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PARKER macht die Schotten dicht Günter Dönges Butler Parker hatte Mühe, sein Mienenspiel zu beherrschen. Er nahm zur Kenntnis, daß Lady Simpson in ihrer bekannt ungenier ten Art an den Schaltern und Hebeln spielte, die das Armaturen brett als eine Art Steuerpult zierten. Ihm war klar, daß seine Her rin mit dem Feuer spielte und die sichtbare Lust entwickelte, eine mittlere bis schwere Katastrophe auszulösen. Agatha Simpson war deutlich anzusehen, daß sie sich langweilte und nach einer Abwechslung gierte. »Ich möchte nicht aufdringlich erscheinen, Mylady«, sagte er höflich und deutete mit seiner schwarz behand schuhten Hand auf das Steuerpult, »aber darf ich höflichst darauf verweisen, daß man sich auf dem befindet, was die Fachleute der Marine eine Tauchfahrt nennen?« »Warum reden die Herren dann so ununterbrochen?« fragte sie grollend. »Warum? Man möchte demonstrieren, Mylady, daß eben nichts passiert«, antwortete Josuah Parker würdevoll. »Mylady nehmen an einer Übungsfahrt eines neuen U-Bootes teil.« Die Hauptpersonen: Sir Herbert erweist sich als ratloser Geheimdienstler. Ken Brixham stiehlt schlicht und einfach ein U-Boot. William Torrings reinigt nicht nur Gebäude in London. Norman Horley glaubt an ein einmaliges Geschäft. Steve Moon gibt sich als kleiner Gauner aus. Stan Leek repariert auch kleine Schiffseinheiten. Lady Agatha Simpson sorgt für Panik in der Königlichen Flot te. Butler Parker spürt ein seltsames Rettungsboot auf. »Das so eng ist wie eine Dose Sardinen«, beschwerte sie sich, »wann endlich beginnt man mit dem Angriff?« »Dieser Scheinangriff, Mylady, findet bereits statt, wenn ich höflich darauf hinweisen darf.« »Und warum spüre ich nichts davon? Was soll das alles? Man hat mir einige Delikatessen versprochen.« »Technischer Art, Mylady«, erinnerte der Butler und versuchte 2
vorsichtig, die ältere Dame vom Steuerpult abzudrängen. »Was wird wohl passieren, wenn ich auf diesen Knöpfen einige Akkorde spiele?« fragte sie heiter. »Sie ahnen ja nicht, Mister Parker, wie sehr mich das reizt.« »Das Boot könnte unter Umständen irregulär reagieren, Myla dy.« »Eine hübsche Vorstellung, Mister Parker, ich hasse Perfektion.« Agatha Simpson, eine stattliche Matrone, die das sechzigste Le bensjahr überschritten hatte, beugte sich wieder vor und studier te durch ihre Lorgnette eine Reihe von kleinen Signallampen, die wechselweise bunt aufleuchteten. Sie interessierte sich vor allen Dingen für einen roten Knopf, der von einem Drahtkorb geschützt wurde. Sie fingerte an diesem Drahtkorb herum und schaffte es natürlich mit Leichtigkeit, die versteckte Sperre zu lösen und den Drahtkorb hochzukippen. »Allmächtiger Gott, nein, Mylady!« Eine bestürzte, fast entsetz te Stimme fuhr dazwischen. Dann schob sich ein Offizier der Kö niglichen Marine sehr entschieden an das Steuerpult und drückte die bereits ausgestreckte Hand der Dame recht energisch hinun ter. »Was erlauben Sie sich, junger Mann?« grollte Lady Simpson prompt. »Diese Manieren schätze ich aber gar nicht.« »Der Auslöseknopf für die Torpedos, Mylady«, keuchte der Ma rineoffizier. »Ich hoffe doch sehr, wir haben welche an Bord, oder?« Die e nergische Dame ließ sich ablenken. »Natürlich, Mylady, aber wir sind noch nicht im Zielgebiet.« »Dann beeilen Sie sich gefälligst«, gab sie verärgert zurück, »Sie haben mir eine Sensation versprochen. Ich möchte endlich was sehen.« »Ein Bildschirm wartet auf Mylady«, schaltete sich Josuah Par ker ein und deutete diskret auf den Kommando- und Gefechts stand des U-Bootes. Dort standen Marineoffiziere und Zivilisten, die an dieser Übungsfahrt teilnahmen. Sie alle schauten auf einen normal aussehenden Fernseh-Monitor, wo jetzt ein scharf ge zeichnetes Bild erschien. »Eine technische Sensation«, erklärte der Werftingenieur stolz, »das Suchen und Anpeilen durch das übliche Periskop entfällt. Wenn Sie sich überzeugen wollen?« Lady Agatha wollte. 3
Sie schob sich ungeniert durch die Gruppe der Marineoffiziere und Regierungsvertreter, pflügte sich weiter durch und genoß dann das Bild auf dem Monitor. Sie sah einen Frachter kleinerer Bauart, der mit Höchstfahrt ablief und zu entkommen versuchte. Der Kommandant des U-Bootes, der in einem sesselartigen Sitz vor dem Bildschirm saß, drückte auf die Tasten einer ComputerAnlage, die vor ihm angebracht war. Auf dem Bildschirm erschie nen jetzt Zahlen, Symbole und verschlungene Kurven. Dann leuchtete ein dunkelroter Lichtpunkt auf. Der Kommandant trat mit dem rechten Fuß auf eine Art Pedal, worauf eine leichte Er schütterung durch das Boot ging. »Vier Raketen-Torpedos«, erklärte der Werftvertreter stolz, »kleiner und schneller als alle bekannten Typen. Sie werden ja sehen.« Und dann sah man! Schon nach wenigen Minuten schossen vier schmale, hohe Wassersäulen an der Bordwand des Frachters hoch, der sich sofort in Rauch hüllte. Der Kommandant gab dem Computer neue Codesignale ein, worauf der Frachter prompt wie der zu sehen war, aber mehr als undeutlicher Schattenriß. Er sank bereits. Seine Bordwand war häßlich aufgerissen. Lecks von der Größe eines Scheunentors ließen das Wasser in den Rumpf einströmen. Nach einigen weiteren Minuten war der Frachter völlig ver schwunden. Der Bildschirm zeigte nun wieder eine kaum bewegte See und einen strahlend blauen Himmel. »Wie in einem guten alten Hollywoodfilm«, sagte Agatha Simp son, »Sie haben uns natürlich einen vorbereiteten Streifen einge spielt, nicht wahr? Mister Parker, wie nennt man so etwas noch?« »Mylady denken sicher an eine Video-Kassette«, schlug Josuah Parker vor. »Sagte ich doch.« Sie nickte gnädig. »Mit solchen Mätzchen können Sie mich kaum beeindrucken, meine Herren.« * »Waren es Mätzchen, Parker?« fragte Anwalt Mike Rander. Er hielt sich in seinem Büro in der Curzon Street auf und wußte in zwischen, was sich an Bord des U-Bootes abgespielt hatte. Mike Rander, vierzig, ein lässiger Typ, der an den Filmschau 4
spieler Roger Moore erinnerte und seinerseits wieder identisch war mit einem gewissen James Bond, sah den Butler lächelnd an. »Die Versenkung des präparierten Frachters, Sir, spielte sich authentisch ab«, versicherte Josuah Parker, »es wurde per Funk gesteuert und tatsächlich versenkt.« »Ein teurer Spaß, wie?« Mike Rander schüttelte den Kopf. »Vor einer grausamen Realität, Sir, wenn man so sagen darf.« »Ist das neue Klein-U-Boot tatsächlich so gut?« »Bestürzend, Sir. Nach den Angaben der Werftleitung, die man nur als sehr zurückhaltend bezeichnen darf und sollte, ist es selbst unter Wasser bedeutend schneller als ein Jagd-Zerstörer oder ein Spezial-Schnellboot. Genaue Angaben wurden selbstver ständlich nicht gemacht.« »Und wozu hat man solch ein Ding konstruiert?« wollte der An walt wissen. »Man spricht von einem U-Boot-Killer, Sir. Es soll Jagd auf ge tauchte Boote seiner Gattung machen. Es ist sehr klein, nur we nig bemannt und verfügt über eine Fülle von elektronischen Gerä ten aller Art, die man nicht näher bezeichnete.« »Und die Sache mit dem Monitor, Parker?« Mike Rander hatte nicht zum Kreis der Personen gehört, die zur Demonstration ein geladen worden waren. Dies hatte ihm nichts ausgemacht, denn er war Zivilist durch und durch. »Es gibt kein Periskop alter Art mehr, Sir«, berichtete Josuah Parker weiter. »Dünne Glasfasern leiten das Bild der Optik in das Bootsinnere und werfen es auf einen Bildschirm. Computer er rechnen den eigenen Standort, den des Gegners und dann die Schußposition. Der Kommandant braucht nur noch eine Art Gas pedal zu treten.« »Wie groß ist denn dieses scheußliche Ding«, fragte Mike Rander weiter, »wie viele Leute sind an Bord?« »Genaue Angaben auch darüber wurden tunlichst vermieden, doch meiner bescheidenen Schätzung nach dürfte es sich um et wa 150 bis 170 Tonnen handeln. Die Besatzung besteht aus ins gesamt zehn Personen, wenn nicht weniger. Was die Form be trifft, so wurde meine Wenigkeit an die eines Delphins erinnert. An Torpedos der neuen Bauart vermag dieses Klein-U-Boot etwa acht Stück an Bord zu nehmen.« »Jetzt muß ich wohl auch nach der Reichweite fragen, wie?« »Sie ist wegen der ungewöhnlich starken Motoren relativ gering, 5
Sir«, zählte der Butler weiter auf, »falls meine bescheidenen Oh ren mich nicht trogen, sprach man von etwa maximal tausend Seemeilen.« »Unter oder über Wasser, Parker? Ich hoffe, Sie haben auch das mitbekommen.« »Diese Daten wurden leider nicht genannt, Sir. Wie gesagt, es handelt sich um einen Prototyp, der erst in Serie gehen soll, wenn gewisse Entwicklungen abgeschlossen sind. Man möchte die ma ximale Tauchtiefe noch verbessern.« »Und die liegt jetzt wo, Parker? Überraschen Sie mich mal…« »Hinter diversen vorgehaltenen Händen sprach man von weit über dreihundert Meter, Sir, aber in dieser Beziehung möchte ich es vermeiden, mich genau festzulegen.« »Da scheint man ja in Sachen Abschreckung mal wieder hart zugeschlagen zu haben«, spöttelte der Anwalt. »Wie hat Lady Simpson es nur geschafft, an Bord zu kommen? Ich kann nur immer wieder den Köpf schütteln.« »Mylady gehört zum Aufsichtsrat der Werft, Sir«, beantwortete der Butler prompt auch diese Frage, »darüber hinaus ließ Mylady gewisse interne Regierungsbeziehungen spielen, wenn ich es so ausdrücken darf.« »Und es ist wirklich nichts passiert, was Mylady betrifft?« »Mylady hätte vielleicht um ein Haar die sogenannte Rundum verteidigung ausgelöst«, entgegnete Parker höflich, »in solch ei nem Fall werden sämtliche Torpedos während einer gleichzeitigen Kreisdrehung des Bootes in die See hinaus entlassen und suchen dann mit ihren elektronischen Gefechtsköpfen jede erreichbare Metallmasse, die auf ein Schiff hindeutet.« »Mehr hätte sie also doch nicht angerichtet.« Der Anwalt schmunzelte. »Wie ich mitzuhören mir erlaubte, Sir, wird man Mylady zur nächsten Probefahrt nicht mehr einladen«, sagte Josuah Parker, »Mylady betätigte nach diesem kleinen Zwischenfall das Tiefenru der und brachte das U-Boot auf eine Rekordtiefe, die man eines Tages regelmäßig zu erreichen hofft.« »Das hört sich doch schon besser an.« Rander grinste wie ein Schuljunge. »Anschließend zog Mylady einen Marineoffizier zur Rechen schaft, der ihr gewisse Vorhaltungen machen wollte. Dieser Herr rutschte im Verlauf der Auseinandersetzung gegen das Steuer 6
pult, stemmte sich mit den Händen ungewollt auf einigen Bedie nungsknöpfen ab und ließ das Boot wie eine Rakete aus dem Wasser schießen.« »Wie hoch kamen Sie, Parker?« Rander grinste noch breiter. »Das Klein-U-Boot, Sir, schien sich geradezu in ein Flugzeug zu verwandeln und hüpfte in seiner ganzen Länge meterweit aus den Fluten.« »Entsprechend hart war dann wohl die Bruchlandung, nicht wahr?« Rander freute sich nur noch. »In der Tat, Sir! Das Boot wird zur Zeit in der Heimatwerft ü berholt, was nach Berechnungen und auch Grobschätzungen der Ingenieure etwa vier Wochen dauert.« »Das ist Mylady, wie ich sie liebe und schätze«, meinte der An walt ironisch. »Wo liegt dieser schrottreife Kahn jetzt?« »In Plymouth, Sir, in einem Sonderhafen der Werft. Das KleinU-Boot ist nur noch bedingt einsatzfähig, wie der Terminus heißt. »Lady Simpson sollte Spezialistin für allgemeine Abrüstung werden«, schlug Mike Rander belustigt vor, »man braucht sie nur von Staat zu Staat zu schicken und ihr Kriegsgeräte zu zeigen.« »Sie werden verstehen, Sir, daß ich mich dazu nicht äußern möchte, zumal es mir als Butler nicht zusteht, meine Herrschaft zu kritisieren.« »Ich werde auf jeden Fall der UNO schreiben«, versprach der Anwalt, »vielleicht erkennt man dort die einmalige Chance.« Er griff nach dem Telefon, das sich meldete und nannte seinen Namen. Er zwinkerte Parker zu, dessen Gesicht allerdings aus druckslos und glatt wie das eines Pokerspielers blieb. »Ein Problem, Mylady?« fragte der Anwalt dann. »Doch, doch, Mister Parker ist hier bei mir.« Das amüsierte Lächeln, das seine Lippen umspielte, wich einem harten Mund. Die Nachricht, die er hörte, schien nicht gerade an genehm zu sein. »Wir kommen sofort«, sagte er schließlich, »natürlich, Mylady, in ein paar Minuten sind wir drüben in Shepherd’s Market. Wir sind eigentlich bereits da.« Er legte auf und sah Parker nachdenklich an. »Unangenehme Nachrichten, Sir?« fragte der Butler. »Ist Myla dy zu einer weiteren Vorführung von Kriegsgerät eingeladen wor den?« »Noch schlimmer«, erklärte Mike Rander, »das Klein-U-Boot ist 7
vor knapp einer Stunde schlicht und einfach geklaut worden.« * »Ich bin konsterniert«, sagte der Mann, der das Gesicht eines alten, müden Pferdes hatte, »ich kann es einfach noch immer nicht glauben.« »Ich schon«, schnappte Agatha Simpson grimmig zu, »die Ge heimdienste haben selbstverständlich wieder mal geschlafen.« »Mylady«, wehrte das Pferdegesicht gequält ab, »wer konnte denn damit rechnen, daß der private Wachdienst der Werft…« »Papperlapapp, Sir Herbert«, grollte sie und musterte den Mann mit der gut ausgebildeten Glatze, »mir wäre so etwas nie pas siert, nicht wahr, Mister Parker?« »Sehr wohl, Mylady«, erklärte Parker höflich, aber mit neutraler Stimme. »Mylady, Ihr Butler«, erinnerte Sir Herbert und hüstelte nervös, »was hier zu erörtern ist, unterliegt der allerhöchsten Geheimstu fe.« »Darum ist Mister Parker ja auch hier«, erwiderte sie erstaun lich herablassend, »ohne Mister Parker höre ich mir Ihre Wünsche noch nicht mal an, Sir Herbert.« »Einen Moment, Sir«, schaltete sich Chief-Superintendent McWarden ein und bat den Mann vom Geheimdienst zur Seite. Anschließend redete er eindringlich auf Sir Heribert ein, der mehrfach den Butler ansah und dann zustimmend nickte. Chief-Superintendent McWarden, der sich ebenfalls im altehr würdigen Fachwerkhaus der Lady Agatha eingefunden hatte, war ein etwa fünfundfünfzigjähriger, untersetzter und bulliger Typ, der leichte Basedowaugen hatte. Er leitete im Yard ein Sonderde zernat und arbeitete mit den diversen Geheimdiensten Ihrer Ma jestät eng zusammen. »Ich hatte Ihren Namen nicht verstanden«, entschuldigte sich Sir Herbert halbherzig bei Parker, als er sich von McWarden ge trennt hatte, »Sie können zuhören, Mister Parker.« »Zu gütig, Sir«, erwiderte der Butler würdevoll. »Ich gehe zu gern«, schaltete sich Mike Rander ein und deutete auf die Tür, die in die große Wohnhalle des Hauses der Lady Simpson führte. 8
»Aber nein… Nur keine Empfindlichkeiten«, bat McWarden has tig, »die Lage ist ernst genug. Sie alle gehören zum Kreis der Personen, die unbedingt ins Vertrauen gezogen werden und ein fach mitarbeiten müssen.« »Darf man in Erfahrung bringen, wie und durch wen das er wähnte U-Boot gekapert wurde?« fragte Parker. »Durch wen, Mister Parker? Sagt Ihnen der Name Ken Brixham etwas?« »Ein Krimineller der sogenannten Mittelklasse, Sir, der bisher im verbotenen Glücksspiel sein Geld zu machen versuchte.« »Und der jetzt alles auf eine einzige Karte gesetzt hat«, meinte der Chief-Superintendent und nickte. »Ken Brixham und seine Leute haben das Klein-U-Boot gekapert und sind bereits draußen auf See.« »Möge dieses Subjekt seekrank werden«, hoffte die ältere Da me und passionierte Detektivin. »Dazu wird’s kaum kommen, Mylady«, sagte McWarden, »Ken Brixham hat auf einem regulären U-Boot Dienst als technischer Maat getan. Er kennt sich leider bestens aus.« »Auf einem U-Boot, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf«, warf Josuah Parker ein. »Ich habe bereits verstanden, Mister Parker«, erklärte McWar den, »Sie finden auch, daß diese Kaperung für ihn ein paar Nummern zu groß ist, nicht wahr?« »So könnte man durchaus argumentieren, Sir«, erwiderte der Butler, »meiner sehr bescheidenen Ansicht nach dürfte Mister Ken Brixham nur das sein, was man gemeinhin ein ausführendes Or gan zu nennen pflegt.« »Was ich gerade sagen wollte«, mischte sich die Lady ein, »ich hätte es natürlich wesentlich deutlicher ausgedrückt.« »Nur ausführendes Organ?« Sir Herbert, der bisher geschwie gen hatte, hüstelte nervös. »Vermuten Sie. eine politische Affä re?« »Wie denken Sie darüber?« fragte McWarden und sah den But ler an. »Eine politische Motivation ist nicht auszuschließen«, antwortete der, Buttler. »Hat Mister Brixham sich bisher in irgendeiner Form gemeldet?« »Nur per Funkspruch«, gab Sir Herbert zurück, »er nannte sei nen Namen, nicht mehr und nicht weniger.« 9
»Hat er denn Torpedos dabei?« erkundigte sich Mike Rander. »Leider ja«, meinte Sir Herbert, »zwei scharfe Torpedos sind an Bord. Nicht auszudenken, was er damit anrichten könnte.« »Ich werde diesen Fall übernehmen«, versprach die Detektivin munter, »in ein paar Tagen dürfte der kleine Zwischenfall sich erledigt haben, nicht wahr, Mister Parker?« »Wie Mylady wünschen«, gab Josuah Parker gemessen zurück. Sein Gesichtsausdruck blieb höflich und glatt. * »Ich werde mein Hauptquartier nach Plymouth verlegen«, er klärte Lady Agatha und wandte sich an Sir Herhart» man wird mir selbstverständlich Marinestreitkräfte unterstellen.« »Marinestreitkräfte?« Sir Herbert, der Geheimdienstmann mit dem Pferdegesicht, machte einen leicht verdaterten Eindruck. Er warf McWarden einen Blick zu. »Schnellboote, Zerstörer und vielleicht auch ein paar hübsche Kreuzer«, zählte Lady Agatha munter auf, »ich werde dieses UBoot über alle Meere hinweg jagen.« »Ich werde sofort mit der Marineleitung sprechen«, antwortete Sir Herbert irritiert. »Dann brauche ich noch zusätzlich Marineaufklärer und viel leicht auch ein paar Jagdbomber, Sir Herbert.« »Vielleicht lassen Sie sich die gesamten Streitkräfte unterstel len, Mylady«, schlug Mike Rander ironisch vor. »Ich brauche eben völlig freie Hand, Sir Herbert«, sagte sie und nickte Mike Rander wohlwollend zu, »es geht schließlich um den Bestand des Empire.« »Darf man fragen, Sir, ob der ungefähre Standort des U-Bootes bekannt ist?« erkundigte sich Parker gemessen bei dem Geheim dienstchef. »Es kreuzt zwischen Irland und der Insel, Mister Parker«, ant wortete Sir Herbert. »Inzwischen sind Sonarbojen abgeworfen worden. Wir wissen sehr genau, wo das Boot steht.« »Ich werde mich für Wasserbomben entscheiden, Sir Herbert«, meinte die ältere Dame. »Ich werde dieses U-Boot auf Grund schicken.« »Eben das muß vermieden werden, Mylady«, entsetzte sich Sir 10
Herbert umgehend, »das würde unsere Entwicklung um Monate oder sogar Jahre zurückwerfen. Wir brauchen das intakte Boot!« »Wie groß sind die Treibstoffvorräte, Sir?« stellte Parker seine nächste gezielte Frage. »Sie reichen nach den Werftberechnungen für etwa siebenhun dert Seemeilen«, gab das Pferdegesicht zurück, »entwischen kann es also nicht.« »Das dürfte wohl auch kaum geplant sein«, äußerte Mike Rander, »Brixham ist ein Krimineller. Er hat das U-Boot gekapert, um Geld zu machen. Er wird für die Rückgabe des Bootes eine saftige Summe verlangen. So sehe ich die Sache.« »Sie sagen das, mein Junge, was ich gerade aussprechen woll te«, behauptete Agatha Simpson, »es handelt sich um eine ganz ordinäre Erpressung, nicht wahr, Mister Parker?« »Dazu dürfte Mister Brixham sich bald vernehmen lassen, Myla dy«, gab Josuah Parker zurück, »es steht zu befürchten, daß Mis ter Brixham gewisse Filme und Kriminal-Thriller gelesen hat.« »Worauf wollen Sie hinaus, Mister Parker?« fragte das Pferde gesicht. »Zwei Torpedos befinden sich an Bord«, schickte der Butler vor aus, »das bedeutet, daß Brixham zwei besonders ausgewählte Schiffe torpedieren könnte.« »Zwei Riesentanker, die bis zum Deck mit Öl vollgepumpt sind«, redete der Anwalt weiter, »die Regierung sollte schon jetzt ein paar Koffer mit Bargeld füllen. Schrankkoffer, um genau zu sein. Hier dürfte es sich um Millionenbeträge handeln.« »Habe ich nicht schon solch einen Film gesehen, Mister Par ker?« erkundigte sich die ältere Dame. »Ein Film, der nach einer entsprechenden Buchvorlage gedreht wurde, Mylady«, bestätigte Josuah Parker; »Richtig, es ging da wohl um einen Riesentanker, oder?« fragte McWarden nervös. »Die Täter drohten ihn zu torpedieren, falls man nicht zahlen würde.« »Wir werden selbstverständlich alle Handelsschiffe aus dem ent sprechenden Seegebiet abziehen«, bedeutete Sir Herbert. »Ließe es sich unter Umständen ermöglichen, der Presse eine Mitteilung zuzuspielen, Sir?« wollte Josuah Parker wissen. »Mein Gott, nur keine Presse«, stöhnte Sir Herbert. »Eine Mitteilung, aus der hervorgeht, daß Mylady aus aktuellem Anlaß einen Fall für die Regierung übernommen haben«, redete 11
Parker höflich weiter, »mehr brauchte solch eine Notiz nicht zu enthalten.« »Und was bezwecken Sie damit, Mister Parker?« Sir Herbert sah den Butler in einer Mischung aus Neugier und Abweisung an. »Es geht um mögliche Reaktionen, Sir«, erläuterte der Butler, »es wäre zum Beispiel interessant festzustellen, ob man Mister Ken Brixham von dieser Tatsache in Kenntnis setzt. Falls dies der Fall ist, ließen sich gewisse Zusammenhänge erkennen, wenn ich so sagen darf.« * Es waren zwei massige Catchertypen, die sich vor Josuah Parker aufgebaut hatten. Sie standen vor einer Tür, die sie eindeutig zu bewachen hatten. Sie musterten den Butler spöttisch und sieges sicher. Einer von ihnen hatte Josuah Parker gerade geraten, mög lichst schnell zu verschwinden. »Verzeihen Sie die Hartnäckigkeit eines alten, müden und rela tiv verbrauchten Mannes«, schickte der Butler voraus, »aber mei ne Wenigkeit besteht darauf, Mieter William Torrings zu sprechen. Richten Sie ihm freundlicherweise aus, Butler Parker wünsche seine Aufwartung zu machen.« »Haben Sie noch alle Tassen im Schrank?« erkundigte sich der größere der beiden Catcher. »Aufwartung machen? William Tor rings stören? Sind Sie ‘n Selbstmörder?« »Zieh’ endlich Leine«, sagte der zweite Catcher gereizt, »und sei froh, daß ich gerade friedlich gestimmt bin.« Sie waren nicht bereit, den Butler anzumelden, was sogar fast verständlich schien. William Torrings, in Soho lebend, war ein der Öffentlichkeit kaum bekannter Gangster, der als Finanzier arbei tete und zukunftsträchtige Coups vorfinanzierte. William Torrings hatte selbstverständlich auch einen bürgerlichen Beruf. Er betrieb eine Firma, die sich mit Gebäudereinigung befaßte. Für ihn arbei teten tatsächlich einige Putzkolonnen, deren Mitglieder wohl kaum wußten, welchem Beruf ihr Firmenchef tatsächlich nach ging. Josuah Parker hatte seinen Universal-Regenschirm vom ange winkelten linken Unterarm genommen und hielt ihn nun in der rechten Hand. Durch einen Druck auf einen versteckt angebrach 12
