OECD INSIGHTS OECD INSIGHTS
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Wie Wissen unser Leben bestimmt
Im Internet abrufbar unter : www.oecd.org/insights
ISBN 978-92-64-03175-3 01 2007 10 5 P
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HUMANKAPITAL Wie Wissen unser Leben bestimmt
HUMANKAPITAL
Welche Auswirkungen haben Bildung und Lernen auf unsere Gesellschaften und Volkswirtschaften? Wie lassen sich Ungleichheiten in der Bildung beseitigen? Und wie können wir gewährleisten, dass jeder Einzelne in allen Lebensphasen die Art von Lernmöglichkeit erhält, die ihm den größtmöglichen Nutzen bringt und durch die er sein Humankapital voll entfalten kann? Dieser Bericht nutzt die einzigartigen Ressourcen der OECD, um einige dieser grundlegenden Fragen zu beantworten. Gestützt auf Forschungs- und Analysearbeiten aus den 30 OECD-Mitgliedstaaten wird die zunehmende Bedeutung des Humankapitals für den Einzelnen und für die Gesellschaft bei der Bewältigung des sozialen und wirtschaftlichen Wandels erläutert. Ferner wird untersucht, inwiefern es den Ländern gelingt oder auch nicht gelingt, die Menschen Zeit ihres Lebens durch die Bereitstellung von Aus- und Weiterbildungsangeboten zu unterstützen.
BRIAN KEELEY
Humankapital
BRIAN KEELEY
OECD INSIGHTS
Humankapital Wie Wissen unser Leben bestimmt
ORGANISATION FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG Die OECD ist ein in seiner Art einzigartiges Forum, in dem die Regierungen von 30 demokratischen Staaten gemeinsam daran arbeiten, den globalisierungsbedingten Herausforderungen im Wirtschafts-, Sozial- und Umweltbereich zu begegnen. Die OECD steht auch in vorderster Linie bei den Bemühungen um ein besseres Verständnis der neuen Entwicklungen und der dadurch ausgelösten Befürchtungen. Sie hilft den Regierungen dabei, diesen neuen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, indem sie Untersuchungen zu Themen wie Corporate Governance, Informationswirtschaft oder Probleme der Bevölkerungsalterung durchführt. Die Organisation bietet den Regierungen einen Rahmen, der es ihnen ermöglicht, ihre Politikerfahrungen auszutauschen, nach Lösungsansätzen für gemeinsame Probleme zu suchen, empfehlenswerte Praktiken aufzuzeigen und auf eine Koordinierung nationaler und internationaler Politiken hinzuarbeiten. Die OECD-Mitgliedstaaten sind: Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Japan, Kanada, Korea, Luxemburg, Mexiko, Neuseeland, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, die Slowakische Republik, Spanien, die Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften nimmt an den Arbeiten der OECD teil. Über die OECD-Veröffentlichungen finden die Arbeiten der Organisation weite Verbreitung. Letztere erstrecken sich insbesondere auf Erstellung und Analyse statistischer Daten und Untersuchungen über wirtschaftliche, soziale und umweltpolitische Themen sowie die von den Mitgliedstaaten vereinbarten Übereinkommen, Leitlinien und Standards.
Das vorliegende Dokument wird unter der Verantwortung des Generalsekretärs der OECD veröffentlicht. Die darin zum Ausdruck gebrachten Meinungen und Argumente spiegeln nicht zwangsläufig die offizielle Einstellung der Organisation oder der Regierungen ihrer Mitgliedstaaten wider.
Originalfassungen veröffentlicht unter dem Titel:
Human Capital Le capital humain Korrigenda zu OECD-Veröffentlichungen sind verfügbar unter: www.oecd.org/editions/corrigenda. © OECD 2007 Die OECD gestattet das Kopieren, Herunterladen und Abdrucken von OECD-Inhalten für den eigenen Gebrauch sowie das Einfügen von Auszügen aus OECD-Veröffentlichungen, -Datenbanken und -Multimediaprodukten in eigene Dokumente, Präsentationen, Blogs, Websites und Lehrmaterialen, vorausgesetzt die OECD wird in geeigneter Weise als Quelle und Urheberrechtsinhaber genannt. Sämtliche Anfragen bezüglich Verwendung für öffentliche oder kommerzielle Zwecke bzw. Übersetzungsrechte sind zu richten an:
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Vorwort Wirtschaftlicher Erfolg hängt entscheidend vom Humankapital ab – den Kenntnissen, Qualifikationen, Kompetenzen und Merkmalen, die es Menschen ermöglichen, ihr persönliches und soziales Wohlergehen wie auch das ihres Landes zu steigern. Die Bildung spielt beim Aufbau von Humankapital eine Schlüsselrolle. Personen mit höherem Bildungsniveau beziehen in der Regel höhere Einkommen – und diese Erträge schlagen sich auch in einem stärkeren Wirtschaftswachstum nieder. Die Auswirkungen des Humankapitals gehen aber über wirtschaftliche Aspekte hinaus. Mit einer Anhebung des Humankapitals gehen ein besserer Gesundheitszustand, ein stärkeres zivilgesellschaftliches Engagement und günstigere Beschäftigungsaussichten einher. Und Humankapital wird in den kommenden Jahren mit Sicherheit weiter an Bedeutung gewinnen, da die Globalisierung zunehmend technologische Kompetenzen und Anpassung verlangt. Zu vielen Menschen wird heute leider nicht die Möglichkeit geboten, ihre Fähigkeiten voll zu entwickeln. Selbst in den Industrieländern schließt ein Fünftel der Jugendlichen die Sekundarschule nicht ab, was ihre späteren Beschäftigungsaussichten erheblich beeinträchtigt. Dieser schulische Misserfolg konzentriert sich häufig auf bestimmte Bevölkerungsgruppen und führt zu deren wirtschaftlicher und sozialer Marginalisierung. Auf Grund seiner Bedeutung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung, ist das Humankapital seit langem ein prioritäres Thema für die OECD, wie die zahlreichen Arbeiten der Organisation zu Bildungsfragen belegen, mit denen sie vor allem zu analysieren sucht, wie die Lehr- und Lernmethoden im Unterricht verbessert werden können, und den Regierungen ihrer Mitgliedsländer hilft, bei 3
OECD Insights: Humankapital
der Gestaltung ihrer Bildungssysteme von den Erfolgen und Misserfolgen anderer Länder zu lernen. Am bekanntesten ist vielleicht die OECD-Schulleistungsstudie PISA, die die Kompetenzen 15-jähriger Schülerinnen und Schüler in mehr als 40 Ländern in der ganzen Welt misst. Die OECD behandelt aber auch Themen wie zukunftsorientierte Bildung, Kinderbetreuung, Erziehung, lebenslanges Lernen und Tertiärbildung. Die OECD befasst sich ferner mit Gesundheitsfragen und untersucht, wie dieser Sektor funktioniert und in welcher Weise er die besten Leistungen für unsere Gesellschaften erbringen kann. Über die Forschungsarbeiten und -ergebnisse der OECD wird häufig in Zeitungen, im Fernsehen und in anderen Medien berichtet. Seit einiger Zeit sind wir aber der Meinung, dass wir unsere Analysen und Forschungsarbeiten einem breiteren Publikum zugänglich machen sollten. Deshalb haben wir diese neue Publikationsreihe OECD Insights gestartet. Unser Ziel ist es, eine sachlich fundierte Debatte über einige der großen Fragen in Gang zu bringen, die unsere Gesellschaften und Volkswirtschaften heute berühren. All zu oft werden solche Debatten sehr hitzig geführt, ohne Klarheit zu bringen. Um zu einem wirklich konstruktiven Dialog zu gelangen, müssen wir über den Austausch von Meinungen – so vehement wir sie auch vertreten mögen – hinausgehen und unseren Blick auf Fakten und Zahlen richten. Angesichts unserer langjährigen Forschungs- und Analysearbeiten glauben wir, dass wenige Organisationen besser positioniert sind als die OECD, um über diese Realitäten zu berichten. Wir hoffen, dass diese neue Publikationsreihe dem Leser die Informationen und Aufschlüsse liefert, die er zum Verständnis der Veränderungen und Herausforderungen benötigt, die unsere Volkswirtschaften, Gesellschaften und letztlich unser Leben in Zukunft prägen werden. Angel Gurría OECD-Generalsekretär
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Dank Der Autor dankt den nachstehenden Personen für ihre Beratung und Unterstützung: Willem Adema, Andrea Bassanini, Gary S. Becker, John Bennett, Annabel Boissonnade, Nick Bray, Tracey Burns, Alejandro Camacho, Rory Clarke, Margot Cohen, Martine Durand, Juliet Evans, Vincent Gallart, Tom Healy, Herwig Immervoll, Sue KendallBilicki, Kaisu Kärkkäinen, Mosahid Khan, Vladimir Lopez-Bassols, Kate Lancaster, Janet Looney, Angus Maddison, John Martin, Marco Mira d'Ercole, George Papadopolous, Vikrant Roberts, Jean-Jacques Salomon, Tom Schuller, Raymond Torres, Spencer Wilson, Gregory Wurzburg.
Anmerkung zur Währung Sofern nicht anders angegeben, sind die Währungsangaben in US-Dollar.
Dieser Bericht enthält ...
StatLinks2
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INHALTSVERZEICHNIS 1. Investitionen in den Wandel Zur Einleitung… Vor welchen Herausforderungen stehen unsere Gesellschaften? Wie reagieren unsere Gesellschaften? Worum es in diesem Buch geht…
8 10 12 16 19
2. Der Wert des Menschen Zur Einleitung… Worin besteht der sich derzeit vollziehende Wandel der Weltwirtschaft? Was ist Humankapital? Welches sind die Herausforderungen für das Lernen?
22 24 25 30 40
3. Erste Schritte Zur Einleitung… Vor welchen Herausforderungen stehen Kinder und Familien? Wie kann der Staat Kindern und Familien helfen? Welchen Nutzen bringt den Kindern die Vorschulbildung?
44 46 47 55 60
4. Schulbeginn Zur Einleitung… Lernen die Schülerinnen und Schüler, was sie brauchen? Wie können wir die Bildung verbessern? Wie kann die Reichweite der Bildung erhöht werden?
68 70 71 76 85
5. Für das Leben lernen Zur Einleitung… Wer braucht Weiterbildung? Welche Hindernisse bestehen für die Weiterbildung? Wie lassen sich Hindernisse beim Zugang zu Lernmöglichkeiten abbauen?
90 92 93 98 100
6. Der breitere Rahmen Zur Einleitung… Ist Humankapital mehr als nur Bildung? Was ist Sozialkapital? Sind Human- und Sozialkapital miteinander verknüpft?
110 112 113 120 124
7. Messgrößen und Maßnahmen Zur Einleitung… Wie lassen sich Human- und Sozialkapital messen? Lässt sich alles messen, worauf es ankommt? Anstelle einer Schlussfolgerung
132 134 135 139 143
Weitere statistische Daten
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Literaturverzeichnis
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OECD Insights: Humankapital
Zur Einleitung… Der Pariser Vorort Villiers-le-Bel bietet an diesem kalten Winternachmittag kein einladendes Bild. Anonyme Wohnblocks reihen sich aneinander. An der Straßenecke ein Discountladen – verlassen und leer. Jugendliche lungern in Gruppen am Gemeindezentrum rum. Erst vor wenigen Monaten hatten Jugendliche wie sie in den Straßen Pariser Vororte randaliert. Bei den nächtlichen Krawallen, die damals die Titelseiten der Zeitungen in aller Welt beherrschten, waren Tausende von Autos in Flammen aufgegangen. In Frankreich taten manche diese Ausschreitungen als sinnlose Gewaltakte ab. Andere interpretierten sie als Wutschrei von Einwanderergruppen gegen ihre jahrzehntelange wirtschaftliche und gesellschaftliche Ausgrenzung. Nichts als eine verblassende Erinnerung sind die Ausschreitungen von damals an diesem trüben Nachmittag am Gemeindezentrum, wo die Jugendlichen in dick gefütterten Jacken herumhängen und Rapmusik hören. Im ersten Stock sitzen vier arbeitslose Frauen aus dem Ort mit einem Arbeitsberater zusammen. Einige der Frauen sind in Frankreich geboren, andere eingewandert, jede von ihnen hat einen anderen ethnischen Hintergrund. Sie erörtern, was alles in den Lebenslauf gehört und wie sie sich im Vorstellungsgespräch mit einem potenziellen Arbeitgeber verhalten müssen, und dann diskutieren sie – manchmal recht hitzig – die Probleme, auf die sie bei der Jobsuche stoßen. Einige Frauen meinen, dass die Arbeitgeber sie nicht gern einstellen, weil ihr Wohnort an eine einzige Bahnstrecke angebunden ist und sie durch Zugverspätungen oder Streiks nicht zur Arbeit erscheinen könnten. Andere gehen eher davon aus, dass die Gründe tiefer sitzen und ihren Ursprung in Vorurteilen und Diskriminierung haben. Aber alle sind sich darin einig, dass mangelnde Bildung die Jobsuche wesentlich behindern kann. Linda, die in Frankreich in einer traditionell eingestellten nordafrikanischen Familie aufgewachsen ist, bedauert, dass sie die Schule abbrechen musste. „Ich war eine Musterschülerin“, erklärt sie, aber dann habe sie ihr Vater noch vor dem Abschluss von der 10
1. Investitionen in den Wandel
Schule genommen. „Er war der Ansicht, dass Frauen nicht arbeiten sollten und stattdessen bis zu ihrer Heirat zu Hause zu bleiben haben. Gemäß unserer Erziehung, unserer Kultur und unserer Religion hat eine Frau die Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind.“ Linda wurde verheiratet, noch bevor sie zwanzig war, aber die Ehe ging auseinander, so dass sie ihre Kinder allein erziehen muss. Das war für ihre Familie Anlass, ihre Ansichten zu überdenken. „Letztlich hat mein Vater meine Scheidung akzeptiert. Nun versteht er meine Situation und hat seine Sichtweise geändert. Inzwischen drängt er mich sogar, mir eine Arbeit zu suchen.“ Aber „ohne Lebenslauf, ohne Berufserfahrung, ohne Ausbildung“ ist das alles andere als einfach. Nun hat sie sich an das französische Arbeitsamt gewandt und hofft, dass man ihr dort einen Ausbildungsplatz vermitteln kann. Aber sie weiß, dass es nicht leicht sein wird. „Eine Garantie gibt es natürlich nicht“, räumt sie ein. Den Frauen ist klar, dass sie einen Abschluss brauchen, um voranzukommen, eine bessere Arbeit zu finden und mehr zu verdienen. Diese Erkenntnis ist nicht gerade revolutionär. Weltweit reden Eltern aller Gesellschaftsschichten auf ihre Sprösslinge ein, viel zu lernen und gute Noten zu bekommen, in der Hoffnung, dass sich all diese Anstrengungen eines Tages auszahlen. Hinter diesem Ratschlag steht ein interessantes Konzept: In den Jahren, in denen wir das Bildungssystem durchlaufen, wird eine Art Kapital gebildet, das langfristige Erträge abwerfen kann, ähnlich den Formen von Kapital, die uns geläufiger sind, wie Bankguthaben oder Grundstücke. Diese Idee, der die politischen Entscheidungsträger inzwischen einen hohen Stellenwert einräumen, kommt nicht mehr nur im Bildungswesen zum Tragen. Auch eine gute Gesundheit ist als eine Art Kapital zu betrachten, mit dem der Einzelne Erträge in Form eines höheren Lebensarbeitseinkommens erzielen kann. Selbst die Beziehungen und gemeinsamen Werte von Gesellschaften können durchaus als eine Art von Kapital betrachtet werden, das es den Menschen erleichtert, zusammenzuarbeiten und wirtschaftliche Erfolge zu erzielen. Das Fehlen dieser Art von Kapital erklärt sicher einige der Probleme, mit denen Orte wie Villiers-le-Bel konfrontiert sind. In diesem Buch geht es um eben diese Formen des Kapitals.
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OECD Insights: Humankapital
X In Kapitel 1 werden zunächst einige wichtige weltweite Trends – demografischer Wandel, Globalisierung und der Aufstieg der Wissenswirtschaft – kurz umrissen, die das verstärkte Interesse an diesen Konzepten des Kapitals begründen. Anschließend wird betrachtet, wie sich diese Trends im täglichen Leben der Menschen widerspiegeln und welche Herausforderungen sie mit sich bringen. Abschließend werden die Arbeiten vorgestellt, mit denen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die Auswirkungen der globalen Veränderungen untersucht und analysiert, und Möglichkeiten aufgezeigt, wie Gesellschaft und Regierungen auf diese Veränderungen reagieren können.
Vor welchen Herausforderungen stehen unsere Gesellschaften?
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enn Sie diese Zeilen lesen, gibt es das japanische Dorf Ogama vielleicht schon nicht mehr. Aus Besorgnis über die große Entfernung zu medizinischen Einrichtungen und Einrichtungen des täglichen Bedarfs wie Geschäften hat die alternde und zahlenmäßig schrumpfende Dorfbevölkerung beschlossen, ihr Land an ein Recycling-Unternehmen zu verkaufen. Beim Umzug in eine größere Stadt werden die Dorfbewohner die Knochen ihrer Vorfahren und ihren Dorfschrein mitnehmen.
Dass Ogama von der Landkarte verschwindet, ist z.T. auf den Rückgang der Agrarwirtschaft in Japan zurückzuführen. Andererseits liegt die Ursache aber auch in einem schwerwiegenderen Problem, mit dem Japan und andere Industrieländer konfrontiert sind: Die Bevölkerungen altern. Dafür gibt es zwei Hauptgründe: Wir leben länger und wir haben weniger Kinder. In den kommenden Jahren wird dieser Trend in den Industrieländern fühlbare Auswirkungen zeigen. Hier nur einige Zahlen: h Zur Jahrtausendwende waren im OECD-Raum rd. 15% der Bevölkerung älter als 65 Jahre; 2030 wird ihr Anteil bereits 25% betragen.
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1. Investitionen in den Wandel
h In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahm die Bevölkerung im Erwerbsalter um 76% zu; in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts wird sie Projektionen zufolge nur noch um 4% steigen. h Die Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur werden sich auf das Wachstumspotenzial der Länder auswirken: In Europa dürfte die potenzielle Jahreswachstumsrate derzeit bei 2,3% liegen; 2050 wird sie voraussichtlich nur noch 0,5% betragen. Infolge dieser Entwicklungen wird das Wohlergehen der älteren Generation bald von einer abnehmenden Zahl Erwerbstätiger abhängen. Daher werden voraussichtlich mehr von uns länger als bis zum derzeitigen Rentenalter arbeiten müssen, da einfach keine jungen Leute da sind, die die Arbeit erledigen. (In Japan ebenso wie in einigen anderen Ländern ist die gesamte Bevölkerungszahl – nicht nur die Zahl der Erwerbstätigen – rückläufig.) „… Die Bevölkerungsalterung ist sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance. Sie wird die öffentlichen Ausgaben stärker belasten und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum dämpfen. Aber sie wird uns allen auch die großartige Gelegenheit bieten, mehr erfüllte Jahre im Beruf und im Ruhestand zu verbringen.“ Live Longer, Work Longer
Um länger arbeiten zu können, sind wir gezwungen, uns während des gesamten Arbeitslebens ständig weiterzubilden, da sich die Anforderungen der Arbeitswelt weiterentwickeln und sich das Tempo des Wandels beschleunigt. Dieser Entwicklung liegen zwei Hauptfaktoren zu Grunde – zum einen die voranschreitende Globalisierung und zum anderen die sich zunehmend durchsetzende Wissenswirtschaft.
Globalisierung Bei der Globalisierung handelt es sich um ein komplexes und kontroverses Phänomen, das eine breite Palette sozialer, politischer, kultureller und wirtschaftlicher Trends umfasst, sich im Kern aber so auf den Punkt bringen lässt: Ländergrenzen haben nicht mehr dieselbe Bedeutung wie bisher. Die Globalisierung macht sich in allen Bereichen bemerkbar – von der weltweit rasend schnellen Verbreitung von Technologien bis zur zunehmenden Tendenz unter Studenten und Wissenschaftlern, im Ausland zu studieren und zu arbeiten.
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OECD Insights: Humankapital
Aus wirtschaftlicher Sicht bedeutet die Globalisierung, dass nationale Volkswirtschaften zunehmend miteinander verflochten und in die Weltwirtschaft eingebunden sind. Zahlreiche internationale Transaktionen haben die Handels- und Investitionstätigkeit zwischen Ländern liberalisiert; für multinationale Unternehmen ist es ganz normal, die Produktion in alle Welt zu verlagern, und der Waren- und Dienstleistungsverkehr erfolgt mühelos über Ländergrenzen hinweg. Die Verfechter der Globalisierung führen an, dass sie Wirtschaftswachstum bewirkt und die Handelsmöglichkeiten enorm ausgeweitet hat. Allerdings hat die Globalisierung in gewisser Weise auch dazu geführt, dass in Industrieländern das Verarbeitende Gewerbe sowie geringqualifizierte Tätigkeiten und manche qualifizierten Arbeitsplätze zunehmend durch Länder wie China und Indien unter Druck geraten, wo das Lohnniveau deutlich niedriger ist.
Anstieg der Importe
ANSTIEG DER IMPORTE
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Anteil der Waren- und Dienstleistungsimporte zur Deckung der Inlandsnachfrage Die Globalisierung geht mit einem zunehmenden internationalen Handel 1995 2004 einher, wobei die Öffnung rg bu m d der Grenzen für Importe D e n x C a h ic hl Lu OE und Exporte nur ein re sc ut nig e ö Faktor von mehreren ist. D 117 K r. Auch die Größe einer Ve Volkswirtschaft und ihre 50 n a geografische Lage spielen p 38 31 35 Ja 25 dabei eine Rolle. 23 8 11 Ausgewählte OECD-Länder
Quelle: Die OECD in Zahlen und Fakten 2006.
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Daten zu allen 30 OECD-Ländern sind über den StatLink (siehe unten) abrufbar
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/425066253568
1. Investitionen in den Wandel
Wissenswirtschaft Druck geht auch vom Aufkommen der sogenannten Wissenswirtschaft aus. In den Industrieländern gewinnt der Wert von Wissen und Informationen in all ihren Formen mehr denn je an Bedeutung, wobei dieser Trend durch den immer breiteren Einsatz von leistungsfähiger Informationstechnologie zusätzlich verstärkt wird. Folglich steigt der Wert der Geistes- gegenüber der Muskelarbeit, und die Einkommensschere zwischen hoch- und geringqualifizierten Arbeitskräften geht weiter auseinander. Dieser Unterschied nimmt seinen Anfang häufig bereits in der frühen Kindheit. Selbst in Industrieländern ist eine gute Ausbildung bei Kindern aus wirtschaftlich schlechter gestellten Familien weniger wahrscheinlich als bei Kindern aus wohlhabenderen Familien, wodurch es für erstere dann auch im Erwachsenenalter viel schwerer ist, mit den anderen mitzuhalten.
Instrumente für die Wissenswirtschaft
INSTRUMENTE FÜR DIE WISSENSWIRTSCHAFT Investitionen in Forschung und Entwicklung, Tertiärbildung und Software, in Prozent des BIP 1995
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Ausgewählte OECD-Länder
Quelle: Die OECD in Zahlen und Fakten 2006.
Investitionen in FuE, Tertiärbildung und Software weisen ein beachtliches Ertragspotenzial auf. Derartige Investitionen nehmen in den USA und Japan schneller zu als in den meisten europäischen Ländern. Daten zu weiteren OECD-Ländern sind über den StatLink (siehe unten) abrufbar
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/554030183064
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OECD Insights: Humankapital
Armut bedeutet nicht nur Geldmangel; Armut bedeutet vor allem einen Mangel an Ressourcen wie Bildung, Gesundheit und nützlichen sozialen Kontakten, die eine Basis für wirtschaftlichen Erfolg sind. Die Auswirkungen bleiben nicht auf Einzelpersonen beschränkt. In zahlreichen OECD-Ländern wächst die Besorgnis über die Entstehung gesellschaftlicher Randgruppen – Gemeinschaften also, die mangels Verbindung zur Masse der Gesellschaft und auf Grund eines relativ niedrigen Bildungsniveaus nicht in der Lage sind, umfassend an der globalisierten Wissenswirtschaft teilzunehmen. Es besteht weitgehendes Einvernehmen darüber, dass diese Ausgrenzung die Ursache für die Unruhen in den Pariser Vororten 2005 war. Und Frankreich ist bei Weitem nicht das einzige Land, in dem bestimmte Bevölkerungsgruppen von der Masse der Gesellschaft ausgegrenzt sind. Viele Industrieländer suchen nach Lösungen, um den sozialen Zusammenhalt zu gewährleisten, die durch eine steigende Zahl von Randgruppen geprägt sind. „Eine wachsende Zweiteilung zwischen der Elite und dem Rest der Bevölkerung stellt den sozialen Zusammenhalt innerhalb vieler Gesellschaften in Frage – einen Zusammenhalt, der das Fundament stabiler Gesellschaften war und weiterhin ist.“ Jørgen Ørstrøm Møller in Die kreative Gesellschaft des 21. Jahrhunderts
Wie reagieren unsere Gesellschaften? Ökonomische Trends wie Globalisierung und Wissenswirtschaft erwecken den Eindruck großflächiger, langsam ziehender Wettersysteme hoch oben in der Atmosphäre, die sich außerhalb unserer Reichweite befinden. Sicherlich kann heute kein einzelnes Land allein mehr die Form der weltwirtschaftlichen Entwicklung bestimmen, wenngleich natürlich einige mehr Einfluss haben als andere. Was die Gesellschaften und Regierungen jedoch tun können – ja tun müssen –, ist, auf die sich verändernden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten in einer Weise zu reagieren, die die Interessen ihrer Bevölkerung am besten vertritt.
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1. Investitionen in den Wandel
Politische Entscheidungen können die Entwicklung einer Volkswirtschaft und das Leben ihrer Bevölkerung wesentlich beeinflussen. Um diesen Vorgang zu veranschaulichen, stellen wir uns ein Kind namens Felix vor, das in einem typischen OECD-Land aufwächst… Jahre des Wirtschaftswachstums haben ausreichende Ressourcen geschaffen, um angemessene Krankenhäuser zu bauen, so dass Felix gute Chancen hat, gesund zur Welt zu kommen und die ersten Lebenswochen zu überstehen. In vielen Regionen der Welt ist das gar nicht so selbstverständlich: Nach Angaben der Hilfsorganisation Save the Children sterben von den jährlich etwa 60 Millionen Neugeborenen rd. 4 Millionen innerhalb des ersten Monats. Rund 99% dieser Todesfälle ereignen sich in Entwicklungsländern. „Auch wenn Wirtschaftswachstum nicht das einzige Politikziel darstellt, so schafft es dennoch die finanziellen Voraussetzungen für die Überwindung von sozialer Ausgrenzung, Armut und gesundheitlichen Beeinträchtigungen.“ Vom Wohlergehen der Nationen
Bereits wenige Monate nach Felix‘ Geburt stehen seine Eltern vor dem ersten Problem. Seine Mutter muss sich entscheiden, ob sie wieder arbeiten gehen will oder nicht. Einerseits befürchtet sie, dass ihr Sohn in der Obhut eines Babysitters einen Entwicklungsrückstand riskiert, andererseits würde sich ihre Erwerbstätigkeit positiv auf das Familienbudget und ihre langfristigen Berufsaussichten auswirken. Wie ihre Entscheidung letztlich ausfällt, wird in erheblichem Maße von der staatlichen Politik abhängen. In einigen OECD-Ländern sind die Regierungen bereit, Mütter zu unterstützen, damit sie zu Hause bleiben können; in anderen wird der Schwerpunkt hingegen auf den Abbau der Familienarmut gelegt, und die Mütter werden daher ermutigt, wieder arbeiten zu gehen. Somit ist Felix – schon Jahre, bevor er überhaupt wahlberechtigt ist – bereits sozialen Trends und staatlichen Politiken ausgesetzt, die sein Leben grundlegend beeinflussen.
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OECD Insights: Humankapital
Dieser Einfluss setzt sich auch beim nächsten großen Meilenstein in seinem Leben – nämlich der Schule – fort. Die Bildungssysteme weisen in ihrer Wirksamkeit große Unterschiede auf, und die Faktoren, die auf sie einwirken, können so fest in der Gesellschaft verankert sein, dass die Schwachstellen der Schulen gar nicht mehr auffallen. So haben in einigen Schulsystemen Kinder aus ärmeren Verhältnissen Schwierigkeiten, gute Ergebnisse zu erzielen, während in anderen der soziale Hintergrund dagegen weniger ins Gewicht fällt. Durch den internationalen Leistungsvergleich von Schulsystemen werden diese Unterschiede u.U. eher sichtbar, und die Länder können entsprechend darauf reagieren. Falls Felix aus einer weniger begüterten Familie stammt, wird er es über seine gesamte Schulzeit hinweg wahrscheinlich recht schwer haben, sein Potenzial zu entwickeln. Er wird möglicherweise versuchen, die Schule so bald wie möglich zu verlassen und eine Arbeit zu finden, wobei seine Optionen auf Grund mangelnder Kompetenzen und Ausbildung ziemlich begrenzt sein werden, zumal Arbeitsplätze in der Produktion weiterhin in weniger entwickelte Länder verlagert werden. Angenommen, Felix findet eine Arbeit und hätte die Möglichkeit, an einer Erwachsenenbildung teilzunehmen, aber sein Arbeitgeber hat kein Interesse daran, Geld für die Schulung eines leicht zu ersetzenden Arbeitnehmers mit niedrigem Ausbildungsniveau auszugeben. Dann kann Felix nur darauf hoffen, dass der Staat die Kosten für seine Erwachsenenbildung übernimmt. Wenn nicht, dann besteht das Risiko, dass er bei seinen Versuchen, jemals ein akzeptables Einkommen zu verdienen, immer weiter ins Hintertreffen gerät. „In der Wissensgesellschaft ist der Zugang zu Möglichkeiten der Aneignung benötigter Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen für sozialen Fortschritt und Wirtschaftswachstum unerlässlich.“ Co-financing Lifelong Learning
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1. Investitionen in den Wandel
Worum es in diesem Buch geht… Was können Staat und Gesellschaft für jemanden wie Felix im Laufe seines Lebens tun, damit er sein Potenzial entfalten kann? Diese Art von Fragen gehört zu denen, auf die die OECD jeden Tag Antworten sucht. Die Organisation vereint 30 der weltweit führenden Marktdemokratien; sie erstellt Analysen und liefert Einblicke zu wichtigen politischen Themen, die das Leben der Menschen unmittelbar beeinflussen. Das vorliegende Buch basiert auf diesen Arbeiten, um einen Eindruck davon zu vermitteln, inwiefern das Konzept des Humankapitals als Lösungsansatz für wichtige wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen dienen kann. Verständlicherweise kann eine Veröffentlichung dieses Umfangs lediglich eine kurze Einführung in die Hauptthemen und die umfassende Forschungs- und Analysetätigkeit der OECD liefern. Um einen Eindruck von dieser Arbeit zu vermitteln, enthält das Buch auch Abbildungen und Diagramme aus einer Reihe von OECDVeröffentlichungen sowie direkte Zitate aus ihren Texten. In einem Abschnitt am Ende jedes Kapitels werden OECD-Veröffentlichungen zur weiterführenden Lektüre vorgeschlagen. Was ist in dem Buch enthalten? In Kapitel 2 wird erklärt, worum es bei dem Begriff Humankapital geht, und es wird untersucht, warum Wissen und Informationstechnologien für das Wirtschaftswachstum weltweit immer mehr an Bedeutung gewinnen. In Kapitel 3 wird untersucht, warum die ersten Lebensjahre so wichtig sind und wie die Familienpolitik wesentlichen Einfluss darauf nehmen kann, wie die Kinder betreut werden. In Kapitel 4 werden die Schuljahre und die Faktoren untersucht, durch die einige Bildungssysteme effizienter funktionieren als andere.
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OECD Insights: Humankapital
In Kapitel 5 geht es um das Lernen außerhalb der formalen Bildung: Da sich die Volkswirtschaften wandeln und die Menschen länger arbeiten, wird die ständige Fort- und Weiterbildung immer mehr an Bedeutung gewinnen. In Kapitel 6 wird eine breitere Palette von Elementen erörtert, die für den Erwerb des Lebensunterhalts wichtig sind, wie eine gute Gesundheit. Ferner werden die Zusammenhänge zwischen sozialen Beziehungen und Bildung untersucht. Abschließend zeigt Kapitel 7 Möglichkeiten auf, wie bestimmte Größen, so z.B. die Bildungsniveaus einer Gesellschaft, gemessen werden können, und es werden einige Schlussfolgerungen gezogen.
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1. Investitionen in den Wandel
Was ist die OECD? Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist ein Forum, in dem 30 Marktdemokratien gemeinsam daran arbeiten, in der zunehmend globalisierten Welt Herausforderungen in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft und Governance zu begegnen. Auf diese 30 Volkswirtschaften entfallen insgesamt 75% des Welthandels. Die OECD geht auf den Marshallplan zurück, mit dessen Hilfe Europa nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut wurde. Das Ziel war es damals, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu fördern, Arbeitsplätze zu schaffen und den Lebensstandard der Bevölkerung anzuheben. An diesen Hauptzielen hält die OECD auch heute unverändert fest. Die Organisation setzt sich für die Förderung eines soliden Wirtschaftswachstums in ihren Mitgliedstaaten ebenso wie in den Entwicklungsländern sowie für die Entwicklung eines diskriminierungsfreien
Welthandels ein. Mit diesen Zielen vor Augen hat die OECD einen engen Kontakt zu zahlreichen aufstrebenden Volkswirtschaften in aller Welt aufgebaut. Die OECD stellt vor allem umfassendes Zahlenmaterial zur Verfügung. Damit gehört sie zu den weltweit wichtigsten Quellen für vergleichbare Daten zu einer breiten Themenpalette, die von Wirtschaftsindikatoren bis zu Bildung und Gesundheit reicht. Diese Daten spielen für die Mitgliedsländer beim Vergleich ihrer Erfahrungen mit Politikmaßnahmen eine Schlüsselrolle. Darüber hinaus erstellt die OECD Leitlinien, Empfehlungen und Modelle für die internationale Zusammenarbeit in Bereichen wie Besteuerung sowie zu technischen Fragen, die für den Fortschritt der Länder in einer globalisierten Wirtschaft von grundlegender Bedeutung sind. www.oecd.org.
OECD-Mitgliedsländer
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OECD Insights: Humankapital
Zur Einleitung… Wir sind in Indien, wo für Vikrant Roberts ein neuer Arbeitstag bei SAP, einem internationalen Software-Unternehmen mit einer Niederlassung in Bangalore beginnt. Nach Aussage des 28-jährigen Software-Ingenieurs ist Bangalore Indiens Hochtechnologiezentrum, eine Stadt, die sich zusehends verändert. „Bangalore war früher so etwas wie eine typische Kleinstadt. Man konnte schöne ausgedehnte Spaziergänge unternehmen, es war ruhig. Inzwischen ist die Stadt zusehends überbevölkert, und der Verkehr ist ein einziges Chaos.“ Es gehört zu Vikrants Berufsalltag, telefonisch mit Kunden in Deutschland, im Vereinigten Königreich oder in den Vereinigten Staaten zu arbeiten. Zuweilen genügt schon ein einziges Telefongespräch, es kann aber auch ein aktiveres Eingreifen erforderlich sein. „Um ein Problem im System des Kunden zu beheben, brauche ich nur seine Zustimmung, mich dort einzuloggen“, erklärt er. Entfernungen spielen keine Rolle, ob sich der Server des Kunden nun in New York befindet oder in Neu Delhi, ist für Vikrant belanglos. Bangalore ist Sitz einer unaufhörlich wachsenden Zahl internationaler und indischer Software- und InformationstechnologieUnternehmen, die junge gebildete Inder wie Vikrant beschäftigen. Manchen Prognosen zufolge soll Bangalore in ein paar Jahren sogar den Platz des kalifornischen Silicon Valley einnehmen. Vikrant ist da vorsichtiger: „Indien hat da noch einiges aufzuholen“, sagt er. Ob er in dieser Hinsicht Recht hat oder nicht, sei dahingestellt, doch besteht kein Zweifel daran, dass die Wirtschaft Indiens und anderer Entwicklungsländer rasch expandiert und diese Länder das Potenzial besitzen, die Weltwirtschaft von Grund auf neu zu gestalten. Einer bekannten Prognose der US-amerikanischen Brokerfirma Goldman Sachs zufolge werden Brasilien, Russland, Indien und China – die „BRIC-Länder“ – im Jahr 2050 mit den Vereinigten Staaten und Japan zu den sechs größten Volkswirtschaften der Welt gehören. Ob diese Prognose stimmt, wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen. Nicht zu leugnen ist jedoch, dass sich die Weltwirtschaft verändert, wie dies immer schon der Fall war und auch künftig sein wird.
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2. Der Wert des Menschen
X Eine der wichtigsten Tendenzen dieser jüngsten Phase des Wandels der Weltwirtschaft ist der Aufstieg der wissensbasierten Wirtschaft, und dieses Thema bildet den ersten Schwerpunkt des vorliegenden Kapitels. Anschließend wird untersucht, wie infolge des wirtschaftlichen Wandels der Gedanke aufkam, in den Menschen zu investieren, und dann schließlich die Frage gestellt, welche Implikationen dies in Bezug auf die Bildung sowie die Art und Weise hat, wie die Menschen ihr ganzes Leben lang lernen.
Worin besteht der sich derzeit vollziehende Wandel der Weltwirtschaft?
F
rüher einmal war wirtschaftliche Leistungsstärke im Wesentlichen von ganz konkreten materiellen Gütern abhängig: ein besserer Pflug, ein schnelleres Spinnrad, ein stärkerer Traktor. Die konkrete Form, die diese Güter hatten, spielte effektiv eine wichtige Rolle, d.h. ein Pflug war zum Pflügen da, ein Spinnrad zum Spinnen, und das war alles. Heutzutage kommt Wachstum in erster Linie nicht durch materielle Gegenstände, sondern durch etwas relativ Immaterielles zustande, nämlich durch Informationen. Und dabei spielt es kaum eine Rolle, welche Form diese Informationen haben, d.h. ob sie sich auf einer Festplatte oder einem iPod befinden oder ob sie per Satellit übertragen werden. Immer bestehen sie nur aus Einsen und Nullen. Neue Technologien „verändern die Wirtschaftstätigkeit, wie Dampfmaschine, Eisenbahn und Elektrizität in der Vergangenheit.“ The New Economy: Beyond the Hype
Ebenso war der Standort eines Produktionsfaktors – sei es Manchester, Detroit oder Yokohama – einmal ausschlaggebend für den Erfolg. Eine Fabrik musste am richtigen Ort stehen, der durch Schiffe oder Schienenfahrzeuge erreichbar war und in der Nähe von Naturressourcen wie z.B. Kohle lag. Der Standort verliert heute immer mehr an Bedeutung. Soweit Menschen da sind, die die
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OECD Insights: Humankapital
Informationen nutzen können, und die Verbindungen gut sind, spielt es kaum eine Rolle, ob sich diese Menschen in Boston, Beijing oder Bangalore befinden. Doch übertreiben wir nicht, denn natürlich ist die Industrie, wie immer schon, noch auf Rohstoffe wie Eisen, Baumwolle und Öl angewiesen. Und ein Bauer muss auch heute noch Saatgut ausbringen. Industrie und Landwirtschaft werden noch lange nicht verschwinden, denn angesichts der wachsenden Weltbevölkerung und des Entstehens einer neuen Mittelschicht in China und Indien nimmt die Nachfrage nach den Erzeugnissen dieser Sektoren eher zu, als dass sie sich verringert. Auch Informationen sind an sich nichts Neues. Schon zu der Zeit, als noch die Dinosaurier auf der Erde lebten, benutzten Insekten wie die Bienen raffinierte Tänze, um Informationen über die Orte auszutauschen, an denen sich nektarreiche Pflanzen befanden. In prähistorischer Zeit kommunizierten unsere Vorfahren durch Schreie und Gesten – tauschten also Informationen aus –, um Tiere zu jagen, die größer und schneller waren als jeder Mensch. Und lange bevor es den Siliziumchip gab, entstanden durch den Verkauf von Informationen
Alles über IT
ALLES ÜBER IT Exporte von Produkten der Informationstechnologie (IT) aus den Hauptfertigungsregionen 1995
2004 Mrd. US-Dollar
ina
Ch
A
*
US
180
15
149
Ja
139
124 73
n
pa
EU
124 103
19 * Die 15 EU-Mitgliedsländer im Jahr 2004
Quelle: OECD ITS Database.
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China hat die Vereinigten Staaten überholt und ist nunmehr der weltweit größte Exporteur von IT-Produkten (Computer, Router usw.), was zum Entstehen der neuen wissensbasierten Wirtschaft beiträgt.
