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B 49.)
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50
Kapitel I: Fonnen und VelWendungen des Paradoxen
,Der Weg hin und zurück ist ein und derselbe.'''· ,Das Feindliche förderlich und aus dem Auseinandergehenden die schönste
Zusammenfügung,~111
,Ein und dasselbe ist Lebendiges und Totes, Wachendes und Schlafendes, Junges und Altes. Denn dieses schlägt um und ist dann jenes. Jenes schlägt um und ist wieder dieses. '112 ,Unsterbliche sind sterblich, Sterbliche unsterblich, denn das Leben dieser ist der Tod jener und das Leben jener der Tod dieser. 'll3 ,Verbindungen: Ganzes und Nichtganze" Einträchtiges Zwieträchtiges, Einklang Zwieklang, und aus Allem Eins und aus Einern Alles,(IH
,Gott ist Tag, Nacht, Winter, Sommer, Krieg, Frieden, Sattheit, Hunger.'115
Kein anderes Element wird dem Gedanken von der Einheit der Gegensätze im steten Wandel so gerecht wie das Feuer, das für Heraklit der ewige Weltursprung ist: ,Diese Welt, dieselbe für alle, die hat kein Gott und kein Mensch gemacht, sondem immer war sie und ist und wird sein: ewig lebendes Feuer, nach Maßen entb,-ennend und nach Maßen verlöschend.'''6 Gleich dem Kampf ist das Feuer das lebendigste der Elemente: Es entbrennt, wird heiß, verzehrt sich und ersteht von neuem und ist so "die reinste Verkörperung der Gegensätzlichkeit des Seienden"II'. Immer wieder neu formuliert Heraklit den Gedanken, daß "alles das Gegenteil seiner selbst ist"II', und behauptet die Einheit des gegensätzlichen Vielen im Einen. Dabei hebt er jedoch nirgendwo den Satz vorn Widerspruch auf, indem er einern Ding sich widersprechende Bestimmungen in derselben Hinsicht zuspräche. Der Schlüssel zu den heraklitischen Paradoxa liegt im mivta (lei: Der Gedanke des ewigen Flusses und Wandels verhindert eine falsche Simultaneität bzw. Univ07ität, die aus den sinnvollen Paradoxien absurde Antinomien machen würde.
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111
Bröcker, Geschichte der Philosophie 37. Ebd. 34.
Beispiele paradoxen Dcnkens
5\
2. Zenon von Elea
Aristoteles hat Zenon (um 460 v. Chr.) den ,Erfinder der Dialektik' genannt. I " Der 20 Jahre jüngere Schüler des Parmenides steht zwischen Heraklit, dem die Paradoxie ein adäquates Ausdrucksmittel seiner Lehre vom ewigen Wandel war, und den Sophisten, die später gern auf die zenonischen Paradoxien zurückgriffen, welche ihnen die Waffen für ihre - inzwischen zum Selbstzweck gewordene - Rhetorik lieferten. Zenans Paradoxien bilden die Brücke zwischen beiden Typen, dem gedanklich-philosophischen (Heraklit) und rhetorisch-destruktiven Paradox (Sophisten). Zenon ist Mathematiker, der sich mit Hilfe der formalen Logik darum bemüht, die Lehre seines Meisters Parmenides zu verteidigen, indem er der gegnerischen Auffassung Widersprüche (Paradoxien) nachweist. ,,Die dialektische Beweisführung ist hier, selbst wenn sie sich sophistischer Wendungen bedient, doch immer nur ein Mittel, um eine metaphysische Überzeugung, die Lehre von der Einheit und Unveränderlichkeit des Seienden, zu begründen."120 Die Paradoxie wird von Zenon also nicht behauptet, sondern negiert. lfI Anders ausgedrückt: Es geht Zenon darum, der vorherrschenden Meinung ihren paradoxalen Charakter vor Augen zu führen, um so die parmenideische Position zu verteidigen. Da diese vorwiegend von der Einheit und Unveränderlichkeit des Seienden handelt, liegt es nahe, daß Zenons Beweise einerseits die Vielheit, andererseits die Bewegung zu widerlegen versuchen. Gegen die Vielheit führt Zenon an: Wenn das Seiende vieles wäre, so müßte es zugleich unendlich klein und unendlich groß sein - Widerspruch. Unendlich klein, weil das Viele aus einer Anzahl von Einheiten bestehe, die unteilbar und daher ohne Größe seien, so daß auch das Viele ohne Größe sei. Andererseits unendlich groß, weil das Viele, um zu sein, eine Größe haben müsse, die aufgrund der unbegrenzten Teilbarkeit des Vielen in Teile von je eigener Größe notwendigenveise unendlich groß seL '" Gegen die Bewegung bringt Zenon vor: ,Das Bewegte bewegt sich weder an dem Ort, wo es ist, noch an dem, wo es nicht ist'l" - Wider-
Diogenes Lacrtius VJII 57; IX 25. E. Zeller, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung 1 I, Hildesheim 71963, 748. m Nach der Defmition in der Einleitung wäre somit von Anlinomit zu sprechen. weil es sich um eine ad abJurdum geführte Paradoxie handelt. \U Vgl. ZeUcr, Philosophie 749-752. IU 'tb KlVOUP.5VOV o\h' E.V cP ~un t6nQ> KlvEitat oUt' sv
120
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Kapitell: Formen und Venvendungt:n des Paradoxen
spruch. Anschaulich wird dies durch das Bild vom Pfeil, der im Fliegen ruht. lU Zenon argumentiert u. a. mit dem sogenannten Achilleus: ,,Das Langsamste, die Schildkröte, könnte von dem Schnellsten, von Achill, nicht eingeholt werden, wenn sie irgendeinen Vorsprung vor ihm hat. Denn um sie einzuholen, müßte Achill erst an den Punkt kommen, wo sie sich befand, als er anfing zu laufen, dann an den, bis wohin sie in der Zwischenzeit fortgeruckt ist, dann dahin, wohin sie gelangte, während er diesen zweiten Vorsprung einbrachte, und so fort ins Unendliche. Ist es aber mcht möglich, daß das Langsamere von dem Schnelleren eingeholt wird, so ist es überhaupt mcht möglich, ein gegebenes Ziel zu erreichen, es ist keine Bewegung möglich."l2' Bemerkenswert ist das Zusammentreffen zweier verschiedener Bedeutungsebenen von Paradox bei Zenon: Indem er den negativen Weg wählt, die Meinung seiner Gegner als logische Paradoxien zu entlarven, werden eben diese Beweise gegen Vielheit und Bewegung selbst zur wirkungsvollsten Paradoxie (im weiteren Sinne), da sie der urunittelbaren menschlichen Erfahrung widersprechen. Die scheinbar logischen Antinomien bewirken die eigentliche Paradoxie zwischen Pseudo-Logik und Evidenz. Schon bei Zenon fmden wir also solche Paradoxien, die zu ihrer eigenen Überwindung herausfordem. Dies gilt erst recht für die folgende Gruppe.
3. Die Sophisten üb die Sophisten, von denen uns über Platon und Aristoteles nur indirekt, und zwar polemisch, etwas bekannt ist, ihren sprichwörtlich schlechten Ruf zu Recht oder zu Unrecht besitzen, soll hier mcht beurteilt werden. Auf jeden Fall hat er etwas damit zu tun, daß jene Wanderlehrer des 5. und 4. Jahrhunderts v. ehr. wemger durch ein eigenes Denksystem als vielmehr durch aufklärerisch-destruktive Reduktion der Philosophie auf einen rhetorischen Relativismus und Skeptizismus gekennzeichnet sind. Da der Mensch das Maß aller Dinge ist, wie der berühmte Homo-MenJUra-Satz des Protagoras besagt!", genießt das Individuum Vorrang vor Recht, Gesetz und Tradition. Der Mensch ist das Maß alles Seienden, das ilun gegenüber nur relative Erscheinung, nicht wirklich Seiendes ist. Weil die Erscheinung aber jederzeit wechselt und überall verschieden ist, "gibt es mchts Festes und Bleibendes, '" ~ 6!(Jtb, ~EPO~tV7) 125
~(Jt1]K'V. (A 27)
ZeBer, P!Wosophie 756f. (vgl. A 26 bei Diels/Kranz).
126 naVtCilV
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OUIC EO't\V. (B 1 bei Dicls/Kram.l
Beispiele paradoxen Denkens
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und also gibt es keine dauernde und allgemein verbindliche Wahrheit"121. Es lag nahe, einen solchen Skeptizismus und Relativismus auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen in Gestalt paradoxer Fonnulierungen. Dies mußte die Zeitgenossen um so mehr provozieren, als die Logik ,,noch nicht erfunden" und das Denken .,noch kein klares Bewußtsein von seiner eigenen Gesetzlichkeit" hatte.'" ,Eine absurde und paradoxe These' konnte deshalb der Rhetor und Gorgias-Schüler Isokrates einen Spruch der Sophisten nennen. '" Von Protagoras aus Abdera (5. Jh. v. ehr.) ist uns der erste Sat1eines Buches ,Über die Götter' bekannt: ,Von den Göttern habe ich kein Wissen, weder, daß sie existieren, noch, daß sie nicht existieren. '". Wie provokant dieser Satz gewirkt haben muß, wird deutlich, wenn man bedenkt, daß die Götter als der Ursprung von Recht und Gesetz galten. Am bekanntesten für paradoxe Fonnulierungen ist der Sophist Gorgias aus Leontinoi (um 483-375 v. ehr.), der es unternahm, sich mit der Lehre des Parmenides vom ,wahrhaft Seienden' auseinanderzusetzen. Das Seiende sei nicht, behauptete er dagegen. '" Gorgias' verlorengegangene Schrift ,Über das Nichtseiende' enthielt folgenden skeptischen Dreischritt: (J) Es ist nichts. (2) Wenn etwas wäre, so könnte es nicht erkannt werden. (3) Wenn es auch erkannt werden könnte, so könnte es nicht mitgeteilt werden. Gorgias versucht, diese Thesen durch mehrere Beweise zu untermauern. Er verfährt dabei so, daß er die vorausgesetzte These des Parmenides in eine logische Paradoxie verstrickt und ad absurdum fuhrt, damit aber seinerseits der unmittelbaren menschlichen Erfahrung widerspricht. Indem er in wahrhaft sophistischer Argumentation die Nichtexistenz, Nichterkennbarkeit und Nichtmitteilbarkeit des Seienden ,beweist', erzeugt er ein doppelt paradoxes Phänomen: Die bei den Gegnern (scheinbar) nachgewiesenen logüchen Paradoxien sind insofern zugleich paradox im weiteren Sinne, als sie dem ,Vorverständnis' der allgemeinen Evidenz Hohn sprechen. 177
ßröcker, Geschichte der Philosophie 114.
m Ebd. 112. Platon W1d Aristoteles waren es, die auf das ,'on den Sophisten orfengelegte Defizit reagierten.
ätonov Kal n:apciaol;ov 1[OlT1o~E\'O\. (Hclen., zitiert nach: IliCcrates 3, The Loeb Classical Library, Landon 194-5) nEpl /-lSV 9600" OUK 6Xm e{liEVtlt, eüe' eile; dolv oi.l9' we; OOK E!mv. (B 4) Vgl. auch Kraft,
129 E{a( llVE<; ... Ö1tOeEOW 130
Paradoxie 252f. Ul aMi~v
TOOV (SVtrov ~cr'tlV. (ß 1 bei Dids/Kranz)
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Kapitell: Fannen und VenvendWlgen des Paradoxen
Was die Sophisten von älteren Philosophen wie Zenon von Elea unterscheidet. ist die verstärkte Funktionalisierung der Paradoxie. Das Paradox erscheiot nicht mehr als bloßes Ergebnis eioer logischen Argumentation; es wird vielmehr bewußt eiogesetzt als Mittel zur Steigerung des rhetorischen Effekts. Die Sophisten siod weniger Mathematiker als Redner. Sie wollen nicht eigentlich beweisen. sondern beeiodrucken. schockieren. io Erstaunen versetzen.'" Sie gebrauchen die Denkform der Paradoxalität als Aufklärer ihrer Zeitgenossen.'"
4. Sokra.les und die Kyniker Eio Überblick über das rhetorische Paradox io der Antike bliebe unvollständig. wenn nicht Sokrates erwähnt würde.'" Sokrates. 470-399 v. ehr.• hat keioe eiozige Zeile schriftlich fIXiert. so daß es von ihm Lehren im Sione eioes Systems nicht gibt. Da es ihm nicht auf die Übermittlung von Wissen. sondern auf die Destruktion von Scheiowissen ankam"'. war seio Medium die Sprache. der Dialog. Mit seioer als .Maieutik' beriilimt gewordenen Kunst. beim Gesprächspartner das vorhandene. aber noch verborgene Wissen freizusetzen. zu .entbioden'. wurde Sokrates gleichermaßen zum Vollender wie Überwinder m Vgl. das programmatische Wort des Protagora.~: "Über jede Sache gibt es zwei einander entgegengesetzte: Meimmgen. Es gilt. die schwächere Meinung zur stärkeren zu machen." (BUa A.Oyou.; eIvQ\ nEpl 7tavtb~ npa:yJ.l0:toC; aVTtKS1J.leVOuc; 6U1\).Olt; .. . 'tov ff'f't(r) ... X6yov KpEl'ttCL> 1tOldv: ß 6ah) U! Weitere Beispiele sophistischer Rhetorik lassen sich anfügen: ,Ein Nichts ist Fertigkeit ohne Übung oder Übung ohne Ferligkeit.' (~'1liev E;Ival J'~t& ltX.Y'1V äV&1J J'e)i1l1S 1l~'tE p.d.i't11 Y ciVEU 1QvllC;: Pmtagoras BIO) ,Xerxcs ist der Zeus der Perser.' (Eepl;&t;; 6 100V IT&paii>v Zr.&;: Gorgias B 5a) ,Den Ernst der Gegner muß man durch Gelächter runichte machen, ihr Gelächter durch Ernst.' (rljv jJ.Av Oltouli~v litacp9E(pf:lY lii'W &vav.noov 1e,,"oo1l, '(ew SA ytA.co'ta
".o"8ft: B 12) .Leute, die einen Meineid schwören und (dabei) gut schwören' (EmopKncraVtD.t;; Kat .,iopK~".Vtru;:
B 15)
Bei der Tragödie ist ,der Täuschende gerechter als der nicht Täuschende und der Getäuschte. klüger als der Nichtgetällschte.' (... Ö l'D.ltUn1<JO/; liU(a161&p~ 'tOU )l~ D.nariJoav'tos Ka16 a1to:t119&tt; aOIPOOlEpOt; 106 J.l.~ 01tQtTl9lvlac;: B 28) Ein im Hinblick auf Paulus interessantes Fragment des Protagoras lautet: ,Denn ab seine Söhne. junge und schöne Meruchen, innerhalb von nur acht Tagen starben, ertrug (Periklesl es ohne Trauer ... Denn jeder, der ihn seine Leiden stark ertragen sah, mußte ihn für hochge:o;innt, männlich und sdbstbcherrscht halten.' (lWV rap ulf.cov v&l1vl('i)y ÖVtrov Kal KaJ..OOV, c.v OKtW Sli tait; 1ta011l0W nJ1EPl110lV 0:1t09avovlrov,
''Ti",v9'." ayotA1J ...•~ yap t(, ~\v op6iv ta t."toß niva•• tprOl~'V", Ijl'povta. 151
U5
J.lEYaÄotpPO,I6. 'tS xat avBp&loy ~M)(f:l dVa\ Kat lautoü KpdO'O'CJl: Protagora9 B 9) Vgl. zum Folgenden O. Gigan, Art. Sokrntes: Lexikon der a.lten 'Welt (1965) 2828-2825; H. DOrne. Art. Souates: Der Kleine Pauly V (1975) 248-255. Vgl. Platon apol. 20 D ff. 23 C.
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Beispiele paradox.en Deru:em
der Sophisten. '" Während er wie sie alle überkommenen Werte einer kritischen Prüfung unterzog, lehnte er jedoch die spitzfmdige Rhetorik der Sophisten ab. Das angeblich Nützliche, das sie anboten, sei in Wahrheit schädlich, ja unverantwortlich. Freilich besitzt Sokrates noch viel von der radikalen Infragestellung der Tradition. wie sie für die Sophisten typisch war: .Gut und richtig ist gerade nicht dasjenige. was Uberlieferung und Umwelt dafür halo ten. sondern etwas anderes. 7.unächst völlig Unscheinbares. wofür der ein7.elne mit seiner Einsicht einsteht. Dramatisch kommt dies darin zum Ausdruck. daß der unwissende und unansehnliche Kleinhürger Sokrates bald den fürstlich strahlenden Alkibiades. bald die wissens· stollen Sophisten 7.uschanden lU machen vennag."ISl
Dabei leugnet Sokrates nicht das Vorhandensein von Wissen. wie es sein berühmter Satz .Ich weiß. daß ich nichts weiß"" nahelegen könnte. Mit dieser provokation .negiert Sokrates nicht. daß es Wissen gebe. sondern er fordert zur sorgfältigen Prüfung jedes vermeintlichen Wissens auf''''. Sokrates gebraucht das Paradox also nicht nur als instrument seiner kritischen Anfrage und [ronie; er übenvindet die bloße Destruktivität der Sophisten dadurch, daß hinter dem paradox redenden Sokrates immer auch der moralische ETlieher hervorscheint. Ziel des Sokrates und seines größten Schülers und Tradenten Platon ist nicht die Verkündigung von Paradoxien, sondern das Finden der dahinter verborgenen Wahrheit.'" Während Platons Gegenspieler Aristoteles als der große Empiriker die Neigung wr paradoxen Provokation weniger teilt, ja ein erklärter Gegner der napaörn;a. ist l41 , wurden die paradoxalen Denkanstöße des Sakrates von anderen Schillern wie Aristippos und Antisthenes weitergeführt und radikalisiert. Die Schule der Kyniker propagiert so eine .Umwertung aller Werte, Vgl. M. Müller / A. Halder. Art. Sophistik: Kleines Philosophisches Wörterbuch, Freiburg/Basel/Wien 111985, 251. Gigon, Sokrates 2824. m Diese gewöhnlich zitierte. in ihrer Struktur logisch paradoxe Fassung geht wohl auf den Satz in P]atom ,Apologie' zurück.: 00'[0<; IlEv ofgta{ '[l sllievQl 001( etliro<;. Eym Se, wonep oov OUle oflia, oül)s OlOIlQl. (apoL 21 0) m Döme. Samtes 25J. 140 Vgl. dazu M.-Th. Liske. Absolute Selbslreflexion oder wertkritisches Wissen. Thesen zu Platons ..Channides": ThPh 63 (1988) 161-181.173: "Vielmehr kann das ii:tono\', so wie es Somtes' äußeres Erscheinungsbild und sein Verhalten keunzeidmet, auch al~ Merkmal platoni!'ich.sokratischen Philosophierens betrachtd werden. Sucht doch Platon geradezu das Paradoxe. d. h. dasjenige, was den landläufigen Vorurteilen. den Doxai der Masse, widerstreitet. Denn die Masse hält sich nur an den äußeren Augenschein, und da erscheint vieles als widersinnig (paradox) oder seltsam (ä·tOJte<;), was sich bei tieferem Eindringen als vernünftig erweist." Platon bleibt eben nicht beim die dahinter liegende Paradoxon stehen, sondern er benutzt es lediglich als .Tor' - nicht paradoxe - Wahrheit. ]4] Siehe oben S. 48 Anm. 99. 156
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56
Kapitel 1: Fonnen und Venvendungen des Paradoxen
die selbst vor dem Anstößigsten nicht l.uruckschreckt"1f2. Nicht mehr der gesunde 1\1en.'ichenverstand, sondern die herrschende Moral ist nunmehr Ge· genstand der paradoxen Provokation, die sich in den kynischen Maximen
der völligen Bedürfuislosigkeit und der Schamlosigkeit, der Nichtachtung aller Konventionen, manifestiert. Das Paradox hat hier den Bereich der Sprache überschritten und eine existentielle Dimension angenommen.
5. Die Stoa Bei den Stoikern begegnet uns die Paradoxie auf dem Felde der Ethik, wenn es darum geht, den Weisen vom Toren zu unterscheiden . • Die Stoiker kennen in ihrer Ethik im Prinzip nur das Entweder-Oder_ Sie ziehen überall scharfe Grenzlinien und haben ihre Freude daran, die Scheidtmg bis zur Paradoxie durchzuführen. Sie erkennen wohl relative Werte neben den absoluten an; aber grundsätzlich halten sie daran fest: Nur die Tugend, die rur Glückseligkeit verhilft, ist ein Gut, alles andere nicht. Der Mensch besitzt diese Tugend, oder er besitzt sie nicht.... Kein Wunder, daß auch die Menschen als Gesamterscheinung für sie in zwei Gruppen zerfallen, in die Weisen, die im festen Besitz der Erkenntnis sind und ein vollkommenes, glückseliges Leben fUhren, und in die Toren, die mit dem größten Übel, der Unwissenheit, belastet keiner vollkommenen Handlung fähig sind und im tiefsten Elend leben."'" Eine solche schroffe Zweiteilung der Menschen führte konsequentenl'eise ru dem Gedanken, daß alle Fehlhandlungen unter sich gleich seienH-l, wenn man die Vollkommenheit des Weisen nicht besitze. Ohne die individuellen Unterschiede der Toren zu leugnen, konunt es der Stoa auf die Absolutheit der Gegensät7.e von Tugend und Laster an. So ist uns von Chl)'sipp (281-208 v. Chr.) das anschauliche Bild überliefert: ,Wenn jemand unter Wasser ist, so daß er nicht atmen kann, so ertrinkt er, gleichviel ob er sich einen Fuß oder fünfhundert Klafter unter der Oberfläche befmdet ... So ist auch der Mensch, der die Erkenntnis noch nicht hat, auch wenn er ihr schon ganz nahegerückt ist, immer noch ein Tor und vom Weisen wesenhaft verschieden,'145
Gigon. Sokrates 2824. M. Pohleoz, Die Stoa. Gcschkhte einer geistigen Bewegung. Bd.l, Göttingcn 31964, 153. Vgl. 7.um FoJgenden 153-158. 14-t miv'l'a tacipllpnlllQ 'l'1l fall (omnia peccata paria): vgl.J. ab Amim (H. v, Arnim), Stolo COl"um "etenun fragmenta (=SVF), 4 Bdc.. Stuttgart 1964 (Nachdruck), 1224.225,
142 I-U
IU
IU 524-543, Ut mim qlli Jemmi .funi in aqua, nüU!o magU mpirare possuni, si non !o,rge absunt a summo, fit iam iamqtu pOJJini emergeTt, quam .si caomtum (sunt il' proJundo ... film fJrä proet.Hil
Beispiele paradoxen Denkens
57
Wo eine solch radikale Schwarzweißethik propagiert wird, muß es notwendigenveise zu paradoxen Formulierungen kommen. So erklären sich aus jener Kontrastierung heraus die Aussagen, daß alle Toren wahnsinnig, unglücklich oder heimatlos, allein der Weise dagegen reich, glücklich, frei, stark und der Menschheit nützlich sei. "G "Er [der Weise] ist der vollkommene Mensch, schön, auch wenn er äußerlich noch so häßlich ist. Er ist erhaben über alles, was die Toren rurchten und erstreben. Er braucht nichts, ist autark; denn in der Erkenntnis und der Tugend besitzt er das einzige Gut, das dem Vernunftwesen zuteil werden kann. Und dieser Besitz stellt iIm der Gottheit gleich .... Er ist selbst ein ,göttlicher' Mensch.... Selbst in der Folterkammer ist er glückselig. "'<1 Dies alles mußte um so mehr die Kritik und den Spott der Zeitgenossen herausfordern, als die Stoiker offen zugaben, kaum je in der Menschheitsgeschichte habe es einen solchen Weisen gegeben, sie selbst einbegriffen.'" Paradox wirkte also nicht nur die scharfe Schwar7.weü~einteilung der Menschen mit der Zuerkennung aller positiven Eigenschaften rur den Weisen, allen Elends für die Toren; provozieren mußte zusätzlich, d~ diese paradoxale Ethik die offenkundig ganz andere Wirklichkeit der Welt rur irrelevant hielt. Die Stoiker ließen sich aber vom Spott ihrer Gegner nicht beirren'" und hielten 1tapa ö6~av an der idealen Gestalt ihres Weisen fest. "Denn seine Bedeutung hing nicht von der geschichtlichen Venvirklichung ab."'" aliquantu.ffl ad virlutu habitum nihilo minus in misen"a est quam ille, qu.i nihil pTocenit. (Ci· cero, de finibus IIl14,48) Ähnlich Plutarch, de comm. not. cp. )0 p. 1063a. Übersetmog bei Pohlem, ebd. 154. '" Vgl. die za..hheichen Belege bei v. Amim. SVF I 216-229, UI 544-684. U1 Pahlem, Stoa 156. 141 Vgl. SVF III 6611.658: Der Weise sei ,wie ein paradoxes Wesen und gegen die Natur, seltener als der Phönix' (W01tEP n 1tap6.So~ov ~tPo\' 1{"alnapa. ipUOW O"nQV\(IhEpOV 'COÜ ~olV\Ko,).
m Zur stoischen These von der Gleichheit aller Verfehlungen spottete Cicero, dann sei es ja gleich schlimm, seinem Vater oder einem Haushahn den Hals herumzudrehen (or. pro Murcna 61). Der gleiche Abschnitl bei Cicero, von dem übrigens eine eigene Schrift gesammelter ,Paradoxa Stoicorum f stammt, enthält eine treffende Zusammenfa'isung der stoischen Paradoxien: Fuit enim quidam Jummo ingenio viT, Ztno, cuill.l inVtntorum aemuli Stoici rzominantuT. Hruw l!ntenlroe lunl et praect:pta eius modi. Sapientem gratia numqua.m ffltnJeri, nr/mquam cuiusqunm delicto ignoJccre; neminem miJericordem me nui strdtum et levem; virl non eue neque t!>(OTari neque placariJ' Jolos sapientes eHe, si diJloTlu.!imi sint,JormoJos, si mendicissimr~ diviles, si smJitutem lerviant, Tegu; Mol autem 'lui sapientel non Jumw JUgilivos, e>(sules, /roJlis, in;anos denique esse diCll.nl; omnia pecca{Q esse parit1; omne delfctum lcelw me nefarium, nec minus delinqueTt eurn qui patTern Juffocaverit; .!opienlem nihtl Opit'lori, nulliw rei paenitere, nulla in Te falli, lententiam mutare numquam. 150 Pohlem, Stoa 157.
58
Kapitell: Fonnen und Venvendungcn des Paradoxen
Besonders dieser Gedanke, daß es beim sittlichen Handeln nicht auf den Erfolg, sondem die Gesinnung ankomme, hat stark auf die christliche Ethik abgefärbt.•Die Kirchenväter werden nicht müde, nachzuweisen, daß all die paradoxen Züge, die von der Stoa ihrem Weisen zugeschrieben werden, in Wahrheit auf den voUkommenen, Gott wohlgefälligen Christen zutreffen."'51 So klingt z. B. für Klemens von A1exandrien das stoische Prinzip, nur das Sittliche sei ein Gut (J.16vov ~O lCaAOV a.ya96vl''' so christlich, daß er an Entlehnung aus dem Alten Testament denkt.'" Ebenso konnten die Christen uneingeschränkt den Gedanken übernehmen, daß das Sittlichgute ausschließlich um seiner selbst willen, ohne Rücksicht auf die Folgen zu erstreben sei.'" Das sittliche Recht auf einen ,wohlenvogenen Freitod' (8ilA.oyo~ E~ayOlYTl) 15', mit dem die Stolker das Paradox auf die Spitze trieben, wurde allerdings als lIDchristlich erkannt und venvorfen. Wenn nach der FlIDktion des Paradoxen in der Philosophie der Stoa gefragt werden soll, so erfolgte sein Einsatz "sicher z. T. aus didaktischen Gründen, denn Paradoxa prägen sich besser ein" 156, Hier zeigt sich, daß die Bereiche Philosophie und Rhetorik leicht ineinander übergehen können. Immerhin waren es u. a. Stoiker wie Seneca oder Epiktet, welche die sogenannte Diatribe mitsamt ihren rhetorischen Paradoxien als LiteraturgattWlg etablierten. J.SJ Rudolf Bultmann erkermt in den Paradoxien der stoischen Diatribe eine ..völlige Umwertung der Werte": "Der Prediger (sc. Epiktet] gebraucht die alten Worte, aber er schiebt ihnen einen neuen Sinn unter. Doch tut er so und spricht es auch ort aus, daß sein Verständnis das allein wahre ist." (27)
Als Beispiele paradoxer Umwertung der Werte bei Epiktet Rihrt Bultmann an: die wahre Familie (- die ganze Welt). die wahre Freundschaft, den wahren Besitz (~ J.1~ xp.(av ";tElV 1I,,0\1T0u), den wahren Herrn (- den Sklaven) und umgekehrt; dementsprechend die wahre Freiheit, das wahre Glück (- das Unglück des !S\OJTl]C;) u. v, a, Sogar der Gegensatz von Leben und Tod erfälllt eine paradoxe Umdeutung: "Das äußere Leben ist ein
VtK~
p6v. Vom Weisen kann es gelten: n1l09"!imcOlv O"q,~EtaL" (30) Vgl. Epiktet,
Diss. III 81f.; n 22; I 19,9; IV 1,165,
ISI 152
II122,6~;
IV 9,2; 11122,49; IV 1,44; 111; IV I; III 20,1If.;
Ebd. Vgl. l. ß. Zenon von Kition, SVF I 188.
'" Strom. V 96,5; Paed. II 121,3. Vgl. Pohlem, ebd. 422. 1St
Vgl.
7,.
B. SVF UI 73; Pohlenz, cbd.
'" Vgl. SVF Ul 151-168. ISIi lS7
H. Dörrie, Art. Paradoxa: Ocr Kleine Pauly IV (1972) 500. Vgl. R. Bullmann, Der- Stil der- paulinischcn Predigt und die k.yniscb·stoische Diatribe
IFRLANT 13), Göttingeo 1910 INachdruck 1984), 27-30.
Beispiele paradoxen Denkens
59
Von Seneca fUhrt Bultmann kaum Beispiele an, "denn die Paradoxien fm-
den sich bei iluu bis zum Überdruß oft" (28) .'" Aber die stoische Paradoxie verfolgte nicht nur pädagogische Absichten. Ihr Gehalt überschritt das Gebiet der Rhetorik und wurde zur philosophischen Aussage, wenn es darum ging, dem Wesen von Gut und Böse auf den Grund zu gehen: "Die Stoa selbst wollte damit nur aufs schärfste einprägen, daß die Fehlhandlung ein absoluter Begriff sei, der sowenig wie ,Wahr' oder ,Gerade' ein Mehr oder Minder vertrage. In ihren Augen ist bei jeder Handlung das Entscheidende, ob sie dem rechten Geist entstammt und dem Vernunftgesetz entspricht oder nicht. Alles andere, der äußere Erfolg, die näheren Umstände, der Inhalt unseres Tuns kommen erst in zweiter Linie in Betracht. "159 Die vetWendeten Paradoxa sind daher keineswegs nur formales Instrument zur Erzielung eines bestimmten Effekts, sondern der - freilich überspitzte - Ausdruck einer inhaltlichen Überzeugung. Allein aufgrund der zeitlichen Nähe dürften beim ethischen Paradox der Stoiker am ehesten Benihrungen mit Paulus zu envarten sein. 11. BIBLISCH-1HEOLOGISCHE PARADOXIEN Zur Abgrenzung von den heidnisch-philosophischen Paradoxien soll auf dem Feld der Bibel von theologüchen Paradoxien gesprochen werden, die im Alten Testament, in der frühjüdischen Literatur und im Ncuen Testament begegnen. Der Unterschied zur Philosophie besteht darin, daß die jüdisch-christlichen Paradoxa alle, sei es direk.t oder indirekt, mit dem biblüchen Gott zu tun haben. 16• Im folgenden wird eine stichproben hafte Annäherung an diesen Bereich versucht, die notgedrungen nur fragmentarisch ausfallen kann.
1. Altes Testament Nach dem Streifzug durch die heidnische Philosophie könnte sich der Eindruck aufdrängen, dem antiken Menschen sei das Paradoxe sozusagen ein vertrautes Phänomen gewesen - so paradox dieser Satz selbst klingt. Für das alttestamentlichjüdische Denk.en dagegen scheint das Paradox kein allzu bedeutendes Thema zu sein. "Die Bibel hat es ... über große Partien nicht mit Paradoxien zu tun."'" E. Keller Zum Paradox bei Seneca vgl. die Beiträge von H. Cancilc., Untersuchungen 7.U Seneca5 Epistolae morales (Spudasmata 18), Hildesbcim 1967, 135-157; J. Blänsdorf I E. Breckel, Das Paradoxon deI" Zeit: Zeitbesitl Wld Zeitverlust in Senecas Epistulac morales Wld De brevitate vitae, Freiburg 1983; Lefevre, Bedeutung 224-229. 159 Pohlem., Stoa 153. 160 DiC9 gilt natürlich auch roT die paulinischen Paradoxien.
1SI
161
Kr.tft, Paradoxie 255.
60
Kapitel 1: Formen Wld Verwendungen des Paradoxen
konstatiert: ..There are fewer paradoxes in the Old Testament than in the New Testament."'" Er erwägt drei Gründe: Die Vorstellung von Religion habe im Alten Testament etwas mit ,Vertrag' und ,Tauschhandel' zu tun, was paradoxales Denken verhindere; die alttestamentlichen Autoren seien eher an dem interessiert, was von den Machttaten Gottes offenbar und bekannt geworden sei, als am Unbekannten, d. h. sie formulierten das paradoxe Verhältnis von Gott und Mensch, ohne sich dessen bewußt zu sein; schließlich passe das Paradox als literarisches Mittel wahrscheinlich nicht zum Sprachgeruhl des Hebräischen,I63 Letzteres wird bestätigt durch die sorgfaItige Arbeit von L. AlonsoSchökel: ..In der hebräischen Literatur ist die Synonymie oder Wiederholung vorherrschend, in der abendländischen die Antithese oder Kontraposition. Dies läßt sich bei den Hebräern auf ihre Tendenz zur ,Totalität, zur Integrität' zurückfuhren. Sie nehmen eine Totalität wahr und gliedern sie mit Hilfe von Wörtern in einem einfachen Satz_ Dann wenden sie sich erneut der gleichen Totalität zu und gliedern sie in einem anderen, älmlichen oder äquivalenten Satz_ Sie erfassen und formulieren die Totalität als Faktum und nicht als Problem. Der Europäer sucht nicht die Totalität, sondern ist bestrebt zu unterscheiden, zu präzisieren, zu teilen. zu analysieren und zu nuancieren, Wld die Fakten werden ihm dabei zu Problemen_"'" Als ein Hauptmerkmal der biblischen Sprache ist ihre Bildhaftigkeit zu beachten. ,.A striking fact is the concretizing of all abstract ideas (abstraction is almost completely absent)."'65 Daher handelt es sich auch bei den meisten der im AT ,paradox' zu nennenden Phänomene um konkrete Ereignisse oder Bilder, was der Nähe des Wortes 7tapWlo~o<; in der LXX zum Begriff des Wunders'" entspricht. Die ,Paradoxien' des AT sind ,.um überwiegenden Teil die staunende Erkenntnis des wunderbaren Eingreifens Jahwes in die Geschichte. Beispiele rur besonders ,paradoxe' Wunder im AT sind etwa der brennende und Paradoxes 26. m Vgl. ebd. 16-1 Das Alte Testament 303. 165 H. Fuchs, Art. Hehre\\' poetry 1 (In the Bible): UJE vm (71948) 557. Wo Die Vokabel 1tapliliol;o~ taucht in der I...X.X an folgenden Stellen auf: Weish 5,2;
167
16,17: 19,5: Sir 43,25: Jdt 13.13: 2 Maltk 9,24: 3 Maltk 6,33: 4 Makk 2,18. In der pseudepigraphen Literatur fmclct sich das Wort nur ein eimjgcs Mal. nämlich in der Apokalypse des Scdrach 11,t. Das Verbum 1taprd;o~a.~lV (meist als ÄqUivalent 7.U
hebr_ .~~ hio) begegnet Ex 8,22: 9,4: 11,7: Dtn 28,59; Sir 10,18: 2 Makk 3,30: 3 Makk 2,9. Das Substantiv ltapa8o~a0Jl6c;: stcht in dll7.elnen Hss. \'on Jes 9,6; 29.14. In
4 Maltk 4,14 fmdet sich das Adverb napaS6~,,<;. (Vgl. E. Hatch I A. Redpath, A Concordance to tbc Septuagint 11, Gral 1954 r=Oxford 18971. 1059.) - Durchgängig
fallt die Ven\·andtschaft. ja Synonymität der Wongruppe mit 9au).uiOloC;,
9au).l«<J16~
OdCT eQ1.,.UJ.~t:lV auf. Der Gebrauch dC9 1'[apclö~ov in der LXX als das ,Wunderbare',
.Unglaubliche' läßt damit keine Abweichung von der profanen Gräzität erkennen.
Beispiele paradoxen Denkern
61
doch nicht verbrennende Dornbusch (Ex 3,2f.) oder die alttestamentlich wie friihjüdisch-apolcryph überlieferte Erzählung von den drei Männem im Feuerofen (Dan 3). Über die Wunder als bildhaft-anschauliche Paradoxa hinaus kennt das alttestamentlichjüdische Denken aber auch Paradoxien, die dem gedanklich.reflexiven Bereich zugerechnet werden können. Sie sind dementsprechend vor allem bei den, weisheitlich' genannten Schriften des AT zu fmden.!67 Nimmt man den Zusammenhang von Tun und Ergehen als bestimmendes Grundmuster der alttestamentlichen Weisheitsliteratur, dann scheint ihr der Gedanke des Paradoxen zunächst femzuliegen. ,,Allein Rationalität ist ... am Platz, wo die Schrift Lebensklugheit unter den Augen Gottes lehrt."!'8 Die göttliche Weltordnung ist im Normalfall rational einsichtig: Jahwe straft den Sünder und belohnt den Gerechten. Wo jedoch dieser Zusammenhang durchbrochen wird, wo Gott sich der menschlichen Vernunft als der ganz Andere erweist, da stößt diese auf Paradoxien. Eines der großen Themen des Alten Testaments ist der Zusammenhang von Schuld, Strafe, Klage, Vertrauen, Vergebung und Rettung. Er ist insofern ,paradox" weil die Erhörung des menschlichen Flehens der ungeschuldeten, unverdienten Gnade Gottes entspringt. Die Barmherzigkeit Gottes durchbricht das grausame Gesetz von Sünde und Vergeltung. Als Beispiel mag das dritte Kapitel der Klagelieder dienen. Die Paradoxie besteht dort in der Zuversicht des Klagenden trotz der niederschmetternden Lage seines Volkes. Trotz aller Bitterkeit und Verzweiflung vertraut der Beter auf die rettende Macht des Henn. Obwohl er begonnen hatte: ,Ich bin der Mann, der Leid erlebt hat durch die Rute seines Grimms' (3,1), kann er doch am Ende sagen: ,Du, Herr, hast meine Sache gefiihrt, hast mein Leben erlöst.' (V. 58) Zugespitzt erscheint das hier zugrundeliegende Paradox in der Frage: ,Geht nicht hervor aus des Höchsten Mund das Gute wie auch das Böse?' (V. 38)1" Das Beispiel von Klgl 3 ließe sich durch andere Belege im AT beliebig ergänzen. Vor allem ist der geschilderte Zusammenhang auch in einigen Psalmen gegenwärtig, in denen Klage und Dank direkt beieinanderstehen; als typische Beispiele wären hier die Psalmen 6, 22, 28, 31,56 und 69 zu nennen (vgl. auch 118,22). 167
168
Kraft, Paradoxie 255-258 erkennt dagegen Paradoxien im Alten Testament vor allem bei den Prophetm, So bestehe ein prophetisches Paradoxon darin, "daß der Prophet sich als Bevollmächtigten Gottes venteht und Gehorsam beansprucht. aber keine Legitimation besitzt" (ebd, 256), Ebd. 255.
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Kapitel 1: Formen und Verwendungen des Paradoxen
Das Gegenstück zur gnädigen Errettung des Sünders ist das I'dotiv vom Leiden des Gerechten, das im alttestamentlichen Buch Hiob seinen Hauptniederschlag gefunden hat'70 Wohl wegen der Grausamkeit des Tatbestandes springt uns hier die Paradoxie ungleich stärker ins Auge. Das game Buch ist der Bewältigung der Frage gewidmet: Warum muß der Gerechte unschuldig leiden? Während Hiob, sich keiner Schuld bewußt, in seiner Verzweiflung mit Gott hadert und rechtet, halten seine Freunde dogmatisch am Zusammenhang von Tun und Ergehen fest: Hiob muß für sein Schicksal selbst verantwortlich sein. Die Rahmenerzählung löst das PtTadox schließlich dadurch, daß sie die Leiden des Hiob als Bewährungsprobe hinstellt, an deren Ende Hiob reicher und glücklicher ist als zuvor. Grundsätzlich bleibt jedoch das Problem der Theodizee unbeantwortet, wie es sich in der Frage Hiobs kristallisiert: ,Nehmen wir das Gute an von Gott, sollen wir dann nicht auch das Böse annehmen?' (2,10)"' Eine besondere Variante des leidenden Gerechten im AT ist die geheimnisvolle Gestalt des GotteJhnechtJ (:1)~: '?~) beim Propheten Deuterojesaja. Das vierte Lied vom Gotteskoecht in Jes 53 enthält im Grunde ein doppeltes Paradox: das des unschuldig leidenden Gerechten und - zum ersten Mal scheint hier ein ,christlicher' Gedanke auf die Paradoxie, daß das wahre Leben aus dem Tod hervorgeht. Der Schlüssel zu diesen Paradoxa ist die Vorstellung von einer stellvertretenden Sühne, die der Gottesknecht für die Vielen leistet.'" Das Buch Kohelet mit seinem für das Alte Testament einzigartigen Skeptizismus und Pessimismus ist gleichsam als games ein ,zum Buch gewordenes Paradox'. Der Prediger hat vollends die Illusion aufgegeben, der Mensch könne sein Ergehen durch sein Tun bestimmen. Der so häufige Widerspruch zwischen Tun und Ergehen ist bei Kohelet aber nur Teil eines umfassenderen Paradox, das in der Vergänglichkeit und Sinnlosigkeit des Lebens besteht. Der Mensch ,müht sich ab unter der Sonne', obwohl doch alles nur ,Windhauch', ,eitel' ist (vgl. Koh 1,2f. u. ö.). Es ist die "Antinomie, daß der Mensch so handeln muß, als hinge alles ausschließlich von seinem eigenen Tun ab, ohne doch den Ausgang in der Hand zu haben, 3,9; 9,11f""'. Der hellenistisch anmutende Skeptizismus des Kohelet bleibt im alttestamentlich-jüdischen Horizont, wenn er das Dunkel des menschli-
L10
Vgl. O. KaiserlE. Lohse. Tod und Leben (Biblische Konfrontationen), Stuttgart/Ber.
lin/Köln/Main, 1977, 61-64.
171
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m K. Th. Kleinknecht. Der leidende Gerechtfertigte. versucht. die gesamte paulinische Leidenstheologie von der alttestamentlichen Gestalt des leidenden Gerechten her zu interpretieren. m O. Kaiser, Einleitung in da.c; Alte Testament, Gütersloh 51984, 401.
Beispiele paradoxen Dcnkens
63
ehen Schicksals in Gott aufgehoben weiß (3,11).'" Der paradoxe Sinn in der Sinnlosigkeit der welt heißt fur ihn: Gott zu fürchten (3,14)' und im übrigen, sein Leben zu genießen (9,7 -1 0). '" 2. Frilhjudentum
Auf dem unübersichtlichen Feld der fiühjüdischen Literatur kann in einem weiteren Sinn die Apokalyptik als Beispiel für paradoxes Denken angeHihrt werden. 116 Dies gilt einmal in formaler Hinsicht insofern, als das ,höhere Wissen' der Apokalyptiker, ihr Enthüllen der verborgenen Rätsel und Geheimnisse der Welt, notwendig mit dem Vonvissen und -verständnis ihrer Adressaten kollidieren mußte. Thematisch gesehen spielt die Frage nach Sinn und Übenvindung des Leidens in der apokalyptischen Literatur eine große Rolle, die eine natürliche Affmität. zum Paradoxen besitzt. Die Beispiele apokalyptischen Schrifttums reieben vom kanonischen Buch Danie! (darin besonders Kapitel 2) über das äthiopische Henochbuch bis zum 4. Esrabuch und der syrischen Baruch-Apokalypse, beide schon wlter dem Eindruck der Katastrophe des Jahres 70 n. ehr. Das Thema des Leidens bzw. der paradoxen Weisheit beherrscht auch das vierte Makkahaer/mch, wenngleich es innerhalb der fTÜhjüdischen Literatur eine Sonderstellung einnimmt. 171 Die stark vom HeUenismus geprägte Scbrift in der Form einer Diatribe m bemüht sich, mit dem historischen Argument der makkabäischen tvlärtyrer die These zu beweisen, daß ,die fromme Vernunft von sich aus Henin übel" die Triebe Sci'l79, obwohl dies
für ,unglaublich' (1tQPa.ao~ov) gehalten werden mag (2,13). Die von den Heiden als Unven1\Ulft be1.eidmete Haltung. lieber zu sterben, als Schweinefleisch zu essen, ist fiir den Märtyrer die einzig gebotene ,fromme Vemunft'
(elloepTj, AoYl0I10,). Auf die Herkunft dieses Leitmotivs aus der Stoa deutet Vgl. hierzu L. Schwienhor:!l[-Schönberger, "Nicht im Menschen gründet das Glück." (Koh 2,24). Kohelet im Spannungsfeld jüdischer Weisheit und hellenistischer Philosophie (HBS 2). Freiburg/Bascl/Wicn 1994. l1S Vgl. auch Kaiser/Lohse, Tod und Leben 64-66. U6 Einen Überblick über diese StrömWlg des Fruhjudentums bietet .I. Schreiner, Die apokalyptische Bewegung, in: J. Maier/ders. (Hgg.l. Literatur und Religion des Frühjudentums, Würzburg 1973. 214-253_ Vgl. ferner die einschlägigen Arbeiten von K. MiOler, 7._ B. die Zusammenstellung in ders., Studien zur frühjüdischen Apokalyptik (SBAl! 11), Stuttgart 1991. 117 Vgl. H.:). Klaucl<, 4. Makkabäerbuch (jSHRZ 1lI.6), Gütenloh 1989. t1& Klauck, 4 Makk 659-662 bestimmt die Gattung präziser als .,epideiktische Rcdc"_ m lPlAoaOqlrotUTOV ÄOYov Em~6{"vuaeQl I-IEUmV, d Q1J.tOSEO'1tOtOC; Eonv -rmv no.9ciiv 6 EOOE~~C; AoYlcrJ.l.OC;. ( ... Makle. 1,1) Die in der Antike einzigartige Verbindung der Begriffe AOYtcrJ.l.O~ und EUO't~E\a. besitzt zweifelloS' einen leicht oxymoriscben Charakter. Vgl. dazu U. Breitenstein, Beobachtungen 7.U Sprache, Stil und Gedankengut des Viel"ten Makkabäerbuchs, Diss. Basel 1976, 168ff.
IH
64
Kapitel 1: Fonnen und Venvendungen dt".s Paradoxen
u. a. das Vorkommen des stoischen Paradox von der Gleichheit a1Ier Verfehlungen hin: ,Denn im Kleinen und im Großen zu sUndigell ist gleich schwer,' (5,20) 110 Gleichwohl handelt es sich bei 4 Makk nicht um eine stoische, sondern eine jüdische Schrift. O. Eissfeldt bringt dies auf die Formel: ,griechische Form lUld jüdischer Gehalt', UI Das vierte Makkabäerbuch steht an der Schnittstelle von Judentum und Hellenismus mitsamt deren je eigenen FQnTIen VOll Pa.-adoxalität.!S2 Auch die Schriften PhüoJ·von ALexandrien l &5 sind von der Absicht geleitet, den heidnischen Zeitgenossen das jüdische Denken in hellenistischer Fonn zu vermitteln, um zu beweisen, daß heide Welten miteinander vereinbar sind. Bei dem kühnen Versuch einer Synthese von Offenbarung und Ver-
nunft, jüdischem Schöpftulgsglauben und platonisch.stoischem Denken, alt· testamentlicher Weisheit und griechischem A6yor;-Prinzip greift philo gern und häufig zu paradox zugespitzten Formulierungen: ,Und doch entstand der ganze Hinund durch Gou, immer aber eilte der Schöpfer dem Ge· schöpfe voraus . . . j Gott aber - und das ist das Unbegreiflichste (tb 7tapo.5ol;.hatov [lI ''') - bleibt stehen und überholt doch alles. Es heißt aber, daß der an sich Seiende ganz nahe sowohl als auch fern ist (lCat tYYÜtata 0 aUtOr; ßv "al flalCpav &onv), da er mit den schöpferischen und strafenden Kräf· ten, die in der Nähe vorhanden sind, jedes ergreift, aber das Geschöpf aufs weiteste von seinem eigentlichen Wesen femgehalten hat, so daß es ihn auch nicht mit den reinen und unkörperlichen. '\VahmelunWlgen des Denkens beluhreIl kann. 'US
,Derm der Seiende (- Gott) ist überall im Widerschein ('I'avtaola~6fl6voV li6~n rravtuxoü), aber tatsächlich nirgends in der Erscheinung erkeJUlhar (npor; &A~e&taV ml5afloü tpa{v6tal), so daß jener Schriftvers untrüglich ist, in dem es heißt ,Hier bin ich(, wlsichtbar und gleichsam doch sichtbar (liösuctOr; cbr; av 5&IICVUfl6VOr;), ungesehen und gleichsam doch gesehen (aopatOr; ehr; av OpUtOr; Itlv), 'vor dir< (Ex 17,6).'''' Die Literatur des Friihjudentums und ihre Beispiele paradoxen Denkens sind im Rahmen der vorliegenden Arbeit deshalb von besonderem Interesse, weil aus diesem Bereich grundsätzlich mit einem EinUD 't0 ynp ~v IlllCpott;; Kat SV ~trtU.o1~ 1tapll"o~e\v {ao8tSvaj. l<Sv lanv. Vgl. Breitenstein. Beobachtungen 159. Siehe oben S. 56-59. !SI Vgl. O. Eissfddt, EinleilUng in das Alte Testament, Tiibingen 3)964, 832; Klauck, 4 Maki<. 686.689f. 112 Vgl. 7.. B. die Rede von der Unsterblichkeit der Seelen: 14,6; 18,23. - Daß mit stoischen Paradoxien auch generell im jüdischen Bereich 7.U rechnen ist, zeigt H. A. Fischel, Rabbinie Literatllre and Greeo-Roman Philosophy. A Study cf Epicurea and Rhetorica in Eady Midrashic Writings (Studia Post-Biblica 21). Leiden 1913, 70-13.
147-151.' IU Vgl. C. Colpc, Art. Philo ,Ion Alexandria: RGG3 V (1961) 341-346; H. Hegennann, Philon \'on Alexandria, in: MaierlSchreiner. Literatur 353-369. Jlt Der Tenninus 1tapo.So~~ erscheint bei Philo 33mal t das abgeleitete Verb\1Jl11tapa8o-
l;oAoyero 2mal. U5 186
De poster. CRlni 19f. (zit. n. Cohn/Wendland. sieh~ oben S. 40 Anm. 66). De migr. Abr. 183. Weitere Beispiele philoniscbcr Oxymora siehe oben S. 40f.
Beispiele paradoxen Denkens
65
fluß auf Paulus gerechnet werden muß. "' Der hellenistisch gebildete Pharisäer Paulus war, wie seine Briefe zeigen, ohne Zweifel in der antiken Rhetorik wohl bewandert; sein eigentliches Zuhause aber war das Judentum mitsamt seiner heiligen Schrift und seinen Strömungen, lUmal der Apokalyptik. '" Die pau1inische Leidenstheologie etwa ist durch die Apokalyptik schon ein gutes Stück vorbereitet.
3. Neues Testament W'enn sich diese Arbeit besonders mit Paradoxien bei Paulus beschäftigt, so bedeutet das nicht, daß die übrigen Autoren des Neuen Testaments keinen Gebrauch von Paradoxien machten. Paulus als der große Theologe des NT hat wie kein anderer das paradoxe Denken in die verschiedensten Richtungen ausgefaltet."· Gleichwohl soll hier zunächst unter Aussparung des Corpus Paulinum'oo ein Blick auf die synoptischen Evangelien und das Corpus Johanneum, die beiden großen Traditionen im Neuen Testament neben Paulus, geworfen werden, in denen sich ebenfalls etliche Paradoxien fmden. 19 ' Das verbindende Thema aller neutestamentlichen Schriften ist Jesus Christus, der Menschgewordene, Gekreuzigte und Auferstandene. Daher liegt es nahe, auch das Phänomen der Paradoxalität im NT vor diesem gemeinsamen Hintergrund zu sehen. Die verschiedenen Paradoxien in den einzelnen Schriften - ob Paulus, die Synoptiker oder Johannes - tragen vielfach verwandte Züge, weil sie im Kern auf die gleichen tbeologischen Grunddaten zurückgehen. In Zwn Verbältnis des Paulus zur Apokalyptik vg1. R-H. Schade. Apokalyptische chri-
118
stologie bei Paulus. Studien zum Zusammenhang von Christologie und Eschatologie in den Paulusbriefen (Göttinger theologische Arbeiten. Bd. 18). Göttingen 21984, besonders 15-21 mit prinzipiellen FragesteUungen. Vgl. ebd. 106-108 über den Einfluß der Apokalyptik auf den Pharisäismus. Allgemein lur Bildung de~ Pau1us vgl. J. Hecker, Paulus. Der Apostel der Völker, Tübingen
'1992, 34-59; Gnilka, faulu, 29H
für paradoxes Denken im Neuen Testament: II~ hat wenig Sinn, die Frage nach der Paradoxalität als theologischer Denkfonn tU steUen, wenJl in den behandelten Texten nicht eine gewisse theologische Systematik vorhanden ist." (109) Bei den Synoptikern erketUlt Schröer eine umfassende theologische Kom.cption paradoxer Art nur in der Theorie vom Mcssiasgeheimnis bei Mk (ebd.). 190 Der Überblick über die Ausfonnungen der Paradoxalität bei Paulus erfolgt im nächsten Kapitel. 1'1 Zur im weiteren Sinne deuteropaulinischen Literatur, die hier nicht eigens besprochen werden kann, \'gl. Aussagen wie Hebr 5,8f.; 1 Petr 2.21-24: ferner nach wie vor für die trawtionsgcschichtliche Frage W. Nauek, Freude im Leiden. Zum Problem einer urchdstlichen Verfolgungstradition: ZN\V 46 (J 955) 68-80 (zu 1 PerT 1,6;
In Auch SchröeT, Denkform ninunt deshalb Paulus repräsentativ
~,lgf.).
66
Kapitd 1: Fannen und VerwendWlgen des Paradoxen
Der Tenninus 1!(lptt/)o~o<; begegnet als neutestamentliches Hapaxlegomenon nur in Lk 5,26 und bedeutet dort soviel wie ,wunderbare, ungewöhnliche Dinge'.'" Der Sprachgebrauch entspricht somit dem der LXX blw. der profanen Gräzität.'" Hier wird wiederum die Nähe des Paradox zu Begriffen wie Mythos, Mysterium oder Wunder deutlich. 19t Die Verkündigung Jesu ist geradezu gespickt mit Paradoxien, die vor dem Hintergrund seiner Botschaft von der nahegekommenen Gottesherrschaft zu verstehen sind. Jesus propagiert angesichts des Reiches Gottes eine völlige .Umkehrung der Verhältnisse"''', eine zur Welt in Widerspruch stehende ,Umwertung der Werte'. Er verkündigt eschatologische Paradoxien, die - analog zu der eigentümlichen Spannung der Reich-Gottes-Botschaft zwischen Gegenwart und Zukunft z. T. indikativischen, ,.. T. imperativischen Charakter tragen. Die Beispiele sind zahlreich: ,Wer sein Leben retten will. wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten.' (Mk 8,35 parr. Mt 16,25; Lk 9,24; Mt 10,39; Lk 17,33; Joh 12,25) ,Wer der Erste sein will, soll der Let'.te von allen und der Diener aller sein.' (Mk 9,35; vgl. Mk 10,43f. parr. Mt 20,26f.; Lk 22,26; Mt 23,1 I) ,Denn wer unter euch allen der Kleinste ist, der ist groß.' (Lk 9,18)'96 ,Viele aber, welche Erste sind, werden Letzte sein und die Letzten Erste.' (Mk 10,31 parr. Mt 19,30; Lk 13,30; Mt 20,16) ,Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.' (Mt 23,12 par. Lk 18,14) ,Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast.' (Mt 11,25 par. Lk 10,21)
192 e\'SOilEV 1tapd:lio~a OTUU:POV. Siehe oben S. 46 Anm. 89; S, 60 Anm. 166.
I"
191
Das PiJradox greift freilich noch darüber hinaus: Das Krem. Christi ist zwar ein ,Para-
dox', nicht aber ein ,Wunder', Schröer, Denkfonn 99-108 weist nach, daß ebenso zu den Begriffen j.lcop{a, J.1UO~PlOV und OIcavaaÄov im NT zwar ~ine Venvandtschaft besteht, si~ jedoch keine Synonyma fiir ,Paradox' sind. I'U Schröer, Denkfonn 110. 196 Bei den Ittzten drei Beispielen handelt es sich nicht nur um sachliche, sondern sogar um logische Paradoxien im Sinne der unter A. I. getroffenen Unterscheidung: vg1. Schröer, Denkfonn 110f. Hier ließe sich auch Mt 8,22 par.ll9,60 anfUhren: ,Laß die Toten ihre Toten begraben!' Vgl. dam Kretz, Witz 126-131j dieser nenut ferner ab je.'iuanisches Paradox Mt 15,11: ,Nicht was in den Mund hineinkommt, venmreinigt den Menschen, sondern was aus dem Mund herauskommt, das vemnreinigt den I\-lenschc.":n,' (ebd. 118-125)
Beispiele piU"adoxen Denkens
67
,Unter aUen von einer Frau Geborenen ist kein Größerer aufgetreten als Johannes der Täufer. Doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er,' (Mt 11,11 par. Lk. 7,28) Nicht zuletzt gehören hierher die Seligpreisungen sowie andere Partien der Bergpredigt. Die Makarismen "sind insofern paradox, als sie dem ,orthodoxen' Verständnis von I.U1KUptoC; nicht entsprechen""'. Das gleiche gilt für die paradoxe, im Gebot der Feindesliebe (Mt 5,44 par.) gipfelnde Ethik der Bergpredigt: ,Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.' (Mt 5,39 par. Lk 6,29) In größeren Textzusammenhängen fmdet sich das eschatologische Paradox von der Umwertung der Werte als Quintessenz zahlreicher Gleichnisse und Parabeln: so in den Gleichnissen vom reichen Prasser und armen Lazarus Lk 16,19-31 (Umkehrung der Verhältnisse im Jenseits), von den Arbeitern im Weinberg Mt 20,1-16 (gleicher Lohn für ungleiche Arbeit) oder vom großen Festmahl Mt 22,1-14; Lk 14,16-24 (,unwürdige' Gäste), aber auch in den Parabeln vom barmherzigen Samariter Lk 10,30-37 und vom verlorenen Sohn Lk 15,11-32 (Liebe gegen scheinbar legitime Hartherzigkeit).'" Ihren konkret-realen Höhepunkt erfährt die ,Umwertung der Werte' im Lebensschicksal Jesu selbst: Die Gottesherrschaft manifestiert sich nicht in Macht und Hen-lichkeit, sondern im Tod des Messias am Kreuz. Der VerbrechertodJesu ist die logische Konsequenz seiner Verkündigung.'" Die willkürlich ausgewählten Beispiele belegen den gemeinsamen Hintergrund, vor dem dieses eschatologische Paradox entsteht: Das von Jesus verkündigte Reich Gottes mitsamt seinen Implikationen kollidiert unweigerlich mit dem Vorverständnis der Menschen; !tapa. M~av - abstrus, unglaubwürdig, ja ungerecht erscheint es ihnen. Eine Paradoxie logischer Art (negative diJtinctio) enthält Mt 22,38f.: ,Dies ist das größte und erste Gebot. Das zweite ist ihm gleich.' Hier wird die Nächstenliebe entschieden an die Gottesliebe gebunden, ohne daß diese ihren Vorrang verliert. Das christologische Grundparadox des JohanneseuangeliltmJ ist der gleich zu Beginn auftauchende Gedanke der Inkarnation. "Bei Johannes ist im höchsten Grade paradox der Satz 1,14: ,Der Logos ward Fleisch', denn das gerade gehört nach antikem Denken zum Wesen des Logos, daß er etwas ImmaterieUes und Übergeschichtliches ist. ",,, Schröer, Denkronn 110. Vgl. auch Nauck, Freude 69-73. ua Vgl. Y. Dobschütz, Paradoxie 184f. 199 Zur wechselseitigen Bedingtheit von Verkündigung lUld Geschick Jesu am Beispiel \'on Mk 8,27-38 siehe unten S. 99 Anm. 116. 200 v. Dobschütz, Paradoxie 189. Buttmann, Theologie 403 stelltJoh und Paulus einander gegenüber: ..Daß in Jesus Gott selbst begegnet . .. - darin liegt die Paradoxie des Of 197
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Kapitel 1: Fonnen und VerwendWlgen des Paradoxen
Die Inkarnation des präexistenten Logos erscheint sprachlich zugespitzt in dem auch formal paradoxen Zeugnis des Täufers: ,Der nach mir kommt, ist mir voraus, denn er war vor mir.' <Joh 1,15; vgl. 1,26f.30) Das gleiche gilt für die SeibstaussageJesu: ,Amen, amen, ich sage euch, noch ehe Abraham wurde, bin ich.' <Joh 8,58)201 Nirgends im NT wird so stark wie im Johannesevangelium das Verhältnis Jesu zu seinem Gott reflektiert. Eine Spitzenaussage ist das Selbstzeugnis: ,Ich und der Vater sind eins.' (joh 10,30) Dieses Paradox der Einheit in der Verschiedenheit kehrt an 7.ah1reichen Stellen wieder. In Form einer negativen distinctio lautet es: ,Wer an mich glaubt, glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat.' (12,44; desgleichen 7,16; 14,24) Der unerhörte Anspruch einer Identität mit dem göttlichen Vater begegnet ferner 8,19; 10,38; 12,45; 14,9-11; 17,10 u. a. Der eine, ungeteilte Gott wird doch in dem von ihm in die Welt gesandten Sohn offenbar. In der johanneischen Soteriologie erzeugt der doppelsinnige Gebrauch des Verbums illl'ro9iivat ein Paradoxon. '0' Zweifellos meint Johannes an den einschlägigen Stellen (3,14; 8,28; 12,32.34) zunächst das konkrete Erhöhen über die Erde, die Aufrichtung des Kreuzespfahls. Jesus wird für alle sichtbar in die Höhe gehängt, d. h. er muß den erniedrigenden Tod eines Verbrechers erleiden. Zugleich aber bedeutet das äußere, demütigende Erhöhtwerden die wahre Erhöhung, d. h. die Verherrlichung durch Gott. "Das i"l'ro9ijvat ist zugleich das öo~ao-9iivat."'0,
Ein temporales Paradox des Joh envächst aus seinem Gebrauch des Begriffes ,Stunde'. ,Aber es kommt eine St\mde und ist jetzt da .. .' <Joh 4,23; älmlich 5,25) ,Siehe, es kommt eine Stunde und ist schon gekommen .. .' (16.32) Die OIpa ist bei Joh die Sttmde des eschatologischen Geschehens. "Wenn neben dem Gegenwärtigsein der OIpa ... auch ihr Kommen betont ist. so eben deshalb. um die gegenwärtige Stunde als die eschatologische zu charakterisieren. Denn ihr .Kommen' ist, auch wenn sie gegenwärtig ist. nie vorbei."'" Die eschatologische wpa verbindet Vergangenheit (Erhöhung und Verherrlichung Jesu). Gegenwart und Zukunft zu einer paradoxen Einheit.'o, fenbarungJg~danltt1u. die erst Johannes ins Auge gefaßt hat. Dem Paulus liegt die Re-
flexion auf die in der menschlichen Gestalt Jesu .. , sich ereignende Offenbarung 7.U lautem Ausdruck." (Hervorhebung im
rem ... Johannes bringt die Paradoxie 101
702
Original) Hier reicht das raradoxe Element sogar bis in den Bereich der Grammatik hinein: Das Präsens elp ist mit dem nplv eigentlich inkompatibel. Vgl. Schröer, Denkform 126.
20S R. BultmaJID,
Das Evangelium des Johannes (KEK), Göttingen 194J. JJO Anm. 2.
Bu!tmann,Joh 139f. Anm. 7. 7o.s Auf parallele Weise wird in IJoh 2,7f. das Liebesgebot zugleich als alt (- überliefert) und nell (.,. eschatologisch neu) be7cichnet.
201
Zusammenfassung
69
Zentral zum Bereich der Eschatologie gehört das Thema Tod und Leben. Im weiteren Sirme wären hier alle Stellen anzuführen, an
de~
nen - wie bei Paulus oder den Synoptikern - durch den Gedanken der A,gerstehung Tod und Leben zu einer Einbeit verknüpft sind.'" Dann sind aber auch die zahlreichen Belege des Ausdmcks ~Ol~ a!rovlo<; lU nennen, der rur das Corpus Johanneum typisch ist''': Zumindest ein vortheologisches Verständnis muß die Verbindung ,ewiges Leben' als paradoxes Oxymoron empfmden. Schließlich gibt es bei Johannes auch Belege, wo der Gegensatz von Tod und Leben scharf herausgestellt wird. Die Reihenfolge Tod - Leben sowie das Perfekttempus konstituieren ein solches Paradox inJoh 5,24: ,Wer mein Wort hört ... , ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen.' Desgleichen 1 Joh 3,14: ,Wir wissen, daß wir aus dem Tod ins Leben hinübergegangen sind.' In formal-logischer Gestalt zugespitzt erscheint dieses eschatologische Grundparadox in Joh \\,25: ,Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.' Die Übertragung auf die Situation des Menschen ruhrt zum Gedanken des simul iustus ct peecatar, den man binter 1 Joh 1,7f. gefunden hat"': ,... das Blut Jesu, seines Sohnes, reinigt uns von jeder Sünde. Wenn wir sagen, daß wir Sünde nicht haben, betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.' Die Kombination der Verse 7 und 8 ergibt das logische Paradox, daß der an Christus Glaubende sowohl Sünder als auch kein Sünder ist.
Zusammenfassung Gegenstand des ersten Kapitels dieser Arbeit war die Frage, in welchen Formen und Flmktionen das Phänomen des ,Paradoxen' bereits vor oder neben PauIus auszumachen ist. Im Hintergrund dabei stand die Suche nach möglichen Vorgaben, auf denen der Apostel mit seiner paradoxen Sprache und Theologie aufbauen konnte. Der Ausdruck ,Paradox' ist ein sehr offener, unscharfer Begriff, der zunächst einer Klärung bedarf. Ausgangspunkt war daher die Unterscheidung zwischen logischen und rhetorischen Paradoxien. Während der an der logischen Struktur orientierte Zugang eher dem Feld der Mathematik zuzurechnen, d. h. rur PauIus weniger relevant ist, tun sich fur die bier interessierenden sprachlichen Paradoxien wertvolle Erkenntnisse von Seiten der antiken Rhetorik auf. Jedes Paradox hat '" Joh 2,22; 5.21.29; 6.59.~0.44.H; 11.23-25; 12.1.9.17; 20.9; 21.1~. '" Joh 3,15f.56; ~.1{.56: 5,24.39; 6,27,40.4 7.5{.68; 10,28: 12,25.50: 17.2f.; 1 Joh 1.2: 2011
2,25; 3,15; 5,11.13.20. Sinngemäß auch]oh 6,50f.58: 8,51f.; 11,26. VgL 1. B. Bultmann, Theologie 432.
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Kapitel I: Fonncn W1d Venvelldwlgen des Paradoxen
wesentlich eine rhetO\;sche Komponente, die sich allgemein als Verfremdungseffekt beschreiben läßt und in der Regel die Gestalt einer bestimmten rhetorischen Figur annimmt. Die klassische Rhetorik spricht vom sogenannten genus admirabile, das sie im Rahmen der elacutio in eine Vielzahl von paradoxen Varianten unterteilt. Nicht nur die heidnische Literatur der Antike, sondern auch die alttestamentlichjüdischen und neutestamentlichen Autoren gebrauchen das Paradox in diesem Sinne als geläufiges stilistisches Mittel Beispiele paradoxen DenkenJ begegnen in der Antike vor allem in der Philosophie. Auffallige Paradoxien fmden sich bei Heraklit, Zenon von Elea, den Sophisten, Sokrates und den Kynikern, wobei sie vom Element des Paradoxen sehr unterschiedlich Gebrauch machen. Gemeinsam ist allen die Kollision mit einem jeweiligen Vorverständnis und der dadurch erzeugte verfremdende oder provokative Effekt. Am nächsten bei Paulus stehen leitlich wie inhaltlich die Paradoxien der stoischen Ethik blw, die dafür einschlägige literarische Gattung der Diatribe, wie sie von Stoikern wie Seneca und Epiktet häufig gebraucht wird. Auf eine mögliche Venvandtschaft paulinischer Aussagen mit solchen Traditionen ist an den einlelnen Stellen einzugehen. Neben den philosophischen Paradoxien kann im jüdisch-christlichen Bereich von theologischen Paradoxien gesprochen werden, die im Alten Testament, Frühjudentum und Neuen Testament zu fmden sind. Angesichts der wunderbaren Geschichte Jahwes mit seinem Volk läge es nahe, das ganze Alte Testament als ein Buch der paradoxen Unergründlichkeit Gottes zu qualifizieren. Freilich ist der weisheitlichen Tradition, soweit sie auf den Zusammenhang von Tun und Ergehen baut, das Denken in Paradoxien eher fremd; es tritt nur dort auf den Plan, wo dieser Zusammenhang durch Gott auf unerklärliche Weise gestärt erscheint. Berühmte Beispiele dafür sind die Bücher Hiob und Kohelet. In der politischen und kulturellen Umbruchszeit des Frühjudentums setzt sich diese krisenhafte Tendenz fort. Man antwortet auf die Krise mit synkretistischen Paradoxien oder, wie die Apokalyptik, mit der paradoxen Hoffnung auf die baldige Übenvindung des gegenwärtigen Leidens. Im Neuen Testamenl kennen neben Paulus auch die synoptische und die johanneische Tradition das Phänomen des Paradoxen. Bezugsralnnen ist dort die Verkündigung und das GeschickJesu. Die mit der Reich-Gottes-Botschaft verbundene Umkehrung der Werte bzw. später die c1uistologischen und eschatologischen Implikationen der Person Christi selbst konstituieren die Ur-Paradoxien des Neuen Testaments. Naturgemäß ist hier unbeschadet der tmterschiedlichen Theologien die größte Venvandtschaft zu Paulus festzustellen.
Znsilmmenfa
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Für den Fortgang der Arbeit ergibt sich aus Kapitel I, daß das Paradox sowohl als rhetorische Figur wie auch als Denkform eine Geschichte vor und neben Paulus hat. Der Apostel gebraucht das Phänomen des Paradoxen nicht im luftleeren Raum, sondern bewegt sich damit durchaus in schon vorgeprägten Bahnen. Während für die rhetorische Vielfalt seiner Paradoxien in erster Linie seine hellenistische Bildung veranschlagt werden darf, steht Paulus theologisch auch hinsichtlich der Paradoxien vor allem in seiner alttestamentlich:iüdischen Tradition. Gleichwohl ist die besondere Leistung des Paulus darin zu sehen, das Spezifische der urchristlichen Paradoxalität zu einer ele· mentaren Denkform erhoben zu haben. Dies wird im folgenden Kapitel zu zeigen sein.
Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulus - ein Überblick A. Rhetorische Paradoxien Einführend wurde ,Paradoxie' defmiert als dasjenige Phänomen, das durch einen verfremdenden Effekt mit einem bestimmten Vorverständnu kollidiert. J Dieses Kriterium gilt grundsätzlich für alle Paradoxien, kann also als allgemeine Begriffsgrundlage auch für Paulus verwendet werden. Darüber hinaus stJU bei den paulinischen Paradoxien zwischen rlwtoriJchen und theologuchm Paradoxa unterschieden werden. Hierbei geht es nicht um zwei sich ausschließende Gruppen, sondern um verschiedene Betrachtungsweisen des gleichen Phänomens, die den Verarbeitungsphasen elocutio und inventio der antiken Rhetorik entsprechen. Bevor nach dem Gedanklich-Theologischen, den res gefragt wird, soll zunächst das verbum, die sprachliche Art und weise in Blick genommen werden, wie Paulus in Paradoxien redet. Im ersten Teil von Kapitel 2 (A) geht es daher um die paulinischen Paradoxien unter rhetorischem Aspekt im engeren Shme, d. h. um die verschiedenen Typen und Fonnen, in denen paulinische Paradoxien auftreten können. Die paulinische Typologie paradoxer Fonnen ist nach den Kategorien der antiken Rhetorik generalisierbar und kann mit den anderen Bereichen der zeitgenössischen Literatur verglichen werden.'
J 2
Siehe oben S. 26. Siehe oben S. 86-45. Die folgende Liste erhebt allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Da sehr viele rhetorische Mittel einen verfremdenden, d. h. im weiteren Sume ,paradoxen' Charakter haben, müßte hier genaugenommen eine Untersuchung aller Stilfiguren des Paulus crtolgcn. Das würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen, der cs in erster Linie um die Theologie, nicht die Rhetorik des Apostels geht. Einen neueren Einstieg in die paulinische Rhetorik bietet F. Siegert. Argumentation bei Paulus, gezeigt an Röm 9-11 (WUNT 84-), Tübingen 198.'). Die stark von der modemen Sprachwissenschaft geprägte Arbeit beschränkt sich allerdings wcitgehend auf die rannale Analyse paulinischer Argumelltatioll.'lweise. Ohne Siegerts Ergebnisse Un einzelnen zu bewerten, zeigt sich bei ihm wie bei anderen Arbeiten die vielleicht unvenncidliche Subjektivität der Zuordnung von Belegen 7.U besthrumcn sprachlichrhetorischen Figuren. Nicht ruletn wegen solcher subjekth·cn Vorbela:nctheit einer jeden Einteilung kann auch der folgende Überblick nur als ein bedingt Geltung beanspruchender Vorschl::l.g verstanden werden.
Rhetorische Paradoxien
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I. WORTFIGUREN
1. Periphrase' Die paradoxe Periphrase charakterisiert einen Sachverhalt mittels einer Umschreibung, die das Gegenteil des zu Bestimmenden auszusagen scheint. Während Paulus l. B. in I Kor 7,22 aus einer theologischen Aussageintention heraus paradox umschreibt, haben einige Periphrasen vor allem einen rhetorischen (z. T. polemischen) Hintergrund. Röm 6, 16. 18f22: ,Sklaven der Gerechtigkeit', ,Sklaven für Gott'.' 2 Kor 2,15f: ,Christi Wohlgeruch sind wir ... tmter denen, die verlorengehen, ... ein Duft aus Tode zum Tode.' 2 Kor 4,4: ,der Gott dieser Welt'_ Phil 3,79; ,Ihr Gott ist der Bauch, und ihre Ehre besteht in ihrer Schande.' Eine Sonderform der Periphrase ist das in der Neuzeit so genannte adynaton'. Röm 10,6j. (Dtn 30, l-?f): ,Wer wird hinaufsteigen in den Himmel? ...
Wer wird hinabsteigen in die Untenvelt?' 1 Kor 13,2: ,Glaube, der Berge versetlt'. 2 Kor 3,2f: ,Ihr seid unser Brief, geschrieben ... auf Tafeln von fleischernen Herzen. I
2. Paronomasie6 Unter dem Stilmittel der Paronomasie versteht Lattsberg .ein die Wortbedeutung betreffendes Wortspiel", bei dem "häufig einer nur geringfügigen Änderung des Wortkörpcrs eine überraschende (,verfremdende' ... ), ,paradoxe' Änderung der Wortbedeutung entspricht.'" Röm 1,29: rp96volJ rp6volJ. Röm 1,31: aauvstolJS aauv9stolls_ 1 KOT 6, 12: m;'vta ~Ot ~~E(JtlV - 0\>11: eyro t~olJ(Jta(J9~(J01la;1.
Siehe oben S. 36f. Im Gegensatz zu 1 Kor 7,22 (,Sklave Cluisti') scheint die VerbindlUlg des Sklavengedankens mit ,Gerechtigkeit' bzw.•Gott' in Röm 6,16.18f.22 weniger theologisches Eigenge\\;cht zu haben, als vielmehr lediglich eine Kontrastrede danusteUen '.um Versklavtsein an die ,Sünde' (V. 16f.20) bzw. ,Unreinheit' und ,Gcsctzlosigkeit' (V. 19). 5 Siehe oben S. 37. 6 Siehe oben S. 37f. 7 FJemente 90.
g 4
74
Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulus
1 KOT 9,20-22: 'Ioulia!ol<; 'tote; uno VOIlOV
aaBsvEow IlnaLV
'Ioulia!o<; eh<; imo VOIlOV lliJ I],v ... uno VOIlOV eh<; äVOllo<; lliJ I],v ävollo<; / EVVOIl0<; aaBeV1]<; 1tIIVta
'Ioulia!ou<; ~ou<; uno VOIlOV
aaBevsi<; Ilav~m<; 1tIiv~a IV.
23a)
Gal 4, 17: l;11Aoümv ulln<; ... Yva mJtou<; l;'T1Aoihs. 3. Negative distinctio' Bei der Wortfigur der negativen distinctio - verwandt mit der Ge· dankenfigur der COrTecUo' - wird ein positiv gesetztes Satzglied durch negative Wiederholung ad absurdum gefiihrt. 1O Im Gegensatz zum Oxymoron 11 geht es hier nicht um einen paradoxen Geltungsanspruch heider antithetischer Glieder, sondern die negative Zweitsetzung hebt die Erstsetzung auf und enveist diese im nachhinein als falsch. Lausberg unterscheidet zwischen einer ins Negative mündenden (,demaskierenden') und einer positiv-überbietenden Variante." a) Demaskierung Röm 8,24: ,Hoffnung, die zu sehen ist, ist keine Hoffnung' aAnl<; ... OU1< ganv BAll!<;). Röm 11,6: ,... weil (sonst) die Gnade nicht mehr Gnade ist' (1] Xo.PI<; OUKt~1 Y{VS1Cll XaPI<;). 1 KOT 8,5J.: ,Denn wenn es auch sogenannte Götter gibt, sei es im Himmel oder auf Erden, wie es viele Götter und viele Herren gibt, so haben doch wir nur einen Gott, den Vater' (dalv BeollloUol Kal 1
a Siehe oben S. gB[ 9
Vgl. Lawbcrg. Elemente 128.
"Vgl. .bd. 94. Siehe unten S. 7 M. I! "gI. FJcmcnlc 94f.
11
Rhetorische P3radoxien
75
b) Überbietung
Röm 4, 78: ,Gegen die HoITnung auf HoITnung hin glaubte cr ... ' (ö<; nap' s),,7t!öa sn' e)"n(öl E1t(J~eIJ(Jev)." 2 Kor 4,5: ,Nicht uns selbst nämlich verkündigen wir, sondem Jesus Chtistus als Herrn, uns selbst aber als eure Knechte um Jesu willen' (Oli rap ßaIJ~ou<; K1Jpu(J(J0llev ... taIJ~ou<; llou)"oIJ<; ... ).
öe
4. Zeugma Den paradoxen VerfremdungseITekt eines semantuch komplizierten Zeugmas veranschaulicht Röm 76,78a: ,Denn solche dienen nicht unse· rem Herrn Chtistus, sondem ihrem Bauch.' 7 Kor 3,2: ,Milch gab ich euch zu trinken, nicht feste Speise.'
H. GEDANKENFIGUREN
7. Oxymoron" Diese wohl typischste Variante eines Paradoxon begegnet an zahl· reichen Stellen bei Paulus. Folgende Belege z. B. tragen oxymotischen Charakter. Röm 75,27 aes 52, 15 LXX): ,Denen nicht über ihn verkündet wurde, die werden sehen, und die nicht gehört haben, die werden verste· hen.' 7 Kor 3,77: ,Einen anderen Grund kann niemand legen als den gelegten, das ist Jesus Christus.''' U
14
Die sofortige Aufhebung der gerade k.onstatierten Hoffil1.Dlgslosigkeit durch die positive Setzung von Hoffnung berechtigt hier, von einer diJtincUo nLgativa 7.U sprechen, in der das Ente im Lichte des Zweiten als absurd erscheint (vgl. Lausberg, Elemente 95, der genau dieses Beispiel anfUhrt). Andererseits spricht vieles dafilr, Röm 4,18a als ein in seinen heiden Gliedern ,sinnvolles' Oxymoron zu veI"$tehen, das die Dialektilc. von Tod und Leben, Hoffuung und Rettung widerspiegelt (siehe unten S. 133-135): So wie Abraham an den Gott glaubt, der ,die Toten lebendig macht und das Nichtsei· ende ins Dasein ruft' (V. 17), so ist auch Abrahams Glaube einerseil~ .gegen alle Hoffnung' (angesichts des ,Todes', vgl. V. 19 VEKProcru;). andereT3eits ,voller Hoffnung' (auf die Verheißung Gottes, vgL V. 21f.). Siehe oben S. 40r. Der Unterschied '-ur ,negativen dülinclio' (siehe oben s. Uf.) beucht darin, daß beim Oxymoron beide Seiten des antithetischen Gedankens gelten, wäh· rend bei der dislincUo die Negation das luvor Gesetlte aufhebt und somit ad absurdum
führt. IS
Die Logik dieses Verses ist mehrdeutig. Wenn Paulus hier meinte, daß der (von Gott) inJcsus Christus gelegte Grund menschlichen Mitwirkens bedürfe, so handelte es sich um das ,synergistische' Paradox von Indikativ und Imperativ (siehe unten S. 130
76
Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulus
1KOT 9,2Of.: ,Ich wurde ... denen unter dem Gesetz wie einer unter dem Gesetz, obwohl nicht selbst unter dem Gesetz, ... denen ohne Gesetz wie einer ohne Gesetz, obwohl nicht ohne Gesetz Gottes' etc. 1fi
Gai 6,3: ,Wenn jenIand meint, etwas zu sein, obwohl er nichts ist'. 7 Th", 5,2: ,... der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht'. Die geraffteste Form des Oxymoron ist die contradiclio in adiecto. 2 KOT 7,10: eine ,nicht zu bereuende Reue' Ü1B~avoll:t QJl.Bt!lJl.t1..1]~o<;). 2 KOT 11,2: ,Eifersucht Gottes'. 11,4: ,anderer Jesus', .·,anderer Geist', ,anderes Evangelium' (vgl. Gal 1,6). 17,73: ,Falschapostel'. 2 KOT 12,4: ,unsagbare Worte' (lippl]~a p1\Jl.a~a). Gal 4,8: ,Götter, die in Wirklichkeit gar keine sind' (1j>llcrBL lui oilmv 9EO().
2. ChirumUJ" Natürlich haben nicht alle der zahllosen Chiasmen bei Paulus para· doxen, verfremdenden Charakter. Ein Beispiel dafiir aber ist Gal 4, 72: ,Werdet wie ich, denn auch ich (bin geworden) wie ihr.'
3. Hyperbel"
Die Hyperbel. ist die übertreibende Darstellung eines Gedankens .mit deutlicher Verfremdungs-Absicht über die Glaubwürdigkeit hinaus"19. Räm 9,3: ,Ich wünschte nämlich, selber verflucht zu sein, fern von
Christus, für meine Brüder.' 2 KOT 11,8: ,Andere Gemeinden habe ich gebrandschatzt, indem ich Sold nahm zum Dienst an euch.' GaI4,15: ,'Väre es möglich gewesen, ihr hättet euch die Augen ausgerissen und sie mir gegeben.' Anm. 239). Dagegen spricht das lillov: Paulus
will durch das paradoxe Oxymoron
die Absurdität zum Ausdruck bringen. die R'u- ihn das Legen eines andtren Grundes a1s Jesus Christus bedeutet. M. Carrez, Les contradictions theologiqucs de la pensee paulinienne: LV (L) 27 (1918) 39-51 hält diese Stelle nicht rur ein rhetorisches Paradox, sondern rur eine theologische Aussage, welche die lahlreichen paulinischen Widersprtidle wie zwischen charismatischem und traditionellem Apo:'itclverständnis, Rechtfertigung und SUnde oder gegenwärtigem und zukünftigem Heil verstehen helfe (vgl. ebd. 40f.'. Siehe auch unten Nr. 4- (Paronomasie). 17 Siehe oben S. 41. U Siehe oben S. 42. 19 Lausberg, Elemente 75. 16
Rhetorische Paradoxien
77
4. Ironie'Zo
Die Ironie als Gedanken-Tropus ist der "Ersatz des gemeinten Gedankens durch einen anderen Gedanken, der zum gemeinten Gedanken im Gegensat7.-Verhältnis ... steht, also dem Gedanken des Parteigegners , .. entspricht"". Unterschieden werden kann zwischen der düsimulatio, bei der es vorrangig um die Verheimlichung der eigenen Partei-Meinung geht, und der simulatio, welche positiv die Meinung des Parteigegners vertritt." a)
dmimulatio 2 Kor 70,1: ,Ich selbst aber, Paulus, ermahne euch bei der Sanftmut und Milde Christi, der ich ins Angesicht unterwürfig bei euch, abwmnd dagegen mutig gegenilber euch bin . .. ' 2 Kor 10, 10: ,Denn die Briefe, so sagt man, sind gewichtig und kraft-
voll, die leibliche Gegenwart aber ist schwach und die Rede nut7.los.' Klar ist, daß Paulus sich mit solchen Urteilen über seine Person nicht identifiziert; andererseits bleibt seine eigene Meinung hinter der Ironie verborgen. b)
simulalio Röm 76, 18b: ,... und durch das "hö1Ie und gute Reden betrügen sie die Hen.en der Arglosen.' 7 Kor 4,8a: ,Ihr 5e;d "hon sall, ihr 5e;d "hon reich, ohne uns habt ihr die
Hemchtifi angetreten.' 7 Kor 6, 72: ,Alles üt mir erlaubt! Aber nicht alles nützt mir. Alles üt mir erlaubt! Aber ich will mich von nichts beherrschen lassen.''' - Vgl. 7 Kor 70,23. 7 Kor 8,5/: ,Denn selbst wenn es auch sogenannte Götter gibt, sei es im Hinlmel oder auf Erden, wie es ja viele Götter gibt und viele Herren, so gibt es doch fur uns nur einen Gott, den Vater .. .'
2 Kor 4,3a: ,Wenn aber unser Evangelium auch verhüllt üt, ... ' Durchweg bitter-ironisch gehalten sind die rallmenden Partien der sogenannten ,Narrenrede' des Apostels in 2 Kor 11,1-12,13. Besonders 7.U nennen sind die Verse 11,1 (Cl
78
Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulm
An diesen Stellen gibt Paulus zu erkennen. daß er genau das Gegenteil von dem sagt. was er eigentlich meint.
5. Rhetorische Frage Paulus verwendet die rhetorische Frage überaus häufig. besonders gern als Waffe in der Auseinandersetzung mit seinen Gegnern. Röm 3,5: ,Ist etwa Gott ungerecht, wenn er das Zorn gericht verhängt?' Röm 3,8: ,Gilt etwa, wie wir verleumdet werden und \\~e einige behaupten, daß wir sagten: laßt uns das Böse tun, damit das Gute komme?' Röm 6,7: ,Wollen wir in der Sünde verharren, damit die Gnade größer werde?' Röm 6,75: ,Sollen wir sündigen, weil wir nicbt unter dem Gesetz stehen, sondern unter der Gnade?' Röm 7,7: ,Ist das Gesetz Sünde?' Röm 7,73: ,Ist also das Gute mir zum Tod geworden?' Röm 9,14: ,Ist etwa Ungerechtigkeit bei Gott?' 7 Kor 77,22: ,Soll ich euch loben? Hierin lobe ich euch nicht!' 2 Kor 1, 17: ,Indem ich dieses wollte, bin ich da etwa leichtfertig verfahren? Oder plane ich das, was ich plane, nach dem Fleische, damit bei mir das >Ja, Ja. auch das .Nein, Nein. sei?' 2 Kor 11,7: ,Oder habe ich eine Sünde begangen, indem ich mich selbst erniedrigte, damit ihr erhöht würdet .. _?' 2 Kor 11, 11: ,Liebe ich euch etwa nicht?' Gal 2, 17b: ,... ist dann etwa Christus Diener der Sünde?'" Gal 4,76: ,Bin ich daher euer Feind geworden, indem ich euch die Wahrheit sagte?' Alle diese Fragen erweisen sich insofern als .rhetorisch', als Paulus überall die Antwort ,Natürlich nicht!' provozieren möchte. An mehreren der Stellen kommt dies dadurch zum Ausdruck, daß er die Provokation sogleich mit /11] reVOltO zuruckweist.
B. Theologische Paradoxien Der Blick auf die Rhetorik hat gezeigt, daß Paulus in den verschiedenen Formen des Paradoxen wohl bewandert ist. Hinsichtlich der 21
Gal 2,17ab ist ein gutes Beispiel dafür, wie Paulus einen konstruktiv-paradoxen Gedanken (al in eine vel7.eJTcnde Absurdität (b) umbiegen kann ood dabei nlg1dch heide differcmicrt. Zu Gal 2, 17a siehe unten S. 120-122.
Theologische Paradoxicn
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Fülle und Vielfalt ihrer Verwendung nimmt er im Neuen Testament eine Spitzenstellung ein." Der Rhetoriker Paulus verweist jedoch auf den Theologen; die Paradoxalität ist nicht nur sprachliches Mittel. sondem wesentlich eine Denkform des Apostels. Hier stellen sich Fragen: Warum benutzt Paulus diese Denkform so extensiv? Haben die Paradoxien bei Paulus originär etwas mit dem Evangelium von Jesus Christus zu tun? Wenn ja: Wie und wodurch sind sie im einzelnen gekelUlzeichnet? Paulus selbst gibt in seinen Korintherbriefen an zwei Stellen grundlegend dazu Auskunft: ,Das Wort vom Kreuz ist denen, die verlorengehen, Torheit, uns aber, die gerettet werden, ist es Kraft Goltes. Denn es steht geschlieben: •Verderben werde ich die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen
7.uoichte machen.< Wo ist ein Weiser? Wo ein Schriftgelehrter? Wo ein Wonführer die,es Äons? Hat Gott nicht die Weisheit der Welt als Torheit erwiesen? Da nämlich in der \Veisheit Gottes die Welt durch die \Veisheit Gott nicht crkarmte, gefiel es Gott, durch die Torheit der Verkündigung die zu retten, die glauben. Denn Juden fordern Zeichen und Griechen suchen Weisheit; wir aber verkündigen Cluistus als Gekreuzigten. Juden ein Ärgernis, Heiden eine Torheit, ihnen aber, den Berufenen, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und.Gottes Weisheit. Denn das Törichte an Gott ist weLo;er als die r.,'Ienschen, lUld das Schwache an Gou stärker als die Men-
schen.'
(1
Kor 1.18-25)
,Daher kennen wir von nun an niemanden mehr dem Fleische nachi wenn wir auch Christus dem Fleische nach gekannt haben, so kennen wir ihn jetlt nicht mehr so. 'Venn daher jemand in Christus ist, ist er eine neue Schöp-
fung; das Alte ist vergangen. siehe. Neues ist geworden.' (2 Kor 5.16f.) Von diesen Texten her sei als Ausgangspunkt für den anschließenden Überblick folgende These formuliert: Dreh- und Angelpunkt der paulinisehen Theologie iJt dtll Bekenntni, zu Christus, dem Gekreuzigten und AuJerstandenen. Die aus diesem christologise/um Kerygma von Tod und Auferweckung Jesu entwickelte KTcuze.,theologie und Eschatologie sind der ,Sitz im Leben' wenn nicht aller, Ja doch der meisten" theologischen Paradoxien bei Pallius. Die Dualität von Tod und Auferstehung bzw. Kreuzestheologie und Eschatologie. die der Sache nach nicht getrelUlt werden dürfen. findet eine Entsprechung in Gestalt einschlägiger Paradoxien. Die kreuzes25
26
Dabei beschränkt sich die Bezugnahme in dieser ATbcit auf die unbcstritten als echt
angesehenen sieben Briefe Röm. 1/2 Kor, Gal, Phil, 1 Thess Wld Phlm. Eine Ausnahme bildet 1.. B. die Paradoxie dCI" creaiio ex nihilo, die selten bei Paulus begegnet. Röm 4, 17: Gott nlft das Nichtseiende (taJ.l.~ ßvta) ins Dasein (cil.;l)vTa); vgl. metaphorisch 2 Kor 4ß. Röm 1,20 reflekdert die Konscquenz aus der Schöpfung, daß der Uß.c;ichtba.re Gott ('(a a6pa'(a autoü) durch dac; Geschaffene sichtbar g~worden ist, geschaut werden kaml (Ku90pätal); der Gegensatz '(0. ci6pat"u ... Ku90pätQl macht diesen VCr5 sogar zu einem fonnal-Iogischen Paradox (vgI. Michel. Röm 99).
80
Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulw
theologischen Paradoxa besitzen eine charakteristisch andere Struktur als die eschatologischen. Bei ersteren geht es um ein Paradox im allgemeinen Sinne, den gedanklichen Widerspruch zum landläliflgen VorverständniJ: Das Kreuz ist ,Juden ein Skandalon, Heiden eine Torheit'. Der eschatologische Typ ist gekennzeichnet durch eine Anlilhetik von Gegensätzen: Die neue Schöpfung steht in dialektischer Spannung von Tod und Leben, Sünde und Gnade, Fleisch und Glaube oder Gegenwart und Zukunft. Anders gesagt: Die kreuzestheologischen Paradoxien enthalten eine schockierende Umkehrung des Bekannten und Gewohnten in sein Gegenteil, die eschatologischen ein scheinbar unmögliches Zusammendenken von Gegensätzen. Aus diesen grundlegenden Beobachtungen läßt sich folgender Versuch einer systematischen Übersicht über die paulinischen Paradoxien zusammenstellen, wie sie sich nach einer Analyse des Befundes ergibt:
1. Ärgernis und Torheit des Kreuzes 1. Der Tod Christi a) Das Faktum des Kreuzes b) Für uns gestorben 2. Der Fluch des Gesetzes a) Gesetzesruhm der Übertreter b) Das Gesetz als Kraft der Sünde cl Israel zwischen Erwählung und Verwerfung d) Die vergängliche Herrlichkeit e) ,,Fluch des Gesetzes" 3. Der mit gekreuzigte alte Mensch a) Umkehrung der Werte b) Ruhm der Bedrängnisse cl Nicbt icb, sondern Gott H. Die eschatologische Spannung der neuen Schöpfwlg 1. Die Auferstehung Christi a) Gott hat ihn von den Toten auferweckt b) Er lebt aus Gottes Kraft 2. Die Rechtfertigung des Gottlosen a) Die verborgene Beschneidung des Unbeschnittenen b) Die Wahrheit Gottes in menschlicher Lüge c) Die mit der Sünde wachsende Gnade d) Das Heil der Heiden durch die Übertretung Israels e) Rechtfertigung und Glaube der Sünder 3. Fleisch und Glaube a) Leben im Tode b) Mensch und Gott
Theologische Paradoxien
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4. Hoffnung auf Rettung a) Auferstehung der Toten b) Leiden, um verherrlicht 1.U werden Die vorstehende Gliederung bildet das Gerüst für den folgenden Überblick über das paradoxe Material bei Paulus. Ein solches deduktives. vom Allgemeinen (Überblick in Kapitel 2) auf das Besondere (Textauslegungen der Kapitel 3 und .) schließendes Vorgehen folgt dem in Kapitell begonnenen, der besseren Orientienmg dienenden Duktus einer allmählichen Annäherung an die Materie ,von außen nach innen'. Es scheint aber auch deshalb legitim, weil das Thema Paradox allgemein Wld speziell die theologischen Paradoxien ein ,systematischeres' Feld beIilhren, das einen entsprechenden Ansatz per se nahelegt. Die Möglichkeit von Verändenmgen oder Entwicklungslinien im paulinischen Denken ist mit dem Versuch einer solchen ,Systematik' der Den!t[orm Paradoxie nicht bestritten. 27
I. ÄRGERNIS UND TORHEIT DES KREUZES
1. Der Tod Christi ,Er erniedrigte sich selbst und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuze.' (Phi! 2,8) Sachlicher Ursprung und Kern der pau1inischen Theologie ist der Tod Jesu. Daß Christus, der Sohn Gottes, 3m Kreuz gestorben, ja ,für uns' gestorben ist, stellt zusammen mit der Auferweckungsbotschaft das Grundparadox christlichen Glaubens dar." Anders als das Sterben Jesu wird seine MtT1Jchwn-dung als die Voraussetzung seines Todes von Paulus nur an wenigen, meist traditionell vorgeprägten Stellen e,wälmt. In Röm 7,3; 9,5 .md 2 Kor 5,76 verbindet er Christus mit dem Ausdruck Ka'ta ocipll:a, womit - direkt oder indirekt 29 - die ,Inkarnation' des Gottessohnes ausgesagt ist. 21
Dieses Problem kaJUl und braucht in der "odjegenden Arbeit nicht thematisiert zu werden. Vgl. da7.u U. Schnelle, W'U1dltmgen im paulinischen Denken (SBS 137), Stutt. gart 1989; K. Berger, Theologiegeschichte des Urchristentums. Theologie des Neuen
Tc.'iitaments, Tübingen/Bascl 1994. Zweifellos erscheint die Aufspaltung \'on Tod und Auferstehung problematisch. Von der logischen Struktur der Paradoxa her handelt es sich jedoch um zwei verschiedene Ph9nomene (siche auch unten S. I09f. l. 29 Die grammatikalische Zuordnung des KaTCr. aapKa in 2 Kor 5,16 ist umstritten (vgl. Bultmann, 2 Kor 156-15S). Aber selbst wenn sich das ,dem Fleische nach' nicht direkt auf XptO"t6v. sondern auf die Weise des "(tVIDOlCSIV bezieht (50 Fumish. 11 Cor 313; Klauck. 2 Kor 54), wird damit eine !iarkische Ex.istenz Christi vorausgesetzt. 28
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Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulm
Röm 8,3 verknüpft die Menschwerdungsaussage auf bemerkenswerte Weise mit der Soteriologie: ,Gott sandte seinen eigenen Sohn in Gleichgestalt de!i Fleisches der Sünde Wld um der Sünde willen, und venlrtcüte {so} die Sünde im Fleische . . . ' Paulus ergänzt das wohl traditionelle ,Gott sandte seinen Sohn 'so einerseits durch ea,u'toü, andererseits durch ev 0flOloolla'tl oapKoc; ÖjJ.«pt!ac;, wodurch die Inkamationsau..age paradox überhöht wird: Gottes eigener Sohn in gleicher GestaltS I wie das der Sünde verfallene Fleisch. Die nahetu als Identifikation (6~o{m~a.) erscheinende Zusammenbringung der kontradiktorischen Gegensätze a.6C; und 6jrapt!a ist im höchsten Grade paradox: nur die unmittelbore Verbindung ,ur Soteriologie rechtfertigt eine derartig kühne Aussage. Auch Gal 4,4] enthält den Gedanken der Sendung des Sohnes durch Gott, seine Gleichheit mit der irdischen "Wirklichkeit sowie die SOlenologische Ziela.llgabe,Sll Hier ist es der paradoxe Kontrast Gott - Ges(".hichte, der anstößig wirkt. Die ,Frau' steht für den Menschen, das ,Gesetz' für den Juden
Jesus, der als präexistenter Gottessohn in die geschichtliche Wirklichkeit eintrat." Das "A~pOJl'a tO;; xp6vou hebt die Einzigartigkeit des Geschehen. hervor.
Das vorpaulinische Christuslied Plri/2,6-11, das den Weg Jesu von der Präexistenz bis 7.ur Erhöhung beschreibt, schildert zu Beginn den Vorgang der Menschwerdung als Prozeß der Selbstentäußerung des Gott-Gleichen, der die Gestalt eines Sklaven annahm (V.6f.). Das verbindende Stichwort l'OP'In\ hebt die Paradoxie dieser dv(/)O\<; besonders grell hervor: Der f.V 1'0P'Pii aEO;; Seiende (6) empfing die l'oP'Pil BouAou ())."
'0 Vgl. W. Knmcr, Christos Kyrios Gottessohn. Untersuchungen zu Gebrauch und Be-
deutung der christologischen Dezeichnungen bei Paulus und den vorpaulinischen Gemeinden (AThANT 44), Zürich 1963, 11lf.; Wik.kens, Röm 11 124- Anm. 506. 1m Johannesevangdium fmdet sich die Formel mit ntJ.l1tBlV 26mal. SI ..Gemeint ist die konkrete Gestalt, wie sie die Menschen als Sünder in der yon der Sünde bestimmten O.5} haben (aapKO; d:~aprlat;). nicht dagegen eine bloße Ähnlichkeit mit ihnen." (Wilckcns, Röm 11 125) SI Vgl. die parallele Struktur der beiden Stellen:
aap;
Röm 8,3f.
Ga!
ee6, nl~'I'", 1'OV ~o.Utoij utov
il;",,/crtt\MV 6 ee6,
e
~\I 6j.tOlcOtl4n
crapKo<; a~apna, "al nepl /Jj1apt(W; ... rva tO a\"a(.,~a t06 v6~ou nA~pmen ... M
54
{,{f.
tOV u{ov mhoü ytvOJ,lßvov EK YUVo.1.K~ rev6~e"ov v6~ov
""0
fva to", Ö"Ö v6~ov ~"yopa01J
A Vanhoye, La Mere du Fils de Dieu selon Ga 4,4: Mar. 40 (1978) 237-247 sieht eine AIta10gie zwischen den Paradoxien von Gal3.13f. lIlld 4,4-7. Vgl. auch ebd. 245 seine Bemerkung über ,,le genre paradoxal et ses implications": Ein Paradox woUe durch Provokation zur Reflexion verleiten und weise so über sich selbst hinaus. vgl. Dibe1ius. Phil 80: nDie Paradoxie der Menschwerdung, wi.e sie Paulu.'ö auch 11 Cor 5,21; 8,9 zum Ausdruck bringt, wird hier von V.6 stark betont: obwohl Christus Macht und Recht des göttlichen Daseins hatte. verzichtete CI". Dem jüdischen Messiasglauben ist diese Paradoxie der Menschwerdung fremd."
Theologische Paradoxien
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Eine paulinische ,Kurzfassung' von Phil 2,6-8 ist 2 Kor 8,9, wo im Motiv des ,Annwerdens' metaphorisch Inkarnation tmd Tod Christi lusammengefaßt sind. SoS
Es folgt ein kurzer Überblick über die Art und Weise, wie Paulus ,deli Tod des Herrn' verkündigt {J Kor 11,26)."
a} Das Faktum des Kreuzes Etwa 20 Stellen bei Paulus handeln vom Tod Jesu, olme ihn soteriologisch zu qualifizieren oder direkt mit der Aufem·eckung zu verbinden." 14 davon, also die überwiegende Mehrzahl, enthalten den Stamm - crtaup - (Kreuz, Gekreuzigter, gekreU7jgt}." Darüber hinaus gebraucht Paulus zweimal ao.vato<; {J Kor 1l,26; Phi! 3,10}, 1.weimal metaphorisch ta lla&~l1ata (2 Kor 1,5; phil 3,10) sowie einmal VEKProcrt<; (2 Kor 4,1O) rur den Tod Jesu. Das Verbum llapsö{ostO (I Kor 1I,23) sowie die crt{Yllata tOÜ '!llcroü (Gal 6,17) deuten indirekt auf den Kreuzestod Jesu hin. Die Wurzel - crtaup - begegnet gehäuft in den ersten heiden Kapiteln des I. Korintherbriefes. Die Kreuzestheologie von I Kor I f. setzt wahrscheinlich eine Auseinandersetzung mit Gegnern voraus, für die eine "übertriebene und ausschließliche Schätzung des Weisheitscharismas" charakteristisch war." Mit Gegnern hat es Paulus auch im GalaSiehe auch unten S. 88-90. sr; Zur tmüberschbaren literatur vgl. nur H.~W. Kuhn, Art. CTCaupd;, OTQup6ro, cruaTall~
II
po",: EWNT 1lI (1983) 639f.749 und ders.. Art. Kreuz ll: TRE 19 (1990) 723-725. Besonders genannt seien: F.:J. Ortkemper. Das KreU7. in der Verkündigung des Apostels Paulus (SBS 24). Stuttgart !1968; G. Ddl.ing, Der KreuzestodJesu in der urchristlichen Verkündigung, Göttingen 1972, 9-26; H.-W. Kulm.1esus als Gekreuzigter in der fruhchristlichen Verkündigung bis ruT Mitte des 2.Jahrhunderts: ZThK 72 (1975) 1-46 (speziell 27-41); K. Kcrtelge, Das Verständnis des Todes Jesll bei Paulus, in: ders., Der Tod JestL Deutungen im Neuen Test;unent (Q.D 74), Freiburg/BasellWien 1976, 114-136; J. Eckert, Der Gekreuzigte alJ Lebensrnacht. Zur Verkündigung des TodesJesu bei Paulus: Thcl70 (980) 193-214-; H. Weder, Das Kreuz Jesu bei Paulus. Ein Versuch, über den Geschichtsbewg des christlichen Glaubens nachzudenken (FRLANT 125), Göttingen 1981: H. Merklein, Die Bedeutung des Kreuzestodes chri· sti für die paulinische Gerechtfgk.eits~ tmd Gesetzesthematik. in: den., Studien zu Jesus
und Paulus (WUNT 43), Tübingen 1987, 1-106; G. Barth, Dcr Tod Jesu Christi im Verständnis des Neuen Testaments, Neukirchen-V1uyn 1992, 107-121; Berger, Theologiegeschichte 480-482; G. Strecker, Theologie des Ncuen Testaments. Bearbeitet, ergänzt und herausgegeben von F. W. HOIn, Berlin/NewYork 1996, 112-118. "Röm 6,6; 1 Kor 1,17.18.23f.; 2,2.8; 11,23.26; 2 Kor 1,5; 4,10; 18,4; Gal2,19; 8,1; 5,11; 6,12.14.11; Phil 2,8; 3,10.18. Zu den Belegen mit du Fonnel ,aufenveckt von den Toten' o. ä. sowie Röm 8,34; 14,9; 1 Thess 4,14 siehe unten S. 109-112. Auffallig ist. daß Paulus vom ,Kreuz' immer nur dann spricht, wenn es wn den Tod Jesu geht, ohne daß im Kontext die Auferstehung erwähnt wird. Die Verbindung ,Kreuz und Aufenvedcung' kennt er nicht. S9 R. Baumann. Mitte und Norm des Christlichc:n. Eine Auslegung von 1 Korinther
U
1,1-3,4 INTA N. F. 5), Münster '1986, 120. Zurückhaltender Bccker. Paulus 209-229.
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Kapitel 2: PacadoxaJität bei Paulus
terbrief ZU tun, wo ebenfalls cnaup6~ bzw. seine Derivate vorkommen. Allem Anschein nach besitzt der Begriff also eine polemische Konnotation, die ihn zum
IBHTh 26), Tübingen 1959, 223f. Vgl. auch 2 Kor 13 .... im Rahmen der vier polemischen Scb1ußkapitel. - CJ1Cavacü...ov und lioop{a gehören dem gleichen Wottfeld an wie rcapd5~ov (vgl. die Analyse bei
Schröer, Denkfonn 99-102.105-108). Zum jüdischen Hintergrund des aKciv~""'v· Motivs Wld dessen paradoxer Umdeutung durch Paulus von der Konnotation ,HeUsverlust' zu ,defmitivem Heil' (besonders Ga15,11) vgL K. Müller. Anstoß und Gericht. Eine Studie zwn jüdi.''1chen Hintergrund des paulinischen Skandalon-Begriffs (StANT 19), München 1969. 4l
Wilckens, Weisheit 214.
u Ortkemper, Kreuz 88. U Vgl. Tb. Söding. Krcutestheologlc und Rechtfcnigwtgslcmc. Zur Verbindung \'on
Christologie und Soteriologie im Ersten Korintherbrief und im Galaterbrief: Cath(M) 46 (1992) SI-60, 59-44. U Vgl. die Belege bei Ortkemper t KcCUl 64. Der Titel KUPlO~ ti'ic; M~l1<; ist Dvieneicht die höchstgreifcnde Aussage" über Jesw Christus, "die wir bei Paulus Hoden" (Weiß, t Kor 56j zitiert nach Kuss, Röm U 615). '5 46
Ortkemper, ebd. Letzteres geht schon deswegen nicht, weil Paulus Jesus "offenbar zum Ausdruck bleibender Gültigkeie' (Kuho, EWNT nr {I 983I 648) als to'tD.OPOOlJtvov bezeichnet (1 Kor 1,23; 2,2; Ga! 3,1; vgl. Mk 16,6; Mt 28.5), Auch der Aufentandene bleibt der Gekreu· zigte ("gl Delling, Kreuzcstod 72). Das resultative Partizip Pcrfekt bestätigt die Unauflösbarkeit des Paradoxon. Den fortdauernden Charakter des Kreuzes Christi bC7.eugcn ebenfalls Röm 6,6: 2 Kor 1,5; 4,10: GaI2,19; 6,14.17; Phil S,IO.
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Theologische Parado,uen
Schlüssel zu diesem scheinbar anstößigen Gedanken bietet die Soteriologie. Wenn 86~a bei Paulus immer auch "Heilsgut, ja Inbegriff aller Heilsgüter"" ist, dann kann mit der Herrlichkeit des Herrn am KreU7. auch seine uns zuteil werdende Erlösungsgnade gemeint sein. ,,(Die Stelle) ist von 2 Kor 4,6 her zu deuten: Die Hintergrundmächte der welt erkannten nicht die im Christusgeschehen verborgene manireste Gottespräsenz, sie erkannten nicht ,die HeTTlichkeit Gottes im Angesichte Christi' (2 Kor 4,6), als Gott sich anschickte, in der Dahingabe seines Sohnes seine rettende Liebe zu offenbaren (Röm 5,8; 8,32; vgl. 3,25f.; 2 Kor 5,19)."" Das paradoxe Nebeneinander von Kreuz und Herrlichkeit hat eine soteriologische Zielrichtung: Die provozierende Infragestellung des menschlichen Vorverständnisses will positiv den radikalen Heilswillen Gottes zum Ausdruck bringen. Die kreuzestheologischen bzw. die damit verwandten Aussagen des Apostels, die oft abgekürzt vom Tod Jesu sprechen", enthalten ausdrücklich keine sotenologischen Motive." Implizit sind diese allerdings mitzulesen, wenn die Paradoxie des Todes Jesu keine Absurdität sein soll. Folgende Aussagen des Paulus über das Kreuz bzw. den Tod Jesu sind wie 1 Kor 2,8 Teil einer paradoxen Antithese: 6 cr~aupo~ ~o(j Xp\cr~oo 6 M'Yo~ 6 ~Oo cr~aupoo
1,17 1,18 1,23f.
Xp\cr~ov 60'~aup!Jl).L8VOV
Gal
11,26 4,10 13,4 6,14
~ov 96.va~ov ~oii Kup{OU ~v V8ICPCIlO'lV ~oo 'l'1]O'oii ecrtaupro9'1] e~ aO'aEVe{~ sv ~Iji O'~auplji too KUp{OU
Phi!
3,10
t'tJ.löiv '1'1]0'00 XPlcrtoG töiv 1ta9'l]J.IatCllv autoG tlji 9ava~Ql autoü
1 Kor
2 Kor
).LTJ KEV!Jl9ft 8uvaJ.l t~ 9EOO Xp\O'~ov 9EOO 8Uva).LtV Kat 9EOO O'OIp{av (IiXpl oil KJ.,9n) t't I;CIlTJ ~oo 'l'1]O'oii 1;1\ 61C 8uva).LsCIlC; asoo lCauxücr9al ~v 8Uva).LtV Tfi~ ava<JtacrsCIlC; ainoü
Die paradoxe Grundaussage ist überall die gleiche: Im gekreuzigten und gestorbenen Christus erweist sich die ouva).Ltc; asoii ,für die, die gerettet werden' (1 Kor 1,18). Allein von dieser soteriologischen Aus-
" Kuss, Röm 11 615 . .. H. Hegcnnann, Art. a6~a: EWNT I (1980) 838. 19 Vgl. Kuhn, E\IVNT ßI (1983) 643. Zu nennen wären hier o'taupb<; 'toG Xpto'toü (1 Kor 1.17; Gal 6,12.14; Phil3,(8); ö Myo, ö toii "taupoii ([ Kor 1,18); Mv«to, toii ""p(ou (11,26); "E.pro",,,oii 'I~"oii (2 Kor 4,10); O1
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Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulus
richtung her wird die Paradoxie des Todes Jesu wenigstens teilweise plausibel." b) Für uns gestorben Noch häufiger als die absolute Rede vom Tod bzw. Kreuz Christi fmden sich bei Paulus Aussagen, in denen das Sterben Jesu soleriologUch qualifiziert wird. Charakteristisch ist hier die Präposition ultlip c. gen.": ,für uns' ist Christus gestorben. Der Tod Jesu wird als Heilstod verstanden, dessen Wirkung den Menschen ,zugute' kommt." Es läßt sich darüber streiten, ob die Paradoxalität des Sterbens Jesu abgemildert oder im Gegenteil noch verstärkt wird, wenn ihm auf diese Weise reflexiv ein Sinn zugesprochen wird. Immerhin fmden sich gerade im Bereich der Soteriologie mit die ,anstößigsten' Formulierungen des ganzen Corpus Paulinum. " Auffälligerweise handelt es sich bei den meisten soteriologischen Deutungen des Todes Jesu um bereits vor Paulus geprägte Wendungen, die der Apostel in seine Theologie integriert. Paulus hat den Tod Jesu nicht erst selbst soteriologisch interpretiert; vielmehr hat er umgekehrt die illm überlieferte Sinngebung auf paradoxe Weise zugespitzt. In einem knappen Überblick seien die vorpaulinischen und pa.ulinisch'en Deutungen des Todes Jesu vorgestellt. 5S Hinter Röm 4,25; 8,32; Gal 1,4 und 2,20 erkennt K. Wengst eine vorpaulinische Tradition, die er mit dem Namen ,Dahingabeformel' belegt. Kennzeichnend für sie ist das Verbum napalhMval und die Zweckbestimmung ,für uns'." Subjekt der Dahingabe/Selbsthingabe ist Gott oder Christus. Inhaltlich geht es jeweils um das gleiche: Der Tod Christi, das ,Nichtverschonen des eigenen Sohnes' (Röm 8,32) war nicht sinnlos (vgl. Gal 2,21c), sondern geschah ödp TlI.uliv, aus Liebe (Gal 2,20) zu uns sündigen Menschen (Röm 4,25 1tapa1t~cb~a~a; SI
Letztlich sind auch die Stellen paradox, an denen vom Tod ]esu die Rede 15t, ohne ihn positiv zu deuten. Wenn Christus
fu.-
Paulus deI" Sohn Gottes ist. dann stellt allein
schon die Verbindung ,Kreuz Chri5ti' ein oxymorisches Paradoxon dar. 52 Nahem gleichbedeutend stehen das kausale SUl c. ace. (,wegen') in Röm 8,25; 4,25: I Kor 8,11; 2 Kor 8,9 oder auch TtEpl c. gen. Röm 8.3; Ga! 1,4 p46 Kilo A D F G u. a.; 1 Thess 5,10 KO B 33.
Vgl. einführend dazu Kenelge, Ven;tändnis . .. Vgl. Röm 8,8; 2 Kor 5,21; 8,9; GaJ 8,18. 55 Vgl. zum Folgenden K. Wcngst, Christologische Formeln und Lieder des Urchristen-
SJ
tums (Stl'IT 7). Gütersloh 1972,55-104 (1. Kapitel: Soteriologische Fomteln - die Deulwig des Todes Jesu als Sühne). Das Buch von Wcngst bietet nach 'wie vor eine
hilfreiche Orientierung, selbst wenn sein Optimismus, mit dem er überall feste ,Formeln' ausmacht, heute nicht mehr allgemeine AnerkennWig flIldet. 56
Wenigstens in das Umfeld des Dahingabetnotivs gehört auch I Kor 11,24 aus der urchristlichen Abendmahlstradition, obwohl hier 1tapali,liovD.t fehlt (vgl. aber U
22,19).
Theologische Paradoxien
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Gal 1,4 uliapt{at). Im Hinblick auf die Paradoxalität läßt sich sagen: Schon vor Paulus erfuhr der Tod Jesu durch das Motiv der Dahingabe den Versuch einer soteriologischen Erklärung. Hinter anderen Stellen" erkennt Wengst eine vorpaulinische ,Ster· bensformel', fUr die Xplat6~ als Subjekt, eine Aoristform von ulto9v!l<JImv als Prädikat und erneut die Präposition Ult6P (bzw. Ölt! oder 1!EPO" charakteristisch sind. .Es ist klar, daß es sich bei der Sterbensformel um eine Deutung des Todes Christi handelt. Das in der Vergangenheit geschehene Sterben Christi .,. hatte einen in ihm selbst liegenden positiven Sinn. Dem will die Formel Ausdruck geben."" Auch hier gilt: Der Satz Xp\ato~ U1!EP ~liöiv Un69aVEV bildet den bereits vorpaulinischen Versuch, das paradoxe Faktum des Todes Jesu plausibel zu machen. Über die ihm vorliegende Tradition hinaus bietet auch Paulus selbst soteriologische Deutungen des Todes Jesu. Dies geschieht entweder durch die Verarbeitung und Erweiterung traditioneller Motive oder durch übenviegend eigenständige Formulierungen. Besonders letztere heben sich durch ihre provokativ-paradoxe Gestalt hervor. Röm 3,25 und 1 Kor 5, 7 enthalten mit den Begriffen lÄua't1jplov wld llIiaxu zwei ungewölmliche, weil inl Corpus Paulinum einzigartige'· Bezeichnungen Christi, die auf geprägte Tradition zurückzuführen sind" und im Sinne der soteriologischen Deutung seines Todes ausgelegt werden müssen. Stärker als in den Dallingabe- Wld Sterbensaussagen kommt hier das Interpretament des stellvertretend für die Menschen Sülme leistenden Opfertodes Christi in den Blick." In Röm 5,9f fUhrt Paulus mit eigenen Worten die vorangegangene Sterbenstradition der Verse 6-8 weiter: Die HeiisbedeutWlg von Chri· sti Tod wird als ,Rechtfertigung in seinem Blut' und, Versöhnung mit Gott' qualifiziert. Die TaufuntenveisWlg Röm 6,3-10 setzt eine soteriologische Sinngebung des Todes Jesu bereits voraus. In V. 10 wird diese genannt: Christus starb ,der Sünde', was soviel heißt wie ,zum Nachteil der Sünde''',
57 Röm 5,6.8; 14,15; 1 KOT 1,13; 8,11; 15,3; 2 Kor 5,14f.; GaJ 2,21; 1 Thess 5,10. Das Smpeuv in Ga! 2,21 ist ..gleichsam die Negation des ror Fonnel gehörigen O'ß"EP
51
~~Giv" (Wengst, Formeln 79). " Ebd. 79f. '0 Vgl. in den neutestamentlichen Dricfen sonst nur Hebr 9,5 (tAaa-rnptov) und Hehr 11,28 (nci"la).
Vgl. 1. B. Bultmann, Theologie 49 (7.U ti.aa~plov); Coruelmann, J Kor 126 (lU na."la). 62 SteHen wie 7~ B. Röm 3,25 sind hier nur ganl kurz angesprochen, weil es sich dabei nicht im engeren Sinne um Paradoxien handelt. Sie werden deshalb envähnt, weil sie das Paradox des Todes Jcsu der Sache nach vorausseUcn. "Vgl. P. Fi
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Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulus
also ,zur Befreiung von der Sünde' (vgl. V, 7). Ausdruck des in Christus envirkten Heils ist die ,Taufe auf seinen Tod' (V. 3), die das Gestorben- und Auferstandensein mit Christus auf eine kurze Fonnel bringt.'· Eine indirekte Aussage zur Soteriologie fmdet sich in Röm 7,4: Das ,durch den Leib Christi'" empfangene Heil wird negativ als ,Totsein (OavumüoOul) für das Gesetz' beschrieben mit der positiven Folge, ,einem anderen anzugehören' und ,Gott Frucht zu bringen'. Auf Röm 8,3 wurde im Zusammenhang mit der Menschwerdung bereits eingegangen." Sendung des Sohnes in das Fleisch und soteriologisehe Zielangabe ltEplallUpnw; sind hier unmittelbar verknüpft; implizit muß aber auch der Tod christi am Kreuz mitgelesen werden", ja, die schockierende Paradoxie dieses Verses verlangt wahrscheinlich sogar ein entwickelteres Verständnis des Kreuzes als stellvenretendes Sühnopfer." Von besonderem Gewicht und ebenfalls durch den Gedanken der Stellvenretung geprägt sind schließlich die drei Stellen 2 Kor 5,21; 8,9 und Gal 3, 13, die man als Prototypen kreuzestheologischer Paradoxien bei Paulus bezeichnen könnte." Ihre parallele Struktur wird durch folgenden Überblick deutlich: 2 Kor 5,21 TO\' 1Ir. yvovta allapt{av "lImv allapt{av ;mOl'l0EV [va "Ilsi<; YSVcOlI&ea ÖU
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2 Kor 8,9 ";>'OU("o~
IfJV
Öl' "lIa~
~lltcOX&U"EV
[va "Ilsi<; !l;>'OUt1\<JTjtE (2)
Tft t"slvou
GaI3,13f. XPlOtO<; UllOP 1"V6I1SVO<; ... lCatapa [va &1<; TU SeVTj "su1.oy{1l Ta;; 'A~paull yeV'ITlll &v Xpl<mji '11)"oß
"'11m"
llTOOXElq. (I)
5+ 65
66
61
S8
S9
Vgl. dazu besonders A. Schwdtzcr, Die Mystik des Apostels Paulus, Tübingcn 198 J (1930),119-122. Das Omllct Christi steht hier tofu", pro pari' für 9aya10~ (vgl. Lawberg. Elemente 69f.: ..synekdoche vom Weiteren"), "Gemeint ist offenbar die Hingabe des Leibes Jesu in seinem Sterben." (Michel, Röm 220) Siehe oben S. 82. Danuf deutet das Prädikat lCQ18KPlVEV hin, das einen einmaligen, zeitlich begrenzten Vorgang bezeichnet. Mk. 10,33; 14.64 parr. benutzen das gleiche Wort für die Verurteilung Jesu. Vgl Michel, Röm 251, der auf Lev 4,3.14; 5,6 LXX hinweist. Auch die Fonnulicrung Kat&KpwEv n,v ciJ.1nptiav EV tfi crapld I~gt den Gedanken der Swme nahe. ZU 2 Kor 5,21 und Gal3,13 vgl. ausführlich K. Kertelge ...Rechtfertigung" bei Paulus. Studien nlr Stmktur und zum Bedeutungsgehalt des paulinisehen Rechtfertigungsbegriffs (mA N. F. 3). MOnster '1971, 99-107.209-212. Zu 2 Kor 8,9 vgl. Söding, Liebesgebot 151-153.
Th~ologische
Paradoxien
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Gemeinsam ist allen drei Versen Christus als angesprochene Person, die Aussage einer paradoxen Venvandhmg Christi in das Gegenteil seiner selbst sowie als Zielangabe die formelhafte '''endung ,für uns'l,wn euretwillen' und deren soteriologische Explikation. 70 Zwar ist nicht ausdrücklich vom Tod Jesu die Rede, doch dürfte wenigstens für 2 Kor 5 (V. I4f.!) und Gal a (Zitat V. I ab!) klar sein, daß es hier um das Kreuz geht." Im ganzen bildet jeder der drei Verse eine große Antithese: Dem ZurSünde-, Ann- bzw. Zum-Fluch-Werden Christi, welcher eigentlich sündlos und reich war, entspricht umgekehrt das Gerechtigkeit-Gottes-, Reich-Werden und Segen-Erlangen der duistlichen Gemeinde. Dies legt den Gedanken der SteUvertretWlg nahe. Während die vorpaulini$chen Traditionen vom Tode Jesu mit U1tSP 'fIJlIDV wohl nur ein ,zu unseren Gunsten' ausdrük.ken wollen, d. h. die paradoxe Antithetik des Paulus noch nicht kennen, weist die klare Reziprozität in den drei Paulus-Belegen zusätzlich auf ein ,an unserer Statt'
hin n :
Natürlich darf der je verschiedene Kontext der drei Stellen nicht überseh~n werd~n, von d~m her sich die Begriillichkeit im einzelnen ~rklärt. So kommt es in 2 Kor 5 aus dem Thema der Versöhnung mit Gott und des Lebennusammenhangs mit Christus (vgl. Kertelge. Rechtfertigung 106; attsfwulich C. Breytenbach, Venöhmmg. Fine Stu· die 'lUI' paulinischen Soteriologie (WMANT 601, Neukirchen-Vluyn 1989, 120-142) zur Antithese ,Sünde' - ,Gerechtigkeit'; in 2 Kor 8 aus dem paränetischen Kontext des Kolld(.tcnaufrufs zum Geg~nsatz.ann· - ,reich'; in GaI S auo; dem Kontrast von Gesetz und Glaube zu den Stichworten ,Fluch' (aus Dtn 27,26) und ,Loskaur. Dennoch recht· fertigen die parallele Struktur und der gLeiche Gnmdduktus der drei Verse ein~ gemeinsame Interpretation. 11 Die Metapher 1t'tQ)XeU6lY in 2 Kor 8,9 (Hapaxlegomenon im NT) könnte zunächst die Menschwerdung im Blick. haben, doch schli~ßt sie wohl auch die soteriologische Tat Christi am Ende sein~s Lebens ein; vgL Wendland, Kor 220: ..Mit dem Annwerden Christi meint der Apostel seine MenschwerdWlg, durch die er seinen göttlich~n Reichtum preisgab, um die Korinther mit den göttlichen Gaben des Heils zu erfllUen (vgl. PhiI2.6ff.j Röm 15,8), Dadurch wird aber die Annut turn Kenrueichen seiner gamen. göttlichen Sendung, die sich in seinem Opf~r am Kreuz vollendet." R. Brändle, Geld und Gnade (tu Il Kor 8.9): ThZ 41 (985) 264-271 will weishcitlich-gnostisch~ VorsteUung~n {Nähe zum Thomasevangeliuml hinter diesem Vers erkennen. l! Zweifellos ist b~i Paulus im U1tSP ~J.lÖJv auch das ,zuguruten von' ausgesagt. Kertelge, Rechtfertigung 105.2l1 ~rkennt in 2 Kor 5,21 nur diesen heilsbaften Asp~kt. in Ga! 3,13 dagegen zusäulich das Motiv der Stellvertretung. Eine solche Differenzierung mag sich auf die untench.iedliche Vorstellungswelt der Begriffe D.,.lopnu und KU'tapa. berufen; angesichts der formaJen Parall~lität beider Verse ist sie nicht recht einsichtig. In 2 Kor 8,9 dan das 8L' u}J.W; in der Tat nicht überinterpretiert werd~n; es bedeutet nicht mehr aJs ein kausales ,um euretwillen<, d. h. ,ru euren Gunsten'. Von der hier besonders klaren Reziprozität des Gegensatzes ,reich - arm' her (siehe Ski1.7.e) karut freilich auch an dieser SteHe der Stellvertretungsg~danke implizit mitgelesen wer· den. 10
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Kapitel 2: Paradoxalität hei Paulus
tOV IlTlYvovta nllapt(av (2 Kor 5,21) ölKalomlVlj aeoG (2 Kor 5,21) ",",\\010<; iJJv (2 Kor 8,9) 1lAoun\o~te (2 Kor 8,9) (Gal3,IB) T)lla<;F.l;~yopaoevtKTi1<; (Gal B,13) KatUpU<; toG VOIlOU (1)
(2)
Christus
01tSP
+
~Ilöiv
&.,.1ap'tiav i7to{'lCJF.V E7ttroX&uO'&V
YEVOIlEvo<; ... KatUpa
(2 Kor 5,21) (4) evautiji ev Xp'Otiji 'Il1<Joii (Gal 3,14)
.. t
Gemeinde
(3)
(2 Kor 5,21) (unter der Sündenrnacht) (2 Kor 8,9) (in Armut) (GaI3,IB) (unter dem Fluch des Gesetzes)
Der jeweiligen Abstiegsbewegung Christi (I __ 2) vom ,Nichterkennen der Sünde' zum ,SÜDdewerden' (2 Kor 5L vom ,Reichtum' zur tAnnut' (2 Kor 8) blw. - ohne Herkunftsangabe - zum ,Fluchwerden' (Gal 3) korrespondiert paradox die reziproke Aufstiegsbewegung der Glaubenden (3 -+ 4) zur ,Gerechtigkeit Gottes' (2 Kor 5), 7.wn ,Reichtum' (2 Kor 8) und turn ,Losgekauft,ein vom Fluch' (Gal g). Christus kam in seiner Deszendenz
nicht nur ,1.U unseren GtulSten', sondern auch ,an unsere Stelle', damit wir ,in ihm' (tvatltiji) zur Gerechtigkeit Gottes würden (2 Kor 5,21). Christi stellvertretendes Annelunen der Annut findet seine paradoxe Entspre~ chung in unserer Teilhabe an semem göttlichen Reichtwn (2 Kor 8,9}.15 Daß Christus an unsere Stelle trat lind wir dadurch Heil erlangten, macht das Paradoxon formal plausibler, erklärt es aber noch nicht. Warum Christi Sündewerden unsere Gerechtigkeit, seine Armut unseren Reichtum, sein Fluchwerden unseren Segen bewirkte, könnte wie in Röm 8,3 mit dem Motiv der Süh"e (vgl Röm 8,25) verständlich gemacht werden. Freilich ist in keinem der drei Verse ausdrücklich von Sühne die Rede. 7-4 Ein Anhaltspunkt ergi.t sich lediglich durch das Stichwort XUpl<; in 2 Kor 8,9a. Ohne das Formelllafte der Wendung ~~v Xaptv toG ""p(ou ~Iliiiv '111<100 XPlOtOÜ" zu verkennen, deutet sie das paradoxe Heilsgeschehen in Christus als einen Akt der Gnade". Auch an diesen .Stellen ist Gottes Handeln in Jesus Christus, so tmergründ1ich es sein mag. zu verstehen unter dem Aspekt seiner rechtfertigenden Gnade, die das Heil der Menschen rum Ziel hat.
