmeicheln einem alten, müden und relativ verbrauchten Mann«, wehrte Josuah Parker ab. »Sollten Sie jetzt aber nicht mit Einzelheiten dienen?« »Könnten Sie zu mir ins Clubhaus kommen, Mister Parker? Lady Simpson ist natürlich ebenfalls herzlich eingeladen.« »Eine Lady Simpson bestellt man keineswegs und mitnichten irgendwohin, Mister Splitters. Man bittet darum, ihr einen Besuch machen zu dürfen.« »Offen gesagt, Mister Parker, ich hab’ schlicht und einfach Angst, den Club zu verlassen.« »Gab es eine entsprechende Drohung, Mister Splitters?« »Weiß Gott, Mister Parker. Man will mir die Knochen brechen und damit klarmachen, wie ernst die Sache ist.« »Um welche Summe handelt es sich, Mister Splitters? Der oder die Erpresser dürften sicher Beträge genannt haben.« »Die wollen eine erste Rate von hundertfünfzigtausend Pfund haben. Und später dann vier weitere Raten.« »Eine äußerst lukrative Erpressung, Mister Splitters. Was droht man an, falls man die Zahlung verweigert?« »Unsere Kicker-Stars werden dann der Reihe nach nicht mehr spielen können. Der Erpresser am Telefon sprach in diesem Zusammenhang von entsprechenden Unfällen.« »Selbstverständlich dürfte man Ihnen auch verboten haben, 11
sich an die Polizei zu wenden, Mister Splitters?« »Natürlich, ich hätte es beinahe vergessen zu erwähnen. Sagen Sie, würden Sie uns helfen? Ich meine, die Lady und Sie, Mister Parker? Ich bin von der Clubleitung beauftragt worden, jede halbwegs vernünftige Summe als Honorar anzubieten und zu zahlen.« »Fragen dieser speziellen Art pflegt stets Mylady zu entscheiden«, lautete die Antwort des Butlers. »Wenn Sie jetzt noch mitteilen würden, wo sich das Clubhaus des Vereins befindet, wird man sicher mit dem baldigen Erscheinen Lady Simpsons rechnen können.« »Bitte, beeilen Sie sich!« bat der technische Direktor des LCWFußballclubs eindringlich, geradezu beschwörend. »Irgendwie habe ich das Gefühl, daß hier bald einige Schläger aufkreuzen. Sie sollten wissen, daß ich so gut wie allein im Clubhaus bin.« »Meine Wenigkeit wird fliegen, um es mal übertrieben auszudrücken«, versprach Josuah Parker. Ihm war klar, daß Lady Agatha keine Sekunde zögern würde, sich zu engagieren. * »Das ist natürlich nichts als eine Falle, Mister Parker«, wußte Lady Agatha wieder mal mit letzter Sicherheit und im vorhinein. »Der Anrufer war einer von diesen Hooligans. Hoffentlich ist Ihnen das klar.« »Mylady deuten eine Möglichkeit an, die man auf keinen Fall ausschließen sollte«, gab der Butler zurück. Er saß am Steuer des hochbeinigen Monstrums, wie der Wagen unter anderem auch noch genannt wurde, und hatte gerade den Rückspiegel befragt. Parker konzentrierte sich auf ein Zweirad japanischer Fertigung, auf dem zwei helmbewehrte Personen saßen und hartnäckig folgten. Er hätte bereits einige Seitenstraßen durchfahren, 12
um herauszufinden, ob dieses Zweirad rein zufällig hinter ihnen war oder nicht. »Ob die Lümmel inzwischen wissen, was sie auf den Rücken geworfen hat, Mister Parker?« Sie lachte leise und schadenfroh. »Man dürfte sich inzwischen informiert haben, Mylady, und wissen, daß man durch elektrischen Strom niedergestreckt wurde.« »Immer wieder unglaublich«, sinnierte die ältere Dame halblaut. »Mylady wissen natürlich, daß die Stromstärke nur null Komma fünf Ampere beträgt«, erinnerte Josuah Parker diskret. »Gesundheitliche Schäden sind nach solch einer – mit Verlaub – Attacke nicht zu erwarten. Ein elektrischer Weidezaun arbeitet mit ähnlichen Werten.« »Ich werde mir so ein Kleingerät zulegen, Mister Parker.« »Geräte dieser Art, Mylady, sind bereits auf dem Markt zu erwerben«, erklärte der Butler. »Sie dienen der Selbstverteidigung.« »Ich werde natürlich nie auf meinen Pompadour verzichten«, machte sie deutlich und lächelte versonnen. »Es geht doch nichts über den Glücksbringer darin.« Agatha Simpson sprach von einem veritablen Hufeisen, das von einem stämmigen Brauereipferd stammte. Es befand sich im kleinen, perlenbestickten Handbeutel und wartete nur darauf, eingesetzt zu werden. In Myladys Hand konnte dieser Pompadour, der an langen Schnüren hing, zu einer Art Morgenstern werden. Parker hatte sein Gefährt gerade erneut in eine relativ stille Seitenstraße gesteuert und sah sich einer Baustelle gegenüber. Ein entsprechender Zaun, aus Schalbrettern gezimmert, verengte zusätzlich die an sich bereits schmale Fahrbahn. Josuah Parker sorgte für ein kurzes, aber nachdrückliches 13
Intermezzo. Er bewegte einen der vielen kleinen Kipphebel auf dem Armaturenbrett und löste bei dem Lenker des Zweirads unmittelbar darauf totale Finsternis aus. Aus Düsen, die unter dem Wagenheck versteckt angeordnet waren, schoß eine pechschwarze Wolke hervor, die aus Ruß und Fett bestand. Sie legte sich sofort auf das Zweirad und löste bei dem Lenker eine gewisse Unsicherheit aus, die sich dadurch zeigte, daß das Zweirad in einem Sandhaufen steckenblieb. Die beiden Personen auf dem Krad absolvierten artistengerecht einen Salto vorwärts und klatschten anschließend in einen offenen Container, der mit Styroporresten und ähnlichem Abfall gefüllt war. Eine weißgelbe Staubwolke wallte hoch. Styroporreste wirbelten durch die Luft. Parker hatte angehalten und setzte zurück. Dabei achtete er auf die Rußwolke, die sich erstaunlich schnell auflöste. Da keine anderen Fahrzeuge betroffen waren, brauchte Parker sich nicht zu sorgen. Die kleine Auseinandersetzung mit den Zweiradlern blieb ohne Folgen. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis zwei weißbestäubte Personen am Rand des Containers erschienen und die Visiere der Jet-Helme freirieben. Die Motorradbenutzer waren im losen Mörtel gelandet und hatten sich zusätzlich geblendet. Sie tasteten mit ausgestreckten Armen und Händen herum, suchten nach Orientierung und rutschten dann im Schutt des Containers wieder ab und verschwanden. »Falls Mylady nicht an einem unmittelbaren Gespräch interessiert sein sollte, könnte man weiterfahren«, schlug der Butler vor. »Meine Wenigkeit hat sich das Kennzeichen des Zweirads gemerkt. Eine spätere Kontaktaufnahme ist daher jederzeit gegeben.« »Tun Sie nur, was ich für richtig halte«, entschied Lady Agatha 14
in bewährter Manier. »Alles zu seiner Zeit, wie ich immer sage.« Josuah Parker deutete ein Kopfnicken an. * »Sagte ich nicht bereits, daß es sich um eine Falle handelt, Mister Parker?« fragte Lady Agatha, als man das Clubhaus erreicht hatte. Es handelte sich um einen fast schon häßlich zu nennenden Backsteinbau, der an das Kesselhaus einer Fabrik erinnerte. Er stand in einer schmalen Straße, die direkt hinüber zum nahen Stadion führte. Die Straße machte jetzt am späten Nachmittag einen verlassenen Eindruck. Die Reihenhäuser in der Nähe, die Einfahrten zu einigen Kleinbetrieben, das alles wirkte irgendwie unheimlich. »Meine Wenigkeit rief nach dem ersten Anruf Mister Splitters im Clubhaus an«, erklärte Parker seiner Herrin, »die Nummer wurde selbstverständlich einem Telefonbuch entnommen.« »Und dennoch, das hier ist eine Falle, Mister Parker«, behauptete Lady Agatha erneut. »Ein sensibler Mensch wie ich spürt so etwas auf Anhieb. Lassen Sie sich also nicht überraschen.« Der Butler hielt vor dem Eingang zum Clubhaus. Zu beiden Seiten gab es große Messingtafeln, die den Namen des Fußballclubs nannten. Die Tür war schwer und bestand aus Eichenholz. Parker verließ den Wagen und langte dabei nach seinem Universal-Regenschirm, dessen Bambusgriff er sich über den angewinkelten linken Unterarm legte. Dann schritt er würdevoll um den Wagen herum und öffnete die hintere Tür für Lady Simpson. Sie war gerade ausgestiegen, als ein bullig aussehender Geländewagen heranpreschte, dem drei junge Männer entstiegen, die abenteuerlich gekleidet waren. Über ihre Jeanshosen fielen gesäßlange weiße Hemden, über denen sie wallende Blousons 15
und Tücher trugen. Sie präsentierten hochgeschnürte Springerstiefel an den Füßen und trugen Ledermützen. Alle drei machten einen aggressiven Eindruck. »Weiterfahren, Leute«, verlangte einer von den Jeep-Fahrern fast beiläufig. »Abhauen, Leute, sonst machen wir euch Beine.« »Sollte man sich auf einem privaten Grund befinden?« erkundigte sich Josuah Parker in bewährter Höflichkeit. »Schnauze!« fuhr der junge Mann ihn an. »Schwirrt ab, bevor wir euch Beine machen!« »Wo wollt ihr überhaupt hin?« fragte der zweite Jeep-Benutzer jetzt und schob sich an Lady Agatha heran. Er musterte sie in einer Mischung aus Spott und Ungeduld. »Mylady und meine bescheidene Wenigkeit beabsichtigten, einen gewissen Mister Splitters aufzusuchen«, beantwortete Parker die Frage, obwohl sie mehr an seine Herrin gerichtet gewesen war. »Er soll Ärger mit einigen Schlägern haben.« Parker wartete die Reaktion nicht ab, sondern handelte umgehend. Er stach mit der Spitze seines Schirmes auf die rechte Zehenpartie des Aufdringlichen und durchbohrte wohl das solide Leder des Springerstiefels. Die Schirmspitze aktivierte die Nervenpartien oberhalb der Fußwurzelknochen und löste dort einen gewissen Schmerz aus. Der Getroffene brüllte auf und verwandelte sich augenblicklich in einen nicht unbegabten Solotänzer, der auf dem intakten linken Fuß hüpfte und dabei spitze Töne produzierte. Lady Agatha war nicht die Frau, die untätig belieb. Auch sie reagierte und bemühte sich um den zweiten Jeep-Fahrer, der sie ironisch gemustert hatte. Agatha Simpson verabreichte ihm ziemlich undamenhaft einen ordentlichen Tritt ans linke Schienbein und bedachte ihn unmittelbar danach mit einer ihrer gefürchteten Ohrfeigen. Da die ältere Dame ziemlich kraftvoll, aber erfolglos Golf 16
spielte, war ihre Muskulatur nicht gerade unterentwickelt. Die Ohrfeige reichte völlig aus, um den jungen Aufdringlichen zu Boden zu werfen. Er fiel über seinen Partner, der gerade gestolpert war, und verhedderte sich mit ihm. Der dritte Mann hatte den Mund weit aufgerissen und staunte intensiv. Mit solch einer Entwicklung hatte er nicht gerechnet. »Sie gehören sicher zu jenen Personen, die sich Bisons nennen, nicht wahr?« erkundigte sich Parker, ihn mit einem kühlen Blick musternd. »Nee, nee, ganz bestimmt nicht«, erfolgte die Antwort. »Wir kommen von Ray Robbins und…« Erst jetzt ging ihm auf, daß er bereits zuviel gesagt hatte. Er preßte die Lippen fest aufeinander und betätigte sich anschließend als Sprinter. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis er in einem Torweg verschwunden war. Parker nahm den Zündschlüssel des Jeeps an sich und warf ihn sicherheitshalber in einen nahen Gully. Dann wartete er, bis auch die beiden anderen Männer sich verabschiedeten. Sie waren nicht mehr sicher auf den Beinen, wie sich deutlich zeigte. * Edward Splitters war etwa fünfundvierzig, mittelgroß, fast schlank und gab sich sportlich. Er trug einen leger geschnittenen Blazer und eine dunkelblaue Hose. Sein normalerweise wohl gebräuntes Gesicht zeigte jetzt den grauen Unterton der Angst. Er hatte seine Besucher vorsichtig eingelassen und verriegelte anschließend wieder die Tür. »Ich hab’ vom Fenster aus alles mit angesehen«, sagte er dann. »Ich glaube noch immer nicht, was ich gesehen habe.« »Was wollen Sie denn gesehen haben, guter Mann?« erkun17
digte sich die ältere Dame. »Na ja, wie Sie mit diesen Schlägern umgesprungen sind«, antwortete Edward Splitters. »Offen gesagt, so was hätte ich Ihnen nicht zugetraut.« »Man sollte sich in Lady Simpson niemals täuschen, Mister Splitters«, empfahl Parker dem technischen Direktor des LCWClubs. »Sie sind völlig allein hier im Clubhaus?« »Bert Runners ist noch oben«, beantwortete der Mann die Frage. »Runners ist unser Schatzmeister. Und bei ihm ist noch May Luton, seine Sekretärin.« »Mylady wünscht, diese Personen kennenzulernen«, gab der Butler zurück und deutete mit der Schirmspitze auf eine breite Holztreppe, die ins Obergeschoß führte. »Vor allen Dingen möchte ich eine Erfrischung, junger Mann«, grollte die ältere Dame den technischen Direktor an. »Ein guter Brandy oder auch ein alter Sherry würden meinem Kreislauf sicher nicht schaden.« »Haben… haben wir alles oben im Büro, Mylady«, verhieß Splitters und ging voraus. »Glauben Sie, daß die Schläger noch mal zurückkehren?« »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Mister Splitters«, entgegnete der Butler. »Man wird die erlittene Schmach rächen wollen.« »Woher haben Sie von mir erfahren?« machte Mylady auf sich aufmerksam, bevor der technische Direktor seine Klagen vorbringen konnte. »Von Mister Retcliff vom Präsidium des LCW, Mylady«, kam die Antwort. »Er kennt Sie von der Handelskammer her, wie er sagte.« »Wie auch immer.« Die Detektivin zuckte die Achseln. »Sie haben keinen Aufzug hier im Haus?« »Leider nein, Mylady. Hier steht alles unter Denkmalschutz 18
und darf nicht verändert werden. Glauben Sie, daß Sie diese Erpresser ausschalten können?« »Mylady schloß bisher jeden übernommenen Kriminalfall erfolgreich ab, Mister Splitters«, warf Josuah Parker ein. »Sie wurden bisher immer nur per Telefon belästigt, Mister Splitters?« »Immer nur am Telefon, Mister Parker.« Splitters hatte seine Gäste ins Obergeschoß dirigiert und ging weiter voraus. Er steuerte eine geräumig angelegte Vorhalle an, in der in diversen Vitrinen Trophäen des Fußballclubs ausgestellt waren. Es gab da scheußlich anzusehende Salatschüsseln, aufdringlich wirkende Silberkannen und mächtige Pokale. Messingtafeln kündeten von Siegen des Clubs über in- und ausländische Vereine. Man sah auf den ersten Blick, daß man es mit einer nationalen Institution auf dem Gebiet des Fußballs zu tun hatte. »Auch ich habe seinerzeit mal Fußball gespielt«, erklärte Lady Simpson, die vor einer Vitrine haltmachte. Sie klappte ihre Stielbrille auseinander und musterte durch dieses Lorgnette eine Art Bowlenservice. »Sie… Sie haben tatsächlich Fußball gespielt?« Der technische Direktor blieb jäh stehen und bedachte die ältere Dame mit einem ungläubigen Blick. »Ich war eine sehr begabte Mittelstürmerin, junger Mann«, behauptete Agatha Simpson. »Ich war geradezu gefürchtet.« »Tatsächlich?« Splitters schien nervös zu werden. »Ich werde es Ihnen beweisen.« Sie hatte längst das Netz erspäht, in dem einige Fußbälle lagen. Sie zog das grobmaschige Ding auf und holte erstaunlich gelenk einen Ball heraus, den sie dann in der Manier eines Torwarts oder Baseball-Spielers mehrfach auf den Boden tippte. Dabei verklärte sich ihr Gesicht. Und Parker fürchtete um die gepflegte Inneneinrichtung. Er kannte das Temperament seiner Herrin. 19
»Ich spielte Fußball im Rahmen der allgemeinen Emanzipation, junger Mann«, redete die ältere Dame freundlich weiter. »Damals gab es die Suffragetten-Bewegung.« »Aha…« Edward Splitters hatte keine Ahnung, was das war. Er schielte inzwischen leicht beunruhigt nach dem Fußball und dachte sicher an Schlimmes. »Es handelt sich um eine ehemalige Frauenrechtlerinnen-Bewegung, Mister Splitters«, übersetzte der Butler den Begriff und verbeugte sich leicht und nur beiläufig. Lady Agatha hatte nämlich den Ball in die Luft geworfen und nahm ihn dann volley. Sie erwischte tatsächlich den richtigen Moment und kickte den Ball aus der Luft heraus in Richtung Eingangstür. Dabei verschätzte sich die ältere Dame ein wenig, was die Richtung und die Energie betraf, die sie dem Ball per Schuhspitze mit auf den Weg gab. Der Fußball zischte haarscharf an Parkers Melone vorüber und hielt unbeirrbar auf eine Wandvitrine zu, in der einige barocke Porzellanteller sich bisher gelangweilt hatten. Nun aber wurden sie von dem runden Leder aktiviert und barsten auseinander. Das Klirren von Scheiben und das Brechen von Porzellan waren unüberhörbar. »Hoppla«, sagte Lady Agatha und lächelte. »Ich glaube, ich habe einen Treffer erzielt.« Parker widersprach keineswegs und ließ auch seine Pokermiene unbewegt. * Agatha Simpson fand den angebotenen Sherry recht passabel und nickte dem technischen Direktor aufmunternd zu. Edward Splitters, der nach wie vor einen nervösen Eindruck machte, hatte seine beiden Mitarbeiter zu sich ins Büro gebeten. 20
May Luton, die Sekretärin des Schatzmeisters, war eine etwas betulich aussehende Frau von etwa fünfzig Jahren, die man durchaus als wohlgerundet bezeichnen konnte. Sie hing förmlich an den Lippen des Schatzmeisters Bert Runners, den Parker auf etwa fünfundvierzig Jahre schätzte. Er war ein etwas weichlich wirkender Mann, der wie ein übergroßer Junge wirkte. »Natürlich könnten wir die geforderten Gelder aufbringen, Mylady«, bestätigte er gerade fast vorwurfsvoll. »Die Finanzen unseres Clubs sind ausgezeichnet, aber das Präsidium meint, daß man einer Erpressung auf keinen Fall nachgeben sollte.« »Eine Haltung, die man im Grundsatz nur bejahen kann und muß«, ließ Josuah Parker sich vernehmen. »Wurden genaue Daten genannt? Mister Splitters war am Telefon nicht in der Lage, Details anzugeben.« »Die erste Rate soll am kommenden Samstag ausgehändigt werden, und zwar während der Räumung des Stadions nach dem Spiel«, schaltete der Schatzmeister sich ein. »Einen besseren Zeitpunkt hätte man gär nicht wählen können«, meldete der technische Direktor sich wieder zu Wort. »Sie wissen wahrscheinlich nicht, was dann im Umfeld eines Stadions los ist.« »Entsprechende Bilder sieht man häufig im Fernsehen, meine Herren«, antwortete Butler Parker. »Genaue Hinweise für die geplante Geldübergabe wurden bisher noch nicht gegeben?« »Nichts, Mister Parker«, bedauerte der Schatzmeister, »aber bis zum Samstag sind es ja noch drei Tage.« »Bis dahin werde ich auch den anstehenden Fall gelöst und abgeschlossen haben«, ließ Lady Agatha sich in ihrer bekannten Manier vernehmen und nickte dem Butler zu. »Mister Parker, Sie wissen ja, worauf es mir ankommt. Sie dürfen entsprechend handeln.« »Myladys Vertrauen wird den Eifer meiner Wenigkeit nur 21