2. Der Wert des Menschen
Vermögen: 1865 wurde von John Julius Reuter die Nachricht der Ermordung Präsident Lincolns verbreitet, wodurch seine neugegründete Nachrichtenagentur für jeden ein Begriff wurde. Worin sich die Informationen heute unterscheiden, ist ihre schiere Menge, ihre Allgegenwärtigkeit und die Geschwindigkeit, mit der sie übermittelt und verarbeitet werden können. Schnelle Verbesserungen der Rechenleistung von Computern und der Kommunikationstechnologien, wie das Internet, machen den Umgang mit Daten und deren Verarbeitung ständig billiger. Das Mooresche Gesetz, dem zufolge sich die Anzahl der Transistoren auf einem Siliziumchip (und damit die Rechnerleistung) alle 18-24 Monate verdoppelt, hat sich im Wesentlichen seit nunmehr über 40 Jahren bewahrheitet. Das bedeutet, dass Computer heute immer schneller werden und immer mehr Informationen enthalten können. Auch die Übertragungsgeschwindigkeiten im Internet haben sich seit der Zeit, wo es noch ganz normal war, 1-2 Minuten zu warten, bis sich eine aufgerufene Seite ganz allmählich auf dem Bildschirm aufgebaut hatte, rapide erhöht. „Der Wert von Wissen … ist unaufhörlich gestiegen. Wissen unterscheidet sich ganz wesentlich von anderen Formen des Kapitals. Je mehr von ihm vorhanden ist, desto leichter und kostengünstiger lässt es sich erweitern, wodurch wiederum besonders lukrative Erträge entstehen.“ David Bloom, Die kreative Gesellschaft des 21. Jahrhunderts
Ein weiterer Unterschied ist, dass auf Informationen basierende Aktivitäten für die Volkswirtschaften wie auch für die einzelnen Unternehmen eine immer wichtigere Rolle spielen. Verbesserungen der Informationstechnologien machen sich heute in allen Bereichen der Wirtschaftstätigkeit bemerkbar, vom Lagerbestandsmanagement bis hin zur Absatzbeobachtung. Die allgemeine Verbreitung der Informationstechnologie spiegelt sich in den Unternehmensbilanzen wider. Manchen Schätzungen zufolge entfällt auf die traditionellen Aktiva – vor allem die materiellen Produktionsfaktoren eines Unternehmens, die sich im Falle der Insolvenz veräußern lassen – heute nur noch ein Fünftel des Werts der amerikanischen Unternehmen. Der Rest verteilt sich überwiegend auf immaterielle Werte wie Wissen und Informationen.
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OECD Insights: Humankapital
Die wissensbasierte Wirtschaft verändert nicht nur die bereits existierenden Wirtschaftsaktivitäten, sie lässt auch neue entstehen. Man denke nur an Textalarm-SMS an Mobiltelefone oder Suchmaschinen wie Google, ein Unternehmen, dessen Umsatz in nur vier Jahren um das 17-Fache gestiegen ist (auf 1,5 Mrd. US-$ im Jahr 2005). Und dann gibt es auch eher obskure neue Geschäftsaktivitäten: In China verbringen als „Goldfarmer“ bezeichnete junge Leute ihre Zeit mit Videospielen, um virtuelle Goldstücke zu gewinnen, die Spieler normalerweise benutzen, um andere virtuelle Objekte wie Waffen und Festungen zu „kaufen“. Die „Goldfarmer“ behalten dieses virtuelle Gold indessen nicht für sich, sondern verkaufen es für richtiges Geld an Spieler im Westen, die selbst weniger Ausdauer haben und sich den Erfolg in den Videospielen auf diese Weise „erkaufen“. All diese Aktivitäten sind mit dem Verkauf oder Austausch von Wissen und Informationen verbunden, wofür es leistungsstarker Computer und Anschlüsse bedarf. Noch wichtiger sind jedoch Menschen, die über die entsprechenden Qualifikationen und Kenntnisse verfügen und dafür sorgen, dass hierdurch Wirtschaftswachstum entsteht.
Wer tut was?
WER TUT WAS? Prozentsatz der Beschäftigten in den Sektoren Dienstleistungen, Industrie und Landwirtschaft im OECD-Raum 1994
2004
Dienstleistungen
%
63
Industrie
Land-, Fischerei- und Forstwirtschaft
69 28
25 9
6
Zahlen gerundet
Quelle: OECD in Figures.
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Die OECD-Länder erleben derzeit eine Verlagerung von Arbeitsplätzen aus traditionellen Wirtschaftssektoren wie dem Verarbeitenden Gewerbe hin zu Branchen, die keine materiellen Produkte herstellen, wie viele Dienstleistungsbereiche und die wissensbasierte Wirtschaft. Daten zu allen 30 OECD-Ländern sind über den StatLink (siehe unten) abrufbar
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/808800743257
2. Der Wert des Menschen
Die Elemente des Wachstums Warum wächst eine Volkswirtschaft? Diese Frage haben sich viele wahrscheinlich noch nie gestellt, denn wir haben zwar alle schon wiederkehrende Phasen der Rezession oder der Konjunkturabschwächung erlebt, doch gibt es in den Industrieländern kaum jemanden, der eine Zeit gekannt hat, in der die Wirtschaft langfristig nicht gewachsen ist. Auf unser eigenes Leben bezogen bedeutet dies, dass die meisten unter uns heute mehr verdienen als zuvor unsere Eltern und dass wir davon ausgehen, dass unsere Kinder einmal mehr verdienen werden als wir. So hat es zuweilen den Anschein, als sei Wirtschaftswachstum unaufhaltsam, wenn auch etwas rätselhaft. Dennoch gibt es keine Gesetzmäßigkeit, der zufolge eine Volkswirtschaft zwangsläufig wächst. Es kann ein Stillstand eintreten, oder gar eine Kontraktion, die Jahrzehnte oder Jahrhunderte dauern kann. In jüngster Zeit war das Wachstumstempo von Land zu Land und von einem Jahrzehnt zum anderen sehr unterschiedlich. In einem Zeitraum von etwa dreißig Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs hat Westeuropa den wirtschaftlichen Abstand zu den Vereinigten Staaten nahezu völlig aufgeholt. Dieser Prozess kam Anfang der 1980er Jahre zum Stillstand, als Europa begann, wieder hinter die Vereinigten Staaten zurückzufallen. Heutzutage wächst die chinesische Wirtschaft mit rasanter Geschwindigkeit um etwa 8% pro Jahr. Es bestehen jedoch enorme Unterschiede zwischen dem Wirtschaftswachstum der modernen dynamischen Großstädte an der Küste und dem der staubigen entlegenen Städte im Westen Chinas. Wie kommt das? Warum wachsen einige Volkswirtschaften schneller als andere? Dies ist eine Kernfrage der Wirtschaftswissenschaft, und der Wirtschaftswissenschaft kommt daher im modernen Leben eine zentrale Rolle zu. Wollen nicht die meisten unter uns, dass sich der Wohlstand unserer Länder und somit auch der eigene Wohlstand erhöht, sei es nun auf Grund der menschlichen Gier nach materiellen Gütern oder unseres Strebens nach einer besseren Welt, mit guten Schulen und Krankenhäusern für alle.
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OECD Insights: Humankapital
Was ist Humankapital? Um zu verstehen, warum Volkswirtschaften wachsen, muss zunächst einmal die Frage beantwortet werden, wie Wirtschaftstätigkeit überhaupt zustande kommt. Viele Ökonomen waren seit jeher der Auffassung, dass hierzu „vier Produktionsfaktoren“ erforderlich sind. Der erste ist der Boden, was auf der Hand liegt, denn wo sollte ohne ihn Ackerbau betrieben oder das Fundament für den Bau einer Fabrikanlage oder eines landwirtschaftlichen Betriebs gelegt werden. Die Notwendigkeit des zweiten Produktionsfaktors – Arbeit bzw. Arbeitskräfte – ist ebenfalls offenkundig. An dritter Stelle kommt das Kapital, das sind die Aktiva, im Allgemeinen in Form von Geld, das nötig ist, um eine Fabrikanlage zu errichten und sie mit Maschinen auszustatten. Der vierte Faktor ist das, was der Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes mit dem Begriff „animal spirits“ bezeichnete, mit anderen Worten, die unternehmerische Initiative, die aus einem Stück unfruchtbaren Bodens eine Fabrik entstehen lässt. Doch zurück zum zweiten Produktionsfaktor, der Arbeit. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wurden Arbeitskräfte von den Ökonomen ursprünglich als eine einzige Masse betrachtet, da es ihrer Auffassung zufolge relativ unwichtig war, über welche Kenntnisse und Fähigkeiten sie verfügten, wenn sie nur bereit und in der Lage waren, eine körperliche Arbeit zu verrichten. Ein Ökonom, der anders hierüber dachte, war im 18. Jahrhundert der Schotte Adam Smith. Er war davon überzeugt, dass die Wirtschaftstätigkeit nicht durch die kollektive Masse der Arbeiter zustande kommt, sondern durch „die erworbenen und nutzbaren Fähigkeiten aller Einwohner oder Mitglieder der Gesellschaft“. Um diese Kompetenzen und Fähigkeiten zu erwerben, fügte Smith hinzu, habe der Einzelne zwar einen Preis zu zahlen, doch sei dieser einmal gezahlt, bildeten sie „sozusagen ein in seiner Person fest angelegtes realisiertes Kapital“. Smiths Schriften haben auf die Welt, in der wir heute leben, noch immer Einfluss. (Sein Plädoyer für den freien Handel macht ihn zum Buhmann der Globalisierungsgegner. Die Ironie des Schicksals wollte indessen, dass der ansehnliche Lebensunterhalt, den er verdiente, ausgerechnet aus den Zolleinnahmen des britischen Schatzamts stammte.) Bis sich die von ihm vertretene Auffassung durchsetzen konnte, dass die individuellen Fähigkeiten der Arbeiter eine Art
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2. Der Wert des Menschen
Wachstumspfad
WACHSTUMSPFAD Jahresdurchschnittliches BIP-Wachstum in den OECD-Ländern und anderen Volkswirtschaften Schweiz Japan Italien Deutschland Portugal Belgien Frankreich Tschech. Republik Österreich Dänemark Schweden Niederlande Südafrika OECD insgesamt Brasilien Finnland Ungarn Ver. Königreich Mexiko Spanien Griechenland Island Kanada Norwegen Ver. Staaten Neuseeland Russ. Föderation Türkei Australien Slowak. Republik Polen Luxemburg Korea Indien Irland China
OECD-Land Nicht-OECD-Land 1991-2004
1.1 1.1 1.4 1.4 1.9 2.0 2.0 2.1 2.1 2.2 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.8 2.8 2.9 2.9 3.0 3.2 3.2 3.3 3.5 3.6 3.8 3.8 4.2 4.3 4.4 5.4 6.2
7.0 9.8 2%
4%
6%
8%
10 %
Seit Mitte der 1990er Jahre weichen die Wachstumsraten im OECD-Raum voneinander ab, wobei die Vereinigten Staaten an den meisten anderen Mitgliedsländern vorbeigezogen sind. Natürlich gab es auch Ausnahmen, wie beispielsweise Korea und vor allem Irland. Aber selbst diese Länder wurden von China übertroffen, das allerdings von einem wesentlich niedrigeren wirtschaftlichen Niveau ausgeht. Ob es China gelingen wird, sein stürmisches Wachstum in den kommenden Jahren aufrechtzuhalten, bleibt abzuwarten, es steht jedoch außer Zweifel, dass Länder wie China, Indien und die Russische Föderation der Weltwirtschaft eine neue Prägung geben. Daten im Excel-Format sind über den StatLink (siehe unten) abrufbar Quelle: Die OECD in Zahlen und Fakten 2006.
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/511708367123
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OECD Insights: Humankapital
Kapital darstellten – d.h. einen Produktionsfaktor, der wie ein Spinnrad oder eine Getreidemühle, einen Ertrag erbringen konnte –, sollte jedoch noch viel Zeit vergehen. Obwohl seine Theorie Anfang des 20. Jahrhunderts mehrmals wieder auflebte, begannen die Ökonomen erst in den 1960er Jahren, Konzepte dieser Art systematisch in ihre Arbeiten aufzunehmen.
Wie ist Wachstum zu erklären? Der Grund hierfür war die Tatsache, dass sie nach einer Antwort auf die eingangs gestellte Frage suchten: Warum wächst eine Volkswirtschaft? Von Smith beeinflusste klassische Wirtschaftswissenschaftler waren der Auffassung, die Antwort hierauf sei die „unsichtbare Hand“. Smith zufolge benutzen aus Eigeninteresse handelnde Akteure an einem freien Markt Produktionsfaktoren sowie Güter und Dienstleistungen auf eine Art und Weise, die für jeden den größtmöglichen Ertrag erbringt. Auf eine Volkswirtschaft bezogen, wirkt das Bestreben all dieser Individuen zusammengenommen wie eine unsichtbare Hand, die die wirtschaftlichen Ressourcen ihrer produktivsten Verwendung zuführt. Moderne Ökonomen, wie Robert Solow in den 1950er Jahren, lieferten mit ihren „Wirtschaftsmodellen“ zum Thema Wachstum weiter ausgearbeitete, wenn auch weniger Aufsehen erregende Ansätze, um die Beziehungen zwischen den einzelnen Wachstumsfaktoren – z.B. zwischen Arbeit und materiellem Kapital – zu erklären. Den Auswirkungen, die ein unterschiedliches Bildungsniveau oder die Qualität des Produktionsfaktors Arbeit auf das Wirtschaftswachstum haben, trugen diese Modelle anfangs kaum Rechnung. Dies änderte sich jedoch mit der Zeit, und seit Anfang der 1960er Jahre hat sich in einer entscheidenden Frage der Wachstumstheorie eine einheitliche Auffassung durchgesetzt, nämlich dass dem Faktor Mensch – d.h. seinen Fähigkeiten, seinem Wissen und seinen Kompetenzen – oder mit einem Wort dem Humankapital in Bezug auf das Wirtschaftswachstum eine hohe Bedeutung zukommt. Wie viele andere einflussreiche Konzepte ist auch der Begriff des Humankapitals nicht allein einem bestimmten Urheber zuzuschreiben. Einer der ersten Vertreter dieser Theorie war jedoch der amerikanische Ökonom Theodore Schultz. In einem 1961 erschienenen Papier stellte er fest, „Wirtschaftswissenschaftler wissen seit langem, dass beim Entstehen des Reichtums der Nationen Menschen
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2. Der Wert des Menschen
eine wichtige Rolle spielen“. Niemand konnte dies bestreiten, schließlich haben die Ökonomen Arbeit schon immer den Faktoren zugerechnet, die zum Entstehen der gesamtwirtschaftlichen Produktion beitragen. Was Wirtschaftswissenschaftler weniger bereitwillig anerkennen wollten, war Schultz zufolge die Tatsache, dass Menschen ganz bewusst in sich selbst investieren, um ihren eigenen individuellen ökonomischen Ertrag zu erhöhen. Jemand, der Medizin studiert, tut dies nicht nur, um Menschen zu heilen, sondern auch, weil ein Arzt mehr verdient als ein Straßenfeger, und wenn eine Managerin oder ein Manager an einer Schulung teilnimmt, bei der sie/er sich mit einem neuen Lagerverwaltungssystem vertraut macht, tut sie/er dies nicht nur, um ihre/seine Kenntnisse auf den neuesten Stand zu bringen, sondern zugleich auch, um befördert zu werden und eine Gehaltserhöhung zu bekommen.
Humankapital bedeutet nach der OECD-Definition Wissen, Qualifikationen, Kompetenzen und sonstige Eigenschaften, die dem Einzelnen eigen sind und es ihm ermöglichen, persönliches, soziales und wirtschaftliches Wohlergehen zu erzeugen.
Diese Beispiele sind zwar nicht von Schultz, dafür aber das Konzept, das ihnen zu Grunde liegt und dem zufolge namentlich die Mittel, die Menschen in sich selbst investieren – in den meisten Fällen indem sie ihr Bildungsniveau verbessern –, eine wirkliche Steigerung ihres persönlichen Einkommens und Wohlergehens bringen. Darüber hinaus kann Schultz zufolge in einem Wirtschaftssystem eine Beziehung zwischen der Qualität des Humankapitals – Bildungsniveau, Gesundheitsstandards – und dem Wachstum bestehen. Die Aussage von Smith und anderen Ökonomen war im Wesentlichen folgende: Ohne eine gut ausgebildete Erwerbsbevölkerung kann eine moderne Volkswirtschaft nicht wachsen.
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OECD Insights: Humankapital
Anhebung des Bildungsniveaus Das Humankapital – die Qualität der Erwerbsbevölkerung – ist nur einer der für das Wirtschaftswachstum ausschlaggebenden Faktoren. Zwischen Ländern mit in etwa gleichem Bildungsniveau der Erwerbsbevölkerung können zuweilen große Unterschiede in Bezug auf das Wachstumstempo bestehen. Weitere mögliche Einflussfaktoren sind beispielsweise die Demografie (insbesondere die Relation jüngere/ältere Menschen in der Bevölkerung), die technologische Innovation, der Öffnungsgrad gegenüber dem Außenhandel sowie der Zustand der politischen und rechtlichen Systeme. Das Humankapital hat indessen für das Wirtschaftswachstum durchaus eine hohe Bedeutung, was sich bis ins 19. Jahrhundert bzw. bis zum Aufkommen der Massenbildung zurückverfolgen lässt. Wie die meisten Beziehungen ist auch diese nicht unmittelbar zu erkennen. Vielmehr spielt hier seit jeher eine Art von Effekt „kommunizierender Röhren“ eine Rolle: Durch Bildung entsteht eine Erwerbsbevölkerung, die in der Lage ist, komplexere und besser bezahlte Tätigkeiten auszuüben. Zugleich stellt das Vorhandensein dieser Tätigkeiten für die Schülerinnen und Schüler insofern einen Anreiz dar, den Schulbesuch länger fortzusetzen, als sie am Ende eine Beschäftigung ausüben werden, die sie für die längere Schulzeit, in der sie kein Geld verdienten, entschädigt.
„Gehen von der Bildung Impulse auf das Wachstum aus oder schafft das Wachstum Anreize für den Einzelnen, mehr Bildung zu „konsumieren“? In der Praxis dürfte der kausale Zusammenhang in beide Richtungen gehen.“ Bildung auf einen Blick 2005
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2. Der Wert des Menschen
STANDPUNKT
Gary Becker
Das Konzept des Humankapitals ist seit seinen Anfängen umstritten. Theodore Schultz, der in diesem Bereich Pionierarbeit leistete, erkannte diese Tatsache Anfang der 1960er Jahre mit folgenden Worten an: „Unsere Wertvorstellungen und Überzeugungen hindern uns daran, Menschen als Investitionsgüter zu betrachten, es sei denn, es handelt sich um Sklaven, und das Sklaventum stößt bei uns auf Abscheu.“ Auch fast 50 Jahre später wird das Humankapitalkonzept noch nicht allerorts mit Sympathie aufgenommen. Erstens, so meinen Kritiker, bedeute die Gleichstellung von Bildung und Gesundheit mit einer Form von „Kapital“, dass sich die Wirtschaftswissenschaft unaufgefordert mit Fragen befasst, die ihres Erachtens sozialer Art sind. Und zweitens stellt sich die Frage des Kausalzusammenhangs: Erhöht eine Ausweitung der Bildung den Wohlstand der Gesellschaft oder führt eine Erhöhung des Wohlstands der Gesellschaft zu einer Ausweitung der Bildung? Zudem fragt sich angesichts von Phänomenen wie „Diplomitis“, ob Arbeitgeber nicht in gewissem Maße mehr zahlen, weil der Betreffende „gute Zeugnisse“ hat, wie z.B. ein Hochschuldiplom, als auf Grund der Tatsache, dass er über einzigartige Kenntnisse verfügt, die die Produktivität des Unternehmens verbessern können. Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, führten wir ein Gespräch mit Professor Gary S. Becker, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften (1992) und Verfasser von Human Capital, eines 1964 veröffentlichten bahnbrechenden Werks. Was kommt an erster Stelle, das Wirtschaftswachstum oder die Anhebung des Bildungsniveaus? Diese Frage ist zwar nicht neu, aber interessant. Sie kann unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht werden. Es können mehrere Fälle betrachtet werden, in denen es zu einer auf Veränderungen der Bildungspolitik beruhenden Anhebung des Bildungsniveaus kam, um dann zu prüfen, wie sich dies anschließend auf das Wirtschaftswachstum auswirkte. Ich bin ganz und gar davon überzeugt, dass zwischen Verbesserungen des Bildungsniveaus – des Humankapitals – und dem Wirtschaftswachstum ein enger Kausalzusammenhang besteht. Es gibt aber auch Effekte in umgekehrter Richtung, d.h. solche, bei denen Wirtschaftswachstum zur Anhebung des Bildungsniveaus führt. Werden durch das Humankapitalkonzept nicht Menschen mit Maschinen gleichgesetzt? Der Mensch wird hierdurch keineswegs degradiert; das Konzept ist für alle Aspekte
verwendbar, nicht nur was den Effekt auf den Arbeitsverdienst betrifft, sondern auch den auf die Gesundheit, die Familiengründung usw. Es war jedoch selbst unter Wirtschaftswissenschaftlern äußerst umstritten. Ich glaube aber, dass sich in den meisten Ländern heute kein Politiker mehr zur Wahl stellen kann, ohne die dem Humankapital zukommende wichtige Bedeutung für das ganze Land anzusprechen oder über dieses Thema zu diskutieren. Und wie verhält es sich mit der sogenannten „Diplomitis“? Ja, dieses Phänomen gibt schon seit langem Anlass zu Kritik … aber bei näherem Hinsehen ist festzustellen, dass, wenn man vom Arbeitsverdienst des Einzelnen auf die gesamtwirtschaftliche Ebene übergeht, kein nennenswerter Effekt auf das BIP vorhanden ist. Ich glaube zwar nicht, dass so etwas wie „Diplomitis“ völlig inexistent ist, doch ist es nicht der Hauptgrund für die höheren Bildungserträge. Jemand, dessen Eltern ein gutes Bildungsniveau haben, wird mit größerer Wahrscheinlichkeit ein höheres Bildungsniveau erreichen, als jemand, der aus einer armen Familie stammt. Spielt dies eine wichtige Rolle? Ich glaube, dass dies zutrifft und dass eine wichtige Aufgabe der Sozialpolitik darin bestehen sollte, Kindern mit weniger begütertem und gebildetem Hintergrund, wenn sie die entsprechenden Fähigkeiten besitzen, die Chance zu geben, ihr Bildungsniveau zu verbessern. Dieses Problem ist nicht so leicht zu lösen, denn es wurzelt zum Teil in der Familienstruktur, aber ich glaube, wir müssen zumindest versuchen, den Schülerinnen und Schülern, denen dies zugute kommen kann, [möglichst früh] eine qualitativ bessere Schulbildung zu geben, so dass sie, wenn sie die entsprechenden Fähigkeiten aufweisen, ihren Schulbesuch fortsetzen können, um die Sekundarschule abzuschließen und auch eine Hochschulbildung zu absolvieren. Müssen die Regierungen die Bildungsausgaben erhöhen? Ja, aber zugleich müssen die Mittel auch besser verwendet werden. Ich bin ein überzeugter Anhänger von Bildungsgutscheinen und Wettbewerb im Bildungsbereich. Es fragt sich, ob die ausgegebenen Mittel zweckmäßig und kosteneffizient genutzt werden, und meines Erachtens stellt sich wirklich die Frage, ob es nicht möglich ist, die Effizienz zu steigern, so dass dann letzten Endes mit weniger Mitteln ein besseres Resultat erzielt wird.
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OECD Insights: Humankapital
Ebenso tendieren Länder mit hohem Bildungsniveau dazu, ihren Wohlstand zu erhöhen, so dass mehr Geld vorhanden ist, das für die Steigerung des Bildungsniveaus ausgegeben werden kann. Das klingt vielleicht wie die Geschichte von der Henne und dem Ei, wahrscheinlich aber nur auf den ersten Blick. Historische Befunde über Länder wie Deutschland und die Vereinigten Staaten zeigen, dass die gegen Ende des 19. Jahrhunderts beginnende Massenbildung den Zeiten kräftigen gesamtwirtschaftlichen Wachstums voranging. (Ironischerweise gehörte das Ziel einer Ankurbelung der Wirtschaftstätigkeit wohl kaum zu den vielfältigen Gründen, die ursprünglich die Ausweitung der Massenbildung motivierten.) In jüngerer Zeit wiesen alle „Tigervolkswirtschaften“ Asiens – u.a. Singapur und Korea – vor Beginn ihres enormen Wirtschaftswachstums in den 1980er und zu Beginn der 1990er Jahre ein relativ hohes Grundqualifikationsniveau auf. So wachstumsfördernd das Vorhandensein eines gut ausgebildeten Arbeitskräfteangebots für eine Volkswirtschaft ist, so wachstumshemmend kann das Fehlen dieses Faktors sein. Trotz einer Bevölkerung von rd. 1 Milliarde Menschen leidet Indien nach dem Urteil von Managern des Informationstechnologiesektors unter einem Mangel an gut qualifizierten Schul- und Hochschulabsolventen. Ein nationaler Arbeitgeberverband geht davon aus, dass der Branche, die in Indien gegenwärtig rd. 350 000 Personen beschäftigt, bis zum Jahr 2009 206 000 Arbeitskräfte fehlen werden. Der Mangel an entsprechend qualifiziertem Personal hemmt das Wachstum und treibt die Gehälter der vorhandenen Kräfte in die Höhe. Insgesamt ist das Bildungsniveau der Bevölkerung in Indien wesentlich niedriger als in China. Nur 61% der erwachsenen Inder können lesen; in China liegt der Anteil der UNESCO zufolge bei über 90%. Diese Kluft ist einer mehrerer Faktoren, die gewöhnlich als Gründe für das schnellere Wachstumstempo der chinesischen Wirtschaft seit Anfang der 1990er Jahre genannt werden.
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2. Der Wert des Menschen
Bildungserträge Welche ökonomischen Erträge lassen sich aus Humankapital gewinnen? Diese Frage kann aus zweierlei Perspektiven betrachtet werden – der des Individuums und der der gesamten Volkswirtschaft eines Landes. Was den Einzelnen betrifft, so sind die ökonomischen Erträge des Humankapitals – wie z.B. ein höheres Einkommen – zunächst einmal den Kosten gegenüberzustellen, die beim Erwerb dieses Kapitals verursacht wurden. Diese Kosten umfassen die während der Ausbildungszeit entgangenen Einnahmen sowie die durch die Bildung selbst anfallenden Kosten, wie Schul- und Hochschulgebühren usw. In vielen Ländern sind diese nicht gerade gering, und die Familien müssen mitunter große Opfer bringen, um jungen Menschen den Besuch einer Hochschule zu ermöglichen, während Hochschulabsolventen noch Jahre nach der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ihr Studiendarlehen abzahlen. „In allen Ländern verdienen Absolventen des Tertiärbereichs deutlich mehr als Absolventen des Sekundarbereichs II und postsekundärer nichttertiärer Bildungsgänge.“ Bildung auf einen Blick 2006
Schulbesuch
SCHULBESUCH Anstieg der durchschnittlichen Bildungsjahre je Erwachsenen in USA, Frankreich, den Niederlanden und Japan 1913
1950
1973
1992
18.0 16.0
14.6 11.7 9.6
11.3 7.9
7.0
USA
14.9 13.3
12.1 10.3 8.1
9.1 5.4
Frankreich
Japan
6.4
Die Zahl der Schüler/ Studierenden ist seit dem 19. Jahrhundert in vielen Ländern gestiegen. Nach UNESCO-Schätzungen gab es 1900 weltweit 500 000 Hochschulstudenten. Hundert Jahre später betrug die Zahl rd. 100 Millionen.
Niederlande Ausgewählte OECD-Länder
Quelle: Monitoring the World Economy 1820-1992.
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OECD Insights: Humankapital
In der Regel zahlen sich all diese Investitionen letzten Endes aus. Um durch Bildung in den Genuss wirtschaftlicher Vorteile zu kommen, ist es effektiv nicht einmal notwendig, ein Hochschulstudium zu absolvieren. So dürfte beispielsweise jemand, der die Sekundarstufe II abschließt (und die Schule normalerweise im Alter von 18 Jahren verlässt), mit größerer Wahrscheinlichkeit einen Arbeitsplatz finden als jemand, der nur die Sekundarstufe I absolviert hat (und im Alter von 15 oder 16 Jahren von der Schule abgeht). Natürlich erzielen Absolventen des tertiären Bereichs noch höhere Erwerbsquoten als diejenigen, die nur einen Abschluss der Sekundarstufe II haben. Und auch was das Einkommen betrifft, gilt für den ganzen OECDRaum die Regel: Je höher das Bildungsniveau, desto besser steht sich der Betreffende in wirtschaftlicher Hinsicht. In Norwegen z.B. verdienen Hochschulabsolventen 26% mehr als Personen, die nur die Sekundarstufe II abgeschlossen haben; in Ungarn beträgt dieser Unterschied 117%.
Wer ist arbeitslos?
WER IST ARBEITSLOS? Prozentsatz der Arbeitslosen im OECD-Raum nach Bildungsniveau Altersgruppe 25-64 Jahre, 2004
Ohne SekundarstufeII-Abschluss
10.4 6.2
% 3.9
Sekundarstufe-II-Abschluss* Tertiärabschluss
* Einschließlich postsekundärer berufsorientierter Bildungsgänge
Quelle: Bildung auf einen Blick 2006.
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Das Arbeitslosigkeitsrisiko verringert sich, manchmal dramatisch, mit zunehmendem Bildungsniveau. In der Tschechischen Republik sind 23% der Personen ohne Sekundarschulabschluss arbeitslos, während es unter Tertiärabsolventen lediglich 2% sind. Daten zu allen 30 OECD-Ländern sind über den StatLink (siehe unten) abrufbar
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/015830764831
2. Der Wert des Menschen
Was stellen diese höheren Einkommen dar? Mit einem Wort: Produktivität. Im richtigen Leben kann das Wort Produktivität mitunter beinahe ein Werturteil beinhalten. Wird z.B. von einem Kollegen behauptet, er sei weniger produktiv als ein anderer, so ist das mitunter nur eine höfliche Art zu sagen, dass er nicht gut genug arbeitet. Von Ökonomen wird der Begriff „Produktivität“ ganz anders verwendet. Etwas vereinfacht ausgedrückt, ist Produktivität der ökonomische Wert dessen, was eine Arbeitskraft (oder eine Parzelle Boden oder irgendeine andere Art von Kapital) produziert. Von einer Produktivitätssteigerung gehen zudem im Allgemeinen Impulse auf das Wirtschaftswachstum aus, womit wir bereits zu der Frage kommen, welche Vorteile eine Verbesserung des Humankapitals auf gesamtwirtschaftlicher Ebene hat. Obwohl die Ökonomen seit langem davon ausgehen, dass zwischen Bildung und Wirtschaftswachstum tatsächlich eine Beziehung besteht, ist das Ausmaß dieses Effekts nicht ohne weiteres zu ermitteln. Humankapital ist letztlich nur einer – wenn auch ein wichtiger – von mehreren das Wachstum beeinflussenden Faktoren. Einvernehmen scheint jedoch mittlerweile darüber zu bestehen, dass die Beziehung zwischen Humankapital und Wirtschaftswachstum
Einkommensvorteil
EINKOMMENSVORTEIL
Sekundarstufe-I-Abschluss Sekundarstufe-II-Abschluss Tertiärabschluss Verdienst über 40 dem Zweifachen des Median- 30 einkommens
20 10 %
Ungarn
Quelle: Bildung auf einen Blick 2006.
Korea
Schweden
Ungarn 2004, Korea und Schweden 2003
Das Einkommen von Tertiärabsolventen im Vergleich zu dem von Personen mit niedrigerem Bildungsniveau
Tertiärabsolventen haben ein überdurchschnittliches Einkommen. Desgleichen verdienen Personen mit einem Abschluss der Sekundarstufe II (sie verlassen die Schule normalerweise im Alter von etwa 18 Jahren) mehr als Personen, die früher abgehen. Daten zu weiteren OECD-Ländern sind über den StatLink (siehe unten) abrufbar
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/815010258467
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OECD Insights: Humankapital
tatsächlich existiert und signifikant ist. Dies wurde durch einige Zahlen der OECD bestätigt, aus denen ersichtlich ist, dass eine Verlängerung der von der Bevölkerung durchschnittlich für Bildung aufgewendeten Zeit um ein Jahr langfristig einen Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Produktion je Einwohner um 4-6% bewirkt.
Weiter reichende Vorteile Das Wirtschaftswachstum ist nur ein Aspekt im Zusammenhang mit dem Humankapital. Bildung hat auch auf der Ebene des Einzelnen positive Effekte, denn mit dem Bildungsniveau nimmt auch die Wahrscheinlichkeit zu, ehrenamtlich tätig zu werden, wie z.B. in Frauengruppen und Schulpflegschaften. Auch der Gesundheitszustand ist mit höherer Wahrscheinlichkeit besser, da Personen mit höherem Bildungsniveau weniger rauchen (bei einem zusätzlichen Schuljahr raucht eine Frau im Durchschnitt täglich 1,1 Zigaretten weniger) und mehr Sport treiben (je zusätzliches Schuljahr 17 Minuten pro Woche mehr). „Der nicht ökonomische Lernertrag in Form einer Verbesserung des persönlichen Wohlergehens und stärkeren sozialen Zusammenhalts wird von vielen Experten als genauso wichtig empfunden wie die Auswirkungen des Lernens auf Arbeitseinkommen und Wirtschaftswachstum.“ Vom Wohlergehen der Nationen
Ein guter Gesundheitszustand kann an sich als Teil des Humankapitals betrachtet werden, wenn auch der Mensch selbstverständlich nicht immer in seine Gesundheit investieren kann wie er in Bildung investiert.
Welches sind die Herausforderungen für das Lernen? In den OECD-Ländern wie andernorts expandiert die Bildung unaufhaltsam, und dies schon länger, als die meisten unter uns leben. In vielen, wenn nicht in den meisten OECD-Ländern, gibt es seit mindestens hundert Jahren eine allen Bürgern zugängliche Grundschulbildung. Die Anfänge der Sekundarschulbildung für die 40
2. Der Wert des Menschen
Masse der Bevölkerung liegen 50 Jahre zurück, und der Zugang zur Hochschulbildung hat seit den 1970er und 1980er Jahren in vielen OECD-Ländern ganz erheblich zugenommen. Diese Expansion hat mehrere Gründe. Wirtschaftlich gesehen bestand die dringende Notwendigkeit, für das Vorhandensein einer zunehmend qualifizierten Erwerbsbevölkerung zu sorgen, die den Erfordernissen der Unternehmen gerecht wird. Auf sozialer Ebene haben sich durch die strukturellen Veränderungen in den Volkswirtschaften der OECD-Länder im Verarbeitenden Gewerbe und im Handel die Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen verringert. Die Bildung bot gewissermaßen einen Weg, um dafür zu sorgen, dass junge Menschen nicht auf der Straße stehen. Um es weniger zynisch auszudrücken: Seit der Antike wurden von den Gesellschaften die umfassendere Rolle der Bildung und ihre Vorteile erkannt. Bildung lehrt den Einzelnen, sich im Kontext der Gesellschaft zurechtzufinden, in der er lebt, sie kann aber auch eine Öffnung gegenüber neuen Denkweisen herbeiführen. Wie der Dichter W.B. Yeats es ausdrückte, „heißt Erziehen nicht, einen leeren Eimer zu füllen, sondern ein Feuer zu entfachen.“ „In den zweihundert Jahren seit der ersten industriellen Revolution mussten die Systeme des Sekundarbereichs II mehreren Veränderungen auf der Ebene der Gesellschaft und der Volkswirtschaften angepasst werden.“ Completing the Foundation for Lifelong Learning
Welches auch immer die Gründe für die Ausweitung der Massenbildung waren, so entfällt in den OECD-Ländern mit 6,3% des OECD-weiten BIP ein hoher Anteil auf Bildungsausgaben, wobei es indessen zwischen den einzelnen Ländern erhebliche Unterschiede gibt. Island gibt für Bildung fast 8% seines BIP aus, gegenüber nur etwas mehr als 3,5% in der Türkei. Auch innerhalb der Länder bestehen große Unterschiede, was die Höhe der Mittel betrifft, die für ein Kind auf seinem Bildungsweg vom Sandkasten im Kindergarten bis zum Hörsaal in der Hochschule ausgegeben werden. Durchschnittlich werden in den OECD-Ländern jährlich 5 055 US-$ für die Bildung eines Grundschülers ausgegeben, 6 939 US-$ für einen Sekundarschüler und 12 208 US-$ für einen Studierenden im Tertiärbereich, aber auch hier bestehen zwischen den Ländern ganz erhebliche Unterschiede.
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OECD Insights: Humankapital
Die Größenordnung, die die Bildungsausgaben moderner Gesellschaften erreicht haben, führt unweigerlich zu heftigen Debatten über die Frage, welchen Zweck Bildung erfüllen sollte, mit welchen Mitteln sie zu finanzieren ist und wem sie zugute kommen sollte. Dies ist verständlich und auch notwendig, denn Form und Inhalt der vermittelten Bildung prägt jeden von uns individuell, und somit auch die Gesellschaft, in der wir alle leben. Bildung gibt Anstöße zu Veränderungen und reagiert selbst wiederum auf soziale, wirtschaftliche und kulturelle Veränderungen. Entscheidungen, die wir heute treffen, werden in den nächsten Jahrzehnten Auswirkungen auf unser Leben und das unserer Kinder haben. Diese Entscheidungen werden insbesondere für junge Menschen aus sozial schwächeren Familien von zentraler Bedeutung sein. Angesichts steigender Bildungserträge müssen wir uns die Frage stellen, wie Fürsorge und Bildung alle Kinder mit den Ressourcen versorgen können, die sie brauchen, um ihre Kompetenzen und Fähigkeiten ausschöpfen zu können. Gesellschaften, die bei der Bewältigung dieser Herausforderung versagen, werden unter zunehmender Polarisierung leiden und bestimmte Bevölkerungsgruppen von den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorteilen der Globalisierung und der wissensbasierten Wirtschaft ausschließen. Wie nicht anders zu erwarten, kommt der Bildung im Rahmen der OECD-Tätigkeit daher eine zentrale Rolle zu. In den folgenden drei Kapiteln dieser Veröffentlichung werden viele der wichtigsten Fragen in Bezug auf Wissenserwerb und Bildung behandelt, z.B. die Frage, wie Kindern ein optimaler Start ins Leben ermöglicht werden kann und wie sich die Effekte von Armut reduzieren lassen. Es wird auch eine Reihe von Lösungsansätzen untersucht, an denen insbesondere die politischen Entscheidungsträger interessiert sind.
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2. Der Wert des Menschen
Weitere OECD-Studien zu diesem Thema h Die Quellen wirtschaftlichen Wachstums in den OECD-Ländern (2003) Die in den 1990er Jahren und auch noch zu Beginn dieses Jahrzehnts beobachteten Wachstumsmuster haben die früheren Theorien auf den Kopf gestellt. Während des größten Teils der Nachkriegszeit wurde in den ärmeren OECD-Ländern ein stärkeres Wirtschaftswachstum verzeichnet als in den reicheren Ländern. In den 1990er Jahren wurde diese scheinbare Gesetzmäßigkeit dann aber durchbrochen. Namentlich die Vereinigten Staaten konnten ihren Vorsprung ab Mitte der 1990er Jahre weiter vergrößern. Wo liegen die Ursachen für die großen Wachstumsunterschiede innerhalb der OECD? Bis zu welchem Grad sind sie auf neue Technologien und FuE zurückzuführen? Wie wichtig sind Aus- und Weiterbildung? Welchen Einfluss haben Arbeitslosigkeit, Arbeitsmarktflexibilität und Produktmarktwettbewerb? Die Veröffentlichung gibt einen umfassenden Überblick über diese Fragen und liefert neue Erkenntnisse über die Antriebskräfte des Wirtschaftswachstums in den OECD-Ländern. Sie stützt sich auf eine frühere Veröffentlichung des OECD Growth Project, The New Economy: Beyond the Hype (2001). h Die kreative Gesellschaft des 21. Jahrhunderts (2000) Wie kann die zunehmende soziale Differenzierung dazu genutzt werden, zu einer kreativeren Gesellschaft zu gelangen? Drei fundamen-
tale Antriebskräfte bestimmen die Grundlagen der Gesellschaft von morgen: zunehmende soziale Diversität, tiefgreifende Umwälzungen der Wirtschaftsstrukturen und rasche Globalisierung. Wird das Zusammenspiel dieser Kräfte für eine positive gesellschaftliche Entwicklung sorgen oder liegt eine düstere Zukunft vor uns? Wird mehr Diversität – eine an sich positive Entwicklung – weltweit und innerhalb der Länder zu größerer Ungleichheit führen? Wird der Zugang zu neuem Wissen und neuen Technologien die Kluft vertiefen oder verringern? Mit welchen Maßnahmen kann sichergestellt werden, dass die zunehmende Differenzierung innerhalb und zwischen Gesellschaften die Kreativität fördert, und nicht etwa wachsende Spannungen entstehen lässt? Die kreative Gesellschaft des 21. Jahrhunderts setzt sich mit unserer sich schnell wandelnden Welt auseinander und untersucht die Politikansätze, die erforderlich sein werden, um den Übergang zu einem langfristig tragfähigen gesellschaftlichen Fundament zu erleichtern. h Die Weltwirtschaft – Eine Millenniumsperspektive, Angus Maddison (2001) Angus Maddison bietet einen umfassenden Überblick über das Weltwirtschaftswachstum seit dem Jahr 1 000. In diesem Zeitraum wuchs die Bevölkerung um das 22-Fache, das Pro-Kopf-BIP um das 13-Fache und das Welt-BIP nahezu um das 300-Fache. Das größte
Wachstum wiesen die heute reichen Länder auf (in Westeuropa, Nordamerika, Australasien sowie Japan). Die Kluft zwischen der führenden Volkswirtschaft der Welt – Vereinigte Staaten – und den ärmsten Ländern – in Afrika – beträgt mittlerweile 20:1. Im Jahr 1 000 waren die reichen Länder von heute ärmer als Asien und Afrika. Die Weltwirtschaft – Eine Millenniumsperspektive dient mehreren Zwecken. So wird erstmals der Versuch unternommen, die wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Nationen innerhalb einer sehr langen Zeitspanne quantitativ darzustellen. Zum anderen wird aufgezeigt, welche Kräfte für den Erfolg der reichen Länder verantwortlich waren und welche Faktoren in anderen Regionen ähnliche Fortschritte verhindert haben, so dass diese zurückblieben. Und schließlich werden die Interaktionen zwischen den reichen Ländern und dem Rest der Welt genauer unter die Lupe genommen, um zu evaluieren, inwieweit hierbei Ausbeutung mit im Spiel war. Verwiesen wird in diesem Kapitel auch auf die Publikationen: h Bildung auf einen Blick – OECD-Indikatoren Ausgabe 2006. h Vom Wohlergehen der Nationen – Die Rolle von Human- und Sozialkapital (2001). h Completing the Foundation for Lifelong Learning: An OECD Survey of Upper Secondary Schools (2004).