2. Der Fluch des Gesetzes ,Alle, die aUJ Werken des Gesetzes leben, sind unter einem Fluch, denn es steht geschrieben: Verflucht ist jeder, der nicht in allem bleibt, W/lj im Buch des 1S
H
1$
"Dieses Hewgeschehcn hat notwendig eine paradoxale Struktur, weil es in der Aufenvcckung des Gekreuligten gründet." (Söding. Liebesgebot 152) "gI. Kertelge, Rechtfertigung 105. Vgl. FUmlsh, JI Cor 404: "a liturgical phrase", Gemeint ist .die durch den HermJesus Christus uns zuteil werdende Gnade',
"Vgl. ebe!. 417.
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Gesetus geschrieben ut, um es 7.!t tun. Daß aber im Gesel7. niemand vor Gott gerecht wird, iJt offenkundig . .. ' (Gal 3,10J) Gegenstand des folgenden Überblicks über das Gesetzesverständnis des Paulus können nicht die zahlreichen Fragestellungen zu diesem Thema sein. 77 Hier geht es lediglich um das der paulinischen Gesetzesauffassung zugrundeliegende Paradox, daß die Tora, das heilige Gesetz Gottes, welches - wie Paulus selber sagt - zum Leben fuhren sollte (Röm 7,10), negativ zum Instrument der Sünde und des Todes wurde. Paulus geht zwar nicht so weit, Gesetz und Sünde zu identifizieren (vgl. Röm 7,7), aber er bringt beide doch in einen provokativen Zusammenhang: ,durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde' (Röm 3,20); ,die Kraft der Sünde ist das Gesetz' (1 Kor 15,56). Das widersprach dem Vorverständnis seiner ehemaligen jüdischen Glaubensgenossen ebenso wie dem der gesetzestreuen Judenchristen. 18 a) Gesetzesruhm der Übertreter Im 7.weiten Kapitel des Römerbriefes geht es um den unheilszustand der Menschen, die in der Sünde befangen sind." Gottes Zorn und Gericht treffen Juden und Heiden in gleicher Weise. Besondere Verantwortung liegt jedoch bei den Juden, die das geschriebene Gesetz empfangen haben. In paradoxer Diskrepanz zu ihrem Richten der anderen und Sichrühmen des Gesetzes sieht Paulus die Tatsache, daß sie selber das Gesetz übertreten. Röm 2,21-23 kleidet den jüdiscben Selbstwiderspruch in funf paradox formulierte Fragen, von denen die letzte die vorherigen zusammenfaßt: Das KaIJxdaOat tv VOIl'P geht einher mit der ltapußa(Jt~ "toß VOIlOIJ. Rhetorisch zugespitzter spricht Paulus 7.Wei Verse weiter von der Beschneidung (lt6PI"t0I1~), die durch die ltapußam~ VDIlOU 7.ur Unbeschnittenheit (aKpoßuat(a) geworden ist (2,25). Das Paradox liegt darin, daß das Rückgängigrnacben der Beschneidung nicht nur phy17 Vgl. zur Einfühnmg die Literatur bei H. Hübner, Art. v6~0Ii: E\VNT 11 (1981)
1158-61 und G. Klein, Art. Gesetz 1Il: TRE Ig (1984) 73-75. Ferner H. HObner, Das Gesetz bei Paulus. Ein Beitrag zum 'Werden der paulinisehen Theo1ogie (FRLANT 119), Göttingen 21980; K. Kerte1ge, Gesetz und Freiheit im Galaterbrief: NTS Ba (1984) 382-394; O. Hofius, Das Gesetz des Mose und das Gesetz Christi, in: ders.,
Paulusstudien (WUNT 51). Tübingen 1989, 50-74. 51-69: Becker. Paulu, 409-423: P. Stuhlmacher. Biblische Theologie des Neuen Testament5. Bd. I Grundleg\ln~ Von Jesus 1.U Paullls, Göttingen 1992, 253-268.218-283; J. Lambrccht, Gesetzesven;tänd· nis bei Paulus, in: ders., Pauline Studies (BETL 115), Leuven 1994.231-270; Berger. Theologiegeschichte 503-510; Gnilka, Paulus 224-228. 18 Eine "pietätlose Schärfe liegt vor in der paradoxen Umwertung der Periode des Geset· zes aus einer Zeit wachsender Gerechtigkeit in eine Zeit wachsender SUnde" (Bultmann, Stil 82). 19 Vgl. Kertelge, Rörn 55-62; WiJckens, Röm T 146-160.
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Kapitel 2: Paradoxalität bei Pa1l1us
sisch, sondern nach rabbinischem Verständnis auch theologisch eine Unmöglichkeit ist: »Vor dem Gesetz kann die Beschneidung nie zur Unbeschnittenheit werden, da die Beschneidung im allgemeinen ihre Kraft behält. -,. 2,27 faßt den negativ-paradoxen Zusammenhang von Gesetl und Sünde noch einmal knapp zusammen in dem Ausdruck öla yp<4!llato<; Kat rrepltOIl1]<; rrapaß,h'1<; VOI!OU, Das adversative Beieinander (öta) der beiden Aspekte verstärkt die oxymorische Wirkung. R~m 3, 19; 4, 15; 5, 13 und 6, 14 sind keine Paradoxien im eigentlichen Sinne, spiegeln aber indirekt die gleiche, negative Sicht des Geset'.es wider. b) Das Gesetz als Kraft der Sünde Prägnant schildert Paulus in Röm 5,20a den Negativzusammenhang von Gesetz und Sünde: ,Das Gesetz aber ist daneben hereingekommen, damit die Übertretung größer werde.' Der Unheilszusammenhang von VOIl0<; und rrap,bttOll!a erhält durch die Konjunktion tva den Rang einer Finalität: Das Gesetz ist nicht nur kein Heilsweg, sondern es war von vornherein - so kann Röm 5,20 wenigstens vom Wortlaut her paraphrasiert werden - auf die Mehrung der Sünde hin ausgerichtet. Das Gesetz hat die Sünde zwar keineswegs selbst hervorgebracht (vgl. V. 13), aber es hat sie gleichsam ,in Kraft gesetzt', so daß sie sich ausbreiten konnte (wovaon). In Kapitel 7 d., Römerb.tejs wird diese dialektische Haltung gegenüber dem Gesetz näher ausgeführt und weiter radikalisiert. 81 Erkennt Paulus in Kapitel 2 die Tora als Norm noch ausdrücklich an, so lehnt er in Kapitel 7 die Möglichkeit überhaupt ab, aus ihr Leben und Gerechtigkeit zu empfangen. 82 Paulus schreibt in einem wohl generell zu verstehenden Ich-Stil", der quasi ,psychologisch' die Situation des Menschen unter dem Gesetl darlegt. 80 ~lichel. 11
Röm 132. VgJ. zur Exegese Schlier, Röm 220-235; Kertelge, Röm 128-138; Käsemann, Röm 182-202~ Michel, Röm 222-247; Wilckens. Röm 11 72-117; ferner lV. G. Kümmel, Römer 7 und die Bekehnmg des Paulus (1929), in: Römer 7 und das Bild des Menschen im Neuen Testament (Theologische Bücherei. Neues Testarnenl53), München 1974; R. Bultmann, Römer? und die Anthropologie des Paulus (1982), in: Exegetica, hg. \'on E. Dinlder, Tübingen 1967. 198-209; K. Kertelge, Exegetische Überlegungen zum Verständnis der pauHnischcn Anthcopologie nach Römer 7: ZNW 62 (1971) 105-114; G. Theißen, Psychologische A..pekte paulinischer Theologie (FRlANT 131), Göttingen 1983, 181-268; U. Luck, Das Gute und das Böse in Röm 7, in: H. Merldein (Hg.). Neues Testament und Ethik (FS für R. Sdmackeoburg), Freiburg/Basel/Wien
1989, 220-231. n Vgl. Michel, Röm 242f. n Vgl. Kertelge. Überlegungen 106 u. ö.; Schlier, Rüm 221; Michel, Röm 223-22.5; Wilr.kens, Röm II 76-78. Offener Theißen, Aspekte (194-)204: "ein ,Ich' ... , das persönliche und typische Züge vereint".
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Grundlegend sind die Verse 7-14. Paulus betont mehrfach den an sich positiven Rang des Gesetzes: Ti 6VtOA1] ~ s~ ~ol1iv (10); {) ... v6!,o~ äyto~ Kat ~ eVtOATJ Ily{a Kat IitKa{a Kat llyaßTl (12); {) v6!,o~ ltvsu!'attK6~ ( 14). Deshalb weist er auch scharf die Gleichsetzung von Gesetz und Sünde zurück, womit er-rhetorisch sehr wirksam- begonnenhatte (7).84 In krassem Gegensatz zu dieser positiven Charakterisierung des Gesetzes steht aber die heils- bzw. besser unheilsgeschichtliche Rolle, die der v6!,o~ faktisch eingenommen hat: Durch das Gesetz kam die Erkenntnis der Sünde Ob)"; es ermöglichte die Erfahrung der Begierde (7 c); es bot der Sünde eine ll<poPJli) (Anstoß, Angriffspunkt, Gelegenheit - 8a.lla); es bewirkte jede Begierde (8b); es ließ die Sünde aufleben (8c.9b); es führte zum Tode (lOb.llb); die Sünde wurde durch das Gute (= das Gesetz) offenbar und bewirkte den Tod (l3b); sie erwies sich KilB' \l7tSpßoA.1jv als Sünde durch das Gebot (l3el. Welche Vorstellung hinter diesem Unheilszusammenhang von Sünde und Gesetz steckt und in welchem Verhältnis beide zueinander stehen. darüber ist viel spekuliert worden." Daß der v6!,o~ die ixJrapna nur ,offenbar' mache (vgl. V. 13b), wäre zu schwach intetpretiert"; umgekehrt wäre zuviel gesagt, wenn man das Gesetz als ,Urheber' der Sünde verstehen wollte. Sünde war schon vor dem Gesetz (vgl. 5,13). aber erst das Gesetz setzte die Sünde in Kraft als Macht sl~ B6.vatov (V. 10). Die ausdrücklichen Verbote des v6!,o~ machten die Bosheit der Menschen zur anrechenbaren Schuld, die zum Tode führte. Ja, gleichsam reziprok wurde die Sünde durch das Gesetz noch vergrößert (V. 8.11.13)." Bestätigt wird diese Deutung durch 1 Kor 15,56: In gedrängter Kürze nennt Paulus dort den v61l0~ die IitSvllll~ ttj~ liIlapt{a~ - in seiner oxymorischen Knappheit ein starkes Paradox, wenn man den ursprünglich posith·en Gesetzesbegriff voraussetzt. So ergibt sich für Paulus das (traurige) Paradox: Die Tora als "das beste gottgegebene Mittel, den bösen Trieb niederzuzwingen"", erwies Die rhetorische Frage 6 v6llo~ {qiap·t'la; (Röm 7,7) ist - weil sogleich als absurd abge. lehnt (IlTt ytv01.to) - kein theologisches Paradox, sondern eine Paradoxie der do(;utiD (siehe oben S. 78). Das gleiche gilt !Ur 7.18. (TO ayaebv - eclvaTa,). u Mit 7,7b nahezu identisch ist 3,20b. 86 Vgl. schon die Literatur bei KeneJge, Überlegungen 105[ 11 So aber Hofius. Gesetz des Mose 62f. U Psychologisch ließe sich erklären: ,Was verboten ist, reizt zur Übertretwtg.· Doch dies entspricht nicht dem Denkhorizont des Paulus. Bei aller psychologischen Fa.~zination des Abschnitts für den heutigen Leser: Paulus denlc.t nicht psycho-, sondern theologisch (vgl. Kertelge, Überlegungen 114; Käsemann, Röm 18"), Anders dagegen Thei· ßen, Aspekte 223-230. n H. Strack I P. Billerbeck. Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch. Bd. nI: Die Briefe des Neuen TC3taments und die Offenbarung Johannis. München 1926. 237.
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Kapi.tet 2: Paradoxalität bei Paulus
sich
fenbar besteht eine Diskrepanz zwischen dem ,sarkischen' Israel, d. h. 9G Sli
Vgl. Käsemann, Röm IS3,
,Gesetz der Siindc' ist 7.weifeUos ein Ox.ymoron (vgl. Röm 8,2 \'6J.1o" tilc; (qiap-dm; 1(a1 '[oü 9tlva.tou),
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Einen guten Überblick über die Problematik. der drei Israel-Kapitel und die wichtigsten Forschungspositionen bie:tcn H. Räisäncn, Römer 9-11: Analyse eines geistigen Ringens, in: ANRW 11 25.4 (1987) 2891-2939 und O. Hofius, Das Evangelium und Israe1. Envägungcn zu Römer 9-11, in: ders., Paulus5tudien (WUNT 51), TUbingen 1989, 175-202: J. Lambrecht, rSTad's Future According to Romans 9-1]: An Exegetical and Henneneutical Approach, in: ders., Pauline Studies (BETL 115), Leuven 1994, 33-54. Zur E.xcgesc des Argumentatiomganges 9,6-11,10 vgl. Hofius, Evangelium 178-184; Lambrccht, Israel's Future 36-44.
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demjudesein der Abstammung nach, und dem ,pneumatischen' Israel !Ier Envählung." Der hohe Anspruch der Israeliten, die sich so vieler Vorzüge rühmen konnten (V. 4f.), wird jäh in Frage gestellt: Die fleischliche Zugehörigkeit zum Volk Israel garantiert keineswegs schon die Gewißheit, ,Kinder der Verheißung' (V. 8) zu sein. Paulus löst das scheinbar logische Paradox von V. 6b im Anschluß selbst auf, indem er es als Äquivokation im Sinne von 'I(Jpa~A Ka~a (J(lpKa (vgl. 1 Kor 10,18) und 'I(Jpa~A.oü BEOU (vgL Gal6,16) entlarvt. Die negative Ausdrucksweise ou ... 1teInE<; läßt im übrigen Röm 9,6 in einem gemäßigten Licht erscheinen; der Gedanke der EnYählung dominiert gegenüber dem der Venverl'ung (so besonders 6a). Röm 9,31 spricht das Dilemma des Gottesvolkes direkt aus: ,Israel, das dem Gesetz der Gerechtigkeit nachjagte, hat das Gesetz nicht erlangt.' Der ein wenig an Jesus erinnernde Gedanke" hebt den Geschenkcharakter des göttlichen Heils hervor. Die Gerechtigkeit kann man nicht durch Werke verdienen; sie muß viehnehr im Glauben als freies Geschenk der Gnade Gottes angenommen werden (V. 32). Dies hat Israel in seinem Gesetzeseifer nicht erkannt (vgl. 10,2). In Röm 71 beleuchtet Paulus die paradoxe Situation des Gottesvolkes mit Hilfe des Motivs der ,VerstockWlg' (V. 7.25). Gott selbst ist es, der Israel auf geheimnisvolle Weise sowohl envählt als auch verstockt. Paulus veranschaulicht diesen Akt der 1troPOl(J\<;" in 11,8[. durch zwei Zitate aus der Schrift (Dt11 29,3/Jes 29,10 und Ps 69,23f.). Das Paradoxe der Verse 8 Wld 9 liegt neben ihrer rhetorisch wirksamen FormulieTWlg'" in dem Widerspruch zwischen dem eigentlichen Anspruch Israels Wld seinem tatsächlichen Schicksal. Dadurch, daß sowohl für das eine wie auch das andere Gott verantwortlich gemacht wird, erscheint die Paradoxie unmittelbar theologisch begründet. Das gleiche gilt für 11,25/, das mit dem Stichwort )J.\)(JnlPLOV quasi den hermeneutischen Schlüssel zu diesem Paradox des Paulus liefert: Suwoh.l Verstockung als auch Rettung Israels gehören zum Geheimnis Gottes, das sich menschlichem Verstehen entzieht." In 11,28 vereint Paulus bei der Darstellung der Situation Israels die beiden Aspekte der Feindschaft und des Geliebtseins zu einer scharfen Antithese." Freilich nennt er dabei die jeweils verschiedene Hiruicht, 9t Vgl. Michel, Röm 300. " Vgl. Mk 8,B5 parr. !16 Das Motiv begegnet bei Paulus außerdem noch in 2,5 (crKÄ.T\p0nJC;;); 9,J4 (mcAl1Puvoo) tUld 2 Kor g,14. 9~ Sofern ,Auge' als ,Sehorgan' Md ,Ohr' als ,Hörorgan' definiert sind, enthält Röm 11,8 (",. Dtn 29.3 I Je5 29,10) zwei rormale Paradoxa im Sinne der Logik: or.p8a).p.out; 1'OÜ ~~ pM"",v Kai cOTa TOÜ ~~ aKo6slV. 98 In eine ähnliche Richtung geht auch die Doxologie 11,3g-36 am Ende der drei IsraelKapitel. n Vgl. Hofius, Evangelium 198f.
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Kapitel 2: ParadoxaJität bei Paulus
auf die sich die beiden gegensätzlichen Aspekte beziehen. KI1
Statt v6J,lor; steht 'YPa.aIla., statt a~apna in prägnanter Ven...endung 8a.vo:toC;. statt b~ÄoY11 allgemeiner S6l;a. statt 6.1t"OPOA.~ XQ-raKptou;.
101 Vgl. die grundlic:he Analy~e von O. Hofius, Gesetl und Evangelium nach 2. Korinther
102
8, in: ders., Pau1usstudien (WUNT 51), Tübingen 1989, 75-120, sp~liell 107-118; ferner H. Hübner, Biblische Theologie des Neuen Testaments. Bd. I: Prolegomena, Göttingen 1990, 93-97. ",,?'"} '7i? _ ,Leichtes und Schweres', Vgl. Bultmann, 2 Kor 82.
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lichkeit (der KatviJ /)ta9~1C1l).' Oll /)eM~acnat '0 öeöo!;acrjlEVoV ist ein kontradiktorischer Gegensatz, d. h. ein fonnal-logisches Paradoxon.'" e) "Fluch des Gesetzes" Im Galaterbriif liegt der Unheilszusammenhang von Gesetz und Sünde implizit oder explizit der ganzen Gedankenführung zugrunde'''; ausdrücklich und clirekt schildert Paulus ihn in zwei Passagen von Kapitel 3. Der Abschnitt 3, 10-13 bekommt seinen provozierenden Charakter durch das Stichwort ,Fluch'.'·' Für einen jüdischen Leser muß es geradezu eine Ungeheuerlichkeit sein, daß alle aus Gesetzeswerken Lebenden'·' Ka,lipav stehen sollen (V. 10)'·', ist doch die Tora der Heilsweg des Gottesvolkes. Paulus selbst zitiert in V. 12 die gängige jüclische Auffassung: ,Wer sie (die Gebote) erfüllt, wird durch sie leben.' (Lev 18,5) In schroffem Gegensatz dazu bringt Paulus das Gesetz mit einem (zum Tode führenden) Fluch in Zusammenhang (3,10.13). Dies gilt zwar nicht apriori; Paulus sieht- das Gesetz nicht deshalb fluchbdaden, weil es grundsätzlich unerfüllbar wäre (vgi. 10b.12b). Aberfal
uno
10'
HUbner, Theologie I 94f. erkennt in V.14f. ein weiteres Paradox darin, daß mit der Bekehrung zum Herrn als eigentlicher Sinn des GtSttus die Geset7.cifrrihtU offenbar wird: "In höchster Paradoxie verheißt somit das Gesetl die Freiheit \'on sich selbst."
(.bd. 95) Vgl. 2,16.19.21; :5,2.5.17f.21f.j 4,5.21 <mit besonderem rhetorischen, .paradoxen' Effekt: o( Ö1tO v6~ov 9/).ov,,~ dval, ,ov v6~ov OUK aKo~".); 5,3f.18; 6,13. 10.5 Zur E.xegese vgl. neben den Kommentaren u. 3. Kertelge. Rechtfertigung 209-112:
104
H. Räisänen, Pau! and ,he La", (WUNT 29). Tübingen 1983, 59-61.249-251; E. p, Sanders. Paul, the Law, and the Jewish People, Philadelphia 1988, 25f.; C. D. Staruey, ..Under a CUTSe": A Fresh Reading cf Galatians 3,10-14: NTS 36 (1990) 481-511;J. Lambrecht, Curse and Blessing: A Study ofGalatians 3,10-14, in: deß., Pauline Studies (BETL 115), Le\J\'en 1994, 271-298 (296-298 Überblick über die neuere Literatur). 106 Neben den Juden sind hier wohl gesetzestreuejudenchristen (die Galater!) und Heiden im Sinne von Röm 2,12-16 mitgemeint (vgI. Schlier, Ga! 182; Mußner. Ga! 224). 101
Vgl. V.13 xG.16pa 10G VO}lOll: Wenn man ein positives Vonrerständnis von v6J.10r; voraussetzt, handelt es sich bei dieser Genitiv.Verbindung um ein paradoxes Oxymo-
ron. 101
Vgl. Schlier, GaJ 182f. Zur positiven Sicht des Geselles bei Paulus - etwa die Rede vom ,Gesetz Christi' Gal 6,2 - vgl. Kertelge, Gesetz 386-392; K. Finsterbusch. Die Thora als Lebensweisung fUr Heidenchristen. Studien zur Bedeutung der Thora für die paulinisehe Ethik (StUNT 20), Göttingen 1996.
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Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulus
seinen Fluchcharakter (Dm 21,23) den Fluch des Gesetzes allererst sichtbar, indem er ihn zugleich aufgipfelnd überwand. Durch das paradoxe stellvertretende Zum-Fluch-Werden Christi am Kreuz wurde der alte Heilsweg des Gesetzes gleichzeitig als fluchbringend desavouiert und abgelöst.'o, In 3, 19-25 geht es um die heilsgeschichtliche Funktion des Gesetzes. Der Sinn des Ausdrucks 19b napap6.clBOlv xaplv npocrEtelhj ist dunkel. Wahrscheinlich muß der Satz als ,.kurze Zusammenfassung"IIO von Röm 3,20; 4,15; 5,13.20 und 7,7-13 verstanden werden. ,,Das Gesetz hat eine eigentümliche Offenbanmgsfunktion: Es sollte die Sünde als Sünde und als Übertretung eines Gebotes offenbar machen."11I Mehr noch: Der v6~0C; hat die Sünde zwar keineswegs erst entstehen lassen (vgl. Röm 5,13), aber er hat sie auch mehr als nur ,erkennbar' oder ,offenbar' gemacht (so Röm 3,20; 7,7.13); in rechtlicher Terminologie könnte man von einer ,Inkraftsetzung' der Sünde durch den v6~0c; sprechen (vgl. Röm 7,8-11.13; 1 Kor 15,56). Das Gesetz wurde ,um der Übertretungen willen hinzugefügt', hieße dann: Das Gesetz hat die Sünde zur Wirkung gebracht, in Kraft gesetzt (vgl. auch V. 21b.22a). Bemerkenswert ist das Pas,ivum divinum npocrEts911: Offenbar entsprach die paradoxe Rolle des Gesetzes von vornherein göttlichem Willen. In den Versen 23-25 kommt Paulus noch einmal expli7it auf die Rolle des v6~0, zu sprechen. Eindeutig wird er von Paulus als vorläufig charalcterisiert. Bis zum ,Kommen des Glaubens' (23.25) erfiillte er seine negative heils geschichtliche Funktion, länger nicht. Die Rolle des Gesetzes umschreibt Paulus mit den Begriffen
"'lV
109 Vgl. Keltelgl!, Verständnis 128-181; Gnilka. Paulus 226 (..Paradoxie des Fluches"), Ga! 3,13 ist der Grund, warum die Gcsetll!'sthcmatik unter die kreuzestheologlschen Paradoxien eingeordnet werden kann. Vgl. Söding. KTew:estheologie 50-52. Auch MerkJein, Bedeutung 1 hilt Ga13,13 für "den Schlüssel zum Verständnis der paulini· sehen Behandlung der Gerechtigkeits· tUld Gesetzesthematik" und macht den Vers deshalb zum 7.entralcn Interpretament seiner Studie. 110 Schlier, Ga! 158. 111 Mußner, Gal 246. 11% Vgl. Schlier, Ga! 167 Anm. 1. LL' 'l1.atSa'Ymr6~ kann allgemein entweder mit ,Zuchtmeister' oder aber durchaus positiv mit ,Enieher' (,Pädagoge') oder gar ,Beschützer' übersetzt werden h'gl. T. D. Gordon, A Note on nAMArnrOl: in Galatians 5.24-25: NTS 35 [1989[ 150-15~).
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entmachtet durch den Glauben an einen Gekreuzigten - auch das muß für jeden Juden ein cnca.v,saAOV gewesen sein.'"
3. Der mi/gekreuzigte alte Mensch
JMir aber Jei tsfern, mich z.u rühmen atifler im Kreuz. unseres HerrnjcJUJ Christ"",, durch den mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt.' (Gal 6,14) Vielleicht die meisten Paradoxien kennt Paulus auf dem Feld der Anthropologie. Es handelt sich dabei in der Regel um eine Destruktion oder Umkehnmg von Vorstellungen, einen Widerspruch zum bisher Gewohnten im Bereich der christlichen Existenz. Schon die VerkündigungJesu ist in hohem Grade gekenmeichnet von einer propagierten Umkehrung der irdischen Verhältnissc, die vor dem
Hlnter~
grund der eschatologischen Gegenwart des Reiches Gottes gesehen werden muß.! U In den zahlreichen antithetischen Logien vom Ersten und Letzten, vom Leben~Retten und Leben-Verlieren, vom Erhöhen und Erniedrigen etc. geht es um die radikale Umwälzung menschlicher Strukturen angesichts der
einbrechenden Gottesherrschaft. Die paradoxe Verkund;gungJesu. so wurde deutlich, erreicht ihren Höhepunkt in seinem eigencn Lebenuchiclual: Die gepredigte Umkehrung der Wertmaßstäbe mündet in den Tod ihres Predigers am Kreuz. Botschaft und Biographie Jesu stehen in einem Entsprechungsverhältnis; im Hinblick auf das ,nonnale' Denken sind beide in glei~ ehern Maße paradox. 116
Auch bei den einschlägigen Aussagen des Apostels kann davon ausgegangen werden, daß sie vom Skandalon des Kreuzes her zu erklären sind. In einer gewissen Analogie zur synoptischen Tradition venveisen die anthropologischen Motive bei Paulus auf das Kreuz als eschatologischen Bezugspunkt. Die Herleitung der anthropologischen Paradoxien vom Kreuz Christi und ihre Einbindung in dessen Horizont zeigt sich Zur Gestalt des ITal~a:YCl)y6~ in der griechischen Antike ,'gl. N. H. Young, The Figure of the Paidagögos in Art and Literature: BA 53 (1990) 80-86. Siehe oben S. 66f. Iltl Ein anschaulicher Beleg fiir die ParalleUtät von Verkündigung und Lcbcnsscmcksal Jesu wie FOr die damit verbundene paradoxe Provokation ist die Perikope Mk 8,27-88: Petrus bekennt runäcbstJesus als den Messias (V. 29), vermag aber dessen Leidensvorhersage (v. 31) damit nicht zu vereinbaren. Die harsche Satanschelte Jesu erläutert den Hintergrund dieses Paradox: ou cppovett; 'ta 'tou geoü cUJ.a. 'Ca tmv o.V9pIDl'l'QJV (v. 38). Ocr Wille Gottes ist ein anderer als der der Menschen. Die folgenden Verse 84-38 machen das Geschick Jesu zur Botschaft für seine Jüngerschaft: Christliche Existenz heißt Kreu7.csnachfolge. Hier erscheint die Passion Jesu nicht als Konsequenz, sondern als Grund seiner VerkUndigung. Offenbar können sich Leben und Lehre Jcsu wechselseitig bedingen.
114
lJ5
100
Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulu5
etwa in den ersten Kapiteln des I. Korintherbriefes, wo sich die paradoxen Aussagen über Weisheit und Torheit unmittelbar an die Kreuzestheologie anschließen. '" Das Problem der paulinischen ,Anthropologie' liegt darin, daß sehr häufig nicht eindeutig zwischen einem exklusiv-apostolischen und einem allgemein-menschlichen Bezug unterschieden werden kann. Spricht der Apostel nur von sich, d. h. dem von Gott Berufenen (Ga! 1,15), oder sind alle Menschen mitgemeint? Bei einer Vieb.ahl der Stellen ist der Bezug zum Apostelamt gegeben, doch schließt das nicht aus, daß die Paradoxien des Apostelamtes auch eine paradigmatische Bedeutung haben können, die tUr alle Menschen gilt.''' Eine programmatische Aussage über den Zusammenhang von Kreuz und Welt/Mensch ist Ga16, 14 (vgl. Röm 6,6; GaI2,19): Die christologische Paradoxie des Kreuzes setzt sich fort im ,Gekreuzigtsein' der Welt für den Christen'" und des Christen tUr die Welt. Konkret bedeutet das hier, daß die Frage nach Beschneidung oder unbeschnittenheit irrelevant geworden ist (V. 15). Das tlataupöia8at bezeichnet eine radikale Umwälzung der irdischen Wertmaßstäbe. Wie sich diese bei Paulus vielfaltig konkretisiert, soll der folgende Überblick zeigen. a) Umkehrung der Werte Das Mitgekreuzigtsein mit Christus führt den Apostel auf dem Gebiet der Ethik zu einer paradoxen Paränese der Gemeinde, die eine Umkehrung oder Relativierung des bestehenden Wertesystems zum Inhalt hat. Röm 12,14 erinnert an Mt 5,44 par: Ähnlich wie Jesus fordert Paulus die Römer auf, ihre Verfolger zu segnen. Einige Verse später tUhrt er dies mit Spr 25,21f. weiter aus: Der hungernde Feind soll gespeist, der dürstende getränkt werden (Röm 12,20). In seiner eigenen Sprache faßt der Apostel zusammen: Es gilt, das Böse durch das Gute zu besiegen (V. 21). Für Paulus ist bei diesem wohl markantesten Paradox christlicher (jesuanischer) Paränese eine kreuzestheologische Fundierung amunehmen. Obwohl im Kontext das Kreuz nicht erwähnt wird, ist "diese christologische Basis der Paraklese . . . der Sache nach voraUSlusetzen"120.
111
Zu den anthropoloWschen. ekkJesiologischen und anderen Dimensionen der Kreuzestheologie vg1. Beaer, Paulus 219-229; Söding. Kreuzestheologie 44f.; ders., Liebes-
g
HI
101
Theologische Paradoxien
Das konkrete Leben in den paulinischen Gemeinden bringt mancherlei Spannungen mit sich, zu denen der Apostel Stellung zu nehmen sich genötigt sieht. In einigen Passagen seiner Briefe, besonders gehäuft im 7. Kapitel rUs 1. Korintherbrie{es, tut er das auf recht paradox erscheinende Weise. Nicht weil eine jeweils strikt auf einll1" Position beharrende Linie ohnehin nicht durchsetzbar wäre, sondern aus seiner theologischen Grundüberzeugung heraus gibt er gegensätzliche, z. T. widersprüchliche Ratschläge: - Ob jemand bestimmte Speise ißt oder nicht ißt - beides geschieht ,für den Herrn' und ist Dank an Gott (Röm 14,6). - Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren - dennoch soll lila 1l0pvd~ geheiratet werden (1 Kor 7, 1f). - Es ist gut, unverheiratet zu bleiben - wer sich jedoch nicht enthalten kann, der soll heiraten (1 Kor 7,8f). - Nach Jesus soll sich die Frau vom Mann nicht trennen - Paulus dagegen rechnet auch mit der Möglichkeit der Trennung (1 Kor 7,1Of.). - Die Beschneidung ist ,nichts' - die Unbeschnittenheit ist ,nichts' (1 Kor 7,19; Gal5,6; 6,15). - Der Sklave ist ein Freigelassener des Herrn - der Freie ist Sklave Christi (1 Kor 7,22). - Der Ledige soll keine Frau suchen - heiratet er trotzdem, so sündigt er nicht (1 Kor 7,271). - Heiraten ist gut - nicht heiraten ist besser (1 Kor 7,36-38). Gemeinsames Kennzeichen an dieser Weisungen ist eine Relativität dll1" Werte, welche zusammen mit einer bestimmten Position auch deren Gegenposition gelten läßt. Das charakteristischste Beispiel jener Relativierung ist 1 Kor 7,29-31, wo Paulus zu einem in der ethischen Umwelt wohl einzigartigen ,Als-ob'-Verhalten aufruft"':
ta..
wer eine Frau hat, wer weint,
wer sich freut, wer kauft, wer die Welt benutzt,
} der tue so,
als
{
habe er keine weine er nicht freue er sich nicht behalte er nicht nutze er sie nicht
Der Anlaß zu solchem Verhalten liegt in der Kürze des eschatologisehen Kairos: Weil ,die Zeit gedrängt ist' (V. 29a), ,die Gestalt dieser Welt vergeht' (V.3Ib), ist alles innern'eltliche Handeln relativ. Die Pa121
Vom stoischen Ideal der Ataraxie etwa bei Epiktet unterscheidet die Aussagen ihr konstitudv eJehatologischer Charakter. ,.paulus rät nic:ht. sich in das !'iichcrc Wld freie lnnere 7.urüduu7.iehen, sondern im BetrofTensein die Freiheit durch7.uhalten." (Conzdmann, I Kor 166) Näher liegt eine apokalyptische Herleitung der Stelle (vgl. Schade. Christologie lOOf.).
102
Kapitd 2: Paradoxalität bei Paulus
radoxien ~oii KOaflOIJ lOlltOIJ weisen über sich selbst hinaus auf den neuen Äon. Auch hier steht letztlich die Kreuzestheologie im Hinter· grund: Weil der Gemeinde wie dem Apostel ,die Welt gekreuzigt ist' (Gal6,14), kennt sie kein festgefügtes Ordnungssystem mehr, hat sich für sie die Bedeutung alles Irdisch-Geschichtlichen relativiert. 2 Kor 7,9-11 steht im Kontext des von Freude lmd Zuversicht getragenen sogenannten ,Trostbriefes' 2 Kor 1,1-2,13; 7,4-16"'. Paulus deutet die Folge seiner zuvor an den Korinthern geübten Kritik als ,gottgemäße Bettiibnis', deren er sich jetzt freue (V. 9). Die überaus positiven Auswirkungen der von ihm eneugten Bestünung der Korinther schildert er in V. II anband sieben konkreter Beispiele. Das Paradox der ,Freude bereitenden Trauer' erklärt Paulus 1111ttels des Interpretaments der flE~avolll (V. 9f.): Es war deshalb eine nutzbringende Traurigkeit, weil sie eine ,Umkehr zum Heil' (V. 10) bewirkte. In scharfer Antithese zur tödlichen, d. h. in den "defmitiven eschatologischen Tod"'" führenden MItT] ~oii KocrflOIJ (V. lOb) nennt Paulus das ,Bettiibtwerden 7.ur Umkehr' (V. 9) eine KIl~a BEO" MItT] (V.9.IOa) und venveist das Paradox damit auf den alle vordergründigen menschlichen Werte verkehrenden Bereich Gotles. Die ,weltliche Trauer' fUhrt zum Tode, die paradoxe ,gottgemäße Trauer' dagegen zum Heil. Ganz fern schwingt auch hier etwas vom Kreuz mit. b) Ruhm der Bedrängnisse Eine eindeutige Ausrichtlmg hat die anthropologische Umsetzung der Kreuzestheologie bei einem Aussagetypus, der besonders als Selbstzeugnis des Apostels in den Blick kommt. Paulus beschreibt seine Schwachheit und die zahlreichen mit seinem Apostelamt verbundenen Leiden, um sie zugleich paradox als Quelle der Kraft, des Ruhmes oder der Freude zu bezeichnen. Diese positive Sicht der Schwachheit, ja das Rühmen der Bedrängnisse ist einer der markantesten Typen von Paradoxien bei Paulus. Was der ,Welt' als Torheit erscheint (vgl. I Kor I, ISff.) - fUr Paulus ist es gerade das Gegenteil, nämlich ,Gottes Kraft und Gottes Weisheit' (1,24). Die normalen Wertvorstellungen stehen Kopf. Dies gilt freilich nicht in einem absoluten Sinne, als ob für Paulus jede Schwäche per Je Kraft, jedes Leiden Ruhm wäre. Was formal-logisch als ein Widerspruch erscheint, entpuppt sich bei rhetorischer Aoalyse als Äquiuokation, mit der genau genommen nur die ursprüngliche Bedeutung eines Wortes in einen anderen Zusammenhang gestellt wird, so daß sie eine neue -
paradoxe - Färbung erhält. 12!
1!1
Vgl. die Teilungshypothese von G. Bomkarnm, Paulus 246-248 sowie Wltcn S. 161-167. Bultmann. 2. Korinther 60. Bultmann weist hin auf das rhetorische Oxymoron der J.1F.1o.vota ßp.EtßJ18"'I1'[O~ (V. 10), der ,nicht zu bereuenden Reue', das den antithetischen Charakter verstärkt (vgL cbd.).
Theologi~che
Paradoxien
\03
Ein charakteristisches Beispiel ist 1 Kor 3,18j.: ,Wenn jemand unter euch glaubt. er sei weise in diesem Äon, dann werde er töncht. um weise 1.U werden. Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit vor Gott.' Paulus sagt
hier keinesweg>, daß Torheit per Je der Weisheit vor7.Uziehen wäre. Das Ziel ist inrmer noch d.., "o'l'~ rSVO"Sn1 (ISb; "0'1'0<; inr eigentlichen Sinne). Die Pointe der paradoxen Aussage liegt vielmehr in den verschiedenen Bezugsgrößen ,,6"1'0, bzw. Bso<; (19): Vor Gott gilt die Weisheit dieser Welt als Torheit. und umgekehrt. Darum kann Paulus Wlter äquivokem Gebrauch
von "0'1'6, formulieren: Der (scheinbar) Weise werde (scheinbar) töricht, um (wahrhaft) weise zu werden. Diese wahre Weisheit vor Gott ist !tapa ~6liav inr wörtlichen Sinne, nämlich ,gegen den Augenschein' der Menschen. Die Stelle ist nicht mit Hilfe der formalen Logik. sondern der Rhetorik (d. h. letztlich der Theologie) zu verstehen. Der Schlüssel zu diesem Paradox liegt wiederum in der Kreuzestheologie. Weil sich der Inhalt des Evangeliums und die Person seines Verkündigers nicht voneinander trennen lassen, verkündigt Paulus nicht nur verbal Christus als den Gekreuzigten, sondem trägt er auch existentiell dessen CJt(Yllata am Leib (Gal 6,17), ist in seinen Schwachheiten die Kraft Christi wirksam (2 Kor I 2.9). Angesichts der Fülle der Belege in diesem Bereich kann nicht auf jede Stelle im einzelnen eingegangen werden.'" Genügen soll deshalb ein tabellarischer Überblick. dem notgedrungen etwas Schematisches anhaftet. Andererseits wird so die Gleichförmigkeit anschaulich, mit der Paulus immer wieder einen für die ,Welt' negativen Umstand angesichts des Kreuzes in ein paradoxes Positivum umdeutet.''' Röm 1 Kor
Wahmehmung der ,Welt'
paradoxe Umdeutung
5,3 1,17
Ruhm Geltung des Kremes Christi Kraft Gottes
1,18 1,20 1,21 1,25 1,27
124
Bedrängnisse Verkündigung nicht in Weisheit des Wortes Wort vom Kreuz als Torheit Weisheit der Welt Torheit des Ker)'gmas das Törichte Gottes das Schwache Galtes das Törichte der Welt die Weisen das Schwache der weit das Starke
zur Torheit gemacht Rettung weiser als die Menschen stärker als die Menschen VOll Gott envählt zuschanden gemacht von Gott envählt zuschanden gemacht
Drei zentrale Texte sind Gegenstand einer detaillierten Auslegung in Kapitel 3 dieser Arbeit.
12$
In J Kor 1-3 erscheint, wie gezeigt, auch der umgekehrte Vorgang, daß Paulus das gemeinhin als positiv Geltende, die croq:l(a 'toO K60llQU, im Lichte des Kreuzes als negativ entlar\'t.
104
Kapitel 2: Paradoxa1ität bei Paulus
1,28
2,14 3,18 3,19 3,20 4,9 4,10 4,11. 12a
4,13b 9,12 9,18 9,19 9,27 2 Kor
5,13 11, 7
das Mindenvertige und das Verachtete, das Nichtseiende das Seiende Torheit töricht werden Weisheit dieser Welt Gedanken der Weisen Letzte, Todgeweihte, Schauspiel Toren, schwach, verachtet hungrig, durstig, nackt, geschlagen, heimatlos, arbeitend mit den eigenen Händen Kehricht der Welt, Abschaum aller alles ertragen unentgeltliche Verkündigung zum Sklaven gemacht QJIälen und Knechten des Leibes von Sinnen sein sich selbst erniedrigen
11,23-29 (28 PeristllJen) 11,30 Schwachheit 12,5 Schwachheiten Stachel im Fleisch 12,7 12,9 12,10
12,15 13,7 13,9
in Schwachheit Schwachheiten Schwachheiten, Mißhandlungen, Nöte, Verfolgungen, Ängste schwach aunvenden und sich aufopfern um als Versager damstehen schwach sein
von Gott enyählt
zunichte gemacht Dinge des Geistes Gottes um weise zu werden Torheit vor Gott nichtig die Apostel Gottes tun
Christi willen
für das Evangelium Christi
Lohn frei seiend bewährt erscheinen für Gott für die Verkündigung des Evangeliums Gottes (als Diener Christi) Ruhm Ruhm um nicht überheblich zU werden vollendet sich die Kraft Ruhm; Kraft Christi Wohlgefallen; um Christi willen stark sehr gerne Gebet m Gott Freude
Theologische Paradoxien
Gal
2,19 6,14
phil
1,7 1,12 1,13 1,14
gekreuzigt Kreuz welt ich meine Gefangenschaft meine Lage
1,21 1,23
meine Gefangenschaft durch meine Gefangenschaft durch Leben oder durch Tod das Sterben abscheiden
1,29 2,17 2,30
leiden geopfert werden dem Tode nahe
3,7
Gewinn
3,8
alles
1,20
alles
4,12f. 1 Thess 2,6f. 3,3 phlm 1.9 13 23
Niedrigkeit, Hunger, Entbehrung, alles keine Menschenehre diese Bedrängnisse Paulus, Gefangener im Gefangnis Mitgefangener
105
mit Christus Ruhm für mich gekreuzigt für die Welt gekreuzigt Gnade Förderung des Evangeliums in Christus zuversichtlich; furchtlos Verherrlichung Christi GewiIm Sehnsucht; bei weitem das Bessere Gnade; für Christus Freude um der Arbeit für Christus willen Verlust um Christi willen als Verlust betrachtet wegen der überragenden Erkenntnis Christi Jesu verloren und als Unrat betrachtet, um Christus zu gewinnen durch den, der mir Kraft gibt als Christi Apostel dafür bestimmt Christi J esu für das Evangelium in Christus Jesus
Die Paradoxie dieses Typus entsteht formal durch den äquivoken Gebrauch zweier Bedeutungsebenen, der des Menschen und der Gottes. Wenn Paulus z. B. ,schwach' mit ,stark' identifiziert (2 Kor 12,10), handelt es sich nur scheinbar um ein logisches Paradox. Die vermeintlich absurden Gleichungen schwach ~ nicht schwach bzw. stark = nicht stark werden verständlich, sobald die beiden Seiten der Gleichung durch Zusätze wie ,im Sinne der Welt' bzw. ,in den Augen Gottes' als semantische Äquivokationen erkannt werden: Was fir die Welt schwach ist, ist vor Gott stark, und umgekehrt. Der scheinbar logische
106
Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulus
Widerspruch erweist sich so als eine sinnvolle theologische Aussage, die zudem durch ihre rhetorische Wirkung besticht. Der Sache nach erscheinen bei diesem Aussagetypus die Bereiche der ,Welt' und Gottes als diametrale Gegensätze. In Gottes Wertordnung sind offensichtlich unsere landläufigen Werte ins paradoxe Gegenteil verkehrt: Torheit ist Wei.heit, Leiden Gnade, Schwachheit Kraft. Der Interpretationshorizont dafür ist die Kreuzestheologie: Wie das Heil der Menschen durch den schmählichen Kreuzestod Christi erwirkt wurde, so geschieht analog auch die Verkündigung dieses Heils in Leiden und Schwachheit, ja bedeutet christliche Existenz überhaupt Leidensexistenz. Das christologische Kerygma setzt sich in die Anthropologie hinein fort. c) Nicht ich, sondern Gott Ein weiterer Gedankentypus bei Paulus im Bereich der Anthropologie ist stark vom Stilmittel der Antithese''', näherhin von deren Sonderform der correetio'" geprägt. Das spezifische Kennzeichen dieses Gedankens liegt in der Antithese ,nicht der Mensch, sondern Gott'. '" Quer durch die Briefe des Paulus zieht sich dieses Theologumenon: Der Mensch - paradigmatisch dafür steht der Apostel selbst - ist der, welcher dem göttluhen Wi,·hen Raum gibt bzw. geben soll. Gott (Christus, der Geist) tritt an die Stelle des schwachen Menschen, um in ihm und stellvertretend für ihn zu wirken.'" Auch bei diesem Gedanken steht indirekt die Kreuzestheologie Pate.'" In Aussagen wie 7 Kor 6,75.77.79; 2 Kor 70,5 und Gal 2,20 ist die Rede von der Eingeschränktheit menschlicher Verfügungsgewalt über sich selbst angesichts der Gegenwart des Herrn. Das Platzergreifen Christi im l"'lenschen macht ureigene menschliche Kategorien wie 12&
Vgl dazu die nach wie vor grundlegende Monographie von N. Schneider, Die rhetorische Eigenart der paulinischen Antithese, TUbingen 1970. Schneider beschränkt seine Untersuchung aur eine sprachlich-stilistische AnaJyse der paulinischen Antithese. ~o daß es zwischen der Zielsetzung seiner und dieser Arbeit zwar Berührungs-
punkte gibt. aber keine Deckungsgl~ichheit besteht: Nicht all~ (wenn auch viele) Antithesen sind pa.r.ldox, und nicht alle - oft ja nur inhaltlichen, theologischen - Paradoxien sind fanna! al"l Antithesen gestaltet. I~Z; Vgl. Sduleider. Eigenart 4-7-52 ...Die correctio ist die Verbesserung einer eigenen Äußerung, die als unpassend vom Redner selbst l'!rkannt wird oder vom Publikum vielleicht als unpassend angesehen w~rden könnte." (Lausberg, Handbuch 386) Ihr ,affektännerer' Typ hat die Fonn ,non X, scd y' (vgL ebd.). 121 H!lufiger noch al5 Gott stehen Christus oder der Geist.
'" Vgl. Röm 8,18-16.26[: 1 Kor 2,1-16: 3.1; 4.4: 6,15.11.19; 11,3; 2 Kor 1,9.12; 3,3.5[; 4,1; 10,5; 12,1.9; Gal2,20; 3.2f.5.12; 5.16.18.25; Phil3,3.9; 4,6[ I!O Die paulinische Antluopologie be1.eugt hier auf analoge Weise den christologischen Stcllvertretungsgedanken: So wie der irdische Jcsus am Kreuz an die SteUe des f\'[en· sehen trat (vgl. Ga! S,U elc.), so handelt nun der auferweckte Christus in .pneumatischer' Farm in der christlichen Existenz.
Theologische Paradoxien
107
crc'iil1a (I Kor 6), vOllIla (2 Kor 10,5) oder ~ro~ (Gal 2,20) zu etwas Uneigentlichem. ,... m'lIc Ecr,1: i:ao,c'iiv' (I Kor 6,19) ruft Paulus den Korinthern zu. Der menschliche Leib, sosehr er Leib des Menschen bleibt, ist zugleich Glied Christi (6,15), wird zu einem Geist mit dem Herrn (6,17), ist Tempel des Heiligen Geistes (6,19) und Ort der Verherrlichung Gottes (6,20). Hinsichtlich menschlicher Erkenntnis kann Paulus in einem polemisch geprägten Abschnitt sogar davon sprechen, er ,fUhre jedes menschliche Denken gefangen in den Gehorsam gegenüber christus' (2 Kor 10,5). Analog Gal 2,20: ,Ich lebe, aber nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir.' Paulus'" affIrmiert seine menschliche Existenz (~c'ii)"', um sie sofort darauf zu bestreiten (51; OÖd" f:yro). Auf engstem Raum vier Wörter - ist hier eine logische Paradoxie im strengen Sinne ausgesprochen, die auf den Nachsatz abzielt: ~ft öl: BV EI10t Xpla,o<;. Christus ist es, der in der menschlich-sarkischen ~ro1\ des Paulus dessen eigentliche ~ro1\ ausmacht. Noch eine Zuspitzung des Gedankens enthalten 1 Kor 2; 2 Kor 4,7 und 12,9. Gesprochen wird hier nicht nur vom Zurücktreten des Menschen zugunsten Gottes, sondern Paulus ükntifiziert geradezu menschliche ,Schwachheit, Furcht und Zittern' mit dem ,Enveis von Geist und Kraft' (I Kor 2,3f.). Nicht nur, daß Gottes BUV~l<; stellvertretend für menschliche l!cavo'tT\<; (2 Kor 3,5), für IlSl00l crO(I'(a<; MyOl (1 Kor 2,4) am Werke ist, sondern sie besteht gerade in all den defizienten Erscheinungsweisen der menschlichen Existenz. Das ,Gott-Raum-Geben' des Menschen hat also nicht zur Folge, daß nun der Glaubende bzw. speziell der Apostel in einen übermenschlichen, vom Glanze Gottes erfüllten Osta<; a.~p verwandelt würden.'" Vielmehr erscheint die göttliche Kraft im Gewande' der menschlichen Schwachheit: i) 'Yap BUval1t<; EV acrOsvs{qc ,sÄShal (2 Kor 12,9)'''. Zwar ist die Schwachheit des Apostels nicht einfach die Macht Gottes - das wäre absurd -, aber die ocr'paKwa aKsull (2 Kor 4,7) stehen doch im Dienste (lva) der UIlSP~aA.'" n;<; öov6j.Lsro<; Gottes.
151
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I!!
151
Das Eym des Apostels ist an diesel' SteUe von Ga! 2 wohl schon als generalisiertes kh tu verstehen. Gemeint sind also alle Menschen, die an Christus glauben. Man beachte die betonte VOI'aß'tellung des Verbums. ZU der Frage. ob die Gegner des Paulus in Korinth, näherhin die des 2. Korintherbriefes. eine solche 9EtO<;:-avnP-VoTStclhmg vertreten haben k.önnten, vgl. D. Georgi, Die Gegner des Paulus im 2. Korinthernrief. Studien zur religiösen Propaganda in der Spätantike (WMANT 11), N.ukirchen·V1uyn 1964, 145-161.192-200.220-234. Siehe ferner den Exkun in Kapitel 3 B (S. 188-192). Das Begriffspaar Q0'8iVElo. - SUVQI1t.c; taucht wenigstens der Sache nach in jedem der drei Zusammenhänge: auf: neben 2 Kor 12.9 (vgl. V.IO; 13,4) auch in 1 Kor 2,8-5 und 2 Kor 4,7 (für äa8lVEta. stehen hier metaphorisch die 60l"pa.1CtVa OlCE\hl).
In diesen doppelt provokativen Aussagen - Gott wirkt an der Stelle des l'vIenschen, ja Gottes Kraft wirkt gerade in der menschlichen Schwachheit - fmden sich die wohl eindrucksvollsten Paradoxien bei Paulus, auf die in den Kapiteln 3 und 4 der Arbeit deshalb noch ausfiihrlich eingegangen werden wird. Klar ist schon jet1.t: Auch die anthropologische Paradoxie von der Kraft (Gottes) in der Schwachheit (des Menschen) gründet im christologischen Paradox des Kreuzes und der damit verbwldenen Umkehrung der Verhältnisse.'" 11. DIE ESCHATOLOGISCHE SPANNUNG DER NEUEN SCHÖPFUNG
1. Die Atgerstehung Christi , Wir wissen, d'!ß Christw, auferweckt VOll den Toten, nicht mehr stirbt; der Tod hat über ihn keine Macht mehr.' (Röm 6,9) Die paulinische Verkündigung des Todes Jesu ist aufs .engste verknüpft mit dem Glauben an seine Auferstehung. Alles, was bereits zum Kreuz, zumal zu dessen Heilsbedeutung, gesagt wurde, entbehrte ohne die Auferweckungsbotschaft jeder Grundlage, wäre - um mit Paulus zu sprechen - ,leer' (I Kor 15,14), sinnlos. Tod und Auferstehung J esu gemeinsam sind das eine soteriologische und eschatologische Ereignis. Paulus geht so weit zu sagen, daß mit diesem Ereignis eine neue Schöpfullg begonnen hat (2 Kor 5,17; Gal 6,15).'" Wie stark Heilstod und Auferstehtmg Christi zusammenhängen, zeigen fünf
votpaulinische bzIV. paulinische Stellen, an denen die Auferstehung selbst mit einer sotenologischen Aussage verbWlden ist: Bester Beleg dafUr ist die kontextuelle Nähe von 1 Kor 2 zur Kreuzestheologie in Kapitell, die ja bis ins l.weite Kapitel (2,2.8) hineinreicht. (Vgl. dazu]. Theis, Paulus als Weisheitslehrer. Der Gekreuzigte und die Weisheit Gottes in 1 Kor 1-4 [nU 22), Regensburg 1991, 199-266.) Offenbar ist Paulu" in I KOT 2 stark von Vorgaben sei· ner Gegner in Korinth beeinflußt, die in der Forschung lWlächst mit der Gnosis oder auch der Stoa in Verbindung gebracht wurnen (vgl. Conzclmann, 1 Kor 93f.; Wil· ckens, Weisheit 268-270; W. Schmithals, Die Gnosis in Korinth (FRLANT 66), Götringen ! 1969 und den forschungsgeschichtlichen Überblick bei Theis, Paulus 10-110. Bawnann, Mitte 280f. hä.lt die Gegner des Paulus für enthusiastische Christen, gegen deren Überbewertung der charismatischen, Weisheitsrede' der Apostel seine Kreuzcstheologie stelle. Psychologisch interpretiert Theißen. Aspekte 382-389 (,kognitive Umstruk.tuIierung von Torheit in Weisheit'), \36 Vgl. zu diesem Motiv die Monographie von U. MeH, Neue Schöpfung. Eine traditionsgeschichtliche und exegetische Studie 7.U einem sotenologischen Grundsatz paulinischer Theologie (BZNW 56), Berlin/New York 1989, besonders 389-397. Berger, Theologiegeschichte 470 nennt das .Motiv der neuen Schöpfung den ..Grundansatl paulinischer Theologie", Vgl. auch Gnilka., Paulus 2S2f.
155
- In dem vorpaulinischen Traditionsstück 1 Thess 1,9f., das als eine ,,zusarnmenfassWlg des MissioIls-Evangelium'i"157 verstanden werden kann, wird der von den Toten auferweckte Jesus als ,unser Retter vor dem
künftigen Zorn' bezeichnet (BI'
~YBIPBV
/n, (TIDV) Vel
PU6f1BVOV ~f1W; tl< Tii~ opyfj~ rlI~ tpxof1tV'l~). - In der wohl gleichfalls traditionellen l51 Kombination von Dahingabe- und Aufenveckungsaussage Röm 4,25 ist Jesus der, der ,auferweckt wurde wn unserer Gerech.sprechung willen' (~YEpa'l 6,0. -rl)v 611cll{roa,v ~f1IDV). - Paulus selbst folgert in 1 Kor 15,17 aus der Unterstellung. es gebe keine Auferstehung der Toten und somit sei auch Christus nicht auferweckt
worden, daß dann die SUnden nicht vergeben seien (S'tl Ao'ts EV 'taie; 6jJ.apt!lll~
")LIDV).
- In Röm 8,34 bezeichnet Paulus den aufen'lccktcn wld zur Rechten Gottes erhöhten Christus als den, ,der auch uns eintritt' (BC; Kai 8:V't\lYXeIVEl
""ep ~f1ii\v).
rür
- Schließlich spricht er in Röm 10,9 dem an die Auferweckungstat Glau-
benden das Heil zu: tav ... mcrTBucrm; ... lln I> 8eo<; lluTbv vEKProV, 0'Q)9~an.
~r.'p.v
.K
Tod und AufelWeckung Jesu gehören theologisch also untrennbar zusammen. Gleichwohl tragen die beiden ihnen zugnmdeliegenden Paradoxien verschiedenartigen Charakter.'" Das Faktum des Todes Jesu am Kreuz ist paradox im Sinne eines Schoclu: Der Herr der Herrlichkeit wurde gekreuzigt (I Kor 2,8); Gott machte den Sündlosen zur Sünde (2 Kor 5,21). Cluisti Tod bedeutet ein ungeheuerliches mcavliaAov br.w. einfach eine Torheit (I Kor 1,23). Anders die Auferstehungsbotschaft: 'Venn hier von Paradoxie gesprochen werden kann"·, dann genau umgekehrt im Sinne eines befreienden Wunders. Das Paradoxon des Osterglaubens ist das völlig unenvartete, ,ganz andere' Ereignis Ul ,
allerdings nicht in die Negativität hinein, sondern positiv als die escha-
m Dibelius, Thcss 6. 'l.. B. Bultmann, Theologie 49.85. U9 Vgl. grundsätzlich dazu auch Berger, Theologiegeschichte 485-490. 140 Viele der im Anschluß aufgeführten Stellen werden dem christlich sOlialisierten Ohr so vertraut klingen, daß es gegen die Klassifizierung ,paradox' aufbegehren mag. JeIU Vgl.
doch zeigt z. B. die Areopag·Predigt des lukanischen PaulU5 in Athen, wie para.dox,
UI
d. h. wider das Vorventändnis, die Rede von der Auferstehung der Toten auf unbelastete Hörer gewirkt hat (vgl. Apg 17,31f.). Natürlich war der Glaube an die Auferstehung der Toten schon vor PauJus und JCSllS verbreitet (so neben Dtn 32,39; ISam 2,6; Jes 26,19 ll. a. vor allem Dan 12,2.13;
2Makk 7,9.14: 12,43[: vgl. Kai.. r/Lohse, Tod und Leben 68-76). Allerdings darl dodl die allgemeine Hoffnung auf eine endzeitliche Totenaufentehung nicht mit dem einmaligen Ereignis der Aufen\'eckung Christi, das sich in seinen Erscheinungen vor denJÜDgem gleichsam ,geschichtlich' konkretisierte, incins gesetlt werden. (Zur
Geschichtlichkcit der Aufen\'ecklD'lg Jesu vgI. die durch G. Lüdemann, Die Auferstehung Jcsu. Historie - Erfahmng - Theologie, Stuttgart 1994 ausgelöue kontroverse Diskussion. )
110
Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulus
tologische Rettung aus der Hoffnungslosigkeit, als der unbegreifliche Übergang vom Tod in das Leben (vgl. Joh 5,24). Auf zweierlei Weise spricht Paulus von der Auferstehung Christi: indem er eine traditionelle ,Aufenveckungsformel' übernimmt'" oder mit eigener Begrifllichkeit redet. Im zweiten Fall benutzt er vonviegend Ableitungen der Vokabel ~ro~/~aro oder das Wort nl'a01(lCn~/ nv!o11]).l1 im Unterschied zu Bye(pro.'" a) Gott hat ihn von den Toten aufenveckt Wengst bezeichnet die vorpaulinisch geprägte Tradition, die nur die Aussage von der Aufenveckung Jesu enthält, als ,.Aufenveckungsformel".'" Sie begegnet dort, wo 'I1]oo(j~, XPI010~, der Doppelname oder ein auf ihn bezügliches Personalpronomen mit einer Fonn von Bydpro verbunden steht und Christus das Objekt der liyepol~ ist.'45 In ihrer vollständigen Fassung enthält sie den Zusatz BK vSKpiöv, doch kann sys!pro auch allein stehen."" Die Fonne!, als deren ,Sitz im Leben' Wengst die aramäisch sprechende Urgemeinde, näherhin deren Gottesdienst vermutet"', ist fonnal gesehen keine Paradoxie.'" Das frühe Bekenntnis zu Jesus, Öl' ijYSIPSV BK vSKpiöv (1 Thm 1,10), benennt schlicht das inhaltliche Paradox des Osterereignisses, ohne ibm rhetorisch Nachdruck zu verleihen. '" b) Er lebt aus Gottes Kraft InRöm 6,8.10; 14,9; 1 Kor 15,22; 2Kor4,10f; 13,4 und 1 Thm 5,10 benutzt Paulus die Vokabel ~Iiro/~ro~ (leben/Leben) und ihre Derivate 142 In
Vgl. Wengst, Formeln 27-48. Einen Sonderfall bildet Röm 10,7. wo Paulus im Kontext der Polemik gegen das Gesef1: mit der merkwürdigen WendWIg ,Christus von den Toten herauffuhren' (Xpu:rrov tK VEKPOOV aVI1Yl1yetv) aur die Auferweckung anspielt. - Traditionell (unpaulinischl ist das l\·rotiv der ,Erhöhung' (U1tßPU'VOOO'EV Phil 2,9). mit dem aber auch nichts anderes als die Auferstehung gemeint ist.
\." FomlcLn 27. m Röm 4,24.(25): 6,4.9: 7,4: 8,11 (biJl.(34): 10,9: I Kor 6,14: 15,(4).12.(13).(14).(15) (biJ).(I61.0 71.20: 2 Kor (4,14); (5,15); Ga! 1,1; 1 Thess 1,10. (In Klammem Stellen olme tK V&KPÖlV.) 146 So etwa in I Kor 15, wo wegen des Generalthema.1i Auferweckung das Verbum mehr· fach wiederholt wird. H7 Vgl. Fonneln 41-44. \48 Es fehlt die für fomuli.logische Paradoxa notwendige Simultaneität der Gegensätze: Sterben und AufenY'cckung Jesu waren zeltlich sukzessive Ereignissc. 149 Dies gilt prinupiell auch rur die Stellen, an denen durch paulinische oder vorpaulini· sehe Redaktion die sotenologisch gedeutete Todes- und Auferweck.ungsaussage 1U einer ,Pislisfonnel' 7.usammengefügt sind (vgl. Kramer, Christos 15-40): Röm 4,25; 8,84; I Kor 15,3f.; 2 Kor 5,15. VorpauHnlsch dUrften sein Röm 4,25 (Dahingabe und Auferweckung) und 1 Kor 15,3[ (Sterben und Auferweckung); in den paulinhichen Kontext cingepaßt sind Röm 8,34- (6 o:no9avwv,IIällov 8~ tyep96!c;) und 2 Kor 5,15 ('((~ \mkp au't'ii'lv ano9avov't'llCal EyEp9svn); vgl. Wengst. FOlmdn ·'7.92-104.
Theologische Paradoxien
111
zur Beschreibung der Auferstehung. Freilich hat der Apostel dabei in erster Linie das Auferstehungsleben der Gla.ubenden im Blick. Das Ostergeschehen wird an den oben genanten Stellen entweder nur indio rekt (Röm 6,8b; 1 Kor 15,22b; 2 Kor 4,lOb.llb; 1 Thess 5,lOb) oder im Hinblick auf die im Kontext thematisierte allgemeine Auferstehung erwähnt (Röm 6,\0; 14,9; 2 Kor 13,4). Paulus parallelisiert also die Auferweckung Jesu mit der der Christen''', indem er für beide den eschatologischen Begriff ,Leben' verwendet. Offenbar kann Paulus ~0)11 als totum pro pa.rte für ,Aufenveckung' benutzen.'" Die ~Q)~ ~oii 'IT\,mii (2 Kor 4,lOf.) ist für ihn die Vorbedingung unserer ~ro~; das Leben der Glaubenden ist die Frucht der Aufenveckung Christi.'52 An wenigen Stellen kennt Paulus auch das Wort avaCl~n
ISO
Ul
112
Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulus
hier handelt er selbst."'" Das Wort kann aber auch lediglich im Sinne einer "abgekürzten Diktion"'SO gebraucht sein, die den Irthalt der Auferweckungsformel zusammenfaßt, ohne sich sachlich davon zu unterscheiden.
2. Dw Rechl{trtigung des GottloJen , Wo aber die Sünde mächtig Wllrde, da UfUTde die Gnade
UbeTgr~.'
(Ram
5,20)
Tod und Auferstehung Jesu hat Paulus in seiner Rechtfertigungslehre theologisch verarbeitet.'" Einer ihrer Kernsätze lautet: ,Jetzt aber ist lll,abhängig vom Geset1. Gerechtigkeit Gottes offenbar geworden, bezeugt vom Gesetz und den Propheten.' (Röm 3,21) Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes ,abseits', ,ohne Zutun' (Xrop{<;) des Gesetzes stellt insofern ein paradoxes Ärgernis dar, als rur den Juden der V0I10<; selbstverständlicher Heilsweg war. 160 Dieser Heilsweg wird von Paulus hier nicht nur übergangen, sondern im Kontext sogar direkt venvorfen (V. 20).'61
Der folgende Überblick nennt solche Stellen, die die Botschaft von der iustificatio impü (Röm 4,5) als die Mitte des paulinischen Evangeliums auf paradoxe Weise zuspitzen. Daß Gott sich des Frevlers erbarmt. ist im Grunde noch kein Paradox 16'; Paulus erzeugt dieses je· doch durch die (kausalen, fmalen o. ä.) Verknüpfungen von Sünde und Gnade'''. welche auf eine bestimmte Relationalität beider Größen hlnm Wengst. Formeln 46. \SI Kremer, Art. n.va(Jta~ 220. Dafiir spricht etwa" daß nur in Röm 1,4 von der (rtaal~ VEKPOOV die Rede isti in den anderen drei Belegen steht das Absolutum. 1$9 Zu einer allgemeinen Orientierung über dieses Thema vgl. Becker, Paulus 376-39'1-; Stuhlmacher, Theologie 326-B42j Söding. Kreulcstheologie 57-60.
nva.-
160 Vgl. Strack-Billerbeck III 164. 161 Man beachte aber die dialek.tische Rolle des V0J.l.OC; in V. 21: Sowenig er das Instrument der lkKaloaUVfl BeoU sein kann, sosehr ist er doch ihr ,Zeuge' (XIDplC; V0J.l.0U -
~apt1Jpou~.V1lllno >aG v6~oo).
Entsprechend findet O. Hofius, ..Rechtfertigung des Gottlosen" als Thema biblischer Theologie, in: ders., Paulusstudien (WUNT 51), Tübingen 1989, 121-147 den Topos der Sache nach auch schon bei den Propheten Hosea, Jeremia und Deutero:Jesaja oder beim Jah\\lsten. Das ,Neue' liegt für Hofius darin, "daß Paulus die in der ,Schrift' verheißene und be7.eugte .Rechtrertigung des Gottlosen' im SUhne- Wld Versöbnungsgeschehen des Todes und der Auferstehung Jesu Christi voll7.ogen sieht" lebd. 146). In Der Einfachheit halber soll vom Zusammenhang \'on SUnde und Gnade gesprochen werden; für Gnade kann allerdings auch ,Gerechtigkeit', ,Heil', ,Bannherzigkeit' lL a. stehen. Damit ist der unterschiedliche theologische Ort dieser .Begriffe nicht geleugnet; gemeinsam ist ihnen jedoch der paradoxe Aussagegehalt, auf den es hier ankommt.
162
Theologische Paradoxien
113
weisen und so die eschatologische Dialektik der ,neuen Schöpfung' rum Ausdruck bringen. 1.. a) Die verborgene Beschneidung des Unbeschnittenen Am Ende von Röm 2 spielt Paulus mit den Stichworten ,Beschneidung' (lIEpttOI111) und .Unbeschnittenheit' (UKPOßucrt{u). Nachdem er in V. 25 von der zur UKPOßUcrt{u gewordenen 1lSpttOI1~ gesprochen hatte. kehrt er V. 26 das Bild um . .,Er liebt Paradoxien und formuliert daher - vielleicht ein wemg schief -: die Unbeschnittenheit wird ihnen als Beschneidung angerechnet werden. "I6' Das scheinbar logische Para· doxon 166 erklärt sich aus der äquivoken Zusammenstellung von ,ortho· doxem' und paradoxem (paulinischem) Verständnis der Begriffe Be· schneidung/Unbeschnittenheit: .orthodox' paradox Beschneidung = ,Unbeschnittenheit' aufgrund der 1tapaßa(Jt~ v61101) als Heilspdmip I61 V. 26 physische Unbeschnit= Beschneidung ,des Herzens im Geiste' (V. 29) tenheit als ,Gottferne""
v. 25
Paulus selber löst in V. 28f. die aus der Tabelle ersichtlichen begriff. lichen Äquivokationen auf. Dabei bietet er in V. 28 ein logisches Para· dox: 6 ev tq, q>avepq, ('Iol)lIaio~) - ou ... 'Iol)öui6~ EO'TtV. Formal aus· gedruckt: n rillt der Eigenschaft x = non-no Aber Paulus ist kein Logi· ker; ihm geht es um die rhetorisch wirksame Darstellung dessen, was letztlich vom Christusereigills her verstanden werden muß: die Loskettung des Heilswegs von Gesetz und Beschneidung und seine Eröffuung für die Heiden als das neue Israel, die ,wahren Juden'. b) Die Wahrheit Gottes in menschlicher Lüge Wenige Verse später, zu Beginn von Kapitel 3, werden nicht nur die Juden, sondern ab V. 5 wohl alle Menschen vorgestellt als in einer Art
Eine ander~ Art von ,Paradox', nämlich einen {scheinbaren} inrurpau/(nüchen Widtr~ JjmJch. behandelt R. Pregcant, Grace and Recompense: Reflections on a Pauline Paradox: JAAR 47 (1979) 73-96. Pregeant versucht, die Spannung zwischen paulinischen RechtftrttgungJ- und r'ergeltungJauSJagen (z. B. Röm 2,6.18) mit Hilfe der modemen Sprachphilosophie (Whitehead) zu erlclären. tU Kertelge, Röm 60. 166 Das Verbwn Aorto9t1ae-co.t verhindert eine Paradoxie im formal-logischen Sinne: ,anrechnen als' bedeutet keine Identität. Insofern sind die Gleichheitszeichen in der folgenden Übersicht etwas unpräzi!'ile. 167 Vgl. Kertelge, Röm 59. In "Der Nichtisraelit, der die Tora beobachtete, ... blieb vielmehr, eben weil er ein Unbeschnittener war, Air Gott ein Ferner und Fremder" <Strack-Billerbeck III 120). VgJ. Gal 2,15.
164
114
Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulus
,Rechtsstreit' mit Gott befangen.'" Der Ungerechtigkeit der Menschen steht Gottes Gerechtigkeit gegenüber.'70 Die nicht leicht zu verstehenden Fonnulierungen der Verse 5-7 scheinen Paulus in gewisser Weise von außen aufgezwungen zu sein, wie V. 8 zeigt. Paulus steht vor einem Dilemma. Einerseits hat er eine verleumderische Interpretation seiner Verkündigung abzuwehren: ,Laßt uns das Böse tun, damit das Gute komme!' (V. 8)111; andererseits muß er bei allem Festhalten an Zorn und Gericht (5b.6.7b) die befreiende Paradoxie konstatieren: Menschliche Ungerechtigkeit stellt die Gerechtigkeit Gottes heraus (V.5a), die Lüge des Menschen läßt Gottes wahrheit wachsen (V. 7a).'" öll<:atOmlVTl und 6pY1l (V. 5), M~eeta und Kp{(Jt~ (V. 7) Gottes stehen hier nebeneinander, ohne daß Paulus diese Spannung aufzulösen vennöchte. Die Aufhebung des Widerspruchs liegt verborgen in dem Autoritätsargument der Gottheit Gottes (V. 6).'" Der befremdliche Gedanke von 5,1-7 a trifft genau den paradoxen Zusammenhang, von dem die Rechtfertigung des Gottlosen handelt, wird allerdings hier nicht weiter präzisiert. Paulus geht es vor allem um die Bekämpfung der in V. 8 genannten extremistischen Fehlinterpretation seiner Verkündigung. Dadurch steckt er die Grenze ab zwischen Paradoxie und Absurdität: Sosehr menschliche Mtria und göttliche IltKatOmlVTl in einem geheirrmisvoUen Zusammenhang stehen, sowenig darf doch der Mensch bewt!fJI im Hinblick auf Gnade sündigen . • Dem Sünder erwächst aus dem Recht Gottes hein Recht, sich als Sünder zu begreifen und nun einfach in dieser Sünde zu verbleiben, sich also von Gott für immer losl.usagen. UI1 .1
c) Die mit der Sünde wachsende Gnade Der AbschnittRöm 5,12-21 stellt dem einen Menschen Adam, durch den Sünde und Tod in die Welt kamen, typologisch den einen Menschen Jesus Christus gegenüber, durch dessen Tat den Vielen Gnade 169
Zur Exegese "gI. Kerte1ge, Rechtfertigung 63-70; den., Röm 62-67; Wilckens, Röm I 160-170; H. Räisänen, Zum Verständnis von Röm 5,1-8: SNTU A 10 (1985) 95-108; R. Penna, La fumjone strutturale di 3,1-8 ndla lettera ai Romani: ßib. 69 (1988)
507-542. L10
6uCQloaUv118soG bezeichnet hier keine Eigensdlaft Gottes, sondern sie ist als ,aktive'
Gerechtigkeit "die eschatologische Erscheinung seiner richtenden Titigkeit gegenüber der sündig gewordenen Menschheit" (Kcrtelge, Rechtrertigung ~O). m Auch dieser Gedanke ist zweifellos ,paradox'. aber nicht im Sinne einer theologischen, sondern einer rhetorisch-funktionalen Paradoxie {siehe oben S. 78}; das glei172
che gilt fllr Röm 6,1.15. Die heiden Konditionalsätze V. 5a und 7a stehen im Indikativ, d. b. sie drücken eine echte. keine falsche VoraussetzW1g aus (gegen Michel, Röm 136f.l 39; vgL Kms, Röm 1 102-1011.
m VgL Kuss, Röm I 104. 114
Kertclge, Röm 65.
115
Theologische Paradoxien
und Gerechtsprechung zuteil wurden. '" Zwei Stellen sind in unserem Zusammenhang von Interesse. Röm 5, 16 stellt zwischen den Begriffen napalt~cbflata und xapt<1fla bzw. l)IKa{Olfla eine bestimmte Beziehung her: ,Die göttliche Gnade(ngabe)J76 (fühn) aus/aufgrund vieler Übenretungen wr Rechtfertigung.' Dem Sinn nach dürfte gemeint sein: Die Gnadengabe in Jesus Christus ist das Heilsmittel, das aus dem alten Status der Sünde heraus und in den neuen Stand der Rechtfenigung hineinfühn. Dabei sollte das I:K nicht zu sehr gepreßt werden. Selbst wenn durch BK die Übertretungen nicht nur als Ausgangspunkt (,aus ... heraus'), sondern auch als Veranlassung (,aufgrund') der Gnadengabe bezeichnet sind, darf aus dem Musa/en kein finaler Zusammenhang gemacht werden. Es ist paradox genug, daß Gott sich ,aufgrund vieler(!) Verfehlungen' als gnädig erweist. Es wäre absurd zu meinen, die Sünde dürfe von vornherein die Gnade intendieren (vgl. 3,8; 6,1.15). Gottes Gnade ist ein freier Akt seines Erbarmens, keine mechanische Reaktion auf die Sünde. 111 Röm 5,'20/ kann als eine der verdichtetsten Aussagen des Paulus zum Thema Gesetz, Sünde und Gnade bezeichnet werden. V. 20 faßt auf knappe Weise sowohl das negative'" als auch das positive Paradox zusammen. (V. 21 ist eine explikative Wiederholung von 20b.) Dem ,Niedergang' von 20a folgt auf dem Fuß in 20b der ,Aufstieg', der zumal alles Frühere überbietet. Graphisch stellt sich das folgendermaßen dar: Gnade Gesetz,
/
Übertretung/Sünde Sosehr durch den v6l1oC; das napalltOOlla blw. die
l7.S
116
Kapitel 2: ParadoxaJität bei Paulus
die Sünde stark wurde, wurde (zugleich) die Gnade überströmend.'''' Der folgende Vers 21 rückt die scheinbare Unmöglichkeit ins rechte Ucht: "Zwischen Sünde und Gnade hat ein Hemcllaftlwechsel stattgefunden""!, d. h. beide fallen keineswegs zeitgleich zusammen. Die Herrschaft der Sünde (SJ}llcr!ÄsUcrEV = Vergangenheit) wurde vielmehr abgelöst durch die Herrschaft der Gnade (ßacrlAeucrn = Gegenwart/Zukunft). Die antithetische Formulierung von V. 20 dient also nur der Verstärkung des inhaltlichen Paradox, das auch in V. 21 durch die Entsprechungspartikeln 6\cr1t&p - o(\~Ol<; Kill gegeben ist: Die Gnade wächst mit der Sünde. Die Paradoxie besteht hier nicht in einer psychologisch erlebten Verschränkung beider Mächte; Paulus geht es um das theologische Geheimnis des souveränen Erbarmens Gottes, das alles menschliche Vorverständnis übersteigt. d) Das Heil der Heiden durch die Übertretung Israels Das paradoxe Rechtfertigungshandeln Gottes wird in Röm 9-11 anhand der personalen Größen ,Israel' und ,Heiden' konkretisiert. Stark vereinfachend könnte man zusammenfassen: Die Sünde Israels ermöglichte das Heil für die Heiden. An verschiedenen Stellen seiner drei ,Israel-Kapitel' kommt Paulus auf diesen paradoxen Sachverhalt zu sprechen. In Röm 9,22f. stehen sich in einer metaphorischen Antithese zwei Gruppen gegenüber: ,Gef'aße des Zornes', die Gott bei aller Langmut ,zum Verderben bestimmt' hat (22)1", und zur Herrlichkeit vorherbestimmte ,Gef'aße des Erbarmens' (23). Der Kontext zeigt, wer jeweils gemeint ist: in V. 22 die in ,Unehre' gefallenen Juden (vgl. V. 21), in V. 23 das neue Gottesvolk aus Juden und Heiden (vgl. V. 24).'" Über diesen "für jüdische Ohren unglaublichen""< Gedanken hinaus, daß Gottes Erbarmen die Heiden mit einschließt, entsteht das eigentliche Paradox durch die verknüpfende Konjunktion fva: Gott ,trug in großer Langmut die Gef'aße des Zornes, die zur Vernichtung hergestellt waren, [und]'" damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit über die Ge180
Der gleiche Ort (oil> und die gleiche Zeit (zweimal Aorist = Vergangcnheiutempus) werden übereinstinuncnd fiir zwei kontradiktorische Gegensätze ausgesagt (c4Lop·t!a
- Xapl')' UI
182
Kertelge, Röm 113. Vgl. Michel. Röm 193. Der Sirm des Anakoluth ist nicht eindeutig. Die Auslegung hier folgt Wilckens. Röm
n 202-205; allerdings verkürzt Wilckens die flIlale Bedeutung des lva. 183 114
185
Daß in den heiden Versen zwei verschiedene Gruppen angesprochen sind, scheint aus V. 24. hervorzugehen (vgl. Wilckens, Röm II 208 gegen Kertelge. Röm 170). Kertelge. Röm 172. Die Heiden gaJten tO iftso als Sünder! (Vgl. Wilckens, Röm [] 211 sowie Ga! 2,15.) Das textklitisch unsichere Kai vor fva ist schwer verständlich. Einen interessanten. syntaktisch aber wohl doch W1wahrscheinlichen Vorschlag macht Siegert. Argumentation 132, der mit Ka( den Hauptsatz eingeleitet wissen will, die Periode aJso gar nicht für ein Anakoluth hält.
Theologische Paradoxien
117
fäße des Erbarmens kundtue .. .'. Das bedeutet: Aus der anolulll der einen erwächst die 86~1l der anderen. Konkret: Die Verwerfung Israels wurde von Gott in Dienst genommen für die Herrlichkeit der Heiden. Als Scluiftbeweis für das Vorangegangene zitiert Paulus in Röm 9,25j aus dem zweiten Kapitel des Propheten Hosea den 25. und den 1. Vers, deren oxymorische Formulierungen'" ihm offenbar als willkommene Argumentationshilfe dienen. Gott wird das ,Nicht-meinVolk' ,mein Volk' nennen (d. h. zu Gottes Volk erwählen; 9,25a = Hos 2,25) und die Nicht-Geliebte Geliebte (9,25b); die ,Nicht-mein-Volk' gewesen waren, werden am gleichen Ort zu ,Söhnen des lebendigen Gottes' berufen werden (9,26 - Hos 2,1). Gegen ihren urspriinglichen Sinn bezieht Paulus die Zitate auf das neue Israel, das wahre Gottesvolk aus Juden und Heiden {V. 24).'" Das Oxymoron von V. 25 (ou Äa6~ Iloll = A1l6~ IlOIl) unterstreicbt den auch diesen Versen zugrundeliegenden Gedanken: Gott spricht die Heiden gerecht. Das paradoxe Element liegt in der Schockierung des jüdischen Envählungsbewußtseins. Den gleichen Gedanken enthiUt Gal4,27, wo Paulus Jes 54,1 zitiert. Ähnlich wie in dem paulinischen Zusatz zu Hos 2,25 in Röm 9,25b wird dort das Volk des Neuen Bundes im Femininum Singular angeredet. Die Freude der
Unfruchtbaren, das Jubeln der nie in Wehen Gelegenen, die vielen Kinder der Einsamen spiegeln genau das gleiche Paradox wie Röm 9. Auch hier interpretiert Paulus die Schrift in seinem SiJme: Die deuterojesajanische Eschatologie des ,neuen Jerusaleml wird 7.um Symbol der lmiversalen Kirche aus Juden und Heiden.
In Röm 9,30j faßt Paulus die vorangegangenen Schriftzitate in eigener Sprache noch einmal zusammen. Antithetisch werden das positive (V. 30) und das negative Paradox (v. 31)1" kontrastiert. Dem ,Empfang der Gerechtigkeit' durch die Heiden steht Israels ,Nichtgelangen zum Gesetz' gegenüber. Zusätzliche Schärfe gewinnt die streng parallel gebaute Antithese durch das Motiv des ÖtolKElV. Es sorgt für die Paradoxie lS9 : il6V1j - ta Ilft ÖtolKOVta ÖtKlltocrUvllv - KllteAllpEv ÖtKllto<1l1V1jV 'Icrpa~A - ÖtolKCOV v61l0v ötKalocrUvll~ - EI~ V61.lOV OUK K
.16
1&7
Vgl. oben S. 40 oder auch S. 38 (alttestamentliche Paronomasien).
J. A. Battle, Paul's Use of the Old Testament in Romans 9,25-26: Grdce Theological J0WT1al2 09811 115-129 interpretiert dagegen Röm 9,25[. im gleichen Sinne wie Ho! 2. d. h. allein auf Israel be7.ogen. oben S. 95.
IBI Si~hc \89
Ein formal-logisches PaTadox wird verrunden durch die Verbronnen, die nur konträre, keine kontradi.ktorischen Gegensät7.e konstituieren.
118
Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulw
Die gar nicht nach Gerechtigkeit trachtenden Heiden haben Gerechtigkeit erlangt; Israel, das dem Geset,. der Gerechtigkeit nachjagte"', hat es gerade deshalb verfehlt. Es ergibt sich die erstawiliche Konsequenz, daß anstelle der Juden die Heiden Gerechtigkeit erlangt haben, was .vom Standpunkt jüdischer Soteriologie ... als völlig paradox und höchst ärgerlich""1 erscheinen muß. Doch .Paulus ist sich dieser ungeheuerlichen Paradoxie bewußt"m. Wieder sind es zwei Schriftzitate, mit denen Paulus seine provokante These verständlich machen will.'" Röm 70,79 zitiert Dtn 32,21: ,Ich will euch eifersüchtig machen auf ein Nicht-Volk, auf ein unverständiges Volk will ich euch zornig machen.' Die gerafft-enge Verbindung OUK ~8vo~ (c~-lt,) in 19a bedeutet soviel wie ,ein Volk, das (eigentlieb) kein Volk ist'I9'. Ebenso wie mit &8vo~ aauvE~o~ (19b) sind damit die Heiden gemeint, denen Gott seine Gerechtigkeit zuteil werden ließ (9,30). Die paradoxe Form des Oxymoron OUK 68vo~ versinnbildlicht dessen !Ur Israel paradoxen Inhalt. Erstmals wird aber durch das Motiv der Eifersucht (1t!IPU~l1A6O)) die unerhörte Hinwendung Gottes 7.U den Heiden etwas erhellt: Gott hat sein ausenvähltes Volk keineswegs aufgegehen (vgl. 9,6; 11,1f.), sondern .Gott tut etwas, was Israel anstößig ist, um Israel auf seinen Irrweg aufmerksam zu machen"I". Das Zitat aus Jes 65,1 in Röm 70,20 bedeutet. sachlich eine Wiederholung von 9,25f.30: Ausgerechnet den gottlosen Heiden, die sich um ihre Gerechtigkeit gar nicht bemühten, wurde Gott offenbar. Das Motiv der Unverhofftheil der göttlichen Offenbarung an die Völker verbindet den Vers mit Röm 9,30: Gerade von den nicht ilm Suchenden ließ sich Gott fmden, den nicht nach ihm Fragenden wurde er offenbar. Die Kontrastwirkung von EiJPE8~vUt - Il~ ~l1~Eiv und eIl'Pa.~~ YEvsa8ut -I..l~ B7tspco'täv ist enorm.l 96 Seine schönsten Paradoxien nimmt Paulus aus dem Alten Testament!191 v6J.L~
steht hier in seiner ursprünglichen, positiven Bedeutung: "Gerechtigkeit ist der Inhalt der Tora, sofern sie dem, der sie im Tun erfüllt, den Heilsstatl1s des Gerechtseins 1.Uspricht" (WiJckens, Röm 11 212 Anm. 944-). Zur negativen Konnotation des \'6~o~ bei Paulus kommt es durch die Sünde, die hier in dem 8U:OK6lV versteckt ist. 191 Wilckens, Röm n 211. 192 Ebd. Vgl. auch Siegert, Argumentation 141-143. I!lS Vgl Hofius, Evangelium 176 Anm. 5. 194 ",Nicht-Götter' und ,Nichtvolk' sind alttestamentliche Scheltworte in der Polemik." (Michel, Röm 335 Anm. 9) Vgl. Strack-Billcrbcck In 284f. 19S lt,'lichel, Röm 336. 196 Paulus muß das gespürt haben: Darauf deutet die merkwürdige ZitateiIdeitung 'Haar", a.o,oAjl~ hin. 191 Eine k.onsequent an den alttestamentlichen Zitaten ausgerichtete (methodisch nicht unumstrittene) Paulusinterpretation bictct H. Hübner, Biblische Theologie des Neuen Testaments. Bd. 2: Die Theologie des Paulus und ihre neutestamentliche Wirkungsgeschicbte. Göttingen 1993 (1., n. 806-820 zu Röm 9-10,
190
5.
Theologische Paradoxien
119
Rlim 11 bringt das ,mysteriöse' (V. 25) Verhältnis von Israel und Heiden am ausfUhrlichsten zur Sprache. Die Grundthese steht in Ilba und wird unter verschiedenerlei Gestalt in 12a.15a.19.30.32 wiederholt: Durch die Übertretung Israels kam das Heil zu den Heiden. '"~ Die Variationen des ab 11, 11 zugrundeliegenden Paradox seien der Deutlichkeit halber im Überblick dargestellt.
Juden 11ba 12aa 12ap 15a 19 30b 32
14> autrov 1tUpa7t'tcOJ,la'tt ~O 1tap6.lt~Oll1a alltt'iiv
~O ~H'1l1a au~iiiv aU~iiiv
'I! Ct1tOPOA~
/;~eKA6.cr9Tjcrav
KNi.öot
'tfi ~O\hOlV Ctlte19eiq.'" (.oU~ miv~~) e!~ a1telgelav
Heiden r, crOl~p{a
~oi~ gSvecrw 1tAoii~o~ K6cr~ou 1tAOU~O~ /;Sviiiv Ka~warTIK6crl1ou ~yiii /;YKev~plcreiii r,Ae~e'1~e (~ou~ lt6.V1~) /;Ae~crn
Der Befund ist also eindeutig: Die ,Übertretung' (11ba.12aa), das ,Versagen' (12ap), die ,Verwerfung' (15a) und der ,Ungehorsam' (30b.32a) Israels bedeuteten das ,Heil' (11ba), den ,Reichtum' (12aa.p), die ,Versöhnung' (15a) und das ,Erbarmen' (30b.32b) für die Heiden bzw. die Welt (12aa.15a). Mit dem Bild vom Ölbaum ausgedrückt: Die jüdischen Zweige wurden ausgebrochen, damit die heidnischen eingepfropft werden konnten (19). Hier wie in V. 32 steht das finale tVIl, das diesem Zusammenhang etwas Planvolles verleiht und so das paradoxe Element noch verstärkt (ebenso wie schon in 9,22f.).'" Andererseits wird diese Paradoxie in Röm 11 in zweifacher Hinsicht auch relativiert: dadurch, daß sie mit dem Stichwort 1tapa~'1Aoiiv aus 10,19 eine Erklärung erhält (V. 11.14); ferner durch den Hinweis auf ihren nur vorläufigen, nicht uneingeschränkt geltenden Aussagegehalt (V. 12.15). Im Motiv des ,Zur-Eifersucht-Reizens' (11.14) erscheint Gott als der große heilsgeschichtliche ,Zuchtmeister"O', dem es letztlich doch um das Wohl seines Volkes Israel geht (vgl. lf.lla.23f.26. 28.31b.32). Die Rettung der Heiden ist immer an Israel gebunden. Dies bestätigen die beiden Qal-Wachomer-Schlußfolgerungen in 12 und 15: Wenn schon die Sünde und Verwerfung der Juden Heil Rir die In Zur Exegese des Argumentatioruganges 11,11-82 vgl. Hofius, Evangelium 184-189; 199
fOO
201
umbrecht, Israel's Future 44-47. Aus dem Duktus der ParalleisteUen ergibt sich zwingend, daß -rft tOUtWV Q1t8,Odq. (30b) als Dativus instrumentalis, nicht etwa commodi l.U übersetzen ist (vgi. Michel, Röm 358; Wilckens, Röm 11 261; gegen KeTtelge, Röm 198). V. 81 enthält das gleiche Paradox, ebenfalls mit Iva fonnuliert: ,Sie sind lHlgehorsam geworden ... , damit auch sie Erbannen erlangen.' Gemeint sind hier allerdings allein die Juden: Pauills kann also offenbar das Paradox auch Israel-immanent anwenden, unabhängig von der Konstellation Juden - Heiden. Vgl. das Stichwort 1tQt8ttyCl)y6~ in Ga! 3,24f. Obwohl dort auf das Gesetz bezogen, l.eigt es, daß Paulus offenbar in ähnlichen Kategorien gedacht hat.
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Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulus
Heiden bedeutet haben, um wieviel mehr wird dann ihre eschatologische ,vollzählige Annabme' (1l1..1jpOllla/llp6cr1..TJIl1jI1S) auch die Heiden retten!202
Paulus will also keineswegs ein grundsätzlich gültiges Paradox des Inhalts ,aus der Sünde das Heil' im Sinne eines ,ex malo bonum' behaupten.'·' Wohl gibt es für ihn einen dialektischen Zusammenhang zwischen Israel und Heiden, bei dem das Heil der Welt an das auserwählte Volk gebunden zu sein scheint, sei es in dessen gegenwärtigem napamOllla oder endzeitlichem 1t1..1jpOlIla. Daß er auch dies nicht partikularistisch absolut setzt, zeigt V. 31: Das Erbarmen Güttes gegenüber den Heiden ist nicht schlechthin abhängig vom Verhalten der Juden, es wirkt sogar selbst zurück auf Israel. Ebenso wie die Heiden von der Sünde Israels ,profitieren', so kommt Israel - wenngleich seinerseits auf dialektischem Umweg'·' - das Erbarmen Güttes über die Heiden zugute. 20S
Der summarische Vers 32 macht deutlich: Der hermeneutische Schlüssel der Paradoxie liegt in der barmherzigen Gnade Gottes, die sich souverän über allen Ungehorsam von Juden und Heiden hinwegsetzen kann. Das IlUcr't~pIOV (vgl. v. 25) lautet: Es ist der gleiche Gott, der cruv6KÄelcrev 'tOUS Ilav'tas eis alleta81av und der 'tOUS Ilavtas EÄe1jcrn (V. 32).'·' Die Paradoxie gründet letztlich im Geheimnis des Willens Gottes, dessen Erbarmen jedoch immer das letlte Won behält. Deshalb bedeutet "das Geheimnis ... mehr als eine Paradoxie""'. e) Rechtfenigung und Glaube der Sünder Auch der Galaterbrief kennt den Zusammenhang von Sünde und Rechtfenigung, Sünde und Glaube. An zwei Stellen ist er paradox lUgespitzt. Der aus einem Konditionalsatz, einer rhetorischen Frage und deren Vemeinung bestehende Vers Gal 2,17 ist schwer verständlich.'·' 202 Das Heil (rrh.oüto<;;, lCa1all.a'Yl1l filr die Welt wird hier mit dem seinerseits paradoxen Ausdruck ~ron F.K VEKPCi)V umschrieben. '" Vgl. analog Röm 3,8: 6,1.15. 20t line!9'1oav .. " rva .. . UE."Sli)(Jlv. Siehe oben S. 119 Anm. 200. 20S Zur Vereinbarkcit dieser positiven Wendung filr Israel in Röm I1 mit dem harten Ausfall des Paulus gegen die Juden in I Thess 2,15f. vgl. T. Holtz., Das Gericht über die Juden und die Rettung gan1. Israels (I Thess 2,15f. und Röm Il,25f.l, in: K. Aland I S. Meurer (Hgg.l. Wissenschaft und Kirche (FS rur E. Lohse), Bie1efcld 1989, 119-1~1. 206 vgl. Siegel1, Argumentation 175: menschlicher Ungehorsam dient einem guten Zweck Gottes." Ir'
20r 20 ..
••
Michel, Röm 359 Anm. 17. Zur Flü1e der verschiedenen Auslegungsn1öglichkcitcn vgI. nur R. Dultmann, Zur Aus· legung ,'on Ca.12,15-18, in: Exegetica, hg. \'on E. Dinkler, Tübingen 1967, 394-399; Sch.1icr, Ga! 95f.; G. Klein, lndividuaJgeschicbtc und Weltgeschichte bei Paulus, in: Rekonstruktion und Interpretation. Gesammelte Aufsätze zum Neuen Testamenr
Theologische Paradoxien
121
Hier interessiert weniger das als abwegig zurückgewiesene Oxymoron Xpt(JtO~ aJ!apna~ IlUiKOVO~; (l7b)"', dem ein Vorwurf der Gegner zugrunde liegen dürfte'lO, als die erste Hälfte des Verses.
Paul~s behauptet in 17 a einen Zusammenhang zwischen dem Streben nach Ö"ca(Ol"L~
und dem ,Erfundenwerden' als o.IIUP'OlAOI.'" Was ist damit ge·
meint? Die einfachere LöslUJg wäre der Verweis auf die iu!;tificatio impü (Röm 4,5): Die Rechtfertigung des Gottlosen setzt natürlich voraus, daß
diescr Sünder ist. Dcr Alt des
~'1t.iv
nach Rechtfertigung stellt den alten
status peccatoriCi nur umso deutlicher heraus. Das Beieinander von Sünder~
und Rechtfertigtmgsexisten7. in 17a könnte dann im Sinne einer zeitlichen Sukzessivität gedeutet werden. 21z Der Nachteil dieser Erklärung liegt darin, daß mit ihr der überaus drasti~ sehe Vonvurf von 17b unverständlich bleibt: Warum ist Christus, wenn durch ihn die Sünder gerechtfertigt werden, Diener, d. h. doch soviel wie Förderer!U der Silnde? Jene harte Kritik verlangt vielmehr eine Deutung der im sl-Sat7. enthaltenen Konzession, die dem Einwand von 17b eher ent~
spricht. Diese kann in einem paradoxen Verständrus bestehen, bei dem &p.ap'tCllI..O~ sup{01Cs09at und 5lKaLoßcrSat nicht sukzessiv, sondern simultan aufgefaßt werden: •Wenn aber auch wir selbst trotz unseres Strebens, in
Christus gerechtfertigt zu werden, (zugleich) als SOnder erfunden ,vurden (und werden), ist dann etwa (- wie man sagt -) )Christus der Sünde Diener' Die Gegner korullen den paulinischen Christus nur dann als Handlan~ ger der Sünde verleumden, wenn sie die Sünde durch die paulinisehe Rechtfertigungslehre noch nicht grundsätzlich übenvunden saben. Paulus gibt in 2,17a diese paradoxe Koexistenz von Sünde und Gnade scheinbar zu. In fiir ihn abr:r keineswegs miteinander vereinbar; Sünde und Gnade schließen sich auch für Paulus radikal aus. ZJo'
'oVirklichkeit sind beide Größen
(BE\'Th 50), München 1969, 185-195; Mußner, Ga! 176f.; Bctl, Ga!atians 119f.; M. Badunann. Sünder oder Übertreter. Studien 1.ur Argumentation in Gal 2,15ff. (WUNT 59), Tübingen 1992. 25-30 (Überblick ober die Forschungspo~itionen); J. Lambrecht. The Line ofThought in Galarians 2,14b-21, in: ders., Pauline Studies (BETL 115), Leuven 1994-, 193-204; H:J. Eckstein, Verheißung Wld Gesetz. Eine exegetische Untcrsuchung zu Galater 2,15-4,7 (WUNT 86), Tübingen 1996.30-41. 209 Siehe dazu oben S. 78. 210 Vorausgesetzt sei hier. daß es sich bei den Gegnern des Pau)u~ im Galaterbrief um gesetzestreue Judenchristen handelt. VgL J. L. Manyn, A Law-observant Mission to Gentiles: the ßackg
2U
122
Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulus
Die provokative Fonnulierung hat den Sinn, das gämlich Unerhörte, Paradoxe der göttlichen Gnade, sprich der iustificatio impü oder vom Kontext her - des ohne Gesetzeswerke rechtfertigenden Glaubens (v. 16) herauszustellen. Paulus weiß um das ,Erfundenwerden' seines gesetzesfreien Evangeliums als Sünde seitens der Gegner; zugleich aber weiß er um die allein suffiziente Kraft des 3U
OIlSAv S\a",~p.\ SOUAOU ""P\O~ 1tavtrov oov), beschreibt die vorchristliche VersklaVWlg unter den v6~~ blw. die (Jtotxeia toß K6~ou. Auch hier geht es wn den nach Gerechtigkeit strebenden Menschen, der nach außen hin als ,Sklave', d. h. Sünder, ,erfunden' wird. Der Unterschied nvischen 4,1 und
2, 17 besteht im Zeitpunkt: Während 4, I vor dem Christus ereignis handelt und von den künftigen Christen, den ,Erben gemäß der Verheißung', spricht, meint 2.17 den nachcluistlichen Glauben.fiakt. Anstelle der paradoxen Simul· taneität von Rechtfertigung und Sünde in 2,17a enthält 4,1 eine zeitlich gestreckte Sukzessivität von SoßAo~-Erscheinung und (offenem) KUptO~-Sein.
Bei Gal 3,22 ist clie strukturelle und sachliche VelWandtschaft zu Röm 11,32 bemerkenswert, die durch das Prädikat cruveKMlcrEv und die Konjunktion rva angezeigt wird: Gal 3,22 (ciANl.)
Röm 11,32
~ ypllrp~
Ö ge6~
'tQmlVta
~ou~ 1ttiV11l~ el~ a.1ts{getCJ.v
\)110
(ylzp)
a.l!ap~{llv
lva ,; Eltayye1..ia EK lt(cr1ECll~ 'Il]croil Xptcr~oil 309fi
(2) H.e~crn
~o\~ mcr~EtSoucrlv
( I) ~ou~ !t6.v~~
Der Kontext des Galaterbriefes - Argumentation mit der Abrahamsgestalt, Rechtfertigung aus Glauben an]esus christus - bestimmt die Tenninologie von 3,22 (EltIlYYE1..(a, 1t{cr~I~) und sorgt gegenüber Röm 11,32 für eine leichte Akzentverschiebung: Nicht ,aller' erbannt sich Gott; nur ,den Glaubenden' wird die Verheißung zuteil. Dies ist Möglichkeit reclulct. daß man den Ursprung dieses Geschehens als den Urspnmg der Sünde sdbllt, Christus als Diener der Sünde, denwuieren kÖJmte . ... (Es bleibt) bei der scharfen Paradoxie .. " daß die, die von Natur aus keine lip.aptOlÄO( sind (15). zu solchen im Widerfalrrnis der Gnade allererst werden (17)." Jedoch entdeckt Paulus nicht einmal im Gesetz den Ursprungsort der Sünde (vg1. Röm 5,13); erst recht wUrde er niemals da.~ Christu"sereignis als Anlaß für die Sünde bC1.eichnen. Deshalb wäre
~s
dem neutestamentlichen Text auch unangemessen, hier das Luthersche Pa-
I'ildox des ,si.mul iustus el peccatoe' erkennen zu wollen, obwohl es in Gal 2,11 a schon recht nahcliegt.
Theologische Paradoxien
123
kein Zufall: Geht es im Gal um die Ahgrenzung von jüdischer Gesetzesobservanz, so bemüht sich Paulus in Röm 9-11 um die heilsgeschichtliehe Integration Israels. Gegenüber Röm mit dem doppelten ,o~ mlvtas erscheint die Paradoxie in Gal 3,22 schwächer, da die vollständige Reziprozität auf alle, d. h. auch die Juden, unterbleibt. Das Mysterium ist jedoch das gleiche: Die Schrift - hinter ihr muß mit Röm 11 der göttliche Wille gesehen werden - hat die Sünde in Dienst genommen, um die Verheißung, d. h. Geist und Gnade, zu schenken. Erneut darf aus dem finalen rva keine Monokausalität gelesen werden. Gottes Wirken ist frei; seine paradoxen Wege unterliegen keinerlei Notwendigkeit.
3. Fle;"ch u.nd Glaube ,Denn obwohl wir im Fle;"che wandeln, kämpfen wir nicht nach dem Fle;"ch•. ' (2 Kor 10,3) Die im folgenden zusammengestellten Aussagen sind eschatolog;.,cher und anthropolog;"cher Natur. Ihr Anknüpfungspunkt ist das Bv-XpunijiSein der Glaubenden, das nichts Geringeres als eine ,neue Schöpfung' darstellt (2 Kor 5,17). Die durch die Auferweckung Christi eröffnete und in der Rechtfertigungslehre theologisch reflektierte neue Wirklichkeit wird von Paulus umgesetzt auf das Feld der menschlichen Existenz. "Eine neue Kreatur ist der in Christo Seiende, weil er als ein in ihm Gestorbener und Auferstandener bereits der neuen Welt angehört."'" Das eschatologische ,Sein in Christus' ist jedoch geprägt von einer paradoxen Dialektik, für die der Kontrast von Tod und Leben oder - als dessen personalen Bezugsgrößen - von Mensch und Gott kennzeichnend ist. In der Sprache des Paulus handelt es sich um den Gegensatz von oap~ und 7rVtiilla (eher im ethischen Kontext: Röm 8, Gal 5) bzw. um die dialektische Verbindung von O'IlP~ und 1t{OtlS: ,Was ich aber jetzt im Fleische lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes .. .' (Gal 2,20). a) Leben im Tode Gemeinsames Merkmal der folgenden Aussagen ist der Gedanke, daß das eschatologische ,Leben', die endzeitliehe /;Oll\, schon in der Gegenwart wirksam ist."6 Christen sind Menschen, die ,aus Toten le21S
Schweitlcr, Mystik. 15. Schwciucr nennt diescs "Sein in Christo als ein Gestorbenund Auferstandensein mit ihm" we "Christusmystik" des Paulus (5 et passirn).
2IS Natürlich kelIDt Paulus neben ~Cl)n noch andere Begriffe fiir das gegenwärtige eschatologische Heil wie etwa li1.KalomlVIl, o(J)'tflp(a, XQp\1i oder &A.&u8epla. Die Beschränkung auf ~(a)~ erfolgt deshalb, weil es hier auf das durch den Kontrast von Tod Wld Leben entstehende Paradox ankommt.
124
Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulus
bendig geworden sind' (Röm 6,13).217 Auf dieser Basis kann Paulus das Gegensatzpaar ,Tod und Leben' allerdings mit unterschiedlichen Graden von Paradoxalität einsetlen. Zunächst erfolgt ein Überblick über Stellen, an denen die Dialektik von Tod und Leben in irgendeiner Weise relativiert bzw. sachlich oder temporal verleilt ist. Als Jorm,lh'!Jl' Wendung rur die Ganzheit christlicher Existenz und deren WechselfaIle, die vor dem Hintergrund der Eschatologie insgesamt relativiert erscheinen, steht die Antithese in Röm 8,38711 ; 74,7-92 19 ; 2 KOT 7,3 220 und Phil 1,20 "'. An manchen Stellen sind die Elemente ,Tod' und ,Leben4 je auf einen bestimmten Bereich eingeschränkt (Leib - Geistj SUnde - Gottj Gesetz-auferweckter christus). Röm 8,10: ,Der Leib ist tot wegen der Sünde, der Geut ist Leben wegen der Gerechtigkeit.' Hier ist ,Tod' eigentlich, also negativ verstanden.'" Andererseits Rihn 6,11: ,So sollt auch ihr euch begreifen als sol-
Im Einklang mit der biblischen Tradition gebraucht Paulus die Begriffe Leben und Tod nicht nur im wörtlichen. physischen Sinne, sondcrn auch übertragen als ttUchte des Heils oder Unheils (vgl. L. Schottroff, Art. ~ii>/~ro~: EWNT II (1981] 263). 2U Da ~Cinl hier bum als feindliche Macht interpretiert werden darf (gegen Schlicr, Röm 280), ist wohl anzunehmen, daß "mit dem Gegensatzpaar Tod-Leben einfach die ganze Spannungsbreite irdischer LebenswirkJichkeit im Blick steht" (Wi1ckens, Röm II 111). uo Man beachte den Kontext zur Relativierung anderer Werte wie der Kalender- und Speisevorschriften (Röm 14,6); Selb5t (physisches) Leben und Sterben (14,7f.), nach menschlichem Denken die fundamentalsten Gegebenheiten, haben sich ange~ichts des \10m K15plo~ Christus erwirkten wahren Lebens (14,9: umgekehrte Reihenfolge Tod-Leben!) rel3thiert. 220 Das <JUvcmoeaV6\V Kat ml~f1v dürfte allgemein. nicht christologisch 'Zu verstehen sein (vgl. die religionsgeschichtlichen Belege bei Bultmann, 2 Kor 179f.). G. Stählin. "Um mitzusterben und mitzuleben". Bemerkungen zu 2 Kor 1,3, in: H. D. Betz / L. Schottraff (Hgg.), Neues Testament und christliche Existem (FS rur H.Braun), Tübingen 1978. 5m~-521 deutet dagegen das O\)V- auf die Gemeinschaft von Apostd und Gemeinde mit Christus. Ähnlich (etwas abgeschwächt) J. Lambrecht, To Die Together and to Live Togcther. A Study of 2 Corinthians 7,3, in: R. Bieringer/ders., Studies on 2Connthiaus (BETL 112). Leuven 1994,571-587. 22\ Lohmeyer, Phil 57 erkennt hinter 1,20f. eine ,,Paradoxie, vor der die Frage nach Leben oder Tod relativiert erncheintl<. Vgl. sachlich auch phil4,12. 222 't0 ~lv 00011« V6KPOV 6U1 d:~ap't(av kann entweder negativ im Sinne eines Tun-Ergehen-Zusammenhangs gemeint sein (Sünde . . Tod) und dann in Antithese zu '[0 8& 1tvd~l,la ~Q)ii 6U1 61KctlOcruVllV stehen; oder der Vordersatz bezieht sich auf die Taufe und bezeichnet positiv-soteriologisch den /Ur d~ Sünde toten Leib (vgl. Röm 6,11), so daß er semantisch parallel zum Nachs3tt. wäre. Die meL'iten Kommentare bcfünvorten die l'weite l.ijsung. obwohl vom folgenden Vers 11 her (9Vfl'[Q crwlla'[a) auch eine dialektische Spannung \'on Tod und uben möglich erscheint. Diese ware um so paradoxer, als aWIlQ und 1tVSOI1Ct keine abgrenzbaren Einzclaspekte der Existenz darstellen, sondern nbeides, ,Leib' und ,Geist', ... den ganzen Menschen in einer je anderen Hinsicht" hezeichnen (Kertelge. Röm 144). Der Mensch als amllQ ist ganz tot und ruglcich als 1tVEÜlla ganz lebendig (vgl. den iilll1lich auszulegenden Gegensatz von .äußerem' und ,innerem' Menschen in 2 Kor 4,16). 711
Theologische Paradoxien
125
ehe, die tot sind für die Sünde, aber leben für Gott in Christus Jesus. '''' Ähnlich Röm 7, 4: •... ihr seid dem Gesetz getötet worden durch den Leib Christi, so daß ihr einem anderen angehört. dem von den Toten A vfenueckten.' VE1CPO~ .Tvat (6,11) Wld BavatCJJ!liivat (7,4) sind hier durch ihren Bezug auf Sünde Wld Gesetz im positiven Sinne gebraucht. Die komprimierte VerbindlUlg beider Konnotationen von ,Tod' enthält Gal 2.19; ,Ich bin durch das Geletr. tkm Gesetz gestorben. damit ich GoUlebe.'!24 Die Paradoxie dieses Verses2'75 liegt in der doppelten und in sich kontradiktorischen BedeutWlg des Ver· bums liniBavov: Das die Sünde in Kraft setzende Gesetz (vgl. Röm 5,20 u. ä.) fUhrte zum Tod des sym (vgl. Röm 8,10); auf der anderen Seite bewirkte das ,Mitgekreuzigtwerden mit Christus' (V. 19b) den Tod des Glaubendenj/lr das Gesetl (vgl. Röm 7,4.6). Während die Antithese von Tod und Leben in Röm 6,11; 7,4 je semantisch parallel ist, bezeichnet sie in Röm 8,10; Gal 2,19 eine paradoxe Dialektik. Ein Sonderfall ist 2 Kor 4, 72, wo Tod und Leben je verschiedenen Person,ngruppen zugeordnet werden. Eine Reihe von Stellen kennzeichnet eine zeitliche SukzesJiviläl von (vergangenem) Tod und (gegenwärtigem) Leben: Die ~(I)'" ist bereits Gegenwart. weil der e6.va'to~ in Christus überwunden, abgetan, besiegt wurde. d. h. yergangen ist. Die Paradoxie liegt bei diesen Aussagen in der Reihenfolge: EK vE"pibv ~ibvt~ (Röm 6,13) sind die Glaubenden, nicbt EK ~chVtOlV v."po~, wie es der Naturgesetzlichkeit entspräche. Verstärkt wird das Paradox in Röm 6.4.6; 2 Kor 5,15 durch die eine Notwendigkeit ausdrückende KonVgl. die Parallelität mit der christologischen Aussage im voraufgehenden V. 10. m Ga! 2,19 ist wohl einer der vieldeutigsten Vene bei Paulus überhaupt. Ohne die Farschungspositionen im einzelnen durchgehen zu können (vgl. den Überblick bei Bachmannt SUnder 65-67 mit Anm. 197-200), schälen sich vier verschiedene Interpretationen des liu\ v6J.loU - v6~cp altf.eavov heraus: 1. positiv - negativ ., .durch das Gesetz des Glaubens I des Geistes - rur Schmach dem Gesetz' ('1. B. Luthcr; jüdisch gewendet D. Flusser, "Durch das Gesetz dem Gesetz gestorben" (Gal 2.191:.Jud. 43 (19811 80-46) 2. negativ - negativ = ,das Gcset7. hat mich IlD' Einsicht gebracht, daß es mich nicht gerecht macht (1. Chr. K. von HofTnann (18721 z. St., zit. bei Schlier, Gal 99) - daher ist es für mich tot' a. positiv - positiv "" ,durch da:i Gesetz (inso[ern Christi Tod uns wgute letztlich Folge des Gesetzes war; vgl. Ga! 8,18; Röm 7,4) - dem Gesetz (d. h. der Sl1nde) gestorben' (z. B. Schlier, Gal98-10I) 4. negativ - positiv - ,durch das (rum Tod führende) Gesetz ge5torben (vgl. Röm ',10 u. ö.) - andereneil:l!l (in Christus) dem Gestlz gestorben' (z. B. Mußner, Ga! 119-181 J Die ersten heiden Deutungen fallen wegen ihres unpaulinischen Gesetzesbegriffs fort. Nurruner 3 ist sprachlich gesehen die glattere Lösung. muß aber stark die paulinische Theologie bemühen. Nummer 4 ist theologisch am einsichtigsten, bereitet aber sprachliche Schwierigkeiten. Es setzt voraus, daß Q1Il9avov als sogenannte.'i ,semantisch kompUziertes Zeugma' (vgl. Lausberg, Elemente 10M.) verstanden wird. Da Paulus die Rhetorik beherrscht, erscheint dies allerdings durchaus denkbar. m VgJ. Flusser, Gesetz 32: "Was auch das ,Sterben dem Gesetze durch das ~setz' immer bedeuten möge, eines steht fest: es ist eine Fonncl für die Paradoxie des Gesetzes bei Paulus."
223
126
Kapitel 2: Parn.doxalität bei Paulu5
jWlktion lva: Das HjnduTchgehen durch den Tod scheint fUl- das Leben unvenneidlich.
Röm
6,4
6,6
Vergangenheit
Gegenwart
Begrabenwo.-densein mit Christus durch die Taufe auf den Tod lvlitkreuzigung des
Wandel in der Neuheit des Lebens kein Dienen mehr
alten Menschen,
für die Sünde
Vernichtung des SUndenleibes 6,7
gestorben
von der Sünde losgesprochen
Tote
I Kor 2 Kor
6,13 15,M!: 5,l4f.
Ga!
5,17 6,15
Lebende Sieg die zum Leben Gelangten226 Leben für Christus neue Schäpfung neue Schöpfung
Tod Sterben (des einen Rir allel Sich-selber·Leben das Alte Beschneidung oder Unbeschnittenheit
In besonderem Maße paradox sind jedoch jene Aussagen des Pau· lus, die mit der Überschrift ,Leben im Tode' beschrieben werden kön· nen. An diesen Stellen wird die gegenwärtige Existenz der Christen oder (häufiger) des Apostels zum gemeinsamen Schauplatz von Tod und Leben in einer dialektischen Gleich7.eitigkeit. Beide Mächte stehen hier als Leiden und Trost, Bedrängnis und Freude, Schmähung und Lob etc. in dialektischer Koexistenz eng beieinander.'" Wegen ihrer Vielzahl seien auch sie in einem tabellarischen Überblick zusammengestellt.
n6
Vgl. Bultmann, 2 Kor 154-.
721 Zw~ifellos
bestehen bei den Aussagen dieses Typus lließende übergänge zu dem
kreuzcstheologisch begründeten Paradox des ,Rühmens der Bedrä.ngnisse' (siehe oben S. 102-106): vgl z. B. Röm 8,35-39; 2 Kor 4,U, und 6,4-10 mit 1 Kor 4,9-13: 2 Kor 11,23-29 {Peristasenkatalogel, Der Unterschied ist gering, aber doch erkennbar. Bei den kreuzestheologischen Paradoxien werden die Peristasen durch Umwerlung selbst als etwas (auch) Positives bezeichnet (1 Kor 4; 2 Kor 11); im Widerfahmis von Tod und Leben geht es dagegen wn das dialektische NeheneinandeT bcider Größen (Röm 8; 2 Kor 4; 6). Einmal spricht Paulus "om ,Rllhm der Bedrängnisse' (Röm 5,3), das andere Mal vorn ,Trost trolz unserer Bedrängnis' (2 Kor 1,4l. VieUeicht wird der Unter!ichied anschaulich durch einen Blick auf die analoge Struktur der Christologie: Das im Kreuustod lesu eröffnete Heil ist, obwohl eng damit yed:nüpft. nicht identisch mit der seirltn Tod Uherwlndenden Aufen\·eckung. Kreuz und Auferstehung, Soteriologie und Eschatologie sind, sosehr sie ein einziges Geschehen betreffen, doch verschiedene Aspekte desselben. Eine parallele Unterscheidung macht Paulus aur dem Feld der menschlichen Existenz.
Theologische Paradoxien
,Tod'
Röm
1 Kor
2 Kor
8,35-39 Bedrängnis, Not, Verfolgung, Hunger, Blöße, Gefahr, Schwert, Tod 4,12 geschmäht verfolgt 4,13 verleumdet 1,4-10 Bedrängnis, Leiden, Last, Verzweiflung, Todesurteil, Tod 4,7 tönerne Gefäße 4,8 bedrängt ratlos 4,9 verfolgt niedergeworfen 4,10 Herumtragen des Sterbens Jesu 4,11 Überlieferung in den Tod 4,12 Tod 4,16 Vernichtung 6,4-7 Bedrängnisse, Nöte, Ängste, Schläge, Mühen, durchwachte Nächte, Fasten
6,8
6,9
6,10
7,4 7,6 8,2
Schande Schmähung Betriiger unbekannt sterbend gezüchtigt betrübt arm nichts habend alle Bedrängnis die Gebeugten große Bewährung der Bedrängnis
,Leben' Liebe Gottes in Christus Jesus
segnen aushalten gut zureden Trost, Heil, Ertragen, Hoffnung, Vertrauen, Rettung Schatz nicht erdrückt nicht verzweifelt nicht verlassen nicht vernichtet Offenbarung des Lebens Jesu Offenbarung des Lebens Jesu Leben Erneuerung Geduld, Reinheit, Erkenntnis, Langmut, ungeheuchelte Liebe, Wort der Wahrheit, Kraft Gottes, Waffen der Gerechtigkeit Ehre Lob wahrhaftig wohlbekannt siehe: wir leben nicht getötet allezeit fröhlich viele reich machend alles besitzend Zuversicht, Rühmen,
Trost, Freude tröstend Übermaß der Freude
127
128
Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulus
tiefe Annut Gal phil
10,3 2,20 1,21 3,10
I Thess 1,6 2,2 3,7
im Fleische im Fleische Sterben Gemeinschaft seiner Leiden, gleichgestaltet seinem Tode große Bedrängnis "iel Kampf alle Not und Bedrängnis
Reichtwn der Lauterkeit nicht nach dem Fleische im Glauben Leben Macht seiner Auferstehung Freude Heiligen Geistes Freimut Trost
Alle angeruhrten Aussagen durchzieht der Gedanke: In der Gegenwart sind gleichennaßen ,Tod' und ,Leben' am Werke, obwohl sich beide Größen doch gegenseitig ausschließen. Zwar behält die ~ro~ grundsätzlich die Oberhand, ist der eavato~ ,verschlungen in Sieg' (I Kor 15,54); gleichwohl entfaltet er aber auf vielfaltige Weise noch Wirkung.'" Offenbar denkt Paulus das Leben nicht ohne Tod, wie auch die Auferweckung Jesu nicht ohne Kreuz gedacht werden kann. Zusammen mit der These setzt Paulus die Antithese. Es scheint so, als sei gerade diese Dialektik charakteristisch rur das paulinische Denken. 2 !9
b) Mensch und Gott Eine besondere Spielart der mit ,Fleisch und Glaube' überschriebenen eschatologischen Dialektik bei Paulus ist auch aus der späteren Gnadentheologie bekannt. Sie kann vielleicht als das anschaulichste Paradox im anthropologischen Bereich bezeichnet werden. Gemeint ist das Phänomen eines - nicht häretisch verstandenen - ,Synergismus' von Mensch und Gott.... der sich mehr oder weniger deutlich schon bei Paulus ausmachen läßt"': Sosehr der Mensch eine ernstzunehmende. eigenverantwortliche Größe darstellt, sosehr ist er zugleich doch ganz und gar verwiesen auf Gott, der ihn allein durch seine 221 "Der Kampf ist kein Scheingefecht, obwohl der Ausgang - paradox genug - schon fCl'itsteht.'" (Schneider, Eigenart 125) ". Ygl. ebd. 121-125. 2'0 .. In einem rtchtgläubigen Sinn kann S. bedeuten, daß der Memch in Freiheit sein Heil wirken muß, in Freiheit die angebotene Gnade Goltes annimmt oder ablehnt u. in diesem Sinn als ,Partner' Gottes, als ,Mitaroeiter' Gottes in einem ßundesverbältnis mit der Gnade (u. anderem Tun Gottes ,nach außen') ,mitwirkt' (0 797 814),&1 (K. Rahn«. Art.•Synergismus": LThK' IX [1964) 123Il UI Immerhin taucht das Verbum (J\)vepY6
129
Theologische Paradoxien
Gnade zu allem Tun befähigt (vgl. 1 Kor 12,6). Paulus kann diesen Gedanken auf die geschichtliche Vielfalt der Menschen anwenden, auf das menschliche Erkenntnisvermögen oder auf sein apostolisches Amt. Überall wirken Gott und Mensch ,zusammen', freilich nicht in einer quantitativen Komplementarität, sondern jeweils ganz auf der je eigenen Ebene. G. Bornkamm bringt dies auf die paradoxe Formel: "Weil Gott al/es wirkt, darum habt ihr alles zu tun."'" Im Grunde liegt hier nichts anderes vor als die für Paulus charakteristische Dualität von Indikativ und Imperativ.'" Die Christen sollen das in die Tat umsetzen, was ihnen von Gott her bereits geschenkt ist; sie sollen ,werden', was sie schon ~sind'. 2'4 In Rom 12,5; 1 Kor 3,22f.; 1 Kor 12,3-27 und Gal 3,27j. wird die christliche Existenz in ihrer irdisch-geschichtlichen Vielheit beschrieben, die dennoch als der eine Leib Christi bzw. in dem einen Geist Gottes eine Einheit bildet.'" Man könnte vom Paradox der ,vielfaltigen Einheit' sprechen. Röm 12,5: 1 Kor 3,22f.:
I Kor 12: Gal 3,27f.:
die vielen Paulus, Apollos, Kephas, Welt, Leben, Tod, Gegenwart, Zukunft = alles euer die vielen Charismen die vielen Glieder Jude und Grieche, Sklave und Freier, Mann und Frau
ein Leib in Christus ihr = Christi = Gottes
der eine Geist der eine Leib Christi einer in christus
1 Kor 8,2f.; 7 KOT 13,12; Gal4,9 und phi! 3,12 sind der Struktur nach ähnliche Aussagen, die auf einem rhetorisch \virksamen Wortspiel beruhen. Das gleiche Verbum (YIVWcrKOl bzw. MIlßavOl) wird zunächst im Aktiv, dann im Passiv gebraucht und veranschaulicht so das Verhältnis von menschlicher und göttlicher Ebene.
m Der Lohngedanke im NT, in: Studien zu Antike und Urchristentum. Gesammelte
Aufsätze ßd.
n (ßEvTh28), München '1963, 69-92, 91.
m Zu den verschiedenen Lösungsversuchen dieser Dualität "gI. Särung, Liebesgebot
28-34. %,. Eines der "iden Beispiele fiir das Nebeneinander von Indikativ und Imperativ bei Paulus ist das 6. Kapitel des Römerbriefes. Von einem (,synergistischen') Paradox ist aber nur dort 1U sprechen. wo, wie 7.. D. in Phil 2,12f., aus dem Nebm- ein bulnander wird. m J. L. Martyn. Apocalyptic Antinomies in Paul's Letter to the GaJadans: ms gl (985) 410-424 weist auf die apolw./yptiIche Herkunft dieser Vorstellung hin (Gegensätze des alten Äons - Einheit der Neuen Schöpfung).