noch zusätzlich vertiefen«, behauptete der Butler, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Er wandte sich an Edward Splitters. »Wer weiß von der geplanten Erpressung sonst noch, wenn man fragen darf?« »Der Präsident, sein Stellvertreter, Mister Runners, unser Schatzmeister, Miß Luton und schließlich ich.« »Für mich ist selbstverständlich jeder verdächtig«, stellte die ältere Dame in ihrer bekannt direkten Art fest und maß die Anwesenden mit einem kühlen Blick. »Moment mal«, protestierte der technische Direktor, »meinen Sie damit auch mich?« »Oder vielleicht sogar mich?« wollte der Schatzmeister wissen. »Wie schrecklich«, hauchte die Sekretärin und senkte den Blick. »Natürlich auch den Präsidenten und seinen Stellvertreter«, machte Lady Simpson klar. »Wie lauteten die Namen noch?« »Mister Owen Retcliff und Nail Prittens«, half der technische Direktor eilfertig aus. »Aber diese Herren sind natürlich über jeden Verdacht erhaben.« »Papperlapapp, junger Mann!« fuhr Mylady ihn geradezu barsch an. »Ist ein Präsident etwa ein besserer Mensch? Das gibt es doch nicht.« »Sie verzichteten absichtlich darauf, die Polizei zu informieren?« Parker wandte sich Edward Splitters zu. »Sie erwähnten dies bereits am Telefon. Womit drohte man, falls es dennoch getan würde?« »Ich… ich wage kaum, darüber zu sprechen.« Splitters holte tief Luft. »Nun haben Sie sich nicht so, junger Mann«, reagierte Lady Simpson frostig. »Ich brauche Tatsachen, wenn ich die Kriminellen fangen soll.« »Man drohte damit, einige unserer Spitzensportler ins Hospital 22
zu schicken«, redete der technische Direktor weiter und dämpfte unwillkürlich die Stimme. »Mehr sagte man am Telefon nicht, aber man braucht ja kaum Phantasie, um sich da gewisse Dinge vorzustellen, nicht wahr?« »Keine Einzelheiten, junger Mann«, forderte Lady Agatha grollend. »Ich werde diesem Spuk ein baldiges Ende bereiten. Ist es nicht so, Mister Parker?« »Auf den oder die Täter dürften unangenehme Stunden zukommen«, prophezeite der Butler und deutete in Richtung Mylady eine Verbeugung an. Sie antwortete mit einem Lächeln, das man als wohlwollend bezeichnen konnte. * Der Butler machte sich grundsätzlich keine Illusionen. Er kannte sich in der kriminellen Szene aus und wußte jene Personen einzuschätzen, die in ihr lebten. Danach war mit der Rückkehr der drei Männer zu rechnen, die sich vor dem Clubhaus störend einschalten wollten und die man erst mal in die Flucht geschlagen hatte. Möglicherweise hatten sie sogar bereits Posten bezogen und warteten mit Verstärkung darauf, eine Retourkutsche zu fahren. Parker hatte das Büro des technischen Direktors verlassen und stand in einem Raum, dessen Fenster zur Straße führten. Der Butler hatte sich neben einem solchen aufgebaut und suchte nach Spuren der Hooligans. Sie machten es ihm leicht und legten es vermutlich sogar darauf an, gesehen zu werden. Drei junge Männer, die Parker vorher nicht registriert hatte, standen neben einem Ford und tranken Bier aus Dosen. Dazu rauchten sie intensiv und bemühten sich durch Gesten und lautes Reden, Überlegenheit zu demonstrieren. 23
Die drei anderen Schläger aus dem Jeep standen neben ihrem Wagen und wirkten wesentlich konzentrierter, was wohl damit zusammenhing, daß sie Mylady und den Butler bereits hinreichend erlebt hatten. Josuah Parker hatte keineswegs die Absicht, sich mit den jungen Hooligans eine Straßenschlacht zu liefern. Sie alle warteten wohl nur darauf, daß er mit Lady Agatha das Clubhaus verließ. Dann war für sie mit Sicherheit der Zeitpunkt gekommen, sich zu revanchieren. Der Butler hatte längst seine High-Tech-Gabelschleuder aus einer Innentasche seines schwarzen Covercoats hervorgeholt und machte sie betriebsfertig. Er prüfte die beiden Gummistränge der Y-förmigen Schleuder, die Lederschlaufe, die die Stränge miteinander verband, und entschied sich, was die Munition betraf, für hartgebrannte Ton-Erbsen, die er mittels der Schleuder über erstaunlich weite Distanzen beförderte. Er schob das Fenster so weit hoch, bis er ohne jede Verrenkung die erste harte Erbse an den Mann bringen konnte. Dazu spannte er die Gummistränge und schickte das seltsame Geschoß dann auf die Reise. Es nahm sehr viel Energie mit und übertrug sie nach kurzem Flug auf die Stirn eines der drei Biertrinker. Der Getroffene warf kommentarlos seine Bierdose in die Luft, wollte sich an die Stirn fassen, fand jedoch nicht mehr die Kraft dazu und legte sich dann rücklings über eine Mülltonne. Die beiden anderen Hooligans, die seitlich vor ihm standen, hatten davon nichts bemerkt, Sie tranken weiter, setzten die Bierdosen ab und sprachen miteinander. Bis einer der beiden Schläger in die Knie ging, haltsuchend nach einem Hydranten faßte, abrutschte und dann seitlich auf dem Gehweg liegenblieb. Dies machte den dritten Mann am Ford stutzig. Er beugte sich vor, wandte sich dabei ein wenig um und rief seinem Partner 24
offensichtlich etwas zu, merkte aber erst jetzt, daß auch der andere Partner außer Gefecht gesetzt worden war, und suchte sofort sein Heil in der Flucht. Er kam erst gar nicht auf die Idee, sich um seine Partner zu kümmern. Die dritte Ton-Erbse erwischte ihn im Nacken und veranlaßte ihn, sich an einer Bauchlandung zu versuchen, die natürlich total mißglückte. Der zuletzt Getroffene wälzte sich ab, kroch wie ein Riesenwurm weiter und hielt auf einen Torbogen zu. Die drei Hooligans, die ihre Kontakte mit Lady Agatha und Butler Parker bereits hinter sich hatten, waren auf die Vorgänge aufmerksam geworden und zogen ihre Schlüsse daraus. Sie kamen zu der Auffassung, daß blitzschneller Ortswechsel ihrer Gesundheit ungemein zuträglich war, und setzten sich mit ihrem Jeep ab. Parker wunderte sich darüber, daß man sich nicht um die Ruhenden kümmern wollte. Flucht schien für die Jeep-Benutzer die einzige Alternative zu sein. Die erste Begegnung mit Lady Simpson und ihm, Josuah Parker, dürfte die drei Hooligans innerlich völlig verunsichert zu haben. »Nun, Mister Parker« erkundigte sich Lady Agatha, die mit Splitters auf dem Treppenabsatz erschien, »kann ich damit rechnen, daß einige Lümmel sich mit mir anlegen?« »Meine bescheidene Wenigkeit muß überaus bedauern, Mylady«, gab der Butler zurück. »Zur Zeit scheinen die Rächer sich anderweitig zu beschäftigen.« »Wie schade.« Die passionierte Detektivin seufzte und bedachte den technischen Direktor mit einem entsagungsvollen Blick. »Leider scheint man mir manchmal ganz bewußt aus dem Weg zu gehen.« *
25
Horace Pickett war um die sechzig Jahre alt, groß, schlank und ging überall als pensionierter Offizier durch, der es mindestens bis zum Oberst gebracht hatte. Pickett, der zum gebräunten Gesicht einen sauber gestutzten, schmalen Oberlippenbart präsentierte, trug mit Vorliebe sportliche Kleidung und einen Trenchcoat, der mit seinen Schulterklappen den militärischen Eindruck noch verstärkte. Vor Jahren war der Mann mal Taschendieb gewesen, der sich als eine Art Robin Hood betrachtet hatte. Er hatte eindeutig den Reichen genommen und den Armen geholfen. Bis er mal eine falsche Brieftasche in seinen Besitz gebracht hatte, die von einem Mafioso stammte. Parker hatte seinerzeit einige Mühe aufgewendet, um Pickett vor den intensiven Nachstellungen der Mafia zu beschützen. Seit dem fast tödlichen Intermezzo wandelte der ehemalige Eigentumsübereigner auf den Pfaden der Tugend und war ein zuverlässiger Mitarbeiter Parkers und der Lady Simpson. Seine Spezialität war das Observieren von Personen. Dank seiner vielen Bekannten konnte er Beschattungen rund um die Uhr ausführen. Er verehrte Lady Agatha und war bereit, für die ältere Dame durchs Feuer zu gehen. Parker aber brachte er höchsten Respekt entgegen und hätte sich für ihn vierteilen lassen. Horace Pickett erwartete das skurrile Paar aus Shepherd’s Market an einem kleinen Platz in der Nähe von Turfneil Park, stieg während eines kurzen Stopps in den Wagen und nahm neben Parker auf dem Beifahrersitz Platz. Er wandte sich sofort an Lady Agatha und teilte ihr mit, der Fahrer des im Sandhaufen gelandeten Zweirades sei ein gewisser Rob Singer, der in der kriminellen Szene keineswegs unbekannt wäre. »Details besprechen Sie bitte mit Mister Parker«, gab Lady Agatha wohlwollend zurück. »Gibt es sonst noch Dinge, die ich 26
unbedingt wissen müßte, mein Bester?« »Ich habe mich auch nach Ray Robbins erkundigt, Mylady«, antwortete Horace Pickett. »Sehr gut«, lobte sie verhalten. »Und wer ist das nun wieder?« »Der Auftraggeber jener jungen Hooligans, Mylady, die vor dem Clubhaus des Fußballvereins gegen Mylady in etwas ungewöhnlicher Weise demonstrierten«, erinnerte Josuah Parker. »Natürlich, Mister Parker, wer denn sonst?!« Sie schnaubte ein wenig verächtlich. »Diese Subjekte wollten mich doch am Betreten des Clubs hindern, nicht wahr?« »Mylady beweisen wieder mal, wie präzise Myladys Gedächtnis zu arbeiten pflegt«, meinte der Butler, wobei sich in seinem glatten Gesicht kein Muskel rührte. »Alles eine Frage der inneren Disziplin, Mister Parker.« Die ältere Dame kuschelte sich in der Wagenecke zurecht und schloß die Augen. Sie wollte ein wenig meditieren, wie sie den beiden Männern vorn im Wagen mitteilte. Parker kam ihrer Absicht entgegen und ließ die bisher versenkte schußsichere Trennscheibe zwischen dem Fond des Wagens und den Vordersitzen hochschnellen. Dies geschah mit einem verblüffenden Tempo, für das der Butler mechanisch gesorgt hatte. Es gab immer wieder mal Situationen mit ungebetenen Fahrgästen, die man ohne Vorwarnung isolieren mußte. »Mister Rob Singer dürfte in der Szene aus guten Gründen nicht völlig unbekannt sein«, erinnerte der Butler an den Fahrer des Zweirads. »Dazu werden Sie sicher einige Hinweise geben können, Mister Pickett.« »Rob Singer wird als Spezialist in Sachen Mord gehandelt, Mister Parker«, antwortete der ehemalige Taschendieb. »Er ist eindeutig brandgefährlich.« »Man kann diese Person also von Fall zu Fall mieten, Mister 27
Pickett?« »Gegen ein sehr gutes Honorar, Mister Parker«, bestätigte Pickett. »Daß man ihn auf Mylady und Sie angesetzt hat, ist schon erstaunlich.« »Er folgte Mylady und meiner Wenigkeit, als man das Haus in Shepherd’s Market verließ, um Mister Splitters aufzusuchen.« »Könnte es in der Geschäftsleitung eine undichte Stelle geben, Mister Parker?« Vom kurzen Telefongespräch her wußte Pickett, worum es ging. »Man sollte eine solche Möglichkeit auf keinen Fall ausschließen«, fand der Butler. »Aber da gibt es auch noch diesen Mister Herbie Wallot, der drei sogenannte Bisons vor Myladys Haus sandte, die man dazu bringen konnte, den Vorplatz zu verlassen.« »Um Wallot werde ich mich speziell kümmern, Mister Parker«, versprach der ehemalige Umverteiler fremden Teilvermögens. »Ray Robbins, um auch den noch abzuhandeln, ist eine Art Bandenführer und wohnt in Paddington. Er hat dort eine TeeStube.« »Wäre Mister Robbins eine großangelegte Erpresserabsicht zuzutrauen, Mister Pickett?« »Ihm selbst wohl kaum, Mister Parker«, erwiderte Pickett nach kurzem Zögern, »aber ich könnte mir vorstellen, daß er sich von einem Einzelgänger hat kaufen lassen.« »Hinweise, Mister Pickett, die mehr als nur interessant sind«, stellte der Butler fest. »Bereits jetzt dürfte feststehen, daß der LWC-Fußballclub für einige Gruppen beobachtenswert ist.« »Und in allen Fällen traten Hooligans auf, Mister Parker?« vergewisserte sich der einstige Eigentumsumverteiler. »In der Tat, Mister Pickett«, bestätigte der Butler. »Sie sollen sicher dafür sorgen, daß man abgelenkt wird und die Übersicht verliert.« 28
»Oder daß man in einem Hospital landet«, warnte Pickett. »Diese Gefahr sollte man auf keinen Fall übersehen«, entgegnete Josuah Parker. »Man muß wissen, daß der Kontakt mit den Randalierern des Mister Wallot mehr als zufällig war. Mylady bestand darauf, in der Nähe des Stadions eine Abkürzung zu wählen.« »Natürlich, Mister Parker.« Pickett nickte. »Erst danach kam ja der Anruf vom technischen Direktor des Clubs.« »Und danach wieder erfolgte die Verfolgung durch Mister Rob Singer, der mit seinem Sozius von einem Sandhaufen gebremst wurde, um es mal so auszudrücken.« »Er muß ja wohl wissen, wer ihn eingekauft hat«, meinte Horace Pickett. »Und er wird sich dazu durchringen müssen, Mylady die entsprechende Information zu geben«, kündigte der Butler an. Er blickte kurz in den Rückspiegel und warf einen prüfenden Blick auf die ältere Dame. Agatha Simpson lag gelöst in ihrer Wagenecke und meditierte ausgiebig. Immer dann, wenn sie unter deutlichen Schnarchtönen ausatmete, rührten sich die Federn auf ihrem bemerkenswerten Hutgebilde. Sie erweckten den Eindruck, als plustere eine überdimensional große Henne sich auf, um nach Konkurrentinnen zu picken. * Es war inzwischen fast dunkel geworden. Lady Agatha reckte sich in ihrer Wagenecke, orientierte sich kurz und vermißte den ehemaligen Umverteiler von Fremdeigentum. Parker beantwortete die entsprechende Frage nach ihm. »Mister Pickett ist bereits wieder unterwegs, um Mylady mit Informationen versorgen zu können«, meinte der Butler. »Er 29
kümmert sich um Mister Herbie Wallot.« »Was ich mir auch ausgebeten haben möchte, Mister Parker«, erwiderte die ältere Dame nachdrücklich. »Dieser Wechwood ist wer…« »Mister Herbie Wallot dürfte der Anführer der sogenannten Bisons sein«, erinnerte Parker in seiner bekannt diskreten Art. »Ich weiß, ich weiß«, erfolgte die ebenfalls stereotype Antwort in leicht gereizter Form. Anschließend behauptete Lady Simpson, sie hätte alle Details im Kopf. »Die Bisons, Mylady, erschienen in einer Dreiergruppe vor Myladys Haus«, fügte der Butler sicherheitshalber hinzu. »Ich sehe sie noch genau vor mir, Mister Parker«, behauptete sie wie selbstverständlich. »So etwas vergißt man einfach nicht. Und zu diesem Subjekt werden Sie mich nun bringen?« »Zu Mister Rob Singer«, nannte der Butler höflich den Namen. »Mister Singer ist der Zweiradfahrer, der mit seinem Sozius in einem Sandhaufen landete.« »Dies war ein hübscher Anblick.« Agatha Simpson lächelte versonnen und zeigte eindeutig Schadenfreude. »Mister Rob Singer gehört zu jenen Personen, die man gegen Honorar mit der Ausführung eines Mordes beauftragen kann.« »Diesem Individuum werde ich umgehend das Handwerk legen«, versprach die Detektivin und machte jetzt ein grimmiges Gesicht. »Ich muß wissen, wer mir dieses verkommene Subjekt auf den Hals geschickt hat, Mister Parker.« »Dies, Mylady, ist die zentrale Frage. In wenigen Minuten dürfte man mehr darüber in Erfahrung bringen können.« »Ich bin bereits an Ort und Stelle?« »Im Stadtteil Bloomsbury, Mylady«, gab der Butler Auskunft. »Mister Singer mimt in seinem Kleinbetrieb den Spezialisten für die Sanierung von Badewannen.« »Das müssen Sie unbedingt noch mal wiederholen, Mister Par30
ker«, bat die ältere Dame und gluckste amüsiert. »Mister Rob Singers Kleinbetrieb befaßt sich mit der Sanierung von schadhaften Badewannen, Mylady, wie Mister Pickett eruieren konnte.« »Kriminelle lassen sich immer wieder neue Tarnungen einfallen«, stellte Lady Simpson fast anerkennend fest. »Nun gut, ich werde jetzt den Sanierer sanieren, Mister Parker. Treffen Sie alle erforderlichen Vorbereitungen.« »Mylady können in wenigen Augenblicken den Betrieb selbst in Augenschein nehmen«, kündigte der Butler an und minderte erneut die Geschwindigkeit seines hochbeinigen Monstrums. Sekunden später deutete er mit der linken Hand auf ein Ladengeschäft mit zwei Schaufenstern, deren Scheiben mit einst weißem, jetzt aber vergilbtem Packpapier zugeklebt waren. Der Hinweis auf den Scheiben, man befasse sich mit Badewannen, war nur noch schemenhaft auszumachen. Vor dem Eingang stand eine Ford-Limousine der Mittelklasse wesentlich interessanter aber war die Ladefläche eines kleinen Pick-up-Transporters, auf dessen Pritsche ein reichlich zerbeultes und mitgenommenes Zweirad lag, dessen Kennzeichen Parker allerdings nicht auszumachen vermochte. Er ging aber davon aus, daß es sich um genau jenes Motorrad handelte, auf dem die beiden Verfolger gesessen hatten. Die ältere Dame stieg aus dem hochbeinigen Monstrum und brachte ihren perlenbesetzten Pompadour in erste Schwingung. Mylady war bereit, einen potentiellen Mörder zusammenzustauchen. * Josuah Parker liebte Überraschungen. Er konnte sich gut vorstellen, daß man Mylady und ihn bereits 31
zur Kenntnis genommen hatte. Falls dem nun so war, mußte man mit einem entsprechenden Empfang rechnen. Man hatte es schließlich mit Profis zu tun, die ihr mörderisches Handwerk inund auswendig kannten. Der Butler kam also Aggressionen zuvor und bedachte die wohl mit Sicherheit anwesenden Personen im Laden mit einer seiner Neuentwicklungen. Dabei handelte es sich um einen völlig normal aussehenden, jedoch transparenten Kugelschreiber, durch dessen Gehäuse oder Schaft man durchaus die Schreibmine sehen konnte. Ahnungslose konnten mit diesem Gerät sogar schreiben und kamen wohl nie auf den Gedanken, daß sie es mit einer miniaturisierten Blitzlichtbombe zu tun hatten. Klappte man den Halteclip rechtwinklig zum Schaft ab, dann dauerte es gerade noch anderthalb Sekunden, bis das starke Blitzlicht zündete. Danach hatte man es mit einer kleinen Sonne zu tun, die für einen Augenblick für intensive Blendung sorgte. Parker drückte die Tür zum Ladenlokal auf und warf das Schreibgerät in den Raum. Gleichzeitig wandte er sich ab und schloß fest die Augen. Er kannte schließlich die Intensität dieser Blendung. Dennoch bekam seine Netzhaut eine gehörige Portion von der gleißenden Lichtflut ab. Parker drückte mit der rechten Schulter die Tür zum Ladenlokal auf und verschaffte sich mit schnellem Blick eine erste Übersicht. Er nahm zur Kenntnis, daß offensichtlich drei Männer wie nach einer Kälteschock-Behandlung in einem fast geräumten Geschäft in Sesseln saßen und jede Übersicht verloren zu haben schienen. Sie rührten sich nicht, blickten starr und ausdruckslos aus großen, geöffneten Augen ins Leere und reagierten kaum, als Parker einen Gruß entbot. »Was… was war das gerade?« fragte endlich einer der drei Männer und schaffte es, sich vorsichtig die Augen zu reiben. 32
