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Die Sterne am Himmel stehen für unvergängliche Ewigkeit. Kosmische Eintagsfliegen der Gattung Mensch können das jahrmillionen- und jahrmilliardenlange Leben der Sterne nicht mit Sinnen nachvollziehen. Und doch ist es Menschen gelungen, in Lichtjahren zu denken und zu entdecken, daß sich im Weltraum ein dramatisches Schauspiel von Geburt, Leben und Tod vollzieht. Sterne und Sternengenerationen leben keineswegs ewig. Aber sie wehren sich gegen ihren Tod mit allen Mitteln kernphysikalischer Energieerzeugung. Mit Wasserstoff- und Heliumbrennen halten sie sich Äonen im Gleichgewicht. Sie blähen sich zu Roten Riesen auf, in deren Kern ein Weißer Zwerg entsteht, und wenn ihnen die lebensnotwendige Energie ausgeht und ihre Zentren zu Neutronensternen zusammenfallen, werfen sie in einer gewaltigen Supernova-Explosion einen großen Teil des Sternmaterials in die interstellare Materie zurück, so daß es dem kosmischen Chemiehaushalt erhalten bleibt. Bestanden die ersten Sterne nach dem Urknall fast nur aus Wasserstoff und Helium, so bauten die verschiedenen Sterngenerationen in nuklearen Prozessen die Reihe der Elemente auf. Darunter den Kohlenstoff, den Grundbaustein allen Lebens, das schließlich den Menschen entstehen ließ, der Geburt, Leben und Sterben der Sterne in kosmischen Dimensionen zu ergründen versucht. Norbert Langer, geb. 1958, Dr. habil., ist Privatdozent und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München. Seine Hauptarbeitsgebiete sind Stellare Astrophysik und Elemententstehung.
Norbert Langer
LEBEN UND STERBEN DER STERNE
Verlag C.H.Beck
Mit 25 Abbildungen und 4 Tabellen
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Langer, Norbert: Leben und Sterben der Sterne / Norbert Langer. – Orig.-Ausg. – München : Beck, 1995 (Beck’sche Reihe ; 2020 : C. H. Beck Wissen) ISBN 3 406 39720 4 NE:GT
Originalausgabe ISBN 3 406 39720 4 Umschlagentwurf von Uwe Göbel, München © C.H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung (Oscar Beck), München 1995 Gesamtherstellung: Presse-Druck- und Verlags-GmbH, Augsburg Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem), aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff hergestelltem Papier Printed in Germany
Inhalt 1. Die Vielfalt stellarer Phänomene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Sternentstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gravitation kontra Gasdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sternhaufen und die stellare Massenfunktion . . . . . . . . . . c) Sternentstehung früher und heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vom Protostern zum Stern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14 14 16 19 20
3. Sterne im Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Was ist ein Stern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der stellare Energiehaushalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kernfusion als Energiequelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Energietransport im Sterninneren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 23 24 26 29
4. Stellare Leuchtkräfte und Lebensdauern . . . . . . . . . . . . . . a) Die Hauptreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rote Riesen und Weiße Zwerge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Expansion der Sonne zum Riesenstern . . . . . . . . . . .
33 33 38 39
5. Die Schlüsselrolle der Sternmasse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entartete Materie und Braune Zwerge . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Kerne Roter Riesen und der Helium-Flash . . . . . . . . c) Die Chandrasekhar-Grenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42 42 44 46
6. Die Entwicklung massearmer Sterne zu Weißen Zwergen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Heliumbrennen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pulsierende Sterne als kosmische Meilensteine . . . . . . . . c) Riesen-Winde und Thermische Pulse . . . . . . . . . . . . . . . .
50 50 53 57
7. Die Entwicklung massereicher Sterne zu Supernovae . . . a) Winde heißer Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neutrinos und die späten Fusionsphasen . . . . . . . . . . . . .
64 64 71
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c) Sternkollaps und Explosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Neutronensterne und Schwarze Löcher. . . . . . . . . . . . . . .
75 80
8. Doppelsterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Algol-Paradoxon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Massenüberstrom auf Weiße Zwerge . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellare Röntgen- und γ-Strahler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86 86 89 98
9. Die Entstehung der chemischen Elemente . . . . . . . . . . . . . a) Elemententstehung außerhalb von Sternen . . . . . . . . . . . . b) Primäre und sekundäre Isotope . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zeitskalen der chemischen Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . d) Nukleosynthese heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105 105 107 110 114
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kommentiertes Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121 122 123 125
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1. Die Vielfalt stellarer Phänomene Nichts ist unvergänglich. Diese heute allgemein anerkannte Aussage wurde früher insbesondere durch die Unveränderlichkeit des Sternenhimmels scheinbar ad absurdum geführt. Seit Jahrtausenden beobachten die Menschen die Sterne, und nach der Entlarvung der wenigen „Wandelsterne“, der hellen Planeten des Sonnensystems, stand fest: Das Muster der Fixsterne am Himmel ist konstant, ewig. Es ist bemerkenswert, daß zuerst Beobachtungen der physikalischen Entwicklung von Sternen den Glauben an die Unvergänglichkeit des Sternenhimmels – und damit auch der Welt – ins Wanken brachten. Von Zeit zu Zeit konnten die Sternkundigen am Himmel sogenannte Neue Sterne entdecken, Sterne also, die vorher nicht da waren, die plötzlich auftauchten und einige Wochen oder Monate hell leuchteten, um dann allmählich wieder zu verblassen. Heute wissen wir, daß es sich bei solchen Phänomenen um Explosionen stellaren Ausmaßes handelt, also offenbar um höchst bewegte Phasen in der Entwicklung von Sternen. Noch bevor die kinematische Bewegung der Fixsterne im Weltraum erkannt wurde, wurde um die Wende zum 17. Jahrhundert ein weiteres Phänomen wahrgenommen, welches bezeugt, daß sich Sterne sehr rasch verändern können: Der Stern Mira im Sternbild Walfisch erhöht und erniedrigt periodisch innerhalb von ca. 360 Tagen seine Lichtstärke um mehr als einen Faktor 1000. Auch diese auffällige Veränderung – im Maximum ist Mira ein heller Stern am Himmel, im Minimum ist er mit bloßem Auge unsichtbar – hat seinen Ursprung in physikalischen Änderungen des Sterns selbst. Die dramatische Helligkeitsschwankung wird durch eine periodische Radiusänderung erzeugt, also durch eine Pulsation gigantischen Ausmaßes. Je besser die Teleskope der Astronomen wurden und je mehr ihr Wissen über das, was sie sahen, wuchs, desto offensichtlicher trat zutage, daß stellar-physikalische Variationen in einem 7
sehr großen Bereich von Zeitskalen zu finden sind. Veränderungen auf den längsten Zeitskalen, den Lebensdauern der Sterne selbst, die von Jahrmillionen bis zum Vielfachen des Weltalters reichen, vermag der Mensch als kosmische Eintagsfliege freilich nicht direkt zu verfolgen. Aber physikalische Änderungen, die sich im Zeitrahmen von Jahrhunderten abspielen, sind bereits beobachtet worden, so bei dem sonderbaren Stern P Cygni, der nach zwei kurzzeitigen Helligkeitsausbrüchen im 17. Jahrhundert seine Helligkeit seitdem sehr langsam, aber kontinuierlich steigert. Ein weiteres instruktives Beispiel dafür, daß viele Sterne ein höchst bewegtes Leben führen – mit Aktivitäten auf Zeitskalen, die man ihnen nicht zutraut –, liegt sehr nahe: unsere Sonne (vgl. in der Reihe C. H. Beck Wissen den Band Die Sonne von Wolfgang Mattig). Die Lebenserwartung der Sonne beträgt etwa zehn Milliarden Jahre, und sie ist ca. 4,6 Milliarden Jahre alt. Das läßt zunächst vermuten, daß die Sonne bei allen Prozessen, die rasch ablaufen, ihr Gleichgewicht längst gefunden hat, zumal sie sich in der Entwicklungsphase des zentralen Wasserstoffbrennens befindet, welches der mit Abstand stabilste Zustand ist, den Sterne je erreichen können. Trotzdem sind kurzfristige Variationen auf vielerlei Zeitskalen auf der Sonne zu beobachten. So ist festzustellen, daß sie in ca. 25 Tagen einmal um ihre Achse rotiert, was anhand der dunklen Sonnenflecken leicht zu verfolgen ist. Bei Sternen, die deutlich größere Flecken als unsere Sonne aufweisen, würde die Rotationsperiode schon einen merklichen Lichtwechsel zur Folge haben. Aber es lassen sich auch viele Veränderungen der inneren Struktur der Sonne selbst beobachten. So verändert sich die Sonnenfleckenzahl mit einer Periode von etwa elf Jahren. Protuberanzen – von der Sonne ausgestoßene, aber im solaren Schwere- und Magnetfeld gefangene Plasmawolken – haben Lebensdauern bis zu mehreren 100 Tagen. Untersucht man die Sonnenoberfläche genauer, erkennt man die Granulation, ein Muster heller, polygonaler Flecken, die durch schmale, dunkle Zwischenräume voneinander getrennt sind. Die Granulationszellen tauchen stets neu auf, bleiben für ca. zehn Minuten sieht8
Abbildung 1: Ringe in der Umgebung der Supernova 1987A, im Februar 1994 mit dem HUBBLE-Weltraumteleskop im Licht der Wasserstoff-Linie Hα aufgenommen. Die Supernova befindet sich in der Mitte des hellen mittleren Ringes und ist selbst schon als flächenhaftes Objekt aufgelöst. Die drei Sterne nahe den äußeren Ringen sind nicht räumlich mit diesen assoziiert.
bar und lösen sich dann wieder auf, um neuen Granulen Platz zu machen. Und als letzte der vielen auf der Sonne beobachteten Variationen sei erwähnt, daß der ganze Sonnenkörper beständig in Schwingungen begriffen ist, die sich aus einer Vielzahl von Einzelschwingungen mit unterschiedlichen Schwingungsmustern zusammensetzen. Die Periode der prominentesten Eigenschwingungen beträgt dabei etwa fünf Minuten. Unsere Sonne ist also weit davon entfernt, sich nur auf Zeitskalen von Jahrmilliarden zu verändern. Mit zunehmender Empfindlichkeit und Auflösung der Teleskope und Spektrographen zeigen sich in zunehmender Menge und Vielfalt und häufig unerwartet die Signale stellarer Aktivität, die zunächst oft unverstanden sind und unsere Phantasie herausfordern, aber im nachhinein das Verständnis der Stellarphysik entscheidend vertiefen. Betrachtet man z.B. das vom Weltraumteleskop 9
HUBBLE gewonnene Bild der Umgebung der Supernova 1987A (Abbildung 1), so ist die Konfiguration der sich überlagernden Ringe mit der expandierenden Supernova im Zentrum – ein Bild von anmutiger Schönheit – völlig unerwartet; sie wurde nie vorhergesagt. Bisher gibt es zu ihrem Ursprung nur Spekulationen, aber es ist offensichtlich, daß sie eine Fülle von Informationen über das offenbar keineswegs eintönige Leben eines oder mehrerer Vorläufersterne der Supernova enthält; es gilt, sie lesen zu lernen. Ein weiteres Beispiel für ein bewegtes Sternenleben ist in Abbildung 2 zu sehen (vgl. auch Abbildung 13). Es zeigt die unmittelbare Umgebung des Sterns η Carinae und ist durch ein erdgebundenes Teleskop mit der sogenannten Speckle-Technik aufgenommen worden; sie erlaubt es, die erhebliche, durch die Unruhe der Erdatmosphäre erzeugte Unscharfe aus den Bildern
Abbildung 2: Aufnahme des Sterns ηCarinae und seiner unmittelbaren Umgebung, 1994 mit der Speckle-Technik gewonnen. Das Spektrum der hellen Objekte nahe dem Zentralstern weist diese als Gaswolken aus, es sind also keine Sterne. Der angezeigte Winkel von 0.2 Bogensekunden entspricht einer wahren Ausdehnung von etwa 0,008 Lichtjahren oder dem 500fachen der Entfernung Erde-Sonne (500 A.E.).