130
Kapitel 2: Paradoxalität bei PauJus
1 Kor 13,12: Gal4,9:
venneintliche Erkenntnis'" des Menschen zukünftiges Erkennen Erkannthaben Gottes -
Phil3,12:
Ergreifenwollen
1 Kor 8,2f.:
Erkanntsein von Gott Erkanntwordensein Erkanntwordensein von Gott Ergrilfensein des Apostels von christus
Tieferer Sinn des rhetorischen Spiels ist der: Allem menschlichen ErkelUlen und Tun geht das umfassendere Handeln Gottes voraus, nämlich dessen erwählendes Erkennen'" bzw. das Ergrilfensein von Christus'''. Allein dieses in Gott begründete Sein ennöglicht das Tun des Menschen. Weitere Belege für das ,synergistische' Paradox von Mensch und Gott sind Röm 15,18; 1 KOT 3,6.11; 5,4; 11,12; 15,10; 2 Kor 5,20; Gal 5,25; phi! 2,12f und 4,13. durch mich (2) wirkte Christus (I) Röm 15,18: 1 Kor 3,6: ich pflanzte. Apollos Gott ließ wachsen begoß (einen Grund legen) 1 Kor 3,11: (der gelegte Grund: Jesus Christus)'" I Kor 5,4: ihr und mein Geist zusammen mit der Kraft unseres Henn Jesus I Kor 11,12: die Frau aus dem alles aus Gott Mann I der Mann durch die Frau zusammen mit mir (2)1 Kor 15,10: die Gnade Gottes (1) durch uns (2) mahnt Gott (I) 2 Kor 5,20: GaI5,25: dem Geist folgen (2) im Geist leben (1) m Paulus spielt hier wie auch in Kapitel 13 wahrscheinlich auf die Gnosis in Karinth an; vgl. Schmithals. Gnosis 134-136.215.219; Conzdmann, I Kor 175f.279. Nicht menschliche yv{tunc;, sondern 6:yan:'1 ist die rechte kOlTe!ilpondierende Haltung zum ~m
,Erkanntsein' von Gott. Vgl. Th. Söding, Gottcsliebe bei Paulus: ThCl 79 (1989) 219-242, 228-232; den., Liebesgebot 116-118. Vgl. Conzelmann, 1 Kor 176.
m Gnilka, Phil198 denkt bei 5,12 an die Damaskwstunde. m Die negath'c Fonnulierung ,einen anderen Grund kann niemand legen' könnte man zunächst so interpretieren, daß Paulus jegliches menschliche Mitwirken an der ohmSOjl~ Gottes (V. 9) ablehnte. Doch zielt Paulus hier darauf ab, die Absurdität eines andtrtn Grundes Rir eine christliche Gemeinde als Jesus Christus herauszustellen. Der Kontext (3,6-10.12-14) leigt, daß Paulu5 keineswegs grundsätzlich die menschliche Mitarbeit am göttlichen Werk ablehnt. - Fonnal handelt es sich bei dem Ausdruck BEjlt"-lOV ... BElVat ... tcdp&vov um ein Oxymoron.
131
Theologio;che Paradoxien
Phi! 2,12f.:
Phi! 4,13:
Abmühen um das eigene Heil mit Furcht und Zittern alles vermag ich
Gott der Bewirker des Wollens und Wirkens"· durch den, der mir Kraft gibt
4. H'!!J..ung auf Rettung ,Den.. die gegenwärtige leichte Last "'l.!erer Bedrängnis verJchajJt uns in maßlosem Übermaß ci.. ewiges Gewicht an Herrlichkeit. ' (2 Kor 4, 77) Neben der dialektischen Gestalt der eschatologischen Gegenwart zwischen ,Fleisch' und ,Glaube' kennt Paulus den Ausblick auf die endzeitliche Vollendung der neuen Schöpfung.'" Das bestimmende Motiv dafür ist die Hoffnun~ Angesichts der Auferweckung Christi hoffen die Christen auf eine allgemeine Auferstehung von den Toten, auf endgültige Rettung ,aus dem gegenwärtigen bösen Äon' (Gal 1,4) und dem ,kommenden Zorngericht' (1 Thess 1,10). Im Begriff der Hoffnung sind Gegenwart und zukunft dialektisch vereint. a) Auferstehung der Toten Die direkteste Aussage dieses Typs ist das Bekenntnis zur Auferstehung der Toten, wie es zentral in I Kor 15, aber auch an zahlreichen anderen Stellen der paulinischen Briefe begegnet. Gewiß war der Glauhe an eine endzeitliche Auferstehung von den Toten schon zur Zeit der jüngeren Schichten des AT verbreitetm, ausgeprägt dann in der frühjüdischen Apokalyptik"'. Paulus aber ist es, der jenen Gedanken einer allgemeinen Auferstehung mit dem christlichen Bekenntnis zur Auferweckung Jesu durch Gott verknüpft: Christus ist die cmuPXTt ~iiiv KEKOlj1TUltVCllV (I Kor 15,20); durch ihn, den einen Menschen, "Ein seltsam paradoxer Satz! lVie reimt sich der Imperativ ,schaffet . . . 1' zusammen mit der Botschaft des Paulus. daß die Rettung im Evangelium von der ilLflificotio sola grttlia lU'lS aufgetan Lo;t?" (Bomkamm. Lohngedank.e 91) 141 Dabei ist 7.U berück.o;ichtigen, daß oftmals heide Aspckte nicht 1clar zu unterscheiden sind. da limit der (alwVloc;) ~(J)Tl bald das zukünftige Gut bezeichnet ist, bald das gegenwärtige Leben ... , oft beides eng miteinander verschlungen". (R. Bultmann, Art. ~"'I~"~ Kl'. E.: ThWNT 11 [1935J 8111 Grundlegend für die Eschatologie ist der Zukunfts- und Hoffnungsaspekt. ,Präsentischc' &chatologie meinl dillUl - davon ausgehend - das .Hineinragen' der Zukunft in die Gegenwart. das endgOltige Bestirnmtsein der Gegenwart durch die Zukunft. '" Vgl. Jes 26,19; Dan 12,2.13; E, 37,1-1~; Ho. 6,2; 2 MaJck 7,9.14; 12,~3[ 'l4! Vgl. das Material bei H. Strack I P. BiUerbeck. Kommentar 7.l1m Neuen Testamcm aus Talmud und Midrasch. Bd. IV: Exkurse zu einzelnen Stellen des Neuen Testaments. Abhandlungen zu.- neutestamentlichen Archäologie, München 1928, 1166-1198.
240
132
Kapitel 2: Paradoxalitat bei Paulm:
kommt die Auferstehung der Toten (V. 2 J). Das vergangene Ostergeschehen erweist sich als das bleibende, eschatologische Ereignis, weIches die endzeitliche Auferstehung erst ermöglicht. Umgekehrt betont Paulus gegen seine korinthischen Gegner'" die Denkvoraussetzung einer allgemeinen Auferstehung am Ende für die Auferweckung Christi (I Kor 15,12-16). Das Osterkerygma greift also gleichermaßen auf die alttestamentlich-apokalyptischen Traditionen zurück, wie es sie in einem neuen Licht erscheinen läßt. Für einen hellenistischen Menschen war der Gedanke der Auferstehung ohnehin fremd.'" Paulus spricht auf verschiedene Weise von der endzeitlichen Totenauferstehung: - Er gebraucht direkt die Vokabeln (e~)ava()'~aOl~ (Röm 6,5; 1 Kor 15, 12j21.42; phi! 3, 11), av(()'~a()'9al (1 Thess 4,16)'" oder (e~)äyel pElV (1 Kor 6, 14; 15, 15j29.32.35.42-44.52; 2 Kor 1,9; 4,14). - Er gebraucht ~aOl/~Ol~ oder deren Derivate. Röm 4,17: Gott, der die Toten lebendig macht; Röm 6,8: Mitsterben mit Christus - Mitleben mit ihm; Röm 8,11: Gott macht die sterblichen Leiber lebendig; RiJm 11,15: Leben aus den Toten""; 1 KOT 15,22: Alle werden in Christus lebendig gemacht werden; 1 KOT 15,36: Der Same wird nicht lebendig, wenn er nicht stirbt"'; 7 KOT 15,45: der letzte Adam als lebendignlllchender Geist; 2 KOT 5,4: Das Sterbliche wird vom Leben verschlungen; 2 KOT 73,4: Leben mit Christus aus der Macht Gottes'''; 1 Thess 5,10: Leben mit Christus, der für uns gestorben ist. - Er gebraucht metaphorische Antithesen: Verderben - UnverderbIichkeit (1 KOT 15,42.50.52-54), Schmach - Herrlichkeit (V. 43a) , Schwachheit - Kraft (V. 43b), psychisch - pneumatisch (1'.44.46), 244 Deren Parole lautete wohl: dvootQmc; VEK'ProV OU,.. fanv (J Kor L5,12) . ... Vgl. A. Ocpkc. An. ~vl,,'t1Ull
4,14) meint ebenfalls die Auferstebung. Zum Kontext siehe oben S. 1J 9f. Warum Pautus ausgerechnet diesen Ausdruck für die endgültige XtLtai.Aan K60J.1oU
133
Theologische Paradoxien
erster - letzter Adam (V. 45), erster - zweiter Mensch (V. 47), irUnsterblichkeit disch himmlisch (V. 48f.), Sterbliches (V. 53/).250
b) Leiden, um verherrlicht zu werden In einer Reihe von Aussagen geht es nicht unmittelbar um das Ende des Lebens und die Auferstehung der Toten. ,Tod' ist /Ur Paulus auch alles gegenwärtige Leiden (Röm 8,18), alle Nichtigkeit (Röm 8,20), Schwachheit (2 Kor 13,4) und Niedrigkeit (Phi! 3,21); ,Leben' bedeutet die Rettung ,aus solchem Tode' (2 Kor 1,10) in der künftigen Herrlichkeit (Röm 8,18). Das ,Sterbliche', das ,vom Leben verschlungen wird' (2 Kor 5,4), bedeutet also die ersehnte umfassende Rettung aus aller gegenwärtigen Not, auf die der Apostel wie jeder Glaubende hofft_ ,Tod' und ,Leben' erscheinen in diesem Sinne als zwei entgegengesetzte Mächte, die in verschiedenen Ausprägungen Gestalt annehmen. Trotz der zeitlichen Differemierung bringt Paulus auch hier diametrale Gegensätze zusammen, die sich im Schlüsselbegriff der Hoffnung paradoxa! verdichten: tii yap iÄ,,(1)\ ecrw911118V (Röm 8,24). Die iÄn!~ verbindet die Gegensätze von Leiden und Herrlichkeit (8,17f.l, ,Seufzen' und Erlösung (8,22f.l, indem sie einerseits Rettung schon konstatiert (icrw9T)118vl, andererseits als Hoffnung per defmitioncm noch keine Er/Ullung bedeutet"'. Die Hoffnung antizipiert die Zukunft in der Gegenwart, obgleich sich Gegenwan und Zukunft doch gegenseitig ausschließen. Der Begriff ,Hoffnung' an sich stellt im Grunde schon ein Paradox dar - das kürzeste Paradox des Paulus. 252 Folgende Gegensatzpaare, explizit oder implizit vermittelt durch das Motiv der Hoffnung (oder ein Äquivalent), bringt der Apostel in einen dialektisch-eschatologischen Zusammenhang: Gegenwart
Vermittlungs-
Zukunft
instanz
Röm 4,18 gegen die Hoffnung 8, I 7 Mitleiden mit Christus ~uo
auf Hoffnung hin Mitverherrlichtwerden
Für emen Bezug dic!ier Antithesen auf die Auferstehung. nicht etwa die Präexistenz spricht der Kontext von Kapitel 15 (vgl. E. Schweizer, Art. 1tVEfiJ.1Cl x'tA.! ThWNT VI
[19591 411f.: Conzelmann. I Kor 353). UI
7.S2
Vgl. die rhetorische Paradoxie (negative dutlnetio) in 24b; tJ.ntr;li~ j}ÄEnop.lVll (,erflillt gesehene Hoffnung') OUIC eanv um~. Formalisiert gesprochen: n mit der Eigenschaft x ist gleich non-no Daraw folgt: n und x sind inkompatibel. über den Zusammenhang der duistlichen Hoffnung mit der Paradoxie des Kreuzes \'gl. K. Kertelge, Rechenschaft über die Hoffmmg. die in uns ist, in: 1'. R. Petcrs jTh. Propper j H. Steinkamp (Hgg.), Erinnern und Erkennen. Denkanstöße aus der Theologie ,·onJ. B. Metz. Diisseldorf 1999, 136-140 (zu 1 Petr 3,15).
134-
Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulus
8,18 Leiden 8, 19f. Nichtigkeit
Herrlichkeit Offenbanmg der Söhne Gottes 8,21 Knechtschaft Freiheit der des Verderbens Herrlichkeit der Kinder Gottes 8,22f. Seufzen, Erstlingsgabe Sohnschaft, In-Wehen-Liegen des Geistes, Erlösung unseres Warten Leibes 8,24-f. (Rettung) ...... Hoffnung ...... Rettung Nichtsehen Warten in Geduld Sehen 2 Kor 1,10 solche(r) Tod(e}'" Hoffnung Rettung 4,17 Bedrängnis ewiges Gewicht an Herrlichkeit 5,1 irdisches Haus von Gott; Zelthaus nicht von Händen gemachtes, e"~ges Haus in den Himmeln Überkleidetwerden 5,2 Seufzen Sehnsucht mit der Behausung aus dem Himmel 5,3 (irdisches Haus) bekleidet"" (mit dem himmlischen Haus) Überkleidetwerden 5,4 Seufzen, Bedrückung Sterbliches Leben ebendazu bereitet 5,5 AngeId des (- Überkleidung, Geistes Leben) 5,6 Fernsein vom Getrostsein Herrn 5,7 Glauben Schauen Getrostsein, Daheimsein 5,8 Liebenvollen beim Herrn Warten Hoffnung
m Zur Textkritik siehe unten S. SM Arlm. 401 und S. 854 Arun.406. 254 ßv8uO'ailEVot mit der Mehrheit der Textzcugen
Zusammenfassung
5,9
Gal
Femsein (vom Henn) \3,4 Schwachsein in christus 1,4 gegenwärtiger böser Äon 4,19 Geburtswehen
phil 3,21 Leib der Niedrigkeit
\35
Daheimsein (beim Henn)'" Leben mit ihm aus der Kraft Gottes Herausgerissenwerden Gestaltgewilln Christi Gleichgestalt mit dem Leib der Herrlichkeit Christi
Am Rande envähnt seien einige Sonderflllle, in denen Paulus nicht Gegen-
wart (Not) und Zukwlft (Herrlichkeit) gegenüberstellt, sondern die Dialektik von Drangsal und Befreiung insgesamt in die Zukunft verlegt. Zu nennen wären hier I Kor 3,15; 10,12f.; 1 Thess 1,\0 und 5,2-5. Während in 1 KOT 10,121 die noch bevorstehende ,Versuchung' und ihr von Gott gleichzeitig gewährter ,Ausweg' wohl auf die Gemeindesituation zu deuten ist2.SIi, geht
es bei der Rede vom ,Gerettetweden so wie durch Feuer' (1 KOT 3, 15), ,Entreißen aus dem kommenden Zom(gericht)' (1 TheJJ 1,10) und ,Tag des Herrn' (1 Th,n 5,2-5; vgl. Röm 2,5.16; 1 KOT 1,8; 3,13; 5,5; 2 KOT 1,14; PM 1,6.10; 2,16) um Geschehnisse der eschatologischen Endzeit. Paulus greift hier wohl traditionelle (1 Kor 3,15 persische [? J2S7 j 1 Thess 1,10; 5,2-4 altte-
stamentlich-apokalyptische) Motive auf, die er mit dem Gedanken der Parusie Christi verbindet. Vor dem endgültigen Heil steht die ethische Bewähnmg im ,Feuer' des Gerichts.
Zusammenfassung Das Kapitel 2 dieser Arbeit hat gezeigt, daß es sich bei den paulinischen Paradoxien um ein mehrschichtiges Phänomen handelt, das verschiedene Annäherungen erfordert. Eine grundlegende Gliederung ergab sich auch rur Paulus durch die Unterscheidung eines rhetorischen (A) und eines theologischen (B) Zugangs zu seinen Paradoxien. Bei ersterem wird der Aspekt des Paradoxen von dessen sprachlicher Gestalt her dermiert. Bei der zweiten Gruppe steht der Inhalt der Aussage im Blick; die paradoxe Wirkung erklärt sich hier aus dem theologischen Gedanken. Bei den rhetorischen ParadoxiCll (A) wurde mit H. Lausberg nach Art der Stilfiguren zwischen zwei Gruppen unterschieden, den ,Wort-' und 25.5
Oder umgekehrt: Daheimsein (im Leib) - AusgezogensC'in (aus dem leib); vgl. Bultmann, 2 Kor t·Hf.
Vgl. Lietzmann·Kümmd, KOI" 47; Conzelmann, I Kor 207. m Vgl. Lieumann-KÜlnmel, Kor 17. 256
136
Kapitel 2: Paradoxalität bei Paluus
den ,Gedankenfiguren'. Unter die erste Gruppe fallen die Figuren Periphrase, Paronomasie, Negative dislinclio tmd Zeugma. Gedankenfiguren dagegen sind Oxymoron, Chlasmus, Hyperbel, Ironie (dissimulatio/ simulatio) und rhetorische Frage. Das Material der theologischen Pa.radoxien bei Paulus (B) wurde gemäß ihrer je erkennbaren Gnmdstruktur in zwei Typen, eine ,kreuzes-
theologische' tmd eine ,eschatologische' Aussagengntppe unterteilt. Analog zum Doppelcharakter des Ker)'gmas von Tod und Atiferstehung Christi ergaben sich einerseits Aussagen, die direkt oder indirekt vom SkandaIon des Kreuzes her zu deuten sind (I) , andererseits Stellen, die vor dem Hintergrund der eschatologischen ,neuen Schöpfung' verstanden werden können (II), Die kreuzestheologischen Paradoxien (I) kennzeichnet das Grtmdmuster einer provokanten Umkehrung eines bestehenden Vorverständnisses in sein Gegenteil. Dies geschleht bei Paulus auf mehreren Feldern. Die erste Gruppe betrifft den Tod Christi selbst, das schockierende Faktum des Kreuzes und seine soteriologische Deutung (I). Die zweite Gruppe enthält diejenigen Aussagen, die - angesichts des Kreuzes (vgl. Gal 3, I 0- I 3) - das jüdische Gesetz mit Sünde, Fluch und Tod in Verbindung bringen und Israels Heilspartikularismus in Abrede stellen (2). Die dritte Gruppe schließlich weiß den an Christus glaubenden Menschen in das Kreuzesgeschehen mit hlneingenommen (3). Dies führt bei der Gemeindeparänese zu einer paradoxen Werteverscruebung, besonders aber bei der Selbstvorstelllmg des Apostels wr paradoxen Umdeutung seiner zahlreichen Leidenserfahrtmgen ins Positive. Zu dieser Gruppe gehört auch das Theologumenon, dem die sachliche Antithese ,Nicht ich, sondern Gott' zugrtmdeliegt. Das Grtmdmuster der eschatologischen Paradoxien (IJ) besteht in einer dialektischen Antithetik von scheinbar unvereinbaren Gegensätzen. Auch dieses Muster tritt in verschiedenen Ausprägungen zutage: als Kerygma oder theologische Reflexion, in simultaner Spannung oder zeitlicher Streckung der Gegensätze. Den Ausgangspunkt bildet hier die Botschaft von der Auferstehtmg Christi, welche die eschatologische Neuheit der Schöpfung begründet hat (I). Die paulinische Rechtfertigungslehre steht Pate bei einer Reihe von Aussagen, in denen der Apostel einen paradoxen Zusammenhang von Sünde und Gnade, Israel und Heiden erkennt, durch den sich die Offenbarung der universalen Gerechtigkeit Gottes vollzieht (2). Die markantesten Beispiele eschatologischer Paradoxien fmden sich bei einem Aussagetyp, ftlr den die paulinische Verbindung von ,Fleisch' und ,Glaube' (vgl. Gal2,20) stehen kann (3). Es geht dort um
Zusammenfassung
137
das dialektische Beieinander \'on Tod und Leben, Leiden und Trost oder auch Mensch und Gott, das die Gegenwart der neuen Schöpfung ironitten der ,sarkischen' Welt charakterisiert. Schließlich sind als letzte Gruppe diejenigen Aussagen zu nennen, für die das Stichwort ,Hoffnung' ausschlaggebend ist (4): Die Zukunft der neuen Schöpfung ragt als Hoffnung auf Leben, Rettung und Herrlichkeit dialektisch schon in die leidvolle Gegenwart hinein. Ziel von Kapitel 2 war ein erster, allgemeiner Überblick über die Paradoxien bei Paulus. Im Mittelpunkt standen die theologischen, d. h. sachlich relevanten Paradoxien, denen bei Paulus zweifellos das Hauptgewicht zukommt. Als vorläufiges Ergebnis bleibt festzuhalten: Es gibt zwei Grun4figuren theologischer Paradoxien, die ,kreuzestheologlsdl' und ,eschatologisch' genannt werden können. Ihre Wurzeln sind Tod und Auf erstehung Christi. Von diesem Kerygma lassen sich alle Ausprägungen der beiden Typen ableilen. Im weiteren Fortgang der Arbeit gilt es nun, dieses Ergebnis exegetisch tu profilieren. Gegenstand der folgenden Einzeluntersuchungen sind solche Textstellen, deren paradoxer Charakter besonders ins Auge fallt. Sosehr die Erhebung einer Paradoxie letltlich immer auch vom subjektiven Empfmden des Lesers abhängt"', so ergeben sich im Anschluß an Kapitel 2 doch Passagen, für die sich diese Kennzeichnung geradezu aufdrängt. Dabei scheint es kein Zufall, daß die im Anschluß lmtersuchten Texte übenviegend den Bereich der apostolischen Existenz zum Gegenstand haben. Die Paradoxalität des Evangeliums vom gekreuzigten und auferstandenen Sohn Gottes wurde von Paulus am stärksten dort empfunden, wo sie ihm persönlich widerfuhr - an der eigenen Existenz. Wo der Apostel - als Paradigma des Glaubenden'" - mit seiner ganzen Existenz in das Geschehen von Tod und Aufenveckung einbezogen wird, übersetzt und verschärft er das christologische Kerygma in das Paradox vom Ruhm der Schwachheit oder in die Dialektik von Tod und Leben. Die apostolischen Paradoxien bilden den Gipfel des Phänomens ,Paradoxalität' bei Paulus. Entsprechend sollen daher folgende sechs Textzusammenhänge exemplarisch für die Denkform der Paradoxalität bei Paulus untersucht werden: 1 Kor 4,9-13; 2Kor 1,3-11; 4,7-12; 6,8-10; 11,21b-12,10 und phil 3,7-11. Auffallig ist die Dominanz des 2. Korintherbriefes, andererseits das Fehlen der theologischen Hauptschreiben an die Römer und Galater. 251
Hg
Diese Unschärfe ist das henneneutische Gnmdproblem der vorliegenden Arbeit. Eine geisteswissenschaftliche Beschäftigung mit dem Phänomen des Paradoxen stößt notgedrungen früher oder später a.uf Grenzen der Exaktheit. Zu diesem Problem siehe lUtten S. 322-324.
138
Kapitel 2: Paradoxalität bei Paulw
Diese Tatsache wird erklärlich vor dem situativen Hintergrund der einzelnen Briefe: Während sich Paulus in Korinth und Philippi stark mit persönlichen Gegnern auseinandersetzen und sein Apostelamt verteidigen muß, liegt ihm im Röm und Gal vor allem an einer grundlegenden Darstellung seiner Theologie. 26' In Anlehnung an die Einteilung von Kapitel 2 sollen die Texte in zwei gesonderten Kapiteln ausgelegt werden. Kapitel 3 behandelt die Stellen, denen das kreuzestheologische Paradox der ,Kraft in der Schwachheit' zugrunde liegt (l Kor 4,9-13; 2 Kor l1,2Ib-12,10; phil 3,7-11); in Kapitel 4 geht es um die eschatologische Dialektik von ,Tod und Leben' (2 Kor 4,7-12; 6,8-10; 1,3-11).'·' Die Reihenfolge der Auslegung orientiert sich an der wahrscheinlichen Chronologie der Abfassung.'·'
250
261
'l6'2
Im Galaterbrief, der ja auch nicht gerade konfliktfrei ise, fehlt das Element der persönlichen Selbstverteidigung des Apostels. Im übrigen hat Kapitel 2 gezeigt. daß auch Röm und Gal beachtliche Paradoxien enthalten (vgl nur Röm 5,20f.; 1: 8,3; 11; Gal
2,17.19f.; 3.13: 6,14). Dabei L~t nicht übersehen, daß die Übergänge 7.wischen heiden Theologumena an manchen Stellen fließend sind (siehe aber oben S, 126 Anm. 227). VgI. den komensfähigcn Entwurf von Th. Söding. Zur Chronologie der pauliniscben Britfe. Ein Diskusliiionsvorschlag: BN 56 (1991) SI-59, G, Lßdemann, Paulus, der Heidenapostel. Bd. I: Studien zur Chronologie (FRLANT 123). Göttingen 1980 vertritt in etwa dit:selbc Reihenfolge. jedoch eine erhebliche Früherdatienmg sämtlicher Briefe ("gI. die Übersicht 272r.).
Zweiter Teil: Textauslegungen Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit Die schon bei Jesus beobachtete paradoxe Umkehrung der irdischen Wertmaßstäbe' begegnet bei Paulus, kreuzestheologisch gewendet, neben zahlreichen anderen Belegen besonders eindrucksvoll in drei Textzusammenhängen: gegen Ende des ersten Hauptteils des 1. Korintherbriefes (1 KOT 4,9-13); in der sogenannten ,Narrenrede' des 2. Korintherbriefes (2 Kor 11,21b-12, 10); schließlich im zentralen Stück des sogenannten ,Kampfbriefes' an clie Philipper (Phi/ 3,7-11). Im Mittelpunkt steht hier die ,Schwachheit' des Apostels und deren paradoxe Proklamation.
A. Die Apostel als Abschaum (1 Kor 4,9-13) I. ÜBERSETZUNG
V. 9 Ich meine nämlich: Gott hat uns, die Apostel, zu Letzten gemacht, wie zum Tode Verurteilte; denn ein Schauspiel sind wir geworden für die Welt, für Engel und Menschen. V. 10 Wir sind Toren um Christi willen - ihr aber klug in Christus; wir sind schwach - ihr aber stark; ihr seid vornehm - wir aber ver· achtet. V. 11 Bis zur gegenwärtigen Stunde hungern wir und dürsten wir wld sind nackt und werden mißhandelt und irren unstet umher V. 12 und plagen WlS ab mit der Arbeit der eigenen Hände; als Geschmähte segnen wir, als Verfolgte halten wir aus, V. 13 als verleumdete reden wir gut zu; gleichsam Unrat der Welt sind wir geworden, ein Abschaum aller, bis zum gegenwärtigen Augenblick.
I
Siehe oben S. 66f.
140
Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
Ir. ANALYSE
1. Kontexl a} Der weitere Kontext: I Kor 1-4 Der kleine Abschnitt I Kor 4,9-13 steht im letzten Viertel des ersten Hauptteils des 1. Korintherbriefes, den die meisten Kommentare in den Kapiteln 1-4 (genauer 1,10-4,21) erkennen.' Durch das Thema ,Parteiungen in der Gemeinde' sind die ersten vier Kapitel von den übrigen Teilen des Briefes abzugrenzen; zwar geht es auch im folgenden um konkrete Probleme der Gemeinde, doch werden dort andere Fragenkomplexe behandelt (Kap. 5/6: sittliche Mißstände; Kap. 7-I 0: Probleme der christlichen Lebensführung; Kap. 11-14: im Bereich des Gottesdienstes aufgekommene Fragen; Kap. 15: die Auferstehung der Toten). 1 Kor 1,10-4,21 bildet eine thematische. darüber hinaus aber auch sprachlich-atmosphärische Einheit: "I Corinthians 1-4 shows a rhetorical unity. Here Pau! writes as a ,rhetorica! poet' using the !anguage of affiiction ..."' Umstritten ist die nähere Einschätzung des Charakters der Kapitel. Während Plank in Kap. 1-4 einen doppelten Kontext apologelücher und homiletischer Art vorzufmden meint - einerseits wehre sich Paulus gegen korinthische Kritik, vor allem an seiner acr9svsm, andererseits suche er die Korinther an die ihrer Berufung gemäße acr9svelu des Kreuzes zu erinnern -', erkennt Fitzgerald in I Kor 1-4
:I
Vgl. Conzelmann, 1 Kor 6; FascheT. 1 KOT VIIf.; Klauclc., 1 Kor 13f.; Lang, KOT 4;
SchTagc, 1 Kor 90.128; MerkJein, I Kor 98; EbneT, Leidenslisten 20; Schiefer Ferrari, Sprache 178-182. Diese Arbeit geht da,'on aus, daß im Gegensatz zu 2 Kor fiir den kanonischen I. Konntherbricf trotz gewisser Spannungen im Text eine Teilungshypo. these nicht zwingend erforderlich ist. "gI. da1.u Conzelmann, I Kor 16( (Vorstellung
verschiedener literarkritischer Hypothesen); Fascher, 1 Kor 42-44 (Vorstellung der Analyse von Schmithals, Gnosis); Lang, Kor 6r.; Schrage, 1 Kor 53-7li Merklein, 1 Kor 46-48; etwas inkonsequent Klauck, 1 Kor 11 (es gebe erhaltene Teile eines ,Vorbriefs' , doch soUe dies keinesfall:r; 7.um Angelpunkt der Auslegung gemacht werden). l K. A. Plank, Paut and the Irony of Aflliction (SBL Semeia Studies), Atlanta 1981, 12. Die auf eine Dissertation von 1983 zurückgehende Monographie Wltersucht die Funktion der ,paradoxen Ironie' in 1 Kor 4,9-J3 und deren Bezug rur ,rhetorischen Situation' zwischen Apostel und Gemeinde in Kap. 1-4. Plank bietet wertvolle, wenngleich kritisch zu überprüfende Beobachtungen hinsichtlich der Bedeutung des Paradoxen in den Leidcnsaussagen des Paulus (siehe unten S. 147-149). - Vgl. auch M. Pöttner, Realität als Kommunikation. Ansätze 7.ur Beschreibung der Grammatik des paulinischen Sprechens in 1 Kor 1,4-4,21 im Blick auf literari'iche Problematik. und Situationsbe7.ug des 1. Korintherbriefes (Theologie 2), MÜßster/Hamburg 1995. (Diese Arbeit konnte nicht mehr berücksichtigt werden. Die Seiten B18-851 bei Pöttner behandeln den Abschnitt I Kor 4,6-18.) • Vgl. Plank, Paol 12-3 I.
1 Kor 4,9-13
141
"primarily a letter of admonition"'. "The interpretation of 1 Cor 1-4 primarily in terms of an apolog)' cannot be sustained. . . . the main problem Paul is addressing in I Cor 1-4 is intra-communal strife, not tension between himself and the community."' Für die letztere Einschätzung eines vorwiegend paränetisch-parakletischen Charakters des ersten Hauptteils spricht schon formal die Rahmung durch ltapaKaÄÖi ... UJl.~ in 1,10 und 4,16'; aber auch atmo· sphärisch legt der selbstbewußte Ton speziell der Kapitel 3 und 4 eher eine Überlegenheits- als eine Defensivposition des Paulus nahe. Das Bild des seine unmündigen Kinder belehrenden, ja notfalls züchtigenden Vaters (3,1[; 4,14-16.19-21) oder auch der souveräne Gebrauch der Ironie in 4,8.9[ können kaum mit einer ,Apologie' in Einklang gebracht werden. 8 Es handelt sich vielmehr um eine grundlegend ansetzende Ermahnung der in die Krise geratenen Gemeinde durch die apostolische Autorität ihres Gründers.' Die vier Kapitel können folgendermaßen gegliedert werden": I.
1,10-17
11.
1,18-2,16
Ill.
3,1-23
IV.
4,1-21
Ausgangssituation: Parteiungen in der Gemeinde Theologische Belehrung: Das Wort vom Kreuz als die verborgene Weisheit Gottes Anwendung (grundsätzlich): Einheit der Gemeinde in Gott! Anwendung (speziell): Orientierung an den Aposteln!
Thematischer Ausgangspunkt sind Spannungen innerhalb der korinthischen Christengemeinde, die zu Spaltungen und Gruppenbildungen geführt haben 0,10-17).11 Durch diese ihm ,von den Leuten der Chloe' (1,11) mitgeteilte Situation sieht sich Paulus veranlaßt, in einer 5
Fitzgerald, Cracks 111.
'Ebd. 128 Arun. 28. I Vgl. Merklcin, 1 KOT 108. a Dies gilt um so mehr. wenn man die einschlägig apologetischen Passagen des in einer verschärften Situation entstandenen 2. Korintherbriefs damit vergleicht. 9 Diese Einschätzung wird bc,;tätigt durch die rhetorische Studie von 1\-1. M. MitcheU, Paul and the Rhetoric of Reconciliation. An Exegetical Investigation of the Languagc and Composition of 1 Corinthians (HUTh 28), Tübingen 1991, die. ausgehend von 1,10. den gam.en 1. Korintherbrief als "Deliberative Rhetonc" (""~VOt; OUIlßooAEunxov) versteht. l'\"(itcheU zufolge ist 1.18-4,21 der erste Beweisgang zur 1tp6escnr; in 1.10. LO Anders dagegen Merklein. 1 Kor 001-)107. IL E. Schwan. Wa's Weisheit ist, ein Tor 1.U sein. Zur ArKumentation von 1 Kor 1-4: WuD 70 (1989) 219-235 hä.lt besonders die ,Apollosgruppe' für relevant, die er hinter der in Kapitel 1 und 2 vorawigcsctzten weisheitlichen Christologie vermutet.
142
Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
ausführlichen Abhandlung die Korinther an die theologischen Grundlagen seiner Verkündigung zu erinnern, nämlich das Wort vom Kreu,_ als die Kraft und Weisheit Gottes 0,18-2,16)_ Das dritte Kapitel mit seinem Wiederaufgreifen der Parteinamen Paulus, Apollos und Kephas einerseits (3,4-6,22; vgl. 1,12() sowie der Stichworte Itveii~ll/7tVe\)J1Il ~\1co( (3,1.16; vgl. 2,4.10-15) und des Gegensatzes O'Ofp{ll- J1Olp(1l etc. (3,18-20; vgl. 1,17-27.30; 2,14) andererseits zeigt, daß beide Komplexe, situative Mahnung und grundsätzlich-theologische Untenveisung, eng aufeinander bezogen sind. Im vierten Kapitel geht Paulus speziell auf die Stellung und Vorbildfwlktion der Apostel ein (4,1-16) und kündigt angesichts der Krise seinen baldigen Besuch an (4,17-21). b) Der unmittelbare Kontext: I Kor 4,6-16 Der Abschnitt 4,9-13 kann aus inhaltlichen und formalen Gründen als vom Kontext abgrenzbare Einheit betrachtet werden. Thematisch zeigt sich das daran, daß nicht mehr die Korinther, sondern Paulus bzw. ,die Apostel' im Mittelpunkt stehen. 12 Die direkte (4,1.5.6) bzw. rhetorisch-ironische (7f.) Paränese der Gemeinde wird abgelöst durch eine Beschreibung der eigenen Situation_ Formal sind die Verse durch das yap in V. 9 als Begründung des Vorausgehenden gekennzeichnet. l ' Ebenso deutlich ist nach V. 13 ein Einschnitt gegeben, indem Paulus ab V. 14 auf eine reflexive Ebene springt und die Fwlktion des Gesagten (~llii~ll) für die Korinther darlegt. Die Analyse der Kapitel 1-4 des I Kor hat ergeben, daß diese in erster Linie als ein malmender Appell des Apostels an die in Parteien zerspaltene Gemeinde gelesen werden müssen. In besonderer Weise wird dies bestätigt durch Kapitel 4, das den engeren Rahmen der Verse 9-13 bildet. Könnte man evtl. in den ersten fünf Versen des Kapitels einen ,apologetischen' Passus erkennen I<, so sind die Verse 6-8 vor sowie 14-16 nach der Perikope eindeutig als adhortativ-paränetisch '.u bezeichnen_ 15 Dieser kommunikative Charakter und die Inhalte des unmittelbaren Kontextes sollen kurz überprüft werden. Das mahnende Element innerhalb der drei die Perikope vorbereitenden Verse 6-8 stellt sich auf je verschiedene, klimaktisch gesteigerte 12
IS
It
\5
Nur in Vers 10 taucht Ujlstt; (als dreimalige Antithese zu "'1l6i~) auf. Auch das Fehlen einer weiteren Hauptsatzkonjunktion im folgenden deutet auf die Einheit des Absclmitts hin. Vgl. Plank, Paul 13f. Dagegen spricht freilich die Gelassenheit (lJlol SE eh;; eÄAiXH1tOV Eonv, V. 3), mit der Paulus auf eine mögliche Beurteilung seulcr Person durch die Korincher rcagiclt. Er kann dem getrost entgegensehen. denn die von ihm allein akzeptierte Richterautorität ist der .ruP,lOC; (v. 4). Im übrigen geht er SChOll in V. 5 wieder zum offensiven Imperativ über (J.1" 1tpO 1CßlpOÜ 'tl "plvtte . .. ). Vgl. Fit7.gerald, Cracks 117-128, der den mahnenden Chara1c.ter des unmittelbaren Kontextes beonders an den Ver5en 6 und 14 festmacht.
143
1 Kor 4,9-lg
Weisel' dar. Greift Paulus '.unächst im Ton einfacher Belehrung auf "ein in Karinth bekaIUltes Schlagwort"17 zurück, das er einerseits zu seinen vorhergehenden Äußenmgen über Apollos und sich, anderer· seits ZU den Korinthern in Beziehung setzt (V. 6), so schließt er im dialogischen Stil der Diatribe drei an ein unbekanntes ,Du' gerichtete rhetorische Fragen an (V. 7), um schließlich "einen schneidend·ironisehen Ton anzuschlagen"U, der die rhetorische Steigenmg der Sequenz auf einen Gipfel treibt (V. 8). Inbaltlich geht es zunächst nach wie vor um das Problem der Spaltungen und die damit verbundene ,Wichtigtuerei' (qmmoüa6ut) einzelner (6E); in Vers 8 weitet Paulus seine Kritik aber auf die Grundhaltung der Korinther aus, die den eschatologischen Vorbehalt zugunsten eines hochmütigen Gegenwartsverständnisses aufgegeben haben. l' Im Anschluß an die Verse 9-13 stellt Paulus sich sogar ausdrucklich als ,Mahner' vor (VOU9S1ÖlV 14; llapmcaMi 16). Zwar redet er die Korinther als ,geliebte Kinder' an (14) und unterscheidet zwischen ,ungezählten Eniehern' und sich als dem einzigen ,Vater' der Gemeinde (15), doch schließt das ein ,pädagogisches' Selbstverständnis ja nicht aus. Im Gegenteil: Auch eine väterliche Mahnung ist Paränese, lediglich - aber vielleicht noch wirkungsvoller - ,in Liebe und im Geist der Sanftmut', nicht ,mit dem Stock' (vgl. 21), der eigentlich den llUtOuyOlyo{ vorbehalten ist. Die vor allem um das ,Atmosphärische' zwischen Apostel und Gemeinde bemühten Verse 1·1-16 laufen inhaltlich auf die eine Aufforderung hinaus: 11111111U{ 110U y(vsa6s (V. 16). Dies aber kann nur auf9-13 zuruckzubeziehen sein. Die Korinther sollen sich denjenigen Paulus zum Vorbild nehmen, der sich ihnen zuvor präsentiert hat: den leidenden Apostel. Als Ergebnis bleibt festzuhalten: 1 Kor 4,9-13 steht in einem durchweg paränetischen Textzusammenhang, der das korinthische Problem der Spaltungen und die darin sichtbar werdenden tieferen Fehlhaltungen der Gemeinde thematisiert. Ähnlich wie die gnmdsätzliche Belehrung 1,18-2,16 Antwort auf die in 1,10-17; 3,1-23 angesprochene Situation geben will, so ist im kleineren Rahmen 4,9-13 integraler Bestandteil der Zurechtweisung von Kapitel 4. Zwischen dem Zusammenhang von situation,bedingter Malmung und theologischer Belehrung im Gesamt des ersten Hauptteils (Kapitel 1-4) sowie der Stellung von 4,9-13 im engeren Kontext besteht denmach eine gewisse Analogie: " Vgl. Plank. P.ul 45. 17 Lang. Kor 63. Die Herkunft und Bedeutung von
'to Jl~
ÜJtf:P H ytrra.n'tal (V. 6) ilit
allerdings rätselhaft. I. 19
K1auck. 1 Kor 37f. vgl. Conzelmann. 1 Kor 114f.; KJauck, 1 Kor 38; Lang, Kor 64; Schrage, 1 Kor 338-840.
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
I Kor 4,6-16 sind gleichsam repräsentativ fiir den Makrotext der Kapitel 1-4."
2. Struktur Eine Gliederung von I Kor 4,9-13 ist nicht ganz einfach." Schwierigkeiten macht dabei weniger die Zuordnung der einzelnen Elemente als die Bestimmung ihres jeweiligen rhetorischm Charakters. I. V. 9 Die Apostel auf dem letzten platz (Ironie/Paradoxie)
I. 2. 11. V.
IIl. V. 1.
2.
3.
9a These: Apostel als Letzte 9bc Metaphorische Erläuterung a) 9b wie zum Tode Verurteilte b) 9c zum Schauspiel geworden 10 Vergleich Apostel - Korinther (Ironie) 10 Drei Antithesen a) lOa wir Toren - ihr klug b) lOb wir schwach - ihr stark c) IOc ihr vornehm - wir verachtet (Umkehrung) 11-13 Die Leiden der Apostel (Paradoxie) ll-12a Drei reihende Paare a) Ila Hungern ,md Dürsten b) II b Nacktsein und Mißhandeltwerden c) Ilc-12a Umherirren und Abplagen mit Arbeit 12b-13a Drei paradoxe Paare a) 12b als Geschmähte segnen b) 12c als Verfolgte aushalten c) 13a als Verleumdete gut zureden 13b Parallelismus: Unrat der Welt, Abschaum aller
Erkennbar ist eine Dreiteilung der Perikope." V. 9 enthält gleichsam als Überschrift die in konfessorischem Stil (SOKiii rap 9aa)" \'or2'CI
21
Damit wäre bereits ein wichtiger Hinweis rur das VeTStändnill der Verse gewonnen: 4,9-13 ist offen.bar im Licht der Kreuzestheologie von Kapitel 1 und 2 zu interpretie. ren (vg1. l. B. da.s Auftauchen des Stichworts J!mpo{ in 4,10). Vgl. die graphische DaISteUung bei Klcinknccht, Dcr leidende Gerechtfertigte 222; ferner Merklein, 1 Kor 303-306 (syntaktische, semantische und pragmatische Ana-
lyse); Zmijewski. Sti1814-317; Fitzgernld. Cracks 129-132; Schiefer Ferrari, Sprache 183-188; etwas abweichend EbneT, Leidenslisten 21-26. Vgl. auch Weiß, Beiträge 210. n Fitlgerald, Cracks 182 weist auf die generelle Devol7.ugung triadischer Strukturen innerhalb des Abschnitts hin. I?! Fascher, 1 Kor 148 unterscheidet das Stück als "persönliche AnschaUlmg, die auf eigener Erfahrung beruht" von der "für alle Apostel zu verkündigenden Botschaft (tn;plryIln)"j doch läßt sich bei Paulus beides kaum trennen. Vgl. Conzehnann, 1 Kor 115: Der Apostd stellt ~ich selbst als .Exempel' seiner Vcrki.indigung ,·or.
1 Kor 4.9-15
145
gebrachte Themenangabe, die durch zwei Metaphern erläutert wird. Unklar bleibt zunächst die eigentliche sprachliche Intention des Paulus. Demgegenüber kommt es in V. 10 zu einer rhetorischen und thematischen Akzentverschiebung: Der zwischen Ironie und Ernst offen bleibende Ton von V. 9 wird abrupt abgelöst durch nunmehr eindeutig ironische Schärfe und Polemik; inhaltlich gerät als Kontrast zum Apostel die direkt angesprochene Gemeinde in den Blick. Die Verse 11-18, durch die Inklusion axpt ,;;~ äp,t &p~ Ilaa - gOl~ apn 13b')' als Einheit zu erkennen, nehmen - erneut ohne Überleitung'" - das Thema von V. 9 wieder auf und entfalten es in Form eines Katalogs von elf Peristasen. Bemerkenswert ist hier der mittlere Abschnitt 12b-13a, wo Paulus in drei oxymorischen Verbindungen je eine Leidensaussage mit einer paradoxen Reaktion kontrastiert. Den Abschluß bildet der von zwei synonym gebrauchten" Vokabeln dominierte V. 13b, der zugleich den Bogen zu V. 9 zurückschlägt (Wiederaufnahme von sysVli8IJI1sV + 1C60'I1o~). Im übrigen darf mit J. Weiß notiert werden: "Die eindringliche Kraft dieses Passus kann nicht geschildert, sondern muss nachempfunden werden."26 3. Gattung
Eine Untersuchung der Gattung von 1 Kor 4,9-13 hat bei der Frage nach der materialen und rhetorischen Eigenart des Abschnitts anzusetzen. Hierzu sind in den achtziger Jahren zwei beachtenswerte amerikaniscbe Beiträge erschienen; seit 1991 liegt auch in deutscher Sprache eine maßgebliche Untersuchung vor. Eher in traditionellen Bahnen bewegt sich die in dieser Arbeit schon mehrfach erwähnte Studie des Amerikaners j. T. Fitzgerald. 27 Getreu seiner Grundthese, Paulus orientiere sich in den verschiedenen Auflistlmgen seiner Leiden an der Gestalt de, k)'niJch-JloiJchen Wellen, kommt Fitzgerald uno ter Nachweis zahlreicher Motivparallelen zu dem Schluß, in 1 Kor 4,7(9)-18 liege ein klassischer PeristasenkalalrJg'l8 im Sinne der popul3.Iphilosophischen 24
?5 2& 2J
Allenfalls k.önnte man die Umstellung von ~!le:tc; - Ull&i~ in 10ab als eine Vorbereitung auf ll-I! ansehen (vgl. Fascher. I Kor 150; Fitzgerald. Cracks 130). VgI. die Paronomasie: 1tSpuc:a9apJ.la:ta ... nUVtOlV np{'I"1J.l.a.. Beiträge 210. Cracks in an Earthen Vessel (siehe oben S. 22). 117-148. Dultmann. Stü 19.71f. (offenbar der erste Gebrauch dieses Terminus); A. Frid· richsen, Zum Stil des paulinischen Peristasenkatalogs 2 Cor. Il,2!ff.: 5ymb. OsL 7
2. Vgl.
(1928) 25-29; dcrs., Peristasenkatalog und re, gestae: Syrnb. 0,1. 8 (929) 18-82; Kamlah, raulus~ Schrage. Leid; Zmijewski. Stil 507-325; R. Hodgson. Paul the Apostle and First CentmT Tribulation Lists: ZNW 74 (983) 59-80; Berger. Gattungen 1355-1359; Fit7.gerald, Cracks; Ebner. Leidcnslisten; Schiefer Fcrrari, Sprache.
146
Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
Tradition vor. Wie in 1 Kor 4 seien auch ln der heidnisch-antiken Literatur Peristasenkataloge häufig in veranschaulichender und mahnender Funktion gebraucht worden. Zugleich benutze Paulus die Redeweise der SynkriJis", indem er die Bedrängnisse der Apostel mit der Klugheit, Stärke und Ehre der Korinther kontrastiere (vgl. V. 10 l." "Hellenistic moralists made constant use of the figure of the suffcting sage as a pedagogical and paraenetic device for depicting the ideal and exhort·
ing and admonisbing their hearers in regard to it. Paul's use of the catalogue for these purposes conforms to this standard practice, and bis use of synkrisis senres to heighten the c3talogue's admonitory ftmction."'l Nicht nur die Fwlktion des paulinischen Peristasenkatalogs sei identisch mit der der heidnischen Parallelen, sondern auch seine Situation, also der ,Sitz im Leben', Ähnlich wie Paulus in 1 Kor 4,8 kritisiere z. B. Epik.tet diejenigen,
die sich vorschnell als Philosophen bezeichneten und ,sofort zum Zepter,
zum Königtum' gelangten", wogegen Epiktet den idealen Kyniker als gottgesandtes Beispiel bescheidener Bedürfnislosigkeit hinstelle." Mit ähnlicher Zielsetzung wie Fitzgerald legt die etwa zeitgleich entstandene H Dissertation von M. EbneT ein noch breiteres religionsgeschichtliches Fundament rur die paulinischen Peristasenkataloge. Die im Rahmen von
I Kor 4,8-16 untersuchte Li,te 4,11-13 wird mit reichhaltigem Material aus der hellenistischen Popularphilosophie, der kynisch-stoischen Diatribe, aber auch Belegen aus Philo verglichen. u Ebner kommt lU dem Schluß, es handele sich bei 4,11 f. um einen Peristasenkatalog der äliflerm LebensufflJtände'6.
der das philosophische Ideal der ,Bedürfnislosigkcit' widerspiegele". Verbunden sei er mit drei ,sozialen Antithesen' (V. 12f.), in denen "Peristasen W1d die jeweilige Reaktion im so'l.io.l.en Gegenilber" kontrastiert würden."
Mit Fit,gerald Wld Ebner darf im Anschluß an Bultmann" Wld die meisten anderen Ausleger" hinsichtlich I Kor 4,9-13 im weiteren bzw. 11-13 im engeren Sinne von der fonngeschichtlich einschlägigen Gat'I aUYK'puJ\~ .•. ist der Vergleich des Lobes ({a,U, BylCcOjJ.lOV ... J zweier Personen oder Sachen. Der Vergleich kann zwischen gleichwertigen Gegenst5.nden oder zwischen unglekhwertigen Gegenständen erfolgen," (Lausberg, Handbuch 542) Lamberg zählt die aUYKptotC; zu den sog. prat:txerdlamenla der modi lraclandi
19 nDie comparalio ..
(vgl. ebd. S32f.). so Vgl. Cracks 132-148. 51
!'Z
Ebd. 147. Diss. IV 8,34-.
" Vgl Diss. IV 8,31[; Fiugerald, Cr.eh 1-l7[ H U
Vg1. Leidenslisten 2 Arun. 8. VgL Leidenslisten 20-92.
'6 "gI. Leidenslisten 27-38. &7 Ja
" 411
VgJ. Leidenslisten 38-77. Leidenslisten 392; vg1. ebd. 77-89. Vgl. Stil 11 Anm. 4. Vgl. Conzchnann, 1 Kor 116; Faschcr, I Kor 151; KJauck, 1 Kor 39; Lang, Kor 65; Schrage 1 KaI' 331-333; Merklein,l Kor 311f.; Hodgson, Pau165.67; Derger, GattlUlgen 1558.
J Kor 4,9-18
147
tung PcrislaJenkatalog (,dtr äußeren Lebensu1TUtändc') gesprochen werden, der hier allerdings (besonders durch V. 10) in die rhetorische Fonn einer Synkrisij gekleidet erscheint. Einen neuartigen. von der Linguistik. inspirierten Zugang lU } Kor 4,9-13 versucht die aus seiner Dissertation hervorgegangene Monographie von
K. A. Planh." Schwerpunkt Planks ist die Frage nach dem jprachlichm Charakter des Ahschnitts und der dahinter verborgenen rhetorischen Kommun.ikationssituarion 7.,visehen Apostel und Gemeinde. Entgegen der in dieser Arbeit eingefüluten Terminologie" bestimmt Plank den Charakter von 1 Kor 4,9-13 als Ironie, hinsichtlich der er zwischen zwei Arten unterscheidet. Die ,dusimulierende Ironie' (Irony of DiJsimulaUon) zeichnet sich nach Plank dadurch aus, daß etwas in der Sprache anders eT.rcheint, alc; es in 'Wirklichkeit ist ("something appea" to be other than it really is.... ). Nicht das tatsächlich Ausgesprochene, sondern genau dessen Gegenteil oder lwnindest etwas Konträres ist eigentlich gemeint. Mittel der Dis~imu1ation sind einerseits die Verstellung, andererseits Über- oder UntertreibWlg. Die wahre Identität des Gedankens wird unter einer Maske verborgen; zugleich ermöglicht aber das übertreibende Element die rechte Einschätzung des Gesagten durch den Leser. Die Dissimulationsironie ,täuscht't aber nicht in schlechter Absichl; dem Leser wird miuels der ,Lüge' in einer neuen Wahrnehmung der Realität Wahrheit geolfenhart." Im Gegensatz da7.u hält die von Plank als ,paradoxe Ironfe' (Iro1lY cf Paradox) bezeichnete Variante an der Integrität einer aWigesagten Bedeutung fest. Zwar bringt auch sie den fonnulierten Ausdruck einer Absicht mit der kom~ munikativen VemLittllUlg seines Gegenteils in Zusammenhang, doch behält der sprachliche Ausdruck gleichzeitig seine Bedeutung bei "Where the konr of dissimulation suggests that the expressed meaning appears to be other than it is, the irony of paradox note. that the expressed meaning iI what it appean to be) but what it appears to be is not all that it is."4,S Im Unterschied zur Dissimulation, die jenseits der Trennung von Schein Wld Wahrheit ein stabiles, wohlgeordnetes Bild der Wirklichkeit voraussetzt, enthüllt die paradoxe Ironie eine echte Koexistenz von Gegensätzen, die beim Leser Verunsicherung auslöst und ihn zwingt, sein Wirklichkeitsverständnis zu hinterfragen.•Here reality itself feels the blows of irony.... The reality which paradoxical irony discloses is yet ironie. "46 Paul.and the Irony of Affiiction (siehe oLen S. 19 und 140). Die im folgenden sichtbar wcrdenden DilTeremen sind vOJwiegend begriffiicher, weniger sachlicher Natur. n Paul Sg. U Vgl. ebd. - Die hier von Plank gegebene Definition von di.uimulation deckt sich mit dem, was in Kapitel 2 A. rnic Lausberg allgemcin aJs ,Ironie' bestimmt wurde. dort nach anderen Gesichtspunkten uncerschicdcn in dissimu./ßtio und stmulaUo (siehe oben S. 77f.). 41
U
"Ebd.40. 46
Ebd. 42 (2. Satz im Original kursiv). - Planks .paradoxical irony' ist im Grunde das, was in dieser Arbeit genereU als ,Paradox' bezeichnet wird, genauer gesagt die Para· doxie der invtntio mit einem eigenen Aussagegehalt über die rhetorische (z. B. ironi-
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Kapitel S: Kraft in der Schwachheit
Beide Arten von Ironie findet Plank in 1 Kor 4,9-13. Aus der Interaktion eimelner Aussagen mit anderen, ,widerstreitenden' (conflicting) und ,be!;tätigenden' (coIToborating) Stellen in Kapitel 1-4 ergibt sich das für die Dissimulationsironie typische Element der VersteUW1g oder Übertreibung: So steht etwa 4,10 (hinsichtlich der Korinther} im Widerspruch zu 1,26; 4,13 (Paulus über sich selbst) ist eine starke Übertreibung gegenüber 2,3 u. a. ,.The interacrion of conflkting and corroborating theme.'i in Paul's dis!;imu1ative irany prevents the readers from abandoning the literal claim of 4:9-13 to a sea of contradiction; hut, at the same time, it refuses pcr:mission La grant autonomy La the literal claim such that it alone defmes ,the way things are',"u Der sprachliche Ausdruck weist ironisch über sich selbst hinaus auf das in \rVahrheit Gemeinte. Demgegenüber steht die paradoxe Ironie. Paulus meint die Realität seiner in 4,9-13 ausgesagten Schwachheit durchaus ernst, nimmt dabei aber eine ,Umwertung' (transvaluation) der Kategorien von ,Kraft' und ,Schwachheit' vor: Gerade in der Schwachheit sieht er paradoxerweise die Stärke und umgekelut. "The paradoxical irony does not intend to say that Paul is not really weak, but that the value of real strength occurs precisely in bis weakness; not that tbe Corinthians lack strength, but that their strength expresses the value of wealc.ness."4& Unter Rückgriff auf das linguistische Konzept der ,Leerstellen' von W. Ise[''' deutet Plank. die VerwendWlg paradoxer Ironie in 4,9-13 vor dem Horizont der Aussagen von 1,18-81. Paulus stelle dem Leser (den Korinthem) die korrununikative Aufgabe, durch die Paradoxie als auszufiUlende Leerstelle (blank) hindurch den Text im Lichte der Kreuzestheologie von Kapitel 1 zu verstehen. so Er konfrontiere das eindimensionale Wirklichkeitsverständnis der Korinther mit einem paradoxen, die Koexisten7. von G~gensätlen behauptenden Wertsy~tem. das aus dem paradoxen Charakter seines Evangeliums erwachse: Die Welt der göttlichen Berufung könne in adäquater "Veise nur paradox, als eine größere, überraschende, freilich auch offene und instabile Wirklichkeit wahrgenommen werden,sl Durch den 7.entralen SteUenwert, den Plank dem Begriff ,Paradox' ftir die Erhellung des rhetorischen Charakters ,'on 1 Kor 4,9-13 beimißt, ist seine sche} Wirkung hinaus (siehe oben S. 34-56). Ob man daher auch hier den Begriff ,Ironie' venvenden soUte, der doch primär einen sprachlich-rhetorischen Aspek.t impliziert, wäre 7.U fragen. Noch gewagter erscheint die Rede von einer ,ironischen Wirk.-
lichkeit' . ., Ebd. 51.
" Ebd. 52. 49 Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung, München t1984 (1976). so Vgl. ebd. 52-62. 51 VgJ. cbd. 59f. 62-69. In die gl~jche Richtung geht a.uch Schiefer Ferrari, Sprache 197: ,,PauJus beschreibt mit den paradoxen Fonnulierungen, aber auch mit den Metaphern und Vergleichen, nicht nur seine Leiden ... , sondern sagt die in seinen Leiden erfahrene Wirklichkeit gegen die Wirklich.k.eitssicht der Korinther, aber auch gegen die begrenzten l\.'löglichkeiten der menschlichen Sprache und Logik so aus, daß den Korinthern ein Zugang lU einem neuen Wir.kJichkeitsraum eröffnet wird (perfonnatives Sprechen). Dabei ist dieser neue Wirklichkeiuraum der bisherigen WirkJichkeit entgegengesetzt, hebt diese aber nicht auf."
J KOI"
4,9-13
149
Arbeit ein bemerkenswerter Beitrag zur Frage nach dem Phänomen deI" Paradoxalität bei Paulus. lmmerbin wird ein ganter Text des Paulus syste· matisch vom Aspekt des Paradoxen her gedeutet. Leider versäumt es Plank, in einem genauen Durchgang durch den Text jeden einzelnen Vers auf seinen rhetorischen Charakter hin zu untersuchen. Ein weiteres Deside· rat über Planks Arbeit hinaus wäre die Anwendung seiner linguistischen Analyse auf die Frage nach dem theologischen Rang des - zweifellos 1.U· nächst rhetorischen - Paradox. 52
Welche Erkenntnisse ergeben sich aus der Arbeit von Plank im Hinblick auf die Gattung des Textes? Planks Studie verfolgt nicht das Ziel, I Kor 4,9-13 im traditionellen Sinne formgeschichtlich einzuordnen. Daher ist es nicht möglich, aber auch nicht erforderlich, die bei Fitzge· rald gefundenen Gattungsbestimmungen ,Peristasenkatalog' und ,Synkrisis' mit Plank um einen weiteren Vorschlag zu ergänzen." Die Arbeit Planks bestätigt lediglich den auch von Fitzgerald erkannten" eminent ironfJchen Charakter des Abschnitts, der ihn von anderen paulinischen Peristasenkatalogen unterscheidet, ohne ihn jedoch vollständig zu beherrschen. 55 Die Eigenart des Katalogs besteht in seiner merkwürdigen Doppelbödigkeit von Ironie und Paradoxie. Dieser rhetorische Befund soll nun im einzeloen untersucht werden; dabei muß die Frage nach seiner theologischen Relevanz eine besondere Rolle spielen.
III. INTERPRETATION
7. Einzelexegese a) 4,9: Das Paradox der ernstgemeinten Ironie Die Strukturanalyse" hat gezeigt, daß der thesenartig formulierte Vers 9 gleichsam die Überschrift des Abschnitts bildet. Dessen Thema lautet also: Die Apostel nehmen den letzten Platz ein; genauer: Gott selbst hat seine aJt6(HoÄot" zu ,Letzten' gemacht. Die Bezeichnung ist qualitativ zu verstehen. "They are the 1!axa~ot, the least important, the most abject and insignificant of alI (9). As
5~ 55
Der \'on Plank venvendete Awdruck. ,paradoxe Ironie" ist allerdings ungeeignet und sollte vermieden werden (siehe oben S. 147f. Anm. 46). MitcheU. Pa.ul22J spricht von einem "paradoxical encomium".
"Vgl. CTacks 137.1410.143f.148. 55 Vgl. Schiefer FeJTari, Sprache 187: ... .. die Selbsteinschätzung des Paulus ist aber ~6 57
nicht im eigentlichen Sinne ironisch .. . mit dem Begriff der Ironie ist der Ton dieser Verse nicht hinreichend beschrieben und begründet." Siehe oben S. 144f. Die in den Kommentaren diskutierte Frage nach der Bedeutung des Plurals kann hier übergangen werden (vgl. besonders Weiß, 1 Kor 108[; Fasche., 1 Ko. 148f.).
150
Kapitel 3: Knft in der Schwachht:it
such, they are like the tMXl
U
59
Fiugerwd, Cracks 186. Vgl. Schrage, 1 Kor 341. Vgl. die Belege bd Weiß, 1 Kor 109[; Conzclmann, 1 Kor 115f.; Schrage, I Kor 842;
Merldein, 1 Kor 813; Fitzgcrald. Cracks 140-142; EbneT, Leidenslisten 28. KJeinknecht. Der leidende Gerechtfertigte 226-229 erkennt dagegen eine größere Nähe zur alttestamentlichen Tradition vom leidenden Gerechten. 60 Vgl. Coru:dmann, 1 Kor 115( Zur ,kosmischen' Dimension dieser Bilder paßt auch das Subjekt 6 9&6~ ("gI. Ebner, Leidenslisten 23). 61 Diese Dimension der Auslf'gung wird von den meisten Korrunentaren erst in V. 10 wahrgenommen.
1 Kor 4,9-13
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schieht ,im EnI'eis (tv a1t06E!I;Et)" von Geist und Kraft' (2,4); er empfmg die Offenbarung Gottes (2,10), hat den Geist Christi (2,16), war als ,Gettes Mitarbeiter' und, weiser Architekt' Gründer der Gemeinde (3,6.9.10) und darf sich deshalb sogar ,Vater' der Korinther nennen (4,15). Wie k",m er da der ,Letzte' sein, ein ,zum Tode Verurteilter' und ein ,Schauspiel'? Nicht ,.uletzt auch die in der Kontextanalyse erkaJUlte parlineUJche Grundausrichtung der Kapitel 1-4" spricht für einen ironischen Charakter des Verses. Das aber heißt: Paulus sagt in 4,9 das Gegenteil von dem, was er eigentlich denkt." Auf der ""deren Seite aber muß mit ebensolchem Nachdruck der (paradoxe) Wahrheitsgehalt des Verses betont werden. Wenn Paulus sich selbst als einen auf den letzten Platz Gestellten beschreibt, so ist mm damit jenseits aller Ironie tiefer Ernst. Auch dies läßt sich aus dem Kontext belegen. Eingebettet in die theologische Belehrung der ersten beiden Kapitel war Paulus in 2,1-4 kurz auf seine eigene Person zu sprechen gekoflUllen. Freimütig hatte er dort bekaJUlt, daß sein persönliches Auftreten in Korinth ,nicht in Überlegenheit von Rede oder Weisheit' vonstatten ging, sondern ,in Schwachheit und mit Furcht und viel Zittern' (2,1.3). Seine Verkündigung geschah deshalb ,nicht in überredenden Weisheitsworten' (2,4; vgl. 1,17), um mrem Inbalt, dem gekreuzigten Christus, zu entsprechen. Und genau diese Tiefendinlension ist auch in 4,9 enthalten, worauf nicht zuletlt das gewichtige Subjekt 0 eE6~ hindeutet. Paulus weiß sich sehr wohl, ja ganz bewußt als ein ,Letzter', insofern er von Gott selbst zu einem ,existentiellen- Verkündiger des Gekreuzigten, eines auf schmachvolle Weise Hingerichteten, gemacht worden ist. Das also bedeutet: Vers 9 muß zugleich wörtlich verstanden werden, freilich erst auf einen zweiten, die Paradoxie wahrnehmenden Blick." Die rhetorische Situation von 4,9 (und der ganzen Perikope) entpuppt sich somit als höchst komplex, bedingt durch das Zusammenfallen lweier konträrer Verstehensebenen: Paulus redet gleichleitig ironisch und ernst; er sagt sowohl die Waltrheit als auch ihr Gegenteil." n Bemerkensw~rt~nveise benutzt Paulus die gleiche Vokabel d.1t05EllCVtll-n fUr ltontr'J.re Geg~nstände: einmal mIEüj.1al6Uva"u~ (2,4), da.'i andere Mal ecrxato1. (4,9), Im zweiten Fall sch~int sich der Verdacht auf Ironie also geradem aufzudrängen, Zur Bedeutung ,erweisen' vgl Weiß. I Kor 109. &! Siehe oben S. 14-0-144. 64. Zur genaueren Bestimmung der Ironie :o;iehe unten die AusfUhmngen zu V, 10. 6S .,Etwas saJopp könnte man sagen: Paulus hat aus der Not eine Tugend gemacht, wobei , , , die Sache. die ihn treibt, das eigentliche Motiv für den geschilderten rhetorischen Einsatz ist, Die Bot'ichaft vom Gekreuzigten prägt die Existenz des Apostels." <Merk· lein. 1 Kor 3061 U Dies bemerkt auch Schiefer Ferrari. Sprache 186f.: nPaulus vollzieht hier, ., einen mehrfachen Perspekti"enwechsel; Fremdeinschätzung und Selbsteinschätzung und die Sicht der Welt und die Sicht Gottes durchdringen sich in kaum aunösbarer Wei..o;e."
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
Diese scheinbare coincidentia opposttorum läßt sich allerdings auflösen, wie eine genaue Analyse der kommunikativen Ebenen zeigt. Eine dreifache Paradoxalität" ist in V. 9 gegeben: - Paulus gebraucht 7.unächst als rhetorUches Parado.~ die Ironie, indem er das Gegenteil von dem sagt, was er meint: Er hält sich keineswegs für den ,Letzten', wenigstens nicht nach den Maßstäben der Korinther, die ihm offenkundig einen dementsprechenden Vorwurf gemacht haben. Das paradoxe Element liegt in der Spannung zwischen der Aussage des Sprechers und seiner wahren iJbe17.eugung. - Daneben besteht ein gedankliches Paradox in der Beobachtung, daß Paulus gleichwohl das Gesagte ernst meint: Die existentielle Einheit von Botschaft und Person macht die Verkündiger des Wortes vom Kreuz (vgl. 1,18) in der Tat auch selbst ZU ,Letzten'. Die Paradoxie erwächst hier aus dem Konflikt zwischen der Aussage und der darauf nicht vorbereiteten Elwartung des Lesers." - Als ein drittes, auf die beiden ersten Typen rekurrierendes ,MetaParadox' schließlich kann man die Tatsache betrachten, daß diese beiden Ebenen hier zusammenfallen: Vers 9 ist ein Beispiel für ,ernstgemeinte Ironie'. Dieses rur Paulus singuläre Paradox ergibt sich aus der Ambiguität zweier gleichzeitig möglicher wie kontradiktorischer Verstehensweisen. Es zeigt Paulus als einen ungemein scharfsinnigen und geistreichen Redner. Wie aber ist eine solch vielschichtige Paradoxalität zu erklären, wenn sie nicht in der Absurdität enden soll? Ein denkbarer Ausweg wäre die Anwendung der Kategorien ,Ironie' und ,Ernst' aufje verschiedene Fililungen des 6crX(l~ot cinooetx6fjvllt. Aber das ist nicht möglich. Das Hintangestelltsein der Apostel meint in beiden Lesarten das gleiche: geringes Ansehen und Peristasen, so wie es die folgenden Verse 10-13 schildern. Wenn Paulus in Vers 9 gegenüber den Korinthern zum Mittel der Ironie greift", dann weist er nicht ihren Vorwurf des F.crX(l~O~ g{vm an sich zurück, sondern ihre darin zum Ausdruck kommende Sicht tUr Wirklichheil, die vom menschlich-,sarkischen' Denken bestinunt ist."
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Im folgenden wird auf dc:n in der Einleitung erarbeiteten Sprachgebrauch rurUckge-
griffen. 61
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Vgl. Weiß, 1 Kor 109: "Die Patadoxie liegt darin: die Apostel müßten den ersten Platz einnehmen. vgl. Mt 19,28ff.: ,sitzen auf 12 Tlmmen'; lmd nun werden sie nicht etwa nur von den KOIT. als !!aXO;tOl ... behandelt. sondern Gott hat sie in solche Lage gebracht. daß sie Jedennann als lcrxatOl erscheinen müssen." Vgl. noch stärker Vers 10. Vgl. ] .26, wo Paulus sich diese Denkgewohnheit der Korinther posith·.argumentativ l.WlU[ze macht: ß)J:1tßl& yap. . KQ'[t% <1CXpKa ...
I Kor 4,9-15
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Das korinthische Denken lCatn crllplCa erkennt nur jene Wirklichkeit, die irdischen Wertmaßstäben verhaftet ist und an der Oberfläche bleibt; gegen diese ,eindimensionale'" Wahrnehmung der Welt richtet Paulus seine Ironie in V. 9. Angesichts der Torheit des Kreuzes 0,18) jedoch, so sagt er zugleich, hat eine auf Gott selbst zurückgehende ,Umwertung der Werte' stattgefunden, die für das Verhältnis von Gemeinde und Apostel Folgen haben muß: Sie nämlich macht die sarkisehen Beschimpfungen ,Letzte', ,Todeskandidaten' und ,Schauspiel' zu kreuzestheologischen Ehrentiteln." b) 4,10: Das ironische Paradox der ,klugen' Korinther Nach der in sachlicher und atmosphälischer Hinsicht programmatischen
Überschrift (V. 9) wird das dort zusammengedrängte rhetorische Potential in zwei Schritten entfaltet. Zunächst nirrunt V. 10 in Ton und Thematik den dialogischen Kontrast zwischen Apostel und Korinthern aus V. 8 wieder auf; der Vers ist gleichsam die Durchführung der ironischen Lesart von V. 9. In einem zweiten Schritt entwickelt ,odann der Perislasenkatalog (V. 11-13)
die ernsthaft-paradoxe Dimension von V. 9. Unvermittelt und innerhalb des Abschnitts 9-13 singulär taucht in Vers 10 die zweite Person plural aus dem Kontext der Perikope (vgl. 4,6.8.14-16.17-21) auf. In drei Antithesen kontrastiert Paulus die eigene Stellung (lj~ei~) mit der der Korinther (u~ei~): Während die Apostel als ,Toren' (IlOlpo{), ,schwach' (aaeev6i~) und ,verachtet' (ätlj.lOLl bezeichnet werden, sind die Korinther genau umgekehrt mit den Prädikaten ,klug' (epp6vlIlOl), ,stark' ({axupol) und ,vornehm' (I!VBo~Ol) versehen. Ganz offensichtlich besitzt der Vers einen eminent ironüchen Charakter", d. h. formuliert ist das Gegenteil dessen, was der Autor eigentlich meint. Die Situation des Briefes läßt zudem darauf schließen, daß Paulus mit der Verwendung dieses rhetorischen Mittels eine Position der Korinther beschreibt (und gleichzeitig kritisiert). Anhaltspunkte für die Ironie ergeben sich zum einen aus der formalen Nähe zu V. 8, wo Paulus bereits ähnlich ein positives Selbstverständnis der Korinther karikiert hatte. Vor allem aber ist auf 1,26 zU verweisen, wo Paulus im Duktus ernsthaft-unpolemischer Argumentation exakt die
" Vgl. Plank. Paul 59. n Daß eine solche ,Umwertung der Werte' auch schon von Jesus propagien wurde. belegen Stellen wie Mk 10.81 parr., an die der Begriff gaxatOl hier erirulert. 1.5 Vgl. Conzehnann, 1 Kor 116; Lang, Kor 65; Schrage. 1 Kor 348; eingeschränkt Fascher, 1 Kor ISO; Merklein, I Kor 505 (,ironischer Unterton'). Der beiderseitige Bezug auf Christus (lila XptO"t6v - tv XPlO"tcp) schwä.cht die (ronie nicht etwa ab, sondern macht sie nur noch bitterer h·gl. Schrage, ebd.j gegen Fasc.her, ebd.). Freilich sind beide Cluistus·Bezlige differenziert zu beurteilen (5iche unten S. 155 Anm. 80),
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Kapild 8: Kraft in der Schwachheit
gleichen drei Aspekte Weisheit, Kraft und Ansehen" den Korinthern evidentemiaßen" abgesprochen hatte. 76 1,26 ou 1t0ÄÄot ClOCPOt Ka'ta CIIlpKa ou 1t0ÄÄot l)uvalo{ ou 1t0ÄÄot BUYBVBi~
4,10 cpp6vIIl0l sv XPIClliP IClXupo{ gVl)O~Ol
Aus dem Widerspruch zwischen den Versen folgt notwendigerweise, daß einer von beiden ironisch gemeint sein muß; dies gilt zwei· fellos für 4,10. Damit ist aber lediglich die Beschreibung der Korinther (10ap.bltca) als ,uneigentlich' erkannt. Schwieriger steht es um die Selbstdarstellung des Paulwlder Apostel (PI.): Hält Paulus sich tatsächlich für einen schwachen, verachteten Toren (l Oaa. ba.cp), oder ist auch hier - analog zu den Korinthern von Ironie auszugehen?" Für beide Möglichkeiten Jassen sich Gründe anführen. Vom antithetischen Duktus, d. h. der rhetorischen Ausgewogenheit des Verses her legt sich ein gleichfalls ironisches Verständnis auch der paulinischen Selbstbeschreibung nahe. Ähnlich wie bei der entspre· chenden Lesart von V. 978 wäre dies etwa so zu interpretieren: Paulus referiert in V. 10 auf ironische Weise die Positionen der KOlinther, nämlich einerseits ihr enthusiastisches Selbstverständnis (ap.bp.ca), andererseits - im Kontrast dazu - ihre Verachtung" für die solchem
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Die lexikalischen Differenzen (cpp6V\J.lo1. statt oocpol. fox,upoC statt 8uvato(, Kv8ol;O\ statt Euyevstc;) sind "Ilur rhetoriscbe Abwechslung ohne sachliche Bedeutung" (Comd· mann, 1 Kor 116; vgl. SchIilge, 1 Kor 343).
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Das PUlTET& ')'ap ... signalisiert einen Konsens zwischen Apostel Wld Gemeinde. G. Theißen. Soziale Schlclltung in der k.orinthischen Gemeinde. Ein Beitrag zur Sozio·
logie des hellenistischen Urchristentums, in: Studien zur Soziologie des Urchristentums (WUNT 19), Tübingen 21988, 284 stellt die Aussage .von 1,26 auf den Kopf, wenn CI' dic korinthische Gemeinde "ganz oben" auf der sozialen Skala einordnet, da sie von einer Minorität höherer Schichten dominiert seL Der einseitig lioziologiscbe AmaU Theißens verkennt folgerichtig den rhetorisch-ironischen Charakter von 4,10, den er so als Beleg für seine fragwürdige Deutung von 1,26 heranziehen kann. - Auch Marshall, Enmity 210 überschätzt den k.onkreten sozialen Hintergrund von Vers 10 (vgl. Schrage, 1 Kor 343; Merklein, 1 Kor 814). 17 Diese Differenzierung l.wischen eindeutig ironischen (Korinther) und rhetorisch nicht eindeutigen Elementen (Paulu:;) irulerhalb des Verseli 10 ,Yird in den Kommentaren (siehe oben S. 153 Anm. 73) nicht vorgenommen (vgt. dagegen Plank, Paul 60f.). 1& Siehe oben S. 150-15!t 19 Inwieweit der Enthusiasmus der Gemeinde schon im 1 Kor lalsiJclrlkh auch 7.U VOfW'ürfen W1d Gegnerschaft gegenUher dem (Grlinder-!) Apostel führte, läßt sich nicht genau sagen. Paulw ist hier anders rus im 2 Kor in erster Linie noch ,Lehrer', nicht ,Ang~k1agter' (gegen \Veiß, 1 Kor 101: ..gerei:zte und bittere StimmWig des Apostels").
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J Kor 4,9-13
Bild nicht entsprechenden Apostel (aa.ba.cll). Das hinter der Ironie per definitionern verborgene .gemeinte Gegenteil' ist im letzteren Fall aber nicht die Leugnung jener Disqualifikation durch die Korinther - als ob Paulus eigentlich Weisheit. Kraft und Ehre für sich beanspruchte -. sondern die Kritik an ihrer dem ,sarkischen Bereich' verhafteten Denkweise. Nicht den Vonrurf der - von ihm keineswegs bestrittenen - Torheit. Schwachheit etc. ironisiert Paulus. sondern das Wirklichkeitsverständnis. aus dem dieser Vonrurf bei den Korinthern erwächst. Auf der anderen Seite nötigt besonders das IM. Xp10'~6v zu einer nicht-ironischen Lesart von 10aa.ba.cß. die freilich das soeben beschriebene - VOl'gängige - Verständnis nicht ausschließen muß.• Um Christi willen'" weiß Paulus sich in der Tat als ein schwacher. verachteter Tor, doch ist dies keine Schande. sondern angesichts der vom Kreuzesgeschehen her erfolgten .Umwertung der Werte' (vgl. 1.27f.; 3.18f.) ein - allerdings hächst paradoxer - Ruhmestitel. Auch diese Lesart der apostolischen Selbstdarstellung in 10aa.ba.cß schließt sich an die programmatische Aussage von V. 9 an, in diesem Fall an deren ernsthaft·paradoxen Gehalt. Während also die Zeichnung der Gemeinde in I Oaß. bß.ca eindeutig ironisch ein7.ustufen ist. enthält das paulinische Selbstporträt in lOaa.ba.cß analog zu V. 9 eine paradoxe Doppelbädigkeit von Ironie und ernsthaftem Bekenntnis. Bei der letzteren Lesart ergibt sich ein reizvoller Kontrast zwischen Syntax und Semantik: Der harten Antithetik zwischen Paulus und den Korinthern in der Form steht inhaltlich die Überzeugung gegenüber. beide Seiten teilten im Grunde doch das gleiche Los. Der Sache nach sagt Paulus dann den Korinthern: .Wenn ihr wirklich an den gekreuzigten Christus glaubt. dann wird all eure Klugheit. Kraft und Ehre zuschanden. und ihr seid ebensolche Toren wie wir.' Insgesamt gibt diesem Vers im Gegensatz zu 9 und ll-13 die Ironie sein bestimmendes Gepräge. Der rhetorische Kontrast und die Ironie resultieren dabei lediglich aus dem unterschiedlichen Grad an Reife und Einsicht: Anders als Paulus haben die dem Weisheitsenthusiasmus verfallenen Korinther die mit dem ,Wort vom Kreuz' (1.18) verbundene Werteumkehrung noch nicht verstanden (oder wieder verdrängt}." Die Gemeinde ganz direkt von ihrer .sarkischen' hin zur paradoxen Erkenntnisweise zu fUhren. dazu dient der dialogische V. 10 Möglichenveise sind die hinter V. 10 erkennbaren Vorhaltungen daher nur die von Paulus selbst zu Ende gedachte, aber noch nicht real gewordene Konsequenz der Imrinthischen Haltung. 10 Während das der Charalctcrisicrung der Korinther hinzugefügte XPI01q, die Ironie verstiirkt, signalisiert das 81a Xp\O"t6v durch den Selbstbe7.Ug emsthafte Redeweise. die den ironischen Klang des absoluten. Wir sind Toren. schwach, verachtet' paradox übenvindet. 81 Vgl. K1auck, 1 KOT 39; Lang. Kor 64f.; Plank, Paul 55-62; Schrage, I Kor 348f.
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Kapitel 5: Kraft in der Schwachheit
als besonderer Fall innerhalb der Perikope, der aber der paränetischen Funktion des Kontextes von Kapitel 1-4 entspricht. c) 4,11-13: Das Paradox der armseligen Apostel Schon die umgekehrte Reihenfolge u~Ei~ - ~~Ei~ in 10c im Gegensatz zu den beiden ersten Antithesen 10a.b deutet an, daß es im folgenden wie in V. 9 wieder ausschließlich um die Situation der Apostel gehen wird." Die Inklusion der Zeitangaben äXpt 'tfj~ äptt C\p~ 11 aa E{J)~ äpn 13by, die das enthusiastische ~ÖTf von V. 8 kontrastieren, weisen die drei Verse als zusammengehörige Einheit aus, die der Gattung Peristlllenkatalog zuzurechnen ist." Die elf Leidensumstände oder Peristasen" lassen sich formal in drei Gruppen gliedern": Auf sechs durch Ka( verbundene Notlagen in II-12a, deren letzte (KOltU'i\~EV) näher erläutert wird, folgen in 12b-13a drei Peristasen in Partizipialform, denen jeweils eine paradoxoxymorische Reaktion beigesellt ist; den Abschluß bilden in 13b - analog zu V. 986 - zwei drastische Bildworte. Die Verse 11-13 sind nach V. 10 die zweite ,Durchführung' der ,Exposition' von V. 9. Hatte in 10 bei allem hinter der paulinischen Selbstdarstellung hervorscheinenden Emst der ironische Ton dominiert, so wechselt nun mit der Aufzählung konkreter Leidenssituationen die Stimmung, indem .Paulus die Ironie aufgibt und realistisch und schokkierend seine Erfahrungen schildert. "11 Der Peristasenkatalog veranschaulicht in beeindruckender Weise, inwiefern Paulus sich von Gott auf den letzten Platz gestellt weiß (V. 9). ,.. .. gerät der Text wieder in ruhigeres Fahrwasser." (Merklein. 1 Kor 304) Siehe oben S. 145-147. Jhre sachliche Erläuterung im einzelnen ist hier nicht erforderlich; vgl. dazu besonders Weiß, I Kor 111-115; Schrage, 1 Kor S44-350; EbneT, Leidenslisten 58-89. 8~ Gegenüber anderen paulinischen Ka[alogen (Röm 8,35; 2 Kor 4,8f.; 6,4-10; Il.23b-29; 12,10) rallt der bis auf die Substantive IBba.p rein verbale Charakter der Anreihung auf (vgl. Schrage, 1 Kor 332). ·'V.9 V.I! U
14
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Kat orrl~o\, Kat av8pwxot, xa",,,,v Schrage, 1 Kor 344. Vielleicht schwingt allerdings auch in diesen Versen noch ein leiser Hauch von Ironie mit, insofern Paulus ja befUrchten muß, daß die Korinther all jene Peristasen sarkisc:h mißverstehen und jhn deswegen diskreditieren werden. Noch stärker in diese RiChtWlg geht Weiß, 1 Kor 112, der Paulus hier "von Neuem ... iro· ni'leh" reden sieht und nur einen "Gran von Bitlerkeit" in den Versen zu erkennen vennag. (Gerade eine gründliche und einfühlsame Auslegung wie die von Weiß, I Kor 100f.108-115 verdeutlicht die Schwierigkeit. atmosphärische Kategorien wie Ernst. Ironie oder Bitterkeit exegetisch objektivieren 7U wollen. In diesem Bereich bleibt ein rclath' breiter Spielraum für je subjektive Eiruchätwngen. die mit überzeugenden Ar· gumenten u. U, zu ganz verschiedenen Ergcbni.'Isen kommen körmen.)
I Kor 4.9-13
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Hintergrund dürften dabei weniger aktuelle Feindseligkeiten der Gemeinde" als vielmehr die allgemeinen Lebensumstände des Apostels sein: "Paulus schildert zusammenfassend die physischen und psychischen Entbehrungen, die Strapazen der langen Wanderungen und Reisen, die Anfeindungen, denen der Missionar sich immer wieder ausgesetzt sieht, die Fremdheit und Heimatlosigkeit, die ihn begleiten. ".. Zu betonen ist der paränetisch-pädagog;sche Stellenwert des Katalogs, mit dem Paulus sich als Vorbild der korinthischen Fehlhaltung entgegenstellt (vgl. V. 16: JlIJlllta{ JlO\l y(vwge). Anders als in 2 Kor 4,8f. oder 6,8c-l0, wo es um die innere eschatologische Dialektik der apostolischen Existenz geht", legt Paulus hier den Schwerpunkt in krasser Einseitigkeit auf die Negativdinlension seines Lebens, um gleichsam ,schocktherapeutisch' die Korinilier zur Besinnung zu bringen. Dies gilt auch angesichts der drei ins Positive mündenden Oxymora 12b-13a, die wahrscheinlich wie Röm 12,14 von der Jesustradition (Mt 5,44 par. Lk 6,27f.) beeinflußt sind." Für die Korinther dürften auch, ja gerade das eUAoye{v, a.vtXP,IV und ltapaKaAetv "Zeichen der citlJl!a und Erniedrigung der Apostel"" gewesen sein; für Paulus, der darin ebenfalls "nicht stolze, heroische Leistungen des Willens ... , sondern verächtliche Erniedrigungen sah"", sind diese Reaktionen ethische Konkretionen des Umwertungsparadox, nicht jedoch Ausdruck eschatologischer Hoffnung. Die sonst charakteristische Dialektik von Tod und Leben steht in Anbetracht des Kontextes hier nicht im Blick." Besonders die in den abschließenden Substantiven als ..Ausdmck der stärksten Selbstdemütigung"" erfolgende extreme Zuspitzung läßt einen positiv-dialektischen Ausgleich vermissen. n Siehe ohen S. 154f. Arun. 79. 1 Kor 89.
I' Klauclc., 90
Siehe
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Vgl. Schrage, I Kor 347f.; Merklein, 1 Kor 816 (..Ethos der Bergpredigt"); Hanson, Pa.r.tdox 27-82; Schiefer Ferrari, Sprache 192. EbneT, Lcidcnslisten 77-89 ordnet die
Wlten
Kapitel 4.
drei Amithesen der kynisch.stoischen .Philosophenverspottung' als religiomgeschicht. Iiehem ,Sitz im Leben' IU, bei der der von der Menge geschmähte Wanderprediger im Sinne des stoischen Paradoxes ,Der Weise erleidet k.ein Unrecht' ("gI. Scncca. Oe co05t. sap. 2,2 u.ö.) aus rationalen Gründen auf Vergeltung verzichtete. 92
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U
Weiß, 1 Kor 112. Ebd. 113. Auch Merklein. 1 Kor 314 wcLn darauf hin, daß es Pauhu nicht auf eine Heroisierung seines Lebens ankommt: "Er vertrilt keine Aszese, die das Leiden sucht oder sich in masochistischer Weise an ihm ergötzt!' Vgl. Weiß, 1 Kor 112f. Anders Schrage, 1 Kor 347: ,.Auch darin aber spiegelt sich die gleiche Dialektik wie in 2 Kor 4,8-11 Md 6.9." Vgl. auch Schiefer Ferrari, Sprache
195. G. Stählin, Art. 1tF.p{'Vll~a: ThWNT VI (1959) 88. Die meisten neueren Forscher halten die früher (schon \'on Luther) vorgenommene kultische Interpretation von 1t'epl1m6aplla:ta wld mp{IV1lfla. a15 ,Sfihnopfcr' odcr ,Sündenbock' (aufgrund religiomgeschichtlicher Analogien) für unwahrscheinlich (vgl. Weiß, 1 Kor 118f.: ComelmaJUl,
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
Der Grund dafür ist der parIJnetische und nicht oder nur indirekt eschatologische Charakter des Peristasenkatalogs. Paulus verzichtet auf das sonst übliche eschatologische Pendant von Trost, Hoffnung oder Leben, um betont die paradoxe Umbewertung der Apostel als ,Letzte' zu veranschaulichen. In autobiographisches Gewand gekleidet, ,halbiert' Paulus hier sein Kerygma von Tod und Auferstehung auf die kreuzes theologische Dimension" und schafft durch das so entstehende Paradox ein Meisterstück rhetorischer Überzeugungskunst (vgl. V. 14 vou9Stwv): Christliches Leben auf der Erde heißt nicht ßUO'tAsU6!V (V. 8), sondern Komdv (12) und nötigenfalls sogar 7tepIKu9apl1a.y{vsO'9a.1 (13) in Analogie zum Gekreuzigten." Dies gilt - "im Kontrast zum eschatologischen ,schon' der Enthusiasten"98 - "bis zur gegenwärtigen Stunde" (V. 11; vgl. V. 13 gro~ Ilpn), "d. h. solange die Herrschaft J esu Christi noch das Vorzeichen des Kreuzes trägt"".
2. Zwammenfasmng Als erstes Beispiel einer Stelle, der das Paradox der ,Kraft in der Schwachheit' bzw. die kreuzestheologische ,Umwertung der Werte' zugrundeliegt, wurde der kleine Abschnitt 1 Kor 4,9-13 untersucht, in dem es um die niedrige Stellung der Apostel bzw. des Paulus als deren Prototyp geht. Schon bei einem flüchtigen Blick fällt auf, daß der Text wenigstens teilweise stark ironisch gefarbt ist. Zugleich jedoch verleihen die drastischen Formulierungen und das Fehlen positiver Elemente (trotz 12b-13a) dem Stück eine Aura von bitterem, freilich nicht verbittertem Ernst. . Von entscheidender Bedeutung für die Interpretation dürfte die Einbindung der Perikope in den Kontext sein, der eindeutig paränetisch geprägt ist, sowohl was den Rahmen des ersten Hanptteils (Kap. 1-4) 1 Kor 117; Fascher. 1 Kor 152; Klauck.. 1 Kor 39; Schrage. 1 Kor 349f., der betont, daß
9&
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"dem Leiden des Apostels sonst nie Sühnebedeutung zugeschrieben" wird; Merklein. 1 Kor 316f.; Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte 231-2~3). Die positiv-eschatologische Perspektive bleibt als denkerische Eigenleistung den Korin· thern übeclassen (vgl. die ,Leer!;tdlcn'·Theorie von W. [ser, siehe oben S. 148 mit Anm. 49). Sie braucht gegenüber der cnulUsiastischen Gemeinde olulehin nicht san· derlich betont zu werden. "Der Narr {sc. das hinter dem Apostel von 1 Kor 4 verborgene Menschenbild} verkörpert in sich das Paradox. des chriulichen Lebem: Er ist \'crrOckt - und doch ganz im Lot, ganz in Wahrheit . .. . Er ist unter dem Übennaß an Leid sprachlos geworden und gerade so ist er Gottes laut redendes Won. Er ist Kehricht und Abschaum der Welt - und doch ihr kostbarster Schatz. Er ist der getreue Jünger seines HelTTl," (M. Ruß, FJn Narr um Christi wmen, Christliche Existenz nach 1 Kor 4.9-13: BiK..i 31 (1976) 73)
9' Schrage. I Kor 344. " Ebd. 350.
2 Kor 11.21b-12.10
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als auch die den Abschnitt umgebenden Verse von Kapitel 4 (6-8.14-16) angeht. Die Erhebung der theologischen Aussage des Textes ist daher eng verbunden mit der Frage nach seiner pragmatisch-kommwllkativen Zielrichtung: Paulus sucht als ,Vater' der Gemeinde diese an seinem Vorbild zu orientieren (vgl. 4,15f.). Dem dient der ungewäluilich provokative Stil des Abschnitts: Er soll .die Korinther zur Besinnung rufen und vOn ihrem schwärmerischen Abheben von der Wirklichkeit zu einer realistischen Einschätzung christlicher Existenz bringen"!OD. Die rhetorische Methode, deren Paulus sich für diesen Zweck bedient. ist die einer genialen Ambiguität von Ironie und paradoxem Ernst, einer Doppelbädigkeit, die selbst ein sprachliches ,Meta-Paradox' genannt werden kann. Sie zieht sich in je verschiedener Gewichtung durch den ganzen Text: Nach ihrer expositionellen Vorstellung durch den bewußt offen formulierten Vers 9 wird zunächst in 10 - nicht allein, aber dominierend - ihre ironische Perspektive entwickelt; 11-13 explizieren darauf die andere, ernsthtift-paradoxe Lesart, ohne daß auch hier der ironische Aspekt völlig verlorenginge. Sachlich geht es um den Gegensatz zweier Wahmehmungsweisen von Wirklichkeit: auf der einen Seite das enthusiastisch-pseudochristliehe, d. h. im Grunde vorchristlich-irdische, ,sarkische' Denken der Korinther; auf der anderen Seite die Kreuzestheologie des Apostels (vgl. 1,18-2,16), die jene ,Weisheit dieser Welt' mit der ,Torheit vor Gott' (3,19) vertauscht hat und von Paulus hier, autobiographisch-existentiell gewendet, vorgeführt wird. Indem Paulus in 4,9-13 zugleich ironisch und ernst redet, kann er einerseits wirksam den Illusionismus der Korinther destruieren. andererseits positiv sein paradoxes Kerygma!01 vom "Stückwerk- und Kreuzescharakter christlichen Lebens"1O' entfalten. Der Abschnitt wird so zu einem Musterbeispiel für Rhetorik im Dienste von Paränese und Theologie.
B. Der Ruhm der Schwachheit (2 Kor 11,21b-12,IO) I. ÜBERSETZUNG V. 21b Wozu sich aber jemand erdreistet - in Narrheit spreche ich -, dazu erdreiste ich mich auch. 100 Schrag~, 101
1 Kor .550.
Ocr Begriff ist legitim,
WCIU1.
man ,Kerygma' nicht auf die verbale Verkündigung des
Ä6yoC; 'toß atnupoü (I,1S) beschränken ""riß (so offenbar FascheT, 1 Kor 148), sondern
im Sinne des Paulus gamheitlich·cxistentidl auffaßt. 10'2 Schr.:lge, 1 Kor 350.
160
V. 22 V. 23
V.24 V. 25 V. 26
V.27 V. 28 V.29 V. 30 V. 31 V. 32 V. 33 V. V. 2
V. 3 V. 4 V. 5 V. 6
Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
Hebräer sind sie? Ich auch. Israeliten sind sie? Ich auch. Same Abrahams sind sie? Ich auch. Diener Christi sind sie? Im Wahnsinn rede ich: ich noch mehr! Überreichlich in Mühsalen, überreichlich im Gefängnis, übermäßig in Schlägen, oftmals in Todesnöten. Von Juden habe ich filnfmal [die Hiebe] ,vierzig weniger ei· nen' erhalten, dreimal bin ich ausgepeitscht, einmal gesteinigt worden, dreimal habe ich Schiffbruch erlitten, einen Tag und eine Nacht trieb ich auf hoher See. Oftmals auf Reisen: in Gefahren von Flüssen, in Gefahren von Räubern, in Gefahren vom eigenen Volk, in Gefahren von Heiden, in Gefahren in der Stadt, in Gefahren in der Wüste, in Gefahren auf dem Meer, in Gefahren unter Falschbrüdern; in Mühe und Plage, oftmals in Nachtwachen, in Hunger und Durst, oftmals in Fasten, in Kälte und Blöße; abgesehen von dem Unenvähnten: der Andrang zu mir Tag für Tag, die Sorge für alle Gemeinden. Wer ist schwach, und ich bin nicht schwach? Wer wird ver· führt, und ich verzehre mich nicht? Wenn denn gerühmt werden muß, will ich mich meiner Schwachheit rühmen. Der Gott und Vater des Herrn Jesus weiß - er ist gelobt in Ewigkeit -, daß ich nicht lüge. In Damaskus bewachte der Ethnarch des Königs Aretas die Stadt der Damaszener, um mich zu verhaften, und durch ein Fenster wurde ich in einem Korb durch die r..-Iauer hinuntergelassen und entkam seinen Händen. Gerühmt werden muß; es führt zwar zu nichts, ich will aber kommen auf Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn. Ich weiß von einem Menschen in Christus vor ,~erzehnJahren - ob im Leibe, weiß ich nicht, ob außerhalb des Leibes, weiß ich nicht, Gott weiß es -, daß der so Beschaffene entrückt wurde bis zum dritten Himmel. Und ich weiß von dem so beschaffenen Menschen - ob im Leih oder getrennt vom Leib, weiß ich n.icht, Gott weiß es -, daß er entrückt wurde in das Paradies und unsagbare Worte hörte, die einem Menschen nicht erlaubt sind auszusprechen. Für den so Beschaffenen will ich mich rühmen; für mich selbst aber will ich mich nicht rühmen außer der Schwachheiten. Wenn ich mich n.ämlich rühmen wollte, wäre ich kein Narr, denn ich würde die wahrheit sagen; ich venichte aber, damit nicht jemand mir mehr gutschreibt, als was er an mir sieht oder von mir hört -
2 Kor ll,21b-12,10
V. 7
V. V. 9
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angesichts der Erhabenheit der Offenbarungen. Deshalb, damit ich mich nicht überhebe, wurde mir gegeben ein Stachel in das Fleisch, ein Engel Satans, daß er mich mit Fäusten schlage, damit ich mich nicht überhebe. In bezug auf diesen habe ich dreimal den Herrn angerufen, daß er von mir ablasse. Und er hat mir gesagt: Es genügt dir meine Gnade, denn die Kraft vollendet sich in Schwachheit. Sehr gerne also will ich viehnehr mich rühmen meiner Schwachheiten, damit Wohnung nehme bei mir die Kraft Christi. Deshalb willige ich ein in Schwachheiten: in Mißhandlungen, in Nöte, in Verfolgungen und Ängste - um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark. II. ANALYSE
1. Kontext Der 23 Verse umfassende Abschnitt 2 Kor 11,21b - 12,10 bildet das Kernstück der letzten vier Kapitel des 2. Korintherbriefes. Mit Kap. \0-13 verbunden ist das Problem der Einheitlichkeit von 2 Kor - eine Frage, die seit mehr als 200 Jahren in der Forschung diskutiert und bis heute nicht befriedigend geklärt worden ist. Exkurs: Zur literarkritischen Problematik des 2. Korintherbriefes 1D3
Die Punkte, die eine UneinheitHchkeit des 2 Kor nahe1egen. sind folgende:
- Der von den Stichworten JtapaKATJot~, ,,&Jtol&tjcn~, xapa und cira"'l ge· prägte Briefanfang lI~rd in 2,14 stilistisch, thematisch und atmosphärisch abrupt unterbrochen. Paulus wechselt von der I. Person Singular in die I. Plural; auf den konkreten, autobiographischen Rückblick folgt plötzlich ein hymnisch·theologischer Lobpreis, der in eine Verteidigungsrede übergeht; an die Stelle der versöhnten Kommunikation lwischen Apostel und
Korinthern tritt im folgenden ein argumentativ.antithetisches Konkurrie· ren des Apostels mit bestimmten Gegnern wn die Gunst der Gemeinde.
- Innerhalb dieses apologetischen Teils bildet der Abschnitt 6,14-7,1 einen sprachlichen und theologischen Fremdkörper. Die an den Dualismus von Q.umran erinnernde Warnung vor den .Ungläubigen' läßt eine Verfasser-
scbaft des Paulus zweifelliaft erscheinen.'" 103
Da. in dieser Arbeit verschiedene Perikopen aus 2 Kor zu Wltersuchen sind, wird hier die gesamte literarkritische Problematik behandelt, auch wenn dies den direkten Belug zu Kapitel 11 ( überschreitet.
104 Dies bestätigt nicht zulct7.t die auffallend ,Wlpandoxe', undialektische Gegenüber-
stellung von Gerechtigkeit und Gesetzlosigkcit, Licht und Finsternis, Christus Wld Deliar de., die sich mit der paulinischen Dialektik. von Gesetz Wld Sünde, Sünde und Gnade nur sdnver vereinbaren läßt.
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
- Der irenische Rückblick auf die konkreten Ereignisse wird ebenso ilberraschend, wie er 2, 13 abgebrochen worden war, in Kapitel 7 'wiederaufgenommen. Nicht nur die Ortsangabe MalCe8ov(a. (2.13; 7,5), l50ndem auch die fast identischen Fonnulienmgen deuten auf eine Nähe heider Passagen zueinander hin: 2 Kor 2,13 ou" ~"X'1"a.IiVE<JlV tiji 1tVEU~Qt( ~oo .. .
2 Kor -7,5 Ot\ÖE~(a.V gOX'lKEV IivE<Jlv I) oap~ t\IHiiv .. . Aufl':illig ist freilich der Wechsel des NWllerus vom Singular in den plural. - Kapitel 8 und 9 des 2. Korintherbriefes behandeln beide das Thema einer Geldsammlung fllr die Gemeinde inJerusaiem. Nach Kap. 8, das sich gut an den vorherigen Kontext anschließt, wirkt der erneute Kollektenaufruf
Kap. 9 wie eine eigentlich überflüssige Dublette. - Die gTößte Unstimmigkeit innerhalb des 2 Kor entsteht aber durch den Übergang von Kap. 9 7.ll Kap. 10: Endete der Kollektenaufruf mit einem hymnischen ,Dank sei Gott für sein unbeschreibliches Geschenk' (9,15), so folgt unmittelbar darauf eine in bitterer Ironie gehaltene Mahn-, ja geradem Drobrede (lO,lff.), die überhaupt nicht zu dem versöhnlichen Ton der voraufgegangenen Kapitel paßt. Jn 2 Kor 10-18 geht es erneut um die gegnerische Anfeindung des paulinischcn Apostolats, fi:eilich in einem weitaus polemischeren Stil als in den Kapiteln 2-7. - Zu diesem Charakter der letzten vier Kapitel steht wiederum der Schluß des Briefes in Spannung: Das vertrauensl'olle Postskript 13,11-13 wirkt nach der bis zum Schluß anhaltenden Erregung (vgl. 18,1-10) recht unvennittelt. IO.5 Angesichts dieser Beobachtungen sind im Laufe der Forschungsgeschichte eine Fülle von Teilungshypothesen aufgestellt worden.l°l!i !tu Dies läßt sich auch durch die: Gattung des Postskripts nicht erklä.ren: Der gleichfalls polemische Galaterbrief hat auch einen dementsprechend schroffen Abschluß (vgl. Gal 6,17 mit 2 Kor 13,llf.l, 106
Vgl. u. a. H. D. Betz, Der Apostel Paulus und die sokrati!iiche Tradition. Tübingen
1972, 4-8; W. G. Kümmel, Einleitung in das Neue TcstaJIlent, Heidelberg 21}9S8, 2"'9-255; Fumish, 11 Cor 30-35; G. Dautlcnberg, Der zweite Korintherbrief als Brief· sammlung. Zur Frage der Utcrarischen Einheitlichkeit und des theologischen Gcftiges \·on 2 Kor 1-8, iIl: ANRW U 25.4, Berlill/New Vor" 1981, 8045-8066, 8046-8050; ZeHinger. Krieg 18-25; erschöpfend (mit vier Übersichtstahellenl R. Bieringer, Tei· lunglhypothesen zum 2. Korintherbrief. Ein ForschUllgsüberblick, in: ders. I J. Lambrecht, Studie! on 2 Corinthians (BETL 112), Leuven 1994,67-105 und ders., Der 2. Korintherbrief als ursprüngliche Einheit. Ein Forschungsübcrhlick. ebd. 107-180. Trotz der Spannungen geht der Trend der neueren Fon:chung überwiegend in Rich· tlmg Enheiclichkcit von 2 Kor: vg\, neben den älteren Kommentaren von H. Lietzm3IU1! VI/. G. Kümmel, Kor (HNT 9) 41949; H. D. WendIand. Kor (NTD IU) 1111956 oder K. PTÜmm, 2 Kor 1 (1967) in JÜIIgerer Zeit etwa Chr. wour, 2 Kor (UtHK VIII) 1990: F. Young I D. F. Ford, Meaning and Truth in 2 Corinthians, Grand Rapids 1988; J. Schröter, Der versöhnte Versöhner. Paulus als Mittler im 'Heilsvorgang zwischen Gott und Gemeinde nach 2 Kor 2,14-7,4 (TANZ IOl, Tübingen/Basell993. 4; D. Bosenius, Die Abwesenheit des Apostels ab theologisches Programm. Der zweite Korintberbrief als Beispiel für die Begriffiichkeit der paulinischen Theologie (TANZ 11). Tübingcn/Basel1994, 21f.; Berger, Theologiegeschichte 441; R. Bieringer, Plä·
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2 Kor 1I,21b-12.10
J. S. Semier behauptete
1776 in seiner ParaphrruL. II. Epistolae ad Corinthlo, zwn ersten Mal. 2 Kor 10-13 seien ein urspriinglich selbständiger Brief oder das Fragment eines solchen. A. Hausrath, Der Vier-Capitelbrief des Paulus an die Korinther. Heidelberg 1870 identifizierte ihn mit dem 2 Kor 1-9 vorausgegangenen .Tränenbrier (2.4). H. Windisch (1924) trennte 10-13
ebenfalls ab. hielt sie aber. einer Hypothese von Krenkel'07 folgend. nicht Rir den ,Tränenbrief , sondern für ein nach Kap. ) -9 nötig gewordenes Schreiben. lol R. Bultmann vetrat in seinem zwischen 194-0 und 1952 ent· standenen Kommentar eine den Hausrathschen Vorschlag ergänzende, sich an A. Halmc1 (1894)'" und J. Weiß (1914)'" anschließende Hypothese: 2 Kor 2.14-7.4 bildeten zusammen mit Kap. 10-13 den nach 1 Kor verfaßten Zwischenbrief. dem das Kollektenkapitel 9 beigefügt war; 2 Kor 1.1-2,13; 7,5-16 sowie das Kollektenkapitel 8 seien das nach Bereinigung der Situation entstandene Schreiben,lll Eine bis vor einiger Zeit l12 als relativ konsensfähig geltende Teilungshypothese wurde schließlich 1961 von G. Bomkanun fonnuliert: Das Auftreten von Gegnern habe Paulus zunächst mit der ,Apologie' 2,14-7,4 beantwortet; nach dem Mißerfolg dieses ersten Schreibens und einem demütigenden Zwischenbesuch in Korinth sei der ,Tränenbrier 10-13 entstanden, der dem Titus mitgegeben wurde; den Erfolg seiner Sendung und dieses Schreibens dokumentiere der ,VersöhnlUlgsbrief 1,1-2,13; 7,5-16, mit dem zusammen auch der Kol1ektenaufruf
Kap. 8 übersandt worden sein könne; dessen Dublotte Kap. 9 bilde den Ab· schluß der korinthischen Korrespondenz des Paulus. 1I3
-
RelaLive Einigkeit
doyrr für die Einheitlichkeit des 2. Korintherbriefes, in: den. I .1. Lambrecht, ebd. 131-119; A. Brendle. Im Prozeß der Konflilc.tühenvindung. Eine exegetische Studie zur Kommunikatiorusituation r.wischen Paulu5 und den Korinthern in 2 Kor l,l-2,taj 7.4-16 (EHS.T 553). F,ankfun am Ma", u. a. 1995.275-316. 107 M. Krenke!, Beiträge zur Aufhellung der Geschichte und deI" Briefe des Apostels Paulw, Braunschweig 1890, 158-378. 10' Vgl. Windisch, 2 Kor l7f.; Fumish, JI Cor 35[[ 109 Der Viel"kapitelbrief im zweiten Korintherbrier des Apostels Paulus, Essen 1894. 110 Urchristentum 245-212. 111 Vgl. Bultmatm. 2 Kor 22f. lIi In letzter Zeit fInden sich verstärkt wieder Vertreter der fz. T. modifizierten) Haus....h-Hypothese. '0 F. Lang. Kor (NfD 7) 1986; H.:). Klauck. 2 Kor (NEB 18) 1986; G. Dautzenberg, Briefsammlung (1987) 3049.8052; L. Aejrnelaeus, Streit und Ver· sölmung. Das Problem der Zusammensettung des zweiten Korintherbriefes (Schriften der Finnischen Exegetischen Gesellschaft 46), Helsinki 1987; L. L. DelleviUe. A Letter of Apologctic Self·Commendation: 2 Cor. 1,8-7,16: NT 81 (989) 142-168: A. Pernman. Between Troas and Macedonia: 2 Cor 2,18-14: ET 101 (1989) 39-41; Strecker, Theologie 17; H.·M. Wünsch, Der paulilLischc Brief 2 Kor 1-9 als xommWliltativc Handlung. Eine rhetorisch·literatunvissenschaftliche Untersuchung (Theologie ,), Münster/Hamburg 1996, 58-127. IU "gI. G. Bomkamm, Die Vorgeschichte des sogenannten zweiten Korinthcrhriefcs (Sittungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.·hist. Klasse), Heidelberg 1961; deß., Paulus 93f.247f.; bestätigt von Becker, PauJus 229-285; Söding, Chronologie 36-40. N. H. Taylor. The Composition and ChTOnology or Second Corinthians:JSNT 44 0991} 67-87 vertauscht die Abfolge von Tränenbrief(10-13J und Apolog;e (2,14-7,4; danIIch entstanden).
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
herrschte in der Forschung bislang darüber, daß der mit der Theologie der Q.umran-Essener verwandte Abschnitt 6,14-7 t 1 eine nicht von Faulus stammende Interpolation darstelle. 11. Entgegen der Tendenz in der neueren Literatur1u soll in dieser Arbeit an der Hypothese von G. Bomkamm festgehalten werden, die freilich geringfOgig zu modifizieren ist. Zweifellos be,'itechen die ,Zwei-ßriefe--Läsungen' yon Semler/Windisch/Furnish u. a. (BriefA: 2 Kor 1-9; BriefB: 2 Kor 10-13) b1.w. Hausrath/KJauckl Dautzenberg u. a. C,TränenhrieP: 2 Kor 10-13; ,Versöhnungsbrier: 2 KOT 1-9 r8 J) wegen ihrer Einfachheit. Allerdings wiegen die dadurch nicht erklärten Probleme hinsichtlich der Integrität von Kapitel I -9 schwerer. Trotz gewisser fonnaler und inhaltlicher Verbindungen zwischen 1,1-2,13 und der Fortsetzung in Kapitel 7 mit dem davon umsch10ssenen umfangreichen Mittelteilll6 ist es kaum denkbar, daß dieser in 2,14 einsetzende polemisch-antithetische Ab~c:hnitt1l7 von Anfang an einen derart versöhnlichen, überschwenglichen Rahmen lll gehabt haben könnte. Umgekehrt wird nicht plausibel, weshalb Paulus in einem so irenisch begonnenen Brief unvermittelt auf apologetische und konfessorische Weise 119 wieder die argumentative Auseinanderset1.Wlg suchen sollte. Der atmosphärische. pragmatische Gegensatz beider Teile ist 7.U groß, als daß für Kap. 1-8 ein tUld dieselbe Situation vorausgesetzt werden könnte, die für einen einzigen Brief erforderlich wäre. HmnI kommen literarkritische Beobachtungen. Die nahe7.u identischen For· mulierungen von 2,13 und 7,5 120 machen es sehr unwahrscheinlich, "daß
Vgl. die ältere Literatur bei Windisch, 2 Kor 18f.212, der selbst vorsichtig urteilt; Bultmann, 2 Kor 181f.; ausfiihrlich Fumish. II Cor 375-S83; Bomkamm. Paulus 248, Conzelmann I Lindemann, Arbeitsbuch 241; dagegen Kümmel, Einleitung 253[.; Wolff. 2 Kor 146-149; .1. Lambrecht, The Fragment 2 Corinthians 6,14-7,1: A Plea. for Its Authenticity, in: R. ßieringer / ders., Studies on 2 Corinthians (BETL 112), Lcu\'en 1994, 531-549; R. Bieringer, 2 Korinther 6,14-7.1 im Kont~xt des 2. Korintherbriefes. Forschungsiiherblick und Versuch eines eigenen ZuganV. ebd. 551-510. 115 Siehe oben S. 162f. Anm. 106 Wld 112. 116 Dautzenberg. Briefsammlung 3058-3063 arbeitet besonders die Parallelität \,on 1,3-11 und 4.7-15 heraus. Freilich ist es nicht weiter verwunderlic:h, daß ein und derselbe VerfasSeT derselben Gemeinde zum gleichen Thema Ähnliches zu sagen hat. Die Frage ist allein, ob di~ hinter 4.7-15 und 1,3-11 hervorscheincnde Situnlion diesdbe ist, so daß die heiden Stricke im gleichen Brief gestanden haben könnten. Siehe dazu den Vorschlag unten S. 166f. 117 Leitmoti,'e sind h,av6~. hc:av6tlf~, auvlUtaV61V, 6uiKOVO~, B1UKov(a, li6l;o. sowie der Gegen.,.u eava
2 Kor 11,21b-12,IO
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der Erzählfaden von 2,13 nach einem längeren Intennczzo wiederaufgenommen werden soll"':!I; vielmehr müssen beide Verse im gleichen Kontext
gestanden haben. Freilich ist mit den Gegnern der Bomkamm-Hypothese festzustellen, daß 2,13 und 7,5 keineswegs "wie die Bruchstellen eines Ringes" aufeinanderpassen. I :!2 Der abrupte Wechsel von Singular und Plural ist bei Paulus zwar durchaus ühlichl2S , nicht aber bei fast gleichlautenden Aussagen wie in 2,13 und 7,5,l!4 Die Schwierigkeit entfällt, wenn man - ohne den kontextuellen Zusammenhang heider Verse zu zerstören - auch 7}4 dem VersiJhnungsbriy zurechnet und so eine Brocke ~-v:ischen heiden Versen bilden läßt.12~ Folgende Argumente sprechen für diesen Zusammenhan~ - Die Substantive von 2 Kor 7,4 passen vonüglich zu den Leitworten des Versöhnungsbriefes: "nOx~a" zu 1,12.14; 7,14; 8,24(!); naparl~m, zu 1,8-7; 2,7f.; 7,6f.18; xapa zu 1,15.24; 7,7.13; 9AilltI, zu 1,4(!).6.8; 2,4; 7,5. - Der Übergang vom Singul;u- zum plural wird durch V. 4 vermittelt: allo1ru;a/l8VO, ... !S~Ä90v (2,18b) ... 1toll1\ 1I0l •.. 1toll1\ 1I0l ... lIelt1..1\pCllIInt ... ultBpllsptaaSUOlint ... 9A{'!'sl ~lIciiv (!) 0,4) ... !Ä96vtCllv ~~tciiv ... (7,5). - Die begrundende Konjunktion ycip (7,5), die nach der traditionellen Teilungshypothese dem Redaktor zugescluieben werden mußte l26 , erfilllt so eine doppelte Funktion: Zunächst greift sie die negative Ausgangssituation des PauIus wieder auf (7,5a nach 2,13; 7,5ba IInvtt 9Ätß611SVOl nach 7,4by"aan -rfi aÄ('!'st), zugleich aber erklärt sie als Eröffuung der Verse 5-7 die lIapp~ain, "aOx~at" lIaparl~mc; und xapa von 7,4 (7,6 lIapaKaAmV ... lIapsKooasv; 7,7 "aparl~asl ... 1Iapsrl1\IltJ ... xapijvat). - Wie sich einerseits 7,4 gut an 2,13 anschließt - Paulus bricht in Erinnerung an die Mazedonienreise in Jubel aus, weil ihm don durch Titus die beruhigende Nachricht 7uteil WUTde -, so könnte anderersdts hier die Veranlassung !Ur den Redaktor gelegen haben, die ähnlich triumphie· rend anhebende Apologie (tQi öl: 9sqi Xap" ... ) an dieser Stelle ein,uRi· gen. Als Schluß der Apologie (oder des von ihr erhaltenen Fragments) eignet sich im fibrigen die formelhafte Wendung si, tO (J\)va1l09aVE\V Kat (J\)~ijv in 7,3 besser als - nach der gängigen Hypothese - Vers 4.'" Der 121 Dautlenberg. Briefsarnmlung a055f. 121
Weiß, Urchristentum 265. Vgl. Dautzcnberg. ebd.: .,Eine solche ,·a.r'Üercnde Wiederholung lsc. in der Beschreibung der Unruhe des Apostels 1 wäre bei wunittelbarcr Aufeinanderfolge beider Sä.tze sehr merkwürdig,U
,,, Vgl. nur im Kontext 2 Kor 7,2 (PI.I - 8. (Sg.1 - Sb (Pl.I; 7,6.7. (PI.) - 7b.81I (Sg.1 etc, 12' Negation + §OXllKa/-&v nVEolV + 1t\'6ilJ.l.u/aapl;; SAß- + < MU1CEiSov{u\', 12$ So auch die Gliedenmgen von Furnish. n Cor 384fT. und 'Volff, 2 KOT 154ff.. die allerdings von der Einheitlichkeit des Stückes ausgehen. U6 Vgl. Bultmann, 2 Kor 56, 127 Vgl. G. 5tählin, "Um mitzwterhen lmd mitztdeben", Bemerkungen 7.U 2 Kor 7.3. in: H. D. Bct1. I L. Schottroff (Hgg.). Neues Testament und christliche Existenz (FS HIT H, Brilun), Tübingen 1973, 50~-521.
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Kapitel 8: Kraft in der Schwachheit
durch die 2. Person Plural suggerierte enge Zusammenhang von 7,2-4en\'eist sich bei genauerem Hinschauen als bruchig. wcrm man den positiven Stimmungsumschwung twlschen den Versen 2 und 4 beachtet. Demnach hätte die Mitte1'2S des ,Versöhnungsbricfes' 2 Kor 1,1-2,13; 7,4-8,24 (; 13,11-13'29) folgenden Zusammenhang gehabt: 2,12 Als ich aber nach Troas gekommen war für das Evangelium Christi. und mir eine Tür aufgetan war im Henn, 13 hatte ich keine Ruhe in meinem Geic;4 weil ich Titus, meinen Bruder, nicht fand, sondeln ich nahm Abschied "on ihnen und ging fort nach Ma7.edonien.
7,4
6
Groß ist meine Zuversicht
7.U
euch. groß mein Rühmen euretwe-
gen! leh bin erfüllt von Trost, ich ströme über vor Freude trotz aU W1serer Bedrängnis. Denn als wir nach Mazedonien gegangen waren, haUe WlSer Fleisch keine Ruhe, sondern in allem waren \\rU- bedrängt: von außen Streitigkeiten. von innen Ängste. Aber der die Geringen tröstet. tröstete uns, Gott, durch die Ankunft des Titus, nicht allein aber durch seine Ankunft. sondern auch durch den Trost, mil dem er bei euch getröstet worden war, uns berichtend von eurer Sehnsucht, eurem Wehklagen, eurem Eifer ror mich, so daß ich mich noch mehr fre ..te ....
Was die chronologische Reihenfolge der in 2 Kor enthaltenen Brieffragmente betrifft, so ist die Rekonstruktion Bomkamms nach wie vor überzeugend.'" In dieser Arbeit wird daher von folgendem Ablauf der korinthischen Korrespollderu. des Paulus ausgegangen: 1. mindestens ein (Mahn-) Brief ("gI. 1 Kor 5,9) 2. der kanonische I. Korintherbrief 3. die ,Apologie' 2 Kor 2,14-7,3 Die BruchsteUe 2,13; 7,4 liegt in der Tat exakt im Zentrum des so rekoDstruierten Schreibens, sofern man das POStskript nicht zwn Versöhnungsbrief rechnet. Die Stichworte xcdpelV, e{pft\'ll und o:ya.1tTl in 13,1 J- U könnten darauf hindeuten, daß diese Verse ursprünglich den Versöhnungsbrief abgeschlossen haben. Eine sichere Zuweisung bleibt jedoch ungewiß. 130 Siehe oben S. 163 mit Anm. 113. - In jüngster Zeit fand die Bomkamm-Hypothese A!ucptam; in der rhetorischen Untersuchung von J. A. Croton, The Agency of the Apostle. A Dramatistic Analysis of Paul's Responses to Conruct in 2 Corinthians (jSNT SS 51 I, Sheffield 1991. Crafton schließt sich in den Einleitungsrngen den kOßsensfähigen P05itionen Bomkamms (Literarkritik) und Georgis (Gegner, siehe: unten S. 190(.) an und untenieht die von ihm so genannten Teile "Letter ofInitial Response (2,14-6,13 + 7,2-4)", "Letter of Attack (10,1-13,13)" und .Letter of Reconciliation (1,3-2,18 + 7,5-16)" einer rhetorischen Analyse im Anschluß an die ,dramatistische' Methode von K. Burk.e. Crafton zufolge antwortet Paulus auf die drei verschiedenen Situationen zunächst mit .. Agency ver5US Agent" (Apologie), dann als ,.Agent venms Counter-Agent'" (TräncnbrieO, schließlich als ..C
1'l!S
U9
2 Kor 1l,21b-12,IO
4. 5. 6.
167
der ,Tränenbrier 2 Kor 10,1-13,10 (vgl. 2 Kor 2,3f.) der ,Versöhnungsbrier 2 Kor 1,1-2,13; 7,4-8,24 (; 13,11-13) der zweite Kollektenaufruf 2 Kor 9,1-15
Ein relativ ausführlicher Exkurs zur literarkritischen Problematik des 2. Korintherbriefes war deshalb erforderlich, weil im weiteren Fortgang der Arbeit Textstellen aus jetzt als uneinheitlich erkannten Teilen von 2 Kor Wltersucht werden soUen. Hienu ist es einerseits notwendig, die hinter dem Text erkennbare je spe7.ifische Situation eines Abschnitts zu berücksichtigen, andererseits die verschiedenen situativen und literarischen Kontexte in einen
chronologischen Zusammenhang zu bringen. Auf der Basis der vorliegenden Arbeitshypothese läßt sich nwunehr prufen, ob Wld inwieweit die hinter 2 Kor erkennbaren Situations- und Stimmungsschwankungen für das paradoxe Element der zu behandelnden Texte von Bedeutung sind.l81 Ende des Exkurses
a) Der weitere Kontext: 2 Kor 10-13 Der Abschnitt 2 Kor 11,21b-12,1O steht im Zentrum des sogenannten ,TTänenbrujCJ' 2 Kor 10,1-13,10, der als eigenständiges Schreiben innerhalb der Korrespondenz des Paulus mit den Korinthern zu betrachten ist. Trotz der auf die ersten Anzeichen einer Krise hin übersandten ,Apologie' hat sich das Verhältnis von Apostel und Gemeinde dramatisch verschlechtert; die Gegner des Paulus haben an Einfluß gewonnen. Bei einem Zwischenbesucb muß es zu einer für den Apostel höchst demütigenden (12,21) und selbst aus der Distanl heraus noch aufwühlenden Szene mit einem Mitglied der Gemeinde gekommen sein (2,5-11). ,Unter vielen Tränen' (2,4) schreibt Paulus daraufhin einen Brief, dessen wesentliches Fragment in den letlten vier Kapiteln des 2 Kor enthalten sein dürfte. '" Der Tränenbrief läßt I. 10, 1-18 1. 10, 1-11 2. 10,12-18 II. 11,1-12,13 1. 11, 1-21a a) 11, 1-15 b) 11,16-21a 2. 11,21b12,10 131
sich folgendermaßen gliedern: Paulus und die Gegner Verteidigung: der Vorwurf der Unterwürfigkeit VOlwurf: das maßlose Rühmen der Gegner Die Narrenrede des Apostels Ausgangssituation: die treulose Gemeinde Verbitterung über den Erfolg der .Überapostel' Legitimation der Narrenrede Der Selbstruhm des Apostels
Besonders in Kapitel 4 der Arbeit könnte die Reihenfolge 2 Kor 4; 2 Kor 6; 2 Kor 1
eine Hilfe für die Deutung der unterschiedlichen Paradoxalität jener Abschnitte bieten. In
Einen Überblick über dieses Schreiben und seine Situation bietet Beckcr. Paulus 245-254.
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
a} 11,21 b-33 b} 12, 1-10 3. 12,11-13 III. 12,14-13,10 I. 12,14-21 2. 13,1-10
Ruhm der Leiden Ruhm der Schwachheit Abschluß: die undankbare Gemeinde Paulus lUld die Gemeinde Sorge vor dem neuen Besuch Warnung und MahnlUlg
Erkennbar ist ein dreigliedriger Aufbau des Schreibens, dessen Präskript und Proömium sowie Postskript'" uns nicht mehr erhalten sind. Die drei Hauptteile ergeben sich aus dem personalen ,Dreieck', das der Kommunikationssituation des Briefes zugrunde liegt"': Adressat des Paulus ist zwar die korinthische Gemeinde; in sie sind jedoch be· stirrunte konkurrierende Missionare eingedrungen, die die AutOlität des Apostels in Zweifel ziehen und direkt oder zwischen den Zeilen ständig im Brief präsent sind. Noch ohne auf den Mittelteil näher einzugehen"', läßt sich entsprechend dieser Trias Apostel- Gegner - Gemeinde eine - notgedrungen etwas schematische - Struktur des Tränenbriefes erkennen: In Kapitel 10 geht es vorwiegend um die Gegner, um deren Vorwürfe gegen Paulus {1-11} und ihr eigenes Verhalten {12-18}"'; im mittleren Teil 11,1-12,13 dominiert das r:yro, steht Paulw selbst als ,Narr' im Vordergrund; im letzten Abschnitt 12,14-13,10 sind die konkreten Pläne des Apostels mit der Gemeinde 02,14-21} lUld deren gestrenge Ermahnung das bestimmende Thema. In einem zunächst stark vereinfachenden Schaubild würde das so aussehen: 2 Kor 11,1-12,13
~Paulus~ 2 Kor 10,1-18
2 Kor 12,1+-~
Geg~
Gemeinde
Die thematische Dreiteilung ,Gegner - Pa1l11ls - Gemeinde' der KapitellO-13 soll nun flir den zentralen Abschnitt 11,1-12,13 noch weiter differenziert werden.
133 JH
Zu lS,l1-U siehe oben S. 162 und S. 166 Anm. 129. Vgl. auch Ebner, Leidenslisten 98 (,Beziehungsdreieck'),
Zu 11,1-12,18 siehe den nächsten Abschnitt. LSfi Ein geradew progtammatischer Satz ist Vers 3 (tv aapKt
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yap ltEp\:m:t'toOVt6~ oö K'tI'tQ
oapKQ. crtpa't6u6~l6en). mit dem Paulus zugleich defensiv den Vorwurf der ,Fleisch· lichkeit' \'on sich abwehrt \Uld offensiv die Gegner derselben berichtigt (vgl. Schiefer FCll-aJi, Sprache 237.254().
2 Kor 11,21b-12,IO
169
b) Der engere Kontext: 2 Kor 11,1-12,13 Die Verse 11,21 b - 12,10 bilden den Kern des Mittelteils von 2 Kor 10-13, der gemeinhin als die ,Narrenrede' des Apostels bezeichnet ,,~rd (11,1-12,73).131 Anlaß zu dieser Qualifl1.ierung gibt die einleitende Bemerkung in 11,1, ,0 daß ihr doch ein wenig Narrheit'" von mir aushieltet!', welche eine Reihe mit den Stichworten litppOlv/a
ll1
Die Abgrenzung der Narrenrede erfolgt unterschiedüch: ,'gl. Windisch. 2 Kor 515.349.366 ("Törichte SdbstvcrherrlicbW1g zur vernichtenden Abwehr der Gegner und zur Rechtfertigung der eigenen Person 11,1-12,13", darin die "Narrenrede"
11,21b-S3 und 12,1-1O); Bultmann. 2 Kor 6 ( .. 10,12-12,18: Die tOÄJJ.a des Paulus", darin "JO,12-18: Erste Einleitung", "11,1-21: Zweite Einleitung", .. 11,22-12,18: Der Sdbstruhm"}j Zmijew5ki, Stil 76 (die ..Narrenredc" ll,1-12,10, darin die "Ruhmesrede" 11,21b-33 und 12,1-10); Kleinlmecht, Der leidende Gerechtfertigte 284 (die "Narrenrede'" 11,1-12,18, deren Zentnun die "Ruhmesrede" 11,16-12,10); Fumish, II Cor xii (,.A Fool's Speech, 11:1-12:13" bestehend aus ..prologue, 11:1-21a", "Thc Speech Proper, 11:21b - 12:10'\ ,,Epiloguc, 12:11-13"); Wolff, 2 Kor IX ("Die Rede dnes Narren 11,1-12,13'": "Prolog 11,1-15", ,.Das Selbstlob des Paulus 11,16-12,10", "Epilog 12.11-13"); Schiefer Ferrari, Sprache 239 (11,16-12,10): Ebner, Leidemlisten 95-96 (11,16-12,13). Isa ßlPpooUV1l wird im folgenden zur besseren Abgremung "on pwp{a. = ,Torheit' konsequent mit ,Narrheit' wiedergegeben. 159 Das Verbum KaoXOOllat erscheint (nach fünf Belegen in Kapitel 10) in 11,12_16.18 (bfs).30 (6iJ): 12,1.5 (6':').6.9: d ... Substantiv KaUmau; in 11,10.11. 140 Un"erständlich ist. warum die Monographie Zmijewskis bei 12,10 abbricht und die Behandlung dieser drei Verse ausläßt.