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3
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OECD Insights: Humankapital
Zur Einleitung… Die Näherin im mexikanischen Dorf San Nicolás de los Ranchos hat eine Veränderung in ihrem Handel festgestellt. Noch bis vor kurzem verbrachte Beatriz Tlatenco Sandre einen großen Teil ihrer Zeit damit, Totenhemden für Kinder anzufertigen. „Ich kleidete verstorbene Kinder mit dem Gewand des von ihren Eltern ausgewählten Heiligen ein“, erzählte sie einem Reporter. Nach einer mexikanischen Tradition schützt dies die Kinder im Leben nach dem Tod. Heute kleidet Beatriz noch immer Kinder ein, aber die meisten sind am Leben und gesund. Ihr zufolge ist dies größtenteils darauf zurückzuführen, dass das Dorf in den Genuss eines spezifischen staatlichen Hilfsprogramms, Oportunidades, kommt, in dessen Rahmen sehr arme Familien finanzielle Zuwendungen erhalten. Die Familien bekommen nicht viel, aber es ist genug, um das Leben der Kinder zu verändern. Positiv wirkt sich dabei auch aus, dass die Geldleistungen an strenge Bedingungen geknüpft sind. Zum Beispiel ist Beatriz verpflichtet, ihre Kinder regelmäßig ärztlich untersuchen zu lassen, und sie muss jeden Monat einem Gesundheitsvortrag beiwohnen. „Wir müssen an den Gesprächsrunden teilnehmen“, erklärt sie, „sonst erhalten wir einen Verweis“. Und solange sie ihre Kinder zur Schule schickt, bekommt sie außerdem Zuwendungen für Bildungsausgaben. Dass der Schwerpunkt bei Programmen wie Oportunidades auf Bildung und Gesundheit der Kinder liegt, hat einen einfachen Grund: Die ersten Lebensjahre sind für die menschliche Entwicklung entscheidend, in ihnen wird das Fundament für unsere Fähigkeit zum Ausbau unseres Humankapitals gelegt. Diese Erkenntnis ist so augenfällig, dass sie kaum der Erwähnung wert scheint. Und doch führen Behinderungen und Armut dazu, dass viele Kinder in aller Welt diese lebenswichtigen Grundlagen nie erwerben. X Wie kann die Gesellschaft gewährleisten, dass Kindern diese Grundlagen vermittelt werden? In diesem Kapitel geht es um die ersten Lebensjahre und darum, wie in ihnen ein Fundament für die weitere Entwicklung gelegt werden kann. Zunächst werden einige
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3. Erste Schritte
Probleme erörtert, denen sich Kinder und ihre Familien heutzutage gegenübersehen, wobei es insbesondere um die Notwendigkeit geht sicherzustellen, dass Kinder aus Familien, in denen beide Elternteile arbeiten, gut betreut werden. Dann wird untersucht, welche Rolle staatliche Maßnahmen in diesem Bereich heute spielen und schließlich welchen Nutzen Kinder aus einer gut geplanten Vorschulerziehung ziehen können.
Vor welchen Herausforderungen stehen Kinder und Familien?
S
chon lange bevor Kinder zur Schule gehen, beginnen sie ihr Humankapital zu entwickeln. Wie alle Eltern wissen, sind Kleinstund Kleinkinder ständig am Lernen, z.B. indem sie Fertigkeiten wie Laufen und Sprechen erwerben und die Fähigkeit ausbilden, mit anderen zu kommunizieren. Zudem entwickeln sie, was weniger sichtbar ist, wichtige Erkenntnisse über sich selbst sowie ihre Beziehungen zu ihrer Umwelt und Eigenschaften wie Selbstvertrauen, die für den Rest ihres Lebens wichtig sein werden. Sofern sie nicht an schweren Krankheiten oder Behinderungen leiden, durchlaufen alle Kinder diese Stadien, jedoch nicht immer in derselben Art und Weise. Externe Faktoren, wie z.B. Armut, können großen Einfluss auf die Entwicklung eines Kindes ausüben. Dies ist insofern besorgniserregend, als Kinderarmut in großen Teilen der Industrieländer zunimmt. Kinder sind im OECD-Raum die gesellschaftliche Gruppe mit dem höchsten Armutsrisiko. Zu Beginn dieses Jahrzehnts fielen in den OECD-Ländern rd. 12% der Kinder unter die Armutsgrenze, was einen leichten Anstieg gegenüber den 1990er Jahren darstellt. Zwischen den einzelnen Ländern bestehen jedoch beträchtliche Unterschiede. In den nordischen Ländern gilt nur 1 von 25 Kindern als arm, in den Vereinigten Staaten, Mexiko und der Türkei mehr als jedes fünfte.
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OECD Insights: Humankapital
Frühe Armut wirkt sich auf das ganze Leben der Kinder aus und schränkt immer wieder ihre Kapazität zur Entwicklung der eigenen Talente und Fähigkeiten ein. Kinder aus armen Familien erlangen mit geringerer Wahrscheinlichkeit einen Sekundarschulabschluss, und ihre Chancen, ein Hochschulstudium zu absolvieren, sind noch niedriger. In Frankreich müssen z.B. mehr als drei von fünf Jugendlichen aus den ärmsten 20% der Familien mindestens ein Schuljahr wiederholen; unter den wohlhabendsten 20% der Familien ist dies für weniger als eins von fünf Kindern der Fall. „Gelingt es also nicht, das Problem drohender Armut abzuwenden, mit dem Millionen von Familien und insbesondere deren Kinder konfrontiert sind, so wäre dies nicht nur aus sozialen Erwägungen verwerflich, sondern würde auch unsere Kapazität zur Wahrung eines nachhaltigen Wachstums in den kommenden Jahren beeinträchtigen.“ Extending Opportunities
In Kinder investieren Investitionen in die Gesundheit und den Lernprozess der Kinder – d.h. ihr Humankapital – bringen aus vielen Gründen lebenslangen Nutzen. Zum einen verfügen Kinder in ihren ersten Lebensjahren
Eine Investition für das Leben
EINE INVESTITION FÜR DAS LEBEN Laut Nobelpreisträger James Rendite einer Investition in Humankapital in verschiedenen Lebensabschnitten
Vorschulprogramme
Schulbildung Opportunitätskosten der Finanzierung
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Berufsausbildung
Vorschule 0
Quelle: Starting Strong II.
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Schule
Nach Schulabschluss Alter
Heckman können mit Investitionen im Vorschulalter höhere Erträge erzielt werden als in allen anderen Lebensabschnitten. Warum? Erstens, weil wir umso länger in den Genuss der Erträge dieser Investition kommen, je früher wir im Leben lernen. Zweitens, weil das frühkindliche Lernen das lebenslange Lernen erleichtert, was unser Humankapital und folglich unser Einkommen erhöht.
3. Erste Schritte
über außergewöhnliche Lernfähigkeiten. Im Alter von zwei Jahren z.B. haben die meisten Kinder bereits die Grundelemente einer Sprache erworben. Jeder, der im Erwachsenenalter schon einmal versucht hat, eine Sprache zu lernen, weiß, was für eine bemerkenswerte Leistung das ist. Kleinkinder haben zudem das Potenzial, wichtige soziale Kompetenzen und Lernfähigkeiten zu entwickeln, die ihnen für den Rest ihres Lebens erhalten bleiben. Investitionen in die frühe Kindheit können auch in wirtschaftlicher Hinsicht sinnvoll sein. Nobelpreisträger James Heckman vertritt die Auffassung, dass Investitionen in das Lernen während der frühen Kindheit höhere Erträge bringen als zu jedem anderen Zeitpunkt im Leben. Darüber hinaus sind soziale Nutzeffekte festzustellen. Eine amerikanische Studie zeigte, dass durch spezifische Unterstützung für Kinder unter fünf Jahren aus sozial schwachen Familien ein Rückgang der Bewährungsquoten und Kriminalitätsraten im Alter von 15 Jahren um bis zu 70% erzielt werden konnte. Trotz dieser Nutzeffekte geben die Regierungen nicht immer so viel für frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung (FBBE) aus, wie sie sollten. Es besteht aber kein Zweifel daran, dass sie sich zunehmend mit der Kinderbetreuung befassen – was nicht nur die eigentliche Betreuung, sondern auch die frühkindliche Bildung und Erziehung beinhaltet –, da dies heute ein sehr wichtiges Anliegen für die Gesellschaft insgesamt ist. Warum? Großenteils deshalb, weil immer mehr Frauen einer Erwerbstätigkeit nachgehen, womit sich für die Gesellschaft die Frage stellt: Wer kümmert sich um die Kinder?
„Die frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung verlagert sich vom privaten in den öffentlichen Bereich, wobei den komplementären Aufgaben der Familien und der FBBEEinrichtungen besondere Aufmerksamkeit gilt…“ Starting Strong I
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OECD Insights: Humankapital
Erwerbstätige Mütter In vielen Ländern spielen Frauen seit den 1960er Jahren eine immer wichtigere Rolle in der Erwerbsbevölkerung. Während der letzten zehn Jahre hat sich dieser Trend weiter fortgesetzt, und in einigen OECD-Ländern sind die Frauen stark in die Berufswelt vorgedrungen. In Spanien z.B. war 1994 weniger als ein Drittel der Frauen erwerbstätig; 2004 waren es knapp unter 50%. Die Impulse für diesen Wandel gingen anfangs großenteils von den Frauen selbst aus, die oftmals beträchtlichen Widerstand überwinden mussten, um eine Vollzeitbeschäftigung aufnehmen zu können. Heutzutage werden die Frauen in vielen Ländern von den Regierungen aktiv dazu ermutigt, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Zum einen handelt es sich um einen Versuch, Gleichstellung zwischen Männern und Frauen zu gewährleisten. Zum anderen kann die Beschäftigung von Frauen, was weniger offensichtlich ist, dazu beitragen, eine breitere Palette sozialer und wirtschaftlicher Probleme zu lösen. Nehmen wir z.B. die Kinderarmut.
Erwerbstätige Frauen
ERWERBSTÄTIGE FRAUEN Prozentsatz der beschäftigten Frauen im erwerbsfähigen Alter 1994
CD OE 56 % 53
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2004
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Ausgewählte OECD-Länder
Quelle: Die OECD in Zahlen und Fakten 2006.
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Immer mehr Frauen gehen einer Beschäftigung nach, insgesamt arbeiten jedoch nach wie vor weitaus weniger Frauen als Männer. Im OECD-Raum sind rd. 56% der Frauen gegenüber 75% der Männer erwerbstätig. Daten zu allen 30 OECD-Ländern sind über den StatLink (siehe unten) abrufbar
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/180707813562
3. Erste Schritte
Kinder und Armut Für Kinder aus Familien, in denen nur ein Elternteil arbeitet, ist die Armutswahrscheinlichkeit nahezu dreimal so hoch wie für Kinder aus Familien, in denen beide Elternteile erwerbstätig sind, und in erwerbslosen Alleinerzieherfamilien ist das Problem sogar noch gravierender. Das ist ein Grund dafür, warum einige Regierungen – vor allem in englischsprachigen Ländern – großes Gewicht auf die Förderung der Erwerbsbeteiligung von Eltern und insbesondere Alleinerziehenden legen. Steigt die Beschäftigungsquote der Mütter in einem Land um 12%, sinkt die Armutsquote der Kinder im Durchschnitt um 10% (wenngleich hier erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern bestehen). Die Teilhabe an Erwerbsarbeit sorgt zudem für ein größeres Zugehörigkeitsgefühl zur Gesellschaft, was den Familien sozialen Nutzen bringen kann. Desgleichen kann durch die Verringerung der Armut während der ersten Lebensjahre der Kinder die Entwicklung ihres Humankapitals während ihres ganzen Lebens gefördert werden. „Erwerbsarbeit gibt dem Einzelnen nicht nur finanzielle Sicherheit, sondern auch ein Gefühl der Identität, der Zugehörigkeit und der Selbstachtung.“ Extending Opportunites
Natürlich kann Erwerbsarbeit nicht alle Probleme lösen, mit denen sich Familien auf der untersten Stufe der sozialen Leiter konfrontiert sehen. Einige Länder, wie die Vereinigten Staaten, weisen recht hohe Kinderarmutsquoten auf – mehr als 20% –, obwohl viele Alleinerziehende eine Beschäftigung haben. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen, einer der wichtigsten ist aber, dass die meisten Alleinerziehenden Frauen sind, und Frauen finden mit größerer Wahrscheinlichkeit als Männer nur Teilzeit- oder Schichtarbeitsplätze. Diese Art von Beschäftigung ist oft schlecht bezahlt und bietet u.U. zu wenig Anreize, z.B. in Form von Altersversorgung oder Krankenversicherung, um sie auf Dauer attraktiv zu machen. Um Menschen in Niedriglohnjobs zu helfen, verpflichten viele Länder die Arbeitgeber dazu, einen Mindestlohn zu zahlen (Mindestlohnbezieher erhalten oft auch staatliche Beihilfen). Allerdings kommt es häufig zu Kontroversen darüber, wie hoch – bzw. wie
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OECD Insights: Humankapital
niedrig – der Mindestlohn sein sollte. Ist der Mindestlohn zu hoch, besteht die Gefahr, dass die Arbeitgeber behaupten, keine andere Wahl zu haben, als weniger Arbeitnehmer zu beschäftigen; ist er zu niedrig, sehen die Gewerkschaften darin möglicherweise eine Ausbeutung der Arbeitnehmer. Daher ist es wesentlich, dass die Regierungen hier das richtige Gleichgewicht finden, wenn sich mehr Alleinerziehende am Erwerbsleben beteiligen sollen.
Ausweitung der Erwerbsbeteiligung Es gibt noch einen anderen Faktor, der die Regierungen dazu bewegt, die Erwerbsbeteiligung der Frauen zu fördern: die demografische Entwicklung. Paradoxerweise verzeichnen einige Länder, obwohl sich die Weltbevölkerung seit Anfang der 1960er Jahren verdoppelt hat, einen realen Rückgang ihrer Bevölkerung bzw. sehen einem solchen Rückgang entgegen. In den meisten Industrieländern bekommen die Frauen heutzutage weniger Kinder. Zur Sicherung des Bevölkerungsbestands eines Landes sollten die Frauen im Durchschnitt rd. 2,1 Kinder zur Welt bringen. Seit den 1970er Jahren sind die Geburtenziffern in vielen Industrieländern jedoch unter diese sogenannte Bestandserhaltungsquote gesunken. In Deutschland, Italien, Korea und
Baby Blues
BABY BLUES Die Geburtenziffern sind in großen Teilen des OECD-Raums zurückgegangen Bestandserhaltungsquote: 2,1 Kinder. (Zur Sicherung des Bevölkerungsbestands sollten die Frauen im Durchschnitt 2,1 Kinder zur Welt bringen)
Kinderzahl je Frau
2.3
Vereinigte Staaten
1.9
OECD
1.7
Japan
1.5
1980
1985
1990
Quelle: Gesellschaft auf einen Blick 2005.
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Da die Frauen weniger Kinder bekommen, wird es in Zukunft weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter geben, um z.B. Renten und Sozialleistungen zu finanzieren.
1995
2000
Daten zu weiteren OECD-Ländern sind über den StatLink (siehe unten) abrufbar
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/426518142513
3. Erste Schritte
Österreich z.B. werden durchschnittlich nur 1,3 Kinder je Frau geboren. (In Australien veranlassten die niedrigen Geburtenziffern des Landes den damaligen Finanzminister gar dazu, die Bürger aufzufordern, „ein Kind für den Vater, eins für die Mutter und eins für das Land zu bekommen“.) Während die Geburtenziffern sinken, steigt die Lebenserwartung, vor allem dank medizinischer Fortschritte. Dadurch verändert sich in vielen Ländern das Gleichgewicht zwischen „Jung und Alt“, manchmal sogar recht drastisch. Was tun? Die Lösung besteht u.a. darin, die Erwerbsbeteiligung der Frauen zu erhöhen. In der Tat war die Entscheidung immer zahlreicherer Frauen, eine Beschäftigung aufzunehmen, in den letzten Jahrzehnten ein wichtiger Faktor für den Anstieg der Erwerbsbeteiligung im OECD-Raum. Dieser Trend könnte noch eine ganze Zeit lang anhalten: In den OECD-Ländern sind etwa drei von vier Männern im erwerbsfähigen Alter (15-64 Jahre) beschäftigt, gegenüber knapp über zwei von vier Frauen. „Die stärkere Erwerbsbeteiligung von Frauen war in den letzten Jahrzehnten … eine wichtige Komponente bei der Ausweitung des Arbeitsangebots.“ OECD-Beschäftigungsausblick 2006
Bei der Erhöhung der Erwerbsbeteiligung der Frauen steht die Gesellschaft vor der Herausforderung, Lösungen zu finden, die es Frauen ermöglichen, berufliche und familiäre Pflichten miteinander zu vereinbaren. Auf den ersten Blick scheinen diese beiden Anforderungen im Widerspruch zu stehen, dem muss aber nicht so sein. Sind geeignete Kinderbetreuungssysteme vorgesehen, dürften sich die Frauen eher in der Lage fühlen, Kinder zu erziehen und einem Beruf nachzugehen. Dies lässt sich anhand zweier Beispiele illustrieren: In Schweden haben – unabhängig von ihrem Bildungsabschluss – zwischen rd. 15% und 20% der Frauen im Alter von 40 Jahren keine Kinder. In der Schweiz, wo Kinderbetreuungsmaßnahmen weniger entwickelt sind als in Schweden, sind rd. 40% der Frauen mit Universitätsabschluss kinderlos, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass sich Karriere und Familienleben nur schwer unter einen Hut bringen lassen.
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OECD Insights: Humankapital
Schwierige Entscheidungen Wie dem auch sei, stellen Erwerbsarbeit und Kindererziehung in vielen Teilen der Welt zweifelsohne eine echte Doppelbelastung dar. Zudem besteht selbst nach den Fortschritten der letzten Jahrzehnte kein Zweifel daran, dass familiäre Pflichten die Karriere der Mutter immer noch stärker beeinträchtigen als die des Vaters, da die Frauen nach wie vor die Hauptlast der Kindererziehung tragen. Einer in Europa durchgeführten Studie zufolge sind die Männer laut eigener Aussage im Durchschnitt lediglich in 10% der Familien für die Kinderbetreuung verantwortlich (ihre Partnerinnen beziffern diesen Anteil nur auf 5%). Es ist daher nicht überraschend, dass viele Frauen sich dafür entscheiden, zu Hause zu bleiben oder nur einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen – und in einigen Ländern werden sie sogar effektiv dazu ermutigt. Das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben kann indessen schwerwiegende Folgen für die Karriere einer Frau haben. Studien zeigen, dass eine Abwesenheit vom Arbeitsmarkt bereits ab etwa 6 Monaten den Karriereaussichten der Mutter schadet. In der Tat beeinträchtigt schon das Vorhandensein eines Kindes das Einkommen der Mutter: Laut einer für das Vereinigte Königreich durchgeführten Untersuchung liegt der Stundenlohn der Frauen bei 91% des entsprechenden Satzes der Männer. Wenn sie Mütter werden, sinkt diese Zahl auf 67%. Selbst wenn ihre Kinder aus dem Haus sind, kommen sie nicht über einen Durchschnittsverdienst von 72% des Niveaus der Männer hinaus. Wenn Frauen aber arbeiten müssen oder die Beeinträchtigung ihrer Karriere durch die Mutterschaft reduzieren wollen, haben sie keine andere Wahl, als ihre Kinder in eine Kindertageseinrichtung zu geben. Auch hier sind schwierige Entscheidungen zu treffen. Dies ist zwar Gegenstand zahlreicher Kontroversen, viele Experten sind jedoch der Ansicht, dass Kinder vermutlich erst ab einem Alter von etwa zwei Jahren aus der Tagesbetreuung Nutzen ziehen. So stehen die Familien vor einem wirklichen Dilemma, und die Entscheidungen, die sie treffen, können sich sowohl direkt – indem sie bestimmen, wer sich um das Kind kümmert – als auch indirekt – indem sie das Familieneinkommen erhöhen oder verringern – auf das Leben der Kinder auswirken. Solche Entscheidungen werden aber nicht isoliert gefällt, vielmehr werden sie in modernen Gesellschaften oft stark von staatlichen Maßnahmen beeinflusst. 54
3. Erste Schritte
Wie kann der Staat Kindern und Familien helfen? Der Staat greift in unterschiedlicher Weise – direkt und indirekt – in das Leben der Familien ein, z.B. durch Steuersysteme, Transferleistungen, Erziehungsurlaub, Programme für sozial besonders schwache Familien, staatliche Beihilfen für die Tagesbetreuung usw. Die verschiedenen Optionen können tiefgreifende Auswirkungen auf Kinder im Vorschulalter haben, weil damit beeinflusst wird, ob sie zu Hause von einem Elternteil, bei einem Verwandten bzw. einer Tagesmutter oder in einer Kindertagesstätte betreut werden.
Arbeiten gehen oder zu Hause bleiben Auch wenn sie einem ganz anderen Lebensbereich anzugehören scheinen, spielen Steuer- und Transfersysteme eine wichtige Rolle bei der Art, wie Kinder betreut werden. Es ist nicht immer einfach, den Einfluss solcher Systeme zu erfassen; wie schon Albert Einstein gesagt haben soll: „Am schwersten auf der Welt zu verstehen ist die Einkommensteuer“. Je nach dem Land, in dem sie leben, werden verheiratete oder zusammenlebende Paare bei der Steuer gemeinsam oder getrennt veranlagt, erhalten sie, wenn sie Kindertageseinrichtungen in Anspruch nehmen, Steuerermäßigungen oder nicht und erhöht sich ihre Steuerschuld mit steigendem Einkommen sehr rasch oder sehr langsam. Die möglichen Kombinationen sind nahezu unzählig und sie können großen Einfluss darauf ausüben, ob Eltern und insbesondere Mütter einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Zum Beispiel werden Ehegatten in einigen Steuersystemen gemeinsam veranlagt, was den Effekt haben kann, dass der Zweitverdiener – d.h. derjenige, der weniger verdient – in eine höhere Steuerklasse eingestuft wird. Die zusätzlichen Steuern, die der Zweitverdiener bezahlen muss, schmälern sein Einkommen und können so zu einem Negativanreiz für die Erwerbstätigkeit werden. „Die derzeitigen Steuer- und Transfersysteme halten Mütter davon ab, sich am Erwerbsleben zu beteiligen oder wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen – und dies muss sich ändern.“ Extending Opportunities
Staatliche Beihilfen können ähnliche Effekte haben. Finanziell schlechter gestellten Familien können auf Grund des zusätzlichen Einkommens des Zweitverdieners bestimmte Leistungen wie 55
OECD Insights: Humankapital
Kindergeld oder Steuerfreibeträge entgehen, so dass sie einen Nettoverlust erleiden, vor allem wenn sie die Kinderbetreuungskosten einrechnen. Auch hier schafft das Steuer- und Transfersystem Anreize für den Zweitverdiener, nicht zu arbeiten, und dies kann langfristige Auswirkungen sowohl auf die Form der Kinderbetreuung als auch das Familieneinkommen haben.
Deckung der Grundbedürfnisse Staatliche Beihilfen können sogar einen noch größeren Einfluss auf das Leben von Kindern haben. Wie wir bereits gesehen haben, erhalten in Mexiko etwa 5 Millionen Familien – rund ein Viertel der Bevölkerung – hauptsächlich in ländlichen Regionen im Rahmen des gezielt auf diese Bevölkerungsgruppe ausgerichteten Programms Oportunidades kleine monatliche Zuwendungen. Deren Auszahlung ist jedoch an bestimmte Bedingungen geknüpft, namentlich dass die Kinder zur Schule gehen und sich regelmäßig ärztlich untersuchen lassen. Das Programm ist auch im Hinblick auf andere Aspekte innovativ. Die finanziellen Zuwendungen werden normalerweise an die Mütter gezahlt, da angenommen wird, dass sie das Geld eher für die Grundbedürfnisse der Kinder ausgeben als die Väter. Außerdem bekommen die Familien geringfügig höhere Zuwendungen für Mädchen als für Jungen, eine Strategie, mit der der Tendenz traditioneller Gemeinschaften zur Geringschätzung der Mädchen entgegengewirkt werden soll. Das Programm ist auch Kritik ausgesetzt. Laut einer mexikanischen Zeitung soll es in einigen Bundesstaaten vorgekommen sein, dass Familien die im Rahmen des Programms verteilte Babynahrung an ihre Schweine verfüttert haben, weil ihre Kinder sie nicht essen wollten. Dennoch gibt es Anzeichen dafür, dass mit dem Programm Fortschritte erzielt werden. Eine Studie zeigte, dass die Schulbesuchsquote der Mädchen in den teilnehmenden Familien um 20% (und der Jungen um 10%) gestiegen ist, während die Krankheitsfälle unter Kindern im Alter von ein bis fünf Jahren um 12% zurückgegangen sind. Die Idee, Geldleistungen an Bedingungen zu knüpfen, setzt sich durch, und andere südamerikanische Länder, wie Peru und Brasilien, haben ähnliche Programme eingeführt. Durch Oportunidades „stieg die Schulbesuchsquote im Sekundarbereich um nahezu 20% für Mädchen und 10% für Jungen…“ Extending Opportunities 56
3. Erste Schritte
Die OECD und … die aktive Sozialpolitik Sozialpolitik wird gelegentlich als Sicherheitsnetz für Menschen mit Problemen betrachtet. Dies veranlasste einige Kritiker dazu, der Sozialpolitik vorzuwerfen, dass sie die Menschen aus der Verantwortung entlässt und von der wirtschaftlichen Realität abschirmt. Trotz solcher Angriffe würde sich fast niemand für eine vollständige Abschaffung der Sozialleistungen aussprechen, vor allem nicht für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft, z.B. Kinder. Angesichts des Rückgangs der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter suchen die Regierungen jedoch zunehmend nach Möglichkeiten, die Sozialpolitik zu reformieren. In den letzten Jahren hat sich die OECD für eine aktive Sozialpolitik eingesetzt. Das Ziel ist dabei nicht nur, Menschen mit Problemen zu helfen, sondern in Menschen zu investieren und damit der Entstehung von Problemen vorzugreifen (indem z.B. geeignete Steuer- und Kinderbetreuungssysteme geschaffen werden, die es Müttern erleichtern, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und so das Familieneinkommen zu erhöhen). Immer mehr Regierungen übernehmen solche Ansätze. Im Jahr 2005 erklärten die OECD-Sozialminister: „Die Sozialpolitik muss proaktiv sein und vor allem auf Investitionen in die individuellen Fähigkeiten der Menschen und die Realisierung ihres jeweiligen Potenzials setzen, statt lediglich gegen Existenzrisiken abzusichern“.
Die aktive Sozialpolitik wird jedoch ebenfalls kritisiert. Ihr wird mitunter vorgeworfen, dass sie von Regierungen, die ihr Engagement im Wohlfahrtsbereich reduzieren wollen, als Vorwand benutzt wird, um den Bürgern mehr Verantwortung aufzubürden. Früher, so wird argumentiert, konnten sich die Bürger darauf verlassen, im Fall von Arbeitslosigkeit oder im Alter durch staatliche Leistungen abgesichert zu sein; heute würden sie zunehmend dazu angehalten, selbst vorzusorgen, indem sie ihr Humankapital entwickeln oder in private Rentenfonds investieren. Manche Beobachter führen zudem an, dass die aktive Sozialpolitik einer Situation gleichkommt, in der die Sozialpolitik marktwirtschaftlichen Prinzipien unterworfen wird. Die traditionelle Sozialpolitik gründet sich in der Regel auf eine Umverteilung der Einkommen von Reich nach Arm mit dem unmittelbaren Ziel, eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen. Im Gegensatz dazu kann die aktive Sozialpolitik – mit ihrer Ausrichtung auf die frühkindliche Entwicklung – als Versuch gesehen werden, die Menschen mit den nötigen Kapazitäten auszustatten, um in der Zukunft wettbewerbsfähig zu sein. Kritiker wenden hier ein, dass die Schaffung einer solchen wettbewerbsorientierten Gesellschaft nur dann gerecht ist, wenn wirklich alle die gleichen Ausgangschancen haben. In vielen Ländern ist dies auf Grund der großen Einkommenskluft allerdings nicht immer der Fall.
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OECD Insights: Humankapital
In gewissem Sinne sind solche stark zielgerichteten Programme ein Kompromiss zwischen der Höhe der Steuern, die die Regierungen für soziale Belange erheben können, und dem Ausmaß der Probleme, die sie damit lösen wollen. Schweden kann sich z.B. des wohl weltweit umfassendsten Kinderbetreuungssystems brüsten. Die Kindertageseinrichtungen werden stark bezuschusst, und es gibt immer freie Plätze, die Kosten für medizinische Versorgung ebenso wie für Bildung sind niedrig, und die Eltern können mit der Gewissheit, dass sie an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können, bis zu 18 Monate Erziehungsurlaub nehmen. Das hört sich perfekt an, abgesehen von einem kleinen Detail: den Steuern. Die Summe der vom Staat erhobenen Steuern und Abgaben (mit denen nicht nur die Kinderbetreuung, sondern auch ein breites Spektrum anderer Programme finanziert wird) entspricht etwas mehr als der Hälfte des landesweiten BIP. Demgegenüber beläuft sich das Steueraufkommen in Mexiko – einem ärmeren Land als Schweden, in dem mehr Kinder in Armut leben als in allen anderen OECD-Ländern – auf knapp unter ein Fünftel des BIP. Auch wenn Mexiko gut beraten wäre, seine Steuereinnahmen zu erhöhen, um seine Sozialausgaben ausweiten zu können, würden wenige Politiker das Risiko eingehen, den Wählern eine so hohe Steuerlast wie in den nordischen Ländern aufzubürden, nicht einmal unter dem Versprechen, eine universelle Versorgung einzuführen.
Auszeit für die Eltern Der Staat kann mehr für Kinder und ihre Familien tun, als nur Geld zu verteilen. Nehmen wir z.B. den Erziehungsurlaub, dessen Ursprung auf die 1870er Jahre und den ersten deutschen Kanzler Otto von Bismarck zurückgeht. Um der Anziehungskraft des Sozialismus entgegenzuwirken, führte dieser eine Reihe Gesundheits- und Sozialversicherungsmaßnahmen für Arbeiter ein, darunter auch eine dreiwöchige Pause für Mütter nach der Entbindung. Heute dauert der Mutterschaftsurlaub im Allgemeinen viel länger – bis zu drei Jahre in Finnland, Frankreich und Deutschland –, obwohl die Mütter normalerweise nur während der ersten drei Monate einen vollen oder fast vollen Gehaltsausgleich erhalten. Danach reduzieren sich die Leistungen im Allgemeinen oder werden ganz gestrichen, aber gewöhnlich steht den Müttern das Recht zu, an ihren alten Arbeitsplatz zurückzukehren.
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3. Erste Schritte
Vaterschaftsurlaub ist dagegen viel weniger verbreitet und häufig unbezahlt. Selbst in Ländern, in denen Vaterschaftsurlaub existiert, nehmen die Väter ihn nur selten voll in Anspruch, aus Angst, Einkommensverluste zu erleiden und bei ihren Arbeitgebern den Eindruck zu erwecken, dass sie sich weniger in ihre Arbeit investieren. Einige Länder, wie Island, bieten gut bezahlten Vaterschaftsurlaub und sogar geteilten Erziehungsurlaub, den sich das Paar entsprechend seinen Bedürfnissen aufteilen kann. Der vom Staat bezahlte Erziehungsurlaub kann den Eltern dabei helfen, einen Teil der „Betreuungslücke“ zu überbrücken. Darüber hinaus können die Eltern aber auch in den Genuss familienfreundlicher Maßnahmen in den Unternehmen kommen, wie Teilzeitbeschäftigung, mit der Dauer des Schuljahres übereinstimmende Arbeitsverträge und die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, vor allem wenn das Kind krank ist. Die Regierungen verpflichten die Unternehmen indessen nur ungern zur Einführung solcher Maßnahmen. In einer globalisierten Wirtschaft können die Unternehmen solche Auflagen als eine unfaire Last betrachten, wenn sie nicht auch für die Wettbewerber im Ausland gelten. Das Gleiche gilt für die Teilzeitbeschäftigung, in der die Gewerkschaften eine Bedrohung für die Vollzeitbeschäftigung sehen können. Einige Unternehmen berichten, dass eine flexible Arbeitsorganisation Personalfluktuationen, Fehlzeiten sowie Einstellungs- und Schulungskosten verringert. Dennoch bleibt es sehr schwierig, den reellen Einfluss solcher Maßnahmen auf die Unternehmensrentabilität zu messen und so ein starkes Geschäftsargument für sie zu liefern. Infolgedessen variiert das Angebot flexibler Arbeitsformen erheblich zwischen den einzelnen Ländern: In Österreich und Italien geben mehr als zwei von drei Frauen an, dass in ihrem Unternehmen flexible Arbeitsformen angeboten werden, in Irland und dem Vereinigten Königreich nur zwei von fünf Frauen.
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OECD Insights: Humankapital
Welchen Nutzen bringt den Kindern die Vorschulbildung? Die Betreuung von Kindern im Vorschulalter wird gelegentlich wie eine Sicherheitsübung behandelt. Solange ein Kind nicht sein Frühstück im Sandkasten erbricht, im Planschbecken ertrinkt oder den Kindergarten in Brand setzt, wird der Tag oft schon als Erfolg gewertet. Sollte es dabei noch etwas lernen – umso besser.
„Dienste für Kinder unter drei Jahren wurden häufig als Ergänzung zu Arbeitsmarktpolitiken gesehen, so dass bei der Unterbringung von Kleinst- und Kleinkindern wenig auf die Förderung ihrer Entwicklung geachtet wurde.“ Starting Strong II
Tatsache ist, dass wir vermutlich höhere Erwartungen in das setzen sollten, was Vorschulkinder erreichen können. Kinder verfügen in ihren ersten Lebensjahren über außergewöhnliche Lernfähigkeiten, die durch wohldurchdachte Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungsangebote gefördert werden können. Für Kinder mit Migrationshintergrund, die möglicherweise Sprachschwierigkeiten haben oder einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt sind, kann dies von besonders großem Nutzen sein. Leider wird das Potenzial von Vorschulkindern nicht immer voll ausgeschöpft.
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3. Erste Schritte
STANDPUNKT
David Shipler
In diesem gekürzten Auszug aus dem Buch „The Working Poor: Invisible in America“ berichtet der Autor David Shipler über die Probleme von Caroline Payne, einer amerikanischen erwerbstätigen Mutter, und Amber, ihrer behinderten Tochter. Caroline hat eine Beschäftigung in einer Fabrik der Firma Tampax gefunden, wo sie gelegentlich auch nachts arbeiten und Amber alleine zu Hause lassen muss… Wenn Caroline in der Fabrik die Maschinen bedient, die die Tamponschachteln in Kartons verpacken, macht sie sich fortwährend Sorgen um Amber, und das mit gutem Grund. Mit 14 Jahren kann Amber kaum lesen und schreiben, nur mit Mühe die Zeit an Uhren mit Zeigern ablesen und nicht beurteilen, ob 10 $ ausreichen, um etwas für 4 $ zu kaufen. Aber sie kann Flöte spielen, wenn ihre Mutter für jede Note den entsprechenden Buchstaben auf das Notenblatt schreibt. Amber nimmt in einer Tanzschule an Gymnastikkursen teil, für die ihre Mutter bezahlt, indem sie einmal pro Woche den Saal der Schule reinigt. Da Amber auch unter Epilepsie leidet, rieten die Ärzte der Mutter sie auf Grund des Risikos von Anfällen nicht über längere Zeit alleine zu lassen. Die logistische Herausforderung, bei laufend wechselnden Schichtarbeitszeiten die Betreuung von Amber zu organisieren, geht jedoch über Carolines Kräfte, so dass sie in ständiger Unruhe lebt. Eines Tages erzählt Amber zufällig ihrem Lehrer, wie unheimlich ihr sei, wenn sie im Dunkeln alleine zu Hause ist. Der Lehrer ist beunruhigt und droht damit, Caroline wegen Vernachlässigung beim Jugendamt anzuzeigen. „Sie kann nicht für sich selbst sorgen“, sagt Donald R. Hart, der Schulleiter der Claremont Middle School. „Wir sind rechtlich dazu verpflichtet, den Fall dem Jugendamt zu melden, wenn die
Vernachlässigung nicht aufhört“. Er bringt diese Frage im Kreis seines „Wrap-aroundTeams“, seines Beratungsteams, zur Sprache, das sich aus einem Schulpsychologen, einem Vertreter des Sozialamts, einem Jugendsozialarbeiter und einem Orientierungsberater zusammensetzt. „Ich fragte sie, welche Betreuungsdienste für Amber zur Verfügung stehen, während ihre Mutter arbeitet“, berichtet er, „und die Antwort war: keine“. Aus Angst, dem Jugendamt gemeldet zu werden, hört Caroline auf zu arbeiten und ruft etliche Stellen an, um Betreuung für Amber zu finden, was aber zu keinem Ergebnis führt. „Ich versuche mein Bestes und komme trotzdem nicht über die Runden“, sagt sie. „Jetzt habe ich keine Arbeit mehr und muss Sozialhilfe beantragen. Da tut man alles, um auf die Beine zu kommen, und wird doch immer wieder zurückgeworfen. Wenn ich nicht arbeite, ist das auch Vernachlässigung: Dann kann ich mein Kind nicht mehr ernähren und ihm keine Kleider mehr kaufen.“ Das vielleicht Erstaunlichste und Beunruhigendste an dieser komplizierten Geschichte ist, dass keiner an die offensichtlichste Lösung gedacht hatte: Wenn es die Fabrik Caroline ermöglicht hätte, nur tagsüber zu arbeiten, hätte sich das Problem von alleine gelöst. Caroline hatte einen ihrer Vorgesetzten darum gebeten und war abgewiesen worden. Aber sonst war niemand – weder der Schulleiter noch der Arzt noch die unzähligen Behörden, die sie kontaktiert hatte –, keiner, dessen Beruf es ist, anderen zu helfen, auf die Idee gekommen, den Fabrikleiter, den Vorarbeiter oder irgendjemand anders in einer führenden Position anzurufen, um sich für Caroline einzusetzen. © 2004 David Shipler
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OECD Insights: Humankapital
Privater und öffentlicher Sektor In den OECD-Ländern verbringen Kinder heutzutage normalerweise bis zu zwei Jahre im Kindergarten oder in Kindertagesstätten, bevor sie in die Grundschule kommen. Je nachdem wo sie leben, können sie bis zu über acht Stunden oder gerade einmal zwei bis drei Stunden pro Tag in einer Kinderbetreuungseinrichtung verbringen. Da die Kindergarten- und Kindertagesstättenzeiten oftmals nicht mit den Arbeitszeiten der Eltern übereinstimmen, stellt dies für viele Familien ein Problem dar. So können die Eltern u.U. nur Teilzeit arbeiten oder müssen die Kinder nach (und teilweise auch schon vor) dem Kindergarten zu einer Tagesmutter. Die Nachfrage nach professioneller Kinderbetreuung steigt rasch, da immer mehr Mütter in den Arbeitsmarkt eintreten. In vieler Hinsicht dürfte der private Sektor besser in der Lage sein als der Staat, dieser Nachfrage schnell nachzukommen. Die Zunahme der Quantität geht indessen nicht immer mit einem Anstieg der Qualität
Wo fliesst das Geld hin?
WO FLIESST DAS GELD HIN? Jährliche Gesamtausgaben je Schüler und Studierenden in verschiedenen Bildungsbereichen im OECD-Raum h* eic
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Die Länder geben nicht immer viel für die Vorschulbildung aus, was bedeuten kann, dass Chancen der frühkindlichen Entwicklung ungenutzt bleiben.
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Angaben in US-$, 2003
Quelle: Bildung auf einen Blick 2006.
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*Ohne FuE-Ausgaben
Daten zu allen 30 OECD-Ländern sind über den StatLink (siehe unten) abrufbar
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/717773424252
3. Erste Schritte
einher. In vielen Ländern haben die Erwachsenen, die Kleinkinder und insbesondere Kinder unter drei Jahren betreuen, keine entsprechende Berufsausbildung und sind schlecht bezahlt, was zu hoher Personalfluktuation führt. Und die Kindertageseinrichtungen müssen sich manchmal nicht einmal registrieren lassen oder eine Zulassung beantragen. Gelegentlich ist die einzige Auflage, die ihnen aus Gesundheits- und Sicherheitsgründen gemacht wird, nicht mehr als eine bestimmte Zahl von Kindern aufzunehmen. Wenn der private Sektor zur Deckung der Nachfrage beitragen kann, ist es Aufgabe des öffentlichen Sektors – des Staats –, die Qualität der Kinderbetreuung zu gewährleisten. Doch obwohl die Länder ihre Ausgaben für Vorschulkinder erhöht haben, manchmal in recht beträchtlichem Umfang, investieren viele Länder insgesamt wahrscheinlich immer noch nicht genügend Zeit, Geld und Mühe in die Einführung und Durchsetzung von Qualitätsnormen.