»Ich sah nichts mehr!« »Ein Zustand, der sich bald ändern dürfte«, beruhigte der Butler und wandte sich dem Fragenden zu. »Sie sind Mister Rob Singer, nicht wahr?« »Und… und wer sind Sie?« fragte der mittelgroße, durchtrainiert wirkende Mann. »Sie dürften erst vor kurzer Zeit einen kleinen Unfall überstanden haben«, erklärte der Butler. »Ihr Hals zeigt Schrammen, die man mit Heftpflaster behandelt hat.« »Wer, zum Teufel, sind Sie?« wiederholte der Mann seine Frage und fuhr zusammen, als Parkers schwarz behandschuhte Hände Kontakt mit ihm suchten. Der Mann bekam nicht mit, daß er unmittelbar darauf nicht mehr über seine Automatic und die Brieftasche verfügte. Parkers Geschicklichkeit war frappierend. Der Behandelte hatte wie beabsichtigt auf einen Fingerdruck reagiert und darauf seine ganze Aufmerksamkeit konzentriert. Tatsächlich aber hatte Parkers linke Hand für klare Verhältnisse gesorgt. Der Mann war entwaffnet und entpuppte sich als Rob Singer, wie ein schneller Blick in die Brieftasche zeigte. Die beiden anderen Männer mochten um die Zwanzig sein und waren damit rund zehn Jahre jünger als Singer. Auch sie rieben sich inzwischen die Augen und hofften auf eine neue Sicht. Parker wußte indes, daß alle drei Männer noch zwei bis drei Minuten benötigten, um wieder normal sehen zu können. Um erst gar keine Irritationen aufkommen zu lassen, entwaffnete er auch die beiden jüngeren. Sie merkten noch nicht mal im Ansatz, daß sie waffenlos wurden. »Sie bringen sicher Verständnis dafür auf, Mister Singer, daß man erst jetzt auf Ihre vermutlich dringende Frage eingehen kann und wird,« schickte der Butler voraus. »Sie haben die Ehre und das Privileg, Lady Simpson einige Fragen beantworten zu 33
dürfen. Mein Name ist übrigens Parker, Josuah Parker.« Er reagierte so, wie Parker es im Grunde erwartet hatte. Rob Singer, der inzwischen wohl schon erste Umrisse erfassen konnte, langte verstohlen nach seiner Schulterhalfter und stutzte deutlich und sichtbar, als seine suchenden Finger die erwartete Waffe noch nicht mal zu ertasten vermochten. »Darf man Ihnen Hilfe anbieten?« frage Parker. »Wer, zum Teufel, hat… Sie haben mich gefilzt, ja?« Singer wollte aufbrausen, brachte sich aber schnell wieder unter Kontrolle. »Im Rahmen einer gewissen Vorbeuge war meine Wenigkeit so frei, Sie von der Automatic zu entlasten, Mister Singer«, gab der Butler zurück. »Sie wurden Mylady als eine Person geschildert, die gern und schnell zur Waffe greift.« »Und die mir jetzt sagen wird, für wen sie mich auf dem Motorrad verfolgte«, ließ Lady Agatha sich vernehmen. Sie befand sich längst im fast leeren Geschäftslokal und inspizierte gerade ein paar Wanneneinsätze, die in einem Winkel des Raumes aufgestellt worden waren. »Sie glauben doch nicht im Ernst, daß ich Ihnen etwas sagen werde, Lady, wie?« Er hatte seine volle Sehkraft zurückgewonnen, Lady Agatha und ihren Butler gemustert und sich reelle Chancen ausgerechnet. Rob Singer drückte sich blitzschnell aus seinem Sessel und wollte Parker attackieren. Agatha Simpson schien mit solch einem Angriff jedoch gerechnet zu haben. Ihr bereits pendelnder Pompadour stieg steil nach oben und knallte an die Kinnspitze des Miet-Mörders. In diesem Pompadour befand sich Myladys sogenannter Glücksbringer. Das Hufeisen, das von einem mächtigen Brauereipferd stammte, sorgte immer wieder dafür, daß die streitbare Dame Attacken glücklich und zu ihren Gunsten überstand. 34
Das Hufeisen war nur oberflächlich in dünnes Schaumgummi eingeschlagen und besaß enorme Durchschlagskraft. Rob Singer erlebte das gerade an seiner eigenen Person. Nach dem Kontakt mit dem Pompadour blieb er wie erstarrt stehen, rang nach Luft, bekam einen blauroten Kopf und schraubte sich dann mit den Windungen eines Korkenziehers in Richtung Fußboden. »Nun stellen Sie sich gefälligst nicht so an, junger Mann!« fuhr die ältere Dame ihn an. »Glauben Sie nur ja nicht, sich in eine Ohnmacht flüchten zu können. Dagegen habe ich ein probates Mittel.« Sie zog eine ihrer bratspießähnlichen Hutnadeln aus dem eigenwilligen Hut und erreichte damit, daß der Miet-Mörder sich zusammenriß. Er schien an dieser Hutnadel keineswegs interessiert zu sein. * »Sie verfolgten Lady Simpson in wessen Auftrag, Mister Singer?« lautete Parkers Frage. »Ich möchte doch sehr hoffen, junger Mann, daß Sie nicht zu schnell antworten«, warf die Detektivin ein. Sie prüfte mit der Kuppe ihres linken Mittelfingers die Spitze der Hutnadel. »Ich… ich hab’ keinen blassen Schimmer, für wen ich mich da aufs Motorrad gesetzt habe«, antwortete der Miet-Mörder geradezu hastig und machte sich klein. »Ich… ich bin angerufen worden. Und man hat mich für ‘ne Beschattung engagiert. Mehr war das nicht.« »Nach einem Anruf der von Ihnen geschilderten Art pflegen Sie Ihr Zweirad zu besteigen und eine Observation vorzunehmen?« Parkers Stimme klang höflich wie stets. »Nein, nein, eigentlich… In diesem Fall aber…« Rob Singer 35
stotterte. »Man wollte mir dafür rund tausend Pfund über den Tisch schieben. Schneller kann man ja sein Geld schließlich nicht verdienen, oder?« »Ich denke, ich werde es doch mit der Akupunktur versuchen«, ließ die ältere Dame sich erfreut vernehmen. »Akupunktur…?« Die Frage des Profis klang sehr zerdehnt. »Mylady arbeitet an einer Theorie, wonach man durch Akupunktur wahrheitsgemäße Aussagen erreichen kann«, klärte Parker den Miet-Mörder auf. »Aus Gründen der Seriosität sollte allerdings gesagt werden, daß es hin und wieder zu unerklärbaren Zwischenfällen kommt.« »Mann, machen Sie mich nicht wahnsinnig!« Singer warf den beiden Leibwächtern einen wütend-auffordernden Blick zu und wartete auf eine Intervention. Doch die Männer machten einen ausgesprochen phlegmatischen Eindruck und lächelten in einer Art, die zu einer gewissen Besorgnis Anlaß bot. Sie schienen in sich hineinzuhorchen und grinsten ob der Dinge, die sie hörten, freundlich und erwartungsvoll zugleich. Ihr innerer Seelenzustand hing mit einem Spray zusammen, den Parker ihnen verabreicht hatte. Er stammte aus einem kleinen Taschenzerstäuber, der kaum größer war als die Hülse eines Lippenstiftes. Der Wirkstoff, den der Butler anzubieten hatte, entspannte und löste Aggressionen zugunsten von freundlicher Milde. »Legen Sie dieses Individuum doch einfach in einen der Wanneneinsätze, Mister Parker«, schlug Lady Agatha vor. »Falls es zu einer Panne kommen sollte, wird wenigstens nicht der Fußboden verdorben.« »Fußboden verderben… Wovon reden Sie da eigentlich?« Die Stimme des Mord-Profis wurde schrill. Er hatte natürlich längst verstanden, weigerte sich aber, das alles durchzudenken. »Mylady hat gewisse Blutverluste im Auge«, übersetzte Parker 36
ernst und höflich wie stets. »Ich… ich werde wahnsinnig«, stöhnte Rob Singer erneut. »Dies, Mister Singer, sagten Sie bereits«, erinnerte der Butler. »Wenn Sie sich jetzt freundlicherweise in den Wanneneinsatz verfügen würden?« »Ich werde Sie anzeigen«, drohte Singer. »Ich hänge Ihnen einen Prozeß an den Hals.« »Mylady sieht einer solchen Entwicklung mit großer Gelassenheit entgegen«, meinte Parker. »Vergessen Sie übrigens nicht, in den Einsatz zu steigen.« »Okay, okay«, erfolgte dann der keuchende Einstieg in die Antwort, »Pete Rostale hat mich engagiert.« »Und wie lautete der Auftrag?« »Ich sollte euch für ein paar Tage in ein Hospital verfrachten, mehr aber wirklich nicht.« Singer bemühte sich um einen treuherzigen Blick. »Und mit welchen Mitteln wollten Sie dies erreichen?« wünschte der Butler weiter zu erfahren. »Ihr solltet mit eurem Schlitten an ‘ne Hauswand schrammen«, lieferte der Miet-Mörder weitere Einzelheiten. »Auf einen Vorschlag Ihrerseits hin wäre dies kaum geschehen.« »Ich wollte euch mit ‘ner Kanone und mit ‘nem Schuß in den Reifen von der Fahrbahn bringen«, log der potentielle Mörder. Parker zweifelte keine Sekunde daran, daß der Mann gezielt hatte schießen wollen. »Welchem Beruf geht Mister Pete Rostale nach? Wo kann man ihn mit Sicherheit finden?« »In Soho. Der hat da ‘n Schreibwarengeschäft.« »Ich werde die Angaben nachprüfen, junger Mann. Und ich hoffe doch sehr, daß Sie mich belogen haben«, ließ Agatha Simpson sich grimmig vernehmen. »Oder wollten Sie mich enttäu37
schen?«
* � »Sie haben wieder mal einen Fehler begangen, Mister Parker«, stellte Lady Agatha eine halbe Stunde später fest. Sie befand sich im Fond des hochbeinigen Monstrums und ließ sich von Parker nach Soho bringen. Dort wollte man einen gewissen Pete Rostale besuchen und ihm einige Fragen stellen. »Meine Wenigkeit hat sich Myladys Unwillen zugezogen?« wollte der Butler wissen. »Sie hätten die Wannen, in die Sie die Lümmel gelegt haben, mit kaltem Wasser füllen müssen«, meinte Lady Agatha. »Aber was nicht ist, kann ja noch werden.« »Mister Rob Singer hätte die Vorzüge einer Kaltwasserbehandlung mit Sicherheit nicht wahrzunehmen vermocht, Mylady«, meinte der Butler. »Der Beruhigungsspray, mit dem auch er bedacht wurde, läßt solche Empfindungen nicht aufkommen.« »Habe ich von diesem Gangster schon mal etwas gehört, Mister Parker?« Sie wechselte das Thema. »Er scheint bisher Myladys Nähe gemieden zu haben«, antwortete Josuah Parker. »Man wird ihn eindringlich fragen müssen, ob er Beziehungen zum Clubhaus des LWC-Vereins hat.« »Das übernehme selbstverständlich ich, Mister Parker«, meldete die Detektivin ihre Absicht an. »Sie wissen ja, wie geschickt man in solch einem Verhör sein muß.« »Mylady werden sicher wieder Zeichen setzen«, behauptete der Butler, wobei sich in seinem Gesicht kein Muskel rührte. »Nun ja, ich bin darin wirklich nicht schlecht«, lobte sie sich erneut und lächelte versonnen. »Habe ich es noch weit? Falls ja, sollte ich irgendwo eine Kleinigkeit zu mir nehmen. Um diese Zeit, Mister Parker, habe ich sonst mein Dinner.« 38
»Mylady werden in wenigen Minuten eine erstaunliche Auswahl an einschlägigen Lokalen finden«, wußte der Butler. »Mylady brauchen dann nur noch zu entscheiden, welche internationalen Spezialitäten Mylady zu sich nehmen wollen.« Während Parker sprach, ließ er sein hochbeiniges Monstrum bereits ausrollen und hielt vor einem kleinen Schreibwarengeschäft, das von zwei Eßlokalen flankiert wurde. Links vom Zielort bot ein Chinese Reis aller Art an, rechts davon ein Türke Gyros in allen Spielarten. »Sehr hübsch«, meinte die ältere Dame. »Ich denke, ich werde beide Küchen testen, Mister Parker.« »Vielleicht in Gegenwart des Mister Pete Rostale, Mylady?« »Und wie stelle ich mir das vor?« »Man könnte ihm einige Kostproben beider Küchen mitbringen, Mylady. Mit einer gewissen Gegenwehr sollte man durchaus rechnen.« Nun, sie entschied sich für eine Doppelportion Gyros und Pommes frites. Sie ließ sich die Köstlichkeiten einer Schnellküche in eine Pappschale geben und nickte ihrem Butler dann aufmunternd zu. »Gehen wir«, sagte sie. »Ich bin bereit, der Gerechtigkeit wieder mal zum Sieg zu verhelfen.« Parker drückte die Tür zum Schreibwarengeschäft auf und… funktionierte umgehend seine schwarze Melone in eine Frisbeescheibe um. Er warf die Kopfbedeckung aus dem Handgelenk in Richtung Verkäufer, der neben einer altertümlichen Kasse stand und in einem Magazin blätterte. Der etwa Zwanzigjährige wurde durch die heransirrende und landende Melone daran gehindert, nach seiner zweifelsfrei vorhandenen Schußwaffe zu greifen. Der stahlverstärkte Rand der Melone traf das Handgelenk des Mannes und lähmte die Finger. Als der Unglückliche nach 39
einem erstickten Aufschrei weglaufen wollte, legte sich der Bambusgriff von Parkers Universal-Regenschirm um den Hals und hielt den Fluchtwilligen ruckartig fest. »Man wünscht erst mal einen mehr oder weniger entspannenden Abend«, sagte der Butler, während er den Verwirrten zu sich heranzog. »Eine gewisse geistige Flexibilität dürfte sich für Ihre weitere Gesundheit förderlich auswirken.« »Wo steckt Ihr Arbeitgeber, junger Mann?« schaltete die ältere Dame sich grollend und ungeduldig ein. »Haben Sie ruhig den Mut, mich zu belügen.« »Der… der is’ oben beim Fernsehen«, kam prompt die Antwort. »Sie sind Anhänger welchen Fußballclubs?« »Fußballclub?« Der junge Mann runzelte die Stirn und merkte nicht, daß er gerade von Parker entwaffnet worden war. »Ach so… Fußballclub… Also, ich steh’ auf den LWC.« »Mister Singer pflegt dort ein- und aus zu gehen?« »Der kennt da ein paar Leute… Ganz sicher.« Der Mann nickte. »Und wen, um genau zu sein?« Parker konnte durchaus knappe Fragen stellen, wenn es die Lage erforderte. »Das weiß ich nicht. Ich glaube, das ist der Zeugwart.« »Was ist denn das für ein Mensch?« Lady Agatha räusperte sich explosionsartig. »Ich hoffe doch sehr, daß Sie mich zum Narren halten, junger Mann.« »Der Zeugwart, Mylady, ist für das gesamte Umfeld einer Mannschaft zuständig«, übersetzte Parker. »Dazu gehören die Schuhe, der Dreß der Mannschaft, die Getränke und auch die Bälle. Man könnte ihn im übertragenen Sinn des Wortes ein Mädchen für alles nennen.« »Jim is’ auch für die Reisen zuständig«, machte der junge Mann sich bemerkbar und merkte erst mit einiger Verzögerung, daß er schon zuviel zum Thema beigetragen hatte. 40
»Der erwähnte Herr verfügt sicher über einen Nachnamen«, stellte der Butler fest. »Selbst wenn Sie ihn jetzt verschweigen, wird man ihn ausfindig machen können.« »Und dann werde ich überall erklären, Sie hätten ihn mir verraten, junger Mann«, meinte Lady Agatha boshaft. »Es wird mir dann ein Vergnügen sein.« »Jim Mulford«, lautete die fast hastige Antwort, »aber hauen Sie mich nicht in die Pfanne.« »Man wird Ihre Hilfsbereitschaft entsprechend honorieren«, beruhigte Parker den jungen Mann. »Was nicht heißt, daß man Ihnen Geld in die Hand drücken wird«, schränkte Lady Simpson sofort ein. »Wo kann ich Sie jetzt erst mal einschließen?« »Drüben, in der Toilette«, schlug der junge Mann eine Spur zu eifrig vor. »Ein freundlicher Hinweis, dem man allerdings mit Sicherheit nicht nachgehen wird«, meinte der Butler. »Dort scheint es Möglichkeiten zu geben, das sprichwörtliche Weite suchen zu können. Mylady schlägt einen passenden Kellerraum vor. Oder vielleicht auch nur einen handlichen Wandschrank.« Nach diesem Hinweis bedachte Parker den jungen Mann mit einer Dosis Spray aus seinem Taschenzerstäuber. * Während der gepflegten Unterhaltung hatte die passionierte Detektivin dem Gyros zugesprochen und auch von den Pommes frites gekostet. Sie befand sich nach der kleinen Erfrischung in relativ friedlicher Stimmung und fühlte sich gestärkt, ihrem Butler hinauf ins Obergeschoß zu folgen. Sie schnaufte eine schmale und steile Treppe hoch und ließ sich dann auf einem Stuhl gleich hinter dem Eingang zu einer Art 41
Wohnzimmer nieder. Bedingt durch ihre majestätische Fülle seufzte das stark belastete Holz überdeutlich. »Was war da unten los?« fragte ein korpulenter, untersetzter Mann, der um die vierzig Jahre alt war. »Mister Pete Rostale, wie zu vermuten ist?« Parker lüftete höflich die schwarze Melone, als der Mann sich umblickte und dabei den Unterkiefer weit nach unten fallen ließ. »Lady Simpson«, stellte der Butler vor. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker. Mylady geruht davon auszugehen, daß beide Namen Ihnen etwas sagen, Mister Rostale.« »Lady… Lady Simpson?« Der Fernsehfreund sprang auf und starrte die ältere Dame weiter an. »Sie beauftragten Mister Rob Singer, alles Erforderliche einzuleiten, um Mylady und meine Wenigkeit in ein Hospital schaffen zu lassen«, schickte der Butler voraus. »Dies dürfte gewichtige Gründe gehabt haben.« »Was, zum Henker, reden Sie sich denn da zusammen?« Der Schreibwarenhändler schob sich ein wenig zu unauffällig an ein Sideboard heran, auf dem Zeitungen, leere Pizzapackungen, Gläser und Bierdosen ein trauriges Dasein führten. »Wer behauptet denn all diesen Unsinn?« »Ein gewisser Mister Singer, den meine bescheidene Wenigkeit gerade erwähnte«, lieferte der Butler die Antwort. »Mister Singer seinerseits engagierte einen in der Szene nicht unbekannten Miet-Mörder, um die Person mal so zu umschreiben.« »Das nehme ich Ihnen nicht ab. Ich kenne Singer. Solch einen Blödsinn würde der niemals behaupten.« »Er tat es nicht freiwillig, junger Mann«, ließ die Detektivin sich vernehmen. »Ich mußte ein wenig nachhelfen.« »Sie… Sie mußten nachhelfen?« Rostale schüttelte ungläubig den Kopf und lächelte mokant. »Kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.« 42
Er hatte das Sideboard erreicht und baute sich mit dem Rücken dagegen so auf, daß er mit der rechten Hand unauffällig hinter sich greifen konnte. Er glaubte wenigstens, so verfahren zu können, doch Parker hatte längst Witterung aufgenommen. Seiner Schätzung nach würde der Schreibwarenhändler bald versuchen, an eine auf dem Sideboard deponierte Waffe heranzukommen. »Ich hoffe, Ihnen gleich zeigen zu können, wie gut ich überreden kann«, sagte Lady Agatha. Sie spielte inzwischen mit einer Bierkonserve, von denen einige auf einem kleinen Beistelltisch standen. »Ihr Hobby ist die Beschäftigung mit einem gewissen Fußballclub?« Parker wechselte das Thema und… stach dann mit der Spitze seines Universal-Regenschirmes sehr gezielt zu. Er traf die rechte Armbeuge des Mannes, dessen Arm sofort paralysiert wurde Pete Rostale war nicht mehr in der Lage, nach einer Waffe zu greifen. Er jaulte überrascht und blickte dann in einer Mischung aus Unglauben und Verblüffung auf seinen schlaffen Arm, der nicht mehr seinem Willen gehorchte. In Parkers Händen wurde der so altväterlich und eng gerollte Schirm nach Wunsch zu einer Art Degen, Kendo-Stock oder auch Blasrohr. Der Butler verfügte damit über eine Mehrzweckwaffe, die ungemein harmlos aussah, es aber in sich hatte. »Der Schmerz dürfte sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gleich geben, Mister Rostale«, tröstete Parker den Kriminellen, während er eine schallgedämpfte Automatic an sich nahm, die er hinter einem Stapel von Magazinen gefunden hatte. »Schmerzen können sich aber auch steigern, junger Mann«, warnte Lady Agatha. »Sie brauchen sich nur weiterhin zu weigern, mich zu informieren. Und ich will was wissen, Mister Parker?« 43
»Mylady wünscht in Erfahrung zu bringen, Mister Rostale, für wen Sie gegen Mylady und meine Wenigkeit tätig werden sollten«, erinnerte der Butler in gewohnt höflicher Form. »Für ‘nen Unbekannten«, lautete die einigermaßen gequetschte Antwort. »Ich bin angerufen worden. Und ich sollte tausend Pfund dafür bekommen.« »Eine ähnliche Ausrede mußte sich Mylady schon mal anhören, Mister Rostale.« »Ich denke, ich werde gleich sehr ärgerlich werden«, kündigte die ältere Dame an. »Ich… ich hab’ die tausend Pfund ja bekommen«, schloß Rostale. »Die liegen da neben dem Fernseher. Die sind gleich nach dem Anruf von ‘nem Expreßboten geliefert worden. Ehrenwort, ich hab’ nichts als die Wahrheit gesagt.« »Wie schade«, seufzte Lady Agatha. * »Hier spricht der Libero«, sagte eine bewußt undeutlich gemachte Stimme die wohl einem Mann zuzuordnen war. »Sie sollten wissen, Parker, daß Sie und Ihre komische Lady verdammt gefährlich leben.« »Hinweise dieser Art scheinen zum Repertoire von Gangstern zu gehören«, gab Parker zurück. Er befand sich in der großen Wirtschaftsküche des Fachwerkhauses der Lady Simpson und bereitete ein kleines, leicht verspätetes Dinner zu. Der Butler hatte mit solch einem Anruf gerechnet. Er kannte schließlich die Praktiken der Ganoven aller Schattierungen. Sie drohten gern und versuchten immer wieder, ihre Opfer einzuschüchtern. In den meisten Fällen hatten sie damit auch Erfolg. »Wenn Sie mir komisch kommen, Parker, dann klopf ich Ihnen mal gründlich auf die Finger«, lautete die ein wenig gereizt klin44