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herauszukorrigieren. Aufgrund des so stark gesteigerten Auflösungsvermögens des Teleskops sind sich rasch bewegende, vom Stern angestrahlte Gaswolken zu erkennen, die dieser wahrscheinlich vor kurzem ausgestoßen hat. Auch in diesem Fall, in dem die stellare Aktivität noch zu Lebzeiten des Sterns mitverfolgt werden kann, sind die Ursachen noch nicht verstanden. Ein drittes Beispiel für die Vielfalt an Phänomenen, die Sterne hervorbringen können, ist überwiegend spektroskopisch gewonnenen Informationen zu verdanken. Die mannigfaltigen Variationen im Spektrum des Sterns SS433 im Sternbild Adler lassen darauf schließen, daß er aus zwei sich gegenseitig umkreisenden Komponenten besteht, einem normalen Stern und einer Scheibe um ein unsichtbares, kompaktes Objekt. Damit nicht genug, schießen senkrecht aus der Scheibenmitte nach oben und unten zwei Jets, schnelle Gasströme, die zu allem Überfluß auch noch präzedieren, d. h. ihre Richtung periodisch ändern, was sie zu einer Art kosmischem Rasensprenger macht. Daß SS433 auch noch inmitten eines Supernova-Überrestes steht, ist sicher kein Zufall. Damit ist die Vielfalt stellarer Phänomene noch nicht erschöpft. Ähnlich wie immer größere und bessere Teleskope neue Welten erschlossen haben, führten Himmelsbeobachtungen in Wellenlängenbereichen jenseits des mit dem menschlichen Auge sichtbaren Lichts zu ungeahnten Erkenntnissen. Es wurden völlig neue Klassen von Sternen und stellaren Phänomenen entdeckt, deren Erforschung heute oft noch in den Anfängen steckt. Das zufällige Auffinden der sogenannten Pulsare – ultrakompakter Sterne mit extrem kurzen Rotationsperioden bis hinab zu Millisekunden – mit einem neuartigen Radioteleskop im Jahre 1967 ist sicher der bekannteste Meilenstein der nichtoptischen Stellarphysik. Aber auch die Erforschung des Röntgenhimmels, welche die Überwindung der für Röntgenstrahlen undurchlässigen Erdatmosphäre zunächst mit Raketen und ab 1970 mit Satelliten erforderte, präsentierte viele Überraschungen, so z. B. sehr leuchtkräftige Sterne, die fast all ihre Energie im Röntgenbereich abstrahlen, die man also vom Erdboden aus nicht sehen kann. Bei noch höheren Photonen11
energien, bei den γ-Strahlen, rätselt die gesamte Fachwelt über den Ursprung der kosmischen γ-Strahlen-Bursts, sekundenkurze Blitze im γ-Bereich, die uns aus allen möglichen Richtungen des Weltalls erreichen und von denen wir noch nicht einmal wissen, von wie nah oder fern sie kommen, geschweige denn, wie sie entstehen. Neben der weiteren Erforschung des Sternenhimmels im Hoch- und Niederenergiebereich des elektromagnetischen Spektrums, der eine technische Verfeinerung und instrumenteile Vergrößerung noch bevorsteht – was sicher weitere noch nicht abzusehende Entdeckungen mit sich bringt –, deuten sich schon Beobachtungsmöglichkeiten jenseits des elektromagnetischen Spektrums an, deren Konsequenzen völlig offen sind. So hat der Nachweis der solaren Neutrinoemission mit unterschiedlichen Methoden das Verständnis vom inneren Aufbau der Sonne auf den Prüfstand gestellt, und die Messung von Neutrinos der extragalaktischen Supernova 1987A hat Geheimnisse über den Tod massereicher Sterne verraten. Die Neutrinoastronomie steht erst am Anfang. Gravitationswellen, eine von der allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagte Energieform – nach der zwar schon gesucht, die bisher aber noch nicht direkt beobachtet werden konnte –, beinhalten potentiell wichtige Informationen über die Endstadien der Sternentwicklung – und vielleicht noch über vieles mehr. Die Periodenabnahme des Doppelstern-Pulsars PSR 1913+16 stimmt so gut mit der Vorhersage der Relativitätstheorie zum gravitationswellenbedingten Energieverlust enger Doppelsterne überein, daß diese Beobachtung aus dem Jahre 1978 allgemein als – wenn auch nur indirekter – Beweis für deren Existenz akzeptiert wird. Das Leben und Sterben der Sterne ist also offensichtlich komplex und vielgestaltig und vielfach noch unverstanden, obwohl elementare Prinzipien der Stellarphysik oft schon sehr lange bekannt sind. Dabei sind Sterne von zentraler Bedeutung für die gesamte Astrophysik. Sie sind Hauptbestandteil der Galaxien, entstehen und vergehen in ihnen. Die massereichen Sterne wirbeln mit ihrem enormen Energieinput die interstella12
ren Gasmassen durcheinander, ionisieren und heizen sie und reichern sie mit schweren Elementen an. Die massearmen Sterne stellen die meiste Masse der Galaxien, formieren in ihrer Gesamtheit deren Schwerefeld. Die masseärmsten und dunkelsten Sterne bilden möglicherweise die sogenannte Dunkle Materie, von der man nur weiß, daß es sie gibt, aber nicht, woraus sie besteht, und halten damit vielleicht sogar das Universum als Ganzes zusammen. Es kann viele Gründe dafür geben, sich mit dem Leben der Sterne auseinanderzusetzen. Sei es die einfache Neugier darauf, was sich hinter den anmutig funkelnden Lichtpunkten am Nachthimmel verbirgt, sei es die Frage nach dem Ursprung der Vielzahl chemischer Elemente, die auf der Erde zu finden sind, oder nach dem Schicksal der Milchstraße oder des ganzen Universums. In diesem Buch soll die Vielfalt der stellaren Phänomene im Rahmen eines ordnenden Konzepts dargestellt und ihre Ursachen – soweit sie bekannt sind – erläutert, aber auch auf offene Fragen hingewiesen werden. Damit wird der Stand der Auseinandersetzung der Stellarphysiker mit den Sternen verständlich.
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2. Sternentstehung a) Gravitation kontra Gasdruck Der Prozeß der Sternentstehung ist vielgestaltig und komplex; er wird heute erst ansatzweise verstanden. Sterne entstehen aus dem Gas des interstellaren Mediums, das in der Milchstraßenebene keineswegs gleichmäßig zwischen den Sternen verteilt ist. Vielmehr koexistieren mindestens zwei Gasphasen: zum einen das sogenannte Zwischenwolkenmedium, das mit ca. 8000 K relativ heiß ist, dafür aber geringe Dichten aufweist und einen großen Teil des Volumens der Milchstraße einnimmt; zum anderen die Wasserstoffwolken, die kälter als 100 K (–173° C) sind. Die kalten und dichten Molekülwolken, in denen Wasserstoff in Form von H2-Molekülen vorliegt und deren Temperaturen mit 10 bis 20 K dem absoluten Nullpunkt recht nahe kommen, sind es, die zur Sternbildung fähig sind; denn damit aus einer Gaswolke Sterne entstehen, muß die Gravitationskraft, die die Wolke zu komprimieren versucht, die thermischen Druckkräfte überwiegen. Dies wird um so eher der Fall sein, je größer einerseits die Masse und die Dichte der Wolke sind, weil große Massen die Gravitationsanziehung erhöhen, und je kleiner andererseits ihre Temperatur ist, denn kleine Temperaturen bedeuten geringe Innendrücke. Ist diese Bedingung, das sog. Jeans-Kriterium, erfüllt, beginnt die Wolke aufgrund der von ihrer eigenen Masse erzeugten Gravitationskräfte zu kollabieren. Solange die Wolke noch nicht zu kompakt ist, ist sie durchlässig für Lichtstrahlen oder Photonen. Dies ist wichtig, weil die Wolke im Kollaps aus der Gravitationsenergie Wärme erzeugt und diese – z.B. durch Stoßanregung von Atomen oder direkte Wärmestrahlung von Staubteilchen, die im Wolkengas eingebettet sind – in Licht umwandelt. Strahlung kann anfangs die Wolke leicht verlassen, wodurch verhindert wird, daß sie sich aufheizt. Die Effizienz des Kühlprozesses wird durch die Anwesenheit selbst kleiner Mengen schwerer Elemente um ein Vielfaches gesteigert: Kohlenstoff-, Sauerstoff- oder Eisen14
Abbildung 3: Galaktische Molekülwolke in der Region des Orion-Nebels, welche über viele Größenordnungen hinweg eine klumpige Struktur zeigt, aufgenommen im Licht verschiedener Molekül-Spektrallinien. Links: Gesamtausmaß der Orion-A-Molekülwolke; ihr Durchmesser beträgt etwa 80 Lichtjahre (10 pc = 32,6 Lichtjahre). Mitte: Vergrößerung eines Ausschnitts von ca. zwei Lichtjahren; die vier Stern-Symbole markieren die vier O- und B-Sterne des bekannten Trapez-Systems, die schattierte Region markiert den dazugehörigen Emissionsnebel. Rechts: Ausschnitt von nur 0,2 Lichtjahren Ausmaß.
atome lassen sich durch Atomstöße sehr viel leichter anregen als Wasserstoff- oder Heliumatome. Auch Staub kann sich nur aus schweren Elementen bilden, kann also in den ersten sternbildenden Wolken der Milchstraße nicht vorhanden gewesen sein (s. Kapitel 2c). Ein entscheidender Vorgang beim gravitativen Kollaps einer Gaswolke ist die Fragmentation. Die Wolken sind keine sphärisch symmetrischen Gebilde, sondern asymmetrisch, geklumpt und mit ungeordneten Bewegungen durchsetzt (s. Abbildung 3). Solange die Wolke während ihres Kollaps effektiv kühlt, werden Temperaturen und damit die inneren Druckkräfte kaum anwachsen, wohl aber die Gravitationskräfte. Dies bewirkt, daß innerhalb der Wolke vorhandene Dichteklumpen, welche anfangs zu ausgedehnt waren, um einen eigenständigen Kollaps auszuführen, ihn nun aufgrund ihrer zunehmenden Kompaktheit vollziehen: Die Wolke fragmen15
tiert in mehrere selbständig weiterkollabierende Teile. Auch die Fragmente werden nicht homogen sein, und so können sie im weiteren Verlauf des Kollaps ebenfalls fragmentieren usw. Beobachtungen zeigen, daß der Kollaps von Wolkenfragmenten wesentlich langsamer vor sich geht, als es die beschriebenen Vorstellungen erwarten lassen. Der Grund dafür ist wahrscheinlich das galaktische Magnetfeld, welches in den komprimierten Klumpen verdichtet wird und damit zu deren Stabilisierung beitragen kann. Die Diffusion der überwiegend elektrisch neutralen Gaspartikel über die Magnetfeldlinien hinweg und vorbei an den wenigen elektrisch geladenen Partikeln, die vom Magnetfeld festgehalten werden, hin zum gravitativen Zentrum des Fragments erlaubt schließlich doch dessen Kollaps, nur wesentlich später als im Fall eines verschwindenden Magnetfelds. Der Fragmentationsprozeß geht jedoch nicht unaufhörlich weiter. Aufgrund der stets zunehmenden Dichten der Subfragmente erreichen sie einen Zustand, ab dem die Strahlung sie nicht mehr ungehindert verlassen kann. Nun funktioniert die Kühlung der Fragmente nicht mehr, sie werden heißer, und der Innendruck wird größer. Die Druckkräfte bewirken einen Ausgleich von Dichteunregelmäßigkeiten, und die Fragmente werden mehr und mehr sphärisch. Sie kollabieren zwar – langsamer – weiter, aber ohne zu zerbrechen, und sind auf dem Weg, einen Stern zu bilden. Solche Objekte werden Protosterne genannt b) Sternhaufen und die stellare Massenfunktion Aus dem Bild des fragmentarischen Kollaps, bei dem Gravitations- und Druckkräfte dominieren, ergeben sich wichtige Folgerungen: Temperaturen und Dichten von interstellaren Molekülwolken sind – bei mittleren Werten von 10 K und 10 bis 100 000 Atomen pro Kubikzentimeter – so beschaffen, daß nur sehr massereiche Wolken gravitationsinstabil werden können. Aufgrund der Fragmentation bedeutet dies, daß die meisten 16
Abbildung 4: Sternentstehungsregion im 30 Doradus-Nebel der Großen Magellanschen Wolke mit dem zentralen Sternhaufen R136 (Vergrößerung), aufgenommen mit dem HUBBLE-Weltraumteleskop.