„Trotz steigender Investitionen in Familien und Kleinkinder existieren noch immer signifikante Engpässe, insbesondere bei Diensten für Kinder unter drei Jahren.“ Starting Strong II
Die großen Disparitäten bei den Ausgaben für Kinderbetreuung führen zu erheblichen Unterschieden beim Zugang zu Betreuungsdiensten. Viele europäische Länder befürworten z.B. das Konzept des „universellen Zugangs“ – was mit anderen Worten bedeutet, dass alle Kinder einen Mindestanspruch auf Betreuung und Bildung ab dem Alter von drei Jahren oder früher (in Finnland ab der Geburt) haben. In anderen Ländern beginnt die kostenfreie Bildung erst im Alter von fünf Jahren, und kostenlose Vorschulbildung existiert manchmal nur für Kinder mit spezifischen Bedürfnissen, z.B. solche mit Migrationshintergrund, aus sozial schwachen Familien oder mit Lernschwierigkeiten. Die Frage des Zugangs ruft heftige Emotionen hervor. Die Verfechter eines durch den Staat finanzierten universellen Zugangs sind der Ansicht, dass jedes Kind, unabhängig von seinem sozialen Hintergrund, ein Recht auf Vorschulbildung haben sollte. Laut den Gegnern dieses Konzepts kann von Steuerzahlern mit niedrigerem
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OECD Insights: Humankapital
Einkommen jedoch nicht verlangt werden, dass sie die Kinderbetreuung der Mittelklasse subventionieren, die selbst dafür aufkommen kann, und sollten staatliche Gelder dorthin fließen, wo sie am dringendsten benötigt werden. Je mehr die Nachfrage nach Kinderbetreuung wächst, umso hitziger dürfte diese Debatte werden.
Betreuung und Lernen Was verstehen wir unter „Betreuung“, „Bildung“ und „Lernen“? Bei Kindern im Vorschulalter ist es eigentlich gar nicht so wichtig, hier zu unterscheiden. Kleinst- und Kleinkinder lernen ständig, selbst wenn es so aussieht, als würden sie nur „betreut“. Wenn der Vater sein Kind z.B. das Fläschchen halten lässt, gibt er ihm zu essen („Betreuung“) und hilft ihm zugleich, seine Selbstständigkeit zu entwickeln („Lernen“).
„In den meisten Ländern wurden die Maßnahmen für ,Betreuung‘ und ,Bildung‘ separat entwickelt, wobei unterschiedliche Systeme für Governance, Finanzierung und Personalausbildung eingerichtet wurden …“ Starting Strong I
Leider tendierten viele Länder lange Zeit dazu, die Vorschulphase entweder dem Betreuungs- oder dem Bildungsbereich zuzuordnen und übertrugen die entsprechenden Zuständigkeiten somit entweder dem Gesundheits- oder dem Bildungsministerium. Dieser Ansatz, der inzwischen weniger üblich ist, kann dazu führen, dass Chancen ungenutzt bleiben. Wird das Augenmerk ausschließlich auf die Betreuung gerichtet, können die Lernbedürfnisse der Kinder zu kurz kommen; wird das Lernen zu stark betont, werden etwaige Entwicklungs- und Gesundheitsprobleme der Kinder, insbesondere solcher aus benachteiligten Verhältnissen, möglicherweise übersehen.
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3. Erste Schritte
Verschiedene Ansätze Auch für das Lernen in der Vorschulzeit gibt es verschiedene Ansätze. Der in Frankreich und englischsprachigen Ländern übliche Ansatz ist auf die „Schulfähigkeit“ ausgerichtet. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung von Kenntnissen und Fertigkeiten, die den Kindern später in der Schule nützlich sein werden. Bei einem zweiten Konzept, das in mitteleuropäischen und nordischen Ländern weit verbreitet ist, werden die ersten Lebensjahre nicht nur als Vorbereitung auf die Schule, sondern auf das Leben insgesamt angesehen. Die Kinder werden dazu ermutigt, miteinander zu spielen und zu kommunizieren, und werden häufig zu Gruppenarbeiten angeleitet, damit sie ihre sozialen Fähigkeiten entwickeln können. Bei diesem Ansatz werden die Vorschuljahre als ein Zeitraum betrachtet, der für sich genommen wichtig ist. Zur Illustration der Unterschiede zwischen diesen beiden Ansätzen sei ein Beispiel angeführt: In den nordischen Ländern verbringen die Kinder häufig mehrere Stunden pro Tag im Freien, das als genauso wertvoller Ort für das Lernen erachtet wird wie die Räume innen. In Frankreich und den englischsprachigen Ländern verbringen die Kinder ihre Pause zwar draußen, aber gelernt wird drinnen. Das Konzept der „Schulfähigkeit“ kann auf Eltern und Lehrkräfte sehr attraktiv wirken. Es beinhaltet gewissermaßen das Versprechen, dass die Kinder bereits mit einem Vorsprung im Lesen und Schreiben in die Grundschule kommen. Dabei ist allerdings nicht klar, ob dieser Ansatz wirklich optimal auf die Lernprozesse kleiner Kinder zugeschnitten ist, zumal die Kinder im lockereren nordischen Modell keine Nachteile zu erleiden scheinen. In Finnland kommen die Kinder erst im Alter von etwa sieben Jahren in die Grundschule. Die vorangehenden Jahre verbringen sie in Kindertageseinrichtungen, die mit Lehrern, ausgebildeten Pflegeassistenten und Erziehern besetzt sind, und wo die Zeit, die für die Entwicklung formaler Lernkompetenzen aufgewandt wird, auf ein Mindestmaß beschränkt ist. Dennoch gehören die finnischen Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 Jahren zu denjenigen, die bei Lesekompetenz- und Mathematiktests weltweit am besten abschneiden. Finnischen Kindern kommt außerdem die Tatsache zugute, dass
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OECD Insights: Humankapital
der Weg von der Vorschule in die Schule genau vorgezeichnet ist und viel darüber nachgedacht wird, wie ein reibungsloser Übergang von einem Bildungsbereich in den nächsten gewährleistet werden kann. In der Tat würde sich eine etwas bessere Koordination zwischen sämtlichen Bereichen der Vorschulpolitik in vielen OECD-Ländern vorteilhaft auswirken. Dies bedeutet u.a., dass sowohl über Kinderbetreuung als auch über Lernbedürfnisse nachgedacht und gleichzeitig die Kontinuität zwischen den Vorschul- und den Schuljahren sichergestellt werden muss. Natürlich kostet das alles Geld. In Anbetracht der damit verbundenen Bildungsvorteile und sozialen Nutzeffekte sollten sich die Länder jedoch fragen, ob solche Ausgaben nicht zu den besten langfristigen Investitionen gehören, die sie überhaupt tätigen können.
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3. Erste Schritte
Weitere OECD-Studien zu diesem Thema h Babies and Bosses – Reconciling Work and Family Life (Publikationsreihe) – Volume 1: Australia, Denmark and the Netherlands (2002). – Volume 2: Austria, Ireland and Japan (2003). – Volume 3: New Zealand, Portugal and Switzerland (2004). – Volume 4: Canada, Finland, Sweden and the United Kingdom (2005). Arbeit und Familienleben miteinander zu vereinbaren, ist eine Herausforderung. Manch einer hätte gerne eine größere Familie, fürchtet aber, dass sein Einkommen dazu nicht ausreicht. Andere sind mit der Größe ihrer Familie zufrieden, würden aber gerne mehr bzw. weniger arbeiten oder flexiblere Arbeitszeiten haben. Für den Einzelnen ebenso wie die Familie, für das Wirtschaftswachstum und die soziale Entwicklung ist es wesentlich, hier das richtige Gleichgewicht zu finden. Die Reihe Babies and Bosses untersucht, wie ein breites Spektrum von Maßnahmen – das von Steuern über Sozialleistungen bis hin zu Kinderbetreuung reicht – darüber entscheidet, ob Erwerbstätigkeit und Kindererziehung miteinander verbunden werden können, und liefert Ansätze für Reformen. h Extending Opportunities: How Active Social Policy Can Benefit Us All (2005) Sozialpolitik wird häufig als Last für die Gesellschaft
diskreditiert, ein gut konzipierter sozialer Schutz kann aber für eine nachhaltige soziale Entwicklung ein entscheidendes Kriterium sein. Um dem gerecht zu werden, muss jedoch der Schwerpunkt der Sozialpolitik von der Absicherung des Einzelnen gegen eine kleine Zahl genau definierter Risiken auf eine „aktive Sozialpolitik“ verlagert werden, bei der in die Fähigkeiten der Menschen investiert wird, um deren Potenzial in jedem Lebensabschnitt möglichst optimal zu nutzen. Extending Opportunities bietet eine umfassende Beurteilung sozialer Fragen in den OECD-Ländern, wie Armutsniveaus, geschlechtsspezifische Unterschiede bei Beschäftigungsquoten und Arbeitsentgelten, Sozialleistungen, Behinderung sowie Probleme älterer Menschen. Die Publikation untersucht zudem die Möglichkeiten, die sich einer aktiven Sozialpolitik in diesen Bereichen bieten.
h Starting Strong II: Early Childhood Education and Care (2006) Die wirtschaftliche Entwicklung und der rasche soziale Wandel haben die Familienstrukturen und die Formen der Kinderbetreuung erheblich verändert. Dieser Bericht über frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung (FBBE) in 20 OECD-Ländern beschreibt die sozialen, wirtschaftlichen, konzeptuellen und forschungsrelevanten
Faktoren, die die FBBEPolitik beeinflussen. Dazu gehören die Ausweitung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, die Vereinbarung beruflicher und familiärer Pflichten in einer für Frauen gerechteren Weise, die Bewältigung demografischer Herausforderungen und insbesondere die Lösung von Fragen in Zusammenhang mit Zugang, Qualität, Diversität, Kinderarmut und Bildungsnachteilen. Wie die einzelnen Länder solche Fragen angehen, wird durch ihre Sozial- und Wirtschaftstradition, ihr Familienbild und ihre Einstellung zu Kleinkindern wie auch durch Forschungsergebnisse über die Nutzeffekte hochwertiger FBBE-Dienste beeinflusst. Starting Strong II untersucht, wie die Teilnehmerländer auf die Fragen geantwortet haben, die in der vorherigen Ausgabe von Starting Strong (2001) aufgeworfen wurden. Darüber hinaus werden neue Politikinitiativen untersucht, Politikbereiche identifiziert, denen die Regierungen besondere Aufmerksamkeit schenken müssen, und die FBBE-Systeme in den einzelnen Teilnehmerländern kurz vorgestellt.
Verwiesen wird in diesem Kapitel auch auf die Publikation: h OECD-Beschäftigungsausblick – Ausgabe 2006: Mehr Arbeitsplätze, höhere Einkommen.
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OECD Insights: Humankapital
Zur Einleitung… Wenn man die Schule Les-Compagnons-de-Cartier in Quebec besucht und den PROTIC-Klassenraum betritt, könnte man fälschlicherweise den Eindruck gewinnen, sich effektiv in einer Nachrichtenredaktion zu befinden. Auf jedem Tisch steht ein offener Laptop, die Schülerinnen und Schüler dürfen hin- und hergehen und miteinander über die Projekte reden, an denen sie gerade arbeiten. Der Lehrer steht nicht vor der Klasse, sondern bewegt sich zwischen den Schülern, die einzeln oder in Gruppen arbeiten, er überprüft ihre Arbeit, stellt Fragen und gibt Feedback. Mit diesem spezifischen Programm sollen die Schülerinnen und Schüler die Verantwortung für ihr eigenes Lernen übernehmen. Dabei sollen sie in Gruppen arbeiten, innerhalb gewisser Grenzen selbst ihre Lernziele formulieren und sich für Nachforschungen und Kommunikation der Informationstechnologie bedienen. Für die Lehrer bedeutet dies eine große Umstellung: „… Man muss sich damit abfinden, nicht mehr die Kontrolle über alles zu haben, was sich in der Klasse abspielt“, sagt einer von ihnen. „Wir sind nicht mehr die alleinige Wissensquelle“. Dies hat wahrscheinlich wenig mit der Art von Schule zu tun, die die meisten von uns besucht haben. Oder anders gesagt, die Schulen verändern sich. Selbst wenn wir immer noch das Bild des traditionellen Frontalunterrichts vor Augen haben, ist doch festzustellen, dass sich die Bildungsvermittlung unter dem Einfluss des sozialen und wirtschaftlichen Wandels weiterentwickelt: Latein wird durch Spanisch oder Chinesisch ersetzt, Euklid weicht der modernen Mathematik und Informatik. Heute, wo der ökonomische Wert der Bildung – eine Schlüsselkomponente des Humankapitals – steigt, erfinden sich die Schulen noch einmal neu, was aber leider häufig nicht so effizient und rasch geschieht, wie es notwendig wäre. X Das vorliegende Kapitel befasst sich mit der Frage, wie gut die Schulen junge Menschen bei der Entwicklung ihres Humankapitals unterstützen. Dabei wird zunächst untersucht, welche Qualifikationen und Fertigkeiten junge Menschen erwerben müssen und inwieweit die Schulen ihnen dabei helfen. Sodann werden bestimmte Probleme betrachtet, denen sich Schulen gegenübersehen – insbesondere schlechte Unterrichtsqualität und veraltete Lehrmethoden –, und 70
4. Schulbeginn
einige potenzielle Lösungen aufgezeigt. Abschließend wird untersucht, ob die Bildungssysteme den Bedürfnissen junger Menschen gerecht werden, die schulisch weniger begabt sind.
Lernen die Schülerinnen und Schüler, was sie brauchen?
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elche Vorstellungen haben wir von der Schule? Josiah Stamp, ein britischer Geschäftsmann, beschrieb sie einmal als ein System, „in dem Inkompetente Unwissenden Unverständliches eintrichtern“. In jüngerer Zeit erschien ein Bestseller über die französischen Schulen mit dem Titel: La Fabrique du Crétin (die Idiotenfabrik). Trotz der Kritik funktionieren die Schulen in vielerlei Hinsicht recht gut. Weltweit steigt die Zahl der Erwachsenen, die lesen, schreiben und rechnen können; diese Fertigkeiten haben sie im Allgemeinen in der Schule erworben. Die Schule ist auch da, um das „Lernen zu lernen“ – d.h. die Fähigkeit zu entwickeln, an komplizierte Aufgaben heranzugehen und sich mit komplexen Gedankengängen auseinander zu setzen.
Grundlegende Kompetenzen All dies ist sehr nützlich, aber um wirklich effizient zu sein, muss das Bildungssystem ein breiteres Spektrum an Kompetenzen vermitteln, das den Menschen hilft, in der modernen Welt ihren Weg zu finden. Kompetenz ist mehr als nur ein Wissensbestand und mehr als nur eine Fertigkeit. Sie enthält Elemente von beiden, umfasst darüber hinaus aber auch Denkmethoden und Einstellungen. Wollen wir beispielsweise an jemand in einem anderen Land eine Nachricht senden, benötigen wir Wissen, in diesem Fall die Kenntnis einer oder mehrerer Sprachen. Überdies benötigen wird Fertigkeiten, konkret wohl die Fertigkeit, eine E-Mail per Computer zu versenden. Aber um effizient zu kommunizieren, brauchen wir außerdem eine Denkmethode oder Strategie, die die kulturellen Referenzen der Person zu verstehen sucht, mit der wir kommunizieren. („Never underestimate the importance of local knowledge“ – wie ein Werbeslogan der internationalen Bankengruppe HSBC lautet.) All diese 71
OECD Insights: Humankapital
Elemente zusammengenommen – Wissensbestand, Fertigkeiten und Einstellung/Denkmethode – bilden die Grundbausteine einer Kompetenz. Über welche Kompetenzen müssen junge Menschen verfügen? Man denke an die Welt, in die sie hinausgehen: Es ist eine Welt, in der immer mehr Menschen ihren Lebensunterhalt in der Wissenswirtschaft verdienen. Zugleich ist es eine Welt, in der die Globalisierung eine stärkere Interaktion zwischen Personen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund bedingt, eine Welt, in der sowohl der Einzelne als auch die Gesellschaft vor größeren sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen stehen – angefangen von der Finanzierung der Altersversorgung bis hin zur Bewältigung des globalen Klimawandels. In diesem Kontext wurden im Rahmen eines OECD-Projekts drei große Kompetenzkategorien identifiziert, die bei der Festlegung von Bildungszielen im Mittelpunkt stehen sollten: h die Fähigkeit zur effektiven Anwendung von „Instrumenten“ wie Sprache und Computer; h die Fähigkeit zur Interaktion mit Personen aus anderen Kulturkreisen und mit anderem Hintergrund; h die Fähigkeit zu autonomem Handeln. Mit den so definierten Kompetenzen ist nicht konkret festgelegt, was die Schülerinnen und Schüler in der Schule lernen sollen. Sie bieten aber einen Referenzrahmen zur Beantwortung der Frage, wie gut junge Menschen für die moderne Welt gerüstet sind. Außerdem ermöglichen sie die Aufstellung von Zielen sowohl für den schulischen Unterricht als auch den Lernprozess, dem sich der Einzelne zeit seines Lebens unterziehen muss.
Grundlegende Bedürfnisse Leider verlassen heutzutage viele junge Menschen die Schule, ohne diese Kompetenzen entwickelt zu haben, und manchmal fehlt es sogar an elementaren Fertigkeiten wie Lese- und Schreibkenntnissen. Es gibt in den verschiedenen Ländern ganz unterschiedliche Zahlen, doch selbst in Finnland, ein Land, dessen Schüler bei internationalen Tests außergewöhnlich gut abschneiden, besitzen etwa 12% der jungen Männer mit Anfang 20 keinen Sekundarstufe-II-Abschluss (bei ihren weiblichen Altersgenossen beträgt dieser Anteil etwas über 7%; von
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4. Schulbeginn
wenigen Ausnahmen abgesehen, erwerben in den OECD-Ländern mehr Mädchen als Jungen einen Sekundarstufe-II-Abschluss.) Für einige unter diesen Jugendlichen ist die Beendigung der Schullaufbahn vielleicht die richtige Entscheidung. Man denke an Richard Branson, der die Schule frühzeitig abgebrochen hat – zugegebenermaßen eine recht exklusive Privatschule im Vereinigten Königreich – und später dann das Musik-, Unterhaltungs- und Luftfahrt-Imperium Virgin gründete. Für die meisten jungen Menschen jedoch bedeutet ein vorzeitiger Schulabbruch eine Beeinträchtigung ihrer Perspektiven für den Rest des Lebens. Sie werden geringere Beschäftigungschancen haben und weniger verdienen. Warum scheitern so viele junge Menschen in der Schule? Eine berechtigte Frage, vielleicht sollte man aber eher fragen, warum unsere Schulen ihrem Auftrag nicht gerecht werden. Häufig wird der Effekt des sozialen Hintergrunds auf die Schüler zitiert. Manchmal wird effektiv die Auffassung vertreten, dass die Bildungssysteme nur die Wahl haben: entweder einer kleinen Elite von Schülerinnen und Schülern eine wirklich gute schulische Ausbildung zu vermitteln, ohne sich groß um die übrigen Schüler, insbesondere Kinder aus ärmeren Familien zu sorgen, oder allen Schülern eine recht mittelmäßige Ausbildung zu geben. Dies ist aber eine falsche Alternative. Denn einigen OECD-Ländern – u.a. Kanada, Finnland, Japan und Korea – gelingt es, allen Schülerinnen und Schülern ungeachtet ihres sozioökonomischen Hintergrunds eine solide schulische Bildung zukommen zu lassen. Diese Erkenntnisse haben internationale Leistungsvergleiche wie PISA, die Internationale Schulleistungsstudie der OECD, gebracht. Zu den Zielen dieser Studie, die 2000 mit der ersten internationalen Erhebungsrunde begann, gehört es, die Zusammenhänge zwischen Schülerleistungen, sozioökonomischem Hintergrund und dem Lernumfeld in Schulen zu untersuchen – Bereiche, die einige der heiß umstrittensten Themen in der aktuellen Bildungsdebatte berühren. Nehmen wir beispielsweise die Frage, ob Bildungssysteme die Kinder nach Kategorien wie schulische Leistungsfähigkeit oder – effektiv – sozioökonomischem Hintergrund einteilen sollen. Kinder aus weniger günstigen familiären Verhältnissen werden in der Schule generell stark benachteiligt, wobei der Zusammenhang
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OECD Insights: Humankapital
Die OECD und … PISA Die Teenagerjahre sind eine Periode des Übergangs, während der die Jugendlichen nach und nach mehr Rechte und Pflichten der Erwachsenen übernehmen. In vielen Ländern setzt dieser Prozess im Alter von etwa 15 oder 16 Jahren ein, wenn sich die Pflichtschulzeit dem Ende zuneigt und die jungen Menschen mit Hilfe ihrer Familie entscheiden müssen, ob sie in der Schule bleiben, eine Ausbildung beginnen oder einen Arbeitsplatz suchen. Wie gut sind sie auf derartige Entscheidungen vorbereitet, und wie gut sind sie für die Welt außerhalb der Schulmauern gerüstet?
oder Jubel aus. Der eigentliche Wert der PISAStudie liegt aber nicht in der Aufstellung internationaler Rangtabellen der Schülerleistungen, sondern vielmehr darin, dass sie uns helfen kann, zu verstehen, warum die Schülerinnen und Schüler in einigen Ländern und einigen Schulen ein geringeres Leistungsniveau aufweisen als in anderen. Gleichzeitig stellt sie die politischen Entscheidungsträger vor die Herausforderung, von anderen Ländern zu lernen, denen es gelingt, Qualität und Chancengerechtigkeit im Bildungssystem miteinander zu vereinbaren.
Dies ist die Art von Fragen, die die internationale Schulleistungsstudie PISA zu beantworten sucht. Die PISA-Tests finden alle drei Jahre statt, und an der Erhebungsrunde 2003 nahmen über 275 000 Schülerinnen und Schüler aus mehr als 40 Ländern und Territorien in der ganzen Welt teil. In einem zweistündigen Test werden drei Grundbildungsbereiche evaluiert: Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften. Anders als schulinterne Leistungsprüfungen sind die PISA-Tests nicht an spezifische nationale Lehrpläne geknüpft. Vielmehr sollen die Schüler – alle zwischen 15 und 16 Jahren – das in der Schule erworbene Wissen auf Situationen anwenden, denen sie in der realen Welt begegnen können, wie beispielsweise die Planung einer Route, das Lesen und Verstehen einer Bedienungsanleitung für ein elektrisches Gerät oder die Interpretation einer Tabelle oder Abbildung. Darüber hinaus liefern die testbegleitenden Fragebogen Informationen über den sozioökonomischen Hintergrund der Schülerinnen und Schüler, ihre Lernmotivation sowie das Lernumfeld ihrer Schulen. Die PISA-Ergebnisse werden in den Teilnehmerländern genau unter die Lupe genommen und lösen, entsprechend dem jeweiligen Abschneiden der Schüler, Entsetzen
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Bei PISA geht es um weit mehr als die reine Messung der Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern in verschiedenen Ländern, obgleich derartige Vergleiche nützlich sein können. Im Rahmen der Studie wird ein breites Spektrum an Bildungsfaktoren untersucht, darunter der Effekt des soziökonomischen Hintergrunds der Schülerinnen und Schüler, ihre Einstellungen zum Lernen, geschlechtsspezifische Unterschiede und vieles mehr. Außerdem werden die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler in den vielfältigsten Bereichen wie Mathematik, Lesekompetenz und Problemlösen evaluiert.
4. Schulbeginn
MATHEMATIKTEST
MATHEMATIKTEST Mathematikleistungen der an PISA 2003 teilnehmenden Länder (Mittelwerte) Punktzahl statistisch signifikant über dem OECDDurchschnitt
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OECD-Länder Nicht-OECD-Länder
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Quelle: Erste Ergebnisse von PISA 2003: Kurzzusammenfassung.
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OECD Insights: Humankapital
zwischen der Höhe des Familieneinkommens und den Schülerleistungen nicht immer eindeutig ist. Vieles hängt auch von der Art der Schule ab. Ein Kind beispielsweise, das eine sozial integrierende Schule besucht – in der die Schülerschaft aus unterschiedlichen sozialen Milieus kommt –, erzielt dort wahrscheinlich bessere Leistungen als in einer Schule, in der alle Kinder einen ähnlichen sozioökonomischen Hintergrund aufweisen. „Schülerinnen und Schüler in integrierenden Bildungssystemen schneiden im Durchschnitt besser ab als solche in selektiven Bildungssystemen, und ihre schulischen Leistungen sind weniger von ihrem Hintergrund abhängig.“ School factors Related to Quality and Equity: Results from PISA 2000
Ebenso gibt es einen Zusammenhang zwischen den Schülerleistungen und dem Niveau der schulischen Integration. PISA zeigt, dass in Bildungssystemen, in denen junge Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten gemeinsam unterrichtet werden, die Schüler bessere Leistungen bringen und der sozioökonomische Hintergrund in der Regel ein weniger starker Einflussfaktor ist. Die Gründe hierfür lassen sich nicht mit Sicherheit bestimmen, es kann aber sein, dass gemischte Klassen helfen, das Leistungsniveau von Kindern anzuheben, die zunächst nicht besonders gut abschneiden. Überdies ermutigt die Flexibilität, die integrierende Systeme bieten, die Schüler vielleicht, ihren Einsatz zu erhöhen, weil sie wissen, dass ihnen ein breiteres Spektrum an Bildungsmöglichkeiten geboten wird.
Wie können wir die Bildung verbessern? Wie PISA zeigt, gelingt es einigen Schulsystemen besser als anderen, die Effekte sozialer Benachteiligung zu überwinden. Warum ist das so? Auf diese Frage gibt es keine einfachen Antworten. Und selbst wenn es sie gäbe, kann sich eine tiefgreifende Reform des Schulsystems immer noch sehr schwierig gestalten. Das hängt z.T. damit zusammen, dass die Bildung, die junge Menschen in den einzelnen Ländern erfahren, von zahlreichen Faktoren – kultureller, sozialer, wirtschaftlicher und historischer Natur – beeinflusst wird. Manche Gesellschaften messen der Bildung einen sehr hohen 76
4. Schulbeginn
Stellenwert bei, was ungeachtet des sozioökonomischen Hintergrunds tief in das Bewusstsein der Menschen eindringen kann. Ebenso können tiefverwurzelte Traditionen eine Gesellschaft gegenüber Defiziten im Schulsystem blind machen. Bildungspraktiken, die als „normal“ angesehen werden, könnten für die Schülerinnen und Schüler effektiv schädlich und in anderen Ländern völlig unbekannt sein. Die Idee, Lösungen von außerhalb zu importieren, stößt aber häufig auf Ablehnung. In den Vereinigten Staaten vertreten einige Bildungsreformer die Auffassung, dass es für das Land von Vorteil wäre, das japanische Bildungssystem näher zu studieren, das die Lehrkräfte kontinuierlich ermutigt, voneinander zu lernen. „Das wird gewöhnlich mit der Bemerkung abgetan, dass die japanische Kultur nichts mit unserer Kultur zu tun hat“, kommentierte Brent Staples von der New York Times, der diese Einstellung bedauert. Selbst unter Berücksichtigung kultureller und sozialer Unterschiede gibt es keinen Grund, warum Schulsysteme bei ihrem Bestreben, die Bildungsqualität zu verbessern, indem sie Fragen wie Unterrichtsqualität, Informationsfluss in den Schulen und innovative Unterrichtskonzepte angehen, nicht aus den Erfolgen und Misserfolgen anderer Systeme lernen können.
Zentrale Bedeutung der Lehrkräfte Die Lehrkräfte sind nicht alle gleich. Es gibt gute Lehrer und schlechte Lehrer, gut ausgebildete Lehrkräfte und schlecht ausgebildete Lehrkräfte – und auch potenziell hervorragende Lehrkräfte, die in einem erdrückenden Schulsystem ihr Bestes zu geben versuchen. Der Einfluss einer Lehrkraft auf die Schüler kann enorm sein. Abgesehen vom sozioökonomischen Hintergrund ist die Qualität des Unterrichts der wichtigste Bestimmungsfaktor für das Leistungsniveau der Schüler. Einfach gesagt, kommt den Lehrern eine sehr wichtige Rolle zu. „Es gibt mittlerweile einen erheblichen Fundus an Forschungsergebnissen, der darauf hindeutet, dass die Qualität der Lehrkräfte und ihres Unterrichts zu den wichtigsten politisch beeinflussbaren Faktoren für die Schülerleistungen zählt…“ Stärkere Professionalisierung des Lehrerberufs
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OECD Insights: Humankapital
Trotz ihrer wichtigen Rolle sinkt die Stimmung und Arbeitshaltung der Lehrkräfte in vielen Ländern. Zum Teil hängt das wahrscheinlich mit dem sich wandelnden sozialen Status zusammen. In traditionellen Gesellschaften waren Lehrkräfte – zusammen mit Ärzten und Pfarrern – manchmal die einzigen Personen in ihrem Ort mit einem höheren Bildungsabschluss. Heute ist dies in Industrieländern gemeinhin nicht mehr der Fall, wo der Lehrerberuf nur einer unter vielen ist. In der Tat besteht die Befürchtung, dass der Lehrerberuf heute nicht mehr so attraktiv ist wie früher. Mit einigen nennenswerten Ausnahmen zieht die Lehrerausbildung immer mehr Studenten mit geringerer akademischer Befähigung an. Für Schulen kann dieser Mangel an akademischen Spitzenkräften besonders akut werden in Fächern wie Informatik, Fremdsprachen und Naturwissenschaften. Nicht jede Person mit guten Qualifikationen in diesen Bereichen ist bereit, in den Lehrerberuf zu gehen, wenn außerhalb des Bildungswesens besser bezahlte Arbeitsplätze zu finden sind. Die Lehrergehälter steigen generell, halten aber mit der Lohnentwicklung in anderen Berufen nicht Schritt. Ändern könnte sich das nur zu Lasten anderer Prioritäten, wie beispielsweise der Reduzierung der Klassengröße. Zudem ergreifen immer weniger Männer den
Klassengrösse
KLASSENGRÖSSE Unterschiede in der Klassengröße in der Sekundarstufe I 2004
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Ausgewählte OECD-Länder
Quelle: Bildung auf einen Blick 2006.
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Eltern und Lehrer bevorzugen kleinere Klassen. Bei einem begrenzten Bildungsbudget würde dies aber bedeuten, dass mehr Lehrkräfte zu niedrigeren Gehältern eingestellt werden müssten, was wiederum die Unterrichtsqualität beeinträchtigen könnte.
Daten zu OECD- und zu Partnerländern sind über den StatLink (siehe unten) abrufbar
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/108323448085
4. Schulbeginn
Lehrerberuf. Im Durchschnitt der OECD-Länder ist nur jede fünfte Lehrkraft an der Grundschule ein Mann. Hierdurch entsteht ein Mangel an männlichen Rollenmodellen in der Schule zu einer Zeit, wo die Situation der Jungen im Bildungssystem zunehmend Anlass zu Besorgnis gibt. In der Mehrzahl der OECD-Länder erwerben mehr Mädchen als Jungen einen Sekundarschulabschluss. Liegt das daran, dass die Mädchen besser oder die Jungen schlechter sind? Dies ist eine laufende Debatte, die so bald nicht abgeschlossen sein wird. All diese Probleme treten in einer schwierigen Zeit für die Schulen zu Tage. Da die Bildung in den 1960er und 1970er Jahren rasch expandierte, nähern sich viele der damals eingestellten Lehrkräfte nun dem Rentenalter. Im Durchschnitt ist ein Viertel der Grundschul- und nahezu ein Drittel der Sekundarschullehrer in den OECD-Ländern über 50 Jahre. In einigen Ländern liegt ihr Anteil sogar bei nicht weniger als 40%. Sicherlich müssen nicht alle diese Lehrkräfte ersetzt werden. Generell geht die Zahl der jungen Menschen in den OECD-Ländern von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, wie Frankreich und die Vereinigten Staaten, derzeit zurück, so dass in Zukunft weniger Kinder zu unterrichten sind. Das allein wird aber das Problem des Mangels an guten Lehrkräften nicht lösen, dem sich viele Länder gegenübersehen. Dies ist besorgniserregend, zumal von den Lehrkräften immer mehr erwartet wird. Infolge der zunehmenden Migrationsbewegungen unterrichten die Lehrkräfte z.B. wahrscheinlich Schüler mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund. Sie müssen sich auch in Bezug auf neue Lehrmethoden auf dem Laufenden halten, wobei es vielleicht weniger darauf ankommt, was gelehrt, sondern was gelernt wird, und, nicht minder wichtig, wie gelernt wird. Diese Neuausrichtung verlangt von den Lehrkräften, ihre Arbeitsmethoden zu überdenken. Hinzu kommt die Notwendigkeit mit Lehrplanveränderungen, neuen Technologien und neuen Beurteilungsmethoden Schritt zu halten, wodurch ein ohnehin schon anspruchsvoller Beruf noch komplizierter werden dürfte.
Bessere Lehrkräfte… Wie lässt sich die Qualität des Unterrichts verbessern? Ein Großteil der Antwort liegt darin, wie Lehrkräfte ausgebildet, eingestellt und belohnt werden – Prozesse, die aus einer globalen Perspektive vom Beginn des Lehramtsstudiums bis zum Ausscheiden aus dem Schuldienst zu betrachten sind. So lässt sich das Reservoir an potenziellen Lehrkräften z.B. durch Veränderungen im 79
OECD Insights: Humankapital
Ausbildungssystem erweitern, die den Zugang zur Lehrerausbildung nicht auf direkt von der Sekundarstufe oder vom College kommende Kandidaten beschränken, sondern auch Personen in verschiedenen Stadien der beruflichen Karriere einen Quereinstieg ermöglichen. In den Vereinigten Staaten beispielsweise wechseln jedes Jahr etwa 25 000 Akademiker und Hochschulabsolventen in den Lehrerberuf, und es gibt Belege dafür, dass diese Quereinsteiger nicht weniger effektiv unterrichten als ihre in diesem Beruf bereits seit längerem etablierten Kollegen. Aus- und Weiterbildungen sind für die Lehrkräfte nützlich, aber um effizient zu sein, müssen diese über die gesamte Berufslaufbahn koordiniert werden. Ferner kommt es auf die richtige Art der Programme an. In Finnland beispielsweise müssen Lehrkräfte als Erstausbildung ein langes Studium mit einem Master-äquivalenten Abschluss absolvieren. Das setzt natürlich erhebliche Investitionen voraus, die manch andere Länder nicht aufzubringen bereit sind. Ungeachtet des Niveaus ihrer Erstausbildung ist es wichtig, dass sich die Lehrkräfte während ihrer gesamten Berufslaufbahn weiter fortbilden. „Es bedarf einer klaren Definition der Verantwortung, die den Lehrkräften selbst für ihre Fort- und Weiterbildung zufällt, sowie der Schaffung von Strukturen, die ihnen die berufliche Entwicklung erleichtern.“ Stärkere Professionalisierung des Lehrerberufs
Die berufliche Weiterentwicklung kann vielfältige Formen annehmen und im Rahmen von Lehrerkonferenzen, lehrplanspezifischen Schulungen bei Lehrplanänderungen, Workshops usw. erfolgen. Und dabei muss es nicht einmal um den Erwerb von Kompetenzen gehen, die nur für den Unterricht von Belang sind. In Japan beispielsweise absolvieren neue Lehrkräfte häufig ein einmonatiges Praktikum in so verschiedenartigen Einrichtungen wie Unternehmen, Pflegeheimen, Museen usw. Dadurch sollen die Lehrkräfte soziale und unternehmerische Kompetenzen entwickeln und besser verstehen lernen, was die Gesellschaft von den Schulen erwartet. Entscheidend ist, dass solche Programme für die Höchstdauer eines Jahres auch bereits erfahrenen Lehrkräften offenstehen, so dass sie einen besseren Eindruck davon gewinnen können, wie sie selbst, ihre Schulen und ihr Beruf von der breiteren Öffentlichkeit eingeschätzt werden. Zurück in der Schule wird dann von ihnen erwartet, dass sie ihre neuen Erkenntnisse mit ihren Kollegen teilen.
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4. Schulbeginn
AUS GLOBALER SICHT
Migranten und Bildung
Wie gut schneiden Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in der Schule ab? Wie bei so vielen Fragen im Zusammenhang mit Zuwanderung ist die Antwort auch hier von einem Nebel an Halbwahrheiten und vagen Verallgemeinerungen umhüllt. So werden Migrantenkinder asiatischer Herkunft häufig für Musterschüler gehalten, die begabt und leistungsstark sind und von Eltern angespornt werden, die der Bildung einen hohen Stellenwert beimessen. Von Schülern mit anderem Migrationshintergrund glaubt man dagegen eher, dass sie am Lernen desinteressiert sind und im Unterricht nicht viel zustande bringen.
Schüler mit Migrationshintergrund bringen immer schlechte Leistungen. Falsch: Im internationalen Vergleich sind beim Leistungsniveau von Schülern mit Migrationshintergrund große Unterschiede auszumachen. In Australien, Kanada und Neuseeland beispielsweise schneiden sie ebenso gut ab wie die einheimischen Schüler. In Kanada und Schweden liegen die Leistungen von Schülern der zweiten Generation deutlich über denen der einheimischen Schüler. In vielen der betrachteten Regionen jedoch bleibt das Leistungsniveau von Schülern mit Migrationshintergrund leider hinter dem einheimischer Schüler zurück.
Wo liegt nun die Wahrheit? Um hierauf einige Antworten zu finden, untersuchte die PISA-Studie der OECD die Leistungen von im Ausland geborenen Schülern und von Schülern der zweiten Generation in 17 Mitglieds- und Nichtmitgliedsländern bzw. Territorien mit einer umfangreichen Migrantenbevölkerung. Nachstehend einige der dabei gewonnenen Erkenntnisse:
Migrantenkinder mit schulischen Schwierigkeiten werden im späteren Leben vor erheblichen Herausforderungen stehen. Richtig: In den meisten der untersuchten Regionen weist rund ein Viertel der Schüler mit Migrationshintergrund ein sehr niedriges Leistungsniveau in Mathematik auf, was bei der späteren Arbeitsuche ein ernsthaftes Handicap sein könnte.
Je größer die Migrantengemeinschaft, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass die Schüler erfolgreich sind. Falsch: Es gibt keinen wirklichen Zusammenhang zwischen der Größe der Migrantenbevölkerung und den Leistungen der Schüler mit Migrationshintergrund. Folglich stellt ein hohes Zuwanderungsniveau kein Integrationshindernis dar.
Die Sprache erklärt einige, aber nicht alle Lernprobleme der Schüler mit Migrationshintergrund. Richtig: Die Sprache ist nicht der einzige Faktor, der für den Rückstand der Migrantenkinder verantwortlich ist, spielt in einer Vielzahl der untersuchten Regionen aber eine bedeutende Rolle, vor allem in Belgien, Deutschland, Kanada und den Vereinigten Staaten.
Schüler mit Migrationshintergrund sind am Lernen desinteressiert. Falsch: Im Ausland geborene wie auch Migrantenkinder der zweiten Generation sind im Hinblick auf das Lernen und die Schule ebenso motiviert wie ihre einheimischen Mitschüler – manchmal sogar noch wesentlich stärker. Diese positive Einstellung dem Lernen gegenüber ist eine wichtige Grundlage, auf der Schulen aufbauen können, um Kindern mit Migrationshintergrund zum Erfolg zu verhelfen.
Die Sprachförderung im Aufnahmeland ist entscheidend. Richtig: Selbst wenn die PISA-Daten keine exakten Zahlen hierzu liefern, profitieren Schüler mit Migrationshintergrund zweifellos von gut verankerten Systemen der Sprachförderung im Aufnahmeland, wie sie sich in Australien, Kanada und Schweden bewährt haben. Solche Systeme werden jetzt in mehr Ländern eingerichtet, was Schülern mit Migrationshintergrund bis zu einem gewissen Grad helfen dürfte, bestehende Bildungslücken auszugleichen.
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OECD Insights: Humankapital
… und bessere Schulen Ironischerweise wird dieser Prozess des Informationsaustauschs – der Eckpfeiler der Lehrer-Schüler-Beziehungen – unter den Lehrkräften immer häufiger vermisst. Die Schulen sind auf dem Gebiet des „Wissensmanagements“ generell nicht auf der Höhe, wie man im Unternehmensjargon den oft informellen Prozess des Austauschs von Wissen, Erkenntnissen und Erfahrungen innerhalb bestehender Organisationen bezeichnet. Ziel des Informationsaustauschs ist es, einzelne Personen und Gruppen zum Nachdenken darüber zu bringen, was funktioniert und was nicht. Viele Lehrkräfte jedoch tauschen sich hauptsächlich mit ihren Schülern aus und bringen u.U. relativ wenig Zeit dafür auf, direkt mit Kollegen zu reden und zusammenzuarbeiten. In der Geschäftswelt halten es viele Unternehmen für unerlässlich, sich zu „lernenden Organisationen“ – wieder so ein Jargon – zu entwickeln. Hier wird auf diesen Prozess des Austauschens von Informationen und Erkenntnissen großen Wert gelegt, und auf der Grundlage des Austauschs werden Entscheidungen getroffen. Einige OECD-Länder gehen jetzt daran, ein ähnliches Konzept auf die Schulen zu übertragen.