170
Kapitel 8: Kraft in der SchwachJleit
Der unterschiedliche Charakter von eigentlicher Rede und sie umgebendem Ra1unen läßt sich an inhaltlichen wie formalen Kriterien festmachen. Geht es thematisch beim Selbstruhm des Apostels um eine umfassendere DanteIlung der Widerfahrnisse des Paulus, die über Korinth und die gegenwärtige Krise hinausreichen, so sind die rahmenden Abschnitte ganz in der aktuellen Situation verankert. In Fortfuhrung von Kapitel 10 hat Paulus in 11,1-15 die treulose Gemeinde vor Augen, die sich von ,Über-' bzw. ,Falschaposteln' (V. 5.13) offenbar zu einem ,anderenJesus', einem ,anderen Geist' oder einem ,anderen Evangelium' (V. 4) bat verführen lassen und, von ihnen aufgehetzt, gegen Paulus Stellung bezogen hat (vgl. V. 3.5-12). Stand in Kapitel 10 der konkurrierende Vergleich Paulus - Gegner inl Vordergrund, so ist diese Perspektive in Kapitel II zwar nicht aufgehoben (vgl. V. 4b-6.12-15), jedoch ergäm.t durch Polemik und direkte Kritik an den korinthischen Adressaten (vgl. V. 1-4a.7-11). Dies gilt ebenso für den Abschnitt 11,16-2Ia, der dem Selbstruhm des Apostels unmittelbar vorausgeht. Nach den für die Hermeneutik des Textes wichtigen Versen 16-18, in denen Paulus einleitend die Form des törichten Eigenlobs zu legitimieren sucht, kehrt er noch einmal kurz zur scharfen Polemik zurück (1l,19-21a), indem er das Prädikat ÜeppOlV nicht auf sich, sondern - nun mit vollem Ernst - auf die Gegner anwendet (V. 19) und so eine Brücke zwischen der Narrenrede im engeren Sinn und ihrem situativen Anlaß schlägt. Gewissermaßen als epilogartiger1<' Abschluß des gesamten Komplexes der Narrenrede wird in 12,1l-13 die polemische Thematik von 1l,1-2Ia wiederaufgegrilTen. 14 ' Vers 11 resümiert das Voraufgegangene (ysyova lieppOlV) und kehrt zu 11,21 zmiick. Der Selbstruhm des Narren erhält auf diese Weise einen funktionalen Rahmen, in den er eingebettet und von dem her er zu verstehen ist. Umgekehrt wird nun, im Anschluß an das großartige Kernstück, deutlich, daß die Gemeinde nicht nur treulos (J 1,1-21al, sondern auch undankbar gewesen ist, denn: ,Die Zeichen des Apostels wurden ja vollbracht unter euch in aller Ausdauer, mit Zeichen und Wundem und Kraftenveisungen.' (12,12) Nach rhetorischen Kategorien bilden die abschließenden drei Verse einerseits als ,epidiortho,is' das Pendant zur ,prodiortho,is' 11 , 1-21 a, andererseits schaffen sie den Übergang zum dritten und abschließen-
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...2
Vgl. Fumish. U Cor 554-. Hrppoov (J 2,lla) korrespondiert mit tv acppoaUVQ Älyco (1I,21b); ouBev "tOp 60fEpTlcra tmv unspÄlav (mOCJt6Amv (l2,llc) greift fast wörtlich auf 11,5 lurückj 12,18 ent-
spricht inhaltlich 11,7-11.
2 Kor 11,21b-12,10
171
den Teil des Tränenbriefes 02,14-13,10), in dem es um die konkreten Zukunftspläne des Apostels mit seiner Gemeinde geht. I" Auchformal fällt der Gegensatz von 11,1-21a; 12,11-13 und 11,21b - 12,10 ins Auge. Vor allem zwei stilistische Unterschiede sind hier zu nelmen. 1H
1m grammatisclren Bereich deutet das wechselseitige Vorkommen der 1. Person Singular und 2. Person Plural in den rahmenden Abschnitten auf eine intensive KommltnikatiorlSJituation zwischen Apostel und Gemeinde hin. Demgegenüber fallt in lI,21b-12,10 das völlige Fehlen einer Form von ÖIlEi~ auf: Die direkte Anrede wird gänzlich vermieden, es dominiert das &yoo und seine Ableitungen. Eindeutig tritt hier die Kommunikation zugunsten der Konfellion zmück. Auf dem Gebiet der Rhetorik ist zwischen Ra1unenteilen und Mittelstück ein Wechsel der Stilmittel zu konstatieren. Während Paulus in seiner Verbitterung über die Gemeinde in 1l,1-21a; 12,11-13 vor allem vom Mittel der Ironie Gebrauch macht 0I,1.4-6.14-16.19-21a; 12,11.13)'" bzw. die damit verwandte rlllitoTische Frage einsetzt 01,7.11; 12,13)14', sind diese Instrumente der polemischen Auseinandersetzung in lI,21b - 12,10 fast ganz an den Rand gedrängt. I" Bei der diesen Abschnitt bestimmenden, im NT singulären rhetorischen Form der ,Narrenrede', des konfessorischen Selbstruhms in der Maske eines Toren, handelt es sich um ein eigenes, "on der Ironie zu unterscheidendes Stilmittel. Während in der Ironie das Gegenteil dessen gesagt wird, was gemeint ist, liegt bei der paulinischen Narrenrede von 2 Kor llf. der paradoxe und höchst komplb.ierte Fall vor, daß Paulus zugleich etwas sagen und nicht sagen will, von vornherein die Affirma-
1·45
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HS 146
141
Vgl. Fumish, U Cor 554. Wenn bestimmte Teile der Narrenrede nach den Kafe:gorien der antiken Rhetorik klassifiziert werden können, so deutet das auf eine entsprechende Funk.tionalität der betreffenden Teile hin. Eine weitergehende Frage wäre. inwiefern die Narrenrede als ganze nach dem Mwter et\'Ia einer rhetorischen Apologie konzipiert ist (wie sie ähnlich H. D. Betl für den Galaterbrief angenommen hat). AngeSichts des eigenen Charakters von 2 Kor llf. sollte mit einer allzu direkten Zu· ordmmg dieser Art vorsichtig wngegangen werden {mehr dazu siehe unten bei der Gattwlgskritikl. In der umfangreichen Monographie J. Zmijewskis zum Stil der ,Narrenrede' {siehe oben S. 10} kommen über die 'Zahlreichen akribischen Einzelheobachtungen. die im Detail recht hilfrdch sein mögen, solche übergrdfenden Beobachtungen leider etwas 7,U kun. Ob es sich bei der von Zmijewski angcwandten Methode tat~ächlich um ein Modell fiir StiluntersuchWlgen neutestamentlicher Tcxte handelt (vgl. 412). wäre deshalb 1.U fragen. Mehr zu diesem Stilmittel siehe oben S. 77f. Siehe oben S. 78. Ironie begegnet nur in 12,laa (lCauXäa9at SEi). wo Paulus - an der Nahtstelle der beiden Teile des Selbstruhms - ItUI7. auf die Meta-Ebene des Rahmens 7.urückspringt. In 11,29 stehen zwei rhetorische Fragen.
172
Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
tion negiert 01,1 6f.), sie dann aber doch durchführt 01,21 b ffV" Sicherlich ist die Narrenrede mit der Ironie venvandt; das darin enthaltene größere ,Wallrheitspotential' grenzt sie aber auch rhetorisch von den umgebenden Rahmenteilen ab. Aufgrund der gewonnenen Differenzierung innerhalb des Mittelteils läßt sich nunmehr das Schaubild zu 2 Kor 10-13 vervollständigen: 2 Kor 11,21b - 12,10
~pats~ / K o r 10,1-18
Gegner"
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2 Kor 12,14-~
2 Kor ll,I-21a; 12,11-13 _ _ Gemeinde
Zu Beginn des ,Tränenbriefes' geht es (vonviegend) um das konkurrierende Verhältnis von Paulus und Gegnern {Kapitel 10).'" Der Schlußabschnitt (12,14-13,10) thematisiert die (konkreten) Beziehwlgen des Apostels zur Gemeinde. Die dazwischenliegende ,Narrenrede' im weiteren Sume besteht aus einem Rahmen, in dem der flir Paulus höchst bedrohliche Einfluß der Gegner auf die Gemeinde deutlich gemacht wird (lI,I-2Ia; 12,11-13)15', sowie als Kernstück dem ,Selbstruhm des Apostels', der ,Narrenrede' im engeren Sinne, mit der Paulus gleichsam ,egozentrisch' auf diese Herausforderungreagiert (lI,2 Ib12,10). 2. Slmktur
Der ,Selbstruhm des Apostels' 2 Kor ll,21b-12,10 ist mit 23 Versen ein recht umfangreiches Textstück, das aufgrund inhaltlicher und formaler Kriterien aber als Einheit gegenüber dem Kontext abgegrenzt werden muß.'" Der Text gliedert sich m zwei Teile (11,2Ib-33; 12,1-10 '''), deren innere Struktur m Parallelität zueinander steht (l1,21b-22 entspricht 12,1-4; 11,23-33 entspricht 12,5-10). \48
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150
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Im Grunde handelt es sich um eine dreifache Paradoxalität: 1. Paulus leIwt das törichte Rühmen der Viden KD.ta aelpKD. (II,ISa) als unnütz ab (J 1,16.; 12.1a~).
2. Gleichwohl praktiliert er eben dieses KD.UXäa9a.\ (11,l.16b.17.18b), 3. Er relativiert wiederum beide" indem er sich paradox seiner Schwach/reiten rühmt (11.30; 12.5.91. Mehr dazu siehe unten bei der Eim.eJauslegung. Natürlich ist auch Kapi.tel 10 leu.tUch an die Gemeürde gerichtet. Der Rahmen der ,Narrenrede' führt das ,personale Dreieck' Apostel - Gegner - Gemeinde sozusagen auf engerem Raum "crsammelt \'or. Siehe oben S. 169-172. Zu 12,1-10 vgl. jetzt die griindliche Monographie von U. Heckd, Kraft in Schwachheit, Tübingcn 1993.
2 Kor 11.21b-12.10
173
Im einzelnen hat die ,Narrenrede' im engeren Sinne folgenden Aufbau: I. 11 ,21 b-33 1. 11,21b-22
a) lJ,21b b) 11,22 2. 11,23-33 a) 11,23a b) 11,23b-29 (1.) 11,23b ß) 11,24-25 y) 11,26 S) 11,27
Ruhm im apostolischen Bereich Ruhm der Abstammung Einleitung Ethnischer Vergleich mit den Gegnern Ruhm der Leiden Wendung ins Paradoxe Peristasenkatalog'" Vier allgemeine Notlagen Vier konkrete Notlagen mit Zahlenangaben Acht ,Gefahren' auf Reisen Fünf (acht) allgemeine Notlagen (drei Paare, Imterbrochen von zwei 1tOU(l1Cl<;-
Aussagen) .) 11,28-29 Vier apostolische Mühsale (zwei Aussagen und zwei rhetorische Fragen)
c) 11,30-31 a) 11,30 ß) 1\,31 d) 11,32-33
ll. 12,1-10 O. 12,la 1. 12,1 b-4 a) 12,lb b) 12,2-4 a) 12,2 ß) 12,3-4 2. 12,5-10 a) 12,5-7a a) 12,5 ß) 12,6a y) 12,6b-7a b) 12,7b-9a Cl) 12,1b
Zwei hermeneutische Zwischenbemerkungen Das dem Katalog zugrundeliegende Paradox Feierliche Beteuenmg der Faktizität Historisch-autobiograplrische Ergänzung Ruhm im persönlichen Bereich Ironische Zwischenbemerkung (vgl. 11,16-18) Ruhm der Offenbarungen Überleitung zum neuen Thema Zwei parallele Entrückungsberichte Entrückung bis rum dritten Himmel Entrückung ins Paradies, Audition Ruhm der Schwachheiten Paradoxe Umkehrung und deren Begründung Zwei Arten des Rühmens Beteuerung der Wahrheit des geistlichen Rührnens Begründung des VerzichtS darauf Autobiographische Erzählung Metaphorischer Bericht über ein Leiden, interpretierend umrahmt
ß) 12,8 y) 12,9a c) 12,gb Cl) 12,9ba
ß) 12,9bß d) 12,10 UJ
Reaktion des Paull1s auf das Leiden Antwort des Kyrios mit Be~ündung Plausiblere Wiederholung des Paradox Rulun der Schwachheiten Ziel dieses Rühmens
Veranschaulichung
Zur genaueren Gliederung des Katalogs vgl. Weiß, Beiträge 186f.; Windisch, 2 Kor 349; Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte 288; Schiefer Ferrar1, Sprache 241-2-18; Ebner, Leidenslisten 108-111.
174
Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
a) 12,lOa
ß) 12,lOb
Peristasenkatalog mit paradoxem Ralunen Abschließende paradoxe Gnome
Bei aller Verwandtschaft in der Form sind die beiden Hauptteile von ihrer Thematik her unterschieden. 11,21 b-33 zählt vonviegend Fakten auf, die mit der Legitimität und Arbeit des Paulus als Apostel in Verbindung stehen, äußerlich wahrnehmbare und somit nachprüfbare Dinge. 12,1-10 hingegen berührt eher den persönlichen Bereich des Paulus"< als eines begnadeten Menschen, einerseits mit intimen geistlichen Erlebnissen, andererseits einem konkreten körperlichen Leiden. Dessen ungeachtet weisen I und II eine parallele Struktur auf: Je einem ersten Teil, in dem sich Paulus gleichsam auf das Niveau seiner Gegner begibt und ,echten', ,verständlichen' Selbstruhm praktiziert, folgt ein zweiter Teil mit einem paradoxen, das vorher Gesagte relativierenden Rühmen. Brüstet sich Paulus in 11,21b-22 seiner ethnischen Vergleichbarkeit mit den Gegnern, so fUhrt er ein solches ,DienerChristi-Sein' gleich darauf durch den Peristasenkatalog ad absurdum. Parallel dazu beginnt er in Kapitel 12 mit der Präsentation seiner Gesichte und Offenbarungen, um sich alsbald davon zu distanzieren und ,vieder dem Ruhm seiner Schwachheiten, konkretisiert in dem (J1~6AO'V ~fi aapK( (V. 7) smvie einem zweiten kleinen Peristasenkatalog (V. 10), zuzuwenden. Die Parallelität der beiden Hauptteile zieht sich bis in die Einzelheiten, wobei allerdings 12,1-10 etwas differenzierter gestaltet und von höherer theologischer Dignität ist. Einleitung ,ernstgemeintes' Rühmen
Umschwung Negativerfahrung paradoxe Sinnge bung Versicherung der Wahrheit zusätzliche Veranschaulichung
I. Teil l1,21b 11,22 11,23a ll,23b-29 11,30 11,31 11,32-33
II. Teil
12,1b 12,2-4 12,5 12,7b-9a 12,9b (12,6a) 12,1Oa
Überschüssig ist im H. Teil lediglich die Begründung für den Verzicht auf weiteres Rühmen (12,6b-7a) und die abschließende Gnome (12,lOb). Die ironische Z,vischenbemerkung 12,1a Kauxäa8all)ei, OIi au~'P~ pov ~~v verläßt kurz die eigentliche ,NalTenrede' und springt auf die Meta-Ebene des Rahmens zurück, um an der Verbindung der beiden Teile nochmals die Torheit des Unterfangens in Erinnerung zu rufen. m Natürlich macht das ,ROhmen' die zunächst ganz persönlichen Dinge cbenralls zu .öffentlichen' Ereignissen.
2 Kor 11,21b-12,IO
175
3. Gattung a) Fonnge.chichtliche Einordnung Für den ,Se1bstrulun des Apostels' 2 Kor 11,21b - 12,10 bzw. dessen ralunende Teile'" hat sich in der Forschung die Bezeichnung ,Narrenrede' eingebürgert. Zwar ist die Literatur zu diesem Thema nicht sehr zahlreich"', doch legt sich der Ausdruck ,Narrenrede' schon vom Text her nahe: avt!Xßoa~ 1l01llltKp6v ~l aq>pocrUVT)C; (2 Kor 11,I), m<; liq>povu M~aoa6 Ilß (1 1,16), )"aM) ... m<; tv aq>pocrUvn (1 1,1 7 ), tv aq>pocrUV11 'M:'fO) (l1,2Ib), IlUpuq>povciiv)"aM) (11,23)_ Offenbar hat sich Paulus die Maske des Narren, hinter der er redet, ganz bewußt aufgesetzt, auch wenn er die Verantwortung dazu der Gemeinde zuschieben will (12,11: UIlßi<; Ilß ~VU"fK6.O'(X1ß). Dann aber stellt sich die Frage: Hat Paulus dieses brillante rhetorische Stilmittel, mit dem er - ,,~e noch zu zeigen sein wird - zwei entgegengesetzte Ziele vereinbaren kann, selbst erfunden, oder müssen wir mit einer bereits existierenden, von Paulus aufgegriffenen Gattung ,Narrenrede' rechnen? Zu berücksichtigen ist, daß es im ganzen Neuen Testament keine Parallele zu dieser Fonn des Reden. gibt. H. D. Beiz hat 1972 eine bemerkenswerte AntwOl~ auf das formgeschichtli-
ehe Peoblem gegeben, indem er Paulus in die von Sokrates herkommende philosophische Tradition stellte. "Was uns in Kap. 10-13 vorliegt, ist ein Fragment einer sehr bewußt und ktmstvoll komponierten ,Apologie' in BriefTonn,"m Diese freilich ;n einer ganz besonderen Weise: Während die Philosophen seit Sokrates den Dialog als Redeform pflegten, sei die ,Apologie/, repräsentiert durch die Rede des Angeklagten vor Gericht, das Metier der Sophi~ten gewesen, deren überspit7.te Rhetorik besonders in dieser Gat~ tung ihren Niederschlag gefunden habe. Sokrates und später die von ihm beeinflußten Philosophen hätten dagegen eine solch beredte Selbstverteidigung für sich abgelehnt.'"
m Zu den unterschiedlichen Abgrr.mung~ innerhalb der ForschW1g siehe oben S. 169
Anm.157. U6
1.51 i5I
Eine formgeschichtlich einschlägige Monographie zu 2 Kor 10-18 ist die Arbeit VOll H. D. Betl, Der Apostel Paulus lUld die sokratische Tradition, Tübingen 1972. Trotz ihrer aus dem Titel ersichtlichen kühnen Grundthese bietet Betz nicht zuletzt wegen seines rdchen religionsgeschichtlicben Materials mehr aJs die sich zu sehr im Detail verlierende Untersuchung Zmijewskis. Als einzige Behandlung des Gegenstandes vor ihm nennt Detz A. Hauffen, Zur Litteratur der ironischen Enkomien: Vierteljahresschrift für Litteraturgeschichte 6 (1893) 161-185. Verschiedene unter dem Oberbegriff ,Ironie' subsumierte Beobachtungen zum Stil von 2 Kor 11 f. bietet A. B. Spencer, The Wise Foo! (and the Fooüsh Wise). A Study ofIrony in Paul: NT 23 (1981) 849-360. WenvoUe neue Anstöße enthält schließlich auch die Studie von Ebner, Lei· denslisten 93-195 (95-108), Setz, Apostel 14. Zur Gattung Apologie vgl. auch BergeT, GattWlgcn 1281-1291. Vgl. Setz, Apostel 15-18.
176
Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
Die ein7jg legitime Fonn der ,Apologie' sei für sie der Dialog, das ,sokrati-
sche Gespräch'. .Es gibt also grundsätzlich auch für den Philosophen die Möglichkeit, sich zu verteidigen, aber diese Verteidigung kann nicht in der Form der üblichen Gerichtsrede erfolgen, sondern muß die Form des ,so· kratischen Dialogs' annehmen. Die platonische Apologie des Sokrates ist deshalb auch nur scheinbar eine vor Gericht gehaltene Rede. In Wirklich· keit ist sie ein literarischer Dialog, in den der platonische Sakrates den Lesed!) verwickelt. Die Gerichtsrede wird von Plato also faktisch auf die Ebene des philosophischen Gesprächs hinaufgehoben."'" Von eben dieser doppelbödigen Tradition beeinflußt sieht Betz den Paulus von 2 Kor 10-13, der einerseits die Selbstverteidigung ablehne (12,19), sie andererseits aber praklixiere: ,.Mit seinem Verzicht auf das ,lhroAoyeicrOat' nimmt Paulus also eine Tradition auf, die von Sokrates ausgeht und die ihm auf dem 'N ege über die zeitgenössische Philosophie zugeflossen sein muß . .. . Dennoch liegt uns in 2 Kor 10-13 eine ,Apologie' vor, nun aber eine Apologie der Art, die grundsätzlich auf die Mittel der Rhetorik und Sophi. stik verzichtet. Im Stil entspricht sie der Apologie, wie sie dem Philosophen lUsteht."ltiO
Im Blick auf die Übernahme der Narrenrolle kann Betz diese formgeschichtliche ZuordnWlg weiter präzisieren: "Es ist also \\ichtig 7,U sehen. daß mit der Narrenrolle dem Paulus zugleich die literarische Form der Parodie, vor allem der Selbstparodie, in die Hand gegeben ist."'" Auch in dieser Hinsicht sei das Vorbild die ,Elenktik' des Sokrates, dessen Selbstaussage ,Ich weiß, daß ich nichts weiß' schon eine aufs äußerste abgekürzte ,Narrenrede' darstelle. J62 Ein anderes Beispiel diese literatische Form sei die Lobrede des trunkenen Alkibiades auf Sokrates in Platons ,Symposion''''. Da jede ernstgemeinte Lobrede auf Sokrates das Gegenteil bewirken und ihn lächerlich ma· chen würde, spricht Alkibiades in der nänischen Maske des Dionysos. Indem er freilich von der ,ho1t(a des Sokrates erzählt und ihn - paradoxerweise - gerade deshalb IiE,IOV 1tav,o, Oalll!a,o, nennt, sagt er nichts als die Wahrheit. So "wird die nänische Lobrede zur wahren Lobrede auf den, zu dem eigentlich ,Lobreden' nicht passen".IM Handelt es sich also in 2 Kor 10-13, speziell beim Selbstruhm des Apostels, um eine vom Geist sokratischer Ironie durchdrungene Parodie der sophistisch-rhetorischen Apologie, die eigentlich ein ,erzieherischer Dialog< mit der Gemeinde sein will?165 Die zahlreichen antiken Belege für Selbstlob und Selbstparodie'" lassen es nicht zu, eine solche Herleitung einfach von der Hand zu weisen. Doch schränkt Bet7. selbst dazu ein: "Dem Begriff der Ironie muß alleniings mit
ruf'
161
Ebd. 16. Ebd. 18. Ebd. 82.
162
VgL ebd. 80.
1~9 I~O
165 Symp. 212Cff. Vgl. Hetz, Apostel 80-82. '''Ebd.81[ '" Vgl. cbu. 87.89. '" Vgl. ebd. 75-86.
2 Kor ll,21b-12,lO
177
Vorsicht begegnet werden.... Schon hn AJtertwn gibt jeder Schriftsteller, der sich mit ihr befaßt hat, eine andere Beschreibung dessen, was er \U1ter Irome versteht."!6? Die feinsinnige, ein Grunclverhältnis zur Wirklichkeit beschreibende sokratisch-platonische Ironie sei zu späterer Zeit gar nicht mehr verstanden worden, "der Begriff ,slpoovda.' zur Zeit des Paulus nicht mehr als eine Bezeichnwlg für Spott \Uld Schabernack"16!, Deshalb ist zu fragen, ob die selbst Betl "wn so überraschender" anmutende Feststellung, "daß wir bei Paulus ein Verständni~ von Ironie vorfmden, das dem des Sakrates entspricht"16' J sich tatsächlich halten läßt, zumal Paulus den TennulUS .Iprovo!« nirgendwo verwendet noch sich jemals auf Sokra[es beruft. Wenn die traditionsgeschichtliche Linie von Sakrates zu Paulus nicht gar so eindeutig gezogen wird - ohne die eindrucksvollen Parallelen wie die Narrenrede des AJkibiades zu verkermen - bleibt auch die von Hetz abgelehnte Identifizienmg von 2 Kor 10-13 mit dem ,Tränenbrier 11o plausibel: Paulus ist eben kein gleichsam spielerisch, ,elenchtisch' um Erkenntnisvennittlung bemühter Philosoph; vielmehr darf der durchweg bIttm, persönlich betroffene Unterton seiner Rede nicht außer Acht gelassen werden, der Ironie und Tränen keineswegs unvereinbar macht. Schließlich wäre zu prüfen, in welchem Simle das in der ,Narrenrede' Gesagte tatsächlich ,ironisch'. d. h. doch W1emst, gegenteilig gemeint ist, tuld ob es nicht weniger ,Ironie' als vielmehr die Parado~a/ität des Selbstruhmes ist, die dessen Unziemlichkeit relativiert. Einen anderen Vorschlag zur Gattung der ,Narrenrede' macht M. EbnlIT. Der Selbstruhm des Apostels entspreche einer in der Antike beliebten Re· deform, dem sogenannten ,Agon' im Sinne eines Redewettstreits. nIm Redeagon treten zwei Gegn(T ZWD verbalen Kampf gegeneinander an. Jedem der Rivalen steht eine Rede zu. Dieser Redewettstreit wird vor einem Publikum ausgetragen, das gleichzeitig die Rolle des Schiedsrichters übernimmt ... SelbJtlob und Tadel des Gegnm sind die konventionellen Kampfmittd im MWld der Kontrahenten. Als rhetorische Technik zum geschickten Einsatz dieser Mittel dient die ständige vergleichend-wertende Gegenüberstellung: die S)'nkri.JiJ, Ziel des Agons ist es, die eigene Überlegenheit durch das Zuhörerforum bestätigen zu lassen."111 In der Narrenrede des Paulus sieht Ebner die gleichen Strukturen und Kategorien gegeben wie etwa beim Streit zwischen Aias Wld Odysseus wn die Waffen des Achill, dem Paradebeispiel eines solchen Agons {überliefert von Antisthenes und Ovid)172. "Val'" der Gemeinde tritt Paulus in den Wettstreit mit den fremden Predigern, die in seinen Augen für ihn zu Rivalen geworden sind ... die Gemeinde ist es, die im Fall der Narrenrecle als Richtergremium fu~g!e["t. Paulus setzt darauf, von ihr im Rangstreit mit seinen Gegnern die Uberlegenheit bestätigt zu bekonunen."11S Ebd. 86. Ebd. 88. 169 Ebd. 110 vgl. ebd. 13. m Ebner, Leidenslisten 98f. In Vgl. cbd. 100 (mit Belegen). m Ebd. 105. 161
161
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
Festzuhalten bleibt, daß sowohl die Fonn des ,Redeagon' als auch die der ,Narrenrede' bereits vor Paulus als Gattungen im Hellenismus verbreitet waren, und es mag durchaus möglich sein, daß der Apostel dank seiner griechischen Bildung diese gekannt hat.'" Die zweifellos in 2 Kor Ilf. enthaltenen Beriihrungen mit jenen Gattungen zwingen jedoch nicht, den Text als direkte traditionsgeschichtliche Übernahme des hellenistischen Redewettstreits oder gar der sokratischen ,Parodie' der Apologie anzusehen. '75 Als nähere Charakterisierung der ,Narrenrede' in 2 Kor 11,21b - 12,10 17 ' empfiehlt sich statt dessen vielleicht die Umschreibung ,paradoxe Apologie', die dem Specificum Paulinum der Passage besser gerecht werden dürfte. b) Teilgattungen Innerhalb des Selbstruhms 2 Kor 11,21b - 12,10 sind melu'ere Einzelgattungen erkennbar. a) Der in 2 Kor 11,22-23a durchgeführte Vergleich zwischen den Gegnern und Paulus entspricht einer sogenannten SynhriJiJ 111 , der messend-vergleichenden Gegenüberstellung zweier Kontrallenten, wie sie im antiken Redewettstreit vor Publikum praktiziert wurde.'" Dabei ,,konstatiert Paulus in 11,22 jeweils Gleichheit""', um sodann im Blick auf den eigentlichen Streitpunkt seine Überlegenheit als Iluhcovo~ Xpl<:rtoii zu behaupten (1l,23a). Il) In 2 Kor 11,23b-29 liegt der umfangreichste im Neuen Testament enthaltene PemtasenkataloglS• vor. Nach der klassischen Definition Bultmanns ist von einem Peristasenkatalog zu sprechen, "wenn der Redner die verschiedenen Fügungen des Geschicks, die ItEPl(J'tcl<:rEI~, aufzählt, denen gegenüber er sich als Überwinder rühmt."'" Neben der kynisch-stoischen Diatribe (Bion, Teles, Seneca, Epiktet u. a.), von der Bultmann ausgeht, finden sich Peristasenkataloge im NT ferner in Röm 8,35-37; 1 Kor 4,9-13; 2 Kor 4,7-12; 2 Kor 6,4-10 sowie in 12,10. Die Besonderheit ,'on Il,23b-29 ist die ZuLaut Ebner Jassen die Parallelen der ,Narrenredc' zwn antiken .Redeagon' ,für die Person d(:s Pilulus keinen anderen Schluß zu, als daß er über das ,gymnasiale' Bil· dungsniveau seiner Zeit vrrfügt und es auch anzuwenden weiß" (ebd.). m Vgl. ZWß lel7.teren älmlich kritisch Zmijcwski. Stil 27 Anm. 25; K1einltnecht, Der leidende Gerechtfertigte 292f. Ho<; Noch einmal anders gelagert wäre die Frage nach einer Klassifikation des ganzen Tränenbriefes (Kap. 10-13): Neben dem apologetischen FJement ist hier auch die ,para1clctische' Zielrichtung nicht zu übersehen (vgl. die Inklusion napaKaAW uJlä~ 10.1 - napaKlIÄotaS. 13,11). 171 Siehe oben S. 146 Anm. 29. m Vgl. Ebner. Leidt'mdisten 98-105. '" Ebd. 107. \AO Siehe oben S. 145 Änm. 28. IBI Bultmann, Stil 19.
171
2 Kor 11,21b-12,JO
179
sammenballung von 28 (I) Notsituationen, denen Paulus als ,Diener Christi' (11 ,23a) ausgesetzt ist. Nirgendwo im Corpus Paulinum werden die Leiden des Apostels konkreter und anschaulicher vor Augen geführt als io diesem Peristasenkatalog. Die richtungweisende Arbeit von Ebner differenziert die pauschale Sam-
melbezeichnung ,Peristasenkatalog' noch in verschiedene Untergruppen
V~rgleichcn
mit Texten von Seneca, Epiktet. Plutarch u. a. zu
dem Schluß, die vorliegende Aufzählung könne "als persönlicher Perista· senkatalog mit typischer Strophenbildung eingestuft werden."" Wegen der präzisen Zahlenangaben, der überbietenden Komparative und des mehrfachen 7tOUUKl<; handele es sich ferner um eine ,numerische Tatenliste' in Analogie z. B. zu den Res GeJlae des Kaisers Augustus.l U
y} Hinter 2 Kor 12,2-4 erkennt H. D. Betz getreu seiner Grundthese
"die Paroclle eines Himmelfahrtsberichtes"". Angesichts des Fehlens ironisierender Elemente'" dürfte hier aber eher eine echte autobiographische Erionerung vorliegen, die io Form der apokalyptischen ,HimmeIJTeUe' erzählt wird ...• Typische Gattungselemente sind: die Fortbewegung durch übernatürliche Kraft (vgl. äthHen 71,3; ApkMos 37,3.5), der Besuch mehrerer Hiromel (vgl. slavHen 3-20; TestLevi 2-3; gr. ApkBar 2-16), das Sehen verborgener Dioge (vgl. äthHen 72-80; slavHen 20-22), die Offenbarung von Geheimnissen (vgl. gr. ApkBar 1,6f.), deren Deutung durch einen Engel (vgl. äthHen 72,1; slavHen 23-24; gr. ApkBar 2-16}.'" Auch
'" Ebd. 117; vgL 112-118. Vgl. ebd. 122-138; A. Fridrichsen, Zum Stil des pauJinischen Peristasenkatalogs 2 Cor. 1l,2Srr.: Symb. 051. 7 (J928) 25-29; den., Peristasenlcatalog und res gestae: 5ymb. Osl. 8 (1929) 78-82. - Die historisch-autobiographische RcminiS7.eru 2 Kor 11,a2f., eine im epischen Chronibtil gehaltene Erganzung turn Peristasenkatalog, stellt wohl keine eigene Gattung dar. 11-1 Apostel 8.... Zur Einzelexegese vgl. ebd. 89-92. - Eine gemäßigtere Position findet sich hei A. T. Lincoln, ,Paul the Visionary'. The Setting and 5igniFicance of the Rapture to Paradise in 11 Corinthians XlI.I-IO: NTS 25 (1979) 204-220. Lincoln sieht wie Betz einen Einfluß der sokratisch-apologetischen Tradition, hält abe.- die Faktizität des Berichtes für möglich, ohne daß diese für den Apostolat des Paulus relevant wäre. las Vgl. Wolff, 2 Kor 241. In Vgl. W. Baird. Visions, Revelation, and Ministry: Reflections on 2 Cor 12,1-5 and Gal 1,11-17: JBL 104 (1985) 651-662. Obwohl es sich fonnal um l.wd Berichte handelt. dürfte ihnen ein einziges Erlebnis 7.ugrundeliegen (vgl. Bultmann, 2 Kor 223). UJ Vgl. Baird, Visions 657f. P. Schäfer. New Testament and Hekhalot Literature: Thc Joumey into Heavcn in Paul and in Merkavah Mysticism:lJS 85 (1984) 19-85 wendet sich gegen eine These von G. Scholem, die paulinische Erzählung in 12,2-4 könne von der Merkavah-Myslik her erklärt werden. Nach dem Vergleich der Stelle mit der rabbinischen partks-überlieferung kommt Schäfer tU dem Schluß, daß beide Texte verschiedenen literarischen Gattungen angehören.
In
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
der distanzierte Er-Stil könnte mit der Gattung der autobiographischen Vision zusammenhängen. '"~ 5) Die formgeschichtliche Einordnung von 2 Kor 12,7b-9a ist schwierig. Unter Hinweis auf das apokalyptische Motiv der mit einem ekstatischen Erlebnis verbundenen Gefahr'" wurde ein Bezug des ,Satansengels' (V. 7b) auf die zuvor geschilderte Vision behauptet.'" Doch ist 7b-9a nicht die Fortsetzung von 2-4'91 und der liYYSAOC; cratavil. nicht ein während der Hinunelsreise erschienener Dämon.'" "The two accounts are formally and functionally distinCt.'{19!
Analog zu den Versen 2-4 sieht H. D. Betz in 7-10 wieder eine Parodie, diesmal die eines Heilungswunders im Stile einer sogen. ,Aretalogie'''·. Es handele sich um einen religions geschichtlich typischen Heilungswunderbericht, an dessen Ende ironischerweise aber die Heilung ausbleibe. Pointe der Komposition sei statt dessen das als ,Heilungsorakel' identifizierte Logion V. 9a, übrigens das einzige bei Paulus begegnende Wort des erhöhten Kyrios. Wegen der Vieldeutigkeit des Begriffs ,Aretalogie'I" scheint es allerdings ratsam, für 12,7b-9a darauf zu verzichten und lediglich in dem Herrenwort die typische Form eines ,Orakels' zu erkennenI". s) 2 Kor 12, lOa enthält nach ll,23b-29 einen zweiten, kleinen Perutasenkatalog'''. Unter dem aus 9b wiederaufgenommenen Stichwort acr9svs(at fUhrt Paulus in zwei Paaren solche Leidenssituationen an, die aus seiner apostolischen Tätigkeit erwachsen. ~) Den eindrucksvollen Schlußpunkt des Selbstruhms setzt in 2 Kor 12,10b eine paradoxe Gnome oder SentenzI". Eine bemerkenswerte Parallele dazu fmdet sich bei Philo, vita Mos. I 69: IlTt aVa1tflttstS, tO aCl9svec; UIlÖlV Mv
I"
Vgl. Berger, Gattungen 1274, der auf Apk 1,1-8 hinweist. u, Vgl. J. Maier, Das Gefährdungsmotiv bei der Himmelsreise in der jüdischen Apokalyptik und "Gnosis": Kalros 5 (1963) 18-40. 190 So R. P. Spittler. The limits of Ecstasy. An Exegesis of 2 Corinthians 12,1-10, in: G. F. Hawtbome (Hg.), Current Issues in Biblical and Patristic Interpretation, Grand Rapids 197.5, 259-266. 265; Baird. Visions 660. • 91 So Güttgemanns. Apostel 161.165. 192 So R. M. Price, Punished in Paradise (An Exegetical Theory on 1I Corinthians
12,1-10):JSNT 7 (1980) 33-40, 37 .
." Fumish, 11 Cor 550; vgl. WoIff, 2 Kor 246. t!U
Vgl. H. D. Betl, Eine Christus-Aretalogie bei Paulu5 (2 Kor 12,7-10): ZThK 66 (1969)
lU
Vgl. Berger, Gattungen 1218-1251. Vgl. die zahlreichen Beispiele dafür bei Betz, Christus-AretaJogie 294-300. Siehe oben S. 145 Arun. 28. Laut Ebner, Leidenslisten 176 kann er ab ,allgemeiner Peristasenkatalog' eingestuft werden. vgl. Berger, Gattungen 1049-1074. Allerdings erwähnt Berger 2 Kor 12,lOb hier nicht.
288-305; ders .. Apostel 84f.9H 19&
l!n
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2 Kor 1I.2Ib-12.IO
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form der Gnome an sich. sondern auch deren paradoxe Spielart in der Antike verbreitet.'" III. INTERPRETATION Die folgende Exegese der Perikope 2 Kor 11.2Ib-12.1O kann nicht die Absicht haben, den Text nach allen Regeln der Kunst detailliert auszulegen. Solches ist Aufgabe eines Kommentars. Vielmehr wird sich die nun zu leistende Exegese an der vom Thema dieser Arbeit her gebotenen Fragestellung orientieren: Inwiefern hat der vorliegende Text einen paradoxen Charakter? Wie ist die Paradoxalität des Textes theologisch zu bewerten?'OO Anders als in herkömmlichen Auslegungen bilden daher weniger die inhaltlichen Aussagen (über Herkunft, Peristasen, Vision und Krankheit des Paulus) als deren hermeneutische Begründung den Schwerpunkt des Interesses.
1. Einzelexegese a) 1I,1.l6-18.2Ib: Das doppelte Paradox der aq,poaUVT) Für das rechte Verständnis des ganzen Abschnitts entscheidend ist die wiederholte Erklärung des Paulus, er rede jetzt als Ü'Ilprov, in der ,Maske' (11,17 BV .. , 'tfi ulloO''ra0'8l'O') eines sich selbst rühmenden Narren. Für die Interpretation erscheint es deshalb ratsam, zusätzlich zu 11,21b (BV u'IlpoaUvn ASyro) die vorher gegebenen Eioführungen io jenes seltsame Genus der ,Narrenrede' heranzuziehen, d. h. die Verse 11,1 und 16-18. a) V.I
Zu Beginn des Kapitels setzt Paulus ein mit dem Wunsch: ,0 daß ihr doch eio wenig Narrheit von mir aushieltet!' (11, I) Wie ist das zu verstehen? Die Antwort muß im unmittelbaren Kontext gesucht werden.'" Nachdem Paulus io Kapitel 10 überwiegend die Gegner im Visier geSiehe oben S. 41 f. - Das Motiv des göttüchen Beistands inmitten der Not ist auch alttestamentlich bezeugt: vgl. p! 1I6;Jdt 9.11. :00 Diese Leitrragen der Auslegung gelten auch für alle weiteren noch 1.U behandelnden Perikopen. 201 Statt ,Gegenstand' oder ,Zuversicht'. wie die meisten Kommentare übersetzen, könnte mit ÖJi6o'foO'\~ auch das ,Sich·Unterstellen' unter eine fremde Maske. das Annehmen einer ,Rolle' gemeint sein (vgl. Bultmann. 2 Kor 212). 202 Sachlich hat natürlich auch Bultmann. 2 Kor 201. recht: ,.Worin die u'PPoaUV'l besteht. zeigt V. 16ff.: im KcwxaoBalu, 199
182
Kapitel 3: Kraft in de.- Schwachheit
habt hat, wendet er sich nun ganz direkt an die Gemeinde, verbittert über den Erfolg, den die Gegner mit ihrer ,anderen' Verkündigung (11,4) bei den Korinthern haben. alTensichtlich hat das eIlIJ~ou~ (J\)v\cmlvm (10,12.18) und KIlIJxäcr9m el~ ~It IiIlStpll (10,13.15) der Gegner seine Wirkung nicht verfehlt, was Paulus den Korinthern nur ironisch bescheinigen kann: KaÄöi~ aV6xscrge (11,4; vgl. 11,19). Freilich hat er kurz zuvor dieselbe Form des Verbums aVExsLv gebraucht, dort aber als "Ausdruck ... hoffender Erwartung"'·' auf sich selbst belOgen: UJJJJ. Kill aVExecrge Iloll (l1,lb)'·4. Aus der parallelen Velwendung des Wortes avexew sowohl für Paulus als auch Rir seine Konkurrenten, deren Verhalten er so scharf kritisiert, erklärt sich die Notwendigkeit des Interpretaments aeppocruVl1: ,Narrheit' ist es in der Tat, wenn Paulus sein eigenes Tun dem von ihm gerade abgelehnten Tun angleicht, d. h. konkret, wenn er nun seinerseits in das ungebührliche Selbstlob verfällt (J 1,2.5-12.21bff.). n." in 1If. scheint er auf das Niveau des Gegners herabzusinken und auf dessen Weise des Selbstruhms zu verfallen (die er doch soeben scharf verurteilt hat), aber in vollem Be'wußtsein seines ,törichten' Beginnens,lC!OS Bei genauerem Hinsehen zeigt sich eine doppelte aeppocruv'1: - ,Narrheit' im Sinne von ,Vermessenheit"·' ist für Paulus grundsätzlich jeder Selbstruhm. Hinsichtlich des Rühmens gilt einzig: 6 öl; KIlIJxmJlevo, 6V K\lp(q> KIlllXo.cr90) (10,17). '.7 - ,Narrheit' eher im formalen Sinn ist hier zusätzlich die Tatsache, etwas gerade Verurteiltes selbst zu praktizieren. Sogar wenn es sachlich nicht anstößig wäre, läge die aeppocruv'1 dabei in der Inkonsequenz. Beide Aspekte der ,Narrheit' spielen in 2 Kor 11,1 eine Rolle und machen die Paradoxalität der Stelle aus. Während beim zweiten Ge20S
Bulunann, ebd.
204
.Aber ihr werdet wohl auch mich aushalten (- so wie ihr jene aushaltet).'
205
Windisch. 2 Kor 316.
~06
'to4ä.v ist das dalur lquivalente Verbum (vgl. 10,12; 11,21b). In An1ehmmg an den ,k1assischcn' Aufsatz von E. Käsemann, Die Legitimität des Apostels. Eine Untersuchung zu II Korinther 10-13: ZNW 41 (1942) 33-71, 56-7] legt S. HafemarUl, ,Self-Corrunendation' and Apostolic Legitimacy in 2 Corinthians: a Pauline Dialectic?: NTS 36 (1990) 66-88 wert auf diese für die reformatorische Theologie sehr wichtige Unterscheid\lllg zwischen Selbstrulun und (paradoxem) Ruhm des Herrn, die das Problem der scheinbaren Dialektik von Selbstempfeblung und göttlicher Legitimität, ,Leistungen' und .Rechtfertigung' des Apostels in 2 Kor (hesonders 10,12-18) k1ären helfe: PI• • • the ,fooUshness' which Paul is forced to partake in as aresponse to [he boasting ofhis opponent! ... is not me fact that he boasts per St. Instcad, Paul's roolishness is fouod in the fact that the contenl of what he is forced to boast in is Ilseless rot estahlishing the validity of his ministry, Of the apostolic ministry in general. It is simply boasting Kat« (nipKa. (cf. 11,18) ... Paul's opponents are the real rools " . Paul then continucs in 1I,23b by boasting in that personal qualification ""hieh fj valid, namdy. his ,weakncss'," (86)
201
2 Kor 11.21b-12,lO
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sichtspunkt die Charakterisienmg ruppocruV'l allerdings insofern relativiert werden könnte, als Paulus im Unterschied zu den Gegnern einen begrandeten Selbstruhm vornimmt 01, 10: gcr~tv aAij9ma Xp,cr~OG ev "1L0i), mithin also das formal gleiche aVßxscrge noch einmal zu differemieren wäre"', gilt die erste Sichtweise kategorisch: Jeglicher Selbstruhm, und sei er noch so verständlich (vgl. z. B. 11,7-9 der Verzicht auf Entgelt), ist - ganz ohne Ironie - töricht, d. h. eigentlich nicht legitim. Daß Paulus dies ausdrücklich erkennt und dennoch bewußt dagegen verstößt, verleiht der ,Narrenrede' ihr charakteristisches, d. h. paradoxes Gepräge. 20 •
ß) V. 16-18 Die Verse 2 Kor 11,16-18 enthalten gewissermaßen den hermeneutischen Schlüssel, der für das Verständms der Narrenrede unentbehrlich ist. Eine paraphrasierende Übertragung mag diese ,Schlüsselrolle' verdeutlichen. 16a Noch einmal sage ich: niemand halte mich für einen Narren! (Eigentlich bin ich keiner und will auch mcht als solcher angesehen werden.) 16b Andernfalls aber (wenn es denn sein muß): nehmt mich meinetwegen als Narren an, 16c damit auch ich (auf diese Weise wenigstens) ein bißehen prahlen kann (ohne überheblich zu werden). 17a Was ich (so) rede, rede ich (freilich) mcht im Sinne des Herrn,
17b sondern (wohlgemerkt) in ,Narrheit', (das heißt) in jener (unfreiwillig angenommenen) Rolle des Prahlens. 18 Da aber viele dem Fleische nach prahlen, will auch ich (mich einmal auf deren Niveau begeben und) prahlen. Das ltaAtv 'Alyro zu Beginn signalisiert, daß es um die Wiederholung eines bereits genannten Gedankens geht: gemeint ist Vers I. Von einer genauen Wiederholung des dort Gesagten kann aber nicht die Rede sein; eher scheinen sich 11, I a und 11, l6a direkt zu widersprechen: Hatte Paulus dort den Wunsch ausgesprochen, die Korinther möchten ein wenig Narrheit von ihm aushalten, so verbÜlttt er ihnen
201
209
In diesem und nur diesem Sinne ist die ö,poaUVTl von 2 Kor 11,1a als ,Ironie' zu bezeichnen (siehe oben S. 77f.l7 1): Was Paulus ironisch seine ,Narrheit' nennt, ist sachlich das Gegenteil. n5.mlich die ,Wahrheit Christi'. - Zu der Möglichkeit, zwar nicht o.q>pooVV1'1. wohl abc,- das ö!pE:).ov avstXEage ironisch zu verstehen, siehe untc:n S. 1801. VgL Sicgcrt, Argumentation 226: ..Der ganze 2. Korintherbrief ist ein~ Selbstempfehlung (Stichwort cruvleJf(Ival, -ElV), die keine sein will - beruhend auf diesem Paradox."
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Kapitel S: Krart in der Schwachheit
hier, ihn für einen Narren zu halten, Zwei Möglichkeiten der Erklärung sind denkbar: - Sieht man aufgrund des 7taAlV lJ.yro beide Aussagen auf gleicher Ebene, dann müßte, da 11,16a zweifellos ernst gemeint ist, 1l,la ironisch verstanden werden, und zwar der Versteil als ganzer,2" Hinter dem 8q>SAOV avs{xscrSe ... stände dann der gegmteillge Wunsch: ,Wolltet ihr mir doch nicht die Maske des Narren aufzwingen!' Diese Deutung ist allerdings wegen des positiven Nachsatles 11,lb schwierig. - Sowohl 2 Kor 11, I a wie 16a sind ernst gemeinte Aussagen, die aber auf verschiedenen semantischen Ebenen angesiedelt sind. Während Paulus in 16a noch einmal grundsätzlich klarstellen will''', daß ilun das prahlerische Selbstlob als 01; Ka.~a K1lptoV (l7a) eigentlich zutiefst zuwider ist und er sich von der Gemeinde dazu gezwungen fuhlt (vgl. 12, l.l 1), hatte er sich in 11, I a nicht ohne leisen Spott auf der Ebene der Gemeinde bewegt, wozu 11, 16b eine Parallele darstellt. 212 Im Vergleich mit 16a wird deutlich, daß es sich hier wie in 1a nur um eine widenvillig erteilte Konzession des Paulus handelt. Aus dem 7.uletzt Gesagten ergibt sich die Struktur der Verse 16-18. 16a Grundthese: Paulus ist kein Narr 16b Zugeständnis: Paulu. spielt den Narren 16c Ziel!Erfolg: Paulus kann sich rühmen 17a Erläuterung zu 16a: Wissen um die Unbotmäßigkeit des Vorhabens 17b Erläuterung zu 16b: Beschreibung der Narrenrede 18 Begründung rur 16c: Das Beispiel der anderen Der Gedankengang vollzieht sich in drei Schritten, die zunächst durchgell;hrt und dann noch einmal einzeln begründet werden. Der erste Schritt nennt die eigentliche, grundsätzliche Sicht des Paulus (l6a), die sich - wie indirekt erkennbar ist (l7a) - vom KtlplO~ (Christus bzw. Gott) her erklärt. Der zweite Schritt enthält eine bedingte (sI ~~ IL~ 1S, Kliv ... ) Aufforderung (Iit~acre& ILs), die sachlich als Konzession, als unfrehvilliges Zugeständnis des Paulus an die Gemeinde zu verstehen ist (1Gb). Die dazugehörige Erläuterung I1b verbindet die Form der Rolle des ,Narren' mit ihrem Inhalt, dem ,Rühmen'. In einem dritten Schritt zieht Paulus die (angesichts des zweiten) ebenso unfreiwillige Kon.equenz (l6c); sie hat entsprechend einen leicht ironischen 210
t11
Zum bedingt ironischen Gebrauch allein des stichworts mppoaUVll in Ia siehe oben S. 183 Anm. 208. Hierin 1äge evtl. eine weitere Möglichkeit der Hannonisierung von I a und I6a: Schon in V. 1 woHte Paulus nicht ernJthajt als Narr "erstanden werden. sondern als jemand, allS dem die ,Wahrheit Christi' (V. 10) spricht. Das JtOAtV )"tyoo wäre dann nach der Art eines apodiktischen ,Ceterum censeo' zu verstehen.
'" 11, I a: cl.vdxr.ae. ~ou .. , a~po,,"I'1\>. 1l.16b: Öl> a
2 Kor 11,21b-12,1O
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Unterton, der durch die nachgetragene Begründung in V. 18 freilich etwas an Gewicht verliert. Es scheint, als handele Paulus nach dem Motto: ,Wenn ich schon auf Abwege gedrängt werde, will ich auch deren Vorzüge auskosten.' Älmlich wie 11,1 erzeugen die drei Verse einen doppelt paradoxen Eindruck. - Gegen die von den Gegnern genährte Erwartung der Gemeinde bezeichnet Paulus die Praxis des Rühmens, das Anpreisen eigener Leistungen als ,Narrheit' und lehnt sie kategorisch ab (J 6a). Der landläufigen B~a;, von einem Wandermissionar ein Selbstlob seiner Fähigkeiten präsentiert zu bekommen, setzt Paulus paradox das OIi 1Ca;~1r ICUptOV (17a) entgegen.'" - Im gleichen Atemzug jedoch verstiißt er gegen diesen gerade aufgestellten Grundsatz und gibt der Erwartung der Gemeinde nach, indem er sich dem Verhalten der noÄAo{ anschließt (16b.l 7b.18), womit die Korinther zumal bei ihm gar nicht rechnen konnten. Das so entstehende ,Paradox 1-um Paradox' hebt letzteres faktisch auf, ohne freilich seinen grundsätzlichen Anspruch in Frage 1.U stellen. Wollte man den paradoxen Charakter von 2 Kor 11,16-18 mit einem passenden Etikett versehen, so wäre zunächst von der Inkomequenz des Paulus zu sprechen: Paulus formuliert eine Gegenposition zur landläufigen Envartung, hält diese aber nicht aufrecht, sondern kehrt sogleich wieder zur ö6~1I der Leute zurück. Dem formalen Paradox solcher Unzuverlässigkeit korrespondiert zudem sachlich die Tatsache, daß Paulus in den Augen der Korinther ja ga.r nichtJ Rühmenswertes auf zuweisen hat. Noch verstärkt wird die Paradoxalität der Verse dadurch, daß Paulus seine Zerrissenheit zwischen ,Prinzip' und törichter ,Praxis', zwischen seiner Überzeugung 1Ca;~1r ICUPIOV und seinem Verhalten 1Ca;~1r miplClI nicht einfach zugunsten des letzteren entscheidet, sondern die Spannung z,,~schen heiden Ebenen, vermittelt im Begriff der ä
Das Selbstlob. die 1t6P\a.UtO~y{a.. hatte schon ruf Aristoteles den Beigeschmack der Scharlatanerie (ÖÄa.~oyela: vg1. Rhet. 11 G; Nik. Eth. IV 18 p. 1127a) und wurde in der
hellenistischen Rhetorik als anstößig empfunden, wie 7.wei grundsät7.liche Abhandlungen 7.U dem Thema von Plutarch (De se ipsum dtra invidiam laudando: MoraJia 589A - 547F) und Q..umtilian (lnstit. oratons Xl 1,15-26) teigen. Das diesb~l.ügliche Para.dox geht also nicht auf Paulu! selbst zurück: vielmehr wird auch hier der seit Sokrates besrehencle Gegensatz zwischen Sophisten und Philosophen als Hintergrund anzunehmen sein. Das Ansehen, die 86~a der :'iophistischcn Redner bei der breiten Masse wurden - napa. S~av der noUo{- von den Philosophen als K6voSo~la oder äBo~(a bezeichnet und verworfen (vgl. Detz. Apo5teI15-18). Ob Paulu, die entsprechenden Vorschriften der griechischen Rhetorik gekannt hat oder nicht, soll hier nicht entschieden werden; klar ist jedenfalb, daß er seine Ablehnung des Ka\Jxäcr9al nicht mit talc.tisch.psychologi!iichen oder ästhetischen Argumenten begründet wie Plutarch oder Q.uintilian. sondern theologisch durch di~ Berufung
auf den Kyrios (10,11; 11.11).
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
y) V. 21b Nach so viel erklärender Vorbemerkung, die angesichts des heiklen Unterfangens freilich notwendig ist, kommt Paulus ab 11,2Ibff. endlich zur Sache. War er in den Versen 19-21a noch einmal zur scharfen Polemik sowohl gegen die Gemeinde als auch die Gegner zurückgekehrt, so setlt mit dem Halbvers 21 b nun endgültig die Narrenrede ein. Die Bedeutung des kunen Satzes ergibt sich aus seinem Überschriftcharakter: 2 Kor 11,21b ist gewissermaßen der hermeneutische Schlüssel, die ,Brille', durch die der gesamte folgende Abschnitt bis 12,10 gelesen werden muß. Sachlich enthält der Halbvers nicht viel Neues; die drei Worte tv aeppomSvn UyOl bündeln lediglich wie in einem Brennglas noch einmal die Verständnisvorgabe, die Paulus in 11,1.16-18 geliefert hatte: Alles Kauxäcr9at, das Paulus anschließend praktiziert, soll und darf nur verstanden werden unter dem Gesichtspunkt der Narrheit, der paradoxen Uneigentlicbkeit. 214 Auf engstem Raum verdichtet zeigt sich auch hier jene doppelte Provokation bzw. Inkonsequenz: Paulus venvirft eine geläufige Praxis als cl.cppomSVTJ, führt sie aber gleichzeitig durch: tv Uyco. Als Interpretament fiir die Disqualifikation des Selbstlobes nimmt er das Verbum foÄliäv aus 10,12 wieder au~": Sich selbst zu rühmen ist,
a.
milde übersetzt, ein ,Wagnis' oder ,Kühnheit" besser ,Vennessenheit'
oder gar ,Dreistigkeit'. ,Wozu sich aber jemand erdreistet - in Narrheit spreche ich -, dazu erdreiste ich mich auch.' Die erste aeppomSVTJ besteht grundsätzlich im foAjiäv des K(luxäcr9at. Umgekehrt wird das konkrete1:oAl'äv des Paulus (21by) von der Parenthese &V o.q>pomSvn UyOl (21b~) her legitimiert: Die Vermessenheit, daß er die soeben als Dreistigkeit bezeichnete NaITheit nun gerade selbst tun will - als zweite, noch größere o.eppomSVTJ -, wird nur durch die Anwendung des Prädikats ,Narrheit' auf ihn selbst überhaupt erträglich. ,Dreistigkeit' und ,Narrheit' interpretieren sich in 11,21b also gegenseitig: Das Verbum 1:oÄliäv expliziert die generelle aeppomSvTJ eines jeden Kauxä0'9m; die Überschrift tv aeppomSvn UyOl legitimiert das im Anschluß stattfmdende paulinische fOAl1äv.
Die Parenthese ~v luppocrUvn )Jym be1jeht sich nicht nur auf den Wlmittelbaren Kon· text von Vers 21b, sondern die ganze nachfolgende Rede (vgL Windisch, 2 Kor 350; Bultmann. 2 Kor 214; Fumish, II Cor 514,533). m Nach Betz, Apostel 67 ist 'toAJio.v hvie 9a.ppetv IO,H.; nQvoupyla 11,3; navoupy~ 12,L6) ein geprägter Begriff der sophistischen Rhetorik. %11
2 Kor 11.2Ib-12.10
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b) 11,22: Der ,sarkische' Ruhm der Abstammung Nun, da die Vorfragen endgültig geklärt sind, steht dem Selbstlob des Paulus nichts mehr im Wege. Ab sofort tut er genau das, was er nicht will, das Unstatthafte, Vermessene, nämlich sich Ka.~a crapKa. zu rühmen und eigene Vorzüge und Leistungen aufzuzählen. Mit einem ,sarkischen' Rühmen im wahrsten Sinne des Wortes'" fängt er in V. 22 an, insofern er sich zunächst dem Thema der fleischlich-ethnischen Herkunft widmet: In einer dreifachen Aufreihung betont er den Charakter seines Judeseins mittels der Würdetitel ,Hebräer', ,Israelit' und ,Same Abrahams'. Vor welchem Hintergrund der Vers zu sehen ist, zeigt seine geradezu dramatisch bewegte Form: Auf drei selbstgestellte rhetorische Fragen, deren Inhalt ursprünglich offenbar in einem Kontext anerkennender Bewunderung gestanden hat. hier jedoch von Paulus in gereiztem Ton wiedergegeben wird, antwortet der Apostel dreimal mit einem kurzen, wirkungsvollen Kayro - ,Ich auch!'''' Es ist klar, daß hier die Gegner des Paulus im Blick stehen, die ihm durch ihren offenkundigen Erfolg bei der Gemeinde das Thema der Herkunft wie ja überhaupt all die Peinlichkeit des vergleichenden Eigenlobs gewissermaßen aufgezwungen haben. Sosehr jedoch der die ganze Narrenrede kennzeichnende Widerwille des Paulus gegen das Selbstlob auch hinter dem wetteifernden Prahlen von 11,22 vermutet werden muß"', sowenig ist freilich der Wahrheitswert des Verses zu bezweifeln. Es besteht kein Grund, die in 11,22 gemachten Angaben über die Herkunft der Gegner und des Apostels in Zweifel zu ziehen: Bezüglich der Gegner setzt das dreimalige Kltyro eine Akzeptanz ihres genealogischen Anspruchs voraus; auf der anderen Seite wird die eigene jüdische Abstammung des Paulus von ihm oft genug betont (vgl. Röm 9,3; 11,1; Phil3,5).'" Und gerade darin liegt die Pikanterie dieses Verses''': Mag Paulus noch so distanziert dazu stehen, es führt kein Weg daran vorbei, daß er hier entgegen seiner erklärten Meinungfakti.
Vgl. Windisch, 2 Kor 350.
211 Er setzt damit das programmatische Ko.yOO von 21 by fort m Die drei Herkunftsbezeichnungen des Pauius nsind Rulunestitd, die EV aCPPooUvn auf-
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gezählt werden; denn sein Vertrauen setzt er nicht auf sie", (Bultmann. 2 Kor 216) Eine einschlägige Monographie zur jüdischen Herkunft des Pauius ist die Arbeit von K. W. Niebuhr. Heidenapostel aus Israel. Die jüdische Identität des Paulus nach ihrer Darstellung in seinen Briefen (WUNT 62), Tübingcn 1992 (112-135 zu 2 Kor
lI,22f.). 220
Genau besehen ist ~5 in der erst~n Hä1ft~ der Narrenrede nur die:'ier eine Vers, in dem Paulu5 50 redet; schon in V. 23 geht er zu einer anderen Art d~5 .Rühm~n5· über (siehe unten S, 192-201),
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Kapitel S: Kraft in der Schwachheit
Narrheit abgestempelte Rühmen Kata mipKa nun persönlich durchfuhrt, daß er das KauxiiaBal in die Tat umset7.t, obwohl es ein AaÄl;iv Oli Kata KUPIOV ist (J 1,17 f.). So weit haben ihn die Gegner getrieben. Exkurs: Zur Frage der Gegner des Paulus im 2. Korintherhrief 2 Kor 11,22(.23a) ist nehen 11,4 eine der aufschlußreichsten Stellen für eine Identifizierung der Gegner des Paulus im 2. Kotintherbrief. Ohne auf die in der ForschlUlgsgeschichte breit diskutierte Thematik. ausführlich einzugehen721 , seien in einem kurzen Abriß die grundlegenden Beobachtungen am Text und die wichtigsten Positionen in der Literatur ltlsammengefaßt. Folgende Hinweise auf die Gegner sind dem 2 Kor relativ eindeutig tu ent· nehrnen 222 : - Nach 11,22 sind sie jadiJcher HerAunfl, worauf sie sich ausdrücklich berufen, d. h. offenkundig großen Wert legen. - Gleichwohl handelt es sich ebenso sicher um ChriJlen (11,4.13.23a). - Sie treten auf als Wandmniuionare (11,4: " OPX"I1EV<><;, 1CllPU""E')'" mit dem Anspruch christlicher Apostel (J 1,5.13; 12,11), indem sie sich durch Empjehlung,briife (3,1) sowie Unlerhaltforderungen (2,17; 11,20) Geltung zu verschaffen suchen. - Inhaltlich ist ihr Aurtreten gekennzeichnet durch das Anpreisen der eige~ nen Qualitäten (10,12-18; 1I,18.21b-23a), hinter denen offenbar vor al· lern bestimmte ,pneumaluc"e' Begabungen zu sehen sind (12,1.11[.). - Im Vergleich mit Paulus praktizieren sie nicht nur eine ,andere' Verkün~ digung als er (11,4), sondern beziehen sogar bewußt gegen ihn Siellung und bringen ilm bei den Korinthern in Mißkredit (l0,lf.10f.; 11,6.13; 12,11 fm.l. Warum trotz dieser Hinweise die verschiedensten Einordnungen der Gegner möglich gewesen sind, hat schon Windisch treffend plausibel gemacht: Vgl. den ausgezeichneten Überblick. bei R. Bieringer, Die Gegner des Pawus im 2. Korintherbrief, in: ders. / J. Lambrecht, Studie! on 2 Corinthians (BETL 112). Leuven 1994, 181-221. Die letzte Monographie zu dem Thema stammt von J. L. Sumney. Identifying Paul's Opponents. The Question of Method in 2 Corinth.ians (jSNT 5S 40), Sheffield 1990. Swnneys strenge methodologische Maßstäbe anlegende Untersuchung kommt zu dem Schluß, eine eindeutige religionsgeschichtliche Identifizierung der Gegner sei nicht möglich. 222 Vgl. die ÜbeTSicht bei Wolff, 2 Kor 5. m Die These, daß es sich um innergemeindliche Gegner handele wld Pawus es hier nach wie vor mit der gleichen (gnostlJchtn) Opposition zu tun habe wie in 1 Kor, wird abgesehen von W. 5chmithals, Gnosis in der neueren Forschung kaum noch vertreten. Zwischen dem I. Korintherbrief auf der einen und den in 2 KOT gesanunclten Schreiben auf der anderen Seite ist deutlich ein Wandel der Situation zu erkennen. J. Munck, Der wahre ood der falsche Apostel. Studien über den 2. Korintherbrief, in: Paulus und die Heilsgeschichte, AarLus 1954, 162-189 verlagen. den Konflikt von den Eindring1ingen auf die Gemeinde: "Die wirklichen Gegner sind ... die Korinther selbst, ihr falsches Apostelbild ... Die Zugereisten sind nur ein Nebenmotiv, das Gewicht erhahen hat, weil die Korinther etwas Grosses in diesen Aposteln und ihrem Aufrreten erblickten, und weil Paulus in diesen Personen eine Versuchung z.um Abfall vermutete." (180) 221
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Dies liege "an dem rur uns nicht eindeutigen Charakter der paulin. Polemik, insbesondere daran, daß I) im Verlauf der brieflichen Ausführungen nicht immer sicher auszumacht:n ist, ob polemische Anspiellll1gen überhaupt vor~ liegen ... ; 2) daß llVei für beide Konstruktionen [sc. die judaistische Imd die gnostische] grundlegende Äußerungen (5,16 und 11,4) wirklich verschiedener Deutung farug sind ... ; S) daß von einigen sicher polemischen Ausfühnmgen der spezielle Anlaß nicht Wll.weideutig aus dem Texte abzulesen ist. so besonders die Ausfühnmg der ekstatischen Erlebnisse ..•; 4) daß - abgesehen von 3,7 ff. und 11,4 ... - die Kernpunkte judaistischer Verkünung des Evangeliums (die Forderung der Bescbneidlmg usw.) auch in II [Kor] nicht angerührt werden""'. hn ganzen lassen sich drei Gnmdpositionen der Forschungsgesc.hichte hinsichtlich der Gegnerfrage erkennen:
- Die ältere Forschung (etwa F. ehr. Baur22S ) sowie im 20. Jahrhundert z. B. H. Windisch226 oder W. G. Kümmel 22'1 sahen in den nach Karinth gekommenen Kontrahentenjudatstuche Wanderprediger, die zwar nicht wie die galatischen Agitatoren auf Gesetz und BeschneidWlg drängten, wohl aber im Gegensatz zu Paulus "ein mehr palästinic;:ch und synoptisch gefärbtes Evangelium als die Lehre Jesu oder die Lehre Christi"'" ausgaben und als .palästinische Juden [sc. Judenchristen] ... dem Paulus auch das Fehlen persönlicher Kenntnis des irdiscbenJesus vorwarfen (5,16)"229. In Karinth hätten sie sich mit den irmergemeindlichen pneumatischen Gnostikern (vgl. I Kor) gegen Paulus verbündet. Eine eigene Variante, wenngleich in älmlicher Richttmg, lieferte imJahre 1942 E. Käsemann 250, indem er zwischen 11,4 Wld 5 eine Zäsur erkannte und mit dem tpxoJ!&vo<; von Vers 4 die Gegner (aus Palästina gekommene Pneumatiker), mit den U7tSpA{av a1t60l0AOl von Vers 5 dagegen die hinter denselben stehenden jeTUJalemeT Urapojtel bezeichnet sah. 2!11 In neuerer Zeit wurde dieser Vorschlag differenzierend wiederaufgegriffen
2 Kor 25. Vgl. Niebuhr, Heidenapostel 119: "Eine Rekonstruktion der spezifischen theologischen Anschauungen der Eindringlinge und ihre religions- und urchristentwnsgeschichtliche Einordnung kann allein aufgrund der Angaben des 2. Korintherbriefs nicht vorgenommen ,,,,·erden." '" Vgl. Paulu5 I 289-330. f2fi Vgl. 2 Kor 26. m Vgl. Kor 211. 221 Windisch. 2 Kor 26. 229 Lietzmann-Kfunmel. Kor 211. 250 Legitimität 41-48. Käsemarm nahm hier eine ältere Auslegungstradition auf; vgL dazu die gute Zusammenfassung und Kritik schon bei Windisch, 2 Kor SSO. m Die Jerusalem-These emthr kritische Ablehnung durch die Mehrheit der Exegeten, vgL vor allem Bultmann. Exegetische Probleme des zweiten Korintherbriefes: Symbolae BibHcae Upsalienses 9 (1941, Nachdruck Dannstadt 1963) 23-80; den., 2 Kor 205; ferner üetzmann-KÜIDmel. Kor 210; G. Friedrich. Die Gegner des Paulus im 2. Korintherbrief, in: O. Betz / M. Hengel/ P. Sdunidt (Hgg'ol, Abraham unser Vater (FS rur O. MicheIl, Leiden/Köln 1963, 181-215, 192f.; Georgi, Gegner 39; Fumish, 11 Cor 49.502-505; Wolff, 2 Kor 6. t24
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
von C. K. Barrett2!.2, ~1. E. Thrall, die die Gegner für die Gemeinde visitierende Anhänger des Petrus hielt2" , oder G. Lüdemann2!1f, - Auf der anderen Seite gab es seit W. Lütgert 255 und R. Reitzenstein256 eine über R. Bultmann'" bis W. Schmithals'" reichende Forscbungstradition, die ftir eine gnoJtilch< Einschätzung der Gegner plädierte. Es handele sich um pneumatische Enthusia~ten mit starkem Selbstbewußtsein und libertinistischer Ethik, die weder die Tradition (wie dle Nomisten) noch die eschatologische Erwartung (wie Paullls), sondern die in der eigenen yvöi,,~ (vgl. 10,5; 11,6) bereits gegenwärtige Erlösung in den Mittelpunkt stellten und sich dabei auf außerordentliche Erlebnisse und Leistungen ("gI. 5,15; 12,12) berufen konnten. Nicht judaisierende Antipaulinisten, wie Paulus sie im Galaterbrief offensiv bekämpfe, sondern umgekehrt Hyperpauliner, die dem in die Defensive gedrängten Apostel den Vorwurf schwächlicher Halbherzigk.eit machten, stünden hinter dem 2. Korintherbrief. In der Gemeinde sei eine solche Propaganda auf fruchtbaren Boden gefallen (vgl. 1 Kor). - Eine dritte Position wurde Anfang der 60er Jahre durch einen Aufsatz von G. Friedrichn9 , vor allem aber durch die Arbeit von D. GeorgiHO vorgestellt und in Kommentaren wie dem von FumishUl oder zuletzt \Vol~42 mit Einschränkungen übernommen. Demnach handelte es sich bei den Gegnern des 2 Kor um heUenistischjudenchristliche Wandennissionare (wie Paulus selbst), deren Hintergrund die helleniJtiIChjildilch, Apologetik, ein .. Zweig der spätjüdischen Weisheitsbewegung"2U, war. Keru17.eichnend für sie sei die missionarische Praxis, die WertschäuWlg der jüdischen Tradition (,. B. des Mose), das pneumatische Selbstbewußtsein und als dessen Legitimaüon jene ,andere' Christologie (vgI. 11,4) gewesen, "in der Jesus als ausgezeiclmeter Pneumatiker, als 9EtO~ m Paul's Opponents in lICorinthians: NTS 17 (1970/71) 2~3-25,,".
Super-Apostles, Servants of Christ, and Servant!ll of Satan: JSNT 6 (1980) 42-57. Kritisch dazu S. E. :McCteUand, ,Super-Apostles, Servants of Christ, Servant! of Satan': A Response:JSNT 14 (1982) 82-87. U4 Paulus. der Heidenapostcl. Bd. U: Antipaulinismus im friilien Christentum (FRLANf UO), Göttingen 1983, 125-143. m Freiheiupredigt und Schwanngeister in Korinth, Gütersloh 1908, vgl. ausdTÜck1ich 75f.79f. 2!l6 Die heUenistischen l\'lysterienreligionen nach ihren Grundlagen Wld Wirkungen. Stuttgart '1927 (Nachdruck Dannstadt 1966), vgl. 361-371. Freilich bleibt die Beantwortung der Gegnerfrage in diesem grundlegenden religionsgescbichtlichcn Werk ReitzenS[eins seltsam vieldeutig. fH Vgl. Probleme ~-12.23-25.2'.30; 2 Kor 132-141.205.216 u. Ö. m Vgl. Gnosis 277-279 u. Ö. m Siehe oben S. 189 Anm. 231. Friedrich sieht Berühnmgen der Paulusgegner des 2 Kor mit dem Kreis der Hellenisten um SLcphanus in Apg Gf. (vg1. 196-215). 210 Siehe oben S. 107 Anm. 133. Die inzwischen eine Generation alte Monographie hat bis heute gegen mancherlei Kritik ihre Plausibilität behaupten können. 'ZU Vgl. II Cor 53. N2 Vgl. 2 Kor 6-8. Wolff erwägt eine Verbindung der korinthischen Gegner zu denen von Phil3. 20 Georgi. Gegner 52. tU
2 Kor 11.2Ib-12.10
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lr.Vlip erschien":lW, Paulus habe deshalb den durch Kreuz Wld AufcrstehWlg ber.eichnelen radikalen Schnitt betonen müssen (z. B. 5,lM:), weil nach Auffassung der Gegner zwischen dem irdischen Jesus und dem efhöhten Kyrios eine wunittelbare Kontinuität bestand.'" Wie bereits angedeutet, hält sich die neuere Forschung mit einem definitiven Urteil über die Gegner eher zurück.. 2-4.6 Die IdentifiZierung der Kontrahenten als judaistische Nomisten scheitert an dem völligen FeWen einer einschlägigen Polemik. gegen v6110, oder lt.pltOI1!\; aber auch die Gnosisthese erscheint fragwürdig. da einerseits die dafür geltend gemachten Erscheinungen im hellenistischen Christentum allgemein Verbreitung gefunden hatten2H und sich eine ausgeprägte christliche Gnosis in der Mitte des 1. Jahrhunderts noch nicht nachweisen läßt.... andererseits das Bild des libertinistischen Gnostikers nicht recht zu dem des Missionars jüdischer AbstammWlg (vgl. 11.4.22) passen will. Am ehesten dürfte noch der Georgi'sche Vorschlag Plausibilität besitzen, der die jüdischen Elemente Tradition und Mission mit den heidnisch-pneumatischen Charakteristika in der Gestalt des heilenistisch-judenchristlichen Wanderpredigers vereinigt. Fraglich bleibt. ob rur diesen Typ konkret die Vorstellung vom 8&'0,
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
rade in dem Paulus und seinen Gegnern gl!11leinsllmen. Hintergrund hellenistischer Konventionen wie Empfehlungen oder materieller Unterstützung als Zeichen für Freundschaft, die vom Apostel freilich entschieden abgelehnt würden. 25s Diese Theorie ist nicht zuletzt deshalb interessant, weil sie die den 2. Korintherbrief prägende paradoxe Theologie des Leidens und der Schwachheit soziologisch untennauem könnte. 254 Ende des Exkurses
c) 11,23-33: Der paradoxe Ruhm der Leiden Nur einen einzigen Vers lang hält Paulus die Rolle des fleischlichen Prahlers auf dem Niveau seiner Gegner durch (11,22). Obwohl Vers 23 zunächst in gleicher Form fortzufahren scheint (rhetorische Frage mit gegnerischem Anspruch - ebenbürtige Antwort des Paulus), tritt doch im folgenden fast unmerklich eine Verschiebung ein, die das äußerlich weiterbetriebene Unternehmen des KU\Jxäa9uI auf meisterhafte Weise ad absurdum führt. Der umfangreiche Abschnitt ist zu untergliedern in die Überleitung 23a, das eigentliche Korpus 23b-29 (Peristasenkatalog), zwei hermeneutische Zwischenbemerkungen 30f. und den autobiographischen Nachtrag 32f. u) V.23a Im gleichen Sprachduktus der ,Synkrisis' wie Vers 22 fährt Paulus in 23au mit einer weiteren, vierten rhetorischen Frage fort: BtllKovo\ Xpla~oii dalv, Wieder geht es um einen Anspruch der Gegner, nun nicht mehr genealogischer, sondern apostolischer Art"': ,Diener Chri· sti' wollen sie sein, d. h. christliche Missionare (vgl. 11,13).'" Die Antwort des PauIus auf die rhetorische Frage kommt nach dem bisher gewohnten Wechselspiel etwas überraschend. Statt eines fünf· ten Kayro, wie es nach 21 by-22 zu erwarten gewesen wäre, bricht Pau· lus den vorherigen Zusammenhang durch eine zweifache Steigerung ab. Die Parenthese 1tUpa
:m Ob PaultJs ihnen diesen Würdetitel zugesteht, bleibt anders a1s bei den nicht in Frage gestellten Herkunftsbc1.ciclmungen lUVOT offen. Die formale Anbindung an V. 22 spräche dafür, doch ist nach V. 18-15 selbst eine grundsätzliche, vom aktueUen Konßikt absehende Anerkennung des gegnerischen Apostolats nur schwer vorstellbar. m 1tapWPPovECIl (1tapulppo,,{a: 2 Petr 2,16) ist stärker als aq:lpoooVl1: vgl. Windiseh, 2 Kor 555; Bultmann, 2 Kor 217; Fumish, II Cor 514: Wolff, 2 Kor 2B2; Kleinknecht. Ocr leidende Gerechtfertigte 29M.
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2 Kor 11,21b-12,lO
,in Narrheit spreche ich' (21bßl
,im WahnsuUl rede ich'
,ich auch' (21by-22l
,ich noch mehr' (23ayl'"
(23a~l
Die Parallelität beider Überbietungen legt zunächst einmal einen Bezug der einzelnen Glieder zueinander nahe: ,Narrheit' war es schon, sich a/s den Gegnern ebenbürttg hinzustellen (21 b-22 l; ,Wahnsinn' ist es nun, auch noch das eigene ÜberlegenheitsgefUhI über sie auszusprechen (23a).'" Je mehr sich Paulus brüstet, desto mehr wird er zum Narren; dem jeweiligen Konkurrenzanspruch des Paulus entspricht eine Stufe seiner Torheit. Damit ist aber nur eine vordergründige Funktion des nupurppovrov 'AoJ...iJJ erfaßt_ Die Parenthese bezieht sich nämlich nicht nur auf das unmittelbar folgende unsp EyOO, um so die Vermessenheit eines noch gesteigerten Ruhmesanspruchs durch eine gleichfalls verstärkte Selbstbezichtigung des, wahnsinns' erträglicher zu machen; vielmehr gilt das - dann weniger quantitativ als qualitativ zu verstehende - nuparppoveiv rur den gesamten nachfolgenden Peristasenkatalog. Analog zur Genera/überschrift sv arppooUvn lJ:yro (2Ib), die durch 23a keineswegs aufgehoben, sondern nur überboten wird, enthält die Parenthese naparppovrov "a}Jj) den hermeneutischen Schlüsse! rur die Einordnung des anschließenden Leidenskataloges. Das Interpretament des, Widersinnigen"" erklärt die Diskrepanz zwischen dem Anspruch, in größerem Maße ein Diener Christi zu sein einerseits und der Auflistung von Notsituationen andererseits. Paulus kennzeichnet das UnEP foym "als eine wahnwitzige Äußerung ... denn er weiß, daß die Begründungen, die er im folgenden gibt (V. 23b-29l, nicht sogleich von den Korinthern und schon gar nicht von seinen Widersachern anerkannt werden; es sind ja alles Leidensaussagen, die nach dem Verständnis der Korinther (vgl. 1. Kor. 4,8 mit 4,9-13) und der Kontrahenten (vgl. 2. Kor. 3,7ff.l erweisen, daß Paulus kein richtiger Apostel des erhöhten, verherrlichten Christus ist. Antithetisch zu dem gloriosen Apostelverständnis der 2SI
Zu den vcnchiedcnen Übersetrungsmöglich1ceiten d~!I U1tSP lym vgl. ausfOhrlich Zmijewski. Stil NIL Die dort gernadlten vier Vorschläge (,Ieh noch mehr" ,Ich erst
recht', ,Nicht sie. vielmehr ich', ,Ich jedenfalls im Übermaß') laufen sachlich allerdings mehr oder weniger auf dasselbe hinaus. Ocr Aomparattrdsche Gehalt des ist
ooep
nicht tu bestreiten, zu dem sowohl die Form (Rückbe7.Ug der Antwort auf die gesteUte Frage) als auch der Inhalt von 23a (KonltuITI'!ß% Paulus-Gegner) nötigen; zugleich dient das ~n~p ~;yoo aber als Einführung oder Überschrift des in 2Sb einsetzenden Peristasenkatalogs. Insgesamt zeigt sich so der abtTltiUnde Charakter von 11,23a (sp.,iell Pr). 2~9 Vgl auch die Konventionen der hellenistischen Rhetorik, siehe oben S. 185 Arun.213. 26D nopruppov(i')v kommt so nahe wie keine andere Vokabel bei Paulus an napru5o.;ot; heran.
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Kapitel 3: Kraft in
d~r
Schwachheit
Gegner rühmt sich Paulus der Fülle und Schwere aller notvollen Situationen, die er durchlitten hat". 2f'i I Die kleine Parenthese 23aß ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil der gegenüber aCPPoOlh'11 gesteigerte Ausdruck 1tapaCPPovEiv die Narrenrede tun ein drittes, und zwar das entscheidende Paradox erweitert. Nach der fiir die Korinther ungewöhnlichen pauschalen Ablehnung von Selbstruhm und der Inkonsequenz, eben dieses Selbstlob drum doch zu betreiben, eröffnet Paulus mit 1tUpucppoviiiv AaAiii jene dritte Paradoxie, die er in 11,30 beim Namen nennt: daß er sich seiner Schwachheit rühmen will. Zum besseren Überblick. seien die drei Paradoxien noch einmal zusammengefaßt. I. Erfahrung der Gemeinde: ,Ein Missionar legitimiert sich durch das Präsentieren eigener Leistungen.' - Antwort des Paulus: ,Selbstruhm ist Narrheit!' (Widerspruch zur Gewohnheit) 2. Information der Gemeinde: ,Paulus hält also - begreiflicherweise, weil er nichts vorzuweisen hat - nichts von Selbstruhm. ' - Paulus: ,Auch ich will mich rühmen.' (Widerspruch zur eigenen Äußerung [formal] und zur Reputation bei den Korinthern [sachlich]) 3. Erwartung der Gemeinde: ,Christliche Missionare weisen sich aus durch hervorragende Qualitäten und pneumatische Begabungen.' Paulus: ,Ich rühme mich meiner Schwachheiten.' (Widerspruch zur
,sarhiJchen' Denkhaltung ) Der etwas zwiespältige und mißliche Eindruck, den die Korinther von der bisherigen Argumentation des Patdus gewonnen haben mögen, wird im folgenden auf geniale Weise von ilun behoben: Die Unbotmäßigkeit des Eigenlobs verliert an Gewicht und muß nicht mehr kategorisch abgelehnt werden, wenn sein Gegenstand paradoxerweise die Schwachheit ist; und auch der Vonvurf der Inkonsequenz erscheint abgemildert vor dem Hintergrund, daß Paulus nun ein derartiges Rühmen praktiziert. Die beiden ersten Paradoxa werden durch das dritte zwar nicht übenvunden"', aber doch stark relativiert und zugleich auf unenvartete Weise überboten.
Wolff, 2 Kor 2~2. Vgl. ähnlich Bultmann, 2 Kor 217. m Immerhin krhrt Paulus ab 12,lb noch einmal zum .sarkischen' Rühmen ruruck; darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Paulus mit rtapaqlpovrov 1al.& letztlich nicht auch den paradoxen Ruhm der Schwachheit für töricht hält. Zwar ist der GtgmJland des Selbstruhms im folgenden dem ,sarkischen' Bereich enthoben. aber das Rühmen an sich bldbt doch, egal was es beinhaltet, ein Verhalten der O'~, Vgl. BultmaJUl, 2 Kor 217: "Die Paradoxie ist also im Grunde eine doppelte, sofern diese MvnJ.u.~ [sc, die von 2 Kor 4 t 7ff.lzWTI Gegenstand eines Kauxäo8a.t KalO. crap1(D. gemacht wird,"
2&1
2 Kor 11,21b-12,IO
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Jl) V.23b-29 Analog zu Vers 22, der die Ankündigung von 21 b in die Tat umsetzte, sind die Verse 23b-29 die Durchführung des napaq>povrov Ä.aAöi in 23a, Auf dem ,sarkisclaen' Gebiet der ethnischen Herkunft hatte sich Paulus seinen Gegnern als ebenbürtig en'liesen; nunmehr zeigt er, inwiefern er in noch höherem Grade als sie ein ,Diener Christi' ist - und das geht nur auf paradoxem Wege. Das sechseinhalb Verse umfassende Textstück ist einheitlich der Gattung Peristasenkalalog zuzuschreiben"', bei dem in listenartiger Aufzählung verschiedene Nöte, Entbehrungen und andere Leidens,Umstände' (nSptCmiClSt~)"1 aneinandergereiht werden. Peristasenkataloge der verschledensten Art'" waren in der antiken Literatur weit verbreitet; sie reichen zurück bis in die Zeit vor Homer.'" Für den Vergleich mit Paulus interessant sind vor allem diejenigen Kataloge, in denen die Leiden und Schlcksalsschläge des idealen, Weisen' aufgezählt werden, wie er in der Philosophle der Kyniker oder der Stoa begegnet. 261
Spätestens seit den Arbeiten von J. T. Fitzgerald und M. Ebner'" wäre es .einseitig und unübersehbar apologetisch""', die zahlreichen Parallelen zu Paulus in der kynisch-stoischen, aber auch frühjüdischen'" Literatur schlechterdings von der Hand zu weisen. Nicht nur die Gattung Peristasenkatalog an sich, sondern auch das Begleitmotiv des Eigenlobs und Elemente wie Einwilligung in das Leiden oder göttlicher Beistand in menschlicher Schwachheit lassen sich im Umfeld des Paulus nachweisen.'" Fitzgerald kommt zu dem Ergebnis: ,,Paul's use of sophos-imagery and peri.Jtasis catalogues dearly shows that he is familiar ,'lith the traditions about the sage and the means used to depict hlm. . . . Such adoption and adaption of these traditions are not unique to Paul but occur as weil in other authors."'" 2fi3
Siehe oben S. 178f.
tu
Zum Begriff vgJ. Fitzgerald. Cracks 38-46.
Fit7.gerald. Cracks 41-49 fUhrt allein sieben Gnmdtypen auf. Noch diffcrcm.iertcr Ebner, Lddenslincn 387-397, 266 Vgl. Fitzgerald, Cracks 47. 261 Siebe oben S. 55-59. Typische Vertreter der Gattung ,Diatribe', in der Peristasenkataloge häufig Venvcndung fanden, sind die Kyniker Bion und Teles aw dem !. Jahrhundert v. Chr. Von Teles stammt eine Diatribe mit dem Titel nsp\ mplO"tD.aemv (vgL Betz. Apostel 98). Repräsentativ für den späteren Stoizismw zur Zeit des Paulus sind Sencca (vgl. Fitzgerald, Cracks 50) und Epiktet, der ebenfalls mehrfach das Thema ,Peristasen' behandelt (vgl Diss. I 24.25 u. Ö,).
2U
m Siehe oben S. 145f. !fi9
270 271
27!
Berger. Gattungen 1357. Vgl. 7.. B. TestJos J,3-7. Vgl. Fiugerald, Cracks 203-205 (Zusarrunenfassungl. Fitzgerald, Cracks 207.
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
Für unsere Interpretation von 2 Kor 11,23b-29 ist es nicht erforderlich, die dort genannten 28 (!) Peristasen im einzeinen auszulegen.'" Die dichte Aufzählung von Bestrafungen, Schiffbrüchen, Naturwidrigkeiten, Überfallen, Anfeindungen, körperlichen Entbehrungen und Belastungen als Missionar'" stellt wohl das eindrucksvollste Selbstzeugnis dar, das wir von Paulus haben. Zu fragen ist dagegen nach der kommunikativen Funktion dieser Verse im verhältnis des Pau/us zur Gemeinde und zu seinen Gegnern. Drei Möglichkeiten stehen dabei zur Debatte. - Nach J. T. Filtgerald darf der paulioische Ruhm der Leiden nicht im Kontrast, sondern muß vielmehr als quantitative Dberbielung (unep heb 11,23a) der gegnerischen Ruhmespraxis gesehen werden, die älmliche Leidenskataloge gekannt habe: ..... his opponents did boast of their hardships as diakonat of Christ and . . . their letters of recommendation contained perist ...is catalogues."'" Für die Übernalune gegnerischer Praxis in 2 Kor l1 sprächen z. B. die Komparative in V. 23b. Die ganze Arbeit von Fitzgerald hat das Ziel zu beweisen, ..how untenable the claim is that Paul's boasting in this regard is something unusual"H6. Wenn vor dem Hintergnmd der kynisch·stoischen Tradition weder für die Gegner noch für die Korinther das Rühmen durchgestandener Leiden etwas Un· bekanntes war, kann 2 Kor 11,23b-29 konsequenterweise natürlich kein
paradoxer Charakter zugesprochen werden. - Angesichts des durchweg polemisch-ironischen Duktus der Narrenrede und des gesamten Tränenbriefes vennag allerdings diese DeutWlg, nach der Paulus sich hier ganz unkritisch dem Verhalten der Gegner anschließen würde, kaum l.U üherzeugen. 271 - Für D. Ge(JTgi und H. D. Betz ist der Peristasenkatalog eine parodistische Imitation des gegnerischen Rühmens. Hätten sich die Kontrahenten als 9&iOt ä.vapE~ ihrer pneumatischen u. a. Leistungen gebrüstet. so antwone Paulus ironisch-paradox mit dem Ruhm seiner Notlagen. 218 "Er will mit m Vgl. dazu Becker, Paulus 181-185; Ebner, Leidenslisten 13S-148; Schiefer Ferrari, Sprache 249-254. Fitzgerald verzichtet in seiner Monographie auf die Behandlung dieses längsten paulinischen Peristasenkata10gs (vgl. Cracks S Anm. 7). m Schiefer Fernri, Sprache 256 spricht von ,semantischer Abundanz und syntaktischer Ökonomie'. Zur Gliederung siehe oben S. I7S mit Anm. 153, m Crack... 25. Vgl. auch 0, Wischmeyer, Der höchste Weg. Das 13. Kapitel des 1. Korintherbriefes (StNT lS). Gütersloh 1981, 85f. 2'16
Cracks 4.
Bei dieser Interpretation würde sich die Bedeutung des napruppovÖJv "aAW (23a) auf den S. 198 genannten vordergrilnrug-quantitativen Sinn beschranken. na ,Ironie' hdßt in diesem Fall nicht, daß Paulus das Gegenteil dessen meine, was er sagt. sondern einfach die Verspottung der gegnerischen Pra.xis. Bei aller pcniflieren· den Absicht besit7.t der Ruhm der Leiden als solcher theologische Dignität. Vg1. Schiefer Ferrari, Sprache 255: .,die Art des Sichrülunens der Gegner und das Sichdes-Herrn-Rühmen 6ndet in der Auft.ih1ung von Peristasen (I 1,28b-29) gleichzeitig statt; es überlagen sich und fließt ineinander. Meines Erachteru kann der Leser auf kognitiver Ebene nur schwer trennen, auf welcher Seite nun Paulus steht; der Eindruck. ist eher paradox." %17
2 Kor 11.21b-12.10
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dieser ,Chronik' gewiß nicht sagen: ,Ich bin noch mehr als die Gegner ein Gesandter Christi, weil ich noch mehr als sie leide'. sondern er meint gewiß: ,Ich bill noch mehr (weit eher) als sie ein Gesandter Christi, weil ich mich - im Gegeruatl zu ilmen - der Ltiden rühmen kann.'f4219 Dagegen sd dieses Unterfangen für die korinthischen Adressaten J<.eineswegs so ungewöhnlich, wie man ztmächst anzunelunen geneigt ist. Es steht dem J
rur
Georgi, Gegner 295. Vgl. Schiefer Ferrari. Sprache 246. m Betz, Apostel 99.
t79
211
Ebd.
m Vgl. Bultmann. Sti11O-64-; Fiugerald, Cracks 47-116. Vgl. Schrage, Leid 143-147. 281 Vgl. Ebner, Leidenslisten 98-172 (z. B. 161-172: die ,HerakIesmühen'). Schon 1928/ 29 hatte A. Fridrichsen in zwei Aufsätzen (siehe oben S. t 79 Anm. 188) erwogen, Paulus könne sich mit 2 Kor 11,23ff. an den Stil der Ruhmeschroniken (cursus mmDrum) ode .. dC!r teS gesttU römischer Kaiser anleimen. Diese .. in der Antike bekannten Form habe Paulus aber einen paradoxen, cluistlichen Inhalt eingegossen: "Wenn der Apostel trotz dieser christlichen Grundstirnmung des Martyriums Wld der Schwäche sich dem Stil der Ruhmeschronik. anschließt, zeugt das von einer gewissen Spannung in seinem Wesen 7.wischen menschlichem Selbstbewußtsem und christlicher Sc1bstentäußenmg-. einer Spannung, die in der pa..adoxalen Diskrepanz zwischen Fonn und Inhalt des Peristasenkatalogs hervorbricht." (Symb. Os1. 7 [1928 J 29; vgl. auch Kam· loh, Paulu, 221 f.)
In
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
Die Gegner, so sie sich als 8ttOlliv6pB~ verstanden oder darstellten, mußten das Selbstzeugnis des Paulus für lächerlich halten; wenn sie als Missionare gleichfalls Nöte und Entbehrungen gekannt haben dürften, so machten sie diese kaum nach der Art des Paulus zum Gegenstand ihres Rühmens. Aber auch für die Korinther, denen das gegnerische Modell des Apostolats ja allem Anschein nach mehr zusagte als das des Paulus, konnte dessen Aufzählung nicht ohne weiteres einsichtig sein. Der Apostel kämpft schließlich mit ,wahnsinnigen', d. h. letzten Mitteln um seine Gemeinde, ohne bei ihr das Bekanntsein hellenistischer Topoi voraussetzen zu kÖlmen. 2SS Dies gilt insbesondere deshalb, weil er das möglichenveise vorgeprägte, kynisch-stoische Paradox charakteristisch verschiebt und zuspitzt. Wenn fiir die Stoiker gilt: ,Die Schicksalsschläge sind es, die zeigen, was Männer sind'''·, so besteht der Enveis und Stolz ihres ,Mannseins' in der apathi.chen, sprichwörtlich ,stoischen' Hinnahme und damit Überwindung des Leidens. Wenn dagegen Paulus sich seiner Leiden rühmt, so geht es nicht um deren heroische ÜbeIWindung, sondern tatsächlich um das Leiden selbst, insofern ihm eine theologisch-christologische Offenbarungsfunktion zukommt. Nicht das Durchstehen der Peristasen ist sein Ruhm - womit sich das kynisch-stoische Paradox als solches nämlich auflöst -, sondem die Peristasen selber als Zeichen fiir den Diener des gekreuzigten Christus (vgl. 2 Kor 4,IOf.; 13,4). Dieses Paradox, diese Umwertung der menschlichen Werte kann auch nicht aufgelöst werden, denn sie venveist auf die Sphäre Gottes. "Bei den Griechen hat die Umwertung der Werte sich mittels einer Gedanken{und WiIlens-)operation des Menschen vollzogen: bei Paulus durch eine Tat Gottes in der Geschichte. "211 Die Erfahrung der Leiden ist fiir ihn bittere Realität"': zugleich aber rühmt er sich ihrer, weil sie ihn, paradox fiir die Gegner wie die Gemeinde, als wahren Apostel, als echten 6uiK01'0~ Xpla~oii ausweisen. Mit dem Peristasenkatalog 11,23b-29 will Paulus die Korinther nicht an bestimmte kynisch-stoisehe Topoi, sondern an das Paradox seiner Verkündigung des Gekreuzigten erinnern. Nur so kann er hoffen, die Gemeinde für sich zurückzugewinnen.
1M
Die Parenthese napwppov{j)lJ Äw..oo von I 1,23a. impliziert auch den korrummikativen
Aspek.t: ,Ich weiß, daß ihr mich für verrückt halten werdet.' Epiktet, Diss. I 24,1. m Bultmann, Stil8l; "gl. Schrage, Leid 149. 21& Ebensowenig wie der kynisch-stoische Weise Jr~ul lieh Paulus über sein Leiden; das wäre unmenschlich und absurd. Wenn er sich des Leidens (nicht - wie die Kyniker, evtl. auch die Gegner - seiner Übenvindung) Jrühmt', so bedeutet das kein selbstzerU6
störerisches Genießen der eigenen Qual. Paulus kennt keine absurde rdcntifhicrung von L.eid lUld Freude; er hält vielmehr die paradoxe Spannung aus 7.\\rischen der negativ-empiri~chen Wld positiv-theologischen Dimension des Leids.
2 Kor J J,2Jb-J2,JO
199
y) V.30f.
Wenn aus dem Peristasenkatalog selbst noch nicht ganz eindeutig auf die Gegner geschlossen werden kann, so bestätigt spätestens der nachfolgende Vers 30 die soeben gelieferte Deutung. 11,30 ist eine hermeneutische Zwischenbemerkung ähnlicher Art wie die Verse 1l,1.16-18.2Ib.23a, und sowohl pragmatisch-kommunikativ als auch semantisch-theologisch von zentraler Bedeutung'" für das gesamte Verständnis der Narrenrede. Zunächst einmal geht aus dem Vers eindeutig hervor, daß Paulus mit dem vorstehenden Katalog tatsächlich den Kontrast zur Praxis seiner Gegenspieler gesucht hat. ". Paraphrasierend übersetzt bedeutet 11,30: ,Wenn euch denn diese Pseudo-Apostel eingeredet haben, man müsse sich als Diener Christi durch eigene Leistungen legitimieren meinetwegen! Aber nicht wie sie, die mit ihren pneumatischen Begabungen protzen, will ich mich rühmen, sondern nur meiner armseligen Existenz, so wie ich es euch gerade vorgeHihrt habe.' Der antithetische Charakter des Verses, der nur die Gegner im Blick haben kann, ist augenfallig. Neben dieser Vereindeutigung des Peristasenkatalogs in pragmatischer Hinsicht, durch die jener offensiv-polemisch'" zur Waffe gegen die Gegner gemacht wird, enthält Vers 30 aber auch eine positiv-theologische Aussage von fundamentalem Wert.'" Zum ersten Mal wird das die Narrenrede prägende dritte'" Paradox, das in V. 23a schon angedeutet worden war, ausdrucklich beim Namen genannt: Paulus will sich seiner Schwachheil(en) rülunen. Dieser Gedanke, der in 12.5b.9b wiederholt wird. bildet die sachliche Überschrift der gan7.en Narrenrede. Er besagt nichts weiter als folgendes: Paulus braucht sich der Vorwürfe seiner Kontrahenten nicht zu schämen'''. er muß sie gar nicht als falsch zuruckweisen (wie er es in Kapitel 10 ansat7.weise versucht hat). sondern er kann sich gam. offen zu dem bekermen. was U9
Der Vers wird bezeichnet als ..Prinzip" (Windisch. 2 Kor 362; Zmijewski, Stil 279; vgl. Fumish, 11 Cor 539), "GnlIldsau" (Zmijewski, Stil 275), "summary" (Fumish, 11 Cor
521), "comment on the ,fools's speech' as a who1e" (ebd. 539), ..Ql1intcssenz" (Wolff. 2 Kor 256). 2~ Vgl. Schiefer Ferrari, Sprache 245f. 291 Das Wort .ironisch' sollte man wegen $dncr Mißverst.ä.ndlichkeit (siehe oben S. 196 Anm. 278) in diesem Zusammenhang besser nicht verwenden ("gi. dagegen Lietzmann-Kümmel, Kor 151; Bultrnann, 2 KOT 219, die den Gegensatllu den Vorwürfen von lO,1.1O als ,Ironie' bezeichnen), 1!9% Dem widerspricht nicht das Tempus des Verbums: Trotl des Futuß bezieht sich Kaux~O'o~al auch auf das Voraufgehende. Der prinzipielle Charakter des Satzes schließt aUe Zeitstufen ein . .291 Zur Orientierung siehe oben den Überblick S. 194. 294 Das "alU chl)1lavMyco von 11,21a wird spä.testens hier als bittere Ironie entlarvt
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
unter dem Sammelbegriff der aaOllvßtu subsumiert ist. "Mit der Formulierung ~Ir. 'tfi<; aaOevsla<; will Paulus wohl ein Zweifaches zum Aus· druck bringen: Durch die Wahl des Singulars 'tfi<; aaOevsla<; stellt er heraus, daß die ,Schwachheit' nicht eine Peristase neben vielen anderen ist, sondern geradezu als die ('tfi<;) ,Grundbefindlichkeit' seiner apostolischen Existenz angesehen werden muß. Mit dem Plural des bestimm· ten Artikels (~6.) aber weist er darauf hin, daß sich diese ,Grundbefindlichkeit' in konkreten (bereits genannten bzw. noch zu nennenden) Einzelfakten dokumentiert.•", Wichtig ist hierbei festzuhalten: Jenseits der vordergründigen Ebene seiner Polemik spricht Paulus in 11,30 ganz unironisch, ernsthaft, sei· ner innersten Überzeugung gemäß. Der Ruhm der Schwachheit ist kein rhetorisches, sondern ein theologiJches Paradox von hoher Dignität, insofern die arrOeVEtU ein essentielles Element des paulinisehen Apostelamtes darstellt. Die Begründung dafür wird hier noch nicht genannt; sie liefert Paulus in 12,9f. nach. Vielleicht ist es allerdings kein Zufall, daß der folgende Vers 31 zu· nächst in die Richtung zu gehen scheint, aus der eine Begründung fur die paradoxe Bekundung von V. 30 envartet werden kann: Die Nennung Gottes und Jesu verweisen auf die Theologie, näherhin die Christologie. Doch bringt 11 ,31 keine direkte Begründung rur das voraufgegangene Paradox. Der Vers mit seinen aus dem Judentum stam· menden formelhaften Elementen'" enthält vielmehr eine feierliche Vmicherung, daß das soeben Gesagte nicht ,gelogen', d. h. wohl auch: nicht übertrieben ist, sondern der vollen Wahrheit entspricht. Der uno ironische Charakter des Voraufgehenden wird somit ausdrücklich bestätigt. 297
Dabei scheint es relativ müßig zu spekulieren, ob die Beteuerung sich auf den Peristasenkatalog (23b-29)'" oder das Paradox (30)'" bezieht; schließlich ist letzteres nur das "formale Prinzip·'··, die nach· trägliche Deutung und Funktionsangabe rur das erstere. Sofern man die Schwurformel auf Vers 30 bezieht, will Paulus "bezeugen, daß es ihm mit dem paradoxen Grundsatz wirklich Ernst ist, daß er auf diese ungewöhnliche Form des Rühmens, die auf ständige Selbstdemüti· gung hinauslaufen würde, wirklich sich zu beschränken entschlossen ist."'·' Die Verbindung zwischen dem ,Gott und Vater des HennJe·
295 296 291 29& 299
~M !Ol
Zmijewski. Stil 278. Vgl. neben den Kommentaren vor allem Zmijewski. Stil 280-282. Ähnlich wie in 11,10 und 16 spricht Paulus hier ganT. ohne ruppoaUVT'1. So etwa Lieumann-KüllUnel. Kor Hit; Bultmann. 2 Kor 219. So Zmijewski, Stil 275.282; Fumish, Ir Cor 540; Wolff, 2 Kor 257, Zmijcwski. Stil 282. Windisch. 2 Kot 863.
2 Kor 11,21b-12,lO
201
sus"·' (31a) sowie dem a<1a~vE\a-Paradox (30) könnte dann folgendermaßen lauten: ,Gott, der Vater des Herrn Jesus, der seinen Sohn der Schwachheit des Kreuzes preisgab (vgl. 13,4), er allein weiß um die tiefe Wahrheit meines Rühmens,' Doch wird diese Verankenmg des Apostelverständnisses in der Christologie einstweilen nur angedeutet; explizit erscheint sie erst am Schluß der Narrenrede in Kapitel 12. öl V.32f. Ohne erkennbaren Bezug zum Kontext'·' schließt Paulus den ersten Teil der Narrenrede mit einer historisch-autobiographischen Episode über eine geglückte Flucht aus Damaskus ab.'·' Die kurze Erzählung fallt an dieser Stelle in ihrer Art völIig aus dem Rahmen des bisheligen Selbstruhms heraus.'·' H. Windisch kommt nach Abwägung verschiedener Möglichkeiten zu dem Schluß, es handele sich entweder um eine spätere Glosse oder einen Nachtrag vom ,Amanuensis' des Paulus, dem dieser während einer Diktierpause Abenteuer solcher Art erzähIte.!06
Die Tendenzlosigkeit des Berichtes macht seine Einordnung in der Tat schwielig. Am ehesten überzeugt wohl das Urteil, die Verse seien maleriaZiter ein Nachtrag zum Peristasenkatalog - "Paul hlmself offers it here as further proof of his weakness·'·7 -, formaliler dagegen angesichts ihrer narrativen Gestalt eine Überleitung zu den Berichten 12,2-4.7b-9a. Der Nachdruck der Erzählung liegt weder auf der Größe der Bedrohung, in der Paulus schwebte (im Gegensatz zu Apg 9), noch auf der gelungenen Rettung'·', auch nicht auf dem Kontrast zwischen beidem'·', sondern auf den demütigenden und erniedrigenden Begleitumständen als weiteren Konkretionen der apostolischen a<1a~VE\a."·
'01 Die Variante 10ß KOp{OU 'lqcoß im Unterschied z.u toG KUplou t'iJ1iiiv '1'1')0'00 XptO''toü (1. B. 2 Kor 1,5), aJso die HervorhebWlgdcs einfachenJesUS-Namens. ist nicht 7.ufaIlig
(vgl. WollT. 2 Kor 237). sos Eine Zugehörigkeit von S2f. zu gof. ist nicht plausibel; eher könnte der erzählerische Kontrast zu 12,2-4 beabsichtigt sein (vgl. Zmijewski, Stil 289). Vgl die ParaßelUbcrtieferung in Apg 9,23-25.J. Tarlort The Ethnarch ofKing Aretas at Damascus. A Note on 2 Cor 11,82-33: RB 99 (1992) 719-728 hält den ,Ethnar· ehen' filr den Gouverneur von Damaskus unter dessen nabatäischel" KontroUe; er datiert das Ereignis in die Jahre 87-39. S05 Vgl Windisch, 2 Kor 368, ". Vgl. ebd. 363f. 501 Fumish, n Cor 541. 50' Gegen Fumish, Il Cor 540. ''" Gegen Windisch, 2 Kor 863. 310 Vgl. Wolff, 2 Kor 237; ähnlich Kleinknecht. Der leidende Gerechtfertigte 298. SOl
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
d} 12,1: Das Paradox des wmützen und doch notwendigen Rühmens Die Strukturanalyse'" hat gezeigt, daß der ,Selbstruhm des Apostels' 2 Kor 1l,21b - 12,10, die Narrenrede im engeren Sinne, aus zwei Teilen besteht.
Mit Kapitel 12 beginnt der zweite Teil, der einen verblüffend parallelen Aufbau zum ersten erkennen läßt. Hier wie dort fmden sich theoretisch-hermeneutische!12, ,nonnale' und paradoxe Elemente in ungeHi.hr derselben Anordnung"': Der ,Überschrift' ll,21b (I) entspricht 12,Ib (11); dem ,sarkisehen' Rühmen 11,22 (I) korrespondieren 12,2-4 (11): der Überleitung 1I,28a (I) entspricht 12,5 (11); dem ,Korpus' 1I,23b-29 (I) entsprechen 12,1b-9a (11); der paradoxen Deutung 11,30 (I) korrespondiert 12,9b (11); der Wahrheitsbeteuerung 11,31 (I) entspricht 12,6. (11): der zusätzlichen
Veranschaulichung 1I,32f. (I) schließlich kOlTespondiert 12,1Oa (11). Das Pendant zur Zwischenbemerkung 12,la bilden die hermeneutischen Verse
11,16-18 im Vorfeld der Perikope. Nur für 12,6b-1a sowie die abschlie· ßende Gnome lab gibt es in Kapitel 11 keine Analogien. Gegenüber dem Katalogcharakter yon 11,21b-S3 ist der ,.weite Teil eher narrativ gehalten. Die Grundstruktur des ersten Teils wird 'Wiederholt, je-
doch an andersartigen Beispielen illustriert (2-4.1b-8) und intensiv theologisch begründet (9f.). Der erste Vers des zweiten Teils besteht aus einer hermeneutischen Zwischenbemerkung (la) sowie der Überleitung zum neuen Thema
Ob). a) V. 1a
Die kurze, textkritisch problematische'" Bemerkung Kauxäcr!lat Bai, gegenüber der zweiten Vershälfte gesonderte Beachtung. Genau an der Nahtstelle heider Teile der Narrenrede verläßt Paulus kurz deren Duktus und rekapituliert auf einer Meta-Ebene, analog zu 11,16-18, die hermeneutische Basis des ganzen Unternehmens. Rein formal wird diese Einschätzung bestätigt durch die Beobachtung, daß mit Kauxäcreat Bei der einzige Fall von Ironie innerhalb der Perikope vorliegt.'" ,Rühmen muß sein' (laa) ist das
ou crul-l
SIl Si~he
oben S. 172-114. Zu diesen reflektierenden Zwischenbemerkungen oder ,Deuteversen' vgl. Zmijcwsk..i, Stil 276f.; Ebne[". Leidenslisten 96f. m Einen anschaulichen graphischen Überblick. Uber die Abwechsitmg von reflektierenden und anderen Redeteilen in 1I,21b-12,lO bietet Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte 287. 51. Vgl. die Diskussion der Varianten bei Windisch, 2 Kor 367. Sein abschließendes Urteil lautet, der Text habe "als gämlich verrkrben 7.U gelten" (ebd,). Nichtsdestotrotz plädiert die communis opinio der Exegeten rur die von Windisch als "recht unbeholfen" klassifizierte, oben be\'or7.ugt~ Lc:::sart mit pl6 und ß als Hauptl~ugen . .m Siebe oben S. 171 Anm. 147. - Zwar begegnet lCallxaa9at Be.t schon in 11.~O. doch verhindert dort die Einbinclung in den Konditionalsatz das Entstehen von Ironie (im engeren Sinn des Wortes).
1112
2 Kor 1l,21h-12,lO
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genaue Gegenteil von dem, was Paulus wirklich denkt"· und was er unmittelbar darauf, asyndetisch-holprig angeschlossen, auch sagt: ,es führt zu nichts' (laJ3). Die kleine Antitbese aus Ironie und Ernst mitten im Selbstlob des Apostels ven.eist atmosphärisch auf dessen rahmende Abschnitte 11,1-21a und 12,11-13, die gleichfalls ironisch-polemisch geprägt sind.'" Näherhin bestehen Parallelen von 12,laa zu ll,la .16b.18b sowie 12,lIaJ3, andererseits von 12,laJ3 zu lI,I6a.17a sowie 12, I lall: Ernst
Ironie bzw. Polemik. Wunsch, die Narrheit auszuhalten 11,16 Verbot, Paulus für einen Wunsch. Paulus als Narren Narren zu halten anzunehmen I I .1 7f. nicht dem Herrn gemäße Rede Absicht des Rühmens 12,la unnütze, Rühmen (J3) notwendiges Rühmen (a) 12.lla zum Narren geworden Gezwungensein dazu
1I,la
Zeigt sich somit die Venvandtschaft von 12, I a vor allem zu den die Narrenrede einleitenden Versen I und 16-18 des 11. Kapitels, so kann der Halbvers als eine verdichtete Wiederholung des dort formulierten doppelten Paradox angesehen werden, dessen ursprüngliche Reihenfolge freilich invertiert ist. Nimmt man zunächst I aß. so liegt mit ou OUIl
316
204
Kapitel 3: Knft in dtt Schwachheit
lus einen Affront für die Korinther, die mit apostolischen Selbstempfehlungen nach Art der Gegner rechneten. Und eben hier liegt der Grund, warum Paulus in 12,laa von der ,Notwendigkeit' des Selbstruhms spricht. Mit dem ironischen ösi, das in Vers 11 zum polemischen Vorwurf (U/lst~ /l6 ~vaY1Cooa~s) werden wird, versucht er den Widerspruch "visehen seinem Reden (Iap) und Tun (Iaa bzw. Ibff.) zu erklären, sucht er seine Ruhmespraxis dadurch zu rechtfertigen, daß er die Verantwortung dafür von sich weist.'" Indem er jedoch anders als in 11,30'" zum Stilmittel der Ironie greift, d. h. sich scheinbar die gegnerische Position zu eigen macht (,Gerühmt muß werden!'), wird die paradoxe Inkonsequenz zusät1.lich verstärkt. Einerseits bricht er zum wiederholten Male den Stab über das Selbstlob, andererseits verkündet er an exponierter Stelle'" dessen Unvermeidbarkeit. Das aus 11,1.16-18 hervorscheinende doppelte Paradox wird gewissermaßen auf einen knappen Nenner gebracht: den der ,nutzlosen Notwendigkeit' des Rühmens.
P)
V. lb Mit der im Griechischen geläufigen Übergangswendung'" tAeUC10/llll e1~ signalisiert Paulus die Annäherung an ein neues Thema, das durch die Stichworte Ölt~ao{al (,Gesichte', ,Visionen', ,Erscheinungen') und anoKaJ"U1jIS1~ <,Offenbarungen') sowie den Genitivzusatz KUp{otJ umrissen wird. Analog zu 11,21b bildet 12,Ib gewissermaßen die Überschrift zu den folgenden Versen, dort eher hermeneutischer, hier mehr thematischer An. Hatte der erste Teil der Narrenrede mit einem Ruhm der Abjtammung begonnen, so kündigt Paulus jetzt das Thema ,Offenbarungen"" an, deren er sich ,rühmen muß'
müssen, sich dennoch aber irgendwie seinen Lesern verstAndlich !24
7.U
machen,'" (Schie-
fer Ferrari, Sprache 260f.) Siehe oben S. 202 Anm. 815.
m Neben der VoransteltWlg des Kauxda9at8El ist die ,militärische Knappheit', das Feh· len einer Konjunktion Wld der apodiktisd,·absolute Klang des Ausdrucks zu beachten (vgl. Zmijewski, Stil 324(328). 1'2& Vgl. Windisch, 2 Kor 369; Bultmann, 2 Kor 220; Zmijewski, Stil 326. )21 ö1t1:a.ma.1. und d:1t'OKai..U'Ve.~ sind entweder Synonyma (vgl. Windisch. 2 Kor 368). oder letzteres ist der Oberbegriff (vgl. W. Michaelis, Art. 6paoo 1(1:"-.: ThWNT V P95<J) 353). m
2 Kor 368.
2 Kor 1 J,21b-12,IO
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nicht um die Schilderung paulinischer Erlebnisse allein, zeigt auch das Fehlen des Artikels und der Plural cJ7t~a(J{at und illtOKaAUIjI&t<;."'" Nicht zuletzt wegen der Parallelität beider Teile der Narrenrede karm man davon ausgehen, daß Paulus wie beim Thema Abstammung (j 1,22) auch bei seinen geistlichen Erlebnissen kein ihm eigenes Feld betritt, sondern, wenn auch unausgesprochen, den Vergleich mit den Gegnern, das Kayo> von 11,21b-22, wiederaufuimmt. "Paulus kommt auf ein Thema zu sprechen, das für das Selbstverständnis seiner Gegner eine große Rolle spielte: die ekstatisch-religiösen Phänomene. Die korinthische Gemeinde war dafür sehr empfänglich gewesen; denn sie bewertete die ekstatischen Charismen hoch (vgl. I. Kor. 12-14).""· Es ist sogar gut möglich, daß auch der Genitivzusatz KUp{OU auf gegnerische VerwendWlg zurückgeht. Wenn die Rivalen sich als ,Diener Christi' (11,23) bezeichneten, liegt die Vermutung nahe, daß sie ,,sich bei ihren ,Gesichten und Offenbarungen' auf den Kyrios beriefen."'" Paulus greift also ab 12,lb wiederum eine Thematik auf, die ihm von den Gegnern her vorgegeben ist. Anders als in ll,22.23a.23b-33 biegt er diese aber nicht sogleich paradox um, sondern bestätigt vielmehr die Erwartungen seiner Adressaten, nämlich .what they have been wanting to hear about him - or what his rivals have prompted them to require of hirn"'''. Sachlich ist die Ankündigung demnach geradezu das Gegenteil eines Paradox; überraschen mag die Korinther höchstens die Inkonsequenz ihres Apostels, der sich entgegen seiner Kritik am Selbstlob (laß) erneut zu eben solchem ,sarkischen' Verhalten hinreißen läßt. '"
329
Gegner 29'.
Wolff, 2 Kor 240. m Zmijewslci. Stil 330. - Offen ist die Frage, ob mit KUpeOU ein Genitivu:ri subiectivus (aueloris) oder obiectivus vorliegt. Während die Gegner bei ihrr.n- Preisungen der oJttCl(J{al !Cat anoKaAd'Vttt; kUp{OU den Genitiv ..,oielleicht sogar im Sinne eines Gm.
330
objectlUUJ verstanden haben, also von sich eine dfreltte Schau cUs Kyrlos behaupteten" (Zmijewski, Stil 330f.1. wird Paulus selbst hier eher auf die Urhtbmchaft des Kyrios abheben, vgl. die Einhcitsüberset1.ung: ..Erscheinungen und Offenbarungen . . _, die mir der Herr geschenkt hat.u Fumish, 11 Cor 524: .... . the experience to be recounted in vv.2-4 seems to have invoh'ed no appearing orehrist to Paul." Durch den Ven"eis auf den Kyrlos kann sich Paulus von dem ihm widerstrebenden Eigenlob etwas distanzieren (vgl. Zmijewski. Stil 88 J). m Fumish, 11 Cor 543. m Daran, dnß die Behandlung von Visionen und Offenbarungen in jedem Fall ein Verhalten Ka'tQ oapKa (11,18) darstellt, ändert auch die Envähnung des .ruPl0C; nicht viel. Zwar erscheint der sonstige Gebrauch dieses Christustitels in der Narrenrede oder ihrem Vorfeld durchweg in negativ-paradoxen Zusammenhängen (vgl. 10,17f.; 11,17.31; 12,8), doch ist zu bedenken. daß es sich hier in 12,1 um die Aufnahme gegnerischer Redeweise handeln könnte, die Pallius nur %_ T. umzudeuten vermag (siehe oben Anm. 331).
206
Kapitel g: Kraft in der Schwachheit
Daß dies nicht seiner Grundintention entspricht, wird spätestens Vers 5 zeigen; zunächst aber bedient sich Paulus "offensichtlich bewußt des (vorläufigen) Mißverständnisses als eines Stilmittels, um mit dem nachfolgend Gesagten, das die Auflösung des Mißverständnisses bringt, eine um so nachhaltigere Wirkung zu erzielen" .... e) 12,2-4: Der ,sarkische' Ruhm der Offenbarungen Die drei Verse umfassende Erzählung über eine Entrückung in den ,dritten Himmel' bzw. das ,Paradies' bildet im Gesamtduktus der Narrenrede das dritte von vier ,Korpora', in denen Paulus seinen Selbstruhm konkret durchführt.'" Auf narrative Weise setzt er die Überschrift 1b (6rttao{at Kat a1tOKaAUIjIW;) in die Tat um. Der in der Gatt,mgskritik als apokalyptische ,Himmelsreise' identifizierte Bericht'" zeichnet sich durch einen "eigentümlichen mysteriösen Stil"'" aus, der die Exegeten zu 7.alureichen Erklärungsversuchen veranlaßt hat. '" Merkwürdig erscheinen die Doppelung von V. 2 und V. 3["', die kärglichen Infomlationen über das Erlebnis und vor allem die distanzierte Schilderung in der 3. Person (1I.V8POl1tO<; tv XPlotiji). obwohl Paulus offenbar von sich selber spricht.'" Die motivkritischen Einzelprobleme religionsgeschichtlicher oder autobiographischer Art müssen hier nicht erörtert werden. Zu fragen ist nach dem Charakter des Berichts im Rahmen der Narrenrede und der Motivation. die Paulus zu dessen Wiedergabe veranlaßte. Getreu seiner Grundthese. der Tränenbrief2 Kor 10-13 sei eine ironische Persiflage der rhetorischen Gattung .Apologie'''. hält H. D. Betz 12.2-4 rur die Parodie eines Himmelfalrrtsberichtes: •.Paulus parodiert Typisches und identifiziert sich damit nur ironisch. Ob damit m ZmijeW'ski, Seil 881. m Vgl. daneben 11,22; 11,28b-29; 12,7b-9a. Siehe oben S. 179[, m Windisch, 2 Kor 869.
S!6
m VgI. nur Windisch, 2 Kor 869-380 (mit reichem Vergleichsmaterialh Bultmann, 2 Kor 221-224; FumLo;h, IJ Cer 524-527.542-5·l5; WoifT, 2 Kor 240-245; Käsemann. Legitimität 63-66; GüttgemallßS, Apostel 158-161 (Paulus als ,Epiphanieträger des Christus'); Bet1., Apostel 89-92; Spittler, Limits (siehe oben S. 180 Anm. 190); Zmijewski, Sti1331-346 (sprachliche Analyse); Lincolo, ,Paul the Visionary' (siehe oben S. 179 Anm. 184); Price, Pandise (siehe oben S. 180 Anm. 192); Baird, Visions (siehe
oben S. 179 Anm. (86);]. D. TaboT, Things unutterable. Paul's Ascent to Paradise in iu Greco-Roman, ]udaic, and Early Christian Contexts (Studies in Judaism), Lanham/NewYork/London 1986 (Monogra.phie zu 12,2-4)' m Vgl. den Überblick Ober die paraUde Struktur bei Windisch. 2 KOT 371; BetT., Apostel 89f.; Zmijewski, Stil 335. Die meisten Exegeten plädieren für nur tin mgrunde1iegendes Erlebnis (vgI. 1.. B. Bultmann, 2 Kor 223). 510 Vgl. 1.. B. Fumish, n Cor 524:.,1t is dear from w. 6b-7a that the ptrJon (llv8po)1tot;) to whom Paul eders here is h..imsel(" HI
Siehe oben S. 175-177.
2 Kor 11,21b-12,10
207
auf wirkliche Ereignisse im Leben des Paulus und wenn ja, auf welche, angespielt wird, läßt sich hiermit weder beweisen noch bestreiten."'" Diese Deutung des Entrückungsberichtes besitzt sicherlich wenigstens teilweise Plausibilität. Immerhin handelt Paulus nicht aus freien Stücken, sondern sieht sich durch die gegnerische Praxis zu etwas gezwungen, das er im Grunde für unnütz und töricht hält (vgl. la.1Ia). Daher ist dem Bericht eine Art leiser Spott, zumindest aber eine große Distanz zwischen Erzähler und Erzähltem nicht abzusprechen.'" Gleichwohl kann jedoch kein Zweifel bestehen, daß Paulus das geschilderte Ereignis ,vor vierzehn Jahren' tatsächlich erlebt hat. Hierfür sprechen nicht nur das Fehlen offenkundiger ironisierender Elemente sowie die reflektierenden Bemerkungen in V. 6-7 a''', sondern auch der Stellenwert der Erzählung im Kontext. Ebenso wie der Ruhm der Abstammung in 11,22 den Fakten entsprach - Paulus war ,Hebräer', ,Israelit' und ,Same Abrahams' -, so stimmt auch das Entrückungserlebnis von 12,2-4 mit der biographischen Wahrheit überein. Beide Partien der Narrenrede stehen in Parallelität 7.ueinander. '" Das aber bedeutet, daß Paulus hier ernsthaft redet und erneut in ein den Korinthern gefälliges, mithin ,sarkisches' Rühmen zurückfällt, so ungern und distanziert er das auch tun mag. Am ,sarkisch'-weltlichen Charakter des vorliegenden Prahlens kann auch dessen ,himmlischer' Gegenstand nichts ändern. ,.\6
5.12 BeiZ, Apostel 89 . .sn Von dort her werden auch am ehesten die gegenüber den apokalypLischen Parallelen auffälligen Abweichwlgcn verständlich. Die vorsichtige, zweifache Annäherung an die Zielaussage in 4b (vgl. Windisch, 2 Kor 871), die Gleichgültigkeit über den kör· perlichen Zustand (vgl. Zmijewski, Stil 337; Fumish, 11 Cor 525,545), die 1.uri1ckhal·
tende Mitteilung über den Inhalt der Audition (äpPll'td. ~~Ila:ta = rhetorisch·parado· x~s Ollymoronj "gI. Zmijewski, Stil 339f.:H3-345) sowie der seltsame Stil der 3.PerSOll (Ygl. Käsemann, Legitimität 64: Bultmann, 2 Kor 221: Fumish, U Cor 544-) erldären sich daher, "daß der A.kunt auf der Resen'e des Paulus gegenüber einer Überbewertung ekstatischer Erlebnisse und auf der Vermeidung des Se1bstruluns liegt: Im Unterschied zu den Gegnern stellt er sein leh nicht in glorioser Weise heraus," (Wolff, 2 Kor 248) - Dies konnte freilich nicht verbindern, daß in der Wirkungsgeschichte dieses Erlebnis des Pautus zu eineT breiten, spekulativen ET7.ählung ausgestaltet wurde, wie sie etwa in der kopdsch-gnostischen .Paulusapokalypse' aus Nag Harn· rnadi vorliegt; "gI. dazu H.:]. Klauck. Die Himmelfahrt des Paulus (2 Kor 12,2-4-) in der koptischen Paulusapokalypse aus Nag Hammadi (NHC V/2): SNTU A 10 (1985) 151-190. su Vgl. Wolff, 2 Kor 241. SB Siehe oben S, 202. 346 Die paradoxe Grundaussage des Apostels lautet ja. daß sich ,die KTart (Christi) in der Schwachheit erweist' (J2,9f.), daß ,das Leben Jesu an unserem sterblichen Fleisch offenbar wird' (4,11). Hier erscheint deren nicht weniger paradoxe Umkehrung: Die pneumatisch-himm1ischen Visionen und Offenbarungen der Gegner zeugen in Wirklichkeit für deren fleischlich·irdisches Denken.