Sterne in mehr oder minder großen Gruppen nahezu gleichzeitig entstehen und dabei sogenannte Sternhaufen oder Assoziationen bilden. So treten z.B. sogenannte T Tauri-Sterne, die noch so jung sind, daß die Kernfusion bei ihnen noch nicht eingesetzt hat (s. Kapitel 3), stets in großen Gruppen auf, die meist auch großen Molekülwolken-Komplexen eng benachbart sind. Der Kollaps von Riesenmolekülwolken, die mehrere Millionen Sonnenmassen umfassen können, führt zur Bildung von sehr großen Sternhaufen. Da die dabei entstehenden massereichen Sterne sehr heiß sind, ionisieren sie einen großen Teil der umliegenden Gasmassen; ihre große Helligkeit wird vielfach von dem Staub reflektiert, der in das Gas eingebettet ist. Solche Gebilde werden als Riesen-HII-Region bezeichnet. Sie be17
stehen aus einem großen zentralen Sternhaufen, in dessen Umgebung die Sternbildung oft noch andauert, aus Ionisationsund Reflexionsnebeln sowie aus nichtleuchtendem Wasserstoffgas in der weiteren Umgebung. Ein imposantes Beispiel ist der 30 Doradus-Komplex in der Zwerggalaxie der Großen Magellanschen Wolke (s. Abbildung 4), die unsere Milchstraße begleitet. Es ist für das Aussehen unserer Milchstraße offensichtlich von entscheidender Bedeutung, welche Verteilung der Sternmassen sich aus dem Sternentstehungsprozeß ergibt. Die entstehenden Sterne haben keineswegs alle die gleiche Masse, sondern es sind Sterne im Bereich von etwa 0,1 bis 100 Sonnenmassen zu beobachten, wobei die Existenz sehr leuchtschwacher Sterne unterhalb von 0,1 Sonnenmassen – sogenannte Braune Zwerge (vgl. Kapitel 5a) – nicht ausgeschlossen werden kann. Das Abzählen von Sternen in den verschiedenen Massenbereichen zeigt, daß es wesentlich mehr massearme als massereiche Sterne gibt. Die stellare Massenverteilung folgt grob dem sogenannten Salpeter-Gesetz, einer Potenzfunktion mit dem Exponenten –2,35; das heißt: Die Anzahl der Sterne, die mit einer bestimmten Masse geboren werden, ist etwa fünfmal größer als die Anzahl der Sterne, die mit der doppelten Masse geboren werden. Es werden also fünfmal mehr Sterne mit einer Sonnenmasse geboren als Sterne mit zwei Sonnenmassen; auf einen 100-Sonnenmassen-Stern kommen bereits 50 000 1-Sonnenmassen-Sterne. Das Salpeter-Gesetz beschreibt quantitativ, was man naiverweise auch qualitativ erwarten würde: Bei der Fragmentation von sternbildenden Molekülwolken entstehen viele kleine und wenig große Fragmente. Sehr massereiche Sterne werden also sehr selten geboren, und da sie zudem eine sehr kurze Lebensdauer besitzen – die Lebensdauer unserer Sonne ist über 1000mal größer als die eines sehr massereichen Sterns (s. Kapitel 4 a) –, ist ihre Zahl in der Milchstraße vergleichsweise klein. Trotzdem dominieren die massereichen Sterne den Energie- und Chemiehaushalt der Milchstraße. 18
c) Sternentstehung früher und heute Die Milchstraße, unsere Heimatgalaxie, entstand als gravitativ gebundene Gaswolke aus einer zufälligen Dichtestörung beim Urknall. Wann und wo aus dieser Gaswolke die ersten Sterne „auskondensiert“ sind und welche Eigenschaften sie besaßen, ist nur ungenau bekannt. Sterne entstehen aus Gas, und das im Urknall erzeugte Gas enthielt nur Wasserstoff- und Heliumatome, im Anzahlverhältnis von etwa 10:1. Die erste Sterngeneration der Milchstraße entstand aus einem reinen Wasserstoff/Helium-Gas – alle schweren Elemente werden ja erst in Sternen erzeugt (vgl. Kapitel 9). Da dieses Gas sehr viel schlechter kühlen konnte als das mit schweren Elementen durchsetzte interstellare Gas in der heutigen Milchstraße, begannen Druckkräfte schon in einem früheren Stadium des Kollaps von Gaswolken zu wirken. Es ist deshalb möglich, daß die Fragmentation auch früher beendet wurde und die resultierenden Fragmente – und damit auch die ersten Sterne – im Durchschnitt massereicher waren als dies heute der Fall ist. Vielleicht gab es im frühen Universum auch noch keine Magnetfelder, welche heute die Sternentstehung erschweren. Die anfängliche Entstehung massereicher Sterne und deren Kurzlebigkeit (vgl. Kapitel 4a) könnten erklären, warum heute so gut wie keine Sterne ohne schwere Elemente beobachtet werden. Da die Milchstraße anfangs nur aus Gas bestand, das Gas heute aber nur noch rund 10% ihrer Gesamtmasse ausmacht, war die Sternentstehungsrate – also die Zahl der pro Zeiteinheit entstehenden Sterne – früher möglicherweise viel größer als heute. Diese Vorstellung beruht allerdings auf der Annahme, daß das gesamte Gas, das der Masse der heutigen Milchstraße entspricht, von Anfang an zur Sternbildung zur Verfügung stand. Sollte sich die Masse der Milchstraße erst nach und nach durch zuströmendes Gas angesammelt haben, kann die Sternentstehung auch mit einer zeitlich konstanten Rate stattgefunden haben. Auf jeden Fall gilt: Auch heute entstehen noch in vielen Teilen der Milchstraße große Mengen an Sternen, besonders effektiv in ihren Spiralarmen. 19
Es ist leicht einzusehen, daß ein zusätzlicher äußerer Druck den gravitativen Kollaps einer Gaswolke erleichtert, ja in vielen’Fällen vielleicht erst ermöglicht. Ein solcher äußerer Druck kann z. B. durch heiße Sterne in unmittelbarer Nähe der Wolke hervorgerufen werden: Sie erhitzen mit ihrer Strahlung das sie umgebende Gas, welches nun zu expandieren versucht und dabei Druck auf das weiter außen liegende Gas ausübt, d. h. auf die zum Kollaps neigende Gas wölke. Heiße Sterne sind fast immer sehr massereich und damit sehr jung (vgl. Kapitel 4a und Tabelle 2); mit anderen Worten: Sie sind selbst gerade erst entstanden. Sternentstehung kann also ein sich selbst fortpflanzender Prozeß sein und gewissermaßen wie eine ansteckende Krankheit wellenartig durch eine Galaxie laufen. d) Vom Protostern zum Stern Protosterne bilden sich aus unregelmäßig geformten, klumpigen Gaswolken, die für ihre eigene Strahlung undurchlässig wurden, so daß Druckkräfte der Gravitation entgegenwirken konnten. Wenn dies auch die weitere Fragmentation eines Protosterns verhindert, so überwiegt doch zunächst noch die Schwerkraft, und das Gas der protostellaren Wolke fällt noch immer mit großer Geschwindigkeit nach innen. Bald aber wird – zunächst im Zentrum des Protosterns – die Temperatur und damit der Druck so groß, daß er der Schwerkraft die Waage halten kann: Der dynamische Kollaps wird gestoppt, und der Protostern bekommt einen hydrostatischen Kern. Ab dem Zeitpunkt, zu dem das gesamte Objekt zur Ruhe gekommen ist, wird es als Stern bezeichnet. Diese Vorstellung ist natürlich stark idealisiert, in der Realität stellt sich der Übergang vom Protostern zum Stern fließend dar. Das Anwachsen des hydrostatischen Kerns im Protostern ist ein überaus komplizierter Prozeß: Material fällt mit großer Geschwindigkeit auf seine Oberfläche und wird dort plötzlich abgebremst, so daß sehr viel Energie freigesetzt wird. Die dadurch entstehende Strahlung drückt gegen die nachströmenden Gasmassen. Der Strahlungsdruck kann so stark werden, daß er 20
den Rest der protostellaren Wolke einfach wegbläst und damit den Prozeß der Massenkonzentration beendet. Im allgemeinen wird ein protostellares Objekt rotieren, zunächst noch langsam, aber durch die zunehmende Komprimierung immer rascher. Zentrifugalkräfte beginnen zu wirken, und das Objekt wird mehr und mehr abgeplattet. Nachströmendes Material sammelt sich in einer rasch um den Protostern rotierenden Scheibe, in der das durch Reibungskräfte abgebremste Gas langsam nach innen spiralt. In dieser Situation kann der Strahlungsdruck Material viel leichter über die Pole – also entlang der Rotationsachse des
Abbildung 5: Ein sogenanntes Herbig-Haro-Objekt, HH34 (helles Objekt am unteren Bildrand), und dazugehöriges Jet-System. Die Quelle des Jets, ein von einer Scheibe umgebener Vor-Hauptreihenstern, ist als helle Punktquelle in der Bildmitte auszumachen. Von dieser ausgehend sind Fragmente eines knotigen Jets zu sehen, d.h. eines etwa 300 km/s schnellen Materiestrahls in Richtung des Herbig-Haro-Objekts HH34, welches als Kopfwelle des Jets gedeutet wird. Das ganze System hat eine Ausdehnung von ca. zwei Lichtjahren.
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Protosterns und senkrecht zur Scheibenebene – hinausschleudern, was zu teilweise spektakulären, durch die Scheibe fokussierten, jetartigen Ausströmungen führen kann (Abbildung 5). Aus den nicht fortgeblasenen Resten der Scheibe hingegen kann sich möglicherweise ein Planetensystem bilden.
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3. Sterne im Gleichgewicht a) Was ist ein Stern? Was ist eigentlich ein Stern? Wodurch unterscheiden sich Sterne von den Gaswolken, aus denen sie entstehen? Befindet sich doch auch die Materie der allermeisten Sterne im gasförmigen Zustand. Entscheidend für die Abgrenzung ist die Rolle der Druckkräfte oder, genauer, die Rolle der durch Druckgefälle hervorgerufenen Kräfte; Kräfte entstehen nur durch Druckunterschiede. Damit in einer Gas wölke überhaupt Druckdifferenzen auftreten können, müssen lokale Temperaturunterschiede vorliegen – heißes Gas hat einen höheren Druck als kaltes. Dazu muß die Wolke für Strahlung undurchlässig, also undurchsichtig sein, denn sonst würden Strahlungsprozesse die Temperaturdifferenzen schnell ausgleichen. Bei einem Protostern (vgl. Kapitel 2) müssen die Druckkräfte schon so groß sein, daß sie die Fragmentation verhindern können; dadurch unterscheidet sich der Protostern von den Teilen der Wolke, die noch weiter fragmentieren können. Von einem Stern reden Astrophysiker erst dann, wenn die Druckkräfte der Gravitation die Waage halten. Wenn das der Fall ist, wirkt keine globale, beschleunigende Kraft mehr auf die Gasmassen des Sterns ein; Schwerkraft und Druckgradientenkraft addieren sich zu Null, und damit verebben alle raschen großräumigen Bewegungen – mit Ausnahme der in der Regel noch vorhandenen Rotation. Der Stern befindet sich nun im sogenannten hydrostatischen Gleichgewicht, und dies macht ihn kugelrund, wenn man von eventuell vorhandenen Zentrifugalkräften aufgrund rascher Rotation absieht. Wie aber sieht ein Protostern aus, der gerade sein hydrostatisches Gleichgewicht erreicht hat und somit zum Stern geworden ist? Er ist möglicherweise noch von Überresten seiner protostellaren Wolke umgeben, hat jedoch bereits eine recht scharf definierte Oberfläche. Im Vergleich zu älteren Sternen ist er noch sehr ausgedehnt und kühl. Von seiner Oberfläche nach innen gehend, muß der Druck stetig zunehmen, damit die 23
Druckgradientenkraft an jedem Ort der dort wirkenden Schwerkraft die Waage halten kann. Darum muß auch die Temperatur nach innen stetig zunehmen, und sie erreicht im Zentrum ein Maximum. Zu den frisch geborenen Sternen zählen die sogenannten T Tauri-Sterne, benannt nach dem Prototyp T im Sternbild Stier (Taurus). Sie zeigen oft noch Emissionslinien in ihrem Spektrum: Anzeichen zirkumstellaren Materials sowie blauverschobene Absorptionslinien: eindeutige Kennzeichen von Ausströmungen. Auch teilweise unregelmäßige Lichtwechsel zeugen davon, daß diese Sterne ihr Gleichgewicht noch nicht vollständig erreicht haben. T Tauri-Sterne treten stets in größeren Gruppen auf – sogenannte T Tauri-Assoziationen –, welche Gas- und Staubnebeln oft dicht benachbart oder diesen sogar eingebettet sind. Viele dieser Objekte finden sich etwa im Orion-Nebel. T TauriSterne haben eine Masse von etwa 1 Sonnenmasse oder weniger; bei massereicheren Sternen verläuft die entsprechende Entwicklungsphase so schnell, daß sie nur sehr selten beobachtet werden kann. Im Extremfall von Sternen mit mehr als etwa 10 Sonnenmassen sind diese Sterne schon deutlich gealtert, wenn sie aus der Wolke hervortreten, die sie geboren hat. b) Der stellare Energiehaushalt Die extreme Kontraktion, die mit der Entstehung der Sterne verbunden ist, bewirkt, daß sie sich stark aufheizen. Selbst die Oberflächen der Sterne – die deutlich kälter sind als deren Zentren – sind immer noch verhältnismäßig heiß: Es gibt keinen Stern, dessen Oberfläche kälter als 2000–3000 K ist (vgl. Kapitel 4b); die heißesten Sterne weisen mehr als 100 000 K auf. Es ist eines der Grundgesetze der Physik, daß die Oberfläche jedes Körpers Strahlung entsprechend ihrer Temperatur aussendet, die Wärmestrahlung. Wenn z.B. ein Stück Eisen stark erhitzt wird, fängt es zunächst bei ca. 1000 K an, dunkelrot zu glühen. Wird die Temperatur weiter erhöht, glüht das Eisen gelb, bei noch höheren Temperaturen kommt es zur Weißglut. 24