Formative Beurteilung Viele Länder fördern auch grundlegendere Innovationen im Schulunterricht. Ein konkretes Beispiel hierfür ist erneut die kanadische Schule Les Compagnons-de-Cartier, die in starkem Maße auf die sogenannte formative Beurteilung zurückgreift – ein Konzept, bei dem ein breites Spektrum an Techniken zur regelmäßigen und systematischen Prüfung der Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler eingesetzt wird, so dass der Unterricht ständig auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten werden kann. (Im Gegensatz hierzu beschränkt sich die traditionelle Abschlussprüfung am Ende des Jahres, auch summative Beurteilung genannt, auf eine Zusammenfassung der gelernten Inhalte.) Die formative Beurteilung kann in unterschiedlicher Weise erfolgen. In der erwähnten kanadischen Schule bereiten die Lehrkräfte den Unterricht sehr gut vor und sie stellen Lernziele auf, ihre Interaktionen mit den Schülerinnen und Schülern sind jedoch eher informeller Art und weniger strukturiert als im traditionellen Unterricht. Ein Großteil des Lernens erfolgt in Gruppenarbeit an interdisziplinären Projekten. In einem Projekt ging es beispielsweise um die Frage,
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4. Schulbeginn
ob der Konflikt zwischen Israel und Palästina eher auf religiösen Unterschieden beruht oder der Notwendigkeit, die Kontrolle über die knappen Wasserressourcen zu behalten. Zur Beantwortung dieser Frage mussten die Schülerinnen und Schüler in den Bereichen Geografie, Religion und Geschichte Nachforschungen anstellen. „Die Atmosphäre im Klassenzimmer gleicht mehr der in einer Nachrichtenredaktion oder einem Unternehmensbüro. Es wird viel geredet, jedoch herrscht im Allgemeinen ein hohes Maß an Disziplin“. Formative Assessment: Improving Learning in Secondary Classrooms
Im Vorfeld einer derartigen Projektarbeit verbringen die Lehrkräfte sehr viel Zeit damit, den Schülerinnen und Schülern verständlich zu machen, worauf es bei einer guten Arbeit ankommt, und zu erklären, wie sie ihre eigenen und die Leistungen ihrer Mitschüler konstruktiv beurteilen und Lernstrategien wie das Brainstorming entwickeln können. Mit diesem Hintergrundwissen sind die Schülerinnen und Schüler dann in der Lage, die Arbeit der Gruppenmitglieder zu bewerten, indem sie sich gegenseitig Fragen stellen, um Details näher zu erläutern oder Unklarheiten zu beseitigen. Ein Teil der Projektarbeit findet sogar außerhalb der Unterrichtszeiten statt: Die Schülerinnen und Schüler nehmen ihren Laptop mit nach Hause und kommunizieren über diesen miteinander. (Der Einsatz von Computern wird in der formativen Beurteilung aber nicht vorausgesetzt.) Alle neun Tage halten die Schülerinnen und Schüler schriftlich fest, was sie gelernt haben. Diese Aufzeichnungen gehen an die Lehrkraft, die ihre Kommentare hierzu in einem Berichtsheft oder einer Mappe einträgt. Auf der Grundlage dieser Berichte und des Lehrerfeedback können die Schülerinnen und Schüler analysieren, was sie hätten anders machen können und ihre künftige Lernstrategie entsprechend anpassen. Somit haben die Schülerinnen und Schüler eine echte Kontrolle über ihre Lernweise. Außerdem entwickeln sie ein Verständnis für den Lernprozess und ein Bewusstsein dafür, wie sie durch diesen hindurchsteuern müssen. „Ich schaue mir mein Zeugnis regelmäßig an“, erklärt einer der Schüler „und sage mir dann, ja, das sind die Bereiche, an denen ich in den kommenden Monaten arbeiten will“. Neben dem positiven pädagogischen Effekt auf ihre schulischen Leistungen scheinen die Schülerinnen und Schüler diese Form des Lernens auch zu genießen: „Im Vergleich zu 83
OECD Insights: Humankapital
meiner alten Schule wird mir hier wesentlich mehr Stolz auf meine eigene Arbeit vermittelt“, sagt ein anderer Schüler, „hier geht es nicht um Zensuren, sondern das Ergebnis unserer Projektarbeit“. Obwohl die formative Beurteilung, die derzeit zu den meistdiskutierten Bildungsthemen zählt, viele Formen annehmen kann, gibt es doch eine Reihe gemeinsamer Merkmale: Die formative Beurteilung ist systematisch und nicht dem Zufall überlassen, sie stellt klare Lernziele für die Schülerinnen und Schüler auf und verfolgt die diesbezüglichen Fortschritte kontinuierlich, sie bezieht die Schülerinnen und Schüler aktiv in den Lernprozess ein, sie fördert die Interaktion zwischen Schüler und Lehrer sowie unter den Schülerinnen und Schülern, sie bietet Vielfalt, sowohl in Bezug auf die Art des Lernens als auch die Beurteilungsmethoden, gibt Feedback und passt den Unterricht den individuellen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler an. „Wenn die formative Beurteilung als Rahmen für die Unterrichtsgestaltung eingesetzt wird, ändern die Lehrkräfte die Art und Weise, wie sie mit den Schülern interagieren, wie sie Lernsituationen aufbauen und die Schüler an die Lernziele heranführen. Und vielleicht ändern sie sogar ihre Vorstellung von schulischem Erfolg.“ OECD Policy Brief: Formative Assessment
Funktioniert das Konzept? Forschungsarbeiten zeigen, dass derartige Methoden außergewöhnlich effizient sein können. In dem Bericht über ein OECD-Projekt, bei dem Methoden der formativen Beurteilung in einer Reihe von Ländern untersucht wurden, heißt es, dass dies „eine der wichtigsten jemals betrachteten Interventionen zur Förderung eines hohen Leistungsniveaus“ sein könnte. Warum halten Innovationen dieser Art dann nicht stärkeren Einzug ins Klassenzimmer? Ein Problem besteht darin, dass es für die Lehrkräfte nicht immer einfach ist, die formative Beurteilung mit wichtigen traditionellen Prüfungen zu verbinden. In vielen Ländern sind es wohl oder übel die traditionellen Abschlussprüfungen, die für die Aussichten der Schüler im Hinblick auf weiterführende Bildung und Beschäftigung nach wie vor ausschlaggebend sind, und die Lehrkräfte stehen u.U. unter großem Druck, Prüfungswissen zu vermitteln, d.h. sich nur auf die Fertigkeiten oder Kenntnisse zu konzentrieren, die den Schülern helfen, die jeweilige Prüfung zu 84
4. Schulbeginn
bestehen. Aber warum sollten die Lehrkräfte mit einer entsprechenden Schulung nicht lernen, die formative Beurteilung in Systeme zu integrieren, die die Schüler auf Abschlussprüfungen vorbereiten.
Wie kann die Reichweite der Bildung erhöht werden? Ganz gleich wie viele Neuerungen im Unterricht eingeführt werden, es wird immer junge Menschen geben, die glauben, dass die Schule nichts für sie ist. Nehmen wir als Beispiel den Fall von Kanako Mizoguchi, einem japanischen Mädchen, das im Alter von 14 Jahren beschloss, zu Hause in ihrem Zimmer zu bleiben. „Es fällt mir immer noch schwer, mein Verhalten zu begründen“, erzählte sie einem Journalisten, „ich hatte das Gefühl, unsichtbar zu werden, wie jemand, der wegradiert wird. Ich dachte wirklich, dass ich explodieren und etwas Böses tun würde.“ Das Mädchen verbrachte die folgenden fünf Jahre in ihrem Zimmer. Ein Beispiel für ein Phänomen, das in Japan unter der Bezeichnung hikikomori bekannt ist, was soviel wie sozialer Rückzug bedeutet.
Bestandenes abitur
BESTANDENES ABITUR Der Anteil junger Menschen mit Sekundarstufe-II-Abschluss nd
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Ausgewählte OECD-Länder
Quelle: Bildung auf einen Blick 2006.
Die meisten jungen Menschen – d.h. vier von fünf – schließen in den OECD-Ländern die Sekundarstufe II ab. Damit verbleibt aber immer noch eine recht große Gruppe von Personen, denen dies nicht gelingt und deren Beschäftigungsaussichten dadurch stark beeinträchtigt werden können. Daten zu OECD- und zu Partnerländern sind über den StatLink (siehe unten) abrufbar
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/141843246636
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OECD Insights: Humankapital
STANDPUNKT
Janet Cohen
Warum schneiden 15-jährige Finnen bei internationalen Tests so gut ab? Janet Cohen, eine Reporterin für die BBC-Sendung „The World Tonight“ reiste nach Finnland, um dies herauszufinden (nachstehend Auszüge aus der Reportage). Cohen: Es ist 8 Uhr morgens, wir befinden uns in der Innenstadt von Helsinki. Hier in der Arabia-Schule wird zu dieser Zeit Eishockey gespielt. Die Schule wird von Kindern zwischen 7 und 16 Jahren besucht, die größtenteils aus diesem Stadtviertel kommen. Der aufsichtsführende Lehrer Mikko Autio glaubt, dass es gut für die Schüler ist, den Tag mit Sport zu beginnen. Autio: Das ist sehr wichtig, wissen Sie. Nach dem Sport gehen die Schüler frisch und lernbereit in den Unterricht. Cohen: Offensichtlich lohnt sich die Anstrengung: Junge Finnen zählen zusammen mit Schülern aus Korea und Japan weltweit zu den Besten in Mathematik, Lesekompetenz und Problemlösen. Noch bemerkenswerter ist, dass Finnland die geringste Zahl an leistungsschwachen Schülern aufweist und dass Kinder aus ärmeren Milieus fast genauso gut abschneiden wie Kinder aus bessergestellten Verhältnissen. Was ist also das Geheimnis? Die Leiterin der Arabia-Schule Kaisu Kärkkäinen hat darauf eine einfache Antwort. Kärkkäinen: Das Geheimnis? Die Lehrkräfte, die Lehrkräfte und nochmals die Lehrkräfte. Sie sind der wichtigste Faktor. Hinzu kommt, dass wir uns gut um Kinder mit besonderen Bedürfnissen kümmern und ihrer Förderung viele Unterrichtsstunden widmen. Cohen: Oben arbeitet die Klasse von Mikko Autio gerade an Projekten über die nordische Kultur, von Schriftstellern bis hin zu Themenparks. Auch in Finnland gibt es einen nationalen Lehrplan, aber die Freiheiten, die finnische Lehrkräfte haben, würden britische Lehrkräfte in Erstaunen versetzen. Autio: Ich richte mich nach keinem wöchentlichen Stundenplan. Gibt es ein Fach, in dem wir mehr tun müssen, wie beispielsweise Mathematik, machen wir einen ganzen Tag lang nur Mathematik! Und manchmal, wenn wir den ganzen Tag Ski fahren wollen, ist das auch ok. Cohen: Unten im Englischunterricht interviewen sich die 14-Jährigen gegenseitig über ihre Hobbys. Es wird Grammatik durchgenommen, der Akzent liegt aber auf den Dingen, die die Schüler interessieren. Prüfungen werden zwar durchgeführt, sie spielen aber keine entscheidende Rolle. Es gibt keine Schuleignungstests, keine Rangfolgetabellen und keine Noten vor dem 15. Lebensjahr und auch keine Schulinspektionen. Laut der Englischlehrerin Riitta Severinkangas haben die Lehrkräfte das Ruder in der Hand.
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Severinkangas: Ich denke, das Vertrauen in unsere professionelle Kompetenz ist recht groß und wir sind sehr autonom. Wenn ich will, kann ich den Unterricht sehr kreativ gestalten. Cohen: Natürlich ist das System nicht unfehlbar, und es gibt eine Reihe von Schülern mit besonderen Bedürfnissen, die in einer kleinen speziellen Klasse gruppiert sind … Insgesamt sind aber Klassen mit heterogenem Niveau die Regel. Hat ein Kind Probleme, wird der Klasse eine zusätzliche Lehrkraft zugeteilt und das Kind erhält einen auf seine individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Lehrplan, der vom Sozialteam der Schule, das Psychologen und Sozialarbeiter umfasst, ausgearbeitet wird. Außerdem haben alle Lehrkräfte eine Schulung zum Umgang mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen absolviert. Wir sprechen mit der Klassenlehrerin Eine Liinanki. Liinanki: Finnische Lehrkräfte sind sehr gut ausgebildet, und die Regierung hat eine Menge investiert, um dieses System aufzubauen und funktionsfähig zu machen. Cohen: In Finnland absolvieren alle Lehramtsstudenten einen Master-Studiengang, der bis zu sechs Jahren dauern kann und gebührenfrei ist. So überrascht es nicht, dass der Andrang zu diesem Studium groß ist, es werden aber nur 13% der Bewerber zugelassen. Der Lehrerberuf genießt hohes Ansehen, was laut Patrik Scheinin, Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität von Helsinki, historisch begründet ist. Scheinin: In früheren Zeiten hat die Kirche in Finnland beim Lesenlernen eine fördernde Rolle gespielt. Man musste einen Text aus der Bibel lesen können, um heiraten zu dürfen. Das war ein starker Anreiz. Später nutzte die finnische Nationalbewegung dieses Instrument, damit die Finnen ihre eigene Literatur, ihr eigenes Schulsystem und ihre eigene Lehrerausbildung entwickelten, um ein unabhängiger Staat zu werden, was erklärt, warum die Lehrkräfte immer noch als eine Art Nationalhelden angesehen werden. Cohen: Die Lehrkräfte geben also den Ton an. In Finnland kommt eine Lehrkraft auf 14 Kinder, verglichen mit einer Lehrkraft für 20 Kinder im Vereinigten Königreich. Alles ist darauf ausgerichtet, die Möglichkeit des Misserfolgs auszuschließen. Zyniker sagen, dass diese universelle Kompetenz auf Kosten der Exzellenz geht. Indessen werden Forderungen nach Rangfolgetabellen und einem stärker zentralisierten Lehrplan angesichts des Erfolgs finnischer Schüler bei internationalen Vergleichsstudien und vor allem auf Grund des Vertrauens des Landes in seine Lehrkräfte zunehmend leiser. © 2006 BBC
4. Schulbeginn
Bei Kanako handelt es sich um einen Extremfall, sie ist aber repräsentativ für eine größere Gruppe von jungen Menschen, die aus einer Vielzahl von Gründen – psychologischer, sozialer, kultureller Natur – dem Bildungssystem und der Berufswelt fernbleiben. Diese Personen, die sich weder in Beschäftigung noch in Bildung oder Ausbildung befinden, werden im englischen als „NEETs“ (not in employment, education or training) bezeichnet. In vielen OECDLändern, nicht nur in Japan, wächst die Besorgnis über die Probleme, denen sich diese jungen Menschen gegenübersehen. In den Industrieländern schließen etwa 80% der jungen Menschen die Sekundarschule ab, während rd. 20% die Schule ohne Abschluss verlassen. Unabhängig von der Bildungsexpansion scheint dieser harte Kern recht stabil zu bleiben. „Das ist meiner Überzeugung nach einer der Gründe für das wieder sehr viel stärkere Interesse der Bildungsministerien an der beruflichen Bildung“, sagt Greg Wurzburg von der OECD. Die berufliche Bildung, die junge Menschen auf einen spezifischen Beruf, wie beispielsweise Schreiner, vorbereiten soll, ist in vielen Ländern in den Hintergrund getreten, so Wurzburg. „Das Spektrum der Interessen und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler hat sich erweitert“, erklärt er, „aber die Auswahlmöglichkeiten an Schulen sind mit der Abwertung der beruflichen Bildung in einigen Ländern geringer geworden.“ Jetzt zeigen die Regierungen wieder ein zunehmendes Interesse an einer Rehabilitation der beruflichen Ausbildung, manchmal mit kontroversen Ergebnissen. Nach den Krawallen von 2005 kündigte die französische Regierung Pläne an, das Mindestalter für Auszubildende auf 14 Jahre herabzusetzen. „Damit beabsichtigt die Regierung nicht wirklich, diesen jungen Menschen einen Arbeitsplatz zu vermitteln, sondern sie aus einem Schulsystem zu nehmen, in dem sie scheitern“, erklärte Bernard Hugonnier von der OECD gegenüber der International Herald Tribune. „Offen gesagt, geht es darum, sie von der Straße zu holen.“ Aber nicht alle Bildungsalternativen sind so umstritten. Einige Länder entwickeln derzeit Ausbildungsprogramme, in deren Rahmen junge Menschen am Arbeitsplatz lernen und meistens außerdem auf Teilzeitbasis eine Schule besuchen.
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OECD Insights: Humankapital
„Eine stärkere Konzentration auf kurze Ausbildungsprogramme kann dazu beitragen, die Interessen der Schülerinnen und Schüler und die des Arbeitsmarkts besser miteinander in Einklang zu bringen“. The New Economy: Beyond the Hype
Dieser Trend setzt sich auch verstärkt in der tertiären Bildung durch, wo ganz neue Lerninstitutionen entstehen, die den Schwerpunkt mehr auf die praktische als auf die theoretische Seite legen. Ende der 1990er Jahre führte Ungarn z.B. kurze Studiengänge ein, die speziell dem Bedarf der Industrie gerecht werden sollen, und in Mexiko wurden technische Universitäten gegründet, die zweijährige Studiengänge mit Inhalten anbieten, die direkt auf die Anforderungen des Arbeitsmarkts zugeschnitten sind. Da Humankapital im Hinblick auf die Fähigkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen, eine immer größere Rolle spielt, gewinnen derartige Ansätze noch weiter an Bedeutung. Es ist für die Gesellschaften ausgesprochen wichtig, den Bildungsbedürfnissen aller jungen Menschen gerecht zu werden, und nicht nur denen der besonders Begabten. Wenn dies nicht geschieht, könnte der dafür zu zahlende Preis sehr wohl in wachsender sozialer Ungleichheit und langsamerem Wirtschaftswachstum bestehen.
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4. Schulbeginn
Weitere OECD-Studien zu diesem Thema h Bildung auf einen Blick (erscheint jährlich) In allen OECD-Mitgliedstaaten suchen die Regierungen nach politischen Ansätzen und Maßnahmen, um das Bildungswesen effektiver zu gestalten, während sie sich gleichzeitig um zusätzliche Ressourcen für die sich wandelnde Bildungsnachfrage bemühen. Bildung auf einen Blick ermöglicht es den Ländern, ihre Leistungen in einem internationalen Kontext zu vergleichen. Anhand eines breiten Spektrums aktueller und vergleichbarer Indikatoren wird in der Veröffentlichung untersucht, wer an Bildung teilnimmt, was für Bildung ausgegeben wird und wie die einzelnen Bildungssysteme funktionieren. Ferner befasst sich die Publikation mit den Ergebnissen von Bildungssystemen, die von Vergleichen der Schülerleistungen bis zu den Auswirkungen von Bildung auf das Einkommen und die Beschäftigungsmöglichkeiten von Erwachsenen reichen. h Lernen für die Welt von morgen: Erste Ergebnisse von PISA 2003 (2004) Sind die Schülerinnen und Schüler gut auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet? Können sie analysieren, logisch denken und ihre Ideen effektiv kommunizieren? Verfügen sie über die notwendigen Kapazitäten für lebenslanges Lernen? Diese Fragen werden von Eltern und Schülern, der Öffentlichkeit und Bildungsverantwortlichen immer wieder gestellt. Lernen für die Welt von
morgen stellt erste Ergebnisse von PISA 2003 vor und geht weit über die Untersuchung der relativen Position der Länder in Mathematik, Naturwissenschaften und Lesekompetenz hinaus, um jene Länder besonders herauszustellen, denen es gelingt, hohe Leistungsstandards zu erzielen und zugleich eine gerechte Verteilung der Bildungschancen zu gewährleisten. Lernen für die Welt von morgen ist nur eine aus einer großen Zahl von Veröffentlichungen über die PISA-Studie der OECD. h Stärkere Professionalisierung des Lehrerberufs: Wie gute Lehrer gewonnen, gefördert und gehalten werden können (2005) Diese Publikation enthält eine umfassende internationale Analyse der Trends und Entwicklungen im Hinblick auf den Lehrerberuf in 25 Ländern der Welt. Sie befasst sich mit Forschungsarbeiten zum Thema Anwerbung, berufliche Entwicklung und Sicherung des Verbleibs guter Lehrkräfte, zeigt innovative und erfolgreiche Maßnahmen und Praktiken auf, die von den Ländern umgesetzt wurden und betrachtet Optionen, die die Länder in der Lehrerpolitik in Erwägung ziehen könnten. Neben der Dokumentierung vieler als problematisch empfundener Aspekte im Zusammenhang mit Lehrkräften und Lehrtätigkeit enthält der Bericht auch positive Beispiele für Maßnahmen, mit denen wirklich etwas erreicht wurde. In einer Zeit,
wo sich viele Länder dem Problem einer alternden Lehrerschaft und Schwierigkeiten bei der Einstellung von Junglehrern gegenübersehen, bietet diese Veröffentlichung Einblick in Möglichkeiten, wie die Regierungen diese Probleme erfolgreich bewältigen können. h Formative Assessment: Improving Learning in Secondary Classrooms (2005) Die mit formativer Beurteilung assoziierten Leistungsverbesserungen – d.h. einer häufigen Evaluierung der Schülerfortschritte zum Zweck der Identifizierung der Lernbedürfnisse und einer darauf ausgerichteten Unterrichtsgestaltung – zählen, wie es heißt, zu den größten, die durch Bildungsinterventionen jemals erreicht wurden. Viele Lehrkräfte lassen zwar Aspekte der formativen Beurteilung in ihren Unterricht einfließen, eine systematische Anwendung der formativen Beurteilung ist aber eher eine Seltenheit. Der Bericht Formative Assessment enthält repräsentative Fallstudien aus Sekundarschulen in mehreren Ländern, die aufzeigen, wie formative Beurteilung in die Praxis umgesetzt werden kann.
Verwiesen wird in diesem Kapitel auch auf die Publikation: h The New Economy: Beyond the Hype: The OECD Growth Project (2001).
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OECD Insights: Humankapital
Zur Einleitung… Mit seinen blauen Shorts und grauen Socken sieht Kimani Nganga Maruge aus wie jeder andere kenianische Schuljunge. Mit einer Ausnahme: Er ist über 80. In einem Alter, in dem selbst die aktivsten Rentner etwas kürzer treten, beschloss Herr Maruge, lesen und schreiben zu lernen. Das war vor ein paar Jahren. Als in Kenia die kostenlose Grundschulbildung eingeführt wurde, nahm er kurzerhand eine Hose, kürzte sie auf Knielänge und schlenderte zur Schule in seinem Ort. Die Schuldirektorin Jane Obinchu hielt das Ganze für einen Scherz, wollte ihm aber eine Chance geben. „Wir dachten, er würde vielleicht eine Woche durchhalten und dann aufgeben“, erzählte Frau Obinchu einem Journalisten. „Aber er ist am Ball geblieben.“ Maruge will lesen lernen, damit er die Bibel selbst lesen kann. Auch Mathematik ist für ihn wichtig. Als Veteran des kenianischen Unabhängigkeitskriegs in den 1950er Jahren hofft er auf eine staatliche Entschädigungszahlung. „Ich will rechnen lernen, damit ich mein Geld zählen kann“, so seine Erklärung. Von seiner Geschichte beeindruckt, luden die Vereinten Nationen Herrn Maruge 2005 nach New York ein, um einem breiteren Publikum den Nutzen der Bildung näher zu bringen. In der Quintessenz lautete seine Botschaft: „Zum Lernen ist man nie zu alt.“ Diese Botschaft ist heute zutreffender denn je und gilt für einen 85jährigen Großvater in Kenia ebenso wie für einen 55-jährigen Manager in Kyoto oder einen 25-jährigen Absolventen in Kansas. Denn in einer Welt, in der der ökonomische Wert der Bildung steigt, kann es sich einfach niemand mehr leisten, sein Humankapital nach dem Schul- oder Universitätsabschluss nicht mehr weiterzuentwickeln. Erwachsenenbildung ist nicht allein aus Verdienstgründen wichtig. In vielen Ländern müssen die Menschen heute Entscheidungen in Bereichen treffen, die früher weitgehend, wenn nicht gar ausschließlich dem Staat überlassen waren – Renten, Schulausbildung der Kinder, medizinische Versorgung usw. Um dabei die richtige Wahl treffen zu können, müssen sie sich über eine Vielzahl von Veränderungen und Trendentwicklungen auf dem Laufenden halten. Man kann auch einfach aus Freude lernen – und hierfür werden viele Menschen mit weiter zunehmender Lebenserwartung mehr Zeit haben.
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5. Für das Leben lernen
X Dieses Kapitel befasst sich mit dem Thema Erwachsenenbildung und geht der Frage nach, wem sie zuteil wird und wem nicht. Es untersucht die Barrieren, die Erwachsene daran hindern, ihre Fähigkeiten und ihr Wissen weiter auszubauen. Zudem wird aufgezeigt, was die Einzelnen, die Arbeitgeber und die staatlichen Stellen tun können, um solche Hemmnisse zu beseitigen.
Wer braucht Weiterbildung?
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ir werden älter, nicht nur als Einzelpersonen, sondern auch als Gesellschaften. Sinkende Geburtenraten und höhere Lebenserwartung lassen die Bevölkerung der Industrieländer zunehmend ergrauen. Folglich werden sich unsere Gesellschaften in den kommenden Jahren auf einen immer kleineren Teil von Erwerbstätigen stützen. Daher überrascht es nicht, dass viele Staaten ihre Bevölkerung ermuntern, sich, wenn man so sagen kann, mit dem Gedanken an eine längere Lebensarbeitszeit anzufreunden. Aber um wie viel länger soll diese Arbeitszeit sein? Nach Auffassung von Shripad Tuljapurkar, einem Forscher an der kalifornischen Universität Stanford, könnte das Rentenalter bei weiteren lebensverlängernden Fortschritten in der Medizin Mitte dieses Jahrhunderts 85 Jahre betragen.
Bei diesem Gedanken bekommt man eventuell ein mulmiges Gefühl. In mancher Hinsicht ist es aber vielleicht gar nicht so schlecht, zumindest einige Jahre länger zu arbeiten, denn leider zeigen die Statistiken, dass Frührentner ihren Ruhestand nicht unbedingt genießen können. Bei einer Studie über Mitarbeiter der Ölgesellschaft Shell wurde festgestellt, dass bei Arbeitnehmern, die mit 55 Jahren in den Ruhestand treten, die Wahrscheinlichkeit, innerhalb von 10 Jahren zu sterben, doppelt so hoch war wie bei Personen, die mit 60 oder 65 Jahren in Rente gingen. (In der Studie wurde z.T. berücksichtigt, dass sich die Frührentner u.U. aus gesundheitlichen Gründen aus dem Erwerbsleben zurückgezogen hatten.) Auch wenn wir es nicht unbedingt zugeben wollen, kann Arbeit doch eine Quelle für Wohlbefinden und Zufriedenheit sein.
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OECD Insights: Humankapital
Wenn wir länger erwerbstätig bleiben wollen, müssen wir auch unsere Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse – also unser Humankapital – ständig verbessern. Schließlich hat jemand, der Mitte 60 noch erwerbstätig ist, seine Erstausbildung bereits vor mehr als vier Jahrzehnten abgeschlossen, und seither hat sich mit Sicherheit vieles verändert. Wen dies nicht überzeugt, der sollte sich vergegenwärtigen, was sich in den letzten 40 Jahren alles verändert hat. In den 1960er Jahren war in kaum einem Land die Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz gesetzlich verboten. Soweit es überhaupt Bürorechner gab, standen sie in einem separaten Raum und wurden von Büroangestellten manuell mit Daten gefüttert. Und das Internet war noch nicht mehr als eine Vision, die einem Militärstrategen vorschwebte. Nun stelle man sich mal die Entwicklungen vor, zu denen es in den nächsten 40 Jahren kommen wird. Wer dann in der Arbeitswelt bestehen will, wird nicht umhin können, sich permanent weiterzubilden.
Nachholbedarf Nachholbedarf haben wir natürlich alle, vor allem aber Personen, die von Anfang an bildungsmäßig benachteiligt waren. Obwohl die Lese- und Rechenkompetenz im gesamten OECD-Raum gestiegen ist, gibt es in den meisten Ländern noch immer einen gewissen – und manchmal recht großen – Anteil von Erwachsenen, die mit Lesen, Schreiben und mathematischen Grundkenntnissen so ihre Schwierigkeiten haben. Einer von der OECD getragenen Studie zufolge verfügt mindestens ein Viertel der Erwachsenen in den betrachteten Ländern nur über minimale Lesekompetenzen. Viele von ihnen enden in geringqualifizierten Tätigkeiten, die ein geringes Bildungsniveau erfordern und daher besonders von einer Verlagerung in Niedriglohnländer bedroht sein könnten. Die Expansion der Bildungsbeteiligung im Sekundar- und Tertiärbereich hat die Lage für geringqualifizierte Arbeitnehmer noch weiter erschwert. Das liegt z.T. daran, dass die beruflichen Tätigkeiten heute mit komplexeren Anforderungen verbunden sind und mindestens grundlegende Lese- und Rechenkompetenzen voraussetzen. Andererseits spiegelt sich darin u.U. auch die Diplomitis (siehe Kapitel 2) und Praxis des Screening wider – d.h. die Tendenz der Arbeitgeber, die Bewerber nach Mindestqualifikationen „auszusieben“, selbst wenn diese Qualifikationen für den betreffenden Arbeitsplatz nicht unbedingt erforderlich sind. 94
5. Für das Leben lernen
Ergrauende Bevölkerung
ERGRAUENDE BEVÖLKERUNG Rentner im Verhältnis zu Erwerbspersonen Die Zahl der Rentner im Verhältnis zur Erwerbsbevölkerung nimmt zu. Der Wert von knapp über 50 für Japan (in der nachstehenden Abbildung) zeigt beispielsweise an, dass im Jahr 2020 auf 100 Erwerbspersonen etwas mehr als 50 Rentner kommen werden, während es im Jahr 2000 noch weniger als 27 waren.
2000 2020 Anzahl der Rentner je 100 Erwerbspersonen 10
20
30
40
50
60
Ungarn Italien Frankreich Japan Griechenland Finnland Polen Belgien Schweden Deutschland Österreich Spanien Tschech. Republik Dänemark Slowak. Republik Ver. Königreich OECD insgesamt Australien Niederlande Luxemburg Norwegen Kanada Korea Schweiz Neuseeland Portugal Ver. Staaten Irland Türkei Island Mexiko
Die Bevölkerung altert in allen OECD-Ländern, was bedeutet, dass in Zukunft eine wachsende Zahl von Rentnern auf die finanzielle Unterstützung von immer weniger Erwerbspersonen angewiesen sein wird. Daher überrascht es nicht, dass die Regierungen in den Industrieländern ihre Bevölkerung auf längere Lebensarbeitszeiten einstimmen. Daten im Excel-Format sind über den StatLink (siehe unten) abrufbar Quelle: Die OECD in Zahlen und Fakten 2006.
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/173116830105
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OECD Insights: Humankapital
Wie dem auch sei, fest steht zumindest, dass Personen mit niedrigem Bildungsniveau wirtschaftlich gesehen nicht mit der übrigen Bevölkerung mithalten können. Dies zeigt sich u.a. daran, dass sich seit den 1980er Jahren die Lohnschere zwischen Arbeitnehmern in Abhängigkeit vom Bildungsniveau in zahlreichen OECD-Ländern ausweitet. „… Die Expansion der Nachfrage nach Tertiärbildung dürfte nicht den sozial Benachteiligten zugute gekommen sein, und sie hat die Arbeitsmarktlage für Geringqualifizierte möglicherweise sogar noch weiter verschlechtert.“ Vom Wohlergehen der Nationen
Einige Analysten gehen noch weiter und argumentieren, dass heutzutage die großen Einkommensungleichheiten nicht mehr zwischen Personen mit und solchen ohne Tertiärbildung bestehen, sondern vielmehr zwischen den absoluten Spitzenverdienern und allen anderen. Nach Angaben, die der amerikanische Ökonom Paul Krugman vorgelegt hat, ist das Einkommen der wohlhabendsten 10% der Amerikaner im Zeitraum 1972-2001 um 34% gestiegen. Die Allerreichsten 0,01% verbuchten dagegen einen Zuwachs von 497%. Nach Ansicht von Krugman und anderen Beobachtern stellt die Herausbildung solcher kleinen, aber enorm reichen Eliten eine Gefahr für den sozialen Zusammenhalt dar. Dem halten Kritiker entgegen, dass die Einkommen von Spitzenkräften gewiss rasant gestiegen sind, aber Absolventen des Tertiärbereichs im Vergleich zu Personen, die nicht über einen Sekundarschulabschluss hinausgekommen sind, immer noch wesentlich höhere Einkommen erzielen. Ist die Erwachsenenbildung ein Instrument, das Bildungsdefizite ausgleichen kann? Ja gewiss, wenn auch nicht immer in dem Maße, das wünschenswert wäre. Der Bildungserwerb im Laufe des Lebens ist mit einem Hausbau vergleichbar. Bei einem soliden Fundament bestehen gute Chancen, dass das Haus über viele Jahre stabil bleibt. Ist das Fundament schlecht, sind zahlreiche Reparaturen notwendig, um dem Haus Halt zu geben. Gleichwohl kann die Erwachsenenbildung wirkliche Vorteile bringen und lohnt sich daher für den Lernenden.
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5. Für das Leben lernen
AUS GLOBALER SICHT
Gewinner und Verlierer
Immer wieder gibt es Schlagzeilen wie diese: „Massenentlassungen in Kanadas Industrie – schuld sind die starke Währung und Billigimporte aus China“, „Telstra will weitere 425 Jobs nach Indien auslagern“, „Credit Suisse erwägt Verlagerung von 5 000 Stellen nach Osten“. In den Medien wird regelmäßig vor der Bedrohung von Arbeitsplätzen in den Industrieländern durch Billigimporte und Niedriglöhne im Ausland gewarnt. Die Regierungen der Industrieländer wiederum verweisen darauf, dass die Wirtschaft verstärkt auf anspruchsvollere Tätigkeiten setzten muss und die Arbeitnehmer ihre Kompetenzen und ihr Bildungsniveau – also ihr Humankapital – erhöhen müssen, um solche Tätigkeiten ausüben zu können. Indessen stellt sich die Frage, wie stark der Effekt der Konkurrenz aus dem Ausland auf die Arbeitsplatzsituation tatsächlich sein wird. Sie wird ganz sicher einen Einfluss haben, aber möglicherweise nicht in dem befürchteten Ausmaß. Nehmen wir als Beispiel die Bedrohung durch Billigimporte. Auf der Basis einer in der Hälfte ihrer Mitgliedstaaten durchgeführten Erhebung schätzt die OECD, dass nur etwa eine von 25 Stellen in der Industrie durch die Konkurrenz von Importen stark bedroht ist, wenngleich für etwa eine von fünf Stellen zumindest eine gewisse Gefahr besteht. Natürlich lässt sich nicht immer mit Sicherheit feststellen, ob ein bestimmter Arbeitsplatz infolge des internationalen Handels abgebaut wurde: Unternehmen schließen oder entlassen Arbeitskräfte aus ganz unterschiedlichen Gründen. Fest steht jedoch, dass für Arbeitnehmer in der Industrie ein größeres Risiko besteht als in vielen Dienstleistungsbranchen. Arbeitskräfte in der Industrie weisen häufig ein geringeres Bildungsniveau auf und sind vergleichsweise älter. Für sie kann es schwierig sein, eine neue Stelle bei gleicher Bezahlung zu finden – vor allem für Arbeitnehmer in den Vereinigten Staaten. Dort belaufen sich die Lohneinbußen von Industriearbeitern, die ihren Arbeitsplatz infolge des internationalen Handels verlieren, durchschnittlich auf rd. 13%. In Europa können die Arbeitnehmer im Durchschnitt ihr altes Lohnniveau halten,
aber dennoch büßt ein relativ hoher Prozentsatz (8%) bei Entlassung nahezu ein Drittel seines vorherigen Lohnniveaus ein. Darüber hinaus ist für Arbeitnehmer in Europa das Risiko der Langzeitarbeitslosigkeit größer als in den Vereinigten Staaten. Stellenverlust und massive Lohnkürzungen können für die betreffenden Arbeitnehmer katastrophal sein, vor allem für jene, die ohnehin wenig verdienten. Diesen Personen einfach nur eine Weiterbildung zu empfehlen, reicht nicht aus. Regierungen, Arbeitgeber und Gewerkschaften müssen untersuchen, wie sie ihnen aktiv helfen können, sich an die Veränderungen anzupassen. So hat die Europäische Kommission vorgeschlagen, in Europa einen Globalisierungsanpassungsfonds einzurichten, durch den jährlich bis zu 50 000 Arbeitnehmer umgeschult und in neue Stellen vermittelt werden sollen. In den Vereinigten Staaten ist seit den 1960er Jahren das – wenn auch nur begrenzt erfolgreiche – Programm „Trade Adjustment Assistance“ in Kraft. Wenngleich die Globalisierung des Handels mit Arbeitsplatzverlusten für einzelne Personen einhergeht, überwiegen nach Ansicht vieler Beobachter insgesamt doch die Vorteile eines offenen Handels die Nachteile und können letztlich zu mehr Beschäftigung führen. Zumindest zeigen ihrer Meinung nach die Statistiken, dass kein systematischer Zusammenhang zwischen offenem Handelssystem und massivem Stellenabbau besteht. Paradoxerweise kommen die Gefahren manchmal weniger von der Globalisierung des Handels selbst als vielmehr der Wahrnehmung einer davon ausgehenden Bedrohung. In den Vereinigten Staaten hat die Association for Computing Machinery warnend darauf hingewiesen, dass sich junge Amerikaner u.U. gegen ein Informatikstudium entscheiden, da sie – irrtümlicherweise – der Ansicht sind, dass die Informatik in den Vereinigten Staaten keine Zukunft hat. „Viele Schüler der Sekundarstufe wie auch ihre Eltern glauben, dass hier nichts mehr zu machen ist und alle Informatikjobs ins Ausland abwandern“, erklärte der Präsident der Gesellschaft Professor Bill Patterson einem Journalisten, „und diese irrtümliche Annahme ist außerordentlich weit verbreitet“.
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OECD Insights: Humankapital
Welche Hindernisse bestehen für die Weiterbildung? Die Zahl der Erwachsenen, die eine berufsbezogene Aus- und Weiterbildung erhalten, variiert in den OECD-Ländern ganz erheblich. Während in Dänemark, Schweden, der Schweiz und den Vereinigten Staaten mehr als 40% der Arbeitnehmer an derartigen Maßnahmen teilnehmen, sind es in Griechenland, Italien, Spanien und Ungarn weniger als 10%. Noch bezeichnender sind die enormen Unterschiede, die innerhalb der OECD-Länder in Bezug auf die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen bestehen. Generell ist es so, dass gerade die Personen mit dem größten diesbezüglichen Bedarf keine Weiterbildung erhalten. „Ältere Arbeitskräfte werden in der Regel weniger gefördert als jüngere“, erläutert Raymond Torres von der OECD. „Und Personen mit geringerem Bildungsniveau haben deutlich weniger Weiterbildungschancen als Hochqualifizierte. Wer auf dem Arbeitsmarkt ganz unten angesiedelt ist, hat – im Gegensatz zu Führungskräften – kaum eine Aussicht auf Weiterbildung.“
Der Vorteil der Jugend… Junge Erwachsene erhalten aus mehreren Gründen mehr Weiterbildung. Berufseinsteiger befinden sich oftmals noch in der Berufsausbildung. Sofern sie noch keine Familie gegründet haben, verfügen sie darüber hinaus über mehr Freizeit und haben weniger berufliche und familiäre Verpflichtungen – eines der Haupthindernisse für die Weiterbildung älterer Arbeitnehmer. Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass jüngere Erwachsene gewöhnlich ein besseres Bildungsniveau mitbringen. Denn je höher das Niveau der Erstausbildung ist, desto größer ist in der Regel die Wahrscheinlichkeit, weiter an formalen Bildungsaktivitäten teilzunehmen. Diese Unterschiede im Niveau der Erstausbildung erklären sich daraus, dass die ältere Generation in vielen OECD-Ländern ihre
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5. Für das Leben lernen
formale Bildung vor der raschen Bildungsexpansion im Sekundarbereich II und im Tertiärbereich in den letzten Jahrzehnten abgeschlossen hatte. So besitzen in Irland z.B. rd. 75% der Erwachsenen unter 34 Jahren einen Abschluss der Sekundarstufe II, während es unter den Mittfünfzigern weniger als 40% sind. Das Alter kann auch dann ein Hindernis darstellen, wenn die Betreffenden glauben, einfach zu alt zu sein, um von Weiterbildungsmaßnahmen zu profitieren. Unter Umständen sind ihre Arbeitgeber derselben Ansicht, die in gewisser Weise die harsche Realität der Wirtschaft widerspiegelt. Verglichen mit einem Arbeitnehmer, der auf den Ruhestand zugeht, bleibt einem Jüngeren – bzw. dessen Arbeitgeber – wesentlich mehr Zeit, um Ausgaben für Investitionen in die Erwachsenenbildung wieder hereinzuholen.
Wer nimmt an weiterbildung teil?
WER NIMMT AN WEITERBILDUNG TEIL? Anteil der Teilnehmer an Maßnahmen der Erwachsenenbildung nach Bildungsniveau
Anteil an der Gesamtbevölkerung
Jeweiliges Bildungsniveau: Hoch Mittel
2000
Niedrig
Jeder in einer Bildungskategorie oberhalb dieser Linie erhält mehr Weiterbildung als der Durchschnitt
3.0 2.5 2.0 1.5 1.0 0.5 0
Kanada
Finnland
Spanien
Schweiz
Je höher das Bildungsniveau, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, an Maßnahmen der Erwachsenenbildung teilzunehmen. Somit weitet sich das Bildungsgefälle zwischen Arbeitnehmern im Laufe der Zeit u.U. weiter aus.
Ver. Königr.
Ausgewählte OECD-Länder
Quelle: Beyond Rhetoric: Adult Learning Policies and Practices.