ten Knopf hatte er unten in der Zwinge einen langen, scharf ge schliffenen Dorn freigesetzt, den er auf die Schuhkappe des einen Catchers setzte. Dann drückte Parker seinen Schirm leicht nach unten und löste umgehend einige Verwirrung aus. Der nadelspitze Dorn drang ohne jede Schwierigkeit durch das Oberleder des Schuhs und bohrte sich in den Fuß. Der so behan delte Catcher jaulte betroffen und sah unwillkürlich nach unten. Da Parker jedoch in diesem Moment den Bambusgriff seines Schirms hob, trafen Kinn und Griff innig aufeinander. Der Catcher verdrehte augenblicklich die Augen, seufzte verhal ten und lehnte sich müde gegen die Wand. Er hatte das Gefühl, von einer unsichtbaren Faust getroffen worden zu sein, was im übertragenen Sinn sogar stimmte. Der Schirmgriff war nämlich mit Blei ausgegossen und übte bei entsprechendem Gebrauch einen umgehenden Niederschlag aus. »Was is’?« fragte der zweite Catcher, der dies alles nicht mitbe kommen hatte, weil Parker fast unauffällig und wie beiläufig rea giert hatte. Er schaute auf seinen Partner, der bleich geworden war und in die Hocke ging. »Ihr Begleiter dürfte von einer momentanen Schwäche befallen sein«, erklärte der Butler und hatte Zeit, ein Sprayfläschchen aus einer seiner vielen Westentaschen zu ziehen. Er bestäubte den zweiten Catcher mit einer winzigen Dosis und trat dann sicher heitshalber einen Schritt zurück, um nicht auch noch erreicht zu werden. Dieser Spray hatte es in sich! Er diente nämlich keineswegs dazu, aufkommenden Schnupfen in Grenzen zu halten, sondern verhalf zu einem umgehenden Schlafbedürfnis, dem man sich kaum entziehen konnte. Der zwei te Catcher fiel über seinen Partner und drückte ihm mit seiner Körpermasse noch nachhaltiger zu Boden. Es dauerte nur Sekun den, bis beide Männer völlig entspannt neben der Tür lagen, die sie eigentlich zu bewachen hatten. Parker war ein höflicher Mensch. Er lüftete seine schwarze Melone, als er über die beiden Schlä fer trat, die Tür öffnete und dann einen Korridor aufsuchte, in den einige Türen mündeten. Der Butler steuerte auf eine zu, die dick wattiert war, und trat ein, ohne vorher anzuklopfen. Er sah sich einer recht seltsamen Szene gegenüber. Hinter einem Schreib tisch saß ein massiger Fünfziger mit schmerzerfülltem Gesicht. Er 13
verfolgte fast wider willig die Handlungen eines muskulösen Mannes, der einen wesentlich schmaleren Burschen auf einem Besucherstuhl mit Faustschlägen traktierte. »Ich hoffe zu stören, meine Herren«, grüßte Josuah Parker und lüftete erneut seine schwarze Melone, um sie dann mit blitz schneller Drehung des Handgelenks wie eine fliegende Untertasse auf die Luftreise zu schicken. * Die Melone wirbelte tatsächlich wie eine Untertasse durch den großen Raum und landete mit ihrer Kante auf der Nasenwurzel des Mannes, der gerade wieder einen Fausthieb verabreichen wollte. Die Faust blieb aber wie erstarrt in der Luft stehen. Der Mann atmete scharf durch, schien dann echte Reue wegen seines Vor gehens zu empfinden und kniete vor dem Mißhandelten nieder. Dann seufzte er noch mal und streckte sich auf dem Teppich aus. Der Mann auf dem Stuhl, der mit Sicherheit bereits einige herbe Fausthiebe kassiert hatte, stand mühsam auf und schaute sich unsicher um. Dabei nahm Parker zur Kenntnis, daß das Gesicht dieses Bedauernswerten angeschwollen war. Der etwa Fünfzigjährige hinter dem Schreibtisch weigerte sich offensichtlich das zu glauben, was er da gerade gesehen hatte. Er saß steil im Sessel und sah zu, wie Josuah Parker mit dem Griff seines Universal-Regenschirms die schwarze Melone vom Teppich hob, die sofort auf den Kopf zurückwanderte. »Mister William Torrings, wenn ich nicht sehr irre?« erkundigte sich der Butler. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker. Vorn an der Tür gab es einige Mißverständnisse, die inzwischen allerdings geklärt wurden.« »Parker?« fragte William Torrings gedehnt und schluckte ner vös. »In der Tat«, antwortete der Butler und deutete eine äußerst knappe Verbeugung an, »darf ich davon ausgehen, daß Sie mir einige Minuten Ihrer sicher kostbaren Zeit schenken werden?« »Wie… wie sind Sie hier reingekommen?« wunderte sich William Torrings. »Eine Frage, die meiner Wenigkeit immer wieder gestellt wird«, 14
schickte der Butler voraus, »ich war so frei, die Tür zu benutzen, um genau zu sein. Darf man fragen, ob diesem bedauernswerten Mann geholfen werden kann? Er scheint offensichtlich unter einer Allergie zu leiden.« »Allergie? Er hat seine Zinsen nicht… Äh – was geht Sie das an, Mister Parker?« »Eine Allergie, die eindeutig von Fäusten herrühren dürfte, Mis ter Torrings. Sie sollten diesem Mann eine Art Schmerzensgeld zahlen, wenn ich dies mal formlos vorschlagen darf.« »Schmerzensgeld? Zuerst pumpt er Geld, dann will er nicht zah len? Ich bin doch nicht verrückt!« »Aber ein Wohltäter, wie ich unterstellen möchte.« »Wohltäter? Äh, was glauben Sie denn?« Torrings hatte den kühlen Blick des Butlers wahrgenommen und hüstelte noch ner vöser. »Schön gut, schon gut…« »Wie wäre es, wenn Sie den Schuldschein, der sicher existiert, vor meinen Augen im Aschenbecher verbrennen Mister Torrings?« »Einen Schuldschein über zweihundert Pfund? Ich bin doch nicht…« »Sie sollten sich nicht wiederholen, Mister Torrings. Falls nötig, stelle ich selbstverständlich gern ein Zündholz zur Verfügung.« William Torrings sah an dem Butler vorbei und setzte wohl auf den Mann, der von Parkers Melone getroffen worden war. Dieser Schläger hatte sich inzwischen von der improvisierten Fliegenden Untertasse erholt und erhob sich. Er wollte den Butler anschlei chen und niederschlagen. Als er glaubte, es bereits geschafft zu haben, wandte sich Par ker um und klopfte mit dem bleigefütterten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms gegen die Stirn des Schlägers. Der Mann lächelte versonnen, schnappte nach Luft und machte es sich um gehend wieder bequem. »Das Greifen nach einer Waffe würde ich als unfreundlichen Akt gegen meine Wenigkeit werten«, erklärte Parker dann in Richtung Torrings, der vorsichtig seine Schreibtischschublade aufziehen wollte. »Nein, nein, schon gut«, verteidigte sich William Torrings. »Sie sehen das falsch. Ich wollte keine Waffe ziehen.« »Wie schön für Sie, Mister Torrings. Kommen wir zurück zum Schuldschein. Sie sollten sich tunlichst nicht länger zieren, wenn ich es so ausdrücken darf.« 15
William Torrings hatte eingesehen, daß dieser Besucher wohl doch zu scharf aufpaßte. Er legte also wieder die Hände auf den Tisch und zeigte Bereitschaft zur Mitarbeit. Er langte vorsichtig nach dem Schuldschein, den Josuah Parker sich erst mal genau ansah. Dann legte William Torrings den Schein in den großen A schenbecher und zündete ein Streichholz an. Nach wenigen Au genblicken war das Stück Papier verbrannt. »Sie können gehen«, meinte Parker und widmete sich dem Mann, der erstaunt und ängstlich zugleich diese Szene verfolgt hatte, »Sie brauchen keineswegs zu unterschreiben. Sehe ich dies richtig, Mister Torrings?« »Das geht in Ordnung«, antwortete der Gangsterchef gereizt, »hauen Sie ab, Mann, und pumpen Sie mich nie wieder an!« »Diesem Rat würde ich allerdings unbedingt Folge leisten«, riet Josuah Parker dem Schuldner, der gerade langsam zur Tür ging, um dann plötzlich loszulaufen. Er war noch mal davongekommen und begriff es erst jetzt so richtig. »Nun zu Ihnen, Mister Torrings«, sagte Butler Parker, »als Ge sprächspartner schlage ich einen gewissen Mister Ken Brixham vor.« »Was ist mit Brixham?« fragte der Gangsterchef und ließ nicht erkennen, ob dieser Name ihm etwas sagte. »Ich kenne ihn kaum. Ich weiß natürlich, daß es ihn gibt, aber das ist auch be reits alles.« »Einige zusätzliche Informationen könnten von Wert sein, Mister Torrings«, meinte Josuah Parker. »Er macht in Glücksspiel und Buchmacherei, ein kleiner Fisch«, lautete die etwas verächtliche Antwort, »hat er etwa behauptet, wir würden zusammenarbeiten?« »Keineswegs und mitnichten, Mister Torrings.« Parker hatte das Gefühl, daß ihm die Wahrheit gesagt wurde. »An wen sollte man sich wenden, um mehr über Mister Brixham in Erfahrung bringen zu. können?« »Was ist denn mit ihm?« tippte Torrings neugierig an. »Dazu vermag ich aus bestimmten Gründen zur Zeit nichts zu sagen«, entgegnete der Butler, um die Neugier des Gangsterchefs zusätzlich anzustacheln, »Mister Brixham scheint sich auf Ge schäfte eingelassen zu haben, die man ihm bisher wohl kaum zugetraut haben dürfte.« »Ken Brixham?« Zweifel lag in William Torrings’ Stimme. »Kann 16
ich mir eigentlich nicht vorstellen.« »Mister Brixham scheint das zu sein, was man einen Spätent wickler nennt«, erwiderte Josuah Parker ausweichend, »darf ich Sie daran erinnern, daß Sie meiner bescheidenen Wenigkeit einen Hinweis geben wollten?« »Warum sehen Sie sich nicht in seinem Laden um, Mister Par ker?« wollte Torrings wissen. »Er hat doch ein kleines Briefmar kengeschäft, gar nicht weit von hier.« »Mit einer halbwegs genauen Adresse wäre meiner Person un gemein geholfen.« William Torrings hatte diese Adresse zur Verfügung und nannte sie auch. Parker lüftete dankend die schwarze Melone und ging zurück. Torrings starrte ihm nach und hätte liebend gern die Schreibtischlade aufgezogen, doch er traute sich nicht. Inzwi schen erinnerte er sich sehr genau an diesen Butler Parker, des sen Name in der Unterwelt mit großem Respekt genannt wurde. »Noch etwas, Mister Torrings«, sagte der Butler und wandte sich noch mal um, »vergessen Sie tunlichst, daß ich mich bei Ih nen nach Mister Ken Brixham erkundigt habe. Gehen auch Sie diesen Dingen nicht nach!« »Ich werde mich hüten«, schwindelte Torrings, der genau das Gegenteil plante, »hat er denn ‘ne dicke Sache angekurbelt? Wird er bereits von der Polizei gesucht?« »Das auch«, erwiderte Parker bewußt vage, »aber wie gesagt, vergessen Sie meinen Besuch, wenn ich raten darf…« Ohne gehalten zu werden, schritt Josuah Parker durch den Kor ridor, stieg über die beiden Türwachen, die sich gerade wieder andeutungsweise regten, und suchte dann sein hochbeiniges Monstrum auf, das auf einem nahen Parkplatz stand. Dabei han delte es sich um seinen Privatwagen, der vor vielen Jahren tat sächlich mal als reguläres Taxi gedient hatte. Parker hatte diesen unscheinbaren, eckigen Wagen erworben und nach seinen sehr eigenwilligen Vorstellungen umbauen lassen. Im Fond saß Mike Rander, der den Butler neugierig ansah. »Hat der Fisch angebissen?« fragte der Anwalt, als Parker am Steuer Platz nahm. »Dies, Sir, dürfte sich bald herausstellen«, antwortete Josuah Parker, »ich war allerdings so frei, ein elektronisches Übertra gungsgerät zu installieren.« »Ein vornehmer Ausdruck für eine Wanze, Parker.« Mike Rander 17
lächelte amüsiert. »Mister Torrings telefoniert bereits«, meldete Parker, der das normal aussehende Radio eingeschaltet hatte. Aus dem Lautspre cher war tatsächlich William Torrings’ Stimme zu hören, der sich mit einem gewissen Norman Horley unterhielt. »Dieser kleine Pinscher will ein großes Ding abgezogen haben?« wunderte sich Horley, der von Torrings mal mit Vor-, dann wieder mit Zunamen angeredet wurde. »Nee, kann ich mir einfach nicht vorstellen. Aber wenn dieser verdammte Butler schon loszieht und sich nach ihm erkundigt, dann muß was dran sein an der Sa che. Ich werd’ mal meine Fühler ausstrecken, Torrings.« * »Ich hätte mir selbstverständlich diesen Briefmarkenladen an gesehen«, verkündete die Detektivin grimmig, »und ich hätte auch garantiert wichtige Spuren entdeckt.« »Dieser kleine Laden ist längst von Beamten der Sicherheits dienste auf den Kopf gestellt worden, Mylady«, antwortete Mike Rander, »für uns war da nichts mehr zu holen. Norman Horley ist wichtiger.« »Das sage ich ja«, schnappte sie sofort zu, ohne auch nur an deutungsweise zu erröten, »dieser Name kommt mir sehr be kannt vor. Mister Parker, bringen Sie mich auf die richtige Spur.« »Mister Norman Horley, Mylady, ist ein Gangster, der bereits zur unteren Spitzenklasse der Unterwelt gerechnet werden muß«, antwortete Parker höflich, »Mylady wissen ferner, daß Mister Hor ley auf dem Sachgebiet der Nötigung und Erpressung tätig ist.« »Richtig, jetzt habe ich es wieder«, behauptete die Lady, ob wohl sie mit dem Namen überhaupt nichts anzufangen wußte, »kommt er als Hintermann dieses U-Boot-Entführers in Betracht? Wie denke ich darüber, Mister Parker?« »Auch Mister Horley dürfte darüber kaum informiert gewesen sein«, entgegnete der Butler, »seine ehrliche Überraschung wur de von der Elektronik eindrucksvoll vermittelt.« »Gibt es Neuigkeiten von der Flotte?« erkundigte sich Mike Rander. »Nichts«, erwiderte die Detektivin, »ich denke, ich werde mich nach Plymouth begeben, mein Junge, um von dort aus die Opera 18
tionen zu leiten.« »Vielleicht weiß man in wenigen Minuten mehr«, schaltete sich der Butler ein. Er deutete auf das Fenster, das den Blick auf den Vorplatz des alten Fachwerkhauses lenkte. Durch die Bleivergla sung, die selbstverständlich eine Panzerscheibe tarnte, waren undeutlich die Umrisse eines Wagens auszumachen. Parker begab sich in die große Wohnhalle, öffnete einen Wandschrank rechts vom verglasten Vorflur und schaltete die außen über der Tür an gebrachte Fernsehkamera ein. Er machte auf dem Bildschirm den Chief-Superintendent und Sir Herbert aus. Parker öffnete per Elektronik die Haustür und ließ die beiden Besucher in den verglasten Vorflur treten. Nachdem er wieder geschlossen hatte, öffnete er die Glastür, und die beiden Gäste konnten die Wohnhalle betreten. »Mylady erwartet Neuigkeiten, Sir«, sagte Parker zu McWarden. »Die wird sie bekommen, Mister Parker«, erwiderte der ChiefSuperintendent und nickte grimmig, »Brixham hat seine Bedin gungen angemeldet.« »Die horrend sein dürften, Sir.« »Zehn Millionen Pfund«, näselte Sir Herbert aufgebracht, »zehn Millionen Pfund, oder man wird die ganze Nation in Gefahr brin gen!« »Wurden Einzelheiten genannt, Sir, was diese Gefahr betrifft?« fragte Josuah Parker weiter, während er die beiden Gäste in den Salon brachte, wo sie von Agatha Simpson gnädig empfangen wurden. »Sie haben dieses Subjekt doch wohl noch nicht eingefangen?« sorgte sie sich dann. »Leider nicht, Mylady«, antwortete McWarden, »er verlangt nur zehn Millionen Pfund, eine Kleinigkeit, nicht wahr? Falls die Regie rung nicht zahlt, will er für einen Donnerschlag sorgen, wie er sich ausdrückte.« »Können Sie nicht etwas deutlicher formulieren?« parierte Lady Agatha umgehend, »was stelle ich mir unter einem Donnerschlag vor?« »Genaues hat er nicht mitgeteilt«, warf Sir Herbert ein, »aber er hat natürlich eine Menge Möglichkeiten, machen wir uns da nichts vor.« »Bis wann will er denn die zehn Millionen Pfund sehen?« wollte der Anwalt wissen. 19
»Bis Ende der Woche«, redete Sir Herbert bekümmert weiter, »wir haben also genau drei Tage Zeit.« »Das reicht mir vollkommen«, bemerkte die ältere Dame opti mistisch, »nicht wahr, Mister Parker?« »Mylady lösten in der Vergangenheit in wesentlich kürzerer Zeit«, antwortete der Butler höflich, um sich dann Sir Herbert zuzuwenden, »wie lauten die Bedingungen der Geldübergabe, Sir?« »Die Millionen sollen auf ein Konto überwiesen werden, das in einem nordafrikanischen Mittelmeerstaat eingerichtet worden ist«, lautete die Antwort des Geheimdienstvertreters. »Namen möchte ich nicht nennen, wie Sie verstehen werden. Dies könnte zu internationalen Verwicklungen führen.« »Etwa Libyen, Sir Herbert?« fragte Lady Agatha ungeniert. »Kein Kommentar«, sagte der Angesprochene hastig. »Dort will dieses Subjekt sich also später verstecken«, mutmaß te die Detektivin, »und wie will er im Fall einer Zahlung das UBoot zurückgeben? Glauben Sie wirklich, daß er’s tun wird?« »Eben nicht, Mylady«, erwiderte Sir Herbert, »er wird es wahr scheinlich mitnehmen.« »Er hat doch nur für siebenhundert Seemeilen Treibstoff an Bord«, erinnerte Mike Rander umgehend. »Diese Strecke würde er nie schaffen. Einfacher kann keine Rechnung sein.« »Er ist bereits entwischt«, warf Chief-Superintendent McWarden ein, »er hat den Sicherheitsring unterlaufen und sich abgesetzt. Zur Zeit wird fieberhaft nach ihm gesucht, Mylady. Das sind die Tatsachen. Er ist einfach nicht mehr zu orten. Wir haben es mit einem ganz ausgekochten Gangster zu tun, der sich bestens aus kennt.« »Oder ausgezeichnet geführt wird, Sir«, ließ Josuah Parker sich höflich vernehmen. * »Ich habe bereits meinen Pilotenschein gemacht, junger Mann, als Sie noch nicht existierten«, stellte die ältere Dame klar. Sie saß auf dem Sitz des Co-Piloten und musterte den HubschrauberPiloten, der den zweistrahligen Helikopter steuerte. »Gab es damals bereits Hubschrauber, Mylady?« erkundigte 20
sich der Pilot arglos. »In etwa«, schwindelte Agatha Simpson, »aber das steht hier nicht zur Debatte. Ich möchte dieses Fluggerät gern mal steuern und meine alten Kenntnisse auffrischen.« Mike Rander tauschte einen schnellen Blick mit Kathy Porter, der Gesellschafterin und Sekretärin der Lady. Die fünfundzwan zigjährige Kathy Porter war ein sehr geschmeidiger, sportlicher Typ und hatte normalerweise keine Angst. Die kam immer erst dann auf, wenn Agatha Simpson ihre umfassenden Kenntnisse auf fast allen Gebieten unter Beweis stellen wollte. »Nur nicht die Nerven verlieren, Kathy«, sagte Mike Rander, »aber unter uns, ich habe bereits Schwitzhände.« »Könnte man Mylady vielleicht ablenken?« fragte sie leise. Sie war an diesem Morgen zum Trio Lady Simpson – Mike Rander – Butler Parker gestoßen und hatte mit solch einem Ausflug nicht gerechnet. Kathy Porter war für zwei Tage auf einem Landsitz der älteren Dame gewesen und wußte inzwischen, welchen Fall Lady Agatha zu lösen gedachte. »Parker hat einen sagenhaften Riecher«, stellte der Anwalt fest, »der hat’s geschafft, sich vor dem Flug zu drücken.« »Der Glückliche«, seufzte Kathy Porter. Sie war eine bemer kenswert hübsche Frau, deren Gesicht einen leicht exotischen Ausdruck besaß. Ihrer Wirkung schien sie sich allerdings kaum bewußt zu sein, denn normalerweise machte sie einen zurückhal tenden Eindruck. Lady Agatha hatte sich von dem ahnungslosen Piloten inzwi schen einweisen lassen und nichts verstanden. Sie tat natürlich so, als sei das alles eine Selbstverständlichkeit für sie und griff energisch nach dem Steuerknüppel, um den Langstreckenhub schrauber zu testen, wie sie nun noch zusätzlich ankündigte. »Wissen Sie zufällig, wo hier die Fallschirme sind, Kathy?« frag te Mike Rander hastig, als der Helikopter sofort steil gen Himmel schoß, da die energische Pilotin eine falsche Steuerbewegung ausgeführt hatte. »Ein Schlauchboot wäre auch nicht schlecht, Mike«, antwortete Kathy Porter, denn der Hubschrauber hatte inzwischen die Nase nach unten gerichtet und donnerte mit flatternden Rotoren direkt in Meeresnähe. »Mylady«, keuchte der Pilot, »nein, nicht…« »Papperlapapp, junger Mann, Sie werden doch keine Angst ha 21
ben, oder?« hauchte sie über die Bord-Sprechanlage, »ich habe die Kiste voll unter Kontrolle.« »Einbildung ist alles«, stöhnte Mike Rander, der wie Kathy Por ter nicht über die Bordsprechanlage gehört werden konnte. »O Himmel«, flüsterte Kathy Porter, als der Helikopter hochge rissen wurde, um dann wie ein welkes, vom Sturm erfaßtes Blatt zur Seite zu taumeln. »Sehr hübsch«, stellte die Detektivin begeistert fest und nickte dem entsetzten Piloten zu, »jetzt werde ich einen Scheinangriff auf den Zerstörer dort unten fliegen.« Der Pilot versuchte mit Kraft, die Maschine wieder unter Kon trolle zu bringen. Da beide Steuerknüppel jedoch miteinander verbunden waren, erwies sich das als nicht so einfach. Agatha Simpson, die leidenschaftlich gern und schlecht Golf spielte, be saß eine gut entwickelte, durch das Sportbogenschießen noch zusätzlich trainierte Muskulatur. Der Pilot zerrte an seinem Steu erknüppel und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, als der Heli kopter nach unten rauschte. »Autofahren ist schwerer«, bemerkte die resolute Sechzigerin, die den Zerstörer anvisierte, »wir haben nicht zufällig eine Ü bungsbombe an Bord, junger Mann?« »Nur echte«, erwiderte der Pilot leichtsinnigerweise. »Auch recht«, meinte Agatha Simpson begeistert, »ich könnte ja auf einen Volltreffer verzichten, nicht wahr?« »Das U-Boot«, brüllte Mike Rander plötzlich und tippte auf die rechte Schulter der Lady. Er hoffte inständig, sie ein wenig ablen ken zu können. Und er hatte Glück! Die ältere Dame vergaß für einen Moment ihre Absicht und blickte seitlich nach draußen. Der Pilot nutzte seine Chance und übernahm wieder das Kom mando. Lady Agatha ließ sich von Mike Rander ein Fernglas rei chen und suchte die leicht rauhe See nach dem Klein-U-Boot ab. Der Pilot drehte sofort ab und hatte nur noch den einen Wunsch, so schnell wie möglich zur Basis zu gelangen. Er schwor sich, die se eigenwillige Person niemals wieder an Bord zu nehmen. »Ich sehe nichts«, stellte Agatha Simpson inzwischen fest. »Eine ganze Armada, Mylady«, rief Kathy Porter, »Zerstörer, Schnellboote, Minensuchboote.« »Aber kein U-Boot«, beschwerte sich die Detektivin ungeduldig. »Man scheint Jagd auf das Boot zu machen, Mylady«, schwin delte Mike Rander und nahm dankbar zur Kenntnis, daß es an 22
Land zurück ging. »Vielleicht sollte ich auf einen der Zerstörer übersetzen«, über legte die Lady halblaut, und der Pilot hielt das für eine ausge zeichnete Idee, wie er sofort versicherte. »Können Sie mich aus der Luft absetzen?« Agatha Simpson schien frohgemut. »Mir käme es nicht darauf an«, lautete seine Antwort. »Wie wäre es denn mit einem Jagd-U-Boot, Mylady?« schlug der Anwalt listig vor. Ihm ging es darum, so schnell wie möglich wie der auf festen Boden zu gelangen. »Auch eine hübsche Idee«, überlegte die ältere Dame halblaut, »mich würde die Technik einer Unterwasserfahrt interessieren, mein Junge.« »Der Kommandant wird Ihnen bestimmt alles zeigen«, fügte der Pilot hastig hinzu. »Nun gut denn.« Sie war einverstanden. »Zurück zur Basis, junger Mann! Anschließend werde ich bei der Flotte ein Gastspiel geben.« »Man wird sich überschlagen, Mylady«, wußte der Pilot bereits im voraus und schaffte es, ein Kreuz zu machen. »Ihre Anwesen heit auf einem U-Boot wird man bestimmt nie vergessen.« »Das möchte ich allerdings auch ausgebeten haben«, erwiderte Lady Agatha animiert, »können Sie nicht etwas schneller fliegen? Oder soll ich vielleicht doch noch mal das Steuer übernehmen?« * »Ließ Mylady sich dazu hinreißen, Sir?« fragte Butler Parker ei ne Stunde später. »Sie ließ, Parker, sie ließ. Der Pilot ist mit einem Schock und ei nem leichten Nervenzusammenbruch in ein Militär-Hospital einge liefert worden.« »Darf man sich nach dem Befinden Miß Porters erkundigen, Sir?« »Sie hat’s wie ich überstanden.« Rander lächelte. »Aber wir ha ben ein paar doppelte Whisky gebraucht, bis wir wieder in Ord nung waren.« Mike Rander und Josuah Parker saßen in der Halle eines Hotels von Plymouth und warteten auf Chief-Superintendent McWarden 23