Ebenso strahlen die Sterne. Unsere Sonne, außen ca. 5800 K heiß, leuchtet gelb, die kühleren T Tauri-Sterne strahlen rot, die heißesten Sterne leuchten weiß bis blau-weiß. Strahlung ist eine Energieform. Wenn Sterne leuchten, heißt das, daß sie ständig Energie verlieren. Es war bis in das 20. Jahrhundert hinein ein Rätsel, woher die Sterne ihre Energie beziehen, die sie über die Äonen leuchten läßt. Zunächst seien die T Tauri-Sterne betrachtet. Manche sind bis zu 100mal größer als die Sonne – sie besitzen eine riesige Oberfläche. Entsprechend groß ist die von ihnen pro Zeiteinheit abgestrahlte Energie: ihre Leuchtkraft. Das Temperaturgefälle im Sterninneren läßt stets Wärmeenergie vom Inneren des Sterns nach außen fließen. Dadurch wird dem Zentrum des Sterns Energie entzogen. Würde dort keine Energie nachgeliefert, müßte es abkühlen. Der Druck würde absinken, die Gravitation die Überhand gewinnen und das Sternzentrum weiter zusammendrücken. Genau das geschieht: Der Stern kontrahiert und komprimiert sein eigenes Gas. Die so erzeugte Wärme ersetzt die abgeflossene Energie und verhindert eine Abkühlung. Die Gravitationskräfte werden mit zunehmender Kompaktheit größer und erzeugen einen immer höheren Druck im Stern, das heißt: höhere Temperaturen. Der Stern kann dabei nur einen Teil, meist die Hälfte, der durch Kontraktion entstehenden Energie dazu benutzen, die Energieverluste auszugleichen, die für ihn mit der Abstrahlung verbunden sind. Den Rest verwendet der Stern dazu, seine Temperatur zu steigern. Die Geschwindigkeit, mit der dies geschieht, wird durch die Rate der Energieabstrahlung an der Sternoberfläche bestimmt. Wäre es möglich, den Stern mit einer wärmeisolierenden Schicht zu umgeben, die jegliche Abstrahlung verhindert, würde er seine Kontraktion für immer beenden – er wäre dann allerdings auch nicht zu sehen. Die Zeitskala, mit der Änderungen in einem kontrahierenden Stern ablaufen, ist der Quotient aus der vorhandenen Energiemenge – also die Energie des Sterns in seinem eigenen Schwerefeld, d.h. seine potentielle Energie – und der Energieverlustrate, das ist seine Leuchtkraft; 25
sie wird Kelvin-Helmholtz- oder thermische Zeitskala genannt. Die Kontraktionsgeschwindigkeiten sind trotz der teilweise sehr großen Leuchtkräfte äußerst klein, weil die Energievorräte riesig sind. Die in einem T Tauri-Stern vorhandene Wärmeenergie reicht aus, ihn etwa eine Million Jahre mit der gleichen Leuchtkraft strahlen zu lassen. Im Gegensatz zum protostellaren Kollaps handelt es sich hier um eine gemächliche Kontraktion, bei der es Millionen Jahre und mehr dauern kann, bis der Stern merklich kleiner geworden ist. c) Kernfusion als Energiequelle Ein kontrahierender Stern wird – langsam, aber stetig – immer heißer. Wie weit kann das gehen? Bei einer Temperatur von ca. 10 Millionen K tritt eine Reaktion ein, die den Kontraktionsprozeß zwar nicht endgültig aufhält, aber doch für fast unermeßlich lange Zeiten unterbricht: Der Stern erhält Zugang zu seiner ergiebigsten Energiequelle, der Kernfusion. Protonen, die Kerne der ionisierten Wasserstoffatome, prallen mit solcher Wucht aufeinander, daß sie die elektrische Abstoßung überwinden können, die mit ihrer positiven Ladung verbunden ist; sie bleiben aneinander haften und bilden schwerere Atomkerne. Jeweils eine Reihe nacheinander ablaufender Kernfusionsprozesse bildet schließlich aus vier Protonen einen Heliumatomkern. Dieser Prozeß, der Wasserstoffbrennen genannt wird – obwohl er nichts mit einem chemischen Verbrennungsvorgang zu tun hat –, produziert enorme Mengen an Energie. Die hohe Energieausbeute beim Wasserstoffbrennen wird durch die Stärke der Kernkraft erzielt. Sie bindet die vier Teilchen eines Heliumkerns, zwei Protonen und zwei Neutronen, so stark aneinander, daß ein Heliumkern merklich leichter ist als zwei einzelne Protonen- und Neutronenpaare zusammen: Er wiegt nur etwa 99 %. Bei der Fusion zu einem Heliumkern wird also etwa 1 % der Masse von zwei Protonen und zwei Neutronen gemäß Einsteins berühmter Gleichung E = mc2 in Energie umgewandelt. 1 % scheint auf den ersten Blick wenig und ist doch so viel, daß unsere Sonne damit mehr als 10 Mil26
liarden Jahre so verschwenderisch leuchten kann, wie sie es momentan tut. Das ist immerhin fast so lange, wie das Universum alt ist. Die Fusion von nur einem Gramm Wasserstoff zu Helium liefert 200 000 Kilowattstunden Energie und ist damit millionenfach effektiver als die Verbrennung von Kohle. Die Sonne verwandelt pro Sekunde etwa 500 Millionen Tonnen Wasserstoff in Helium. Sie wird dadurch pro Sekunde um 5 Millionen Tonnen leichter, was allerdings bei der riesigen Gesamtmasse der Sonne buchstäblich nicht ins Gewicht fällt. Die Kernfusionsprozesse im tiefen Sterninneren decken bei den meisten Sternen den Energieverlust, den sie durch Abstrahlung an ihrer Oberfläche erleiden. Dabei bestimmt der Energieverlust die Energieerzeugungsrate im Inneren, nicht umgekehrt. Könnte man die Sonne mit einer isolierenden Schicht umgeben, so daß sie keine Strahlungsverluste mehr erleiden würde, würde das Wasserstoffbrennen erlöschen. Um die Struktur von Sternen zu verstehen, die ihre Energie aus Kernfusionsprozessen beziehen, ist es wichtig zu wissen, daß die Kernreaktions- und damit die Energieerzeugungsraten von der Temperatur des Sterngases abhängen, in dem die Fusionsprozesse ablaufen. Diese Temperaturabhängigkeit ist in der Regel um so stärker, je größer die Kernladungszahlen der an den Reaktionen beteiligten Atomkerne sind. So ist die Energieerzeugungsrate der sogenannten Proton-Proton- oder kurz pp-Kette, mit der Sterne mit Massen unterhalb von etwa 1,5 Sonnenmassen ihr Wasserstoffbrennen betreiben, „nur“ mit der 6ten Potenz von der Temperatur abhängig. Alle anderen Kernprozesse, welche Sterne zur Energieerzeugung heranziehen, haben Temperaturabhängigkeiten mit Potenzen zwischen 15 und 40 (Tabelle 1), so der CNO-Zyklus, mit dem massereichere Sterne ihr Wasserstoffbrennen vollziehen (vgl. Kapitel 9b), sowie die späteren Brennphasen des Helium- und Kohlenstoffbrennens (s. Kapitel 7b und Tabelle 4). Die extrem starke Temperaturabhängigkeit der nuklearen Energieerzeugungsraten bewirkt, daß Sterne während einer Brennphase ihre Zentraltemperatur und damit ihre gesamte 27
Struktur kaum verändern. Selbst wenn sich die Lichtdurchlässigkeit ihrer äußeren Schichten so verändern würde, daß sich ihre Leuchtkraft verdoppelte, müßte z. B. die Sonne ihre Zentraltemperatur nur um 10 % erhöhen, damit sie im Inneren auch doppelt soviel Energie erzeugt. Ein massereicher Stern, der mit dem CNO-Zyklus Wasserstoff zu Helium fusioniert, würde mit einer Temperaturerhöhung von nur 5 % auskommen. Tatsächlich kann man jeder Kernbrennphase eine bestimmte Brenntemperatur zuschreiben, unabhängig vom gerade betrachteten stellaren Massenbereich (s. Tabelle 1). Kernprozeß
Z
n
Δ ε (T+5%)
T / 106K
pp-Kette CNO-Zyklus He-Brennen C-Brennen spätere Brennphasen
1+1 1+7 2+2+2 6+6 ≥8
6 15 30 27 30–40
35% 210% 430% 370% 550%
10 30 200 600 ≥1000
Tabelle 1: Temperaturabhängigkeit der in Sternen ablaufenden energieliefernden Kernfusionsprozesse der verschiedenen Brennphasen. Spalte 2 gibt die Ladungszahlen Z der maßgeblich beteiligten Atomkerne an. n in Spalte 3 ist der Exponent der Temperaturabhängigkeit der Energieerzeugungsrate e bei Kernprozessen, gemäß der Form e ~ V. Spalte 4 zeigt die einer 5%igen Temperaturerhöhung entsprechende Erhöhung der Energieerzeugungsrate. Die letzte Spalte gibt die Temperatur an, bei der die jeweiligen Brennprozesse aufgrund der starken Temperaturabhängigkeit der Energieerzeugungsrate fast einheitlich in allen Sternen, die nur genügend heiß werden können, ablaufen (vgl. auch Tabelle 4).
Mit der Wasserstoffusion hat sich ein Stern eine Energiequelle erschlossen, die ihm das Erzeugen von Energie erlaubt, ohne seine Struktur zu ändern. Seine Zentraltemperatur bleibt während des gesamten Wasserstoffbrennens nahezu konstant, damit bleiben es auch seine Größe und Helligkeit. Dieser Zustand eines Sterns wird als thermisches Gleichgewicht bezeichnet: Der Stern kontrahiert weder, noch expandiert er; die gesamte Energie, die er abstrahlt, wird ihm durch Kernfusion nachgeliefert. 28
Sterne im thermischen Gleichgewicht sind also auch im hydrostatischen Gleichgewicht – das Umgekehrte gilt nicht immer, wie am Beispiel der T Tauri-Sterne zu sehen war. Das thermische Gleichgewicht ist das umfassendste Gleichgewicht, das ein Stern je erreichen kann. d) Energietransport im Sterninneren Man könnte geneigt sein zu schließen, daß Sterne im thermischen Gleichgewicht recht langweilige Objekte sein müssen, da sie sich über Äonen nicht verändern. Daß dies nicht so ist – unsere Sonne ist das beste Beispiel dafür –, liegt vor allem an einem Problem, mit dem alle Sterne kämpfen: Wie bekommen sie die Energie aus ihrem tiefen Inneren an die Oberfläche? Sterne geben, indem sie leuchten, Energie über ihre Oberfläche an den Weltraum ab. Erzeugt wird die Energie im tiefen Inneren; bei kontrahierenden Sternen im gesamten Sternkörper, bei wasserstoffbrennenden Sternen nur ganz nahe am Zentrum, denn nur dort sind die Temperaturen genügend groß, um die Kernfusion zu ermöglichen. Die Energie muß demnach aus dem Sterninneren nach außen transportiert werden. Der Energietransport-Mechanismus, der uns am geläufigsten ist, ist die Wärmeleitung. Wird ein Ende eines Metallstabes erhitzt, wird auch das andere Ende bald wärmer. Durch Stöße zwischen den Metallatomen wird die Energie durch den Stab geleitet. Dieser Prozeß findet zwar auch in den Sternen statt, er ist aber einem anderen Mechanismus weit unterlegen: dem Energietransport durch Strahlung. Photonen, die Lichtquanten, bewegen sich naturgemäß mit Lichtgeschwindigkeit, d.h. viel schneller als atomare Teilchen. Aber auch die Photonen müssen sich mühsam von innen nach außen kämpfen; Sterne sind undurchsichtig. Der Weg der Photonen ist verwinkelt und langwierig: Könnte ein Photon vom Zentrum der Sonne aus mit Lichtgeschwindigkeit direkt zur Oberfläche fliegen, würde es nur 2 Sekunden brauchen; in Wahrheit braucht es mehr als 100 000 Jahre, und es wird dabei nahezu unendlich oft gestreut und abgelenkt. Es wird daher auch von Strahlungsdiffusion gesprochen. 29
In fast allen Sternen gibt es Gebiete, die für Photonen fast völlig undurchlässig sind, z. B. Bereiche mit Temperaturen zwischen 5000 und 15 000 K, in denen Wasserstoff vom rekombinierten in den ionisierten Zustand übergehen. Hier springt ein anderer Energietransportmechanismus ein: die Konvektion. Alle kühlen Sterne haben konvektive Hüllen, in denen Materieströmungen mit teilweise großen Geschwindigkeiten auftreten. Konvektion entsteht auch durch die extreme Temperatursensitivität der nuklearen Energieerzeugungsraten (vgl. Kapitel 3c), welche in fast allen Sternen dazu führt, daß der Strahlungstransport schlicht überfordert wird. In Sternen, deren Innendruck von der Temperatur abhängt, muß ein Temperaturgefälle vorliegen – im Zentrum sind sie am heißesten, außen am kühlsten. Deshalb ist das Volumen, in dem Kernprozesse ablaufen können, meist nur sehr klein im Verhältnis zum Sternvolumen, und zwar um so kleiner, je größer der Exponent n der Temperaturabhängigkeit der Kernprozesse ist (vgl. Tabelle 1). So beträgt der Radius der zentralen Kugel eines wasserstoffbrennenden 5-Sonnenmassen-Sterns, innerhalb derer sich fast die gesamte nukleare Energieerzeugung vollzieht, nur 5 % des Sternradius. Das ist deshalb bedeutsam, weil durch die Oberfläche dieser gedachten zentralen Kugel pro Zeiteinheit genausoviel Energie fließen muß wie durch die Sternoberfläche, nur daß letztere 400mal größer ist. Da sich der durch Strahlungsdiffusion hervorgerufene Energiestrom proportional zum vorliegenden Temperaturgefälle verhält, dieses aber durch das hydrostatische Gleichgewicht vorgegeben ist, kann der konzentrierte zentrale Energiefluß nicht allein durch Strahlungstransport bewältigt werden; auch hier muß es zur Konvektion kommen. Darum haben alle wasserstoffbrennenden Sterne mit mehr als 1,5 Sonnenmassen, welche den CNO-Zyklus verwenden, sowie alle Sterne im Zustand des Heliumbrennens oder in späteren Brennphasen konvektive Zentralbereiche. Nur wasserstoffbrennende massearme Sterne, welche die nur relativ schwach von der Temperatur abhängige pp-Kette zur Energieerzeugung verwenden, können Konvektion im Sternzentrum vermeiden. 30
Was ist Konvektion? Konvektion nennt man thermisch induzierte Strömungen, die sich im Stern ganz analog den Verhältnissen in der Erdatmosphäre an einem heißen Sommertag ausbilden. Die durch die Sonneneinstrahlung aufgeheizte Erdoberfläche erwärmt darüberliegende Luftpakete, die sich ausdehnen, leichter werden und in der Atmosphäre aufsteigen. Bei genügend hoher Luftfeuchtigkeit zeigen sich diese Aufströmungen als Quellwolken. Die aufsteigenden Luftpakete nehmen ihre Wärmeenergie mit nach oben, die kühlere Luft ist schwerer, sinkt ab und füllt die Lücken. In Sternen geschieht Gleiches. Es entstehen auf- und absteigende Gasströmungen, heißes Gas steigt auf, kühleres sinkt ab. Die Energie wird mit der Materie mitgetragen. Wenn sich die Temperatur zwischen auf- und absteigenden Gasströmen nicht durch Strahlung rasch wieder ausgleichen kann, ist Konvektion eine sehr effektive Methode, Energie zu transportieren. Konvektion sorgt selbst bei Sternen im thermischen Gleichgewicht für dynamische Bewegungsabläufe. Unsere Sonne z. B.
Abbildung 6: Die solare Granulation, erzeugt durch oberflächennahe Konvektionsströmungen. Die typische Größe der Granulen beträgt etwa 1000 km, ihre Lebensdauer etwa 10 Minuten.