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OECD Insights: Humankapital
… und der Hierarchieebene In Unternehmen spielt bei Entscheidungen über Weiterbildungsmaßnahmen auch die jeweilige Hierarchieebene eine wichtige Rolle: Je höher die Position im Unternehmen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, an Schulungen teilnehmen zu können. Aus Sicht des Arbeitgebers ist das sinnvoll. Die Schulung des Führungspersonals ist für die Geschäftsleitung eine Art Investition, die sich anschließend durch höhere Produktivität und Fachkenntnis auszahlt. In Weiterbildungsmaßnahmen für weniger qualifizierte Arbeitnehmer sehen die Unternehmen möglicherweise nur einen Kostenfaktor. Die Geschäftsleitung geht u.U. davon aus, dass solche Arbeitskräfte für ihre Tätigkeit keine besonderen Kenntnisse benötigen und wahrscheinlich sowieso nicht lange im Unternehmen verbleiben, so dass sich Schulungskosten nicht amortisieren werden. Darüber hinaus beantragen geringqualifizierte Arbeitskräfte seltener Weiterbildung. Das könnte teilweise darauf zurückzuführen sein, dass sie sich des potenziellen finanziellen Nutzens einer Erwachsenenbildung nicht bewusst sind. Folglich enden geringqualifizierte Arbeitnehmer häufig in einer Art Falle, für die sie z.T. selbst verantwortlich sind. Sie können im Unternehmen nur durch Teilnahme an Schulungsmaßnahmen aufsteigen, diese werden ihnen aber auf Grund ihrer unzureichenden Erstausbildung vom Arbeitgeber seltener gewährt. Was kann getan werden, um sie aus diesem „Teufelskreis“ herauszuholen?
Wie lassen sich Hindernisse beim Zugang zu Lernmöglichkeiten abbauen? Wenn ein Autor an einem Kriminalroman arbeitet, stützt er sich auf drei Elemente: Motiv, Mittel und Gelegenheit. Diese Elemente kommen auch bei einer Untersuchung der Frage ins Spiel, warum nicht mehr Personen an Maßnahmen der Erwachsenenbildung teilnehmen.
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5. Für das Leben lernen
Was bedeuten nun Motiv, Mittel und Gelegenheit im Zusammenhang mit lebenslangem Lernen. Das Motiv umfasst alles, was Erwachsene zum Weiterlernen bewegt, und die Frage, was getan werden kann, um ihre Motivation zu erhöhen. Bei den Mitteln geht es vorrangig um Geld, also darum, wer die Erwachsenenbildung finanziert. Und Gelegenheit schließlich bezieht sich auf die Frage, wie sich Erwachsenenbildung bereitstellen lässt.
Motivation: Erwachsene zum Weiterlernen animieren Niemand wird gewillt sein, für Weiterbildungsmaßnahmen zu bezahlen, sofern er nicht zuversichtlich ist, etwas davon zu haben. Der Staat fördert Weiterbildung, um das Humankapital der Arbeitskräfte zu erhöhen, die Unternehmen wollen Produktivitätssteigerungen erzielen und die Arbeitnehmer erwarten eine Lohnerhöhung und bessere Aufstiegschancen. Diese unterschiedlichen Ziele sind aber keineswegs unvereinbar. Mit erfolgreichen Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen lassen sie sich durchaus alle erreichen. Allerdings können Weiterbildungsmaßnahmen mit unerwünschten Nebeneffekten verbunden sein, die die Motivation beeinträchtigen. Beispielsweise kann für Unternehmen ein größeres Risiko bestehen, Beschäftigte zu verlieren, wenn diese nach abgeschlossener Weiterbildung feststellen, dass sich die Schulung für sie nur in bare Münze umsetzen lässt, wenn sie das Unternehmen verlassen und sich einen anderen Arbeitgeber suchen. Trotz solcher Risiken ist es für Unternehmen dennoch sinnvoll, die Mitarbeiter zu schulen: Durch Weiterbildung steigen sowohl Produktivität und Gewinne als auch Löhne und Gehälter der Mitarbeiter. Allerdings kann der Widerstand von Seiten der Arbeitnehmer schwer zu überwinden sein. Sofern die potenziellen Vorteile einer Weiterbildung nicht klar ersichtlich sind, haben sie vielleicht einfach kein Interesse daran. Viele empfinden Weiterbildung als lästig, vor allem wenn sie dafür einen Teil ihrer Freizeit opfern sollen, in der sie lieber familiären und gesellschaftlichen Verpflichtungen nachkommen möchten. „Der Mensch tendiert zu rationellem Handeln und bringt Mittel für Bildungsaktivitäten auf, wenn er sich davon klare Vorteile erwartet…“ Promoting Adult Learning
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OECD Insights: Humankapital
Es bestehen noch andere Hindernisse. Jemand, der es schwierig findet, einen potenziellen Arbeitgeber vom Wert seiner vorhandenen Kompetenzen und seiner Leistungsfähigkeit – d.h. seinem Humankapital – zu überzeugen, verzichtet eventuell darauf, diese Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Ebenso besteht – verständlicherweise – nur dann ein Ansporn zur Teilnahme an einer Weiterbildung, wenn die dabei erworbene Qualifikation auf breiter Ebene anerkannt ist. Die Anerkennung bestehender Bildungsmaßnahmen kann von staatlicher Seite durch nationale Zertifizierungssysteme erleichtert werden. Sie sind vor allem für weniger qualifizierte Arbeitskräfte von Bedeutung, deren Lernen sich überwiegend in informellem Rahmen vollzieht. Diese Art des Lernens wird normalerweise nicht in schriftlich attestierten Qualifikationen festgehalten – man denke nur an die Tricks und Kniffe, die es in jedem Beruf gibt – vom Klempner bis zum Software-Entwickler. Diese Fähigkeiten können auf ihre Weise wertvoll sein und durchaus Anerkennung verdienen. Die diesbezüglichen Ansätze variieren, aber in vielen nationalen Zertifizierungssystemen besteht für die Teilnehmer keine Notwendigkeit, einen vorgeschriebenen Kurs zu besuchen, womit eine wesentliche psychologische Barriere für die Teilnahme entfällt. In manchen Systemen reicht es bereits, in einem Test unter Beweis zu stellen, dass sie über die geforderten Fähigkeiten und Kompetenzen verfügen. „Wenn es gilt, das erworbene Wissen nutzbringend einzusetzen, tun sich die Betreffenden oft schwer damit, ihre Investition in Weiterbildung in die Praxis umzusetzen und davon zu profitieren…“ Beyond Rhetoric: Adult Learning Policies and Practices
Auch Zweifel am Wert einer Weiterbildung können demotivierend wirken. In der Erwachsenenbildung tummeln sich nicht wenige unseriöse Anbieter. Darüber hinaus werden selbst Abschlüsse, die im Fernstudium an renommierten Universitäten erworben werden, manchmal unfairerweise als zweitklassige Qualifikationen betrachtet.
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5. Für das Leben lernen
In vielen OECD-Ländern überprüfen Behörden für Qualitätskontrolle die Kursangebote privater Anbieter. Es kann jedoch nützlich sein, für den Aufbau eines echten Marktes für Erwachsenenbildung einen breiteren Ansatz zu verfolgen. Das setzt voraus, dass angemessene Kontrollen der Weiterbildungsanbieter durchgeführt werden und der Staat geeignete Sanktionen gegen Schulungszentren verhängt, die die nationalen Standards nicht einhalten. Ein solches System könnte Erwachsenen einen wirklichen Anreiz bieten, gezielt nach anerkannten Kursen zu suchen, und private Anbieter motivieren, qualitativ hochwertige Kurse anzubieten.
Mittel: Wer finanziert die Erwachsenenbildung? Die Kosten für den Weiterbildungsbedarf von Fachkräften trägt in der Regel entweder der Arbeitgeber oder der Mitarbeiter selbst. Staatliche Unterstützung wird eher für die Weiterbildung geringqualifizierter Arbeitnehmer gewährt. Die staatliche Rolle bei der Finanzierung kann aus zwei Perspektiven betrachtet werden – der des Unternehmens und der des Einzelnen. Unternehmensperspektive: Steuerliche Vergünstigungen sind ein wichtiges Instrument, das der Staat einsetzen kann, um Unternehmen zur Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu motivieren. Wenngleich eine angemessene Konzipierung von Steuervergünstigungen schwierig ist, greifen die Regierungen gern auf diese Instrumente zurück, da sie auf dem bestehenden Steuersystem aufbauen und die Unternehmen dazu ermutigen, ihre eigene Belegschaft zu schulen, statt Mitarbeiter anderer Unternehmen abzuwerben; insgesamt wird damit das Humankapital der Erwerbsbevölkerung eines Landes erhöht. Und auch bei den Unternehmen finden sie Anklang, da sie der Geschäftsleitung im Gegensatz zu direkten staatlichen Subventionen mehr Freiheit bei der Entscheidung lassen, wer Weiterbildung erhalten soll und wer nicht.
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OECD Insights: Humankapital
Damit ist aber auch ein Nachteil verbunden. Wenn den Unternehmen freie Hand gelassen wird, tendieren sie dazu, Führungskräfte zu schulen, während der Zweck der gewährten Steuererleichterung gerade darin besteht, Weiterbildung auf breiterer Basis zu fördern. Es gibt noch weitere Nachteile. So müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter generell schulen – unabhängig davon, ob die Weiterbildung steuerlich gefördert wird oder nicht. Steuervergünstigungen können daher bedeuten, dass der Steuerzahler Weiterbildungsmaßnahmen eines Unternehmens subventioniert, die ohnehin durchgeführt worden wären. Dieses Phänomen ist unter dem Begriff Mitnahmeeffekt bekannt. Durch steuerliche Vergünstigungen stellt der Staat den Unternehmen im Grunde Mittel für Weiterbildungsmaßnahmen zur Verfügung. Er kann die Unternehmen aber auch zu Abgaben verpflichten. In Spanien z.B. zahlen die Unternehmen eine Lohnsummensteuer von 0,6% für die Finanzierung von Weiterbildung. Durch die Erhebung solcher Abgaben kann der Staat die Mittel leichter in Weiterbildungsmaßnahmen für weniger qualifizierte Arbeitnehmer leiten.
Gründe für die Nichtteilnahme an weiterbildung
GRÜNDE FÜR DIE NICHTTEILNAHME AN WEITERBILDUNG Prozentsatz der Erwachsenen, die spezifische Gründe für die Nichtteilnahme an Viele Erwachsene sind nicht an Weiterbildungsmaßnahmen Weiterbildung angeben Österreich
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Genannte Gründe: 40
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Ver. Königr. 2003
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Die Summe ergibt nicht unbedingt 100, da die Befragten mehrere Gründe anführen konnten
Quelle: Promoting Adult Learning.
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interessiert. Andere wiederum möchten Kurse belegen, fühlen sich aber nicht dazu in der Lage. Als Gründe werden berufliche und familiäre Verpflichtungen oder das Gefühl, einfach zu alt dafür zu sein, genannt.
5. Für das Leben lernen
Individuelle Perspektive: Viele OECD-Länder gehen vom Prinzip der Kofinanzierung aus, das eine Beteiligung aller Parteien – also des Staats, aber insbesondere auch der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer – an der Finanzierung der Erwachsenenbildung vorsieht. Dies soll dafür sorgen, dass jeder seinen finanziellen Beitrag leistet, und die Wahrscheinlichkeit zum Ausdruck bringen, dass Unternehmen und Arbeitnehmer Hauptnutznießer der Maßnahmen sind. Die Kofinanzierung kann in ganz unterschiedlicher Form erfolgen. Beispielsweise kann der Staat den Weiterbildungsurlaub von Arbeitnehmern subventionieren, wodurch sich bei Schulungen außerhalb des Unternehmens die Kostenbelastung für viele Arbeitnehmer spürbar verringert, namentlich hinsichtlich der Notwendigkeit, dafür frei zu nehmen. In Frankreich haben Arbeitnehmer Anrecht auf bis zu 20 Stunden bezahlten Bildungsurlaub pro Jahr. Ferner kann der Staat direkte Unterstützung in Form von Weiterbildungsdarlehen gewähren, bei deren Rückzahlung allerdings manchmal Schwierigkeiten auftreten.
Wer finanziert die Weiterbildungsmassnahmen?
WER FINANZIERT DIE WEITERBILDUNGSMASSNAHMEN? Prozentsatz der von Arbeitgebern finanzierten formalen Schulungskurse en
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Die Arbeitgeber tragen den Großteil der Kosten für Weiterbildungsmaßnahmen, obwohl die dadurch erworbenen Kompetenzen auch für andere Unternehmen nützlich sein können und sich damit die Gefahr einer Abwerbung von Personal erhöht.
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Ausgewählte OECD-Länder
Quelle: OECD-Beschäftigungsausblick 2003.
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OECD Insights: Humankapital
In einigen Ländern, wie Kanada, den Niederlanden und im Vereinigten Königreich, wurde mit individuellen Bildungskonten experimentiert, einer Art Sparkonto für geringqualifizierte Arbeitnehmer zur Finanzierung der persönlichen Weiterbildung. Die Spareinlagen sind steuerfrei und werden vom Staat und vom Arbeitgeber bezuschusst. In Kanada zahlt der Staat im Rahmen des Pilotprogramms Learn$ave für jeden vom Arbeitnehmer auf sein Bildungskonto eingezahlten Dollar eine Prämie von bis zu drei Dollar. Auch hier kann es Probleme geben. Im Vereinigten Königreich wurde das Programm nach nur einem Jahr auf Grund von Betrugsversuchen und Eröffnung von Scheinkonten wieder eingestellt. Und da das Programm nicht ausschließlich auf geringqualifizierte Arbeitnehmer ausgerichtet war, verwendeten viele Kontoinhaber das Geld zur Finanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen, die sie ohnehin geplant hatten, ein weiteres Beispiel für Mitnahmeeffekte.
Gelegenheiten: Bereitstellung von Weiterbildung Der erste Schritt zur Weiterbildung kann besonders schwer sein, vor allem für Erwachsene, denen es an Grundkenntnissen fehlt. Jemand, der schon als Kind in der Schule Schwierigkeiten hatte, wird sich nur ungern an diese Zeit erinnern. Und wer Probleme mit dem Lesen hat, leidet u.U. unter einem geringen Selbstwertgefühl – ausgelöst durch das Stigma, das dem Analphabetismus immer noch anhaftet. Dabei könnten ihre Probleme auf Dyslexie zurückzuführen sein, eine Störung, die durch Lese- und Schreibschwierigkeiten zu Tage tritt und von der überraschend viele Berühmtheiten betroffen waren, unter anderem angeblich Thomas Edison und Pablo Picasso. Für Teilnehmer an einer Erwachsenenbildung ist der erste Kontakt entscheidend. Sie müssen leicht Hilfe finden und sicher sein können, dass sie mit Respekt behandelt werden. In vielen OECD-Ländern wurden bereits zentrale Anlaufstellen eingerichtet, die Erwachsenen Unterstützung bei der Jobsuche und der Erwachsenenbildung bieten. Bei diesen Zentren können die Erwachsenen ihren Weiterbildungsbedarf abstecken, ohne dafür Dutzende von Behörden und Bildungseinrichtungen anlaufen zu müssen, und sie werden dann von dort aus auch gleich an die entsprechenden Stellen weitergeleitet.
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5. Für das Leben lernen
Wenn die betreffenden Erwachsenen den ersten Schritt gemacht haben, kommt es darauf an, ihre Würde zu achten. Kein Erwachsener will wie ein Kind behandelt werden oder das Gefühl haben, wieder auf die Schulbank geschickt worden zu sein. Daher können informelle Ansätze sowohl hinsichtlich der Art des Unterrichts als in Bezug auf den Schulungsort von Nutzen sein. Es hat sich beispielsweise bewährt, den Erwachsenen den Wiedereinstieg in den Lernprozess durch eine begrenzte Anzahl von Wochenstunden zu erleichtern. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, ihre Familie unterstützend einzubeziehen. In den Vereinigten Staaten werden im Rahmen des Family Literacy Program Eltern und Kinder am gleichen Ort unterrichtet, was insbesondere Migrantenfamilien hilft, die Sprache ihres neuen Heimatlandes zu erlernen. „… Als erfolgreich hat sich ein Konzept erwiesen, bei dem vom traditionellen Schulmodell abgegangen und versucht wird, möglichst oft verschiedene Lernformen und -zwecke zu kombinieren.“ Promoting Adult Learning
Da Zeit häufig eine Rolle spielt, kommen Erwachsenen Systeme entgegen, die ihnen Freiraum lassen, ihr Lerntempo selbst zu bestimmen und Tests und Prüfungen zu einem von ihnen gewählten Zeitpunkt abzulegen. In den Vereinigten Staaten z.B. gibt es die seit langem bestehende Einrichtung General Educational Development mit mehr als 3 000 Zentren, die Prüfungen abnehmen, aber keine Kurse anbieten. Interessenten können Prüfungen in fünf Hauptfächern ablegen und erhalten bei Bestehen ein Zertifikat, das dem High-School-Diplom entspricht. In den Vereinigten Staaten wird jeder siebte High-School-Abschluss über dieses System erworben. In Korea, wo am Arbeitsmarkt formale Abschlüsse eine große Rolle spielen, haben Interessenten die Möglichkeit, im Rahmen des Credit Bank Systems über mehrere Jahre Scheine aus Kursen zu sammeln, die sie an verschiedenen Universitäten oder anderen Bildungseinrichtungen belegt haben. Über dieses System, das 1998 eingeführt wurde, haben in den ersten fünf Jahren rd. 25 000 Menschen einen Abschluss erworben.
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OECD Insights: Humankapital
Derartige Ansätze können es den Betreffenden erleichtern, ihr Humankapital im Laufe ihres Lebens zu entwickeln – von der frühesten Kindheit vor Beginn der formalen Schulbildung an über die Schul- und Hochschuljahre bis ins Erwachsenenalter. Dieser Zugewinn kann klare wirtschaftliche Vorteile bringen, jedoch ist Humankapital, wie im folgenden Kapitel gezeigt wird, mit mehr verbunden als nur einem höheren Gehalt. Vielmehr zählen dazu auch eine bessere Gesundheit und potenziell sogar eine gesündere Gesellschaft.
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Weitere OECD-Studien zu diesem Thema h Live Longer, Work Longer (2005) Angesichts der raschen Bevölkerungsalterung sind zahlreiche beschäftigungsund sozialpolitische Maßnahmen, Praktiken und Einstellungen, die die Anreize für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in höherem Alter mindern, nicht mehr zeitgemäß und sollten grundlegend geändert werden. Sie nehmen älteren Arbeitskräften nicht nur die Wahl, wann und wie sie in den Ruhestand treten wollen, sie sind auch für die Unternehmen, die Wirtschaft und die Gesellschaft mit hohen Kosten verbunden. Wenn nichts zur Förderung besserer Beschäftigungsaussichten für ältere Arbeitnehmer unternommen wird, wird sich die Zahl der Rentner je Erwerbstätigen in den OECD-Ländern in den nächsten 50 Jahren verdoppeln. Gestützt auf Erkenntnisse aus 21 Länderberichten wird in Live Longer, Work Longer ein neuer Maßnahmenkatalog für altersfreundliche Beschäftigungspolitiken und -praktiken vorgestellt. h Beyond Rhetoric: Adult Learning Policies and Practices (2003) Erwachsene könnten zu Recht die Frage stellen, warum sie wieder lernen sollen. Wie die Realität jedoch zeigt, erfordern die sich verändernden Anforderungen der Wissensgesellschaft, Qualifikationsdefizite und die zunehmende Bedeutung von zivilgesellschaftlichem Engagement und sozialem Zusammenhalt den kontinuierlichen Ausbau von Fähigkeiten und
Kenntnissen. Indessen sind die Personen mit dem größten Bildungsbedarf oft gerade diejenigen, die am wenigsten an Erwachsenenbildung und Weiterbildungsprogrammen teilnehmen. In Beyond Rhetoric wird untersucht, welche Maßnahmen und Praktiken sich im Bereich Erwachsenenbildung bewährt haben. Der Bericht definiert die Merkmale, die ein gutes System der Erwachsenenbildung aufweisen sollte, darunter auch Möglichkeiten, Erwachsene zum Lernen zu motivieren sowie Methoden zur Bereitstellung geeigneter Weiterbildungsdienste. h Co-financing Lifelong Learning: Towards a Systemic Approach (2004) Lebenslanges Lernen ist noch nicht zu einer Realität für alle geworden. Das ist z.T. darauf zurückzuführen, dass unsere Gesellschaften das Lernen nach wie vor als eine staatlich unterstützte Einrichtung für die jüngere Generation betrachten. Darüber hinaus gibt es tiefverwurzelte institutionelle und politische Ressentiments gegenüber Investitionen in Humankapital. Seit einigen Jahren sind jedoch vielversprechende Anzeichen für Veränderungen auszumachen, darunter Initiativen, die es privaten und öffentlichen Akteuren erleichtern, gemeinsam in lebenslanges Lernen zu investieren. Allerdings stehen sie noch nicht für einen systemischen Wandel. Der Bericht Co-financing Lifelong Learning befasst sich mit den wichtigsten wirtschaftlichen und finanziellen
Herausforderungen im Zusammenhang mit lebenslangem Lernen, zeigt die jüngsten Erfahrungen mit Initiativen der Kofinanzierung auf und nimmt eine Bestandsaufnahme der politischen Debatte zu diesem Thema vor. h Promoting Adult Learning (2005) Diese Veröffentlichung, die sich auf wichtige Erkenntnisse aus 17 OECD-Ländern stützt, liefert Politikorientierungen in Bezug darauf, wie die Teilnahme von Erwachsenen am Lernprozess verbessert werden kann – ein Bereich, dem bis vor wenigen Jahren kaum politische Aufmerksamkeit galt. Der Bericht befasst sich mit potenziellen Hindernissen für das Lernen sowie mit Maßnahmen, die hier Abhilfe schaffen könnten. Dazu zählen Maßnahmen zur verstärkten Hervorhebung der Vorteile der Erwachsenenbildung, um diese transparent und leicht nachvollziehbar zu machen. Als weitere politische Optionen werden wirtschaftliche Anreize und Kofinanzierungsmechanismen genannt. Und schließlich lässt sich die politische Entscheidungsfindung in einem Bereich, in dem eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure tätig ist, durch Koordinierung und Kohärenz verbessern.
Verwiesen wird in diesem Kapitel auch auf die Publikation: h Vom Wohlergehen der Nationen: Die Rolle von Human- und Sozialkapital (2004).
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OECD Insights: Humankapital
Zur Einleitung… Im Hitzesommer 2003 wurden in Europa Rekorde gebrochen. Als die Temperaturen in den oberen 30°C-Bereich und darüber stiegen, strömten die Menschen in Scharen an die Strände, um Sonne zu tanken. In den Städten kämpften sich die, die sich nicht von ihrer Arbeit freimachen konnten, schwitzend durch lange, heiße Bürotage. Und hinter verschlossenen Türen starben alte Menschen. In Italien wurden über 4 000 ältere Menschen von der Hitze dahingerafft, in Frankreich waren es nicht weniger als 15 000. Diese Todesfälle wären an sich schon schockierend genug gewesen, was jedoch wirklich erschütterte, war die Tatsache, dass so viele ältere Menschen alleine starben. Manchmal lagen sie tage-, ja sogar wochenlang tot in ihren Wohnungen, bevor sie entdeckt wurden. Wie konnte so etwas in einer modernen, gut organisierten Gesellschaft geschehen? In gewisser Hinsicht ist es das Wesen selbst unserer modernen Gesellschaft mit ihrer Anonymität und ihrem schwindenden Gemeinsinn, das am Tod dieser alten Menschen mit schuld war. In unseren Städten können wir jahrelang in Wohnungen leben, ohne je zu erfahren, wer unsere Nachbarn sind; auf der täglichen Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsplatz schirmen wir uns mit den weißen Ohrstöpseln unserer iPods von der Umwelt ab. Der Wohlstand hat uns viel gebracht – eine längere Lebenserwartung, einen höheren Lebensstandard, Urlaub in fernen Ländern –, auf dem Weg dahin haben wir jedoch möglicherweise einiges von dem verloren, was uns eigentlich am glücklichsten macht, z.B. Gemeinschaftsgefühl. Die Beziehungen zu unseren Mitmenschen können sich potenziell auch auf andere Weise entscheidend auf unser Leben auswirken, z.B. indem sie beeinflussen, wie gut es uns gelingt, unser Humankapital zu entwickeln. Dabei geht es nicht nur um unsere bildungsbezogene Entwicklung, sondern sogar um Bereiche wie unsere Gesundheit. Allein lebende Erwachsene können beispielsweise einem größeren Herzerkrankungsrisiko ausgesetzt sein als solche, die mit einem anderen zusammenleben.
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6. Der breitere Rahmen
X In den vorangegangenen Kapiteln dieser Veröffentlichung haben wir uns hauptsächlich unter dem Blickwinkel des Lernprozesses mit der Frage des Humankapitals auseinandergesetzt. Humankapital kann jedoch auch andere Elemente umfassen, z.B. den Gesundheitszustand. Im vorliegenden Kapitel werden einige dieser weiter reichenden Aspekte des Humankapitals untersucht, angefangen mit den Zusammenhängen zwischen Humankapital und Gesundheit. Anschließend interessieren wir uns für die möglichen Zusammenhänge zwischen Humankapital und Sozialbeziehungen, einen Bereich, in dem sich aufschlussreiche, teilweise kontroverse neue Perspektiven auftun.
Ist Humankapital mehr als nur Bildung?
B
ildung mag zwar ein entscheidender, wenn nicht sogar der entscheidende Bestandteil des Humankapitals sein. Gesundheit gehört jedoch ebenfalls dazu. Zwischen diesen beiden Elementen besteht kein eindeutiger Zusammenhang. Eine gute Gesundheit hilft z.B. bei der Entwicklung des eigenen Humankapitals: Gesunde Kinder lernen leichter. Sie gehört aber auch zu den Erträgen des Humankapitals: Menschen mit höherem Bildungsniveau sind im Allgemeinen gesünder. „Einer der deutlichsten Nutzeffekte von Bildung ist ein besserer Gesundheitszustand. Personen mit höherem Bildungsabschluss haben einen gesünderen Lebensstil.“ Vom Wohlergehen der Nationen
Nicht nur das, Gesundheit ist selbst ein wesentlicher Aspekt des Humankapitals (auch wenn die Menschen nicht immer gleichermaßen bewusst in ihre Gesundheit „investieren“ wie in ihre Bildung). Arbeitskräfte, die als Humankapital eine kräftige Gesundheit mitbringen, sind im Erwerbsleben produktiver und verdienen somit in der Regel auch mehr. Diese höhere Produktivität ist für die Volkswirtschaft insgesamt von Vorteil. Durch die Verbesserung des Gesundheitszustands der Gesamtbevölkerung kann das Wirtschaftswachstum gefördert werden. Einer Schätzung zufolge ist im Fall einer Erhöhung der Lebenserwartung um 5 Jahre – worin sich eine Verbesserung des
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OECD Insights: Humankapital
Gesundheitszustands widerspiegelt – im betreffenden Land mit einer Beschleunigung des Wirtschaftswachstums um bis zu 0,5% im Vergleich zu einer Situation mit gleichbleibender Lebenserwartung zu rechnen.
Gesundheit und Armut Die Auswirkungen des Gesundheitszustands der Bevölkerung auf das Wirtschaftswachstum kommen in den Entwicklungsländern noch deutlicher zum Tragen, was auch in den Millenniumsentwicklungszielen berücksichtigt wurde, jenem von den Vereinten Nationen um die Jahrhundertwende aufgestellten Zielekatalog zur Beseitigung extremer Armut. Von den acht Zielen beziehen sich drei auf Gesundheitsfragen: Verringerung der Kindersterblichkeit, Verbesserung der Gesundheit der Mütter und Bekämpfung von Krankheiten wie HIV/ AIDS und Malaria. Gerade in den Entwicklungsländern geht der Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit in beide Richtungen. Armut heißt, dass nicht genügend Geld für den Kauf von Impfstoffen oder billigen Medikamenten vorhanden ist, weshalb sich Krankheiten, die eigentlich einfach vermieden oder behandelt werden könnten, ungehindert verbreiten können. Wer erkrankt, wird zu einer Belastung für die Familie und kann nicht mehr zum Wirtschaftswachstum beitragen, was wiederum bedeutet, dass weniger Geld zur Finanzierung der medizinischen Versorgung zur Verfügung steht. So entsteht ein Teufelskreis, in dem schlechte Gesundheit zugleich Ursache und Folge von Armut ist. „Eine Grundvoraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung in Entwicklungsländern ist, dass der Teufelskreis von Armut und Krankheit durchbrochen wird.“ Poverty and Health
Wie kann hier Abhilfe geschaffen werden? Eine Lösung wäre, auf globaler Ebene für eine effizientere Allokation der medizinischen Ressourcen zu sorgen. Schätzungen zufolge werden für rd. 90% der weltweiten Krankheitslast nur 10% der weltweiten Ausgaben für medizinische Forschung aufgewandt. Der Großteil der Forschung konzentriert sich stattdessen auf Krankheiten, die in den Industrieländern weiter verbreitet sind. Dies erklärt sich u.a. daraus, dass ein großer Teil der staatlich finanzierten Forschung in Industrieländern
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6. Der breitere Rahmen
durchgeführt wird. Auch wissen die Pharmaunternehmen, dass sie mit dem Verkauf von Medikamenten zur Behandlung von in reichen Ländern üblichen Gesundheitsproblemen, wie Fettleibigkeit und Herzleiden, höhere Gewinne erzielen können als mit solchen zur Behandlung von in Entwicklungsländern anzutreffenden Krankheiten wie z.B. Malaria oder Flussblindheit.
Übergewicht Selbst in Industrieländern ist Gesundheit ein Wirtschaftsfaktor, und auch hier geht der Zusammenhang zwischen schlechter Gesundheit und geringem Einkommen in beide Richtungen. Ein Beispiel hierfür ist das Problem des Übergewichts. In den Industrieländern leiden immer mehr Menschen an Übergewicht oder Fettleibigkeit, was mit schwerwiegenden Gesundheitsrisiken verbunden ist, insbesondere mit Herz- und Lungenkrankheiten, Diabetes, Arthritis, einigen Krebsformen und Gallenproblemen. Knapp über 30% aller Amerikaner gelten als fettleibig bzw. anormal übergewichtig, doppelt so viele wie noch 1980. Und die Vereinigten Staaten sind kein Einzelfall. Ungeachtet des Erfolgs von Büchern wie Warum französische Frauen nicht dick werden ist inzwischen auch in Frankreich jeder Zehnte fettleibig – gegenüber knapp über jedem Zwanzigsten Anfang der 1990er Jahre. Selbst die Entwicklungsländer sind nicht gegen das Problem gefeit: Auch in China und anderen asiatischen Ländern nimmt der Taillenumfang der Menschen zu, je mehr sie auf einen westlichen Lebensstil umsteigen und ihre traditionellen Essgewohnheiten aufgeben. „Weil Fettleibigkeit das Risiko chronischer Krankheiten erhöht, ist sie mit erheblichen zusätzlichen Kosten für die Gesundheitsversorgung verbunden.“ Die OECD in Zahlen und Fakten 2007
Viele Forscher sind der Ansicht, dass zwischen niedrigen Einkommen und Fettleibigkeit ein direkter Zusammenhang besteht und dass Fettleibigkeit und die damit verbundenen Gesundheitsprobleme wiederum zu einer Verringerung des Einkommens führen. Vor einem Jahrhundert hätte ein Zeichner, der eine Fabrikszene hätte schildern wollen, den wohlhabenden Chef wohl noch als dick und den armen Arbeiter als mager dargestellt. Heute wäre das Gegenteil vermutlich passender.
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OECD Insights: Humankapital
Gesundheitskosten Eine bessere medizinische Versorgung bedeutet, dass Menschen mit chronischen Leiden wie Fettleibigkeit länger ohne größere Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität leben können. Das ist zwar eine gute Nachricht, wirft aber eine Frage auf: Wer soll für ihre Behandlung bezahlen? Viele Regierungen mussten feststellen, dass die Finanzierung der Sicherung des gesundheitlichen Humankapitals ihrer Bevölkerung einem Fass ohne Boden gleicht. Auch nicht mit allem Geld der Welt wird es gelingen, sämtliche Forderungen nach Gesundheitsversorgung zu erfüllen, und Entscheidungen darüber, welche Behandlungen bezahlt werden sollen und welche nicht, können für Politiker zu einem Minenfeld werden. Angesichts der Bevölkerungsalterung und weiter steigender Preise für Medizintechnologie dürfte die Kostenfrage für die OECD-Länder in den kommenden Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die öffentlichen Ausgaben für Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege belaufen sich im OECD-Raum derzeit auf etwa 7% des BIP. Bis zur Jahrhundertmitte könnte sich dieser Anteil auf 13% nahezu
Der „Laster-index“
DER „LASTER-INDEX“ Zahl der Raucher und Niveau des Alkoholkonsums 1970
2003
Tabak:
I
a ap
J
Prozentsatz der Raucher
46.6
45.6
30.3
27
h
da
n
d
n rla
a an
eic
kr
n ra
F
K
39.5 17
26
27
Alkohol: Jahresdurchschnittl. Alkoholkonsum (l/Kopf)
22.3 13.5 7
6.1
7.6
8.8
14.8 7.8
Ausgewählte OECD-Länder
Quelle: Gesundheit auf einen Blick 2005.
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In den meisten OECD-Ländern nimmt die Zahl der Raucher ab, ein uneinheitlicheres Bild ergibt sich jedoch in Bezug auf den Alkoholkonsum: Die Zahl der Länder, in denen er sinkt, ist genauso hoch wie die der Länder, in denen er steigt.
6. Der breitere Rahmen
verdoppeln. Als Reaktion darauf ist bei den Regierungen ein Trend festzustellen, nach Möglichkeiten zu suchen, die Eigenverantwortung der Menschen für ihre Gesundheit auszuweiten.
„Die steigende Nachfrage zwingt die Regierungen, Möglichkeiten zu untersuchen, um dem Einzelnen mehr Verantwortung zu übertragen“. David Bloom, Die kreative Gesellschaft des 21. Jahrhunderts
Dies heißt u.a., von den Menschen zu verlangen, dass sie für einen größeren Teil ihrer Gesundheitskosten aufkommen, indem sie ihre Krankenversicherung selbst bezahlen. Es bedeutet aber auch, sie darüber aufzuklären, wie sie selbst mehr für ihre Gesundheit tun können. Auf diese Weise wurden bereits eindrucksvolle Ergebnisse erzielt. Ein Beispiel ist die rückläufige Entwicklung des Tabakkonsums, die seit den 1970er Jahren in den Industrieländern zu beobachten ist und die durch Medienberichte, Strafsteuern auf Zigaretten und öffentliche Aufklärungskampagnen unterstützt wurde. Solche Kampagnen kosten zwar Geld, um die Wahrung und sogar Erhöhung des gesundheitlichen Humankapitals ihrer Bevölkerung bemühte Länder dürften jedoch feststellen, dass Vorbeugen im Zweifelsfall billiger ist als Heilen.
Allgemeine Vorteile Die Nutzeffekte des Humankapitals beschränken sich nicht auf steigende Einkommen und Verbesserungen des Gesundheitszustands. Gemeinwesen können die weiter reichenden SpilloverEffekte zugute kommen, die von Menschen mit hohem Humankapital ausgehen. Studien haben ergeben, dass die Präsenz solcher Personen das Einkommensniveau einer Gemeinschaft insgesamt steigen lässt. In der Tat sind Fabriken oder Büros produktiver, wenn ein Teil ihrer Mitarbeiter über ein hohes Bildungsniveau verfügt, und die dadurch entstehenden Nutzeffekte kommen allen Mitarbeitern des Unternehmens zugute, unabhängig von deren eigenem Bildungsniveau.
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OECD Insights: Humankapital
Die Erhöhung des Humankapitals wird gelegentlich auch als eine Methode zur Verringerung der Kriminalität genannt. Die diesbezüglichen Forschungsarbeiten sind zwar bei weitem noch nicht abgeschlossen, eine amerikanische Studie zeigte jedoch, dass die Vereinigten Staaten im Fall eines Anstiegs des Anteils der High-School-Absolventen unter den Männern um 1% durch die damit einhergehende Verringerung der Kosten der Kriminalität für die Opfer und die Gesellschaft insgesamt Einsparungen in Höhe von 1,4 Mrd. US-$ realisieren könnten. Kriminalität und Gewalt verursachen überall hohe Kosten. Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation belaufen sich die jährlich durch Verletzungen infolge von Gewaltanwendung entstehenden Kosten weltweit auf 500 Mrd. US-$. Die allgemeinen sozialen Nutzeffekte der Bildung scheinen jedoch über die Verringerung der Kriminalität hinauszugehen. Untersuchungen ergaben, dass Personen mit höherem Bildungsniveau auch ein größeres soziales und zivilgesellschaftliches Engagement an den Tag legen: Sie engagieren sich stärker in ihren Gemeinden und unternehmen konkrete Anstrengungen zur Erhöhung der Wohlfahrt der Gesellschaft, in der sie leben. Um dies zu verstehen, müssen wir unser Augenmerk auf eine andere Form von Kapital richten – Sozialkapital.
Einige Untersuchungen zeigen, „dass die sozialen Nutzeffekte der Bildung groß sind – möglicherweise größer als die direkten makroökonomischen und Arbeitsmarkteffekte.“ Vom Wohlergehen der Nationen
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6. Der breitere Rahmen
AUS GLOBALER SICHT
Der medizinische Wanderzirkus
Wenn Sie das nächste Mal im Wartesaal eines Krankenhauses sitzen, sollten Sie darüber nachdenken, woher all die Ärzte und Krankenschwestern stammen, die sie dort sehen. Falls Sie in einem großen englischsprachigen Land leben, ist es wahrscheinlich, dass viele von ihnen aus Ländern kommen, in denen gute Krankenhäuser Mangelware sind. Etwa ein Viertel der Ärzte und Ärztinnen in Australien, Kanada, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten wurde laut einer amerikanischen Untersuchung im Ausland ausgebildet. Zwischen 40% und 75% von ihnen stammen aus ärmeren Ländern, hauptsächlich Indien, den Philippinen und Pakistan. Für Ärzte und Krankenpflegekräfte aus ärmeren Ländern ist eine Beschäftigung im Ausland äußerst attraktiv. Sie ermöglicht es ihnen, mehr Geld zu verdienen, ihr Qualifikationsniveau zu erhöhen und sich mit modernsten medizinischen Geräten und Behandlungsmethoden vertraut zu machen, die in ihren Heimatländern u.U. nicht angeboten werden. Dies sind wertvolle Erfahrungen, wenn sie wieder in ihr Land zurückkehren, um dort ihren Beruf auszuüben. Doch selbst wenn sie nicht zurückkehren, bereichern sie ihr Herkunftsland. Die Rücküberweisungen von Ärzten und Krankenpflegekräften sowie anderen Arbeitskräften, die im Ausland beschäftigt sind, fördern die Wirtschaft von Ländern wie den Philippinen oder Mexiko. Mit diesem Geld können neue Häuser gebaut, Unternehmen gegründet und die Bildungsausgaben der nächsten Generation bezahlt werden.
Das Ganze hat aber auch Nachteile. Durch den Wegzug gut ausgebildeter medizinischer Fachkräfte schwindet das Humankapital der Entwicklungsländer. Das heißt nicht nur, dass diese Länder über weniger Ressourcen verfügen, um Krankheiten wie HIV/AIDS zu bekämpfen, sondern auch, dass ihre Steuerzahler effektiv die Gesundheitssysteme wesentlich reicherer Länder subventionieren. Zudem kann es zu Verzerrungen in der Ausbildung medizinischer Kräfte in den Entwicklungsländern kommen. Die Auswanderungspläne ihrer Studierenden können die dortigen medizinischen Fakultäten dazu veranlassen, die Ausbildung in der Behandlung heimischer Krankheiten zu vernachlässigen und das Augenmerk stattdessen stärker auf Gesundheitsprobleme zu richten, die in Industrieländern weiter verbreitet sind.
Ein OECD-Mitgliedsland, das Vereinigte Königreich, hat auf dieses Problem mit einem Verhaltenskodex geantwortet, der die aktive Anwerbung von Ärzten aus bestimmten Teilen der Welt untersagt, auch wenn Ärzte und Krankenpflegekräfte aus den fraglichen Ländern weiterhin ins Vereinigte Königreich kommen dürfen, um dort zu arbeiten. Jegliche weitere Schritte der OECD-Länder in diesem Bereich müssen sorgfältig abgewogen werden, damit gewährleistet ist, dass die Entwicklungsländer – und deren medizinischer Nachwuchs – maximalen Nutzen aus dem „medizinischen Wanderzirkus“ der Globalisierung ziehen können und dass die ihnen dadurch entstehenden Nachteile so gering wie möglich gehalten werden.