208
Kapitd ~: Kraft Ln der Schwachheit
Warum erzählt Paulus trotzdem diese geheime Begebenheit aus seinem Leben? Was veranlaßt ihn, seinen paradoxen Grundsatz von 11,30 zu durchbrechen'" und sich nicht seiner Schwachheit, sondern einer solchen außerordentlichen Begnadung zu rühmen? ,Jedenfalls will er doch sagen, daß er den Gegnern gewachsen ist lmd, wenn er will, sich auch solcher pnetunatischer Erlebnisse rühmen kann, mit denen sie renommieren."'" Offenbar spricht aus 12,2-4 hauptsächlich der in seiner Ehre verletzte Mensch Paulus mit dem Bestreben, ,den Korinthern zu zeigen, daß auch er in dieser Hinsicht nicht hinter seinen Widersachern zurücksteht 01,5)""', dagegen weniger die Absicht, "somit die Gemeinde für sich, und d. h. in erster Linie: für Christus, zu gewinnen""·. Daß Paulus mit Hilfe des ,sarkischen' Rühmens seine ekklesiologische Intention der Rückgewinnung der Korinther erreichen wollte, hier also sozusagen ,auf krummen Wegen gerade schriebe', ist recht tmwahrscheinlich. Für die Auferbauung der Gemeinde gilt das gleiche wie für das paulinische Selbstverständnis: ,,Paul will not use such an experience as evidence for his apostleship ... Paul freely acknowledges his limitations and weaknesses ... because he knows that in his aposdeship participation in the life of the heavenly Man at present also involves bearing his croSS."551 Im größeren Rahmen der Argumentation erscheint der Bericht über die Entrükkung des Paulus eher als eine für dessen Apostolat und Verkündigtmg irrelevante, wenn nicht sogar hinderliche ,Nebenbemerkung'. 2 Kor 12,2-4 ist angesichts der Zerrissenheit des Paulus eines der charakteristischsten Stücke der Narrenrede: auf der einen Seite das erstaunliche Faktum, bei Paulus überhaupt so etwas vorzufmden, auf der anderen Seite die zahlreichen ,Distanzierungsversuche' des Apostels vor (V. 1a), innerhalb'" und nach (V. 5) der Erzählung. Paulus schreibt nolens volem: Er ist sich der Sinnlosigkeit des Unterfangens bewußt Oap u. ö.), zugleich aber will er seinem angestauten Zorn Luft verschaffen. Erst ab Vers 5 fmdet er zu jenem paradoxen Weg von 11,23-33 zurück, durch den er diese Diskrepanz auf geniale Weise transzendieren kann. 555 m Vgl. Windisch. 2 Kor 863. m Bultmann. 2 Kor 220. - Jervell, Charismatiker 185-198 wendet sich grundsätzlich gegen die Auffassung-. Paulus lehne alles Pneumatische lUld Charismatische für sich nuldweg ab. In eine ähnliche RiChtWlg argumentiert Nielsen, Venvendung U7-158. '~9 Wolff, 2 Kor 242. Paulus muß maßlos über die Arroganz der Gegner aufgebracht sein. !SO
WoUf, ebd.
m Lincoln, ,Paul thc Visionary' 219( Vgl. auch Käsernann, Legitimität 67-69. Siehe oben S. 207 Anm. 343. m Vgl. 7.U dieser Problematik auch 1-1. Saake. Paulus als Ekstatiker. Pneumatologische Beobachtungen zu 2 Kor 12,1-10: Bib. 53 (1972) 404-410. 352
2 Kor ll,21b-12,lO
209
o 12,5-10: Der paradoxe Ruhm der Schwachheiten Wenn man die hermeneutischen Bemerkungen ll,21b und 12,1 nicht gesondert zählen will, bilden die Verse 2 Kor 12,5-10 den vierten und letzten Abschnitt der Narrenrede. Angesichts der parallelen Struktur'deren beider Hauptteile 1l,21b-33 und 12,1-10 steht Abschnitt 4 (12,5-10) io Korrelation mit Abschnitt 2 (11,23-33). Kun. 7.usammengefaßt stellt sich der Gedankengang folgendermaßen dar: Nach forschern Begion mit dem Ruhm seioer Herkunft (11,[21 b- ) 22) hatte Paulus sich bald von dieser Art des Selbstlobs entfernt und anhand eioes eindrucksvollen Peristasenkatalogs sich jenem Unterfangen zugewandt, das er das ,Rühmen der Schwachheit' nannte 01,23-33). Überraschenderweise war er dann jedoch wieder zur gewöluilichen Form des Selbstlobs zurückgekehrt, iodem er, wenngleich widerstrebend, von eioer ihm zuteil gewordenen Entrückung io den dritten Hiounel bzw. das Paradies berichtete (12,[1.)2-4). Im nun begionenden vierten Abschnitt gibt Paulus ein solches Rühmen endgültig auf. Thema ist jetzt erneut das KIlIlXa"ellt ev ta-ic; ci"etVsilllC;; es wird an einem weiteren Beispiel illustriert sowie in grundsät7.lieher Form theologisch-<:hristologisch begründet. Die Untergliederung der sechs Verse entspricht weitgehend der des Abschnitts 11,23-33: Auf eine (ausführlichere) Überleitung (12,5-7a) folgt das Korpus (7b-9a), dessen theologische Deutung (9b) und schließlich eioe zusätzliche Veranschaulichung (1O). a) V.5-7a
Die aus drei Gedankenschritten (V. 5.6a.6b-7a"·) bestehende Passage bildet die Überleitung zwischen der ,sarkischen' und der paradoxen Form des pau1inischen Selbstlobs in 12,1-10. Sie erfüllt damit eine ähnliche Funktion wie 11,23a, wozu im engeren Sinne freilich nur die Antithese V. 5 eine Entsprechung ist. Die Waltrheitsbeteuerung V. 6a besitzt eine Parallele in 11,31; V. 6b-7a sind ein Überschuß gegenüber dem ersten Teil der Narrenrede. Vers 5 stellt insofern eine ,hermeneutische Brocke' dar, als er ähnlich wie 11,23a zugleich auf das Voraufgehende Bezug nimmt wie das Nachfolgende eröffnet. War dort mit Hilfe der Parenthese 1tIlPIl'l'Povrov t..aMi der logische Übergang von der einen zur anderen Art des Rühmens als qualitativer Sprung, sozusagen als hermeneutisches ,Umschalten' auf die paradoxe Ebene geleistet worden, so wendet Paulus bier ein anderes Stilmittel an, das der personalen Differenzierung. In einer scharfen Antithese stellt er der aus 2-4 übernommenen mUnter 7a sind die ersten fünf Wörter des Verses verstanden, von deren Zugehörigkeit zu V. 6 mit den meisten neueren Exegeten hier ausgegangen wird (siehe uDten S. 212f. Anm.374).
210
Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
3. Person, dem ,so beschaffenen (Menschen)'''', das ,Ich', die 1. Per· son, gegenüber, obwohl mit beiden Paulus selbst gemeint ist. Der Aposte/löst das durch das sarkische Rühmen 2-4 entstandene Dilemma, indem er zum Mittel einer Art ,Persönlichkeitsspaltung' greift. Die schon während des Berichts spürbare Distanz zwischen Erzähler und Erzähltem'" wird in V. 5 explizit gemacht. Auf der anderen Seite ver· deutlicht die sprachliche Parallelität der antithetischen Glieder die Pa· radoxie dieser Gespaltenheit: 5a
llltSP
5b U7t&p
'tOÜ 'tOlOUtOU
E~aIJto(j
KaIJx~cro~at
ou Kaux~cro~at ...
Wenn man ernst nimmt, daß Paulus hier von ein und derselben Per· son - seiner eigenen - spricht, bekundet er demnach zugleich die Ah· sicht, sich zu rühmen, wie die, sich nicht zu rühmen. Das Futur des ersten Kaux~crOl1at in 5a erlaubt es nicht, die Envähnung geistlicher Qpalitäten etwa als nunmehr aufgegebenen ,Irrweg' zu betrachten; V. 6a liefert im Gegenteil dazu noch eine theoretiscbe Legitimation. 557
Das Schwergewicht liegt freilich auf dem zweiten Teil von Vers 5, insofern die 1. Person sicherlich eher als die 3. der wahren Intention des Paulus Ausdruck verleiht. Der Apostel wiederholt in 5b seinen Grundsatz von 11,30, diesmal in Form einer Litotes (ou . " B{ 11~ ... )"', die wohl aus dem Duktus der Antithese envachsen ist (KaIJX~' crOl1at ... ou KaIJXllcrOl1at ... ) und so gegenüber 11,30 eine Steigerung bewirkt: "Indem Paulus (in einer doppelten Verneinung) sagt, er wolle sich seiner selbst nicht rühmen, wenn nicht mit seinen Schwachheiten, weist er positiv darauf hin, daß er sich durchaus rühmen will, und zwar gerade und ausschließlich mit dem ,Unrühmlichen', d. h. mit sei· nen Schwachheiten. Was als ,Ausnahmesalz' formuliert ist, hat nicht einschränkende, sondern exklwive Bedeutung.·'" "Varum aber diese merkwürdige Spaltung des Paulus in eine ,Er'· und eine ,kh'·Hälfte? Zunächst ist hier an die gemeinantike Regel zu denken, wonach man Selbstlob tunlichst vermeiden und statt dessen einem ,Dritten' den eigenen Ruhm zuschreiben sollte."·
Wegen des korrespondierenden eJlQUTOÜ muß 'toü tolOUTOU Maskulinum sein (vgl. Windiseh. 2 Kor 380; Bultmann, 2 Kor 224i Fumish, II Cor 527; Wolff, 2 Kor 2,15), ur. Siehe oben S. 207 Anm. 843, m Endgültig nimmt Pau1w erst in 6h-7a Abschied von dieser Art de.~ Rühmens. US
m Vgl. Zmijewl'kl, Stil 349. ·1S'JRbd. !60 Vgl. Plutarch. Moralia 542 E. F (Windiscb. 2 Kor 381).
2 Kor 1l,21b-12,IO
211
Den eigentlichen Gnmd bietet aber die durch die korinthische Situation veranlaßte Differenzierung zwischen der geistlich-privaten und der apostolischen Existenz des Paulus. War der Apostel bislang davon ausgegangen, daß Erlebnisse aus der ersteren Sphäre die Korinther ..gar ni61ts angehen"'" (vgl. 5,13), so sah er sich nun gezwungen (l2,la; vgl. 12,11), doch auch dieses persönliche Feld zu betreten. Er tut dies so distanziert wie irgend möglich, indem er von sich selbst abstrahiert und das Erlebte auf einen ,Dritten' projiziert.'" An der wahrheit des Gesagten kann freilich nicht gezweifelt werden. Paulus steht zu seinem Erlebnis; deshalb "beläßt er dem in V. 2-4 Berichteten seine Bedeutung; es bleibt ja Anlaß zum ICuuXäcrOat, nämlich der hohen Auszeichnung, deren er durch solche EntIückung gewürdigt wurde."'" Alierdings zeigt der schroffe, fast asyndetische Übergang zur zweiten Vershälfte, daß er froh ist, diesen mißlichen Bereich bald wieder verlassen zu können. Wenn Paulus in 5b sein paradoxes Prinzip von 11,30 wiederaufnimmt, kehrt er zurück zum authentischen Bereich seiner apostolischen Existenz: "den Apostel zeichnen die Schwachheiten aus; denn in ihrem Ertragen erweist er sich als Gesandter des gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Darum sind sie allein der Gnmd seines - paradoxen, weil von den Gegnern und von den Korinthern nicht akzeptierten - Selbstruhms (11,30), und darum spricht er von jetzt an, wo es um seine Schwachheit geht, in ungebrochener Weise nur noch im Ich-Stil. "3M In der Rolle des begnadeten Pneumatikers wollte Paulus nicht als syro den Korinthern gegenübertreten; nur in der durch die'" Schwachheiten konstituierten Sphäre seines Apostelseins ist er das authentische Subjekt, das der Gemeinde begegnen kann. Die an die Antithese von V. 5 angeschlossene Erklärung in 6a "zeichnet sich nicht gerade durch Deutlichkeit aus""'. Grund da/Ur ist der gegenüber 1I,1.I6-18.2Ib (sowie 12,11) abweichende Gebrauch des Wortes ä
!6~
Bultmann, 2 Kor 220. VgL ähnlich Schiefer Ferrari, Sprache 260.268. Wolff, 2 Kor 245.
m
Ebd.
Sil !6!
m Der bestimmte Artikel verweist zurück auf die in 11.2g-5~ aufgezählten acr8tvelal. Windisch, 2 Kor 381. m Siehe oben S. 181-186.193r.
368
212
Kapitel S: Kraft in der Schwachheit
zeigt: Wenn OUK dva\ ä
'6' Vgl. ebd. und Fumish, 11 Cor 546. 3JO
Da. Paulus offenkundig nicht ironisch redet. scheint er in 6aaß gefährlich nahe an das ,sarkische', Wlparadoxe Denken der Korinther bzw. Gegner heranzukommC".n, nach dem das Lob der eigenen Vorzüge etwas Normales. nichts Törichtes ist. En;t durch Gay (äl~gelav yap tpc'ö) wird der Gedanke des Paulus in einem recht harmlosen Sinne
!71
vereindeutigt. ßultmann, 2 Kor 225.
m Das Wort heißt hier nicht ,verschonen' (denn die Korinther hätten gegen weiteres
Rühmen ja nichts einzuwenden), sondern ,verzichten', ,davon absehen', ,Wlterlassen' (vgl. Windisch, 2 Kor 881; Zmijewski, Stil Mg; Wolff, 2 Kor 245). m
"gI. Bultmann, 2 Kor 225 (',kaufmännischcr Terminus").
sn Unter den zahlreichen Zuordnungs- und DeutWlgsversuchen des Ausdrucks Kat Tii ÖltEppo).fi 'trov G.n:OKaÄuo/eoov (7a) sc.hließt sich diese ÜbcrsetllDlg ä.hnlich Yloie Fumish, U Cor 528 und Wolff, 2 Kor ZS9 der Position Zmijewskis an, wonach die fünf Wörter eine epiphrastische Explikation zu dem urrep bei ).,oylOlltal darstellen: "Das Ka{ ist
2 Kor 11,21b-12,IO
213
der NachprUfbarkeit auf weitere, ansonsten gern erzählte Berichte verzichtete, weil diese von seinen Gegnern mißbraucht werden könnten. Ein solches Argument widerspräche seiner in 11,30; 12,5b bekundeten Grundhaltung. "Der Sinn kann nicht sein, daß Paulus jeder boshaften Verdrehung seiner Offenbarungen vorbeugen will, sondern nur, daß er nicht imponieren will durch Vorzüge, die die Korinther bestechen könnten ....,. Entgegen dem Anschein hat das uxep daher keine quantitative, sondern eine qualitativ-grundsätzliche, d. h. antithetische Füllung. Der Akzent liegt nicht auf der mit jener Art des Rühmens gegebenen Übersteigerung des äußerlich wahrnehmbaren Bereichs; vielmehr geht es darum, daß Paulus eigentlich überhaupt nichts ,aufs Konto gesetzt' bekommen will, was allerdings bei der überschwenglichen Qy.alität seiner Offenbarungen gar nicht ausbleiben könnte. Diesen Effekt will er vermeiden. Das Sichtbare und Hörbare an ihm, das die Korinther ihm ,gutschreiben' sollen, ist dagegen in ihren Augen ein ,Minuskonto', nämlich seine Schwachheit: "Sie sollen ihn gerade als den ~a1tEtv6~ und a.cr9EV1i~ sehen und ihn als solchen anerkennen ... Nur so wird sein Apostelturn und seine Botschaft nicht mißverstanden,"576
Damit hat Paulus die letzte hermeneutische Reflexion über sein Kauxttcr9at innerhalb der Narrenrede abgeschlossen und sich endgültig für dessen paradoxe Spielart entschieden. Nun gilt es, dieses Paradox an einem weiteren Beispiel zu illustrieren, um sodann seine theologische Dignität aufzeigen zu können.
!l) V. 7b-9a Der mit BIO tva 1l1J u7t8pa(pCOllal beginnende Abschnitt ist das zentrale Stück des vierten Teils der Narrenrede und hat damit eine analoge Funktion zum Peristasenkatalog im zweiten Teil. In mehrfacher Hinsicht ist es von dem voraufgehenden Passus abgesetzt.'" Statt der reflexiv-abwägenden Sprechweise in 5-7a (Futur bzw. Präsens) steht nun Erzählstil (Vergangenheitstempora: lB09fj, 1tllpEKclM(Ja, s'1PTJ1CEV). Paulus problematisiert nicht mehr abstrakt die eine oder andere Art des Rühmens, sondern er schildert einen konkreten Sachverhalt seiner Biographie. Unter pragmatischem Gesichtspunkt wird also als Ka.{ epexegeticum zu verstehen, der Dativ als Dativw causae." (Zmijewski, Stil 861 j vgl seme breite Diskussion des Problems 351-357.) Gestüt7.t wird diese Deutung
durrh die Wiederholung der Pcäpo9ition UrtEP im PräflX des angehängten Substantivs: Die Ö1tEPßO~t, 100V anOKaAUVEOOV bildet die sachliche Erläutenmg des '~1tEP (S. m Bultmann, 2 Kor 225. 516 Ebd. 22S[ m Allerdings sichert. das begründende lila den generell~n Zusammenhang; es be1.ieht siC":h auf den gleichfalls kausalen Dativ TÖ Unr.PPOATI (vgl. die erneute Wiederaufnahme des unEp- im ersten Verbum).
214
Kapitel 3: K.rnft in der Sclnyachheit
die Sorge des Apostels um die ,Außenwirkung' seines Selbstruhms auf die Korinther nun abgelöst durch das Problem der Selbstüberhebung des Paulus b7.w. deren Verhinderung durch den Kyrios.'" • Die autobiographische Episode, deren narrative Form sich an 11,32f. und 12,2-4 anlehnt, ist in drei Teile zu gliedern: V. 7b berichtet unter Venvendung zweier Metaphern von einer geheimnisvollen Krankheit des Paulus; V. 8 schildert seine Reaktion auf dieses Leiden; V. 9a enthält die Antwort des in V. 8 angerufenen Kyrios. Nach H. D. Betz liegt in 2 Kor 7b-1O die Parodie einer sogenannten Aretalogie, einer antiken Heilungswundergeschichte vor, die durch typische Motive wie Beschreibung des Leidens, Hinwendung zum Wundertäter, Gebet, Erscheinung des Gottes, Heilungsorakel, Feststellung der Heilung, Darbringung eines Opfers und Lobpreis konstituiert werde.'" Das parodistische Element sei hier in 2 Kor 12 das Fehlen der eigentlichen Pointe, nämlich des Wunders der Heilung: ,,Das ,Heilungswunder' entsprach zwar den Stilgesetzen und den religionsgeschichtlichen Vorstellungen der Aretalogie, aber die Heilung selbst blieb aus,"!AO
Diese Einschätzung überzeugt jedoch nicht. Wenn Betz anstelle eines Wunders Vers 9a als "die ironische Pointe der kleinen Komposition" bezeichnet"', verkennt er den tiefernsten Charakter der Passage. Schon die Parallelität der Stelle zum Peristasenkatalog ll,23b-29 im Gesamtaufriß der Narrenrede läßt eine ironische Deutung nicht zu. Abgesehen von 12,Ia fmdet sich in der ganzen Narrenrede keine Ironie im eigentlichen Sinn des Wortes.'" Es ist mehr als "unwahrscheinlich, daß Paulus die für sein Existenzverhältnis grundlegende Gnadenaussage V. 9a in eine Parodie eingearbeitet hätte""'. In diesem Zusammenhang sei nochmals die These envähnt, daß die vorliegende Episode mit dem Visionserlebnis von 2-4 verbunden werden müsse''', so daß die Überschrift Ib auch für 7b-9a gelten würde. Zwar scheint das an beiden Stellen vorkommende Stichwort KUP\O~ ( 1b. 8) eine solche Beziehung nahezulegen; dagegen spricht jedoch das
Ha
Vgl. Zmijewski, Stil 864: "Blieb die Argumentation in den W. 6-7a auf der menschlich-natürlichen Ebene ... , so be .....egt sie sicb nun - wie die Passivronnulierung eli69'1 kundtut - auf der theologischen Ebene."
sn Vgl. Belz. ChristusaretaJogie 288-305; ders .• Apostel 84f.92f. 'so Betz. Apostel 93. !SI Ebd. 92. 3U Siehe. oben S. 116( m Wolff. 2 Kor 24-1. m Siehe oben S. 180.
215
2 Kor 11,21b-12,10
kelhafte Offenbarung des Herrn, sondern die Krankheit des Apostels im Mittelpunkt, die durch das Herrenwort interpretiert wird. Vers 7b besitzt eine planvoll angelegte Struktur"': ÖIO
tva J.lTJ illt8pa!pCOJ.lat
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i'va 118 Kol..a
namhaft machen wollte, das dazu gedient hat oder dazu hat dienen wollen. diese Stelle zu erklären, welche, nachdem sie eirunal den Ruf bekommen. ein Rä.tsel zu sein, jedermann eine ungewöhnlich günstige Gelegenheit zu eröffnen schien, Schriftausleger zu werden.
42 [19801 216-227 schließt aus einem Vergleich mit lQH 2,23-25; 9,25-27 auf gegnerische Verfolgungslddenl oder geistlichen SchwächC1.wtänden bis 1U Krankheiten wie Epilepsie, Hysterie, Augenmigräne. Kopfschmenen oder Rheumatismus (vgl. Windisch. 2 Kor 885-388; Fumish, II Cor 548f.j wour, 2 Kor 247). Am wahrscheinlichsten ist mit der doppelten Metapher ein chronisches (v. 8) körperliches ('tfi Gapn!) Leiden bezeichnet (vgl. Bultmann, 2 Kor 227; Fumish, 11 Cor 5·\.9(), das nicht nur recht schmenhaft gewesen sein muß (KOAQ
371). m Bultmann, 2 Kor 227. lU ''''olff, 2 Kor U 7.
216
Kapitel 3: Kraft in der Schwachhtit
steckt"', muß fraglich bleiben. Jedenfalls bemüht sich Paulus, seinen offenbar negativ empfundenen dunklen punkt zu erklären. Dies tut er aufvierfache Weise: durch einen allgemeinen Verweis auf dessen gött· liehe Herkunft (Passivum divinmß eö6&!]) , durch die Angabe seiner Funktion in den beiden fva-Sätzen, durch den Hinweis darauf, wie sehr er selbst darunter leide in V. 8 (eine Art petitio benevolentiae), schließlich durch die inhaltliche Begründung im Herrenwort V. 9a. Eine gewisse Schwierigkeit ergibt sich aus dem zweiten Argument, insofern die tva-Sätze aus dem übrigen Gedankenkontext etwas herausfallen. Während das göttliche Passiv IiM911'" das Herrenwort V. 9a gut vorbereitet, andererseits das dreimalige Flehen des Paulus in V. 8'" eine rhetorisch wirksame Negativfolie dafür bildet, nennt die Rahmung von V. 7b zweimal die Funktion jener Krankheit: ,damit ich mich nicht überhebe'. Zwar ist der Sinn dieser Funktionsaussage einsichtig - Paulus deutet sein Leiden als gottgewolltes Gegengewicht 1.U seinen außerordentlichen Erlebnissen, welche die Gefahr der Selbstüberschätzung in sich bergen'" -, aber die Einheitlichkeit des Argumentationsganges wird dadurch gestört. Liegt das Ziel der GedankenfUhrung in diesen Versen auf der positiven Aussage von V. 9a, die dem ,Stachel im Fleisch' einen Sinn aus ,ich "lb,! heraus zuschreibt, so verweisen die negativ formulierten "va-Sätze auf eine außerhalh liegende Funktion des ,Satansengels', nämlich die Wahrung der Bescheidenheit und Demut. Dieser Gedanke, den Paulus übrigens nicht weiterverfolgt"', gibt der Krankheit des Apostels eine ErkliJTU71g; das den Kontext beherrschende Paradox von Vers 9 erfährt hier vorweg eine bestimmte Sinngebung und damit in gewissem Maße Einschränkung seiner Paradoxalität.
m Etwa so: "Paulus ist mit seiner äa9tv61a dem Satansengel tultenvorfen und kann deshalb kein Apostel sein" (Gültgemanns, Apostel 165). Dies würde we nicht ohne weiteres zu vereinbarende Verbindung von Satan und Passivum divinum (eM911) plausibler machen. 590 Die ,Gabe' eines Salamengeu durch Gotl (vgl. die vorige Anm.) dUrfte von Paulus im
Sinne einer ,Indienstnahme' ähnlich wie in Hiob 2,6f. verstanden worden sein (vgL Fumish, II Cor 547; Wolff, 2 Kor 247). m Die Dreizahl erinnert an das Gebet Jesu in Gethsemani Mk 14,32-42 parr. (vgl. Windisch, 2 Kor o389f.; Bulunann, 2 Kor 227; Zmijewski, Stil 580; Wolff, 2 Kor 2(8). 391 Verwandtes Gedankengut findet sich in philos Auslegung der Lähmung Jakobs zu Penici nach seinem Kampf mit Gott (Gen 32,26; Philo, de SOIlUl. I 130[ p. 6(0), andererseits auf theoretischer Ebene in Plutarchs Empfehlung, zur venneidung einer zu penekten DarsteUung kleinere Schwächen und Fehler in ein Selbstlob mit einzu-
39'
werfen (De se ipi'IUm citra invidiam laudando 18: Moralia 543 F - 544 C); vgl. Windisch. 2 Kor 385; Fumish, n Cor 547. Die Verhinderung des Sich-selbst-überhebens wäre somit als eine Art ,Nebeneffekt' eimustufen. Die t'va-Fonnulierungen hätten dann eher konsek.utiuiJcM als fmale Bedeutung.
2 Kor ll,21b-12,IO
217
Das formgeschichtlich als ,Orakel'''' zu identifizierende HeITenwort in V. 9a gehört zu den wichtigsten Beispielen paulinischer Paradoxien.'" Grund dafür ist seine hier erstmals innerhalb der Narrenrede klar heIVortretende theologische Dignität. Das ab 11,23 der Sache nach vorgeführte, in 11,30 und 12,5b explizit gemachte Paradox erhält nun den Rang einer göttlichen O.ffenbarung, denn es erklingt aus dem Munde des K1lptO~, d. h. des erhöhten Christus.'" V. 9a besteht aus einer Redeeinleitung'" , einer ablehnenden Antwort auf die in V. 8 geäußerte Bitte und einer positiven Begründung (1'Qp) für diese Ablehnung'" vom "Charakter einer allgemeingültigen Cnome"!90.
Das Hauptgewicht tragen die drei Substantive xapL~, MVUjJ.t~ und !laOevELa. Um deren Bedeutung zu erfassen, ist es ratsam, zunächst ihr Verhältnis zum Kontext und untereinander zu betrachten. Das Stichwort !laOeV6ta (,Schwachheit') hat Paulus in 11,30 und 12,5b bereits eingeführt; es bildet den Sammelbegriff für alle Peristasen und Leiden des Apostels. In V. 9a ist au9EvEta auf den ,Stachel im Fleisch' bzw. ,Satansengel' von V. 7b zu beziehen. Neu dagegen sind die Begriffe XQpl~ (,Gnade') und MvalL1~ (,Kraft'), die daher für sich genommen noch nicht näher bestimmt werden können. Allerdings bildet MVUjJ.l~ evidentermaßen das Oppositurn zu ilagevEla; ferner signalisiert das kausale 1'Qp, »wie eng XapL~ und MvalL1~ zusammengehören""', so daß "Ti MVUjJ.l~ offenbar ein synonymer Ausdruck für Ti xapl<;"40' ist. Aus diesen Beobachtungen am Text ergibt sich folgender Zusammenhang: Wenn XQpl~ und MvalL1~ ,,hier wesentlich gleichbedeutend"'" sind, letztere die erstere aber dadurch erläutert, daß sie sich Siehe oben S. 180. m Fuchs, Henneneutik 286 nennt 2 Kor 12,9f. sogar "die berühmteste Paradoxie" des
!9l
S'J6
Glaubens. .,V. 9a ist das ein7.ige ,Herrenwort', das P. in 11 Kor anführt'" (Windisch, 2 Kor 39l) Von solcher Autorität gesprochen. ist eS natürlich das schlagkräftigste Argument ge· gen das pneumatische Sclbstbewußtsein der Gegner.
m Das Perfekt Slp11KSV unterstreicht die bleibende Gültigkeit des Orakels (vgl. Zmi· je,'/slti, Stil 880; Fumish, 11 Cor 530; Wolrr, 2 Kor 248).
m "Das apKBT O'ot ist zunächst ein zurück.weisender Bescheid: ,mehr bekommst du nicht', ,damit mußt du auskommen'. Aber durch die Begründung: 1'J "tOp ßUvop.tt; tv
acr6e.velq. tWttQl gewinnt es den Sinn: ,damit kannst du auskommen', ,mehr ist nicht notwendig', ja: .das ist alles'. Das Sich.negnOgen ist wirklich ein Genug-Haben.- (Bultmann, 2 KOT 228)
"t Windisch, 2 KOT 391. Natürlich ist der 'Y~Satz kein Kommentar des Paulus, sondern noch Bestandteil des Orakels (gegen Fuchs, Hermeneutik 236). 400
401
Wolff, 2 Kor 249. Windisch. 2 KOT 391.
~02 Bultmarul, 2 KOT 229. Das von K2 A D2 u. a. hinter
8Uvcqu.t; ergänzte !l0U ,.ist also inhaltlich zutreffend" (Wolff, 2 Kor 249): ,die Kraft' be7.eichnet wie bei der Gllade die
218
Kapitel 3: Kraft in der Schwachlleit
über ihr kontradiktorisches Gegenteil defmiert''', daIUl bestimmt dieses formal-logische Paradoxon den Vordersatz des Orakels mit: Die theologische Aussage von der Suffi7.ienz der Gnade Christi wird 7.ur geoffenbarten Paradoxie. Umgekehrt gewirmt das längst bekarmte aaa&vEla-Paradox an dieser Stelle an Schärfe, aber auch an Deutlichkeit. Endlich wird klar, weshalb Paulus sich seiner Schwachheiten ,rühTrum' wollte 01,30; 12,5b), nämlich weil sich in ilmen - bzw. in der Schwachheit (Sg.) als seiner existentiellen Grundbefindlichkeit - die ,Kraft' voUendet bzw. verwirklicht, welche nichts anderes ist als die Kraft oder die Gnade Christi. '" Das ,Rühmen' der aaSBVEta, sozusagen ein ,praktisches', ,nach außen "" gewandtes Paradox, bedurfte. um nicht zur Absurdität zu geraten, einer positiven Sinngebung. Diese wird nun geliefert durch das gleichsam ,ontische', d. h. verschärfte Paradox der äv aaSEvt!q. wirksamen OUVllllt~. Die Erhellung des damit entstandenen Oxymorons'" geschieht durch Transzendierung. Seine Unverständlichkeit löst sich dadurch auf, daß im Munde des Kyrios die irdische Diroension der aaSBVEla mit OUVIlIl t~ als einer göttlichen Kategorie interpretiert wird. Im Hintergrund steht demnach eine theologische ,Umwertung der Werte'. Auf diese Weise wird das Paradox zwar nicht eigentlich erklärt; aber es ist venviesen auf den transzendenten Bereich. Was läßt sich dieser so fundamentalen Aussage dennoch an Verständnis abgewinnen? Die Unterschiede zum kynisch-stoischen Denken sind bereits angesprochen worden. '07 Wenn der Herr seinem Apostel seine Kraft in der Schwachheit offenbart, darm ist damit kein bloßes ,Durchstehen' und ,Überwinden' der letzteren gemeint wie etwa
Kraft Chrüti ("gI. 9b). Es lir:gt in jedem Falle keine gencrell-wcisheitliche. sondern eine christologische Aussage vor (gegen Ebner, Leidenslisten 186: ,,[m HerrenwOJt bleibt MVatJ.l<; völlig unbestimmt . . ,"), Fraglich ist nur, ob mit der xdptc; und l)UVl4!U; Christi hier eine auf Paulus beschränkte .Amtsgnade' des Apostels gemeint ist (so Windisch, 2 Kor 591; Fumi9h, 11 Cor 530; Käsemann, Legitimität 58: Güttgemanns. Apostel 166: O·CoUins. Power 583-537) oder die Gnome auch a.uf christliche Exi· stenz im allgemeinen hinwdsen will (vgl. Lietzmann-Kümmel. Kor 212; Bulunann, 2 Kor 229: ..nicht wahTScheinlich. aber möglich"; Zmijewski. Stil 382.384). tOS 't8Miv heißt hier nicht ,vollenden' im Sinne von ,etwas Begonnenes zum Abschluß bringen', sondern das Wort gibt .,eine Definition der höchsten Stufe (nAstto.l) von .Stärk.e': Sie gipfelt in der Schwäche" (Ebner, Leidenslisten 174). Das 'teAsicr9a1. der Kraft in der Schwachheit besagt deren dialektische Zusammengehörigkeit: Die 8UvaJ.11I; "realisiert sich damit erst jeweüs, die Möglichkeit wird zur Wirklichkeit" (Bultmann, 2 Kor 229). 406 Noch einmal ausdrücklich formuliert wird dieser Zusammenhang in V. 9h. m Vgl. Ebner, Leiden'llisten 18S[ HIli Vgl. Schneider, Eigenart 56. 401 Siehe oben S. 195-198. Vgl. Bullrnann. 2 KOT 228; Fumish, 11 Cor 550.
2 Kor 11.2Ib-12.10
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bei EpiktetCo,. Traditions geschichtlich näher liegt die alttestamentliche Vorstellung vom leidenden Gerechten. co, Der eigentliche Schlüssel ist freilich bei paulinischen Parallelstellen wie 2 Kor 4,7.10f.16 oder 13,4 '.u suchen, die auf die Christologie, näherhin die Kreuzestheologie verweisen. "0 Paulus versteht seine eigene Existenz als eine Analogie oder ,Gleichförmigkeit' zum Chrulusgeschehen von Tod und Atiferstehung: ,Denn er wurde gekreuzigt aus Schwachheit, aber er lebt aus der Kraft Gottes; so sind auch wir schwach in ihm, aber wir werden leben mit ihm aus der Kraft Gottes gegenüber euch' (l3,4).
Dabei verbietet es der transzendente Charakter der xapt~/ll6valll~, sich diese zu konkret vonustellen, etwa als empirisch wirksame ,Bei-
Windisch. 2 Kor 390 nennt Diss. I 1,7-13; N 10,14-16 als Parallelen zu 12,9. Für Kleinknecht, Der leidende Cerechtfertigte 299 "ist es keine Frage, daß ... dieser Satz eine der Grundüberzeugungen der Tradition vom leidenden Gerechten wiedergibt ... : daß Gottes Kraft an den Schwachen wirksam sei." Er verweist "der Sache nach" auf den Gegensatz von äaeiv8lU/eAl\fT1C; und ne~/'X.6p\c;/8t5val1l~ u. a. in Ps 6.3; 31,lOf. LXX. räumt aber ein, die paulinische Antithese lasse sich "terminologisch so nicht auf einen bestirrunten Text zUl'Ück.fUhrcn (und könnte durchaus auch situationsbedingt in dieser Akzentuierung fonnuüert sein)" (ebd. Anm. 184-). uo Vgl. Bultmann, 2 Kor 229; Fumish, U Cor 550f.j Wolff, 2 Kor 249; Güttgemanntt. Apostel 168f.; Zmijewski, Stil 384. 411 Vgl. Eimer, Leidenslisten 186-192. Klcinknecht. Der leidende Gerechtfertigte 301: "... es ist dieselbe 0:0'9iv&\a.. der der leidende Gerechte der Tradition, der in diese Wdt gesandte Jesus und die ihm Nachfolgenden ausgeseut sind, nämlich die Gott widerstreitende Macht, die den ,Gerechten' ebenso wie den ,Gerechtfertigten' um ihrer Zugehörigkeit 7.U Gott willen befeindet." 412' Gilttgemanns, Apostel 168.
401
'09
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
standsgnade''''. Vielleicht steckt hinter der Mva~ll~ nur die Glaubensgewißheit, die Hoffnung des ,inneren Menschen' auf das ,Unsichtbare' (vgl. 4,16.18; Röm 8,24). So kann selbst das Scheitern ltun Ort der Gnade werden.
y) v.9b Mit der zweiten Hälfte des Verses 9 erreicht die Narrenrede ihren letzten und eigentlichen Höhepunkt. Geradezu tritunphierend (i\ölo'l'a ... lläi.AoV) zieht Paulus die Quintessenz (oov) aus all den vorangegangenen Abschnitten. Während der Vordersatz ein drittes Mal das hermeneutische Grundprinzip der Narrenrede anfuhrt (vgl. 11,30; 12,5b) und somit deren flÜhere Passagen in Erinnenlllg ruft, greift der Nachsatz mit dem Stichwort Mvalll~ die soeben gelieferte theologische Kernaussage des Herrenwortes 9a wieder auf. Was dort indirekt schon erkennbar war, wird von Paulus nun explizit gesagt: Beide Aspekte Rühmen der Schwachheit und Kraft in der Schwachheit - stehen in einem logischen Zusammenhang. Niromt man die rva-Konstruktion wörtlich, so besteht zwischen der KaUX1JOI~ sv 'l'at~ aGe&v&!al~ (9ba) und dem ~ltloK1Jvoiiv der MvUlJ.~ loii Xplotoii (9b~) nicht - wie aus 9a zu envarten - eine kausale (,a, weil W), sondern eine finale Verknüpfung (,n, damit W). Paulus kann angesichts der ,ontologischen' Aussagen in 9a und lOb hier aber unmöglich meinen, das Rühmen sei die "Vorbedingung"'" für das Wohnungnehmen der Kraft Christi. Die Schwierigkeit könnte dadurch gelöst werden, daß man den rvaSatz iro Sinne eines Aktualisierungsvorgangs verstünde: ... . . die Einwohnung muß immer aufs neue erfolgen oder sich verstärken, und dazu dient das Bekenntnis der eignen Hinfälligkeit. Eine andere Möglichkeit ist der bei dem Verbum 81tIGK1JVroon ansetzende Vorschlag Güttgemanns': .Das mit diesem seltenen Wort gemeinte Motiv hat seinen Ursprung in der jüdischen Offenbarungssp!ache und meint dort die Epiphanie der göttlichen Herrlichkeit (die S·kInä). "'" Dementsprechend ginge es bei der 81t1GK~vroOl~ von 9b - vielleicht auch hier ..als eine Hypostase vorgestellt, ... der Sophia, dem Logos, der
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So Windisch, 2 Kor 391:"... die von Gott ausgehende Kraft, die den Begnadigten in seinem Berufe leitet. stützt und das Werk, zu dem er berufen ist, mit ihm und fiir ihn
leistet." 114 Gegen Windiseh, 2 KOT 392; vgl. Zmijewslr.i. Stil 892. m Windisch, 2 Kor 393, Vgl. ähnlich Bultmann. 2 Kor 230; Wolff, 2 KOT 249. m Güttgemanns, Apostel 169; vglo Ebner, Lddenslisten 185f. Zur Lautgleichheit bn..... -ähnlichkeit von l':1et (+ Derl\'.) mit O'K'1v6co (+ Dcriv.), die eine entsprechende: Übersetzung begünstigte, vgL W. Michaelis. Art. O"K~Vl] K1A..: ThWNf VII (964) 569-396. "Ein e[)'rn Zshg besteht zwischen der hbr Wurzel u dem griech Stamm selbstverständlich nicht." (e:bd. 390; gegen Windisch, 2 Kor 392)
2 Kor 11,21b-12,IO
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Schekhina und der 86~a vergleichbar"'" - nicht erst um den Einwohnungsvorgang selbst, sondern um dessen ,Epiphanie', das Offinbarwerden. dieses Vorgangs durch den Ruhm der Schwachheiten..... Das, was der Apostel in seiner paradoxen 1CauX1J
v. 10 Während in inhaltlicher und stilistischer Hinsicht den Argumenten Zmijewskis zugestimmt werden kann, daß die drei Schlußsätze der 8)
m Windiseh, ebd. m Probleme berdtet bei dieser Lösung das Sx' 4t~ als Akkwativ der Richtung. (19 Güttgemanns, Apostel 269f. Ebner, Leidenslisten 179-183 zieht als Vergleichstext Senecas 41. Epistel heran, wo gleichfalls das Motiv des Eimvolmens göttlicher Kraft mit einer positiven Haltung angesichts von Peristasen verknüpft ist. Ebner sieht eine strult.tw-elle Analogie l.wischen der im(J1C~vCJ)(J'\~ der BUvof.1\1; Christi bei Paulus und dem stoischen ModeU der vis divina als immanenter Kraft im Menschen, die seinen animw an der ,Telosfomlel' ser;undum naturom vivtTe, dem Grundsau der stoischen Philosophie, awgericluet sein läßt. Die christliche ,Telosformel' ~ MvatuC; iv 0.006VBl, 't6~t1al beziehe sich allerdings auf die konkrete, geschichtliche Person des GeJc.reuzigten (vgl. 192.194f.l. no WollT, 2 Kor 249. Ebner, Leidenslisten 187-192 spricht von zwei verschiedenen Konl.eptionen von SUvajll.; innerhalb der Narrenrede: einmal im Sinne von ,Wunderkraft', wie sie die Gegner, die Korinther Wld indirek.t in V. 8 auch Paulw selbst vor Augen gehabt hätten (vgl. 12,12h auf der anderen Seite die paradoxe 5dvaf.uc; des gekreuzigten und doch lebendigen, machtvollen Christus (vgl 13,gf.). Die Abkehr des Paulus von der ersten zur zweiten Konzeption sicht Ebner rhetorisch in der Par· allele der Verse 8b (Y"a cinootft eilt· t~oijl wld 9b (Yva tmO"'1voion In' I~'l dokumentiert. Auch die singuläre Verbindung 6UvCIf.lv; 'tou Xplo'toii sei im Rahmen des ,Agon' mit den Gegnem ,'on jenem Gegenüber zweier konkurrierender Konzeptionen her 7.U erklären.
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
Narrenrede 9b, 10a W1d lOb eng zusammengehören"', lassen sich von ihrem Stellenwert her 10a und lob gegenüber 9b abgrenzen. Nachdem die zentrale Aussage dort bereits formuliert ist, kommt den beiden Hälften von Vers 10 die Funktion einer weiteren Veranscha.ulichung dieser Aussage (a) sowie eines wirkW1gsvollen AbschluS1eJ der Narrenrede (b) zu.'" 12,1Oa enthält nach 1I,23b-29 einen zweiten, W1gleich kleineren Peristasenkatalog'" innerhalb der Narrenrede, der den GfW1dsatz von Vers 9 in die Tat umsetzt. Ein letztes Mal konkretisiert Paulus, was er W1ter dem ,Rühroell seiner Schwachheiten' (9b) versteht, und macht mit diesem Nachtrag oder besser dieser ZusammenfassW1g endgültig deutlich, daß die ganzen vorherigen Passagen 11,23-33 W1d 12,5-9a nichts anderes waren als AusformW1gen des in 9b genannten Prinzips. Liefen diese darauf zu, so zieht 10a daraus die Konsequenz (ot6); 9b ist also umrahmt von Konkretionen seiner eigenen Aussage. 42-1 Das Paradox des Kauxäa9at EV aa9Eve!at<; von 9b wird in 10a illustriert durch eine positive Wertung verschiedener Leidenssituationen. Paulus ,willigt ein' (EMoKro) ,in Schwachheiten"': in MißhandlW1gen, Vgl. Stil 3S5.3S8( Gegenüber der Konstatierung eines einfachen ParaUelismus lwisehen 9b und 10 (9ba : 9bP = IOa: lOb) bei Windisch, 2 Kor 393 ist Zmijewskis
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Herausarbcitung einer dreiJnckn ParaUelität der VOr7.ug 1.U geben: 9ba (tv acrOßvß(.I<;) 9bß (~ Mv""l, taG Xplcr,aii) ". lOaa (tv acreSVS!al,) lOap (u.rep XplcrtOii) '" lob. (ilcre.vtli) lObß (Buvanl, .(111) Die jeweils ersten Hälften (a) sind durch den Gedanken der a0'geV&la., die jeweils . zy.,·eiten Hälften (P) durch die Stichworte S,iVDI-1\~/S\lvato~ und XPIO"t"6t; untereinander verbunden (vgl. auch Schider Ferrari, Sprache 262-264; Ebner, Leidenslisten 17~).
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2 Kor 12,10a berührt sich in dieser Funktion mit II,.32f. am Ende des ersten Teils der Rede (siehe oben S. 201). Anders aJs dort ist hier freilich eine stärkere Rückbindung an den Kontext 7.U verzeichnen (vgl. die vorige Anm.), Siehe oben S, 180. Am nächsten steht ihm 2 Kor 6,4f. (vg1. Ebner. Leidenslislen ~911.
424
425
Das llt6 ist nicht "eine weitere Konsequenz aus dem ChrisruswoTt V. 9a" (Wolff, 2 Kor 249) neben 9b, sondern Folgenmg aUJ 9b. Daher kann [Ur 10a ("Paulus ganz persönlich") auch kein anderer BeI'eich ab für 9h ("sein Verhalten aJlderen gegenüber") geltend gemacht werden (gegen Wolff. ehd.). Dun:b das Fonnulieren des persönli-
chen Bekenntnisses V. 10 innerhalb der Rede wird dieses ja gerade zum kommunikativen Vollzug des 1CDuxäa8al. ~v äo8&vdau; ist angesichts des Kontextes als Oberbegriff für die folgend.e Aufzählung zu verstehen: vgl. Windisch, 2 Kor 893; Bultmann, 2 Kor 230; Zmijewsk..i, Stil 387.393~ Wolff, 2 Kor 250. Ebner, Leidenslisten 192f. nennt es einen be.'ionderen "schachzug des Paulus, daß er das Stichwort ao-geVElQ in 2 Kor 12,IOa 2um Leitbe-
griff für die Peristasen insgesamt macht; denn auf dem Hintergrund der Erzählung vom ,Stachel im Flei:'ich' wird äagev&lu delltlich mit seiner Krankheit b1.w. dem Versagen seiner Wunderkraft am eigenen Körper assoliiert"; so aber wird "die aae&\'F,lU seines Körpers mit seinem unermüdlichen und mutigen missionari:'ichen Eifer in Verbindung gebl11cht."
2 Kor 11,21b-12,IO
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in Nöte, in Verfolgungen und Ängste'. SUllOKSiv druckt die mit dem äußerlichen Rühmen einhergehende innere Zustimmung aus, die mehr ist als ein bloßes ,Sichabfmden'; allerdings sollte man angesichts von V. 8 auch kein all7.U affektvoll·freudiges ,Wohlgefallen' hineinlesen"': .In this context the verb (eudokein) must mean something less than ,take delight in' ... , but something more than ,be content with'."427
Hätte sich Paulus auf die oben zitierte Verbindung von SU60KSiv mit a0'9r.vs{1l1 und deren vier Ausprägungen beschränkt, wäre I Da nur eine weitere Wiederholung des fruheren Paradox (I1,23b-29 mit 11,30). Entscheidend ist aber die HinzufUgung imep XP10'tOÜ, die aus dem Satz eine Variante der in 9b gelieferten Erklärung des Paradox macht.'" Vom Zusammenbang mit 9b her sind die beiden Schlußworte imsp XP10'tOÜ nicht als nähere Charakterisierung der Peristasen im Sinne von ,Christusleiden' zu deuten, sondern auf SU8oKro zu beziehen''': ..die Analogie von V. 9b und lOb verlangt eine Beziehung auf die Wirkung, nicht auf den Zweck der Leiden; die Wendung erklärt also das paradoxe eUlloKiil ,ich bin froh ... um Christi willen· ... '" Die beiden nachgestellten Worte weiseu schlaglichtartig auf die christologischen Ausführungen von Vers 9 zurück. Nachdem Paulus das Paradox der Narrenrede dort in grundsät7.licher Form von Christus her plausibel gemacht hat, kann er es nun auf eine ganz praktische Ebene übertragen und in seine Lebenswirklichkeit integrieren. Allein XPIO'tOÜ ist der Grund, warum sich das flehentliche Bitten das um Abhilfe (V. 8) zu einem paradoxen, nur scheinbar zynischen eUlloKEtv der vielfaltigen Leidenssituationen des Alltags wandeln kann: Paulus bejaht seine Schwachheiten, weil er sie als Gleichförmigkeit mit dem gekreuzigten - und auferweckten - Christus verstehen gelernt hat. U1
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Vgl. Buhmann, 2 Kor 230; Wolff, 2 Kor 249f. Fumish,lICor 531. Ebner, Leidens1ist~n 178f. weist auf die Nähe 1U den stoischen Antithesen (1. B. Seneca. Oe const. sap, 6,3) hin. m Zwar ist Schiefer Ferrari. Sprache 267 zuzustimmen, daß anders als in V.9 "der scharfe Gegensatz schwach - stark in V. 10a .. . durch den Verzicht einer expliziten Erwälmung der lhlvaJ.u~" in gewissem Maße verdeckt wird; dies bedeutel aber nicht, daß die Leser - d. h. doch die pneumatisch orientierten Korinther - die ..Peristasen und Christus ... wohl nicht ab Gegensä.tze" empfunden hätten (ebd. 267f.l. 429 Vgl. Windisch, 2 Kor S9ßj Bulunann, 2 Kor 280; Zmijewski, Stü g89.ß91; Fumish, 11 Cor 5131. Unldar V-IoLff. 2 Kor 250. 4!O Windisch. ebd. - Der Ausdruck ,um Christi willen' kann sowohl fmal als auch kausal allfgefaßt werden. Für ersteres spräche die Para11elität zum lva-Satl 9b~j allerdings hieße ,für Christus' dann natürlich nicht ,Christus zugute', sondern eher soviel wie ,durch Christus mir zugute'. Daher ist sachlich die kausale Bedeutung vorzuziehen: ,wegen Christus', d. h. aufgrund seiner in Schwachheit wirksamen Krart (9a), U1 Dazu fragt Dultmann: "Gilt das nur vom Apostel oder von jedem Glaubenden? Ist die xapl~ V. 8 nur die dem Apostel geschenkte Amtsgnade? Schwerlich! ... Wie 4.7ff. U6
U1
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Kapitd 3: Kraft in der Schwachheit
Den allerletzten Satz der Narrenrede bildet eine kurze Gnome'" (lOb), die gewissermaßen dem Idealtyp einer paulinischen Paradoxie entspricht'" und so der Rede einen wirkungsvollen Schlußpunkt setzt"': ,denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark'. Das begründende yap bindet den Gedankengang der Verse 9 und 10 abschließend zusammen. Indem sachlich in prägnanter Fonn die Aussage des Herrenwortes 9a wiederaufgegriffen wird, liefert der Satz noch einmal die ,ontologische' Basis für das henneneutische Prinzip 9b und dessen konkrete Umsetzung lOa: Weil - aufgrund von 9a - lOb gilt, macht Paulus 9b zu seinem Handlungsprinzip, das sich im Verhalten von lOa niederschlägt. Der scheinbar allgemeingültige Charakter des Spruches, der durch die Gattung Gnome verursacht ist, darf nicht dazu verleiten, den vom Kontext her zwingenden Bezug zur Christologie zu übersehen. Zwar gibt es nicht nur für die Fonn der paradoxen Sentenz"', sondern auch für die Antithese von Schwachheit und Kraft außerchristliche Paralle· len"', jedoch will das ,Stark-Sein im Schwach-Sein' hier keine philoso· phische oder psychologische Weisheit zum Ausdruck bringen, sondern es geht um die sv a(Jaevs!~ (9a) geoffenbarte'" Iluvalll~ ~o(j Xpt(J~o(j (9bl. vom Apostel beginnt und mit 4,16f[ in die Charakteristik der Glaubenden übergeht ("gI. 5,1-11), so auch hier." (2 Kor 2S0) m Siehe oben S. 180f. m Die mit der genauen Korrelation ötBV - 't6't6 gegebene Simultaneität der bdden kontradiktorischen Gegensätze erzeugt ein Paradox im fonnal-Iogischen Sinne. Schiefer Ferrari, Sprache 268f. weist angc!iichts dessen auf die Grenzen einer logisch-stringenten Interpretation hin: ,.. ' . .rur den Verstand, d. h .. fUr die Sichtweise lCaTIl crapKa, liegt wieder eine unauflösliche Paradoxie vor" (268). "Die Aussage ... läßt sich zwar .. . bis zu einem gewissen Grad deuten, aber nicht in ihrer ganzen Dichte und Intensität mittels einer nicht paradoxen Sprechweise wiedergeben." (269) ut ,.Die ,Gnome' stellt auch in rhetorischer Hinsicht den Höhepunkt der gesamten Satzreihe dar." (Zmijewski, Stil 889) Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte SOO spricht von einer ,.paradoxen Abbreviau.tr". Windisch, 2 Kor 398 Anm . .3 will sogar Versfonn in dem Spruch erkennen. m Siehe oben S. 4lf. "!6 Hingewiesen wurde bereits auf Philo. vita Mos. ] 69. Im Bild vom brennenden und doch unversehrt bleibenden Dornbusch sieht Philo eine Anspielung auf die damalige Lage des Volkes, dem gesagt werden sollte: ,Lasset den Mut nicht sinken; die Schwlieilt ist eure KTafl.· Allerdings wird bei philo ,.keine Begründung dafür gegeben und der innere Zwammenhang zwischen cioe4v&lCl und SUvcq.LtA; nicht aufgezeigt" (Bultmann, 2 Kor 28I). Auf der anderen Seite finden sicb Parallelen in der Stoa (I. B. Epiktet, Diss. 16,87-48), jedoch mit bemerkenswerten Unterschieden: Ist rur Paulus d:09tvsla die Gnmdbefmdlichkeit des Menschen, liUVaf.11~ das Geschenk der göttlich~n Gnade, so g~hört für die Stoiker letztere zur natürlichen Ausstattung des Menschen, den die aaSeVBta in seinem eigentlichen Sein daher gar nicht treffen kann (vg1. ausführlich Bultmann, 2 Kor 231f.). Weitere Parallelen bei Windisch, 2 KOT 394. m Das Herrenwort 9a verleiht indirekt auch lOb den Rang einer Offenbarungswahrheit. Tnwieweit die paradoxe 8uvcijuC; dabd tatsächlich ,erlebt', ,erfahren' oder sofa flde
2 Kor 1J,21b-12,lO
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Diese Einbettung in die Christologie verhindert auch eine Gefahr, auf die die beiden skandinavischen Exegeten J. Jervell'" und H. K. Nielsen'" aufmerksam machen, nämlich die einer absurden Itkntifiha/ion von MV!ljw; und acr9svEla. Wenn die Schwachheit dem Apostel, die Kraft dagegen Christus zugehörig ist, wird deutlich, .daß die acr9&VEla sozusagen eine Leere ausmacht, die die MV
2. Zusammerif(}.jsung Aufgabe der vorliegenden Auslegung war es zu prüfen, inwiefern der sogenannten ,Narrenrede' des Paulus in 2 Kor 11,2Ib-12,10 ein paradoxer Charakter zugesprochen werden kann. An welchen Stellen schlägt sich dieser im einzelnen nieder? Wie ist er theologisch zu bewerten?
Läßt sich die Ausgangsvermutung bestätigen, wonach die Narrenrede 2 Kor II f. ein Paradigma für das paulinische bzw. neutestamentliche Theologumenon einer ,Umwertung der Werte' darstellt? Im Unterschied zum Kontext trägt der Abschnitt 2 Kor 11,21 b 12,10 nicht den Charakter direkter Korrespondenz zwischen Apostel ,erkannt' wird, ist nicht gesagt. Nimmt man die zahlreichen futur1sch-eschatologisehen Aussagen bei Pa.ulus ernst, so liegt eher letzteres - im Sinne hoffender Gewiß-
heit - nahe. Die 8UVQ(.11~ BV 6.O'e6vd~ ist eine Glo.ubmswahrheit. m Charismatiker 195-198.
Verwendung 156-158. Ebd. 157. HI JerveU, Charismatiker 197 Anm. 63 (gegen Güttgemanns, Apostel 168f.). U2 Vgl. Nielsen, Venvendung 157. m Gegen Nielsen, ehd.; Wolff, 2 Kor 250 Anm. 380. m Gegen Windisch, 2 Kor 393. Vgl. auch HeckeI, Kraft 822 (u. ö.). der 12.1 Ob nicht als Konditionalsatz. sondern als IIt'Tativ (,immtT wenn ... ') interpretiert. U9
HO
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Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
und Gemeinde. Gegenstand der Narrenrede ist Paulus selbst, der in der Weise eines konfessorischen Selbstruhms über seine Herkunft, die mit seinem Wirken verbundenen Widrigkeiten, private ,Erscheinungen und Offenbarungen' sowie ein mysteriöses Leiden spricht. Der erste Teil der Rede berührt eher das Apostelsein, der '.weite stärker den persönlichen Bereich des Paulus. Beide Teile zeigen eine in etwa parallele Struktur. Formgeschichtlich dürfte die Narrenrede am ehesten mit der rhetoIischen Gattung der ,Apologie' verwandt sein. Die Inkongruenz von Form und Inhalt, sprich die Durchführung einer Verteidigungsrede mit ,törichten' Argumenten, nötigt allerdings zu der Spe7.if>kation ,paradoxe' (nicht aber parodistische) Apologie. Die Gattung Apologie verbindet 11 ,21 b-12, I 0 mit dem dialogisch-kommunikativen Charakter des Kontextes; das paradoxe Element verleiht der Stelle ihre eigene Note, der über die korinthische Situation hinaus theologisches Gewicht zukommt. Im Verlauf der Narrenrede lassen sich drei verschiedene Paradoxien ausmachen, d. h. in dreifacher Form verstößt Paulus gegen Envartungen seiner Adressaten. Er beginnt damit, daß er entgegen landläufiger Gewohnheit die Präsentation der eigenen Vorzüge, mit der sich normalerweise ein Missionar legitimiert, als nicht dem Herrn gemäße Vermessenheit bzw. Narrheit hinstellt. Nahezu gleichzeitig aber spottet er dieser eigenen Äußerung, indem er das von ihm verworfene Eigenlob selber praktiziert und anfangt, sich - als Narr, wie er zugibt - zu rühmen. Entscheidend ist das dtitte Paradox: Recht bald verläßt Paulus die Ebene des echten Selbstruhms, mit dem er ja doch den Korinthern entsprochen hätte, und wechselt den Gegenstand seines Eigenlobs. Nicht mehr seiner Von.üge und Leistungen will er sich rühmen, wie es dem normalen - nach Paulus: dem irdischen, der crlip~ verhafteten - Denken entspricht, sondern umgekehrt: seiner Schwachheiten und Leiden. Obwohl er zwischendurch noch einmal zum ,sarkischen' Selbstlob zurückkehrt, bleibt diese Paradoxie bis zum Ende der Rede das bestimmende Thema. Paulus verhält sich nicht nur töricht, sondern - wie er selbst sagt - geradezu ,wahnsinnig', denn er macht das, was anderen peinlich ist, zum programmatischen Inhalt seines Ruhmes. Gegen Ende der Narrenrede nennt er dafür den Grund: Paulus rühmt sich seiner Schwachheiten, weil in Schwachheit die Kraft Christi zur Vollendung kommt. Das Paradox verweist also auf die Christologie, genauer gesagt die Kreuzestheologie. Das paradoxe Verhalten des Apostels gründet auf dem Verständnis seiner Existenz als einer dialektischen Gleichförmigkeit mit Tod und Auferstehung Jesu (vgl. 2 Kor 4,IOf.; 13,4). Letztlich entfaltet sich die Narrenrede so zu einer anthro-
PhiI3.7-11
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pologisch gewendeten theologia cruds: Im Schicksal des Apostels wird aktuell und konkret die Paradoxie des Christus geschehens offenbar. Inwiefern handelt es sich beim Ruhm der Schwachheit um eine Umwertung der Werte? Vordergründig betrachtet ist diese Charakterisierung zweifellos berechtigt. Auf den ersten Blick - und Paradoxien haben es mit der Ml;a, dem ,Augenschein' zu tun - liegt in der Tat eine Umkehrung des Üblichen vor. Sich seiner Schwächen zu rülunen steht im Gegensatz zum gewöhnlichen Vorverständnis, das mit einem Ruhm der Stä.rke bzw. dem Sich-Schämen von Schwachheit rechnet. Bei näherem Hinsehen muß man freilich differenzieren. Es ist keineswegs so, daß Paulus seine Peristasen und Schwachheiten an sich positiv beurteilt, also im eigentlichen Sinne ,umwertet'. Vielmehr kann er seine negativen Wirklichkeitserfahrungen deshalb annehmen und sogar preisen, weil in ihnen die transzendente Kraft b,.w. Gnade Christi aufscheint, von dem her nicht empitisch, wohl aber im Glauben und in der Hoffuung alle Schwachheit schon überwunden ist. Hinter dem Ruhm der Schwachheit steht also keine eindimensionale, Umwertung', sondern eitle paradoxe Trallszendierung der irdischen Wertmaßstäbe.
C. Alles Verlust um Christi willen (Phil 3,7 -11) J. ÜBERSETZUNG
V. V. 8
V. 9
V. 10 V. 11
Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen als Verlust angesehen. Ja noch mehr, ich sehe alles als Verlust an um des überragenden Wertes der Erkenntnis Christi Jesu willen, meines Herrn, um dessentwillen mir das alles ein Verlust geworden ist, und ich sehe es als Dreck an, damit ich Christus gewinne und erfunden werde in ihm, nicht habend meine eigene Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern die durch Glauben an Christus, die Gerechtigkeit von Gott aufgrund des Glaubens, um ihn zu erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, gleichgestaltet seinem Tode, ob ich wohl zur Auferstehung von den Toten gelange. II. ANALYSE 1. Kontext
a) Der weitere Kontext: Phi! 3,2-4,3.8f. Die fünf Verse phil 3,7-11 können als zusammenhängende syntaktische Periode vom Kontext abgegrenzt werden. Sie stehen im Zentrum
228
Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
des dritten Kapitels des Philipperbriefs, das den makrotextuellen Rahmen für sie bildet. Trotz alter"'s und neuererU6 Vertreter einer Einheitlichkeit des Philipperbriefs wird aufgrund des literarkritischen Befunde. (Bruch zwischen 3,1 und 2; zwei parallele Schlußmahnungen 4,4-1.8-9) hier davon ausgegangen, daß in phil mindestens zwei'-", wahrscheinlich sogar dreiU8 urspriinglich selbständige Schreiben enthalten sind, die sich folgendermaßen rekonstruieren lassen:
Dankbrief (A) Gefangenschaftsbrief (B) Kamplbrief (C)
- 4,10-20 (.21-23''') - 1,1-3,1; 4,4-7 (.21-23"') = 3,2-4,3.8f.
Sie spiegeln folgenden Ablauf der Ereignisse wideru,: Mit einem kurzen Schreiben (Brief A) bedankt sich Paulus für die durch Epaphras überbrachte Spende der Philipper (4,18). Als Epaphras später krank wird und die Philipper sich seinetwegen beunrulugen (2,25-80), schreibt Paulus, auch aus Besorgnis über verschiedene Probleme in der Gemeinde (1,15.17.27-80), einen zweiten Brief (B), mit dem er die Philipper ermahnen will, freilich noch im Ton äußerster Herzlichkeitt s2• Dieses Schreiben ist stark ,'on seiner persönlichen Situation der Gefangenschaft geprägt {l,12-26}.4.51 Wiederum später, nachdem Paulus nähere Infonnationen Vgl. Lohmeyer, Phil 8.122. VgL Ernst, Phil 29-31; Egger, Phil 4-9; B. Mengel, Studien zum Philipperbrief. UntersuehlUlgen 7.um situativen Kontext unter besonderer Berücksichtigung der Frage nach der Ganzheitlichkeit oder Einheitlichkeit eines paulinisehen Briefes (WUNT 2. Reihe 8), Tübingen 1982, 314-316 (widersprüchlich); J. Schoon:Janßen, Umstritrene ..Apologien" in Paulus·BriefelL Studien rur rhetorischen Situation des 1. Thessalonicberbriefes. des Galaterbriefes und des Philipperbriefes (Göuinger theologische Arbeiten (5), Göttingen 1991, 119-136; Berger, Thcologiegeschicbte 441.467. W So Friedrich, Phil 126-128; etwas differe07.ierter GnUka, Phil 7-11. 441 So 7.uerst W. Schmithals, Die Irrlehrer des Philipperbriefes: ZThK 54 (1957) 299-309. ,.. So SclunithaJs, Irrlehrer 307 Anm. 2; Schenk, Phi! 335( 450 So G. Domkamm, Der Philipperbrief als paulinische Briefsammlung, in: Neotestamentica et Patristica (Freundesgabe O. Cullmannj NT.S 6), Leiden 1962, 192-202, 194; W. Marxsen. Einleitung in das NT, Gfitcf'Slob 1963. 59; Barth, phill0f. u. a., die die Schlußgrillle 4,21-28 aufgrund der Nähe von 1,13 (xpambplOv) und 4,22 (,~, KQ{aa~ ollda.) zu Brief B ziehen wollen. UI Nach SchmithaJs, Irrlehrer 308f. 45! Nirgendwo sonst verwendet Paulus so gehä.uft die Vokabeln (auy)XU{pS1V (10mal) und xava HmaJ); vgl Schenk, Phi! 332. U! Auch Phil 1,12-26 enthält Awsagen, die eine bestimmte ,Umwertung der Werte' erk.ennen lassen und daher für diese Arbeit in Frage kämen, so V. 21: ,DeIU'l für mich ist Leben Christus und Sterben ein Gewinn.' ÄhnlIch V.23: , ... das Verlangen habend. aufzubrechen und mit Christus zu sein, denn um wieviel mehr besser wäre dasl' Allerdings gibt der Gedanke des TO anoBav6lv KtpSo~ neine im griecruschen Raum verbreitete Sentenz wieder" (Gnilka, Phil 71; vgl J. Dupont, I:YN XP1I:TQI. L'lUlion avcc; le Cluist suivant saint Paul, BrugesJLouvain/Paris 1952, 173-181; P. Hoffmann. Die Toten in Christmi. Eine religionsgeschichtliche und exegetische UnIn
H6
229
phi! 5,7-11
über die philippische Situation erhalten hat, sieht er sich gezwungen, in
einem ungleich kämpferischeren Schreiben (8,2f.15f.1Bf.) die Gemeinde von einer durch gegnerische Missionare drohenden Gefahr abzubringen
(Briefe). Der ,Kampf-'''' oder ,Wambrief'" phi! 3,2-4,3.8f. als der weitere Kontext von 3,7-11 ist uns ohne Präskript, d. h. nur als· Fragment überliefert. Dennoch kann eine Gliederung wesentlich zu seinem Verständnis beitragen, die freilich weder rein inhaltlich'" noch allzu einseitig formal-linguistisch orientiert sein sollte"'. Beide Ebenen sind unter komrmmikativ-pragmatischem Aspekt miteinander zu verbinden .... I. (verloren) H. 3,2-21 I. 2
Präskript; Proömium [?l Korpus Imperativ (Überschrlft):
2. 3-16
Indikativ / I. Person:
a} 3
I. Person Plural:
b} 4-14
I. Person Singular: Vergangenheit: Gegenwart: Zukunft:
n) 4-6
ß) 7-11 y} 12-14
cl 15-16
I. (2.) Person plural
Philipper -+ Gegner (Wamung)
Paulw und die Philipper (auf der einen Seite) Paulus und die Philipper Paulus als Paradigma die sarkischen Von:üge Gewinn ab Verlust Ausstrecken nach dem Siegespreis
Paulus und die Philipper
ttrsuchung zur paulinischcn Eschatologie (NTA N. F. 21. Münster 1966, 296-301;
D. W. Palmer, .To Die Js Gain" IPhilippians i 21): NT 17 (1975) 208-218). Es handelt sich also nicht um ein originär paulinisches Paradox. Zudem stehen Phil 1,21.28 nicht in cmem kreul.cstheologischen, sondern dmch ,md durch tscluztotogiJchen Zusammenhang. bedingt durch die biographische Lage des Paulus: Während der Ap0!ltel sonst vom Kreuz Christi her das irdische Leben Wld seine Maßstäbe als Verlust ansieht (vgl. 3,7f.), wertet er hier - positiv - da.!\ Sterben als Gewinn, weil er dadurch aUv XpHJ14J sein wn. - Au!! diesen Gründen soll auf eine eigene Behandlung von phil 1,21 ff. verzichtet werden (vgl. dazu ausführlich Hoffmann, Die Toten 286-820). m Vgl. Gnilka, Phü 10.184. m Vgl. Schenk, Phil 9.250. 456 So Gnilka, Phil 184. m So die detaillierte Analyse von Schenk, Phil 252-274. UA Die folgende Gliederung orientiert sich in syntaktischer Hinsicht an den Personen, Numeri und Modi der Verbformen; auf der Ebene der Pragma.tik bilden die hinter dem Text erkeIUlbarcn Personen/Personengruppen ,Philippe(", ,Paulu~' • •Gegner' und Jesus Christus' den Leitfaden der Gliederung.
230
Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
3. 17
Imperativ (Anwendung) :
Philipper _ Paulus (Mahnung)
4. 18-19
Indikativ / 3. Person Plural: H)'mnischer Abschluß/ I. Person Plural + 3. Person Singular:
die Gegner (auf der anderen Seite) Paulus, di~ Phi/ipper Itlldjesus Christus
5. 20-21
III. 4,1-3.8f.
Briefschluß
Dem Korpus des Briefes (3,2-21) dürfte ursprünglich ein Präskript (und Proömium?) vor- sowie der paränetische Briefschluß 4,1-3.8f. nachgestellt gewesen sein.'" Der Abschnitt 3,2-21 enthält vier Teile, in denen sich die Modi Imperativ (2.17) und Indikativ (3-16.18f.) abwechseln, sowie einen h)'mnusartigen'" Abschluß (20f.)m. Kontrastierend zu dem syntaktischen Wechsel von Imperativ und Indikativ besteht semantisch ein chiasmus zwischen den Teilen I und 4 (Gegner: Wamung/Beschreibung) bzw. 2 und 3 (Paulus und die Phllipper: Argumentation/Mahnung). Geschickt bringt Paulus das zum sprachlichen Ausdruck, was er tatsächlich in Philippi erst erreichen will: die innere Bindung zwischen der Gemeinde und sich zu festigen (vgl. V. 3 i]llet~; V. 17 O\llllltllll~a( 1l0\l y(veoge) gegen die äußere Bedrohung durch die KUVat (v. 2) bzw. 8X9pol ~oii o~a\lpoii ~oii Xpto~oii (V. 18). Den rhetorischen Höhepunkt bildet der Abschluß, wo Paulus nach dem Gegensatz von I. Person (v. 3-16) und 3. Person Plural (V. 18f.) das ,Wir' von Apostel und Philippem (Tlllöiv yap '" V.20) mit der Autorität des OOlnlP und KuptO~ 'Ill00Ü~ Xpto~6~ (3. Person Singular: 5<; ... V. 21) zusammenbindet.'·' Damit ist die Verteilung der Fronten endgültig klar: hier die Gemeinde und ihr Apostel in der sicheren Envartung (Futur IlE~aOXlllla~(oet V. 21) des rettenden Herrn - dort die der altolMlta (V. 19) geweihten Gegner.
H9
t60
Gegen Schenk, Phil 274, der 4,lff. als Pendant zu 3,2 betrachtet. Dies ist nicht nur
wegen der Ungleichgewichtigkeir beider Teile problematisch. sondern wird auch den dann in der Luft hä.ngenden Versen 17-21 nicht gerecht. 10 der Nachfolge von Lohmeyer. Phil 150[,157 ("feierlicher Lobgesang", ..Hymnus") wollen N. M. Flan.gan, A Note on Philippians 3,20-21: CBQ.18 (1956) 8; G. Strek-
t61
ker, Redaktion und Tradition im Christushymnus PhiI2,6-11: ZNW 55 (t964) 63-78, 15f.j Güttgemanns, Apostel 240f.; J. Decker, Erwägungen zu Phil 8,20-21: ThZ 27 (1911) 16-29, 28f. in S,20( ein yorpaulinisches Lied erkennen. Dagegen vorsichtige.. Gnilk., Phi! 209f.; ablehnend Scbenk, Phi! 823. phil3,20f. hat (im kleineren Rahmen) eine analoge StellWlg wie Röm I 1,g3-36: am
t67
Ende des systematischen Briefteils und vor Beginn der eigentlichen Paränese. Vgl. auch das Wiederaufgreifen des Stichworts oU!J.)l0PCPOY (V. 21), das Ober Paulus (J\))l)lopr.p\~6!l&vet;
V. 10) hinaus jetzt auf die Gemeinde ausgeweitet wird.
PhU 3,7-11
231
Wer sind die von Paulus in Philippi bekämpften Irrlehrer? Noch weniger als bei den Gegnern im 2. Korintherbrief läßt sich hinsichtlich dieser Frage in der Forschung eine ccmmuni.J oplnio ausmachen. Eine gründliche Behand~ lung des Problem, würde seine Relevanz rur die Auslegung von 3,7-11 übersteigen. Daher nur eine schlaglichtartige Übersicht über die IdentiflZienmgsversuche4ti': 1. Gnostiker (W, Schmitha1s, H. Köster) mit VoUkommenheitsenthusias-
mu., (,Tealized eschatology') und Iibertinistischer Ethik; Berufung vor allem auf 3,12-16.18[ 2. judaisti,che Christen, die Gesetz und Beschneidung forderten; Belege hauptsächlich aus 3,2-11 U. Becker, G. Klein; jetzt auch Berger, Theologiegeschlchte 467f.) 3. eine Kombination von beidem (G. Bomkamm, Ph. Viel hauer) 4. judenchristliehe Missionare mit eeio~-a.v~p-Christologie wie in 2 Kor U. GnUka) 5. die ,offizielle Kirche' von Jerusalern (H.·M. Schenke I K. M. Fischer, G. Lüdemann) 6. ,Pseudonomisten' (A. suhI) unt", Berufung auf PhU 1-2 7. nichtchristliche jüdische Agitatoren (E. Lohnleyer, R. Tannebill, W. Schenk) 8. mehrere gegnerische Gruppen (G. Baumbach, H. D. Betz, R. Jewett, J. B. Polhili) Das juda;,ierende Element der philippjschen Gegner kann nicht bestritten werden (3,2); es muß den Ausschlag fiir ihre Identifizierung geben. wie auch immer sie im eimelnen ausfallen mag. Unsicherer bleibt das Po:itulat eines (gnostischen oder andersartigen) Vollkommenheitsenthusiasmus: V"eniger eine pneumatische Leidensscheu wie in Korinth ist der Hauptvonvurf des Paulus464, sondern anders als dort die Forderung nach Gesetz und BeschneidWlg (8,3-6). der der Apostel seine Erfahnmg der Auferstehungsmacht emgegerutellt, die freilich paradox mit Leiden verbwtden ist (3,9-11 ).'" Zwar dürften die nomistiscben Irrlehrer das Kreuz nicht geleugnet haben466 , wohl aber seine alleinige Heilsrelevanz.
Die Intention des Briefkorpus 3,2-21 wie des ganzen Warnschreibens 3,2-4,3.8f. ist angesichts seiner Struktur als paränelirch zu bestimmen. Paulus sucht mit subtiler Rhetorik die Philipper von den Gegnern weg auf seine Seite zu ziehen. Er tut dies mit einer klugen Kombination m Vgl. zum Folgenden den Beitrag von G. Klein, Antipaulinismus in Philippi. Eine Problemskizze, in: D.-A. Koch I G.SeUin / A. Lindemann (Hgg.),]esu Rede von Gott und ihre Nachgeschkhte im friülen Christentum (FS rur W. Marxsen), Gütersloh 1989, 297-318 (Forschungsüberblick 297-301 mit bibliographischen Angaben). 46' So aber Gnilka, Phi! 215. 465 Klein, Antipaulinismus SOS weist zu Recht auf die Spitzenstelhmg der Auferstehung Jesu im Chiasmu.o;: von 3,IOf. hin. Die Verse -',12ff. sind rur ihn keine Polemik. gegen enthwiastiscbe Gegner (tß.).ElO\ in V. 15 als Ironie wäre im ganzen Kontext singulär), sondern eine prophylaktische Apologie des Paulm hinsichtlich möglicher Vonvürfe der Nomisten gegen seine Theologie (vgl. Antipaulinismus 310f.). ~66 Gegen GnUka, Phil 215.
232
Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
von einerseits Polemik (2f.15f.18f.), andererseits dem argumentativ vorgebrachten Beispiel seiner eigenen Person (4-14.17"7). Das paradigmatische syro (4 [bis].13) des Apostels inmitten des ,Wir'-Kontextes von 3,3-16 nimmt umfangmäßig den breitesten Raum ein und ist formal wie sachlich das zentrale Argument des Kampfbriefes. Die erste Person Singular des Paulus beherrscht die Paränese von Kapitel 3 und verleiht diesem seinen eigenen Charakter.··· b) Der engere Kontext: Phil 3,4-14 Die Gliederung des ,Wambriefes' Phil 3,2-4,3.8f. hat ergeben, daß die durchgehend in der ersten Person verfaßten Verse 3,3-16 als ein zusammenhängender Briefteil zu betrachten sind, innerhalb dessen der im ,apostolischen Singular' gehaltene Abschnitt 4-14 eine zentrale Rolle einnimmt. Dieser Passus bildet den unmittelbaren Kontext der Verse 7-11. Phi! 3,4-14 läßt eine dreigliedrige Struktur erkennen, die an den Zeitstufen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft festgemacht werden kann"': - 4-6 schildern die einstigen Vorzüge des am achten Tag beschnittenen, benjaminitischen Israeliten, Hebräers und Pharisäers Paulus, der eifrig die Kirche verfolgte und untadelig in der Gesetzesobser-
vanz war. - 7-11 beschreiben die fundamentale Umkehrung jener gewinnbringenden Ruhmestitel von damals in paradoxen ,Verlust' und ,Dreck' in der Gegenwart. - 12-14 warnen vor einem falschen Vollendungsbewußtsein angesichts der noch ausstehenden zukünftigen Erfüllung des göttlichen ,Rufes in den Himmel', dem sich Paulus wie der Läufer nach dem Siegespreis entgegenstreckt. Die tragende Bedeutung des Mittelteils ist offensichtlich: Die Verse 7-11 enthalten die zentrale Aussage, der 4-6 als kontrastierende Ne-
461
Es zeigt sich eine ähnliche Stru1c.tur wie in 1 Kor 4:
a) Das Beispid des Apostels (1. Person Singular) I Kor 4,9-15 I phil 3,4-14j bl ErmalulUng der Gemeinde I Kor 4,14f. I Phi! 8.15f.; 1 Kor 4,16 I Phil 8,17. cl Imperativ (au~illI~n,a( ~ou ylv.oO. t61 J. Lambrecht ... Dur Commonwealth is in Heaven"', in: den., Paulme Studics (BETL 115), Leu\'en 1994,809-315 geht über den Rahmen des .Kampfbriefes' hinaus und erkennt im cedalc.tionellen Phi} eine Parallelislerung der Geschicke Christi (2,6-11) in der Vergangenheit und des Paulus (S,IOf.) bzw. aller Christen (S,20f.) in der Zu459
kunft. Die Anfänge 4a.7.12a sind jeweils Überleitungen, die auf das Voraufgegangene Bewg nehmen. 'Vohl deshalb behandelt Gnilka, Phil188-J9J 4-b-7 als zusammengehörigen Abscbnht.
phi! 5,7-11
233
gativfolie vorgeschaltet sind. 12-14 bilden ein 7-11 vor möglichen Fehlinterpretationen schützendes Korrektiv."· Der zu untersuchende Text erweist sich also als eine SchlüsselsteIle des gesamten Schreibens: Das gegenwärtige Beispiel des Apostels - in Diskontinuität zur Vergangenheit und Ausrichtung auf die Zukunft soll die durch judaistische Nomisten bedrohte Gemeinde von Philippi wieder auf den rechten Weg bringen. 2. Struktur
Der eine einzige Periode bildende Abschnitt 3,7-11 kann auf verschiedene Weise gegliedert werden. 41l Die im folgenden vorgeschlagene Dreiteilung orientiert sich vor allem an inhaltlichen Gesichtspunkten. 1. V. 7 Bekenntnis einer Umwertung der Werte 1. 7a Vergangenheit: Gewinn 2. 7b Umwertung um Christi willen zu Verlust H. V. 8a-d Verstärkung und Erläuterung des Bekenntnisses 1. 8a Fortdauer und Totalität der Umwertung 2. 8b Begründung: die überragende Erkenntnis Christi Jesu 3. 8c ausweitende Wiederholung von 7b 4. 8d verschärfende Wiederholung von 8a 1II. V. 8e-11 Dreifache Zielangabe: Christus 1. 8e Christus T.U gewinnen 2. 9a in ihm erfunden zu werden [Parenthese 9b-d ,Rechtfertigungslehre' a) 9b negativ: keine eigene Gerechtigkeit / aus dem Gesetz b) 9c positiv: Gerechtigkeit durch Glauben an Christus c) 9d Explikation: Gerechtigkeit aus Gott / auf Grund des Glaubens (chiastische Antithese zu 9b)] 3. IOa ihn zu erkennen a) lOb die Macht seiner Auferstehung b) IOc die Gemeinschaft seiner Leiden "0 Die These von J. B. PolhilJ, Twin Obstacles
UI
in the Christian Pach. Philippians 8: Thc Review and Expositor 77 (1980) 859-372, Paulus wende sich nach der antilegalistisehen Polemik in 2-4 ab V. J2 gegen eine anderc,libertlnistische Front, ,'ermag nicht zu übeneugen. Vgl. Klein, Antipaul.inismus 210 (zur Eingangswendung ouX ßn): ~Paulus präzisiert . . . das Gesagte im Blick darauf, daß es nicht im Sinne dC!i im Nachfolgenden Verneinten verstanden werden darf." Vgl. 1.. B. Lohmcyer, Phil 131; Barth, Phil 59; Schenk, Phil 250f.
234
Kapitel 8: Kraft in deI' Schwachheit
c) IOd gleichgestaltet seinem Tod d) 11 Hoffnung auf Auferstehung von den Toten phi! 3,7-11 thematisiert das Bekenntnis einer Aufgabe der früheren Werte des Paulus. Dieser Gedanke wird zunächst vorgestellt (V. 7), sodann - z. T. wiederholend - vertieft und begründet (V. 8a-d) und schließlich auf dreifache Weise in seiner Finalität entfaltet (8e-I1). Dem die Syntax tragenden Anfang V. 7f. m steht semantisch das ,Achtergewicht' der Verse 9 wld IOf. gegenüber. Analog zum Kontext der Verse 4-14'" kann aber auch eine an den Zeitstufen orientierte Struktur aufgezeigt werden, wie das folgende Schaubild verdeutlichen mag: Vergangenheil 7a Gewinn 7b
Christus als Grund
Gegenwart
Christus als Ziel
Zukunft
um Christi willen
Ver1ust
8.
wegen der überragenden
Sb
Erkenntnis
Christi Jesu 8c
um dessent· willen
8d 8e
Dreck Christus gewinnen
in iIun erfunden werden
9. 9b [eigene Gerechtigkeit aus dem Gesetz
9c
Gerechtigkeit
9d
an Christus Gerechtigkeit
durch Glauben aus Gott aufgrund des Glaubens] lOa lOb
ihn erkeIIDen Macht seiner
Auferstehung 172 Hier befinden sich die drei Hauptsätze der Konstruktion: I. mJlQ\ ... ~TU1(av; 2. ill1r. jlEVOÜVY6 ~a\ 1iyofiJJ.a~ mivta ~TJJl{a\' ElvuL; 3. Kal ~10ÜJlal oKUPai...a. m Siehe oben S. 282f.
235
PhiI3.7-11
10c
Gemeinschaft seiner Leiden
gldchgestaltet
IOd
seinem Tode
Auferstehung
II
von den Toten
Nach einer kunen Replik auf die in 4-6 behandelte Vergangenheit des Paulus (7 a) nimmt die Gegenwart, verbalisiert in dem doppelten ~yoii~al (8a.d), den beherrschenden Raum der Perikope ein. Verantwortlich darur ist eine komplizierte christologische Argumentation, die sich parallel zu den beiden Prädikaten in einen kausalen (lila. .. 7b, I)la ••• 8b, 1)1' 8v ... 8c) und einen fmalen Strang (rva ... 8e, Kai ... 9, toii ... 10) unterscheiden läßt. Der kausal-christologische Strang begründet die radikale Abgrenzung der Gegenwart von der Vergangenheit; der fmal-christologische Strang gibt der Gegenwart die sie bestimmende Perspektive. Ein ebenso kuner Zukunftsausblick wie der Rückbezug am Anfang beendet den Abschnitt. (J 1). Insgesamt läßt der Text also - entsprechend seiner Einbettung in den engeren Kontext - ein zeitliches Gefälle von der Vergangenheit über die Gegenwart zur Zukunft erkennen, bei dem die Gegenwart dominiert. -474
3. Gattung W. Schenk erwägt in Aufnahme einer Bemerkung von K. Berger, phi! 3 könne ebenso wie Mt lI,27ff. oder Prov 1,23-33; 8,7-31; Sir 24,1-18; 51,13-30 dem dreigliedrigen Schema der ,Selbstempfehlung des Weisheitslehrers' l.ugeordnet werden, für das die Elemente Selbstpräsentation. imperativischer Ruf und Verheißung kC!nnzeichnend seien. 41's Entsprechende Beispiele fanden sich auch im Diatribenstil des Epiktet, wie russ. 4,8.17ff. bele-
gen soll'" Dem Abschnitt Phi! 3,4-14 komme dabei der Part der Selbstvorstellung (Präsentation) zu. Abgesehen davon, daß Schenk selber wegen des ,Wir' in V. 3.15f. diese Gattungsluweisung modifizieren muß" l1 , bleibt angesichts der erheblichen inhaltlichen, 7.eitlichen Wld herkunftsmäßigen Unterschiede der angeführten ,Fonnparallelen' zweifelhaft, ob Paulus wirklich ..diese Redeweise aus seiner
Bildung und eigenen Praxis her geläufig war" bzw.•die Beschneidungsagitatoren in dieser Fonn in Philippi ihre Propagandareden gehalten haben, was es PI nahelegt. in dieser Fonn der selbstvorsteUenden Ruhmrede darauf ein-
... m '" m
Vgl. Lohmerer. Phil131.141; Gnilka. Phi1192; Tannehill. Dying 116f.122. Vgl. Schenk. Phil274[ Vgl. ebd. 276. Vgl. cbd. 275.
236
Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
zugehen."U' Handelt es sich um eine geprägte Redefonn? Eher entspringt die Abfolge von eigenem Beispiel, ErmahnWlg und Aufforderung zur Mimesis - mer wie in 1 Kor 4,(79 - den natürlichen Erfordernissen der Situation. Als ob es Schenk mit seiner Formbestimmung noch nicht genug wäre, versucht er außerdem, Phil 8 nach den Elementen der antiken Rhetorik zu klassifizieren, indem er sich eng an H. D. Betz' Analyse des Galaterbriefs
anlehnt ...• Wie Gal (oder allch 2 Kor 10-13) enthalte der Philipper,Wambrier die Teile exoTd;um~ naTTatio, propoJilio, argumentatw und peroratlo und sei ,.dem forensisch-polemischen Argumentationstyp zU7.Uordnen" u1 , Allerdings ist sich Schenk offenbar des genauen Stellenwertes der einzelnen
Stücke nicht ganz sicher: Nachdem er das exordium in 3,2-3 und die narratio in 5-6 (7) festgemacht hat, .dürfte 3,8 durch die mit den vier Partikeln stark akzentuierte EinleitWlg die eigentliche argumentatio beginnen, die ja darum auch durch mehrere ausdrückliche Textsignale stark auf den
beispielhaften Charakter für die Gegenwart und damit die angeschriebenen Adressaten abhebt, und dieser erste Bewei.o;;gang dürfte bis 3,11 reichen, wo diese Sat7.periode erst zu Ende gebracht wird. . .. Wenn man diese garne Passage 3,8-11 noch zur nan'atio ziehen wollte, dann würde die eigentliche
Argumentatio erst 3,12 beginnen. Will man die propositio als eigenen Teil nehmen, darm könnte man 3,8-11 auch als propositio auffassen 14U!
Angesichts solch offenkundiger Beliebigkeit der Zuordnung stellt sich nicht nur die Frage, ob die paulinischen Briefe tatsächlich "ganz wesentlich gestaltete Rede""" nach den genarmten rhetorischen Kategorien sind, sondern
die grundsätzliche Überlegung nach dem Ertrag jener Kategorien für die Exegese. Immerhin .kann es nicht darum gehen, einen neutestamentlichen Text tun jeden Preis einem bestinunten System IUluOrdnenj vielmehr muß die Behauptung vorgeprägter Strukturen der Erhellung des jeweiligen Einzcltextes dienen. Gelingt dies nicht, so ist besser darauf zu verzichten.
Im Fall von Phil 3,7-11 vermögen weder das Etikett einer (typischen) ,Selbstpräsentation' noch die KlassifIkationen ,argumentatio', ,narratio' oder ,proposiUo' zu ilberzeugen. Der Abschnitt ist keiner bestimmten Form oder Gattung zuzuweisen. Seiner kontextuell und situativ bedingten Intention nach kann er als paradigmatisch-paränetische Konfession bezeichnet werden.
III. INTERPRETATION
Phi! 3.7-11 ist ein ,dankbarer' Text: Nicht nur, daß er von seinem Gehalt her sehr viel zu bieten hat und mit zu den wichtigsten P~ulus"'Ebd. m Siehe oben S. 232 Anm. 467 .
.., Vgl. Phil 277-280. m Ebd. 279. U2
tu
Ebd. Ebd. 277 mit K. BergeI', AposleIbrief und apostolische Rede. Zum Formular frühchristlicher BTiere: ZNW 65 (974) 190-231.
Phil3,1-11
237
stellen gerechnet werden muß; der Zugang zu ihm wird auch dadurch erleichtert, daß Paulus anders als sonst sich hier zu einem Gutteil gleichsam selber auslegt. Ohne Zweifel präsentiert er mit dem in den ersten beiden Versen formulierten Thema ein provokantes Paradox; aber schon dort wie dann detailliert in den Versen 9-11 liefert er eine christologische Deutung mit, die den Sinn des ungewöhnlichen Bekenntnisses erschließt, Der unironische, im Gegensatz zur Polemik des Kontextes eher argumentative Ton weist darauf hin, daß es sich um ein Paradox der invenlio, nicht nur der elocutio handelt: Der Theologe Paulus drängt hier den Redner in den Hintergrund.
1. EInzelexegese a) 3,7: Gewinn als Verlust Mit einer knappen, schroffen Antithese leitet Paulus den neuen Abschnitt ein und grenzt ihn somit wirkungsvoll von dem vorhergehenden ab.'" Der als Akkusativ vorangestellte Relativsatz, dessen verallgemeinerndes ihtva. die in 4-6 aufgezählten Ruhmestite1 zusammenfaßt, greift noch einmal die Vergangenheit des Apostels auf. Diese ist Gegenstand eines - offenbar bereits erfolgten - Umbewerlungroorgangs: Paulus hat sich entschlossen, all seine früheren Werte (Icspöll) als Verlust (~llll{a) zu betrachten.•Eine große Umwertung der Werte ist eingetreten. Aus dem Plus von fiüher ist ein Minus geworden. "m ,GeWiIUl' Wld ,Verlust' sind hier nicht im engen Sinne "ein Bild des kaufmännischen Lebens""'; das rechte Verständnis des Gegensatzpaares wird durch die Prädikate ~v Ilot bzw. ljYT\lla.l signalisiert: ,,~1l1l{a. ist nicht (objektiv) Einbuße der Sache selber, sondern (subjektiv) Einbuße ihres Wertes."'" Dabei beschränkt sich die Umwertung aber nicht auf einen philosophisch-intellektuellen GesinnWlgswandel; da Wertschätzung lmd Verhalten eng zusammenhängen (vgl. Mt 6,21), dürfte !;1l1l{a. den Aspekt einer .ganz persönlich durchlebten" EntwertWlg des Früheren implizieren. u8
Darauf deutet in gewisser Weise auch die eigenartige Wahl der Verben: Obwohl mit einem so einschneidenden Wendevorgang nur das
Darm ändert nichts. ob das aua zu Beginn textkritisch urspriinglich ist oder nicht. Im zweiten Fall läge ein Asyndeton vor
U6 SO
Lohmeyer, phiI J32.
m Vgl. A. Stumpff, Mt. ~~~(a/~~~\6",; ThWNT 11 (1935) 892f. UI
Ebd. 893.
238
Kapitel S: Kraft in der Schwachheit
Bekehrungserlebnis vor Damaskus gemeint sein kann"', redet Paulus nicht wie sonst "von ihm als dem göttlichen Wunder, das an ihm geschah", sondern "hier steht dieses Ereignis als das Ergebnis seines eigenen Entschlusses·"'_ Ausschlaggebend dafür waren wahrscheinlich pragmatisch-appellative Überlegungen: "Wenn Paulus so redet, als habe er sich entschlossen (!\YTU.lut), so tut er das im Hinblick auf die philippische Gemeinde_ An seiner Entscheidung sollen sie die richtige Entscheidung lernen."'" Der paränetisch-pädagogische Charakter dieses Verses, dessen Verben des WertschätzensIBeurteilens wohl stärker als irgendwo SOllSt das Motiv der Umkehrung der Wertmaßstäbe bei Paulus bezeugen, zeigt sich auch in der vorliegenden Gestalt dieses Theologumenons. Paulus wirft seinen Adressaten nicht einfach wie in 1 Kor 4 oder 2 Kor 11 f. das schwielige, einer Erklärung harrende Paradox der ,armseligen Apostel' oder der ,Kraft in der Schwachheit' entgegen; er geht hier gleichsam ,historisch' - einen Schritt zurück und verdeutlicht den philippern die VoraussetlUng, die lU jener andernorts geschilderten paradoxen Sicht der Gegenwart führte. Um das nach landläufigen Vorstellungen Negative positiv umzuwerten - so das Grundmuster der Kreuzestheologie -, bedurfte es lUvor (bzw. immer neu, vgl. 8) einer - reziproken - radikalen Abwertung des 8V oapK( (3f.) Positiven (7a 4-6) in die Negativität, zur ~Tj~iu (vgl. OICOpaÄa v. 8). Aus der in der Vergangenheit liegenden Kehrtwende konnte komplementär die umgekehrt paradoxe Umwertung der gegenwärtigen Wirklichkeit folgen. Freilich wird auch durch solche autobiographische Rückverlagerung das Paradox nicht eigentlich erklärt. Im Gegenteil. der Leser sicht sich einer subtilen Spannung ausgesetzt: Während ihn einerseits die paradigmatisch-konfessorische Form des Satzes beeindruckt, kann er doch inhaltlich nicht viel damit anfangen; vielmehr erscheint durch den schroffen Gegensatz von Ge,vinn und Verlust das Paradox eher noch verstärkt als abgeschwächt. Immerhin birgt schon dieses erste knappe Bekenntnis den chiffreartigen Ansatz einer Erklärung: Um ChriJti willen hat Paulus seine früheren Ge'vinnposten in Verlust umgewertet. ,,Dieses Iha (,ov) XPIOtOV bzw. 'ITjoOÜV hegegnet bei Paulus selten, nur dort, wo die Paradoxie seines Handelns eine Erhellung fmden soU.... Auch in unserem Fall geht es um ein Geschehen, das in seiner Paradoxalität mit menschlichen Mitteln nicht durchschaut werden kann."'" ,Christus' also ist der Grund für die radikale Entwertung der alten Werte. Das ist noch sehr m Vgl. Loluneyer. Phll 132; Gnilka, Phil 191; Ernst, Phil96. Dies erklärt auch das Perfekt von fiY'1llal. 4'10
W
l..ohmeyer. ebd.; vgl. Gnilka, ebd. Ablehnend Schenk, Phil 263f. Gnilka, ebd,
m Gnilka, ebd.
239
phiI3,7-11
offen fonnuüert; erst in den nächsten Versen wird Paulus die christologische Begründung weiter entfalten. Jedenfalls klingt schon hier an. daß das Umwertungsparadox offenbar nicht rational aufgelöst. sondern lediglich in den Bereich des Transzendenten verwiesen werden kann.
b) 3,8a-d: Die übelTagende Erkenntnis Christi als Grund Auch im folgenden Vers 8 bleibt Paulus beim Thema. Dreimal und "mit einzigartiger Feierüchkeit"'" wiederholt er das Bekenntnis der Umwertung seiner Werte, das er noch verschärft und mgleich näher begründet. Umstritten ist, worin genau der durch die Aufhäufung der Partikeln UXJ..a I'BvoiiVYB Kai angezeigte Gedankenfortschritt gegenüber Vers 7 besteht. Während Lohmeyer und Schenk diesen im Präsens von ~yoiil'a\. d. h. der .Gültigkeit des einst ge faßten Entschlusses auch für die Gegenwart" sehen wollen..•• erkemten Gnilka und Barth die Klimax in der Ausweitung der Umwertung auf ,alles' (mlvta)"'. Freilich zwingt nichts zu dieser Alternative; Paulus steigert in V. 8 die Paradoxaütät seines Bekenntnisses, indem er es sowohl auf die Gegenwart als auch alle Lebensbereiche ausweitet.'" Die Umwertung des Früheren dauert fort. und sie ist total. Den semantischen Gipfel der kompromißlosen Radikalität bildet der Ausdruck <JKIlllaAa (8d), dessen Gehalt Schenk drastisch so veranschaulicht: .Die Scheu, es mit ,Exkrement' zu übersetzen, ist unbegründet. da das bestimmende Semantische Element nicht der ,Begriff des Ekelliaften' ist. sondern der des Mißlingens, der ebenfalls die entscheidende Konnotation dessen ist, der heute zu etwas ,Scheiße' sagt,"497 Nicht nur ,Verlust', sondern ,Dreck', ,Kot' sind dem Paulus seine einstigen Werte. Ein tabellarischer Überblick zeigt die Redundanz der Fonnulierungen von V. 7 und 8: Objekt
U mwertWlgs~
jetzt
Begründung
~l],,(av
öla tov Xplcn6v Ihn <0 "It.ptxov
vorgang 7 KBpSl] 8ab n
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B~l],,\c!J9!]v ~yoii"at
IJKuß.u.a
tijo; yvc!JIJ.mo; _.. St' öv
m Lolune:yer, Phil 133. m Ebd.; vgl. Schenk., Phil264f. (528: ..doch nicht nur dies, sondern auch jetzt noch muß
ich das alles als überholt beurteilen ... "), m Vgl. Gnilka, phil 192; Barth. Phi160 (58: Ja, ich halte schlechterdings alles für Ver-
lust. ,,"). 496
Vgl. Ernst, Phil 96; Friedrich. Phil 161.
'" Phil 265.
240
Kapitel 8: Kraft in der Schwachheit
Die zentrale Enveiterung gegenüber V. 7 ist die durch das Stichwort geprägte christologische Begründung in 8b. Paulus präzisiert das IM. tbv Xplut6v durch den Ausdruck Iha to U1tePEXOV tij~ yvrousCJ)~ XPIUtOÜ 'IT]croü tOÜ KUp{O\) !lOU, der in mehrerlei Hinsicht bemerkens· wert ist. Das singuläre substantivierte Partizip u1tspexov ,.hat größeres Gewicht als das blasse Nomen U1tSpOXt\·· .. und verleiht der ,ErkeIUltnis Christi' erhabenen Glanz. So überwältigend ist Paulus jene yviiim~, daß sie ,alles' sonst Geschätzte in Vergangenheit und Gegenwart überbie· tet. So beherrschend und nah ist ihm Christus, daß er hier, ebenfalls singulär, ganz persönlich von ,meinem' Herrn sprechen kaIUl. Schließ· lieh ist auch die Verbindung ,ErkeIUltnis Christi Jesu' selbst bei Paulus einmalig"', deren genaue Bedeutung viel diskutiert wurde'''. Was heißt hier ,Erkenntnis Christi'? Am sinnvollsten erscheint diejenige Exegese des Begriffs, die sich von der eigenen Auslegung des Paulus im Kontext leiten läßt. Verwandt, ja nahezu synonym mit dem ,Erkennen' ist das ,Gewinnen' Christi (8e) bzw. ,Erfundenwerden' in ihm (9a). Die entscheidende Erklärung bietet Paulus aber in V. 10f., wo er nach expliziter Wiederaufnahme des Begriffes in Verbform (tOÜ yviiival aut6v) diesen inhaltlich bestinunt. Demnach besteht die ErkeIUltnis Christi "in einer Gemeinschaft mit Christus, bei der der Glaubende ,in Christus' ist und durch Christi Tod und Auferstehung bestimmt wird. Diese Erkenntnis ist keineswegs nur ein intellektueller Vorgang, sondern umfaßt ein existentielles Sich-Verstehen, ein Sichselbst-Entdecken als durch Christi Tod Bestimmten, ein Begreifen, daß in Christi Tod und Auferstehung über mich entschieden wurde, sodaß ich durch jenes Geschehen geprägt bin."'" Die yv/i)crl~ XPlcrtOÜ ist also kein initiativer, sich des Erkenntnisobjekts bemächtigender Vorgang, sondern .genau das Gegenteil, daß der Erkennende vom ErkaIUlten überwältigt wird·'o, (vgl. expressis verbis Ga14,9; 1 Kor 8,2f.; 13,12). Das als Umwandlungsprozeß vorgestellte ,BekaIUltwerden' mit dem ErkeIUltnisgegenstand schließt dabei die yviii(n~
m Lahmeyer, phil IS3. m Im NT sonst nur noch 2 PetT 3,18 . .\00 Einen knappen Überblick über wichtige Forschungspositionen bietet Gnilka. Phil 193 Anm. 46. Er selbst hält die Wendung für eine Synthese der altbiblischcn (Gehorsam beanspruchende Weise des Hörens) und der hellenistischen (schauende Irmewer· dWlg des Göttlichen) Erkenntnisweise (193). - Fraglich erscheint die Behauptung Sehenks, die einmalige Fonnulierung erkläre sich "durch die Übernahme eine!! Ter· minus der Agitatoren" (Phil 805) . . ~Ol ßarth, Phil 60. - J. T. Forestell, Christian Perfection and Gnosis in Philippians 8,7-16: CBQ 18 (1956) 123-136, besonden; 127-J30. sieht Erkenntnis hier paraJlellur Liebe als Kriterium christlicher Vollkommenheit. 502 Frierlrich, Phil 161. Ähnlich Schenk, Phil 305f. mit grundsätllichen Überlegungen 7.\1T Erkenntnistheorie.
PhU 3.7-11
241
Komponente der ,Anerkennmis', der sittlichen Bewährung des Erkennenden nicht aus; der Gedanke einer (passiven) Vergöttlichung des Menschen liegt Paulus fern.'" Das zweimalige Vorkommen des Erkennmismotivs in 3,7-11, einmal als kausale (V. 8), dann als fmale Aussage (V. 10), zeigt zudem den zeitübergreifenden Charakter des Vorgangs. Die Erkenntnis Christi war ebenso der Grund (Btr. ... ) rur die Umwerttmg der alten Werte, wie sie deren noch ausstehendes Ziel (~oii + lnf.), genauer gesagt deren überbietende ,Kompensation' ist. Sie begann an jenem Punkt ,Damaskus' in der Vergangenheit (Perf. ii'YTlllat V. 7), dauert fort in den dialektischen Erfahrungen'" der Gegenwart {V. IO}'" und harn ihrer mit der endzeitlichen Auferstehung erhofften Vollendung in der Zukunft (V. 11 }"'. Aus dem Gesamt der Periode 3,7-11 ergibt sich damit ein sehr komplexer, das ganze Leben des Christen und sein dialektisches Wechselverhälmis zu Gott betreffender Gehalt der ,Erkenntnis Christi Jesu'. Bevor Paulus den Begriff in V. IOf. inhaltlich füllt, nennt er in 8 seinen Stellenwert: Als das eine, entscheidende \l1tEpeXOV ist die yvöiO'U; XptO'~oü der positive Ausgleich, das kompensatorische ,Plus' aller anderen, zu ,Verlust' und ,Dreck' abgewerteten Güter. Die Größe der Erkenntnis, deren Konkretion dem Leser noch vorenthalten bleibt, bemißt sich an der Größe des Paradox in V. 7f., dessen Begründung sie ist.
50S
Vgl. Gnilka, Phi! 198; hier- liegt auch die Grenze zur Gnosis als spätantikec Weltan-
schauung. R. Bultmann. Art. ytyoo""m, )'\'0\"" KtA.: ThWNT 1(933) 7IOf. sieht Pau· lus in Phil 3,8ff. zwar .,zweifellos im Anschluß an gnostische Tenninologie" reden, betont zugleich aber den durch die irdisch-geschichtliche und überiruHviduelle Di~o,
mension gegebenen Abstand zur Gnosis. Forestdl, Perfection lUE hält 10c und aus syntaktischen Gründen von daher auch lO.b filr "necessariIy an cxperimentallmowledge". Vgl Bultmann, ThWNT I ([933)
'10: ..die Etfabnmg der MVOfllt;;
'riic; aVQ(J'too6WC; au'tou und der KOlvwvCa '[wv na.9n-
.u1twvau'[ou innerhalb des geschichtlichen Lebens (vgl. 2 K 4,7m u • 5o.s V. 10 birgt eine eigentümliche Spannung der drei Zeitstufen. Während ,Erfahrung' eine Kategorie der Vergarzgmlzeit ist, sind finale Konstruktionen wie hier (,um . . . zu erkennen') von Haus ausJulurisch ausgerichtet. Dies nötigt zur Deutung auf die Gt-
genwart, was durch das Hauptprädikat ~YOUjJ.Ul (8) bestätigt wird. Somit repräsentiert V. lO ein bemerkenswertes Beispjel gewagter paulinischer SprachJichkeit: Der Leser ist aus der antagonistischen Verbindung von Syntax: und Semantik heraus gezwungen, das eigentlich Gemeinte ,in der Mitte' zu suchen. !05
So besonders Lohmcyer. der die ,Erkenntnis ... meint! Henn' vom Martyrium des Apostels her interpretiert: ",Erkenntnis Christi' ist ebensosehr gegenwärtiger Besit7. wie eschatologische Hoffuung; si~ bedeutet also ein Leben in dauernder Sparmung, die der Gegensatz von Christus und dem All erzeugt. Sie ist ein Haben und Nicht· völlig-Haben, ein Anfang Wld noch nicht Ende, ein Weg und noch nicht Ziel," (phi! U5) VgL Bultmann, ThWNT I (1933) 710, der von der maru; (V, 9) her die Verwiesenhdt der yvmOl~ einerseiu auf Gott, andererseits in die Zukunft betont.
242
Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
c) 3,Se-ll: Das paradoxe ErkelUlen Christi als Ziel Mit dem letzten Teil von Vers S löst Paulus die bisher kausal gefUhrte Argumentation (dreimal Bui) durch eine finale Perspektive ab. '0' Sie läßt gleichfalls eine Dreigliedrigkeit erkelUlen: Yva Xp\O~Ov KEpB1\oro (Se), Kat Eups6öi svautiP (9a) und toG yvrova\ alJt6v ([Da) sind ebenso syntaktisch - als VOll 1\yoüj.1a\ (Sd) abhängige'o, Finalsätze - wie semantisch (mit leichten Akzentverschiebungen) parallele Aussagen, die das Ziel angeben, auf das hin Paulus sich zur radikalen Abkehr vom Friiheren entschlossen hat. '0' Auffällig ist die dem mittleren Glied nachgestellte Parenthese in V. 9. Etwas verkürzt, aber nicht unrichtig ka= gesagt werden: .Christus gewinnen (V. S), in ihm sein (V. 9), gerechtfertigt werden (V. 9) und ihn erkennen (V. 10) sind verschiedene Ausdrücke für dieselbe Sache."·'" a) V. Se
,Damit ich Christus gewinne', lautet die erste der drei Finalwendungen. Das Verbum K6pBa(vslV greift auf das Nomen KSpOl1 aus V. 7 und somit auf den die Umwertung der Werte thematisierenden Gegensatz von Gewinn und Verlust zurück. Der gleiche Stamm K6P&-, mit dem in 7 die alte Wertordnung beleichnet wurde, wird nun für deren diametrales Gegenteil gebraucht: Chrutus ist der unendlich größere neue Gewinn, der alle alten Gewinne ablöst. Die schon bei tO 1l1t6peXOV "'i~ YVro06(j)~ (Sb) deutlich gewordene homperuatorisc/Iii Funktion Christi tritt durch die Wortgleichheit hier besonders eindrucksvoll hervor. Da die Finalkonstruktion nicht von &~11j.1tro611v Sc = ~Yl1j.1a\ 7b, das hieße sachlich von der in der Vergangenheit liegenden Bekehrung, sondern aufgrund der Wortstellung eindeutig von 1\yoiilla\ sd ~ Sa abhängig ist 51 ', steht hinter ihr nicht die Zeit folge ,damals - heute', sondern ,jetzt - dereinst', d. h. Gegenwart und Zukunft: .zu ,gewinnen'
Eine Veränderung der Kommunikationssituation ist damit jedoch nicht unbedingt gegeben: gegen Gnilka, Phil 193, der mit Beginn der Finalk.onstruktion das paulinisehe .Ich' "von einem bek.enntnismäßigcn 7.U einem exemplarischen" übergleilcn sieht. Dagegen weist Schenk. phil 266 mit einigem Recht auf die von Anfang I1n gegebene emprangerpragmatisch-beispielliafte Ftmktion des Ich hin. Ebenso ist auch der folgende Text nicht nur Paradigma, sondern daneben weiterhin persönliche Konfession des Paulus_ MII Gegen Schenk, Phil B07, der sie auf ~~rnl\ro6'lv 7.urückbeziehen will. 509 Vgl. TannehilI, Dying 118. Dabei weisen dir:" rlrei Aonstfonnen nicht "auf den Anfang des Christwerdens" (Schenk, ebd.). sondern sprechen ..von dem Ziele des jetzigen Apostels Paulus", das .. noch im Dämmern einer ungewissen Zuk.lmft" steht (Loh-
50l
me)·er. Phi! IS6). 510 511
Friedrich, Phil 162. Schenk, Phi! 307, der dies leugnet, muß notwendigen\·eise "Kat 11rOü!J..a~ OKUßcU..a als Parenthese einstufen, was recht fragwürdig encheint.
Phil5.7-11
243
ist nur, was man noch nicht besitzt""'. Genauer gesagt: Unter Berücksichtigung der kausalen, nach rückwärts blickenden Argumentation von V. 7f. heißt XPtCJ~ov KSPS~CJOl, daß »ein vorläufiger und noch nicht sicherer Besitz zu einem endgültigen werden soll""'. Das ,Christus-Gewinnen ' ist sowohl ,Schon jetzt' als auch ,Noch nicht'; in 8e liegt der Akzent auf der zukunft. Die Hauptfunktion dieser ersten Finalaussage liegt in der Kontrastierung und Kompensation des zuvor Gesagten, der Abwertung des Alten, dessen Sinn dadurch plausibler wird. Was das XPlcr10V KspBa(vslv positiv beinhalten kÖIUlte"', sagt Paulus mit den folgenden Wendungen. ~)
V. 9 Während Paulus in 8e eher formal-abstrakt von einer wie auch immer gearteten Christusgemeinschaft redet, die es zu gewinnen gilt, wird diese durch 9a inhaltlich näher erläutert.•Christus gewinnen heißt, in die Existenzweise Jesu Christi versetzt werden, so daß man in ihm erfunden wird."515 Das Verbum eup(CJKecr8al bringt dabei einen hesonderen Aspekt ins Spiel. Nachdem bereits der Vordersatz eine futurische Deutung nahegelegt hat, läßt das Passiv supe8m, aber auch das forensische Vokabular der anschließenden Parenthese (B1KalOm\Vi], v6f!o~) an ein BeuTtei/twerden"', konkret an das endzeitliche Gericht denken. m .Nur darin kann der Sinn der singulären Form eupe8m ev aU1ii> gefunden werden, daß sie die Dauer, den Anspruch und das Durchhalten der Gemeinschaft sv XPICJ1ii> bis zu einem bestimmten Punkt, der nur mit dem Gericht identisch sein kann, umschreiben will."'" Wie das XPlcr10V KepBa(velv (8e) und auch die yvmCJl~ XPlcr10ii '!T!CJo{i (8b) hat also das sups8fiVal sv alhlji (9a) ebenfalls keinen punktuellen Moment, sondern einen Zeitraum zu.rn Inhalt, der sich von der vergangenen Bekehrung über die Gegenwart bis zur endgültigen Beurteilung im Gericht erstreckt, auf der hier freilich der Schwerpunkt liegt. Gemeint ist demnach nicht allein das letzte Ziel, sondern auch der dorthin führende Weg der Bewährung, der vom Kontext her inhaltlich die Entwertung der alten Werte bedeuten muß. Um es scharf '" Lohmerer, Phil 136. Gnilka. Phil 194. Lohmerer, Phil 19S defllliert: ",Christus gewinnen' bedeutet. zu ihm gelangen, um mit illm zu sein," m Friedrich, Phi! 161. 516 Vgl. als engste Parallele Gal 2,17 ebenfalls mit einer Form von eöpi<1K
m
!H
244
Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
zu formulieren: Nur der wird im Endgericht bestehen, d. h. ein !Ur allemal ,in Christus erfunden werden', für den alles Verlust und Dreck geworden ist. Zwischen die zweite (9a) und dritte (lOf,) Angabe des von Paulus mit der Umwertung der Werte verfolgten Ziels hat er in Form einer Parenthese einen bemerkenswerten, semantisch vom Wlmiuelbaren Kontext abgehobenen519
Gedanken eingeschoben (9b-d). Die scharfe Antithese von ,eigener Gerechtigkeit aus dem Gesetz' Wld ,Gerechtigk.eit durch Glauben an Chri-
stus'''' ist offenbar durch das ,Erfundenwerden in Christus' (ga) veranlaßt, ein Motiv, das über die Konnotation des Gerichtsgedankens assoziativ das
Stichwort ,Gerechtigkeit' wachgerufen haben mag. ,.Das Sein in Christus erläutert Paulus durch die Rechtfertigungslehre."5f'
Es würde zu weit führen, wollte man aufgrund von Phi! 3,gb-d die Grund" linien der paulinischen Gesetzes-, Glaubens- und Gerechtigkeitsthematik entfalten. Der Apostel selbst tut dies hier ja nicht, während er sonst anderen Gemeinden ganze Briefe darüber schreiben kann. 522 Wenn Paulus das
Thema gegenüber den Phi!ippern in einer solch knappen wie zugleich kompakten Nebenaussage525 anreißt. kann er bei der Gemeinde offenbar eine gute Kenntnis seiner Rechtfertigungslehre voraussetzen.'" Warum aber kommt er überhaupt auf sie zu sprecheni' Die hypotaktische Syntax der Partizipialkonstruktion (Il~ Ilxrov ... ) zeigt. daß die Parenthese als eine nähere Erläuterung des sie regierenden Verbums sopE9m zu verstehen ist, ja sie dürfte darüber hinaus der VeranschaulichWlg der drei Finalaussagen 8e, 9a Wld 10a insgesamt dienen. Paulus greift zu der den Phi!ip-
pern vertrauten Terminologie seiner Rechtfertigungspredigt, um i1men das Ziel deutlich zu machen, mit dem er seine paradoxe Umwertung der Werte kontrastiert und kompensiert. 525 Die in Se-lI vorgestellte Christusgemeinschaft ist nichts anderes als das, was er sonst ,Gerechtigkeit Gottes durch
sn Vgl. aber V. 6 KG.'tQ 8lKalOaUVflY 'tl}v i\' VOJ.lcp. 520 Gnilka, rhil194 plädiert mit Kertelge, Rechtfertigung 170-178 bei XplG'tOÜ rur einen Genitivus obiectivus. Vgl. dagegen W. Schenk, Ole Gerechtigkeit Gottes und der Gl.ube Christi: ThLZ 97 (1972) 161-174; den., Phil3lOf. (,Glaube Christi' - die Ostemachricht. das Evangelium). S2I Friedrich, PhU 161. Bemerken"iwert sind die individuellen Nuancen des Verses, z. n. die Formulierung iK 8&oG 8lKßlocru"'l(V) Eltt 1ft n(o'tEl in 9d; vg1. dazu Kertelge. Rechtfertigong 122f.184. m Vgl. Ga! und Röm. m Dagegen Barth, phil 60: "Doch bedeutet das nicht, daß die Aussage ... nur eine Nebenaussage sei. Der ganze ArgwnentationSlusammenhang von der Beschneidlmg in V. 2 bis zum Rühmen der Gesetzesfrömmigkeit in V. 6 läuft ja auf diese AlL'iSage zu," Barth übersieht, daß Pawus mittlerweile (V. 7-9a) zu einem anderen Gedanken libergegangen ist . ... Vgl. Kettelge. Rechtfertigung 290; Gnilka. Phil 195. m Einen konkreteren Hintergrund enY'ägt Kertelge. Rcdltrertigung 296: "Phil 3,2-9 könnte im Hinblick auf eine Gefahr geschrieben sein. die der Gemeinde von Philippi in ähnlicher Weise drohLe wie den Galatern,"
Phil B,l-l1
245
Glauben an Christus' (vgl. Röm 3,22) nennt.'" Mit Hilfe der Rechtferti· gungslehre kann Paulus den Philippem das der Abwertung des FlÜheren entgegengestellte, überragende Ziel des ,Seins in Christus' plausibler machen, kann er das aus dem schroffen Kontrast von ,Verluse und ,Gewinn' erwachsene Paradox mit Inhalt füllen. Die veranschaulichende Parenthese
9b-d demonstriert die Vielfalt der Formen, in denen ,ich paulinische Soteriologie ausdtiicken kann, ohne sachlich verschieden ru sein.
y) V. IOf.
Der letzte Abschnitt der Perikope trägt quantitativ (zwei ganze Verse) und qualitativ deren SchwelJ'unkt. Erst jetzt, nach mehreren, die gleiche Sache berührenden Anläufen, kommt Paulus zu einer inhaltlichen Konkretion dessen, was er als so ,überragend' (ll1tSPEXOV 8b) bezeichnet hatte, daß es die Abwertung der alten Werte auszugleichen vermag. Syntaktisch handelt es sich um eine dritte Finalwendung parallel zu 8e und 9a, hier nicht mit einem finiten Verb, sondern einem artikulierten infinitiv (~oii yviliVllt) formuliert, von der ein einfaches Objekt (llu~6v) sowie dessen vierfache Explikation in chiastischer Anordnung abhängig sind. 527 I Oa
~oii yvilivll\ Il\h6v
lOb
11
n,v /lUVIl!,tv 'rii~ ciVIl(mWSOl~ !lÖ~oii IOc Kill [~~vlKo\vOly{llv [~ilivl1tIl9r]!,(hOlv IlU~OÜ IOd OIl!,!,Oprp\~o!,svo~ ~Ijl ellvlitQl Ilutoii sr 1t0l~ Klltllvn;cr{)) s!~ n,v t~IlVOOtUcrtv n,v 8K vSKpiliv lC1ll
Indem toii yvilivu\ IlUtOV (lOa) gleichsam die Überschrift der Sequenz bildet, geht es im folgenden erneut um das ,Erkennen' Christi"', womit Paulus das dominierende Motiv aus sb wiederaufgreift. Neben dem Christus-,Gewinnen' und ,Erfundenwerden' in i!tm ist seine ,Erkenntnis' für Paulus das dritte Ziel, um dessentwillen er alles als Dreck ansieht. Die yvili(J\~ Xptcrtoii 'Illcroii erscheint hier nicht wie in 8b als Motor, sondem als Resultat der Werte-Umwertung. Paulus kann die zeitlichen Dimensionen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinanderfließen lassen"'; hatte der kausale Ausdruck BIO. tO U1t&P6XOV 'rii~ YVWcrSOl~ in V. 8 vonviegend das einstige Bekehrung,erlebnis im Blick. so scheint die Syntax der Infinitivkonstruktion IOa nun eher einen final-futurischen Aspekt zu signalisieren; die semantische 526 Auf die Einheit der paulinischen Soteriologie, die nicht in eine ,juridische' lmd eine
,mystische' zerspalten werden darf, weisen u. a. Friedrich, Phi} 161; Gnilka, Phil 195
und TannehilI, Dying 115.119 hin. m Zur Struktur yg1. auch Tannehill. Dying 119f. 528
.529
Daß das Personalpronomen a.u't6v für Christus steht, ergibt sich aus der Parallelität zu XPUJTOV ICEp6~O'ro (Sc) und aip69fu EV Ql)'r@ (9al; auch diese dritte Wendung ist Ober die Parenthese 9b-d hinweg immer noch abhängig \'om Prädikat "yoÜJ,tQ,t in 8d (I) . Siehe schon oben S. 241, besonders Anm. 505.
246
Kapir.el 3: Kraft in der Schwachheit
Analyse des explikativ angehängten Chiasmus zeigt allerdings, daß auch hier noch einmal zwischen IOb-d (Gegenwart) und 11 (zukunft) differenziert werden muß. Mit einem epexegetisch"· zu verstehenden Ka.( (,und zwar', ,nämlich') fügt Paulus eine vierfache Erklärung des ,ihn zu erkennen' an, die von den Leitworten (1:1;)civnO'~a.O'~ (lOb.l!) und 1ta.e~f1a.~a./onva ~o~ (lOc.d) bestimmt ist. Die Erkenntnis Christi besteht also in der seiner Auferstehung und seiner Leiden.'" Überraschend erscheint die ungewöhnliche Anordnung der beiden Aspekte, deren envartbare Abfolge verkehrt ist: Paulus nennt zunächst die ,Macht seiner (Christi) Auferstehung', sodann die ,Gemeinschaft seiner Leiden' (vgl. 2 Kor 1,5)' veranschaulicht letztere durch die partizipiale Enveiterung ,gleichgestaltet seinem Tode', um schließlich in Form einer Inklusion mit dem Ausblick auf die ,Auferstehung von den Toten' 7.U enden. Quer zu dieser chiastischen Struktur der Motive liegt allerdings die Verteilung ihrer zeitlichen Zugehörigkeit: Hier stehen drei präsentische Aussagen (IOb.c.d) nur einer \\~rklich futurischen (11) gegenüber, obwohl die syntaktL.che Gesamtkonstruktion ("gI. I Oa) eigentlich eine Zukunftsausrichtung anzudeuten scheint. Die Notwendigkeit einer temporalen Differenzierung der Motive ergibt sich aus dem Gehalt der beiden mittleren Glieder IOc.d: Die KO\VOlv{a ~rov 1ta9!]f1n~OlV Christi, die Paulus als O'Uf1I'Opq>\~6f1EVO~ ~Ij'> ea.vn~q> Il\i~o(j erlebt"', ist kaum ein erst noch zu erstrebendes Zukunftsgut, sondern eine in Vergangenheit und Gegenwart oft genug erfahrene Realität.'" Damit muß aber auch dem Ausdruck MVIlf1\~ 'tfj~ civaO'~6.O'EOlC; Il\'l~o(j lOb allein schon aufgrund seiner VoransteUung'" - präsentisehe Bedeutung zukommen: Nicht die künftige, endzeitliche Aufenveckung ist ge'" Vgl. Schenk, Phil 820. S!I Vgl. TannehUl, Dying 121f.: .,... the
pow~rs
of Christ's death and resurrection which
structure the Christian's life are not feit to be impersonal things. Through participalion in Christ's death and resurrection Christ himse1f i.s knOWJl, ror it is in this way that Christ gives himscLf Lo the believer and exercises his lordship over him." .m Der Awdrud:. G\.IJljlopq>\~6J.1tv~ (Partizip Präsens!) ist eine unerhört kühne. aber semantisch gleichwertige. d. h. auch gleichzeitigt Erläuterung der KO\VCI)v{a tWV 1tuSnjla.toov, nicht dagegen Paulus' "Erwartung des Todes als des Abschlusses seines natürlichen Lebens" (Lohmeyer, Phil 139), oder da,., ..Todesschicksal" des Apostels als "lic1punkt dec GleichgestaltungU im Sinne eines Prozesses (Gnilka. Phil 196; ähnlich Tannchill, Dying 120f.) - so allerdings V. 21: 8, ~eta"m~an(m ,I> "Ö)~a nj, ta1t6\VtO08mt; ruuiiv GU.. llOP'P0\' 1"4> OolflQ1l Ttlt; 8091t; aUToG. Schon jetzt, gegenwärtig, eJfährt sich Paulus als ein dem TodesgeschickJesu Gleichgestalteter (vgL Friedrich, Phil 162; Barth, Phil 61; Schenk, Phil 320). Das Motiv steht damit in Analogie zu Aussagen wie 2 Kor 4,10f. oder Gal6,17. m Siehe auch oben S. 241 die Arun. 504 und 505. m pu KII A D u. a. als möglichen\'eise unprüngliche Lesart "'crstärken die Gleichzeitigkeit von 1Ob und c noch dadurch, daß sie heide Glieder von demselben Artikd ~v abhängig sein lassen.
Phi! 3.1-11
247
meint (V. IU), sondern die im irdischen Leben erfahrene "pneumatische Wirkung des Erhöhten""'. Die Ftmktion des Chiasmus besteht in der inhaltlichen Beschreibung dessen, was fur Paulus ,Christus erkennen' - und darüber hinaus ,Christus gewinnen' und ,in ihm erfunden werden' - bedeutet. Die Erkenntnis Christi ist demnach (hier wie in 8b) eine dialektische"· Erfahrung von (offenbar schweren) Leiden einerseits und pneumatischer Lebenskraft andererseits in der gegenwärtigen Existenz des Paulus, die er als die Dialektik der Todesleiden und Auferstehung Christi interpretiert. Die ,anthropologische' Aussage von lOb-d ist somit indirekt auch eine christologische Aussage. ,Christus erkennen' bedeutet für Paulus über die intellektuelle Dimension des Glaubens hinaus eine so ganzheitliche Gemeinschaft (Kolvfllv(a) mit Christus, daß er dessen Leiden, Tod und Auferstehung in seiner eigenen Existenz gleichsam ,nachlebt'. '" Dabei ist das ,Erkennen' im Grunde ,Erkanntwerden' (vgl. Gal -1,9; I Kor 8,2f.; 13,12), es ist sowohl ,Glaube' als auch ,Gerechtigkeit' (vgl. V. gc.d), d. h. gleichermaßen Handeln Gottes und Tun des Menschen. 58 !
Paulus füllt. also den Ausdruck ,Erkenntnis Christi' mit einer persönlichen, dialektischen Erfahrung von Tod und Leben, die er christologisch deutet. Warum aber die seltsame Voranstellung der Auferstehungsmacht? Äußeres Motiv dafur dürfte eine polemische Spitze gegen die judaistisehen Gegner sein: Gegen deren Forderung nach Gesetz und Beschneidung (vgl. 3,3-6) betont Paulus die Wirklichkeit der Auferstehung als die bestimmende Macht in seinem Leben.'" Dem entspricht aber auch eine innere Notwendigkeit. Nimmt man den Abschnitt 3,7-11 als ganzen, so fallt sein stark antithetischer Charakter ins Auge, der von dem Kontrast zwischen ,Einst' und ,Jetzt', Verlust des Alten und Gewinn des üben-agend Neuen, Christi, geprägt ist. Allerdings weiß der Leser bis V. 10 noch nicht genau, worin denn jenes U1tEpeXOV (8b) der Erkenntnis Christi besteht. Diesbezüglich erfüllt die Spitzenstellung der MVa!!l~ tii~ av=~ci(fE(o~ au~oii eine wichtige ,kompensatorische' Funktion. Sie liefert nicht nur zusammen mit den anderen Gliedern des Chiasmus die notwendige Veranschauli'" Gnil!ta, Phil 196; "gI. Friedrich. Phil162; Schenk. Phil 321. Lohmey«, Phil 138 und Danh, phil 61 verbinden den Ausdruck vor allem mit dem Gedanken von Glaube und Hoffnung. m Mit dem Begriff ,Dialektik.' ist eine paradoxe Gleichzeitigkeit, nicht aber eine Identität gemeint (gegen leu.tere vgL zurecht Schenk, Phil 320). m Zum Motiv der KOLvmv{a vgl. J. Haim., KOINONIA. "Kirche" als Gemein:;chaft bei Paulus (BU 16). Regcnsburg 1982. 95-99; den., Art. ICOl\lWv(aICT)...: EWNT 11 (1980 751-754; ferner sehr instruktiv Wolter, Apostel 542-549. m Siehe schon oben S. 240f. SS9 Vgl. Klein, Antipaulinismus 308.