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besitzt eine äußere Konvektionszone, die bis zu ihrer Oberfläche reicht und die deshalb direkt zu sehen ist. Die aufsteigenden Gasblasen zeigen sich auf der Sonne als sogenannte Granulen, helle polygonale Flecken mit nur wenigen Minuten Lebensdauer, die durch dünne, dunklere Streifen voneinander getrennt sind; in diesen Streifen sinkt das abgekühlte Gas wieder nach unten (vgl. Abbildung 6). Konvektion bewirkt noch mehr. Die Gasströmungen sind in vielen Gebieten ionisiert, und ionisierte Strömungen erzeugen Magnetfelder. So steht die Konvektion in starkem Verdacht, zusammen mit der Rotationsbewegung der Sonne um sich selbst für den elfjährigen Sonnenfleckenzyklus verantwortlich zu sein, die periodische Veränderung der Zahl und Lage der magnetischen Sonnenflecken auf ihrer Oberfläche. Die Gasbewegungen und Magnetfeldschwankungen auf der Sonne können so heftig sein, daß es zu regelrechten Eruptionen, sog. Protuberanzen, kommt, bei denen oft große Gasmengen in den Weltraum hinausgeschleudert werden (vgl. Die Sonne von Wolfgang Mattig). Aufgrund der Rotation der Sterne kann es zu weiteren teils kleinskalig-turbulenten, teils großräumig-laminaren Gasströmungen im Sterninneren kommen. Denn Sterne sind keine starren Körper, sondern sie können in verschiedenen Tiefen durchaus unterschiedliche Rotationsperioden aufweisen. Wenn schnellere unter langsamen Schichten hinweggleiten, können Scherkräfte zu Verwirbelungen führen. Diese können bei einigen Sternen, wie auch die Konvektion, durch Kernfusion entstandene chemische Elemente vom Sterninneren an deren Oberfläche transportieren.
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4. Stellare Leuchtkräfte und Lebensdauern a) Die Hauptreihe Unsere Sonne ist ca. 4,6 Milliarden Jahre alt, und seit sie ihre Protostern- und T Tauri-Phase hinter sich hat, hat sich ihre globale Größe kaum verändert. Kaum heißt aber: ein bißchen eben doch. Sie hat in ihrem Zentralbereich bereits etwa die Hälfte des anfangs vorhandenen Wasserstoffs zu Helium fusioniert. Die Konzentration des Wasserstoffs – des Brennstoffs also – ist dadurch reduziert, durch mehr Helium gleichsam verdünnt. Um trotzdem noch die gleiche Menge an Energie pro Zeiteinheit zu erzeugen, mußte die Sonne ihre Zentraltemperatur geringfügig steigern, von etwa 13,4 Millionen K nach Erreichen des thermischen Gleichgewichts auf 15,6 Millionen K heute. Daß sich die Energieerzeugung im Zentrum der Sonne durch diesen Temperaturanstieg nicht um einen Faktor 2,5 gesteigert hat, wie es aus der Temperaturabhängigkeit der ppKette nach Tabelle 1 folgen würde, liegt eben an der Verringerung der Wasserstoffkonzentration. Die Sonnenoberfläche hat sich im gleichen Zeitraum von 5600 auf 5770 K erhitzt, und die Leuchtkraft der Sonne ist um etwa 30 % gestiegen. Trotzdem sind diese Änderungen minimal, verglichen mit der in der Milchstraße vorkommenden Sternenvielfalt – es gibt Sterne, die 1000mal größer oder kleiner sind als unsere Sonne, oder solche, die millionenmal heller oder schwächer strahlen. Dies erklärt die Entdeckung der beiden Astronomen Enjar Hertzsprung und Henry Norris Russell zu Anfang des 20. Jahrhunderts: Sie trugen in ein Diagramm, dessen eine Achse die Sternfarbe – ein Maß für die Oberflächentemperatur (vgl. Kapitel 3b) – und dessen andere die Sternleuchtkraft mißt, all die Sterne ein, deren Entfernung bekannt war; denn nur von diesen lassen sich die wahren Leuchtkräfte bestimmen. Sie fanden, daß sich etwa 90 % aller Sterne zu einer einzigen Linie in diesem Diagramm anordneten, der sogenannten Hauptreihe. Damals war das eine Überraschung, die so schnell nicht erklärt werden konnte: Es war noch unbekannt, woher 33
Abbildung 7: Hertzsprung-Russell-Diagramm der sonnennahen Sterne. Der Spektraltyp ist als Maß für die von links nach rechts abnehmende stellare Oberflächentemperatur gegen die absolute visuelle Sternhelligkeit aufgetragen (s. Text). 90% aller Sterne ordnen sich auf der sog. Hauptreihe an. Auch die Sonne liegt mit einem Spektraltyp von G2 und Mv= 4 m. 77 auf der Hauptreihe.
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die Sterne ihre Energie beziehen. In Abbildung 7 ist das sogenannte Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD) für alle Sterne dargestellt, die näher als ca. 32 Lichtjahre stehen. Dabei ist anstelle der stellaren Oberflächentemperatur auf der X-Achse der Spektraltyp der Sterne aufgetragen. Der Spektraltyp, den man Sternen entsprechend dem Auftreten und den Stärken verschiedener Absorptionslinien in deren Spektrum zuordnet, ist direkt mit der stellaren Oberflächentemperatur verknüpft. In Richtung abnehmender Oberflächentemperatur ist die Anordnung der Spektraltypen O, B, A, F, G, K und M, wobei jeder Typ nochmals in Unterklassen von 0 bis 9 eingeteilt ist. Unsere 5770 K heiße Sonne ist z.B. ein G2-Stern. Eine grobe Zuordnung von Spektraltyp und Sterntemperatur ist aus Tabelle 2 ersichtlich (für Einzelheiten der Spektralklassifikation vgl. z.B. Meyers Handbuch über das Weltall). Für die Sternhelligkeit ist in Abbildung 7 die absolute Helligkeit in Größenklassen angegeben. Die Größenklassenskala ist logarithmisch, eine Differenz von fünf Größenklassen entspricht einem Unterschied von einem Faktor 100 in der Leuchtkraft, eine Größenklasse etwa dem Faktor 2,5. Wichtig ist zu beachten, daß die Sternhelligkeit mit abnehmender Größenklasse zunimmt. Die absolute Helligkeit ist jene, mit der ein Stern aus einer Entfernung von 32,6 Lichtjahren leuchten würde; sie ist ein Maß für die intrinsische Sternhelligkeit. Allerdings strahlen alle Sterne nur einen gewissen Anteil ihrer Strahlung im visuellen Spektralbereich aus, bei für das menschliche Auge sichtbaren Wellenlängen (s. Tabelle 2); nur dieser Anteil ist in der sogenannten visuellen Helligkeit berücksichtigt. Da man annehmen kann, daß, zumindest oberhalb einer Grenzhelligkeit von etwa Mv = 15 m. 0 (zur Definition der Sternhelligkeiten s. Glossar), alle Sterne im Umkreis von 32 Lichtjahren in Abbildung 7 erfaßt sind und die dargestellten Sterne keinem Auswahlprozeß unterliegen, ist die Punktdichte an einem Ort in diesem Diagramm mit dem relativen Anteil der Lebenszeit verknüpft, den die Sterne an diesem Ort verbracht haben. Sterne verbringen demnach etwa 90 % ihres Lebens auf 35
der Hauptreihe. Es liegt daher nahe, die Hauptreihensterne mit den Sternen zu identifizieren, die sich in der langlebigsten Sternentwicklungsphase, dem zentralen Wasserstoffbrennen, befinden. Diese Hypothese wurde in der Mitte dieses Jahrhunderts anhand von Sternmodellen bestätigt. Der stellare Parameter, der entlang der Hauptreihe variiert, ist die Sternmasse. Massereichere Sterne unterliegen einer größeren Gravitationsanziehung im Inneren als massearme Sterne. Darum könnte man zunächst vermuten, daß sie dies durch einen größeren Innendruck kompensieren müssen. Dies ist aber nur in abgeschwächter Form richtig: Wegen der Temperaturabhängigkeit der Energieerzeugung im Wasserstoffbrennen muß die Zentraltemperatur aller Hauptreihensterne sehr ähnlich sein (s. Tabelle 2). Die Oberflächentemperatur massereicher Sterne aber nimmt aufgrund der stärkeren Gravitationsanziehung deutlich zu. Die damit verbundene enorme Steigerung der ausgesandten Wärmestrahlung pro Zeit (vgl. Kapitel 4b) bewirkt, daß massereichere Hauptreihensterne viel leuchtkräftiger sind als massearme. So ist ein 3-SonnenmassenHauptreihenstern schon 100mal leuchtkräftiger als die Sonne, ein 10-Sonnenmassen-Stern 5000mal und ein 100-Sonnenmassen-Stern einmillionenmal.
M MSonne
Spektraltyp
Teff K
Tc 106 K
L LSonne
fv
τH 106 Jahre
0,8 1 3 10 30 100
K3 G7 B8 B1 O6 O3
4 800 5 600 12 000 24 000 40 000 52 000
12 13 24 32 38 44
0,2 0,7 100 5000 100 000 1 000 000
63% 82% 48% 8,3% 2,7% 1,3%
25 000 11 000 440 27 5 3
Tabelle 2: Charakteristische Größen junger Hauptreihensterne verschiedener Masse M. Spektraltyp, Oberflächentemperatur Teff, Zentraltemperatur Tc in Millionen K, Leuchtkraft L in Sonnenleuchtkräften, Anteil des im visuellen Bereich abgestrahlten Lichts fv in Prozent und Dauer des Wasserstoffbrennens τH in Millionen Jahren. Die Gesamtlebensdauer der Sterne ist nur um ca. 10% größer als ihre Wasserstoff-Brenndauer.
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Abbildung 8: Hertzsprung-Russell-Diagramm der hellen Sterne; vgl. auch Abbildung 7.
Diese Steilheit der Masse-Leuchtkraft-Beziehung von Hauptreihensternen hat eine weitreichende Bedeutung. Der Brennstoffvorrat, über den ein Stern am Anfang seiner Entwicklung verfügt, ist proportional zu seiner Masse. Seine Leuchtkraft, also die Rate, mit der der Brennstoff verbraucht wird, wächst aber sehr steil mit der Sternmasse an. Das heißt: Massereichere Sterne verbrauchen ihren Wasserstoff viel schneller als massearme, sie leben viel kürzer. So lebt die Sonne 30mal länger als ein 3-Sonnenmassen-Stern, 500mal länger als ein 10-SonnenmassenStern und 10 000mal so lange wie ein 100-Sonnenmassen-Stern. Diese einfache Abschätzung stimmt erstaunlich gut mit den Ergebnissen moderner Sternentwicklungsrechnungen überein. 37
b) Rote Riesen und Weiße Zwerge Wird ein Hertzsprung-Russell-Diagramm aller Sterne am Himmel erstellt, die eine bestimmte scheinbare Helligkeit überschreiten, so ergibt sich ein deutlich anderes Bild als im Fall der sonnennahen Sterne (Abbildung 8). In das Diagramm wird nicht die scheinbare, sondern die absolute, die um die Entfernung korrigierte Helligkeit eingetragen. In diesem Diagramm stammen die intrinsisch hellen Sterne aus einem größeren Raumvolumen als die leuchtschwachen Sterne und sind daher in der Abbildung häufiger vertreten, als es ihrer Raumdichte in der Milchstraße im Vergleich zu den leuchtschwächeren Sternen entspricht. Abbildung 8 zeigt neben der Hauptreihe ein weiteres, auffällig bevölkertes Gebiet rechts oberhalb der Hauptreihe, das sehr hellen Sternen mit kühlen Oberflächentemperaturen entspricht. Man kann Aufschluß über die Dimensionen der Sterne in diesem Gebiet erhalten, wenn man das aus thermodynamischen Prinzipien folgende Stefan-Boltzmann-Gesetz benutzt. Es besagt, daß jeder Quadratzentimeter der Oberfläche eines Sterns Wärmestrahlung entsprechend seiner Oberflächentemperatur aussendet, und dies, wie jeder andere Körper auch, mit einer Strahlungsleistung, die proportional zur vierten Potenz der Temperatur ist. Dies bedeutet, daß ein 3000 K heißer Stern eine 16fach geringere Leuchtkraft besitzt als ein gleichgroßer Stern mit 6000 K Oberflächentemperatur. Da die pro Zeit abgestrahlte Energie aber andererseits proportional zur Sternoberfläche ist, also quadratisch vom Sternradius abhängt, ist ein 3000 K heißer Stern genau dann gleich leuchtkräftig wie ein 6000 K heißer Stern, wenn er einen viermal größeren Radius oder eine 16mal größere Oberfläche hat. Die Sterne rechts oben im HRD, die trotz geringer Oberflächentemperatur enorm leuchtstark sind, müssen sehr große Durchmesser haben – die Astrophysiker nennen sie Rote Riesen. Umgekehrt zeigt Abbildung 7 eine Reihe von Sternen in der linken unteren Ecke des HRDs. Diese trotz relativ hoher Oberflächentemperatur sehr leuchtschwachen Sterne müssen winzig klein sein: Es sind sogenannte Weiße Zwerge. 38
Aus dem Stefan-Boltzmann-Gesetz und den Darstellungen in den Abbildungen 7 und 8 lassen sich die wahren Größen der eingetragenen Sterne errechnen. Die Sonne mit ihrem Spektraltyp G2 entsprechend 5770 K Oberflächentemperatur und einer absoluten Helligkeit von 4 m. 8 (zur Definition der Sternhelligkeiten s. Glossar) – so hell erschiene sie aus der Standardentfernung von 32,6 Lichtjahren – soll als Referenzpunkt dienen. Verglichen mit ihr sind die kühlsten Roten Riesen, also M Sterne mit etwa 2890 K und einer absoluten Helligkeit von – 0 m. 2, nur halb so heiß, aber 100mal heller; sie müssen 40mal so groß sein wie die Sonne. Die hellsten Roten Riesen in Abbildung 8 sind noch 100mal heller; sie müssen schon 400 Sonnendurchmesser groß sein. Diese Radien sind sogar unterschätzt, weil die visuellen Helligkeiten einen Teil der Sternleuchtkraft nicht berücksichtigen und dieser für rote Sterne größer als für die Sonne ist (s. Tabelle 2). Ähnliche Betrachtungen für die Weißen Zwerge in Abbildung 7 ergeben Werte von etwa einem Hundertstel Sonnendurchmesser. Auf der Hauptreihe im HRD selbst werden die Sterne von rechts unten nach links oben heißer und – in Übereinstimmung mit dem, was aus dem Stefan-Boltzmann-Gesetz für den Fall eines konstanten Sternradius folgen würde – heller; die Radien der Hauptreihensterne verschiedener Massen unterscheiden sich somit nur relativ wenig voneinander. c) Die Expansion der Sonne zum Riesenstern Unausweichlich wird die Sonne, wenn auch erst in 4 bis 5 Milliarden Jahren, in ihrem Zentrum allen Wasserstoff restlos zu Helium fusioniert haben. Das Universum ist 12 bis 20 Milliarden Jahre alt, und die Milchstraße ist nicht viel jünger. Sonnenähnliche Sterne, die vor mehr als 10 Milliarden Jahren entstanden sind, müssen diesen Zustand bereits durchlaufen haben. Was geschieht danach? Wenn im Zentrum eines Sterns der Brennstoff ausgeht, erlischt die nukleare Energieerzeugung. Da die Bedingung des hydrostatischen Gleichgewichts aber in der Regel verlangt, daß 39