und Sir Herbert. Die beiden Männer befanden sich zur Zeit noch in einer Konferenz, an der Vertreter der Regierung teilnahmen. Es ging um die zehn Millionen Pfund, die Ken Brixham verlangte. »Das U-Boot ist also entwischt«, meinte der Anwalt, »wie konn te so etwas passieren? Gibt’s da nicht eine Fülle von elektroni schen Überwachungen, Parker? Kann man U-Boote inzwischen nicht punktgenau orten?« »Die Elektronik, Sir, läßt sich täuschen«, lautete die Antwort des Butlers, »jede Waffe erzeugt in der Regel eine Gegenwaffe.« »Eine verrückte Schraube ohne Ende«, meinte Rander kopf schüttelnd, »Brixham ist also entwischt, aber weit kann er doch gar nicht kommen. Ich denke immer an den Treibstoff an Bord. Unter Wasser kann er schließlich schlecht nachbunkern, oder?« »Dies dürfte zur Zeit noch ausgeschlossen sein, Sir, obwohl damit zu rechnen ist, daß man auch dieses technische Problem bald lösen wird oder es bereits gelöst hat.« »Dann braucht man doch nur einen Kreis zu ziehen, den das UBoot einfach nicht verlassen kann.« »Dies wird bereits zur Zeit getan, Sir. Man versucht einzugren zen, in welchem Kreis das U-Boot sich befindet. Meiner beschei denen Ansicht nach dürfte es einfach auf Grund gegangen sein und bewegt sich nicht mehr.« »Diese Tricks wird doch wohl auch unsere Marine kennen.« »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Sir«, antwor tete Josuah Parker, »darf ich mir erlauben, noch mal auf das Grundproblem zurückzukommen?« »Brixham ist nur der verlängerte Arm eines Gangsters, der die Fäden in der Hand hält, wie?« »Davon sollte man in der Tat nach wie vor ausgehen, Sir. Die Planung der Kaperung und auch die Durchführung deuten darauf hin, daß man es mit ausgesuchten Professionals zu tun hat.« »Deren Kopf vielleicht in aller Ruhe in London sitzt?« »Zum Beispiel, Sir.« Parker nickte andeutungsweise. »Aus Gründen des Funkkontakts könnte dieser Kopf allerdings auch hier an der Küste Position bezogen haben.« »Zehn Millionen Pfund«, sinnierte der Anwalt halblaut, »und dann wandert das neue Kleinst-U-Boot wahrscheinlich auch noch in fremde Hände. Wie konnte so was passieren? Wissen Sie inzwi schen, wie man diesen Unterwasserkahn hochgenommen hat?« »Auf eine bestürzend einfache Art und Weise, Sir. Die privaten 24
Wachmannschaften der Werft wurden von einer vorgeblichen Ma rineeinheit abgelöst. Den Zutritt auf das Gelände verschaffte man sich per Einflug eines Hubschraubers, der die Kennzeichen der Marine trug. Die Übernahme des Bootes, um es mal so auszudrü cken, gelang ohne Blutvergießen. Die Originalwachen wurden betäubt und außer Gefecht gesetzt.« »Der Plan hätte also durchaus von Ihnen stammen können, wie?« Mike Rander lächelte amüsiert. »Vielen Dank, Sir!« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Nach dem Ausschalten der Wachen stach das Boot dann mit der neuen Besatzung in See.« »Wieso hat man diesen Brixham dazu engagiert, Parker?« »Er verfügt über seemännische Kenntnisse und kann durchaus ein U-Boot führen.« »Wem war das bekannt, Parker? Könnte man hier nicht anset zen?« »Durchaus, Sir«, pflichtete Parker dem Anwalt bei, »hier erge ben sich echte Anhaltspunkte, wenn ich so sagen darf. Der Kopf, der dieses Unternehmen geplant hat, muß die sogenannte Vita Mister Brixhams recht gut gekannt haben.« »War seine seemännische Vergangenheit nicht allgemein be kannt? Ich meine in Freundeskreisen…« »Dies, Sir, wird zu ermitteln sein. Man sollte davon ausgehen, daß Chief-Superintendent McWarden gerade diesem Punkt große Aufmerksamkeit schenken wird.« »Fragen wir ihn doch selbst, Parker.« Rander stand auf und deutete auf McWarden und Sir Herbert, die beide die Hotelhalle betraten. Die Männer begrüßten sich durch Kopfnicken, dann nahmen sie wieder Platz. »Was sagt die Regierung?« fragte der Anwalt direkt und sah Sir Herbert an. »Man will sich auf keinen Fall erpressen lassen«, lautete die Antwort des Mannes, »im Augenblick versucht man, Kontakt mit dem U-Boot aufzunehmen.« »Es ist also nach wie vor auf Tauchstation, wie?« »Im Moment unauffindbar«, bestätigte Sir Herbert, »aber es ist wirklich nur eine Frage der Zeit, bis man es wieder aufgespürt hat.« »Inzwischen läuft aber der Countdown«, schaltete sich McWar den grimmig ein, »und wir verfügen über eine neue Warnung. 25
Brixham verlangt den Rückzug sämtlicher Überwasserstreitkräf te.« »Erhielt man diese Forderung per Funk, Sir?« wollte der Butler wissen. »Per Funk«, bestätigte McWarden, »aber ob dieser Funkspruch vom Boot stammt, ist natürlich nicht sicher. Der Spruch könnte auch von Land abgesetzt worden sein.« »Und was droht Mister Brixham an, falls die Überwasserstreit kräfte nicht zurückgezogen werden, Sir?« fragte der Butler wei ter. »Einen Torpedoschuß«, entgegnete McWarden bitter, »das Ziel hat er natürlich nicht genannt.« »Die Marine hat sämtliche Schiffe angewiesen, das bedrohte Seegebiet zu meiden«, warf Sir Herbert ein, »aber wir alle wissen doch, wie dicht der Kanal befahren ist. Morgen oder sogar heute noch dürfte mit riesigen Schlagzeilen zu rechnen sein. Man wird Fragen stellen und Erklärungen verlangen.« »Zehn Millionen Pfund sind nichts gegen Menschenleben«, erin nerte der Anwalt. »Und das U-Boot?« Sir Herbert hüstelte in seiner typischen Art. »Es darf möglichen Gegnern auf keinen Fall in die Hände fallen. Auf keinen Fall!« »Mal eine ganz andere Frage, McWarden«, schickte Mike Rander voraus, »wie bekannt war es eigentlich in der Unterwelt, daß Brixham auf einem U-Boot gefahren ist?« »Ach ja, das haben Sie sich also auch gefragt.« McWarden lä chelte flüchtig. »Es war so gut wie unbekannt. Über seine Militär zeit hat Brixham kaum geredet. Er wurde seinerzeit unehrenhaft entlassen, weil er Rauschgift schmuggelte. Das geht aus seinen Akten einwandfrei hervor. Das alles liegt inzwischen mehr als zehn Jahre zurück, doch daran scheinen einige Leute sich deutlich erinnert zu haben…« »… die einen Gangster suchten, der sich auf einem U-Boot bes tens auskennt«, faßte der Anwalt zusammen, »Sie fanden ihn, wie wir inzwischen leider wissen.« * Lady Agatha war fasziniert. 26
Sie stand mit Kathy Porter, Mike Rander und Josuah Parker in einer Art Loge, die völlig verglast war. Durch die blitzblank geputzten Scheiben sah man hinunter auf einen riesigen Kartentisch, der von unten beleuchtet war. Auf diesem Tisch war das Seegebiet, in dem das gekaperte U-Boot sich befinden mußte, eingespiegelt worden. Marineoffiziere scho ben mit langen Stöcken Schiffsmodelle über den Tisch und mar kierten damit die Position der Überwasserstreitkräfte. Diese Posi tionen wurden per Funk und Fernschreiber gemeldet und verän derten sich ständig. »Ein hübsches Sandkastenspiel ohne Sand«, stellte die Detekti vin fest, »täusche ich mich, Mister Parker? Werden die Einheiten nicht alle in Richtung Plymouth und Falmouth zurückgezogen?« »Dies, Mylady, ist in der Tat der Fall«, antwortete Parker ge messen, »man kommt einem Ersuchen Mister Brixhams nach.« »Das ist doch eine ausgemachte Frechheit«, empörte sich die ältere Dame, »was ist aus Englands Flotte geworden?« »Sie beherrscht auf keinen Fall mehr die Meere, Mylady«, stellte Mike Rander ironisch fest, »ein kleiner Gangster schafft das mit der linken Hand.« »Warum macht man nicht Jagd auf dieses Subjekt?« »Für diesen Fall hat Mister Ken Brixham in einem weiteren Funkspruch angekündigt, er werde einen Torpedo abschießen.« »Soll er doch«, meinte die ältere Dame lässig, »dann hat er nur noch einen, wenn ich richtig gezählt habe.« »Sie haben völlig richtig gezählt, Mylady«, redete der Anwalt weiter, »es fragt sich allerdings, ob man da einen von drei Groß tankern riskieren will, die sich im betreffenden Seegebiet aufhal ten.« »Die bis zur Grenze ihres Fassungsvermögens vollbeladen sind, Mylady«, fügte der Butler noch hinzu. »Schlamperei, daß man sie nicht umdirigiert hat«, räsonierte die ältere Dame und deutete nach unten auf den riesigen Karten tisch, »nun sehen Sie sich doch diese kindlichen Spielchen an! Haben wir denn keine Jagd-U-Boote, die diesen Brixham aufspü ren und stellen können?« »Dieses neue Boot ist wesentlich schneller und besser«, meinte der Anwalt, »aus den Jägern würden Gejagte, Mylady.« »Da muß aber einer sehr gut Bescheid gewußt haben«, stellte Agatha Simpson grimmig fest. 27
»Eine treffliche Bemerkung, Mylady, wenn ich mich erkühnen darf, dies zu bemerken«, ließ der Butler sich vernehmen, »der Kopf dieses Kaper- und Erpressungsunternehmens muß über erstklassige Informationen verfügen.« »Sie meinen auch im Hinblick auf diese drei Supertanker, Par ker?« fragte Mike Rander. »Durchaus, Sir. Könnte man feststellen, unter welcher Flagge die drei Tanker fahren?« »Mir geht ein Licht auf, Parker. Kommen Sie, Kathy, gehen wir dieser Sache mal nach. Es würde mich nicht wundern, wenn sie aus einem nordafrikanischen Mittelmeerstaat stammen.« »Falls einer der Tanker torpediert wird, ist die gesamte Süd westküste verseucht, Mister Parker«, stellte Agatha Simpson klar. »Ein härteres Druckmittel kann man sich in der Tat kaum vor stellen«, gab der Butler zurück, »Mylady gebühren übrigens tiefer Dank, wenn ich bei allem schuldigen Respekt darauf hinweisen darf.« »Natürlich dürfen Sie, mein lieber Mister Parker«, antwortete sie huldvoll. »Myladys Voraussicht waren wieder mal bewunderungswürdig.« »Natürlich«, sagte sie vorsichtig, denn sie hatte keine Ahnung, worauf der Butler abzielte. »Ohne Myladys Tauchfahrt besäße das Klein-U-Boot jetzt eine bedeutend größere Reichweite.« »Tatsächlich, Mister Parker.« Sie nickte vorsichtig. »Ohne Myladys Test wäre das U-Boot mit Sicherheit nicht zur Generalüberholung in die Werft gebracht worden.« »Es muß mein wacher Instinkt gewesen sein, der mich dazu brachte, das Boot gründlich zu testen«, behauptete sie jetzt un verfroren, »so etwas hat man, oder hat es eben nicht… Die Admi ralität sollte mir dankbar sein.« Sie war ein wenig ungehalten, als genau in diesem Moment Ka thy Porter und Mike Rander die verglaste Loge betraten. Sie hätte sich liebend gern noch intensiver über ihren Instinkt verbreitet. »Ein Tanker fährt unter libyscher Flagge«, berichtete Mike Rander lakonisch, »der zweite unter der panamesischen und der drit te Tanker unter der liberianischen Flagge. Reicht Ihnen das, Par ker?« »Eine recht interessante Mischung, Sir«, antwortete der Butler, »bestimmte Rechnungen scheinen hier voll aufzugehen, wenn ich 28
so sagen darf.« * Das sogenannte Quartett aus London hatte den Flottenstütz punkt verlassen und befand sich auf der Fahrt ins Hotel. Die Ver treter der Regierung verhandelten noch miteinander und waren immer noch nicht zu einem Resultat gelangt. Die Zahlung der geforderten zehn Millionen Pfund stand auf keinen Fall bereits zur Debatte. Parker saß stocksteif, als habe er einen Ladestock verschluckt, am Steuer seines hochbeinigen Monstrums. Die schußsichere Trennscheibe zwischen Fond und Fahrersitz war heruntergelassen worden. Man brauchte sich daher nicht über die Bordsprechanlage zu unterhalten. »Blamabel, daß man dieses U-Boot nicht finden kann«, ärgerte sich die ältere Dame, »da werden nun Milliarden in die Verteidi gung gesteckt, aber ein winzig kleines U-Boot bringt die Spezialis ten zur Verzweiflung. Mister Parker, wie finde ich das?« »Mylady trafen bereits den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf«, erwiderte Josuah Parker, »Mylady gehen natürlich davon aus, daß das U-Boot sich quasi unter Land versteckt hält.« »Aha«, staunte sie, »gehe ich davon aus? Natürlich, daran den ke ich bereits die ganze Zeit. Unter Land also. Natürlich, das Boot ist in irgendeine kleine Bucht geschlüpft und wartet dort in aller Ruhe ab. So meine ich es doch, oder?« »Gewiß, Mylady«, entgegnete der Butler gemessen, »allein die Scilly-Inseln wären dafür hervorragend geeignet, ganz zu schwei gen von den Steilküsten bei Lands End.« »Wie gut, daß ich diesen arroganten Burschen der Flotte keinen Ton davon gesagt habe«, freute sich die Detektivin, »wir brau chen also nur die Küste abzusuchen, nicht wahr?« »In etwa, Mylady«, erwiderte Parker, »dazu müßte man sich vielleicht aus Gründen der Effizienz trennen.« »Was ich gerade sagen wollte.« Sie nickte sehr nachdrücklich. »Getrennt marschieren, vereint schlagen. Das war schon immer meine Devise, Mister Parker.« »Bringt das was?« Randers Stimme drückte Zweifel aus. »Das Boot dürfte getaucht irgendwo auf Grund liegen. Aber mal abge 29
sehen davon, auch die Geheimdienste werden ähnlich denken und diese Arbeit bereits in Angriff genommen haben.« »Diese Burschen sind doch blind wie Maulwürfe«, entschied die ältere Dame energisch, »ihnen fehlt der richtige Instinkt. Zudem müßte solch eine Suche während der Nacht erfolgen, das ist doch hoffentlich klar. Während der Nacht dürften die Gangster sich doch sicher fühlen…« »Da ist was dran, Mylady«, gab Mike Rander zurück, »auf der anderen Seite müßte der Zufall uns mächtig unter die Arme grei fen. Es handelt sich um eine verdammt lange Küstenlinie, von den Scilly-Inseln mal ganz zu schweigen.« »Die könnte man unter Umständen aussparen, Sir«, antwortete der Butler, »dort dürften Einheiten der Flotte besonders intensiv suchen.« »Mal im Vertrauen, Parker, wo würden Sie denn mit einem ge klauten U-Boot absteigen?« fragte der Anwalt. »Mit dieser Frage, Sir, beschäftige ich mich bereits seit einiger Zeit«, schickte der Butler voraus, »besonders sicher wäre man selbstverständlich dicht vor Plymouth.« »Ich würde sogar im Hafen der Werft auf Grund gehen«, stei gerte Lady Agatha, »wer würde mich dort schon suchen?« »Verflixt, nicht schlecht«, erklärte Mike Rander, »wo versteckt man am besten einen Brillanten? Zwischen falschem Schmuck, oder?« »Ich glaube, ich werde mich dieser Suche intensiv widmen«, schlug Lady Simpson unternehmungslustig vor, »wahrscheinlich werde ich mir ein Fischerboot oder eine hübsche kleine Hochsee yacht mieten.« »Falls Mylady erlauben, möchte ich mich zurück nach London begeben«, antwortete der Butler. »Nur zu«, sagte sie triumphierend, »diesmal werden Sie auf die falsche Karte setzen.« »Zurück nach London, Mister Parker?« erkundigte sich Kathy Porter. »Wenn es konveniert, möchte ich nach dem Kopf dieses Unter nehmens suchen«, meinte Parker höflich, um dann blitzschnell das Steuer herumzureißen. Aus einer Seitenstraße schoß plötzlich ein Lastwagen hervor, dessen mächtige Stoßstange auf die Breit seite des hochbeinigen Monstrums gerichtet war. Durch intensi ves Gasgeben slalomte Parker mit seinem Wagen um diese Stoß 30
stange herum, während der Lastwagen vorbeidonnerte und dann in der gegenüberliegenden Straße verschwand. »Eine Unverschämtheit«, entrüstete sich Lady Agatha. Parker verzichtete aus Zeitgründen auf einen Kommentar, bremste sehr scharf, drehte seinen Wagen und nahm die Verfolgung auf. Er erreichte den Laster bereits nach wenigen Minuten. Er stand verlassen am Straßenrand. Vom Fahrer war weit und breit nichts zu sehen. * Er hieß Horace Pickett, war etwa sechzig und ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle. Seine Manieren waren tadellos, seine Fingerfertigkeit hingegen konnte man nur als bemerkenswert be zeichnen. Horace Pickett, der Taschendieb, nahm nur noch hin und wieder gewisse Eigentumsübertragungen vor. Er hielt sich dann aber grundsätzlich an »Klienten«, die einen Geldverlust verschmerzen konnten. Horace Pickett war sich seiner sozialen Mitverantwortung durchaus bewußt. Einem Durch schnittsverdiener hätte er nie auch nur einen Penny weggenom men. Dieser interessante Mann, der einen gut gepflegten Bart trug, bewegte sich in der riesigen Empfangshalle des Londoner Flugha fens Heathrow. Als er Butler Parker erspähte, kreuzte er dessen Weg, ließ aber nicht erkennen, daß sie miteinander verkehrten. Horace Pickett benutzte einen der Ausgänge und ging zu den Parkplätzen. Hier wartete er am Steuer eines unauffälligen Morris, bis Parker erschien. Der Butler schlüpfte in den Wagen und nahm neben Pickett Platz. »Schön, Mister Parker, Sie zu sehen und wieder mal für Sie ar beiten zu können«, sagte Pickett. »Der Dank liegt ganz auf meiner Seite«, antwortete Parker, während Pickett den Morris anrollen ließ, »waren Sie bereits in der Lage, gewisse Erkundigungen einzuziehen?« »Sofort nach Ihrem Anruf bin ich tätig geworden«, entgegnete der Taschendieb, »einige meiner Bekannten verfolgen Torrings und Horley. Sie haben sich bereits dreimal in einem Kellerlokal in Soho getroffen und auch noch Tom Molton hinzugezogen.« »Das ist in der Tat sehr interessant«, sagte Parker. 31
»Tom Molton ist immerhin bereits ein großes Tier, Mister Par ker«, erläuterte Pickett, »die Leute der drei Bosse sind bereits ausgeschwärmt und klappern alles ab, was mit Ken Brixham zu tun hat. Auch das ist bereits eindeutig erwiesen.« »Gibt es bereits Gerüchte, Mister Pickett?« »Nichts«, lautete die Antwort, »aber es gibt eine gewisse Ner vosität, es scheint etwas in der Luft zu liegen.« »Wenn Sie erlauben, Mister Pickett, werde ich Sie zu einem spä teren Zeitpunkt ins Vertrauen ziehen«, entschuldigte sich Parker, »im Augenblick stehe ich im Wort, nichts verlauten zu lassen.« »Das geht schon in Ordnung, aber ich wundere mich, daß sich alles um diesen Brixham drehen soll.« »Er ist Ihnen sicher weit entfernt bekannt, Mister Pickett?« »Er war bisher im Glücksspiel und in der Buchmacherei tätig, aber eigentlich nur in kleinem Rahmen«, berichtete Pickett fast mitleidig, »Format hat Brixham nicht, wenn Sie mein Urteil hören wollen.« »Er wird, dies darf ich wohl sagen, wahrscheinlich nur als ver längerter Arm benutzt, Mister Pickett. Sie haben sich für sein per sönliches Umfeld interessiert, wie ich Sie telefonisch bat?« »Seine Leute sind unauffindbar, sie scheinen vom Boden ver schluckt worden zu sein.« »Wie viele Mitarbeiter hat Mister Brixham in etwa?« »Vier oder sechs Männer«, zählte Pickett auf, »alles kleine Leu te, die man besser schnell vergißt.« »Sie kennen die Namen und Wohnungen dieser Leute.« »Habe ich alles genau von meinen Bekannten ermitteln lassen, Mister Parker, aber wie gesagt, sie sind ausgeflogen.« »Mich interessieren die Berufe dieser Mitarbeiter«, bat der But ler, »ich denke da an die erlernten Berufe und an die, die sie während etwaiger Militärzeit erlernen konnten.« »Das ist schnell zusammen, Mister Parker. Und was ist mit Mol ton, Horley und Torrings?« »Eine unauffällige Überwachung wäre recht nützlich, Mister Pi ckett. Ihre Bekannten werden selbstverständlich honoriert wer den.« »Davon nehmen Sie mich aber aus, Mister Parker«, verwahrte sich Horace Pickett, »es ist mir eine Ehre, für Sie etwas tun zu können. Ich vergesse Ihnen nie, daß Sie mir mal das Leben ge rettet haben, als ich an einen Mafia-Agenten geriet, in dessen 32
Brieftasche…« »Ich würde es nicht wagen, Mister Pickett, Ihnen Geld anzubie ten«, erwiderte Josuah Parker sofort. »Ist Ihnen übrigens aufge fallen, daß Sie und meine bescheidene Wenigkeit beschattet wer den?« »Ausgeschlossen, das hätte ich bestimmt mitbekommen, Mister Parker.« »Es handelt sich um einen Sonnenbrillenträger in einem Ford äl terer Bauart«, erläuterte der Butler, »er fährt vier Wagen hinter Ihrem Morris, falls meine Augen mich nicht trügen.« »Soll ich ihn abhängen?« Horace Pickett war bereit, eine kleine Hetzjagd zu veranstalten. »Aber keineswegs, Mister Pickett«, entgegnete Josuah Parker, »ich bin an diesem Brillenträger ungemein interessiert.« »Dann werden Sie ihn auch bekommen, Mister Parker«, antwor tete der Eigentumsübertrager, »haben Sie besondere Wünsche?« »Die Details, Mister Parker, überlasse ich selbstverständlich Ih nen und Ihrer Erfahrung«, gab Josuah Parker zurück. »Sie wer den dieses kleine Problem sicher souverän klären.« * Horace Pickett hatte angehalten und den Morris verlassen. Er ging hinüber zu einer Telefonzelle. Josuah Parker beobachtete im Außenspiegel, daß der Ford eben falls stoppte. Der Fahrer stieg aus, nahm die Sonnenbrille ab und schlenderte zur Telefonzelle. Dabei griff der Mann scheinbar nach seiner Brieftasche, doch möglicherweise vergewisserte er sich nur, daß eine Schußwaffe griffbereit in der Schulterhalfter steck te. Josuah Parker wollte jedes Risiko für Horace Pickett vermeiden und schritt zur Tat, um Schaden von dem Mann abzuwenden. Aus der Ziertasche seines schwarzen Zweireihers holte er eine leicht zerknitterte Zigarre hervor, die schon bessere und frischere Tage gesehen hatte. Parker richtete die Spitze dieser Rauchware auf das Gesäß des Mannes, der die Telefonzelle inzwischen fast erreicht hatte. Dann drückte er auf ein loses Deckblatt und nahm zur Kenntnis, daß der Mann überrascht zusammenzuckte und au tomatisch nach seiner linken Kehrseite griff. Diese Geste war durchaus verständlich. 33
Die Zigarre war natürlich nichts anderes als eine kleine Schuß waffe, die einen präparierten Bolzen verschießen konnte, wie man sie von Luftgewehren her kennt. Dieser Bolzen hatte sich in das Muskelfleisch des jungen Mannes gebohrt und verursachte ver ständlicherweise einen gewissen Reiz, der sich innerhalb weniger Sekunden intensivierte. Der Getroffene verlor sein Interesse an Horace Pickett. Er war stehengeblieben und tastete den Bolzen ab, traute sich jedoch nicht, ihn so ohne weiteres aus dem Gesäß zu ziehen. Hinzu kam der Juckreiz, der sich von Sekunde zu Sekunde verstärkte. Der junge Mann pfiff inzwischen auf alle Regeln eines gewissen Benehmens, scheuerte sich ungeniert die Gesäßhälfte, riß dann den Bolzen heraus und starrte ihn angewidert an. Dann warf er ihn in einen Gully und widmete sich wieder seinem Juckreiz. Horace Pickett hatte mitbekommen, was sich abspielte. Er ver ließ die Telefonzelle und blieb vor dem jungen Mann stehen, der auf der einen Seite liebend gern seine Schußwaffe gezogen hätte, auf der anderen Seite aber seinen Juckreiz bekämpfen wollte. »Sollte man unterstellen, daß Sie sich ein wenig unwohl füh len?« erkundigte sich der Butler. Er war ausgestiegen und stand hinter dem jungen Mann. »Ich… Ich werde wahnsinnig«, stöhnte der Bolzengeschädigte und kratzte weiter. »Sie übertreiben sicher ein wenig«, meinte Josuah Parker, »ha ben Sie etwas dagegen, Ihre Schußwaffe meinem Begleiter zu übergeben? Sie dürfte im Moment doch nur hinderlich sein.« Horace Pickett reagierte augenblicklich. Er trat nahe vor den jungen Mann, schien ihm helfen zu wollen und zupfte ihm mit unglaublicher Geschicklichkeit eine Automatik kleineren Kalibers aus einer Schulterhalfter. Die Waffe ver schwand wie durch Zauberei in Picketts Mantelinnentasche. »Wir werden Ihnen selbstverständlich zur Seite stehen«, meinte Josuah Parker und deutete auf den Wagen, »darf man sich erlau ben, Sie zur Mitfahrt einzuladen?« Der von wildem Juckreiz Befallene stöhnte nur wohlig, weil er sich ausgiebig kratzte. Er ließ sich ohne weiteres abschleppen und auf dem Rücksitz des kleinen Morris verstauen. Wenig später fuhr der Wagen weiter, und ein Verfolger saß, sich kratzend und scheuernd im Fond des Wagens und dachte nicht im Traum dar an, Schwierigkeiten zu machen. 34
* »Ich wäre untröstlich, falls Sie vermuten sollten, unter Druck gesetzt zu werden«, schickte Josuah Parker in seiner höflichen Art voraus, »ich möchte Ihnen nur klarmachen, wie die Alternative zu Ihrem beharrlichen Schweigen aussehen könnte.« Der junge Mann, dessen Juckreiz sich inzwischen wieder gelegt hatte, sah den Butler abwartend und mißtrauisch an. Er befand sich zusammen mit Parker in einem fast leeren Keller, den Horace Pickett zur Verfügung gestellt hatte. Der Taschendieb hatte den Raum verlassen, um sich mit seinen Freunden und Bekannten in Verbindung zu setzen. »Ich singe nicht«, sagte der Mann wütend, »okay, Sie haben mich reingelegt, aber mehr schaffen Sie nicht.« »Wir sprachen von einer Alternative«, wiederholte Josuah Par ker, »man kann wohl davon ausgehen, daß andere Bewohner dieser Stadt andere Mittel anwenden werden, um Sie zu einer Aussage zu veranlassen.« »Die handeln dann mit Zitronen«, behauptete der junge Mann, der übrigens keinerlei Papiere bei sich hatte, die ihn hätten identi fizieren können. »Sagt Ihnen der Name Molton oder Horley etwas?« erkundigte sich der Butler. »Wer soll das sein?« fragte der junge Mann, der diese Namen nach Parkers Eindruck tatsächlich noch nie gehört hatte. »Bei den erwähnten Herren Molton und Horley handelt es sich um Gangster, die in der Wahl ihrer Mittel nicht gerade zimperlich sein sollen.« »Sie bluffen doch nur.« »Keineswegs, wie ich Ihnen versichern möchte. Falls man sich nicht arrangiert, sehe ich mich genötigt, Sie einem dieser Herren zu überstellen.« »Was… Was wollen Sie denn wissen?« »Wer beauftragte Sie, meine Wenigkeit auf dem Flughafen Heathrow zu erwarten und zu verfolgen?« »Mein Auftraggeber… Moment, Sir, das war wirklich so. Mein Auftraggeber, den ich aber nicht kenne. Wir haben nur telefonisch miteinander gesprochen, mehr nicht.« 35