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OECD Insights: Humankapital
Was ist Sozialkapital? Sozialkapital ist als Konzept erst in relativ jüngerer Zeit in Mode gekommen, der Begriff ist jedoch schon seit fast einem Jahrhundert gebräuchlich, und die Idee selbst reicht noch weiter zurück. Zum ersten Mal wurde der Begriff „Sozialkapital“ wahrscheinlich in einem 1916 in den Vereinigen Staaten veröffentlichten Buch verwendet, das sich mit der Frage befasste, wie Nachbarn bei der Verwaltung von Schulen zusammenarbeiten können. Der Autor Lyda Hanifan definiert Sozialkapital als „jene greifbaren Güter, die im Alltagsleben der Menschen am meisten zählen: Bereitwilligkeit, Kameradschaft, Sympathie und soziale Begegnungen zwischen den Individuen und Familien, aus denen sich eine gesellschaftliche Einheit zusammensetzt“. Das vermittelt eine Idee davon, was unter Sozialkapital zu verstehen ist, auch wenn es heute schwierig sein dürfte, eine einzige Definition zu finden, mit der alle zufrieden wären. Der Einfachheit halber können wir Sozialkapital jedoch als die Beziehungen, gemeinsamen Wertvorstellungen und Übereinkünfte innerhalb einer Gesellschaft beschreiben, die es Einzelnen und Gruppen ermöglichen, einander zu vertrauen und folglich miteinander zusammenzuarbeiten. In den letzten Jahren ist der Begriff Sozialkapital auch in das Gedankengut der breiten Öffentlichkeit eingegangen. Zu verdanken war dies Robert Putnams im Jahr 2000 veröffentlichtem Bestseller Bowling Alone: The Collaps and Revival of American Community. Putnam vertritt darin die Ansicht, dass der Gemeinschaftssinn der Amerikaner mit zunehmendem Wohlstand geschwunden ist. An die Stelle der Städte und traditionellen Vororte seien edge cities, Randstädte, und Exurbs, außerstädtische Wohngebiete, getreten: weitläufige, anonyme Orte, in denen die Menschen schlafen und arbeiten und sonst nicht viel anderes tun. Da die Menschen immer mehr Zeit im Büro, bei der Fahrt zur Arbeit oder allein vorm Fernseher verbringen, bleibt immer weniger Zeit für das Engagement in Gemeindegruppen, für ehrenamtliche Tätigkeiten oder für Begegnungen mit Nachbarn, Freunden, ja sogar der Familie. Diesen Niedergang illustriert Putnam daran, wie Amerikaner Bowling spielen, eine Sportart, die in den Vereinigten Staaten eine große Anhängerschaft hat. Er stellt fest, dass Bowling in den Vereinigten Staaten zwar populärer denn je ist, dass die Amerikaner aber nicht mehr miteinander in den ehemals so beliebten „Local Leagues“ 120
6. Der breitere Rahmen
kegeln. Stattdessen kegeln sie – im Wortsinne – allein. Putnam zufolge ist der Niedergang der lokalen Netzwerke, die die Amerikaner einst dazu bewegten, gemeinsam zum Bowling zu gehen, einem Verlust an Sozialkapital gleichzusetzen.
Verschiedene Arten von Sozialkapital… Es wird viel über die verschiedenen Formen diskutiert, die Sozialkapital annehmen kann. Nach einem recht einfachen Definitionskonzept ist es jedoch möglich, drei große Kategorien zu unterscheiden: h Bindungsbeziehungen: Beziehungen zwischen Menschen auf der Grundlage eines gemeinsamen Selbstverständnisses („Leute wie wir“), z.B. innerhalb von Familien, zwischen engen Freunden oder Menschen gleicher Kultur oder ethnischer Zugehörigkeit. h Brückenbeziehungen: Beziehungen, die über ein gemeinsames Selbstverständnis hinausgehen, z.B. zu entfernten Freunden, Kollegen oder Geschäftspartnern. h Kontaktbeziehungen: Beziehungen zu Menschen oder Gruppen, die weiter oben oder unten auf der sozialen Leiter stehen.
Sozialkapital wird von der OECD definiert als „Netzwerke sowie gemeinsame Normen, Werte und Übereinkünfte, die die Zusammenarbeit innerhalb oder zwischen Gruppen erleichtern“. In dieser Definition sind unter Netzwerken reale Beziehungen zwischen Gruppen oder einzelnen Menschen zu verstehen. Bei Netzwerken kann es sich z.B. um Freundeskreise, Familien, Gruppen ehemaliger Kollegen usw. handeln. Unsere gemeinsamen Normen, Werte und Übereinkünfte sind weniger konkret als unsere sozialen Netzwerke. Soziologen bezeichnen Normen gelegentlich als die unausgesprochenen und weitgehend unangefochtenen Regeln unserer Gesellschaft. Normen und Übereinkünfte werden u.U. nur dann sichtbar, wenn sie gebrochen werden. Wenn Erwachsene Kindern gegenüber handgreiflich werden, verstoßen sie z.B. gegen die Regeln, die Kinder vor Leid schützen sollen. Wertvorstellungen können leichter in Frage gestellt werden; in der Tat kommt es innerhalb gesellschaftlicher Gruppen häufig zu Diskussionen darüber, ob sie einen Wertewandel durchlaufen. Und doch sind Werte – wie z.B. die Achtung der persönlichen Sicherheit – die entscheidende Stütze jeder sozialen Gruppe. Als Ganzes sorgen diese Netzwerke und Übereinkünfte für das nötige Vertrauen, das es den Menschen ermöglicht zusammenzuarbeiten.
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OECD Insights: Humankapital
Die potenziellen Nutzeffekte des Sozialkapitals zeigen sich am deutlichsten an den sozialen Bindungsbeziehungen. Freunde und Familie können uns auf vielerlei Weise helfen: emotional, sozial und wirtschaftlich. Eine staatliche Erhebung aus dem Vereinigten Königreich ergab z.B., dass mehr Menschen über persönliche Kontakte einen Arbeitsplatz finden als über Stellenanzeigen. In Ländern, in denen die Rechtsstaatlichkeit schwach ausgebildet ist oder der Staat wenig Sozialdienste anbietet, kann eine solche Unterstützung sogar noch wichtiger werden: Clans können die Ausbildung von Familienangehörigen finanzieren, ihnen Arbeit beschaffen oder sich um die Versorgung von Waisen oder älteren Menschen kümmern. „Jedoch verschaffen der Zugang zu Informationen und zur Einflussnahme über die sozialen Netzwerke dem Einzelnen private Vorteile, und dieser Zugang kann in einigen Fällen von Individuen oder Gruppen zur Ausgrenzung anderer Akteure bzw. zur Stärkung der eigenen Dominanz bzw. Privilegien genutzt werden.“ Vom Wohlergehen der Nationen
Bindungsbeziehungen können jedoch auch zu einem Hindernis werden. In eng zusammengeschweißten Gemeinschaften, wie z.B. bestimmten Zuwanderergruppen, bestehen fast per definitionem starke soziale Bindungsbeziehungen und kann sich der Einzelne in großem Maße auf die Unterstützung der Verwandten bzw. Angehörigen derselben ethnischen Gruppe verlassen. Ihr Mangel an sozialen Brückenbeziehungen kann solche Gemeinschaften aber zugleich zu ewigen Außenseitern innerhalb der Gesellschaft machen, was ihrem wirtschaftlichen Erfolg manchmal hinderlich ist. Diese soziale Ausgrenzung geht natürlich in beide Richtungen: Eng zusammengeschweißte Gemeinschaften können sich selbst ausgrenzen, sie können aber auch von der Gesellschaft ausgegrenzt werden. Wie fast alle Formen von Kapital kann Sozialkapital auch dazu genutzt werden, anderen Schaden zuzufügen. Die Verbindungen und Vertrauensbeziehungen, die Drogenkartelle und Verbrecherbanden zusammenhalten, stellen ebenfalls eine Form von Sozialkapital dar, wenn auch eine, auf die die übrige Gesellschaft gerne verzichten würde. Unternehmen und Organisationen können darunter leiden, dass sie über die falsche Art von Sozialkapital verfügen: Beziehungen zwischen Kollegen, die so selbstzentriert sind, dass sie nicht mehr sehen, was in der Welt vor sich geht. Umgekehrt
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6. Der breitere Rahmen
kann Sozialkapital für Unternehmen auch von Vorteil sein. In Bowling Alone führt Putnam den Erfolg des amerikanischen Silicon Valley zu einem großen Teil auf formelle und informelle Kooperationen zwischen den Startup-Unternehmen der Region zurück. „… Sozialkapital ist das Bindemittel, das Zusammenarbeit, Austausch und Innovation erleichtert.“ The New Economy: Beyond the Hype
… und verschiedene Kritikpunkte Das Konzept des Sozialkapitals hat auch seine Kritiker. Einige davon vertreten die Ansicht, dass Putnam falsch liegt mit seiner Einschätzung, das soziale Engagement nähme ab. Vielmehr könnte es einfach im Wandel begriffen sein. Anstatt Vereinen in der Nachbarschaft beizutreten, wie z.B. Kegelklubs, schließen wir uns heute Gruppen von Menschen an, mit denen wir nicht den Lebensort, sondern Anschauungen und Überzeugungen gemeinsam haben, z.B. Gruppen, die für den Schutz der Umwelt oder die Rechte von Homosexuellen eintreten. Solche Zusammenschlüsse – beispielsweise Greenpeace- oder Amnesty-International-Gruppen – können ganz real sein. Sie können aber auch rein virtuell nur im Internet existieren, wo ohne Zweifel bereits ganz neue „Gemeinden“ von Menschen entstehen, die sich möglicherweise noch nie persönlich begegnet sind, die aber gemeinsame Werte und Interessen teilen. Was die Frage anbelangt, ob der Wert dieser neuen Gemeinschaften dem traditioneller Formen vergleichbar ist, gehen die Ansichten jedoch auseinander. „In vielen Ländern scheint es lediglich zu einer Verschiebung vom Engagement in traditionellen Organisationen und Institutionen … hin zu neueren Formen freiwilliger Zusammenschlüsse gekommen zu sein…“ Barrie Stevens et al., Die kreative Gesellschaft des 21. Jahrhunderts
Kritiker wenden auch ein, dass der Begriff „Sozialkapital“ ungenau, schwer zu messen und schlecht definiert sei und dass es sich möglicherweise gar nicht um eine Form von Kapital handle. (Volkswirte definieren Kapital häufig als etwas, das die Erbringung einer gewissen Form von Opfer in der Gegenwart voraussetzt – z.B. in der Schule zu lernen, um das eigene Humankapital zu erhöhen, anstatt draußen zu spielen –, um in der Zukunft daraus Gewinn zu ziehen.) 123
OECD Insights: Humankapital
Trotz seiner Umstrittenheit ist Sozialkapital jedoch ein Konzept, das bei Politikern und politischen Entscheidungsträgern auf Interesse stößt. Einer der Gründe dafür ist die wachsende Besorgnis über die Marginalisierung bestimmter Gesellschaftsgruppen. Wie wir wiederholt feststellen konnten, wird in der wissensbasierten Wirtschaft ein Bonus für Humankapital gezahlt, während sich die Beschäftigungsaussichten von Menschen mit niedrigem Bildungsniveau, die in unserer Gesellschaft häufig am schlechtesten gestellt sind, verringern. Einige Beobachter sprechen von der Entstehung einer „Unterschicht“ in den Industrieländern, einer außerhalb der gesellschaftlichen Hauptströmung stehenden Gruppe, die kaum Chancen hat, wieder in sie zurückzukehren, weil es ihr an Humankapital sowie zweifellos auch an der „richtigen“ Art von Sozialkapital mangelt. Dass diesen Menschen beides gleichzeitig fehlt, könnte in der Tat kein Zufall sein. Vieles spricht dafür, dass Humankapital und Sozialkapital untrennbar miteinander verwoben sind.
Sind Human- und Sozialkapital miteinander verknüpft? Human- und Sozialkapital existieren nicht isoliert voneinander. Sie sind auf komplexe Weise miteinander verknüpft und unterstützen sich bis zu einem gewissen Grad gegenseitig. Anders ausgedrückt: Sozialkapital begünstigt die Entwicklung von Humankapital, und Humankapital fördert die Entwicklung von Sozialkapital, wenngleich die hier zum Tragen kommenden Mechanismen komplex sind.
Wie Sozialkapital zum Humankapital beiträgt Bildung: Jedes Schulkind weiß, dass der neugierige Nachbar eines der größten Hindernisse ist, wenn es einen „inoffiziellen“ schulfreien Tag nehmen will. Was das Schulkind jedoch wahrscheinlich nicht weiß, ist, dass seine Angst, beim Schuleschwänzen erwischt zu werden, in Wirklichkeit Sozialkapital ist (die Beziehungen
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6. Der breitere Rahmen
zwischen seinen Eltern und den Nachbarn), das die Entwicklung von Humankapital (Bildung) unterstützt. „Gemeinden mit einem hohen Niveau an Sozialkapital können in der Regel bessere Schulergebnisse vorweisen als solche, die mit sozialer Fragmentierung und Isolierung konfrontiert sind.“ The New Economy: Beyond the Hype
Die Belege für die Existenz solcher Beziehungen beschränken sich nicht auf die Erfahrungen von Schulkindern. Der amerikanische Soziologe James Coleman untersuchte Daten zu den Schulabbrecherquoten in den 1960er Jahren, um festzustellen, ob ein Zusammenhang mit dem Sozialkapitalniveau der Familien und Gemeinden der Kinder bestand. Durch die Messung von Faktoren wie dem Maß an Aufmerksamkeit, das die Eltern ihren Kindern zukommen lassen, sowie der Intensität der Beziehungen der Familien zu ihren Gemeinden kam er zu dem Ergebnis, dass die Kinder dort, wo mehr Sozialkapital vorhanden ist, mit geringerer Wahrscheinlichkeit die Schule abbrechen. Paradoxerweise kann Sozialkapital den Lernprozess aber auch behindern. In eng zusammengeschweißten Gemeinschaften, die Bildung nur geringen Wert beimessen, können Kinder und Erwachsene u.U. an der Fortsetzung ihrer Bildung gehindert werden. Gesundheit: Krankheit kann sozial isolieren, das Gegenteil ist aber ebenfalls möglich. Indem sie das seelische Wohlbefinden von am Rand der Gesellschaft stehenden Menschen beeinträchtigt, kann die soziale Isolation selbst zu psychischer ebenso wie physischer Krankheit führen. Diese Idee ist nicht neu: Bereits Ende des 19. Jahrhunderts distanzierte sich der französische Soziologe Emile Durkheim von der bis dahin gängigen Vorstellung, wonach Selbstmord die isolierte Tat eines gestörten Individuums sei, und stellte die Problematik stattdessen in den Kontext der Beziehungen des Einzelnen zu seinen Mitmenschen. Er gelangte zu dem Schluss, dass Menschen mit schwächeren sozialen Bindungen eine höhere Selbstmordwahrscheinlichkeit aufweisen.
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OECD Insights: Humankapital
STANDPUNKT
Robert Putnam
In diesem gekürzten Auszug aus einem Interview mit dem OECD Observer antwortet Robert Putnam auf die Frage: „Wie könnte das Konzept des Sozialkapitals im Bildungsbereich angewandt werden?“
darauf geachtet werden, wie Architektur (im Großen und Kleinen) leichte, unverbindliche Beziehungen zwischen den Menschen fördern kann, statt sie in Nischen zu isolieren.
Mir kommen hier ein paar Ideen in den Sinn, die sich allerdings, wie ich betonen möchte, nicht nur auf den Bildungsbereich beziehen, sondern auf ein breites Spektrum an Politikinstrumenten.
Eine weitere Frage ist die des Maßstabs. Was das Sozialkapital anbelangt, lautet das Ergebnis der meisten Forschungsarbeiten „kleiner ist größer“: kleinere Städte, kleinere Unternehmen, kleinere Klassenzimmer …
Lassen Sie uns mit dem Themenkreis Humankapital und Sozialkapital beginnen. Diese beiden Formen von Kapital sind miteinander eindeutig in einer Art von Tugendkreis verbunden, in dem die Bildung in der Regel das Sozialkapital erhöht und das Sozialkapital gleichzeitig die Bildungsleistung fördert. Der Schwund des Sozialkapitals in den Vereinigten Staaten hätte noch stärker ausfallen können, wenn die Qualität und Dynamik unserer Hochschulbildung dem nicht entgegengewirkt hätte. Dies ist jedoch nicht genug. Es hat sich gezeigt, dass Unterricht in politischer Bildung, obligatorische Gemeinschaftsarbeiten und sogar extrakurrikulare Aktivitäten wie Sport und Musik langfristige Effekte auf das zivilgesellschaftliche Engagement der Schülerinnen und Schüler haben, die daran teilnehmen. Die Bildung von Sozialkapital erfordert auch eine eingehende Reflexion über die Problematik des Raums. Bei der Gestaltung von Schulen, aber auch von Büros, Wohnanlagen und ganzen Städten muss
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Das Problem ist, dass staatliche Politik Sozialkapital unbeabsichtigt „zerstören“ kann. Nehmen Sie das Beispiel der Schließung von Postämtern in Kleinstädten und ländlichen Gegenden. In den Vereinigten Staaten wurden Versuche mit dem Konzept einer „Sozialkapitalfolgenabschätzung“ für große Politikinitiativen angestellt, damit z.B. beim Bau großer neuer Schnellstraßensysteme zumindest geprüft wird, wie sie sich auf die sozialen Netzwerke auswirken werden. Die Regierungen sollten verstehen, dass Investitionen in Sozialkapital Zeit brauchen. Die mit der Weiterentwicklung der Arbeitsmärkte – und vor allem der Zunahme der Zahl der erwerbstätigen Frauen – und dem technologischen Fortschritt einhergehende Erhöhung der Flexibilität der Arbeitgeber kann es ihnen gestatten, den Arbeitnehmern die Möglichkeit zu geben, ihre beruflichen Anforderungen besser mit den Bedürfnissen von Familie und Gemeinschaft zu vereinbaren.
6. Der breitere Rahmen
Die Auswirkungen des Sozialkapitals auf die Gesundheit beschränken sich nicht auf Extremsituationen wie Selbstmord, und sie sind gleichermaßen für junge wie alte Menschen festzustellen. Untersuchungen haben ergeben, dass Kindesmisshandlungen seltener in Gegenden vorkommen, in denen sich die Nachbarn untereinander kennen. Am anderen Ende des Altersspektrums sind Krankheiten wie Altersdemenz und Alzheimer stärker unter älteren Menschen verbreitet, die sozial isoliert sind. Ähnliche Effekte sind auch in anderen Altersphasen festzustellen. Eine US-Studie zeigte, dass vereinsamte Menschen zwischen 50 und 70 Jahren häufiger an überhöhtem Blutdruck litten als solche mit guten sozialen Kontakten. Und eine dänische Untersuchung ergab, dass das Risiko von Herzerkrankungen bei Menschen mittlerem Alters fast doppelt so hoch war, wenn sie alleine lebten. „Am deutlichsten zeigen sich die positiven Auswirkungen sozialer Bindungen wahrscheinlich im Bereich der Gesundheit.“ Vom Wohlergehen der Nationen
Warum genau soziale Isolierung einen solch deutlichen Effekt auf die Gesundheit ausüben kann, ist unklar, wahrscheinlich handelt es sich aber um das Resultat einer Vielzahl von Faktoren. Einer davon
Der letzte Ausweg
DER LETZTE AUSWEG Selbstmordraten, Frauen und Männer Todesfälle je 100 000 Einwohner
Männer Frauen
Ungarn
2002
Griechenland
Korea OECD
19.6 5.6
4
Australien
39.9 28.1
19.2
0.9
11.1 4.9
9.3
Ausgewählte OECD-Länder
Quelle: Gesundheit auf einen Blick 2005.
2002 haben sich im OECD-Raum mehr als 130 000 Menschen das Leben genommen. Die Zahl der Selbstmordopfer ist bei den Männern fast dreimal so hoch wie bei den Frauen, bei den Selbstmordversuchen ist die Differenz zwischen den Geschlechtern allerdings geringer. Daten im Excel-Format sind über den StatLink (siehe unten) abrufbar
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/724646780077
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OECD Insights: Humankapital
ist, dass soziale Netzwerke eine echte Hilfe darstellen, indem sie den Menschen Unterstützung und Fürsorge bieten, die sowohl psychischen als auch physischen Stress lindern kann. Zudem kann die Freude, die wir aus dem Zusammensein mit Freunden und Familie ziehen, physische Reaktionen in unserem Körper auslösen, die uns dabei helfen, Stress zu bewältigen, und die unser Immunsystem stärken. Was auch immer die Gründe sein mögen, das Resultat scheint eindeutig: Wer gesund bleiben will, braucht Freunde.
Kann Humankapital zur Entstehung von Sozialkapital führen? Humankapital gilt gemeinhin als ein Faktor, der zum Sozialkapital beiträgt. Auf der elementarsten Ebene drückt sich darin schlicht die Tatsache aus, dass Bildung Kindern und jungen Erwachsenen dabei helfen kann, sich ihrer Verantwortung als Mitglieder der Gesellschaft bewusst zu werden. Darüber hinaus gibt es Belege dafür, dass das Niveau des zivilgesellschaftlichen und sozialen Engagements des Einzelnen mit zunehmender Dauer der Bildungsteilnahme im Allgemeinen steigt. Was uns zu einem interessanten Paradoxon führt: Wir wissen, dass die Dauer der Bildungsteilnahme in Industrieländern länger ist. Wir wissen aber auch, dass gerade in diesen Ländern Anlass zu Besorgnis über einen offensichtlichen Schwund an sozialem Engagement besteht. (Ein häufig genanntes Symptom ist die langfristig rückläufige Wahlbeteiligung.) Wie lässt sich dieser anscheinende Widerspruch erklären? Dass Bildung das zivilgesellschaftliche und soziale Engagement fördert, wurde in mehreren Studien belegt; wie genau dieser Zusammenhang abläuft, ist jedoch immer noch nicht vollständig geklärt. Um dies zu untersuchen, muss man mehr betrachten als nur die Dauer der Bildungsteilnahme: Schulbesuch allein macht die Menschen nicht sozial engagierter. Stattdessen müssen wir fragen, was die Menschen effektiv während der langen Zeit machen, die sie im Unterricht verbringen. Eine Ende der 1990er Jahre in 28 Ländern durchgeführte Studie ergab z.B., dass Schülerinnen und Schüler, die Gelegenheit erhalten, im Unterricht über politische und soziale Themen zu diskutieren, stärker für politische Fragen sensibilisiert werden und mit größerer Wahrscheinlichkeit ein aktives zivilgesellschaftliches Engagement anstreben. 128
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Um zu verstehen, wie sich Bildung auf das menschliche Verhalten auswirkt – worum es hier im Wesentlichen geht –, müssen wir zudem nicht nur danach fragen, wie hoch das Bildungsniveau des Einzelnen ist, sondern auch, wie es sich im Vergleich zu dem der anderen darstellt und über wie viel Bildung die Gesellschaft insgesamt verfügt. Diese Niveaudifferenzen scheinen Einfluss darauf zu haben, wie sich Menschen in der Gesellschaft engagieren, sei es in Bezug auf Wahlbeteiligung, gemeinnützige Aktivitäten, Mitgliedschaft in politischen Parteien, Organisation von Gemeindefesten oder jegliche Kombinationen dieser verschiedenen Formen gesellschaftlichen Engagements. Wie diese Faktoren zusammenspielen, kann am Beispiel von Personen untersucht werden, die im Vergleich zu ihrer Umgebung über ein wesentlich höheres Bildungsniveau verfügen. Der hohe soziale Status, den sie genießen, kann solche Personen nach Ansicht einiger Soziologen dazu veranlassen, sich politisch zu engagieren, weil er ihnen die Gewissheit gibt, sich mit relativ geringer Mühe den Schalthebeln der Macht nähern zu können. Jemand mit geringerem Bildungsniveau könnte zu genau der entgegengesetzten Einschätzung gelangen und vor politischem Engagement zurückschrecken, um sich stattdessen eher im Gemeindebereich zu engagieren.
Die Zukunft des Sozialkapitalkonzepts Soziologen und Pädagogen ist es immer noch nicht gelungen, diese komplexen Zusammenhänge vollständig zu verstehen und Wege zu finden, um Bildung als Instrument zur Entwicklung von sozialem und zivilgesellschaftlichem Engagement einzusetzen. Sozialkapital ist in der Tat ein Konzept, das fast so viele Fragen aufwirft, wie es beantworten hilft, und von dem viele meinen, dass es seinen Nutzen erst noch unter Beweis stellen muss. Auf der elementarsten Ebene könnte dieser Nutzen vor allem darin liegen, dass es gestattet, unter einem neuen Blickwinkel zu untersuchen, wie sich wirtschaftliche Entwicklung auf die Gesellschaft auswirkt und wiederum durch sie beeinflusst wird. Denkbar wäre aber auch, dass damit bahnbrechende Erkenntnisse über die entscheidenden sozialen Zusammenhänge gewonnen werden, die sich auf alle Bereiche – vom Wachstum bis zum persönlichen Glück – auswirken.
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OECD Insights: Humankapital
„Die Forschung im Bereich des Sozialkapitals befindet sich derzeit noch im Frühstadium, so dass bislang noch keine verlässliche Aussage darüber möglich ist, ob es mit bestimmten Programmen oder Maßnahmen gelingen wird, die vorgegebenen Ziele im Hinblick auf das Sozialkapital zu erreichen.“ Vom Wohlergehen der Nationen
Ist es somit für die Regierungen noch zu früh, nach Möglichkeiten zur Steigerung des Sozialkapitals zu suchen? Einige Länder scheinen nicht dieser Ansicht zu sein. In Irland hat die Regierung z.B. eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die dafür sorgen soll, dass sich die Menschen durch gemeinnützige Aktivitäten und Vereinsarbeit stärker in ihren Gemeinden engagieren. Auslöser für diese Initiative war nicht zuletzt die weit verbreitete Besorgnis darüber, dass das außergewöhnliche Wirtschaftswachstum der letzten Jahre auf Kosten der in Irland traditionell starken Bindungen innerhalb der Gemeinden gegangen ist. Andere Regierungen, insbesondere im englischsprachigen Raum, verfolgen ähnliche Ideen. Welche Ergebnisse – und welche Auswirkungen auf die Gesellschaft – diese Initiativen haben werden, muss sich noch zeigen. Eines ist jedoch bereits klar: Angesichts der wohl weiterhin rasch voranschreitenden wirtschaftlichen Entwicklung wird es für uns immer wichtiger werden, zu verstehen, wie Human- und Sozialkapital dem Einzelnen und der Gesellschaft bei der Bewältigung der bevorstehenden Veränderungen helfen kann.
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6. Der breitere Rahmen
Weitere OECD-Studien zu diesem Thema h Gesundheit auf einen Blick (erscheint alle zwei Jahre) Die Gesundheitsstandards sind im gesamten OECDRaum gestiegen. Dies hatte allerdings zur Folge, dass die Gesundheitsausgaben noch nie so hoch waren wie heute. Angesichts steigender Gesundheitskosten suchen die Regierungen vieler Länder nach Lösungen, um das Ausgabenwachstum zu bremsen und das PreisLeistungs-Verhältnis der Gesundheitsversorgung zu verbessern. Gesundheit auf einen Blick liefert neueste Vergleichsdaten und Trends zu den verschiedenen Aspekten der Leistung der Gesundheitssysteme der OECD-Länder. Dabei werden große Unterschiede bei den Indikatoren des Gesundheitszustands und der Gesundheitsrisiken sowie den Kosten, der Ressourcenallokation und der Produktivität der Gesundheitssysteme aufgezeigt. h Gesellschaft auf einen Blick (erscheint alle zwei Jahre) Die im Zweijahresturnus erscheinende Indikatorensammlung der OECD gibt Aufschluss über die Entwicklungen in den Mitgliedsländern in Bezug auf soziale Gleichheit, Gesundheit und Kohäsion. Mit Statistiken zu Themen wie Beschäftigung, Bildungsniveau, Armut, Einkommensungleichheit, Lebenserwartung und sozialem Zusammenhalt liefert Gesellschaft auf einen Blick eine Momentaufnahme des sozialen Wohlergehens in den OECD-Ländern und
ermöglicht es dem Leser so, miteinander verknüpfte soziale Fragen im breiteren Kontext der gesellschaftlichen Merkmale der Länder zu untersuchen. h Vom Wohlergehen der Nationen (2004) In einer in raschem Wandel begriffenen Welt ist der Erfolg von Nationen, Gemeinwesen und Einzelpersonen möglicherweise mehr denn je von deren Fähigkeit abhängig, sich zu verändern, zu lernen und Wissen zu teilen. Vom Wohlergehen der Nationen befasst sich mit den Konzepten Humankapital und Sozialkapital und bewertet deren Einfluss auf Wirtschaftswachstum und Wohlergehen. Die vorliegenden Befunde lassen darauf schließen, dass Humankapital und Sozialkapital einen entscheidenden Beitrag zu einer breiten Palette positiver Ergebnisse leisten können, darunter Einkommenswachstum, Lebenszufriedenheit und sozialer Zusammenhalt. Die Möglichkeiten der staatlichen Politik zur Veränderung von Qualität, Umfang und Verteilung des Human- und Sozialkapitals auf kurze Sicht sind begrenzt, der Bericht zeigt jedoch Bereiche auf, in denen öffentliche, private und gemeinnützige Akteure eine langfristige Erhöhung sowohl des Human- als auch des Sozialkapitals erzielen können. h Poverty and Health (DAC Guidelines and Reference Series) (2003) Die Gesundheit der Armenbevölkerung ist ein zentrales Anliegen der
Entwicklungszusammenarbeit. Abgesehen von den direkten Vorteilen für den Einzelnen sind Investitionen in die Gesundheit auch ein wichtiges, bislang unterschätztes Instrument der wirtschaftlichen Entwicklung. In Poverty and Health, einer Gemeinschaftsveröffentlichung der OECD und der Weltgesundheitsorganisation werden die wesentlichen Bestandteile eines auf die Armutsbekämpfung ausgerichteten Ansatzes in der Gesundheitspolitik dargelegt. Damit wird ein Rahmen für Aktionen innerhalb der Gesundheitssysteme und darüber hinaus – über Maßnahmen in anderen Bereichen und globale Initiativen – aufgezeigt. Die Empfehlungen richten sich an die Mitarbeiter von Entwicklungsagenturen in den Bereichen Politikgestaltung und -umsetzung wie auch an die politischen Entscheidungsträger und Planungsverantwortlichen in den Partnerländern.
Verwiesen wird in diesem Kapitel auch auf die Publikationen: h Die OECD in Zahlen und Fakten 2007: Statistiken aus den Bereichen Wirtschaft, Umwelt und Soziales. h Die kreative Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. h The New Economy: Beyond the Hype: The OECD Growth Project (2001).
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7
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OECD Insights: Humankapital
Zur Einleitung… Wir leben in einer Welt, in der fast alles gemessen wird. Das geht schon gleich nach der Geburt los: Da werden erst einmal Größe und Gewicht festgestellt. Und nach dem Tod wird noch ein letztes Mal Maß genommen. In der Zeit dazwischen kann und wird auch zumeist so ziemlich jeder Aspekt des Lebens gemessen: unsere körperliche Entwicklung, unsere schulischen Leistungen, unser Wert für den Arbeitgeber und unsere sportlichen Fähigkeiten. Messgrößen spielen eine wichtige Rolle. Anhand von Messgrößen können Ärzte die Entwicklung eines Kindes verfolgen, Regierungen Ressourcen dort einsetzen, wo sie benötigt werden, und Wähler die Politiker zur Rechenschaft ziehen. Und doch geht es bei Messgrößen um mehr als nur harte Fakten und nüchterne Zahlen. Man muss sie auch zu interpretieren wissen, und manchmal sind sie mit kontroversen Entscheidungen verbunden. In der Tat geht die Entscheidung, einen bestimmten Aspekt zu messen, häufig mit der Entscheidung einher, einen bestimmten anderen Aspekt nicht zu messen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist z.B. eine der am häufigsten verwendeten Messgrößen der wirtschaftlichen Aktivität. Es misst im Wesentlichen die gesamte Produktionstätigkeit einer Volkswirtschaft oder besser gesagt die gesamte Produktionstätigkeit, die einen finanziellen Gegenwert hat. Nicht gemessen wird beispielsweise die Zeit, die Eltern aufbringen, um ihren Kindern das Lesen beizubringen – eine Tätigkeit, die eindeutig produktiv ist. Ebenfalls im BIP unberücksichtigt bleibt der Wert von Freizeit. In der Geschäftswelt heißt es gelegentlich: „Was du nicht messen kannst, kannst du nicht lenken.“ Wie viele Zitate aus der Wirtschaft enthält auch dieses ein Körnchen Wahrheit. Aber es lässt auch vieles aus, worüber eine Führungskraft informiert sein muss – wie Gruppendynamiken oder Stärken und Schwächen ihrer Mitarbeiter –, wenn sie ein Unternehmen effizient leiten will. Desgleichen hat das Fehlen von Messwerten zu manchen nützlichen oder produktiven Tätigkeiten bzw. die Unmöglichkeit, solche Messungen anzustellen, zur Folge, dass wir diesen nicht messbaren Aktivitäten mitunter nicht genügend Wert einräumen und Tätigkeiten, die von
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7. Messgrößen und Maßnahmen
gesellschaftlichem oder ökologischem Wert sind, sich aber nicht unmittelbar mit einem geldwerten Nutzen verbinden lassen, unzureichend fördern. X Wie der Leser sicherlich schon erkannt haben dürfte, geht es in diesem Kapitel hauptsächlich um Messgrößen. Daher wird zunächst unter die Lupe genommen, wie Human- und Sozialkapital gemessen werden, was bei diesen Messgrößen berücksichtigt wird und – vor allem – was bei ihnen unberücksichtigt bleibt. Anschließend wird untersucht, wie in einigen Staaten Standardmessgrößen der Wirtschaftstätigkeit wie das BIP durch Messgrößen für das Human- und das Sozialkapital sowie andere Kapitalformen ergänzt werden, um ein umfassenderes Bild der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen des betreffenden Landes zu zeichnen. Abschließend wird in einem kurzen Überblick nochmals auf einige der Hauptaufgaben eingegangen, vor denen die OECD-Länder beim weiteren Ausbau des Humankapitals ihrer Bevölkerung stehen.
Wie lassen sich Human- und Sozialkapital messen?
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anche Dinge lassen sich ganz einfach messen. Für direkte Messungen der Tagestemperatur reicht beispielsweise ein Thermometer aus. Wie aber lässt sich feststellen, wie warm es vor 200 Jahren auf der Erde war? Sofern damals keine Aufzeichnungen gemacht wurden, lassen sich Informationen über die Temperatur zu dieser Zeit nur anhand von „Beweismitteln“ aus der Natur herleiten, wie z.B. aus den Wachstumsringen eines Baumes: Je breiter die Ringe, desto wärmer war das Jahr. Allerdings sagt die Breite der Ringe nichts über die genauen Temperaturen der damaligen Zeit aus. Sie ist ein Hilfsindikator, anhand dessen sich annähernd ableiten lässt, welche Temperaturen damals geherrscht haben könnten. Ebenso wenig sind Human- und Sozialkapital direkt messbar – weder für den Einzelnen noch für die Gesellschaft. Zu ihrer Ermittlung müssen wir auf Hilfsindikatoren zurückgreifen, und jeder dieser Hilfsindikatoren hat seine Vor- und Nachteile.
135
OECD Insights: Humankapital
Messung des Humankapitals Die für die Ermittlung des Humankapitals am häufigsten herangezogenen Hilfsindikatoren sind u.a. die Bildungsdauer und die Art des erworbenen Bildungsabschlusses. Die Vorteile dieser Indikatoren liegen auf der Hand: In den meisten Ländern werden die schulischen Ergebnisse ausführlich dokumentiert. Leider sagt eine Schülerakte wenig darüber aus, was der Schüler gelernt hat (zur Erinnerung: Der Lehrstoff, der dem Schüler in der Schule vermittelt wird, ist nicht identisch mit dem Wissen, das er sich tatsächlich aneignet – von schulfachspezifischen Kenntnissen über gesellschaftliche Werte und Einstellungen bis hin zur Fähigkeit zum eigenständigen Lernen). Fünf Schuljahre in einer Schule können mehr bringen als fünf Jahre in einer anderen; ebenso kann der Arbeitsaufwand, der zum Erwerb eines Diploms im Bildungssystem eines Landes erforderlich ist, höher oder niedriger sein als in einem anderen. Eine alternative Möglichkeit ist, durch Tests zu ermitteln, was der Einzelne gelernt hat. Diesen Ansatz verfolgt die OECD mit Projekten wie PISA (vgl. Kapitel 4). Solche Bewertungen ermöglichen zwar einen internationalen Vergleich, untersuchen allerdings nur eine begrenzte Palette von Fähigkeiten und Kompetenzen, und wie bei jeder Erhebung kann die Genauigkeit beeinträchtigt werden, wenn die geprüfte Bevölkerungsstichprobe zu klein oder nicht repräsentativ ist. Desgleichen könnte man versuchen, den wirtschaftlichen Wert des Humankapitalbestands eines Landes zu ermitteln. Dazu müsste das Niveau der Fähigkeiten, Kompetenzen und Qualifikationen des Einzelnen bestimmt und zu seinem jeweiligen Lohn oder Gehalt ins Verhältnis gesetzt werden. Dabei treten allerdings ein paar Probleme auf. Erstens besteht, wenn wir uns ausschließlich auf das Humankapital des Einzelnen konzentrieren, das Risiko, dass die in einer Organisation vorhandenen kollektiven Fähigkeiten und Fertigkeiten unberücksichtigt bleiben, durch die sich die Produktivität aller Beteiligten erhöhen kann. Zweitens wird bei diesem Ansatz davon ausgegangen, dass sich Fähigkeiten automatisch in einem bestimmten Einkommensniveau widerspiegeln. Aus eigener Erfahrung wissen wir aber, dass noch eine Reihe anderer Faktoren – z.B. Geschlecht, Temperament und Persönlichkeit – Einfluss auf den Wert haben können, den eine Organisation einem Individuum beimisst.
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7. Messgrößen und Maßnahmen
Ebenso wurde bereits versucht, den sozialen Wert von Humankapital zu messen. Bei diesen Schätzungen wird berechnet, wie viel es kosten würde, die Nutzeffekte von Humankapital (wie eine verbesserte Gesundheit) mit alternativen Mitteln zu kaufen. Derartige Ansätze sind interessant, und sie scheinen zu zeigen, dass eine Steigerung des Humankapitals mit erheblichen sozialen Nutzeffekten verbunden ist. Wie jedoch in diesem Bereich häufig zu beobachten, kann der Kausalzusammenhang nicht eindeutig bestimmt werden. Es ist nicht klar, inwieweit das Humankapital eine Verbesserung des Gesundheitszustands bewirkt oder umgekehrt eine gute Gesundheit zur Weiterentwicklung des Humankapitals beiträgt. Das Fazit ist, dass sich Humankapital schwer messen lässt. Jede Messgröße ist in ihrer Aussagekraft begrenzt. Um ein umfassenderes Bild zu gewinnen, müssen verschiedene Indikatoren kombiniert werden. Wir müssen uns jedoch bewusst sein, dass auch daraus keine umfassenden Erkenntnisse gezogen werden können. „Humankapitalindikatoren, denen nur ein Index zu Grunde liegt, müssen durch spezifischere Messgrößen ergänzt werden, die auf direkten Messungen des Wissens und der Qualifikationen in Organisationen beruhen.“ Vom Wohlergehen der Nationen
Messung des Sozialkapitals Sozialkapital lässt sich noch schwerer messen, was nicht wirklich überrascht, wenn man bedenkt, dass dieses Konzept sozusagen noch in den Kinderschuhen steckt. Da sich Sozialkapital aus einer ganzen Reihe von Faktoren zusammensetzt (Netzwerken, Normen, Werten und Überzeugungen), wird es in der Regel anhand einer breiten Palette von Elementen gemessen, wie der Mitgliedschaft in Organisationen und Vereinen, der Wahlbeteiligung sowie Umfrageergebnissen zur Zahl der Besuche bei Freunden oder zur Einstellung der Befragten zu der Gesellschaft, in der sie leben. Ziel ist daher, eine Messgröße zu entwickeln, die umfassend ist und bei der objektive Elemente (z.B. Angaben zur Zahl der Mitglieder von Vereinen) und subjektive Größen (z.B. Antworten auf Umfragen) in ausgewogenem Verhältnis zueinander stehen. Jedoch wird keine Messgröße des Sozialkapitals umfassend genug sein, um wirklich allen Elementen der Interaktion und des Zusammenwirkens der Menschen in einer Gesellschaft Rechnung zu tragen. 137
OECD Insights: Humankapital
Eine weitere Methode zur Ermittlung des Sozialkapitals besteht darin, Elemente zu messen, die auf einen Mangel an Sozialkapital hinweisen könnten – Kriminalität, Mordraten, asoziales Verhalten. Die Betonung liegt dabei jedoch auf „könnten“. Wir wissen einfach zu wenig über die ausschlaggebenden Faktoren für die Entstehung von Sozialkapital ebenso wie sozialer Unordnung, um wirklich verstehen zu können, in welchem Zusammenhang die beiden zueinander stehen. Als geeigneter Hilfsindikator für die Ermittlung des Sozialkapitals wird manchmal noch das Vertrauen betrachtet. Vertrauen ist nicht direkt messbar, es können aber Umfragen zum Grad des Vertrauens durchgeführt werden, den die Befragten in ihre Mitmenschen setzen. Das Problem dabei ist, dass Vertrauen nicht unbedingt in allen Kulturen dieselbe Bedeutung hat. Darüber hinaus erstreckt sich Vertrauen selten gleichermaßen auf alle gesellschaftlichen Gruppen. In manchen Ländern wie Frankreich besteht im Familienkreis ein recht hoher Grad an Vertrauen, in der breiteren Gesellschaft ist er jedoch deutlich geringer. Auch wenn Vertrauen kein perfekter Hilfsindikator für das Sozialkapital ist, sind viele Sozialwissenschaftler doch der Ansicht, dass seine Aussagekraft mit der anderer, breiter gefasster Messgrößen vergleichbar ist.
Eine Frage des Vertrauens
EINE FRAGE DES VERTRAUENS Prozentsatz der Personen, denen zufolge man den meisten Menschen vertrauen kann (Umfrageergebnisse aus der World Values Study) en
Gerundete Prozentwerte, 1995-1996
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*Nicht-OECD-Länder
Quelle: Vom Wohlergehen der Nationen.