der Stern von außen nach innen zunehmend heißer wird (vgl. Kapitel 3b), fließt Energie entlang des Temperaturgefälles von innen nach außen. Die einzige Möglichkeit für den Stern, die im Zentrum verlorene Energie nachzuliefern, ist seine Kontraktion: Mit Ende des zentralen Wasserstoffbrennens verläßt der Stern den Zustand des thermischen Gleichgewichts und beginnt wieder zu kontrahieren. Da er dabei zunächst als Ganzes heißer wird, erreichen bald die Schichten direkt oberhalb des ausgebrannten Zentralbereichs, die noch Wasserstoff enthalten, eine genügend hohe Temperatur, um die Fusion von Wasserstoff zu Helium zu betreiben. Im Laufe der Zeit wandert die Brennregion immer weiter nach außen, die Masse des ausgebrannten Kerns wächst an. Der Stern besteht nun aus einem Kernbereich fast reinen Heliums, einer diesen umgebenden, kugelschalenförmigen Region, in der die Kernfusion abläuft – die sogenannte Wasserstoff-Schalenquelle –, und der wasserstoffreichen Hülle. Dabei ist die Abweichung vom thermischen Gleichgewicht bei Sternen oberhalb von etwa 1,5 Sonnenmassen ungleich größer als bei masseärmeren Sternen: Das Zentralgebiet großer Sterne war aufgrund der Verwendung des CNO-Zyklus im Wasserstoffbrennen stets konvektiv durchmischt, so daß bei dessen Ende ein brennstofffreier Zentralbereich zurückbleibt, dessen relativ kühler äußerer Rand einige Zeit braucht, um die zur Wasserstoffusion nötige Temperatur zu erreichen. Bei sehr massereichen Sternen, die im zentralen Wasserstoffbrennen sehr große konvektive Kerne entwickeln, führt das, sobald der Kern ausgebrannt ist, zum Erlöschen jeglicher Kernfusion bis zum späteren Einsetzen des Wasserstoff-Schalenbrennens. Bei massearmen Sternen dagegen ist der Übergang vom zentralen zum Schalenbrennen fließend. Mit dem Erlöschen der zentralen nuklearen Energiequelle hat das ruhige Sternenleben auf der Hauptreihe ein Ende. Der Stern verändert sich nun relativ rasch, und je massereicher sein zentraler Heliumkern wird, desto mehr weicht seine Struktur von der eines Hauptreihensterns ab. Der Heliumkern wächst zwar an Masse, aber sein Radius wird dennoch stetig kleiner. 40
Die zunehmende Gravitation bewirkt höhere Drücke und damit höhere Temperaturen an seiner Oberfläche – dort also, wo die Schalenquelle Wasserstoffusion betreibt. Dadurch unterscheidet sich das Schalenbrennen prinzipiell vom zentralen Wasserstoffbrennen. Bei letzterem kann der Stern seine Zentraltemperatur und damit die nukleare Energieerzeugungsrate so einstellen, daß er die Abstrahlungsverluste genau ausgleicht. Im Schalenbrennen ist die Situation ganz anders: Der Heliumkern kontrahiert weiter, unabhängig davon, was sich über ihm abspielt, und heizt damit die Schalenquelle immer mehr auf. Diese erhöht dabei ihre Energieproduktionsrate immer weiter, auch wenn von der Oberfläche gar nicht soviel Energie nachgefordert wird. Die Hülle des Sterns hat nur eine Möglichkeit, auf den Energiestau von unten zu reagieren: Sie muß expandieren. Damit wird zum einen ein Teil der Überschußenergie verbraucht, weil mit der Expansion der Hülle Arbeit gegen die Schwerkraft verrichtet wird. Wichtiger ist aber, daß der Stern seine abstrahlende Oberfläche vergrößert und damit die Abstrahlung verstärken und den steigenden Energiestrom in den Weltraum ableiten kann. Im Gegensatz zum zentralen Wasserstoffbrennen, bei dem die Struktur der äußeren Sternschichten die Energieproduktionsrate in der Kernregion bestimmt hat, muß beim Wasserstoff-Schalenbrennen die Hülle auf die innere Energieproduktion reagieren. Der Sternradius kann fast ins Unermeßliche wachsen. Der Effekt der Hüllenexpansion ist so dramatisch, daß die entstehende Struktur mindestens ein Stirnrunzeln verursachen muß: Die Sonne z.B. wird ihren Radius verhundertfachen. Sie wird sich so weit ausdehnen, daß die Erde von ihr verschluckt wird. Ihre Leuchtkraft wird sich dabei um das Tausendfache steigern. Durch die gewaltige Expansion wird die Oberflächentemperatur der Sonne auf etwa 3000 K abnehmen, ihre Farbe wird nicht mehr gelb, sondern rot sein. Sie ist dann ein Roter Riese.
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5. Die Schlüsselrolle der Sternmasse a) Entartete Materie und Braune Zwerge Um die weitere Entwicklung von Sternen und schließlich den grundsätzlichen Unterschied zwischen Sternen und „NichtSternen“ – z.B. Jupiter – zu verstehen, ist das merkwürdige Verhalten der Sternmaterie bei sehr hohen Drücken und Dichten von Interesse, das in vieler Hinsicht so gar nicht der Alltagserfahrung entspricht: die sogenannte Entartung. Wenn die Dichte im Zentrum eines kontrahierenden Sterns mehr und mehr anwächst, kommen sich die freien Elektronen im Gas immer näher. Sie allein sind für den Druck verantwortlich, da sie sich viel schneller bewegen als die Atomkerne. Nun gibt es ein quantenmechanisches Prinzip, das besagt, daß sich zwei Elektronen nicht beliebig nahe kommen können, oder, wenn sie es doch tun, sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten haben müssen. Genauer sagt das sogenannte Pauli-Verbot, daß zwei Elektronen nicht den gleichen Quantenzustand einnehmen können, wobei ein Quantenzustand definiert ist als ein Bereich im Ortsraum und ein Bereich im Geschwindigkeitsraum. Wird ein Gas, das freie Elektronen enthält, sehr dicht zusammengedrückt, führt das Pauli-Verbot dazu, daß sich viele Gaspartikel immer mit hoher Geschwindigkeit bewegen, selbst wenn das Gas sehr kalt ist. Sogar auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt abgekühlt, würde ein dichtes Elektronengas dadurch immer noch einen hohen Druck besitzen. Die Sternmaterie verhält sich bei hohen Dichten anders, als es die Alltagserfahrung erwarten läßt. Kühlt ein „normales“ Gas ab, läßt dessen Druck nach: Ein Luftballon im Gefrierschrank wird schlaff. Bei einem entarteten Gas dagegen hängt der Druck gar nicht mehr von der Temperatur ab. Wenn ein Stern aus normalem Gas komprimiert wird, wird er wärmer, und sein Innendruck steigt. Beim entarteten Gas steigt der Druck zwar auch, weil die Dichte steigt – sogar stärker als im nicht-entarteten Fall –, aber der Stern wird dabei kälter. Für ein solches Verhalten erscheint der Ausdruck Entartung sicher 42
angemessen. Es ist nun offensichtlich für einen Stern von entscheidender Bedeutung, ob sein Inneres entartet ist oder nicht. Bestünden die kontrahierenden T Tauri-Sterne aus entartetem Gas, würde ihr Inneres immer kälter statt wärmer. Damit könnten sie niemals genügend hohe Temperaturen erreichen, um Energie aus dem Wasserstoffbrennen zu erzeugen. Statt dessen würden sie abkühlen, immer leuchtschwächer werden und schließlich völlig verblassen. Wenn die Masse eines Vorhauptreihensterns nur genügend klein ist, wird seine Entwicklung also wie folgt verlaufen: Zunächst ist er noch nicht entartet, er kontrahiert und wird dadurch heißer. Seine Dichte wird aber irgendwann so groß, daß seine Materie entartet. Dies ist ein kontinuierlicher Prozeß, der Übergang vom nicht-entarteten zum entarteten Zustand ist fließend. Der Stern erreicht eine maximale Temperatur und wird, wenn die Entartung genügend weit fortgeschritten ist, wieder kälter. Weil bei Sternen größerer Masse die Dichte geringer ist und somit die Entartung erst später einsetzen kann, ist die erreichte Maximaltemperatur bei ihnen höher. Die kritische Sternmasse, bei der die maximale Temperatur gerade so groß ist, daß das Wasserstoffbrennen beginnen kann – also ca. 10 Millionen K –, beträgt etwa 8 % der Masse der Sonne. Damit Entartungseffekte in einem 10 Millionen K heißen Gas wichtig werden, muß seine Dichte etwa 2000 g/cm3 betragen (vgl. Tabelle 3). Sehr massearme Objekte, die das Wasserstoffbrennen nie erreichen, werden Braune Zwerge genannt. Sie sind sehr leuchtschwach, sehr kühl und sehr klein. In diesem Sinne ist auch Jupiter, der Riesenplanet in unserem Sonnensystem, mit einer Masse von nur etwa 0,1 % der Sonnenmasse ein Brauner Zwerg. Niemand weiß genau, wie viele Braune Zwerge es in der Milchstraße gibt, denn sie sind nicht zu sehen. Bei den sichtbaren Sternen war festzustellen, daß es um so mehr von ihnen gibt, je kleiner ihre Masse ist (vgl. Kapitel 2b). Setzt sich dieser Trend ungebrochen zu den Braunen Zwergen fort, könnte es durchaus sein, daß diese einen großen Teil der Gesamtmasse der Milchstraße, vielleicht des ganzen Universums 43
bilden, daß sie also eine wesentliche Komponente der Dunklen Materie darstellen, von der wir bisher nur wissen, daß es sie gibt, aber nicht woraus sie besteht. Eine Möglichkeit, Braune Zwerge trotz ihrer minimalen Leuchtkräfte zu entdecken, existiert aber doch: der Gravitationslinsen-Effekt. Nach der allgemeinen Relativitätstheorie lenkt das von Massen ausgehende Gravitationsfeld die Bahn von Lichtstrahlen ab. Dieser Effekt wurde schon 1917 durch die Positionsbestimmung von Sternen während einer totalen Sonnenfinsternis experimentell bestätigt: Sterne nahe an der vom Mond verdeckten Sonnenscheibe waren etwas weiter von ihr entfernt, als es ihren am Nachthimmel vermessenen Positionen entsprach: Das solare Gravitationsfeld hat die von den Sternen ausgehenden Lichtstrahlen gebeugt. Der Gravitationslinsen-Effekt führt dazu, daß ein dunkler Körper – z.B. ein Brauner Zwerg –, der zwischen der Erde und einem weit entfernten Stern steht, diesen Stern etwas heller erscheinen läßt. Werden in einem Himmelsausschnitt mit hoher Sterndichte, also etwa in Richtung des galaktischen Zentrums oder der Magellanschen Wolken, die Helligkeiten aller Sterne regelmäßig überwacht und intrinsisch variable Sterne aussortiert, so dürften die übrigen kurzzeitigen Helligkeitsanstiege durch die Linsenwirkung der nicht-leuchtenden Körper verursacht werden, die zwischen der Erde und den variierenden Sternen ihre Bahn ziehen und deren Massen und Häufigkeiten auf diese Weise zu bestimmen sind. Erste Erfolge auf diesem noch jungen Forschungsgebiet zeichnen sich ab, so daß das untere Ende der stellaren Massenverteilung vielleicht schon bald nicht mehr im dunklen liegt. b) Die Kerne Roter Riesen und der Helium-Flash Die Sonne hatte eine genügend große Gesamtmasse, um das Wasserstoffbrennen ohne Entartung zu erreichen. Sie wird sich in ferner Zukunft zu einem Roten Riesen entwickeln (vgl. Kapitel 4c), dessen zentraler Kern aus ionisiertem Helium zunächst eine Masse von nur einem Bruchteil der Sternmasse be44
sitzt. Die Wasserstoffhülle eines Roten Riesen ist derart expandiert, daß der Heliumkern deren Gewicht kaum spürt. Seine Entwicklung ist von der Hülle abgekoppelt – abgesehen von der Tatsache, daß die Schalenquelle den Kern langsam mit Masse füttert. Diese massearmen Heliumkerne Roter Riesen sind offenbar sehr in Gefahr zu entarten. Die Frage ist: Können sie so heiß werden, daß sie aus der Verschmelzung von Helium-Atomkernen Energie erzeugen können, so daß sich im Inneren wieder das thermische Gleichgewicht einstellen kann und eine weitere Kontraktion vorerst gestoppt wird? Erreicht der Stern das Heliumbrennen? Dazu sind immerhin Temperaturen von mehr als 100 Millionen K notwendig. Analog zur kritischen Masse, die notwendig ist, um das Wasserstoffbrennen zu zünden – nämlich rund 8 % der Sonnenmasse –, gibt es auch eine kritische Masse, die ein stellarer Heliumkern aufweisen muß, damit er die Schwellentemperatur des Heliumbrennens erreicht (vgl. Tabelle 1). Sie ist größer als die Grenzmasse für Wasserstoffbrennen, weil die zu erreichende Temperatur höher ist, und beträgt für nicht-entartete stellare Kerne etwa 35 % der Sonnenmasse. Das bedeutet, daß es in den meisten Roten Riesen zu einem Wettlauf kommt: Der kontrahierende Heliumkern entartet immer stärker, während die Schalenquelle heftig brennt und durch das von ihr erzeugte Helium dem Heliumkern Masse zuführt. Die masseärmsten Sterne verlieren diesen Wettlauf, und zwar mit dramatischen Konsequenzen. Wenn der Heliumkern die kritische Masse von 0,35 Sonnenmassen erreicht, ist er längst stark entartet. Das Heliumbrennen kann in diesen Sternen erst zünden, wenn der Heliumkern die Zündmasse für entartete Heliumkerne von ca. 0,45 Sonnenmassen erreicht – aber aufgrund der Entartung entwickelt es sich zur Katastrophe. Wenn die Heliumfusion beginnt, wird Energie freigesetzt, es entsteht Wärme, und die Temperatur steigt. Bei einem nicht entarteten Stern würde das zu einer Erhöhung des Drucks führen, er würde expandieren und so die Energieerzeugung moderieren, wie auch die Rote-Riesen-Hülle auf die Wasserstoff45