»Woher kommen Sie?« fragte Josuah Parker höflich weiter. »Aus Plymouth«, lautete prompt die Antwort. »Und welchem Beruf gehen Sie dort nach?« »Ich bin selbständiger Mechaniker, Ich hab ‘ne kleine Autowerk statt.« »Seit wann hefteten Sie sich an meine bescheidenen Fersen?« »Vom Flugplatz in Plymouth ab, Sir. Ich sollte Sie beschatten, mehr nicht.« »Die Waffe in Ihrer Schulterhalfter läßt einen erheblich anderen Schluß zu.« »Wenn Sie glauben, daß ich auf Sie schießen wollte, dann ha ben Sie sich aber geschnitten«, verteidigte sich der Mann. »Sie haben bei der Flotte gedient?« »Nur indirekt«, räumte der junge Mann ein, »ich war Zivilange stellter auf einer Reparaturwerft in Plymouth, aber die zahlten zu wenig. Und da hab’ ich mich selbständig gemacht.« »Würde die Polizei von Plymouth diese Ihre Version bestäti gen?« »Nicht ganz«, kam die zögernde Antwort, »also schön, ich bin gefeuert worden, weil ich mal ein paar Werkzeuge mit nach Hau se genommen habe. Die haben das damals in den falschen Hals gekriegt.« »Und wie kam es zu dem telefonischen Kontakt mit Ihrem Auf traggeber?« wollte der Butler wissen. »Sehr einfach, ich bin angerufen worden. Und ‘ne halbe Stunde später hatte ich das Ticket und ein paar Scheine zusätzlich. Das war schon alles.« »Und woher wußten Sie, wie meine bescheidene Wenigkeit aus sieht?« »So was wie Sie braucht man doch nur zu beschreiben, so was wie Sie erkennt man dann auf den ersten Blick.« »Seit wann ist Ihnen Ken Brixham bekannt?« erkundigte sich der Butler beiläufig. »Nie gehört? Wer soll das sein?« »Schon gut«, sagte Josuah Parker, »nennen Sie mir Ihren Na men und die Adresse Ihrer Werkstatt. Ich werde das überprüfen lassen.« »Und dann?« Der Mann wurde etwas unruhig. »Falls Ihre Angaben sich als richtig erweisen, sollten Sie tun lichst das sogenannte flache Land aufsuchen und dort einige Tage 36
verbringen«, schlug der Butler vor, »dies wäre Ihrer Gesundheit mit Sicherheit ungemein zuträglich.« Parker konnte sich diese Großzügigkeit durchaus leisten, denn er hatte dafür gesorgt, daß der Mann ab sofort ununterbrochen und sehr diskret beschattet wurde. * Lady Agatha war in ihrem Element. Sie hatte sich einen Landrover gemietet und ging auf Jagd nach einem U-Boot. Sie selbst saß am Steuer, neben ihr Mike Rander. Auf dem Rücksitz hatte Kathy Porter Platz genommen. Die ältere Dame machte sich daran, die Küstenlinie bei Lands End abzusuchen. Sie benutzte schmale Wege, die mit einem nor malen Wagen kaum zu befahren waren, und hielt immer wieder an, um tief eingeschnittene Buchten genau unter die Lupe zu nehmen. Dazu benutzte sie ein starkes Marineglas, das man ihr zur Verfügung gestellt hatte. Die Küste war bizarr und fiel steil ab. Es gab vorgelagerte Fels klippen, die von der stets hohen Brandung umtost wurden, es gab grottenartige Überbauten aus Fels, winzige Fjorde und Auswa schungen im Gestein, die groß genug waren, ein Kleinst-U-Boot aufzunehmen. Mylady war nicht unbewaffnet. Aus dem Arsenal des Flottenstützpunktes hatte sie sich ausgie big versorgt. Sie verfügte über Signalpistolen, über Signalraketen und sogar über eine Schrotflinte, die Mike Rander auf ihren aus drücklichen Wunsch hin besorgt hatte. »Vielleicht könnte man etwas langsamer fahren, Mylady«, schlug Mike Rander nach einer Weile vor, »ich weiß nicht, wie lange der Wagen dieses Tempo durchhält.« »Ich möchte ihm nicht raten, Schwächen zu zeigen«, gab die Detektivin drohend zurück, »ich werde jetzt bis dicht an den Steilhang heranfahren und für eine Überraschung sorgen.« »Überraschung, Mylady?« sorgte sich Kathy Porter. »Dort hinter dem Ginster muß ein Fjord sein«, redete sie mun ter weiter und gab Vollgas, »falls das Boot an der Stelle festge macht hat, kann es mir nicht mehr entwischen und wegtauchen. Schnelligkeit ist alles.« 37
»Hoffentlich spielen die Bremsen mit«, sagte Rander und klam merte sich fest, denn die Ginstersträucher kamen rasend schnell näher. Lady Agatha aber dachte nicht daran, ihren großen Fuß vom Gaspedal zu nehmen. »Mylady«, stöhnte, Rander, »bitte, bremsen Sie…« »Papperlapapp, mein Junge«, beruhigte sie ihn, »ich habe den Rover fest im Griff.« »Hoffentlich weiß der Wagen das auch«, stöhnte Rander und stemmte sich mit beiden Beinen gegen den Wagenboden. Dann bremste die Lady jäh und riß das Steuer herum. Der Rover stellte sich quer, rutschte über das feuchte Gras und blieb dicht vor dem Steilhang stehen. »Nein, nein, nicht aussteigen, Mylady«, rief Kathy Porter ent setzt, als Agatha Simpson schwungvoll die Tür öffnete. »Und wieso nicht, Kindchen?« fragte die Mutige lässig. »Sie würden etwa dreißig Meter tief absteigen«, erwiderte Kathy mit belegter Stimme. »Tatsächlich?« Lady Agatha zeigte überhaupt keine Angst. Sie öffnete die Tür noch ein wenig weiter und blickte dann nach un ten. Der querstehende Wagen schloß fast mit der Kante des Steil hangs ab, doch Agatha Simpson fand das ganz in Ordnung. »Sehr schöne Maßarbeit«, meinte sie, »ich brauche gar nicht auszusteigen, ich kann auch vom Sitz den Fjord überblicken.« Mike Rander hatte sehr vorsichtig den Wagen verlassen und wischte sich Schweißtropfen der Angst von der Stirn. Seine Knie zitterten, er mußte sich an der Kühlerhaube festhalten. »Sie bringt mich noch um«, murmelte er, »sie schafft es mit der linken Hand. Sie macht mich noch zu einem Nervenbündel.« »Ich werde eines Tages kündigen«, schwor Kathy Porter, die neben Mike Rander auftauchte und kreidebleich im Gesicht war, »ich halte dieses Leben nicht mehr durch…« »Warum wandern wir nicht aus, Kathy?« fragte Rander. »Australien, Mike, oder Südamerika«, schlug Kathy Porter vor. »Ich habe etwas entdeckt«, war in diesem Moment die dunkle Baritonstimme der älteren Dame zu vernehmen. »Nein, nein, ich werde nicht reagieren«, erklärte Mike Rander. »Ich werde mich verstecken und nicht weiter mitfahren«, fügte Kathy Porter hinzu. »Ein Boot!« Die Stimme der Detektivin schaffte es mit spieleri scher Leichtigkeit, das Tosen der Brandung zu übertönen. »Ein 38
Boot… Ich habe das U-Boot entdeckt!« »Ich weigere mich, das zu glauben«, entgegnete Mike Rander und rührte sich nicht. »Das U-Boot, schnell, Kinder«, ließ die Lady sich erneut ver nehmen, »ich kann es ganz deutlich erkennen.« »Auf in die nächste Katastrophe, Mike«, sagte Kathy Porter und holte tief Luft, »die Götter mögen uns gnädig sein.« * »Keine Panik! Und ganz schön langsam die Flossen hoch«, sagte eine zufriedene Stimme. Josuah Parker wandte sich halb zur Seite und sah sich zwei Männern gegenüber, die ihm nicht ganz unbe kannt waren. Es handelte sich um die Catcher, die das Büro des Gangsterchefs William Torrings bewacht hatten. Sie hielten Au tomatiks in ihren Pranken. »Sie sehen meine bescheidene Wenigkeit überrascht«, gestand Josuah Parker. »Dir werden die Augen noch übergehen«, sagte der größere der beiden Catcher. »Da is’ nämlich noch ‘ne Rechnung offen«, fügte der zweite hin zu. »Sie scheinen meiner Wenigkeit gram zu sein«, deutete Josuah Parker diese beiden Hinweise, »Sie sind von Mister Torrings ge schickt worden?« »Und Sie Superprofi haben noch nicht mal gemerkt, daß Sie be schattet worden sind«, sagte der erste Catcher und lächelte tü ckisch. »Ich dürfte mich zu sehr auf meinen Gesprächspartner hier konzentriert haben«, entschuldigte sich der Butler, »wahrschein lich werden Sie mich jetzt zu der obligaten Spazierfahrt einladen, nicht wahr?« »Aber erst, wenn wir Ihre Hände verschnürt haben, Parker«, erklärte der zweite Gangster, »man hat uns nämlich gewarnt. Sie sollen ‘ne Menge faule Tricks auf Lager haben.« »Es dürfte sich um Gerüchte handeln, meine Herren«, wiegelte Josuah Parker ab. »Und was ist mit mir?« fragte der Mann aus Plymouth. »Dich nehmen wir gleich mit, Junge.« 39
»Bin ich froh, daß ihr gekommen seid«, meinte der Mann, »er wollte mich durch den Wolf drehen.« »Das ist noch gar nichts gegen das, was wir mit dir vorhaben«, sagte der erste Catcher. »Wieso? Was ist denn? Ich habe mit diesem komischen Butler doch überhaupt nichts zu tun«, verteidigte sich der Mann. »Half die Klappe, du Rindvieh«, fuhr der zweite Catcher ihn an, »sei froh, wenn wir dich nicht schon jetzt verknoten.« Josuah Parker hatte inzwischen die Chancen einer Befreiungsak tion abgewogen und war zu dem Schluß gekommen, daß er damit nur unnötig sein Leben oder seine momentane Gesundheit aufs Spiel setzte. Die beiden Catchertypen waren mit Sicherheit erfah rene Schläger und Profis. Sie waren dazu noch vorgewarnt wor den. Möglicherweise warteten sie sogar nur darauf, einen Schuß anbringen zu können. »Meine Handgelenke stehen Ihnen zur Verfügung«, sagte der Butler und drehte den beiden Gangstern den Rücken zu. Er legte seine Handgelenke übereinander und ließ sich fesseln. Die Gangs ter benutzten einen zähen, dünnen Strick aus Kunstfaser, den sie gnadenlos zusammenschnürten. Selbstverständlich gab Josuah Parker dennoch keinen Laut von sich. Anschließend ließ er sich nach Waffen durchsuchen, doch die beiden Männer übersahen großzügig die vielen Kugelschreiber und sonstigen Utensilien, die sich in Parkers diversen Taschen befanden. Die Catcher besaßen einfach nicht die Phantasie, sich darunter geschickt getarnte Waffen vorzustellen. Ja, sie beließen ihm sogar den Universal-Regenschirm, als sie Parker aus dem Keller und über eine Außentreppe in einen Innenhof trieben. Parker ging davon aus, daß dieser gemeinsame Ausflug bereits zur Kenntnis genommen wurde. Die Freunde und Bekannten ei nes gewissen Horace Pickett mußten seiner Schätzung nach be reits zur Stelle sein. Sie waren ja hierher beordert worden, um den Mechaniker aus Plymouth zu beschatten. In einem engen Torweg stand ein japanischer Wagen. Parker und der Mann aus Plymouth mußten auf dem Rücksitz Platz neh men, die beiden Catcher setzten sich nach vorn. Wenig später stieß der erste den Wagen zurück auf die Straße, kurvte ein und nahm Fahrt in Richtung Soho auf. Warum man ihn gekidnappt hatte, war dem Butler selbstver ständlich klar. Die Gangster Torrings, Horley und Molton wußten 40
noch immer nicht, was da eigentlich gespielt wurde. Sie wollten ihn näher befragen und endlich Kenntnis haben, um was für einen Coup es sich dabei handelte. Diese drei schieden logischerweise und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Hinter männer dieses Ken Brixham aus. Tom Molton, ein Gangster, der wirklich zur gehobenen oder sogar schon zu oberen Mittelklasse gehörte, mußte sich ja inzwischen mit Branchenfreunden kurzge schlossen haben. Auch dieses Kurzschließen schien bisher ohne Ergebnis verlaufen zu sein. Der Kopf des Kaperunternehmens war demnach wahrscheinlich ein Außenseiter, der nicht zur kriminel len Szene gehörte. »Überlegen Sie sich noch mal, welche Arien Sie gleich singen werden, Parker«, sagte der erste Catcher, der den Wagen steuer te. Er lachte genußvoll, »bevor Sie damit loslegen können, dürfen wir Sie erst mal in Stimmung bringen.« »Und diesmal nach unseren Regeln, Parker«, fügte der zweite Catcher hinzu, »Mann, ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken…« * Mylady beobachtete durch das starke Marineglas ein längliches Etwas, das zwischen zwei mächtigen Steinblöcken zu erkennen war. Die Brandung vor dem schmalen Fjordeinschnitt wurde von einer Kette buckelähnlicher Felsen gebrochen. »Das U-Boot«, erklärte die Detektivin mit letzter Sicherheit. Sie stand geradezu leichtsinnig verwegen hart am Abhang und schien vom Jagdfieber erfaßt zu sein. »Es sieht eigentlich mehr nach einem umgekippten Kutter aus, Mylady«, meinte der Anwalt. »Nach einem recht kleinen Kutter«, fügte Kathy Porter hinzu. »Das gesuchte U-Boot dürfte kaum größer sein«, erklärte Lady Agatha eifrig, »Mike, ich brauche eine Signalrakete.« »Sie wollen sich zeigen, Mylady?« staunte der Anwalt, »sollte man nicht lieber die Admiralität verständigen? Wir haben immer hin ein Funksprechgerät bei uns.« »Schnickschnack, mein Junge.« Lady Agatha schüttelte ener gisch den Kopf, »ich werde das Boot stellen und festnageln.« »Mit einer kleinen Signalrakete, Mylady?« staunte der Anwalt. »Ich habe Mister Parker bereits einmal gezeigt, wie man so et 41
was bewerkstelligt«, schwindelte sie unverfroren, obwohl das Ge genteil der Fall war, »man muß die Rakete so abschießen, daß die Signalleine sich um die Schiffsschraube wickelt. Haben Sie das verstanden?« »Nicht unbedingt, Mylady«, fand Mike Rander, »aber ich lasse mich gern überzeugen.« »Meinen Sie nicht eine Rettungsrakete, Mylady, mit der man ei ne Leine hinüber auf ein gestrandetes Schiff schießt, damit man dann anschließend eine Trosse übernehmem kann?« »Das auch«, räumte sie ein, »aber nun genug der Erklärungen, meine Liebe. Sie sehen doch, daß das Boot auslaufen will.« »Es scheint zwischen den beiden Felstrümmern festzustecken, Mylady«, widersprach Mike Rander. »Das auch.« Agatha Simpson wurde ungeduldig. »Die Signalra kete!« Mike Rander fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, als er den rechteckigen Holzkoffer aus dem Wagen holte und den Deckel öffnete. Ein dünnes Seil aus Kunststoff lag in dichten Windungen aufgeschossen in der Kiste, abgetrennt davon gab es einige fest stoffliche Raketentreibsätze. »Jetzt werde ich Ihnen mal demonstrieren, wie man so etwas macht«, schickte die ältere Dame voraus, »selbstverständlich braucht man dazu Augenmaß und Treffsicherheit.« »Wie weit reicht diese Rakete?« fragte Rander. »Das wird sich gleich zeigen, mein lieber Mike.« Sie hantierte mit den Geräten und verband die Leine mit der eigentlichen Rake te, die sie dann auf eine Art Abschußrampe schob, die mit beiden Händen auf das Ziel zu richten war. »Ich erkenne zwei Menschen«, meldete Kathy Porter, die durch das Fernglas den schwarzen Bootsrumpf weiter beobachtet hatte, »es ist wirklich ein Fischerboot, Mylady.« »Man wird das U-Boot natürlich getarnt haben«, wußte Lady Agatha und richtete die Abschußrampe auf das schwarze Etwas, das von den auslaufenden Brandungswellen immer wieder über rollt wurde. »Mylady, denken Sie an den Feuerstrahl«, bat Rander inständig, »sollten Sie das Zielgerät nicht besser über die Schulter legen?« »Das kann man natürlich auch machen«, räumte sie ein, »aber dies ist mehr etwas für Laien und Anfänger.« »Und wie wird diese Rakete nun gezündet?« erkundigte sich Ka 42
thy Porter interessiert. »Es gibt hier einen roten Knopf«, sagte die Detektivin, visierte das Objekt an und drückte auf den roten Knopf. Unmittelbar dar auf war ein dumpfer Abschuß zu hören. Aus der Rückseite der aufgesetzten Rakete kam ein Feuerstrahl. »Sehr hübsch«, fand Agatha Simpson diesen ersten gelungenen Teil ihrer privaten Kriegsführung, »es geht eben doch nichts über die Beherrschung der Technik.« »Donnerwetter«, wunderte sich Mike Rander, denn die Rakete zischte direkt auf das schwarze Etwas zu. »Gekonnt ist eben gekonnt«, verkündete die Lady, »schade, daß man mir keine Panzerfaust mitgeben wollte, finden Sie nicht auch?« »Man wird das nun sehr bedauern, Mylady«, entgegnete der Anwalt und verfolgte mit seinem Blick den Flug der Rakete, die fast ihr Ziel erreicht hatte. Eine Sekunde später schlug der Rake tenkopf auf und platzte auseinander. Die dünne Leine schien sich um das Objekt zu wickeln. »Treffer«, meldete Kathy Porter überrascht. »Natürlich«, fand die ältere Dame, »was dachten denn Sie, Kindchen? Eine Lady Simpson trifft immer!« »Zwei Menschen, Mylady«, meldete Kathy aufgeregt weiter, »sie sind ins Wasser gerutscht.« »Das möchte ich mir aber auch ausgebeten haben«, fand Lady Agatha, »Mister Brixham wird sich noch sehr wundern. Sein Spiel dürfte hiermit beendet sein!« * Die Fahrt ging hinüber nach Soho. Butler Parker ahnte, daß man ihn und diesen Mann aus Ply mouth zur Gebäudereinigungsfirma des William Torrings bringen wollte. Um wieder handlungsfähig zu werden, befaßte sich der Butler während dieser an sich undramatischen Fahrt mit dem dünnen Strick aus Kunststoff, der seine Handgelenke auf dem Rücken zusammenhielt. Parker trug, wie es seiner Art entsprach, einen schwarzen Co vercoat, der erstaunlicherweise über einen angesetzten Gürtel auf der Rückseite verfügte. Dieser normal aussehende Gürtel hatte es 43
in sich, wie sich herausstellte. Parkers Finger hatten Bewegungs freiheit genug, um aus der unteren Kante dieses Stoffgürtels eine rasiermesserscharfe Klinge hervorzuzaubern, die kaum länger war als ein flaches Zündholz. Diese Klinge aus bestem Stahl war an einer Seite im Futter der Gürtelschnalle befestigt, konnte also nicht wegrutschen und zu Boden fallen. Parker brauchte dank seiner Geschicklichkeit nur wenige Sekunden, bis er den dünnen Strick durchschnitten hatte. Er schob das raffiniert angebrachte Messer zurück in die Gürtelschnalle und griff nach den sich lo ckernden Stricken, um sie fest in seine Finger zu nehmen. Die beiden Catcher sollten auf keinen Fall auch nur ahnen, daß ihr Opfer sich wieder der vollen Bewegungsfreiheit erfreute. Man hatte inzwischen Soho erreicht. Der Wagen passierte das Haus, in dem sich die Räume der Gebäudereinigungsfirma befan den, und fuhr dann langsam und vorsichtig durch eine enge Tor einfahrt in einen Innenhof. Nach einem kurzen Hupsignal schob sich ein Tor hoch, der Wagen rollte langsam in eine Art Waschhal le und blieb stehen. »Gleich werde ich mal mit dem Schirm pieken«, sagte der Cat cher, dessen Fuß von der Spitze des Schirms mißhandelt worden war. »Raus, Mister Parker!« »Wie Sie wünschen.« Josuah Parker verließ den Wagen und achtete darauf, daß der Strick fest seine Handgelenke umspann te. Der Catcher, der ihn gerade angesprochen hatte, nahm den Universal-Regenschirm des Butlers in die linke Hand und wog ihn neugierig. »Ich bin erfreut, echt«, hörte Parker dann die Stimme von Willi am Torrings, der gerade eine Seitentür passiert hatte. »Das Leben geht seltsame Wege, Mister Torrings«, antwortete der Butler. »Gut, daß Sie’s so sehen, Parker«, meinte Torrings und deutete auf die halb geöffnete Tür, »Sie werden bereits erwartet.« »Von den Herren Horley und Molton?« »Horley und Molton? Woher wissen Sie, daß ich…? Nun, darüber werden wir uns auch unterhalten müssen. Sie wissen einfach zu viel, Parker!« »Sie überschätzen meine bescheidene Wenigkeit«, gab Josuah Parker zurück und sorgte dafür, daß keiner der beiden Catcher einen genaueren Blick auf seine Handgelenke werfen konnte. »Seid ihr beschattet worden?« wollte William Torrings von den 44
beiden Catchern wissen. Sie verneinten dies fast synchron und zwar in einem Ton, als seien sie zutiefst beleidigt worden. »Bringt den Burschen erst mal sicher unter«, verlangte Torrings und deutete auf den Mann aus Plymouth, »der kommt später dran, jetzt geht’s erst mal um unseren Butler.« »Sollten wir ihn nicht erst leicht aufwärmen, Chef?« fragte der zweite Catcher enttäuscht. »Ihr könnt ihn nachher bekommen, Jungens«, beruhigte Tor rings die beiden Schläger, »dann gehört er euch.« »Man scheint einen gewissen Groll gegen meine bescheidene Person zu hegen«, mutmaßte der Butler. »Unsinn, Parker, man wird Sie später ganz eng an die Brust nehmen«, frotzelte Torrings, »kommen Sie, lassen wir meine Gäste nicht lange warten.« Josuah Parker folgte dem Gangsterboß durch einen langen, schmalen Korridor und betrat dann einen fensterlosen Raum, der eigentlich als Lager diente, in den man aber einige Sessel ge schoben hatte. In diesen saßen drei Männer, die durchweg einen seriösen bis durchschnittlichen Eindruck machten. Daß es sich um diverse Gangsterbosse handelte, war ihnen nicht anzusehen. »Die Herren Horley und Molton«, meinte Parker und deutete ei ne knappe Verbeugung an, »der dritte Gentleman ist mir leider noch nie vorgestellt worden.« »Wird er auch jetzt nicht«, schaltete sich William Torrings ein, »setzen Sie sich, Parker. So, und jetzt wollen meine Gäste haar genau erfahren, warum Sie hinter einem uninteressanten Bur schen wie Brixham her sind.« »An Ihre diversen Ohren dürften demnach noch nicht mal Ge rüchte gedrungen sein«, stellte Parker fest, nachdem er Platz ge nommen hatte. Die Stuhllehne war geschlossen, er konnte seine Hände also auch weiterhin verbergen. »Ich bin Horley«, sagte einer der drei Männer, der etwa fünfzig Jahre zählte, klein und schlank war, »welche Gerüchte könnte man uns denn zugetragen haben?« »Mister Ken Brixham möchte einen Coup landen, der einmalig in der neueren Kriminalgeschichte sein dürfte«, antwortete der But ler höflich. »Wir hätten es gern etwas genauer«, verlangte der zweite Mann zu wissen, »ich bin Tom Molton, falls Sie mich nicht bereits ken nen.« 45
Molton war etwa fünfundvierzig, groß und mehr als nur voll schlank. Wenn er redete, zeigte sich automatisch ein Goldzahn vorn im Gebiß. »Mister Brixham beabsichtigt, die Regierung zu erpressen«, sagte Josuah Parker. »Und womit?« erkundigte sich der dritte Mann. Er war älter als Horley und Molton, mittelgroß und hatte ein volles rundes Ge sicht. »Sollten Sie es wirklich noch nicht wissen?« wunderte sich der Butler. »Schinden Sie keine Zeit heraus, Parker, sagen Sie uns, womit er die Regierung erpressen will und kann«, verlangte der Mann zu wissen. »Mit einem entführten U-Boot«, erwiderte Parker und sagte die Wahrheit – und nichts als die Wahrheit. »Wollen Sie uns auf den Arm nehmen?« ärgerte sich Horley. »Lassen Sie diesen Blödsinn«, drohte Molton. »Ich denke, wir sollten ihn etwas umgänglicher machen«, schlug der dritte Mann vor und nickte Torrings zu, »reichen Sie ihn an Ihre beiden Schläger weiter. Sie sollen sich nicht genie ren.« Torrings lächelte erfreut, ging zur Tür und stieß sie auf. Dann nickte er einladend hinaus. Die beiden Gangster erschienen auf der Bildfläche, um Josuah Parker aufzuwärmen, wie sie es bereits angedeutet hatten. * »Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß Sie meinen Worten keinen Glauben schenken wollen«, sagte Josuah Parker in seiner höflichen Art. »Für billige Scherze haben wir keine Zeit, Parker.«, reagierte der dritte Mann verärgert. »Ich gebe Ihnen jetzt eine letzte Gele genheit zur Wahrheit.« »Mister Brixham entführte ein Klein-U-Boot«, wiederholte der Butler noch mal. »Er gehört euch«, rief der Mann den beiden Catchern zu, »ich lasse mich nicht veralbern.« »Nach zehn Minuten wird er nichts als die Wahrheit sagen«, 46