248
Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
chung jenes ,Neuen', sondern dient auch vorweg als ausgleichendes, spannungabbauendes Element, welches die Paradoxalität der paulinisehen Antwon nicht ganz unverständlich erscheinen läßt: Es ist die Macht der Auferstehung Christi, welche die Abwenung der einstigen ,Gewinne' ausgleicht, ja diese bei weitem überbietet - ungeachtet der
gleichwohl fortdauernden Leidens- und Todeserfahrungen. Die rahmende Auferstehungsaussage in V. IOf. hat Vorrang vor der Todessaussage. Damit liegt in Phi13,7-11 keine vollständige Umkehrung der Wenverhältnisse vor, sondern eine Abwertung, die durch eine (relativ) plausible Erklärung begründet wird. Im Unterschied zu anderen Stellen verkehrt Paulus hier nicht kreuzestheologisch das Geringe und Verachtete in sein positives Gegenteil"', sondern er setzt der dazu reziproken Abwertung des Früheren die alles überbietende, wenngleich unanschauliche Auferstehungswirklicbkeit gegenüber. Nicht so sehr die theologia cruds
540
Phi! 3.7-1 I
249
sehen kann, die ihm jene Kehrtwende offenbar wert ist. Ein seltsamer Mensch, dieser Paulus, möchte man sagen! Es ist die zeitliche Erstreckung des Auferstehungsmotivs über Gegenwart (lOb) und Zukunft (J 1), die jene spannungsvolle Dialektik dennoch zu einer plausiblen Begründung werden läßt. Paulus bleibt ja nicht bei der von Leid und Tod geprägten Gegenwartssituation stehen"'; der abschließende Vers 11, obwohl .zaghaft""', ja fast "zweiflerisch"'" fonnuliert, bietet die eigentliche Erklärung: ,ob ich wohl zur Auferstehung von den Toten gelange'. Die zukünftig erhoffte "Herausholung"'" aus den Toten ist der tiefste Grund jener Abwertung des Früheren (7 f.), das letzte ziel der ,überragenden Erkenntnis Christi' (8b).
Von dem futurisch-eschatologischen Vers 11 her gewinnt rückblikkend auch die ,Auferstehungsmacht' lOb an Kontur: Sie ist das gegenwärtige Potential dessen, was sich am Ende real verwirklichen soll, die aus der Zukunft in die Gegenwart hereinragende lmd dabei so überwältigende Kraft des Glaubens und der Hoffnung"', daß sie den Apostel in Gemeinschaft mit Christus die irdische Todesexistenz nicht nur durchstehen, sondern gerade ihr paradox den VOI7.ug gegenüber aller ,nonnalen' Lebensweise geben läßt. Sowenig anschaulich das mit ,Auferstehung' Umschriebene bis zuletzt wird, so groß muß doch seine Kraft sein, die Paulus verspürt; anders wäre die Paradoxalität von V. 10 nicht ZU erklären.
2. ZwammenfaJsung Auch nach der detaillierten Untersuchung von Phi! 3,7-11 bleibt der ursprüngliche Eindruck bestehen, daß es sich bei dem aus einer einzigen Periode fonnulierten Abschnitt um einen der wichtigsten und zugleich schönsten Texte bei Paulus handelt. Auf engstem Raum sind hier paulinische Autobiographie, Anthropologie, Christologie, Soteriologie (Rechtfertigungslehre ) und Eschatologie vereint und in ihrer ganzen, der paulinischen Theologie eigenen Paradoxalität vorgeführt; S1'1.'
5U 544
Dies gilt übrigens genauso für die krasser formulierten anderen Stellen, wo von der positiven Perspektive (Auferstehung. Leben) nicht explizit die Rede ist. Paulus will durch solche Zuspit7.ungen (1, B. 1 Kor (.,9-13) provokativ die Haltung seiner Adressaten oder Gegner in Frage stellen, niemals aber eine grausam-absurde ,Theologie des Leidens an sich' (ohne Hoffnung auf seine Obenvindung) entwerfen. Lohmeyert Phil 141. Gnilka. Phil 197. Dagegen Schenk., Phil 321: "eher eine verstärkte aJs eine geschwächte Hoffnung". Beide jedoch sehen in der Fonnulienmg eine polemische
Spitze gegen die Position der Gegner. m So Schenk.. phi! 328. l:~a\'aoTac:ru; ist in NT und I..JLX Hapaxlegomenon. Lohme)'er. Phi! 138: Barth. Phil 61.
s" Vgl.
250
Kapitel 3: Kraft in der Schwachheit
gleichzeitig wird diese aber auch stärker als anderswo einer Erschließung zugänglich gemacht. Indem der Text wertvolle Hinweise für die Auslegung bereits mitliefert. ist er dazu geeignet. Licht auf andere. dunkler formulierte Stellen zu werfen. Für die Auslegung von Phil 3.7-11 als zentralem Abschnitt des sogenannten .Kampfbriefes· 3.2-4.3.8f.. eines ursprünglich selbständigen Schreibens. ist der grundsätzlich paränetische Charakter des Kontextes zu beachten. Paulus versucht. die unter den Einfluß judaisierender Gegenmissionare geratenen Philipper auf den rechten Weg zurückzubringen. Er tut dies am Paradigma seiner eigenen PmQII, genauer gesagt anhand seiner Au(QbiQgraphie in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Das persönliche Leben.zeugnis dient als schlagendes Argument gegen die Gegner bzw. für die eigene Position. Der den ganzen Text und seinen engeren Kontext dominierende uitliclu Aspekt gibt den wesentlichen Leitfaden ab. an dem sich die Auslegung orientieren kann. Phil 3,7 -11 ist das Bekenntrli~ einer radikalen Abwertung derjerngen Werte. welche die jüdische (Vor-)Vergangenheit des Paulus ausmachten. und die theologische Begründung dieser Abwertung in Form eines kompensatorischen. ja übenvältigenden A wgleiehs, der seit einem bestimmten. ebenfalls schon vergangenen Zeitpunkt (Damaskus) die Gegenwart des Paulus beherrscht, aber noch seiner endgilltigen Vollendung in der Zukunft harrt. Umschrieben wird dieser die Abwertung weit überbietende Ausgleich zunächst mit .Christus', seiner ,Erkenntnis', seinem ,Gewinnen', ,ln-ihm~Erfundenwerden' und nochmals ,Erkennen', um von Paulus dann an einer existentiell erfahrenen Spannung von Leiden und Lebenskraft festgemacht 7.U werden. die er als Gemeinschaft mit Leiden, Tod und Auferstehung Christi interpretiert. Besonders in dem kühnen Wort von der ,Gleichgcstaltetheit' bindet Paulus die Anthropologie aufs engste mit der Christologie zusammen. Der Apostel hat also seine alte Sicht der Welt, die von den Gegnern und offenbar auch den Philippern nach wie vor geteilt wird, eingetauscht gegen eine Dialektik von Leben und Tod in Konformität zum Geschick Christi. Im Hinblick auf die für diese Arbeit leitende Frage nach der Paradoxalität des Abschnitts heißt das: Paulus formuliert zunächst eine provokative Um- oder besser Abwertung der Werte als paradoxe In/ragestellung der herrschenden Meinung; daraufhin begründet er diese mit dem scheinbar recht unattraktiven. ebenfalls paradoxen Gegenentwurf einer polarisierten Spannungsexistenz von Leiden und Hoffnung. Phil 3,7-11 vereint somit in sich beide zentralen Typen paulinischel' Paradoxien'" tuld läßt ihren Zusammenhang deutlich 5.. 1
Kapitel S dieser Arbeit befaßt sich (überwiegend) mit Typ 1, Kapitel 4- mit Typ 2. Wegen der thematischen Nä.he beider Typen 7.Ueinander sind die Übergänge bisweilen - wie hic.- in Phil 3 - lließend.
Phil3.1-11
251
werden: das Niederreißen der bis dahin gültigen Denkformen angesichts des Kreuzes (I) zugunsten von etwas eschatologisch Neuem. ungleich Größerem, dessen Kennzeichen freilich eine dialektische Polarität und Unanschaulichkeit ist (2). Sosehr Paulus letzteres dazu bemüht, um das erste plausibel zu machen - rational ,aufgelöst' werden können die Paradoxa am Ende nicht; notwendige Verstehensvoraussetzung für sie bleibt der Glaube.
*** Gegenstand des dritten Kapitels dieser Arbeit waren drei Texte, an denen in exempJarischer Weise das kreuzestheologische Theologumenon von der Kraft in der Schwachheit als ein Grundtyp paulinischer Paradoxalität untersucht werden sollte. Je nach Eigenart der Texte ergaben sich verschiedene Ausprägungen dieser Gedankenfigur: eine zugleich ironische wie ernste Selbstdarstellung der Apostel als ,Unrat' und ,Abscbaum' (1 Kor 4,9-13); die große ,Narrenrede' des Paulus mit dem paradoxen Rulun seiner Schwachheit (2 Kor 11,21b-12,lO); das autobiographisch gefärbte Bekenntnis, um Christi willen alles als ,Verlust oder ,Dreck' anzusehen (Phi! 3,7-11). Vorbehaltlich der am Ende vorzunehmenden Auswertung läßt sich knapp zusammenfassend sagen: In jedem der drei Texte geht es um die provokative Destruktion eines Vorverständnisses, nämlich der ,sarkischen' Sicht- und Denkweise der Gemeinden, welcher der Apostel am Beispiel der eigenen Person einen paradoxen Gegenentwurf entgegenhält. Weil dieser allerdings im Sinne der ,Welt' nicht viel zu bieten hat, ist der Gesamteindruck der Gedankenfigur eher anstößig-negativ; es überwiegt das destruktive Element. Gewiß stellt dies nicht das letzte Aussage,iel des Paulus dar; es ist jedoch ein notwendiger Bestandteil der Verkündigung des Kreuzes in der Welt.
Kapitel 4: Tod und Leben Ein zweiter Grundtyp paulinischer Paradoxien neben der ,Kraft in der Schwachheit' kann abgekürzt als Dialektik' von ,Tod und Leben' bezeichnet werden. Zwar sind die Übergänge zwischen beiden Typen an manchen Stellen fließend, zumal die einschlägigen Texte inhaltlich oft eng beieinanderliegen', doch lassen sich feine, aber deutliche Uno terschiede erkennen.' Die hier behandelte Dialektik ist eine ,gerich. tete': Das Leben überwiegt den Tod. Drei Passagen des 2. Korintherbriife. können daRir als Prototypen gel· ten: 4,7-72; 6,8-70 (innerhalb von 6,3-10) und das Proömium 7,3-77. Die Behandlung der Texte erfolgt in dieser Reihenfolge, weil entgegen neuerer Forschungstendemen' an der Auffassung festgehalten werden soll, daß mit der sogenannten ,Apologie' 2,14-7,3 ein eigener, friiher als 1,1-2,13; 7,4ff. anzusetzender Brief vorliegt.'
I
Der - ähnlich wie ,Paradoxon' - keineswegs eindeutige Begriff ,Dialektik' wird hier in etwa im Sinne einer wechsebtiUgen Re/ationalWlt und Interdependenz wein Gtgemillu verstanden. 1m Unterschied lwn ,Paradox' (im engeren Sinne) kennt die Dialektik ~:~;;.~inzidem:· bzw. IdentifIkation von Gegensä.tzen, sondern bewahrt deren ,Ko-
t
Dementsprechend werden sie von den meisten Autoren - etwa unter dem Gauungs-
aspekt ,Peristasenkataloge' - undifferenziert in dnem Atemzug genannt. ! Siehe dazu oben S. 126 Arun. 227 . .. Auf die Monographie von J. Schröter, Der versölmte Versöhner. Paulus als Mitder im Heilsvorgang zwischen Gott und Gemeinde nach 2 Kor 2,14-7,4 (TANZ 10), Tübingen/Basel 1995 konnte in den Abschnitten A und B nicht mehr eingegangen werden. Schröter kommt bei seiner Behandlung der Apologie weitgehend ohne den Begriff Paradox aus. Das gleiche gilt für die als nächster Band der Reihe erschienene Arbeit von B. Dosenius, Die Abwesenheit des Apostels als theologisches Programm. Der zweite Korintherbrief als Beispiel far die BcgrifJlichkeit der paulinischen Theologie (TANZ 11), Tübingen/Bascl 1994, obwohl die dem Thema implizite Frage nach der Wechselwirkung von Fonn (Brief) und Inhalt (E,rangelium) der paulinjschen TIleologie sicherlich auch unter dem Aspekt der Paradoxa1ität intere5sallt wäre. Auch diese UnteniUchung konnte bei den 2 Kor betreffenden Auslegungen nicht mehr berücksichtigt werden. S Siche oben den Exkurs S. 161-161.
2 Kor 4,7-12
253
A, Tod und Leben ]esu am Leibe (2 Kor 4,7-12) l. ÜBERSETZUNG
V. V.
V. 9
V. 10 V. 11
V. 12
Wir hahen aber diesen Schatz in tönernen Gefäßen, damit das Übermaß der Kraft von Gott sei und nicht aus uns: in allem hedrängt, aber nicht erdruckt, ratlos, aher nicht verzweifelt, verfolgt, aber nicht verlassen, aber nicht vernichtet. niedergeworfen, Allezeit tragen wir das Sterben Jesu am Leibe herum, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib offenbar werde. Denn immerfort werden wir, die Lebenden, in den Tod übergeben um Jesu willen, damit auch das Leben Jesu offenbar werde an unserem sterblichen Fleisch. Daher ist der Tod in uns wirksam, das Leben aber in euch.
ll. ANALYSE
7. Kontext
a) Der weitere Kontext: 2 Kor 2,14-7,3 2 Kor 4,7-12 ist ein kleiner Abschnitt innerhalb der sogenannten ,Apologie' 2,14-7,4(3)', die hier als ältestes Stück der in 2 Kor überlieferten Korrespondenz des Paulus mit der Gemeinde angesehen wird.' Dementsprechend gibt die Apologie den weiteren Kontext der zu untersuchenden Stelle ab.' Die Apologie des 2. Korintherbriefs hat ihren Namen aufgrund der verteidigenden Haltung, die der Apostel im Unterschied zum I. Korintherbrief!! hier einnimmt. Paulus sieht sich ange6
7
Zur Frage des Abschlusses der Apologie siehe oben S. 165f. Vgl. Bomkamm, Vorgeschichte; den., Paulus 241f.; siehe oben S. 163.166f. Zur .Apologie' als Gattungsbegriff siehe unten S. 260f,
3 Gleichwohl gibt es unabweisbare Verbindungslinien auch zU den anderen Teilen von
2 Kor (besonders zur Eingangseulogie 1,3-11), worauf die Gegner der Bomhunmsehen Teilungshypothese verweisen: "gI. Klauck., 2 Kor 18; K. Berger, Formgeschic:;hte des Neuen Testaments, Heide1berg 1984, 228.272f.; Dautzenberg, Briefsammlung 3061-306S; ehr. Wolff, Gedankengang und Kontextbc1.Ug in 2. Kor. 4-,7-7,4, in: L. De Lorenzi (Hg.), The Diakon(a ofthe Spirit (2 Co 4-,7-1,4-), Monographie Series of "Be· nedictina" 10, Rom 1989, 212f. 'Siehe oben S. 140f.; vgl. M. Bouttier, La souffranee de l'apotre. 2 Co 4.7-18, in: De Loremi, Diakorua 29-49. 34.
254
Kapitel 4: Tod und Leben
sichts konkurrierender Missionare gezwungen, sein apostolisches Amt, das bei den Korinthern offenbar in Mißkredit geraten ist, zu rechtfertigen und theologisch zu begründen. Er tut dies auf zweifache Weise: durch die Apologie des eigenen Dienstes, verbunden mit polemischen Angriffen gegen die Gegner, sowie durch drei größere Abschnitte, die stärker von theologischer Sacbargumentation (,Kerygma') gekennzeichnet sind." Beide Formen der Argumentation wechseln einander ab", wie der folgende Überblick über den Brief verdeutlicht: I. 2,14-3,6
2.3,7-18 3.4,1-6
4. 4,7-5,10 5.5,11-13
6. 5,14-6,2 7. 6,3-7,3"
10
Die Befähigung des Apostels im Gegensatz zu seinen Konkurrenten Der Dienst des Alten und des Neuen Bundes (Midrasch über Ex 34) Apologie! Die Offenheit des Dienstes der HerrlichPolemik keit Christi im Gegensatz zur Arglist der Gegner ,Theologie' Tod und Leben des Apostels" Die Bezogenheit des Paulus auf Gott und Apologie! die Gemeinde im Gegensatz zum SelbstPolemik ruhm der Gegner ,Theologie' Der Dienst der Versöhnung Die Leiden der Diener Gottes als EmpfehApologie! indirekte lung; eindringlicher Appell an die KorinPolemik" ther Apologie! Polemik ,Theologie'
Windisch, 2 KOT 6 spricht von einer ..Komposition aus Apologie mit theologischer Belehrung", Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte 250-254 unterscheidet - bei et-
was anderer Aufteilung als im folgenden - eine .monologische' und eine adressatenbelogene. ,dialogische' Ebene. 11 Natürlich enthalten auch die apologetisch-polemischen Abschnitte wichtige theologische Aussagen; umgekehrt sind die .kerygmatischeu' Passagen implizit apologetisch. Dennoch scheint eine solche Gliederung vom Text her grundsätzlich berechtigt. Ein wichtiges sprachliches Indiz dafilr ist die Dominanz der Personalpronomina ,wirf, ,ihr' und ,sie' in den apologetisch.polemischen Abschnitten und deren weitgehendes Feh· len bnv. die Beschränk.ung auf die 1. Person in den theologischen Pas!lagen (Ausnah· men: 4,12.15; 5,20; 6,1), n Vg1. Windisch, 2 Kor 141: ..Durch Tod zum Leben
2 Kor 4,7-12
255
Geben die durch ungerade Ziffern (Nr. 1,3,5,7) bezeichneten Passagen den Rahmen bzw, den konkreten Hintergrund an, vor dem die Apologie zu verstehen ist (2,14-3,6; 4,1-6; 5,11-13; 6,3-7,3), so liegt deren theologischer Schwerpunkt auf den drei größeren Text1.usammenhängen 2, 4 und 6, von denen \\~ederum der letzte, die große soteriologische und apostolatstheologische Abhandlung 5,14-6,2, das Hauptgewicht trägt." In dreierlei thematischer Entfaltung verteidigt Paulus in der Apologie sein Apostelamt: in typologischer Abgrenzung vom Dienst des Mo.e im Alten Bund (3,7-18), auf persönliche Weise hinsichtlich der paradoxen Leidensgestalt seines Amtes (4,7-5,10) und grundsätzlich-theologisch von der soteriologischen Begründung seines Dienstes, der Versöhnungstat Gottes in Christus her (5,14-6,2). Man könnte schematisch von einer dreifachen Form der Argumentation in der Apologie sprechen: einer ,(heils)geschichtlich'·typologisehen, ,formalen' (die Struktur des Amtes betreffenden") und ,inhaltlichen' (dessen Gegenstand entwickelnden) Behandlung des Apostolatsthemas. 17 Alle drei Themenbereiche dürften mehr oder weniger stark von der Verkündigung der in Korinth agitierenden Gegner beeinflußt sein, die mit D. Georgi als hellenistischjüdische Vertreter einer die alttestamentliche Tradition (Mose) hochhaltenden Apologetik und OEio~ aVJjp·Christologie betrachtet werden können." Dies gilt besonders rur Kapitel 3, muß aber auch für die Auslegung der anderen Passagen im Auge behalten werden, sowohl was einzelne Anspielungen als auch die Wahl der Gesamtthematik betrifft: die Herrlichkeit des Neuen Bundes gegenüber dem Alten; der Leidenscharakter des Apostelamtes; die neue Schöpfung, Versöhnung und Gerechtigkeit in Christus - Paulus setzt sich hiermit offenbar bewußt von Positionen seiner Konkurrenten ab. Wie also in 3,7-18; 4,7-5,10 und 5,14-6,2 durchweg apologetische Motive mitschwingen dürften, so enthalten umgekehrt auch die sie 15 Vgl. zu der letztgenannten Stelle unter andeTem die umfangreichen Arbeiten von H.-
J. Findeis,
VersöMWlg - Apostolat - Kirche. Eine exegetisch·theologische und Telep-
tionsgeschichtliche Studie zu den VersöhnWlgsaussagen des Neuen Testaments (2 Kor, Röm Kol, Eph), F7.B 40, Würlburg 1983. 61-252. und A. de Oliveira, Die
I' 11
11
Diakonie der Gerechtigkeit und der Versöhnung in der Apologie des 2. Korintherbriefes. Analyse und Auslegung von 2 Kor 2,14-4,6; 5,11-6,10 (l'ITA N. F. 21), Münster 1990, 259-H8. VgL die Rede vom ,äußeren Memchen' in 4,16:]n 4,7-5.10 geht es weniger um den ,Schatz' als um die ihn bergenden ,tönernen Gefaße' (vgl. 4,7). Freilich ist die Struk· tur, die tönerne Fonn von erheblicher Relevanz für den Inhalt. Eine andere Möglichkeit wäre, die Apologie bzw. ihr Mittelstück 8,7-5,10 nach ltmpOTa/tn Gesichtspunkten zu gliedern: Vergangenheit (3,1-181 - Gegenwart (4,1-18) ZUklUlft (5,I-IO); vgl. Schiefer Fernri, Sprache (201-}204. Siehe oben den Exkurs S. 188-192. speziell 190f.
256
Kapitel 4: Tod Wld Leben
rahmenden Partien z. T. wichtige theologische Aussagen (vgl. z. B. 3,6; 4,6). Die Apologie des 2. Korintherbriefes ist ein weiteres Beispiel für die Eigenart des Paulus, Situatives und Grundsät71iches, ,Kampr und ,Lehre' miteinander zu verbinden und so eine ,Theologie in der Auseinandersetzung' zu entfalten. Anders als im ,Tränenbrier (Kapitel 10-13) ist hier freilich die Situation noch nicht so weit zugespitzt, daß das polemische Element alles andere überlagerte; Paulus kann noch in relativer Sachlichkeit zentrale Themen seiner Theologie darlegen. b) Der unmittelbare Kontext: 2 Kor 4,1-18 Die Verse 4,7-12 bilden den Beginn des mittleren der drei größeren Abschnitte, die innerhalb der Apologie als ,theologische' Passagen erkennbar sind." Dieser zweite thematische Zusammenhang 4,7-5,10 behandelt das Geschick des Apostels zwischen Tod und Leben in gegenwärtiger und zukünftiger Perspektive. Im Vergleich zu den übrigen Stücken der Apologie trägt er eher leise, sehr persönliche Züge, die ilm als Einheit von dem polemisch geprägten Kontext 4,1-6 und 5,11-13 abheben. Die Abgrenzung nach vorne fällt daher leicht. Der Abschnitt 4,1-6 kehrt im Anschluß an den Midrasch von Kapitel 3 zur aktuellen Kontroverse um den Apostolat des Paulus zurück, wobei er zwei Stichworte des Midrasch, Verhüllung und Herrlichkeit, gleichsam ,funktio· nalisierend' wiederaufgreift. 20 nem ersten Wortfeld werden polemisch llavo\Jpyl'1 ... die Gegner zugeordnet (~a. KP\J1t~a. 'tii~ a1oxuVl]C; ... BOM:J(jv~sC; V. 2; zweimal K6KaA\J~~6vov V. 3; e~tlrphooO'sV ~a. VO~~
ev
19 20
21
Siehe den vorherigen Abschnitt der Arbeit. Vgl. Klauck, 2 Kor 42. Dabei darf nicht übersehen werden, daß Cl'" mit 'toihov in V. 7 durchaus an deo vor· angehenden Zusammenhang anknüpft. S. R. Garrdt. The God ofThis World and the Affiicuon cf Paul: 2 Cor 4.1-12, in: D. L. Balch u. a. (Hgg.). Greeks. Romans. and Christians (FS fUr A. .1. Malherbe), Minncapolis 1990, 99-117 will sogar ausdrücklich den ,Teufel' von V. " hintf'!r den Bedrängnissen von V. 8f. erkennen.
2 Kor 4,7-12
257
oder gar erst 5,10 in Frage kommen. Obwohl - wie schon erwähntdas Stück 5,1-10 thematisch mit Kapitel 4 zusammengehört", ist aufgrund der verschiedenen Zeitbezüge (4,7 -18 sind überwiegend präsentisch, 5, I-I 0 futurisch orientiert) hinter V. 18 ein Einsclulltt gegeben." Aber auch 4,7-18 bilden keine völlig geschlossene Einheit; mit V. 13 (ilXOVtE~ 1le ... )" und 16 (Iilb ... ) sind ebenfalls Neueinsätle zu erkennen. Die Passage weist demnach eine Dreigliedrigkeit auf: 1. 7-12 2. 13-15 3. 16-18
Tod Wld Leben Jesu am Leibe Die Glaubensbotschaft für die Gemeinde Gegenwärtige Not Wld ewige Herrlichkeit
Das Schwergewicht liegt mit sechs Versen auf dem ersten Teil, der die dialektischen Widerfahmisse des Apostels aufzählt Wld christologisch deutet 0-12). In einem zweiten Teil (eingeleitet schon durch 12b) stellt Paulus den Bezug dieses apostolischen Geschicks zur Gemeinde her (13-15). Dann aber kehrt er in philosophisch-gnostischer Sprache" - scheinbar ganz ohne spezifisch christliche Züge" - resÜmierend (1l\6) noch einmalmm ersten Thema zuruck (16-18), wobei durch den Gedanken der Ewigkeit (17[) schon die Zukunftsaussagen von 5,1-10 vorbereitet werden. Besonders der dritte Teil (16-18) steht also in enger Verbindung zu den einleitenden Versen"; V. 16 mit seiner Gegenüberstellung des ,äußeren' Wld ,inneren' Menschen kann geradezu als e1ementarlsierte Kurzfassung von 7-12 aufgefaßt werden." Die Verse 17 und 18 dienen der weiteren Erläuterung (ycip) und leiten zum nächsten Absclulltt über. 29
Angesichts der thematischen Beschränkung dieser Untersuchung auf die paradoxe Dialektik des paulinischen Apostelamtes scheint es
n Besonden Fumish, TI Cor 29 I insistiert auf dieser Feststellung: "lt is extremely irnportant to recognize that this line of argument continues in 5,1." u Dafiir spricht außerdem der gnomische Abschluß in lsb sowie der betonte Neueinsatz ol2ia~.v lOp .•. in 5,1.
Ebner, Leidensllsten 197f. spricht hier in Anlehnung an PlÜmrn, Diakonia I1tl, 36r.61-67 von einer ,Habefonnel' als Gliederungsmoment (vgl. lUvor schon 8,4.12; 4,1.7l. 75 Vgl. Bultmann, 2 Kor 126-129. " Vgl. Wmdisch, 2 Kor 156f. "Vgl. ebd. 151. 71 Zum plalonisch-philonischen Motiv des ~O'CJ) ä\'9pc.t)Jt~ in V. 16 vgl. die Monographie von Th. K. Heck.et, Der innere Mensch: die paulinisehe Verarbeitung eines platonischen Motivs (WUNT 2. Reihe 53), TObingen 1993. %9 Von mehreren Exegeten wird daher der Passus 4,J 6-18 zu Kapitel 5 gezogen und der größe.e Einschnitt bereits hinter V. 15 gesehen: Ygl. Fumish, IJ Cor 21Sff.28Sff.j Theobald. Gnade 225-252; umbrecht. Nekrosis !12; Dauttcnbcrg. Briefsammlung 3063; WollT, 2 Kor 88IT.971f.: ders., Gedankengang 212-214. 24
258
Kapitel 4: Tod UIld Leben
legitim, allein das Teilstück 4,7-12 als Textbasis zu nehmen", in dem alle wesentlichen Aussagen - die Situation des Paulus und ihre theolo· gische Interpretation - bereits enthalten sind."
2. Struktur"
Der Abschnitt 2 Kor 4, 7-12 läßt eine klare Gliederung erkennen, die in erster Linie von einem stark antithetuchen Zug beherrscht ist." Das antithetische Element zieht sich, wie die folgende Übersicht zeigt, durch alle vier Unterabschnitte der Steile." I. V. 7
Überschrift: Schatz in tönernen Gefäßen Themenangabe (semantische Antithese) Erläuterung: Gottes Kraft - nicht unsere (Antithese) 11. v. 8-9 Konkretion: vier dialektische Erfahrungen I. 8a bedrängt - nicht erdruckt (Antithese I) 2. 8b ratlos - nicht verzweifelt (Antithese 2) verfolgt - nicht verlassen (Antithese 3) 3.9a 4. 9b niedergeworfen - nicht vernichtet (Antithese 4) m. V.IO-11 Deutung: Tod und Leben Jesu am Apostel I. 10 - Leben Jesu (Antithese I) Sterben Jesu 2. 11 Tod um Jesu willen - LebenJesu (Antithese 2) IV. V. 12 Anwendung: Ziel ist die Gemeinde (Antithese) Tod in uns - Leben in euch
L 7a 2. 7b
Unterschieden werden kann zwischen den rahmenden Versen 7 und 12 sowie V. 8f und 10[ als den beiden tragenden mittleren Abschnitten. Nach der überschriftartigen Einführung in das Thema (7J bringt Paulus eine konkrete Veranschaulichung desselben in Form von vier Leidenssituationen, "drawn from Paul's experience"" (8f). Diese autobiographischen Erfahrungen werden daraufhin durch zwei parallele Jesus·Aussagen theologisch gedeutet (l0f.), womit der spannungsmä3D
So auch Fitzgerald, Cracks 166-180 und EbneT, Leiderulisten 196-242j unklarer Schi~
fer Fcrrari, Spt'"d.che 201-217. ~I
Dies gilt nicht 7.Uletlt auch für den in V. ) 3-15 entfalteten Gemeinde.Aspekt. auf den die übern.o;chende lVendung in 12b hindeutet.
n Hinzuweisen 1St auf die AnaJyscn von Theobald. Gnade 214; Lambrecht. Nekrosis 512-816: Schiefer Ferrari, Sprache 204-207 und besonders EbneT, Leidenslis(en 201-205 (201-281). VgL Kleinlutecht, Der leidende Gerechtrcnigte 254. Ebner, Leidenslisten 201 Wlterscheidct neben den ihn vor allem interessierenden Peristasen·Antithesen V. Sf. eine ,metaphoriscbc' (7), ,duistologische' (lof.) und ,kommunikative' (12) Antitheuk. u Lambrecht, N~kro5i5 815.
!!
54
2 Kor 4.7-12
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ßige Höhepunkt der Perikope erreicht ist. Den konkluc:lierenden Abschluß (ooote) bildet V. 12 mit einer überraschenden Hinwendung zur Gemeinde (sv uJ.lM. Neben der dominanten antithetischen Struktur, deren logischer Charakter im einzelnen noch genauer zu bestimmen ist", zeigt sich die sorgfältige Gestaltung der Perikope an einer Reihe von gleichen oder sinnverwandten Vokabeln, c:lie zusammen mit der einheitlichen Syntax eine strenge Parallelität zumal innerhalb der mittleren Abschnitte erzeugen: - vierrnaliger Gebrauch der syntaktischen Verbindung UM oö(J.:) , die je zwei Partizipien im Nominativ Plural (Homoioteleuta auf -J.leVol)" kontrastierend gegenüberstellt (Sf.); - zweimalige Verbindung einer mit dem Namen Jesus' verknüpften Sterbe- bzw. Todesaussage durch einen \va-Satz mit dem Ausdruck ~ ~wiJ toO 'I1100Ü", dem Präc:likat <pavepwSft und einer anthropologischen ,Ortsangabe' sv + aWJ.latl!aaplc! (l0f.)"; - Wiederaufnahme des mit sv 1tavt( (S) signalisierten Universalitätsaspekts durch 1tIivtote (10) und oie( (! 1). Weitere Einzelbeobachtungen betreffen die semantische Parallelität der beiden Antithesen von V. 7 (,Gott' - ,Apostel': in 1a metaphorisch, in 7b abstrakt-theologisch formuliert)'· oder die semantische Inklusion von V. 7a und V. 12 " in chiastischer Anordnung: S.,oallp6v
Letzteres führt zu einer Strukturierung des Abschnitts mit Hilfe der darin relevanten ,Personen'. Anders als sonst bei Paulus, wo oft das kommunikationspragmatische ,Dreieck' Apostel - Gemeinde - Gegner !6
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35
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H
Schon jetzt scheinen sich unterschiedliche Typen antithetischer Dialektik. herauszukri· stallisieren: .Iogisch plausible' (da auf verschiedene Personen verleilte: V. 7.12), .ein· fach-dialektische' (V. 8r.) und ,dialektisch·paradoxe' Antithesen (V. IOf.); mehr daru siehe unten bei der Eiru.elexegese. Dies würde die Vierteilung des Absdmitts bestä· tigen. vgl. Ebner, Leidenslisten 218; Schiefer Ferrari. Sprache 206. ' Der insgesamt nur 13mal bei Paulus begegnende einfache Jesusname (2 Kor: 7ma1; Kapitel 4: 6rnal) steht hier allein 4maL Zusammen mit V. ) 2 ist der semantische Gegensatz ea.vatOC;-~(I)'; sogar dreifach vor· handen. Eine alternative Möglichkeit ware, V. 7 (in syntaktischer Analogie zu den rva-Konstntldionen von 10f.) als eine große Antithese aufzufassen, wobei dann in 7a der Ale.· zent auf die tönernen Gefäße, in 1b auf die Dynamis Gottes gelegt werden müßte (so etwa Lambrecbt. Nekrosis 315). Vgl. Ebner. Lcidenslisten 203 AmYL 30.
260
Kapitel 4: Tod und Leben
die hinter dem Text liegende Situation widerspiegelt", ist in 2 Kor 4,7-12 eine andere ,personale Trias' erkennbar: Gott
~
Apostel
•
Gemeinde
(V. 7)
(V.8-12a) (V. 12b)
In diesem Fall ist freilich nicht von einem Dreieck, sondern einem -
textlichen wie inhaltlich-theologischen - Giflille zu sprechen: Gott als der Ursprung und eigentliche Gegenstand des ,Schatzes' (7) wird existentiell vermittelt und geoffenbart durch den Apostel (8 [71-12a) mit dem Ziel des ,Lebens' der Gemeinde (l2b). Bei aller anscheinenden Dominanz des Individuell-Paulinischen im vorliegenden Abschnitt gilt es, diese durch das Textgefälle angezeigte personale Verflechtung des Apostels mit Gott als seinem Ausgang und der Gemeinde als seinen Adressaten für die Auslegung zu beachten."
3. Gattung Bei der Frage nach der gatt,mgsmäßigen Zuordnung von 2 Kor 4,7-12 können drei Ebenen unterschieden werden. (a) Die erste betrifft den abergreifenden Textzusammenhang. Im Rahmen der literarkritischen Teilungshypothese ist der Abschnitt als Bestandteil der sogenannten ,Apologie' identifiziert worden. Die Bezeichnung ,Apologie' deutet an. daß damit nicht nur ein literarkritisch erarbeiteter individueller Text, sondern eine QJIalifizierung im Sinne einer Gattungsbestimmung gemeint sein könnte. Jedoch scheint hier Vorsicht geboten. Zwar ist nicht nur die Gattung ,Apologie'. sondern auch die Spezialform des .apologetischen Briefes' außerhalb und innerhalb des Neuen Testaments ausgemacht worden", doch wird der Begriff "hier bereits im weiteren und allgemeinen Sinne verstanden"". Im vgl. 1, B. den ,Trällcnbrier 2 Kor 10-13 (siehe oben S. 167-172), Polemische Züge. die auf die Gegner gemünzt sein könnten, sind in diesem Abschnitt der Apologie kaum oder höchstens indirek.t auszumachen. n Wolff, 2 Kor 94 und den., Gedankengang 212 will in den Versen 7-15 eine ,trinitarische' KOD1.cption entdecken: V.7 Gott - V. IOr. Jesus - V. IS Geist. Besonders wegen V. 13 erscheint dies etwas gezwungen. H Vgl. Herger, Gattungen 1287-1291.1347. u Ebd. 1290j vgl. 1287: ,.Apologie im weiter-en Wld allgemeinen Sinn ist jede Selbstrecht· fertigung und Selbstdarstellung angesichts von Gegnern und Bestreitung". U
2 Kor 4.7-12
261
strengen Sinn ist Apologie die vor Gericht gehaltene Verteidigungsrede des Angeklagten'·, die dem rhetorischen 'Y~vo~ IllKuVlK6v (genus iudiciale) angehört." Davon kann freilich bei der ,Apologie' des 2 Koranders als etwa bei den Paulusreden der Apg - nicht die Rede sein; hier käme also nur die weiter gefaßte Definition in Frage. Bedenkt man jedoch, welche Vielfalt an Fonnen der Selbstrechtfertigung es in der Antike gab und wieviel Freiheit sich antike Autoren in der Handhabung der rhetorischen Regeln herausnahmen, so wird die Existem einer Gattung ,apologetischer Brief überhaupt zweifelhaft." Von daher scheint es angemessen, den Titel ,Apologie' für 2 Kor 2,14-7,3 zwar als fonnale Charakterisierung des Textes, nicht aber als Gattungsbestimmung aufzufassen." Bei Paulus .sind die apologetischen Passagen . .. regelmäßig Selbstdarstellung der Eigenart seiner Botschaft und seines Apostolats, wobei hier im Einzelfall durchaus offen ist, ob eine konkrete Anschuldigung, ein bestimmter Angriff oder nur ein aus der Situation sich ergebender Zwang zur ,Selbstdarstellung' als historischer Anlaß ,vorgegeben' ist"50. (b) Eine andere Ebene betrifft die Frage nach (Teil-)Gattungen innerhalb des Abschnitts 4,7-12. Hier ist mit fast allen neueren Kommentaren und Abhandlungen der Pertstasenhatalog in V. 8( 1.U nennen." Durch die Parallelen I Kor 4,11-13; 2 Kor 11,23-29; 12,10; 6,4-10; Phil4,12; Röm 8,35 ist diese Gattung bei Paulus in eindrucksvoller Weise bezeugt; darüber hinaus fmden sich zahlreiche Beispiele im Umfeld des Neuen Testaments, genauer in der kynisch-stoischen Diatribe. 52 Es fallt auf, daß die Mehnahl der in dieser Arbeit untersuchten Stellen (ab-
gesehen von Phil S, 7-11 und 2 Kor 1,8-11) die Gattung Peristasenkatalog .. Vgl. ebd. " VgL u.usberg. Handbuch 54. Vgl. dazu den abgewogenen Beitrag des Altphilologen C.]. Classen. Paulus Wld die antike Rhetorik: ZN\V 82 (1991) 1-38. hier 29.S 1, der sich kritisch unter anderem mit H. D. Betz' Deutung des Galaterbriefs als antik~r Gerichtsrede auseinandersetzt. ., Unter den von Berger angefiihrten paulinischen Beispielen, die für die Gattung ,ap" logetiscber Brier in Betracht kommen, fehlt bezeichnenderweise auch der traditionell .Apologie' genannte Teil von 2 Kor. ~o Berger, Gattungen 1291. Vgl. dazu den Vorschlag von BeUeville, Letter 150-163. die 2 Kor 1-7 synthetisierend als ,apologetische Se1bstempfehlung' bezeichnet. .51 VgI. Bultmann. 2 Kor 116; Fumisb. lf Cor 280-283; KJauck. 2 Kor 44; Lang, Kor 280; Wolff. 2 Kor 89f.; Hodgson, Paul 67; Berger, GattWlgen U58; Lambrecht, Nf'.krosis 818; FitzgeraJd. Cracks 166-180; Ebner, Leidenslisten 196-242; Schiefer Ferrari, Spra-
U
che 201-217 . .5'l
Vgl. dazu neben der nach wie vor instruktiven Dissertation von Bultmann (Stil, 1910) die gründlichen neuen Untersuchungen von Fitzgerald (Cracks, 1988) und zuletzt Ebner (Lcidenslisten, 1991), der in seiner differenzierten Zusammenschau der einzelnen Typen (887-397) 2 Kor 4,Sf. aJs ..antithetisch aufgebrochenen Peristasenkatalog be7.eichnet (39J). U
262
Kapitel 4-: Tod Wld Leben
enthält. Dies dürfte kein Zufall sein. Die durch das listenartige Aneinanderreihen rhetorisch sehr wirksame Form ist bestens geeignet, den Theologu-
mena ,Kraft in der Schwachheit' bzw. ,Tod und Leben' ,prachlich Nachdruck zu verleihen und ihren paradoxen Effekt zu verstärken. Trotz der faktischen Überschneidung bei der Textauswahl ist der Gegenstand der vorliegenden Arbeit - darauf sei an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen - nicht die fann- Wld gattungskritische Untersuchung von Perista-
senkatalogen bei Paulus und deren zeitgenössischer Parallelen." Vielmehr steht hier die inhaltlich-theologische Denkform der Paradoxalitllt im Blick, die freilich auf dem anthropologischen Feld der Leiden (Peristasen) des Apostels ihren existentiellen ,Sitl im Leben' hat, der gattungjmäßig in den
Peristasenkatalogen Ausdruck fand. (cl Schließlich ist nach der Gattung des Abschnitts 4,7-12 (bzw. 7-15) als solchem zu fragen. Schon länger stehen sich hier zwei unterschiedliche Meinungen gegenüber: .Der allgemeine literarische Charakter ... ist der der religiös-erbaulichen Kontemplation oder der Konfession. Apologetische und polemische Motive treten nicht hervor."" Andererseits: .Dieser Abschnitt ist durchaus keine ,Kontemplation' oder ,Konfession' ... , sondern eine neue Behandlung des alten Themas seit 2,14-17"", "eine Fortsetzung der 3,4 begonnenen Apologie"56, In neuerer Zeit hat G. Dautzenberg im Rahmen seines Plädoyers für die literarische Einheitlichkeit von 2 Kor 1-8 zwischen beiden Positionen zu vermitteln versucht: •Vom Briefeingang an stehen die konfessorische und die apologetische Aussageabsicht nebeneinander."" Dautzenberg argumentiert in diesem Zusammenhang mit den Motivparallelen zwischen 4,7-15 und der Eingangseulogie 1,3-11, die der Gattung der alttestamentlichen todah, des ,berichtenden Lobpsalms eines einzelnen' nachempfunden sei." Von daher könne auch der Abschnitt 4,7-15 - vor allem wegen 4,13f. - "als Confessio des Paulus vor der Gemeinde" verstanden werden, welche .die Gemeinde und den Apostel im Dank für das Wirken Gottes im Leben und Wirken des Paulus zu vereinen" suche." Dabei habe die Confessio 4,7-15 (+4,16-5,10) aber "sicher auch eine apologetische Funktion"'o. 53
S\
Diesbezüglich dürften die Studien von Fitlgerald, EbneT und Schiefer Ferrari auf absehbare Zeit Wesentliches geleistet haben. Windisch. 2 Kor 14 I.
Bultm;um, 2 Kor 113. U Lietlmann-Kümmel, Kor 115. 51 Briefsammlung 3064. SI Vgl. ebd. 3058-3063; ebenso KJauck, 2 Kor 44. 55
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Ebd. 3063.3065. Nach Dautzcnberg hat das konfclösorische Element in 2 Kor 1-7 sogar eine sachliche Priorität vor dem apologetischen (vgl. ebd. 3065). Ebd. 306.1,.
2 KOT 4.1-12
263
Sosehr die Bezeichnung .Confessio' - gerade auch wegen des Perlstasenkatalogs - als Beschreibung für 4,7-12 (7-15) zu überzeugen vennag, so muß dies doch ,,~ederum nicht als ,Gattungsbestimmung' enggeführt werden. 6I Vielmehr läßt sich abschließend sagen, daß der vorliegende Abschnitt als Teil eines apologetischen Textzusammenhangs stark konfessorische Züge trägt, ohne daß damit schon die Übernahme einer festen Gattungstopik angezeigt wäre.
III. INTERPRETATION Der Abschnitt 2 Kor 4,7-12 behandelt im Grunde ein Thema in vier verscruedenen Variationen: die Schwachheit des Apostels - wenngleich der Begriff aaOSvEltt in der Perikope nirgendwo vorkommt" - und die Frage, warum diese Schwachheit nicht nur keinen Widerspruch, sondern im Gegenteil Konfonnität zum apostolischen Dienst bedeutet weil sich gerade in ihr auf paradoxe Weise das wahre Leben offenbart. Das Thema der Schwachheit wird mit unterschiedlicher Ahentuierung exponiert und durchgeführt; die durchgängig antithetische Struktur der Verse weist freilich auf ein dialektisches Grundmuster" hin, das für die Interpretation leitend sein soll. Besondere Beachtung fmden muß dabei die innere Logik der jeweiligen Antithesen; deren dialektischer und/oder paradoxer Charakter soll in der Einzelexegese auf ihren theologischen Aussagegehalt hin transparent gemacht werden."
7. Einzelexegese a) 4,7: Die theologische Dialektik von Schatl und tönernem Gefaß Die ansprechende Metapher vom ,Schatz in tönernen Gefäßen' druckt der ganzen Perikope nach Art einer Überschrift ein markantes Prägemal auf." Wie die Untersuchung der folgenden Verse zeigen wird, ist in der Aussage von V. 7 versteckt bereits der Schlüssel zu den
61
Auch BergeT. Gattungen kennt keine ,Confessio' (vgL Inhaltsverzeichnis 10811088).
Vgl. aber z. B. Theobald, Gnade 218. es Zum Begriff .Dialektik' siehe oben die Definition S. 252 Anm. 1. M Nicht mehr eingegangen werden konnte auf die These von HUbner, Theologie 11 222-224, wonach der apostolische Dienst des Paulus in 2 Kor 4,7-11 (IOC> eine An Vorausabbildung schon im prophetischen Dasein, vor allem des Jeremia. "als paradoxe Existenz eines katastrophalen und zugleich doch nicht katastrophalen Lebens" finde (ebd. 222). 6$ Es ist bezeichnend. daß Fitzgerald mit dem Titel seines Buches über die paulinischen PeristasenkataJoge gerade auf diese Stelle anspielt ("Cracks in an eartben vcssel"). 62
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Kapitel 4: Tod und Leben
übrigen Paradoxien des Abschnitts enthalten", wenngleich der Vers scheinbar einen Gedanken präsentiert, der von Paulus anschließend so nicht weiterverfolgt wird. Vers 7 enthält in seinen beiden durch das fmale [va verbundenen Hälften (a und b) 7.wei parallele Antithesen, die je ein gegensätzliches Verhältnis zweier Ebenen, der von ,Gott' und ,Mensch', zum Ausdruck bringen. Die erste Antithese in 7a ist rein semantischer Natur. Sie formuliert in bildhafter Sprache die Vorstellung vom Apostel als einem ,Gefäß''', einer Form, das einen kostbaren Inhalt, einen ,Schatl' in sich birgt (<<XOII"V). Wesentlich ist dabei die Charakterisierung des Gefaßes als ,tönern' (Qa~pchnvov), was die ..Gefahr des ,Zerschlagenwer. dens"'" impliziert. Hierdurch entsteht zwischen ,Form' und ,Inhalt' ein semantischer Kontrast. Die zweite Antithese Ob) ist theologisch-abstrakt formuliert und gibt das Ziel (Yva) jenes Kontrastes an: ,das Übermaß der Kraft' soll Gott 7.Ugeschrieben werden, nicht dem Apostel. Mit anderen Worten: Die ,Form' soll den Blick auf den ,Inhalt' nicht verstellen, sondern gerade als geringe, zerbrechliche in paradoxem Kontrast" ihn als den göttlichen Schatz besonders herausheben. Auf die motivkritische Untersuchung der Metaphern 9l]aallpoc; (bei Paulus nur hier; vgl. Kol 2,3)'0 und QatpllK\Va aKEUT] (ebenfalls nur hier; vgl. 2 Tim 2,20)71 hinsichtlich ihrer alttestamentlich-jüdischen oder hellenistischen Parallelen kann an dieser Stelle verzichtet werden." Mit 91]aallpov ~OÜtOV dürfte entweder das in V. 3f. erwähnte fi& Ähnlich wie in 1 Kor 4,9 (-13) kann also auch hier g~sagt werden, daß der ganze Text mehr oder weniger bereits im ersten Vers lwammengefaßt ist. 67 Die Frage nach der Bedeutung des Plurals hier bei OlCE.USmV wie generell in der Perikope - "eine Mehrzahl \'on Berufsgenossen" (Windiseh, 2 Kor 142) / "hinuclf and his
apostolic associates" (FUITlish,
n Cor 278), oder schrmsteUerischer Plural (vgl. Wolff,
2 Kor 91)? - sei an dieser Stelle nur kurz erwähnt. Von größerer Relevant ist die Behauptung, daß "das, was die apostolische Existenz charakterisiert, im Grunde auch der christlichen Existenz überhaupt ihren Charakter gibt" (Bultrnann. Pcobleme 8). So auch Rissi, Studien 48; dagegen GüHgemanns, Apostel 195 u. Ö. 6S WoIff, 2 Kor 91. 69 ., • •• there i5 a dear paradox in the placem~t of a \'aluable treasure (4,7) in a cheap, fragile container. A powerful paradox. and yet one that is fulIy consistent with IM paradoxical nalurt ofPaul'j gosptl in gtrleral .. ," {Fitzgerald. Cracks 168; Hervorhebung "om Vf. diescr Arbeit}, 70 Hanson, Paradox 41-44 erwägt eine traditionsgeschichtliche Verbindung zu Jesusworten wie Mt 6.19-21 par, 71 p, B. Duff, Apostolic SuITering and the Language of Processions in 2 Corinthiaru 4.7-10: BTD 21 (991) 158-165 behauptet, Paulus habe bei der Kombination von ,irdenen Geflißen' (7) und .Umhertragen' (10) das Bild 7.citgenässischer, heidnischer ,Epiphanie-Prozessionen' wachrufen wollen. 72 Vgl. dazu Windisch, 2 Kor 142; Bultmann. 2 Kor 114; Fumish. n Cor 253f.; Klauck, 2 Kor 45; Wolff, 2 Kor 91; Fitzgerald. Cracks 167(; Ebner, Lcidensli5ten 202 Anm.26.
2 Kor 4,7-12
265
Evangelium" oder eher der von Gott verliehene apostolische Verkündigungsdienst von V. I gemeint sein (vgl. die Parallelität der Formulierungen) "; die ootpCllnvo. aKSUll stehen für die HinfaUigkeit und Schwachheit des Apostels, ohne daß dies weiter spezifIziert werden müßte." Wie aber steht es um die innere Logik, um den ,dialektischen' bzw. ,paradoxen' charakter dieses Verses? Seine überraschende Aussage, die das durch den vorherigen Textzusammenhang erzeugte Vorverständnis paradoxal relativiert, besteht in der unversehens auftauchenden Negativdimension des apostolischen Amtes: Die Apostel, zuvor als n,v M~llv xup{ou XlltOlltpt~OI1SVOt beschrieben (3,18), in deren Herzen Gott selbst HAIl/11j1&V ... llpo<; Ij>CIltto110V 'rfj<; yvroO&CIl<; 'rfj<; 1161;11<; toii 9&oil ~v llpoorollql Xptotoii (4,6) - sie werden nun als ,tönerne Gefäße' vorgestellt, und gerade ab solche bergen sie, offenbar sogar notwendigerweise (Iva), den göttlichen Schatz des Evangeliums bzw. des überaus herrlichen Aposteldienstes (3,7-18l!" Die Paradoxalität von V. 7 erwächst also einerseits aus dem argumentativen Gegensatz zum Kontext, andererseits aus dem semantischen Kontrast von Schatz und Tongefaßen, die offenbar beide 7.ur Wirklichkeit des Apostels gehören. ,Dialektisch' ist das Paradox insofern, als es die letztgenannte Antithese nicht in die eine oder andere Richtung auflöst, sondern in ihrer wechselseitigen Relationalität von Inhalt und Form aufrechterhält. Der 911oauPO<; der Evangeliumsverkündigung bedingt das schwache oxsilo<; des Apostels (und umgekehrt), aber beide Pole werden nicht ineins gesetzt. Eine paradoxe Umkehrung des einen in das andere fmdet nicht statt." Verglichen mit den übrigen in der Perikope enthaltenen Paradoxien ist Vers 7 insgesamt relativ ,harmlos', d. h. logisch verständlich zu nennen. Dies liegt an der in 7a bereits zu ahnenden, in 7b explizit werdenden Verteilung der die Antithese konstituierenden Glieder auf die verschiedenen Ebenen von ,Gott' (toii B&oil) und ,Mensch' (e~ l't11i1>v), mit der eine Funhtionalisierung (lVII) des Paradox einhergeht". Indem die ootpaxtvil OX&Ull dem Apostel, der Blloaupo<; dagegen Gott zugeschrie78
So Lietunann-KÜnlmel, Kor 115; Windisch, 2 Kor 141 [
H So Bultmann, 2 Kor 114.[; Klaue&. 2 Kor 44; WoUI, 2 KOT 91; Rissi. Studien 45. Für diese Lösung spricht auch der Schluß der Perikope in V. 12 (t(i)~ EV ör.ttv).
umbrecht, Nekrosis 314 Anm. 19 nennt vier Interpretationen des Bildes der .tönernen Gefäße': Zerbrechlichkeit, totale Abhängigkeit, Instrumentalität und Kontrastierung zum ,Schatz'; er will keine dieser Nuancen ganz ausschließen. 7& "Zugrunde liegt also die Denkfonn der Paradoxie. mit der die beiden Extreme, die Fülle der Macht und das Obennaß der oo9€V&la, als sich gegenseitig bedingend 7.U· sammengebunden werden." (Thcobald, Gnade 213) 77 Daher die Behandlung des Textes in Kapitel 4, nicht in Kapitel 3 dieser Arbeit. 18 Je größer die plausible Funktion eines Paradoxon, desto geringer seine paradoxe Wirkung - diese generelle Regel kommt auch hier 1.ur Gelt\U1g.
15
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Kapitel 4: Tod Wld Leben
ben werden, erscheint das Paradox relativiert. Daruber hinaus erhält es einen Sinn: ,,Die irdenen Gefäße weisen den Blick von sich weg auf den Schatz, den sie bergen, auf die sie überbordende Kraft des Evangeliums. In diesem Zeugnis besteht ihre Funktion."" Damit formuliert Paulus in 4,7 einen Gedanken'", der in 2 Kor und daruber hinaus noch öfters zu finden ist: der Ausschluß des menschlichen ,Rühmens', des Vertrauens auf die eigene Kraft". R. C. Tannehill ~ieht in diesem Theologwnenon geradezu ein Kennzeichen
des christlichen ErlöStmgsglaubens: .God's redemption of man through the scandal cf the cross on the basis of grace alone means the exclusion of man's ,boasLI. It is precisely in tearing man away from his boast that Gad redeems man, for in this boast is 5ummed up man's rebellion against God and attempt
La
gain life on bis
OWll,
wruch block the war
LO
participation in
God's gift of life. Thus God grants man life through condenming in the cross his old life of reliance on hirnself and his own worldly possibilities."S'l
Eben dieses Motiv - nicht auf sich selbst, sondern auf Gott zu vertrauen (vertrauen zu mÜJJen) - steht fiir Tannehill als Interpretament hinter der gesamten Aussage von 2 Kor 4,7 -11: "Paw's continuing exposure LO suffering and death. so that bis existence is as an ,earthen pot', has a positive significance. It serves to make c1ear that the power is God's and not Paul's own."tIII
a." fragile
Die Frage ist, ob diese für V. 7 zutreffende Deutung generell auf den Apostel oder gar auf jeden an Christus Glaubenden ausgeweitet werden darf: Die Dialektik von Tod und Leben diene - fast ,pädagogisch' - dem Ausschluß des menschlichen Rühmens bzw. (positiv) dem Vertrauen auf die je größere Kraft Gottes. Das hane Paradox des ,Schatzes in tönernen Gefäßen' wird auf diese Weise in einer gewissen Engfiihrung instrumentalisiert und erklärt. Vielleicht ist es die Wucht des Leidens, die Paulus eher zögernd, als Nebengedanken und - abgesehen von 1 Kor 1,29 und Röm 3,27 - nur rur die eigene Person des apostolischen Verkünders von diesem Deutemuster Gebrauch machen läßt." 19 Theobald, Gnade 213. Vgl. 'Vindisch, 2 Kor 142; Dultmann, 2 Kor 115; Fumish, 11 Cor 279 (Vermutung einer Antwort auf g~gnerische Vonvürfe); Wolff, 2 Kor 91 (ähnlich); Rissi, Studien 46; umbrecht, Nekrosis 329f.; Fitlgerald, Crack.!l 170. 10 Interessantenveise scheint es auch hier, wie schon 2U 12,7 festgestellt wurde (siehe
oben S. 216), eher ein NtbtngtdQnkt
7.U
sein.
"Vgl. Röm 8,27; 9,1l; 1 Kor 1,29; 2 Kor 1,9.12; 8,5; 10,5; 12,7-10; Ga! 2,20; PhU A2
8,8.8-11. Tannehill, Dying 89.
&!
Ebd. 90.
U
Dagegen sieht L. Cerfaux, L'antinomie paulinienne de la vic apostolique: RSR 39 (1951) 221-235, 229 das Paradox von 4,7 (und weitere Stc-llen) nicht nur aufPauius
2 Ko.-4,7-12
267
Eine andere, tierergehende Auslegung von Vers 7 vermeidet diese Schwierigkeit; sie läßt sich aber erst aus den folgenden Versen begrunden. 85 b) 4,Sf.: Die empirische Dialektik von Bedrängnis und Bewahrung Mit Hilfe eines Peristasenkatalogs in Gestalt von vier antithetischen Parti,.ipienpaaren wird in den Versen S und 9 die Dialektik des Eingangsverses veranschaulicht und fortgeführt. Paulus wechselt von der metaphorischen und theologischen auf eine empirisch·biographische Ebene: Seine konkreten Lebensumstände (1t8PI-cr~Ucr8~) sollen die Aussage von Vers 7 illustrieren. Liest man den Zusammenhang der VeTse 7-9 flüchtig, so könnte man meinen, es gehe in V. sf. allein um die Beschreibung der ,tönernen Gefäße'; von einem ,Schat?' oder dem ,Übermaß der Kraft Gottes' scheint nicht mehr die Rede zu sein." Doch ist das richtig? In welchem Verhältnis stehen V. 7 und V. Sf. zueinander? Um diese Frage zu beantworten, ist ?unächst die Untersuchung der inneren Struktur, der logischen Verknüprung jener vier Antithesen erforderlich: ,)', üJ,X OU{K) .~'; die Analyse der Dialektik bzw. Paradoxalität der beiden Verse hat Konsequenzen für die interpretation des Kontextes. Im folgenden soll daher - unter Venicht auf eine semantisch·motivkritische Analyse der acht Partizipien" - diese eher formale, logische Betrachtung im Mittelpunkt stehen. Ausgangspunkt sei dabei die These, daß trotz allen Unterschiedes der Sprachebenen und Akzentuierungen die Grundstruktur der Verse 7, Sf. 10f. und 12 jeweils analog ist. Inwiefern gilt dies für den Peristasenkatalog? Eine gründliche Analyse der logischen Struktur von 2 Kor 4,Sr. (S-II) ist bereits "on M. Theobald, Gnade 214-220 sowie jüngst M. Ebner. Leidenslisten 212-233 vorgenommen worden. Deren Ergebnrusse seien hier kurz referiert.
selbst, sondem auf christliches Leben überhaupt bezogen, Analog dazu erkennen Rissi, Studien 46 (mit Arun. 96), FitzgeraJd, Cracks) 72 (mit Anm. 156) und andere in dem Prädikat so etwas wie eine Offenbannlgsfunktion (es stehe !ur IJ)avn oder
.ups9i\J.
n
Siehe unten S. 270f. 16 Demgemäß interpretiert Rissi. Studien 48. daß "beide Aussagen Sr. als BeschreibWlg des Wesens des Predigers als ,tÖnernes Gefäß' verstanden werden" mfL"iSen. Rissi warnt aU5drücklich vor einer Identifikation der jeweils 7.weitcn, von der Bewahrwlg sprechenden Glieder von V. Sr. mit den SUVC1f.Lt&;- und tm~-Awsagen in V, 7.10f. B1 Hierzu liegen bereits genügend Untersuchungen vor. vgl. neben Windisch, 2 Kor 143f.; Bultmann. 2 Kor 116; Fumish, 11 Cor 254; Wolff; 2 Kor 92 besonders Rissi, Studien 47; Fit1.gerald. Cracks 169-175; EbneT, Leidenslisten 205-\?I2i Schiefer Ferrari, Sprache 208-210.215-217. U
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Kapitel 4: Tod und Leben
M. Theoha/d stellt zunächst verschiedene Auslegungsmodelle ,'ar (,,Modell eines temporalen ... Nacheinander", "Modell des eschatologischen Nachein~ ander", ..Modell des mystischen ProzessesI') Wld leimt diese ab, da sie "von der Dynamik des Evangeliums zugunsten einer vom Apostel ablösbaren ... , individuellen Perspektive durchweg abstrahieren"II, Zudem sei keines dieser Modelle auf beide Sequenzen (Sf. und 10f.) anwendbar, obwohl deren "einheitliche Au.degung unbedingt erforderlich"St sei. Theobald setzt mit Hilfe eines ,,Modells der Paradoxie"9ß seine eigene Deumng dagegen. Er weist hin auf die drei "entgrenzendenu Wendungen &v nuv'tl, mlVto'ts und ddj sie ließen "keine Zeit für ein ,Danach', in dem es keine Drangsal mehr gäbe"91. Viehnehr interpretiert er die Antithesen im Sinne einer paradoxen Gleichzeitigkeit von Leiden und Rettung. Aber wie ist das zu verstehen? "Es bleibt kein anderer Schluß, als daß die correctio sich auf dieselbe Wirldichkeit des jeweils ersten Glieds belieht, sie nur in einem anderen Licht zur Sprache bringt. Sie ,konigiert' die sich tmmittelbar aufdrängende Erfahrung von Leid und Drangsal aus der Perspektive des Glaubens."!! Es ist also ein bestimmter Blickwinkel, nämlich der des Christus~ ereignisses, von dem her diese npaulinische Denkfonn der Paradoxieun verständlich wird. Aus jener Paradoxie heraus gilt für Paulus: "Die Überflille der 5uva"u~ manifestiert sich nicht in einem vagen ,Danach" sandeln gerade in allem Übennaß apostolischen Leidens .... M. Ebner ordnet in einer rhetorischen Analyse die gewöhnlich ,Antithesen' genannten Verbenpaare der rhetorischen Form der correctio 7.U (.y, sed non ")", weist aber darauf hin, daß die inhaltliche Intention der paulinischen Antithesen mit der jener antiken Form nicht übereinstimmt.!6 Um den Gehalt der paulinischen Aussagen besser bestinunen zu können, stellt er in einem religionsgeschichtlichen Vergleich modellhaft ,stoische' und ,jüdische' Antithesen gegenüber. Nach grundlieher Analyse dreier Perlstasentexte bei Epiktet, Plutarch und Seneca sowie eines Leidenskatalogs aus dem Testament des Joseph kommt er zu dem Ergebnis, daß nicht der jüdische Texttyp (zeitliches Nebeneinander der Antithesen, unterschiedliche Handlungsträger ). sondern die stoischen Kataloge Paulus nahestehen. !U Dabei seien es erstaunlichenveise "gerade die innere Logik und das Jlruklurelle Konzept der stobchen Antithesen ... , die Paulus mit dem stoischen Antithesenkonzept verbinden"". Konkret sei dies die griechische Dichotomie
.. Gnade 216j zuvor 214-216. 19 Ebd. 9t Ebd. 91 Ebd. "Ebd. 93 Gnade 219. .. Ebd. U Vgl. Leidenslisten 212-215. Vgl. audl Schneider, EigOlart 47-52 (spezie1l5l). 91
Vgl. Leidensli.<;ten 214f.
91
Vgl. ebd. 215-233 (gegen Kleinknecht. Der leidende Gerechtfertigte 258; K. Berger, EinfUhrung in die Formgeschichte, Tübingen 1987, 34f.; Windisch, 2 Kor 14SC). Leidenslisten 232.
91
2 Kor 4,1-12
269
des Menschen in Leib und Seele (pars irrationalis - pars rationalis) 99, die Paulus benutze, um "unterschiedlich qualifizierte ,Orte' im Menschen zu benennen, . " ohne daß die hebräische Konzeption der ganzheitlic}:len !Ylenschensicht aufgegeben würde"IO'. Paulus stelle also sprachlich den Dualismus der hellenistischen Anthropologie in den Dienst seiner - den gam:en Menschen betreffenden - theologischen Paradoxie. 101 Sachlich geht es Paulus demnach keineswegs um den sprichwörtlich ,stoischen' Gleidunut angesichts der PeriCitasen, ,,Die correclio der Hinterglieder , .. besteht darin, daß die in den Peristasen genannten Leidsituationen aus einem anderen Blickwinkel beleuchtet werden. "102 Hierin liege "die entscheidende christliche Mutation des stoischen Modells"103,
Den Antithesen von 2 Kor 4,8f. liegt eine Dialektik ~ugrunde, deren paradoxer Charakter größer ist, als die Formulierungen zunächst vermuten lassen. Nimmt man nämlich das ,entgrenzende' ~v 71av~{ speziell für die Vorderglieder ernst''', so ergibt sich nicht die Formel
(p: Peristase, pe: extreme Peristase)
p, sed non p.
im Sinne einer Bewahrung "vor dem Äußersten"'OS, die logisch noch recht verständlich wäre, sondern vielmehr die formal-logisch paradoxe Gleichung
p.
=
non-pe
angesichts der semantischen Gleichzeitigkeit und Gleichwertigkeit'" von Vorder- und Nachsätzen. Die Dialektik von Bedrängnis und Bewahrung mit dem scheinbaren ,Frae' des letzteren erweist sich bei näherem Hinsehen also als ein logisches Paradox, da die Negativität der Leidensaussagen ihren positiven Gegenstücken ebenbürtig ist. Worin aber besteht das ,Prae', da Paulus doch gewiß keine Absurditäten vorführen will? Es ist nicht auf der Ebene der Logik, sondern auf einer sozusagen ,meta-logischen' Ebene zu finden. Erforderlich dafür 99
Am deutlichsten erscheine das im Kontext in 2 Kor 4.16 mit dem Dualismus von ,äußerem' und ,innerem' Menschen. (Vgl. Lcidenslisten 230f.)
100
Leidenslisten 231.
101
Vgl. ebd. Ebenso Theobald. Gnade 239: .. Die ursprünglich anthropologische Begriff-
102
Ebner, Leidenslisten 232. Lcidenslisten 23&, Vgl. Theobald, Gnade 216. So Windisch. 2 Kor ) 43; dagegen schon Bultmann, 2 Kor 116.
lichkeit wird ubtrtragen benutzt, 105
ICM 105 ]06
tUn
eine theologische Paradoxie awzudrücken."
Natürlich ist aufgnmd des konkret-biographischen Vokabu1ar~ im Detail keine völlige Synonymität von a1tOPO~jlevot und E~Q1topoUiu;vol, S\CllK6,.LevOl ood ~YKa'taÄEln6jle VOl, KQtapaAA6/l6V01. und Dn-OUUI-U:VOl gegeben; dennoch geht die Grundintention des Paulus in Richtung eines logischen .Gleichgewichtes' beider Seiten. Dafür spricht auch die Tatsache, daß er in 1,8 das Kompositum ~a1tOpEtGeal gerade im umgekehrten Sinne venvcnden kann.
270
Kapitel 4: Tod und Leben
ist eine andere Perspektive oder Wahrnehmung, theologisch gesprochen der Glaube. In den jeweils hinteren Gliedern der Antithesen geht es nicht mehr um die irdische, weltimmanent bleibende Erfahrung, sondern die verborgene, größere Wirklichkeit Gottes, zu der allein der Glaube Zugang hat. Beim Glauben liegt der Schlüssel zum Aufbrechen des ,Paradox' in Richtung einer ,Dialektik': Paulus geht es nicht um ein logisch-eindimensionales'07, mithin absurd-paradoxes Zusammenfallen von äußerstem Leiden und gleichzeitiger Bewahrung vor diesem, sondern um die dialektische Erfahrung von extremen irdischen Drangsalen, die dennoch, ja gerade, mit den Augen des Glaubens'" auf die umgreifende Wirklichkeit des Evangeliums hin transparent sind. '09 Der Hinweis auf diese Dialektik zweier Ebenen, der Realität der ,Welt' und der größeren Wirklichkeit Gottes, fmdet sich schon im Eingangsvers 7: Das ,Prae', das hinter dem viennaligen IJ),),: oö(!e) ... verborgen liegt, ist nichts anderes als das ,Haben des Schatzes' bzw. das ,Übermaß der Kraft Gottes'. Das aber erlaubt umgekehrt eine Konkretisierung feir V. 7: 9'1craup6<; und U"EpP01..ft ~ii<; BuvttJlEOO<; sind keine göttlichen Größen, die als eine nicht näher bestimmbare, außennenschlich-abstrakte ,Herrlichkeit' anzusehen wären. Der Schatz und die übermäßige Kraft Gottes erweisen sich auf paradoxe Weise lediglich dadurch als eine ,positive' Größe, daß Paulus inmitten von extremer Leidenserfahrung dialektisch ,gegen diese anglaubt'IIO, ohne deren Negativität dadurch aufzuheben oder auch nur abzuschwächen. Die Herrlichkeit des ,Schatzes' (vgl. 2 Kor 3) ist paradoxaliter in den ,tönernen Gefäßen' verborgen. ÄImlich wie bei den in Kapitel 3 untersuchten Stellen"' wird hier das Paradox also dadurch angeschärft, daß Paulus der negativen Seite 10J
Die fonnale Logik ist ein geschlossenes, absolute Geltung beanspruchendes System.
das darur aber von anderen Dimensionen wie z, B. der Zelt abstrahieren muß (siehe oben S. 29). Ebensowenig kennt die Logik eine Distinktion von PtrsptAtivtn wie ,Wahmehmung der Welt' lwd ,Perspektive des Glaubens' (als anderer, metaphysischer Dimension), In diesem Sinne ist die fannale Logik. ,eindimensional' zu nennen. 10' V gl. V. 6 fU}: ~y ltpocromC&l XP10"tOÜ. '119 Exakt die gleiche Dialektik steht hinter der Rede vom ,äußeren' und ,inneren' l'v[en· sehen (V. 16), dem Kontrast ,gegenwärtige leichte Last der Bedrängnis' - ,ewiges Gewicht an Herrlichkeit' (V. 17) und dem Gegensatt ,sichtbar/vergrutglich' - ,uno sichtbar/ewig' (V. 18). 110 Vgl. Röm 4,18. Der christologische ErkJä.rungszusanunenhang für diese andere Perspektive des Glaubens, die inhaltlich Tod und Aufenveckung Jesu voraussetzt, wird von Paulus in V. IOf. geliefert. '11 In I Kor 4,9-13 fl'!hlt der Negativqualifi1.ierung der Apostel auf der Textebene jeder positive Ausgleich; in 2 Kor 11,2Ib-12,lO bedeutet das ,Rühmen der Schwachheit' einen Affront für das ,sarkische' Denken der Korinther; in Phil3,7-J I tauscht Paulus die Abwertung seiner früheren ,Gewinne' gegen eine scheinbar unattnktive Dialektik. von Auferstehungsmacht und Leidensgemeinschaft mit Christus ein.
2 Kor 4.1-12
271
keinen gleichsam .mit ihr kompatiblen' positiven Ausgleich gegenüberstellt; letzterer liegt vielmehr auf einer ganz anderen, tieferen Ebene der Wirklichkeit.'12 c) 4,10f.: Die christologisch-anthropologische Dialektik von Tod und Leben J esu am Leibe Der bewegende Erfahrungsbericht der Verse 8 und 9 zusammen mit seiner vorausgeschickten, allgemein bleibenden theologischen Deutung in V. 7 hinge in der Luft und würde für sich genommen zwar Eindruck, aber angesichts seiner paradoxen Dialektik auch ein gewisses Unverständnis hinterlassen, wenn nicht durch V. 10f. der ar-gumentative Kreis geschlossen und die kühne, dialektisch-paradoxe Konstruktion christologisch verwurzelt und gedeutet würde. Die beiden Verse 10 und 11 gehören zum Dichtesten, was hinsichtlich des Zusammenhangs von Tod und Auferweckung Jesu einerseits sowie Leiden und Leben(skraft) des Apostels (bz\\'. eines jeden Glaubenden) andererseits bei Paulus zu finden ist"'; zugleich sind sie Paradigmata für paulinische Paradoxalität überhaupt"'. Die Verse sind streng parallel gestaltet''', wobei 11 als wiederholende Erläuterung von 10 zu verstehen ist ll6 : In V. 12 wird die positive Dimension der Dialektik über die Person des Apostels hinaus mit der \'on seiner Verkündigung ,zum Leben erweckten' Gemeinde in Verbindung gebracht; davon ist hier freilich noch nicht die Rede. 115 Kleinknecht. Der leidende Gerechtfertigte 281 sicht hier ndie in 1 Kor 1-4 im Blick auf das KreuzJesu und jn 1 Kor 15 auf seine Auferuehung je für sich schon ausgebildeten christologischen Bezüge zu einer umfassenden, einheitlichen Kom.cption verbunden. IU Vgl. Kamlah. Paulus 2ao: ,Je!u Leben tritt am sterblichen Fleisch in Erscheinung. Das ist ein Paradox. wie es zugespiuter in der Sprache des Paulus kaum zu denken jst. Daß am Sterblichen das Leben in Erscheinung tritt, ist schon gegen jede Envartung. Aber noch schroffer stehen Jesus und das ,Fleisch' im paulinischen Sinne einander gegenüber . .. In diesem Paradox ist das, was sich bisher über das besondere Leiden des Paulus als Apostel beobachten ließ, ins Grundsätzliche erhoben." 11" Da der Eindruck. der Parallelität beider Verse die Von Lambrecht, Nekrosis S25f. akribisch vorgenommene Beobachtung gewisser Abweichungen von 11 gegenüber 10 eindeutig übenviegt, ist Lambrechts Schlußfolgenmg zurückzuweisen, Paulus verknüpfe hier verschiedene Kategorien der ,Teilhabe' und der ,Nachahmung' (vgl. ebd. 326-329; älmlich Fitzgerald, Cracks 180). VgJ. dazu Windisch, 2 KOT 14-6; Bultmann,
112
U
2 Kor 121; Fumi,b. 1I Cor 256f.284; Klauck. 2 Kor 45f.; Lang. Kor 281; Wolff. 2 Kor
116
93; W. Popkes, Christus traditus. Eine Untersuchung zum Begriff der Dahingabc im Neuen Testament (AThANT 49), ZUrich/Stuttgart 1967, 150; K,-A. Bauer, Leiblich· keit, das Ende aller Werke Gottes. Die Bedeutung der Leiblichkeit des Menschen bei Paulus (StNT 4), Gütersloh 1971,108-115; Theobald. Gnade 217f.; Ebner, Leidenslisten 284-237. IJ • • • wohl deshalb, weil die schwierige Fonnulierung von V. 10 einer Explik.,tion (yap) oder schärferen Akzentuicnmg bedurfte." (Theobald, Gnade 217; vgl. GOngemanns, Apostel 121f.l
272
Kapitel 4: Tod und Lehen
V.IO
V.II
ltav~o~e
<'u(
-nlv VeKpCOOW ~00 '1110"00 ... 1t8p\(pepov~e~ &V 'tep O'wJ.1a·tt lvaKa( ~ ~co~ toO '1110"00 I:v ~ii> O"cOllan ~Ilöiv q>avepco9fj
B!~ 9ava~ov
ltapalhö6lle9a Stil '!11O"OOV 1')llet~ o! ~öiv~e~ lva Ka( ~ ~co~ ~oil 'I11O"oil ev -rii 9V1]tii O"apKI1')llöiv q>avepco9fj
Folgende Beobachtungen an den beiden Versen sind für die Auslegung relevant: - ltavtote (10) und ae( (I J) schließen an EV ltavt( (8) an und erheben die Aussagen in den Rang grundsätzlicher, genereller Geltung. - Das auf den oder die Apostel zu beziehende Subjekt ,Wir', dem darüber hinaus eine exemplarische Funktion fUr die christliche Existenz im allgemeinen zukommen dürfte'l7, steht jeweils in der Protasis verbunden mit einer Sterbens- bzw. Todtsaussage: -nlV v,!JepcoO"\v ... lteptq>epovt~ (lOa); e!~ 9clva"tov ltapaöwOlle9a (lIa)"'.
- Dem steht jeweils in der Apodosis eine Aussage gegenüber, wonach sich an der gleichen Person das Lehen (~co~: 1Ob. 11 b) offenbart. - Verknüpft sind Protasis und Apodosis analog zu V. 7 zweimal durch die fmale Konjunktion fva, die das Iill' OU(lC) von V. 8f. ersetlt und überbietet: Statt einer bloßen Koexistenz der Gegensätze formuliert Paulus nun die Bedingung oder Funktion des einen für sein kontradiktorisches Gegenteil (,Tod, damit Leben'). Noch zugespitzt wird die Paradoxalität der Aussagen durch das dem lva jeweils nachgestellte Ka{ (,auch'), das eine Simultaneität der Gegensätze sigoaiisiert. lI ' - Schauplatz des paradoxen Geschehens ist der ,Leib' (O"oolla: 10a.b) blW. drastischer das ,sterbliche Fleisch' (9V1]~1I O"clp~: llb) des Apostels, mit anderen Worten die ganze irdisch-menJChliche Existenz (~Ilet~ oi ~OOVt6~: Ila'20), insofern sie bei Paulus als .das in
111
Siehe dazu oben S. 264 Anm. 67 sowie a.usführlich die Exegese von 2 Kor 1,7 (unten
S.322-324).
11. Zum l\'loti" der .Dahingabe' an 1\9
dieser SteHe vgl. Popkes, Christus 150f.277f.
Die Variation €v tft 9"r"rn O'apKl ~Ilmv (Ilb) macht diese Gleichzeitigkeit des ,Lebens'
mit dem ,Tod' ganz deutlich (vgl. Bauer, LeibJichkeit 113f.; Theobald. Gnade 217), 120 Im Gcgcnsatzlum Begriff tfl}~ im Kontext dürfte mit dies~m AlIsdmck. nur das physische Leibe:o;leben gemeint sein (vgl. Windisch. 2 Kor 1t16; Bultmann. 2 Kor 121; Furnish. II Cor 256; Rissi, Studien 53; implizit Lang. Kor 281; Wolff, 2 Kor 93; gegen
278
2 Kor 4,7-12
der Leiblichkeit nach ,außen' gewendete, als ,draußen' erfahrbare Leben, zu dem wesentlich Anfälligkeit und Hinfälligkeit gehört"12!, verstanden werden kann. - Der entscheidende Gedankenfortschritt gegenüber den vorherigen Versen liegt jedoch in der Einbringung der chriJtologischen Dimension. Es ist das SterbenJesu (~oii 'hl<1oii), das Paulus am Leibe herumträgt (lOa), damit zugleich das Leben Jesu (~oii 'ITj<1oii) ebendort offenbar werde (JOb); bzw. umJesu willen (Iha. 'ITj<1oiiv) wird Paulus immerfort dem Tod übergeben ( 11 a), damit das gleiche, die Offenbarung der ~ro~ ~oii 'ITj<1Oü, an seinem sterblichen Fleisch geschehe (11 b). Die Rede ist also von vier verschiedenen Größen, die zu zwei Paaren geordnet werden können: die Wirklichkeiten ,Tod' und ,Leben', andererseits die Personen(gruppen) ,Wir' (Apostel) und Jesus'. Diese Paare sind zum einen wechselseitig aufeinander bezogen: Die Dimension des Todes wird zunächst als V&Kpro<1l<;Jesu identifiziert, die zugleich aber die des Paulus ist"', sofern er sie ,allezeit am Leibe herumträgt' und ,immerfort dem Tode übergeben' wird; ebenso wird die Dimension des Lebens einerseits durch ~oii 'ITj<1oii als dessen Auferstehungsleben qualifi71ert, andererseits an der Existenz des Apostels offenbar. . - - - - - Tod Jesus
~ Apostel
~Leben~ ,Tod' wie ,Leben' sind demnach bestimmende Wirklichkeiten so· wohl für Jesus als auch für den/die Apostel. Darüber hinaus zeigt sich aber eine Relationalität auch inne7halb der beiden Paare, obwohl diese dem Vorverständnis nach unvereinbare (Leben und Tod) bzw. personale Gegensätze (jesus - Apostel) darstellen. Beim ersten Paar werden der ,Tod' vermittels der fva-Konstruktion als Bedingung für das ,Leben' sowie beide Wirklichkeiten als simulBauer, Leiblichkeit 113; N. Baumert, Täglich sterben Wld auferstehen. Der Liter.tl-
'21
sinn von 2 Kor 4,12-5,10 IStANT HJ, München 1973, 78-81: Theobald, Gnade 217). H. Schlier, Art. 9~{P"', 9~iljll,: ThWNT III (1938) 147. VgL Bauer, Leiblichkeit 185: nDer Mensch heißt also crmp.a. sofern er sich im Zdt.RaumJesu Christi von sich selbst zu differenzieren und zum Objekt eines Geschehens oder Erleidens zu werden VCI"mag,"
12!
Winwsch. 2 Kor 40 (zu 1,5: nu9tl....u"tu 'toü XPlO'tOO) nennt drei Aspekte dieses Genitivs (ursprünglich ein gen. subi.): Leiden wit Christus - Leiden 'Mgtn Chrisrus - Lei· den in Cluistus (bzw. Christi Leiden in uns).
274
Kapitel 4: Tod und Leben
tane Phänomene charakterisiert. Beim 7.weiten Paar erscheint Jesus vermittels seiner veKpOlO"I~ und ~0I1\ geradezu als ,Inkarnation'''' am Leib des Apostels. Die Skizze wäre somit zu vervollständigen: ....---- Tod - - - . . . . Jesus
*..
Apostel
~ Leben - - - - - -
Genau besehen ergibt sich daraus für die Verse lOf. eine dreifache Paradoxalität: 1. Wie können Tod und Leben gleichzeitig am Werke sein? 2. Wie kann der Tod die Bedingung für das Leben sein? 3. Wie kann die WirklichkeitJesu sich am Leib des Apo,t.b offenbaren? Die Antwort auf das erste Problem hat die Untersuchung der Verse 8 und 9 bereits ergeben. Hinsichtlich des Apostels sind die Stichworte ,Sterben'I,Tod' (lOa.lla) einerseits und ,Leben' (lOb.llb) andererseits als zusammenfassende Abbreviatur der Antithesen von V. 8f. zu verstehen. Die gleiche Dialektik wie dort wird von Paulus nun auf abstraktere, grundsät7.lichere Weise wiederholt. Das bedeutet: Erneut geht es Paulus nicht um eine eindimensionale Koexistenz der beiden kontradiktorischen Gegensätze, die wegen deren Inkompatibilität schlechthin absurd wäre. Vielmehr bedarf es auch hier der Unterscheidung zweier Ebenen, der des konkret-empirischen Widerfahrnisses der alltäglichen Drangsal (,Tod') und der - damit gleichzeitigen - Ebene der Wirklichkeit Gottes (,Leben'), die sich allein der Wahrnehmung des Glaubens erschließt. Nur als eine solche Dialektik von irdischer Leidenserfahrung und im Glauben erkannter göttlicher Wirklichkeit wird die scheinbar absurde Simultaneität von Tod und Leben in V. lOf. plausibel. Neu gegenüber V. sf. sind allerdings das 7.weite und dritte Paradox.'" Das Problem des lva, also die ,Funktionalisierung' des Todes rur das Leben (Nr. 2) hängt eng mit dem anderen, der Verbindung von ,Anthropologie' und ,Christologie' (Nr.3) zusammen. Rein menschlich betrachtet wären auch die ,Damit'-Aussagen schlichtweg absurd: ,ich sterbe, um zU leben'? Die lva-Konstruktionen venveisen IU
124
ti1 ... aap<\ ~~öiv (I lbl. Berucksichtigl man die eingangs festgestellte Funktion der Verse 10 und 11, nämlich das Vorhergehende zu deuten, verständlicher zu machen, so kann Paulus einmal mehr \'erbtnfTen: Er erläutert einen paradoxen Sachverhalt (V. 7-9) dadurch, daß er l\Y'ei neue Paradoxa einführt - gleichsam ein ,Meta-Paradox'. Der Abschnitt ist ein charakteristisches Stück paulinischer Argumentation und Theologie. Vgl. tv
2 Kor 4,1-12
275
jedoch auf das Geschehen, das hier mit dem einfachen Jesusnamen ins Gedächtnis gerufen wird: daß Christus starb, aber von den Toten auferweckt wurde''', ja daß er gekreuzigt wurde, um zum Leben aufzuerstehen, weil seinem Tod eine soteriologische Bedeutung oder gar Notwendigkeit zukommt.'26 Auf verschlüsselte Weise, quasi über die Grammatik. erinnert Paulus hier an dieses christologische Grundgeschehen, indem er dessen paradoxe Struktur (,V8Kp(i)
Prozeßl2B handelt, und b) warum Paulus so betont den einfachen Jesusnamen verwendet. a) Die erste Frage erscheint bei näherem Hinsehen relativ müßig 129 , wenn~ gleich die Deutung der vt"pro
Eher stellt sich die Frage, ob das Stichwort v,bcproal<; (in Verbindung mit dem Verbum "epllj>epEIV, vor allem aber der tva-~(Il1\-Konstruktion) nicht eine versteckt JOleriologUcht Komponente enthält, wenngleich zugegebenermaßen explizite Hinweise darauf fehlen. Muß nicht dem ,Sterben Jesu' auch hier implizit eine Heilskraft zuerkannt sein, wenn Paulus aus dessen Am~Leibe-Tragen eine Finalität zum Leben ableiten kann? Die V&KpCOmc;; 'toü 'I~aoii wäre so gesehen eine v~"pco~ imEp ~)1Ö>v. Die Frage nach der Rele12~
Vgl. 1 Kor 15,~f.
\.L
ö.
Siehe oben S. 86-90. 121 So vor allem Gilttgemanns, Apostel 114-111; ebenso Rissi, Studien 49. 12B SO Windisch, 2 Kor 145; Buhmann, 2 Kor 119; Fumish, II Cor 283; Lang, Kor 281; WolfT. 2 Kor 92f.; Baumert. Sterhen 72f (Betonung des passiven Moments; anders Tannehill, Dying 85; nan ac!i"e power at work in Paul's body"); Bauer, Leiblichkeit 109-112 (nGeschehen"); Thcobald, Gnade 211; Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte 274; Lambrecht. Nekrosis 809; Ebner, Leidenslisten 234. 119 Fit7.gerald, Cracks 119 hält eine Kombination von beidem rur möglich.: Jeslls' ,dying' as weU a.s bis ,death'." 1!1i
ISO
Vgl. Theobald, Gnade 211.
Vg1. Popkes. Christus 151; Chr. Wolff, Niedrigkeit und Verzicht in Wort und Weg Jesu und in der apostolischt'!n Existeru. des Paulus: NTS M (988) 183-196,190, 152 Gütrgemanns, Apostel 118.
151
276
Kapitel 4: Tod und Leben
vanz der Vthcpo)(Jl~ scheint ebenso wichtig wie die nach ihrer äußeren Gestalt, b) Das vierfache Vorkommen des ein rachen Jesusnamens hat zu Vennutungen Anlaß gegeben, Paulus wende sich damit polemisch gegen die Christologie der im Rahmen der Apologie bekämpften Gegner,'" Tatsächlich polemisiett er später im TIänenbrief gegen den ,anderen Jesus' der in Korinth aufgetauchten KonkWTenten: 81 IIh rap (, tPxoll8VO, liAAov 'IT]CJoGv lCTJpu(J(J8t, 6v OUK tlCTJP&;UIl8V .. , (11,4), Umstritten ist freilich die Einschätzung des Gebrauchs von "T](JoG" Während Schmithals und Güttgemanns die Gegner fiir Gnostiker halten, gegen deren Vorstellung eines erhöhten Pneuma-Christus Paulus betont den irdischenJesus anfahre l !4, sieht Georgi umgekehrt in den Gegnern judenchristliche Wandennissionare, die mit Hilfe des Schlagwortes ~ro~ "T](JOü eine irdische 68Io,.aV1\p-Christologie propagiert hätten, was von Paulus in 10f. ironisch aufgegriffen werdeiss . Wer auch immer hinter der Polemik des einfachen Jesusnamens stehen mag'" - Paulus betont in v, 10f, den iTdischenjeJus, ]esus von Nll7.areth als sterblichen Menschen, der in paradoxer Identi.tät zugleich der erhöhte etui· stus ist. lS'1 Die Gleichheit des Namens 'ITlC106C; in Vorcler- und Nachsätzen verleiht dem Paradox besondere Schärfe, Was auf der ,anthropologischen' Ebene als Dialektilt von Leidenserfaluung (,Tod') und Glaubcnskraft (,leben') gedeutet werden kann\5l, ist auf der tieferen, christologischen Ebene verwurzelt in der Ein.heit derselben Person Jesus', d. h. der paradoxen Identität des Gekreuzigten mit dem Auferstandenen. Paulus liegt offenbar daran, "die beiden Seiten der Paradoxie, Kreuz und Leben, bereits an ihrem Ursprung, dem Christusereignis, zusammenrubinden"U9. Die Dialektik von Tod und Leben am Leib des Apostels resultiert aus der Identität der sowohl von v6Kprom~ als auch ~ro~ geprägten Person Jesus','" Der Akzent liegt hier So besonders Georgi. Gegnt:r 286-289; Schmithals. Gnosis 158f.; GUttgemanns, Apo. stt:11l2-114. Vgl. ebd. t55 Vgl. Gegner ebd. 136 Angesichts des eher konfessonschen Charakters des Abschnitts (siehe oben S. 262f.) wäre 7.U fragen. ob überhaupt Polemik vorliegt. lS7 Vg1. Windisch, 2 Kor 145(; Güttgemanns. Apostel 113; Gnilka, Paulw 211. Zur Pr.; blematik des Ausdrucks ,paradoxe Identität' siehe unten Anm. 140. m Siehe oben die Auslegung zu V. 8f. und S. 274. U9 Theobald, Gnade 218. UD Der Ausdruck ,paradoxe Identitä.t' ist nicht unproblematisch und bedarf der Klärung (vgl. die Kritik von Bauer. Leiblichkeit 114- Anm.. 51 \.U1d Schrage. Leid 168 an Gütt· gemanns). Zwar hat Güttgemanns recht, welUl er sagt: "Der Jesus am Kreuz wjrd nie zur abgetanen Vergangenheit. sondern bleibt." (Apostel 118, im Original kursiv) Aber wie ist das zu verstehen? Aus1.Uschließen ist eine simultane Sichtweise, die das Christusereignis als Gtsrnehen nicht emstnähme: ,Der tote Jesus ist zugleich der le· hende' o. ä. Vielmehr meint .paradoxe Identität' die ptf'sonale KonUnuUät T.Wischen dem Gekreuligten und dem Aufenveckten, der als solcher freilich ,nicht mehr stirbt" denn .der Tod ist nicht mehr Herr über ihn' (Röm 6.9). Jesus lebt; er bleibt jedoch insofern "gerade all; der K~PIO<; der eO'taopro~L~VO~" (Gütlgemanns, ebd.), als die S(Jttriologische Relroanz seines Todes nach wie vor aktuell ist, h1.w. - paulinisch formuliert ,wir alle1.eit das Sterben Jesu am Leibe herumtragen' (V. 10). Die paradoxe Identität
ISS
lJt
2 Kor 4,7-12
277
mit dem einfachen Jcsusnamen auf dessen irdischer Exi'itenz, was indirekt
noch einmal die Schwere der paulinischen Peristasen hervorhebt.
Die Sunune der angestellten Überlegungen ergibt folgendes Bild für das Verhältnis von Jesus und Apostel: Wenn - auf der anthropologischen Ebene die Verse 1Of. in theologischer Sprache die gleichen Erfahrungen reflektieren wie V. 8f., eine paradoxe Dialektik von extremen Peristasen (,Tod') und deren glaubender Bewältigung (,Leben'), und - auf der christologischen Ebene das Geschehen von Passion und Aufenveckung Jesu im Blick steht (v81CpOlm~ - ~0l1\), evtl. sogar (lva) dessen soteriologische Bedeutung, und dieses unter Betonung der irdischen Dimension ('I1]croil~) als paradoxe Einheit erscheint, dann besteht die Grundaussage von V. lOf. in einer Analogie'" der Geschicke vonjesus und Apostel. Paulus konkretisiert und verankert seine persönliche Leidenssituation im Christusereignis: In seinem 9Alßetcr9al., a.1topetcr9at usw. spiegelt sich die v61CpOlcrt<;Jesu; aber so wie Jesus zum Leben enveckt wurde, so - das ist der in V. 8f. noch unklar gebliebene Schluß'" - wird sich auch am Apostel das Leben als siegreich enveisen, ja ist es schon jetzt'" inmitten des Todes (sv 'tfj 9V1]'tfj crap1C{) offenbar. Die Dialektik der apostolischen Existenz ist Abbild der Dialektik von Kreuz und Aufenveckung Jesu Christi.'" Es wird deutlich, daß es sich hier um eine Glaubensaussage'" im strengen Sinne handelt, die rein rational nicht begriindbar ist. Nach· dem Paulus in V. 8f. seine Peristasen als paradoxe Dialektik beschrieben hat, die mit Hilfe einer Unterscheidung von irdisch·empirischer und göttlicher Ebene plausibel gemacht werden kann, nennt er in V. lOf. den sachlichen Grund dieser Dialektik beim Namen: der urchristliche Glaube an die Aufenveckung J esu, der bald auch zu einem Glauben an die Heilsbedeutung seines Todes wurde. Paulus begriindet
141
des Jesus der V61CPOOcru; mit dem Jesus der twiJ ist also ebenfalls nicht undialektisch zu sehen, :!Iondem geschichtlich-sukzessiv (vorösterlich - nachösterlich) bzw. ,perspektivischl (der bleibend für uns Gestorbene - der Erhöhte). Vgl. Ebncr, Leidenslisten 237f. - Der Ausdruck. ,Analogie< ist dabei im tnditioneUtheologischen Sinne als ,Ähnlichkeit bei je größerer Unähnlichkeit' zu verstehen. GUttgemanns, Apostel 18-29.195 lehnt den Begriff ,Analogie' dezidiert ab. Gmln, Paulus 90 dagegen spricht (im Zusammenhang ritit 1 Kor 1,26-29) von der .AnaJogia CIlJcis'.
147
14!
Dort lediglich angedeutet in dem OJJ..' OUK. Gegen Rissi, Studi~n 51f., der zu einseitig den futurischen Charakter der C(a)~ betont (..Ziel", ..Verheißung Im Text kann diese Analogie am ehesten an dem Ausdruck lila 'hlC'OÜV in V. 1I verifiziert werden. Das ,um Jesu ,villen' bildet gewissermaßen die Brücke zwischen der anthropologl'iChen und der christologischen Ebene der Verse. Das Stichwort lt{anc;/ltuJt&oro erscheint im Kontext in V. 1g gleich dreimal. U
IH
1'5
).
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Kapitel 4: Tod und Leben
in kühner christologischer Rückbindung die Paradoxie seiner persönlichen Existenz mit Hilfe des Glaubens an den Gekreuzigten wld Auferstandenen. Beide Ebenen, sowohl die anthropologische als auch die ihr zugrundeliegende christologische Dialektik., sind also theologische Paradoxien, die sich inl Bereich des Glaubens bewegen. ". Mit dieser Einschätzung des Verhältnisses von Jesus und Apostel in V. 10f. a1, Analogte im ModUJ d" Glaube1t.l sind einige Interpretationen der For· schungsgeschichte als problematisch zurückzuweisen: - die Deutung einer my'tiJchen Christusgemeinschaft des Paulus unter Aufhebung der Zeit· und Personaldifferenz <,Vergottungsprozeß'l'''; - die Behauptung einer mit den Stichworten ,Nachalunung" ,Nachfolge', ,Fortsetzung' oder .Darstellung' umschriebenen akliven RoUe des Apostels an diesem Verhältnis, gegen die unter anderem in V. 11 das Passiv 1tupa.. ~IIl6JlE9a spricht"'; - damit verbunden der Gedanke der Stellvertretung des Apostels für seinen Herrn, demzufolge auch den Leiden des Paulu. eine Heilsbedeutung zukomme H9; - aber auch der von Giittgemanns favorisierte Begriff der Epiphanie 150, sofern damit unter Bestreitung einer Analogie alhu direkt eine Präsenz ndes Christus sdbst", "des Kyrios Jesus am Soma des Apostels" verstanden wird1.51, und sofern diese Epiphanie statisch-eindimensional eUle ,paradoxe Identität' von t",a"pWIlEvo<; und ,ruplO<;, VSKPW"U; und ~w~ sein solll.5~.
Die Gegenprobe ist leicht gemacht: Aus der ,Donnalen' Perspektive eines Nichtglau. benden wäre Jesus lediglich ein am Krem gescheiterter Wanderprediger. Paulus ein bemitleidenswerter Narr. dem ein ähnliches Schicksal bevorsteht. \U Nähere Beschreibung. Belege und Kritik bei GUttgemanns. Apostel 16-26.102-112. IU SO aber Schrage. Leid 162f.i Fitzgerald. Cracks 180; VOI"Sichtig Lambrecht, Nekrosis S27-329. Zur Kritik vgl. Güttgemanns. Apostel 14-16. - Dies schließt freilich nicht aus, die Parallelität von Jesus und Paulus ahn- 4,10]. hfnaw (etwa im Hinblick auf beider geneTeUe Haltung des dienenden Vel7ichts) mit der Kategorie ,Naelifolge~ 7.U umschreiben, wie es z. B. Wolff, Niedrigkeit 192 unternimmt. Hg Vgl. die Belege und ihre Kritik. bei Güttgemanns. Apostel 26-28. Anders als in Kai 1,24 (deuteropaullnischl) ist von einem solchen Gedanken hier nichts zu erkennen. 150 Vgl. ebd. 29 u. Ö. ISI Ebd. 118.119. Vgl. dazu Rissi, Studien 51f.: ..... nicht ,der Gekremjgte als der Herr' wird epiphan in der geschichtlichen Existenz des Apostels. sondern allein die Todes· ohnmachtJesu, d. h. die Tatsache da)JtJw auch und z.unsl dn- Wehrlose war", und ",nicht
146
l
der Aliftrstandme selbst iJl epiphan am Soma des Apostels. sondern die schöpfrrüche Lebem~ ArajlJesu". Knapp, aber zutreffend Ebner, Leidenslisten 237: "Der Terminus VEKP(OOV; 'IT1croü gibt in 4,10 nur dann einen Sinn, wenn er analog ausgelegt wird: Paulus trägt nicht die TodesleidenJem an seinem Leib." Auch die Variation 5ul 'ITlcroüv in V. 11 nötigt zu einem analogen Vcrständnis. 152 Vgl. Güttgemanns, AposteI118.12S. Kritisch dazu Bauer. Leihlichk.eit 114 Anm. 51: "Werden in der Denkfonn der par.lIloxen Identität im Modus der Gleichzeitigkeit zwei einander ausschließende Prädikate von demselben Subjekt ausgesagt, dann er· hebt sich die Frage. ob solche Denkfonn nicht ihrer Struktur nach nuf dU undialelt.lisehe ldmtifiutrung von Tad und Leben am Leibe b..f Aposttu IIinawläuft." (Siehe auch oben S. 276 Anm. 140.) - Gleichwohl ist der Begriff ,Epiphanie' hilfreich, insofern darin
2 Kor 4.7-12
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Wie läßt sich das als ,Glaubensanalogie' bestimmte Verhältnis von Apostel und Jesus näher präzisieren? Am sinnvollsten scheint ein Blick auf andere, mit 2 Kor 4,IOf. venvandte Stellen bei Paulus. Im ,Tränenbrier (2 Kor IO-13) fmdet sich eine Aussage, die die Parallelität beider Geschicke ganz explizit fornlUliert: ,Denn er wurde zwar gekreuzigt aus Schwachheit, aber er lebt aus der Kraft Gottes; so sind auch wir zwar schwach in ihm, aber wir werden leben mit ihm aus der Kraft Gottes gegenüber euch.' (13.4) Mehrere andere Stellen sprechen in ähnlicher Weise von einer ,Analogie der Dialektiken' zwischen Jesus und seinem Apostel: ,Denn wie die Leiden Christi uns überreich zuteil werden, so ist durch Christus überreich auch unser Trost.' (2 Kor 1,5}'" ,... um ilm (Christus) zu erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, gleichgestaltet seinem Tode, ob ich wohl zur Auferstehung von den Toten gelange.' (Phil 3, 1Of.) 154 .' .. wenn anders wir mitleiden. damit wir auch mitverherrlicht werden.' (Röm 8,17) Geradezu eine breite Entfaltung dieses Schicksals zusammenhangs vom Gedanken der Taufe her bietet Paulus in Röm 6,3-11. Schließlich enthält auch der Galaterbrief zwei Passagen, deren Verwandtschaft mit 2 Kor 4,1Of. nicht zu übersehen ist. ,Denn ich trage die "nYJ!a~aJesu an meinem Leibe' (Gal6,17) ist eine direkte Parallele zur v8Kpmcn~-Aussage von V. 10. Die vielleicht wichtigste theologische Erklärung unserer Stelle liefert Gal2,19f.: ,Ich bin mit Christus gekreuzigt; ich lebe - aber nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir; was ich aber jetzt im Fleische lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat.' Die angefiihrten Parallelstellen machen deutlich. daß Paulus ein und denselben Sachverhalt auf ganz unterschiedliche Weise formulieren kann.''' Eirunal betont er mehr die Analogie seines Geschicks zu dem Jesu (2 Kor 13,4; 1.5; Röm 8,17). das andere Mal eher die dialektischparadoxe Gestalt desselben (2 Kor 4.1Of.; phil 3.1Of.); einmal gebraucht er Bilder (VEKP{J)"l~. "~(YJ!a,a. (J\)o~aupoiio9atl. darm wieder das Moment des OffinbaTcru zwn Ausdruck kommt (vgl. das zweimalige qmvEpm9i'i V. lOb.llb). Vgl. Lambrecht, NeMosis 319f.: ..IJaul certainly [hink.<. of bis apostolic lire ao; a manifestation of that of C1uist." 153 Siehe wHen S. 313-316. 154 Siehe oben S. 245-249. 155 Von daher muß das Beharren Güttgemanns' auf dem Begriff der ,Epiphanie' Jesu am Apostel (in Form einer paradoxen Identität von Tod und Leben) als zu einseitig l\lrüc:kgewiesen werden. Gl1ttgern.anns nimmt offenbar seine Exegese von 2 Kor 4.7 -15 (Apostel 94-126) zu sehr rum ~-Iaß.c;tab der übrigen Interpretationen.
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Kapitel 4: Tod und Leben
bietet er theologische Argumentation (Gal 2,20; Röm 6,3-11). Auch das semantische Material ist je verschieden. Dennoch haben alle Aussagen als gemeinsame Substanz: Paulus versteht seine (bzw. der Christen) Leiden sowie die Kraft, die ihn diese ertragen läßt, aus einer im Glauben (ev 7l{0'tEI: Gal 2,20) erkannten Analogie zum ChrislusereigniJ, die genauer mit Hilfe der Kategorien, Teilhabe' bzw. ,Gemeimchafl' mit Tod und Auferstehung Christi beschrieben werden kann.!S6 Einige der Stellen spit7.en diese Partizipation oder Gemeinschaft dermaßen zu, daß die Bedrängnisse des Apostels oder auch sein(e) Leben(skraft) direkt mit 'toG Xpto'toii/'toü 'ITloOU als Genitivus auctoris verbunden werden (2 Kor 4,10f.; 1,5; Gal 6,17). Hier wird aus der ,Analogie 7.U' eine - recht verstandene - ,Epiphanie des' Christus; dieser erscheint gleichsam ,reinkarniert'!" am Leibe des Apostels (Ga! 2,20: sv sJiol Xplo't6~). Es stellt sich aber die Frage, ob hinter diesen Formulierungen ein substantiell tiefergehender Gehalt als bei den crUvAussagen angenommen werden muß, oder hier lediglich die rhetorische Brillanz des Paulus Pate gestanden hat.!" Die theologische Erläuterung in Gal 2,20b vermag auch auf unsere Stelle ein wenig Licht zu werfen. Die heiden Dimensionen des .Todes· und des ,Lebens' in 2 Kor 4 werden dort durch die Stichworte (J(ip~ und mo'tl~ ausgefüllt; dies bestätigt die vorgenommene Deutung der positiven Hälften von V. lOf. als im Glauben erschlossener Wirklichkeit. Aber Gal 2,20 füllt die formale Angabe 8V 7l{0'tet auch mit einem konkreten Inhalt. Die mon<; wird von Paulus sOlenologisch qualifiziert als ein Glaube an den, ,der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat'. Wenn man davon ausgehen darf, daß eine solche Qualifikation des Glaubens für Paulus generelle Gültigkeit besitzt, so wird von dort her der in 2 Kor 4 formulierte Zusammenhang zwischen seiner Existenz und dem Geschick Jesu deutlicher: Paulus glaubt an eine Teilhabe am Geschick Christi, ja eine Epiphanie Jesu an seinem Leib insofern (und nur so ist diese Partizipation überhaupt sinnvoll), als diesem Geschehen von Tod und Auferstehung eine sotenologisclre Reltroanz und Wirk.ramkeit eignet. Hinter der V81Cpro<JI<; 'toG '111000 (2 Kor 4,10) steckt seine liebende Dahingabe U71f.p EJiOG (Gal 2,20); die ~ro~ 'toG 'ITlooG (V. 10b.llb) ist nicht nur dessen Auferstehungsleben an sich, sondern U6 Vgl. ausdrücklich die Rrde \'on der lColvmv{a 't"mv n:0911,"uhmv in Phil 3, I0 (und 2 Kor 1,7); das c:ruvaötij) in 2 Kor 13,4 (und 4,140; schließlich die zahlreichen Komposita
mit ouv- (GaI2,19; Phi! 3,10; Röm 6,S-ll [4malj; 8.17 [Jma/]). Vgl. Güttgemanns, Apostel 21. m Zwciftllos können gerade rhetorisch-paradoxe Zmlpitr.ungen die theologische Sub· stanz einer Aussage allercrst zutage fördern. In diesem Sinne gehören Stellen wie 2 Kor 4,lOf. und Ga12,19f. zu den wichtigsten Beispielen jener Thematik. 157
2 Kor 4,7-12
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eine den Apostel existentiell ,betreffende', ihn tragende liuval!\<; (vgl. V.7).
Von V. 11 her ergibt sich eine bemerkenswerte Verbindung zu Gal 2,20 aufgrund der Vokabelgleichheit (ltapMtö6vat): Gal 2,2 0 2 Kor 4,11
~oü ... ltapaS6v~o<; 6au~ov tl/lEi<; ... ltapalhS6J.l&9a
1J7t6P 6J.lOO Ola '!llO'oÜV
Diese Parallelität ist freilich mit Vorsicht, nämlich nur im Sinne der Analogie'" zu verstehen und bezieht sich auch nicht auf die hinteren Glieder.'60 viehnebr enthält lita 'IllO'Oüv (2 Kor 4) den Analogiesprung von der Empirie zur Christologie"', wie sie in Gal 2 formulien ist: In der alltäglichen (Iis() Leidensparadosis des Paulus spiegelt sich die so· teriologische Paradosis Christi wider, indem deren Heilskraft (als ~Ol~ inmitten des Todes) an der apostolischen Existenz ,aufscheint', ,epiphan' oder ,offenbar' wird (q>avEp0l9jj). Ein letzter, vor allem für den Briefkontext wesentlicher punkt der Auslegung von 4,lOf. betrifft diesen durch qJavEp0l9fi signalisienen Aspekt des Offenbarens der ~Ol~ vor der Gemeinde.'" Nicht Paulus selbst, sondern die Korinther als die Adressaten seiner Verkiindigung sind das eigentliche Ziel des dialektisch-paradoxen Epiphaniegeschehens an seinem Leibe. Hierzu gibt Vers 12 weitere Auskunft. d) 4,12: Die verteilte Dialektik von Tod am Apostel und Leben der Gemeinde Der die Perikope abschließende Vers dürfte wohl bei einem ersten Lesen zunächst einige Irritationen auslösen.'" Nachdem man sich über fünf Verse hinweg an einen antithetischen Duktus gewöhnt hat, der eine paradoxe Dialektik von ,Tod' und ,Leben' an der Person des Apostels zur Sprache bringt, scheint V. 12 - konsekutivisch angeschlossen durch &\O'~E - diese Kette zunächst fortzusetzen, die dem Stück seinen U9
Siehe oben S. 277 Anm. 141.
Das 6\0. 'I'1CJOüv druckt weder eine Rezipr01jtät tu Ö7tlp e. . o11 aus (etwa: Hingabe Christi für mich "efSUS Oberliefenwerden des Paulus ,rugunsten' Jesu - Sui ist nicht final!), noch darf der zweite Satz gleichsam als ,FOrt5t"!tZIU1g' des HeiJsgeschehens seitens des Apostels mißdeutet werden. Dies ist vor allem gegen eine alhu weit gehende Deutung der Einheit von Christus und Apostel zu betonen. zu der sich etwa H. Windisch. Paulus und Christus. Ein biblisch-religionsgeschichtlicher Vergleich (UNT 24), Leipzig 1984, 229-252 hinreißen läßt: Paulus sei in seinem Leiden als ,Christophoms' ein ,zweitel" Christus', sein ,Mittler und Stellvertreter auf Erden'. ja sogar ,Soter'. Vgl. dagegen den abgewogenen Beitrag von Wolff, Niedrigkeit. der Paulus "eine einzigartige Nähe lur Passion Jesu" bescheinigt, ohne ihm dabei ..eine Ergäll1.ung des Heilswerkes Christi" zuzuschreiben (190). 161 Siehe oben S_ 217 Anm. 144_ 167 Vgl. Ebner, Leidenslisten 235-237.239f. 165 Wi.ndisch, 2 KOI" 147 spricht von einer ..überra5chenrlen \VendungUj ähnlich ßu1tmann, 2 Kor 122; Wolff, 2 Kor 93; Theobald, Gnade 219.
160
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Kapitel 4: Tod und Leben
ebenso feierlichen wie dramatischen Charakter verleiht. Wieder handelt die erste Vershälfte vom Tod, die zweite vom Leben. Doch jäh wird diese vermeintliche Kontinuität unterbrochen: Durch die beiden letzten Worte EV ulLiv (12b) geraten mit einem Mal die Adressaten des Briefes wieder in den Blick, von denen zuletzt in V. 5 die Rede gewesen war; der Text erhält unversehens eine ganz andere, fürs erste befremdliche Färbung. Freilich setzt dieser rhetorische wie inhaltliche Bruch'" bei genauerer Betrachtung wichtige Akzente für das Verständnis der gesamten Pelikope. Paulus macht deutlich - und das ist charakteristisch für seine Theologie überhaupt - wie sehr auch ein solch scheinbar individuelles Bekenntnis der Verse 7-11 kontextuell zu verstehen ist, nämlich sowohl literarisch in bezug auf den Zusammenhang der Apologie als auch situativ auf die konkrete Funktion seines Apostolats gegenüber den Korinthern. Spätestens hier l65 zeigt sich, "daß die Denkform der Paradoxie, wie sie in den Selbstaussagen 4,7-11 wirksam wird, in die Dynamik des Evangeliums hineingestellt werden muß""'. V. 12 schlägt also formal gesehen die Brücke von der Perikope zum Kontext des Briefes, spe,.iell zur Thematik der folgenden drei Verse 13-15"7. Wie aber ist der Inhalt des Verses zu fassen? Konkret: Welche Bedeutung hat die plöt,Jkhe Ausweitung des ,Schauplatzes' von der ersten auf die zweite Person? Zunächst einmal ist festzuhalten, daß die m:erkwürdig ungleiche Verteilung der Dialektik - Tod am Apostel, Leben rur die Gemeinde nur als einseitig bezeichnet werden kann, mithin dem Vers - unbeschadet seines substantiellen Cehalts - ein stark rhetorischer Charakter zukommt. Ein kurzer Blick auf andere Belege bei Paulus bestätigt dies: Oft genug spricht er davon, daß auch die Gemeinden Drangsale durchstehen müssen (vgl. I Thess 1,6; 2,14; 3,3f.; 2 Kor 8,2; Phil 1,27-30; Röm 12,12)16' bzw. umgekehrt, daß auch dem Apostel Leben und Herrlichkeit zuteil werden (vgl. neben den jeweils hinteren Gliedern in 2 Kor 4,8-1 I z. B. Röm 8,17f.35-39). Am klarsten ist dieses beiderseitige Widerfalmtis von ,Tod' und ,Leben', Bedrängnis und Trost bei Apostel wie Gemeinde in 2 Kor 1,4-7 ausformuliert: ,Sei es, daß wir bedrängt werden - zu eurem Trost und Heil; sei es, daß wir Hit
Man könnte auch umgekehrt formulieren: der inhaltliche und rhetorische Bruch. Paulus ruhrt sehr geschickt den alten antithetischen Duk.tus fort. um durch die sachliche Neuaussage gleichsam ,hinten herum' den Satt auch rhetorisch-pragmatisch auf andere Ebene 7.U stellen. Schon die Verben JtepuJ)I~pE\V (V. 10) und jpavepoüy (V. 10f.) deuteten eine ,Außenwirkung' des Geschilderten an; siehe ferner oben S. 264 Anm. 71.
elnC 165
'" Theobald. Gnade 219. 167 161
Siehe oben S. 257. Vgl. Wolter. Apostel 550-556: Schiefer Ferrari. Sprache 211.
2 Kor 4,7-12
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getröstet werden - zu eurem Trost, der wirksam wird im Ertragen derselben Leiden, die auch wir erleiden. Und unsere Hoffnung ist fest gegenüber euch, wissend, daß wie ihr Teilhaber seid der Leiden, so auch des Trostes.' (V.6f.)'69 Von diesem paulinischen Befund her müssen die beiden Hälften von 2 Kor 4,12 in der Tat einseitig genannt werden. Ihr rhetorischer Charakter scheint offenkundig; aber welchen Stellenwert hat die Rhetorik? Verschiedene, eher ausweichende Erklänmgsversuche werden dem Vers
nicht gerecht: - Paulus sei taktvoll und mache den Korinthern ein Kompliment - damit wird das Gewicht der Aussage verhannlost. - Paulus rede (roniJ,h wie in 1 Kor 4,10 - dagegen spricht der wlterschieclliche Charakter des Kontextes (vgl. dort 1 Kor 4,8 gegen 2 Kor 4,7-11).
- Paulus greife polemisch einen gegnerischen Vorwurf auf - aber auch pole. mische oder unmittelbar apologetische Züge im Blick auf die Gegner sind nicht zu erkennen. - Mit V. 12 beginne ein neuer Gedanke - dem widerspricht entschieden
der syntaktische Zusammenhang. 17' Nimmt man den Aussagegehalt des Verses ernst 111 und fragt nach seiner logischen Struktur, so kann von einer, verteilten Dialektik' gesprochen werden: Die negative Dimension (6 eava,o~) ist dem Apostel zugewiesen, die positive (~ ~ro~) den Korinthern. Der erstaunliche Gedanke einer (menschlich-apostolischen) Stellvertretung drängt sich auf, wie er sonst nur noch in 1,6a'72 sowie deuteropaulinisch in Kol 1,24 greifbar wird: Paulus "macht aus seinem Hinsterben ein stellvertretendes Sterben, das nicht ihm, sondern der Gemeinde zu Leben verhilft""'. Dahinter steht freilich nur die tatsächliche Situation: .Die Leiden, die der Missionar auf sich nimmt um der Verkündigung willen, schaffen Leben rur diejenigen, die durch die Predigt zum Glauben kommen, und das ist in Korinth geschehen. Hierin zeigt sich der Mehrwert des Lebens über den Tod. "m Zweifellos ist auch V. 12 ein paradoxer Satz.'" Allerdings hat sich die Struktur der Paradoxalität gegenüber V. IOf. verschoben. Hatte 169 \70
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m 1n 171
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Siehe Wlten S. 316-826. Bdege der einzelnen Positionen bei Theobald, Gnade 219. Dies erscheint zumal dann angemessen, wenn bei dem Verbum ~\'EpyEi'[at ein Paujvum dfvinum vorliegen sollte (so Baumert, Sterben 72f.267-288) wld damit Gott logisches Subjekt des Saues wäre (vgl. Fumi!lh, Il Cor 257.285), Siehe da:w aber unten S. 318 Anm. 516. Windi!!ir.h, 2 Kor 147. Klauclt, 2 Kor 46. Vgl. Bultmann. 2 Kor 122: "Dadurch wird . . , die Paradoxie verschärft, daß die Offenbarung des Lebens gerade des Todes bedarf: indem Paulus in den Tod dahinge. geben wird, entsteht bei den Hörern das Leben."
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Kapite1 4: Tod und Leben
dort bzw. schon in V. 8f. die Verbindung der kontradiktorischen Gegensätze Tod und Leben zur gleichen Zeit und am gleichen ,Ort' (- Leib des Apostels) zu einer IOgUchen Paradoxie geführt, so liegt in V. 12 mit der Verteilung der Gegensätze auf Apostel und Gemeinde nur mehr ein gedankliches, allerdings rhetorisch nicht weniger wirksames Paradox vor. Nicht die Logik. sondern der Inhalt des Verses überrascht jetzt den Leser. Nähme man freilich die Aussage des Verses aUzu wörtlich, so hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die Exegese der Perikope. Bei radikaler Konsequenz wäre die Aussage ,Das Leben ist in euch wirksam' (12b) dann näm-
lich nichts anderes als der im nachhinein gegebene Schlüssel zum Verständnis aller voranstehenclen Verse, so daß der game Abschnitt von seinem letzten Wort (Ul1tv) her rückwirkend uminterpretiert oder zumindest durch einen wesentlichen Aspekt ergänzt werden müßte. Konkret bedeutete das: Die positiven Hälften der Antithesen von V. 7-11, also die '\".pßOAl) tfj, liOVcll1""" (7), das viennalige dU' O';(K) •.• (8[.) und die ~"'l)
Für die Frage nach dem Stellenwert von V. 12 ist das schon bei der Strukturanalyse'" erkannte Gefiille des Textes hinsichtlich der in ibm enthaltenen personalen Trias zu beachten. Der Abschnitt geht aus von Gott als dem Gegenstand des ,Schatzes' und Ursprung des ,Obennaßes der Kraft' (7), er verweilt die meiste Zeit beim Apostel als dem paradoxen Träger dieser Kraft (8-11) und endet schließlich bei der Gemeinde als den eigentlichen Adressaten jener Offenbarung des göttlichen Lebens (12). Der abschließende Vers ruckt damit das Grundthema des Briefkontextes erneut in den Blick: Ziel und alleinige Legitimation des paulinischen Apostelamtes ist die Ermöglichung des Lebens der Gemeinde durch die Verkündigung des Evangeliums (vgl. V. 13). Paulus selbst fungiert lediglich als - dialektisch ringende - Vermittlungsinstanz zwischen dem göttlichen Schatz und den Korinthern. Als ,Knecht' der Gemeinde (V. 5) ist er mit dem Dienst am Evangelium Jesu Christi betraut (V. 1-6); nur um dieses Dienstes, d. h. um der 176 Vgl. Theobald, Gnade 219: tI• • • daß die Dynamik des Enngeliums die ÖnEpßoliJ lh.lva.lerot; ist." Ähnlich, aber diffeTemieTteT Ebner, Leidenslisten 236f. t1J Bultmann, 2 Kor 122. m Siehe oben S. 259f.
'ri1~
2 Kor 4.7-12
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Korinther willen (vgl. V. 15) erleidet er die zuvor beschriebene Dialektik. Durch die überraschende Pointe des Ul1tV in 12b erinnert Paulus somit die Gemeinde daran, daß sie selbst der eigentliche Hintergrund seines Apostelamtes ist; "mit der knappen Wendung 1;001) sv ul1'tv will er ihren Glaubensstand als solchen theologisch deuten: Die Korinthergemeinde ist mit ihrer aus dem Einsatz des Apostels gewordenen Existenz der mit dem ,Geist des lebendigen Gottes' geschriebene ,Brief Christi', kurz: das Dokument der 1;oo~."179 Nachdem zuvor eher der ,Mensch' Paulus, die Innenseite seines Apostolats, hervorgetreten war, erscheint derselbe in V_ 12 wieder garu als Apostel seiner Gemeinde_ Zugleich kommt erneut. allein durch das plöt7Jiche Vis-a-vis der 2_ Person, eine leicht polemische Note ins Spiel: Wenn Paulus - was ja der Fall ist - sein eigenes Amt gegen Verleumdungen verteidigen muß, dann schützt er damit lediglich die Interessen der Korinther. ,Nur um eure/willen werde ich doch beständig dem Tod preisgegeben - könnte ich da nicht ein wenig Dankbarkeit und Solidarität erwarten?' Auch ein Hauch von Bitterkeit ist V_ 12 nicht abzusprechen. Vor diesem Hintergrund wird die einseitige Rhetorik des Verses am ehesten plausibel: Der Aussagegehalt des Satzes ist 1-war durchaus substantiell und gibt dem Abschnitt, hezogen auf den Briefkontext. das rechte GefaJIe; andererseits aber formuliert Paulus "unter einem begrenzten Gesichtspunkt, der apologetischen Perspektive des ApostelS"II•. Es ist keineswegs so, daß durch die ungleiche Verteilung von Tod und Lehen als apostolische Situationsbeschreibung die innere Dialektik von V. 10f. aufgehoben würde, nach der die paradoxe Gleichzeitigkeit von Tod und Leben Kennzeichen der paulinischen oder alIgemein-christlichen Existenz ist.
2. ZusammenJaJSttng Der kleine Abschnitt 2 Kor 4,7-12 ist ein äußerst dichter Text, der den Leser wegen seines Ernstes und der gleichzeitig durchscheinenden Zuversicht anspricht. Grund dafür ist die Anhäufung mehrerer kühn formulierter Paradoxien und deren theologisch-christologische Begründung, die so bei Paulus einzigartig dasteht. Das Textstück gehört zur sogenannten Apologie des 2. Korintherbriefs, weist allerdings, abgesehen vom letzten Vers, keine unmittelbar polemischen Züge auf. Eher kann von einer ,Konfession' des Apostels m Theobald. Gnade 220. Ebd. Anm. 273.
180
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Kapitel 4; Tod und Leben
gesprochen werden. Fonnales Kennzeichen des Absclmitts ist neben der Gattung Peristasenkatalog in V. 8f. vor allem seine durchgängig antithetisch-rhythmische Struktur, die dem Text einen einheitlichen, einprägsamen Charakter verleiht und so die Wirkung der Paradoxien noch erhöht. Auf verschiedenen Ebenen - theologisch (7), empirisch (8[.), christologisch-anthropologisch (lOf.) und apostolisch (I 2) - handelt der Abschnitt von dem dialektischen Kontrast zwischen den zennürbenden Bedingungen des Verkündigungsdienstes und der positiven Sicht, die Paulus, dem zum Trotz, dieser Situation abgewinnt - ein Kontrast, der mit den Leitbegriffen des Textes als eine Dialektik von Tod und Leben bezeichnet werden kann. Einerseits hat Paulus die \\~drigsten Lebensumstände auszuhalten, ist er als ,tönernes Gefäß' beständig der Erfahrung des Todes preisgegeben; andererseits kann er, zur gleichen Zeit, fast triumphierend vom ,Haben des Schatzes', ,Übennaß der. Kraft' oder ,Leben' sprechen. Zu erklären ist diese Dialektik mit der Unterscheidung zweier Ebenen: Der empirisch-irdischen Realität tritt die göttliche Wirklichkeit des Glaubens gegenüber, der gegen die weltliche Todeserfahrung ,anglaubt', ohne dabei irdisch-konkret greifbar zu werden.'" Die empirische Sicht erkennt nur die Drangsale - bis zum Äußersten (,Tod'); das Auge des Glaubens dagegen erfaßt, dem irdischen Augenschein zum Trotz, das ,Übennaß der Kraft Gottes'. Die Paradoxie dieser Dialektik besteht in deren ,Schieflage' für eine weltliche Betrachtungsweise: Der negativen These (,Tod') korrespondiert keine damit einfachhin kompatible Antithese (,Leben'), sondern Paulus hält dem Tod lediglich unsichtbar (vgl. V. 18) und unanschaulich seinen Glauben als streng transzendente Perspektive entgegen.'" Gottes Schatz ist verborgen im tönernen Gefäß seines Trägers, der ihn gerade und nur so offenbar macht. Den Höhepunkt und Schlüssel der Perikope bilden die Verse I 0 und 11, in denen Paulus eine explizit ehriJtologische Begründung des Voranstehenden liefert, die er auf einzigartige Weise mit seiner Anthropologie verbindet. Der tiefste Grund seiner paradoxen Lebenssituation ist für Paulus die Teil/wbe am Geschick des gekreuligten und auferwecktenjesus, ein Geschick, das er ,an seinem eigenen Leibe herumträgt' und dadurch offenbar macbt. Ivlit diesem kühnen Bild einer ,Epiphanie' Jesu an seiner Existenz beschreibt der Apostel die im Glauben erkannte Analogie 181
Konsequronten\'eh,e kann Paulus diesen ,anderen' Btiele. des Glaubens in den empirisch-biographischen Versen 8r. nur ex n~galfvo turn Ausdruck bringen: ill' OÖ(K) ... Die Wahrnehmung des ,inneren Menschen' (V. 16) ist für den ,äußeren Menschen'
(ebd.) unmgänglich, ,unsichtbar' (v. 18). IU
Dennoch handelt es l'öich um eine Dia/ehtiR, da hier nicht wie beim Typ der ,Kraft in der Schwachheit' etwas in sein Gegenteil yeTkehrt wird und mit diesem ,koinzidiert" sondern heide Seilen nebeneinander bestehen bleiben, ,koexistieren',
2 Kor 6,8-10
287
seiner eigenen dialektischen Erfahrung zum christologischen Grundgeschehen von Tod und Auferstehung des HelTIl, ähnlich wie er auch anderswo (PhiI3,10f.; Gal 2,20 ete.) von einer innigen Gemeinschaft mit Christus spricht. Hier hebt er besonders die Paradoxalität beider Geschicke greU hervor. Durch die fmale Verknüpfung der Antithesen gerät dabei indirekt auch der soteriologische Rang des Christusereignisses in den Blick. Schließlich ist das eigentümliche Gefiille der Perikope von Bedeutung. Am Beginn des Abschnitts steht Gott als Gegenstand und letzter Ursprung des Geschehens. Der Apostel fungien als von Gott in Dienst genommenes Medium seiner paradoxen Offenbarung in Christus. Eigentliches Ziel dieser Offenbarung aber ist die Gemeinde. Mit ihr findet die Perikope ihren überraschenden, wieder leicht polemischen Abschluß und kehrt zur apostolischen Generalthematik der Apologie zurück.
B. Als Sterbende lebendig (2 Kor 6,8-10) I. ÜBERSETZUNG
V. 8
v.
9
V. 10
bei Ehre und Schande, bei Schmähung und Lob; als Betrüger und (doch) wahrhaftig, als Unbekannte und (doch) wohlbekarmt, als Sterbende und - siehe - wir leben, als Gezüchtigte und (doch) nicht Getötete, als Betrübte, aber aUezeit fröhlich, als Arme, die aber viele reich machen, als (solche,) die nichts haben und (doch) aUes besit'.en.