schalenquelle reagiert hat. In entarteter Materie aber steigt der Druck nicht mit zunehmender Temperatur; er bleibt konstant. Der Temperaturanstieg kann nicht gedrosselt werden, und die höhere Temperatur beschleunigt die Heliumfusion (vgl. Kapitel 3c), die ihrerseits die Temperatur noch stärker erhöht usw. Das Zünden des Heliums gerät zu einer Art Explosion, zum Helium-Flash. Einzig der Tatsache, daß Konvektionswirbel die im Flash erzeugte Energie rasch auf das gesamte Kerngebiet verteilen, ist es zu verdanken, daß der Stern dieses Ereignis überlebt (vgl. Kapitel 6a). Sterne mit Anfangsmassen von mehr als 2 Sonnenmassen gewinnen den Wettlauf gegen den Helium-Flash, ihr Heliumkern wächst auf mehr als 0,35 Sonnenmassen an, bevor er stark entartet. Er kann in aller Ruhe die Heliumfusion beginnen und ohne dramatische Effekte aus der Kontraktionsphase ins thermische Gleichgewicht kommen. Für den Stern hat eine weitere ruhige und langandauernde Entwicklungsphase begonnen. Weil die Energieausbeute der Heliumfusion nur etwa 10% der des Wasserstoffbrennens beträgt, dauert das Heliumbrennen allerdings auch entsprechend kürzer. c) Die Chandrasekhar-Grenzmasse Das Problem der Kernentartung kann sich nach Abschluß jeder nuklearen Brennphase wiederholen. Die Produkte des Heliumbrennens sind Kohlenstoff und Sauerstoff, und damit z.B. ein stellarer C/O-Kern die nächst-mögliche Fusionsreaktion – das Kohlenstoffbrennen – beginnen kann, ohne zu entarten, muß er mindestens 600 Millionen K heiß werden (s. Tabelle 1). Das kann er nur, wenn seine Masse mehr als 0,9 Sonnenmassen beträgt. Ist ein stellarer C/O-Kern erst einmal entartet, verhilft ihm auch eine Massenzunahme über 0,9 Sonnenmassen nicht so schnell zum Kohlenstoffbrennen: Die in diesem Fall erzielten hohen Dichten bewirken eine effektive Kühlung des Kerns durch Neutrino-Emission (s. Kapitel 7b). Allerdings verändern sehr hohe Dichten den Charakter der Entartung. Entartete stel46
lare C/O-Kerne, die mehr als 0,9 Sonnenmassen besitzen, kontrahieren zu Dichten von mehreren Millionen g/cm3. Ein Kubikzentimeter dieses Gases wiegt mehr als eine Tonne, das ist über 100 000mal mehr als die entsprechende Menge des schwersten irdischen Gesteins. Aufgrund des quantenmechanischen Pauli-Verbots müssen die Teilchen in jedem kleinen Raumvolumen, in das sie so dicht zusammengedrückt sind, extrem unterschiedliche Geschwindigkeiten aufweisen. Eine große Zahl der Teilchen bekommt damit Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit – selbst wenn die Temperatur klein ist. Sie unterliegen nun den Gesetzen der speziellen Relativitätstheorie, das heißt: Das Gas ist relativistisch entartet (vgl. Tabelle 3). Temperatur in Millionen K 0,1 1 10 100 1000
Dichte für Entartung in g/cm3
Dichte für relativistische Entartung in g/cm3
Dichte in der Sonne in g/cm3
2.5 70 2000 70 000 Teilchen relativistisch
Kristallisation 5 000 000 5 000 000 5 000 000 100 000 000
0,0002 0,05 40 — —
Tabelle 3: Dichten für verschiedene Temperaturen, ab denen für das Elektronengas eines Sterns die Effekte der Entartung (2. Spalte) bzw. der relativistischen Entartung (3. Spalte) wichtig werden. Als Vergleich sind die bei den entsprechenden Temperaturen in der Sonne anzutreffenden Dichten angegeben (4. Spalte). Unterhalb etwa einer Million K kann Sternmaterie nicht relativistisch entarten, weil sie vorher bei hohen Dichten kristallisiert. Oberhalb von einer Milliarde K ist das Gas, ob entartet oder nicht, stets relativistisch.
Nach der speziellen Relativitätstheorie kann kein Teilchen die Lichtgeschwindigkeit überschreiten. Deshalb kann der Druck in einem kontrahierenden, relativistisch entarteten Stern mit zunehmender Dichte nicht so stark wachsen wie im nichtrelativistisch entarteten Fall. Eine Verdreifachung der Dichte vergrößert den Druck nur etwa um einen Faktor 4, statt eines 47
Faktors 6 bei nicht-relativistischer Entartung. Auch kann ein relativistisch entarteter Stern beim Kontrahieren wieder heißer werden, genau wie ein nicht-entarteter Stern. So führt nur der Zustand nicht-relativistischer Entartung die Sterne in thermonukleare Sackgassen: Er bewirkt Abkühlung und verhindert das Einsetzen weiterer Kernfusionen. Damit ein stellarer Kern diese Sackgassen in jedem Falle vermeidet, muß er eine Masse von mehr als 1,4 Sonnenmassen besitzen. Diese kritische Masse heißt Chandrasekhar-Grenzmasse. Stellare Kerne, die mehr Masse als die ChandrasekharMasse besitzen, können alle nur möglichen thermonuklearen Fusionsphasen erreichen (s. Tabelle 4). Aber irgendwann wird aller nuklearer Brennstoff verbraucht sein, und dann wird ihnen dies zum Verhängnis: Während die massearmen stellaren Kerne einen beständigen Endzustand bei endlicher Dichte erreichen können, müssen stellare Kerne oberhalb der Chandrasekhar-Masse stetig weiterkontrahieren, und laufen somit unabwendbar ihrem plötzlichen Tod entgegen (s. Kapitel 7). Weil massereichere Sterne auch massereichere stellare Kerne entwickeln, sind die für das Erreichen jeder Brennphase nötigen kritischen Kernmassen bestimmten Sternmassen zuzuordnen, so daß das Schicksal der Sterne gemäß ihren SternmassenBereichen angegeben werden kann. Danach erleiden Sterne unterhalb etwa 2 Sonnenmassen den Helium-Flash, Sterne unterhalb etwa 8 Sonnenmassen entwickeln sich zu Weißen Zwergen, und massenreichere Sterne werden zu Supernovae (vgl. Abbildung 9). Das Schicksal der Sterne mit Anfangsmassen von etwa 7 bis 9 Sonnenmassen ist besonders unsicher. Der Grund: Diese Sterne entwickeln entartete C/O-Kerne mit Massen nahe der für das Zünden des Kohlenstoffbrennens nötigen Grenzmasse, welche von der darüberliegenden Helium-Schalenquelle noch mit Masse gefüttert werden. Erreichen sie die Zündmasse für das Kohlenstoffbrennen, welche unter stark entarteten Bedingungen der Chandrasekhar-Masse entspricht, kommt es zum Kohlenstoff-Flash, der den Stern in einem Supernova-Ereignis vollständig zerreißt. Es gibt aber Hinweise darauf, daß ein der48
Abbildung 9: Entwicklung von Dichte ρc und Temperatur Tc im Sternzentrum für drei Sterne unterschiedlicher Masse (schematisch). Das Gebiet nicht-relativistischer Entartung ist durch die gestrichelten Linien eingegrenzt. Symbole auf den Entwicklungswegen kennzeichnen Brennphasen: ein Quadrat bedeutet Wasserstoffbrennen, ein Kreis Heliumbrennen, die Raute auf dem 20-Sonnenmassen-Weg Kohlenstoffbrennen. Das Kreuz auf dem 1-Sonnenmassen-Weg kennzeichnet den Helium-Flash. Die entsprechende Entwicklung der drei Sterne im Hertzsprung-Russell-Diagramm ist in Abbildung 10 dargestellt.
artiges Ereignis auf Weiße Zwerge beschränkt bleibt, die in Doppelsternsystemen durch Massenüberstrom anwachsen (s. Kapitel 8b), daß also die Einzelsterne entweder ihre gesamte Sternhülle verlieren, bevor der C/O-Kern die ChandrasekharMasse erreicht (s. Kapitel 6c), oder daß der C/O-Kern schnell genug wächst, um das Kohlenstoffbrennen nur schwach oder nicht-entartet zu zünden. Eine endgültige Klärung dieser Frage krankt vor allem an den nur sehr ungenau bekannten Massenverlustraten der betroffenen Sterne.
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6. Die Entwicklung massearmer Sterne zu Weißen Zwergen Wie in Kapitel 5 dargelegt wurde, entscheidet die Masse eines Sterns über sein Schicksal. So ist die Masse der Sonne deutlich kleiner als die Chandrasekhar-Grenzmasse, und damit steht ihr Endzustand schon fest: Sie wird in ferner Zukunft als entarteter Stern auskühlen und verblassen; sie wird ein sogenannter Weißer Zwerg. Bei massereicheren Sternen ist die Masse der in den späten Entwicklungsphasen entstehenden stellaren Kerne mit der Chandrasekhar-Masse zu vergleichen, um Aussagen über die weitere Entwicklung zu machen. Diese Kerne sind meist deutlich kleiner als die anfängliche Gesamtmasse eines Sterns. Nun könnten sie zwar durch die Fusionsprozesse in den thermonuklearen Schalenquellen immer weiter anwachsen, doch es gibt ein Phänomen, das dies verhindert: Die meisten Sterne verlieren im Laufe ihres Lebens einen großen Teil ihrer Masse durch Sternwinde. Sie sind die Ursache dafür, daß etwa ein Stern mit anfänglich 5 Sonnenmassen am Ende seiner Entwicklung weniger als 1 Sonnenmasse an Materie behalten hat und das Schicksal unserer Sonne teilen wird. Sterne mit Anfangsmassen unterhalb etwa 8 Sonnenmassen machen eine ähnliche innere Entwicklung durch und werden zu Weißen Zwergen, wohingegen Sterne mit anfänglich mehr als 8 Sonnenmassen als Supernovae explodieren (s. Kapitel 7). a) Das Heliumbrennen In Kapitel 4c wurde gezeigt, daß das heftige Wasserstoff-Schalenbrennen die Sterne zu Roten Riesen anwachsen läßt. Die Expansion der wasserstoffreichen Sternhülle verläuft dabei in zwei Phasen. Wenn der Stern im Hertzsprung-Russell-Diagramm noch dicht an der Hauptreihe ist, erfolgt zunächst die Expansion ins Riesengebiet bei nahezu konstanter Sternleuchtkraft. Die abstrahlende Oberfläche wird zwar vergrößert, aber die Absenkung der Oberflächentemperatur reduziert die pro 50
Quadratzentimeter abgestrahlte Leistung so, daß sich beide Effekte kompensieren. Auch das wachsende Temperaturgefälle zwischen der Wasserstoff-Schalenquelle und der Oberfläche führt zu keinem Leuchtkraftanstieg, weil die Strahlungsdurchlässigkeit der Sternmaterie mit sinkender Temperatur schlechter wird. Gerade darum schaltet der Stern im Laufe der Expansion zunehmend von Strahlungsdiffusion auf konvektiven Energietransport um, und wenn der Stern zum Roten Riesen geworden ist, ist nahezu seine gesamte Wasserstoffhülle konvektiv. Dann kann das Temperaturgefälle in der Sternhülle nicht mehr größer werden, denn die Konvektion etabliert eine adiabatische, d.h. ohne Wärmeaustausch verlaufende Temperaturschichtung, ähnlich wie sie Meteorologen in der Wetterschicht der Erdatmosphäre feststellen können: Der Stern kann seine Oberflächentemperatur nicht mehr reduzieren. Im HRD hat er die Linie minimaler Oberflächentemperatur erreicht, die sogenannte Hayashi-Linie. Jede weitere Expansion der Sternhülle muß nun zu einer Erhöhung der Sternleuchtkraft führen, d.h. der Stern läuft entlang der Hayashi-Linie im HRD fast senkrecht nach oben (Abbildung 10). Dieser Abschnitt im HRD ist der Rote-Riesen-Ast. Während Sterne mit einer Masse von mehr als etwa 2 Sonnenmassen, die ihr Heliumbrennen als leuchtkräftige Rote Riesen beginnen können, auch einen großen Teil dieser – nach dem Wasserstoffbrennen – zweiten Phase langandauernden thermischen Gleichgewichts auf dem Roten-Riesen-Ast verbringen, erleiden die masseärmeren Sterne den zentralen Helium-Flash. Bei diesem wird aufgrund der Entartung des Heliumkerns enorm viel Energie in kurzer Zeit freigesetzt. Erst wenn der Flash die Temperatur so weit ansteigen läßt, daß die Entartung der Sternmaterie aufgehoben ist, reagiert der Heliumkern mit heftiger Expansion: Die Dichte im Heliumkern wird um Größenordnungen kleiner (s. Abbildung 9). Auf diese Expansion muß die Wasserstoff-Schalenquelle reagieren. Sie befindet sich direkt oberhalb des Heliumkerns, muß mit expandieren und wird deshalb rasch abgekühlt. Ihre Energieproduktion sinkt drastisch ab, und die Sternhülle fällt in 51
Abbildung 10: Entwicklung von drei Sternen unterschiedlicher Masse im Hertzsprung-Russell-Diagramm (schematisch). Die Entwicklungswege beginnen auf der gestrichelt eingezeichneten Hauptreihe. Die Symbole auf den Entwicklungswegen entsprechen denen in Abbildung 9: Quadrate kennzeichnen Wasserstoffbrennen, Kreise Phasen stationären Heliumbrennens, die Raute auf dem 20-Sonnenmassen-Weg Kohlenstoffbrennen. Das Kreuz auf dem 1-Sonnenmassen-Weg markiert den Helium-Flash, welcher den Stern innerhalb kurzer Zeit auf den Horizontalast führt (gepunkteter Teil des Weges). Die von den Wegen abstehenden Pfeile für die 1- und 5Sonnenmassen-Sterne bezeichnen die Phase, während der die Sterne von Planetarischen Nebeln umgeben sind. Das Ende des 20-Sonnenmassen-Weges markiert die Sternposition beim Einsetzen der Supernova-Explosion.