gende Antwort. »Sie sollten zur Sache kommen«, schlug Parker vor. »Meine Wenigkeit ist gerade dabei, ein Dinner zu richten. Sie nennen sich Libero, demnach dürften Sie etwas mit gewissen Erpressungen und hundertfünfzigtausend Pfund zu tun haben.« »Ich bin der Libero«, wiederholte die undeutliche Stimme noch mal. »Ich bewege mich überall so, wie ich’s für richtig halte.« »Kann man davon ausgehen, daß Sie auf keinen Fall an Minderwertigkeitskomplexen leiden?« »Mann, Sie bringe ich noch in Fahrt, darauf können Sie sich verlassen«, ärgerte sich der Libero. »Aber schön, noch können Sie die Kurve kriegen.« »Sie haben die Absicht, Mylady und meiner Wenigkeit ein Angebot zu machen?« »Sie vergessen, daß es Fußballclubs gibt«, antwortete der Libero. »Und dafür werde ich mich nicht weiter um Sie kümmern.« »Sie möchten am kommenden Samstag ungestört Ihr Geld kassieren?« »So in der Richtung, Parker. Und falls Sie sich einschalten, wird scharf gestochen und geschossen! Aus nächster Nähe! Und wenn Sie zu aufdringlich werden, knöpfe ich mir einen von den Starspielern vor. Ich denke nicht daran, mir die Tour vermasseln zu lassen.« »Es scheint Sie nicht sonderlich zu stören, daß die Clubleitung sich mit Mylady in Verbindung gesetzt hat, Mister Libero?« »Was soll ich schon groß gegen Amateure haben?« Der Libero lachte spöttisch. »Ich habe nur was gegen die Polizei.« »Sie scheinen über einen guten Nachrichtendienst zu verfügen, da Sie wissen, daß man Mylady und meine Wenigkeit mit der Aufklärung der anstehenden Erpressung beauftragt hat.« »Amateure amüsieren mich, Parker. Von mir aus können Sie 45
sich ruhig abstrampeln.« »Vor wenigen Minuten verbaten Sie sich noch jede Einmischung, Mister Libero. Sie zeigen eine Haltung, die man nur als ausgesprochen inkonsequent bezeichnen muß.« »Schluß mit der Anmache, Parker!« erfolgte die patzige Antwort. »Sie wissen, was auf die Lady und auch auf Sie zukommt, falls Sie sich mausig machen. Sie haben keine Ahnung, was ich alles abziehen kann, wenn ich will.« »Man wird sich entsprechend überraschen lassen, Mister Libero«, entgegnete Josuah Parker. »Darf man Ihnen einen entspannenden Verlauf des Resttages wünschen?« Der Butler legte auf, bevor eine Antwort erfolgte. Und er wußte, daß er damit den sogenannten Libero bis aufs Blut reizte. Wogegen er aus taktischen Gründen überhaupt nichts hatte. * »Ich werde mir selbstverständlich alle Starspieler ansehen, Mister Parker«, sagte die ältere Dame. Sie hatte ausgiebig diniert, sich erfolgreich eingeredet, wieder mal strenge Diät gehalten zu haben, und saß jetzt in einem der tiefen Ledersessel vor dem mächtigen Kamin in der Wohnhalle und erquickte sich an einem Brandy. »Mylady vermuten unter den Spielern den erwähnten Libero?« »Aber natürlich, Mister Parker«, erwiderte sie mit Nachdruck. »Einer von ihnen will seine Bezüge noch zusätzlich aufbessern. Als Insider weiß er natürlich sehr genau, wo er den Hebel ansetzen muß.« »Insiderwissen, Mylady, dürften viele Personen im näheren Umfeld der Clubleitung haben, wenn man von den Spielern einmal absieht.« »Diese Personen kommen selbstverständlich ebenfalls in 46
Betracht«, räumte sie lächelnd ein. »Ich bin mit dem bisherigen Ergebnis meiner Ermittlungen eigentlich recht zufrieden.« »Mylady vermochten bereits erstaunliche Informationen zu sammeln«, lautete die Antwort des Butlers. »Man kennt inzwischen einige Gangster, die unmittelbar mit der Erpressung zu tun haben. Man kennt nur noch nicht den sogenannten Libero.« »Sorgen Sie dafür, Mister Parker, daß sich das schnell ändert!« verlangte die ältere Dame. Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch in diesem Augenblick war ein hoher Piepton zu vernehmen, der die Trommelfelle reizte. Man konnte ihn einfach nicht überhören. »Wie schön«, kommentierte die passionierte Detektivin diesen Wamton. »Man will mich also wieder mal ungebeten besuchen, Mister Parker?« »Mylady dürften sich sofort vergewissern können.« Parker hielt bereits die kleine Fernbedienung in der linken Hand und drückte mit dem rechten Zeigefinger nacheinander einige Tasten. Auf dem Bildschirm eines Kontrollmonitors im Wandschrank neben dem verglasten Vorflur erschienen zwei gut erkennbare Gestalten, die dabei waren, sich über eine übermannshohe Mauer aus Sandsteinquadern zu stemmen. Die solide Mauer, die einen völlig unverdächtigen Eindruck machte, begrenzte das Grundstück, auf dem das FachwerkhausEnsemble stand, nach hinten und schloß noch einen recht schmalen Wirtschaftsweg mit ein. Jenseits der Mauer gab es einen kleinen, eingezäunten Park, der zu einem benachbarten staatlichen Institut gehörte und abends geschlossen wurde. Für berufsmäßige Unterweltler war es natürlich eine Kleinigkeit, dieses Hindernis zu überwältigen. Mit der hohen Mauer hatte man da schon erheblich größere Schwierigkeiten. 47
Die beiden Männer, deren Arme und Köpfe man eben noch gesehen hatte, schoben sich nun vollends ins Bild. Sie legten sich flach auf die abgerundete Mauerkrone, um sich nicht gegen den nächtlichen, erstaunlich hellen Himmel abzuheben. Sie nahmen ausgesprochen innigen Kontakt mit einer durchlaufenden Bürste auf, die nur etwa einen Zentimeter hoch war. Sie wirkte wie der mißlungene Versuch, die Mauerkrone gegen ein Übersteigen zu schützen, und löste bei Einbrechern sicher nur mitleidiges Lächeln aus. Diese Kontaktbürste hatte es allerdings in sich. Sie konnte fernbedient und aufgeladen werden. Bei einer Stromstärke von null Komma fünf Ampere konnte die Bürste sich durchaus mit den Türgriffen von Parkers hochbeinigem Monstrum messen. Selbst robuste Naturen widerstanden solch einem Stromstoß nicht und reagierten wie Weidevieh, das Kontakt mit einem elektrischen Zaun aufgenommen hat. Der Butler wartete, bis die beiden Männer die richtige Position eingenommen hatten. Sie legten ihre Unterarme fast synchron über die runde Mauerkrone und ließen ihre Körper dann entlang den Quadern nach unten rutschen. Parker löste den Stromstoß aus. Er konnte sicher sein, daß die beiden Eindringlinge in hohem Bogen hinunter auf den Wirtschaftsweg geworfen wurden. Und er sollte sich nicht getäuscht haben! Die Kerle lösten sich von der Mauerkrone, als hätte man sie ruckartig zu Boden geschmettert. Sie landeten auf dem feinen Kies und blieben in seltsam verrenkter Haltung regungslos liegen. Ihre Muskeln hatten sich ruckartig zusammengezogen, waren verkrampft und sorgten für einen Zustand der Katalepsie. »Sehr schön, Mister Parker«, sagte die Hausherrin. »Ich werde die Individuen morgen verhören. Ich habe jetzt zu tun. Es gibt da einen Kriminalfilm, den ich eingehend studieren muß.« 48
»Mylady können jederzeit über meine Wenigkeit verfügen«, gab der Butler zurück. »Vielleicht darf man später noch einen Imbiß nachservieren?« »Führen Sie mich nicht unnötig in Versuchung, Mister Parker«, mahnte sie freundlich, »aber ich fühle mich bereits überredet. Meine Schwäche spielt mir wieder mal einen Streich!« * Sie blickten ihn aus weit geöffneten, entsetzten Augen an und waren nach wie vor nicht in der Lage, sich zu rühren. Parker teilte ihnen mit, dies würde höchstens noch wenige Minuten dauern. Nachdem er die beiden Übersteiger beruhigt hatte, entwaffnete er sie und fand pro Person ein Springmesser, eine Automatic und zweihundert Pfund in kleinen Scheinen. »Die Herren haben ihr Verpflegungsgeld offensichtlich bereits mitgebracht«, sagte Parker und bedachte ihre Handgelenke mit seinen Wegwerf- oder Einwegfesseln. Es handelte sich dabei um etwa fünfzig Zentimeter lange Plastikstreifen, die ungefähr anderthalb Zentimeter breit waren. Die Fesseln, die an Kabelbinder erinnerten und über einen sehr einfachen, aber wirkungsvollen Verschluß verfügten, waren glasfaserverstärkt und nur mit einem speziellen Seitenschneider zu durchtrennen. Falls Betroffene wütend an den Plastikstreifen zerrten und zogen, erreichten sie nur, daß die Fesseln sich dank des Verschlusses noch enger zusammenzogen. Die beiden Mauerbesteiger merkten erst einige Minuten später, daß, man ihre Hände gefesselt hatte. Die Verspannung der Muskeln hatte sich gelockert. Sie konnten auch wieder sprechen. Und einer von ihnen, der kleiner und schmaler war als sein Partner, giftete. Er versprach Parker, ihn bei passender Gelegenheit in Streifen zu schneiden. 49
»Alles zu seiner Zeit«, reagierte der in gewohnter Höflichkeit. »Meine bescheidene Wenigkeit kann durchaus verstehen, daß Sie ein wenig unwirsch sind. Die zweihundert Pfund dürften nur so etwas wie eine Anzahlung gewesen sein. Da Sie Ihren Auftrag mit Sicherheit nicht ausführen können, werden Sie auf die Restsumme verzichten müssen.« »Versuchen Sie ja nicht, mir was einreden zu wollen«, fuhr der nächtliche Besucher den Butler gereizt an. »Von wegen Anzahlung und Restgeld und so.« »Sie kamen auf eigenes Risiko?« »Was denn sonst?« lautete die nach wie vor gereizte Antwort. »Für wen sollten wir denn Ihrer Ansicht nach gekommen sein?« »Nun, möglicherweise für eine Person, die sich der Libero nennt«, antwortete Josuah Parker. »Es käme allerdings auch ein Mister Pete Rostale in Betracht. Oder die Herren Wallot und Robbins.« »Wollen Sie mich mit Namen eindecken?« spottete der ungebetene Besucher. »Der Name Libero löste in Ihnen bereits eine Reaktion aus«, sagte Parker dem Besucher auf den Kopf zu. »Ihre Augen wurden bemerkenswert starr, als dieser Ausdruck fiel.« »Mann, das alles bilden Sie sich doch nur ein«, verteidigte sich der Schmale. »Halt endlich mal die Klappe!« schlug sein Begleiter ihm vor. »Merkst du denn nicht, wie der Typ dich ausholt?« »Mich holt kein Mensch aus«, verteidigte sich der Schmale wütend. »Ich weiß genau, was ich sage, klar? Und von einem Libero hab’ ich noch nie im Leben was gehört! Ich lass’ mich nicht kaufen…« »Demnach hatten Sie nur die Absicht, Lady Simpson einen Höflichkeitsbesuch abzustatten?« »Quatsch, ich wollte hier was abstauben«, meinte der Schmale 50
und grinste dabei anzüglich. »Aber das muß man mir erst mal beweisen. Ich hab’ ja nichts anderes getan, als über ‘ne Mauer zu steigen, weil ich mich da drüben im Park verlaufen hatte.« »Mit Ihrer Erlaubnis wird man Ihnen einen Ausweg anbieten. Hoffentlich verlaufen Sie sich nicht erneut.« »Was haben Sie vor?« erkundigte sich der Begleiter vorsichtig. »Sie sollten sich überraschen lassen«, gab Josuah Parker zurück. »Meine Wenigkeit wird Ihnen einiges anbieten. Sie dürfen mit einiger Sicherheit beeindruckt sein.« * Parker meldete sich, nachdem er den Telefonhörer abgehoben hatte. Der Butler befand sich wieder oben in der großen Wohnhalle bzw. im verglasten Vorflur. Auf der Gegenseite hörte man nur ein tiefes Durchatmen. »Sie sollten Ihrer bestimmt großen Enttäuschung Herr werden, Mister Libero«, sagte Parker höflich. »Sie haben den Vollzug Ihrer Wünsche zur Kenntnis nehmen wollen.« »Na, ja, Parker…« Die Stimme sprach wie durch ein Taschentuch. »Na ja, Sie scheinen’s geschafft zu haben.« »Ihre Miet-Schläger befinden sich in sicherer Obhut, Mister Libero«, informierte der Butler. »In den nächsten Stunden werden sie unbedingt darauf bestehen, gewisse Aussagen machen zu dürfen.« »Die wissen einen Dreck, Parker. Machen Sie sich da nur ja keine Hoffnungen.« »Sie dürften die Neugier Ihrer beiden Handlanger völlig unterschätzen«, entgegnete der Butler. »Verständlicherweise möchte meine Wenigkeit dieses Thema aber nicht weiter vertiefen.« »Sie halten sich wohl für einen tollen Durchblicker, was?« Der Libero wurde wütend. 51
»Meine Wenigkeit vermochte immerhin, den Kreis der möglichen Drahtzieher zu verengen«, machte Parker dem Mann deutlich. »Sie sollten sich vorwerfen, einige gravierende Fehler gemacht zu haben.« »Ich soll Fehler gemacht haben? Lächerlich! Wollen Sie mich unsicher machen?« »Sie sind es längst, wenn man sich diesen Hinweis erlauben darf, Mister Libero.« »Sie werden gewiß Verständnis dafür aufbringen, daß man gerade ein Phonogramm Ihrer Stimme aufnahm, Mister Libero.« »Was, verdammt, soll das schon wieder sein?« »Jede menschliche Stimme, um eine Eingrenzung vorzunehmen, hat einen sogenannten Fingerabdruck akustischer Art«, erläuterte der Butler. »Sie werden davon sicher schon gehört haben.« »Sie… Sie haben ‘nen Abdruck von meiner Stimme vorgenommen?« Das undeutliche Organ ging in heiseres Hüsteln über. »Man wird Ihre Stimme mit der einiger in Betracht kommender Personen vergleichen«, sagte der Butler. »Das angesprochene Verfahren ist im Grunde mehr als einfach, wie meine Wenigkeit Ihnen versichern darf. Man braucht dazu eigentlich nur einen Oszillographen, mit dem man Sprechmuster übereinanderlagern und vergleichen kann.« »Sie bluffen doch nur, Parker.« »Sie sollten es darauf ankommen lassen, Mister Libero«, schlug der Butler vor. »Bringen Sie nun bitte Verständnis dafür auf, daß man das Gespräch beendet. Es gilt, die Aussagen Ihrer beiden Handlanger zur Kenntnis zu nehmen.« Parker legte auf und war mit seiner Taktik zufrieden. Er hatte dem gesuchten Libero Hinweise gegeben, die der Mann nicht so ohne weiteres ignorieren konnte. Parker ging davon aus, daß der Erpresser nun einiges zu überlegen hatte. 52
Es läutete erneut, doch Parker hob nicht ab. Er konnte sich vorstellen, daß der Libero noch mal Verbindung suchte. Der Butler schaltete den Apparat auf Anrufbeantworter und begab sich dann ins Souterrain des Hauses, wo sich seine privaten Räume befanden. Er verfügte hier über einen großen Wohnraum, an den sich ein geräumiger Schlafraum anschloß. Selbstverständlich gab es ein Bad und dann Parkers private Bastelstube, jene Werkstatt also, um die ihn jeder professionelle Feinmechaniker oder Erfinder zutiefst beneidet hätte. Hier entwickelte und baute der Butler seine meist miniaturisierten Verteidigungswaffen aller Art. Sein Hinweis auf ein Phonogramm vom Libero stimmte zwar durchaus und war als verfügbare Technik längst bekannt. Doch so ohne weiteres ließen sich Stimmvergleiche nun auch wieder nicht anstellen. Dazu bedurfte es schon speziellen Materials und guter Stimmproben. Da der Erpresser bewußt verzerrt und undeutlich gesprochen hatte, wollte der Butler es erst gar nicht auf einen Versuch ankommen lassen. Ihm genügte es, den sogenannten Libero unsicher gemacht zu haben. Es war anzunehmen, daß der geheimnisvolle Erpresser schon bald scharf reagieren würde. * Sie hatten keine Ahnung, wo sie sich befanden. Sie bewohnten ein gut eingerichtetes Apartment mit zwei Schlafcouches und konnten sich über fehlenden Komfort nicht beklagen. Sie verfügten über das reguläre Fernsehen, konnten Radio hören, hatten ein Badezimmer und brauchten nur auf ein normales Fenster zu verzichten. Ihnen war klar, daß sie sich irgendwo unter der Erde befanden. Parker hatte den Leuten sichtnehmende Kapuzen übergezogen, 53
bevor er sie hinunter in das Labyrinth geschafft hatte. Hier befanden sich die Gästezimmer für Kriminelle, die für Stunden oder auch schon mal für Tage aus dem allgemeinen Verkehr gezogen werden mußten, um auf diese Weise Blutvergießen zu verhindern. Parker behandelte die Gäste des Hauses stets mit ausgesuchter Höflichkeit und stellte ihnen anheim, sich später offiziell zu beschweren oder gar Anzeige zu erstatten. Doch dazu war es bisher in keinem einzigen Fall gekommen. Parker servierte das Frühstück für die beiden Mauerbesteiger und wünschte ihnen einen guten Verlauf des zu erwartenden Tages. »Wir… wir haben uns die Sache überlegt«, sagte der Schmale, der sich vom Rand seiner bequemen Bettcouch erhob. »Wir sagen Ihnen, wer uns geschickt hat, ja…? Und dafür lassen Sie uns laufen.« »Sobald Mylady festgestellt hat, daß nicht gelogen wurde, sind die Herren wieder Herr Ihrer Zeit.« »Robbins hat uns gekauft… Ray Robbins«, erklärte der schmale Gast. »Ich denke, daß dieser Name Ihnen was sagt, oder?« »Darf man fragen, warum Sie bereit sind, Mister Robbins zu belasten?« »Der hat uns nicht gesagt, was hier los ist, dieser Idiot… Sie sind doch ein Vollprofi, oder?« »Meine Wenigkeit bemüht sich in der Tat, effizient zu agieren«, entgegnete der Butler. »Sie sind sicher, daß Mister Robbins Ihr Auftraggeber ist?« »So hat der sich im Club vorgestellt.« »Ein Mister Libero erkundigte sich kurz nach unserer Unterhaltung nach dem Verlauf des Unternehmens.« »Na ja, Robbins sagte uns im Club, er würde da ‘ne Kiste als Libero abziehen«, lieferte der Schmale weitere Hinweise. Sein 54
Partner, erheblich stämmiger, stand inzwischen auch auf den Beinen und tat gelangweilt. Parker nahm selbstverständlich zur Kenntnis, daß beide Gäste sich etwas ausgerechnet hatten. Sie wollten sicher einen Ausfall mit anschließender Befreiung riskieren. Der Butler richtete sich unauffällig darauf ein. »Sie kennen Mister Robbins von anderen Gelegenheiten her?« fragte er. »Nicht direkt«, ließ sich der stets etwas schwerfällig wirkende Partner des Schmalen vernehmen. »Robbins hat sich da einen ganz schönen Laden aufgezogen, wie man so hört.« »Sie dürften sich in dem auskennen, was man gemeinhin die Szene zu nennen pflegt«, schickte Josuah Parker voraus. »Demnach sind Sie sicher auch in der Lage, Angaben zu den Personen Wallot und Rostale zu machen.« Parker wußte genau, daß er vorerst keine Antwort auf seine Fragen erhalten würde. Die beiden nächtlichen Mauerbesteiger attackierten ihn durchaus gekonnt und wollten ihn quasi in die Zange nehmen. Sie näherten sich dem Butler von zwei Seiten und hatten die Absicht, ihn mit Handkantenschlägen in Judoart zu Boden zu schicken. Sie erlebten allerdings eine mehr als peinliche Überraschung. Das nicht gerade kleine, ovale Serviertablett wurde in den Händen Parkers zu einer äußerst wirkungsvollen Waffe. Sowohl mit den Kanten als auch mit der Unterseite bremste Parker die noch nicht mal schlecht gesetzten Schläge ab und sorgte auf diese Weise für Prellungen und blaue Flecke. Dies geschah mit schier unglaublicher Schnelligkeit und Präzision, wobei der Butler sich körperlich kaum verausgabte. Das Gefecht war bereits nach wenigen Sekunden beendet. Die beiden nächtlichen Besucher des Grundstücks saßen greinend auf der Auslegeware und verstanden die Welt nicht mehr. 55