versprach Gastgeber Torrings, der die Schlagkraft der beiden Cat cher schließlich genau kannte, »inzwischen könnten wir hier einen Schluck trinken, wie?« Die Catcher konnten vor Kraft kaum gehen. Sie schaukelten auf Parker zu, der aufgestanden war und sich mit dem Rücken zur Wand gestellt hatte. Als die beiden Männer ihn fast erreicht hat ten, kam Parker endlich dazu, höflich seine schwarze Melone zu lüften. Er hatte seine Hände freigemacht und grüßte. Er legte die stahlgefütterte Wölbung seiner Kopfbedeckung auf die Nase des ersten Catchers, der tief beeindruckt brüllte und zurückwich. Der zweite Catcher stutzte und verlor dadurch wertvolle Zeit. Als er dieses Versäumnis aufholen wollte, mußte auch er eine Spezialbegrüßung mittels der Melone hinnehmen. Sie landete auf seinem Hals und zwar mit der gewölbten Kante. Daraufhin zeigte der Schläger deutliche Konditionsmängel, knickte in den Knien ein und nahm Platz auf dem Zementboden. Er schnaufte, schnappte verzweifelt nach Luft und bekam nicht mit, daß Parker sich wieder in den Besitz seines UniversalRegenschirms brachte, den man in ein Regal gelegt hatte. »Diese Entwicklung ist höchst beklagens- und bedauernswert«, schickte Parker voraus und wandte sich an die drei Gangsterbos se, die eigentlich noch immer nicht begriffen, was sich da gerade zugetragen hatte. William Torrings hingegen wollte retten, was noch zu retten war. In seiner Schulterhalfter befand sich immer hin eine Schußwaffe. Als er aber nach ihr greifen wollte, jaulte er auf wie ein getrete ner Hund. Parker benutzte seinen Regenschirm als Florett und stieß treffsicher und blitzschnell zu. Die Stahlspitze war bereits aus der Zwinge getreten und bohrte sich in den Oberarm des Mannes, der unbedingt hatte schießen wollen. »Diese eindeutig vulgäre Auseinandersetzung muß nicht sein«, stellte Josuah Parker klar, »ich muß gestehen, daß ich peinlich berührt bin, meine Herren.« William Torrings nahm auf dem Stuhl Platz, auf dem Parker noch eben gesessen hatte, und befaßte sich nur noch mit seinem blutenden Arm. Horley, Molton und der Unbekannte waren aufge sprungen, aber keiner von ihnen verfügte über eine Schußwaffe, wie deutlich zu erkennen war. Die drei Gangsterbosse waren wohl der Meinung gewesen, daß man darauf verzichten konnte. 47
Die Catcher hatten sich von ihrer Kurzbehandlung erholt und wollten unbedingt ihre einmaligen Qualitäten unter Beweis stel len. Sie zogen sich am Lagerregal hoch und bauten sich auf. Jo suah Parker schüttelte leicht verweisend den Kopf. »Sie sollten die Dinge nicht unbedingt auf die Spitze treiben«, mahnte er dann, »es muß doch möglich sein, daß man sich nor mal miteinander unterhält.« »Schlagt ihn zusammen«, quetschte William Torrings wütend und deutete mit dem gesunden Arm auf Parker, »macht ihn rest los fertig!« »Was für ein Stil, welche Ausdrucksweise«, tadelte Parker, »zu meinem Leidwesen sehe ich mich, gezwungen, eine erzieherische Maßnahme zu ergreifen.« Mit dem bleigefütterten Bambusgriff seines Schirms klopfte er auf die Stirn des ersten, dann des zweiten Catchers. Es klang er staunlich hohl. Die beiden Schläger verdrehten die Augen, lächel ten dann ausgesprochen dümmlich und setzten sich. Aus dieser Sitzlage heraus streckten sie sich endgültig aus und beteiligten sich ab sofort nicht mehr an dem, was sich tat. »Sie werden hier nicht lebend herauskommen, Parker«, sagte der dritte Mann und bemühte sich um Überlegenheit, »wir sind schließlich nicht allein gekommen.« »Sollte man davon ausgehen, daß Sie konkrete Vorschläge zu machen haben?« fragte Parker. »Wir unterhalten uns in aller Ruhe, Mister Parker, anschließend geben wir Ihnen freies Geleit.« »Sind Sie authorisiert, solche Versprechungen zu machen?« »Ich denke schon.« Der Mann mit dem vollrunden Gesicht sah seine beiden Partner Molton und Horley zustimmend an. Molton und Horley nickten umgehend. »Wie war doch noch Ihr Name?« fragte Parker. »Also gut, lassen wir die Katze aus dem Sack«, meinte der Mann, »ich bin Lionel Tillery.« »Ein Name, der einen gewissen Klang besitzt«, erwiderte Josuah Parker, »Sie vertreten so etwas wie ein Syndikat, falls meine In formationen stimmen?« »Sie stimmen, aber stellen Sie keine weiteren Fragen mehr.« »Wären Sie in der glücklichen Lage, sich ausweisen zu kön nen?« erkundigte sich Parker. »Auch das, Mister Parker.« Lionel Tillery langte vorsichtig in die 48
Innentasche seines Jacketts und zog eine Brieftasche hervor. Er öffnete sie, holte einige Ausweise und Papiere hervor und legte sie auf die Lehne des Sessels. Parker näherte sich gemessen diesem Sessel und benutzte die Klinge unten am Schirm, um einige dieser Ausweise aufzuspie ßen. Dann studierte er sie kurz und nickte zustimmend. »Sie haben meine Wenigkeit überzeugt«, sagte er, »und damit erhöhen Sie meine Verwunderung, wenn ich so sagen darf. Sie haben tatsächlich noch nichts von der Entführung des erwähnten U-Bootes gehört?« »Brixham soll wirklich ein U-Boot entführt haben?« staunte Lio nel Tillery. »Einen Prototyp, um genau zu sein. An Bord dieses U-Bootes befinden sich zwei neuentwickelte hochbrisante Torpedos.« »Sie machen wirklich keine Witze?« Lionel Tillery schluckte. Molton und Horley tauschten schnelle Blicke. Torrings hatte vor Überraschung weit seinen Mund geöffnet. »Ich darf Ihnen versichern, daß ich die Wahrheit gesagt habe, meine Herren«, erklärte Parker, »und Sie haben mir gerade un gewollt bestätigt, daß Mister Ken Brixham offenbar ohne Fremd auftrag aus ihren Kreisen arbeitet.« »Das kann man wohl sagen.« Lionel Tillery nickte. »Ich kann’s noch immer nicht glauben.« »Sie trauen Mister Brixham solch einen Coup nicht zu?« »Genau das, Mister Parker, dazu ist er viel zu kleinkariert.« »Ihr Interesse wurde erst geweckt, als ich mich nach Mister Brixham erkundigte?« »Nun ja, Sie kümmern sich schließlich nicht um Kleinigkeiten«, räumte Tillery ein. »Wie können wir dieses Zwischenspiel hier beenden?« »Sie werden meine bescheidene Wenigkeit einladen, dieses im Grund ungastliche Haus zu verlassen«, schlug Josuah Parker vor. »Ich darf mit Ihrer Zustimmung rechnen?« * »Sie ist einmalig«, sagte Mike Rander amüsiert, »sie glaubt das, was sie sagt. Sie kennt überhaupt keine Hemmungen.« »Aber sie ist und bleibt einfach liebenswert, Mike«, meinte Ka 49
thy Porter umgehend. »Aber natürlich, Kathy«, stimmte Mike Rander ihr zu, »aber hö ren Sie doch! Das ist hinreißend.« Mike Rander und Kathy Porter befanden sich in einem saalarti gen, niedrigen Raum, der bis auf den letzten Platz gefüllt war. Männer der Handelsmarine, der Fischereiflotte und der Admiralität huldigten Lady Agatha und applaudierten gerade frenetisch, als die ältere Dame eine kleine Redepause einlegte. »Ich möchte es noch mal wiederholen«, sagte sie dann, als der Beifall verrauschte, »selbstverständlich sah ich sofort, daß es sich um ein gekentertes Fischerboot handelte. Ein Irrtum war völlig ausgeschlossen. Und eine Lady Simpson pflegt zu handeln, wenn Menschenleben sich in Lebensgefahr befinden.« Sie mußte notgedrungen eine Pause einlegen, denn erneuter Beifall brandete auf. Mike Rander lächelte und schüttelte ungläu big den Kopf. Er hatte das alles anders erlebt. »Selbstverständlich hätte ich Hilfe per Funk anfordern können«, redete sie endlich weiter, »aber das hätte natürlich zuviel Zeit gekostet, die einfach nicht zur Verfügung stand. Ich konnte meine beiden Begleiter, die natürlich noch unerfahren sind, davon über zeugen, daß sofort gehandelt werden mußte.« Wieder prasselte Beifall auf, Kathy Porter und Mike Rander tauschten einen Blick. »Dank meiner technischen und sonst umfassenden Ausbildung kann ich natürlich auch mit Rettungs- und Signalraketen umge hen«, berichtete Lady Agatha weiter. »Der erste Schuß traf ge nau. Die beiden geretteten Seeleute werden das bezeugen kön nen.« Sie hatten Tränen der Dankbarkeit in den Augen. Mylady war bescheiden zurückgetreten und verabreichte den Geretteten einen gehörigen Knuff, damit sie sich nach vorn be wegten. Die schlichten Fischer bedankten sich unbeholfen, aber dafür noch überzeugender für die Rettung aus Seenot. »Ich will keinen Dank«, sagte Agatha Simpson und schob die beiden Männer umgehend mit ihrer junonischen Figur zurück in den Hintergrund, »ich werbe nur um Ihr Vertrauen, meine Her ren. Sie wissen teilweise, worauf ich anspiele. Ich kann Ihnen mit aller Deutlichkeit sagen, daß ich auch andere Probleme lösen werde.« »Ich brauche einen Brandy«, bat Mike Rander. 50
»Ich schließe mich Ihnen an, Mike«, sagte Kathy Porter lachend, »dabei wollte sie doch nur ein U-Boot an die Leine nehmen.« »Ein U-Boot, das sie ganz genau gesehen hatte«, erinnerte der Anwalt und verließ zusammen mit ihr die Steinbaracke, die zur Militärwerft gehörte. »Sie bedauerte noch, daß man ihr keine Panzerfaust mitgab.« »Wie gut für die beiden Fischer.« Kathy Porter blieb plötzlich stehen und deutete auf den Butler, der sich gemessen der Bara cke näherte und grüßend seine schwarze Melone lüftete. »Wenn Sie sich beeilen, Parker, kommen Sie noch voll auf Ihre Kosten«, erklärte Mike Rander, »Mylady läßt sich feiern.« »Das U-Boot konnte gestellt werden, Sir?« »Wo denken Sie hin, Parker.« Rander schüttelte den Kopf. »My lady hat aus einer Verwechslung heraus zwei Fischer aus Seenot gerettet und kann jetzt mit einer Rettungsmedaille rechnen.« »Mylady ist bewunderungswürdig«, urteilte Josuah Parker höf lich. »Darf ich übrigens auf die Abendausgaben der Zeitungen verweisen? Ich war so frei, einige mitzubringen.« »Neuigkeiten, Parker?« Rander griff nach den Zeitungen, die der Butler ihm reichte. »Die Schlagzeilen berichten von einem sogenannten Fliegenden Holländer, Sir.«, antwortete Parker, »von einem getauchten Flie genden Holländer, wenn ich so sagen darf. Mister Brixham und seine Hintermänner haben inzwischen die Presse zu verständigen gewußt und sorgen damit für weltweites Aufsehen.« * »Hat Ihr Flug nach London sich gelohnt, Parker?« erkundigte sich Mike Rander. Er, Kathy Porter und der Butler warteten auf dem Parkplatz auf Lady Simpson, die sich noch immer stürmisch feiern ließ. »Es handelte sich um einen Ausflug, Sir, den man nur als un gemein interessant bezeichnen kann«, lautete Parkers Antwort, »meiner bescheidenen Einschätzung nach sind die Spitzen der Londoner Unterwelt an Mister Brixhams Coup nicht beteiligt.« »Weil dieser Lionel Tillery Sie ebenfalls befragen wollte, Mister Parker?« fragte Kathy Porter. »Wer ist das eigentlich genau?« fügte der Anwalt hinzu. 51
»Mister Lionel Tillery hat eine Art Syndikat nach amerikani schem Vorbild gegründet, Sir«, erteilte der Butler Auskunft, »in diesem Syndikat sind alle mittleren und großen Gangsterchefs mit Sitz und Stimme vertreten. Dort kommt es zu Absprachen und Vereinbarungen, damit die diversen Banden nicht miteinander kollidieren.« »Modernes Management, wie?« spöttelte der Anwalt. »Durchaus, Sir«, bestätigte Parker, »um es noch mal zu wie derholen: In einschlägigen Kreisen dürfte bisher nicht bekannt gewesen sein, welchen Coup Mister Ken Brixham gelandet hat.« »Das könnte sich nach den Schlagzeilen inzwischen gründlich geändert haben«, meinte der Anwalt, »dieser sogenannte Flie gende Holländer unter Wasser wird zunächst mal die Schlagzeilen beherrschen.« »Das U-Boot konnte nach wie vor nicht geortet werden?« »Es bleibt unauffindbar, Mister Parker«, berichtete Kathy Porter, »man hat inzwischen das gesamte Hafengebiet abgesucht, doch nichts gefunden. Auch die Küstenlinien werden fast Zentimeter für Zentimeter abgetastet, bisher ohne Erfolg.« »Ein irritierendes Ergebnis, wenn ich so sagen darf.« »Inzwischen wissen wir mehr«, schaltete sich der Anwalt ein, »in dem Seegebiet, in dem sich das U-Boot nur aufhalten kann, liegen eine Menge Schiffswracks. Diese Relikte stammen aus dem Zweiten Weltkrieg oder sind sogar neueren Datums. Ortungen erweisen sich als schwierig, sie werden immer wieder verfälscht.« »Konnten die avisierten Supertanker inzwischen die Zielorte an laufen?« »Zwei dieser Schiffe liegen mit Maschinenschaden auf See«, be richtete Myladys Gesellschafterin, »Sie können sich ja vorstellen, um welche Tanker es sich handelt.« »Das Schiff, das unter libyscher Flagge fährt, wird sicher dazu gehören, nicht wahr?« »Genau, Mister Parker«, antwortete Kathy, »man scheint sich fein aufeinander abgestimmt zu haben.« »Dadurch behält Brixham ein herrliches Druckmittel in der Hand«, faßte Mike Rander zusammen. »Was haben Ihre Nachfor schungen bei der Admiralität gebracht, Parker?« »Im Zentralarchiv konnte man meiner Wenigkeit einige wichtige Daten liefern, Sir. Mister Brixham war bis vor seiner unehrenhaf ten Entlassung ein hochqualifizierter U-Boot-Techniker. Dies gilt 52
auch für einen gewissen Mister Steve Moon, der hier in Plymouth eine Autoreparaturwerkstatt betreibt.« »Wer ist denn das schon wieder?« fragte der Anwalt. »Eine neue Figur im Spiel?« Der Butler setzte ihm und Kathy Porter auseinander, daß er nach seiner Ankunft in London von diesem gerade erwähnten Steve Moon beschattet worden war. »Befindet er sich wieder auf freiem Fuß?« wollte Kathy Porter wissen. »Ich war so frei, Miß Porter, dafür zu sorgen, nachdem ich die Räume der Firma Torrings verließ«, erklärte Josuah Parker, »Mis ter Steve Moon befindet sich jedoch in besten Händen, wenn ich so sagen darf. Mister Pickett und seine Freunde halten ihn unter ständiger Kontrolle und werden ihn beschatten.« »Steve Moon aus Plymouth also«, meinte der Anwalt, »ebenfalls ein Mann, der auf einem U-Boot gefahren ist. Warum quittierte er seinen Dienst bei der Marine?« »Es handelte sich auch in diesem Fall um eine unehrenhafte Entlassung, Sir«, wußte Parker zu berichten, »Mister Moon gehör te jener U-Boot-Flottille an, in der auch Mister Brixham Dienst tat.« »Da dürften sich doch gewisse Zusammenhänge abzeichnen, wie?« »Von dieser Annahme, Sir, erlaubte ich mir auszugehen«, ant wortete der Butler würdevoll, »man war so freundlich, in diesem Sinn im Zentralarchiv weitere Daten zusammenzustellen.« »Und man fand noch ein paar andere Burschen, die zu dieser Flottille gehörten, wie?« »Dies war und ist tatsächlich der Fall, Sir«, gab Parker zurück, »noch zwei weitere Namen konnten in diesem Zusammenhang genannt werden.« »Die Träger dieser Namen wurden auch unehrenhaft entlas sen?« »So gut wie sicher, Sir, aber man schien sich seinerzeit arran giert zu haben. Es handelt sich um die Herren Dan Flats und John Winters.« »Die alle hier in Plymouth wohnen?« Kathy Porter war noch hellhöriger geworden. »Haben wir es vielleicht mit der jetzigen Besatzung des U-Bootes zu tun?« »Dies könnte und sollte man als fast sicher unterstellen«, ent 53
gegnete der Butler, »wobei zu bemerken wäre, daß die Herren Flats und Winters keineswegs in Plymouth wohnen. Mister Flats hat seinen Wohnsitz in Cardiff, Mister Winters den seinen in Bris tol.« »Es gibt ja schließlich Telefon.« Rander lächelte. »Man wird sich untereinander eben verständigt haben.« »Wobei nach wie vor die Frage interessant bleibt, Sir, woher Mister Brixham plötzlich seine kriminelle Energie bezog. Die Gangster Tillery, Molton, Horley und Torrings trauen Mister Brix ham solch einen Coup nicht zu.« »Woher – sollte die nächste Frage lauten, Sir – wußte Mister Brixham von den Einzelheiten der Probefahrt? Woher wußte er überhaupt von der Existenz des Prototyps?« »Stand er mit Flats, Winters und Moon ständig in Verbindung?« fügte Kathy Porter hinzu. »Dies wird noch zu ermitteln sein, Miß Porter«, entgegnete der Butler und nickte andeutungsweise, »man könnte diese Frage allerdings auch ein wenig modifizieren, wenn es erlaubt ist.« »Ist erlaubt, Parker«, warf Mike Rander ein, »modifizieren Sie mal!« »Wer hatte die Möglichkeit, diese ehemaligen U-Boot-Fahrer zu sammenzubringen?« »Eine gute Frage. Sie glauben immer noch an einen Kopf im Hintergrund, der das alles ausgeheckt hat, wie?« »In der Tat, Sir«, erwiderte Josuah Parker, »man sollte tunlichst nach einer Person suchen, die umfassend informiert war und ist.« »Zum Teufel, Parker, wissen Sie, was Sie damit andeuten?« fragte der Anwalt. »Durchaus, Sir. Der eigentliche Täter müßte meiner bescheide nen Ansicht nach in Kreisen der Marineführung zu suchen sein, was nicht ausschließt, daß er inzwischen an führender Stelle in der Werft arbeitet.« »Das ist allerdings ein dicker Hund, Parker«, erklärte Mike Rander. »Ob unsere Geheimdienste zu diesem Schluß gekommen sind?« * »Darf ich mich erkühnen, Mylady zur Rettungstat zu beglück 54
wünschen?« fragte Josuah Parker später im Hotel. Agatha Simp son, deren Wangen noch immer rosig glühten, nickte gewährend. »Sie dürfen, Mister Parker«, erwiderte sie, »es war ein erhe bendes Gefühl, diesen armen Teufeln helfen zu können.« »Myladys Tat wird in die Geschichte der Seefahrt eingehen, wenn ich so sagen darf.« »Natürlich«, gab sie zurück, »es war ja auch schließlich keine Kleinigkeit, die armen Leute aus der tosenden Brandung zu zer ren, nicht wahr, Mike?« »Wir mußten uns ganz schön abstrampeln«, bestätigte der An walt, »es dauerte seine Zeit.« »Die Wetterverhältnisse müssen bestürzend schlecht gewesen sein, Mylady?« »Noch schlimmer«, übertrieb sie sofort, »Windstärke zehn, nicht wahr, Kathy? Oder könnten es nicht sogar zwölf Windstärken ge wesen sein?« »Vier, Mylady«, korrigierte Mike Rander, »wenn überhaupt.« »Wir wollen doch keine Haare spalten«, grollte die Detektivin und sah den Anwalt verweisend an. »Ich bedaure außerordentlich, daß es meiner Wenigkeit nicht vergönnt war, Mylady zur Seite stehen zu dürfen«, meinte der Butler, »werden Mylady die Suche entlang der Küstenlinie fortset zen?« »Das hat inzwischen die Marine übernommen«, sagte sie, »man wird in jedem Mauseloch herumstochern.« »Dann könnten wir uns doch mal mit diesem Steve Moon befas sen«, schlug der Anwalt vor, »vielleicht bringt uns das etwas wei ter.« »Steve Moon, Mister Parker?« Lady Agatha war nicht ganz auf der Höhe. »Jener Mechaniker, Mylady, der meiner Wenigkeit bis nach Lon don folgte«, setzte der Butler seiner Herrin auseinander, »er will angeblich per Telefon engagiert worden sein, diese Überwachung zu übernehmen.« »Moon steckt selbstverständlich mit den Entführern des UBootes unter einer Decke«, meinte Agatha Simpson, »das spüre ich bereits in den Fingerspitzen.« »Hoffentlich entwischt er nicht Picketts Freunden«, sorgte sich Mike Rander. »Kaum, Sir«, erwiderte der Butler, »es ist allerdings fraglich, ob 55
Mister Moon vorerst nach Plymouth zurückkehren wird.« »Natürlich wird er zurückkommen«, entschied die Lady, »er wird doch bei der Aufteilung der Beute dabeisein wollen. Mister Parker, treffen Sie alle Vorbereitungen für diesen Besuch. Ich möchte endlich Resultate sehen.« »Sehr wohl, Mylady«, stimmte Parker zu, »darf ich mir übrigens erlauben, in diesem Zusammenhang eine Warnung auszuspre chen?« »Sie sehen immer zu schwarz«, begehrte die ältere Dame auf. »Plymouth dürfte ab sofort oder bereits schon zu einem Mekka geldgieriger Gangster werden oder geworden sein«, erläuterte der Butler in seiner zurückhaltenden Art, »die Schlagzeilen der Abendzeitungen haben elektrisierend gewirkt.« »Die Leute vom Geheimdienst und von der Flotte sind außer sich«, erinnerte Mike Rander, »mit diesem Schachzug scheint man nicht gerechnet zu haben.« »Mußte man das denn?« wunderte sich Kathy Porter. »Die Öf fentlichkeit wird jetzt darauf bestehen, daß die Regierung die zehn Millionen Pfund zahlt. Man fürchtet, daß die gesamte Süd westküste von der Ölpest heimgesucht werden könnte.« »Falls man einen der Tanker torpediert«, schränkte die Detekti vin ein, »ich würde die beiden Ungetüme abschleppen lassen.« »Sie liegen außerhalb der Hoheitszone, Mylady«, erinnerte der Anwalt, »aber sie liegen immer noch in einer prächtigen Strö mung, die die Südwestküste bestreicht. Hier kommt alles zusam men, was die Gangster so brauchen, um Druck auszuüben.« »Ich werde sofort etwas unternehmen«, verkündete Agatha Simpson. »Ich ahnte es, Mylady«, gab der Anwalt zurück. »Mylady hegen bestimmte Wünsche?« erkundigte sich der But ler. »Natürlich«, sagte sie grollend, »und ich hoffe, daß sie bereits ahnen, was ich tun werde. Sie wissen doch, daß ich mich um De tails nie kümmere. Für mich zählen nur Ergebnisse.« * Seit der Rückkehr nach Plymouth verfügte Parker wieder über sein hochbeiniges Monstrum. Er saß am Steuer dieses sehr ei 56
genwilligen Wagens und befuhr die schmale Küstenstraße in Rich tung St. Ives. Neben ihm saß Mike Rander, der dem Butler jene Stelle zeigen wollte, wo Lady Agatha die bewußte Rakete abge schossen hatte. Es war inzwischen fast dunkel geworden. Von See kam ein stei fer Wind, der allerdings nicht mit einem Sturm zu verwechseln war. Das Donnern der Brandung gegen den Felssockel war immer wieder deutlich zu vernehmen. Die schmale Straße führte hart an der Küstenlinie entlang und war nicht ganz ungefährlich. »Was versprechen Sie sich eigentlich von diesem Ausflug, Par ker?« wollte Mike Rander wissen. »Diese Frage, Sir, läßt sich kaum beantworten«, gestand der Butler, »ich möchte damit nur einer vagen Empfindung nachge ben.« »Die Empfindung hatten wir eigenartigerweise auch, als wir los fuhren«, räumte der Anwalt ein, »es war vor allen Dingen Lady Simpson.« »Mylady verfügt über eine immer wieder erstaunliche Sensibili tät, Sir.« »Sind Sie sicher?« Rander schmunzelte. »Oder sind Sie nur höf lich?« »Myladys Intuition ist immer wieder verblüffend, Sir.« »Sie ist fest davon überzeugt, daß das U-Boot sich an der West küste versteckt hält«, redete der Anwalt weiter, »aber das kann Widerspruchsgeist sein. Die Marine geht davon aus, daß man das Boot an der Südküste suchen muß.« »Darf ich noch mal nach den tatsächlichen Wetterverhältnissen fragen, Sir?« Parker steuerte seinen hochbeinigen Wagen um einen mächtigen Felsklotz und sah vor sich die abschüssige Stra ße. Links vom Wagen war die Steilküste zu sehen, dann die blei grau aussehende See. »Windstärke drei, höchstens«, meinte der Anwalt, »Lady Simp son hat natürlich wieder mal leicht übertrieben.« »Und wie würde ein Kenner die Brandung bezeichnet haben, Sir?« »Durchaus normal, aber immer noch hart genug. Sie wissen ja selbst, wie hart es hier nördlich von Lands End zugeht. Hier trifft der Atlantik voll auf die Insel.« »Die beiden geretteten Fischer äußerten sich zu ihrem Betriebs unfall, Sir?« 57