11. ANALYSE Zu Form, Motivik und Funktion des paulinischen Peristasenkatalogs 2 Kor 6,3-10 liegen bereits mehrere, z. T. sehr detaillierte Untersuchungen vor. '" Die Analyse des hier gewählten Textausschnitts kann daher kurr gehalten werden, um in der anschließenden Interpretation IU
Vgl. neben den Kommentaren G. Friedrich, Amt tmd Lebensführung. Eine Ausle2. Kor. 6,1-10 (BSt 39). Neulcjrchcn·V1uyn 1963: Zmijewski, stil 310-314; Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte 255f.263-268.280r.; FitzgeraJd, Cracks 184-201; de Oliveira, Diakonie 294-301.328-331.404-418; Schiefer Ferrari, Sprache 218-236; besonders Ebner. Leidenslisten 243-330.
gung von
288
Kapitel 4: Tod und Leben
spezi~ll die Frage nach der Paradoxalität der Verse 8-10 zur Sprache zu bringen.
1. Kontext a) Der weitere Kontext: 2 Kor 2,14-7,8 Ebenso wie 4,7-12 ist 6,3(8)-10 Teil der sogenannten ,Apologie' des 2. Korintherbriefs ... • Anders als der erste Text gehört letzterer allerdings nicht zu einer ihrer, theologischen' Passagen, sondern steht in einem ihrer eher apologetisch-polemischen Abschnitte (vgl. besonders 6,8) .115 Genauer gesagt bildet der Katalog 6,3-10 die Eröffnung des letzten Teils der Apologie, die anschließend mit einem eindringlichen Appell an die Korinther 6,11-13; 7,2f. ihren Abschluß fmdet. Schon der Kontext deutet also darauf hin, daß mit der zu untersuchenden Stelle keine weitere theologische Grundaussage, sondern eher eine kommunikativ wirksame Konkretion von bereits Gesagtem vorliegen dürfte.
I"
b) Der unmittelbare Kontext: 2 Kor 6,8-13; 7,2f. Die Verse 8-10 bilden den vierten und letzten Teil eines zusammenhängenden Abschnitts, der die Verse 6,3-10 umfaßt. Dabei handelt es sich um einen umfangreichen Katalog von Peristasen bzw. Tugenden, der grob gesehen folgende Gliederung aufweist"': 1. 2. 3. 4.
8-4b 4c-5 6-7 8-10
Einleitung (Themenangabe/Überschrift) neungliedriger einfacher Peristasenkatalog (9mal EV)I88 neungliedriger ,Tugendkatalog' (8mal EV, Imal Bui)189 neungliedriger antithetischer Peristasenkatalog (2mal BUl, 7mal ro~)
m Siehe oben S. 166f. Siehe den Überblick oben S. 254. m Fitlgera1cl. Crack" 184--188 betont die Verbindung \'on 6,3-10 mit dem vorherigen Kontext (Stichworte 6tal';:Qv(a, auhcovo~ OU\'lOtaVtec; V. sf.) und hält die Funktion des Abschnitts weniger für apologeti!'ich (so die communis opinio) als paränrtuch. 111 Vgl. die genaueren Strukturanalysen bei Bultmann, 2 Kor 170; Zmijewski, 5tH 810-814; Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte 256; Schiefer Ferrari. Sprache 220-222; Ebner, Lcidenslisten 257-263. In Nicht dazugerechnd ist das durch den Singular vom Folgenden abgesetzte sv 000~oYfi noUfi (4h), das als Tugendbegriff noch zur Überschrift des ganzen Kataloges gehört: Die ,große Ausdauer' oder ,Standhaftigkeit' des Paulus rangiert als Schlüssel·
IU
begriff für die folgende Aunählung (vgl. Bultmann, 2 Kor 172; Wolff, 2 Kor 139; 1&9
Ebner, Leidenslisten 259.283-288). Dabei ist 5ui. tw\, &Aoo\' lij<; 5ucmomlYT]<; tmv 8~trov Kat ciptcrn;pwv (7c) trotz des mit 8ah verbindenden liul mm Tugendkatalog gezogen. was aus inhaltlichen Gründen berechtigt erscheint h·gl. Friedrich, Amt 48: Ehncr, Leidenslisten 260.263-280).
2 Kor 6,8-10
2S9
Entscheidend rur das Verständnis des ganzen Absclmitts ist die ,Überschrift' ~v 1tavtl (Jllvl(JtnVtE~ eallto,,~ ro~ eeoii ölnKovOl in 4a. In der folgenden Aufzählung wird das konkretisiert, was Paulus als Gottes Diener, als ,Mitarbeiter' (6,1) am ,Dienst derVersölmung' (5,IS) qualifiziert und auszeiclmet. Die Durchruhrung dieser ,Ruhmesliste' (vgl. 5,12) erfolgt so, daß zunächst ein Block von neun Peristasen (4c-5) einer Gruppe von neun ,Tugenden' oder ,Kräften' (6-7) gegenübergestellt ist, die zusammen eine große Antithese bilden; im letzten Teil dagegen sind die einzelnen Glieder (wiederum neun) selbst Antithesen (S-IO).I90 Im Anschluß an den Peristasenkatalog läßt 6, 11fr. einen klaren Neueinsatl. erkennen, formal signalisiert durch die explizite Anrede Kop( velOI und das erneute Gegenüber von 1')J.lEi~ und uJ.lEi~.191 Paulus blickt reflektierend auf seine zuvor gemachten Ausführungen zurück (V. 11) und richtet abschließend eine ebenso dringende wie henliche Bitte an die Korinther, sich ihm doch gleichermaßen zu öffnen, wie er es mit seinem Brief getan hat (6,12(; 7,2f.).
2. Struktur Nach der einfachen Aufzählung von neun negativen (4c-5) und neun positiven (6f.) Umständen geht Paulus zu einer Reihe von neun AntitheJen über, die sich in eine Zweier- (öux + Substantive) und eine Siebenergruppe (ro~ + Adjektive/Partizipien) aufteilen lassen. I" I. V. Sa-b I. Sa 2. sb
Zwei antithetische Reputationen des Apostels Ehre - Schande } Schmähung _ Lob Chiasmus
11. V.8c-1O I. 8c 2.9a 3. 9b 4. 9c 5. 10a 6. lOb 7. 10c
Sieben antithetische Beschreibungen des Apostels betrügerisch - wahrhaftig unbekannt - wohlbekannt sterbend - lebendig gezüchtigt - nicht getötet betrübt - immer fröhlich arm - (viele) reich (machend) nichts habend - alles besitzend
190
191
192
Vgl. Bult~ 2 Kor 170; Kleinknecht. Der leidende Gerechtfertigte 256. Seit 6,1 hatte Paulus die 2. Person Plural nicht mehr gebraucht. Vgl. EbneT, Leidenslisten 261[; Schiefer FCIT3.ri. Sprache 220-224. - Bultmann,
2 Kor 170 gliedert nach inhaltlichen Gesichtspun1c.tcn: "Paradoxie der Offenbarung in der Verborgenheit (v. 8-9a) und des Lebens im Tode (V. 9b-10)." Zmijewski, Stil g 13( unterteilt die Siebenergruppe noch weiter in vier (zweimaJ zwei Wortpaare 8c-9a/9b-c) und drei OOa-c) Antithesen.
290
Kapitel 4: Tod und Leben
Die erste Antithese (8a) schließt mit ihrer Voranstellung des positiven Glieds (ö6~,,~) an die Aufzählung des Tugendkatalogs (6f.) an. Die chiastische Anbindung der zweiten Antithese Bla. ö\Jaq>"I1{(l~ Kat &uq>"I1{a~ (8b) leitet über zu der Abfolge .negativ - positiv' "'. die von da an bis zum Ende durchgehalten wird. Im Vergleich der beiden Antithesengruppen kann zwischen den Bul.und den ro~-Aussagen eine Steigerung des Reflexionsniveaus konstatiert werden Olme der Einze1exegese vorzugreifen, läßt sich sagen: Die Bla. ... Kat ...-Antithesen thematisieren zwar gegensätzliche. aber offenbar als einander abwechselnd bzw. auf verschiedene Personen verteilt vorgestellte Reputationen des Apostels, also eine einfache Dialektik; die mit ro~ ... Kat ... bzw. ro<; ... ÖB ... formulierten Antithesen dagegen handeln von einer mehrschichUgen Dialektik zweier Ebenen. einer äußerlich-sichtbaren Illld einer innerlich-verborgenen. '" Somit kann, zusät7.lich verstärkt durch das stete Anwachsen des Wortbestands'''. von einem Gefälle des Textes hin zur rhetorisch besonders wirksamen Schlußantithese (1 Oe) 19' gesprochen werden.
3. Gattung Wie bei den meisten der bisher Illltersuchten Texte. so liegt auch an dieser Stelle die Gattung Perutasenkatalog'97 vor. Die bereits vermutete AfIinität von paradoxen Gedanken Illld Aussagen zu jener Gattung'" wird damit ein weiteres Mal bestätigt. In 2 Kor 6. 3-10 begegnet sogar der in dieser Arbeit einmalige Fall. daß der Peristasenkatalog nicht eine Teilgattllllg innerhalb des größeren paradoxen Zusammenhangs darstellt, sondern umgekehrt der Katalog über die antithetischen Paradoxa der Verse 8-10 hinausreicht.'" Der Abschnitt 6,8-10 ist also Teil eines größeren Ganzen, das als "Kombination von .simple lists' und ,antithetical lists'"''', als aus mehreren Elementen zlLIammengesetzter Periltasen- und Tugendkatalog (V. 3-10) bezeiclmet werden kann. Im einzelnen unterscheidet M. Ebner - einen ,allgemeinen Peristasenkatalog mit persönlichem Rückbezug' (V.4f.), 19' 194
195
vgl. Fitzgerald, Cracks 195. Vgl. EbneT, Leidenslisten 262,321{ Viermal vier Wörter (Ba-ga), viennal f11nfWorter (9b-lObl und einmal sechs Wör-
ter (IOc); vgl. EbneT, Leidcnslistcn 258. Vgl. Zmijewski, Stil 314. vgL die Literatur oben S. 145 Arun. 28. tu Siebe oben S. 261f. 199 Siehe oben die Kontcxtabgremung S. 288f. 200 Ebner, Leidenslisten 392 in Aufnahme der grundsätzlichen Untcnicheidung von Hodgson, Paul 63-67. 196
In
291
2 Kor 6,8-10
- einen ,Tugendkatalog' als ,Regentenspiegel' (V. 6f.), - einen ,Adiaphorakatalog' (V. 8ab) und - eine ,antithetische Reihe', die sich mit Hilfe der Kategorien ,Sein und Schein' entschlüsseln lasse (V. Be-IO).'" An unserer Stelle liegt demnach gattungsmäßig in 8ab ein Katalog von Mulcpopa. - nach der stoischen Lehre die ,keinen Unterschied' zur ErreichlUlg des Glücks machenden positiven oder negativen Lebenswerte'·' - (vgi. auch Phil4,12), sowie in 8c-IO ein dem gewöhnlichen Peristasenkatalog und seinen Varianten fernerstehender antithetischer Sonderfall'" vor. III. INTERPRETATION
Die lange vernachlässigte religionsgeschichtliche Einordnung der paulinisehen Peristasenkataloge ist in jüngster Zeit durch die Studien von J. T. Fitzgerald und M. Ebner auf vorbidliche Weise nachgeholt worden; dies gilt auch und besonders für 2 Kor 6,3-10. Unter Aufnahme der dort gewonnenen Ergebnisse fragt die folgende Auslegung schwerpunktmäßig nach der illnerell Logik, dem paradoxen Charakter der antithetischen Verse 8-10.
1.
Eillzele.~egese
a) 6,8ab: Die Dialektik ,sarldscher' Reputationen Die beiden kurzen Antithesen ötil M~'l~ Knt ci~IJ.ti~, ötil Ö\JClep'l~{~ Kat &tXp'l~(a~ in V. 8 weisen die Merkmale eines sogenannten ,Adiaphorakatalogs' auf, wie er in der popularphilosophischen Diatribe begegnet.'·' HintergTlUld ist dort die Lehre der Stoa, wonach allein die Tugend ein ciyn80v und das Laster ein Kalc6v, alle anderen Dinge dagegen ciöuiepopn, d. h. gleichgültig !Ur das Erlangen der Glückseligkeit seien. ,., Die Adiaphorakataloge verfolgen den pädagogischen Zweck, mit Hilfe der idealen Gestalt des ,Weisen"·' die Haltung einer ,stoischen' Unabhängigkeit gegenüber allen (positiven oder negativen) Le-
201
VgL Leidenslisten 891f.395. Zur Kritik dazu siehe unten S. 295-297.
'" VgL ebd. 301-303.388. '" Vgl. ebd. 392. 1114
VgL Ebner, Leidenslisten 301. Ein anderes Beispiel bei PauJus ist Phi14.12: eISa KaI 't"un:etvoüaeal, orlia KulntplO'oEuEW' ev rmvn Kal ev näow ~q..Lmll.l.Ol, Kat Xop'tQ~Eo9a\
205
VgI. ebd. 302. Zur Topik. dieser Figur vgl. ausführlich Fiugerald,
Kat 1t'Ewäv Kat 206
1teplO"O"EUEtV
Kat uo'(cpsiaOaL Crack..~
47-1 J6.
292
Kapitel 4: Tod und Leben
bensumständen ZU demonstrieren und einzuüben. '0' Als ,Sitz im Leben' steht dabei die Situation des kynischen Wanderpredigers Pate. Wichtigster Themenkreis dieser Gattung ist das Feld der sozialen Reputation, die Frage nach Ruhm oder Schande, gutem oder schlechtem Ruf, Lob oder Tadel.'o, Wenn Paulus in 8ab genau diese Stichworte 1l6l;a und a:nlL{a, sUfj>ll!l{a und /)IJClfj>lllL{a in antithetischer Anordnung gebraucht, liegt die Nähe zu den stoischen Adiaphorakatalogen auf der Hand. Zweifellos greift der Apostel hier - bewußt oder unbewußt - auf ein zeitgeschichtlich bekanntes Muster zurück. '0' Dennoch darf gefragt werden, ob fUr Paulus gleich wie fUr die kynisehen Wanderprediger das Ideal der Unabhängigkeit ,'on Lob und Tadel im Mittelpunkt steht. Es ist sicher richtig, daß Paulus .seine Diakonia nicht primär gemeindeorientiert, sondern ... theozentriert sieht""". Wenn es darauf ankommt, sucht er nicht Menschen zu gefallen, sondern Gott (vgl. 1 Thess 2,4; Gal 1,10). Aber läßt dies den Schluß zu, daß er dem Echo auf seine Person seitens seiner Adressaten gleichgültig gegenübersteht?'" Seine bisweilen um der Verkiindigung willen erforderliche Härte gegenüber den Gemeinden und deren fUr ihn selbst negativen Folgen lassen ihn durchaus nicht unberührt, wie 2 Kor 10-13 oder 2,1-4 zeigen. Zwar geht es beiden, den Philosophen wie Paulus, um ein höheres Ziel, das die persönliche Reputation übersteigt; aber die dahinter erkennbare Haltung ist je verschieden: Nicht das stoische Apathieaxiom leitet den Apostel, sondern sein Auftrag als 9800 /)UIKOVO<; (vgl. V. 4a); der jedoch läßt ihn die schwankenden Reaktionen und Urteile seiner Adressaten nicht als cilIulfj>opa ignorieren, sondern nötigenfalls als 1tEpt<1~a<1Et<; durchleid81l. 212 Der Akzent liegt nicht auf dem Freisein von der Meinung der anderen, sondern auf der positiven Aussage des apostolischen Dienstes, der sich gegen oder gerade durch die wechselhaften Urteile der Menschen empfiehlt (V.4a). Die Dialektik der beiden Antithesen 8a und b ist somit eine doppelte. Auf einer einfachen Ebene an der Textoberfläche formulieren /)ta. M~ll<; Kat ci~lJL{a<;, IIta. /)\J('fj>1l1L{~ Kat 8Ufj>TJIL{a<; gegensätzliche, wi20J
201 t09
210
Vgl. Ebner, Leidenslisten .!JOS. Vgl. ebd. SOS-308 mit 1.ah1reichen Belegen. Über die VerbTeitung der stoischen Pandoxa auch im jüdischen Bereich vgl. Fischel, literature 70-18.147-151. EbneT, Leidenslisten 309.
'" Vgl. cbd. 212
~08f.
Dem entspricht auch das 6ul + gen. aJs Präposition "vom begleitenden Umstand: ,mit', ,unter', ,bei'" (Bultmann, 2 Kor 111). Paulus wirkt aJs Diener Gottes nicht Jenseits' von Ehre und Schande, sondern buchstäblich ,durch sie hindurch', ,im Angesicht von' Schmähung oder Lob.
2 Kor 6,8-10
293
dersprüchliche Reputationen des Apostels in der Welt. Es geht um die äußerliche Geltung bei den Menschen; Schauplatz ist die Sphäre der crap~, der ,fleischlich'-irdischen Wahrnehmung (vgl. 5,16). In diesem Sinne kann die logische Struktur dieser Dialektik als ,eindimensional' bezeichnet werden, weil sich die Antithesen innerhalb des ,sarkischen' Binnenraums bewegen. Gemeint ist offenbar eine Dialektik, die auf verschiedene Personen(gruppen), Orte oder Zeiten verteilt ist: ,von den einen Schmähung, von den anderen Lob'; ,hier Ehre, dort Schande'; ,heute Ruhm, morgen Verachtung' o. ä. Der Grad an Paradoxalität liegt daher nicht sonderlich hoch. Auf einer anderen, tieferen Ebene enthüllt der Vers aber eine verborgene, hier noch nicht explizit formulierte'" Dialektik, deren paradoxer Charakter anspruchsvoller ist: Inmitten jener wechselnden Reputationen bei den Menschen - und keineswegs unberührt von ihnen'" - hat sich der Apostel als Diener Gottes zu bewähren"', ja empfiehlt er sich sogar als solcher, wie die Überschrift des Gesamtkatalogs sagt (V. 4a). Gleich ob in negativen (4c-5) oder positiven (6f.), hinderlichen oder hilfreichen Umständen (Bab: direkt gegenübergestellt) dient Paulus der Versöhnungs botschaft Gottes (5,1 B-6,2) als dem übergeordneten Ziel. Dies ist sein eigentlicher, höherer Auftrag, der freilich unter den dialektischen Bedingungen der crcip~ vollzogen werden muß. b) 6,Bc-10: Die Dialektik von ,sarkischer' und ,göttlicher' Dimension Sieben durch eh<; eingeleitete Antithesen schließen in V. Be-lOden langen Katalog ab. Obwohl grammatisch·stilistisch einheitlich gestaltet, sind sie traditionsgeschichtlich unterschiedlicher Herkunft. Die dritte und vierte Antithese sind eindeutig Anspielungen auf Ps 117 (178), 17f. (LXX)"', indem Paulus bis in die Vokabeln hinein (a.lto9VIicrK8lV - ~iiv; ltatÖ8U8LV - 9ava1o<;/9ava1oüv + Negation) die alttestamentliche Formulierung aufgreift (9bc). Die erste und die siebente Antithese entstammen dem helleniJlischen Denken. Der Gegensatz von 7Wivo<; und OAl1e~<; (Be) oder umgekehrt ,.im Sinne einer positiven (,wahrhaftig') bzw. negativen (,verführend') Q.ualiftzierung verweist auf den Sprachgebrauch der Sophistenpolemik"211. Hinter der den rhetorischen Glanzpunkt bildenden Abschlußm Vgl. dagegen die Antithesen von V. 8c-IO. 214 Gegen Klauck, 2 Kor 59 ("Paulus läßt sich nicht irritieren"); Ebne.-, Leidenslisten 308f. m YgL Windisch. 2 Kor 207. 216 ,Nicht sterben werde ich, sondern leben ... ; 7.üchtigend züchtigte mich der Herr, wld (doch) dem Tod übergab er mich nicht.' (m'ue dnoOavoüs.uu Q)J.a. t;~O"OJ1Ql ... nal5surov tna(8suotv jJ.s" ..ruptcx,; lCat tij) 8avei."tC9 ou napEoo1C~v Jj.&.) tt1 Ebner, LcidcnsUsten 315.
294
Kapitel 4: Tod und Leben
sentenz (I Oc) steht das berühmte stoische Paradox vom mittellosen Weisen, dem doch alles gehört.'" "There are numerous Stoic and Cynie paralieis to the general idea that ha.ving nothing in the way of material goods frees one to ,have everything' in a higher sense". '" Aus der biographt;chen Sitttation dCJ PattlttJ scheinen die zweite und die fünfte Antithese erwachsen zu sein. Bei den Motiven des Verkennens (9a) bzw. der Betrübnis (lOa) hat der Apostel seine konkreten Erfahrungen mit den Korinthern vor Augen: deren Fehleinschätzungen (vgl. 10,2; 1,12-14) und Unterstellungen (vgl. 4,2[5; 11,6; 12,11) ihm gegenüber, bzw. jenes 7.um ,Tränenbrief führende aufwühlende Ereignis, auf das in 2,1-11; 7,8-12 angespielt wird.'20 Schließlich ist die etwas aus dem Rahmen fallende sechste Antithese (lOb)'" am besten von dem in 8,9 zitierten chTt;tologiJchen BekennlniJsall'" her zu verstehen: Hier wie dort liegt das gleiche Paradox zugrunde, nach dem die Armut des einen (jesus Christus bzw. Paulus) andere reich macht.'" "Für diese Pointe der Paradoxie fmden sich in der antiken paganen Literatur keine Parallelen."'" Paulus kann also auch eine Anleihe an die Christologie machen, um die Dialektik seines Dienstes zu veranschaulichen. 225 Traditionsgeschichtlich enveisen sich die Verse 8c-IO somit als ein heterogenes Gebilde aus alttestamentlichem, popularphilosophischem, autobiographischem und christologischem Material. Die irmere Logik der sieben Antithesen scheint dagegen einheitlich zu sein, wie die konsequent durchgehaltene Struktur signalisiert. Siebenmal wird einem mit der Partikel w~ eingeleiteten Adjektiv (8c.IOb) bzw. Parti71p (9-1 Oa.c) im Nominativ Plural über die Kopula Ka! (8c-9.IOc) blW. M (lOab) ein semantisch konträrer oder gar kontradiktorischer Gegensatz entgegengestellt:
2lt
Siehe oben S. 56-59; vgl. D. L. fI,'lealand, ,A:; having nothing, and yet possessing e"erything' 2 Kor 6,lOe: ZNW 67 (1976) 277-279: Fitzgerald, Cracks 200f.; Ebner, Leidensüsten 313-815.
219
Furnish, 11 Cor M8 (mit zahlreichen Belegen),
VgL EbneT, Leidenslisten 816-318. Fitzgerald, Cracks 196[ 199 zieht auch Rir die Motive ayvoooj.ltvol/äm"fl,vCilOK6jltvot (9a) und A.uJt(1I5JleVOl/xa{pov'tt~ (IOa) lynischstoische Parallelen heran, 721 NUT bei ihr wird die Antithetik über den Apostel hinaus auf andere hin (1tou.a~) 220
aufgebrochen, daß er um euretwillen arm wurde, obwohl er reich war, damit ihr durch jenes Armut reich würdet,' (. , , 8n S\' UJ.l.ß.; i1ttIDXSUO'tV nlo6cno~ IJ:Jv [va. UlJtr~ Tfi tICe{VOU It'[CilXdq: ItMlu'fT')CJTI't"t.) Siehe oben S, 88-90, m Vgl. Fittgerald, Cracks 199-201; Ebnet", Leidenslisten 318-320. 22~ Ebner, Leidenslisten 318, Fitlgerald, Cracks 200 weist dagegen auf den Kyniker Krates hin, der sich a11 seiner Güter entledigte und so lum Wohltäter anderer wurde, 1'25 Windisch, Paulus 166 spricht angesichts der Ähnlichkeit von 6,10 mit 8,9 sogar davon, Paulus sei nein verhorgencr, ein zweiter Christus",
222 " , ,
2 Kor 6,8-10
295
- KOllträr sind die Antithesen 9b (sterbend - lebendig), 9c (gezüchtigt - nicht getötet)'" und) Ob (arm - viele reich machend)"'. - Kontradiktorisch, d. h. diametral einander entgegengesetzt und somit auch logisch paradox sind die Antithesen von 8c (betrügerisch - wahrhaftig), 9a (unbekannt - wohlbekannt), 10a (betrübt - fröhlich) und lOc (nichts habend - alles besitzend). Dadurch, daß die Syntax eine Gleichzeitigkeit von Vorder- und Hin· tergliedern nahelegt (jeweils Präsens verbunden mit Ka{JoE adversativum) und als Subjekt stets die gleiche Person gemeint ist (Paulus), wird ein hoher Grad an paradoxer Wirkung erzielt: Ein und derselbe Mensch erscheint zur selben Zeit als Träger widersprüchlicher, einander ausschließender Beschreibungen. Doch da Paulus mit Sicherheit an dieser Stelle nicht nur durch rhetorische Eloquenz brillieren und in einer antinocnischen Absurdität ver· harren will, stellt sich die Frage nach einer sumvollen Interpretation der Antithesen. M. Ebner glaubt als hermeneutischen Schlüssel für die Auflösung der Paradoxien den Gegensatz von ,Sc/rein' und ,Sein' zu erkennen.'" In den Vordergliedern komme jeweils die Reputation bei der Menge, ..die Wahrnehmung von außen ... , die subjektive Meinung über Paulus aus Korinth, der äußere Schein" zur Sprache, "in den Hintergliedern dagegen die Wahrheit über seine Person, die innere Realität, das, was normalerweise cnit den Augen nicht wahrgenommen werden kann"229,
Richtig an dieser Auslegung ist - darin stimmen die Exegeten weitgehend überein -, daß es bei den Antithesen 80-10 um "die Beurteilung der gleichen Person aus verschiedenen Sichtweisen"'" geht, d. h. der hermeneutische Schlüssel in einem Wechsel der Perspektive gesucht werden muß. Allerdings scheinen die Kategorien von ,Schein' und ,Sein' Beide Antithesen wären kontradik.torisch. wenn z. B. in den Vordergliedern statt Wto9vi101Covttc; bzw. ltßt8EUtS",EVOl jeweils VEKpO( stilnde. m Hier sorgt das transitive Verb 1tAourl~6lV (staU etwa n:Ä.oU'tEtv/reich sein) für die Ver-
126
hinderung eines kontradiktorischen Gegensatzes. Vgl. Leidenslisten 821-825. Schon vor ihm deuteten so Windisch. 2 Kor 207 (.. ,Außenseite - Innenseite' oder ,äußerer Schein - irutere Wirklichkeit'''); Zmijewski, Stil 313; Fumish, U Cor 346f. (.,as seemiug to be"); Fitlgerald, Crack.-; 196 Anm. 209 ("Tbe basic amithesis is tbus that of Schell, versw Sein")_ Eine Gegenposition vertreten Liet1.mann-KÜTnmel, Kor 128 <.,nicht ,als ob' vom Anschein, sondern .als· vom tatsächlichen Zustand"); Bultmann, 2 Kor 175 ("Das ehr; bezieht sich . .. je auf beide Aussagen, lta.nn also rucht bedeuten ,scheinbar', sondern ,als einer, der'''); Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte 266 (.,Nebeneinander der Gegensätze als gleich1.eitige [r 1 Aspekte der apostolischen Existem.... ); de Oliveira, Diakonie 414- (..paradoxe Zusammengehörigkeit"); Schiefer Ferrari, Sprache 232 (JI' .• spätestens ab V. 9b wird deutlich, daß für Paulw keinesweg$ die weltliche Perspektive völlig hinf'allig ist"). n9 Lcidenslisten 322. uOEbd. tu
296
Kapitel 4: Tod und Leben
die Differenz dieser Perspektiven nicht ganz zu treffen. Zweifellos bringen die jeweils hinteren Güeder die für Paulus ,objektive Wahrheit', seine innere Wirklichkeit zum Ausdruck; sie stehen somit auf der gleichen Linie wie die Nachsätze von 4,8-11, wie der goro liveprono~ (4,16b) oder ,0. tJ.-I] j}Äen6/lEVu (4,IS}.'" Die Frage ist aber, ob demgegenüber die Vordergüeder auf das Feld äußerer Reputation beschränkt werden dürfen und durch die Kategorie ,Schein' nicht deren Faktizität für Paulus selbst zu kurz kommt. Sicher zur Kategorie des bloßen Anscheins, der nicht der Wirklichkeit entspricht, gehört lediglich das allererste Glied, "'~ nMvol (8eu): Paulus zählt sich gewiß nicht selbst zu den Betrügern (vgl. 2,17; 4,2). Aber schon beim Vorderteil der zweiten Antithese, ,als Unbekannte' oder ,Verkannte"" (9au), ist dies nicht mehr so klar: Zwar üegt das ,Ignorieren' auf seiten der anderen, nicht des Paulus, doch handelt es sich hier - anders als beim Vorwurf des Betrügerseins - um eine gegebene Tatsache, die sich dem Apostel als bedrückende Erfahrung aufdrängt und die er zur Kenntnis zu nehmen gezwungen ist.'" Vollends ab 9b wird deutüch, daß die Vordergüeder der Antithesen in tieferer Weise zu verstehen sind und nicht nur die Meinung der Menge, sondern durchaus eine Paulus selbst betreffende, konkrete Wirklichkeit wiedergeben.'" ,Als Sterbende und - siehe - wir leben' (9b) faßt in knappster Form die Antithesen von 4,7-11 zusammen'" und bildet in dieser Zuspitzung neben 2 KOT 12,9ap''' und lOb'" eine der paradoxesten Formulierungen bei Paulus. Der Apostel ist in vielfacher Hinsicht wie ein Sterbender"', immerfort wird er um Jesu und seines Evangeüums willen dem Tod übergeben (4,ll(), und doch, zur gleichen Zeit - das (/)00 fordert gleichsam zum ,Sprung' in die andere Perspektive auf -, gewinnt sein ,innerer Mensch' Tag für Tag neu (4,16b) das Leben, nämüch das unsichtbare, aber ewige (4, 17 f.) Leben Jesu (4,IOb.11b).
Vgl. ebd. 321. m Beide Bedeutungen sind möglich (vgI. Fumish, 11 Cor 847; KJauck, 2 Kor 59). Hier
!SI
dUrfte aber nicht so sehr die Bestreitung der apostolischen Glaubwürdigk.eit im Blick. stehen als die Tatsache, daß man von Paulus überhaupt keine Notiz nimmt. m So gesehen könnt.e man fragen, ob nicht auch das ,Detrüger-Sein' (8ca.) als Verleumdung. wenngleich ohne sachlichen Hintergrund, für Paulw eine reale Belastung darstellt, so daß auch hier nicht von ,Schein' gesprochen werden dUrfte. In Vgl. Bultmann, 2 Kor 175 Arun. ) 91; Schiefer Ferrari, Sprache 232f.
m Vgl. Windisch, 2 Kor 208; Bultmann, 2 Kor 175; Fumish, 11 Cor 847.858; KJauck, 2 Kor 59: Lang, Kor 306; \Volff, 2 Kor 142; de Oliveira, Diakonie 416.
IS. ~ y~p SU\'''flU; tv tla9.ve!~ ,,>.Er,at (siehe oben S. 217-220).
Bto.y y.}.p ao9EvdJ, 't6te 5uvalo~ &[lll <Siehe oben S. 224f.l. us Vgl. konkret 1,8-10: 1 Kor 15.52: ferner Röm 8,Mf.; I Kor 4,9-18; 2 Kor 4,163.; 11,28b-29.
2SJ
2 Kor 6,8-10
297
Die Antithese ciJ~ a.1t09VJiClKOVt8~ Kat Wou 1;OOI18V (6,9b) zeigt geradezu paradigmatisch auch für die anderen Gegensätze, daß das Interpretament ,Schein und Sein" ,äußere Wahmehmtmg' vel"SUS ,innere Realität', hier zu kun greift.'" Viehnehr ist in Übereinstimmung mit der übrigen paulinischen Theologie einer paradoxen Deutung der Vorzug zu geben, wonach die Existenz des Apostels - als Beispiel für alle Christen"· - einem dialektischen Nebeneinander von Leiden und Trost 0,5-7), Bedrängnis und Bewahrung (4,8f.) oder - radikal formuliert - einer Gleichzeitigkeit von Tod und Leben (so buchstäblich hier in 6,9b) ausgesetzt ist.'" Erklärt werden kann diese Dialektik - analog zu 4,7-11 - mit dem Unterschied zweier Ebenen: der irdisch-menschlichen Dimension der Erfahrung (vgl. die Peristasenkataloge) sowie der ,transzendenten' Wirklichkeit des im Apostel eingepflanzten Wortes Gottes (vgl. 5,19 9sn~ ... 9sl1svo~ tv "l1iv tnv A6yov ... ). Paulus ist als 980il öUIKovo~ (V. 4a) stärker noch als die christliche Existenz im allgemeinen mannigfaltigem ,Sterben' (9ba) preisgegeben: Verleumdung und Ignoranz (8ca.9aa), Züchtigung und Betrübnis (9ca.1 Daa), Armut und Entbehrung ( I Dba.ca). Diese Leiden sind nicht irgend wie begrenzt, sondern Paulus erfährt sie als solche Last, daß er anderswo geradezu vom ,Vernichtetwerden' (öuup9dpso9al) sprechen kann (4,16a). Aufgerieben wird der ,äußere Mensch', d. h. seine (ganze) irdisch-leibliche Existenz. Wie alle Menschen in ,dieser Welt(zeit)'''', der Sphäre der CIIip; (vgl. 5,16), ist auch der Diener Gottes der Vergänglichkeit unterworfen. An dieser Stelle scheint eine wichtige Unterscheidung angebracht, was den paulinischen Gebrauch von aap~. Ka'ta. UßpKa., ~v aapK{ o. ä. betrifft. Der von Paulus in der übenviegenden Zahl der Fälle negativ besetzte Begriff ",ip~ (vgl. z. ß. Rörn 8,3-13: 2 Kor 10,2-4: Ga! 5, 13-24) bezeicbnet allgemein .die Sphäre des Vorfmdlichen" (Bultmann, 2 Kor 155) und steht näherhin für ein (aktives) Verhalten oder Denken, das dem vor~ oder außer~ christlichen Menschen eignet (vgl. Ga! 4,23.29: phi! 3,3-6 mit 7f.). a6.~ ist hier keine neutrale anthropologische Kategorie mehr, sondern bezeichnet
das von der SUnde geprägte Fleisch (vgl. Röm 8,8). In diesem Sinne ist auch 2 Kor 5,16 zu verstehen, wo Paulus sich entschleden von einer
ETkenntnL~
weise Ka,/" aclpKa abgrenzt. bei der die glaubende Wahrnehmung der Wirklichkeit ausgeklammert wird.
Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Apostel bzw. die Christen den ,sarkisehen" todbringenden Bedingungen des ,gegenwärtigen bösen Äons' (Gal m Gegen Ebner, Leidenslisten 262.S10-!H2.321-S25 (trotz seiner zahlrekhen heUenistisehen Parallelen), z.o Zu dieser Frage siehe unten die Auslegung von 2 Kor 1,7. Vgl. die dazu einschlägigen Positionen oben S. 295 Anm. 228, . !t2 VgL Röm 8,18 u. a. (0 vüv Ka\p6r;); 1 Kor 7,31 u. a. (0 K6cr~oS o\hoc;); 2 Kor 4,4 u. a. 7~1
(6
«Io,v O~T"').
298
Kapitel 4: Tod und Leben
1,4} schon enthoben wären. Obwohl sie als eine ,neue Schöpfung in christus' (5,17) nicht mehr KInn mlpKI1 erkennen und denken, bleiben sie doch als in der Welt Lebende gleichsam (passive) ,Opfer' der
(vgJ. Ga! 5,18), Paulus selbst beschreibt jenen Unterschied zwischen Erleiden Imd Tun der oapl; prägoant in 2 Kor 10,8: 'Ev oaprl 'Yap ".pl1l111oGV1S~ 01\ KI1,11 OaPKI1 01pl1,su6~.alL Und dennoch, in provozierender Frontstellung gegen die ,sarldsche' Todeselfahrung, kann der Apostel ein triumphierendes Kat Illou ~ÖJllev (6,9b) ausrufen, das, jener Realität zum Trotz, hier und jetzt (Präsens!) bereits gilt. Es ist die verborgene Wirklichkeit Gottes, die seinem Diener (4a) arn ,Leben' Arlteil gibt, das nicht irdisch-menschlich, sondern nur mit den Augen des Glaubens zu erfassen ist.'" Umschrieben wird diese )transzendente~ Dimension mit Hilfe von sieben Kennzeichnungen ,wahrhaftig', ,wohlbekannt', ,wir leben" ,nicht getötet', ,immer fröhlich', ,viele reich machend', ,alles besitzend' -, die verschiedenen Kategorien zugehören. Während lllou ~ÖJIIEV (9b(3), II~ 8ava10UIIEVO\ (9c(3), cid ... X1tlPOV1E<; OOa(3) ,md 1Iav1a Ka16xovfE<; (lOc(3) persönliche Zustandsbeschreibungen sind, implizieren UA1)9Ei<; (8c(3) und E1It'YIVQ)C1K6~EVOI (9a(3) eine bestimmte Außenwirkung; 1I0AAOU<; ... 1t"0\J1(~OV~E~ (I Ob(3) schließlich ist eine Handlungsangabe. Ihren einheitlichen Rahmen jedoch erhält die Reihe durch ihre zwar unausgesprochene, aber durchgängige Relationalität auf Gott hin: Gott ist es, der um die Wahrhaftigkeit seines Apostels weiß (8c(3) und der allein ihn durch und durch kennt (gaß; "gI. 1 Kor 8,3; 13,12; Gal 4,9)244; nur im Glauben an die Versöhnungsbotschaft Gottes (5,18f.) genießt er die beständige Freude (lOa(3) eines unzerstörbaren (9c(3) und alles umfassenden OOcß) Lebens (9bß); und es ist die ,Diakonie' dieser Botschaft als ,Mitarbeiter' Gottes (6,1.3f.)"', durch die Paulus viele Menschen reich macht (IOb(3). Die Verse 8c-l0 schildern also die paradoxe Lebenssituation des Apostels, der gleichzeitig zwei verschiedenen ,Welten' angehört: noch m Bedenkt man die Oberschriftfunktton von cil~ 9EOÜ builCOVOl (4a) für den garnen Katalog, so ließe sich pointiert sagen: Die Vorderglieder \'on 8c-lO erläutern das Dienerstin des Paulus (9&oü liuIKDvol), die Hinterglieder verweisen auf die göltliche BezugJgröße desseihen (Dto\) ~hQtcOVOl). 2H Der gute Ruf und die Wertschätmng des Paulus bei Teilen der Gemeinde (vgl 1,13[; 5,11) stehen vom Gesamtduktus her in gap nicht im Blick (gegen Liet7.mann-Kfun·
245
md, Kor 128: Bultmarm, 2 Kor 175 [offener noch in seinem Art. ytVOO(JlC(J), yvromc; KtA,: ThWNT 1 (1983) 7031; K1auck, 2 Kor 59; de Oli"eira, Diakonie 415; vgl. dagegen Fit1.gerald, Crach 196: .. ,weU known' .. " that iso to God"j Ebner, Leidenslisten 323: "Gott allein"; flir beides plädieren Windisch, 2 Kor 208: "in der Gemeinde und im Himmel"; Fumish, 11 Cor 358; Lang, Kor 306; Wolff. 2 Kor 1421. Der Apostel leiht Gott geradezu seine Stimme (vgl. 5,20 w~ 'tou 8s00 1tapaKaAoUytO~ Sl'
(uuöv).
2 Kor 6,8-10
299
als ,äußerer Mensch' (4,16a), in der ,Fremde' (5,6) - der Sphäre der uap~ mit aIl ihren Bedrängnissen, aber schon - als ,innerer Mensch' (4,16b) - der ,Neuheit des Lebens' (Röm 6.4) .... Diese andere. ,göttliche' Dimension ist dabei ebenso unanschaulich, transzendent, supranatural, wie sie zugleich wirklich ist"': .,zwar nie empirisch realisiert, aber doch ein real Wirkendes im Leben""'. Paulus verzichtet hier im Rahmen des eher apologetisch ausgerichteten Katalogs auf die in 4,7 -12 gegebene christologische Begründung, die letztlich auch das Fundament dieser Antithesen bildet: Als Sterbender (6.9ba) trägt Paulus die vlKpCllm~ ~oii 'Illuoil am Leibe herum (4, I Oa), als Lebender (6. 9bß) macht er die ~CIlTt ~oii 'Illuo(; offenbar (4,1 Ob. 11 b). Es geht ihm in Kapitel 6 um die Darstellung der praktischen Konsequenzen, die das Paradox des Cluistusereignisses nach sich zieht: in einer alltäglichen Dialektik von Widrigkeit und Freude, Tod und Leben dem apostolischen Dienst treu bleiben zu müssen und zu können.
2. Zusammenjrusung 2 Kor 6,8-10 bildet den Abschluß eines langen Katalogs von Peristasen und Tugenden (6,3-10) im letzten Teil der sogenannten Apologie des 2. KOlintherbriefs. Die gewaltige Aufzählung soll angesichts bestimmter Kritik am apostolischen Dienst des Paulus (V. 3) veranschaulichen, was ihn als ,Diener Gottes' auszeichnet und empfiehlt (V. 4). Nach der Gegenüberstellung von neun Widrigkeiten und neun positiven Qualifikationen schildert Paulus in neun dialektischen Antithesen den spannungsvollen Charakter seines Apostolats. In Form eines kurzen .Adiaphorakatalogs' nach dem Vorbild der kynisch-stoischen Diatribe skizziert er zunächst die widersprüchllchen Reputationen, die der Apostel innerhalb der ,sarkisch' geprägten Welt genießt. Ihnen zum Trotz hat er sich als Diener Gottes zu bewähren, freilich nicht unberührt von ihnen wie der stoische Weise. sondern ~.6
Der fam 1l\'9pOO1to!) (2 Kor 4,16bl ist identisch mit dem Wandel EV Kotv6n,tl
~cof\t;
(Röm 6,4), dagegen der I~ro ävepmrt~ (2 KOT 4,16a) aber nicht mit dem 1taAQlbc; ä-vBpwnoc; (Röm 6,6), wenngleich heide verwandt sind. Der ,alte', durch die Taufe mit Christus gekreuzigte und gestorbene Mensch war der ,aktive' Sünder Kato. a6p1Cß; der ,äußere' Mensch j!;t der .pas5iv' tv aapn wandelnde. noch unta dcn Auswir· kungen des alten Äons leidende Apostel oder Glaubende. Der Untcrschied heider anthropologischer Gegensätze liegt im zeitlichen Verhältnis ihrer Antithesen: Alter und neuer Mensch (Röm 6) stehen in Suk7.essivität zueinander, äußerer und innerer Mensch (2 Kor 4) in Simultaneität; letztere macht das paradoxe ELement von 4,16
(und 6,8c-101 .us. m Vgl. ßultmann, 2 Kor 127E (ru 4,16bJ. '" Ebd. 128.
300
Kapitel 4: Tod und Leben
mitten durch sie hindurch als paradoxe Empfehlung seines eigentlichen Auftrags, der Diakonie. Sieben antithetische Paare mit konträrer oder kontradiktorischer Semantik beschließen die lange Reihe. Obwohl traditionsgeschichtlich heterogener Provenienz, weisen sie eine einheitliche logische Struktur auf. Analog zu 4,7-11 beschreiben die Antithesen eine Dialektik von Tod und Leben als simultane Koexistenz der beiden Ebenen, die für den Apostel zusammen seine paradoxe WIrklichkeit ausmachen. Die Sphäre der ,Sar,,', der weltlichen Erfahrung von Verkennung, Leid und Sterben, wird je begleitet (und überboten) von der Dimension des Leberu als der transzendenten Wirklichkeit Gottes. Die Instanz, die die sarldsch-immanente Wahrnehmung auf jene verborgene Wirklichkeit hin aufbricht, ist der Glaube. Von der Ebene der vorfmdlichen Wirklichkeit, die für sieb genommen 1CCl~1t mxplCCl verbliebe, unternimmt Paulus gleichsam den glaubenden Sprung auf die höhere Ebene Gottes. Indem er so inmitten seines irdischen Sterbens das eigentliche Leben erkennen und verkünden kann, enveist er sich selbst als Gottes Diener. 2 Kor 6,8-10 überset7.t die grundlegenden Ausführungen von Kapitel 4 in die konkrete Situation des apostolischen Dienstes.
C. Trost und Rettung in Todesnot (2 Kor 1,3-11) I. ÜBERSETZUNG V. 3
Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater des Erbarmens und Gott allen Trostes, V. 4 der uns tröstet bei aII unserer Bedrängnis, damit wir die trösten können, die in aller Bedrängnis sind, durch den Trost, mit dem wir selbst von Gott getröstet werden. V. 5 Denn wie die Leiden Christi uns überreich zuteil werden, so ist durch Christus überreich aueb unser Trost. V. 6 Sei es, daß wir bedrängt werden - zu eurem Trost und Heil; sei es, daß wir getröstet werden - zu eurem Trost, der wirksam wird im Ertragen derselben Leiden, die auch wir erleiden. V. Und unsere Hoffnung ist fest gegenüber euch, wissend, daß wie ihr Teilhaber seid der Leiden, so auch des Trostes. V. Nicht nämlich wollen wir euch in Unkenntnis lassen, Brüder, über unsere Bedrängnis, die sich in der Asia ereignete, daß wir im Übermaß, über Kraft belastet wurden, so daß wir sogar am Leben verzweifelten.
2 Kor 1,8-11
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V. 9 Aber wir selber in uns selbst haben das Todesurteil gehabt, damit wir nicht Vertrauen auf uns selbst setzten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt, V. 10 der uns aus solchem Tode errettete und erretten wird, auf den wir die Hoffnung gesetzt haben, daß er auch ferner erretten wird, V. 11 indem auch ihr mithelft für uns durch Gebet, damit aus vielen Angesichtern rur die uns zuteil gewordene Gnadengabe durch viele Dank gesagt werde ftir uns. H. ANALYSE
7. Kontext
a) Der weitere Kontext: 2 Kor 1,1-2,13; 7,4-8,24 Der Abschnitt 2 Kor 1,3-11 ist das Proömium des kanonischen 2. Korintherbriefes. Geht man von G. Bomkamms Teilungshypothese aus''', wonach nicht nur der ,Tränenbrief Kapitel 10-13, sondern auch die ,Apologie' 2,14-7,4(3)'" als ursprünglich selbständige Schreiben anzusehen sind, so diente der Text zunächst nur als Einleitung des sogenannten ,Versöhnungs.' oder ,Trostbriefes', der die Kapitel 1,1-2,13; 7,5(4)"'-16 sowie als Anhang wahrscheinlich den Kollektenaufruf 8,1-24 umfaßte.'" In der Tat enthält das Proömium etliche Stichworte, die es mit dem so rekonstruierten Versöhnungsbriefverknüpfen 255 : 9Äi1jl1~ 0,4 [bisj.8; 2,4; 7,4; 8,2.13), 9Ä(ßo~at (1,6; 7,5), llap(h:ÄT]ClI~ 0,3.4.5.6 [bisj.7;
2-19 250
UI 252
Siehe oben den Exkurs S. 161-167. Zur Frage des Abschlusses der Apologie siehe oben S. I65f. Die Dissertation von A. Brendle, Im Prmeß der Konfliktüberwindung. Eine exegetische Studie zur Kommunikationssituation zwischen Pau1us und den Korinthern in 2 Kor 1,1-2,13; 7,4-16 (EHS.T 588), Frankfurt arn Main u. a. 1995 (75-104 1U 2 Kor 1,8-Il) konnte nicht mehr berücksichtigt werden. Schon der Titel verrät, daß auch Brendle - obwohl er letzt1ich die Einheitlichkeit von 2 Kor vertritt - zwischen 7,3 unci 7,4 einen stärkeren Sinneillschnitt erketu1t als zwischen 7,4 und 7.5 (vgl. 187-194.203.226[), Vgl die vorige Anmerkung. Kapitel 9 dürfte als Dublette zu 8 ein später verfaßtes, selbständiges Schreiben dar-
stellen (vgL Bornkamm, Paulu. 24 7f.). 2Sl
Natürlich sind darüber hinaus diverse thematische Verbindungen zu den übrigen Kapi[eln des kanonischen 2 Kor erkennbar. worauf besonders die Befürworter der Einheitlichkeit hinweisen ("gI. z. B. Dautzenberg, Briefsammlung 3061-3065; Fitl.geraJd, Cracks 156[.; 2 Kor 20f.). Solche Verbindungen lassen sich angesichts des engen situativen und thematischen Zusammenhang.'i aber auch bei verJchitdenen Schrei· ben innerha1b von 2 Kor erkJären, ja geradezu em'arten.
wour,
302
Kapitel 4: Tod Wld Leben
7,4.7.13; 8,4.17 - sonst nicht in 2 Kor!), 1tapaKa],1ro (1,4 [lerJ.6; 2,7.8; 7,6 [bilJ.7.13; 8,6)"', oro'tl1P(a (J,6; 7,10), 1ta~ (J,3,4 [bilJ; 2,3 [bilJ.5.9; 7,4.5.11.13.14.15.16; 8,7 [bilJ.18), 1toM~ (1,11 [bilJ; 2,4 [bilJ; 7,4 [bilJ; 8,2.4.15.22 [lerJ), 1tEPIOOEUro (J,5 [bilJ; 8,2.7 [bill; vgl 1tEPIOOOtt\pro~ 1,12; 2,4; 7,13.15; 1tEPIOo6tEPO~ 2,7; 1tEp\OoEla 8,2; 1tEP{ooEulla 8,14 [bilJ). Aus diesem statistischen Befund ergibt sich bereits ein gewisses Bild Von der Atmosphäre jenes vermutlich jüngsten längeren Schreibens innerhalb der Sanunlung von 2 Kor: Neben der durch aAt'II\~/aA{ßolla\ angedeuteten ,Negativfolie', die indirekt auf die Vorgeschichte zwischen Paulus und der Gemeinde verweist"', wird der rekonstmierte ,Trostbrier besonders in seinem Anfangs- und Schlußteil (1,3-7; 7.4-13) durch das Stichwort 1tap(l1<:Allat~/1tapaKa],1ro beherrscht (insgesamt 22mal!), das dem Brief seinen Namen gegeben hat. Die Häufigkeit der Formen von 1ta~, 1tOAU~ oder des 1tEploo-Stammes signalisieren zusätzlich eine gewisse Überschwenglichkcit. die Ausdruck einer positiven, ,versöhnten' Grundstimmung des Apostels im Verhältnis zu seiner Gemeinde ist. Paulus hat von Titus gute Nachricht aus Korinth erhalten (7.6f.); sein .unter vielen Tränen' (2,4) geschriebener Brief (= Kapitel 10-13) hat die Korinther zur vollständigen /IEta.vola veranIaßt (7,8-11), so daß er aus dem Abstand nun sogar zu Verzeihung und Uebe dem gegenüber mahnen kann, der ihm seinerzeit jene demütigende Szene bereitete (2,5-11; vgl. 7,12). Im Gegensatz zur stärker theologisch ausgerichteten Apologie (2,14-7,3) und mehr noch zum leidenschaftlich-polemischen Tränenbrief (10-13) ist der Versöhnungsbrief ein eher pastorales Schreiben, das vordringlich die Bereinigung des Konflikts zwischen Apostel und Gemeinde bestätigen und das Geschehene aufarbeiten, aber auch noch bestehende Irritationen wegen des geänderten Reiseplans ausräumen möchte (vgl. 1,15-2,4). Grundsätdiche Erörterungen theologischer Art sind im Versöhnungsbrief mit Ausnahme des Proömiums kaum 1.U fmden. Dessen Ausführungen zur Dialektik von Bedrängnis und Trost, Tod und Rettung formulieren auf .systematische' Weise vorweg die thematische Leitlinie des nachfolgenden Schreibens. 25'
~m
Vgl. O. Hofius. tlDcr Gott allen Trostes", 1IIIpat::)':J1olt; lU1d 1IapoKaAEiv in 2 Kor 1,3-7,
m: deni., PaulLL'Ö.'audien (WUNT 51), Tübingen 1989, 244-254, 244. m Vg1. analog d~ in Kapitel 2 und 7 insgesamt 16ma1 vork.ommende Stichwort ).u1tTJ1 ).u1tem. 2SiS
Älmlich wie schon in der Narrenrede des Träncnbriefes beweist Paulu5 auch im Trostbrief sein Geschick, konkrete Vorbehalte der Korinther mittels theologischer Argumentation auf eine grundsätzlichere Ebene zu heben und dabei zu semem Vorteil umzumümen (vgl. 1,3-11 rspe1.icl1 8-11] mit 1,15-2,4). - Zur Ftmktion des Briefes angesichts der Vorgeschichte vg1. jetzt auch Bosenius, Abwesenheit 1-45.
303
2 Kor 1,3-11
b) Der unmittelbare Kontext: 2 Kor 1,1-14 Das Proömium 1,3-11 läßt sich als Einheit klar von seinem unmittelbaren Kontext abgrenzen. Nach vorne bilden die Verse 1 und 2 das der Gattung Brief eigene PrlJ.skript mit Absender-, Adressatenangabe und Grußwort. Es lehnt sich eng an den Eingang des 1. Korintherbriefes an, nennt aber statt Sosthenes Timotheus als Mitabsender und ist insgesamt küner gehalten, da die ekklesiologischen Attribute von 1 Kor 1,2 fehlen. Nach hinten sind die Verse 12-14 als 7.Usammengehörige Einheit erkennbar, die den Beginn des Briefkorpus darstellen. '" Sie werden gerahmt vom Stichwort ,Ruhm' (KaU;(11crt~/Kat\Xl1lla), das sich zuerst auf die betont herausgestellte Lauterkeit des Paulus bezieht (V. 12), dann auf das wechselseitige Verhältnis von Apostel und Gemeinde in eschatologisch geweiteter Perspektive (,am Tage unseres Herrn Jesus', V.14). Dem Inhalt nach geht es zunächst um die selbstbewußt vorgebrachte Beteuerung der a1tA6l'T]~'" und elA1Kp(velll des Paulus, der sich damit einem Vonvurf entgegenstellt, er handele aO
ev rap ... )
rap
m Laut Fittgerald, Cracks 157f. haben sie die gLeiche Funktion wie das e:r:ordium in einer
cpidciktischen Rede. nl pi& HO ABC K P 'I' u. a. lesen a:Y1.0tTl<;.
259 Da5 Präsens l'paqmj.l.EY deutet auf eine genereUe Aussage hinsichtlich der Briefe hin 260
161
("gI. Windisch, 2 KOT 57; Fumish. II Cor 128.130; Wolff, 2 Kor 30). Die Gegner der Bomkammschen Teilungshypothese setzen dementsprechend besonders hier mit ihrer Kritik derselben an (vgl. l. B. Dauf7.enb~rg, nrlefsammlung 3057)_ Vgl. Windisch. 2 Kor 53; Fitlgerald, Cracks 155; gegen Fumish, 11 Cor 126.
304
Kapitel 4: Tod und Leben
söhntes Verhältnis von Apostel und Gemeinde voraussetzt. Die Verse 12-14 leiten demnach, an diese positive Grundstimmung anknüpfend, zum Brielkorpus über, indem sie mit apostolischem Selbstbewußtsein die gegenwärtig noch bestehenden Mißverständnisse WI.It{~OJ Be ött gOJ~ ~EAOU~ emYVcOO's0'8s, 13b) zu der vergangenen, weitgehend bereinigten Auseinandersetzung (em!yvOJ~e ~Ilä~ alte, Ilepoo<;, 14a) in Beriehung setzen: So wie seinerzeit nach der schweren Krise eine Versöhnung möglich war, so werden auch die momentanen Störungen noch auszuräUlnen sem.
2. Stmktur Das Proömium 1,3-11 zerHilit in 1.wei deutlich tmterscheidbare Teile, die von zwei rahmenden Versen umschlossen sind. Im einzelnen zeigt sich folgender Aufbau: Rahmen V. 3 Lobpreis Gottes (Überschrift) I. V. 4-7 Leidens- und Trostgemeinschaft von Apostel und Gemeinde (systematische Erörterung)'" 1. 4 Themenangabe: Gottes Tröstung des Apostels in der Bedrängnis als Befähigung zum Trösten anderer in Bedrängnis 2. 5 Erläuterung (1): der Apostel als Träger der Leiden und des Trostes Christi Erläuterung (2): Bedrängnis und Trost des Apostels 3. 6 zum Trost und Heil der dasselbe erleidenden Gemeinde 4. 7 Zusammenfassung: die Gemeinde als Teilhaberin an Leiden und Trost H. V. 8-10 Todesnot und Rettung des Paulus in der Asia (Veranschaulichung) Beispiel: die übergroße Bedrängnis und Ver1. 8 zweiflung in der Asia 2. 9-10 Theologische Deutung a) 9 Ziel: Vertrauen setzen allein auf Gott b) 10 Grund: Gott als Retter in Vergangenheit (Erfahrung) und Zukunft (Hoffnung)
26'l
VgJ. auch die graphische Darstellung bei Kleinknecht. Der leidende Gerechtfertigte 244.
2 Kor 1.3-11
305
Rahmen V. 11 Appell an die Gemeinde zum Fürbitt- und Dankgebet (Zielaussage) Mit einer thematisch geschlossenen, fast systematisch zu nennenden Abhandlung entwickelt Paulus in den Versen 4-7 den dialektischen Zusammenhang von ,Bedrängnis'/,Leiden' auf der einen und ,Trost'/ ,Heil' auf der anderen Seite, der einerseits beim Apostel, andererseits
bei der Gemeinde gegeben ist, sowie das komplizierte Abhängigkeitsverhältnis dieser Dialektiken untereinander bzw. letztlich von Gott/ Christus. Vers 4, prädikativ angefügt an das Subjekt des Eingangsverses 6 ee6~, formuliert vorweg die ganze These, die sodann in zwei Einzelzügen (5 und 6) näher expliziert wird; Vers 7 faßt, in die Zukunft blickend, die Thematik noch einmal zusammen. Weniger einheitlich sind die Verse 8-10, in denen Paulus ein konkret-biographisches Widerfahrnis mit einer fundamentalen theologischen Aussage verbindet. Vom Gesamt des Textes her dienen diese Verse der Veranschaulichung von V. 5 aus dem 1. Teil: Es geht um die innere Dialektik des Apostels und deren theologische Deutung. Eingebettet sind beide Teile in einen Rahmen (V. 3.11), der zwar der Funktion des Proömiums verpflichtet ist"', darüber hinaus aber dessen inhaltliche Aussagen unterstützt: Ähnlich wie in 4,7-12 (-15) besteht ein Gefälle vom Lobpreis Gottes (V. 3) quasi als Überschrift hin '.ur Aufforderung der Gemeinde (V. 11), das den Apostel, um den sich der Text weitgehend dreht (V. 4-10), als eine Art Mittler zwischen beiden erscheinen läßt. Die Struktur des Proömiums spiegelt somit das wider, was in Vers 4 inhaltlich formuliert ist.
3. Gattung
Der Abschnitt 1,3-11 stellt nicht nur das den kanonischen 2 Kor bzw. den Versöhnungsbrief einleitende ,Proömium' dar; diese Bezeichnung gibt seine rhetorische Funktion im Rahmen eines paulinischen Briefes an.'" Aufgrund seines Anfangs (EUAo'Y1110~ 6 960~ ... ) wird das Proömium auch als ,Eulogie' klassifIZiert"', welche die sonst übliche
76~
264
!M
Zur hier vorliegenden besonderen Form der Eulogie im Unterschied zur nonnalerweise üblichen BrieftuchaTÜlit (vgl. statt dessen in V. 11 die Bittt um das Gebet der Gemeinde) siehc unten die Gatttmgskritik. Mit Ausnahme des Galaterbriefes be!litzen alle Paulusbriefe ein Proömium. - Vgl. ßerger, Apostelbrief 190-231 (zur paulinischen EpistologTaphie allgemein; hier. 219-225); P. T. C'Brien, Introductory Thanksgivings in the Letten of Paul (Suppl. NT 4-9), Leiden 1977j zahlreichc weitere Literatur dazu bei J. H. Roberts, Paulinc TTilnsitions to the Letter BOOy, in: Vanhoye, L'apotre 93-99, 93f. Vgl. BergcT, Fonngeschkhte 245; Dautzenbcrg. Briefsammlung 3059.
306
Kapitel 4: Tod und Leben
,Euchan!tie' ersetzt, mit der Paulus in der Regel einleitend Rir den Glauben der Gemeinde Dank sagt und sich seines guten Verhältnisses zu ihr versichert. 266
Die einleitende Eulogie des 2 Kor weist gattungsmäßige Parallelen zu einer Gruppe von Psalmen im Alten Testament auf. "Das Verständnis der einleitenden Eulogie ... wird wesentlich durch die Beobachtung gefördert, daß Paulus bei ihrer Gestaltung auf die Elemente der biblischen ,todah', des ,berichtenden Lobpsahns des einzelnen' (nach Westermann) 7.uriickgegriffen hat."'.' Elemente dieser Gattung sind - das einleitende 6öA.oYT1~6~ entsprechend dem hebräischen ~1"l~ (V.3aa); - die sich anschließenden Gottesprädikate (V. 3bcd; vgL Ps 41,14; 72,18f.; 106,48; IQH 10,14; 11,29); - die Erläuterung durch Part;,ipialsatz (V. 4a; vgl. Ps 135,21; 144,1; PsSal 6,6; IQS 11,15; I QJVI 14,4.8); - der Bericht von Not und Rettung (V.8-IOa; vgl. Ps 18,5-7. 17-21.33-35.48f.; 30,2-4.7-12; 34,5; 40,2f.; 66,17-20; 116,1-4.8; 118,5; 138,3); - das ,zusammenfassende Lob' (V. lOb; vgl. Ps 18,28.31f.; 30,5f.; 34,8.18f.23; 40,6; 116,9; 118,1.29; 138,6); - das ,Lobgelübde' (vgl. Ps 18,50; 30,13; 40,4a; 116, 13f.1 7-19; 118,28; 138,lf.), an dessen Stelle hier die Aufforderung der Gemeinde zum mithelfenden Lob steht (V. 11; vgl. ähnlich Ps 22,24.27b; 35,27). Es kann demnach festgehalten werden, daß die Grundstruktur der Eingangseulogie (V. 3-4a..8-11) dem alttestamentlichen ,berichtenden Lobpsalm eines einzelnen' entspricht. Allerdings hat Paulus in V. 4b-7 die gattungsspezifischen Motive auf individuelle Weise ergänzt ...Die formalen Abweichungen vom Schema erklären sich daraus, daß der Text von vornherein als Proömium eines Briefes konzipiert worden ist. Die inhaltlichen Abweichungen gehen auf die theologische Aussageabsicht des Paulus zurück. «'58 Paradoxe Elemente seiner Theologie dürften daher eher in den eigenen Reflexionen des Apostels (4b-7) als in den gattungstypischen Partien zu envarten sein. Vgl. Röm 1,811 Kor 1,4/ PhiL 1,3 / Phlm 4- mit E.UXarUJ"tmj 1 Thcss 1,2 mit roxaPlO'tOßt,lEV. Die einzigen anderen Eingangseulogitn außer 2 Kor befmden sich in Eph 1,3-14 und 1 Petr 1,3-9; Klauc~ 2 Kor 18 hält sie für "bewußte Nachalunungen des "on Paulus geschaffenen Vorbilds". 251 Dautlenberg, Briefsammlung 3058f. (vgl. auch zum Folgenden). Vgl. mit anderen Belegen Hofius, Gott 254. Berger. Fonngeschichte 272f. spricht von der GattWlg "Selbstzeugnis über Gefährdung und Rettung des Gerechten". Fitzgerald. Cracks 153-155 erkennt die doppelte Funktion einer "collgratulatory benediction". 268 Daut7.cnberg. Bdefsammlung 2060,
%66
307
2 Kor 1,3-11
III. INTERPRETATION
Zweifellos hat auch der letzte der in dieser Arbeit behandelten Texte die innerapos[olische Paradoxalität als eine Dialektik von Tod und Leben zum Gegenstand, Er steht somit in einem thematischen Kontext besonders mit 2 Kor 4,7-12 und 6,8-10. Auf der anderen Seite ist 2 Kor 1,4-7 der einzige Passus, wo Paulus über seine eigene Situation hinaus geradezu systematisch auch das Leiden der Gemeil,,]e und dessen Bewältigung reflektiert. Diese an die Korinther gerichteten Überlegungen können als repräsentativ rur christliche Existenz allgemein geIten. Von daher wird der Begründungszusammenhang von christologischer, apostolischer und Gemeindedialektik einen Schwerpunkt der Auslegung bilden. Kaum weniger von Bedeutung ist die in V. 9 enthaltene theologische Aussage. Jedesmal ist wiedemm die Frage nach der spezifischen Paradoxalität des Gedankens zu stellen.
I. Einzelexegese a) 1,3: Der Gott Jesu Christi als Gott allen Trostes Mit der alttestamentlich verbreiteten Formel eUAOYT\'to<; 6 6&0<; entsprechend dem hebräischen ~p:/c'ry"~/~ '1~'~ setzt Paulus gattungsgemäß ein. ". In jüdischer Gebetssprache preist er Gott, um ihn jedoch sogleich als ,Vater unseres HermJesus Christus' christlich zu qualiflZieren.'70 Umstritten ist der Bezug des Genitivs: Gehört 'tau Koploo TUU'i)V 'l'1ooüXpt<nou nur zu lta't1\p'" oder auch (wie Röm 15,6; 2 Kor 11,31; Eph 1,3.17) zu 6 6eo<;"'? Aufgmnd der Grammatik (Kai statt erneuten Artikels 6 vor lta't1\p), aber auch aus inhaltlichen Gründen scheint die zweite Möglichkeit (,Gott Jesu Christi') naheliegender: Gleich zu Beginn betont der Apostel die enge Zusammengehörigkeit von Gott und Christus, so wie er auch im folgenden christologische (V. 5) und theologische (V.9f.) Rede austauschbar gebrauchen kann. 6 9EO<; ... 'l'1ooii XPIOWU ist der in Christus handelnde Gott, dessen Trost (3d.4a.c) dem Apostel Ölb. 'tou Xpto'tOü (5b) überreich zuteil wird.
'" Vgl. LXX Gen 14,20; 1 Kön 5,21; 1 Esr 4.40: Tob 9,6 (Sin.): 11.17; 13,1.18; Ps 17,47; 65,20; 67,36; Dan 3,28/95 (Theodot.). !111 Vgl. in wörtlicher Übereinstimmung Eph 1,3; 1 Petl" 1,3. Bultmann. 2 Kor 25 und WaHr, 2 Kor 22 vennuten eine liturgische Herkunft der Wendung. VgL abWägend Windisch, 2 Kor 37; Kb.uck. 2 Kol'" 18(; eindeutig Fumish, 11 COI'" 109 mit Hinweis auf die Singularität der anderen Lesart. bei Paulus (11,31 und Röm ] 5,6 seien "a Christian gloss on tbc synagogue fonnula m Vgl. Hofius, Gott 244 Anm, 2; Wolff, 2 Kor 21[
271
M
),
808
Kapitel 4: Tod und Leben
Unter chiastischer Wiederaufnahme der beiden Gottestitel aus Ba und b schließt Paulus in Be und d zwei weitere Prädikationen an, wodurch sich ein kunstvoller Aufbau des Lobpreises ergibt: 6ÜA0Y'1<0~
(, 8so<; ( 3 a ) > < a l 1ta<~p
8so<; ltIIO"ll<; napaKA-rl0"600<; (3d)
Die beiden Ausdrücke ,Vater des Erbannens' (wörtI.: ,der Erbarmungen'; vgl. Röm 12,1) und ,Gott allen Trostes' (vgl. Röm 15,5) entstammen jüdischem Sprachgebrauch und besitzen Parallelen in der rabbinischen Literatur.'" Obwohl oIK<tpl-l0{ und 1tap6.KAllO"t~ der Form nach substantivische Attribute Gottes sind, heben sie inhaltlich "auf das Handeln Gottes ab: auf sein Sich-Erbannen und auf sein Trösten"m. Die Barmherzigkeit des Vaters und der allumfassende'" göttliche Trost sind konkrete Tat des ,Gottes und Vaters Jesu Christi', insofern er sie durch Christus am Apostel und den Korinthern als wirkmächtig erweist. Was Paulus im folgenden ausführen wird, ist so im Lobpreis des Eröffnungsverses verdeckt schon enthalten. b) 1,4-7: Die Dialektik von Leiden und Trost als Band der Gemeinschaft von Christus, Apostel und Gemeinde Die Verse 4-7 bilden eine geschlossene systematische Erörterung, bestehend aus einer dreiteiligen, redundanten These (4), zwei ausführlichen Explikationen derselben (5/6) und einem zusammenfassenden Ausblick (7). Das komplizierte Gedankengeftige mag folgender Überblick veranschaulichen:
m Zu n:QtTtP tmv ob~nplJ.Ölv vgl. als einzige genaue Entsprechung tI~'!I01~ :I~ (Seclcr Etijahu rabba 69 [lO.Jh.] bei A. Mannorstein, Tb. Old Rabbinie Doctrine of God, I. Th. Names and Attributes orGod, London 1927.56); femer Sap 9.1 (,Herr des Erbarmens'); IQ.H 10,14; 11,29 (,Gott des Erbarmens'). Zu a80, m!<JT], napa~A~"8", vgl. n~~~ .,~; (Ketubim 8 B bei Marmorstein, ebd. 80). - Vgl. nultmann, 2 Kor 26; Ho-
fiw, Gott 244 Arun. 8 Wld 4: Fumish. II Cor 109; Wolff, 2 Kor 22. m Hofiw. Gott 2-4-4 (ebd. Anm. 6 weitere paulinische Beispiele ft~r Prädikationen des Handelns Gottes durch Genitivattribute ). Windiseh, 2 Kor 38 Wld Bultmann, 2 Kor 26 wollC'n dagegen eher grundsätdich Gott als den Ursprung von Erbannen und Trost erkennen. m ,,1tamv; ent!lpridu ... dem liturgischen Stil. Der liturgische Stil erhebt das Penönliche ins Allgemeine, das Profane ins ,Heilige'," (Bultmann, 2 Kor 26) Vgl. 1 PetT 5,10 (0 li~
a80, na<JT], XOpl"O,).
309
2 Kor 1,3-11
Gemeinde Leiden Trost
Apostel Leiden Trost
V.4 aa
ß ba
ß
oltapaKaMöv 1'!/Läe; 6lt\ ltIicrn
Tfi
9A{IJISI 1'!/LÖlV
ltapaKaAstv ~oue; EV ltIicrn 9A{IJISI ltapaKaAO\I/LsBa ali~o\
c
ltSptcrcrSUSt ~a lta9~/La~a ... sie; 1'!/Läe;
V.5 a
b
ltSptcrcrSUSl Ka\ 1'! ltapaKATlcrte; 1'!/LÖlV
V.6 aa
ß ba
ß ca
ß
BAlßb/Ls9a · .. ~~<; U/LÖlV ltapaKA1]crsOl<; Kat crOl~~p{ae;
ltapaKaAoU/Ls9a · .. tije; U/LÖlV ltapaKA1]crSOle; · .. ~ÖlV ... lta9~/L(hOlV 1'!/Lste; ltIicrxo/LSV 1'! EAlt\c; . . . ßsßala 1l1tSP U/LÖlV
V.7 a
ba
ß
· .. ~ÖlV lta9~/La~OlV · .. tije; ltapaKA1]crSOle;
Die vier Linien mark.ieren die vier Grundaussagen des Textes, die in alternierender Fassung je mehrfach auftauchen und kunstvoll ineinander verwoben sind {die gleiche Aussage erscheint nie unmittelbar hintereinander} : 1. Der Apostel erleidet Bedrängnis {linke äußere Linie / viennal: 4aß.5a.6aa.6cJl}. 2. Der Apostel erfährt Trost {linke innere Linie / viennal: 4aa.4c.5b.6bal. 3. Die Gemeinde erleidet Bedrängnis {rechte innere Linie / drei· mal: 4bp.6ca.7ba}. 4. Die Gemeinde erfährt Trost (rechte äußere Linie / fünfmal: 4ba.6aß.6bß. 7a. 7bJl). In insgesamt 16 Einzelaussagen entfaltet Paulus die Dialektik von 9AilJlte;/lta91\/La'ta und ltapaKATlcrtc;, ,,~e er sie selbst erfährt und me sie ebenso seine Adressaten betrifft. Entscheidend dabei ist, daß beide Dialektiken nicht einfach isoliert nebeneinander stehen, sondern ein bestimmtes Abhängigkeitsgefüge deutlich wird: Paulus führt die eigene apostolische Dialektik auf Gott bzw. Christus zurück; darüber hin-
310
Kapitel 4: Tod wld Leben
aus erkermt er aber einen geheinmisvollen Zusammenhang von seinem Leiden und Trost mit dem analogen Geschick der Gemeinde. Sprachlich zum Ausdruck kommt dies durch die Attribute der jeweiligen Aussagen (Genitive etc.) bzw. ihre logische VcrhnüpJung untereinander (Präpositionen)"':
U"O tOii 9roG ~oii
XPUTtoG Sta. ~oii XPUTtoG EI.; ~O Ölivo;cr90;t ... u,,~p
...
ÖlfEp .. . [ö,,~p ...
(4c), (5a), (5b) (4b), (6a), (6b), (7alJ
Öla. 'tfj~ "o;po;KA.~crECJl~
~~ ...
(4c)
~ii~
EVEpyoupi,,'1; &v ,'mollovfj 'trov autibv ... KOI vrovol &cr'E ...
(6c) (Ge),
Ob)
benennen die Herkunft der apostolischen Dialektik von Gott/Christus; drücken die Intentionalität des Apostels auf die Gemeinde hin aus; gibt das Mittel der GemeindeTröstung an, den göttlichen Trost des Apostels; erklärt die Wirkweise des Trostes für die Gemeinde; verdeutlichen die Gemein>chtift von Apostel und Gemeinde im Leiden.
Dagegen stehen die Konjunktionen K0;9cl>~ ... o{hCJl~ (5)'} zur Bezeichnung der Dialektik Et~E ... Et~E (6ab), des Apostels (5f.) ch~ ... o{hCJl~ Obo;J3) bzw. der Gemeinde (7). Der dialektische Zusammenhang von Bedrängnis und Trost, der im Text auf zwei oder - mit der impliziten Christologie - sogar drei verschiedenen Ebenen begegnet, bildet also ein komplexes Ganzes voller Interdependenzen, denen nun im einzelnen Aufmerksamkeit zu schenken ist. (1) V.4
Der dreigliedrige Vers 4, der sich prädikativ an den Eingangslobpreis anschließt"', nimmt thesenartig zusammenfassend die Thematik der folgenden drei Verse vorweg. Alle vier Grundaussagen'" der kleinen ,Abhandlung' sind in ihm enthalten: Bedrängnis und Trost des Diese Bestandteile des Textes wurden in der obigen Übersicht bewußt fortgelassen, um die dialektischen Gnmdaussagen klarer herauszustellen. 217 Auch gattung5gemäß gehört 4a Doch zur einleitenden Eulogie (siehe oben S. 305f.; vgl. 216
die Glicdenmgen bei Windiscb. 2 Kor 86ff.; Bultmann, 2 Kor 25ff.; Fumish, 11 Cor 116f.); sachlich beginnt mit 0 1tapaKaAWV .. , die Explikation des Titels Geot:; 1tIiaTlt:; 1tapa1CA~CJe:ms·
m Siehe die obige graphische Übersicht.
311
2 Kor 1,3-11
Apostels; Bedrängnis und Trost anderer"'. Der Aufbau entspricht dem Schema ,a-b-a'280: Paulus beginnt mit Gott. der ihn'" tröstet bei all seiner Not (4a); er fährt fort mit Jeinern Trost, den er anderm in Not schenken kann (4b); er endet wieder bei seiner eigenm Tröstung durch Gott (4c)"'. Bildlich ergibt sich folgendes Gefalle: Gott
t
n~UKaA&V (4aU)"\ naOU
~ 9>"i1Jl1~
(4aß) __ Paulus
Ihn
-rfj~ nUpU1(>"1\O&",~
... (4c)
na!UKaA&iV (4bu) )
t
naoa.eAi1Jl1~ (4bß)~andere
Worin besteht die (speziEsehe)'" Bedrängnis des Paulus nach 4a~, und worin liegt der Trost, der dem Apostel von Gott zuteil wird (4aa..c)? In Betracht kommen verschiedene Situationen: die in 8-10 geschilderte Rettung aus einer konkreten Todesgefahr in der Asia, mit der Gott an Paulus seine Auferweckungsmacht erwies"'; oder die Ankunft des Titus - ja der eigentliche Anlaß des versöhnungsbriefes! -, durch die der ,die Gebeugten tröstende' Gott dem von Unruhe, Kämpfen und Ängsten angefochtenen Apostel Trost spendete (7,5-7)"'.
Das offene 'to~ ... (4h) dürfte vorrangig, wenn auch nicht exklusiv, dlC korinthische Gemeinde im Blick haben. '" Vgl. Windisch, 2 Kor 38. m Die erste Person Plural in V. 4 ist eindeutig aufPaulus allein zu be7,lehen (vgl. WolfT, 2 Kor 28j gegen Fumisb, 11 Cor 1]0: .,should probably he understood indusivcly, i. c" a.co embracing the recipients cf the letter as weD as the senders"), 219
282
Diese Aussage bildet also den Rahmen des Verses, und zwar in chiastischer Anord·
nung: 0 napaICal.ii)v 1\Jlä<; .. . napUKaAoU).lt9a aDtol öno 'CoO geou (Gott - Apostel , Apostel - Gott). m Im Unterschied zur unbestimmt bldbenden 9Äi'lJfl':; der anderen (4bf.\) steht hier bei der paulinuchen Not der bestimmte Artikel -rfi (vgl. Windisch. 2 Kor 38; Bultmann. 2 Kor 27 Anm. I; Fumish, TI Cor 110). 2U Vgl, Hofius. Gott 246; Fumish, II Cor 117. m Vgl WoIfT; 2 Kor 22f.; Fumish, ebd. Hierfur spräche u. a. das in 7,6r. ebenso gehäufte Vork.ommen von napaKaÄ.Eiv/napaKAl101C; (4mal) wie im Proömium.
312
Kapitel 4: Tod und Leben
Vielleicht ist es aber gar nicht nötig, die generelle Aussage'" von V. 4 auf eine bestimmte biographische Situation 7.Urückzuführen. WeIUl der folgende V. 5 die Dialektik des Paulus auf die christologische Deutungsebene hebt, dürfte auch zuvor schon eine grundsätzliche Aussageabsicht näherliegen: Über die rein empirischen Widerfahrnisse von Todesnot und Rettung bzw. Trost in der (inneren) Bedrängnis hinaus versteht Paulus seine ßA("'ßt~ "eben nicht als Not, wie sie jeder erfahrt", sondern "als 1taß1\lLa~a Xpla~oii im gläubigen Verstehen"; ebenso ist "die ltap,hCA'1al~ nicht die bloße Errettung als solche, sondern das mit ihr geschenkte Verstehen der Errettung als Teilhabe am Leben Christi""'. V. 4a.c enthalten damit - unbeschadet ihres gewiß biographisch bedingten Kerns - ein eminent theologisches BekeIUltnis des Paulus zU Gott dem Tröster, d. h. dem soteriologisch Handelnden288 , Der Apostel bleibt jedoch hier - anders als sonst - nicht bei diesem persönlichen BekeIUltnis stehen.'" In 4b neIIDt er ein ziel seiner eige· nen Tröstung (El~ ~O St)vaaßat), nämlich das seinerseitige TröstenKöIUlen derer, die analoge Drangsal-Erfahrungen, welcher Art auch immer (micrn 4bß ohne Artikel), erleiden müssen. Die göttliche Tröstung des Paulus erscheint an dieser Stelle in einer bestimmten Finalität (EI~) funktionalisiert auf die Gemeinde hin, um deren Tröstung es eigentlich geht. 200 Wodurch dies geschehen kaIUl, welches das Mittel zu diesem ziel ist, sagt Paulus nicht ohne gewisse Redundanz'" in 4c: Sto. Tii~ ltapaKA1\ae(J)~ fi~ ltapaKaAoulLeßa aötol ÖltO ~oG aEoG. Eben jener Trost von Gott, der dem Apostel 7.Uteil ,,~rd, ist auch das Instrument für dessen Tröstung der Gemeinde. Die göttliche 1!apaKA'1C1l~ nach V. 4 umfaßt somit verschiedene Aspekte: - Thr primärer Adressat ist der Apostel ,elbst (4a). - Sie befähigt ihn zum Trösten anderer (4b). - Sie selbst ist das Werkzeug dieser Tröstung (4c). 286 Das Partizip Präsens nOpd.KaÄ.i&lv unterstreicht das "umfassende Ausmaß der göttli-
chen Tröstung" (Wolff, 2 KOT 22), die dem Apostel zu jeder Zeit zuteil wird (vgl. Bultmann, 2 Kor 28 Anm. 3). m Bultmann, 2 Kor 28.
Das Stichwort O'fImlp{o taucht in V. 6 ausdliicklich auf. Vgl. dagegen 4,7-11 (aberV. 12 6n!); 12.9f.j Phil3,10f. - Um so mehr scheint es von 2 Kor 1 her legitim, an diesen Stellen dem Apostel wenigstens teilweise auch eine parn.digmatische Funktion für alle Cluisten zuzuschreiben. ll'tO Paradox wäre es, wenn nicht nur dem göttlichen Trost des Paulus, sondern seiner DialdUlt. von Bedrängnis und Trost als ganzer diese Funktion - Tröstung der Gemeinde - 1.ukommen soUte: Trost der Korinther auch durch das Leiden des Apostels? (Vgl. d.zu V. 6•. ) 291 AUerdings kann 7.wischen dC; 'to MVQo9a\ (4b), womit das Ziel/die Intentionalität angegeben ist, Wld lh& tilc; 1tapa1(Ä.~aECl)<; (4c) als dem Mittel/der Ennäglichung dieses Zieles fein unterschieden werden.
23.1 2B9
313
2 Kor 1,3-11
Indirekt sind demnach auch die anderen sv llCion 9Al"'6\ Adressaten des göttlichen Trostes, freilich nur vermittelt durch den Apostel. Er ist es, der die von Gott empfangene 7tapa1
P)
V.5 Der in V. 5 formulierte Gedanke besitzt trotT. individueller Semantik die gleiche Struktur wie eine Reihe von anderen Aussagen des Apostels'" Wld kann daher als ein paulinisches Theologumenon bezeichnet werden. Es geht um die ausdrückliche verbindWlg der dialektischen Erfahrung des AposlelJ mit dem Geschehen von Leiden Wld Auferstehung Christi. Die konkrete Ausgestaltung dieses Theologuntenons erfolgt in je unterschiedlicher Weise. Zum einen differiert das begriflliche Material: 2 Kor 1,5 4,IOf. 12,9f.
7tuS~j.la,u
7tUp6.",Al]au;
~"'~
V&Kpromt;, eava:tO~
ltaSovstu
XapU;, 5Uvuj.ltC;
2D2
napaKA.l1rnc; ist also ebenso passive Gabe (Trost) wie aktive Aufgabe (Tröstung).
29$
So Wolrr, 2 Kor 22f.
Ebd. niest" Deutung wird bestätigt durch die 1(a6mt;-p,{hmc;.Konstruktion von V.5. Siehe auch unten S. 834 Anm. 408. '" Ausdrücklich begegnet diese Logik in 6.: sr,s 9ktß6~.ea, tI••p n;<; tI~iöY •• pa294
""~"• .,<; ••.
296
5.
Vgl besonders Phil3,lO mit dem einzigen anderen Vorkommen von 1[(lfhiIlIlTIl (Clui-
stil: ferner 2 Kor 4,10f.; 12,9f.: 13,4: Ga! 2,19f.; 6,17: Röm 6,3-11: 8,17.
314
Kapitel 4: Tod wld Leben
Gal
13,4 2,19f.
Phi! Röm
6,17 3,10 6,3-11
8,17
cr,aupoücr9al, Iicr9svSlU
~jjv,
c1.noOavetv,
esli> ~fjv,
(J\)otaupo6a9a~
lv ,,{cr'SI ~iiv
MV
cruWlt1a Jta9~~a'ta, 9ava:'toc; e.!.va
8\Sva~l<;, a.vao'tuolC; ~Ol1\, civclma
Auf der anderen Seite ist auch der ,Briickenschlag' von der christologischen zur anthropologischen Ebene je verschieden gestaltet: "Bploaeüsl ... sI<; iJ~a<; (2 Kor 1,5); tv <11> aIDIIIl'tl "SPUI'Spov<s<; (4,10); lmaK1]VIDan l,,' SII"
(12,9); Kill yap 'iJlIsi<; ... tv ttlh<j> (18,4); oö""'" SYID ... BV ~ol Xplcr<6<; (GaI2,20); sv
/1"'"
m Vgl. Tannehill, Dring 91-98, der mit Strack-Billerbeck It 124-126 auf den eschatologisch.soleriologischen Rang des Motivs ,Trosl' im Judentum hinweist (U 2,25!); ferner Hofius, Gott 246; Kleinknecht. Der leidende Gerechtfertigte 248, m Vgl. am allsfllhrlicbsten Windisch, 2 Kor 40-42, der zunächst drei mögliche A~pekte des Genitivs 'toü XPlC110Ü anführt (Leiden wie Christu~ - Leiden wtgen Christus Leiden in Christus b1.W, Ctuisti Leiden in uns) Wld sich für die letztere, mystische Deutung entscheidet (Herlcitung aus den heUenistischen Mystericnreligionen und der jüdischen Apokalyptik), Buhmann, 2 Kor 28 sieht die "gnostische Vorstellung "om Christus-Alon" zugrunde liegen, Rissi, Studien 54--56 plädiert nir einen Gln. auctoris (..die von Christus auferlegten Leiden"), Halm, KOINONlA 99-102 erkennt hinter den Versen 5-7 wie in Phil 8,10 die ..Anwendung des Primjps KOlvmv{a bei Paulus"; Wolter, Apostel 544--547 ergänzt dies traditiorugcschichtlich durch den Verweis auf die hellenistische Freundschaftstopik. Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte 246 "ersteht die (Kreuzes·) Leiden Christi als das ObergTeifen von Gottes Eingreifen in die Welt auf die Verkündiger "gemäß der apokalyptisC"hen Konzeption von der endzeitlichen Zuspitzung der Verhältnisse". Fumish, 11 Cor 120 und Klauck. 2 Kor J9 nehmen die Vorstellung vom Leib Christi 7U Hilfe \md interpretieren ekklesiotogisch als ..thc surrerings of chrisc's body, the new community'\ ..Leiden mit Chrislus in seinen Gliedern",
315
2 Korl.3-11
nige Erklärung am nächsten kommen. nach der 1.wischen Apostel tmd Kyrios eine Analogie im Modus des Glaubens besteht. die sachlich als PaTtizipatioll an Tod und AujerJtehullg.!eJU beschrieben werden kann.'" In der glaubenden Teilhabe am Tod des Herrn erfährt Paulus seine zahllosen Nöte als tU lla9~I1(na toii Xplotoii; in der glaubenden Gemeinschaft mit dem erhöhten Christus (51U toii Xplotoii) erfahrt er überreichen Trost. Nicht mystisch, sondern eschatologisch". und soteriologiseh'" ist dieser Zusammenilang vorzustellen, den Paulus .durch den Glauben, also geschichtlich vermittelt denkt"'.'. Dabei sind die lla9~l1ata toii Xplotoii zwar grundsätzlich .Leiden, wie sie an sich jeden treffen können"'·', aber davon ist erst in 6c.7b die Rede. Hier wird konkret an "Leiden, die Paulus als der Apostel des gekreuzigten Christus in der Ausübung seines apostolischen Dienstes ertragen muß"'·', gedacht sein. Ja noch mehr: .als integraler Bestandteil der pau1inischen Sendtmg als Apostel Jesu Christi" ist das Leiden .mit dieser zu einer unauflöslichen Einheit verbtmden"··', hat es .tatsächlich so etwas wie eine ,Verkiindigtmgsfunktion""··. Diese positive Umdeuttmg und Einbringung seines Leidens kann Paulus freilich nur deshalb vornehmen, weil neben die lla9~l1ata inl gleichen Maße (Ka9cl>~ !lIlplOoeuet - oihOJ~ ... lleplooeUst KaO die aus Christi Auferstehtmg entspringende llapUXAllo\(; tritt. Es ist zu fragen. ob die formale Entsprechtmg dieses Gegensatzes (Ka9cb~ - OÜtOJ~) nicht sachlich als Steigertmg im Sinne einer Überbietung verstanden werden muß. Die inoere Logik der genannten Belege des Theologumenons von Tod und Leben ist je variabel. Grob lassen sich T.Wei Gruppen unterscheiden: - Bei den mit rva formulierten, d. h. durch die Finalität besonders paradox wirkenden Aussagen liegt das Übergewicht klar auf der zweilen Hälfte der Antithese, so in 2 Kor 4.1O.11; Gal 2.19; Röm 6,4; 8,17 (analog 2 Kor 12,9 ~ ... Mvalll~ &v ciaasveiq..e""hat; 12,10 Ilmv ... ti"aeviii, "he 6uv,"6~ e{Ilt). - Bei eher locker gestalteter antithetischer Struktur ist fonnal kein Überhang einer der Seiten lU erkenn
299
Siehe oben S. 277-281. Vgl. TannehiU, Dying 91-9g; Wolff. 2 Kor 23.
50'
Vgl. TannehilI, Dring 92f.123-129.
SOl
Mit Recht venveist Wolff, 2 Kor 23 auf die doppelte Verwendung des Cbristus·Titds: Es sind "die heilbringenden Leiden dessen , . " deI" für unsere Sünden gestorben i!lt",
Bultmann, 2 Kor 28. 303 Ebd. 29. ~DI Hofius, Gott 245. !05 Wolter, Apostel 547. S06 Ebd. 548 mit Güttgemanns. Apostel 324 (u. !02
ö.l
lU1d Verweis auf Ga! 5,11; 6.12.
Kapicet 4: Tod und Leben
316
[1lJ..M[ "a{).'" Dennoch nötigt die Abhängigkeit des Gedankens vom Christllsereigru. (= Auferweckung des Gekreuzigten!) zweifellos auch hier zum gleichen semantischen Gehalt wie bei der anderen Gruppe.
Das ltßP\<J<JßUßlV des Trostes (5b) übelWiegt bei Paulus das ltßP\<J<JßußtV der Leiden (5a). Es ist sogar so groß, daß es nicht nur ihm selbst die Cluistus-ltap(hcAll<Jl~ ,überreich zuteil werden' läßt, sondern auch ,überfließt' auf andere hin.'o, Was das zweite ltep\(J()"ßuelV schon leise ahnen läßt, davon handeln explizit die folgenden Verse. r)
V. 6'°'
Die lange Periode wird strukturiert durch zwei mit e11:6 - 611:6 nebeneinandergestellte Glieder, die je in sich antithetisch sind (Gegensatz wir - ihr); an sie angehängt ist eine partizipiale Erläuterung, die wiederum von einem Relativsatz expliziert wird. 6a eY'te li6 ... (1. Person) (1. Person) b eY'te... ca
ß
UltSP . . . U1tBp. . .
(2. Person) (2. Person) -rii~ 6VeprOUJ.leVl]~ . . . (2. Person) 1. Person)
rov . ..
(
Die Erläuterung von 6c bezieht sich nicht nur auf b, sondern auch a zurück"o, im weiteren Sinne sogar auf V. 5. Inhaltlich enthält die Periode sechs Leidens- bzw. Trostaussagen, die je dreimal den Apostel und die Gemeinde betreffen: - Bedrängnis des Paulus (6aa) - Trost und Heil der Gemeinde (6aß) - Trost des Paulu. (6ba) - Trost der Gemeinde (6bP) - Leiden der Gemeinde (6ca) - Leiden des Paulu. (6cß) Die ringförmige Komposition älmelt ihrer äußeren Struktur nach V. 4, wo ebenfalls am Schluß der Bogen zurück zum Anfang geschlagen wird"': Die scheinbare Balance, der granunatische Schwebezustand der diametral~ Gegen. sätze be",irkt hier eine eigene Art der Paradoxalität. 'OB Auf diesen enveiterten Aspekt von Sb deutet evtl. die Formulierung mit ~j.1WV statt ." ~~a<; (5a). VgL auch Fumi,b, 11 Cor 118.120: WollT, 2Kor 2,r. 509 Zur textkritischen Problematik von V. 6r. vgl. Windisch, 2 Kor 42; Bultmann, 2 Kor 29f.; Fumish, TI Cor 111. Die Redtmdanz der Spfilcbe in diesen Zeilen führte zu diver· sen Fehlern beim Abschreiben; der von Nestle-Aland26 gebotene Text (lC A C pu . u. 3.) dürfte aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zuverlässig sein. 5\0 Den Rahmen bildet also fonnal das e},,{~E0'9al (aa) bl.w. nOOxelV (cJl) des AposteLs, während es im Mittelteil vorwiegend um die 7tapciK}"l1cn~ der Korinther geht 3tH
(a~.b~).
m Siehe oben das Schaubild S. 311.
317
2 Kor 1,3-11
/pau!us:\ ILeiden Christi (5.)]----.. 9A.Iß6~s9a (6aa) \ = TJ~si~ ltacrJ(o~sv (6cll)
tltautltltIl91\~lltll
(6cll)
~
\
ltllpllKaAoii~s9a
I
(6bll)
Gemeinde: (Kat crcotTjp{a) (6aß.bß)
ltllpaKA.T](fI~
Im Zentrum des Verses steht die Tröstung der Gemeinde, womit der Gedanke von 4ha wiederaufgegriffen wird.'" Auf sie ist gleichermaßen das paulinische 9A.(llscr91l1 wie napaKaAA;tcr9m ausgerichtet (zweimal UltSP l. Ein wenig nachldappend tauchen die Leiden der Korinther auf (vgl. 4hß), die mit denen des Apostels identifiziert werden. Wie aher sind die einzelnen Elemente untereinander verknüpft? Folgende vier Aussagen lassen sich aus dem Vers herausfiltern: 1) Die Bedrängnis des Apostels dient dem Trost, ja Heil der Gemeinde (6a - paradox). 2) Der Trost des Apostels führt zum Trost der Gemeinde (6h ,plausibel') . 3) Der Trost der Gemeinde geschieht im geduldigen Ertragen der Leiden (6cal - Erklärung der WirAweise des Trostes). 4) Die Leiden von Apostel und Gemeinde sind miteinander eins (6ca.2.ß - neuer Gedanke, der noch stärker die Verflechtung heider Geschicke hervorhebt). Für das rechte Verständnis der ersten beuun Aussagen scheint es wenig zuträglich, die Ausführung als ,,nicht ganz geglückt" und "in künstlicher Weise" zergliedert zu bezeichnen.'" Andererseits geht es zu weit, den heiden Vorkommen von ltapaKl..T](fI~ in aß und hll unterschiedliche Bedeutungen zuzuschreiben ("appeal" bzw. "comfort").'"
Allerdings wendet sich Paulus erst jetzt, nach drei Versen, in direkter Anrede (UJ.lwv) an die Korinther (vgL Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte 247); dies zeigt die Besonderheit des 2 Kor-Proömiums (vgl. Windisch. 2 Kor 36; Wolff, 2 Kor 20; ausftihrlich Fitzgerald, Cracks 153-151). m So Windisch, 2 Kor 42. m So F\.ll"lUsh, II Cor 120. Man beachte die vöUigc Gleichheit der Formulierungen (Ö7tSp tij, u~li>v .apaK)'1\o.w,)! 512
318
Kapitel 4: Tod tmd Leben
Vielmehr ninunt Paulus bewußt beide Seiten seiner apostolischen Existenz'" und stellt sie in Dienst (lJ1tep)·16 für das eine Ziel, das ,Trösten' der ihm Anvertrauten: seine 81..('IIE\.t; (6a), insofern sie nicht nur faktisch unvenneidliche ,Umstände' (Peristasen) seines apostolischen Amtes sind, das den Menschen die I1Clln]p(a bringt, sondern weil sie als lta8~lla~u ~oii Xpll1~oii (5a) auch positiv das Paradox des Kreuzes Christi mitsamt seiner Heilsbedeutung (I1Cll'rT]p{a) aufscheinen lassen, das Paulus auf solch analog-paradoxe Weise den Korinthern am anschaulichsten verkündigen kann"'; und sein ltapUKuAsll18uI (6b), insofern es als die von ihm selbst überreich erfahrene eschatologische Auferstehungs- und Lebensrnacht Christi (5b) auf die anderen überströmt, sei es generell durch den Zuspruch des apostolischen Kerygmas, sei es konkret durch das existentielle Beispiel des geretteten (8-10) oder inmitten der Not aushaltenden (4a) Apostels"'_ Die Substanz von 6a_b lautet: ,Meine ganze, von Tod und Leben Christi geprägte Existenz ist apostolische Sendung, kommt euch zugute. '.19 Die in 6cal enthaltene dritte Aussage des Verses TIi~ EveP'YoIlIlEV1]~ &V unollovii scheint die einzige Stelle im gesamten ersten Teil der Perikope (V. 3-7) zu sein, wo Paulus seine grundsätzlich-abstrakten Ausfiihrungen etwas zu veranschaulichen sucbt. Die partizipiale Anfügung"· benennt die Wirkung. die die vom Apostel vermittelte ltapaK1..'1111~ bei den Korinthern hat, genauer die Wirkweise, in der sie zum m Die Konstruktion mit 61't6 - B'lTS entspricht in etwa dem lCa9ffi<; - o6'tCl)~ von V. 5. wirkt freilich noch offener. Sie drückt die Gesamtheit der stets dem Wohl der Gemeinde dienenden Um!>tände des Apo!ltels aus, deren Charakter- im em1.elncll angesichts dicser gemein..amen Ausrichtung fast sekundär erscheint (vgl. die parallele Grundaussage von 6,4-10 in der Apologie). !16 Es ist nicht nötig. in 6a den Gedanken eines n5tellvertretendcn apo Leidens" für die anderen hineinzulesen (so Windisch. 2 Kor "'2; dagegen Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte 247 Anm. 14). Wenn, dann tritt der Apostel eher an die Stelle Christi als an die der Gemeinde. m Vg1. (allgemeiner) Wolff, 2 Kor 2.... Mehr noch als in der nächsten Parallele zu 6a in 4,12, wo keine finale Verknüp[ullg zwischen heiden Vershälften fonnuliert ist (,Da-
her iln der Tod in uns wirksam, das Leben aber in euch'l, wird hier durch das U7tEp die DitruifunAtwn des leidenden Apostels in seiner Konformität zum Gekremigten fl1r die andt:ren herausgestellt. Auch und gerade Rir die apostolischen Q)..{'VS\t; gilt: Un~p XplatOÜ ... 1tpEap8UO~'EV (5,20). Paulus hat teil am Tau Jesu, damit die Gemeinde das Lehen habe. 1,6a bietet so eine Auslegungshilfe rur 4,12 (siehe oben
5.281-285). m Vgl. Hofius. Gott 252f. Der Charakter von V. 6 ist allerdings eber grundsätzlich aJs konkret-biographisch. "Natürlich strömt der Trost auch nicht magisch über. und es ist nicht an eine mystische Gemeinschaft lWlschen Paulus und den Korinthern gedacht" (Bultmann, 2 Kor gl).
51' Vgl.
4,15: ,lqOp ..iv.a 8,'
u~~.
sro tvep'YoUJ.lt"tl~ ist entweder Medium oder PasSivUUl divinum (vgl. Tannehill, Dying 97: "the comfort is not the resutt of the Corinthians' own ability to endure, but is God's power at work, manifcsting itself in endurance").
2 Kor 1,3-11
319
Tragen kommt.'" Doch wird der auf Konkretisierung hoffende Leser enttäuscht: Lediglich negativ, nämlich als ,Ertragen', ,geduldiges Aushalten' des Leidens wird die Wirkung des Trostes bestimmt.'" Paulus setzt bewußt der Wirklichkeit des Leidens keinen ,positiven' Trost entgegen, sondern defmiert die 1tap(bcATJGl~ denkbar minimal über ihr Gegenteil, welches sie keineswegs aufhebt oder irgendwie ,bewältigt', sondern lediglich in dialektischer Koexistenz ,erträgt'. Der eschatologische Trost, den die Korinther aus dem Geschick des Apostels empfangen, ist ein unsichtbares ,Anglauben' gegen das Leid und damit in sich selbst eine paradoxe Größe. Die vierte und letzte Aussage (6ca,2.P) bringt einen substantiell neuen Gedanken: Nicht daß auch die Korinther Leiden zu tragen haben - dies dürfte indirekt bereits klar geworden sein -''', sondern daß es die gleichen sind wie die des Apostel.<. Wie ist das zu verstehen? Es geht weniger um eine tatsächliche Übereinstimmung konkreter ,,Anfechtungen und Bedrohungen, ... von denen die Kor. ebensowenig verschont blieben wie P. in Asien und in Maz.""'; tn mitn 1tae~Jlata sind vielmehr darin für Paulus und die Korinther gleich, daß sie von beiden als 1tae~Jla,ta tOU XptcrtOU (V. 5) erkannt werden.'" Um welche Art von Leiden es sich bei der Gemeinde handelt, spielt dabei eine untergeordnete Rolle.'" Wesentlich ist der Gedanke der gemeinsamen Verbundenheit im christologisch-soteriologischen Verständnis des Lein1 Windisch. 2 Kor 43 sieht eine logische Kette 9At'VL~ - 1taptirl.'1al~ - onop.ov~. 122
Das von U1tO·~EVCl) abgeleitete Substantiv U1top.ovr\ kann hier ganz wörtlich als "das Bleiben und Aushalten ,unter' bestimmten Umständen" verstanden werden (W. RadI, Art. t\.o~oV1\: EWNT 1II [1983J 969). Auch in 6,4: Röm 5,3 u. ö. steht \)7tOJ.lOV1~ im Kontext von OÄi'Vel~.
m Über ßedrängnis!le der christlichen Gemeinden spricht Paulus zwar nicht häufig. aber hin Wld wieder doch: nehen 2 Kor 1,(4b.)6f. noch in 8,2; 1 Thess 1,6; 2,14; 3.3f.; Phil 1.27-80: Röm 12,12. Vgl. Wolter, Apostel 550-556. Zum Thema ,Leiden der Chri· sten' allgemein im NT vgl. Tb. Söding, Widerspruch und Leidensnachfolge. Neutestamentliche Gemeinden im Konflikt mit der paganen Gesellschaft: MThZ 41 (1990) 157-155. m Windisch, 2 Kor 45. Dagegen Tannehill., Dring 96: ,.Paul tcnds to empha.'iize the uniquenen of his own sufferings in the Corinthian correspondence"; WoUT, 2 Kor 24: ,.die Peristasenkataloge des 2. Korintherbriefs sind 7.. ß. kdneswegs auf die Korinther übertragbar". m Vgl. Rissi, Studien 56; Tannehill. Dying 96; W. Schrage, Leiden im Neuen Testament. in: E. S, Gerstenberger / W. Schrage. Leiden. Stuttgart/ßerlin/Köln/Mainl 1977, 165; Fumish. 11 Cor 121; Klauck. 2 Kor 19; Lang, Kor 253; WolfT, 2 Kor 24; Wolter, Apostel 551. Bedingt Bultmann, 2 Kor 50: ". .. zu xaBtlIJ.Il'ta Xp,,:nou werden sie erst, wenn sie von den Korinthern gläubig verstanden werden." 326 Windisch, 2 Kor 43 vennutet Bedrohungen VOll "Feinden des Glaubens". WolfT. 2 Kor 24 hillt die Leiden rur njene Bedrängnisse. die dadurch entstehen, daß die Gemeinde vom Apostel das E\'ange1ium angenommen hat" (andere Vorschläge aur S, 25). Klauck, 2 Kor 19 denke konkret auch an die leidvolle Erfahrung des Konffikts 7.wischen Apostel Wld Gemeinde. Dazu paßte 2,5: ,'Venn aber jemand Betrübnis bereitet hat. hat er nicht (nur) mich betrübt. sondern zum Teil ... euch alle.'
320
Kapit~
4: Tod und Leben
dens, die .eine wichtige Voraussetlung der Trostmitteilung" darstellt.'" Mit dem abschließenden Relativsatz iby lClll ~I1E;:~ ltaaXOIlEv (6cß), der das ~öiv Illhöiv vereindeutigt und verstärkt, schlägt Paulus den Bogen zurück zum Beginn des Verses (9Atß611e91l 6all) und daruber hinaus zur Schlüsselaussage von V. 5. Die dialektische, von Drangsal und Trost geprägte Existenz des Apostels vermittelt ihre Eigendeutung, Partizipation am Christusgeschehen zu sein (V. 5), weiter an die gleichfalls leidende Gemeinde und verschafft so auch ihr verborgen, aber wirkmächtig (eschatologischen) Trost. - Das betont am Ende stehende ltaaXOI1EY (Präsens!} verdeutlicht noch einmal den fortdauernden, für die christliche und zumal apostolische Existenz nahezu konstitutiven Rang des Leidens, das, wenn gläubig als Leiden Christi verstanden, auf paradoxe Weise selbst zu seinem eigenen Trost wird. Insgesamt zeigt sich 2 Kor 1,6 als ein ungemein reicher Vers, der verschiedene Gedanken miteinander verbindet: (erneut) die Dialektik des Apostels; die Tatsache von Leiden auch der Gemeinde; die Paradoxalität des ,Trostes' lediglich in Gestalt von schwacher Ultol1o~ der Leiden; dabei als canllts jirmw immer wieder durchtönend die konstitutiv-christliche Rolle des Leidens überhaupt, speziell für die apostolische Existenz, begründet in der Teilhabe am Kreuz Christi. Alle diese Aspekte begegnen allerdings auch an anderen Stellen der paulinisehen Briefe. Neu und nirgendwo sonst so ausdrücklich formuliert'" ist jedocb die Verknüpfung der apostolischen Problematik mit der Situation der Gemeinde, durch die sowohl Bedrängnis als auch Trost des Paulus für die Korinther in Dien;t genommen werden, und so wie zwischen Christus und Apostel auch zwischen Apostel und Gemeinde eine tiefe, christologisch fimdierte Gemeinscho..ft (lCOtvCllV{Il) entsteht.'" Das paradoxe Geschick des Paulus ,.wischen Tod und Leben erscheint hier - das ist das Besondere dieses Verses - explizit als Funktion seiner apostolischen IhalCov{a.
V. 7 Der abschließende Vers des ersten Teils ist von seiner Substanz (7b) her lediglich eine Zwammenfa55ung der bisherigen Aussagen, die allerdings durch das wichtige Motiv der lCOlVCIlV{1l erhellt werden. Einen neuen Aspekt bringt das Stichwort ,Hoffnung' (v..m~) ins Spiel (7a): Schienen die vorhergehenden Verse durchweg präsentischen Charakters zu sein (was Erfahrungen der Vergangenheit einschließt), ö)
128
Windisch, 2 Kor 43, der dabei freilich nur die faktische Leidensgemeinschaft im Blick hat. Vgl. z. B. noch 4,12.15; 6,sff.; ll,23ff,
!29
Dieser Gedanke wlrd in V. 7 vertieft.
327
2 Kor 1,3-11
321
so signalisiert olA.1t{~ nun eine Situation zumindest teilweise noch atJJste-
hender Realisierung. Paulus blickt von der Gegenwart in die Zukunft. Unklar ist der semantische Bezug des Ausdrucks ~ olA.1t\~ ~Ilrov ... U1t&P ullroV. Entweder liegt der Akzent auf il1tEP uilrov, dann .. fühn P. von der ll1tOIlOY1l noch weiter zur eA.1t(~"''', d. h. der Satz schließt sich nahtlos, nur mit einem anderen Motiv, an das Thema ,Trost für die leidende Gemeinde' von V. 6 an. Oder aber das TJllrov trägt den Schwerpunkt, dann springt Paulus auf eine ,Meta-Ebene' und gibt seiner eigenen Hoffimng, d. h. indirekt seiner Sorge Ausdruck, die Korinther könnten seine soeben dargebotene Leidensdeutung (immer noch)'" ablehnen. '" Trotz der scheinbaren Nähe des Passus zur Kette U1tOIlOY1l - 301C11l'; - SA.1t{~ in Röm 5,4 ist der zweiten Lösung der Vorzug zu geben.'" Das Personalpronomen ~Iliiiv, die als Begründung angefügte Betonung der Relation Apostel - Gemeinde mit Hilfe des lColvOlv{a-Motivs (7 b) und auch die in V. 8 erfolgende Rückkehr zur persönlichen Thematik deuten auf eine anders gelagene, beziehungsorientiene ,Hoffnung' des Paulus hin, nämlich daß die Korinther - zu ihrem eigenen Nutzen (ll1t&P ullroV) - über die Akzeptanz seiner Leidens· und Trosttheologie auch zur ekklesialen 1C00vOlv{a mit ihm selbst zurückfinden mögen (vgl. analog V. 13b).'" So gesehen signalisiert das die Hoffnung beschreibende Attribut ,fest' (ßsßa(a) im Gegensatz zu seiner lexikalischen Bedeutung gerade keine ,unerschütterliche' Zuversicht, sondern eher ..eine gewisse Unsicherheit"'" und ist daher fast eine An Selbstermutigung'" oder besWindisch, 2 Kor .n mit Verweis auf Röm 5,5f. Vgl. auch D. R. Denton, Hope and Perseverance: SJTh 84 (1981) 81.8-520. der un:OJ.lO~ und EA.m~ als wecbselseitige Ergänzungen versteht OB 7) und ihre Kombination durch Paulus vom alttestamentli· chen KOnIt!pt des Wartens ableitet (3l8f.), m Der Versöhnungsbrief steht ja am Ende der Krise zwischen Paulw und Karinth. sn Die Übersetzung des ersteren wäre ,unsere Hoffnung filr tuch' (,solidarisch', aber nicht direkt beteiligt), die des zweiten ,unsere Hoffnung euch gegtnt1her' (eigene Betroffenheit). m Gegen eine einlinige Fortsetzung der vorherigen Periode spricht formal der syntaktische Neueinsatz, der als Weiterfiihrung des Gedankens in Anbetracht der relativ geschlossenen Ringkomposition von V. 6 nachklappend wirken würde. Darüber hinaus wäre es logisch nicht ganz stimmig, die Hoffnung als den dann zu denkenden EnclpWlkt einer Reihe n(l~J.la'taln:apli1CÄT)atC; - Ult0Ji0vr\ - EÄn:lC; noch einmal mit dem ,vorletzten' Glied, der Leidens- \JJld Trostgemeinschaft, zu begründen (6iö61SC; ön
150
... 7b) . .m
VgL Haull, K01NONIA 99-102.
m Wolff, 2 Kor 24. Schärfer Rissi, Studien 56: "Seine Gemeinde ist in Gefahr, gerade seine Interpretation des Evangeliums W1d damit seiner und ihrer Situation Wlter dem Einfluß der Gegner ab1.ulehnen. 1O Sl6 Der Ausdruck tAnIe:;; pepala, ja. das Wort ,Hoffnung' an sich birgt eine merhlilrdige Spannung von Gegenwart Wld Zukunft, ,Schon jetzt' und ,Noch nicht'. Zweifel und Vertrauen, die in der Tenninologie dieser Arbeit durchaw ,parado,,~ genannt werden
322
Kapitel 4: Tod und Leben
ser ein indirekter Appen an die Korinther"'. Auf der anderen Seite zeugt der Tenor des Satzes doch von einem weitgehend berehligten Verhältnis zwischen Apostel und Gemeinde (vgl. V. 14). Begründet wird die Hoffnung des Paulus mit seinem ,Wissen' (dMt8<;)'" um die geistliche Wirklichkeit der Gemeinde, die ,objektiv' (aus der Sicht des Apostels) bereits gegeben (Scrt8), von den Korinthern selbst aber noch glaubend angeeignet werden muß. Paulus beschreibt sie mit der Kategorie der ,Teilhabe' oder ,Gemeinschaft' (KOtVmvo{ Bcrte) und faßt so die Ausftihrungen von V. 6 (bzw. 4-6) noch einmal prägnant zusammen: - KOlvmvo{ Scrt8 tmv lta911"citmv (7ba) greift auf 6c (tmv autmv lla911"citmv ... ) und darüber hinaus 5a (tb. lta9~"atn toß Xptcrtoü) zurück; - ... Kat tii<; ltapaKÄ~crsm<; Obß) entspricht 6b (81t8 ltapaKaAOU"sea, UllSP t~<; ö"mv llapaKÄ.~crem<;) bzw. letztlich 5b (Oto. toß Xptcrtoß ... ~ ltapaKÄllcrt<; lj"mv). Auffa\lig ist die OlTenheit der Formulierung (,der Leiden' - ,des Trostes'), die nicht zufa\lig zu sein scheint. Wessen Leiden und Trost sind gemeint? Das Fehlen eines zuordnenden Personalpronomens (entweder - von V. 6 her naheliegend - lj"mv, oder aber autoG - Xptcrtoü) deutet darauf hin, daß beide Bezüge ins Auge gefaßt sind: Die Korinther haben in ihrem Leiden und Trost sowohl mit dem Apostel als auch - durch ihn vermittelt - mit Christus Gemeinschaft.
J. Hainz defmiert
ICOtVOlv{a bei Patuus allgemein als "Gemeinschaft mit je-
mandem durch gemeinsame Teilhabe an etwas" 3S9 , Die so verstandene Kategorie kann wesentlich zur Erhellung nicht nur des Zusammenhangs von 2 Kor 1,4-7. sondern auch der inuner wieder begegnenden Frage nach dem
Verhältnis von Apostel und Gemeinde bzw. dem paradigmatischen Rang der paulinischen Existenz beitragen. Angewandt auf den Kontext von Leiden und Trost/Tod und Leben bedeutet die genannte Defmition von KOl-
vOlv{a einerseits Gemeinschaft des Apostels mit ChristUJ durch Teilhabe an dessen Leiden (und Trost, splich AuferstehWlg)3.0, andererseits Gemein-
schaft der Gemeinde mit. Paulus durch Parti7jpation an dessen Leiden und Trost (2 Kor 1,6f.; vgJ. Phil 1,1; '1,14). Nimmt man heide KOlvOJv{al7.USarnkann. Paultl! ist voller Zuversicht - was bcsonden durch die nachfolgende Begründung (dMtt:.C;, ,,) untel<'itrichen wird -, und dennoch schwingt im Begriff Hoffnung untergründig eine leillc Sorge mit, die Paulus durch ihre Charakterisierung a1s ,fest' sogleich wieder 211 zerstreuen sucht. m ..such Pauline affirmations of confidence . . . are often implicitly hortatory" (Furnish, 11 COT 121).
m Das Wissen ist hier nicht konkret (Windisch, 2 Kor 43! "bestimmte Kunde"), sondern theologisch 1U verstehen (ßultmann, 2 Kor 3J: ..Wissen des Glaubens"), m KOINONIA 89 (u. Ö.).
'.0 So explizit
in Phil 3,10 hcQtvoov(o. 'truv 1tß9TULa:tOOv au'toü); sachlich in 2 Kor 1,5 und den oben S. 313f. angegebenen SteDen.
323
2 Kor 1,3-11
lUen] so ergibt sich die (übergreifende) Gemeinschaft der Gemeinde mit ChriJtw durch die Teilhabe am Chri'itusleiden und -trost des PaultLf.Sf,1 Es
kann kein Zweifel daran bestehen, daß dem Apostel bei der letztgenannten, umfassenden KotV
Entscheidend ist die Einbettung der Leidens- und Trostmittlerschaft des Apostels in einen größeren theologischen Gesamtlusammenhang, der von M. Wolter zutreffend mit dem Evangelium]esu Christi, der .Verkündigung und Annahme der Heilsbotschaft" benarutt worden ist.''''
~icht
schon weil
er leidet, vermittelt der Apostel zwischen Christus und der Gemeinde, sondern erst dadurch, daß er leidet, weil er das Evangelium ]esu Christi verkündigt und den von ihm gegründe[cn Gemeinden Anteil an dem in seiner Leidcnsexistellz präsenten Evangelium gegeben hat."sH
Damit gewinnt aber auch die alte Frage nach der paradigmatischen Funktion des Apostels - der unklare Bezug des ,Wir' an so vielen Stellen (Paulus allein? Alle Christen?) - einen wertvollen henneneutischen Schlüsse1. Wenn die gemeinsame Teilhabe am Evangelium die transzendierende Größe des Zusanunenhangs von Apostel und Gemeinde in Leiden Wld Trost darstellt"', dann läßt sich sagen: Es herrscht um so mehr Deckungsgleichheit zwischen beiden Existenzen - Paulus und Gemeinde -, je enger ihre lCO\VIDvia im gemeinsamen Glauben an das Evangelium vom Gekreuzigten und Auferstandenen ist. Paulus hat hinsichtlich der dialektischen Christusgemeinschaft als Apostel nicht a pn'ori seinen Gemeinden etwas voraus·H6 ; er war (Wld ist) nur insofern der einzigartige Mittler dieser Dia!ektik., als er
den Korinthern zuerst das Evangelium verkündigt hat.'" Aus der Gründung der Gemeinde und der faktischen Mittlerfimktion des Apostel. ergibt sich natürlicheIweise
seine bevorzugte Trägerschaft der K01.Vmv{a mit Christ.us;
als Paradigma ist er zugleich aber auch Modell, d. h. Ansporn zur Nachahmung für alle Christen_su "Paulus trennt also in keiner 'Weise sein eigenes Leiden von dem der Gemeinde. Es gibt für Paulus keine besonderen ,ap'" stolischen Leiden'."'" Gleichwohl besitzt der Apostel als Verkündiger da Christwbotschtifi de facto eine herausragende Stellung; sie kann und soll freilich
"I Hainz, KOINONIA
101 spricht mit PrOmm, Diakonia I 18 von einer "mehrfachen Ge-
meiruchaft"· S42
Vgl. 'Vindisch, 2 Kor 39; Bultmann, 2 Kor 31; K1auck, 2 Kor 19; Hainz, KOINONLA 100-102; Wolter, Apostel 55J.
'" Vgl. Apostel
55~-557
(hier 555).
Ebd. 557. m Vg1. ebd. J46 Gegen Güttgemanns, Apostel 3.23-328 u. Ö. m Vgl. auch Hofius. Gott 252. 344
'" Vgl. das (""~)JLIJL~1a{ ~ou y(v,aS. (1 Kor 4,16; 11,1; Phil 3,17). Der Begriff ,Paradigma' enthält im Grunde schon diese Ambivalenz oder Dynamik, indem er sowohl die Komponente des ,Idealen', ,Vorbildlichen' als auch des ,Stellvertretenden', ,Repräsentativen' impliziert und sich zwischen diesen beiden Bedeutungen bewegt. m Rissi, Studien 56. Zu ergänzen wäre: im theologischen, nicht biographischen Sinne (siehe oben S. 3]9 Anm. 324).
324
Kapitel 4: Tod und Leben
in dem Maße von jeder anderen christlichen Existenz ,eingeholt' werden, wie diese glaubend an Tod und Leben Christi partizipiert und zur KOlVOlVUt mit ilun gelangt.'" Das Problem der exemplarischen Tragweite der ,Wir'-Aussagen in den paulinischen Briefen ist somit nicht gleichsam ,statisch I ein für allemal lösbar.
Variable Faktoren sind einerseits der von Fall zu Fall zu klärende Kontext Wld Gehalt der Aussage, andererseits aber die lebendige AneignlUlg des
paulinischen Vorbilds seitens der Adressaten. Nur dann gilt das paulinische .Wir' auch fur aUe Christen (als den Adressaten seiner kanonischen Briefe zu allen Zeiten). wenn sie selbst in geistiger Gemeinschaft mit Paulus, d. 11.
analoger Teilhabe an seinem Geschick, im Glauben an das Evangelium wie er die KOt vrov(a. mit Christus wahmerunen und leben. Bezogen auf den Kontext niznmt das lCOlVroV{Il-Motiv von V. 7 eine logische Mittelstellung zwischen den beiden udp (6ab) blw. 6!~ ~O ... (4b) einerseits und der Ultoj.J.oV1\ (6c) andererseits ein. Die lColvrov(a vervollständigt zum einen die durch e!~/ulttp ausgedrückte intentionalität seitens des Apostels lU einem bilateralen Wechselverhältrtis (Paulus - Gemeinde); demgegenüber bildet sie die Voraussetzung für die mit Ultoj.J.oV1\ angegebene Wirkung des Geschehens. Die ganze logische Kette lautet: 1. GDtt tröstet den Apostel durch Teilhabe an Christi Leiden und Trost (V. 4ac.5). 2. Der göttliche Trost bzw. die Dialektik des Christusgeschehens befahigen Paulus zur Tröstung der Gemeinde (V. 4b.6ab). 3. Die paulinische Tröstung der Gemeinde ermöglicht oder schafft Gemeinschaft zwischen beiden (V. 6ca2ß.7b). 4. Die Gemeinschaft von Apostel und Gemeinde wirkt sich aus im geduldigen Ertragen des Leidens (V. 6cal). Am Ende der aufwendigen argumentativen Reihe steht also ein denkbar dürres Ergebnis, das angesichts ihres maßgeblichen Stichworts llap6.lCÄ.TJUl~ geradezu paradox anmutet: Trost im Leiden heißt Aushalten des Leidens. Der Weg dahin führt über die lColvrov(a im Glauben. Schön schreibt Bultmann: "Wie gibt nun Paulus der Gemeinde an seiner napa.KA'1
!50
Daz.u bedarf es - systematisch weitergedacht - nicht einmal unbedingt der Mittlerrolle des Paulus. Der nicht von ihm gegründeten Gemeinde 1.U Rom ("gI. Röm 15,20) kann er ebenfalls die dialektische Leidemgemeinschaft mit Christus konstatieren (Röm 5.~f.; 8,17-25.31-B9); vgl. Wolter, Apostel 541.5S4r. Ob Paulus sich diese von einem anderen Apostel vennittelt oder Wlmittelbar - etwa sakramental. durch die Taufe - vorstellt, läßt er offen. Davon unberührt bleibt seine paradigmatische Funktion auch im Römerbrief (vgl. die ,Wir'-Formulierungen der genannten Au~sagen), die nicht an eine faktische Mittlerschaft als GemeindegrUnder gebtmden ist.
325
2 Kor 1,3-11
läßt. Dadurch macht er ernst mit der KOWWvCa ••• : Werden sie ihn verste· hen, so werden sie auch ihre 1ta9~/1a.ta als 1ta9~/1a.ta XptotOÜ verstehen und darin getröstet werden. Der Trost ist also nicht ein Hinwegreden des Leidens, etwa gar die ÜbermittlWlg einer Theodizee, sondern das Verstehen des Leidens als Christus-Leiden. Und seine Wirkung soll sein UltO!lOV~, Geduld im Leiden."·!ISI
Allein in der von Paulus vennittelten glaubenden Aneignung der KOlvrov(a mit Christus liegt der Trost rur die Gemeinde, der vor den Augen der ,Welt' nur als törichte il7tOIlOV~ erscheint. Noch einmal greift Paulus auf das Schema der Entsprechung (ro~ o(\tro<;, vgl. V. 5) zurück, jetzt auf die Gemeinde angewandt, das die paradoxe Struktur jener KOlvrov!a deutlich macht und zugleich an ihre transzendente Verwurzelung im Christusgeschehen erinnert"': Das ,wie der Leiden, Ja auch des Trostes' erklärt sich bei den Korinthem wie bei Paulus aus der Analogie zu dem, der ebenfalls gleichermqßen des Todes und des Lebens teilhaftig wurde.'" Da dieser durch sein Leiden, Sterben und Auferstehen die Macht des Todes besiegt hat und die Gemeinschaft mit ihm als wirkmächtig vorzustellen ist, kann hinter dem Entsprechungsverhältnis ro~ - oiltOJ~ geradezu ein Kawalzwammenhang gelesen werden: ,weil ihr Teilhaber der Leiden (Christi) seid, deJhalb auch des Trostes'.'" Das glaubende Verstehen des eigenen Leids als Christi Leid schafft deswegen Trost, weil letzterem eine einzigartige, soteriologische Dignität zukommt. '"
!S12Kor.!1.
m Windiseh. 2 Kor 40 spricht recht allgemein von dem "Prinzip des göttlichen Heilswirkens, das sich immer in der Antithese, in der Überwindung einer dunUen Macht bewährt, vgl. bes. R 5,21". m Vgl unter den zahlreichen christologischen Bekenntnisaussagen strukturell vieUeicht am nächsten Röm 6, I 0: 8 yltp a.tUnv.v ... 8 s. ~i1 ... m Vg1. Wolff, 2 Kor 28 ,chon zu V. 5 (mit Ph. Bachmann). Sachlich wird auch hier wie in V. 5 trotz der [onnalen Gleichwertigkeit der Antithese an einen Überhang des Trostes vor dem Leiden gedacht sein. rumal wegen der genannten christologischen PlausibiJisierung. m Trifft diese kausaJe DeutWlg der Antithese zu, so hat twischen V. 5 und V. 7 eine 7ta.9t\(werm auch minimale) Akzentvenchiebung stattgefunden. In V. 5 werden ....a.'fa und ~ 1tapa.d'101~ Christi je dirdt dem Empfanger (Paulus) zuteil (zweimalige Nennloog von XPlOtOt;!), was auf Tod und AuferstehungJesu als (relativ) getrennte Wirkursachen schließen läßt (siehe oben S. 314-316). In V. 7b scheint dagegen bei kausaler Verknüpfung der Trost ebenso wie die Leiden der Korinther alldn aus dem Kre'll.~stridm Christi abgeleitet 7.U sein (wenn nach 6a.c der Trost im Verstehen des Leidens als Christusleiden liegt!), womit natürlich auch die Auferweckung Christi als kerygmatische Basis der Kreuzesthcologie/Soteriologie immer noch Wirkursache des Trostes ist. Schematisch ausgedruckt wÜTden demnach die zwti Ablcitungl.'!n ,Leiden des Paulus ~ Leiden Christi' (53) und ,Trost des Paulus _ Auferstehung Christi' (:Sb) hier 1.U der einen Rückführung ,Trost der Korinther _ Leiden der Korinther ~ (soteriologi~che Kreu1.es-) Leiden Christi. (~ Auferweckung Christi)' (7b).
to:
326
Kapitel 4: Tod Imd Leben
Es ist kein Zufall, daß Paulus nicht mit dem UltOIlOV~-, sondern dem lCOIvOlv;a-Motiv die kleine Abhandlung beendet. Der logische ,Rücksclnitt' zum vorletzten Glied der Kette'" hat seinen Grund. Paulus will den Korinthern seine tiefe Überzeugung zusprechen, daß die dargebotene Leidensdeutung ,aus der Einsamkeit des Leidens befreit und in die Gemeinschaft stellt, in der das Leiden eines Jeden für den anderen fruchtbar wird""'. Im letzten geht es ihm also nicht um Leidenstheol0gie, sondern Ekhleswlogie. "Was ... als eigentlicher Skopus der einleitenden Verse von 2 Kor 1,3-7 Ausdruck findet, ist das Gemeinschaftsverhältnis zwischen Apostel und Gemeinde. "m Dieses theologisch zu untermauern, ist die Intention des ganzen Absdmitts: ,,Die gemeinsame Teilhabe am Leiden Christi und am Trost, den Gott durch Clnistus spendet, schafft Gemeinschaft untereinander und stellt zerbrochene Gemeinschaft wieder her."m Vor dem aktuellen Hintergrund der jüngst erfolgten Konfliktbereinigung sucht Paulus nach einer integralen Absicherung derselben in einer christologisch fundierten lColvOlv{aEk.kIesiologie. So wird am Ende nicht nur das persönliche Geschick des Apostels (5) für die Gemeinde in Dienst genommen (6ab), sondern reziprok auch das dialektische Widerfahrnis von Leiden und Trost der Korinther zum Fundament ihrer neugewonnenen Versöhnung und communio mit dem Gründungsapostel. c) 1,8-10: Die Dialektik von Tod und Rettung am Apostel als theologisches Geschehen Mit den Versen 8-10 kehrt Paulus nach der langen theologischen Abschweifung zur Gattungsstruktur des ,berichtenden Lobpsalms eines einzelnen' zurück.·" Dies spricht dafür, daß hier noch nicht das Briefkorpus beginnt''', sondern das Stück noch zum Proömium zu rechnen ist.'" Die Verse dienen der Veranschaulichung des LeidenTrost-Themas am Beispiel des Apostels, exemplifi1.ieren also speziell die in V. 5 angesprochene Dialektik.... Paulus erzählt von einem bedrängenden Widerfahmis in der Asia (8), das er in einem bestimm ten theologischen Sinne für sich deutet (9) und in einen größeren, gleichfalls theologischen Interpretationsrahmen stellt (J 0).
m Siehe oben S. 324. m Dultmann, 2 Kor 31 mit Hinweis auf 1 Kor 12,26 und Röm 12,15 . .m Hainz, KOINONIA J0 I. 3~9
Klauck. 2 Kor 19f.