Parker schnipste mit betont langsamen Bewegungen einige unsichtbare Stäubchen von seinem schwarzen Zweireiher und benutzte dann den Boden des Silbertabletts, um den korrekten Sitz des schwarzen Binders nachzuprüfen. »Ihre Manieren lassen Wünsche aufkommen«, stellte der Butler fest. »Die Herren sollten sie einer Prüfung unterziehen, um offen zu sein.« Sie blickten fassungslos-ungläubig, atmeten tief durch und krochen dann mehr oder weniger auf allen vieren zurück zu ihren Couches. Ihnen war deutlich anzumerken, daß sie momentan an einem Frühstück kaum interessiert waren. Parker hatte sie bereits auf andere Weise restlos bedient. * »Ich fahre also wohin, Mister Parker?« erkundigte sich Lady Simpson bei ihrem Butler. Sie saß im Fond des hochbeinigen Monstrums und machte einen ausgesprochen unternehmungslustigen Eindruck, was sicher mit ihrem Frühstück zusammenhing. Unter strenger Wahrung ihrer Diät hatte sie gegessen wie ein ausgehungerter Scheunendrescher. »Mylady haben die Absicht, Mister Ray Robbins in Paddington aufzusuchen«, erinnerte der Butler in bekannt diskreter Weise. »Mister Robbins betreibt dort eine Teestube, wie es heißt.« »Das klingt recht gut«, fand sie und nickte wohlwollend. »Gegen eine gute Tasse Tee ist nie etwas einzuwenden. Wahrscheinlich wird man dort auch hübsche Backwaren vorfinden.« »Mister Ray Robbins, Mylady, entsandte drei Hooligans in einem Jeep vor das Clubhaus des LWC-Fußballvereins, wie Mylady sich erinnern werden. Dazu stießen später noch drei weitere Schläger, die man mit diversen Ton-Erbsen dazu bringen konnte, das sprichwörtliche Feld zu räumen.« 56
»Ich habe selbstverständlich alle Einzelheiten genau im Kopf«, behauptete die Detektivin. »Ich halte dieses Subjekt für den gesuchten Mittelstürmer.« »Mylady schließen natürlich andere Personen nicht grundsätzlich aus«, baute der Butler vor. »Der gesuchte Libero kann sich durchaus auch noch hinter anderen Namen verbergen.« »Das ist doch selbstverständlich, Mister Parker«, lautete ihre strenge Antwort. »Ich werde dem Täter auf der Spur bleiben.« »Mylady haben sich in der Vergangenheit noch niemals abschütteln lassen.« »Das will ich meinen!« Sie nickte mit Nachdruck. »Auch im vorliegenden Fall wird der Täter längst bemerkt haben, wie eng ich ihn bereits eingekreist habe.« Parker hatte Glück, was die Antwort betraf. Man hatte inzwischen Paddington erreicht, und der Butler steuerte die bewußte Teestube an, die seiner Einschätzung nach wohl nur als Alibi für andere Tätigkeiten betrieben wurde. Er sollte sich nicht getäuscht haben. Die Teestube kündigte sich bereits durch intensiven Geruch nach heißem Fett und Chips an. Der Butler parkte sein hochbeiniges Monstrum etwa zwanzig Meter vor dem Eingang, half seiner Herrin höflich aus dem Wagen und schritt mit ihr zu Ray Robbins’ Teestube. Dabei passierte er kurz vor dem kleinen Imbißlokal eine Tordurchfahrt und konnte einen Blick in den Innenhof werfen. Er wunderte sich nicht, dort zwei Jeeps zu sehen. Einer der beiden hochbeinigen Wagen zeigte genau jenes Kennzeichen, das Parker sich vor dem Clubhaus eingeprägt hatte. Neben diesen beiden Fahrzeugen waren noch zusätzlich einige geländegängige Zweiräder abgestellt worden. Von den Benutzern der fahrbaren Untersätze war allerdings weit und breit nichts zu sehen. Eine fast heiße Wolke, mit Gerüchen nach Rührei und Brat57
würstchen aufgeladen, quoll dem Butler entgegen, als er die nur angelehnte Tür mit der Spitze seines Universal-Regenschirmes vollends aufstieß. Lautes Stimmengewirr erstarb schlagartig, als Parker und Lady Agatha das an sich recht kleine Lokal betraten. Hinter dem Tresen stand ein Hüne von einem Mann, der sich eine schon sehr angeschmuddelte Schürze um den kräftigen Bauch gebunden hatte. Er ließ einen rechteckigen Drahtkorb langsam niedersinken und blickte die neu Eintretenden irgendwie völlig entgeistert an. Mit ihm taten das etwa zehn bis zwölf junge Männer, die man durchaus, was ihr Aussehen betraf, den Hooligans zurechnen konnte und vielleicht auch mußte. Sie trugen durchweg mehr oder weniger zerrissene Jeans, abenteuerlich bedruckte Unterziehhemden, Springerstiefel und zeigten eine Art Einheitsfrisur. Die Burschen hatten sich das Kopfhaar kurz scheren lassen und vereinzelt für Glatzen gesorgt. Sie alle machten einen gewalttätigen Eindruck und wollten dies auch sofort unter Beweis stellen. Nach kurzer Verblüffung johlten sie, standen auf und schoben sich an Lady Simpson und Josuah Parker heran. Der Butler war überzeugt, daß unter diesen Hooligans einige waren, die er bereits vor dem Clubhaus des LWC-Vereins gesehen hatte. Er machte sich deshalb auf einen heißen Tanz gefaßt. * Parker drängte seine Herrin unmerklich zur Seite hin und sorgte dafür, daß sie von der Verkaufstheke geschützt wurde. Er selbst hob mit dem linken Unterarm den hochklappbaren Teil dieser Theke an und langte dann mit dem bleigefüllten Bambusgriff seines Schirmes nach dem Drahtkorb, den der Betreiber der Teestube in das siedende Fritieröl zurückgesenkt hatte. 58
Der Butler war ein ungemein geschickter Mensch. Mit kurzem Ruck hob er den rechteckigen Korb an, in dem die sogenannten Fritten lagerten und darauf warteten, die goldgelbe Farbe anzunehmen, schwenkte diesen Korb vollends aus dem Öl und entleerte dann den Inhalt quer über den Tresen hinweg in Richtung Meute. Die vor Fett triefenden Fritten wurden aus dem Korb geschleudert und brachten eine erstaunliche Fahrt mit. Sie erinnerten an die Schrotkugeln einer überdimensional großen Patrone, zerstreuten sich und prasselten dann auf die Hooligans ein, die sich unwillkürlich duckten, aber dennoch erwischt und getroffen wurden. Da die fritierten Erdäpfel recht heiß waren, hinterließen sie bei ihren diversen Landungen ihre Spuren. Die Getroffenen hatten ihren kollektiven Schwung längst gebremst, Arme und Hände schützend gehoben. Die eben noch gezeigte Angriffswucht war nicht mehr auszumachen. Sie hatte sich restlos gelegt. Parker schritt auf den Hünen zu, der überhaupt noch nicht begriffen zu haben schien, was da gerade passiert war. Er faßte völlig unmotiviert nach dem heißen Fritierkorb, stöhnte betroffen, weil er sich die Finger verbrannt hatte, blickte den Butler an und zuckte zusammen, als die Spitze von Parkers Universal-Regenschirm sich auf seinen Solarplexus legte. Agatha Simpson gab sich inzwischen gut gelaunt weiteren Attacken hin. Sie bedachte die Hooligans mit erfrischendem Tee, der aus einem Thermosbehälter stammte und auf einem speziellen Tisch stand. Sie hatte den Hahn voll aufgedreht und überschüttete die Schläger mit dem Getränk. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich übrigens wieder mal, wie konzentriert und engagiert die ältere Dame zu reagieren verstand. Die Hooligans duckten sich weiter ab, stießen spitze Schreie 59
aus, wischten sich den Tee von den nackten Unterarmen, aus dem Halsausschnitt ihrer Hemden, von den Gesichtern, brachten sich hinter hochgerissenen Tischen in Deckung und ergriffen schließlich die Flucht, da Lady Agatha nicht im Traum daran dachte, ihre Aktivitäten einzuschränken. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis die Hooligans die Teestube geräumt hatten. Viele von ihnen rutschten dabei über zerquetschte Bratwürste, die Lady Agatha ihnen nachgeworfen hatte, oder wurden von einem etwas zu trocken gewordenen Rührei geblendet, das die streitbare Dame einer kleinen Bratpfanne entnommen hatte. Draußen auf der Straße fand man wieder zusammen und diskutierte das Ereignis. Doch man traute sich nicht zurück in die Teestube, zumal der Hüne von einem Mann ihnen mit Stentorstimme zurief, sie sollten abhauen und verschwinden. »Vielleicht richten Sie diese Aufforderung noch mal an Ihre jungen Freunde«, schlug der Butler vor, der schon die erste Durchsage angeregt hatte. Ray Robbins verstärkte umgehend den Klang seiner Stimme und scheuchte die Hooligans dann endlich davon. Zögernd schoben sie sich in einem dichten Pulk in Richtung Torweg, den Parker und Mylady eben erst passiert hatten. Parker merkte sieh die Richtung. »Mylady schlägt vor, die Teestube für eine gewisse, aber durchaus überschaubare Zeit zu schließen«, sagte der Butler zu dem massigen Mann. »Mylady geht davon aus, daß Sie natürlich Ray Robbins sind.« »Klar doch. Und wer sind Sie?« Robbins schielte nach der Spitze des Schirmes. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, gab der Butler zurück. »Sie erfreuen sich des Vorzugs, Lady Simpson einige Fragen beantworten zu dürfen, die mit einem gewissen Libero im 60
Zusammenhang stehen.« »Ich hoffe, junger Mann, Sie werden mich jetzt angreifen«, ließ die ältere Dame sich gefährlich-freundlich vernehmen. »Sie werden doch wohl nicht vor einer Frau den Kopf einziehen, oder?« Er ging auf Myladys Aufforderung allerdings nicht ein. * »Ich streite ja gar nicht ab, von ‘nem Typ angerufen worden zu sein, der sich am Telefon Libero genannt hat«, räumte Ray Robbins sehr schnell ein. »Was ist schon dabei? Ich sollte zwei Leute wie Sie, Mylady, von ein paar Freunden abfangen lassen. Damit waren auch Sie gemeint, Mister Parker. Also hab’ ich ein paar von meinen Gästen im Jeep losgeschickt. Das ist bereits die ganze Geschichte.« »Wie lautete der Auftrag, Mister Robbins?« wollte der Butler wissen. »Die Jungens sollten Ihnen Angst einjagen… Sie verstehen schon… So mit ein paar Prellungen und Verstauchungen.« »Dafür sollte ich Sie noch nachträglich ohrfeigen, Sie Lümmel!« raunzte Lady Agatha den Fritten-Hersteller an. »Sie hatten und haben es immerhin mit einer schwachen, hilflosen Frau zu tun.« »Klar, das hab’ ich eben ganz genau gesehen«, spöttelte Ray Robbins und blickte Lady Agatha respektvoll an. »So was Wehrloses ist mir noch nie begegnet.« »Sie sind ein Anhänger des LWC-Clubs, Mister Robbins?« erkundigte sich der Butler. »Klar doch«, erfolgte die Antwort. »Die Jungens im Club sind wirklich Spitze.« »Sie kennen auch einige Herren der Clubleitung?« »Nee, eigentlich nicht, das heißt, ich hab’ manchmal mit Jim Mulford zu tun, aber den werden Sie nicht kennen, schätze ich.« 61
»Mister Mulford ist der Zeugwart des Vereins«, sagte Parker. »Richtig.« Der Hüne nickte. »Ich kenne ihn von den Fanclubs her. Mulford hält vor den großen Spielen immer so was wie ‘ne Besprechung mit den Clubanhängern ab und will damit erreichen, daß es nicht zu Straßenschlachten kommt.« »Seine bisherigen Erfolge dürften kaum meßbar sein«, stellte der Butler fest. »Haben Sie ‘ne Ahnung«, erwiderte der massige Mann. »Ich selbst hab’ hier ja ‘nen Fanclub vom LWC-Verein. Wenn wir nicht auf die Jungens einwirken würden, müßte bei den großen Spielen das Militär mit Panzerwagen aufkreuzen.« »Zurück zum bereits erwähnten Libero«, schlug Parker vor. »Ist er in jüngster Vergangenheit schon mal in Erscheinung getreten? Hatten Sie bereits früher Kontakt mit ihm?« »Nee, von ‘nem Libero hab’ ich zum erstenmal gehört«, behauptete der Herr der Fritten und Hooligans. »Klar, daß ich die tausend Pfund mitgenommen habe, die er bot.« »Dieser Libero scheint ein sehr sparsames Subjekt zu sein«, urteilte Lady Agatha, die aufmerksam zugehört hatte. Sie versuchte sich an einem gedeckten Apfelkuchen, von dem sie sich ein gehöriges Stück abgeschnitten hatte. Den Tee aus der Thermoskanne hatte sie bereits für trinkbar gehalten. »Ihr Auftraggeber verzichtete kaum darauf, Ihnen die Gründe für den Einsatz Ihrer jungen Freunde zu nennen, Mister Robbins«, unterstellte der Butler, ohne auf Myladys Bemerkung einzugehen. »Kein Wort hat dieser Libero davon am Telefon gesagt«, meinte Robbins und blickte den Butler treuherzig an. »Seit wann kennen Sie Mister Splitters?« Parker wechselte ohne jede Vorwarnung das Thema. »Den hab’ ich höchstens ein- oder zweimal während ‘ner Fanbesprechung gesehen«, lautete die Antwort. »Und noch einmal: 62
Wer dieser Libero ist, weiß ich nicht.« »Dafür sind Ihnen natürlich die Bisons bekannt, Mister Robbins«, meinte der Butler wie beiläufig und in einer Tonart, als wäre dies für ihn nun wirklich keine Neuigkeit. »Wallot und seine komischen Bisons«, lachte der »Kleiderschrank« jetzt fast amüsiert. »Das ist ein Fanclub für reine Randale, verstehen Sie? Wallot und seine Bisons ziehen nach jedem Spiel durch die Gegend und, prügeln sich mit allen, die sie provozieren können. Für die ist das reiner Sport.« »Ein Mann wie Mister Wallot wird dies kaum ohne Grund fördern, Mister Robbins«, gab der Butler zurück. »Herbie Wallot macht doch auf Schutzgeld«, kam die verblüffende Antwort. »Ich dachte, das hätten Sie gewußt. Der läßt sich von den Ladenbesitzern in der näheren Umgebung des Stadions Schutzgelder für einen Nachmittag bezahlen. Wer da nicht mitmacht, dem gehen die Scheiben zu Bruch. Damit verdient Wallot sein Geld. Einfacher geht’s wirklich nicht.« »Mister Parker, erinnern Sie mich daran, daß ich mit diesem Individuum eine spezielle Versicherung abschließe«, ließ die ältere Dame sich vernehmen. »Die Konditionen bestimme allerdings ich.« »Dann kann Wallot sich auf was gefaßt machen«, sagte Robbins energisch und zeigte Schadenfreude. * Sie standen im Torbogen und warteten darauf, sich für die heißen, öltriefenden Fritten rächen zu können. Die Hooligans hatten einen Pulk gebildet und konnten Mylady und Butler Parker leicht den Weg zum hochbeinigen Monstrum abschneiden. Parker, der die Kampfkraft der Schläger keineswegs unterschätzte, hatte sich auf eine solche Konfrontation bereits vorbe63
reitet und hielt einen seiner gefürchteten Kugelschreiber in der rechten Hand. Das Schreibgerät sah regulär aus und wirkte ausgesprochen harmlos, doch es hatte es in sich, wie sich umgehend zeigte. Parker verdrehte die beiden Hälften des Kugelschreibers gegeneinander und warf das Schreibgerät ganz offen in Richtung Pulk. Jeder der Hooligans konnte es sehen, und einer von ihnen fühlte sich angesprochen und veranlaßt, den Kugelschreiber aufzufangen. Einen Augenblick später war er dann schon nicht mehr zu sehen. Der Kugelschreiber hatte explosionsartig eine Nebelsäule produziert, die sich schnell ausbreitete. Aus der Wolke war ein mehrstimmiges Hüsteln und Husten zu vernehmen. Der an sich harmlose Reizstoff, den die Nebelwolke enthielt, beschäftigte die Streitlustigen so sehr, daß sie darüber völlig vergaßen, sich mit Lady Simpson und ihrem Butler anzulegen. »Vielleicht ein wenig zu vorschnell, Mister Parker«, räsonierte die ältere Dame und schwenkte ihren perlenbesetzten Pompadour. »Ich hätte mich eigentlich noch mit diesen Subjekten unterhalten wollen.« »Sie dürfen Myladys Wege früher oder später noch kreuzen«, prophezeite der Butler. »Mister Robbins wird darauf brennen, sich für seine Niederlage zu revanchieren.« »Er ist natürlich dieser Verteidiger oder wie immer er sich auch nennen mag.« »Mylady sprechen vom sogenannten Libero«, korrigierte der Butler in bekannt höflicher Weise. »Und Mister Robbins könnte durchaus ein bevorzugter Handlanger der gesuchten Person sein.« »Das sagte ich ja gerade«, reagierte Agatha Simpson munter. »Sie werden sehen, daß ich wieder mal recht habe.« 64
»Mylady pflegen sich niemals zu täuschen«, behauptete Josuah Parker, wobei sich in seinem Gesicht kein Muskel rührte. »Darum fahre ich jetzt auch zu wem?« »Mylady wollen sich mit Mister Wallot ins Benehmen setzen.« »Richtig.« Sie nickte mit Nachdruck. »Ihm werde ich einige harte Fragen stellen, Mister Parker. Und wer ist dieser Malone?« »Mister Herbie Wallot, Mylady, der laut Mister Robbins eine Art Randale-Gang unterhält und zeitlich limitierte Schutzgeldabmachungen trifft.« »Ich weiß, ich weiß«, wehrte sie ab. »Der Lümmel umgibt sich mit Mammuts, nicht wahr?« »Man sollte vielleicht Bisons zu diesen Hooligans sagen, von denen drei in einem Mini-Cooper vor Myladys Haus erschienen und dann im Vorbau festgehalten wurden.« »Ich werde diese Schläger zur Räson bringen«, kündigte sie unternehmungslustig an. »Wie tarnt sich dieser Bandenführer noch?« »Mister Herbie Wallot dürfte einen Billardclub betreiben, Mylady.« »Sehr schön. Sie wissen, Mister Parker, daß ich früher mal eine wahre Meisterin darin war?« »Mylady geruhten davon zu berichten.« »Meine Kunststöße waren einmalig.« Sie lächelte versonnen. »Meine Wenigkeit vermag sich das durchaus vorzustellen«, gab der Butler zurück. »Ich werde die Gelegenheit nutzen, Mister Parker, und Ihnen ein paar Trickstöße vorführen«, kündigte sie an. »Ich glaube, Sie werden sie nie wieder vergessen.« Josuah Parker verzichtete auf einen entsprechenden Kommentar. * 65
Der Billardclub befand sich im Erdgeschoß einer ehemaligen kleinen Kunststoff-Fabrik im Osten der Stadt. Stepney ging hier bereits in den Stadtteil Limehouse über. Man erreichte den Club nach dem Passieren eines Torwegs. Auf einem Parkplatz vor dem Eingang standen einige geländetaugliche Motorräder, der bewußte Mini-Cooper mit den walzenförmigen Reifen und verbreiterten Kotflügeln und schließlich ein teurer Sportwagen aus dem Haus eines italienischen Blechschneiders. Parker ging davon aus, daß der Wagen sicher von Herbie Wallot gefahren wurde. Am Eingang lungerte ein junger Mann herum, der offensichtlich Kette rauchte. Zigarettenstummel lagen auf den Treppenstufen und auf dem Boden. Als er das hochbeinige Monstrum des Butlers wahrnahm, stutzte er sichtlich, erhob sich langsam und warf eine kaum angerauchte Zigarette weg. Er schien mit dem ehemaligen Taxi etwas anfangen zu können. Wahrscheinlich, Parker unterstellte dies, gehörte er mit zu den Hooligans, die sich mit Mylady und ihm schon mal angelegt hatten. Der junge Mann in Jeans und Lammfellweste wollte hastig in den Club zurück und stand bereits dicht vor der Eingangstür. Als er sie mit der rechten Schulter förmlich eindrücken wollte, zuckte er plötzlich wie unter einem elektrischen Schlag zusammen und faßte dann im Zeitlupentempo nach der linken Gesäßhälfte. Die tastenden Finger schlossen sich um einen Gegenstand, der sich als ein stricknadellanger, buntgefiederter Pfeil entpuppte. Parker hatte dieses in einer Großstadt mehr als seltsame Geschoß abgefeuert und treffsicher ins Ziel gebracht. Der Pfeil stammte aus dem Schirmstock, der als eine Art Blasrohr ausgelegt war. Nach dem ruckartigen Wegkippen der 66