»Mehr oder weniger. Sie standen wahrscheinlich noch unter ei nem Schock. Als wir sie endlich oben am Küstenrand hatten, sackten sie ziemlich fertig in sich zusammen.« »Ihr Fischerboot kenterte?« »Sagten Sie, Parker. Hören Sie mal, warum fragen Sie so gründlich? Stimmt da Ihrer Meinung nach etwas nicht?« »Es geht nur um eine Gewißheit, Sir. Konnte das von der Bran dung zerschlagene Boot inzwischen geborgen werden?« »Das wird noch etwas dauern, Parker. Zur Zeit sind die Küsten striche hier geräumt. Sie wissen ja, es geht um das U-Boot. Man möchte keine Boote sehen, die herumkurven. Das habe ich von der Admiralität erfahren. Und dann geht’s auch noch um die Ver sicherung für das Fischerboot. Da müssen erst noch Sachverstän dige ihren Senf dazugeben.« »Falls meine bescheidene Wenigkeit die Karte richtig studierte, Sir, müßte der bewußte Kleinfjord bald auftauchen«, erklärte der Butler, als die Straße sich wieder hob. Links und rechts von ihr gab es weite Heideflächen, bewachsene Dünen und windzerzauste Krüppelkiefern. Es war eine grandiose einsame Landschaft, vom Meer her geprägt. »Hinter dem nächsten Hügel muß es sein, Parker«, sagte der Anwalt, »sind Sie sicher, daß wir es nicht mit einem echten Gangster-Coup zu tun haben? Ich meine, haben hier nicht Profis ihre Hand im Spiel?« »Wenn Sie erlauben, Sir, möchte ich diese Möglichkeit aus schließen«, lautete Parkers Antwort, »ich darf noch mal auf Mister Lionel Tillery verweisen. Er als eine Art Sekretär des Syndikats wäre sicher nicht zu meiner geplanten Befragung erschienen.« »Also Laien, die mal kurz und kräftig absahnen wollten, wie?« »So sollte man sagen, Sir, auch was den Gangster Ken Brixham betrifft. Er gehört zum bedeutungslosen Bodensatz der kriminel len Szene. Nur seine Qualifikation als ehemaliger U-Boot-Fahrer hat ihn jetzt aus der Masse herausgehoben.« »Dort, ein Militärjeep«, sagte Rander und deutete nach vorn, »wahrscheinlich eine Patrouille der Marine.« »Oder auch nicht, Sir. Darf ich empfehlen, sich auf eine un freundliche Begegnung vorzubereiten?« »Sie rechnen mit Gangstern? Hier draußen an der Küste?« »Man weiß inzwischen, Sir, daß es um zehn Millionen Pfund geht«, erinnerte der Butler. 58
* Butler Parker bremste jäh sein hochbeiniges Monstrum, verriß absichtlich das Steuer und sorgte dafür, daß der Wagen mit sei nem hohen und eckigen Heck herumschwang. Parker steuerte gegen und brachte das Gefährt mit dem Kühler in die Gegenrich tung. Dann gab er Gas und fuhr zurück in die Richtung, aus der er gekommen war. »Ganz schön gekonnt, Parker«, stellte Mike Rander fest, der sich abgestemmt hatte, aber keineswegs unsicher fühlte, »und was soll das bedeuten?« »Möglicherweise wird dadurch eine überzogene Reaktion ausge löst, aus der sich gewisse Schlüsse ziehen lassen werden, Sir.« »Eine Reaktion ist bereits zu erkennen, Parker.« Mike Rander hatte sich umgedreht und beobachtete die Fahrbahn. »Der Jeep macht Fahrt auf und will aufschließen.« »Angehörige einer Militärpatrouille, Sir, werden keineswegs leichtfertig scharf schießen, zumal man sich hier nicht in einem Sperrbezirk befindet.« »Sie haben bereits die zweite Reaktion ausgelöst, Parker«, meinte der Anwalt lakonisch, »ich fürchte, man schießt bereits.« »In der Tat, Sir«, antwortete Parker, »damit dürfte erwiesen sein, daß ein gewisses Mißtrauen durchaus angebracht war.« »Die Kerle werden sich bald eingeschossen haben, Parker. An Ihrer Stelle würde ich etwas mehr Gas geben.« »Sehr wohl, Sir.« Der Butler animierte den mächtigen Motor un ter der eckigen Haube, seine Kraft auszuspielen. Das eckige und hochbeinige Gefährt tat förmlich einen Sprung nach vorn und sorgte augenblicklich für eine beachtliche Distanz. Parkers schwarz behandschuhte Hand glitt über das reichbestückte Arma turenbrett und legte zwei kleine, unscheinbar aussehende Kipp hebel um. Sekunden später strömten aus unter dem Wagen versteckt, an gebrachten Düsen zwei fette Nebelstreifen, die die Straße sofort in Besitz nahmen und eine Art weiße Wand bildeten. Dieser Nebel war zäh, selbst der Wind von See her war kaum in der Lage, ihn auch nur andeutungsweise aufzulösen. Darüber hinaus sorgten zwei weitere Düsen unter dem Wagen 59
boden dafür, daß die Straße schlüpfrig wurde. Ein Spezialgemisch aus Schmieröl und Waschmittel seifte die Straße nachdrücklich ein und sorgte dafür, daß die Haftung der Reifen folgender Wagen auf ein Minimum reduziert wurde. Was auch stimmte, wie zu hören war. Butler Parker hatte sein hochbeiniges Monstrum inzwischen von der schmalen Straße gebracht und war in die Heide gefahren. Hinter einer Gruppe von windzerzausten Wacholdersträuchern wartete er. Um besser hören zu können, hatte er die Wagenfens ter elektrisch gesenkt. »Da dürfte Glas zu Bruch gehen«, meinte der Anwalt, »und da scheint auch gemartertes Blech zu kreischen, Parker.« »Sehr wohl, Sir. Wenn es erlaubt wird, möchte ich mich gern ein wenig umsehen.« »Ich komme selbstverständlich mit. Haben Sie nicht eine pas sende Waffe für mich?« »Hegen Sie besondere Wünsche, Sir?« »Es könnte etwas Handfestes sein, Parker.« »Sofort, Sir.« Josuah Parker drückte auf einen unter dem Arma turenbrett versteckt angebrachten Knopf. Im unteren Teil der Trennwand zwischen Motorraum und Handschuhfach öffnete sich eine Klappe. Wie auf einem Tablett präsentierten sich dem Anwalt drei Feuerwaffen. Rander entschied sich für eine Armeepistole, deren Kaliber beachtlich war. »Auf in den Kampf, Parker«, meinte er, als er ausstieg, »mögli cherweise ruft das Vaterland nach Ihnen und mir.« Josuah Parker war bereits ausgestiegen, prüfte den korrekten Sitz seiner schwarzen Melone, korrigierte die Stellung seines Uni versal-Regenschirms am angewinkelten linken Unterarm und schritt dann gemessen zurück zur Straße. Der Wind hatte es inzwischen geschafft, die Wand aus kompak tem Nebel aufzuweichen. Obwohl es inzwischen mehr als nur dämmrig geworden war, konnte man den Jeep leicht ausmachen. Er lag umgestürzt in einem Straßengraben und sah nicht mehr fahrbereit aus. Neben diesem Jeep standen drei Männer, die e benfalls keinen einsatzbereiten Eindruck machten. Sie trugen Uniformen, doch nur auf den ersten Blick. Wenn man genauer hinschaute, waren es Parkas, wie sie auch von Zivilisten verwendet werden. Die Mützen wiesen einen nur militärähnlichen Zuschnitt auf. 60
»Wollen wir’s auf ein Feuergefecht ankommen lassen?« erkun digte sich der Anwalt leise bei Parker. »Ich bin mehr für die ele gante Lösung.« »Sehr wohl, Sir.« Parker ging hinter einem Strauch in Deckung und holte aus der Innenseite seines schwarzen Covercoats eine zusammenlegbare Gabelschleuder. Er setzte sie mit wenigen Handgriffen zusammen und straffte dann probeweise die beiden starken Gummistränge. Der Butler entschied sich für hartgebrannte Tonmurmeln, die er einer seiner vielen Westentaschen entnahm, legte eines dieser »Geschosse« in die Lederschlaufe, straffte die beiden Gummi stränge und visierte den Mann an, der eine Maschinenpistole in Händen hielt und mißtrauisch nach allen Seiten blickte. »Treffer«, meldete Mike Rander, als der Butler lautlos abgefeu ert hatte. Der Mann ließ die Maschinenpistole fallen, rutschte ge gen den Jeep und landete anschließend auf dem Boden. Die beiden übrigen Männer hatten verständlicherweise nichts gehört, konnten sich also nicht erklären, warum ihr Partner so grundlos zu Boden gegangen war. Einer von ihnen beugte sich nieder. »Ein verdammt unheimliches Ding, Parker«, meinte der Anwalt und deutete auf die Gabelschleuder, die der Butler bereits wieder spannte. Dann löste Parker Daumen und Zeigefinger von der Le derschlaufe und ließ das zweite »Geschoß« hinüber zur Straße fliegen. Der Mann, der noch aufrecht stand, wollte nach seiner Stirn greifen, schaffte es jedoch nicht mehr. Er fiel auf die Knie, warf dabei fast angewidert seinen Revolver zu Boden und rutschte dann seitlich zu Boden. Genau in diesem Moment richtete sich der Mann wieder auf, der sich um den zuerst getroffenen Partner gekümmert hatte. Er woll te ihm, den er noch stehend hinter sich vermutete, etwas sagen, vermißte ihn jedoch. Erst mit einiger Spätzündung entdeckte er dann, daß sein Partner sich inzwischen ebenfalls niedergelegt hat te. »Jetzt wird er gleich durchdrehen«, vermutete Mike Rander. Der dritte Mann duckte sich und rannte augenblicklich los. Er wollte weg vom Jeep und in die Heide flüchten. Es war sein Pech, daß er genau auf Mike Rander und Josuah Parker rannte, die er selbstverständlich nicht sehen konnte. 61
Er blieb nicht lange auf den Beinen. * »Ich stehe wieder zur Verfügung«, sagte Josuah Parker, der von der Straße zum hochbeinigen Monstrum zurückkam, »ich war bemüht, Sir, die Straße wieder sicher zu machen.« »Sand gestreut?« »In einem Maß, Sir, das man nur als reichlich bezeichnen kann«, erklärte der Butler. »Haben die drei Herren sich inzwi schen wieder erholt?« »Sie sind stocksauer, Parker.« Rander lächelte. »Konnten Papiere gefunden werden, die eine Identifikation er lauben?« »Nichts auf der ganzen Linie, Parker. Und wie war’s mit dem Jeep?« »Ein Privatjeep, Sir, der in Camborne gemietet wurde.« Josuah Parker ging um den hochbeinigen Wagen herum und stand dann den drei Männern gegenüber, die auf dem Heideboden saßen. Handschellen aus Parkers Privatbesitz hinderten die Jeepbenutzer daran, sich nach Belieben zu bewegen. Es waren Männer, deren Gesichter im übertragenen Sinn Bände sprachen. Es handelte sich eindeutig um Schläger, die der Unter welt entstammten. Man hätte sie sofort für jeden Kriminalfilm engagiert, so ausgeprägt waren die Gesichtszüge. »Darf man höflich fragen, warum Sie auf Mister Rander und meine bescheidene Wenigkeit schossen?« »Brich dir bloß keine Verzierung ab«, sagte der Wortführer der Schläger, ein untersetzter, stämmiger Mann von etwa dreißig Jah ren. »Okay, du hast uns reingelegt, Mann, aber damit hat’s sich auch schon.« »Sollten Sie von den Herren Horley – oder Molton in Marsch ge setzt worden sein?« »Wer ist denn das?« Der Wortführer schien mit diesen Namen nichts anfangen zu können. »Für wen karrt ihr hier an der Küste entlang?« schaltete sich der Anwalt in seiner lässigen Art ein. »Das werden wir dir gerade auf die Nase binden«, fauchte der Mann wütend, »aber ihr werdet euch noch mächtig wundern, dar 62
auf könnt ihr Gift nehmen.« »Lassen wir sie springen, Parker?« Mike Rander deutete hinüber zur Straße und damit auch zur Steilküste. »Jeder Sprung muß ja nicht automatisch mit diversen Knochen brüchen enden, Sir«, erwiderte Parker höflich. »Worauf wollen Sie hinaus?« Der Wortführer wurde zugängli cher, denn er hatte durchaus verstanden. »Auf ‘ne Retourkutsche, Leute«, meinte der Anwalt, »wer auf uns losballert, der springt.« »Wir… wir wollten ja nicht treffen, wir wollten Sie nur verscheu chen. Mehr war nicht drin.« »Das stimmt haargenau«, warf jetzt der zweite Gangster hastig ein. »Wir haben absichtlich weit daneben gezielt«, behauptete der dritte. »Für wen karrt ihr hier an der Küste entlang?« fragte Mike Rander noch mal. »Für Stan Leek«, erwiderte der Wortführer umgehend, »und wir sollten nur den Strand absuchen, mehr nicht.« »Wonach, Leute?« Rander lächelte wissend. »Nach ‘nem Lastwagen und nach ‘nem Boot«, erklärte der Un tersetzte überraschenderweise. »Würden Sie die Freundlichkeit haben und Mister Rander mittei len, wo Ihre Fahrt begann?« ließ sich der Butler vernehmen. »In Newquay«, erfolgte die umgehende Antwort, »und wir soll ten die Strecke die Nacht lang abfahren. Mehr sollten wir nicht.« »Und darum schleppt ihr die ganze Ausrüstung mit euch her um?« Rander deutete auf das kleine Waffenarsenal. Aus dem umgestürzten Jeep hatte er noch eine zweite Maschinenpistole hervorgeholt und dazu noch einige Eierhandgranaten. »Die haben wir mitgenommen, falls wir angegriffen würden«, schwindelte der Untersetzte und merkte wohl selbst, wie schlecht diese Ausrede war. Er senkte nämlich seinen Blick. »Es würde den wechselseitigen Beziehungen ungemein förder lich sein, wenn Sie sich an die Wahrheit halten würden«, meinte Josuah Parker. »Wie war das?« fragte der Wortführer irritiert und sah den An walt an. »Der Sprung runter in die Brandung steht immer noch auf dem Spielplan«, übersetzte Mike Rander, »wie solltet ihr den Lastwa 63
gen und das Boot behandeln?« »Abschießen«, erklärte der zweite Schläger, der an einem Sprung in die tosende Gischt nicht sonderlich interessiert war. »Aber nur die Untersätze, nicht die Leute«, log der dritte Gangster hastig, »wir sind ja keine Mörder.« »Nein, nein, reine Unschuldsengel«, reagierte Mike Rander iro nisch, »und wie solltet ihr euch verhalten, falls ihr ein U-Boot entdeckt hättet?« »Sie… Sie wissen von dem U-Boot?« staunte der Wortführer. »Man liest ja schließlich die Zeitung«, meinte Rander, »so, und wo finden wir jetzt euren Stan Leek?« »In Plymouth«, bekannte der Untersetzte, »muß der unbedingt erfahren, daß wir hier ‘ne kleine Panne hatten?« »Stan Leek scheint Versager nicht zu mögen, wie?« »Er ist etwas jähzornig«, lautete die Antwort, »warum lassen Sie uns nicht abhauen?« »Wohin würden die Herren in solch einem Fall gehen?« wollte Josuah Parker wissen. »Rauf nach Bristol oder Cardiff«, kam die umgehende Antwort, »irgendwann wird sich Leek ja wieder beruhigen.« »Brauchen wir die Knaben?« Rander sah den Butler fragend an. »Auf keinen Fall, Sir, sie würden sich nur als störend erweisen.« »Wir können also verschwinden?« hoffte der Wortführer. »Nicht direkt, wenn ich es so ausdrücken darf«, meinte Josuah Parker, »für eine gewisse Zeit sollten Sie sich schon zu Mister Randers Verfügung halten.« »Wie denn?« Der Untersetzte nagte erwartungsvoll an seiner Unterlippe. »Eine Nacht in der Heide kann äußerst reizvoll sein«, schickte Josuah Parker voraus, »Sie könnten den Stimmen der Natur lau schen.« »Das wird bestimmt ein unvergeßliches Erlebnis«, meinte der Anwalt, »kommt, Leute, traben wir los.« »Ich verstehe kein Wort«, sorgte sich der Untersetzte. »Ihr werdet ganz schnell begreifen, Leute«, beruhigte Mike Rander die drei Schläger, »gehen wir erst mal ein Stück in die Heide. Wir suchen auch ein ganz hübsches Fleckchen Erde aus.« Die drei Männer waren zwar nicht begeistert, doch sie mußten sich der Wanderung über die dunkle Heide anschließen. Butler Parker hatte die Führung übernommen und schien die Augen ei 64
nes Nachtvogels zu besitzen. Mit traumwandlerischer Sicherheit fand er immer wieder den richtigen Weg, um die Gruppe sicher ans Ziel zu bringen. Dieses Ziel war eine enge Talsenke, in der sich die Reste einer Farm befanden, die einst über eine Art Windmühle verfügte, um Strom zu erzeugen. Der Gittermast des Windrades war noch gut erhalten. »Sie wollen uns hier doch wohl nicht festbinden?« fragte der Untersetzte. Seine Stimme klang heiser vor Angst. Als Großstäd ter fühlte er sich in der Einsamkeit der Heide nicht sonderlich wohl. »Wollt ihr euch verlaufen und irgendwo im Moor landen?« fragte Mike Rander, »Dartmoor ist nicht besonders weit.« »Falls Sie sich relativ ruhig verhalten, werden Sie mit Sicherheit weder streunende Hunde noch Füchse anlocken«, riet Josuah Parker und machte sich daran, die drei Schläger am Gittermast anzuschließen. Er besorgte das Mann für Mann und benutzte dazu die Handschellen, die bereits ihre Dienste getan hatten. Nach we nigen Minuten war dies erledigt. Mit je einem Fuß hingen die drei Männer fest am Mast. »Eine erholsame Nacht«, meinte Parker abschließend und lüfte te die schwarze Melone. »Da wäre noch etwas: Nur Mister Rander und meine bescheidene Wenigkeit kennen Ihren derzeitigen Auf enthalt, der sich allerdings auf längere Zeit ausdehnen könnte, falls Mister Stan Leek eine Möglichkeit besitzt, überraschenden Besuch zu überwältigen. Ich hoffe, mich klar genug ausgedrückt zu haben.« »Falls Leek uns umlegt, wird man euch hier nie finden«, über setzte Mike Rander absichtlich sehr vulgär. Er löste damit eine hastige Erklärung des Untersetzten aus. * Sie hatten den schmalen Fjord erreicht. Josuah Parker und Mike Rander ließen den hochbeinigen Wagen jenseits der Küstenstraße zurück, tarnten ihn mit Ginsterzweigen und pirschten dann zu Fuß an den steilen Abhang. Mike Rander hatte ein lichtstarkes Nachtglas mitgenommen. Als er den Rand des senkrechten Steinhangs gewahrte, legte er sich auf den Bauch und spähte nach unten. 65
»Lady Simpson hat nicht übertrieben«, sagte er nach einer Wei le und reichte dem Butler das Glas, »das Fischerboot hängt kiel oben zwischen den beiden Felsklötzen. Aber es sieht noch ver dammt gut aus. Die Brandung hat nicht viel ausgerichtet.« »Sie wird augenblicklich von den Felsbuckeln gebrochen, die den Zugang zum Fjord fast abriegeln, Sir«, meldete der Butler, der sich ebenfalls orientiert hatte. »Okay, wir wissen jetzt also, wo das Fischerboot hängt, Parker. Und warum dieser Ausflug?« »Man sollte sich tunlichst fragen, Sir, weshalb dieses Fischer boot in eine solch prekäre Lage geriet.« »Versteuert«, erwiderte Mike Rander achselzuckend, »kann auch dem besten Seemann mal passieren.« »Es gehört meiner bescheidenen Ansicht nach großes Geschick dazu, ein Fischerboot in solch eine Situation zu bringen.« »Moment mal, Sie glauben, daß man das Boot absichtlich dort hat auflaufen und kentern lassen?« »Solch eine Deutung zwingt sich förmlich auf, Sir.« »Und wozu sollte so etwas gut sein, Parker? Sie machen es wie der mal sehr spannend.« »Könnte dieses Fischerboot nicht mit dem U-Boot in näheren Zusammenhang gebracht werden, Sir?« »Meine Phantasie scheint unterentwickelt zu sein, Parker.« »Ein gekentertes und gestrandetes Fischerboot dieser Größe, Sir, hindert Einheiten der Marine daran, diesen Kleinfjord genauer zu untersuchen.« »Moment mal, Ihrer Ansicht nach liegt das gesuchte U-Boot dort unten im Fjord, Parker?« »Ein sehr enges Versteck, wie eingeräumt werden muß, Sir.« »Eine Mausefalle, Parker.« »Für die man sich aber wohl kaum interessiert. Wesentlich unsi cherer wäre es, wenn das Boot draußen auf See versteckt würde, zum Beispiel in der Nähe eines Wracks.« »Verdammt, Parker, Sie haben mich alarmiert. Wie kommt man da runter in den Fjord?« »Nur per Seil, soweit das von diesem Standort aus zu beurteilen ist, Sir. Man sollte diesen Küsteneinschnitt besser mit einem Boot besuchen.« »Worauf warten wir dann noch? Moment mal, da fällt mir etwas ein. Wenn das Fischerboot absichtlich zwischen den beiden Fels 66
klötzen hängt, dann müssen die Burschen, die Lady Simpson ge rettet hat, mit Brixham doch unter einer Decke stecken, oder?« »Ein Schluß, Sir, den man nur als zwingend bezeichnen kann.« »Hat dieser Stan Leek etwa Bescheid gewußt, Parker? Was für eine Rolle spielt dieser Gangster?« »Dies, Sir, sollte man tunlichst umgehend eruieren.« »Ich werde mir eine Seekarte besorgen und die Tiefen anse hen«, sagte Mike Rander bei der Rückkehr zum Wagen, »sagen Sie, könnte man den Fjord nicht blockieren?« »Ein bemerkenswerter Vorschlag, Sir.« »Man müßte das U-Boot daran hindern, über Nacht auszulau fen.« »Das Schiffswrack bildet eine natürliche Sperre, Sir.« »Die man mit einem der beiden Torpedos doch wohl beseitigen kann, wie? Das Fischerboot würde dann zu Kleinholz werden und in die Luft fliegen.« »Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich mich bemühen, eine unauf fällige Lösung zu finden«, antwortete der Butler gemessen, »darf ich daran erinnern, daß die tatsächliche Anwesenheit des UBootes nicht erwiesen ist?« * Stan Leek war der Besitzer einer kleinen Reparaturwerft, wie Butler Parker und Mike Rander in Erfahrung gebracht hatten. Die drei Schläger, die um diese Zeit mit Sicherheit noch am Gitter mast saßen und die Frische einer Nacht auf der Heide genossen, hatten zudem noch mit weiteren Auskünften dienen können. Sie hatten dem Duo anvertraut, wie man ohne jeden Ärger in die Räume der Werftfirma gelangte, ohne auf die aufgestellten Wa chen zu stoßen. Parker und Rander benutzten einen Landungssteg, der zu einer benachbarten Firma gehörte, wechselten von diesem Steg auf einen Ausrüstungskai und brauchten nur wenige Augenblicke um die beiden Wachen außer Gefecht zu setzen. Dabei spielte der bleigefütterte Bambusgriff des Universal-Regenschirms eine ent scheidende Rolle. Stan Leek entpuppte sich als ein harmlos und freundlich ausse hender Mann von fünfundvierzig Jahren, der in seinem Büro saß 67
und sich mit heißem Punsch wach hielt. Dabei beobachtete er ein tragbares Funksprechgerät und wartete offensichtlich auf gute Nachrichten. »Verzeihen Sie gütigst die nächtliche Störung«, meinte der But ler und lüftete seine schwarze Melone, »wir möchten Ihnen herzli che Grüße dreier Männer überbringen, die einen Jeep benutzten und eine gewisse Küstenstraße befuhren.« Stan Leek war aufgesprungen und starrte seine Besucher leicht entgeistert an. Daß er bereits zuviel Punsch getrunken hatte, war ihm deutlich anzusehen. »Wer… wer sind Sie?« fragte er dann. »Wie sind Sie hier rein gekommen?« »Wir haben den Landungssteg benutzt, Leek«, antwortete Mike Rander, »aber wir sollten dieses Thema nicht weiter vertiefen. Es geht schließlich um wichtigere Dinge, oder?« »Sie haben die Ehre und hoffentlich auch das Vergnügen, sich mit Mister Rander unterhalten zu dürfen«, schickte Parker voraus, »mein Name ist Parker, Josuah Parker.« »Verdammt, was wollen Sie hier?« »Sollte man sich nicht über einen gewissen Mister Brixham un terhalten, Mister Leek?« fragte Parker würdevoll, »er dürfte Ihnen sicher nicht ganz unbekannt sein.« »Ich… ich kenne keinen Brixham«, verteidigte sich Leek. »Sind Sie von der Polizei oder so?« »Oder so«, gab Mike Rander zurück, »zerbrechen Sie sich dar über nur nicht den Kopf, Leek… Warum haben Sie Ihre Schläger auf den Küstenstrich geschickt?« »Küstenstrich?« Stan Leek setzte sich, da er leicht schwankte. Bei dem vielen Punsch fühlte er sich nicht sicher auf den Beinen. »Ausgerüstet mit Maschinenpistolen und Eierhandgranaten«, redete Mike Rander weiter, »jetzt erhebt sich die Frage, Leek, ob Sie das U-Boot nur schützen oder aber außer Gefecht setzen wol len. Wie wär’s denn mit einer überzeugenden Antwort?« »Brixham? Wer soll denn das sein?« »So eine Art Fliegender Holländer«, redete der Anwalt in seiner lässigen Art weiter, »er hat aber umgesattelt und benutzt jetzt ein kleines U-Boot. Kommen Sie, Leek, machen Sie nicht auf rei ne Unschuld!« »Noch besteht für Sie eine Möglichkeit, Mister Leek, auf dem Pfad der sogenannten Tugend zu bleiben, wenngleich sie ihn auch 68
bereits um etliche Meter verlassen haben.« »Wo sind die drei Leute von mir?« fragte Leek vorsichtig. »In Sicherheit«, antwortete der Butler, »sie haben entsprechen de Fragen inzwischen bereits entsprechend beantwortet. Von Ih nen möchte Mister Rander nur noch in Erfahrung bringen, ob die gegebenen Auskünfte auch tatsächlich der Wahrheit entspre chen.« »Haben Sie Mister Parker einen Mann an die Fersen geheftet?« Rander zündete sich eine Zigarette an und musterte den Gangs ter spöttisch. »Einen Mann an die Fersen?« Leek versuchte Zeit zu schinden. »Mann, er hat Ihren Namen bereits genannt«, bluffte der An walt, »zieren Sie sich nicht länger, Leek!« »Okay, ich hab ihn losgeschickt«, räumte Stan Leek plötzlich ein, »aber er sollte den Butler nur beobachten und mir dann Be scheid sagen.« »Und wem wollten Sie dann wieder Bescheid geben?« »Einem Mann, der sich nur per Telefon vorgestellt hat, ohne sei nen Namen zu nennen«, behauptete Stan Leek, »der hat auch gewünscht, daß meine Leute die Küstenstraße absichern.« »Mit Maschinenpistolen und Eierhandgranaten?« »Die sollten aber niemals eingesetzt werden, bestimmt nicht.« »Ging es um das U-Boot, Leek?« »Wir sollten nur Neugierige verscheuchen, mehr nicht.« »Etwa auch echte Militärpatrouillen?« »Nee, die natürlich nicht.« »War es nicht früher oder später unvermeidbar, daß man auf eine echte Patrouille stieß?« schaltete sich der Butler ein. »Für diesen Fall sollten die Leute sich absetzen und seitwärts in die Büsche schlagen. Ehrlich, ich durchschaue das alles immer noch nicht.« »Im Jeep konnte man kein Funkgerät finden«, redete Parker weiter und deutete auf das Gerät, das auf dem Schreibtisch stand, »mit wem verkehren Sie, funktechnisch gesehen?« »Mit meinem Auftraggeber«, lautete die Antwort, die wohl auch der Wahrheit entsprach, »er wollte mir Bescheid sagen, wenn er Wünsche hätte.« »Wären Sie einverstanden, Mister Rander und meine Wenigkeit zur Küste zu begleiten?« fragte Parker. »Wozu sollte das gut sein?« Stan Leek sperrte sich. 69