'60
561
Siehe oben S. 305[ So BeUe"iIle, Letter 144-149.
562
Vgl. Windisch, 2 Kor 44; Klauck, 2 Kor 20; Fumish,
n Cor 112.122; Wolff. 2 Kor 21.
m WoUf, 2 Kor 27 zieht 4,7-11 zum Vergleich heran und bCl.cichnet I,Sf. als ,,IUustration 7.U jenem Peristasenkatalog".
2 Kor 1,3-11
327
Zur Gliederung im einzelnen: Sa a Einleitung
(sogenannte ,DisclosureFormel'''') (Bedrängnis in der Asia) P Gegenstand b a Schilderung (Belastung über die Maßen) (Verzweiflung am Leben) P Folge (Todesurteil) 9a Deutung (kein Vertrauen auf sich selbst) . b a negative Sinngebung (Vertrauen auf Gott) P' positive Sinngebung (,der die Toten auferweckt') • Prädikation [Da a Ausgang (Rettung aus dem Tod) (zukünftige Rettung) P Erwartung (Hoffuung) b a Vertiefung der Erwartung ß Wiederholung d. Erwartung (zukünftige Rettung)
a) V. S
Die in ähnlicher Form mehrfach bei Paulus begegnende ,DisclosureFormel' ou ylrp 9&AOJiEV uJiä~ nyvoEtv, croSMpo{, UIlSP ... (Saa)'" deutet darauf hin, daß im folgenden verstärkt eine Ebene unmittelbarer Kommunikation zwischen Apostel und Gemeinde angezielt ist.'" Zum ersten Mal im Brief werden die Korinther direkt im Vokativ angesprochen (croSMpoO. Gattungsmäßig gehört der Vers zum ,Bericht von Not und Rettung' innerhalb der todah. '" Über die Identität der in der Asia'" widerfahrenen 9Atljll~ (Sap) ist viel spekuliert worden. s" Paulus schweigt sich über ihren genauen
Vgl. T. Y. Mullins, Disclosure. A Literary Form in the New Testament: NT 7 (1964/ 65) 44-50; Fumish. ß Cor 112j Wolff, 2 Kor 25 Anm. 46. 56\ VgL Röm 1,IS; 11,25i 1 Kor 10,1; 12,1; 1 Thess 4,13 u. a. Mullins. Disc10sure 46 nennt als konstitutive Elemente "l. OsA.m, 2. noetic 7Ierb in thc infinitive, 3. pt:rJon adJrtJStd, 4. ;riformation" (evtl. als fUnftes ein Vokativ), 566 Vgl. Fumish. n Cor 112: ..... an epistolary convention, weIl attested in ancient letters as a fonnula introdudng inronnation to be conveyed". S6? Siehe oben S. 806. !61 Gemeint ist die gleichnamige römische Provinz im westlichen Kleinasien mit der Hauptstadt Ephesus (vgl. Bultm3lUl, 2 Kor 32 Anm. 7; Furnish, 11 Cor 113; Lang. Kor 254; Wolff. 2 Kor 25l. 56!) Die wichtigsten Lösungsvorschlä.ge: der Aufstand der Silberschmiede in Ephesu5 (Apg 19,28-40), der dann aber weitaus dramatischer verlaufen sein müßte (vgl. Windisch, 2 Kor 44f.; Bulunann, ebd.); eine plötzliche. lebensgefährliche Erlcrankung (vgl. Rissi, Studien 57f.; Klauck, 2 Kor 20)i eine ephesinische Gefangenschaft mit Todesbedrohung (vgl Fumish, Il Cor 113f.122f.); eine von außen kommende GeflLhrdung in Ephesus oder auf dem V{eg nach Troas (vgl. Lang, Kor 254); die beständige Anfeindung des Paulus seitens jüdischer Gegner (vgl. J. E.. Waod, Death at Work in Paul: EvQ.54 11982] 151-155) bzw. von Juden wie Heiden um seincr VerkUndigung 'willen (vgl. Klcinknecht, Der leidende Gerechtfertigte 247). U. Borse, Die SU
328
Kapitel 4: Tod Wld Leben
Charakter aus, so daß wir nur die begleitenden Umstände erschließen können: Das Ereignis muß erst kurze Zeit zurückliegen"', zugleich aber den Korinthern schon bekannt sein, sonst wären nähere Angaben zu erwarten.'" Es geht Paulus nicht um das äußere Geschehen, sondern die Auswirkung, die es auf ihn hatte (8b), mehr noch um die theologische Bedeutung, die er darin erkannte (9). "Alles Genauere ist ihm unwichtig über der einen Tatsache, daß er den Sinn dieser Not erfaßte."!72
Bevor Paulus im nächsten Vers die theologische Lehre aus dem Erlebten zieht, schildert er in zwei Nebensätzen die übergröße Schwere der Bedrängnis (8bn) und die im wörtlichen Sinne ,aporetische' Folge, die sie bei ihm hatte (8bß). Die vier geballten Ausdrücke Jeae' Ölt6pßOAT]V"', ö1tep llUvalLlv"', sßapljeT)1L8V'" und sogar t~a1toPTJeiivnt 1j1L~ Kat toii ~iiv'" gehören zum Drastischsten, was Paulus zur Beschreibung einer Not aufbietet, und lassen so auf die Einzigartigkeit jener biographischen Erfahrung schließen." 7 Der Bericht hat an dieser Stelle (8bß) den Gipfel seines Spannungsbogens erreicht. In seinem ungewissen Schwebezustand fordert er die
!70
Wundmale und der Todesbescheid: BZ N. F. 14 (1970) 88-111 will ..die Wundmale Ga! 6,J 7 auf dem Umweg über 2 Kor 4,10 auf die 2 Kor 1,8ff berichtete Drangsal in Asien zurückführen" (104). Vgl. ßultmann, ebd. (.. am Ende des ephesinischen Aufenthaltes"); Fumish, II Cor
!71
122; Klauck, ebd.j Hofius. Gott 245. Von daher kann auch das schon in I Kor 15,82 erwähnte Eh'lPl0J.1aXe:lV nicht als Erklhung herangezogen werden. Vgl. Windisch, 2 Kor 44 (mit Hinweis auf das doppdte 'tilC;); Klauclc., ebd.; Wolff,
2 Kor 25; unentschieden Rissj, Studien 56; dagegen Furnish, n Cor 122 ("the Corin· thians are leaming of it for the frrst time"). m Bultmann, 2 Kor 32; vgL Rissi. ebd.j Fumish, II Cor 123. m Bultmann, 2 Kor 82 Arun. 8: eine "bei Paulus beliebte Wendung" (vgl. Röm 7,lg; 1 Kor 12.31; 2 Kor 4,17; Gall,13). Sie gibt mehr die objektive Schwere der Belastung
an. m Eher subjektiv und noch stärker; vgl. 1 Kor 10.13: 2 Kor 8,3. - Das sprachliche Gegenteil von Ka9' UnepPoA..qvUtt5p SU"~lV ist die \)lt6PßOA.~ Tf\f!i SuvlitLSOOf!i Gottes in 4.7. die dort dclUl auch u. a. das paradoxe OUIe e~Q1(opßicr9al des Paulw trotl all seiner Aporie bewirkt (4-,8b). m Windisch, 2 Kor 45: "beschwert. bedrückt werden, Wlter einen DlUck geraten"; bei Paulus nur noch 2 Kor 5,4. !76 Mit dieser Aussage geht Paulus noch einen Schritt weiter als in der Apologie (4,Sb: MOPOU/l6VOl Q)J..' 0\'", t~Q1(OPOU/l8VOt), indem er die dort verhinderte ,Verzweiflung' hier positiv konstatiert. I>E~a1tOp6iG9a1. ist das verstärk.te O:1tOpstv, in dem das Moment der Ausweglosigkeit (a.-nopoc;) enthalten istj . .. ,sich nicht zu helfen wissen'." (Wolff, 2 Kor 26 Arun. 51) Der Genitivus scparativus '(oG ~iiv (vgl. cbd. Arun. 521 druckt weniger subjektive Lebensmüdigkeit als das wirkliche Aufgeben der überlebensboffnWlg aus. "Paulus ... spricht in 2 Kor 1,8 nicht von Ekel Wld Oberdruß. er spticht von tiefer Aporie" (F. J. Steinmetz, ..... so daß wir keinen Ausweg mehr sahen" (2 Kor 1,81. Apostolische Mühsal bei PauJus - und heute: GeiseL 41 [196B) 321-326, 823). m Vgl. Windisch, 2 Kor 45.
2 Kor 1,3-11
329
korinthischen OO&Mpo( ebenso zum nachfühlenden Mitleiden (V. 6f.) heraus, wie er nach Weiterführung, sprich Abbau der narrativ erzeugten Spannung verlangt. Letzteres geschieht nun in zwei Schritten: Paulus gibt dem Widerfahrnis einen Sinn (V. 9)'" Wld er sagt, wie es ausgegangen ist (V. lOaa).
ß}
V.9 Das erste Wort des Verses markiert den Wendepunkt von der empirischen Erzählung zur theologischen Deutung: ,,&AMi leitet die Gegenüberstellung der schweren Bedrängnis mit dem göttlichen Zweck jener Belastung ein. Um Paulus interpretiert zunächst das Geschehene als regelrechtes Tod"urteil"·, das ihm (von Gott) zuteil wurde und nach Lage der Dinge schon unabwendbar schien'" (9a). Durch das Stichwort eavato~ wird sogar das ~~allop&i(Jeat ... toG ~ijv (8bß) noch einmal dramatisch überboten: Es ging wirklich um Leben oder Tod. Der nun folgende, antithetisch formulierte tva-Satz (9b) enthält nach V. 4-7 die zweite große theologische Aussage der Perikope. Paulus erkennt in seiner tödlichen Bedrängnis einen bestimmten Sinn. Die Lehre, die er aus dem ihm Widerfahrenen ziehen soU, heißt: nicht auf sich selbst, sondern auf Gott sein Vertrauen zu set..n"'. Hierdurch wird enähltedmisch die SpanntUlg nicht eigentlich abgebaut, sondern auf sublime Weise eher noch verlängert. In diesem Bereich wird deshalb auch die Paradoxalität des Verses zu suchen sem. m Wolff, 2 Kor 26. V. 9a faßt also den Bericht von V. 8 noch einmal deutend zusammen und bildet mit ihm die Vorderhä.lfte einer Antithese. deren hintere Hälfte die Finalaussage V. 9b ist. Dagegen ,rollen Bultmann, 2 Kor 32; Klauck, 2 Kor 20 Wld Lang, Kor 254 den Gegensatz zwischen V. 8 (ä.ußerer Zwang) Wld 9a (inncre BejahWlg durch Paulus) erkeIUlen. Die dritte Möglichkeit wäre, das !UM als steigerndes Ja sogar'. .Viehnehr' zu verstehen (vgL Windiseh. 2 Kor 46; Rissi. Studien 57 Anm. Ig0; Fwnish, II Cor 113 [,indeed'J}. 510 C:1I'61CpIJ.la entstammt der Amts· und Gcrichtssprache und bedeutet ,amtlicher, offi· zieller Bescheid' (vgl Windisch. ebd.; Bultmann, 2 Kor 32 Anm. 9; Fumish. n Cor 118f.; Wolff, ebd.; russi, ebd.; C.]. Hemer, A Note on 2 Corinthians 1,9: TynB 28 571
]19721 105-107). m VgI. Fumish, 11 Cor 108: "it seemed to us (hat we had received thc death scntence", womit recht frei, aber tTeffend die beiden Pronomina autol tv 8UutOl<; wiedergege· ben sind. Der schwierige Satz, wir selber in WlS selbst haben den Todesbescheid gehabt' dürfte Olm ehesten das extreme Vordringen des venneintlichen Todes bis ins Innente des Paulus ausdrücken, der übcf7.eugt war, Um "gleichsam schon in Händen zu haben" (Windisch, ebd.l. 40xtlKaJ.ltV beinhaltet in erster Linie das passive, rczej>" tive ,Empfangen' (vgl. Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte 248; Windisch, 2 Kor 47; Furnish. 5. 0.), nicht aber die aktive ZustimmWlg, das ,Sprechen' des Todesurteils (so Rultmann. 2 Kor 32f.; Klauck, 2 Kor 20; WollT, ebdJ - einen ,Bescheid' kann man nicht selber faJlen! Das Perfekt 6ax~KaJ.IEV steht hier wohl (wie 2,13) als nanath'es Perfekt ansteUe des Aorists (gegen Rissi, Studien 57; vg1. Buhmann, 2 Kor 32; Fumish, 11 Cor 113; Wolff, 2 Kor 19 Anm. 8). 3a2 Die umständliche Fonnulierung mmO\80tEt; 6,/lSV (Konj. Perf. I coniugolio pm/,hroJtica) bringt "die Nachwirk.ung der Handlung bis in die Gegenwart" (Rissi, Studien
330
Kapit~l
4: Tod und Leben
Für N. M. l-Vat.lon su ist dir:ser Halbvers 2 Kor 1,9b nichts Geringeres als »the heart of Paul'g theologyun4 . Zur Begtiindung arbeitet er zehn verschiedene Aspekte des Satzes heraus!8S:
- Paulinische Theologie beruhe auf tief gedeuteter Erfahrung. - Paulus erfahre Gottes Willen zur umfao;senden Versöhnung. - Der Glaube an Christus führe zum' totalen Sich-Verlalsen auf Gott. - Dieses Sich-Verlassen umgreife Vergangtnheu, Gegenwart und Zukunft.
- Glaube heiße, gegen alle Hoffnung hoffend, allein von Gott die Rettung zu erwarten. - Erlösung vollziehe sich nicht als Privatangelegenheit, sondern in der Ge-
meinschaft des Leibes Christi. - Paulinische Theologie sei tief verv.'Unelt in der a{Ues[amenllich-jüdische'i
Auferstellungjhoffnung. - Die paulinische Auferstehungsholfnung beruhe allerdings primär auf]e.lu Auferweckung von den Toten. - Die Auferstehung Chrini wirke als gegenwärtige Lebemmac/rt. - Paulinische Theologie sei im letzten nicht christo-, sonden) lheozenlrltch.
Im Mittelpunkt von 9b steht die gedankliche Antithese ,nicht wir, sondern Gott', die wie V. 5 ein verbreitetes paulinisches Theologumenon darstellt.'" Unter den zahlreichen Aussagen vergleichbaren Inhalts'" fmden sich die nächsten Parallelen zu 1,9 in 3,5; 4,7; 12,7(-10) IIDd phi! 3,3(-11).'" Obwohl sprachlich verschieden gewandet, geht es doch immer um den Grundgedanken: anstelle des Sich-Verlassens auf die eigene Kraft alles Gott anzuvertrauen: wegen der Gefahr des Sich· selbst-Überhebens nicht auf das eigene Vermögen, die O"ap~, sondern auf Gottes bzw. Christi Ö\\V!ljl~, Xapu; oder ltveiilLCl zu setzen; sozusagen ,Gott Raum zu geben' und ihn an die Stelle des Ich treten zu lassen (vgl. Gal 2,20). Einem Nichtglaubenden muß dieser Gedanke zweifellos sirmlos, paradox erscheinen.'" Den weiteren Horizont dieses Theologumenons bei PauJus bildet die durch
das Motiv der KClUxlJcru; KtA. angezeigte Thematik, die ins Zentrum der pall57), d. h. den grundsä.tzlichen Rang der Erk.enntni!i zwn Ausdr\lck. Vgl. 2,3 (1rell"Ot001,); 10,7 (•••o,esv) und - auch inhaltlich verwandt - Phil3,3 (Oll< sv cop<\
".01-
MtE,).
To makc us rel)' not on ourselves but on eod who raises the dead. 41 2 Cor. 1,9b ölS the Heart of Paul's Theology, in: U. Lut I H. Weder (Hgg.), Die Mitte des Neuen Testaments. Einheit und Vielfalt neutestamentlicher Theologie (FS für E. Schweizer), Göttingen 1988, 884-898. m Ebd. 388 u. Ö. U5 Vgl. ebd. 389-39 .... U& Becker, Paulus 188 .spricht von einem ne\'iUlgelischcn Gnmdsau". m Siehe oben den Überblick in Kapitel 2, S. 106-108. Windisch, 2 Kor 47 weist auf alttestamentlich-jiidische Vorgaben des ThcoJogumenoDs hin: vgl. Ps 78,7; 118,8;
!U ... ..
146,3-5;
Prov 3,5; Je, 17,7f.; 2 Mall 8,18; Philo, leg. ad Gai. 196 p. 574. Andere
Belege bei Wolff, 2 Kor 26.
,.. Vgl. Tannehill, Dying 90.97 u.
ö.; auch Schneider, Eigenart 85f. u!t Zur Frage der Paradoxalität des Ha1b"erses siehe unten S. 382f.
2 Kor 1,3-11
331
linil'ichen Anthropologie Rihrt.~90 R. C. Tallnehill hat in seiner nach wie vor grundlegenden Studie den Zusammenhang herausgearbeitet, der zwischen
dem ,Sterben und Auferstehen mit Christus' und dem ,Ausschluß menschlichen Rühmens' besteht,'" Ohne auf das bei Paulus wiederholt begegnende tvlotiv~92 im einzelnen eingehen zu können, sei nUT schlagIichtartig mit Tannehill die fundamentale Tragweite der Ruhmesthematik. angedeutet: ... .. man's sin can also be summed up a.~ man's ,baase befare God ...
every attempt of man to free himself from this sin by himself mOI"e1y becomes another expression ofbis attempt to gain life on bis own ... The cross breaks the power of sin just because it is God's act of grace. If man accepts the cross as God's act of graee, he roust give up bis boan, for such aceeptanee means the recognition that his life is based upon God's gift, not on his achievements ... God's grace in the cross rcaches its goal in faith ... Faith is the f'ecognition of the grace which destroys man's boast, and so through faith thls boast is excluded (Rom. 3,27 )."s" Betrachtet man die Antithese von l,9b im Lichte dieser Thematik des ,Rüh-
OW11
mens', wird ihre Hochschätzung durch N. M, Watson durchaus plausibeL Der kleine Nebensatz erscheint dann mit Recht als eine Art Zusammenfas-
sung der paulinischen Anthropologie, Daß diese wichtige Einsicht dem Paulus nicht im luftleeren Raum gekommen ist, zeigt der Kontext der jeweiligen Aussagen: Ihr Motor war jedesmal eine bestimmte Leidenserfahrung, sei es der Konflikt mit Gegnern (2 Kor 3,5 [1-6]; Phi13,3 [2-6J), die eigene Schwachheit als ,tönernes Gefäß' (2 Kor 4,7 [7-12J), der ,Stachel im Fleisch' (12,7 [7-IOJ) oder eben der ,Todesbescheid' in der Asia (1,9 [8-10J), Das finale lva (1,9; vgl. 4,7; 12,7.9) druckt die göttliche Absicht'" hinter dem Geschehen aus: Das totale Sichverlassen auf Gott wird geradezu erzwungen durch Widerfahmisse von a09aV81ll, 9'S1jIt.; und eava.~o<;, Umgekehrt gibt Paulus damit seinem Leiden einen theologischen Sinn; es wird verstehbar (wenn auch nicht einsehbarl und so erträglich durch die ruckhaltlose Hingabe des Selbst an Gott.'" Doch propagiert Paulus keine blinde Unterwerfung unter einen Willkürgott, In seinem vollkommenen Vertrauen bekennt Paulus sich zu '" Vgl. R, ßultmann, Art, Kauxclo~QI <TI... IPaulusl; ThWNT III 119381 648-653; C, K, Barreu, Boa.sting (lCanxäo9at, lCl)..) in thc Pauline Epistles, in: Vanho}'e, L'apötre 868-368, '" Vgl. Dying 124-126 u, Ö, 392 Vgl. u. a. Röm 2,11.23: 3,27; 4,2; 5,2(11; 15,15; 1 Kor 1.29.31; 3,21; 9,15f.; 2 Kor 5,12; 10-12 passim; Gal6,13f.; Phil8,3, sn Dying 124f. !9t Vgl. Windisch, 2 Kor 46f.; Buhmann, 2 Kor 38; Klauck. 2 Kor 20; Lang. Kor 254; j9!
Rissi, Studien 57. Bedenkt man die paradigmatische Funlttion des Ereignisses für Paulus sowie darüber hinaus die des Apostels für chrisdiche Exi~teOl überhaupt (siehe oben S. 322-324), könnte man fast von einer paradoxen Thtodiue im 2 KOT sprechen.
332
Kapitel 4: Tod und Leben
dem Gott, ,der die Toten auferweckt' (9bß2). Die Gottesprädikation ö eYE{pOlv ~ou<; VEKPOU<; ist jüdischen oder generell altorientalischen Ursprungs; das Achtzehnbittengebet der Juden z. B. bezeugt mit ganz ähnlicher Formulierung (C'I1~ry "~O~)'" die gleiche Hoffuung auf eine endzeitliche Totenauferstehung.'" Obwohl ,Jede Beziehung auf Jesus Christus fehlt", die Wendung also "hier noch nicht christianisiert"'" ist, dürfte klar sein, daß sie für Paulus ihren "besonderen Sinn durch die Auferweckung Jesu Christi"'" erhält. Das völlige Sichverlassen im Leiden beziebt sich auf den ,Gott und Vater ... Jesu Christi' (V. 3), der durch die Auferweckung seines Sohnes jene alte jüdische Hoffnung bestätigt bat; allein danll fmdet das llEll0l8evat seine Legitimation. Nur der Gott kann für Paulus angesichts des Todes eine solch radikale Anheimgabe verlangen, der sich in Christus als der transzendente Herr über Welt, Leben und Tod erwiesen hat und erweist (vgl. V. 5). Auf ihn zu vertrauen, bedeutet daher nicht servile Unterwerfung, sondern eschatologische Rettung. 2 Kor 1,9b ist demnach eine eminent wichtige theologische Aussage, noch grundsätzlicher als die von V. 5, die ihr als christologische Erklärung Pate steht. Dabei entbehrt auch dieser Halbvers nicht einer gewissen Paradoxalität. Ihr Kern liegt in dem Wörtchen rva, das jenen geheimnisvollen Kausal7.usammenhang von erfahrenem Leid und positiver Glaubenserkenntnis herstellt: Der Tod venveist auf Gott, von dem das Leben kommt.·oo Die Paradoxie besteht also in der Sinngebung einer Sache, die, ,sarkisch' betrachtet, sinnlos ist. Nur mit den Augen des Glaubens gewinnt sie Plausibilität. Am vorliegenden Beispiel wird sehr schön deutlich, daß Paulus nicbt nach Laune paradoxe Aussagen formuliert, sondern ibm diese geradezu aufgedrängt, von außen br.w. ,oben' vorgegeben sind. Er bemüht sich ja um erklärende Deutung (rVI1), aber seine durchlittene GrellZerfahrung zwingt ihn dabei Zunl Verlassen der weltimmanenten adpl; (wegen der dort nicht möglichen Plausibilisierung) und - als einzigem m VgL Röm 4,17: BEOÜ 'tou ~CPOTtO\Oüv'to~ 'tou~ V&KPOOC;. 597
Vgt Windisch, 2 Kor 47; Bultmann. 2 Kor 33; Fumish, II Cor ) 14; KJauck, 2 Kor 20; Lang. Kor 254; Wolff, 2 Kor 26; Rissi, Studien 57f. Anm. 134; Wa[son, a.a. Q. 392f.
Für Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte 248 "ist der Gedanke der Totenauferweck.ung als Spilzenaussage der Tradition vom leidenden Gerechten erkennbar", m Windisch, ebd, S99 Klauck, 2 Kor 21. VgL WoUf. 2 Kor 26f.; Watson, a.a.Q. 393; Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte 248, Bultmann. 2 Kor 33 Wld Lang, Kor 254 interpretieren dagegen eher kreuzestheologisch. 40D Genau besehen sind hier zwei Paradoxien ineinander verschränkt: ,Tod, damit Leben' und ,nicht wir, sondern Gou', Vor dem Hintergrund der paulinischen Anthropologie des ,Rühmens' las!len sich diese zu einer einzigen logischen Kette entflechten: Vcrtrauen aur sich selbst (...... Rühmen ...... SUnde) _ Tod _ Vertrauen auf Gott Leben.
2 Kor l,g-ll
S33
Ausweg - zum Sprung in die Transzendenz, die als solche freilich nur paradoxe Sinngebungen bieten kann. Der Gedanke ,nicht wir, sondern Gott' von 9b, übersetzt mit ,nicht sarkische Immanenz, sondern para·
doxe Transzendenz', enthält, so gesehen, nichts Geringeres als den formalen Schlüssel zum Verständnis paulinischer Paradoxien. y) V. 10
Die positive Prädikation am Ende von V. 9 stellt bereits eine gewisse Überleitung zum Folgenden dar, mit dem der todah-typische ,Bericht von Not und Rettung' fortgesetzt bzw. abgeschlossen wird. Das Bekenntnis zum eys{prov ~o~ VSKPOU~ (9bp2) bildet gleichsam das theologische Fundament, auf dem der weiterhin das Handeln Gottes qualiflzierende V. 10 (ö~ •.. ) aufruht. Die Gliederung des Satzes muß wegen der unsicheren Textverhältnisse'·l notgedrungen hypothetisch ausfallen; sein theologischer Gehalt bleibt davon aber im wesentlichen unberührt. lOa
Cl
ß b
Ahschluß des Berichts Erwartung vertiefte (a) Wiederholung (ß) der Erwartung
(Vergangenheit) (Zukunft) (Zukunft)
Inhaltlich geht es um das ,herausreißende' Rettungshandeln Gottes, wie das den Vers dominierende Verbum puscr9at (3mal) anzeigt.'" Endlich löst Paulus die seit V. 8 hestehende Spannung und erzählt vom Ausgang der Asia-9Ai"'t~: Gott hat ihn, der schon das Todesurteil in Händen hielt (9a), wider alles Envarten (para-dox) ,aus solchem'·'
m Der yon N~stl~-Aland26 vorg~schlagcne und hier übernommene Text 6'i EX 'tt().tKO~tOU Bav,,,ou tppuaato ~~ä~ Kat ~Uaetal, El~ 6v ~WK"I'8V 8n Katön ~Ua8tal steht so nur bei M. Die wichtigsten Alternativen wären der Plural 'tTl)..UCOUTIDV 9avatmv (pU u. a.; vgl. Fumish, 11 Cor 114-); statt Kat p~Geta\ das Präsens Kat PUSttlt (Dt F G u. a.
mit der dann schönen Abfolge ,Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft', daher aber wohl Korrektur; vgl. Windisch, 2 Kor 48; Klauck, 2 Kor 21) br.w. die AuslasSlmg dieser heiden Worte (A D'" u. a.); die Streichung des ön, so daß mit Kat l!n pUGE'tal ein neuer Satz begänne (pl6 B D* u. a.; "gI. Furnish,ll Cor 115). Die (anifizielle) Kombination dieser Varianten ergäbe folgende abweichende Übersetzung: .der uns aus solchen Todesnöten errettete, <er,> auf den 'wir die Hoffnung gesetzt haben. Auch ferner wird er erreHen, (11) Wenn auch üu- mithelft ... '. 40t Vgl. Röm 7.24; 11,26; 15,81; I Thess 1,10. "PUOJlQ\ ist geradezu tenninus t~dmiaJS fUr Gottes Rettung des leidenden Gerecht~n aus der (Todes-)Not" (Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte 244); dies bestätigt noch einmal die 1.uerkannte Gattung ,berichtender Lobpsalm eines cim.elnen'. m "TT]A\1"OU'tO~ markiert den Ernst der Lage" (Rissi. Studien 57 Anm. 132). nicht dagegen das Signal für den übertragenen Gebrauch "on 9ci"ato<; (so Windisch, 2 Kor 48: .,kein wirklicher TodesZllstand")' Eine solche Unterscheidung wäre Paulus fremd. Die
334
Kapitel 4: Tod \U1d Leben
Tode' befreit (lOatt). eo.Vtt'to~ ist - wie 1te1tOle&vttt 9b und !>ueo9tt\ (EK) - ein Ausdruck der Psalmensprache'" und bildet die semantische Klimax einer Kette 9Ai'l'l~ (Sa) - Ktt9' imspßoA.l)V imsp ötlVtt).ltV eßapTj91]IlEV (Sba) - e~tt7toP1l9~vat (Sbß) - cm6Kpllltt 'toG 9ttvcltoIJ (ga) - 96.vtt'to~ (lDa): Paulus war wirklich mitten im Tode, als er Gottes rettendes Eingreifen erfuh,.,,; der paradoxe Wendepunkt geschah gerade in der höchsten Not. Aber das !;K darf nicht als eine ein j/lr allemal erfolgte Wendung zum Besseren mißverstanden werden (eppuoCL'tO ist punktueller Aorist, kein Perfekt). Das unmittelbar angeschlossene Kat PUOE'tUl ODaß) kann grammatikalisch wie sachlich ebenfalls zu EK 'tIjA\K. 9uv. gezogen werden: ,der uns aus solchen Todesnöten'l " errettet hat und (immer wieder) erretten wird (solange wir in diesem Äon leben und seinen e6.vu'tot ausgesetzt sind)'. Damit ist V. 10 eine weitere Variante des paulinisehen Theologumenons
der Dialektik von Tod und Leben: Todesnot und Rettung stehen hier in einem ilerati~01 sich ereignenden, dialekti,chen Wechselverhältnis; diese Paradoxalität unterscheidet sich einerseits von der Simultaneität des napaKai,BioSttl "non tI1 Si,l'VBl (4al"o" andererseits von einer bloß einmaligen Abfolge Mv,l'OI; - ~OJ~ o.ä .....
em
Schematisch lassen sich die drei Typen '0 darstellen: (al Bedrängnis } _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ __ + Trost (V. 4-7)
404
Grenze zwischen ,Todesnöten' des irdischen Lebens und physischem Tod im engeren Sinne ist für die Bibel fließend (vgL auch Lang. Kor 254). Vgl. Ps 18,5f.; 30,4; 8.!l,19; 55,5; 56,11; 88,4.6; 116,3.8 sowieWindisch, ebd. (Hinweis
auch .urHi 83.80); Bultmann. 2 Kor 38 Anm. 11; K1auck. 2 Kor 21; Lang, Kor 254; 40S
40r.
Wolff, 2 Kor 27. Ebensowenig wie an einer Konlrretisierung der Todesnot (siehe oben S.327f. Anm. 369) ist Paulus an den näheren Umständen der Errettung gelegen (vgl. Bultmann, 2 Kor 33). Die folgende Auslegung spricht entschieden rur den Plural b:: T1lX1KolStmv"8ava:t(a)v von 1'16 etc. Vgl. Fumish, 11 Cor 114: "the plural rep ...esents a generali7.ation (sc. in Vergangenheit. Gegenwart 1md Zulc.t.mftJ about God's power lo rescue from danger, based on the paTticular threat Paul had experienced in Asia". VgL auch 11,23 iv ea.va'tOl~ 1tOU6.lCl~.
401
408
109
Gegen Rissi, Studien 57, der zwar in eine ähnliche Richtung geht (Aktualität des Erlebten), diese aber durativ interpretiert: Fortgelten des Todesbe!icheids und "andauerndes, "VI'UIlderoares Eingreifen Gottes, sozusagen eine andauernde Totenerwekkung". Dieses Bild wirkt schief. Analog 1.U der Entsprechungsaussage eilt; - oüt"mt; von 7b (siehe oben S. 325) könnte dieser Wendwig mit fast ein mhärenter Kausalnexus zuerkannt werden: Trost bei, aber zugleich Trost wege1l aU der (christologisch ventandencn!) Bedrängnis. Dies wäre eine Paradoxie ersten Ranges. Ein solches, if(lclltrU; (\'gl. Röm 6,10) erfolgtes Ereignis ""'tar das Geschehen von Kreuz und Aufenveckwlg Jesu.
tm
2 Kor 1,3-11
335
(b)
,Tode ...... Rettung -+ ,Tod' -+ Rettung -+ ,Tod' -+ RettW1g ............ (V. 10)
(c)
Tod
->-
Leben - - - - - - - - - - - - - - - - - - - + (V. 9b, vgl. Röm 6,9)
Die Differenz zwischen a und b/c besteht in der Gleich- bzw. Ungleichzeitig-
keit der Gegensätze, die zwischen alb und c in der Fortdauer bzw. Einmalig-
keit der Dialektik.
üb die durch das Hoffnungsmotiv erweiterte Wiederholung der RettungsenvartWlg (LOb) sachlich von Kat pucrEtal (lOaß) Wlterschieden werden muß"', scheint zweifelhaft. Entweder ist EI~ 81' iJÄ1t(KaIlEI' 8tt Ka\ PUcrEtrI\ lediglich eine "paraphrastische Diktatdublette"41l, oder - einfacher - die ..Envartung des Apostels ist so stark, daß er sie, sich wiederholend, ausdrückt"m. Das Perfekt lj1..mKallEI' "mit Blick auf die Nachwirkung der Handlung bis in die Gegenwart"'" macht die eschatologische Dimension des pU6cr6a\ deutlich, die über das punktuelle Eingreifen in der Not hinaus auch die defmitive Errettung am Ende umfaßt. Der tödlichen Bedrohung stellt Gott seine je gri!ßere, endzeitliche Rettungsrnacht entgegen; das Motiv der Hoffuung venveist ludern auf deren transzendenten, d. h. ebenso unsichtbaren wie wirkmächtigen Charakter.'" Nicht nur das Daß, sondern auch das Wie bzw. Woher der Rettung aus Todesnot ist also paradox. Abschließend sei die Frage nach der logischen Falge der Verse 9b und 10 aufgeworfen. Die Mehrzahl der Ausleger möchte das rettende Eingreifen Gottes (lOaa) als Bestätigung des in Gott gesetzten Vertrauens (9b) verstehen.'" Aber war die sinngebende DeutWlg des Leidens (Yl'a 9b) - als Hilfe rur weitere 6Ä('I'EI~ und für die anderen genetisch nicht eher das ReJultat als die Vorausset7.Wlg der Rettung?'"
sn
410
So Klauck, 2 Kor 21: 10aß drücke das Wissen des Paulus aus, "daß er weilerhin zum überleben täglich der Hilfe Gottes bedarl", lOb dagegen "d.ie Hoffnung auf bleibende Bewahrung bis 1um Tag der Wiederkunft Christi".
m So Windisch, 2 Kor 48; Bultmann, 2 Kor 34 mit Lietzmann-Kümmel, Kor 101. m Wolff, 2 Kor 27; \'gl. Fumish, Il Cor 114 ("to intensify the thought"). m Rissi, Studien 57. Vgl. Fumish, ebd.. der unter Hinweis auf alttestamentliche Stellen sowie 1 Tim 4,lOi 5,5; 6,17 einen traditionellen Gebrauch des Perfekts von nm~elV im "Hcllenistic Judaism" (= Judenchristentum?) an Envägung zicht. 414 Die Rettung wird zwar empirisch erfahren, ihr Ursprung liegt jedoch verborgen im Geheimni~ Gones und ent7ieht sich aUen menschlichen Möglichkeiten. Sie kann daher allein Gegenstand von Hoffnung sein. tU So Windisch. 2 Kor 48 ("Vertrauen ... glän7.end gerechtfertigt"); Bultmann. 2 Kor 34(.,Für den, der ... sein Leben Gott preisgegeben bat, ist die Rettung Gottes Geschenk"); Lang, Kor 254 ("Dieses Vertrauen de.~ Paulus ist nicht enttäuscht worden"); Wolff. 2 Kor 19, der das 6~ konsekutiv übersett.t ("der uns [denn auch] aw so schrecklicher Todesnot errettet hat"). 416 Man bedenke die analoge Tatsache, daß historisch auch zuerst die befreiende Osterbotschaft verkündigt wurde, bevor man den Tod Christi reflektierte und ihm einen soteriologischen Sinn gab.
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Kapitel 4: Tod und Leben
Gottes gnädiges Handeln (vgl. 1:0 XtlplO"IHI V. 11) geschah und geschieht frei und absolut unverrugbar, unabhängig sogar vom negativen ,Werk' riickhaltlosen Vertrauens; die letztgenannte Haltung ist nur die demütig-dankbare Frucht dessen, der von Gott hereits befreit wurde. tl7
d) 1,11: Die flir Paulus betende und dankende Gemeinde Anstelle des sonst in den pau1inischen Briefproämien üblichen Dankes und Gehetes des Apostels rur die Gemeinde. die normalerweise dort im Mittelpunkt steht"', handelt die Eingangseulogie des 2. Korintherbriefs vorwiegend von Pattlus selbst"'. Im abschließenden Vers 11 werden jedoch die rur einen Briefeingang typischen Motive Dank und Fürbitte gleichsam nachgeliefert. freilich dahingehend verändert, daß hier umgekehrt der Apostel die Korinther zu Fürbitte und Dankfür ihn aufruft."" "Paulus wußte darum, daß er mit der Ettlogie eine Neuerung ins Briefformular einführt, und er zeigt das an, wenn er am Schluß Elemente aus der Danksagung in abgewandelter Weise einbringt."'" Die Struktur des Verses ist wegen seiner Redundanz nicht ganz einfach. Zu unterscheiden sind - die ,Handlung' des Satzes, d. h. sein eigentliches Thema (ouV\)1toOPYOUV1:OlV - -rfi asl\o61 [als Gegenstand der Handlung] - SUxupI0"'tT[9fi);
- die Träger dieser Handlung (uJ.1iiiv - 6K 1toAAiiiv 1tPOUcilltOlV - alu 1toUillv); - die Zielgruppe der Handlung (U1tep '!jJ.1illv 11 a); - der Anlaß der Handlung «0 6~ ~J.1ii<; xaptuJ.1u - U1t~P '!j/-lillv llb).
m
Be; hätte demnach einen
It.OUJaun Sinn: ,der UlU nämlich aus solchen Todesnäten cr-
rettete .....
m Vgl. Röm 1,8-10; 1 Kor 1,4-10; Phlll,3-5j 1 Thess 1,2-5; Phlm 4-7 (Adressat Philemon). In 2 Kor l.~-ll erscheint dagegen die zweite Person Plural (t'.j.1oov/tll..lfu.;) in Wt
I2D
t21
wenigcJ" als der Hä.lfte der Vene (6-8.J 1). Siehe auch oben S. 305f. Die offen angeschlossene Genitivus-absolutw-Konstruktion ouvunoupyoUVl'CilV Kat oj.lmv ist sachlich "eine indirekte AuffordetUJ:lg zur Fürbitte" (Bultmann, 2 Kor 34; \'gl. Lang, Kor 254; Fumish, U Cor 125). Synt'aktisch liegt entweder ein Konditionaler (vgl. Buhmann, ebd.; Fumish, TI Cor 115; WolfT, 2 Kor 27) oder besser ein allgemeinerer, modaler Anschluß vor (,indem/wobei auch ihr mithelft'), da Paulus das Gebet der Korinther wohllcaum als echte Btdfngung seiner Rettung ansieht. Klauck, 2 Kor 21. Zur Motivation der Gattungs\'crschiebung vg1. ebd. 22; Wolff, 2 Kor 20; Berger, Fonngeschichte 245; Fitlgerald, Cracks U8-157.
337
2 Kor 1,3-11
Es geht also um das helfende Mitwirken'" in Bitte und Dank seitens des vielstimmigen Chores der Korinther für den Apostel wegen der ihm geschenkten Gnadengabe'" . Die enonne Verschachtelung der einzelnen Glieder des Verses verdeutlicht folgender Überblick: Handlung
Träger
Zielgruppe
Anlaß
(JUVUltoupyouv~cov
Kat UIlÖlV
BK ltoUiii v ltpoarIlltcov ~O 6!~ ~J.1~
XaPI<1J.11l BUlltoUiiiv
Il1tSP ~J.1iiiv·" Auf die verschiedenen Fragen zur Textkritik und den einzelnen Motiven braucht hier nicht ausführlich eingegangen zu werden.'" Breit diskutiert wird in den Kommentaren das durch iva angezeigte logische
Verhältnis von Fürbitte und Danksagung, d. h. der zeitliche Bezug des gan· zen Satzgefüges. WaJJ steckt hinter ,0 si<; ~l1a<; XQplofLa? Entweder ist damit das vergangene pueo9al aus der tödlichen Bedrängnis (V. 8- JOa) gemeint, wofür die Korinther zusammen mit Paulus Gott danken sollen; darm müßte der Anschluß des Verses an lOb eher locker verstanden werden und daJJ fva keine echte, final-nachordnende, sondern eine gleichzeitige. explikative Bedeutung haben:'!6 Oder der ganze Satz spielt wegen der streng aufgefaßten temporalen Kongruenz von ouvoooupyouvtruv mit pUOStal (! Ob) in der Zukunft; dann stünde der fva·Satz im Futur II und handelte als Ergebnis der noch zu leistenden Fürbitte vom Dank für künftig zu elWartende Gnadenerweise. (21 Die Syntax spricht rur die zweite, der Kontext mehr rur die erste Lösung. Zu beachten ist allerdings der versteckt doxologische Charakter des Verses':!': Der feierliche. überfließende Stil einer Doxologie verbietet es, deren einzelne Aussagen mit alhu messerscharfer Logik. zu sezieren. Bedenk[ Ul!
m m
m 426
m 421
auwnOUP'YElV ist biblisches Hapaxlegomenon (wie cruva'Y(J,)v(~Eaeal Röm 15,30) und bezieht sich auf die Verbundenheit (auv-) der Gemtintk mit PauJus ("gI. Windisch, 2 Kor 48f.; Bultmann, 2 Kor 34; K1auck, ebd.; WoUf, 2 Kor 27 Anm. 6I). Offen bleibt zunächst, was mit 'to Ei; ~f1ä.~ xciplO'~a genau gemeint ist. Vgl. Bultmann, 2 Kor 85: ..der Gegenstand (bzw. Anlaß) des Dankes", Mit Windisch, 2 Kor 51 müßte es dagegen wie das erste Wlter ,Zielgruppe' eingeordnet werden (..zu unscnn Hell"). Vgl. dazu die Kommentare: Windisch. 2 Kor 48-51; Bultmann, 2 Kor 34f.; Fumish, 11 Cor 115f.125; K1auck, 2 Kor 21f.; Lang, Kor 254; WollT, 2 Kor 27. So Windisch, 2 Kor 49, So Bultmann, 2 Kor 35; Fumish, n Cor 115f. Auch wenn Gott nicht ausdrücklich genannt wird, ist", doch der eigentliche Adressat des vielstinunigen Geschehens.
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Ka.pitel 4: Tod und Leben
man ferner, "daß für P. Dankgebet und Bittgebet unzertrermlich lu,ammen gehören"'29, darf vielleicht ein zeitübergreifender Bezug des Satzes angenommen werden: Die Korinther sollen betend Dank sagen für die jetlt dem Paulus geschenkte Rettung. ,md sie sollen für ihn beten, um auch im Falle weiterer 9ava'tot Wld RettWlgen die Gnade Gottes preisen 7.U kÖIU1en.
Wichtig ist die Frage nach dem Ste/unwert des Verses im Kontext. Zusammen mit V. 3 bildet V. 11 den Rahmen der Perikope, der i111'e beiden Teile 4-7 und 8-10 umschließt. Auf diese Weise entsteht zu· gleich ein bestimmtes Gefälle, das von Gott (3) über den Apostel (1-10) hin zur Gemeinde (L 1) führt und Jie - briefpragmatiscb gesehen - als den eigentlichen Skopus des Proömiums erscheinen läßt. Ganz ähnlich wie in 4,7-12 (bzw. 7-15''') stehen am Ende des Abschnitts die Korinther, um die es Paulus ja letztlich in all seinem apostolischen Wirken geht (vgl. 4,15: ~a. ynp mlv~a. 51' lill~). Während sie der Sache nach um Fürbitte und Danksagung für ihn gebeten werden, ist dem Apostel tatsächlich weniger an diesem speziellen Tun für ihn als vielmehr darrul gelegen, die Gemeinde tiefer in die neu gewonnene Versöhnung einzubinden. Die Aufforderung .seeks to engage the readers inlmediately with Pau!'s own situation and to accentuate their need to be active participants in the partnership of suffering and comfort of which he has just written. It is in this respect a gesture of reconciliation."'31 Die Verbundenheit inl helfenden Gebet und Drulk ist die konkrete Umsetzung der K01VOlI/{a. von V. 7, Praxis der communioEkklesiologie des Versöhnlmgsbriefes. Die Umkehrung der Fürbitte trägt dabei der dominierenden Rolle des Apostels im Proömium und darüber hinaus in1 ganzen Brief Rechnung; das helfende Tun der Korinther macht die Mittler- wld Paradigmafllilktion des Paulus kommunikabel, ja erst lebendig, wld erfüllt so das nach V. 7 noch offengebliebene Desiderat der je nötigen Aneignung der KOlVOlV{a. seitens der Gemeinde. 452 Letzter Grund aber sowohl der ekklesialen Versöhnung als auch der Rettung ist Gott, dem der gemeinsame Drulk aller gebührt. 2. ZUJammClYaJ5ung
Der Abschnitt 2 Kor 1,3-11 ist das Proömium oder die einleitende Eulogie des kanonischen 2. Korintherbriefes, genauer gesagt des in ihm enthaltenen Versöhnungsbriefes 1,1-2,13; 7,4-8,24. Der Gattung nach handelt es sich um einen in1 Alten Testament u. ö. mehrfach .u~
Windisch, 2 KOT 49.
150 Vgl. die Älmlichkeit von 1,11 mit 4,15: 2. Person Plural; fVQ-Sat7.: x.cipu'lla-xclpl~;
xoU"" - ~lIi <mv "1.EtÖvo,,,; "SL Fumish, II COf 125. m Siehe oben S. S22.324.325.
,llx,aptaTIlOfi - ellx,ap'crt(av.
Sta
2 Kor 1.3-11
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bezeugten ,berichtenden Lobpsalm eines einzelnen', der von Paulus im Sinne seiner Aussageabsicht individuell erweitert worden ist. Eingebettet in einen Rahmen von Lobpreis Gottes (3) und Fürbittel Dank der Korinther (11) sind zwei Hauptteile: eine komplexe, nabezu systematische Abbandlung zum Thema ,Bedrängnis und Trost des Apostels und seiner Gemeinde' (4-7) sowie der gattungstypische, aber theologisch ausgeweitete ,Bericht von Not und Rettung' (8-10). Der Text wird beherrscht von mehreren markanten Leitmotiven: Bedrängnul Leirkn und Trost, Tod und Rettung, nicht zuletzt aber auch Gemeinschaft, worunter ,Gott', ,Christus' und die zahlreichen Formen von ,Wir' und ,Ihr' subsumiert werden dünen. Das Proömium enthält bereits bekannte wie neue Paradoxien der paulinischen Theologie. Auch in diesem Text geht es um die Dialehtik von Tod und Leben, die in drei Varianten begegnet: christologisch-eschatologisch als der einmalige Akt der A'!ferweckung Jesu bzw. der Toten durch Gott (V. 9b !in; vgl. 5b); anthropologisch als das gleichzeitige, durative Widerfabmis von Bedrängnis und Trost (V. 4ab; evtl. auch 7b); am Beispiel des Apostels als die iterative dialektische Erfahrung von Tod(esnot) und Rettung in der eigenen Biographie (V. 8-9a.10). Schon aus 4,10f. u. a. vertraut ist die Deutung dieser Dialektik als analoge Partizipation an Tod und Aufmtehung Chruti im Modus des Glaubens (V. 5). Daß der den positiven Ausgleich bildende Trost am Ende lediglich ein Ertragen der Leiden in glaubender Gemeinschaft mit Christi Kreu>. bedeutet (V. 6c), war ähnlich ebenso schon aus 4,8f. hervorgegangen. Ein weiteres verbreitetes Theologumenon, das z. B. in 4,7 begegnet, ist die Antithese ,nicht wir, sonrkm Gott' (V. 9b), die hier freilich - ge· boren aus dramatischer Erfaluung - in vollendeter Klarheit erscheint. Sie ist so etwas wie das Herzstück der paulinischen Anthropologie und mit ihrem Verweis auf die Transzendenz zugleich ein Schlüssel zu den pauJinischen Paradoxien überhaupt. Das Neue an der Eingangseulogie des 2 Kor liegt dagegen in der Ausweitung der Leidensthematik auf die Gemeinrk. Bedrängnis und Trost, Tod und Leben sind keine exklusive Erfahrung des Apostels, sondern haben eine ekklesiale Dimension (V. 4b.6f.1 1). Diese Grundaussage der Perikope tritt unter verschiedenen Aspekten zutage: - Das Leiden betrifft alle Chruten, angesichts von Verfolgungen um Christi willen sie vielleicht sogar in besonderem Maße. - Im Blick auf das Kreuz erscheint das Leiden auch im theologischen Sinne geradezu konstitutiv für christliche Existem.. - Ebenso wie beim Paradignla des Apostels'" steht auch das Leiden der Gemeinde in einem dialektisch-paradoxen Wechselverhältnis m Auf die generell virulente Frage nach der Beispielhaftigkeit des Paulus "...urde exkursorisch bei der Exegese von V. 7 eingegangen (siehe oben S. 322-824).
340
Kapitel 4: Tod und Leben
zum Trost, der aus dem Kerygma von Kreuz und Auferstehung Christi elwächst. - Dieser christologische Trost im Leiden wird vermittelt durch die parallele Leidens- und Trost-Dialektik des Paulus, die sich so auf einzigartige Weise als Funktion seiner apostolischen Diakonie darstellt. - Die Verbundenheit in Leiden und Trost schafft Gemeinschaft mit Christus und untereinander, soteriologisch-eschatologische Glaubensgemeinschaft mit dem Herrn und ekklesÜJlogische Gemeinschaft zwischen Apostel und Gemeinde. - In der konkreten Situation von Paulus und Korinthern dient die gemeinschaftliche Dialektik von Leiden und Trost der Festigung der neugewonnenen Versöhnung und der Verwurzelung des paulinisehen Evangeliums. Die einleitende Eulogie 2 Kor 1,3-11 ist somit eigentlich ein pastoraler Text, der das Geschick des Apostels als existentielle Verdeutlichung des christologischen Kerygmas für die Gemeinde fruchtbar zu machen sucht, d. h. letztlich eine paradoxe, christologisch-apostolisch vermittelte Ehklesiologie entwirft. Paulus hofft zuversichtlich (V. 7a), daß diese Botschaft bei den Korinthern Gehör fmden möge.
*** Die drei Texte von Kapitel 4 standen unter der Überschrift ,Tod und Leben'. Gemeint ist damit jene Dialektik, welcher der Apostel speziell bei seiner Verkündigung des Evangeliums, aber ebenso als Paradigma fiir alle Glaubenden ausgesetzt ist und die als zweiter Grundtyp paulinischer Paradoxalität gelten kann. Bei diesem zweiten Typ geht es nicht um die eher dem Inhalt nach paradoxe Destruktion eines Vorverständnisses vor dem Hintergrund der Kreuzestheologie (Kapitel 3 = Typ 1), sondern um das (z. T. sogar formallogisch-)paradoxe Nebeneinander der Mächte ,Tod' und ,Leben' in simultaner Koexistenz. Auf verschiedene Weise - in 2 Kor 4,7-12 bemüht um theologisch-christologische Klärung; in 6,8-10 praktisch-apologetisch; in 1,3-11 aus pastoraler Sorge um Koinonia mit der Gemeinde - offenbart Paulus seine im Glauben erkannte Gewißheit, daß das unsichtbare, eschatologische ,Lehen jesu', Christi ,Trost', hinter dem die ,Macht seiner Auferstehung' (Phi! 3,10) steht, stärker ist als alle Todesnöte des alten, von der ,Sarx' geprägten Äons. Die Dialektik von Tod und Leben ist also eine ,gerichtete', im Glauben und auf Hoffnung hin ertragene Dialektik mit insgesamt positiverem Charakter als das kreuzestheologische Paradox.
Schluß: Der theologische Ort der Paradoxien bei Paulus Der überblick über Formen und Verwendungen des Paradoxen bei Paulus und die einzelexegetische Analyse einer Reihe von TextsteIlen seiner Briefe haben die Fragestellung dieser Arbeit bestätigt. Das ungewöhnliche Vorhaben, eine Denliform als verbindende Größe paulinischer Texte zu untersuchen, wurde durch ctie Auslegungen als sinnvoll erwiesen. Es gibt in der Tat so etwas wie eine Denliform des Paradoxen in der paulinischen Theologie, so vielgestaltig die Ausprägungen dieser' Denkform auch sind. Den Abschluß der Arbeit soll kein eigenes systematisches Kapitel bilden. Über den bisherigen Enrag der einzeinen Zusarrunenfassungen hinaus seien lediglich einige übergreifende Reflexionen angestellt, die der Zuordnung des Themas ,Paradoxien bei Paulus' zur paulinischen Theologie im ganzen gelten. Die Frage nach dem theologischen Stellenwert der paulinischen Paradoxien, der zuerst nachgegangen werden soll (A), fühn weiter zu der nach ihrem Grund im Zusammenhang seiner Botschaft und Theologie (B) sowie, grundsätzlicher, zum Aunveis der Notwendigkeit einer christlich-theologischen Denkform des Paradoxen überhaupt (C). Darüber hinaus kann am Beispiel des Apostels nach den rhetorischen Funktionen des Paradoxen gefragt werden (D). Abschließend ist im Sinne des Paulus auch auf den letztlich begrenzten Rang von Paradoxalität als theologischer Denkform hinzuweisen (E).
A. Der Stellenwert der paulinischen Paradoxien Der ,theologische Ort' der Paradoxien bei Paulus ist auf den ersten Blick eher existentieller An. Spannungen. Widersprüche. Dialektik und Paradoxie begegnen bei ihm sowohl quantitativ als auch qualitativ am stärksten dort, wo er seine eigene apostolische Existenz reflektiert und zur Sprache bringt. Dies läßt den Schluß zu, daß der Bereich des persönlichen Geschicks, vor allem die Erfahrung von Leiden, der ,Sitz im Leben' gewesen ist. an dem sich dem Apostel Paradoxien aufdrängten.! J
Hecker, Paulus 181-189 unterscheidet fUnf ,Leitgedanken' des AposteL'i hinsichtlich seiner Leidenserfahrung: die apostolatstheologische Deutung (Leiden als Kehrseite des apostolischen Dienstes), die duinologische Deutung (Leiden als Gemeinschaft mit dem Gekreuzigten), die prä.'ientisch-eschatologische Deutung (Lciderfahrung zu-
342
Schluß
Diese Erkenntnis ist aber sogleich zu präzisieren. Sowenig die Paradoxien ein genuin theologiscbes Phänomen sind, sowenig darf andererseits für ihr ZustandekollUnen die Theologie ausgeblendet werden. In Erinnerung gerufen sei die grundlegende DefUlition, wonach ein Paradox dem landläufigen Vorverständnis von einer Sache widerspricht_' Paradoxien implizieren denmach per definition.rn eine wie auch immer geartete Dualität, die generell als Gegensatzverhältnis von Vorverständnis und Widerspruch beschrieben werden kann. Wenn nun die paulinischen Paradoxien zum einen in der existentiellen Erfahrung des Apostels verankert sind, auf der anderen Seite aber auch eine theologische Relevan1. haben, dann scheinen eben diese beiden Felder die für das Paradox konstitutive Dualität auszumachen. Vereinfacht gesagt: Die paulinischen Paradoxien entstehen aus dem Gegensatz von Erfahrung und Offenbarung. Wo menschliche Empirie und Logik mit der Botschaft des Evangeliums kollidieren, oder umgekehrt, wo das Kerygma dem Vorverständnis weltlicher Wahrnehmung und Denkweise widerspricht, dort bilden sich Paradoxien. ,Ort' der paulinischen Paradoxien ist also der Schnittpunkt von irdischer Existenz und göttlicher Offenbarung, Zeit und Elehaton, von Kerygma und Sarx, Gott und Welt. Daraus ergibt sich aber auch der theologische Stellenwert und Rang der paulinischen Paradoxien. Sie sind zweifellos kein genuiner, immanenter Bestandteil der Theologie des Paulus, wie es zentral die Rechtfertigungslehre als Reflexion des Kerygmas von Tod und Auferstehung Christi ist. Gleichwohl wurde die Denkform der Paradoxalität zu einem elementaren Kennzeichen der paulinischen Theologie, indem diese als apostolische Verkündigung von vomherein Dienst in und an der Welt war und sein mußte. So läßt sich sagen: Der theologische Ort der Paradoxien ist die Begegnung und Auseinandersetzung der Botschaft des Apostels mit der Welt.' Insofern kommt den Paradoxien selbst eine paradoxe Stellung zu: Sie wurden gleichermaßen von ,außen', von der Welt, dem Apostel aufgenötigt, so wie sie andererseits alsbald zu einem wesentlichen Element der Darstellung innerhalb seiner Theologie wurden.' gleich als Gottes- blW. Trostcrfahrung), die futurisch-eschatologische Deutung (irdisches Leid in keinem Verhältnis zur ewigen Herrlichkeit) und die paradigmatische Deutung (apostolische Leidensexistenz als Vorbild christlichen Lebens), Besonders bei der dritten, aber auch bei den anderen Deutungen spielt die Paradoxalität eine RoUe. t Siehe oben S, 26, S Auf die sachliche Einheit von Apostolat und Evangelium hat schon K, Kcrtelgc. Das Apostdamt des Paulus, sein Ursprung und seine Bedeutung: BZ 14 (1970) 161-181 nachdrücklich hingewiesen. " Die Frage. ob und inwieweit das frühe Eindringen von Paradoxien in Sprache und Denken des Paulus Rückwirkungen auf seine Renexion wld Formulierung des Kerygmas hatte. wird in Abschnitt B erörtert.
Paradoxien und
Kreuze~theologje
343
Die Paradoxien sind Ausdrucksformen, in denen sich die Botschaft und Theologie des Paulus zu bewähren hat. Sie sind gleichsam eine fortgesetzte ,Feuerprobe' seines Evangeliums in der Begegnung mit der Welt. Apostolisches Selbstverständnis, Christologie, Soteriologie, Eschatologie, ja die ganze Rechtfertigungslehre bis in das überlieferte Kerygma hinein haben sich je neu gegenüber der irdischen Wirklichkeit zu behaupten. Paulus läßt auf eigene Weise seine Theologie ,praktisch' werden: Er konfrontiert sie mit den Bedingungen, in die hinein sie gesprochen ist, und nimmt dabei nicht selten statt der Synthese das Paradox in Kauf. Paradoxien sind zweifellos eine Zumutung für die menschliche Ratio, die Paulus aber verantworten kann, weil er sich der kritischen Instanz des Kerygmas verpflichtet weiß. Absurditäten werden freilich von ilun ausgeschlossen (vgl. z. B. Röm 3,8; 6,1.15). Sosehr die Paradoxien des Evangeliums eine ständige Herausforderung für seine Adressaten darstellen, dem Evangelium selbst bieten sie auch eine wertvolle AbsÜ:herung. Sie schützen es vor der Gefahr idealisierender Weltferne und gegen den Vorwurf einer illusionären Erlösungslehre, wie ihn etwa M. Buber erhoben hat.' Das Wesen der Paradoxalität als Denkform, einen scheinbaren Widerspruch bewußt auszuhalten, wahrt den Geltungsanspruch beider Seiten, den der vorfllldliehen Realität und der Glaubenswirklichkeit, ohne eine davon zu opfern. Das Paradox ist der in seiner Kühnheit beeindruckende Versuch einer Zusammenbindung dieser beiden Wirklichkeiten und annähernden Bewältigung ihrer Inkommensurabilität. Zu diesem Versuch eine Alternative zu finden, scheint nicht leicht: Die Ausschaltung der existentiellen Dimension würde die Botschaft unglaubwürdig machen; ein Aufgeben oder Aufweichen des Kerygmas dagegen wäre das Ende der christlichen Hoffnung. Die Genialität dieser Denkform gibt der paulinischen Theologie ein unverwechselbares Gepräge und macht zu einem Gutteil ihre geistesgeschichtliche Größe aus.
B. Paradoxien und Kreuzestheologie Die Bestimmung des theologischen Ortes der paulinischen Paradoxien am Schnittpunkt von ,Kerygma' und ,Existenz' sowie die Feststellung ihrer ,KontroUfunktion' lassen die Frage nach ihrer Herkunft und ihrem tieferen Grtmd aufkommen. Die Entstehung von Paradoxien aus dem Zusammentreffen von ,Offenbarung' und ,Welt' setzt ja voraus, daß beide Größen in einem sachlichen Gegensatzverhältnis zueinander
J
Vgl. K. A. Plank, Confronting the Unredecmed World: A Paradox.icaJ Paul and His Modem Critics: ATR 67 (1985) 127-136.
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schluß
stehen, das sie nicht ohne weiteres kompatibel sein läßt. Hienu bedarf es einer Vergewisserung über den Inhalt der Offenbarung. Kern des pauIinischen Evangeliums ist das Ketygma von Tod und Auferstehung ChristL An dem Doppe\charakter dieses Ketygmas Kreuz und Ostern, Tod und Leben - lassen sich zwei Grundtypen paulinischer ParadoxaIität festmachen: die Vemeinung aller ,fleischlichen' Wirklichkeit des ,alten Äons' durch das Kreuz und die transzendente Überbietung dieser Todeswirklichkeit durch das eschatologisch neue Leben.' Im Sinne der Basisdefmition von Paradox als ,Widerspruch zum Von'erständnis' sind beide Typen eindeutig als Paradoxien zu bezeichnen. In beiden Fällen besteht auf seiten der ,Welt' ein Vorverständnis, gegen das die Aussage des Evangeliums ,verstößt', kommt es zu einer Kollision des Kerygmas mit dem menschlichen Denken. Dennoch tragen die beiden Grundparadoxien sachlich einen verschiedenen, ja diametral entgegengesetzten Charakter. Es geht um je untmchiedliche VorverJtändnisJe, zu denen die Aussagen entsprechend unterschiedlich im Widerspruch stehen. Das Paradox des Kreuzes stößt mit destruktiver Wucht alle ,hohen Gedankengebilde' des ,Fleisches' vom Sockel (vgl. 2 Kor 1O,4f.), ist also (zunächst einmal) die Verneinung eines positiven Vorverständnisses. Das Auferstehungsparadox dagegen übersteigt die Sünden- und Todesverfallenheit des ,alten Menschen' auf Leben hin (vgl. Röm 6,6-8), bildet also ein positives Paradox zum negativen Vorverständnis. Der erste Typ stellt gegenüber dem zweiten noch eine höhere Stufe des Paradoxen dar. In der kerygmatisch ja unlöslichen Verbindung des Kreuzes mit Ostern gewinnt das anstößige Sterben des Gottessohnes selbst eine soteriologische Dimension.' Neben dem ,Nein' zu weltlicher Weisheit und fleischlichem Rühmen wird das Kreuz im 1'J1tSP fJllWV Christi positiv zum Zeichen des Heils, zum Ort des Sieges über die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen. Formal ausgedruckt: Das negative Paradox erhebt einen positiven Anspruch auf die negative Wirklichkeit; dies ist eine Potenzierung der ParadoxaIität. Zusammengefaßt läßt sich also sagen, daß die paulinischen Paradoxien sachlich aus dem Zusammenstoß des Kerygmas von Tod und Auferstehung Christi, d. h. der Mitte des paulinisehen Evangeliums, mit einem gegenläufigen Vorverständnis der ,Welt' hervorgehen, Diese Aussage bleibt aber noch relativ unbestimmt. Zumal das Verhältnis ~ Vgl. schon den Überblick in Kapitel 2; ferner die charakteristisch verschiedene Grund7
stmktur der jeweiligen TextsteIlen in den Kapiteln 3 und 4. Die Grunddaten Tod und Auferstehung und illre je eigenen Strukturen k.önnen l.\Var dtnl!.morphologisch getrennt betrachtet werden, wie in dieser Arbeit vielfach geschehen; ehristologiJeh bilden sie jedoch eine untrennbare Einheit.
Paradox.ien und Kreuzestheologie
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zur KreU7.estheologie bedarf einer genaueren Klärung, für die ein Blick auf das Leben des Paulus hilfreich ist. Am Anfang der christlichen Biographie des Paulus steht die Erscheinung des auferstandenen Gekreuzigten vor Damaskus. Das einschneidende Berufungserlebnis macht aus dem gesetzestreuen Pharisäer einen Apostel Jesu Christi. der das Evangelium von Tod und Auferstehung verkündigt (vgl. I Kor 15,3-5). Dieses Evangelium erhält in der Auseinandersetzung mit den judenchristlichen Eiferern für das Gesetz durch Paulus die theologische Gestalt der ,Rechtfertigungslehre' (besonders Gal, Röm), mit der er dem Glaubensanspruch des Evangeliums einen theologisch geschärften Ausdruck verleiht. Eben dies ist aber auch der Ort, wo sich der Apostel als Theologe zur Prägung von Paradoxien veranlaßt sieht. Im konkreten Verkündigungsdienst, auf den entbehrungsreichen Missionsreisen, unter teilweise extremen Peristasen (vgl. 2 Kor 11,23-33) und in der zermürbenden Auseinandersetzung mit Gegnern wird seine Botschaft auf eine harte Bewährungsprobe gestellt. Eine undialektische ,theologia gloriae' wäre solchen Leidens-, ja Todeserfahrungen (vgl. 2 Kor 1,10; 4, ll) nicht gewachsen. Die Paradoxien des Paulus sind das Ergebnis einer theologischen Riflexion, die die Vereinbarkeit, ja Kongruenz jener Peristasen des Apostels mit dem Dienst am Evangelium zum sprachlichen Ausdruck zu bringen sucht. Zum einen kann er all jenen Bedrängnissen der Welt die empirisch nicht verifizierbare, nur dem Glauben sich erschließende Zuversicht entgegensetzen, daß das in Christus geschenkte Heil und Leben stärker ist als jeder irdische Tod. Dieses escbatologische Grundparadox leitet er vom Osterereignis ab. Schon bei ihm zeigt sich als zentrales Deutemoment die Analogie, hier zwischen der Auferstehung Christi und der Hoffnung des Apostels. Noch deutlicher wird diese Analogie bei einem paradoxen zweiten Schritt, zu dem Paulus durch die konsequente Weiterreflexion jener Glaubenserfahrung geführt wird: Es besteht eine Entsprechung zwischen seinen eigenen Leiden und dem TodesleIden Jesu am Kreuz. Die Peristasen des Apostels sind keine kontingenten Erscheinungen, sondern als Analogien zum gekreuzigten Christus notwendige Bedingungen der Verkündigung des Evangeliums. Spätestens hier wird aus der apologetischen Not eine positive ,Kreuzestheologie', die wohl der stärkste Ausdruck von Faradoxalität bei Paulus ist. Das ihr 7.Ugrundeliegende Muster hat sich offenbar nach und nach herausgebildet. 8 • Dazu paßt die Beobachtung. daß Paulus zwar die (traditionelle) Verbindung .gestorben und aufen ... eckt' o. !i., nicht aber die Kombination ,Kreuz und Auferstehtmg' kennt Der Begriff ,Kreuz' als theologisches Deutemoü,' reprasentiert anscheinend schon eine fortgeschrittene Reflexionsstufe. Vgl. auch die Reihenrolge in Phü S,10.
346
Schluß
Das Verhältnis von Paradoxien und Kreuzestheologie ist am ehesten als ein dialektisches zu verstehen. Auf der einen Seite scheint klar, daß die paulinische theologia cruds etwa in ihrer klassischen Gestalt von 1 Kor 1 und 2 zu einem guten Stück das Produkt einer Verarbeitung existentiell eifahrCller Widersprüche darstellt. Ein Satz wie 1.. B. 1 Kor 1,25 (,Das Törichte Gottes ist weiser als die Menschen, und das Schwache Gottes stärker als die Menschen') in seiner allgemeingilltigen Formulierung dürfte von einer persönlichen Erfahrung inspiriert sein, wie sie etwa hinter 2,3f. erkennbar wird. Auf der anderen Seite sind die Paradoxien der Briefe bereits existentiell gewendete Amprägungen kreuzestheologischer Reflexion, Deutungen der eigenen Leidenserfahrung inl Lichte des selbst als paradox erkannten Kerygmas. Dies gilt z. B. für alle in den Kapiteln 8 und 4 dieser Arbeit untersuchten Stellen. In der reflektierenden Verarbeitung seiner persönlichen Situation wurde dem Apostel deren essentielle Rückverwiesenheit auf das Kreuz Jesu Christi bewußt: Der in1 Kreuzesgeschehen enthaltene Widerspruch zu dieser Welt ist konstitutiver Bestandteil des Evangeliums und der eigentliche Grund für die Paradoxien. Zwischen Kreuzestheologie und Paradoxien besteht somit eine lnterdepClldenz. Das Kreuz - sozusagen das ,Ur-Paradox' - ist theologisch gesehen die Wurzel und sachlich der Gipfelpunkt der paulinisehen Paradoxien. Gleichwohl muß biographisch auch mit einer Inspiration der theologischen Rede durch das persönliche Geschick gerechnet werden.
C. Die Notwendigkeit einer Denkfonn des Paradoxen Die paulinisehen Paradoxien gehen aus einem dialektischen Zusammentreffen von Kerygma und Welt hervor, dessen schärfster Ausdruck die Kreuzestheologie ist. Man könnte vereinfachend sagen: Vom Kerygma her betrachtet heißt der Zusammenstoß ,Kreuzestheologie', vom Vorverständnis weltlicher Existenz her ,Paradoxie'. Die paulinisehe theologia cruds begegnet zwar ausgeführt nur in den ersten Kapiteln des I. Korintherbriefes; sie kann jedoch nicht zuletzt deshalb als ein wesentlicher Teil des paulinischen Denkens gelten, weil sie auf indirekte Weise hhlter zahlreichen Paradoxien erkennbar ist. Die Paradoxien sind existentielle Entsprechungen des ,Wortes vom Kreuz', das ein integraler Bestandteil des paulinischen Evangeliums ist. Die Paradoxa sind somit letztlich Resultate des in die welt gesprochenen Kerygmas von Tod und Auferstehung Jesu ChristL Im folgenden Abschnitt soll der Frage nachgegangen werden, worin der tiefere Sinn dieser Herausbildung liegt. Welchem Anliegen ist der
Notwendigkeit des Paradoxen
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Apostel verpflichtet. werm er den Gebrauch von Paradoxien zu einer regelrechten Deniform erhebt? Inwiefern gibt es über Paulus hinaus für christliche Theologie allgemein die Notwendigkeit zu einer solchen Denkform? Diese Frage berührt gnmdsätzliche Probleme systematischer Theologie (hermeneutischer. philosophischer. auch kontroverstheologischer Art). die hier nur kurz angesprochen werden können. Bis heute präsentiert sich das Denken in Paradoxien als eine Domäne des ProteJtantiJmw. So hätte eine systematische Auseinandersetzung mit der Denkform der Paradoxalität bei SäTen Kierk'gaard. Kar! Barth und Rutklf Bullmann anzwetzen. 9 Es wäre eine eigene Untersuchung wen, inwieweh diese Autoren und die von ihnen geprägten Denkrichtungcn des 19. Wld 20. Jahrhunderts im Blick auf die Verwendung des Paradoxen als wirkungsgeschichtliche Erben des Paulus bezeichnet werden können oder ob hier auch andere theologiegeschichtliche Traditionen EinHuß ausgeübt haben. Gewiß hat die traditionell protestantische, aufLuther zurückgehende Bevorzugung des Apostels auf natürliche Weise dazu beigetragen. daß auch die Paradoxien in die evangelische Theologie Eingang fanden. Dem Wesen des Protestantismus - schon der TennulUs birgt ja einen ,Widerspruch zum Vorgegebenen' - konnte das Paradoxe nur angemessen sein, galt es doch, Vieles an der bestehenden Kirche in Frage zu stellen. Ein neutestamentlicher Zeuge wie Paulus, der dieser Denkfonn den Weg geebnet hatte. bot sich dazu wie von selbst als ,Pate' an. Die Affmität des Protestantismus zum paradoxen Denken ist deshalb sowohl durch seine paulinischen Wurzeln als auch sachlich bedingt; das Paradoxe macht geradezu einen Teil der protestantischen Identität aus. In der katholischen Theologie hat das Paradox einen ungleich geringeren Stellenwert. So weisen 1. B. weder Michael Schmaus' großangelegte "Katholische Dogmatik" noch Karl Rahners .Schriften zur Theologie" in ihren Sachregistern irgendwo da., Paradox als Stichwort auf. IO Die Kürze und der distanzierende Ton des LThK-Artikels von Herbert Vorgrimler sind bezeichnend. 11 Brono Schütier lehnt - in kritischer Analyse einer Passage bei M. Dibelius den Begriff sogar dezidiert ab: .In der kath. Theologie heißt es: fides transcendit rationern. Aber ist das Adjektiv ,paradox' geeignet, diese ,Übervernünftigkeit' des Glaubens zu kennzeichnen? Kaum .... 1 Kor 1,18 schreibt Paulus: ,Das Wort vom Kreuz ist denen, die verJorengehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft.' Können diejenigen. die die Eme kune Orientierung über die Literatur wurde bereils in der F.in1eitung gegeben (siehe oben S. 2-5), 10 Zu Rahner vgl. W. ThOsing. Die neutestamentlichen Theologien und Jesus Christus. Bd. I: Kriterien, Düsseldorf 1981, 240: nBei Rahner ist. soweit ich sehe, die mir so hilfreich erscheinende Dcnkform der Polarität kaum lU erkennen, da er die Spannungen infolge seiner spezifischen Konzeption stärker in eine Einheitsschau integriert . .. ; ludern tritt . .. cUe ausdriickliche Vennittlung seiner Konzeption mit neutestamentlichen Texten und Konzeptionen (so der paulinischen Kreulestheologie) zurück," 'J
" Vgl. LThK' VIIl (1963) Hf.
348
Schluß
Wahrheit des Wortes vom Kreuz erkannt Wld in lebendigem Glauben aner~ kannt haben, dieses ,.vort für eine Torheit halten? Umgekehrt, müssen nicht jene, die den Glauben verweigern. das Wort vom Kreuz notwendigerweise für Torheit haltenr"" Schüller filhrt den ,,Eindruck des Paradoxen"
lediglich auf ein Verk.ennen jener "geistreichen oder tiefsinnigen Wortspieleu zurück., "die allemal dann möglich sind, wenn ein Won konträre Bedeutungen haben kannlr15 • Traditionell bis hin zu Karl Rahner spricht die katholische Theologie lieber vom ,Mysterium' oder ,Geheimnis' als vom ,Paradoxt , obwohl sie teilweise die gleichen Phänomene damit bezeichnet; sie venneidet so die mit der Entmythologisienmgsthese zusammenhängende Reduktion Bultmanns. 14 Es gibt allerdings auch katholische Theologen, bei denen der Begriff eine . Rolle spielt. Hier ist vor allem Hans UrJ von Balthasar zu nennen, der nicht nur den Terminus sehr häufig ven"Tendet, sondern dabei auch immer v...je· der auf die paulinische (und johanneische) Theologie Bezug nimmt. Als willkiirlich herausgegriffenes Beispiel sei ein kleines Büchlein genannt: ptDie Wahrheit ist syrnphonischfllS , in dem die Kategorie des Paradoxen im Mittelpunkt steht. Von Balthasar behandelt dort u. a. das ,,Paradox nvischen Kreuz und Freude in der ,Kirche 7."tischen den Zeiten'" (144): "Weder karm es sich um eine bloße Abwech.,lung von Freude und Leid ... handeln, da doch alles von einem ein7.igen eschatologischen Standort her beurteilt und geregelt wird, noch darf eine einfache Relativienmg des Kreuzes ... durch die Osterfreude in Frage kommen ... , noch kann der entscheidende Standort der Kirche einfach als der ,nachösterliche' bezeichnet und die Gestimmtheit der Christen undialektisch von dorther bestimmt werden. Vielmehr bleibt die kirchliche Existem im unauflösbaren Mysterium des ,Zwischen den Zeiten'. Ja tiefer: Ihr Verständnis des Verhältnisses zwischen Kreuz und Freude steht im Raum des Kreuzesmysteriums Jesu selber, der nur kraft seiner sohnlichen Unmittelbarkeit rum göttlichen Vater die volle Verlassenheit vom Vater bis zum Grund ausleiden kann."16 Unter Rückgriff auf die Konzeption der ,Polarität' von Erich Przywara entwickelt ftTilhelm Thißing im Kriterienband seines Werkes IU den neutestamentlichen Theologien eine Denkfonn der ,Spannungseinheit" deren Nähe zum Paradox er trotz versuchter Abgrenrung selbst nicht ganz bestreitet: "Sie ist . . . nicht IU verwechseln mit Paradoxalität, obschon der letzteren insofern eine wichtige Funktion für das Konlipieren einer wirklichen Spannungseinheit zukommt, als sie auf das schärfste vor Harmonisierungen w31nt."17 \2
B. Schüller, Pluralismus in der Ethik. Zum Stil wissenschaftlicher Kontroversen (MnT 55), MÜlL"
u Ebd. 138 Anm. 92a.
Vgl. R. Marle, Bultmann und die Interpretation des Neuen Testamentes (Konfessions· kundlichc und kontroverstheologische Studien. hg. vom Johann.Adarn-Möhler·lnsti· tut), Paderbom 1959, 184. 1.5 Aspekte des christlichen Pluralismus (Kriterien 29), Einsiedeln 1972. 16 146. Vgl. auch von Ba1tha5a~ Ausführungen über nDas ,Wort vom Krem' und seine Logik" in MySal III/2, Einsicdeln/Zihich/Köln 1969, 161-164. U
"Theologicn 229 (vgl. 221-242).
Notwendigk.eit des Paradoxen
349
Auch in neueren Ansätzen systematischer Theologie wird katholischerseits das Stichwort aufgegriffen, meist im Zusammenhang mit der BehandlWlg des Kreuzes (und unter Berufimg auf Paulus). So schreibt z. B. Heinrich
Fries: Jesus ist Erfüllung der Offenbarung in besonders paradoxer Weise. In ihm ist Folgendes Ereignis geworden: Die scheinbar äußerste Feme zu Gott - das ist nicht der Mensch, der geschaffen ist, sondern der Mensch, der stirbt wird zu einer Weise, wo Gott offenbar wird, wo er anwesend ist, wo das Wort von der Macht und GUte Gottes nicht ad absurdum geführt, sondern erfüllt wird. Das Kreuz Wld der Kreuzestod, scheinbar der völlige Zusammenbruch aller ErwartWlgen, Hoffuungen lUld Zielsetzungen, das Zeichen tiefster äußerer
Schmach und Erniedrigung, werden zum Zeichen der Offenbarung Got· tes .
. . . Gott ist so groß, daß er lcJein, gering und niedrig sein kann, daß er bis an die Grenzen des Todes reicht. Gott ist mächtiger als die Macht des Todes. Deshalb kann man auch sagen: Gott ist nirgendwo größer als in seiner Erniedrigung, nirgends mächtiger als in seiner Ohnmacht. lfll Eine interessante, spezifisch katholische Konstatienmg von Paradoxalität
wird auf dem Feld der EkkleJlologie vorgenommen. So spricht z. B. Joseph Ratzinger von der Paradoxie des P,truramteJ: "Daß gerade er (sc. Petms J zum Felsen erklärt wird, das ist im voraus zu allem anderen schon das Grund-Paradox der göttlichen Kraft, die in der Schwachheit wirkt ... Und
ist es nicht die ganze Kirchengeschichte hindurch so geblieben, daß der Papst, der Nachfolger Petri, ,Petra' und ,Skandalon', Gottesfels und Strau· chelstein, in einem war? In der Tat wird es für den Gläubigen darauf an· kommen, dieses Paradox des göttlichen Handelns auszuhalten, das seinen Stolz a1.lzeit von neuem beschämt - diese SpannWlg von Fels zu Satan, in der die äußersten Gegensätze unheimlich ineinanderliegen."19 Auch paulinische Belege werden rur eine katholische Theologie des Amtes herangezogen: "Die Aussagen des Apostels über seine Existenzweise in 2 Kor 12.7b-lO, aber auch an anderen Stellen vennitteln eine Rir das Amt in der Kirche generell bedeutsame Erkenntnis: Das kirchliche Amt steht unter Ikm paradoxen Grundsatz von der ,Kraft, dU steh In Schwachheit voll,nd,t1"20 Die vorgestellten Positionen neuerer systematischer Theologie gebrauchen das Paradox als ausdrückliches Interpretament eines theolo1I 19
H. Fries, Fundamentaltheologie, Graz/Wien/Köln 1985, 268f.
J. Ratzinger. Freimut und Gehorsam, in: Das neue Volk Gottes. EntwÜlfe rur EkkIcsio-
logie, Düsseldorf 1969, 249-266. 258f. Vgl. G. Hasenhüttl, Der GJaubensvollzug. Eine Begegnung mit Rudolf Btdtmann aus katholischem Glaubensverständnis, Essen 1963, 337: "Kicrkegaard schrieb vor hundert Jahren, daß der Papst der katholischen Kirche die Sidl~rung sei, die das Eindringen der Dialektik in sie verhindere. Nun, m. E. ist allein dadurch das Paradox in seiner gam:en Schärfe durchgehalten. Ein schwacher Mensch, ein Sünder, ja bei dem es sogar die Möglichkeit gibt, daß er nkht gläubig ist, dieser ist das konstitutive Zeichen der letzten Heilswirklichkeit Gottes!" f(I J. Zmijewski, Paulus - Knecht und ApostelJesu Christi. Amt und Amtsträger in pauli· nischel' Sicht, Stuttgart 1986, 221. Vgl. auch K. Kertelge, Gemeinde und Amt im. Neuen Testament (Biblische Handbibliothek X), München 1972. 68(
350
Schluß
gischen Gesamtentwurfs oder einzelner Themenbereiche; die Anwendung des Interpretaments hängt dabei häufig mit der konfessionellen Identität oder der persönlichen Denkstruktur des Verfassers zusammen.
Wie aber sieht es bei Paulus aus? Wenn bei ihm von der Denkform der Paradoxalität gesprochen werden kann, darf darunter kein geschlossenes hermeneutisches System verstanden werden. Zu bedenken ist, daß der Apostel selbst den Terminus ,Paradox' oder ein Äquivalent als deskriptiven Begriff für seine Denkform gar nicht kennt." Auf der anderen Seite wäre es zuwenig, die zahlreichen einschlägigen Belege lediglich psychologisierend als Ausdruck einer ,dialektischen Persönlichkeit' o. ä. beurteilen 1.U wollen. Das Phänomen des Paradoxen ist bei Paulus weder schon Prinzip eines geschlossenen Systems noch ein nur kontingentes Produkt seiner individuellen Neigung. Die Summe der paulinischen Aussagen, die unter der Kategorie ,paradox' legitim als ,Denkform' zusammengefaßt werden dürfen, ist kerygmatischer Herkunft und Natur, d. h. eine bestimmte Form der Entfaltlmg göttlicher Offenbarung. Der Apostel verkandet den Einbruch des eschatologisch Neuen in diese Welt, ohne daß deren äußere Bedingungen aufgehoben wären; das eschatologisch New! kann sich deshalb nur im Widerspruch zu den Bedingungen dieser Welt aussprechen. Es muß para-dox sein, um seine Inkommensurabilität mit dem ,alten Äon' klar herauszustellen . . Kulmination dieses Widerspruchs ist das Kreuz, in dem die an sich schon paradoxe Christologie der Entäußerung zusätzlich mit soteriologischem Anspruch auftritt: Der Sohn Gottes stirbt, um die Welt zu retten. Oder, mit Paulus selbst ausgedrückt: Gott ,hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gerechtigkeit Gottes in ihm würden' (2 Kor 5,21). Es ist das Geheimnis der ,Kenosis', wie Phi! 2,6-8 sie beschreibt. Gott erweist darin seine Gottheit, daß er für die Menschen auf einem Wege das Heil wirkt, den sie so nicht erwarten konnten. Dies weiter zu hinterfragen hieße, den Abstand zwischen Gott und Mensch überspringen 1.U wollen; hier setzt die Paradoxie einen Grempflock. Die theologische Grundfunktion der Paradoxien ist aber keineswegs nur negativer Art. Die Intention des Paradoxen ist nicht die Einschränkung der menschlichen Rationalität im Sinne eines sacrificium intellectus. Im Gegenteil: Die Paradoxien sind reflexive Prägungen, mit deren Hilfe Paulus soweit wie möglich zu ,begreifen' sucbt, was ihm vom Kerygma vorgegeben ist.
%1
Vgl. allerdings die Ausdrücke OIcavSaAov
(I KOT (l Kor 1-4) und ä
1,23; Gal 5.11 u. a.), J.1wplu:;/J!(l)p{a
Funk.tionen des Paradoxen
351
Vor diesem Hintergrund dient die Denkform der Paradoxalität dem Apostel zu einer konsequenten Umsetzung der einmaligen, geschichtlichen Offenbarung Gottes im Kreuz in eine strukturelle Größe, die als die ,Kreuzesgestalt' der paulinischen Verkündigung zu bezeichnen ist. Das Kreuz des Herrn prägt nicht nur existentiell den Apostel und alle, die an Christus glauben; es bestimmt auch die Form der Theologie: Paradoxien sind gleichsam ,gekreuzigtes Denken'. Dies bedeutet keine Irrationalität, sondern den annähernden, natürlicherweise begrenzten Versuch einer Vermittlung des Eschaton sub conditione mundi. Wenn das Denken des Paulus als ein Prototyp christlicher Theologie gelten darf, hat nach ihm kein theologischer Ansatz mehr das Recht, den Stachel des Kreuzes einfach zu entfernen und das Evangelium mit der Welt zu ,hannonisieren'. Die Christen wandeln zwar ,im Fleische', aber nicht ,nach dem Fleische' (vgl. 2 Kor 1O,3)' Das schließt eine aktive Lebensgestaltung in der welt nicht aus. Gerade deshalb aber sind Paradoxien unvermeidlich, solange die gegenwärtige Welt besteht. Dies ist mit Paulus und Luther einer jeden undialektischen theologia gloriae kritisch entgegenzuhalten."
D. Funktionen des Paradoxen Die Paradoxalität ist bei Paulus eine Denkform, die er mit theologischer Notwendigkeit entwickelt, ja die sich ihm als unvermeidlich geradezu aufdrängt. Paulus findet die Paradoxien aber nicht einfach nur vor; er sucht sie selber, gestaltet sie und nimmt sie zu seinem Nutzen in Dienst. Es kann gleichsam als ein rhetorisches Markenzeichen des Apostels angesehen werden, daß er immer wieder aus der vermeintlichen Not eine Tugend macht und eine scheinbar ungünstige Argumentationssituation elegant in seinen Vorteil umzumünzen weiß. Die Dmkform des Paradoxen ist daher nicht nur eine Dmk-, sondern immer auch eine Awdru.cksform. Im folgenden Abschnitt soll hauptsächlich diese rhetorische Funktioualität der Paradoxien in den Blick genommen werden. Unter textpragmatischem Aspekt handelt es sich bei Paradoxien um einen Kommullikationroorgang zwischen Absender und Adressaten. Es gibt niemals textimmanente Paradoxien ,an sich'; das Paradoxe implitiert per difillitionem eine bestimmte Wirkung auf seine Rezipienten, eine Reaktion der Leser/Hörer auf die entsprechende Aussage (bzw. auf deren Absender),
22
So gCliehen mag die vorliegende Arbeit auch als eine gewisse katholischc 'Viedergut. macbung an Paulus und als ein Dr-itrag zur ökumenischen Annäherung vecscanden werden.
352
Schluß
Die vorrangige Wirkung von Paradoxien kann per defmitionem mit dem Stichwort Überraschung angegeben werden. Das Paradox ist eine Äußenmg, die das Normale, Gewöhnliche verfremdet und dadurch befremdlich wirkt. Der Überraschungseffekt kann entweder harmloser Natur sein; dann besteht sein Ziel in der Erhöhung des Interessantheitsgrades der Aussage, um die Aufmerksamkeit des Lesers/Hörers zu steigern (vgl. z. B. 2 Kor 3,2 ,Ihr seid unser Brier): Paradoxien sind attraktiver Sprachstil. Die Verfremdung kann aber auch ernsthaftere Absichten verfolgen; das Überraschungsmoment dient daIUl einer bewußten Provokation, Verunsicherung oder Schockierung der Adressaten, um deren Vorverständnis in Frage zu stellen (vgl. z. B. 1 Kor 4,8 ,Ihr seid schon satt, ihr seid schon reich'). Nicht weniger wichtig für Paulus ist jedoch der von Paradoxien erzeugte ErheliungseJftkt. Zumal die theologisch einschlägigen Aussagen des Apostels wollen nicht bloß provozieren, sondern Sachverhalte deutlicher, verständlicher machen. Die den Paradoxa eigenen kühnen Kontrastienmgen und ZuspitllUlgen sind oft dazu geeignet, schlagartig Licht auf komplizierte Zusammenhänge zu werfen. Man könnte von einem Signa./wert des Paradoxen sprechen: Es steht stellvertretend und zeichenhaft für eine komplexe Wahrheit, deren Erschließung Paulus den Adressaten zutraut. Die dazu nötige Anstrengung vertieft bei den Lesern/Hörern die Erkenntnis und fördert deren Verwurzelung im Bewußtsein." Als Beispiel seien nur die beiden Verse 2 Kor 4,IOf. genannt, in denen das ganze Apostolatsverständnis des Paulus mitsamt seinen christologischen, anthropologischen und eschatologischen Bezügen verdichtet ist. Neben der Wirkung auf die Adressaten - Verfremdung ebenso wie Erhellung - erfüllt das Paradox aber auch eine Hilfifunktion für den Autor. Die wichtigste wurde eingangs schon genannt: Paulus läßt sich durch scheinbare Aporien seiner Argumentation nicht in die Enge trei· ben, sondern er verwandelt sie souverän in sinnträchtige, anspruchsvolle Lösungsmodelle; er ,substantialisiert' die Paradoxien gewissermaßen zu bleibender Gültigkeit. Das wie ein rhetorischer Befreiungsschlag aussehende Vorgehen besitzt in Wahrheit ein theologisches Fundament. Das beste Beispiel hierfür ist die ,Narrenrede' in 2 Kor I1 f.: Aus der apologetischen Notlage macht der Apostel auf geniale Weise ein selbstbewußtes Rühmen seiner Schwachheit, das auf die Kreuzestheologie rekurrieren kann. Schließlich hat das Paradox, rein praktisch gesehen, für Paulus auch eine Entlastungifunktion. Er benutzt seine abkürzende, oft stark vereint,
"gi. Lausbergs Bemerkung 1.um ,Erfolgscrlchni~' der Auflösung eines Paradox: Ocr Adressat ,,soll die Brücke l",ischen dem Paradox und der gemeinten Bedeutung schlagen. Leistet der Hörer diese Arbeit. so freut er sich über seine eigene Intelligenz und ist so ein ,Gedanken-Komplize' des Autors" (Elemente 61).
Funktionen des Paradoxen
353
fachende Form, um auf komplexe Thematiken anzuspielen, die er an anderer Stelle ausführlicher erörtert und nicht überall in ganzer Breite entfalten kann. Die Paradoxien haben hier gleichsam den Charakter einer Schlagzeile, die prägnant bestimmte Sachverhalte auf den Punkt bringt. So verweisen Spitzenaussagen wie 2 Kor 5,21; 8,9 oder Ga1S,13 auf den christologischen Kern des Heilsgeschehens, das stellvertretende Leiden Christi; Phi! 3, I Of. faßt pointiert die enge Beziehung zwischen dem Heilsgeschehen und der glaubenden Existenz zusammen; Gal 6,14 erinnert in einem Satz an die Kreuzestheologie des Apostels; Gal2,19 bündelt in kühner Zuspitzung die paulinische Gesetlestheologie. Wegen der Knappheit der Formulierungen kann es dabei - etwa beim letzten Beispiel Gal 2,19 lila. VO).lOU VO).lCjl um!9avov - auch zu Verständnisschwierigkeiten kommen: Was den Autor entlastet, ist des Lesers Mühe. Die Paradoxien gehören naturgemäß zum erklärungsbedürftigsten Material der Paulusbriefe." Die Funktionalität der paulinischen Paradoxien darf nicht übersehen lassen, daß ihre rhetorische Verwendung immer im Dienste tkr Theologie steht. Der von paradoxen Formulierungen erzeugte Eindruck bei den Adressaten wird nicht um seiner selbst willen, quasi als Unterhaltungswert, angestrebt. Noch weniger geht es Paulus um sein eigenes Prestige, etwa als brillanter Rhetoriker zu gelten. Auch die rhetorische Funktion der Paradoxien dient stets dem besseren, tieferen Verstehen der apostolischen Botschaft, d. h. letztlich dem übergeordneten Ziel der paulinisehen Verkündigung, der Einwurzelung des Evangeliums in den Herzen der Menschen. Welche bisweilen unbewußte Hilfsfunktion das Paradoxe dem Paulu. bie· tet, zeigt das Beispiel der TheodizeeJrage, die in der Neuzeit als theologisches Kemproblem thematisien wurde. "So wenig wie das übrige NT kennt Panlus die Frage der Theodizee."ZS Dies ist sicher richtig; das dahinterliegende Problem des Leidens jedoch stellte sich den Menschen aller Zeiten mit aporetischer Bedrängnis. Das Paradox ,löst' diese Aporie auf eine ebenso geniale wie behelfsmäßige Weise, die sich mit folgendem \Vortspiel be~chrei
ben läßt: Paulus geht mit dem Theodizeeproblem um, indem er es umgeht. Der Apostel verdrängt das Leiden nicht - so oft, wie er davon spricht; erst
recht verfallt er darüber nicht in Holfuungslosigkeit und Venweillung. Aber andererseits präsentiert er auch nicht wie Leibniz angesichts des Leidens eine Rechtfertigung Gottes. Die Denkform der Paradoxalität bietet
ihm die Möglichkeit, beide Extreme, Herrschaft des Bösen oder Erklärung U
Die Paradoxalität könnte daher mit ein Grund gewesen sein, warum spätere Generationen die paulinisehe Theologie teilweise schwer verständlich hielten und vor
rur
mißbräuchlicher Auslegung durch Irrlehrer warnten (vgl. 2 Petr 8,16). Bezeichnenderweise tritt zu dieser Zeit der Gebrauch von Paradoxien auch sehr ruriick; die Tiefe des
:15
Paulus wird in seiner neutestamentlichen Wirkungsgcscbichte nie mehr erreicht ("g). Bultrnann. Theologie 552-558 u. ö.). Buhmann, Theologie 350.
354
Sdduß
seines Sinns, gerade dadurch in ihrer Einseitigkeit zu vtrmeiden~ daß er sie heide gleichzeitig aufrechterhält (vgl. z. B. 2 Kor 4,8 dltopml1'6VOI dU' OOK t~a1t0POUflEVo\). Konkret ist es das Kreuz Christi, in dem Sünde, Leid und Tod aufs engste mit Gerechtigkeit, Leben und Heil zusammentreffen. Natürlich bedeutet das keine 7.ufriedenstellende LösWlg der Theodizeefrage - das ,unde malum( wird nicht erklärt.; aber immerhin ist es eine bemerkenswerte
und redliche Weise. dieser Herausfordenmg zu begegnen.
E. Die Grenze der Paradoxien Zur Bestimmung des theologischen Ortes der Paradoxien bei Paulus gehört es auch, auf ihren letztlich begrenzten Stellenwert aufmerksam zu machen. Trotl alles vorher Gesagten wäre der Apostel gründlich mißvers tanden, wenn das Denken in Paradoxien als die Quintessenz seiner Theologie angesehen würde. Paulus ist von seinem Grundanliegen her kein Dialektiker. Er betreibt keine negative Theologie wie die spätere Mystik (Ps.-Dionysios Areopagita, Nikolaus von Kues, Johannes vom Kreuz). Sosehr Paulus sich die Denkform der Paradoxalität zu eigen macht und sie pflegt, so klar muß doch sein, daß er ihr keinesfalls einen Ewigkeitswert beimißt, sie nicht metaphysisch ,in Gott hinein verlängert'. Der Apostel sieht sich Paradoxien ausgesetzt und stellt sich ihnen mit notwendiger Konsequenz, aber sein Ziel ist es nicht, gleichsam in ihnen zu ,schwelgen', sondern sie zu übenvinden. Paulus verkündigt keine Paradoxien, sondern das Evangelium, dessen ,Licht' und ,Herrlichkeit' er ,mit aufgedecktem Angesicht' und ,in der Offenheit der Wahrheit' unverhüllt, d. h. klar und eindeutig den Menschen empfiehlt (vgL 2 Kor 3,18-4,6). Der begrenzte Rang der Paradoxalität hängt eng mit den zeitlichen Dimensionen des paulinischen Evangeliums, cl. h. genauer mit seinem eschatologischen Charakter zusammen. Wie bei den meisten neutestamentlichen Autoren (in je verschiedener Gewichtung), so ist auch die Eschatologie bei Paulus von einer merkwürdigen Dualität gekennzeichnet, die zwischen Gegenwart und Zukunft, zwischen einem ,Schon jetzt' und ,Noch nicht' des Heils hin und her pendelt. Weil die Simultaneität des Gegensatzverhältnisses von Vonoerständnis und Widerspruch ein Konstitutivum der Paradoxien ist, sind diese in der priiJenlischen Eschatologie beheimatet Paradoxien sind für Paulus Phänomene der gegenwärtigen Wirklichkeit, in der das bereits angebrochene Heil gleichzeitig mit den ,Leiden dieser Zeit' (Röm 8,18) Geltung beansprucht. Da jedoch ,die Gestalt dieser Welt vergeht' (1 Kor 7,31), der ,gegenwärtige böse Äon' (Gal 1,4) ein ,7.U seinem Ende eilender'" ist, 26
vgL Bultmann. Theologie 350,
Grenze der Paradoxien
355
sind mithin auch die Paradoxien vorld'!fige, vorübergehende Erscheinungen. Die Creme des Paradoxen liegt bei der streng futurischen Ausrichtung des pauli.nischen Evangeliums, das die endgültige Übenvindung aller Widerspruche verheißt (vgl. 1 Kor 15,28 6 aEO~ 1II1V'11 ev Itdcrw). Dementsprechend darf der Stellenwert der paulinischen Paradoxien auch im Hinblick auf den aktuellen Dienst des Apostels nicht überschätzt werden. Für die Verkündigung des Evangeliums in dieser Welt spielen sie eine wichtige, aber angesichts des bevorstehenden Endes eben keine uneingeschränkte Rolle. Die Zukunft bürgt dafür, daß Paulus jenseits aller Paradoxien mit seiner Botschaft auf Plausibilität und Einsicht bei den Adressaten setzen kann. Vor diesem Hintergrund sind auch die häufigen Beteuerungen der 1iAt\8EUI, e!A1Kp{vEta,
Ergebnisse In Fonn von zehn kurzen Thesen sollen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zusammengefaßt und vorgestellt werden.
I. Paradoxien können ihrer Funktion nach unterschieden werden in Paradoxien der inventlo und der elocutio.
. Paradoxien lassen sich generell defInieren als Phänomene, die einem landläufigen Vorverständnis widersprechen. Dies gilt schon für vorsprachliche Paradoxien. Die Unterscheidung von Paradoxien der inventio und der elocutio bezieht sich auf den Bereich der Sprache, um den es beim Gebrauch des Wortes ,paradox' in der Regel geht. Die Unterscheidung ninunt dabei nicht die logische Struktur, sondern die rhetorische Funktion der Paradoxien in den Blick. Paradoxien aus der Verarbeitungsphase der inventio kollidieren der Sache nach mit einem herkömmlichen Vorverständnis, d. h. sie beanspruchen für sich einen gültigen Wahrheitswert. Paradoxien aus der Phase der eloeutio (oder rhetorische Paradoxien im engeren Sinne) dienen dazu, in Gestalt verschiedener Figuren oder Stihnittel einen provokativen Effekt zu erzielen und einer Aussage sprachliche Würze zu verleihen.
2. Am weitesten verbreitet vor, neben und bei PaulUJ sind die rhetorischen Paradoxien im engeren Sinne. Am häufigsten Verwendung fmdet das Paradox in der griechischen ,,~e
jüdisch-christlichen Tradition als rhetorisches Mittel zur Erzielung eines provokativen Effekts. Nicht nur die Sophisten oder Sokrates, auch das Alte Testament, Philo, Jesus und Paulus gebrauchen es in dieser Funktion. Es begegnet in vielfaltigen Varianten von der Ironie bis zur Paronomasie. Hier darf am ehesten Init einer Prägung des Paulus durch seine hellenistische Bildung gerechnet werden. Auch da, wo seine rhetorischen Paradoxien keinen eigenen Aussagewert haben, tra-
gen ihre bewußten Zuspitzungen oft dazu bei, bestimmte Sachverhalte deutlicher werden zU lassen.
El"gebnisse
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3. Das paradoxe Denken in der heidniJchen und judiJch-chriJtlichen A nuh. iJt ohne nenn","werlen Eirifl'!ß auf Paulw. Die griechische Philosophie und - in geringerem Maße - die alttestamentlich-jüdische Tradition kennen das Phänomen des Paradoxen, wenn auch mit sehr unterschiedlichen Inhalten. Sachliche Analogien zu Paulus sind aber kaum festzustellen. Ein Vergleich z. B. mit der kynisch-stoischen Diatribe oder der fiiihjüdischen Leidenstheologie zeigt die charakteristisch anderen Ahente des Apostels. Seine Paradoxien erwachsen ebenso wie die des übrigen Neuen Testaments in je eigener Gestalt - originär aus dem Evangelium von Jesus Christus,
4. Paradoxien der invenlio im theologUchen Sinn finden sich bei Paulw auf allen Gebieten seiner Theologie. Die Denkform des Paradoxen ist bei Paulus nicht auf einen bestimmten Bereich beschränkt; er hat gerade7.U eine Neigung zu Paradoxien. Diese sind aber keine zufällige Ausdrucksform, sondern systematische Reflexion des Christuskerygmas, wie es ihm etwa in Phil 2,6-11 überliefert war. Hervorgehend aus den Grunddaten Tod und Auferstehung Jesu erscheinen Paradoxien in der paulinischen Gesetzestheologie, Rechtfertigungslehre, Anthropologie und Eschatologie. Der Gipfel wie die letzte Begründung aller Paradoxien bei Paulus ist das Kreuz. Daran anschließend sind zwei Grundtypen erkennbar. Die Kreuze.theologie selbst führt zu einer paradoxen Infragestellung der gängigen Maßstäbe, einer paulinischen ,Umwertung aller Werte' (Typ 1). Die Osterbotschaft als die positive Seite des Christuskerygmas offenbart inmitten des von Sünde und Leid geprägten alten Äons den Anbruch der ,neuen Schöpfung' (Typ II).
5. Dk eindrucklvoll.
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Ergebnisse
Ebenso ist es kein Zufall, daß die meisten Paradoxien in solchen Bliefen zu fmden sind, in denen Paulus sich mit Gegnern oder mit Problemen der Gemeinde auseinandersetzen muß (Kolinth, Philippil. Die paradoxen Aussagen bei Paulus sind zu einem Großteil durch die konkrete Situation veranlaßt; gerade hier btingt er sie auch gezielt ein.
6. Die apostolischen Paradoxien lassen sich ihrer Struktur nach in einen, negativen' und einen ,dialektischen' Typ unterscheiden. Wie auf den anderen Gebieten, so gibt es bei Paulus auch im apostolischen Bereich zwei Grundformen von Paradoxien, die miteinander verwandt, aber doch unterscheidbar sind. Paulus selbst stellt sie in zwei exemplatischen Aussagen vor: ,Die Kraft vollendet sich in Schwachheit' (2 Kor 12,9); ,... als Sterbende, doch - siehe - wir leben' (2 Kor 6,9). Wenn man den Schwerpunkt jeweils auf der zweiten Hälfte der Antithese liegen sieht, betont Typ I - scheinbar negativ die Torheit, Narrheit und Schwachheit des Apostels, der um Christi willen alles verloren hat und sich dessen auch noch rühmt; Typ II dagegen zeigt eine Transparenz von Trost und Leben durch alle gleichzeitige Dialektik von Bedrängnis und Tod hindurch. Typ I steht meist in polemischen Kontexten und zielt auf die provokative Destruktion des ,sarkischen' Vorverständnisses der Adressaten. Typ II ist eher etwas verhalten; er entsplicht dem eschatologischen Hoffnungsbekenntnis des leidenden Apostels.
7. Paulus versteht die Paradoxie und Dialektik seiner apostolischen Exis/enz als analoge Teilhabe am Geschick Jesu christi. Kern des paulinischen Evangeliums ist das Kerygma von Tod und Aufenveckung Jesu. Seine Grundstruktur prägt alle Bereiche der paulinischen Theologie. Auch und gerade die paradoxe bzw. dialektische Selbstvorstellung des Apostels in seinen Briefen ist von diesem Kerygma getragen. In verschieden ausgefUhrten kühnen Zuspitzungen versteht Paulus seine persönliche Situation als eine Analogie zum Christusereignis: Seine Leiden und Schwachheiten bedeuten eine Gleichförmigkeit mit dem Gekreuzigten, deren er sich rühmen karm; das ,Mehr' des Lebens über den Tod ist die Wirkung von Christi Auferstehungsmacht. Paulus verankert seine konkrete Existenz unmittelbar im Glauben an das Evangelium. Die Analogie der Geschicke von Jesus und Paulus läßt sich am
Ergebnisse
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besten mit den Kategorien ,Gemeinschaft' oder ,Teilhabe' beschreiben.
8. Die apo,tolischen Paradoxien d" PaulUJ ,Ieh.,. grund5iilzlich paradigmati"h Jür jede christliche ExWenz.
Als Verkündiger des Evangeliums kommt dem Apostel einerseits eine herausragende Stellung zu. Nicht nur die faktischen Umstände seines apostolischen Dienstes lassen ihn in besonderer Weise zum ,Ort' des dialektischen Geschehens werden; dieses hat als Konformität mit Christi Tod und Auferstehung geradezu eine existentielle Verkündigungsfunktion: Am Leib des Apostels ist das Paradox des Kreuzes ablesbar. Gleichwohl sind die apostolischen Paradoxien nicht exklusiver Natur, sondern stehen exemplarisch für alle Christen. Gerade weil der Dienst des Apostels Anteil gibt am Evangelium Christi, schafft er eine - durchaus ekklesial zu verstehende - Gemeinschaft zwischen Verkündiger und Adressaten auch hinsichtlich der Paradoxien. Dies gilt allerdings nicht automatisch; es setzt je die glaubende Aneignung der Botschaft seitens des einzelnen Christen voraus.
9. Die im ChristUJereignis wurzelnden Paradoxien bei Paulus beruhen auJ einem im Glauben erkannten Gegenmtz von vorfil!dlicher Welt und un,ichtbarer Wirklichkeit Gotte5.
Paradoxien entstehen aus der inhaltlichen oder formalen Vereinigung von Gegensätzen. Das Paradox des Kreuzes (Typ I) beruht auf dem logischen Kontrast zwischen seinem Gegenstand und dem allgemeinen Vorverständnis; die Dialektik von Tod und Leben (Typ 1I) resultiert aus der sachlichen wie formalen Gegenüberstellung ihrer beiden Pole. Hinter dem' dialektischen, aber letztlich auch hinter dem kreuzestheologischen Paradox steht der Kontrast zweier Ebenen. Der empirisch vorfmdlichen, ,sarkischen', vom Tod geprägten welt und ihrem benken begegnet die eschatologische Lebenswirklichkeit Gottes. Die Paradoxalität dieses Kontrastes erwächst in besonderem Maße aus der Andersartig - bzw. Unsichtbarkeit der jeweils zweiten Ebene. Das Kreuz stellt alle vorgegebenen, ,normalen' Maßstäbe auf den Kopf; die Auferstehungswirklichkeit ist gegenüber dem irdischen Tod eine verborgene, unanschauliche Größe. Der ,Sprung' auf die transzendente Ebene karm daher allein im Modus des Glaubens unternommen werden; der Glauhe ist Medium und Schlüssel der paulinischen Paradoxien.
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Ergebnisse
70. Die im Evangelium Jich ereignende KolliJion von Gott und Welt aLJ theoIOgUcher Ort der pauliniJchen Paradoxien !Jt ,in dieJem Äon' ebenJo unvermeidlich, wie sie zeitlich bifriJtet iJI. Die Paradoxien bei Paulus sind eine elementare Denkform seiner Theologie. Dies führt zur Frage nach ihrem Stellenwert: Ist etwa das paulinische Evangelium aLJ solches paradox zu nennen? Die Antwort muß ihrerseits dialektisch ausfallen. Das Evangelium ist nicht paradox, sofern es das Ja' Gottes, die transzendente Frohbotschaft ist, die alle irdischen Brüche überwindet und auf das umfassende Heil der Menschen abzielt. Eine ,metaphysische Verlängerung' der Paradoxien in Gott hinein kommt bei Paulus nicht in den Blick. Insbesondere die Paradoxien stehen unter dem eschatologischen Vorbehalt. Das Evangelium ist aber zugleich immer auch paradox, sofern es als Evangelium das in die Welt gesagte ,Wort vom Kreuz', die ,Torheit der Verkündigung' (l Kor 1,18.21) darstellt, welche Jesus Christus seihst und die törichte Existenz seines Verkündigers umfaßt. Die unvermeidliche Paradoxalität des Evangeliums entsteht aus der im Gekreuzigten aufgipfelnden Konfrontation Gottes mit den Maßstäben dieser Welt und aus dem dazu analogen Geschick des Apostels. Dies ist ihr theologischer Ort, aber auch ihre geschichtliche Begrenzung: In der Ewigkeit gibt es keine Paradoxien mehr (vgL 1 Kor 13,12; 15,28; 2 Kor 4,17f.J.
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Litcraturverzeichnis
375
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Autorenregister Alonso-Schökel. L. 38~ 60
Bachmann, M. 121: 125 Baltha.,ar, H. U. v. 3; 348 Barrelt, C. K. 190; 331 Barth, G. 83: 228: 239f.: 244: 246f.: 347 Barth, K. I; 3; 16; 347 Bauer, K.·A. 271-278: 275f.; 278 Baumann, R. 83; 108 ßaumert. N. 213; 215; 28S Baur, F. ehr. 10f.; 189
Becker, J 65: 83: 100: 168: 167: 191: 280f.: 330; Mlf. Beker, J. Chr. 20f. Belleville, L. L. 168: 261: 326 Berger, K. 9: 81: 83: 108f.; 145; 175: 180: 195: 231: 236: 260; 263; 268; 305f. Bel1., H. D. 162; 171: 175-177; 179f.; 185(: 195-197: 199: 206f.: 214: 231; 236; 261 Bieringer, R. 162: 164: 188 Biser, E. J1 Bomkamm, G. 102: 129: 131: 163-167: 228: 231: 301 Bone, U. 327f. Basenius, B. 162; 252; 302 Braun, H. 14f.
Brendle, A. 163: 30 I Buber, M. 19; 343 Bultmann, R. 7(: 12-16: 21; 26: 58f.: 67(: 87; 91; 102; 131: 145f.; 163; 178; 181f.; 187: 189f.: 194: 197f.; 203; 208: 211-213: 215: 217(; 223f.: 241; 254: 261f.; 2H; 283f.; 289: 295-299: 312: 314(: 318f.: 322-332; 335-337: 347(; 353f.
calvin, J. 3; 5 Carrez, M.. 16 Cla55
(in Au,wahl)
Dautzenberg, G. 162-165j 258: 257; 262;
301; 303: 305f. De1ling, G. 83f. DibeilUS, M. 82j 109; 341
Dob,chüt" E. v. 11f.; 45; 67 Döme, H. 47(: 54f.: 58 Ebner, M. 22; 144-146; 157: 168; 175; 177-180; 195-197; 218-223; 257-259; 262; 268f.; 277f.; 281; 284; 287-298 Eckert, J 83 Ernst, J. 228; 238f. Fascher, E. 144 I5S; 159 Fische!, H. A. 64; 292 Fitzgerald, J. T. 22; 140-147:
149f.; 195-197; 261-264; 267; 275; 288; 290f.; 294(; 298; 303; 306; 317
Flusser, D. 125 Franck, S. 2 Fridrichsen, A. 145; 119: 197
Friedrieh, G. 189f.; 237; 240; 242-244; 287f. Fries, H. 349 Fuchs, E. 14; 211
Fumi,h, V. P. 90; 164f.: 180: 191f.: 199-201; 203; 205f.: 223: 264: 266; 283; 294f.; 303; 307: 311: 314; 317; 822; 327-329: 884f.; 388 Georgi, D. 107; 190f.: 196f.: 204f.: 255: 276 Gigan. O. 54-56
Gnilka, J. 21: 98; 180; 228-232; 238-247; 249; 277 Güttgemanns, E. 15f.; 2h 180: 206; 216; 218-221; 225; 264; 215-280; 315; 323 Hai",,]. 247; 814; 321-323; 826 Hanson. A. T. 18f.; 157; 264 Hecke!, U. 22f.; 172: 225 Hodgson, R. 14M.: 261; 290 Hofi"" O. 93-96: 112; 118(;302: 306-308; 815: 818; 323
Autorenregister
Hob, T. 120 Hübner, H. 91: 96f.: 118: 263
NietlSche, F. 19 Norden, E. 7
Iser, W. 14-8; 158
Oliveira, A. de 255: 281: 295 Onkernper, F.:J. 83f.
]enell, J. 23: 208: 225 Kamlah, E. 21: 145: 191: 215: 271 Käsernann, E. 93f.: 182: 189: 201f. Keller, E. 11f.: 59f. Kenelge, K. 21: 83: 86: 88-93: 91f.; 113-116: 119; 121: 133: 2H: 342; 349 Kierkegaard, S. 1; 3; 16: 215; 341: 349 Klauck, H:J. 63f.; 140; 143; 157; 163f.; 191: 201: 258: 256: 283: 293: 806: 814: 319; 326: 329; 332: 335f. Klein, G. 91; 120-122; 231; 2g3; 247 Kieinlcnecht, K. Th. 21; 62: 114; 150; 118: 202; 219; 224: 254; 258: 268; 211; 295: 304: 314: 311f.: 327; 332f. Kraft, H. 4: 44; 46f.; 53: 59; 61 Kulm, H.-W. 83-85 Kümmel, W. G. 92; 135; 162; 164; 189; 199f.: 262: 295: 298 Kuss, o. 85; 114 umbrecht,]. 94: 91: 119; 124: 132: 164; 232; 254: 258f.; 265: 211; 218f. Ung, F. 143; 163f.: 191; 321: 329; 332: 334f. Lausberg, H. 9; 31-44; 7S-77; 88; 106; 125; 135: 146f.; 261; 352 Lietzmann, H. 135; ]62; 189; 199f.; 262; 295; 298 Lohmeyer, E. 124; 228; 230; 237-248: 246f: 249 Lüdemann, G. 109; ]88; 190 Lütgert, W. 190 Luther, M. 2; 10: 15: 28: 122: 125: 3H: 351 Marshali, P. 20: 15,1: 191 f. Mell, U. 108 Merklein, H. 83; 98: 141; 144: 151: 153: 156f. Michel, 0.1.9; 88: 92: 95: [[4: 118-120 Müller, K. 63; 84 Munck,]. 188 Mundle, W. 11 Mußner, F. 97[; 125 Nielsen, K. H. 23; 132: 208; 225
377
Plank, K. A. 19; 140-143: 141-149; 153f.: 343 Popkes, W. 271f.; 275 PnY'",ara, E. 3<18 Rahner, K. 128: 341f. Räisänen. H. 94 Ratlinger, J. 349 Rebell, W. 19f. Reitzel1S[cin. R. 190
Rissi, M, 261;211f.; 314; 321; 323; 321-329: 333-335 Schade, H-H. 65; 101 Schenk, W, 228-230; 235-240; 242-244; 246; 249 Schiefer Ferrari, M. 22; 118f.; 151; 168; 196; 199; 204; 211; 223f.; 255; 258; 262; 295 Schilder, K. 2f.; 30; 41f. Schlier, H. 92; 91f.; 121; 124f.; 212f. Schmaus, M. 347 Schmithals, W. 130; 140; 188; 190; 228: 216 Schneider, N. 8f.; 18; 31; 40i 106: 128: 218; 268; 550 Schrage, W. 22: 145: 153; 156-159; 191f.; 216; 218; 319 Schroer, H. 3; 12; 16f.; 25f.; 28-30; 34; 45; 65-68; 84 Schröter,]. 162; 252 Schüller, B. 341 f. Schwcitzer, A. 88; 123 Siegen, F. 6; 9; 12; 116; 120; 183 Söding, Tb. 14; 84; 88; 90; 98; 100; 121; 129f.; 138: 163; 319 Stählin, G. 124; 151; 165 Strack, H. I Billerbeck, P. 95; 112f.; 118; 131; 314 Strecker, G. 83; 163; 230
Tannehill, R. C. 21; 242: 245f.; 266; 215: 314f.; 318f.; 330f. Theißen, G. 92f.; 108: 154; 191 Theobald, M. 23; 115; 263: 265-269; 211; 215f.; 282-285 Thusing, W. 341 f.
378
Autorenregister
Tonn, F. S
Wcngst, K. 86f.: 110-112
254; 257; 262; 264; 268f.; 273; 281; 288; 298-295; 298; 807f.; 311; 314; 817-322; 325-885; 857f. WolfT, Chr. 162; 165; 179; 188; 190; 194; 199-201; 208; 205-208; 211; 214-217; 221-223; 225; 253[; 257; 260; 264; 275; 278; 281; 311-813; 815; 318f.; 821; 325-880; 835 Wolter, M. 100; 247; 282; 314f.; 319; 323r.
Wilckens, U. 21; 84; IOD: 116; 118; 124Wilke, Chr. G. 6 Windi,ch, H. 168[; 182; 187-189; 199-204; 206; 208; 211; 217; 219-225;
Zmijewski.]. 10; 169; 171; 175; 178; 198; 199-207; 210; 212-215; 222; 224; 289f.; 349
Vorgrim1cr, H. 8; 80; 847 Watson. N. M. 350-332
Weder, H. 83 Weiß,]. 6f.; 84; 145; 149-152; 154; 156f.; 168; 165 Wend1and, H. D. 89; 162
Sachregister
(nach den wichtigsten Vorkommen)
Absurdität 1; 10; 16; 29; 34; 47: 50f.; 78;
105; 101; 114; l52; 218; 225; 269f.; 295; 343 Adynaton 31; 13 Ambiguität 152; 159 Analogie 106; 136: 158: 219: 277-281; 286: 515; 525; 345; 358f.
Anthropologie 18: 94: 99[: 128: 128; 250; 262; 214-278; 330-332 Antinomie 27; 29f.; 50-52; 62 Antithese 6-10; 21; 40[; 80; 85; 106; 128: 136: 155: 199: 203; 209[; 223f.; 248; 258f.: 263; 261-210: 286; 299f.: 325: 330; 339: 358 Apologie l40-142: 164: 111: 115-178: 226; 253-255; 260-263: 288: 299: 340: 345: 352 Aporie 328; 352f. Apostolat
-I>-
Dienst, apostolischer
Äquivobtion 37; 94f.; 102f.: 105: 113 Ärgernis
-I>-
Sk.andaJon
Bedrängnis 102; 126-128; 135: 146; 268-270; 214; 280: 282: 286; 291: 299; 301f.: 305: 309-313: 316-320: 321-329: 333-335; 339: 345: 358 Chia,mus 41: 16: 136: 230f.; 245-247; 259: 289f.: 308: 311 Christologie 14f.; 21: 61: 70; 79; 131: 198: 219-227; 241; 250; 210-218; 281; 286f.; 294: 313f.: 319f.: 339f.: 3H; 353 Correctio 39; 74; 106i 268f.
Denkform I; 3f.; 16f.: 35; 65: 11; 79; 262: 341-343; 346-348; 350f.; 360 Dialektik 6; 11: 16f.; 51: 80; 123: 126; I 36f.; 225: 247-2·19: 252: 259: 265-211; 214: 211-283: 286f.: 290; 292f.; 291; 300; 305: 301-313; 319f.; 334f.; 339f.; 358f. Diatribe 7: 58; 63; 70; 143; 146; 178: 195: 235; 261; 291; 299; 357
Dienst, apostolischer 96; 192-200; 219; 254f.; 263; 265; 284-287; 292-300; 315; g.}0; 3·12; 345; 355; 351 Dissimulatio 43; 77; 147f. Distinctio 9; 38[; 6Hj U[j 15Sj 136 DrangsaJ -I>- Bedrängnis
Ekklesiologie 321; 326; 338-3·10; 349; 359 Elocutio 27; 33r.: 36; 10; 12; 231; 356 Epiphanie 15; 219-221: 218-281; Z86f. Erfahrung 52f.; 194; 221; 241; 246-248; 268-211; 286f.; 291; 313; 330-333: 341f.; 345f. Erkenntni. 56f.; 101; I 29f.; 240f.; 245-250; 291f.; 332 Eschatologie 13: 66-69; 19f.; 99: 101: 108-110; 123: 131f.: 186f.: 248f.: 315: 318-320; 332; 335; 342: 345: 350: 354f.: 359 Fleisch
-I>-
Sarx
Geheimnis -+ Mysterium Geset, 90-99; I 12f.; 115; 111f.; 122; 125: 244;345 Gleichförmigkeit -+ Konformität Gleichzeitigkeit .... Simultaneität Gnome/Sentenz 41f.; 174:; 180[; 202; 217f.: 224: 228; 251: 294
Hyperbel 42; 16: 136
Indikativ lUld Imperativ 13f.; 16; 66; 75; 129; 229f. Inventio 27; 33-36; 4-8; 72; 1<1-7; 237; 356f. Ironie 43f.; 77f.: 136: 145: 141-156; 158f.: 111f.; 115-177: 182-184: 196; 199; 202-204; 214; 251 Konfonnität/Glcichfönnigkeit 219; 226: 250; 263; 318: M8f. Kreuz/Kreuzestheologic 14j 16-18; 79-81: 83-86; 88: 97-100; lOH.: 108; 126: 136f.: 152f.: 155: 158[:
223;
66f.; 106: 219;
380
Sachregister
226f.: 238: 251: 275-278: 286: 318: 325; 339f.: 344-351: 357-360 Kynikc[" 55f.j 70; 145f.; 157; 178; 195-198: 218; 26\: 292; 29~; 299: 357
Leiden 11: 21: 62(: 102: 106: 133; 136f.: IH; I 79f.: 195-198: 214-216: 222f.: 225f.: 246-250: 262: 268-270; 273-281; 297: 305: 309E.; 312-326; 331; 339-342: 315; 353f.: 358 Logik I; 4: 16: 25-29; 35f.: 45; 51-55; 66(; 69; 79; 95; 97: 102f.; 105-107; 110: 113: 115-117: 218; 224: 269f.; 284: 293-295: 340: 3012 Mysterium/Geheimnis 63; 66: 95f.; 115f.: 119f.; 123; 335: 848; 350
Narrenrede 169-178: 181-187; 194: 199: 201-209: 212-214; 217; 220-226: 251; 302; 352 Offenbarung 64; 67f.; 112; 118; 136: 198; 217: 224: 283f.; 287: 342-344; 349-351 Omatus g3-35; 41 Oxymoron 9: 40f.: 69; 74-76; 86: 94; 97; 102; 117f.: 121f.; 130: 136; 156; 218
Parndoxographie "6r. Parodie 176-180; 196f.; 206; 214 Paronomasie 87[; 73f.; 136; 145 Periphrase 36f.: 73: 136 Peristase/Peristasenkatalog 126; 145-147; 156-158: 178-180: 195-201; 222f.: 227; 261f.: 267-269: 277; 288-291: 318; 345: 357 Plausibilität 86f.; 248f.: 259: 265; 274: 317: 332: 355 Provokation 30; 35f.; 41f.: 44; 55-57; 70; 82: 108: 136: 150: 197; 250f.: 352: 356 Rätsel 42f.j 63
Rechtfertigungslehre 112-116: 120-123: 136; 243-245: 342; 345 Res und verbum sf.; gl; 34; 72 Rhetorik 6-10: 25-27: 80-45: 51-55: 58f.; 65: 69-78: 129f.: 135f.: 147-155; 159; 170f.: 175-177; I 85f.; 231: 286; 261f.; 280; 282-285: 351-353: 356 Ruhm/Rühmen 91: 102-105; I 26f.; 155: 169; 172-174; 181-188: 192-214; 218:
220-223: 226f.: 266: 303; 330-332; 344: 352: 858
Sarx/Fleisch 14: 67: 8If.: 94f.: 123: 152f.: 155; 159; 168; 187; 194f.; 203; 205-209: 226: 251; 271-273; 298; 297-300: 332f.; 342; 344; 351: 358f. Schwachheit 11; 15; 22f.; 28; 40; 102-108: 137-139: 148: 153-155; 172-174: I 94f.: 199-201: 207-211: 217-227: 263; 286; 349; 358 Sentenz ..... Gnome Simulatio 44; 77; 147 Simultaneität/Gleichzeitigkeit 28f.; 85; 50; 110; \21f.: 126; 136; 151f.; 224: 246f.: 268f.; 272; 274; 276; 278: 285; 295-300; 313; 334f.: 339f.; 354 Skandalon/Ärgernis 27; 30i 66: 80; 84f.: 99; 109: 112: 136: 849 Soteriologie 68; 82: 85-89: 108: 245; 275-277; 280f.: 287: 315: 335: 344; 350 Spannungs einheit 348 Stoa 9; 56-59: 63f.; 70; 101; 145f.; 150; 157; 178; 195-198: 218f.; 221: 223f.: 26\; 268f.; 291f.; 294; 299; 357 Synergismus 75; 128-130 Synkrisis a6f.; 149f.; 177(; 192
Theoditee 62: 325; 331; 353f. Torheit 56f.; 79f.: 102-106; 109; 153-155: 159; 169: 182-185: 193f.: 207; 347f.: 358: 360 Transzendenz 29; 218f.: 227; 239: 286: 297-300; 333; 335: 839; 344; 359f. Umwertung 99-106; 153-158: 232-234;
7f.: 55; 58; 66f.; 70; 80: 108; 126; 136: 139; 148: 198: 211: 218; 227-229;· 237-245; 248-251; ~57
VerfremdWlg 35-39; 41; 45; 70: 72-76; 352 Vorverständnis 26; 28[,; ~2: 35f.; 45; 53i 67: 70; 72: 80; 85; 91; 97; 109; 116; 136; 227; 251; 265; 273; 340; 342; 344; 346; 352; 354; 356; 358f. Wahrheit 2f.: 8: 10: 28f.: 35f.; 48f.; 47; 53; 55; 114: 147f.: 150-152: 172; 176: 183f.; 200f.; 224f.: 295f.; 352: 854-356 Wunder 2: 26f.: 46f.; 60f.: 66: 109; 221f. Zeugma 39; 75; 125; 136