Spitze wurde die Mündung frei und entließ die jeweiligen Pfeile, die von komprimierter Kohlensäure angetrieben wurden und in der, Lage waren, erstaunlich große Distanzen zu überwinden. Der Getroffene blickte inzwischen ungläubig auf den Pfeil, den er sich aus dem Gesäß gezogen hatte, und… legte dann ein seltsames Gebaren an den Tag. Er warf den Pfeil weg und kratzte sich ausgiebig. Er schien von plötzlichem Nesselfieber erfaßt zu sein und kämpfte verzweifelt gegen wilden Juckreiz an. Darüber vergaß er, daß der Butler sich ihm näherte, den Pfeil an sich nahm, ihn in die Falten seines Schirmes steckte und anschließend die schwarze Melone lüftete. »Mister Wallot befindet sich im Haus?« fragte er. »Der is’ oben«, lautete die hastige Antwort. Der Mann, der etwa zwanzig Jahre zählte, scheuerte inzwischen seinen Rücken gegen eine Mauerkante und schloß geradezu genußvoll die Augen. »Und wo findet man den Libero?« folgte die nächste Frage des Butlers. »Libero…? Libero…? Haben wir nicht.« Der Mann scheuerte weiter den Rücken und war nicht mehr ansprechbar. Parker empfahl ihm, möglichst bald kalt zu duschen, öffnete dann die Tür und trat zur Seite, damit Lady Simpson eintreten konnte. Der junge Allergiker drückte sich an Mylady vorbei und steuerte in einem fast quadratischen Lichthof oder Vorraum die Waschräume an, die durch entsprechende Schilder deutlich gekennzeichnet waren. Die ältere Dame drückte eine breite Pendeltür auf und blickte sich um. Sie sah sich einem großen, saalartigen Raum gegenüber, in dem sechs Billardtische aufgestellt waren. Zwei von ihnen waren mit je drei Spielern besetzt. Es gab darüber hinaus im Hintergrund eine Art Bar, die dicht umlagert 67
war. Parker zählte sechs junge Männer, die dort für den Getränkeumsatz sorgten. Natürlich herrschte sofort völlige Stille, als die Spieler und Trinker Lady Simpson und Butler Parker sahen. Nur noch weniges Klicken ausrollender Billardkugeln unterbrach das unheilschwangere Schweigen. »Man erlaubt sich, einen wunderschönen und erfolgreichen Tag zu wünschen«, grüßte Parker. »Könnte es sein, daß Mister Herbie Wallot hier zu erreichen ist?« »Der is’ hier«, ließ sich umgehend eine rauhe kräftige Stimme vernehmen. In einer Nische erschien der Kopf eines großen Mannes, der dann die breiten Schultern nachschob. Parker schätzte die Erscheinung auf etwa fünfundvierzig Jahre. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor. »Meine Wenigkeit hat die Ehre und das Privileg, Lady Simpson als Butler dienlich sein zu können.« »Und was liegt an?« fragte Wallot und unterband mit einer jähen Handbewegung die Absicht einiger Jungmänner, sich mit Mylady und Parker zu befassen. Er kam aus der Nische und näherte sich im Wiegeschritt den beiden Besuchern. »Mylady ermittelt im Fall eines gewissen Herrn Libero, Mister Wallot«, schickte der Butler voraus. »Es handelt sich dabei um eine ansehnliche Erpressung zu Lasten eines bekannten Fußballclubs.« »Is’ nicht wahr!« Wallot runzelte die Stirn. »Der Kontakt einiger Ihrer Gäste hier mit Lady Simpson dürfte mehr zufälliger Natur gewesen sein«, unterstellte der Butler. »Der anschließende Besuch Myladys in Shepherd’s Market diente sicher dazu, das angeschlagene Selbstwertgefühl wiederherzustellen.« »Mann, sind Sie vornehm«, urteilte Wallot und lachte fast gemütlich. »Man muß ja direkt aufpassen, wenn Sie den Mund 68
aufmachen. Sie haben da ein paar Spieler vom Billardclub ganz schön hochgenommen, aber Schwamm drüber. Wie war das mit dem Libero?« »Es handelt sich um das Pseudonym eines Erpressers«, beantwortete der Butler die Frage. »Er will mit roher Gewalt seine Absichten in die Tat umsetzen.« »Sind Sie nun dieser Libero oder nicht?« schaltete sich Lady Agatha ein und maß den Billardclub-Betreiber mit einem abschätzenden Blick, um dann den Kopf zu schütteln. »Nein, junger Mann, ich glaube nicht. Oder sollte ich mich nicht doch getäuscht haben? Sie machen keinen besonders verschlagenen Eindruck, finde ich. Sie dürften alles mit Ihren Fäusten regeln, oder?« »Verdammt, jetzt weiß ich nicht, was ich machen soll«, antwortete Herbie Wallot und schüttelte ein wenig ratlos den Kopf. »Haben Sie mich nun gerade beleidigt oder nicht, Lady?« »Suchen Sie es sich aus, junger Mann«, schlug Agatha Simpson ihm vor. »Falls Sie Streit mit mir suchen, sollen Sie ihn haben.« Ihr perlenbestickter Pompadour pendelte bereits an seinen langen Schnüren. * »Ich bin sehr enttäuscht, Mister Parker«, räsonierte die ältere Dame zwanzig Minuten später. »Dieses Subjekt traute sich ja noch nicht mal, mich zu attackieren.« »Der tiefe Respekt vor Mylady dürfte ihn daran gehindert haben.« »Und auch diese Hooligans an den Billardtischen rührten sich nicht vom Fleck«, ärgerte sie sich weiter. »Ich hatte mich schon so darauf gefreut, mit Billardkugeln zu werfen und mit den Stöcken zu fechten.« 69
»Die Gegenseite wollte sich offensichtlich jedem Risiko entziehen, Mylady.« »Sehr unbefriedigend, Mister Parker.« Sie saß im Fond des hochbeinigen Wagens und erkundigte sich anschließend nach Verfolgern. »Meine Wenigkeit muß bedauern«, beantwortete der Butler diese Frage. »Mister Wallot scheint an einer Auseinandersetzung nicht sonderlich interessiert zu sein.« »Ich werde dieses Individuum von der Liste der verdächtigen Personen streichen, Mister Parker«, machte sie deutlich. »Oder vielleicht doch nicht völlig?« »Mylady pflegen sich niemals zu früh festzulegen«, warnte Parker. »Das ist völlig richtig«, meinte sie im Brustton tiefster Überzeugung. »Voreiligkeit ist mir ja bekanntermaßen fremd.« »Mylady überzeugen immer wieder«, gab Josuah Parker zurück. Sein Gesicht blieb glatt und ausdruckslos wie stets. »Nun, ich will dieses Thema nicht unnötig vertiefen«, lenkte sie sicherheitshalber ab. »Ich werde mich jetzt mit welcher Person befassen?« »Mylady haben die Absicht, den Zeugwart namens Jim Mulford aufzusuchen.« »Aha.« Sie nickte und runzelte die Stirn. »Und was erwarte ich von diesem Interview, Mister Parker?« »Neue Erkenntnisse, Mylady«, hoffte der Butler. »Mister Mulford ist für die Herren Robbins, Rostale und nun auch Wallot kein Unbekannter.« »Robbins und Rostale.« Sie nickte wohlwollend-wissend, und Parker ging davon aus, daß er der älteren Dame wohl einige Stichworte zu liefern hatte. »Mister Robbins, Mylady, betreibt eine Teestube und…« »… hat scheußlich schmeckenden Kuchen«, unterbrach sie 70
ihren Butler. »Er kommt als Libero nicht in Betracht, oder?« »Er könnte für solch einen Drahtzieher durchaus tätig sein, Mylady. Mister Robbins leitet eine Gang, deren Mitglieder vor dem Clubhaus des Fußballvereins tätig wurden.« »War da nicht noch etwas?« »Mylady denken an die beiden Mauerbesteiger, die wohl auch für Mister Robbins arbeiten«, gab der Butler zurück. »Er müßte nach Lage der Dinge für den Libero wirken, wenngleich er kaum wissen dürfte, wer dieser Drahtzieher ist.« »Gut, Mister Parker. Sie erzählen mir da Dinge, die ich längst gespeichert habe«, behauptete die Detektivin fast ungeduldig. »Und was ist mit der anderen Person? Ich hoffe doch sehr, daß Sie sich erinnern werden.« »Mister Rostale, Mylady, betreibt zur Tarnung seiner ungesetzlichen Aktivitäten ein Schreibwarengeschäft«, informierte Parker diskret. »Er beauftragte eindeutig Mister Singer, die beiden Miet-Mörder auf den Weg zu bringen, Mylady und meine Wenigkeit in ein Hospital zu schaffen.« »Sie landeten mit ihrem Motorrad in einem Sandhaufen.« Agatha Simpson richtete sich unmittelbar nach dieser Aussage steil auf und machte einen verblüfften Eindruck. Solches Erinnerungsvermögen hatte sie sich wohl nicht zugetraut. »Auch Mister Rostale dürfte für den Libero arbeiten, falls er nicht selbst die gesuchte Person ist, Mylady. Sein unüberhörbarer Hinweis auf Mister Mulford läßt natürlich gewisse Bedenken aufkommen.« »Richtig, Mister Parker. Gut, daß Sie dies auch so sehen«, entgegnete die ältere Dame. »Der Hinweis macht verdächtig, denke ich.« »Mister Mulford scheint eine recht bekannte Figur zu sein.« »Ich werde ihm die Maske vom Gesicht reißen, Mister Parker.« »Davon kann und muß man ausgehen, Mylady, falls Mister 71
Mulford tatsächlich eine Maske trägt«, erwiderte der Butler höflich. »Vielleicht sollten Mylady an dieser Stelle wissen, daß man auch noch die Herren des engeren Präsidiums einvernehmen müßte.« »Und sämtliche Spieler, Mister Parker«, meinte sie streng. »Vom Trainer mal ganz abzusehen. Wie heißt er eigentlich?« »Stan Matters, Mylady«, konnte Parker mit einem Namen dienen. »Mister Matters ist das, was man gemeinhin eine nationale Institution zu nennen pflegt.« »Das sind immer die schlimmsten Personen«, machte die passionierte Detektivin klar. »Ich habe da ‘meine Erfahrungen.« * Eine imponierende Erscheinung war er nicht. Jim Mulford mochte um die Fünfzig sein, war mittelgroß und hatte einen nicht zu übersehenden Bauch. Er trug einen ausgebeulten Trainingsanzug und war gerade damit beschäftigt, Fußbälle aufzupumpen. Butler Parker und Lady Agatha hatten ihn in den Katakomben des Stadions gesucht und schließlich auch in der Materialkammer gefunden. Der Zeugwart des LWC blickte die beiden Besucher überrascht und ungläubig zugleich an. Dann warf er den halb aufgepumpten Ball in einen Weidenkorb und wischte sich die Hände an der Hose ab. Er bemühte sich um ein Lächeln. »Lady Simpson und meine bescheidene Wenigkeit sind Ihnen sicher avisiert worden, Mister Mulford«, unterstellte der Butler. »Sie könnten Lady Simpson wohl mit einigen Auskünften dienen.« »Auskünfte?« fragte er zurück. »Worüber? Ich weiß von nichts, verstehen Sie?« 72
»Sie wissen mehr, als Sie ahnen, junger Mann«, erklärte die ältere Dame mit grollendem Unterton in der Stimme. »Sie pflegen Umgang mit Hooligans?« »Mit Fans, Mylady«, widersprach der Zeugwart. »Die wirft man mit den Hooligans immer wieder in einen Topf. Und das sollte man nicht tun.« »Ihnen sind mit Verlaub die Herren Robbins, Rostale und Wallot bekannt?« Parker hatte diese Frage übernommen. »Ich denke schon«, lautete die Antwort. »Ich kenne eine Menge Leute, die für den Verein durchs Feuer gehen würden.« »Ihnen ist bekannt, wie die erwähnten Personen einzuordnen sind, Mister Mulford?« »Ich kenne Wallot«, entgegnete der Zeugwart. »Der Mann ist kriminell, wenn Sie mich fragen. Der macht Randale, um daran zu verdienen.« »Sie würden ihn nicht als Fan bezeichnen, Mister Mulford?« »Niemals«, empörte sich der Zeugwart fast. »Und das gilt auch für Robbins. Der hat doch eindeutig ‘ne Gang aufgezogen. Seine Jungens aus der Teestube inszenieren kleine Straßenschlachten und prügeln sich mit Farbigen herum.« »Bliebe noch Mister Rostale, Mister Mulford«, tippte der Butler an. »Der macht auf Fan«, behauptete der Zeugwart, »aber das hab’ ich nur so am Rande beobachtet. Was der tatsächlich macht, weiß ich nicht.« »Dafür ist Ihnen aber ein Mister Singer nicht völlig unbekannt«, bluffte der Butler. »Nie von gehört«, erklärte der Zeugwart und schüttelte den Kopf. »Wie gesagt, ich habe mit einer Menge Menschen zu tun. Ich bin ja schließlich der Kontaktmann des Clubs zu den Fans.« »Sie hörten auch hoch nie von einem gewissen Libero, Mister Mulford?« 73
»Von unserem Libero, Sir? Ich bitte Sie! Natürlich kenne ich unseren Libero: Kenneth Coster. Der Mann ist einsame Spitze. Sie brauchen sich nur mal seine Traumpässe anzusehen. So was muß man erst mal suchen und finden!« »Man kann sicher davon ausgehen, daß die Spieler der Mannschaft recht ordentlich verdienen, nicht wahr?« »Da können Sie Gift drauf nehmen.« Der Zeugwart reckte sich und warf sich in die Brust. »Unser Club zahlt Spitzengehälter und Sonderprämien. Wer klasse ist, kann ein Vermögen verdienen.« »Gilt das auch für Sie, junger Mann?« erkundigte sich die ältere Dame. »Na ja, jeder nach seinem Wert«, räumte der Zeugwart ein. »Reich kann ich hier wohl kaum werden, aber ich hab’ eben einen tollen Arbeitsplatz. Ich kann mir kostenlos die Spitzenspiele aus nächster Nähe ansehen.« »Und welche Arbeit müssen Sie dafür leisten?« wollte Lady Simpson wissen. Wenn es sie interessierte, konnte sie sehr neugierig und nachdrücklich sein. »Nun ja, Lady, ich sorge für die Trikots, für die Bälle, für das Gepäck, für die Erfrischungen und für das Bewegungsbad und so… Ich habe eine Menge zu tun, aber ich mache das gern.« »Sie werden sicher, außerordentlich verwöhnt, was die Trinkgelder der Spitzenspieler angeht, Mister Mulford?« fragte der Butler. »Nee, das nun gerade nicht«, bedauerte Mulford und zog ein abfälliges Gesicht. »Die halten die Taschen ziemlich zu, auch wenn sie untereinander während der Busfahrten oder im Flugzeug ganz schön zocken. Da gehen tolle Beträge von Mann zu Mann. Bitte, ich habe nichts gesagt! Und Sie haben sicher nichts gehört!« 74
Josuah Parker hatte durchaus vor, weitere Fragen zu stellen, doch genau in diesem Augenblick war ein scharfer Knall zu hören, eine kleine Detonation, die im Keller ein erstaunliches Echo fand. Damit war dem Butler klar, daß sich Besuch ankündigte. * Er wußte natürlich nicht, wer kam und wer auf eine der von ihm ausgestreuten Knallerbsen getreten war. Sie stammten aus einem einschlägigen Fachgeschäft für Scherzartikel aller Art und erwiesen sich auch jetzt und hier wieder mal als außerordentlich effektiv. Die kleinen weißgrauen Erbsen waren auf dem Zementboden der Katakomben nicht auszumachen. Sie meldeten sich sehr nachdrücklich, falls man sie mit den Schuhen zertrat. »Was… was war denn das?« fragte der Zeugwart ängstlich. »Sie erwarten Besuch, Mister Mulford?« fragte Josuah Parker. Mit der Spitze seines Schirmes drückte er die halb geöffnete Tür zurück in Richtung Rahmen. »Nein, nein, eigentlich nicht«, lautete die Antwort. »Aber man weiß da oben ja, daß ich hier beschäftigt bin. Haben Sie sich angemeldet? Sie haben doch gefragt, ob man mich verständigt hätte, ja? Hat man nicht!« »Sie sollten vielleicht die Tür meiden«, schlug Josuah Parker vor. »Was, zum Teufel, wird hier eigentlich gespielt?« brauste der Zeugwart jetzt auf. Er blickte stirnrunzelnd auf Lady Simpson, die sich zwei aufgepumpte Fußbälle aus dem Weidenkorb holte und sie dann wie Bowlingkugeln durch den Türspalt in den Korridor rollen ließ. Da sie den Bällen viel Energie mitgegeben hatte, hüpften und 75
sprangen sie munter davon, prallten, wie deutlich zu hören war, gegen die Wände des Korridors und lösten Reaktionen aus. Ein satter Fluch war zu vernehmen, dann ein Ploppen, das auf die Schalldämpfung einer Waffe schließen ließ, die man abgefeuert hatte, dann schrammte ein metallischer Gegenstand an der Betonwand entlang. Der Zeugwart hatte inzwischen Deckung genommen. Er lag hinter einer Holzkiste und hatte sich klein gemacht, was wegen seiner Körperfülle nicht gerade leicht war. Lady Agatha hielt bereits den dritten Fußball in Händen und zuckte zusammen, als erneut ein schallgedämpftes Geschoß ihr den Ball aus der Hand schlug. In Bruchteilen von Sekunden verwandelte sich dieses Sportgerät in eine schlaffe Hülle, die an die Pelle einer überdimensional großen Wurst erinnerte. Sie war erst konsterniert, doch dann wurde Mylady ärgerlich. Sie marschierte energisch zur Tür und wollte hinaus in den Korridor, aus dem immerhin die Schüsse gekommen waren. Agatha Simpson war auf dem besten Weg, sich in akute Lebensgefahr zu begeben. Parker drängte seine Herrin geschickt ab, verstellte ihr den Weg zur Tür und schlug dabei mit dem Bambusgriff seines Universal-Regenschirmes die Leuchtstoffröhre unter der Decke entzwei. Umgehend herrschte völlige Dunkelheit. »Ein weiterer Schuß, Mister Parker?« rief Lady Agatha in Verkennung der Situation. »Davon könnte man durchaus ausgehen, Mylady«, erwiderte der Butler und drückte die Tür vollends zurück in den Rahmen. Unmittelbar darauf splitterte Holz und wirbelten Späne durch den Raum. Jenseits der Tür hatte man erneut geschossen. »Damit ist meine Geduld am Ende, Mister Parker«, ließ die ältere Dame sich aus der Dunkelheit heraus hören. »Ich ver76
lange, daß Sie sofort etwas in meinem Sinn unternehmen. Ich lasse Ihnen da völlig freie Hand.« Josuah Parker bedankte sich mit artigen Worten für das in ihn gesetzte Vertrauen und tat… nichts. * »Moment mal, was haben denn Sie hier zu suchen?« fragte ein schlanker, drahtiger und mittelgroßer Mann Mylady und ihren Butler. Sie waren gerade aus der Tiefe der Stadionkatakomben gekommen und hatten sich von dem Zeugwart verabschiedet, der auf dem schnellsten Weg ins Clubhaus wollte. »Mister Stan Matters, wie anzunehmen ist?« Parker lüftete höflich die schwarze Melone. »Stan Matters«, bestätigte der Drahtige. »Und ich warte noch immer auf Ihre Antwort auf meine Frage.« »Sie stehen einer Dame gegenüber, junger Mann«, machte Lady Simpson ihm mit grollendem Unterton in ihrer Stimme klar. »Ich bitte mir also Höflichkeit aus.« »Was heißt hier Höflichkeit?« brauste der Startrainer auf. »Ich bin hier der Hausherr. Und hier haben Fans und Besucher nichts zu suchen. Habe ich mich klar und deutlich genug ausgedrückt?« »Mylady ermittelt in einem Kriminalfall, der auch Sie betrifft, Mister Matters«, warf Josuah Parker ein. »Meine bescheidene Wenigkeit hat das Privileg, Mylady dienlich sein zu dürfen.« »Kriminalfall, der auch mich betrifft?« Der Startrainer runzelte die Stirn. »Sollten das Präsidium und der technische Direktor Sie noch nicht informiert haben?« wunderte sich Parker ein wenig aufgesetzt. »Worüber, zum Henker? Ich verstehe kein Wort.« 77