»Ihre drei Mitarbeiter würden sich über Ihre Anwesenheit sicher freuen«, vermutete Parker, »vor Antritt dieses kleinen nächtlichen Ausflugs möchten Mister Rander und meine Wenigkeit uns ein paar feinmaschige Netze ausleihen.« »Ich versteh langsam überhaupt nichts mehr«, wunderte sich Stan Leek, »worum geht’s denn eigentlich?« »Sollten Sie keinen Blick auf die Schlagzeilen geworfen haben, Mister Leek?« erkundigte sich der Butler und deutete auf ein paar Zeitungen, die auf dem Schreibtisch lagen. »Sie meinen diese Sache mit dem U-Boot?« »Denken Sie mal an«, gab Mike Rander ironisch zurück, »Sie erzielen ja bereits beim ersten Versuch einen Volltreffer, Leek.« Das Telefon läutete, und Butler Parker deutete auf den Apparat. Stan Leek zögerte, griff dann nach dem Hörer und hob ab. Er nannte seinen Namen, stutzte und reichte den Hörer an den But ler weiter. »Parker«, sagte der Butler, »mit wem habe ich möglicherweise das zweifelhafte Vergnügen?« »Hier spricht der Fliegende Holländer, Parker«, sagte eine etwas undeutliche Stimme, »zugegeben, Mister Parker, Sie haben bisher gute Arbeit geleistet, aber jetzt ist der Schlußpunkt erreicht.« »Wie darf ich Ihre Wort interpretieren?« erkundigte sich Parker gemessen. »Ich habe Lady Simpson und Kathy Porter aus dem Verkehr ge zogen«, lautete die Antwort, »falls Sie nicht sofort aufstecken und Ruhe geben, werde ich die beiden Frauen auf Tauchstation schi cken. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?« »Darf man davon ausgehen, daß Sie nicht Mister Ken Brixham sind?« fragte der Butler. »Dürfen Sie, Parker, dürfen Sie! Also, ab sofort gehen Sie auf Seerohrtiefe und rühren sich nicht mehr, sonst passiert ein Un glück!« »Ihre Drohung zeichnet sich durch Eindeutigkeit und Klarheit aus«, schickte Parker voraus, »man wird sich wohl notgedrungen an Ihre Vorschläge halten müssen.« * Lady Agatha ärgerte sich maßlos. Sie befand sich in einer engen 70
Kajüte und sah die beiden Seeleute grimmig an, die sie erst vor wenigen Stunden gerettet hatte. Ihre Gegner hielten Schußwaffen in den Händen, standen am Niedergang und ließen sie und Kathy Porter nicht aus den Augen. »Undank ist der Welt Lohn«, beschwerte sich die ältere Dame, »Sie gehören natürlich zu diesen Subjekten, die das U-Boot ent führt haben, nicht wahr?« »So ungefähr«, sagte einer der beiden Seeleute und grinste, »hat lange gedauert, bis Sie dahintergekommen sind, Lady.« »Sie sind Mitglieder der Brixham-Gang?« schaltete sich Kathy Porter ein. Sie saß neben der Lady auf dem Rand einer schmalen Koje. »Brixham-Gang? Wie man’s nimmt, Miß. Hier ist keiner der Boß.« »Wohin wollen Sie uns jetzt bringen?« fragte die Detektivin. »Erst mal raus auf See«, redete der Seemann weiter, »Sie sind etwas zu neugierig geworden.« »Sie müssen doch damit rechnen, daß man nach uns suchen wird«, warnte Agatha Simpson. »Natürlich rechnen wir damit«, kam die prompte Antwort, »aber man wird sich dann hüten, etwas zu unternehmen.« »Wollen Sie uns an Bord des U-Bootes bringen?« Kathy Porter ahnte bereits im voraus, wie die Antwort lautete. »Sie sind der beste Schutz gegen jeden Ärger«, meinte der Seemann und grinste, »wetten, daß man dann keine Wasserbom ben mehr werfen wird?« Die beiden Männer nickten sich zu und stiegen über den Nieder gang an Deck. Lady Simpson und Kathy Porter hörten, wie die zweigeteilte Klapptür hart geschlossen und verriegelt wurde. »Das alles ist eine Unverschämtheit«, beschwerte sich Agatha Simpson und stand auf, »Sie hätten doch ahnen müssen, Kind chen, daß dieser Anruf fingiert war.« »Ich hatte Sie gewarnt, Mylady«, erinnerte Kathy Porter. Sie stand inzwischen vor einem Bullauge und schaute nach draußen. Viel war leider nicht zu sehen. Es war schließlich längst dunkel geworden. Nur das gleichmäßige Tuckern des Dieselmotors war zu vernehmen. Das kleine Boot schaukelte sich durch einen mitt leren Seegang. »Sie hätten mich nachdrücklicher warnen müssen, Kindchen«, konnte sich Lady Simpson einen leichten Vorwurf nicht ersparen, 71
»auf der anderen Seite ist es eigentlich ein Glücksfall, daß man mich entführt hat.« »Vielleicht, Mylady«, gab Kathy vorsichtig zurück. »Bin ich erst mal an Bord dieses U-Bootes, Kindchen, werde ich früher oder später das Kommando übernehmen. Gott sei Dank, daß ich mit solch einem Unterwassergerät umgehen kann.« »An der Zahlung der zehn Millionen Pfund wird die Regierung jetzt nicht mehr vorbeikommen, Mylady.« »Diese Summe sollte ich der Krone wohl wert sein, Kindchen«, fand die ältere Dame, »können Sie sich durch eines der Bullaugen zwängen?« »Kaum, Mylady«, antwortete Kathy Porter, »sollte man nicht warten, bis man uns auf das U-Boot gebracht hat?« »Es ist doch einfach nicht zu glauben.« Agatha Simpson schüt telte den Kopf. »Da rettet man zwei Seeleute und Fischer aus Seenot, setzt sein Leben ein und wird zum Dank dafür einfach verschleppt.« »Mister Parker und Mister Rander werden die Zusammenhänge inzwischen kennen, Mylady«, tröstete Kathy Porter ihre Chefin, »man wird sie selbstverständlich warnen, in Zukunft etwas zu unternehmen.« »Man benutzt mich als Geisel und hat mich mit einem billigen Trick aus dem Hotel gelockt«, ärgerte sich Lady Agatha erst mal gründlich, »angeblich wollte man mich im Seemannsheim noch mal ehren. Kathy, Sie hätten Verdacht schöpfen müssen!« »Als ich’s tat, war es bereits zu spät, Mylady«, entschuldigte sich Kathy Porter lächelnd. Es war klar, daß sie wieder mal die Schuld an dieser Entwicklung trug. »Aber diese Fliegenden Holländer werden sich noch wundern«, versprach Lady Agatha grimmig, »bin ich erst mal an Bord dieses U-Boots, dann wird das ganze Unternehmen in sich zusammen brechen, nicht wahr, Kindchen?« »Mit Sicherheit, Mylady«, erwiderte Kathy Porter. Und erstaunli cherweise brauchte sie noch nicht mal zu schwindeln, als sie die se Antwort gab. Wo Agatha Simpson auftauchte, war stets mit Chaos zu rechnen. *
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»Wir sind bereits informiert worden«, sagte Sir Herbert. Er war zusammen mit zwei Mitarbeitern und Chief-Superintendent McWarden ins Hotel gekommen, in dem Lady Simpson und ihre Freunde Quartier bezogen hatten. »Die Lage hat sich dramatisch verändert und zugespitzt«, mein te McWarden gereizt, »mit einer Lady Simpson als Geisel sind uns natürlich die Hände gebunden.« »Vergessen Sie Miß Porter nicht, McWarden«, erinnerte Mike Rander. »Entschuldigung, das gilt natürlich auch für Miß Porter«, sagte der Chief-Superintendent hastig, »aber noch mal: Uns sind jetzt die Hände gebunden.« »Weiß man denn ungefähr, wohin der Fischkutter fährt?« stellte der Anwalt die nächste Frage, »solch ein Boot muß doch zu über wachen sein.« »Wir haben es auf dem Radar«, schaltete sich einer der beiden Mitarbeiter Sir Herberts ein, ein junger, drahtiger Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, »aber das bringt nichts.« »Wir sind aufgefordert worden, auf jede Verfolgung zu verzich ten«, warf der zweite Mitarbeiter ein, der nicht weniger drahtig und energisch wirkte, »wir werden uns an diese Aufforderung halten müssen.« »Dann dürften Lady Simpson und Kathy Porter bald im U-Boot verschwinden«, vermutete der Anwalt. »Darüber hinaus ist mit weiteren Wünschen seitens des Mister Brixham zu rechnen«, sagte Josuah Parker, »wenn Sie erlauben, denke ich in diesem Zusammenhang an die Übernahme von Treibstoff und Proviant.« »Natürlich, natürlich«, räumte Sir Herbert mißmutig ein, »und wir werden allen Wünschen nachgeben müssen, wenn wir das Leben der beiden Frauen nicht in Gefahr bringen wollen.« »Auch Sie werden jetzt die Hände in den Schoß legen müssen«, stellte Chief-Superintendent McWarden in Richtung Mike Rander und Butler Parker klar, »bitte, keine Extratouren jetzt.« »Wir werden uns nicht rühren«, versprach Mike Rander. »Schon im Interesse von Mylady und Miß Porter«, fügte der Butler hinzu. »Tja, dann wollen wir uns mal weiter überraschen lassen.« Sir Herbert erhob sich und ging zur Tür des kleinen Konferenzsaals. »Wir werden Sie umgehend informieren, sobald wir Neuigkeiten 73
haben.« »Sie bleiben im Hotel?« fragte McWarden und sah das Duo Rander-Parker abschätzend an. »Und warten«, bestätigte Mike Rander, »was sollten wir sonst schon tun? Wir sind nach allen Regeln der Kunst ausgetrickst worden, daran führt kein Weg vorbei.« »Sie waren in London und haben das Personalarchiv der Marine besucht?« fragte einer der beiden Männer, die Sir Herbert beglei teten. Er sah den Butler gelassen an. »Es ging um Namen und Adressen«, antwortete Parker, »aber Ermittlungen ähnlicher Art werden ja wohl auch Sie angestellt haben, nicht wahr?« »Brixham hat Dienst auf einem U-Boot getan«, meinte der Ge heimdienstexperte. »Tolle Neuigkeiten«, spottete der Anwalt, »haben Sie noch mehr davon auf Lager?« »Es gibt da noch ein paar andere Leute, die seinerzeit zusam men mit Brixham Dienst getan haben«, erwiderte der Mann vom Geheimdienst und lächelte flüchtig, »auch wir verfolgen natürlich bestimmte Spuren.« »Und sind auf Leute namens Moon, Winters und Flats gesto ßen«, fügte der zweite Begleiter Sir Herberts hinzu, »wir gehen davon aus, daß sie zusammen mit Brixham das U-Boot gekapert haben.« »Bringt uns das was?« wollte der Anwalt wissen. »Wohl kaum«, schaltete sich Sir Herbert mißmutig ein, »wir kennen die mutmaßlichen Täter, aber sie sitzen am längeren He bel und können uns ihre Bedingungen diktieren. So sehen doch die Tatsachen aus. Nach der Entführung von Lady Simpson und Miß Porter können wir nur noch reagieren – nicht mehr.« »Ist man bereit, die zehn Millionen Pfund zu zahlen?« erkundig te sich der Anwalt. »Daran wird kein Weg mehr vorbeiführen, zumal nach wie vor mit der Versenkung eines Supertankers gedroht wird«, entgegne te Sir Herbert, »auf solch ein Risiko können wir uns einfach nicht einlassen. Machen wir uns nichts vor: Wir werden wie gehorsame Kinder alles tun müssen, was man von uns verlangt.« »Sie sind also Brixham«, sagte Agatha Simpson und musterte den Mann, der von der Presse bereits der Fliegende Holländer genannt wurde. 74
»Hoffentlich sind Sie nicht zu sehr enttäuscht, Lady«, gab Brix ham ironisch zurück. Er war mittelgroß, fast schlank, trug derbe Manchesterhosen und eine speckige Lederjacke. Der Mann hatte ein schmales Gesicht und flinke Augen. »Mußte man mir unbedingt die Augen verbinden und dazu noch einen Sack über den Kopf stülpen?« ärgerte sich die ältere Dame. »Mußte man, Lady.«, erwiderte Brixham, der in der engen Kommandozentrale des U-Bootes stand, »Sie brauchen ja nicht unbedingt zu wissen, wo das Boot liegt.« »Spielt das denn jetzt noch eine Rolle?« schaltete sich Kathy Porter ein. »Mit Lady Simpson als Geisel an Bord können Sie sich doch auf allen Weltmeeren ungehindert bewegen.« »Das ist richtig, Miß Porter«, meinte Brixham, »genau das ha ben wir auch vor.« »Sie werden die Summe von zehn Millionen Pfund natürlich auf stocken, nicht wahr, junger Mann?« grollte Lady Agatha. »Sie sind doch mehr wert als lumpige zehn Millionen Pfund, My lady«, spottete Brixham, »aber jetzt werden wir nicht nur die In sel anzapfen, sondern auch noch andere Staaten.« »Und das alles wollen Sie sich ausgedacht haben, junger Mann?« Myladys Stimme klang mehr als abfällig und skeptisch, »das nehme ich Ihnen nicht ab.« »Und wieso nicht?« fragte Brixham, dessen Stimme einen leicht gereizten Unterton erkennen ließ. »Ihnen fehlt einfach das Format dazu, junger Mann«, tadelte die Detektivin, »Sie sind in meinen Augen nur ausführendes Organ.« »Vielleicht mal gewesen, Mylady«, antwortete Ken Brixham wü tend, »aber inzwischen habe ich dazugelernt. Und meine Partner auch. Wir brauchen jetzt keinen Leithammel mehr.« »Den es also gegeben hat, nicht wahr?« Kathy Porter lächelte. »Und wenn schon, Miß Porter. Aber der ist jetzt nicht mehr ge fragt. Er kann froh sein, wenn wir ihn nicht verpfeifen.« »Er sitzt also in der Werftverwaltung, nicht wahr?« schnappte die ältere Dame sofort zu. »Kann man wohl sagen.« Brixham nickte. »Und bevor Sie wei tere Fragen stellen, sollen Sie alles wissen. Dieser Mann hat die Idee gehabt und uns zusammengetrommelt. Aber wir hier haben das U-Boot gekapert und sitzen jetzt am Drücker.« »Was er sicher weiß oder ahnt, junger Mann.« »Und wenn schon, was will er machen?« 75
»Er könnte der Admiralität verraten, wo das U-Boot sich zur Zeit befindet.« »Na und? Sie sind doch an Bord, Lady! Glauben Sie wirklich, daß man versuchen wird, uns zu versenken! Ausgeschlossen! Sie sind die beste Lebensversicherung, die man sich nur denken kann…« »Es ist der enge Fjord, nicht wahr?« tippte Kathy Porter an. Sie spürte, daß Ken Brixham in Siegerstimmung war. Dieser Mann hatte bestimmt keine Bedenken mehr, weitere Details zu verra ten. »Es ist der Fjord«, stimmte Brixham zu, »und das angeblich ge kenterte Fischerboot schützt uns vor neugierigen Booten der Ma rine.« »Hoffentlich auch vor Mister Parker und Mister Rander, junger Mann«, bemerkte Lady Agatha grimmig. »Sie sitzen im Hotel und werden sich hüten, auch nur einen einzi gen Finger zu rühren«, erwiderte Ken Brixham siegessicher, »morgen, bei Tagesanbruch, werden wir auslaufen, Treibstoff und Verpflegung an Bord nehmen und dann losrauschen. Sagen Sie mir, wer uns aufhalten kann?« »Vielleicht ein paar Gangster aus London«, schlug Kathy Porter vor, »die Namen Horley, Molton und Tillery sind ihnen doch nicht unbekannt.« »Ach nee, die sind hinter mir her?« Brixham lächelte geschmei chelt. »Früher hätten die mich doch glatt übersehen, für die war ich damals ein kleiner Pinscher.« »Der sich inzwischen gemausert hat«, räumte die ältere Dame ein, »aber Sie sollten diese Männer nicht unterschätzen. Sie wol len bestimmt ein großes Stück von dem Kuchen, den Sie sich da gebacken haben.« »Morgen sind wir weit weg«, wußte Brixham und winkte ab, »lassen Sie sich jetzt Ihre Kojen zeigen. Besonders bequem ist es hier nicht, aber es wird schon reichen, denke ich.« »Ich glaube, daß ich mich niederlegen muß«, seufzte die Lady gekonnt, »mein Herz, mein Kreislauf… Das alles war wohl doch etwas zuviel für meine schwache Gesundheit.« »Morgen können Sie den Mief hier im Boot vergessen und wie der frische Seeluft atmen«, prophezeite Brixham großzügig, »morgen geht’s in den Atlantik. Dann werden wir Jagd auf fette Tanker und Frachter machen. Wir werden die Millionen nur so 76
scheffeln.« * Horace Pickett wurde mit größter Aufmerksamkeit behandelt, als er in der Hotelhalle erschien und nach einem geräumigen Zimmer fragte. Selbstverständlich konnte man ihm ein entspre chendes Angebot unterbreiten. Der Taschendieb, der wie ein pen sionierter Major aussah, erklärte, sein Gepäck sei leider aus uner findlichen Gründen am Flugplatz nicht eingetroffen. Pickett ließ sich Zimmer anweisen, wartete, bis der Etagenkell ner gegangen war, und wählte dann umgehend das Zimmer an, in dem Butler Parker wohnte. »Hier Pickett«, meldete er sich, »ich hätte einige wichtige In formationen für Sie, Mister Parker. Ja, ich bin bereits im Hotel.« Er nannte seine Zimmernummer, legte auf und öffnete den Kühlschrank im Vorraum, um sich einige Erfrischungen hervorzu holen. Er entschied sich für einen Orangensaft, den er mit einer Dosis Wodka versetzte. Als er gerade den ersten Schluck zu sich genommen hatte, klopfte es an der Tür. Pickett beeilte sich, die Tür zu öffnen und lächelte den eintretenden Butler an. »Sie sollten wissen, Mister Pickett, daß Lady Simpson und Miß Porter inzwischen leider entführt wurden. Sie befinden sich an Bord des gekaperten U-Bootes, wie man befürchten muß.« »Ich kenne die Schlagzeilen, Mister Parker«, antwortete Horace Pickett, »werden Sie die beiden Damen wieder befreien können?« »Davon sollte man ausgehen, Mister Pickett. Sie bringen Nach richten?« »Meine Bekannten und ich haben uns doch um diesen Steve Moon gekümmert, der Sie von Plymouth bis nach London be schattet hat, nicht wahr?« »Er wurde dank meiner Anregung von den drei Herren Horley, Molton und Tillery wieder auf freien Fuß gesetzt.« Parker nickte andeutungsweise.< »Dieser Moon befindet sich wieder hier in Plymouth«, meldete Horace Pickett, »ebenfalls auch die drei Bandenführer Horley, Molton und Tillery. Meine Bekannten haben sich an ihre Fersen geheftet.« »Mit solch einer Entwicklung war zu rechnen, Mister Pickett«, 77
antwortete der Butler, »die Aussicht, sich an einem Millionenge schäft beteiligen zu können, dürfte die drei Herren ungemein ak tiviert haben.« »Sie wohnen alle in einem Hotel, nicht weit von hier.« »Man sollte sie auch weiterhin beobachten, Mister Pickett, doch sie dürften in diesem Spiel kaum Chancen einer Beteiligung ha ben«, entgegnete der Butler, »Mister Steve Moon dürfte ein wenig wichtiger sein.« »Er ist direkt zu einer Reparaturwerft gefahren, die einem Mann namens Stan Leek gehört, Mister Parker.« »Dies paßt in das Bild, Mister Pickett. Hier gibt es sehr enge Zu sammenhänge. Mister Leek und seine Mitarbeiter, die zum Teil bereits außer Gefecht gesetzt werden konnten, arbeiten mit Brix ham recht eng zusammen.« »Sollen meine Bekannten etwas gegen Leek und Moon unter nehmen?« »Man sollte sie daran hindern, Mister Rander und meine Wenig keit zu überwachen«, schickte Parker voraus, »falls meine Lage beurteilung richtig sein sollte, wird man jeden Schritt Mister Ran ders und meiner Wenigkeit streng überwachen.« »Haben wir freie Hand, Mister Parker?« wollte Horace Pickett wissen. »Selbstverständlich. Ich erlaube mir, auf Ihre Erfahrung zu setzen. Darf ich allerdings anregen, möglichst unauffällig und geräuschlos zu arbeiten?« »Sie können sich fest auf mich verlassen, Mister Parker.« »Weiterhin rechne ich damit, daß Mister Leek versuchen wird, sich mit dem Kopf des gesamten Unternehmens in Verbindung zu setzen. Umgekehrt kann dies allerdings ebenfalls der Fall sein. Diesen Mann sollte man sehr diskret beschatten.« »Sind Sie hier im Hotel zu erreichen, Mister Parker?« »Keineswegs, Mister Pickett. Sie werden Mister Rander und meine Wenigkeit entführen und sollten dafür sorgen, daß dies zur Kenntnis genommen wird, falls man uns beobachtet.« »Ich verstehe, ein Trick. Sollen wir Waffen zeigen?« »Dies, Mister Pickett, wäre recht nützlich. Sie sollten Ihre Opfer in meinem Wagen aus der Stadt schaffen und etwaige Verfolger abschütteln. Dies dürfte für eine gewisse Verwirrung auf der Ge genseite sorgen.« »Wird alles prompt erledigt, Mister Parker.« Horace Pickett strahlte. »In einer Viertelstunde werden Mister Rander und Sie 78
gekidnappt werden, darauf können Sie sich fest verlassen.« * Es sah alles sehr überzeugend und echt aus. Mike Rander und Josuah Parker verließen das Hotel durch einen Hinterausgang und bewegten sich mit großer Vorsicht. Rander hatte seine Hände im Nacken verschränkt, Parker hatte die Arme andeutungsweise angehoben. Drei dunkel gekleidete Männer, die offensichtlich Faustfeuerwaf fen trugen, dirigierten die Opfer zu Parkers hochbeinigem Monst rum. Sie erledigten das mit Routine und Fachkenntnis. Etwaige Beobachter mußten annehmen, daß hier eine Entführung vorge nommen wurde. Wenig später verließ Parkers Privatwagen den hinteren Park platz des Hotels. Ein zweiter Wagen schloß sich dem ehemaligen Taxi an. Mit gerade noch erlaubter Höchstgeschwindigkeit fuhren beide Wagen hinauf in die eigentliche Stadt und nahmen dann westlichen Kurs. Der begleitende Wagen ließ sich später ein wenig abfallen und sicherte nach hinten. »Das war sehr überzeugend«, meinte Josuah Parker, der den Wagen steuerte, und wendete sich an Pickett, der neben ihm saß, »Sie und Ihre beiden Freunde könnten an der nächsten Kreuzung aussteigen und sich wieder den Herren Leek und Moon widmen.« »Sind wir nun beschattet worden oder nicht?« erkundigte sich Mike Rander, der im Fond des hochbeinigen Monstrums saß. »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit«, gab der Butler zurück, »eine gewisse Irritation dürfte inzwischen um sich gegriffen haben.« Horace Pickett und seine beiden Bekannten warteten, bis Parker gebremst hatte. Dann schlüpften sie nach draußen und waren wenig später in der Dunkelheit verschwunden. Parker fuhr wieder an, bugsierte sein Monstrum in eine schmale Seitenstraße und nahm Kurs auf die Innenstadt. Hier angekommen, entwickelte er ein kleines Verwirrspiel, um völlig sicher zu sein, daß man seinem Wagen nicht folgte. Nach gut fünfzehn Minuten verließ er die Stadt in Richtung Osten. »Wann werden Sie einschwenken, Parker?« fragte der Anwalt, der inzwischen neben Parker Platz genommen hatte. 79
»In Velverton, Sir«, antwortete Parker, »dann, Ihr Einverständ nis vorausgesetzt, wird es zurück zur Westküste gehen.« »Pickett ist ein begabter Mitarbeiter«, stellte Mike Rander fest, »irgendwann sollten wir ihn fest an uns binden und engagieren.« »Dies, Sir, würde seinem Freiheitsgefühl widersprechen«, ant wortete der Butler, »zudem braucht er immer wieder den Kontakt zu seinem ursprünglichen Metier.« »Wird der Mann im Hintergrund sich an Leek heranmachen?« Mike Rander wechselte das Thema. »Mit großer Wahrscheinlichkeit, Sir. Wenn er zum engeren Kreis der Werft-verantwortlichen gehört, dürfte er inzwischen wissen, daß Lady Simpson und Miß Porter als Geiseln genommen wurden. Daraus wird dieser Kopf im Hintergrund dann seine Schlüsse zie hen.« »Und vermuten, daß Brixham sich selbständig machen will, nicht wahr?« »Zu diesem Schluß wird der geheimnisvolle Unbekannte unwei gerlich kommen, Sir.« »Er wird also zu verhindern versuchen müssen, Lady Simpson und Miß Porter zu befreien. Nur auf diese Art und Weise wird es ihm gelingen, Mister Brixham wieder an die Leine zu legen.« »Diese beiden Seeleute, die Lady Simpson gerettet hat«, meinte der Anwalt und lächelte unwillkürlich, »stammen die Ihrer Ansicht nach aus dem U-Boot?« »Dieser Schluß, Sir, drängt sich förmlich auf«, bestätigte der Butler gemessen, »daraus wieder dürfte sich ergeben, daß das UBoot noch im Fjord liegt.« »Hoffentlich gibt es keinen Rechenfehler in Ihrer Logik, Parker«, spottete Mike Rander, »weiß dieser Leek in etwa, wo das U-Boot sich befinden könnte?« »Dies, Sir, sollte man durchaus unterstellen«, lautete die Ant wort des Butlers, der sein hochbeiniges Monstrum durch die Nacht jagte. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich, wie exzellent Par ker den Wagen beherrschte. »Warum haben Sie Leek nicht an die Kette gelegt, Parker? Der Mann ist doch ein echtes Sicherheitsrisiko.« »Der Anrufer, der meiner Wenigkeit die Entführung von Lady Simpson und Miß Porter mitteilte, verlangte ausdrücklich, daß man Mister Leek in Ruhe zu lassen habe. Ein übrigens durchaus verständlicher Wunsch, Sir, wenn man bedenkt, daß der Kopf 80