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Ausgewählte OECD-Länder
Der Grad des Vertrauens wird normalerweise anhand von Erhebungen gemessen, bei denen die Befragten angeben sollen, ob sie ihren Mitmenschen vertrauen. Einige Forscher führten außerdem praktische Tests zur Ermittlung des Vertrauensniveaus durch, bei denen z.B. Brieftaschen absichtlich auf der Straße fallen gelassen wurden, um zu sehen, wie viele zurückgegeben werden.
7. Messgrößen und Maßnahmen
Lässt sich alles messen, worauf es ankommt? Das Himalaya-Königreich Bhutan ist ein in der Welt einzigartiger Ort. Es ist eines der am wenigsten entwickelten Länder der Erde, bis Anfang der 1960er Jahre gab es keine Straßen, bis Ende der 1990er Jahre war das Fernsehen verboten, und noch heute ist die Zahl der Touristen, die pro Jahr in dieses abgelegene Gebirgsland einreisen dürfen, streng begrenzt. In Bhutan leben hauptsächlich Buddhisten, was sich in nahezu jedem Aspekt des Lebens widerspiegelt, u.a. in der Einstellung zum Wirtschaftswachstum. Buddhisten betrachten das Streben nach materiellem Wohlstand in der Regel als Hindernis auf dem Weg zur spirituellen Erleuchtung. Daher ist Bhutans Staatsführung dem Wirtschaftswachstum gegenüber skeptisch eingestellt und erachtet es nur dann als vorteilhaft, wenn dadurch auch die Summe des „Bruttosozialglücks“ (Gross National Happiness – GNH) steigt. Müsste zwischen den beiden gewählt werden, würde dem Bruttosozialglück der Vorrang gegeben. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie eine solche Messgröße aussagekräftig definiert bzw. objektiv berechnet werden könnte. Gar nicht so einfach, aber das Centre for Bhutan Studies in der Hauptstadt Thimphu arbeitet nach eigenen Angaben derzeit an einem sogenannten GNH-Index. Das Ergebnis dieser Anstrengungen wird wahrscheinlich auf einer Reihe von Kategorien wie Gesundheit und Bildungsniveau, biologische Vielfalt und kulturelle Vitalität basieren. Das alles mag nach einem weiteren Beispiel für die eigenwillige Denkweise der Bhutaner klingen, Tatsache ist aber, dass das Königreich mit seinen Anschauungen nicht allein steht. Auch andere Länder arbeiten an alternativen Indikatoren, die neben sonstigen Kapitalformen auch Messgrößen ihres Humankapitals enthalten können. Diese Indikatoren sind u.a. darauf ausgerichtet, ein umfassenderes Bild des Wohlergehens der jeweiligen Länder zu vermitteln. Im Wesentlichen geht es aber darum festzustellen, ob die Nationen über ausreichendes Kapital – in all seinen Formen – verfügen, um eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung gewährleisten zu können.
139
OECD Insights: Humankapital
Wissenswertes zum BIP Wo also liegt bei den bestehenden Wirtschaftsindikatoren das Problem? Um es mit Albert Einsteins Worten auszudrücken: „Nicht alles was zählt, kann gezählt werden, und nicht alles was gezählt werden kann, zählt.“ In vieler Hinsicht leisten traditionelle Indikatoren sehr gute Dienste. So informiert das BIP, das Bruttoinlandsprodukt, z.B. über die Größe einer Volkswirtschaft. Das BIP ist ein echtes Schwergewicht unter den Indikatoren. Es wird allgemein angewandt und normalerweise regelmäßig aktualisiert, und es ermöglicht einen internationalen Vergleich der Leistung verschiedener Volkswirtschaften. Zudem ist es eine breit gefasste Messgröße, die eine aussagekräftige Momentaufnahme der Wirtschaftslage liefert. Das BIP hat sich effektiv als so nützlich erwiesen, dass es gewissermaßen zum „Goldstandard“ des wirtschaftlichen Fortschritts geworden ist: Die Länder sind voller Stolz, wenn das BIP steigt, und werden kleinlaut, wenn dies nicht der Fall ist. Das BIP sagt viel über die Wirtschaftstätigkeit aus, kann jedoch keine Auskunft darüber geben, ob diese Wirtschaftstätigkeit für die Gesellschaft positiv oder negativ ist. Es scheint paradox, aber beispielsweise wirken sich Straßenunfälle positiv auf das BIP aus:
Wirtschaftliche Stärke
WIRTSCHAFTLICHE STÄRKE Pro-Kopf-BIP in ausgewählten OECD-Ländern In US-Dollar 2004 60 000
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Das Pro-Kopf-BIP, für dessen Ermittlung die gesamtwirtschaftliche Produktion eines Landes durch seine Bevölkerungszahl geteilt wird, findet als Indikator für die Wirtschaftsstärke breite Verwendung.
10 000 0
Quelle: Die OECD in Zahlen und Fakten 2006.
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Daten zu allen 30 OECD-Ländern sind über den StatLink (siehe unten) abrufbar
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/744188366804
7. Messgrößen und Maßnahmen
Die Kosten für die medizinische Betreuung, das Abschleppen des Unfallwagens und der Kauf eines neuen Autos – all das trägt zum BIP-Wachstum bei. Für das BIP sind Straßenunfälle also gut. Für die Gesellschaft sind sie schlecht. Dies erklärt sich größtenteils daraus, dass das als Anstieg des BIP ausgedrückte Wirtschaftswachstum eine Mischung aus positiven und negativen Einflüssen ist. Zumeist überwiegt das Positive, insgesamt ist das Wirtschaftswachstum aber nur Mittel zum Zweck. So liefert es den Ländern beispielsweise die Mittel zur Armutsbekämpfung, zur Bereitstellung von Bildung und zur Verbesserung der Gesundheitsdienste und erweitert das Spektrum der Möglichkeiten, die sich Regierungen und Gesellschaft bieten. Für den Einzelnen kann Wirtschaftswachstum auch einen Lohnzuwachs bedeuten, der es ihm ermöglicht, für sich und seine Familie in Gesundheit, Wohlstand und Glück zu investieren. Wo Gewinner sind, kann es aber auch Verlierer geben: So können Individuen oder Gruppen, die nicht über die notwendigen Ressourcen verfügen, um in einer expandierenden Wirtschaft mithalten zu können, mitunter in eine Spirale der Armut geraten. „So gesehen ist das Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Produktion kein Selbstzweck, sondern eine Voraussetzung für die Erweiterung der Wahlmöglichkeiten des Menschen.“ Vom Wohlergehen der Nationen
Von dieser Komplexität kommt im BIP nichts zum Ausdruck. (Zugegebenermaßen ist das BIP lediglich einer von mehreren Indikatoren, derer sich die Volkswirte bedienen. Andere Messgrößen, z.B. der Gini-Koeffizient, geben in der Tat Einblick in Aspekte wie Einkommensungleichheit.) Nicht zuletzt aus diesem Grund besteht zunehmendes Interesse an der Entwicklung alternativer Indikatoren, die eine umfassendere Analyse der Gesundheit einer Gesellschaft und ihrer Fähigkeit zur Fortsetzung ihres Wachstums ermöglichen.
Umfassende Messgrößen Der Anstoß dafür kommt hauptsächlich vom Konzept der nachhaltigen Entwicklung. Dieses Konzept beruht auf dem Gedanken, dass die Anstrengungen der heutigen Generation zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse nicht die Möglichkeiten künftiger Generationen zur Deckung ihrer Bedürfnisse einschränken dürfen. Dazu müssen
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OECD Insights: Humankapital
wir der nächsten Generation eine saubere Umwelt und gesellschaftliche Strukturen hinterlassen, in denen jeder sein Potenzial voll entfalten kann. Es überrascht also nicht, dass bei der nachhaltigen Entwicklung der Schwerpunkt auf Umweltthemen liegt. Ebenfalls betrachtet werden aber auch die Gesundheit der Gesellschaft sowie das Humankapital, nicht zuletzt deshalb, weil Bildung für die Chancen eines Menschen im Leben eine so wesentliche Rolle spielt. Genau wie das GNH in Bhutan basieren alternative Indikatoren in der Regel auf Messgrößen vieler verschiedener Dinge – vom Gesundheitszustand der Menschen über Umweltressourcen bis hin zur sozialen Ungleichheit. Das ist in vieler Hinsicht sowohl eine Stärke als auch eine Schwäche. Einerseits lässt sich dadurch eine breit gefasste, repräsentative Messgröße des „tatsächlichen“ Wohlstands eines Landes in all seinen Formen konstruieren. Andererseits stellt sich dabei die Frage, welche Elemente gemessen werden sollen und wie sie im Verhältnis zueinander zu gewichten sind. „Für eine nachhaltige Entwicklung müssen beim Streben nach zunehmender wirtschaftlicher Effizienz und materiellem Wohlstand auch soziale und ökologische Ziele berücksichtigt werden.“ Candice Stevens, Measuring Sustainable Development
Darüber hinaus besteht das Problem, dass Indikatoren, die zu viele Elemente enthalten, schnell unverständlich und damit effektiv irrelevant werden können und dass solche, die zu wenige Elemente enthalten, u.U. kein wirklich repräsentatives Bild vermitteln. Zudem kann ein Gesamtindikator, der aus mehreren Indikatoren für das Umwelt-, Sozial- und Humankapital hergeleitet wurde, ebenso viel verbergen wie aufzeigen; dabei besteht das Risiko, dass Aspekte wie ökologische Ressourcen und Humankapital als austauschbar behandelt werden, auch wenn sie das eindeutig nicht sind. Wie bei jedem Sozial- oder Wirtschaftsindikator treten außerdem zahlreiche praktische Schwierigkeiten bei der Sammlung genauer und aktueller Daten auf. Trotz der verschiedenen Schwierigkeiten haben viele OECD-Länder ergänzend zu Messgrößen wie dem BIP eine Reihe alternativer Indikatoren entwickelt bzw. sind dabei, dies zu tun. In Kanada hat beispielsweise eine staatlich eingesetzte Kommission ein System
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7. Messgrößen und Maßnahmen
zur Bewertung der Ressourcen des Landes in Bezug auf Natur-, Human- und Sozialkapital empfohlen. Sie begründet ihre Empfehlung damit, dass dieses Kapital für die Zukunft der Wirtschaft mindestens so wichtig sei wie Fabriken und Maschinen. Auch andere Länder verwenden ein an verschiedenen Kapitalformen orientiertes Konzept, um potenziell wertvolle Informationen über den Zustand ihrer Umwelt und Gesellschaft zu gewinnen. Angesichts des wachsenden Drucks auf die Umwelt und der zunehmenden Sensibilisierung für die Bedeutung des Humankapitals als Wirtschaftsfaktor steht zu erwarten, dass in den kommenden Jahren immer mehr Regierungen die Einführung solcher Ansätze in Erwägung ziehen werden.
Anstelle einer Schlussfolgerung Was würde wohl Davies Giddy sagen, wenn er die Welt von heute sehen könnte? Im Jahr 1807 führte das britische Parlamentsmitglied Giddy eine energische Kampagne gegen einen Gesetzentwurf, der eine zweijährige kostenlose Schulbildung für Kinder im Alter von 7 bis 14 Jahren vorsah. Giddy vertrat die Ansicht, dass Schulbildung der Moral und dem Glück der Armen abträglich sei; sie würden nur lernen, ihr Los im Leben zu verachten, anstatt gute Arbeitskräfte für die Landwirtschaft oder andere anstrengende Beschäftigungen abzugeben, für die sie ihr Rang in der Gesellschaft vorherbestimmt habe. Der Gesetzentwurf kam zwar nicht durch, aber Giddys Triumpf währte trotzdem nicht lange. Heute, 200 Jahre später, beträgt die durchschnittliche Bildungsdauer im Vereinigten Königreich 12,6 Jahre, womit sie etwas über dem OECD-Durchschnitt von 11,9 Jahren liegt. Ein paar OECD-Länder, wie Mexiko, Portugal und die Türkei, werden wohl noch einige Anstrengungen unternehmen müssen, um ihren Rückstand gegenüber diesem Durchschnittswert aufzuholen, die meisten Länder nähern sich aber bereits den Grenzen der potenziell möglichen Bildungszeit von Jugendlichen. Schon heute erhalten die Jugendlichen in den meisten OECDLändern bis zum Alter von etwa 18 Jahren kostenlose Schulbildung, und in zahlreichen Ländern haben sie danach noch Anspruch auf kostenlose Hochschulbildung. 143
OECD Insights: Humankapital
In weiten Teilen der entwickelten Welt geht die Ära der raschen Ausweitung der Bildung für die breite Masse nunmehr ihrem Ende zu. Dadurch wird eine der Standardmessgrößen des Humankapitals, nämlich die Zahl der Bildungsjahre, in gewisser Weise an Bedeutung verlieren. Die Unterschiede im Humankapital einzelner Länder werden in zunehmendem Maße nicht mehr von der Quantität, sondern von der Qualität der Bildung abhängen, d.h. davon, inwieweit es den Bildungssystemen gelingt, die Begabungen und Fähigkeiten der Menschen im Laufe ihres Lebens voll zur Entfaltung zu bringen.
Eine Herausforderung für die Bildungssysteme Der Grundstein für diesen Prozess wird bereits in der Vorschulzeit gelegt. Da immer mehr Frauen berufstätig sind, werden die Bedürfnisse von Vorschulkindern zunehmend zu einem wichtigen gesellschaftlichen Anliegen. Statt diese Entwicklung als Problem zu betrachten, sollten wir darin eher eine Chance sehen. Eine gut geplante Betreuung, Bildung und Erziehung von Vorschulkindern kann die Auswirkungen von Armut auf das Leben der Kinder potenziell verringern. Vor allem kann die Vorschulerziehung Kindern mit Migrationshintergrund dabei helfen, die fremde Sprache zu erlernen und ein Zugehörigkeitsgefühl zu der Gesellschaft zu entwikkeln, in der sie aufwachsen. „In verschiedenen Ländern werden Politiken verfolgt, die darauf ausgerichtet sind, Immigranten und ethnischen Minderheiten den Zugang zu Angeboten der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung zu erleichtern, um die Kinder und ihre Familien mit Sprache und Traditionen der Mehrheitsgesellschaft vertraut zu machen und den Eltern Gelegenheit zu geben, soziale Kontakte zu knüpfen und Netzwerke aufzubauen.“ Starting Strong I
Anschließend folgt die Schulzeit – jene langen Jahre, in denen wir uns von einem von den Eltern abhängigen Kind zu einem jungen Erwachsenen entwickeln, der sich in der Welt zurechtfinden muss. Wie bereitet uns die Schule auf diese Umstellung vor? Nicht immer in dem Maße, wie sie könnte. Die sozialen und ökonomischen Nachteile familiärer Armut können sich in diesen Jahren definitiv verfestigen und über die Zukunft der Betroffenen entscheiden. In Deutschland werden die Kinder zumeist bereits im Alter von
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7. Messgrößen und Maßnahmen
10 Jahren auf berufsorientierte oder allgemeinbildende Schulen aufgeteilt. Unabhängig von seinen vorherigen schulischen Leistungen hat ein Kind aus einem sozial besser gestellten Elternhaus viermal größere Chancen, dem allgemeinbildenden, zur Hochschulreife führenden Schulzweig zugeordnet zu werden, als ein Kind aus einer Arbeiterfamilie. Gegen eine berufsorientierte Bildung ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Deutschland verdient sogar Lob dafür, dass es diesen Bildungsweg in einer Zeit weiter fördert, da er anderswo in Vergessenheit gerät, womit den Jugendlichen eine wichtige Bildungsalternative genommen wird. Jedoch sollte sich die Entscheidung, ob ein Kind später eine Hochschule besuchen kann oder nicht, auf seine Begabungen und Fähigkeiten gründen und nicht von seinem familiären Hintergrund abhängig sein. Unser sozialer Hintergrund hat in der Regel auch zu viel Einfluss darauf, ob wir an Fort- und Weiterbildung teilnehmen. Angesichts der Bevölkerungsalterung versuchen viele Länder, die Arbeitskräfte zum längeren Verbleib im Erwerbsleben zu bewegen. Dazu müssen die Erwerbstätigen allerdings ihre Fähigkeiten und Qualifikationen regelmäßig auf den neuesten Stand bringen; bei sozial Schwächeren dürfte das oftmals nur mit erheblicher staatlicher Unterstützung möglich sein, und das kostet Geld. Die Länder stehen also vor schwierigen Entscheidungen in Bezug darauf, wie die Entwicklung des Humankapitals finanziert werden soll. Die verfügbaren Ressourcen sind begrenzt, und die Art und Weise, wie sie verteilt werden, wird in den kommenden Jahren für die Gesellschaft von großer Bedeutung sein. Im Vorschulbereich haben beispielsweise bereits viele Länder begonnen, stärker in Betreuung, Bildung und Erziehung zu investieren, aber das reicht wahrscheinlich noch nicht aus. In der Schulbildung könnte die Versuchung groß sein, Mittel zu streichen, da die Schülerzahlen infolge der demografischen Entwicklung abnehmen. Dadurch lassen sich die Länder jedoch u.U. Chancen entgehen, den Unterricht innovativer zu gestalten und Bildungsalternativen für Jugendliche zu entwickeln, deren Bedürfnissen im Moment nicht entsprochen wird.
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OECD Insights: Humankapital
In der Tertiärbildung werden die Forderungen lauter, die Studierenden stärker an den Kosten ihrer Ausbildung zu beteiligen. Als Begründung heißt es, dass die Hochschulabsolventen in Anbetracht der enormen Einkommensprämie, die ihnen ihr Abschluss später einbringt, gerechterweise auch einen Teil ihrer Ausbildungskosten übernehmen sollten. Das mag durchaus ein nachvollziehbarer Standpunkt sein, die Gebühren müssten dann aber zumindest in einer Form erhoben werden, die es jungen Menschen aus ärmeren Verhältnissen nicht noch schwerer macht als es bereits ist, ein Hochschulstudium aufzunehmen.
Ein Blick in die Zukunft Durch die Erhöhung des Humankapitals hat die Bildung bereits einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, die Gesellschaften der Industrieländer auf den heutigen Stand zu bringen. Die Volkswirtschaften sind reicher denn je, und die Menschen erfreuen sich heute eines höheren Lebensstandards als je zuvor, sind gesünder und leben länger. Aber wohin wird uns dieser lange Prozess der Erhöhung des Humankapitals in Zukunft führen? Werden wir uns für die Schaffung einer „Winner takes all“-Gesellschaft entscheiden, in der sich nur die Begabten und Gebildeten in Wirtschaft und Bildung durchsetzen und alle anderen auf der Strecke bleiben? Wird die ökonomische Ungleichheit – die in gewisser Weise auch ein wirksamer Anreiz für die Menschen ist, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen – zu einer Falle werden, aus der es für all jene, denen es an Bildungs-, Sozial- und Wirtschaftskapital fehlt, keinen Ausweg gibt? Oder entscheiden wir uns für eine Gesellschaft, in der jeder, unabhängig von Geschlecht, sozialer Schicht oder ethnischem Hintergrund, eine faire Chance erhält, sich im Wettbewerb zu behaupten? Werden wir einsehen, dass es – obwohl es natürlich in jeder Gesellschaft Gewinner und Verlierer geben muss – einfach nicht hinnehmbar ist, dass Kinder allein auf Grund ihrer sozialen Herkunft der Chance beraubt werden, ihre Fähigkeiten voll zu entfalten und damit zugleich mit ihrem gesamten Potenzial zum Wohl der Gesellschaft beizutragen, in der sie leben. Diese Entscheidung liegt ganz bei uns.
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7. Messgrößen und Maßnahmen
Weitere OECD-Studien zu diesem Thema h Economic Policy Reforms: Going for Growth 2006 (2006) Im gesamten OECD-Raum versuchen die Regierungen Strukturreformen durchzuführen, um das Wirtschaftswachstum zu steigern. In Going for Growth 2006 wird Bilanz gezogen über die bisherigen Fortschritte bei der Umsetzung von wirtschaftspolitischen Reformen zur Anhebung der Arbeitsproduktivität und Erhöhung der Beschäftigung – den beiden in der Ausgabe 2005 identifizierten prioritären Zielen. Außerdem werden vergleichende Indikatoren zu Bereichen der Strukturpolitik wie Arbeitsmärkte, Bildung und Produktmarktregulierungen geliefert. Besonderes Augenmerk gilt der Innovation als einem der wichtigsten Wachstumsmotoren. Die Publikation enthält vergleichende Indikatoren zu erzielten Ergebnissen und einschlägigen Maßnahmen auf diesem Gebiet sowie spezifische Politikempfehlungen für jedes OECD-Land zur Steigerung seiner Innovationsleistung. In zwei analytischen Kapiteln werden darüber hinaus die Zusammenhänge zwischen Finanzmarktregulierung und Wirtschaftswachstum sowie alternative Indikatoren zum BIP als Messgrößen des Wohlergehens untersucht. h Die OECD in Zahlen und Fakten (erscheint jährlich) Dieses umfassende und dynamische statistische Jahrbuch liefert aktualisierte Angaben zu Wirtschaft,
Umwelt und Gesellschaft der OECD-Mitgliedstaaten sowie ausgewählter Nichtmitgliedstaaten. Mehr als 100 Indikatoren decken ein breites Spektrum von Themen ab: Wirtschaft, Landwirtschaft, Bildung, Energie, Umwelt, Entwicklungszusammenarbeit, Gesundheit und Lebensqualität, Industrie, Information und Kommunikation, Bevölkerung/ Erwerbsbevölkerung, Handel und Investitionen, Besteuerung, öffentliche Ausgaben sowie Forschung und Entwicklung. Zu jedem Indikator gibt es eine kurze Einführung, gefolgt von einer detaillierten Definition, Anmerkungen zur Vergleichbarkeit der Daten, einer Beurteilung der langfristigen Trends und Hinweisen auf weitere Informationen. Jede Tabelle ist mit einem dynamischen Link (StatLink) ausgestattet, der den Leser zu einer Internetseite führt, auf der die entsprechenden Daten im Excel-Format abgerufen werden können. h Was ist Wirtschaftswachstum? Eine Betrachtung aus makroökonomischer, branchenbezogener und betriebswirtschaftlicher Sicht (2004) Diese Veröffentlichung bietet einen einzigartigen Überblick über Fakten, Daten und Analysen zum Wirtschaftswachstum in den OECDLändern. Betrachtet werden vor allem die Wachstumsstrukturen in den letzten zehn Jahren, wobei die wichtigsten Antriebskräfte des Wachstums identifiziert
werden. Ferner wird untersucht, wie und warum die Länder unterschiedlich auf diese Kräfte reagieren. Gegenstand der Analyse ist zum einen das Wachstum auf makroökonomischer, Branchen- und Unternehmensebene sowie zum anderen der Beitrag der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) auf jeder dieser Ebenen. Mit über 50 Tabellen und Abbildungen bietet die Publikation außerdem einzigartiges Datenmaterial zum besseren Verständnis der Realität des Wirtschaftswachstums.
Verwiesen wird in diesem Kapitel auch auf die Publikationen: h Vom Wohlergehen der Nationen: Die Rolle von Human- und Sozialkapital (2004). h Measuring Sustainable Development, OECD Statistics Brief (September 2005). h Starting Strong: Early Childhood Education and Care (2001).
147
Weitere statistische Daten ANNEX A
A-1: Beschäftigungsquoten für Frauen, 1990-2004 . . . . . . . . .
150
A-2: Veränderung der Schülerund Studierendenpopulation, 2005-2015. . . . . . . . . . . . .
151
A-3: Expansion der Tertiärbildung, 1991-2003 . . . . . . . . . . . .
152
A-4: Bildungserträge in Form von Einkommen, 2004 . . . . . . .
154
A-5: Zusammenhang zwischen Fort- und Weiterbildung von Erwachsenen und ihrem Bildungsstand, 2003 . . . . .
156
In diesen Tabellen verwendete Abkürzungen: c: Es liegen zu wenige Schätzungen vor.
Beobachtungen
für
verlässliche
m: Daten nicht verfügbar.
149
OECD Insights: Humankapital
A-1: BESCHÄFTIGUNGSQUOTEN FÜR FRAUEN, 1990-2004 Anteil der beschäftigten Frauen an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15-64 Jahre) 1990
1992
1994
1996
1998
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40.8
44.6
44.8
45.6
47.5
51.9
51.1
Kanada
62.7
60.9
61.0
61.4
63.3
65.6
67.0
68.4
..
..
61.0
60.6
58.7
56.9
57.1
56.0
Dänemark
70.6
70.4
67.1
67.4
70.3
72.1
72.6
72.0
Finnland
71.5
63.8
58.7
59.5
61.3
64.5
66.1
65.5
Frankreich
50.3
50.8
50.8
51.8
52.4
54.3
55.8
56.7
Tschech. Rep.
Deutschland
52.2
55.7
54.7
55.5
56.3
58.1
58.8
59.9
Griechenland
37.5
36.2
37.1
38.5
40.3
41.3
43.1
45.5 50.7
Ungarn
..
52.3
47.8
45.5
47.3
49.6
49.8
Island
..
74.0
74.6
76.5
78.3
81.0
79.8
79.4
Irland
36.6
37.1
38.9
43.3
48.2
53.3
55.2
55.8
Italien
36.2
36.5
35.4
36.0
37.3
39.6
42.0
45.2
Japan
55.8
56.9
56.5
56.8
57.2
56.7
56.5
57.4
Korea
49.0
48.7
49.8
51.1
47.3
50.1
52.0
52.2
Luxemburg
41.4
46.2
44.9
43.6
45.6
50.0
51.5
50.6
..
35.1
36.2
37.4
40.1
40.1
39.9
41.3
Niederlande
47.5
51.0
52.6
55.2
59.4
62.6
64.7
..
Neuseeland
58.6
57.5
59.9
63.4
62.1
63.5
65.3
66.5
Norwegen
67.2
66.7
67.5
70.4
73.6
74.0
73.9
72.7
..
53.1
51.9
51.8
52.2
48.9
46.4
46.4
55.4
56.1
55.0
55.6
58.3
60.5
60.8
61.7
..
..
52.6
54.6
53.5
51.5
51.4
50.9
Mexiko
Polen Portugal Slowak. Rep. Spanien
31.8
32.5
31.5
33.8
36.5
42.0
44.9
49.0
Schweden
81.0
76.3
70.7
69.9
69.4
72.2
73.4
71.8 70.3
..
67.0
65.6
67.2
68.8
69.3
71.5
Türkei
Schweiz
32.9
31.9
30.4
30.3
28.5
26.2
26.6
24.3
Ver. Königreich
62.8
61.9
62.1
63.3
64.2
65.6
66.3
66.6
Ver. Staaten
64.0
63.6
65.2
66.3
67.4
67.8
66.1
65.4
OECD insgesamt
53.9
52.7
52.9
53.7
54.5
55.3
55.3
55.6
Quelle: Die OECD in Zahlen und Fakten 2006.
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/178241456066
Steigende Beschäftigungsquoten unter Frauen veranlassen die Gesellschaften, die Betreuung von Kindern im Vorschulalter zu überdenken.
150
Weitere statistische Daten
A-2: VERÄNDERUNG DER SCHÜLERUND STUDIERENDENPOPULATION, 2005-2015 Demografische Trends und deren zu erwartende Auswirkungen auf die Bildungsausgaben, die Zahl der Schüler/Studierenden und die Zahl der Absolventen
Australien Österreich Belgien Kanada Tschech. Rep. Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Griechenland Ungarn Island Irland Italien Japan Korea Luxemburg Mexiko Niederlande Neuseeland Norwegen Polen Portugal Slowak. Rep. Spanien Schweden Schweiz Türkei Ver. Königreich Ver. Staaten OECD-Durchschnitt
Erwartete Veränderung in der Populationsgröße (2005 = 100)
Beispielhafte Auswirkungen der demografischen Veränderungen
Altersgruppe
Geschätzte prozentuale Veränderung der
0-4
5-14
15-19 20-29
30+
107 93 94 102 97 91 101 95 99 94 91 95 104 87 93 90 103 91 88 97 97 101 93 97 99 106 93 97 100 105 97
96 85 93 91 88 93 90 102 86 96 85 95 119 97 96 71 105 92 95 94 92 81 100 79 116 93 83 101 91 103 94
97 88 94 94 70 115 95 96 86 89 81 100 91 96 93 95 119 100 103 94 108 69 100 71 91 84 96 108 92 100 94
116 105 104 114 108 103 106 106 102 109 105 115 123 103 105 116 115 132 105 111 106 111 110 113 111 104 104 128 105 111 110
Quelle: Bildung auf einen Blick 2006.
110 102 100 108 80 109 100 97 104 76 82 102 85 85 79 88 109 106 109 117 114 82 79 83 66 117 108 100 113 113 97
Zahl der SchülerZahl der GesamtausAbsolventen Alle zahlen im Absolventen gaben für des TertiärAltersPrimar- und des Bildungseinbereichs gruppen Sekundar- Sekundarrichtungen (Erstabbereich I bereichs II schluss)
110 101 101 109 99 102 102 103 100 101 97 108 113 100 100 103 113 111 103 107 105 99 103 100 103 103 101 113 103 109 104
–0 –10 –5 m –18 1 –5 –1 –9 m –16 m m –6 –10 –18 m –4 –1 –1 1 –20 –4 –20 m –2 –7 2 –4 7 –6
–4 –15 –7 –9 –12 –7 –10 2 –14 –4 –15 –5 19 –3 –4 –29 5 –8 –5 –6 –8 –19 0 –21 16 –7 –17 1 –9 3 –6
–3 –12 –6 –6 –30 15 –5 –4 –14 –11 –19 0 –9 –4 –7 –5 19 –0 3 –6 8 –31 0 –29 –9 –16 –4 8 –8 0 –6
10 2 0 8 –20 9 –0 –3 4 –24 –18 2 –15 –15 –21 –12 9 6 9 17 14 –18 –21 –17 –34 17 8 –0 13 13 –3
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/850142374718 (wegen Anmerkungen siehe StatLink)
Demografische Veränderungen führen in vielen OECD-Ländern zu einem Rückgang der Schüler- und Studierendenzahlen, was sich auf die Finanzierung der Bildung auswirken wird.
151
OECD Insights: Humankapital
A-3: EXPANSION DER TERTIÄRBILDUNG, 1991-2003 Abschlüsse im Tertiärbereich für die Altersgruppe 25-64 Jahre, in Prozent der Bevölkerung in dieser Altersgruppe
Australien Österreich
1991
1992
1993
1994
1995
1996
21.8
..
22.5
23.1
24.3
24.8
6.7
7.0
..
7.7
7.9
8.1
Belgien
19.6
20.2
..
22.3
24.6
23.9
Kanada
29.9
30.8
..
34.2
34.9
35.6
..
..
..
10.1
10.6
10.4
Dänemark
18.3
19.2
..
19.6
20.4
20.9
Finnland
25.0
25.9
..
26.8
27.7
28.4
Frankreich
15.2
16.0
17.1
17.8
18.6
19.2
Deutschland
21.8
Tschech. Rep.
20.5
20.1
..
20.4
22.2
Griechenland
..
..
..
17.9
17.4
18.9
Ungarn
..
..
..
..
..
13.4
Island
..
..
..
..
..
20.8
Irland
15.9
17.0
..
18.6
19.9
22.6
Italien
6.1
6.4
..
7.5
7.9
8.1
Japan
..
..
..
..
..
..
Korea
14.4
16.1
17.5
17.8
18.6
19.6
Luxemburg
..
..
..
..
18.1
19.0
Mexiko
..
..
..
..
11.9
13.2
Niederlande
19.6
20.9
..
21.4
22.0
22.5
Neuseeland
22.9
23.6
..
23.2
25.3
..
Norwegen
24.8
25.3
..
27.4
28.6
26.9
..
..
..
..
9.9
..
6.7
..
..
10.7
11.0
10.9
Polen Portugal Slowak. Rep.
..
..
..
11.3
11.1
11.5
9.9
13.1
..
15.0
16.1
17.5
Schweden
25.2
25.8
..
27.0
28.3
27.4
Schweiz
20.3
21.0
..
21.4
21.1
21.9
Spanien
Türkei
6.3
4.8
..
7.0
8.4
..
Ver. Königreich
16.3
18.5
..
21.3
21.9
22.3
Ver. Staaten
30.1
30.2
..
32.2
33.3
33.9
OECD-Durchschnitt
17.9
19.0
..
19.2
19.3
20.1
Quelle: Die OECD in Zahlen und Fakten 2006.
Die Tertiärbildung expandiert weiter. Dies hat u.a. zur Folge, dass ältere Arbeitnehmer häufig niedrigere Bildungsabschlüsse besitzen als ihre jüngeren Kollegen.
152
Weitere statistische Daten
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
24.3
25.4
26.7
27.5
29.0
30.8
31.3
10.6
10.9
10.9
13.9
14.1
14.5
14.5
25.1
25.3
26.7
27.1
27.6
28.1
29.0
37.3
38.1
39.2
40.0
41.6
42.6
44.0
10.6
10.4
10.8
11.0
11.1
11.9
12.0
..
25.4
26.5
25.8
26.5
27.4
31.9
29.4
30.2
31.3
32.0
32.3
32.6
33.3
20.0
20.6
21.5
22.0
23.0
24.0
23.4
22.6
23.0
22.9
23.5
23.2
23.4
24.0
15.5
16.8
17.5
17.6
17.8
18.3
18.3
12.2
13.2
13.5
14.0
14.0
14.2
15.4
20.9
21.0
22.4
23.2
24.6
26.3
26.3
22.8
21.1
20.5
21.8
23.7
25.4
26.3
..
8.6
9.3
9.4
10.0
10.4
10.4
30.4
30.4
31.6
33.4
33.8
36.3
37.4
19.8
22.5
23.1
23.9
25.0
26.0
29.5
..
..
18.3
18.3
18.1
18.6
14.9
13.8
13.6
13.4
14.6
15.0
15.3
15.4
..
24.2
22.6
23.4
23.2
24.4
24.4
25.8
26.6
27.0
28.0
29.2
29.8
30.9
25.8
27.4
27.5
28.4
30.2
31.0
31.0
10.2
10.9
11.3
11.4
11.9
12.6
14.2
..
8.3
8.7
8.9
9.1
9.3
10.8
10.5
10.3
10.1
10.4
10.9
11.0
11.8
18.6
19.7
21.0
22.6
23.6
24.4
25.2
27.5
28.0
28.7
30.1
31.6
32.6
33.4
22.2
22.9
23.6
24.2
25.4
25.2
27.0
7.6
7.5
8.1
8.3
8.4
9.1
9.7
22.7
23.7
24.8
25.7
26.1
26.9
28.0
34.1
34.9
35.8
36.5
37.3
38.1
38.4
20.8
20.7
21.2
21.9
22.6
23.4
24.1
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/380018442476
153
OECD Insights: Humankapital
A-4: BILDUNGSERTRÄGE IN FORM VON EINKOMMEN, 2004 Relative Einkommen der Bevölkerung mit Erwerbseinkommen (2004 oder letztes verfügbares Jahr) (Abschluss im Sekundarbereich II und postsekundären nichttertiären Bereich = 100) Bildungsstand
Unterhalb Sekundarbereich II
Postsekundärer nichttertiärer Bereich
25-64
30-44
25-64
30-44
Australien
2001
77
75
92
92
Belgien
2003
89
91
m
m
Kanada
2003
78
78
102
104
Tschech. Rep.
2004
73
75
m
m
Dänemark
2003
82
81
107
104
Finnland
2003
94
92
m
m
Frankreich
2004
85
85
m
m
Deutschland
2004
88
82
109
112
Ungarn
2004
73
75
120
119
Irland
2002
76
77
98
96
Italien
2002
78
80
m
m
Korea
2003
67
77
m
m 120
Luxemburg
2002
78
76
117
Niederlande
2002
84
84
m
m
Neuseeland
2004
75
73
103
101
Norwegen
2003
80
89
117
120
Polen
2004
78
80
99
100
Spanien
2004
85
84
c
c
Schweden
2003
87
83
120
122
Schweiz
2004
74
81
108
107
Ver. Königreich
2004
67
69
m
m
Ver. Staaten
2004
65
66
110
110
1. Studiengänge im Tertiärbereich B sollen den Studierenden praktische, technische oder berufliche Qualifikationen für den direkten Eintritt in den Arbeitsmarkt vermitteln. 2. Studiengänge im Tertiärbereich A sind weitgehend theoretisch orientiert und sollen den Studierenden Qualifikationen für weitere Forschung oder den direkten Zugang zu Berufen mit hohen Qualifikationsanforderungen vermitteln, wie z.B. Medizin. (Diese Kategorie umfasst auch weiterführende Forschungsprogramme.) Quelle: Bildung auf einen Blick 2006.
Ein längerer Bildungsweg ist mit Kosten verbunden, führt aber im Gegenzug zu höheren Einkommen.
154
Weitere statistische Daten
Tertiärbereich B1
Tertiärbereich A2
Tertiärbereich insgesamt
25-64
30-44
25-64
30-44
25-64
30-44
111
107
143
146
133
135
114
116
148
148
130
130
112
112
169
172
140
141
126
145
185
193
182
191
115
117
130
124
127
123
122
115
173
162
148
138
125
130
163
167
147
151
128
129
163
153
153
146
138
144
218
222
217
222
113
116
160
160
144
145
m
m
153
137
153
137
111
122
156
161
141
148
129
136
165
171
145
152
m
m
m
m
148
147
102
105
147
142
129
129
141
147
125
134
126
135
154
166
166
170
163
169
104
105
144
141
132
130
106
101
139
134
128
124
142
141
177
175
164
162
124
122
174
181
158
162
114
114
181
182
172
173
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/815010258467
155
OECD Insights: Humankapital
A-5: ZUSAMMENHANG ZWISCHEN FORT- UND WEITERBILDUNG VON ERWACHSENEN UND IHREM BILDUNGSSTAND, 2003 Teilnahmequoten und zu erwartende Teilnahmestunden an nicht formaler berufsbezogener Fort- und Weiterbildung, nach Bildungsstand, 2003 Teilnahmequote während eines Jahres
Sekundarbereich I
Bildungsstand
Sekundarbereich II1
Tertiärbereich
Alle Bereiche zusammen
Österreich
5
19
37
19
Belgien
6
15
30
16
Kanada2
6
20
35
25
Tschech. Rep.
3
10
21
11
Dänemark
22
36
54
39
Finnland
20
32
54
36
Frankreich
9
19
33
19
Deutschland
3
10
24
12
Griechenland
n
3
11
4
Ungarn
1
4
9
4
Irland
5
10
20
11
Italien
1
6
12
4
Luxemburg
3
12
27
12
Niederlande
5
11
13
9
Polen
1
7
29
9
Portugal
4
15
27
7
Slowak. Rep.
6
19
37
19
Spanien
3
7
14
6
24
37
57
40
Schweiz
8
27
44
29
Ver. Königreich
7
26
46
27
12
32
56
37
Schweden
Ver. Staaten OECD-Durchschnitt
Insgesamt
7
17
31
18
Männer
8
18
31
19
Frauen
6
17
32
17
1. Und postsekundärer nichttertiärer Bereich. 2. Referenzjahr 2002. Quelle: Bildung auf einen Blick 2006.
Arbeitnehmern mit Tertiärabschluss kommt eher formale berufsbezogene Fort- und Weiterbildung zugute.
156
Weitere statistische Daten
Zu erwartende Teilnahmestunden im Alter zwischen 25 und 64 Jahren Sekundarbereich I
Sekundarbereich II1
Tertiärbereich
Verhältnis FortDurchschnittl. bildungsstd./ jährl. ArbeitsArbeitsAlle Bereiche stundenzahl stundenzahl zusammen (in %)
140
420
767
422
1 550
293
437
719
469
1 542
27 30
128
517
796
586
1 740
34
34
142
556
182
1 986
9
719
836
1,230
934
1 475
63
497
530
1,003
669
1 718
39
450
692
1,061
713
1 441
49
130
390
650
398
1 441
28
c
c
312
106
1 936
5
c
270
402
253
m
m
82
185
392
203
1 646
12
26
111
254
82
1 591
5
c
189
402
176
1 592
11
216
308
322
283
1 354
21
16
90
513
139
1 984
7
232
c
c
343
1 678
20 12
43
178
721
225
1 931
102
261
503
237
1 800
13
350
562
917
622
1 563
40
212
621
1,301
723
1 556
46
103
297
480
315
1 672
19
c
374
746
471
1 822
26
210
371
669
389
1 668
25
243
393
684
405
m
m
241
370
686
384
m
m
1 2 http://dx.doi.org/10.1787/558317523300
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OECD INSIGHTS OECD INSIGHTS
OECD INSIGHTS
Wie Wissen unser Leben bestimmt
Im Internet abrufbar unter : www.oecd.org/insights
ISBN 978-92-64-03175-3 01 2007 10 5 P
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HUMANKAPITAL Wie Wissen unser Leben bestimmt
HUMANKAPITAL
Welche Auswirkungen haben Bildung und Lernen auf unsere Gesellschaften und Volkswirtschaften? Wie lassen sich Ungleichheiten in der Bildung beseitigen? Und wie können wir gewährleisten, dass jeder Einzelne in allen Lebensphasen die Art von Lernmöglichkeit erhält, die ihm den größtmöglichen Nutzen bringt und durch die er sein Humankapital voll entfalten kann? Dieser Bericht nutzt die einzigartigen Ressourcen der OECD, um einige dieser grundlegenden Fragen zu beantworten. Gestützt auf Forschungs- und Analysearbeiten aus den 30 OECD-Mitgliedstaaten wird die zunehmende Bedeutung des Humankapitals für den Einzelnen und für die Gesellschaft bei der Bewältigung des sozialen und wirtschaftlichen Wandels erläutert. Ferner wird untersucht, inwiefern es den Ländern gelingt oder auch nicht gelingt, die Menschen Zeit ihres Lebens durch die Bereitstellung von Aus- und Weiterbildungsangeboten zu unterstützen.
BRIAN KEELEY
Humankapital
BRIAN KEELEY