»Sie sind auf dem Weg wohin, junger Mann?« warf die ältere Dame ein. »Wagen Sie es nicht, mich zu belügen.« »Moment mal, die Fragen stelle ich hier!« »Sie waren in den Korridoren unter der Tribüne, Mister Matters?« wollte Josuah Parker wissen. »Und wenn! Was geht das Sie an?« »Auf Mylady und meine Wenigkeit wurde verschiedene Male geschossen«, gab der Butler Auskunft. »Und so etwas verstimmt mich immer wieder, junger Mann. Haben Sie eine Waffe bei sich?« »Wollen Sie mir etwa unterstellen, ich hätte auf Sie geschossen? Warum sollte ich das getan haben? Wollen Sie mir das bitte mal sagen?« »Weil Sie der Verteidiger sind. Oder der Stürmer…? Was weiß ich!« »Der Libero, Mylady«, erinnerte Josuah Parker sanft. »Wie auch immer, Mister Parker.« Sie winkte gereizt ab, um sich dann wieder dem Startrainer zuzuwenden. »Ob Stürmer oder Stopper, dieser Mann war unterwegs in den Katakomben. Sehen Sie sich doch nur seine Schuhe an.« Während sie noch sprach, zeigte sie anklagend auf die weißen Tennisschuhe, die der Trainer zu seinem Jogginganzug trug. »Was ist mit meinen Schuhen?« Matters blickte an sich hinunter in Richtung Schuhe. »Ihre an sich weißen Schuhe zeigen in der Tat gewisse Schmauchspuren«, stellte Josuah Parker fest. »Schmauchspuren, die offensichtlich von Knallerbsen herrühren könnten.« »Jetzt reicht es mir aber!« Die sprichwörtlichen Pferde gingen mit dem Mann durch. Er holte aus und wollte Parker mit einem Boxhieb bedenken, doch er hatte die Rechnung ohne Lady Agatha gemacht. Sie war wesentlich schneller als er und… trat ihm gekonnt in die rechte Kniekehle, da ein Schienbein momentan 78
nicht zur Verfügung stand. Stan Matters knickte prompt ein, geriet ins Straucheln und ließ die Faust sinken. Dann rutschte er an eine Betonwand und blickte die ältere Dame in einer Mischung aus Unglauben und Verblüffung an. »Waren… waren Sie das gerade?« fragte er irritiert. »Selbstverständlich«, lautete ihre freudige Antwort. »Mister Parker steht unter meinem Dauerschutz.« »Ich… ich glaub’s einfach nicht«, stöhnte der Startrainer nun auf und zog sein Bein an. »Sind Sie nun der Libero oder nicht?« fragte die Detektivin resolut. »Nein, Lady, nein…« Er schob sich hastig von ihr weg. »Ich weiß nicht, wer das sein soll und was es mit ihm auf sich hat, aber ich bin es bestimmt nicht.« »Woher stammen die Schmauchspuren an Ihren Tennisschuhen, Mister Matters?« wollte Parker wissen. Er ließ sich nicht ablenken. »Ich… ich war unter dem Stadion«, räumte der Trainer ein. »Ich wollte zu Mulford, aber dann hörte ich komische Geräusche da unten. Ich bin vorsichtig weitergegangen und wurde fast umgerannt.« »Von wem, junger Mann?« forschte die ältere Dame nach. »Ich habe keine Ahnung«, sagte der Trainer und hob bedauernd die Schultern. »Ich glaube Ihnen kein Wort«, machte die energische Dame ihm klar. »Sie stehen auf meiner Liste der verdächtigen Personen ganz weit oben, Sie hören noch von mir, das verspreche ich Ihnen!« »Sagen Sie mir doch endlich, wonach Sie suchen!« verlangte der Trainer. »Nach einem Erpresser, der einen ersten Teilbetrag von hun79
dertfünfzigtausend Pfund bis Samstag verlangt«, gab Parker die gewünschte Auskunft. »Wenn nicht gezahlt wird, könnte einer der Starspieler niedergeschossen werden.« »Und… und so was trauen Sie mir zu?« fuhr der Trainer hoch. »Natürlich, junger Mann«, erwiderte Lady Agatha umgehend. »Ich gehe davon aus, daß Sie dieses Geld dringend brauchen.« »Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich sagen soll«, stöhnte Stan Matters in gespielter Verzweiflung. »Jeder hier vom Club könnte doch der Erpresser sein, oder?« »Haben Sie nun Schulden oder nicht, junger Mann?« lautete Myladys direkte Frage. »In vielen Kriminalromanen ist es doch so… Sie haben am Spieltisch ein Vermögen verloren… Sie haben Spielschulden… Sie brauchen dringend Geld, um bezahlen zu können. Und wenn Sie es nicht tun, wird man Ihnen übel mitspielen.« »Sie haben zu viele Krimis gelesen«, entgegnete Matters und rang sich ein Lächeln ab, das man als leicht gequält bezeichnen konnte. Danach stöhnte er und hob abwehrend die Hände. Der Grund dafür waren zwei junge Männer, die ungeniert ihre Faustfeuerwaffen zeigten und sie auf den Trainer richteten. Sie hatten verschlossene Gesichter und waren Profis, wie der Butler sofort erkannte. Ein Mord lag in der Luft! * Josuah Parker reagierte blitzartig. Er wollte jedes Risiko eines Schusses ausschließen, eines Schusses, der dann eindeutig dem Trainer gegolten hätte. Die beiden Profis hatten es ohne Zweifel auf ihn abgesehen. »Wollen Sie sich nicht vorstellen?« fuhr Agatha Simpson die Killer an. 80
»Halt die Klappe, Schwester«, sagte einer von ihnen und grinste flüchtig. »Brauchste ‘ne neue Hüfte?« wollte der zweite Killer wissen. Er ließ den Trainer nicht aus den Augen und dirigierte ihn mit entsprechenden Bewegungen der Automatic in eine Zimmerecke. Beide Männer unterschätzten allerdings den Butler, der höflich neben seiner Herrin stand und nichts zu sehen und nichts zu hören schien. Er war das völlige Unvorhandensein in Person. Und dennoch war er sehr präsent, wie sich umgehend zeigte. Sein Universal-Regenschirm wurde zu einem Kendo-Stock. Parker, der sich in dieser fernöstlichen Kunst der Verteidigung bestens auskannte, setzte die beiden Profis matt, bevor sie überhaupt begriffen, was mit ihnen geschah. Sie blickten völlig entgeistert auf ihre nun leeren und allerdings auch schmerzenden Hände und sahen dann die Waffen vor sich auf dem Boden. Die Kerle wollten danach hechten, sie wieder in ihren Besitz bringen und das Blatt noch mal wenden, doch sie machten Bekanntschaft mit dem Morgenstern der älteren Dame. Sie hatte ihren Pompadour in Schwingung versetzt und benützte ihren sogenannten Glücksbringer. Das Hufeisen ließ die Rippen vibrieren und singen. Die beiden Männer schnappten nach Luft wie Karpfen, die man an Land gezogen hatte, und verfärbten sich sichtbar. Man schien sie frisch gekalkt zu haben, so sehr änderte sich die Gesichtsfarbe. »Falls weiterer Bedarf besteht, meine Herren, wird man Sie selbstverständlich entsprechend bedienen«, bot Parker neue Abwechslung an. Die Vollprofis knieten längst nieder und blickten aus leicht verglasten Augen den Waffen nach, die der Butler mit der Schirmspitze weggeschoben hatte. »Ich hoffe, Sie haben nicht bereits aufgegeben«, ließ Lady Agatha sich ein wenig enttäuscht vernehmen. Doch sie hatte richtig 81
beobachtet. Die beiden jungen Männer waren restlos bedient und musterten das skurrile Paar aus Shepherd’s Market mit scheuen Blicken. »Sie sollten Mylady mitteilen, wer Sie geschickt hat«, schlug der Butler dann vor und bedachte den Startrainer mit einem prüfenden Blick. »Die kommen von Butch Baker«, lieferte Matters umgehend eine Erklärung. »Er behauptet, ich hätte Spielschulden bei ihm.« »Um welchen Betrag handelt es sich, Mister Matters?« »Na ja, er spricht von achtzigtausend Pfund oder mehr. Was natürlich überhaupt nicht stimmt… Ich bin am Pokertisch betrogen worden. Baker und seine Kumpane haben mich über den Tisch gezogen.« »Mister Baker findet man wo?« »Hören Sie, ich werde das alles schon mit ihm regeln«, sagte der Trainer hastig. Als Mylady sich dann aber räusperte, nannte er schleunigst eine Adresse. »Und nun zu Ihnen, meine Herren.« Parker widmete sich den Profis. »Wie lautete Ihr Auftrag?« »Wir sollten ihn an die Spielschulden erinnern«, lieferte einer der beiden die Antwort. »In welch eindringlicher Form sollte dies geschehen?« »Er sollte ‘ne Tracht Prügel bekommen.« »Mittels der Faustfeuerwaffen?« Josuah Parker schüttelte höflich den Kopf. »Eine präzise Antwort ist im Interesse Ihres Wohlgehens durchaus angebracht.« Die beiden Männer blickten auf die ältere Dame, der Parker die Schußwaffen übergeben hatte. Sie demonstrierte Fachwissen und hantierte lustvoll mit einer der beiden Automatics. Sie lud durch, entspannte die Waffe wieder und richtete dabei den Lauf stets wie ungewollt auf alle möglichen Ziele. Dann visierte sie die Profis an, lächelte versonnen und krümmte spielerisch den 82
Zeigefinger. Die jungen Männer schwitzten Blut und Wasser. »Vorsicht!« mahnte einer von ihnen schließlich und rückte erneut zur Seite. »Vorsicht, das Ding kann losgehen!« »Nur, wenn ich provoziert werde«, wiegelte die ältere Dame ab. »Was hatten Sie mit dem Trainer vor?« »Knieschuß«, räumte man nun ein, »aber mehr nicht.« »Sie schossen unten in einem der Korridore?« »Wir waren hinter ihm her«, folgte die nächste Erklärung. »Das alles war und ist ein Mißverständnis«, ließ der Startrainer sich vernehmen. Er wirkte verlegen und war sich seiner prekären Lage durchaus bewußt. »Ich werde mit Butch Baker sprechen und alles klären. Sie können die beiden Männer ziehen lassen.« »Was sage ich dazu, Mister Parker?« erkundigte sich Lady Simpson bei ihrem Butler. »Mylady pflegen sich grundsätzlich niemals in fremde Angelegenheiten einzumischen«, behauptete der Butler. »Mister Matters dürfte im Prinzip wissen, wie gefährdet seine Knie wirklich sind.« »Hinweg!« Die ältere Dame hatte sich an die verhinderten Schützen gewandt und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf eine Tür. Die Männer, ein wenig erholt, setzten sich zögernd in Bewegung und stahlen sich anschließend davon. »Und nun zu Ihnen, junger Mann«, schickte die passionierte Detektivin grimmig voraus. »Sie, haben also Schulden und brauchen dringend einen hohen Betrag, oder?« »Das werde ich alles mit Baker regeln.« »Achtzigtausend Pfund sind eine Summe, die man nur als beträchtlich bezeichnen kann und muß.« »Mich… mich muß der Satan geritten haben, daß ich so in die vollen gegangen bin«, räumte der Startrainer ein. »Aber das mit 83
den Spielschulden bringe ich schon in Ordnung.« »Nach dem Einstreichen einer erpreßten Summe, junger Mann?« raunzte Agatha Simpson den Trainer an. »Gestehen Sie endlich, daß Sie der Libero sind!« »Wer soll denn das sein? Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen.« »Mylady dürfte Ihnen das bei passender Gelegenheit noch sagen«, schaltete Parker sich ein. »Aber Sie wollen doch sicher nicht behaupten, daß Ihnen ein Libero völlig unbekannt ist.« »Sie reden jetzt von Kenneth Coster?« »Ihr Libero auf dem Spielfeld, nicht wahr?« »Der Junge ist einmalig, der ist ein Genie«, begeisterte sich der Trainer ohne jeden Übergang. »Haben Sie ihn schon mal auf dem Spielfeld gesehen?« »Er ist mit Ihnen befreundet, wie man hört«, bluffte Parker. »Wir kennen uns tatsächlich sehr gut.« »Und er findet sich auch oft an jenen Spieltischen, die auch Sie bevorzugen.« »Manchmal schon…« Die Antwort kam zögernd. »Er hat ebenfalls Spielschulden, wie man hinter vorgehaltener Hand sagt.« »Wir waren beide in einer Pechsträhne.« »Auch Mister Kenneth Coster hat eine beträchtliche Summe verloren und Spielschulden«, wiederholte der Butler. »Mylady wünscht Zahlen zu hören.« »Glatte hunderttausend Pfund«, kam gedehnt die Antwort. »Aber behalten Sie das für sich. Wie gesagt, wir regeln das schon mit Baker. Hängen Sie die Sache nur nicht an die große Glocke.« * � »Mein Fall neigt sich langsam seinem guten Ende zu, Mister Par84
ker«, sagte die ältere Dame. »Ich bin bereits vorangekommen, nicht wahr?« »Mylady befinden sich in der Tat im Besitz erstaunlich vieler Informationen«, meinte Josuah Parker. »Und Mylady trafen wieder mal den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf, was Mister Matters betrifft.« »Ich spürte gleich, daß dieses Individuum Spielschulden hat«, lobte sie sich ungeniert. »Er ist natürlich der Libero. Oder aber sein Spielergenie. Oder beide…« »Eine geradezu verlockende Vorstellung, Mylady.« Parker geleitete seine Herrin durch einen kleinen Park hinüber zum Clubhaus des Vereins. Dort wollte er sich noch mal mit dem technischen Direktor und dessen Mitarbeitern ins Benehmen setzen. »Die beiden Insider kennen sich bestens im Club aus, Mister Parker«, begründete sie ihre Theorie. »Beide haben hohe Schulden, beide brauchen dringend Geld.« »Nach möglichen Schulden dürfte man auch die Herren Splitters und Runners fragen, Mylady.« »Unbedingt, Mister Parker. Und wer sind diese Männer?« »Mister Splitters fungiert als technischer Direktor, Mister Runners ist der Schatzmeister des Clubs. Zu den wirklichen Insidern muß man sicher auch Mistreß oder Miß Luton rechnen. Sie ist die Chefsekretärin der inneren Verwaltung.« »Ich wette, sie finanziert einen Liebhaber, der sie nach Strich und Faden ausnimmt, Mister Parker.« »Mylady deuten Möglichkeiten an, die heutzutage nicht ungewöhnlich sind.« »Ich habe gerade erst einen Kriminalfilm im Fernsehen gesehen«, fügte sie hinzu. »Darin gab es auch eine graue Maus als Sekretärin, Mister Parker. Sie wurde ausgenutzt und als Spionin mißbraucht. Man kennt solche Themen ja.« 85
»Mylady sollten sich vielleicht der Sekretärin annehmen«, regte Josuah Parker an. »Und ob ich das tue!« Sie nickte nachdrücklich. »Ich werde von ihr die Wahrheit erfahren, die ganze Wahrheit, Mister Parker. Sie wissen ja, wie diskret und mitfühlend ich auf die Probleme meiner Mitmenschen eingehe.« »Myladys Zart- und Mitgefühl sind beispielhaft«, behauptete der Butler, dessen Gesicht auch bei diesem Lob glatt und ausdruckslos blieb. Man hatte den hinteren Eingang zum Club erreicht und traf hier den Schatzmeister des LCW. Er wirkte ein wenig verlegen und lächelte verkrampft. »Sie haben ein schlechtes Gewissen, junger Mann«, sagte Lady Agatha ihm ohne jede Vorwarnung auf den Kopf zu. Bert Runners, der Fünfundvierzigjährige, der wie ein großer Junge aussah, bekam prompt einen roten Kopf und erklärte stotternd, er hätte selbstverständlich kein schlechtes Gewissen. »Könnte es sein, daß Sie dem Pokerspiel verfallen sind, Mister Runners?« fragte der Butler gelassen und höflich wie stets. »Dem Pokerspiel?« Der Schatzmeister blickte Parker fast entrüstet an und schüttelte den Kopf. »Aber Sie müssen doch ein heimliches Laster haben, junger Mann«, raunzte Lady Agatha den Mann an, »ein Laster, das viel Geld kostet und Sie in Schulden gestürzt hat.« »Aber nein! Ich habe keine Laster!« erklärte Bert Runners aufgebracht. »Reden Sie mir nur nichts ein. Gut, ich sammle Briefmarken und Schallplatten, aber das hat doch nichts mit einem Laster zu tun, nicht wahr?« »Im Falle des Mister Matters ist das anders?« »Worauf wollen Sie hinaus, Sir?« Er wurde umgehend vorsichtig. »Mylady geht davon aus, daß die Herren Matters und Coster erhebliche Vorschüsse genommen haben.« 86
»Dazu möchte ich nichts sagen, darf ich übrigens auch nicht, das sind persönliche Dinge… Datenschutz, Sie verstehen?« »Papperlapapp, junger Mann!« Agatha Simpson maß ihn mit einem eisigen Blick, unter dem der Schatzmeister sich duckte. »Ich wünsche Informationen!« »Nun ja… Beide haben Vorschüsse genommen«, flüsterte der Schatzmeister weiter. »Aber bitte, ich beschwöre Sie, das muß vertraulich bleiben!« »An welche Personen zahlten Sie weitere Vorschüsse?« ließ der Butler nicht locker. »An Mister Splitters«, erfolgte die von Parker fast erwartete Antwort. »Er hat sich bisher über hunderttausend Pfund vorschießen lassen.« »Natürlich wettet er, wie?« Die resolute Dame wußte wieder mal im vorhinein Bescheid. »Pferderennen«, bestätigte der Schatzmeister und lächelte flüchtig. »Und welchen Vorschuß ließen Sie sich bewilligen, Mister Runners?« »Diese Frage ist mir aber sehr peinlich«, zierte sich der Mann. »Mir überhaupt nicht«, setzte die ältere Dame dagegen. »Nun antworten Sie schon, bevor ich unwirsch werde.« »Ich bat den Präsidenten um einen Vorschuß von hundert Pfund«, gestand der Schatzmeister. »Ich konnte einen gebrauchten, aber gut erhaltenen Fernseher für meine Mutter kaufen. Und das Geld dazu hatte ich momentan nicht, weil ich mir einen Gebrauchtwagen angeschafft hatte.« »Sie sind ja ein Tugendbold, junger Mann«, urteilte Lady Agatha. »Legen Sie sich möglichst bald ein hübsches kleines Laster zu.« »So etwas liegt mir nicht«, erwiderte Runners fast verschämt. »Ich möchte mir später keine Vorwürfe machen müssen, schon 87
wegen meiner Mutter.« »Haben Sie eine Freundin, junger Mann?« Lady Agatha beugte sich neugierig vor. »Eigentlich nicht«, lautete die Antwort, »aber ich habe eine Heiratsanzeige aufgegeben.« * »Der Libero hat sich gemeldet, Mylady«, sagte der technische Direktor aufgeregt. »Er verlangt, daß Sie sich augenblicklich von der Sache zurückziehen.« »Diesem Kriminellen dürfte der Boden unter den Füßen zu heiß geworden sein«, freute sich Lady Simpson. »Ein gutes Zeichen. Er spürt bereits meinen heißen Atem im Nacken. Ist es nicht so, Mister Splitters?« »Ich… ich möchte… Ich muß Sie bitten, sich nicht weiter um diese Erpressung zu kümmern«, gab der technische Direktor zurück. »Ich bin sicher, daß der Libero schießen wird, wenn wir uns nicht an seine Bedingungen halten. Das kann ich einfach nicht riskieren.« »Na schön, junger Mann«, erwiderte die ältere Dame, »aber dann verlange ich die Rückerstattung meiner immens hohen Auslagen.« »Das ist selbstverständlich, Mylady«, betonte Splitters. »Ich bedanke mich für Ihr Verständnis. Ich befinde mich in einer Zwangslage und darf nichts riskieren.« »Vielleicht sollte man vorher noch einen kleinen Test machen, Mister Splitters«, regte der Butler an. »Es geht da um die Erstellung verschiedener Phonogramme.« »Und was ist damit?« Splitters machte große Augen und ließ sich dann von Parker erklären, um was es sich handelte. »Habe ich Sie richtig verstanden, Mister Parker? Sie können 88
mit diesen Phonogrammen herausfinden, wer da anonym mit Ihnen gesprochen hat?« »Mit letzter Sicherheit, Mister Splitters«, erwiderte der Butler. »Dieses Verfahren wird bereits im Bankwesen angewandt.« »Und wie funktioniert das?« Splitters zeigte reges Interesse. »Ein Bankkunde hinterläßt bei seiner Bank eine Art Stimmabdruck«, erklärte Josuah Parker. »Wenn er nun von irgendwoher anruft und um eine Überweisung bittet, vergleicht man die beiden Stimmen, nämlich die des Anrufers mit der, die der Kunde hinterlassen hat. Stimmen beide Phonogramme überein, kann die geforderte Überweisung risikolos getätigt werden.« »Faszinierend, Mister Parker«, ließ Agatha Simpson sich vernehmen. »Mein Fall hier ist so gut wie gelöst. Nehmen Sie Stimmproben von allen verdächtigen Personen.« »Dies, Mylady, war und ist die Absicht meiner bescheidenen Wenigkeit«, antwortete der Butler. »Der gesuchte Libero, der anrief, kann auf diese Art und Weise identifiziert werden.« »Auch dann, wenn man heiser ist, die Stimme verstellt und durch ein Taschentuch spricht?« wollte der technische Direktor wissen. »Eine Täuschung ist ausgeschlossen«, behauptete der Butler. »Darf man übrigens mit Ihnen beginnen, Mister Splitters?« »Mit mir? Sie glauben doch wohl nicht, daß ich…« »Selbstverständlich nicht, Mister Splitters«, versicherte der Butler ihm ohne jeden Nachdruck. »Aber nur auf diese Weise lassen sich die unschuldigen Personen herausfiltern.« »Na schön. Ich mache selbstverständlich mit«, sagte der technische Direktor. »Ich schließe mich nicht aus.« »Meine Wenigkeit muß nur noch das entsprechende Band- und Aufzeichnungsgerät besorgen, Mister Splitters.« »Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Mister Parker.« Splitters war voll bei der Sache. 89