dieses Unternehmens Hilfstruppen benötigt, um gegen Brixham vorgehen zu können. Diese beiden Männer werden sich notge drungen in Verbindung setzen müssen. Man kann nur hoffen, daß Mister Pickett auch weiterhin präzise arbeitet.« Sie hatten den Fjord erreicht. Butler Parker und Mike Rander ließen den Wagen ein gutes Stück seitwärts in der Heide zurück. Parker öffnete den Koffer raum und holte feinmaschige Fischernetze hervor, die er sich vor dem Eintreffen von Horace Pickett im Hotel bereits besorgt hatte. In einer Hafenstadt wie Plymouth war das keine Schwierigkeit. Schwer beladen mit einigen dieser Netze marschierten Parker und Rander zurück zur Straße, überquerten sie und pirschten sich vorsichtig an den Steilhang heran. Sie mußten damit rechnen, daß Brixham Wachen aufgestellt hatte. Der Wind hatte aufgefrischt und sich zu einem kleinen Sturm entwickelt. Von See kamen tiefhängende, regenschwere Wolken. Das Toben und Donnern der Brandung war noch intensiver ge worden. »Warten Sie, Parker, ich werfe mal erst einen Blick nach un ten«, sagte der Anwalt, als sie eine günstige Stelle am Einschnitt erreicht hatten. Er legte sich bäuchlings auf den steinigen Boden und beobachtete den engen Fjord. Die von den weiter draußen im Wasser stehenden Felsbuckeln gebrochene Brandung hatte sich hochgeschaukelt. Die Ausläufer dieser Brandung rauschten in den Fjord und ließen das Wasser schäumen. »Nichts auszumachen«, bedauerte Mike Rander und interessier te sich für das gekenterte Fischerboot zwischen den beiden mäch tigen Felsblöcken. Dieses Wrack hatte sich, was Lage und Ausse hen betraf, sehr verändert. Die heranstürmende Brandung hatte den Rumpf zerschlagen, doch noch hing das Boot fest. »Könnte das U-Boot jetzt auslaufen?« erkundigte sich Rander bei Butler Parker. »Dieses Risiko dürfte Brixham kaum eingehen, Sir«, lautete die Antwort des Butlers, »er dürfte auch nicht hören, wenn man jetzt die Netze zu Wasser läßt.« »Okay, dann wollen wir mal, Parker.« Die beiden Männer nah men das erste Netz, breiteten es aus und traten damit an den Steilhang. Sie schaukelten das zu einer langen Wurst zusammen geraffte Etwas einige Male durch die Luft und ließen es dann nach unten fliegen. 81
»Sehr schön«, meinte Rander, der kurz danach durch das Fern glas nach unten blickte, »das Ding ist verschwunden und dürfte da jetzt herumtreiben.« »Und sich in den beiden Schrauben des U-Bootes verfangen, Sir«, erwiderte Josuah Parker, »könnte man auch noch die beiden anderen Netze nach unten befördern?« »Wie liegt das Boot wohl? Mit dem Bug nach draußen in Rich tung See?« »Eine Prognose kann kaum mit letzter Sicherheit gegeben wer den, Sir, doch man sollte davon ausgehen, daß Mister Brixham es bei der wesentlich ruhigeren See heckwärts in den Fjord gescho ben hat, um später besser und gezielter auslaufen zu können.« »Dann das zweite Netz auch noch nach hinten, Parker, okay?« Die beiden Männer brachten auch das zweite Fischernetz nach unten. Es verschwand sofort im schäumenden Wasser und wurde wahrscheinlich auseinandergezerrt. Das dritte Netz hingegen war fen Parker und Rander weit vorn an der Einfahrt zum Fjord in die See. »Es treibt genau in den Fjord hinein«, meldete Rander, der er neut durch das Fernglas nach unten blickte. »Damit dürften die beiden vorderen Tiefenruder an der Arbeit gehindert werden«, stellte der Butler fest, »mehr kann man im Augenblick wohl nicht tun.« »Schade, daß man da nicht runterkommt, Parker. Verflixt, es muß doch einen Weg geben.« »Bei Tageslicht ließe sich solch ein Pfad sicher ausmachen, Sir, im Moment aber bleibt nur das hoffende Warten.« »Okay, wir bleiben selbstverständlich hier draußen. Da sind ja immer noch Leek und dieser geheimnisvolle Bursche, der den ganzen Plan ausgetüftelt hat. Vielleicht tauchen die hier auf.« Parker und Rander verließen den Steilhang, überquerten erneut die Küstenstraße und bezogen zwischen den Felsen eine günstige Position. Der Butler war fest davon überzeugt, daß Leek und der geheimnisvolle Mann erscheinen würden. Sie mußten es einfach tun, wenn sie nicht das Nachsehen haben wollten. Hatte Brixham erst mal zusammen mit den beiden Geiseln das Versteck verlas sen, dann ging der Unbekannte völlig leer aus. »Wir bekommen Besuch, Parker«, meldete Mike Rander nach etwa einer halben Stunde. »Ein Fahrzeug mit abgeblendeten Scheinwerfern, Sir«, sagte 82
der Butler, der diesen Besuch ebenfalls entdeckt hatte, »die ent täuschten Geschäftspartner scheinen zur Offensive übergehen zu wollen.« »Hoffentlich wollen sie nicht das U-Boot auf Grund schicken«, sorgte sich Mike Rander plötzlich, »vergessen wir nicht, daß Lady Simpson und Miß Porter sich an Bord befinden.« * Kathy Porter und Agatha Simpson waren je in eine schmale Koje gedrückt worden. Man hatte darauf verzichtet, die beiden Frauen zu fesseln, wogegen sie. wirklich nichts einzuwenden hatten. Bis her hatte Lady Simpson sich erstaunlich ruhig verhalten, was a ber wohl mit dem Schlingern des Bootes zu tun hatte. Die starke Brandung ließ das kleine U-Boot auf- und niedertanzen und warf es von einer Seite auf die andere. In der Kommandozentrale saß Ken Brixham in einer Art Schwingsessel und unterhielt sich leise mit drei Männern, die auf den Gitterrosten Platz genommen hatten. Kathy, die die vier Männer beobachtete, hatte den Eindruck, daß sie nicht ganz glücklich waren. Neben diesen vier Männern, zu denen die beiden geretteten Seeleute gehörten, gab es noch zwei weitere Bootsinsassen. Sie hielten sich hinten im Maschinenraum auf und waren nur hin und wieder durch das geöffnete Kugelschott auszumachen. »Mein Kreislauf ist in Unordnung geraten, Kindchen«, beklagte sich die ältere Dame bei Kathy. »Ich werde mich sofort um ein Stärkungsmittel kümmern, My lady«, versprach Kathy und schob sich aus der niedrigen Koje. Als sie sich dem Kommandostand näherte, nahm Ken Brixham sofort seine Waffe hoch und richtete sie auf die Geisel. »Mylady braucht unbedingt einen Brandy«, sagte Kathy, »es geht ihr nicht gut.« »Wenn’s nur das ist, Süße«, antwortete Brixham und griff hinter sich. Er holte eine Flasche hervor und reichte sie Kathy Porter. Im gleichen Moment war ein hoher Pfeifton zu vernehmen. Brixham drehte sich halb um und schaltete ein fest montiertes Funk sprechgerät ein. »Delphin kommen, Delphin kommen«, war undeutlich zu hören, 83
»Delphin, hören Sie mich?« »Hier Delphin«, meldete sich Brixham und vergaß die Anwesen heit von Kathy Porter. Die drei Männer, die auf den Gitterrosten saßen, wandten sich ebenfalls um. Man merkte ihnen an, wie ge spannt und auch nervös sie waren. »Delphin, wir stehen am Becken«, sagte die undeutliche Stim me, »und wir haben eine Menge Heringe mitgebracht.« »Was wollt ihr?« fragte Brixham knapp. »Die Geiseln«, lautete umgehend die Antwort, »ihr lauft nicht aus, ist das klar?« »Verrückt, wie?« brauste Brixham auf, »sobald wir können, hauen wir ab. Was soll uns denn jetzt noch passieren?« »Ich lasse mich nicht reinlegen. Die Geiseln zurück an Land, o der ein Teil der Besatzung wird ausgetauscht. Ich will dann an Bord.« »Soviel fassen wir nicht«, erwiderte Brixham und zwinkerte sei nen Freunden zu. »Wie gesagt, wir haben eine Menge Heringe bei uns und können euch überfüttern«, lautete die sehr handfeste Drohung, »ich lasse mich nicht reinlegen.« »Daran denkt kein Mensch«, behauptete Brixham und zwinkerte seinen Freunden erneut zu. Die beiden Männer aus dem Maschi nenraum schoben sich durch das Kugelschott und kamen nach vorn in die Zentrale. Sie wollten wissen, was da an Neuigkeiten ausgetauscht wurden. »Gut, Delphin, dann ein anderer Vorschlag«, drang es aus dem Lautsprecher, »die ersten zehn Millionen bleiben bei mir, alles andere geht auf euer Konto.« »Darüber läßt sich reden«, erwiderte Brixham, »aber ich schla ge vor, Sie kommen zu uns an Bord, da sind Sie sicherer, wet ten?« »Das ist im Moment nicht möglich«, tönte die Antwort, »das Wetter wird immer schlechter. Auslaufen können! Sie ja ohnehin nicht.« »Melden Sie sich gegen morgen noch mal«, schlug Brixham vor, »ich sitze ja ohnehin hier fest, oder?« Er schaltete das Gerät ab und grinste seine Freunde an. »Was meint er mit Heringen?« fragte einer der beiden geretteten Fi scher. »Weiß der Henker«, wich Brixham dieser Frage aus. 84
»Sprengstoff«, deutete der zweite angebliche Fischer dieses Wort, »er wird ein paar Panzerfäuste organisiert haben.« »Und sie niemals abschießen«, beruhigte Brixham seine Freun de, »er wird sich doch nicht um die Millionen bringen.« »Und wenn’s nun kein Bluff ist?« Der erste Seemann verzog sein Gesicht, »warum hauen wir nicht einfach ab? Verdammt, das müßte mit den starken Maschinen doch zu schaffen sein.« »Und wenn wir aufschrammen?« fragte Brixham. »Immer noch besser, als eventuell beharkt zu werden, Brix ham«, gab der Mann zurück. »Wir können ohne weiteres warten, bis das Wetter sich beruhigt hat«, erklärte Brixham, »wir haben schließlich zwei tolle Geiseln an Bord. Die Marine kann überhaupt nichts machen. Ja, die wird sogar die Ausfahrt freimachen, wenn wir es wünschen.« »Diese Eierköpfe sind unberechenbar«, sagte der zweite angeb liche Fischer mißtrauisch, »verdammt, warum geben wir die bei den Geiseln nicht frei?« »Weil sie unsere Lebensversicherung sind, deshalb. Nein, wir nehmen unseren Eierkopf morgen an Bord. Und dann haben wir sämtliche Trümpfe in der Hand.« »Und sitzen fest wie in einer Falle«, meldete sich einer der bei den Männer zu Wort, die aus dem Maschinenraum gekommen waren, »wir werden immer wieder gegen die Felsen geworfen, Brixham. Wir sollten abhauen, bevor’s noch stürmischer wird.« »Das ist aber ein verdammtes Risiko, Leute«, warnte Brixham. »Da… da war’s gerade wieder.« Der zweite Maschinist hob den Kopf und preßte dann die Lippen fest aufeinander. Durch den Druckkörper des Bootes ging ein heftiger, dumpfer Schlag. Das kleine U-Boot vibrierte. »Das haut uns die Tauchruder zusammen und die Schrauben«, erklärte der erste Maschinist nervös, »noch ein paar von diesen Schlägen, Brixham, und wir können abschnal len.« »Und was ist mit dem Wrack zwischen den beiden Blöcken?« fragte Brixham. »Das drücken wir einfach weg, falls es überhaupt noch da ist«, antwortete einer der anderen Männer, »ich bin auch dafür, daß wir raus – auf See gehen.« »Also gut.« Brixham hatte einen Entschluß gefaßt. »Versuchen wir unser Glück, bevor es uns hier den Garaus macht. Werft die Maschinen an, klar zum Auftauchen!« 85
Kathy brachte die Brandyflasche nach hinten, und Lady Agatha war in der Lage, ihren Kreislauf zu stärken. Ihre Wangen färbten sich schon bald nach dem ersten Schluck rosig, ihre Augen nah men wieder Glanz an. Ja, sie machte einen geradezu gefährlich animierten Eindruck. »Wir laufen aus?« erkundigte sie sich bei ihrer Gesellschafterin. »Hier im Fjord wird es zu gefährlich und zu eng, Mylady«, gab Kathy Porter zurück und verschwieg ihrer Chefin, wie groß das Risiko des Auslaufens war. Kathy Porter hörte, wie die Preßluft in die Tauchzellen geblasen wurde. Plötzlich wurde es sehr laut in der engen Stahlröhre, dann ging ein heftiger Ruck durch das Boot. »Was war das, Kindchen?« erkundigte sich Agatha Simpson. »Da scheint sich etwas verhakt oder festgefahren zu haben, My lady«, deutete Kathy Porter diesen Ruck. Sie beugte sich vor und beobachtete die Männer in der engen Zentrale. »Die beiden Schrauben klemmen«, hörte sie dann laut und deutlich von einem der Maschinisten. »Sie klemmen… und jetzt, Brixham?« * Stan Leek, Steve Moon und ein dritter Mann standen oben an der Steilküste und sahen hinunter in den engen Fjord. Sie benutz ten Nachtgläser und beobachteten das U-Boot, das in Umrissen zu erkennen war. Es war aufgetaucht und wollte den Fjord verlas sen. »Tun Sie endlich was, Leek«, sagte der Mann, der neben den beiden Gangstern stand, »fetzen Sie ihm eine Panzerfaust in die Brücke. Man will uns doch eindeutig reinlegen.« »Nur nicht so hastig, Sir«, erwiderte Stan Leek beruhigend, »sehen Sie doch, der Kahn kommt nicht von der Stelle.« »Er treibt sogar leicht zurück«, meinte Steve Moon, »da scheint was mit den Schrauben nicht zu stimmen.« »Was könnte das sein?« fragte der dritte Mann nervös, »Brix ham darf auf keinen Fall auslaufen, das muß unbedingt verhindert werden.« »Mit ‘ner Panzerfaust können wir immer noch hinlangen«, er klärte Stan Leek, »tatsächlich, der Kahn schwimmt nicht ab, da 86
ist was mit den Schrauben nicht in Ordnung.« »Vielleicht haben die sich an ‘nem Felsstück verbogen«, warf Steve Moon ein, »und wenn wirklich? Was dann?« »Darüber wird zu gegebener Zeit entschieden werden«, war in diesem Moment die klare und deutliche Stimme des Butlers zu vernehmen. Die drei Männer wirbelten herum und sahen sich ei ner Maschinenpistole gegenüber, die Mike Rander fachgerecht in Händen hielt. »Sie werden verstehen, meine Herren, daß man jetzt wohl ein greifen muß«, redete der Butler weiter, »die Herren Leek und Moon sind meiner Wenigkeit inzwischen ja bekannt. Darf man erfahren, wer Sie sind?« »Wegrennen lohnt sich nicht«, warf Mike Rander ironisch ein, »wir hier bilden nur die erste Linie. Hinter uns stehen einige Freunde aus London.« »Stehen und wanken nicht«, meldete Horace Pickett mit lauter Stimme. Er und seine Freunde, die sich um Leek und Moon gekümmert hatten, warteten nur darauf, sich für den Butler schlagen zu kön nen. »Nun sagen Sie schon, wer Sie sind«, forderte Mike Rander, während unten aus dem engen Fjord das wütende Aufheulen der Motoren zu hören war. Das U-Boot war inzwischen aufgetaucht. Die beiden Diesel waren angeworfen worden und versuchten, die Schrauben zur Ordnung zu rufen. »Das war’s wohl«, meinte Leek ergeben. »Sense – aus und vorbei«, stellte Steve Moon fest und senkte den Kopf. »Moment mal, kennen wir uns nicht von der Pressekonferenz her?« fragte der Anwalt und trat einen halben Schritt vor, »Sie sind doch einer der Entwicklungsingenieure, oder?« »Der Cheftechniker«, meinte Stan Leek, »und genau er hat alles ausgeheckt.« »Ich… ich bin erpreßt worden«, verteidigte sich der Cheftechni ker ohne viel Überzeugungskraft. »Sagen Sie das alles einem gewissen McWarden«, schlug der Anwalt vor, »und schlagen Sie sich später vor einem Gericht mit Brixham herum.« Butler Parker war in der glücklichen Lage, weitere private Hand schellen vorweisen zu können. Nach wenigen Augenblicken hatte 87
er die drei Männer fest miteinander verbunden und übergab sie Horace Pickett und dessen Freunden. »Waren Sie zufrieden, Mister Parker?« erkundigte sich Pickett. »Mylady wird Sie zu einem späteren Zeitpunkt beglückwün schen, Mister Pickett«, erklärte Josuah Parker. »Wahrscheinlich wird sich auch die Regierung dazu noch anerkennend äußern.« »Warum eigentlich nicht?« Pickett lächelte amüsiert. »Kann ich noch etwas für Sie und Mister Rander tun?« »Im Augenblick wohl kaum«, entgegnete der Butler und deutete nach unten, »man muß abwarten, wie die Dinge sich an Bord entwickeln.« »Allmächtiger«, stöhnte Mike Rander in diesem Moment, »sehen Sie doch!« Was sich da tat, war tatsächlich erstaunlich. Fast synchron schossen zwei hohe Feuersäulen zum Himmel und zerfetzten die beiden Felsklötze, die das Wrack des Fischer bootes eingeklemmt hatten. »Die beiden Torpedos«, stellte Josuah Parker mit ruhiger Stim me fest, »man könnte von der Annahme ausgehen, daß Mylady tätig geworden ist.« * »Nun ziehen Sie doch endlich, Kindchen«, verlangte Agatha Simpson energisch. »Ich tue, was ich kann, Mylady«, keuchte Kathy Porter, »könn ten Sie sich etwas schlanker machen?« »Schnickschnack«, polterte sie aufgebracht und spuckte an schließend Wasser, da eine kleinere Sturzwelle über den Turm gebraust war, »der Einstieg ist einfach falsch konstruiert wor den.« Kathy Porter zog und zerrte an den Armen der älteren Dame und schaffte es schließlich, sie aus dem Mannloch zu bringen. Dann kippte sie das Luk sofort wieder zu und sicherte es von au ßen. »Das wird diesen Lümmeln eine Lehre sein«, keuchte die Lady und duckte sich, als eine weitere Sturzwelle hereinbrach, »war ich etwas zu energisch, Kindchen?« »Kaum, Mylady«, antwortete Kathy Porter und lachte befreit, 88
»mit Ihrer Hutnadel hat man auf keinen Fall gerechnet.« »Ich hätte tiefer zustechen müssen, Kindchen«, ärgerte sich La dy Agatha ehrlich, »schade, daß ich mit meinem Pompadour nicht weit genug ausholen konnte.« »Sie haben immerhin zwei Gangster erledigt, Mylady«, meinte Kathy, »und der Kommandostand gleicht jetzt einem Schrotthau fen.« »Es waren vier Gangster, Kindchen«, stellte die Detektivin klar. »Natürlich, Mylady«, räumte Kathy Porter großmütig ein. »Im Grund habe ich sämtliche Gangster außer Gefecht gesetzt, oder?« »So könnte man sagen, Mylady. Sollte man jetzt nicht dort drü ben an Land gehen?« »Wollen Sie mich ersäufen?« Agatha Simpson sah ihre Gesell schafterin empört an. »Ich werde Ihnen helfen, Mylady«, sagte Kathy Porter, »ich streife mir schnell den Tauchanzug über.« »Vertrauen Sie sich mir nur ruhig an, Kindchen.« Sie hielt sich am Schanzkleid fest, überstand den nächsten Brecher und warte te, bis Kathy Porter sich den Taucheranzug übergestreift hatte. Die beiden Diesel arbeiteten inzwischen wieder auf Hochtouren, doch das Boot kam nicht voran. »Wir sollten mit dem nächsten Brecher von Bord gehen, Myla dy«, schlug Kathy Porter vor, »dort drüben unter dem Felsen ist eine Grotte.« »Halten Sie sich an mir fest, Kindchen.« Agatha Simpson warf sich in die Fluten und klammerte sich an Kathy Porter fest, die sich kaum noch zu rühren vermochte. Die Detektivin setzte sich auf ihre unverwechselbare Art mit dem schäumenden Wasser auseinander und hätte es beinahe geschafft, Kathy Porter ertrin ken zu lassen. Nur dank der heftigen Gegenwehr schaffte Kathy Porter es schließlich, Mylady und sich in die Grotte zu bringen. »Ohne mich wären Sie ertrunken, Kindchen«, schnaufte die äl tere Dame dann triumphierend, »können Sie überhaupt schwim men?« »Nicht so gut wie Sie, Mylady«, erwiderte Kathy Porter und mußte gegen ihren Willen lachen. »Das will ich meinen, Kindchen. Haben Sie den Brandy mitge nommen?« »Dazu blieb leider keine Zeit, nachdem Sie die beiden Torpedos 89
gezündet hatten, Mylady.« »Im Grunde unverzeihlich«, tadelte Lady Agatha, »ich denke da an den Brandy. Haben Sie das Gesicht dieses Flegels gesehen, als ich die Torpedos zündete?« »Mister Brixham brach fast in sich zusammen, Mylady«, erin nerte sich Kathy Porter, »dort ist eine Art Pfad. Werden Sie ihn schaffen?« »Was für eine Frage, Kindchen?« Sie sah ihre Gesellschafterin empört an. »Ich bin in ausgezeichneter Form, das haben Sie doch eben erst erlebt, nicht wahr?« Kathy Porter verzichtete bewußt darauf, dazu Stellung zu neh men. Sie wußte schließlich, was ihr noch bevorstand. Sie zog und zerrte die ältere Dame, die sich angeblich in ausgezeichneter Form befand, über den sehr steilen, schmalen und äußerst ge fährlichen Pfad nach oben. Und sie war am Ende ihrer Kräfte, als man endlich ein Zwischenplateau erreicht hatte, auf dem man sich ein wenig ausruhen konnte. »Was macht das Boot, Kindchen?« fragte Lady Agatha schnau fend, »haben Sie sich überanstrengt, meine Liebe?« »So gut wie gar nicht, Mylady«, keuchte sie und beobachtete das U-Boot, das gerade aus dem Fjord geschwemmt wurde, aber richtungslos im Wasser lag und herumgeworfen wurde. Wenig später schrammte es gegen die Reste der beiden weggesprengten Felsklötze. * Es war hell geworden. Lady Simpson stand auf dem Steilfelsen und hielt einen Sportbogen in Händen. Sie hatte einen langen Pfeil auf die Sehne geschoben und visierte das U-Boot an, das hilflos im Wasser dümpelte. Zu ihren Füßen lag Kathy Porter, die sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Butler Parker hielt sich mit dem Bambus griff seines Universal-Regenschirms die Melone auf dem Kopf fest, und Mike Rander näherte sich der Gruppe, um Kathy Porter in Decken zu hüllen. Sie hatte sich restlos ausgegeben, als sie mit Lady Agatha den Rest des schmalen Pfades hinter sich brachte. Agatha Simpson hingegen machte bereits wieder einen frischen und unterneh 90
mungslustigen Eindruck. »Die Jugend von heute«, sagte sie und deutete auf Kathy Por ter, »wie aktiv und stark war ich vor einigen Jahren, als ich noch jung war.« »Mylady sind das, was man unverwüstlich zu nennen pflegt«, antwortete Josuah Parker höflich, »Mylady glauben, mit dem Pfeil das U-Boot erreichen zu können?« »Selbstverständlich«, sagte sie, »und falls nicht, dann werde ich es eben mit einer Panzerfaust versuchen… Dieses Boot wird mir nicht mehr entwischen!« »Es sitzt ohnehin auf Grund, Mylady«, warf Mike Rander ein. Er kniete neben Kathy und schälte sie aus dem zerrissenen Taucher anzug, um sie dann in Decken zu hüllen. »Die lieben Kinder«, meinte die ältere Dame und winkte den Butler zur Seite, »wir wollen nicht weiter stören, Mister Parker. So, und nun werde ich Ihnen zeigen, wie Lady Simpson mit Pfeil und Bogen umzugehen versteht.« Das Sportgerät stammte aus dem Kofferraum von Parkers hochbeinigem Monstrum. Agatha Simpson bestand darauf, Pfeil und Bogen auf allen Ausfahrten mitzunehmen. Sie hielt sich übri gens für eine erstklassige Bogenschützin. Sie strammte die Sehne, visierte den Turm des U-Bootes an und schickte den langen Pfeil auf die Reise. Da ereignete sich etwas schier Unglaubliches… Der Pfeil, vom anstürmenden Wind hochgerissen, überwand tat sächlich die nicht unbeträchtliche Entfernung und klatschte seit lich gegen den Turm des Bootes. Im selben Moment ergoß sich ein Brecher über den Turm und brachte das Boot in gefährliche Schräglage. »Was sagen Sie jetzt, Mister Parker?« fragte sie und sah Josuah Parker stolz an. »Ich hoffe, Sie werden das später beeiden kön nen. Mit einem einzigen Pfeil habe ich das U-Boot zum Kentern gebracht.« »Wie Mylady zu meinen geruhen«, gab der Butler gemessen zu rück. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, doch seine Mundwinkel zeigten die Andeutung eines feinen Bebens, was man als den Be ginn eines Lächelns hätte deuten können. Doch Parker lächelte nicht. Er war der perfekte Butler durch und durch.
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ENDE Nächste Woche erscheint BUTLER PARKER Auslese Band 222 Günter Dönges
PARKERS Tanz mit dem »Skelett« Butler Parker war konsterniert, doch sein Gesicht blieb glatt und ausdruckslos wie stets. Er lüftete höflich seine schwarze Melone und näherte sich dem Skelett, das in einem Liegestuhl Platz ge nommen hatte und auf diesen Gruß verständlicherweise nicht reagierte. Es war das Skelett eines Menschen, das sich ausgesprochen de korativ darbot. Dieses seltsame und zugleich auch unheimliche Gebilde schien gerade noch dem Genuß eines Drinks und einer teuren Importe gefrönt zu haben. Von der Zigarre im Aschenbe cher, der auf einem Beistelltisch stand, kräuselte noch Rauch, aus dem Glas schien gerade getrunken worden zu sein. Parker in sei nem schwarzen Zweireiher, etwas über mittelgroß, gerade noch schlank zu nennen, ging um das Sitzmöbel herum und nahm die Gestalt wahr, die bisher von dem Liegestuhl verdeckt wurde. Sie lag auf dem gepflegten Rasen, mit dem Gesicht nach unten. Im Rücken des Opfers, das männlichen Geschlechts war, steckte ein dolchartiges Messer, das endgültige Tatsachen geschaffen hatte.
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