»Darf man sich vielleicht in einer Stunde wieder einfinden, Mister Splitters?« wollte Josuah Parker wissen. »Mylady und meine Wenigkeit haben noch eine dringende Befragung durchzuführen.« »Sie erreichen mich den ganzen Tag über hier auf dem Gelände«, antwortete Splitters. »Jetzt muß ich allerdings rüber ins Stadion. Ich will mir das Training der Mannschaft ansehen.« »Ich ebenfalls«, schloß sich Lady Agatha an. »Kommen Sie, Mister Parker, mein Fall kann noch ein wenig warten.« »Wie Mylady zu wünschen geruhen«, antwortete der Butler. »Bei dieser Gelegenheit haben Mylady sicher auch die Möglichkeit, den echten Libero in Aktion bewundern zu können.« »Und dazu noch kostenlos«, seufzte sie zufrieden. * May Luton, die betulich wirkende, wohlgerundete Sekretärin im Clubhaus, Sie etwa fünfzig Jahre zählte, gab sich überaus höflich, ja fast devot. Sie bot Mylady Kaffee an und offerierte weitere Erfrischungen. »Nun gut«, meinte die ältere Dame, »gegen einen exquisiten Brandy ist um diese Tageszeit wirklich nichts einzuwenden, denke ich, zumal mein Kreislauf in sich zusammengefallen ist.« May Luton war unverheiratet, wie sie eben erst richtiggestellt hatte, versorgte die ältere Dame umgehend mit dem gewünschten Kreislaufregulator und blickte dann Parker abwartend an. »Weder Kaffee, Miß Luton, noch Brandy«, sagte der Butler. »Sie sind übrigens das, was man einen Single zu nennen pflegt?« »Richtig«, bestätigte die Sekretärin und lächelte freundlich. »Ich lebe allein. Und ich komme gut zurecht.« »Natürlich pflegen Sie Freundschaften, Miß Luton«, vermutete der Butler. 90
»Das stimmt. Ich gehöre einem sehr netten Kreis von Menschen an. Wir haben eine Art Club gegründet, machen gemeinsame Ausfahrten, besuchen Museen und Konzerte und spielen Bridge.« »Handelt es sich, wenn man fragen darf, um einen Kreis von Frauen?« »Natürlich«, kam die Bestätigung, »und dabei soll es auch bleiben. Nicht, daß wir etwas gegen Männer hätten. Sie verstehen, was ich meine?« »Und Sie haben sonst kein Hobby?« wunderte sich Lady Agatha, die ihren Kreislauf inzwischen nachhaltig gestärkt hatte. »Ein Hobby?« May Luton schüttelte den Kopf. »Nun ja, ich sammle Porzellan.« »Und wie heißt Ihr Liebhaber?« überfiel die ältere Dame in bekannter Diskretion ihre Gesprächspartnerin. »Mein… mein Liebhaber?« Die Sekretärin erlitt einen leichten Hustenanfall. Mit solcher Direktheit hatte sie nicht gerechnet. »Ihr Liebhaber, junge Frau«, setzte Lady Agatha genußvoll nach. »Ich bin bereits entsprechend informiert worden.« »Mike Petrell«, gestand May Luton und senkte den Blick. »Woher wissen Sie davon? Ich dachte immer, ich hätte das sehr geheimgehalten.« »Eine Frau wie mich kann man nicht betrügen«, erklärte die Detektivin. »Ihr Liebhaber ist natürlich jünger, oder? So wird es immer in den Filmen vorgeführt.« »Nein, nein, er ist so alt wie ich… Zweiundfünfzig«, kam die Antwort, die Lady Simpson ein wenig reizte. Sie winkte ungnädig ab. »Wie auch immer, junge Frau«, redete sie dann weiter. »Auf das Alter allein kommt es ja wohl kaum an. Welchen Beruf hat Ihr Freund?« »Kein… Das heißt, Mike, ich meine, Mister Petrell, ist Anlage91
berater.« »Er berät demnach Kunden, die ihr Geld zinsgünstig anlegen möchten, Miß Luton?« Parker hatte sich eingeschaltet. »Er ist sehr erfolgreich«, redete May Luton sich warm und errötete sanft, »er hat sehr gute Kunden.« »Und demnach auch sicher ein entsprechendes Büro mit allen elektronischen Finessen, Miß Luton?« »Nun, das eigentlich nicht, Mister Parker. Mister Petrell erledigt alles vom Telefon aus, ein Büro im üblichen Sinn hat er eben nicht. Das braucht er auch nicht zu haben, denn er befaßt sich nur mit wenigen ausgesuchten Klienten. Wie gesagt, das alles ist sehr exklusiv.« »Er wohnt inzwischen in Ihrem Haus, das Sie wohl besitzen dürften, nicht wahr?« »Er ist zu mir gezogen.« Sie strahlte. »Ein herzensguter Mensch. Und stets so aufmerksam.« »Er läßt sich gern von Ihnen verwöhnen, Miß Luton, wie anzunehmen ist.« »Solch einen Menschen kann man nur schätzen und lieben.« Sie senkte verschämt den Blick. »Sie haben ihm bisher welche Summe geliehen, Miß Luton?« »Geliehen… Geld… Ich bitte Sie… Nun, es sind bisher rund fünfundzwanzigtausend Pfund, die ich von meinem Vater geerbt habe.« »Er hat die Absicht, dieses Geld zu vermehren, nicht wahr?« »Mike, ich meine, Mister Petrell, ist sehr geschickt«, lobte sie ihren Freund. »Bisher hat er sehr viel Gewinn erzielt. Wenn Sie an guten Anlagen interessiert sind, sollten Sie sich umgehend an ihn wenden.« »Gehören zu seinen Klienten auch einige Spieler?« »Das ist richtig, aber sagen Sie es nicht weiter«, bat die betuliche und so glückliche Sekretärin und errötete erneut. »Mister 92
Petrell ist wirklich ein Schatz.« »Den man sich aus nächster Nähe ansehen sollte«, fand Agatha Simpson grimmig. Sie tauschte mit ihrem Butler einen Blick, der Bände sprach. * Das kleine, adrette Reihenhaus im Norden der Stadt hatte einen winzigen Erker, einen winzigen Vorgarten und kleine Blumenrabatten. Parker und Lady Simpson waren in diese Region gefahren, um sich den Freund und Liebhaber der Sekretärin mal aus nächster Nähe zu betrachten. »Sie werden gleich Ihr blaues Wunder erleben, Mister Parker«, sagte die ältere Dame, »und dem gesuchten Rechtsaußen gegenüberstehen.« »Mylady gehen davon aus, daß Miß Lutons Freund der…« »… der Libero ist«, unterbrach sie ihn. »Sie können den Fall zu den Akten legen. Die Dinge liegen klar auf der Hand. Er hat die Liebe dieser ahnungslosen Frau mißbraucht und sich Informationen aus erster Hand verschafft. So etwas sieht man doch immer wieder im Kriminalfilm, Mister Parker.« »Myladys Vermutungen klingen bestechend.« »Es ist natürlich auch möglich, daß die Sekretärin der… Libero ist«, fuhr sie fort. »Libero, nicht wahr? Nun gut, dann könnte ihr Freund und Liebhaber mit Ihnen telefoniert haben. Wenn ich’s recht betrachte, gefällt mir diese Möglichkeit eigentlich besser. Sie ist plausibler, finden Sie nicht auch?« »Man wird Mister Petrell danach fragen müssen, Mylady«, gab der Butler ausweichend zur Antwort. »Er dürfte Mylady bereits entdeckt haben, wie eine Bewegung der Erkergardine anzeigt.« Parker hatte diese Bewegung völlig richtig gedeutet. Die Tür öffnete sich bereits nach dem ersten Klingeln. Mylady und ihr 93
Butler sahen sich einem mittelgroßen, schlanken, grauhaarigen Mann gegenüber, der jünger als zweiundfünfzig aussah und ein angenehmes Äußeres aufwies. »Miß Luton hat mich bereits telefonisch von Ihrem Kommen verständigt«, sagte er. »Treten Sie ein. Ich stehe Ihnen selbstverständlich Rede und Antwort.« »Sie dürfen mir etwas anbieten, junger Mann«, ließ Lady Agatha sich vernehmen. Sie musterte ihr Gegenüber wohlgefällig und fand ihn sympathisch. »Einen Brandy, Mylady?« Mike Petrell führte seine Besucher in ein hübsch und modern eingerichtetes Wohnzimmer. Im dazugehörenden Erker hatte der Mitbewohner sich eine Art Kleinstbüro eingerichtet. Auf einem Schreibtisch stapelten sich Schriftstücke aller Art, Fachmagazine und Schnellhefter. Auf einem Beistelltisch waren eine elektronische Schreibmaschine und ein Telefax-Gerät auszumachen. »Sie sind Vermögensberater, Mister Petrell?« begann Parker, nachdem der Freund der Sekretärin Mylady den Brandy serviert hatte. »Inoffiziell, Mister Parker«, gab Petrell zurück. »Ich nutze meine Fachkenntnisse für einige Freunde aus, ich habe früher mal bei einem Vermögensberater gearbeitet.« »Sie verließen diese Firma wann, Mister Petrell?« »Vor ein paar Jahren. Ich wollte heraus aus der Routine, wollte mich sogar selbständig machen, ließ es dann aber, lernte Miß Luton kennen und lieben und werde mit ihr eines Tages nach Südfrankreich ziehen und nur noch privatisieren.« »Sie wissen von der Erpressung des LCW-Clubs, Mister Petrell?« fragte der Butler. »Offen gesagt, ich weiß davon«, räumte der private Vermögensberater ein und dämpfte die Stimme. »Miß Luton hat mir 94
das anvertraut. Ich werde natürlich schweigen und den Mund halten.« »Meine Wenigkeit möchte von Ihnen ein Phonogramm erstellen«, schickte der Butler voraus, um seinem Gegenüber zu erklären, was damit gemeint war. »Sie glauben, ich könnte der Erpresser sein?« Leichte Empörung lag in der Frage. »Es soll ausgeschlossen werden, daß Sie für die Erpressung in Betracht kommen, Mister Petrell, es soll erhärtet werden, daß Sie keineswegs und mitnichten der Libero sind.« »Nun, dagegen ist ja wirklich nichts einzuwenden«, sagte der private Vermögensberater und lächelte befreit. »Ich fürchte, ich habe Sie mißverstanden. Ich stehe zu Ihrer Verfügung.« Er beugte sich vor und ließ Mylady und Parker dann ohne jede Vorwarnung in die Mündung einer schallgedämpften Automatic blicken. * »Ich wußte, daß Sie der Libero sind, junger Mann«, sagte Lady Simpson und machte einen triumphierenden Eindruck. »Mich kann man eben nicht täuschen.« »Ihre Weigerung, was die Erstellung eines Phonogramms betrifft, spricht Bände«, fügte der Butler hinzu. »Unsinn, ich bin nicht der Libero«, behauptete Petrell und lachte kurz auf. »Aber das Phonogramm würde mich verraten. Ich habe nämlich mit Ihnen als Libero gesprochen.« »Dies sollten Sie Mylady und meiner bescheidenen Wenigkeit näher erläutern, Mister Petrell«, bat der Butler in seiner gelassenhöflichen Art. Er ignorierte die Waffe, die auf ihn gerichtet war. »Ich hab’ angerufen und Sie gewarnt, damit Sie mir nicht in die Quere kommen«, setzte Petrell seinen beiden Besuchern ausein95
ander. »Demnach planten Sie, diesen sogenannten Libero zu kopieren, Mister Petrell?« »Das lag doch auf der Hand«, meinte Petrell und blickte Lady Agatha und Parker vorwurfsvoll an. »Leichter kann man nicht Trittbrett fahren, oder?« »Sie wollen Ihr Wissen nutzen, das von der ahnungslosen Miß Luton stammt?« »Was ist schon dabei, Parker? Ich bleibe im Hintergrund, während alle Welt den wahren Libero jagt. Ist doch praktisch, nicht wahr?« »Was soll und muß man von der Waffe in Ihren Händen halten?« »Die gebrauche ich, verlassen Sie sich darauf.« »Um einen etwaigen Doppelmord dann dem richtigen Libero in die Schuhe zu schieben, Mister Petrell?« »Genau das ist meine Absicht, Parker. Übrigens, die Luton hat mit der ganzen Erpressung nichts zu tun. Das Dickerchen ist völlig ahnungslos und wird es auch bleiben.« »Sie mißachten das Glück eines Menschen, Mister Petrell.« »Zum Teufel damit! Ich habe abgesahnt und werde mich bald wieder absetzen. Ich muß nur noch ein paar hübsche Teilbeträge kassieren.« »Sie arbeiten weder mit den Herren Wallot, Robbins, Singer oder Rostale zusammen?« »Die kenne ich nicht, die sind mir auch egal, Parker. Ich koche meine eigene Suppe. Die reicht vollkommen. Ich bin der geborene Einzelgänger.« »Der das Vertrauen einer Frau mißbraucht«, warf die ältere Dame ihm vor. »Guter Gott, haben Sie keine anderen Sorgen?« fragte der Gauner, der unter falscher Flagge segelte. »Das Dickerchen hat mich 96
bald vergessen, schätze ich.« »Oder auch nicht«, war in diesem Moment die tränenerstickte Stimme der Sekretärin zu vernehmen. Und dies hatte Konsequenzen! * Mike Petrell ließ sich nur für einen Augenblick ablenken und hatte damit bereits verspielt. Parkers Universal-Regenschirm verwandelte sich in einen Degen, der blitzschnell zustach und dessen Spitze dafür sorgte, daß die Hand des Waffenträgers sich öffnete und die Automatic freigab. Petrell brüllte wütend, sprang auf und wollte sich schleunigst absetzen. Er hatte die Rechnung aber ohne Lady Simpson gemacht. Die resolute Dame stellte ihm nämlich schlicht und einfach ein Bein und sorgte auf diese Weise dafür, daß er sich erst mal ungewollt auf die Luft legte, die ihn selbstverständlich nicht trug. Deshalb klatschte er auf den Bauch, schrammte ein Stück mit dem Teppich über das Parkett und knallte mit dem Kopf an eine Fußleiste. »Sehr schön«, fand Agatha Simpson und wandte sich dann an die Sekretärin, die inzwischen hemmungslos weinte. »Sie werden einen anderen Freund und Liebhaber finden, meine Liebe«, tröstete Lady Agatha die Unglückliche. »Aber so was wie ihn nie wieder«, klagte May Luton. »Er dürfte Sie bestohlen haben«, erinnerte der Butler. »Selbst wenn«, weinte sie weiter. »Ich habe ihm mein Geld ja freiwillig gegeben.« »Und was ist mit dem Geld anderer Leute?« »Er wird das zurückgeben«, sagte sie und kniete bereits neben dem Stöhnenden, hob dessen Kopf und streichelte das Haar. 97
»Sie verzeihen einer Person, die sich als Erpresser betätigen wollte?« »Er wird es nie wiedertun«, wußte sie mit erstaunlicher Sicherheit. »Ich werde ihn von Zeit zu Zeit daran erinnern.« »Nun denn, meine Beste, es ist Ihr Leben«, stellte die Detektivin fest. »Demnach muß Liebe besonders schön sein, vermute ich mal… Kommen Sie, Mister Parker! Oder habe ich hier noch zu tun?« »Mister Petrell ist mit einiger Sicherheit nicht der gesuchte Libero«, sagte Parker. »Aber der Herr war durchaus bereit, Mylady und meine bescheidene Wenigkeit in das sprichwörtliche Jenseits zu befördern.« »Leere Drohungen nur, sonst nichts«, verteidigte die Sekretärin ihren Freund und Liebhaber. »Im Grunde kann er keiner Fliege was antun. Und daß dies so bleibt, dafür sorge ich.« »Der arme Kerl«, flüsterte Lady Agatha nicht gerade leise ihrem Butler zu. »Auf ihn kommen schreckliche Jahre des Beisammenseins zu. Man sollte ihm eine Fluchtmöglichkeit einräumen.« »Mister Petrell wollte immerhin von der Schußwaffe Gebrauch machen«, erinnerte Parker erneut. »Dafür dürfte eine gewisse Dauerbuße angebracht sein, Mylady.« »Und die werde ich kontrollieren, Mister Parker«, versprach May Luton und wandte sich kurz zu Parker um. »Und wenn Sie den Libero suchen, dann sollten Sie ins Stadion zurückfahren. Ich glaube, daß er dort ist.« »Und wer könnte dieser Erpresser sein, Miß Luton?« Parkers Frage kam ruhig und gelassen wie stets. »Bert Runners, unser Schatzmeister«, sagte sie. »Ihm traue ich alles zu.« * 98
Josuah Parker sah dem seltsamen Treiben des Mannes mehr als nur interessiert zu. Leichter Regen war aufgekommen, der von Nebelschleiern untermischt wurde. Vor dem Fußballtor kniete eine Gestalt, die den Dreß eines Schiedsrichters trug. Der seltsame Mann war gerade damit beschäftigt, eine Dynamitladung zu verbauen. Er war derart in seine Tätigkeit vertieft, daß er den Butler bisher nicht bemerkt hatte. Der Schiedsrichter in seinen kurzen, schwarzen Hosen hielt einen Klappspaten in Händen und hatte damit gerade ein viereckiges Loch gegraben, in das er ein Bündel Dynamitstäbe versenken wollte. Die betreffende Grassode hatte er abgezirkelt ausgestochen und konnte sie später wieder genau in den Rasen einfügen. Vor dieser kleinen Erdarbeit mußte der seltsame Unparteiische aber noch anderweitig tätig gewesen sein. Neben ihm auf dem Rasen, ebenfalls in Tornähe, lag ein Mann, der wohl eine Maschinenpistole getragen hatte. Oder hatte der Schiedsrichter sie mitgebracht? Parker wollte sich da nicht voreilig festlegen. »Kann und darf man Ihnen Hilfe anbieten?« erkundigte sich der Butler und… legte dann die stahlbewehrte Rundung seiner schwarzen Melone auf den Handrücken des zur Seite springenden Mannes. Der verlor dadurch umgehend seine Waffe, brüllte auf und wollte dem Butler die Dynamitstäbe ins Gesicht werfen. Was ebenfalls mißlang, denn Parker bewegte seinen Oberkörper ein wenig zur Seite und ließ das Bündel ins Tornetz fliegen. »Sie wollten offensichtlich für eine Steigerung Ihrer Forderungen Sorge tragen, Mister Mulford«, sagte Josuah Parker. »Hatten Sie die Absicht, den Torwart in die Luft zu sprengen?« »Unsinn, Parker, Unsinn«, widersprach der Zeugwart, der sich erstaunlich gefaßt zeigte. »Ich wollte das Tor hochsprengen… Kurz vor Anpfiff des Spiels. Ich würde doch niemals einen von 99
unseren Spielern umbringen. Höchstens ein paar arrogante Typen.« »Sie haben Mister Matters weshalb niedergeschlagen?« »Weil das ein mieser, arroganter Hund ist«, regte sich der Zeugwart auf und bedachte den Trainer mit einem haßerfüllten Blick. »Sie ahnen ja nicht, Parker, wie der mich rumscheucht… Ich denke, jetzt bin ich mal an der Reihe.« »Sie wollten ihn umbringen?« »Er hat mich ja hier mit dem Spaten überrascht.« Der Zeugwart zuckte die Achseln. »Schade, daß Sie zu früh gekommen sind, sonst war’ hier einiges gelaufen.« »Sie sind als Libero aufgetreten?« »Klar doch… Ich kenn’ da ein paar Leute und Hooligans, die ich ganz schön hätte einbauen können. Wenn Sie mir nur nicht in die Quere gekommen wären…« »Sie sollten zur Kenntnis nehmen, Mister Mulford, daß man Ihnen die rote Karte zeigt.« »Wenn schon… Eigentlich habe ich bisher keinem Menschen geschadet. Ich werde bald wieder mitspielen können, Parker. Und dann werde ich erst richtig aufdrehen. Und wissen Sie, was ich dann zuerst mache?« »Sie werden es meiner bescheidenen Wenigkeit sicher umgehend mitteilen, Mister Mulford.« »Dann werde ich zuerst Sie ausschalten. Mit ‘nem richtig miesen Foul. So was wie Sie muß runter vom Rasen und aus dem Spiel. Sie haben mir alles vermasselt. Aber noch mal werden Sie das nie schaffen.« »Meine Wenigkeit war kaum weniger aktiv«, erwiderte Josuah Parker. »Ach ja…?« Der Zeugwart fühlte sich sicher. Er blickte fast sehnsüchtig auf das Dynamitbündel und setzte sich in Richtung Eingangstor in Bewegung, als wäre der Butler 100
nicht vorhanden. »Setzen Sie möglicherweise auf die Hooligans des Mister Rostale, auf die Miet-Mörder des Mister Singer?« fragte der Butler in seiner höflichen Art. »Kommen Sie doch mit, wenn Sie Mumm haben, Parker«, gab der Zeugwart zurück. »Klar, daß ich für ein paar Fans und Hooligans gesorgt habe.« »Am Tor warten einige Uniformierte, die Ihre Helfershelfer und speziellen Freunde längst in ihre Obhut genommen haben dürften.« Dies nahm der Kriminelle übel und rannte um den Butler herum zurück zum Tor. »Ich spreng uns alle in die Luft!« drohte er brüllend. »Alles zu seiner Zeit«, lautete Parkers Antwort, bevor er seine schwarze Melone in eine fliegende Untertasse verwandelte, die er dem Zeugwart zielsicher nachsandte. Er zweifelte keinen Moment daran, daß sie traf. ENDE
101