sich zusammen. Die neue Gleichgewichtsstruktur, die der Stern einnimmt, ist viel kompakter und leuchtschwächer. Wenn der Heliumkern wieder im thermischen Gleichgewicht ist, kann das nun gleichmäßige Heliumbrennen in seinem Zentrum einen beträchtlichen Teil der Sternleuchtkraft erzeugen, während 52
die Wasserstoff-Schalenquelle – auf dem Roten-Riesen-Ast noch alleiniger Energielieferant – den Rest produziert. Der Stern ist im HRD vom Riesenast auf den sogenannten Horizontalast gesprungen (Abbildung 10). Da die Sterne auf dem Horizontalast nahezu identische Heliumkerne besitzen, ist ihre Helligkeit mit fast 100 Sonnenleuchtkräften sehr ähnlich; ihre Oberflächentemperatur hängt vor allem von der Hüllenmasse ab, aber auch von deren Gehalt an schweren Elementen. In seiner Breite erstreckt sich der Horizontalast von der HayashiLinie bis zur Hauptreihe und sogar über diese hinaus. Der schnelle Übergang vom Riesenast zum Horizontalast, den die Heftigkeit des Helium-Flashs bewirkt, kann heute noch nicht problemlos mit Sternmodellen auf dem Computer nachvollzogen werden. Es gibt zwar indirekte Beobachtungsindizien dafür, daß Sterne durch den Helium-Flash einen Teil ihrer Sternhülle verlieren, doch wie das geschieht, wie groß der Massenverlust ist und von welchen Prozessen er abhängt, kann noch nicht zweifelsfrei berechnet werden. b) Pulsierende Sterne als kosmische Meilensteine Auch nach dem Wasserstoffbrennen hat die Sonne also noch eine bewegte Zukunft vor sich. Viele Sterne mit Massen oberhalb von zwei Sonnenmassen verbringen ebenfalls nur einen Teil ihres Heliumbrennens auf dem Roten-Riesen-Ast. Manche von ihnen, besonders die massereicheren, unternehmen einen Ausflug in heißere Gebiete des HRDs. Aufgrund der stark unterschiedlichen Heliumkernmassen – massereichere Sterne entwickeln auch massereichere Heliumkerne – tun sie das aber nicht alle bei gleicher Leuchtkraft, sondern bei um so größerer Leuchtkraft, je massereicher sie sind. Das heißt, sie sammeln sich nicht auf einem Horizontalast, sondern bevölkern das HRD oberhalb des Horizontalastes der Sterne mit weniger als zwei Sonnenmassen. Die Ursache für diese Ausflüge in Richtung der Hauptreihe ist ähnlich der, die für das Schrumpfen der massearmen Sterne verantwortlich war: Die Entwicklung des Heliumkerns bewirkt, daß die Effektivität der Wasserstoff53
Schalenquelle im Laufe des Heliumbrennens nachläßt. Sinkt sie unter einen kritischen Wert, kann sich die Sternhülle innerhalb einer – im Vergleich zum Heliumbrennen – kurzen Zeit zusammenziehen, so daß der Stern den Riesenast verläßt. Dies kann sich irgendwann während des Heliumbrennens vollziehen, wobei der genaue Zeitpunkt und das Auftreten dieser Entwicklung von einer Vielzahl oft nur ungenau bekannter Parameter abhängen und, insbesondere bei massereichen Sternen, schwer vorherzusagen sind. Wenn ein Roter Riese kontrahiert und dabei eine Oberflächentemperatur von 5000–6000 K erreicht, macht er etwas, was man Sternen nicht so ohne weiteres zutrauen würde: Er beginnt zu pulsieren. Er fängt an, seine Hülle rhythmisch zu expandieren und zu kontrahieren. Dabei pflanzen sich die Störungen des Druckgleichgewichts im Sterninneren mit Schallgeschwindigkeit fort. Eine Pulsationsperiode dauert einige Tage, etwa so lange, wie eine Schallwelle braucht, um den Stern zu durchqueren. Die Sternoberfläche erreicht dabei Geschwindigkeiten von Dutzenden von Kilometern pro Sekunde. Der Radius des Sterns kann dabei um 20 % und mehr schwanken. Auch die Oberflächentemperatur variiert beträchtlich, teilweise um mehr als 1000 K. Radius- und Temperaturschwankungen bewirken eine deutliche Helligkeitsänderung. In der Tat kann man diesen Sternen nachts beim Pulsieren zusehen. Der Prototyp dieser Sternklasse, δ Cephei (gesprochen: „delta Ze-fe-i“), ist in nördlichen Breiten zirkumpolar, d.h. er ist zu jeder Jahreszeit beobachtbar. Seine visuelle Helligkeit schwankt mit einer Periode von 5,37 Tagen um fast eine Größenklasse im Bereich 3 m. 7–4 m. 5 (vgl. Glossar); dies ist mit bloßem Auge zu verfolgen. Was bringt die Sterngiganten zum Schwingen? Es ist erstaunlicherweise ein atomphysikalischer Effekt. Das Entscheidende spielt sich in der Elektronenhülle der Atome ab. Vereinfacht ausgedrückt: Wird die Hülle eines Cepheidensterns komprimiert, wird sie heißer, und ein größerer Teil der Atome in der Sternhülle wird ionisiert. Das hat eine verringerte Strahlungsdurchlässigkeit der Sternhülle zur Folge. Ließe sich die Stern54
hülle einmal kurz zusammendrücken, würde der dadurch erzeugte Überdruck im Inneren sie in jedem Falle wieder auseinanderstreben lassen, sobald sie vom äußeren Druck befreit ist. Doch die Hülle ist durch das Zusammendrücken undurchsichtiger geworden, das heißt: In ihrem Inneren hat sich ein Energiestau gebildet. Die Sternhülle wird beim Loslassen, getrieben von Druckkräften und angestauter Strahlung, über ihre ursprüngliche Gleichgewichtsposition hinausschießen. Bei einer konstanten Durchsichtigkeit der Sternmaterie würde die Hülle etwa so weit über den Gleichgewichtspunkt hinausschießen, wie sie in ihrem komprimierten Zustand von ihm entfernt war; doch so wird sie noch weiter hinausgetrieben. Im Zustand maximaler Expansion ist die Durchsichtigkeit der Sternhülle größer als im Gleichgewicht. So kann überschüssige Strahlung rasch entweichen, und die Hülle fällt in sich zusammen wie ein Luftballon, dem die Luft ausgeht. Sie schießt dabei wieder über den Gleichgewichtszustand hinaus, und zwar zu einem noch komprimierteren Zustand als dem, mit dem sie begonnen hatte. Der Prozeß beginnt von neuem, und die Amplitude des sich nun periodisch wiederholenden Schwingungsvorgangs wächst weiter an. Die Schwingung schaukelt sich von selbst auf, und es genügen kleinste Störungen, vielleicht verursacht durch turbulente Gasströmungen in der Konvektionszone des Cepheiden, um sie anzuregen. Es gibt ein Experiment, das jeder schon vielfach durchgeführt hat und das die Eigenschaften des beschriebenen Mechanismus zeigt: Wasser in einem zugedeckten Topf auf dem Herd zum Kochen zu bringen. Der heiße Wasserdampf, der im Topf Überdruck erzeugt, verläßt den Topf, wenn der Deckel gut abschließt, nicht in einer stetigen Strömung, sondern hebt den Deckel immer wieder ruckartig an, worauf der jedesmal wieder zurückfällt; der Deckel klappert auf dem Topf. Dieser Vergleich mag dazu dienen, zumindest in Analogie den Pulsationsmechanismus im Stern nachzuvollziehen. Der Pulsationsmechanismus wird K-Mechanismus genannt, weil der Lichtabsorptionskoeffizient der Sternmaterie mit dem griechischen Buchstaben Kappa bezeichnet wird. 55
Müßten nicht alle Sterne pulsieren? Keineswegs. Damit der K-Mechanismus funktioniert, müssen die Ionisationszonen, welche die Pulsation treiben, gerade in der richtigen Tiefe in der Sternhülle sitzen. Liegen sie zu tief – wie z. B. bei den kühlen Roten Riesen –, wird die darüberliegende Hülle zu träge, um noch mitschwingen zu können. Liegen sie zu dicht an der Oberfläche, ist keine Masse mehr da, die zum Schwingen angeregt werden kann. Die ganz heißen Sterne sind sogar bis zu ihrer Oberfläche fast vollständig ionisiert. Die Forderung, die Ionisationszone in einer geeigneten Tiefe zu finden, bedingt, daß nur Sterne in einem engen Bereich von Oberflächentemperaturen aufgrund des K-Mechanismus pulsieren können. Der wird durch den sogenannten Instabilitätsstreifen im HRD markiert, ein schmales, fast senkrechtes Band, das nahezu parallel zur Hayashi-Linie verläuft. Bei Leuchtkräften unterhalb des Cepheiden-Bereichs schneidet der Instabilitätsstreifen den Horizontalast, und darunter auch die Hauptreihe. Tatsächlich pulsieren sowohl Horizontalaststerne als auch Hauptreihensterne im Instabilitätsstreifen. Bei ersteren handelt es sich um die sogenannten RR Lyrae-Sterne, die letzteren heißen δ ScutiSterne. In der Tat: Besäße unsere Sonne 1,5 Sonnenmassen, dann wäre sie heißer, läge im Instabilitätsstreifen und würde mit einer Periode von ca. 2 Stunden deutlich sichtbar pulsieren. Weil sich die Gebiete, die Pulsationen anregen, in einer ganz bestimmten Tiefe der Sternhülle befinden müssen, so daß der Instabilitätsstreifen im HRD sehr schmal ist, ergibt sich ein für die gesamte Astronomie wichtiges Gesetz. Es hängt damit zusammen, daß Rote Riesen, die einen Ausflug ins heißere Gebiet des HRD machen und dort auf den Cepheiden-Streifen treffen, durchaus unterschiedliche Leuchtkräfte haben können. Je leuchtkräftiger ein Cepheid ist, desto ausgedehnter muß er – im Mittel einer Pulsationsperiode – sein. Und je ausgedehnter ein Stern ist, desto länger brauchen Schallwellen, um ihn zu durchqueren, oder umgekehrt: desto länger ist seine Pulsationsperiode. Weil das Cepheidenband so schmal ist, müssen zu einer gegebenen Leuchtkraft ein fester Radius und eine feste Pulsationsperiode gehören. Oder, so das Gesetz: Je größer die 56
Leuchtkraft eines Cepheiden, desto größer ist seine Periode. Dies ist die Perioden-Leuchtkraft-Beziehung für Cepheiden. Es ist ein hochwillkommenes Gesetz, weil man mit ihm auf sehr einfache Weise Entfernungen bestimmen kann. Entfernungsmessungen sind in der Astronomie äußerst schwierig. Wird ein Stern mit einer bestimmten Helligkeit am Himmel beobachtet, so könnte er intrinsisch leuchtschwach sein, aber hell erscheinen, weil er nahe steht, er könnte aber genausogut intrinsisch sehr leuchtstark und weit entfernt sein. Wegen der sehr großen Abstände der Sterne von der Erde sind trigonometrische Entfernungsmessungen nur in den seltensten Fällen möglich. Bei einem Cepheiden dagegen braucht man nur die Periode seines Lichtwechsels zu messen, um mit Hilfe der Perioden-Leuchtkraft-Beziehung seine intrinsische (mittlere) Leuchtkraft zu bestimmen. Der Vergleich mit seiner scheinbaren Helligkeit am Himmel läßt dann sofort auf seine Entfernung schließen. Cepheiden sind sehr helle Sterne; 10 000 Sonnenleuchtkräfte sind keine Seltenheit. Sie sind oft über riesige Entfernungen hinweg zu beobachten. In vielen Galaxien wurden Cepheidensterne gefunden und mit ihrer Hilfe die Entfernungen zu diesen Galaxien bestimmt. Mit den modernsten Teleskopen und Beobachtungstechniken versuchen die Astronomen nun, Cepheiden in Galaxien des Virgo-Galaxienhaufens zu finden und deren Entfernungen zu bestimmen. Gelingt dies mit genügender Präzision, kann die Hubble-Konstante, ein Maß für die großräumige Expansion des Universums, neu bestimmt werden, und damit die Ausdehnung und das Alter des Universums selbst. c) Riesen-Winde und Thermische Pulse Wenn die Sterne mit Anfangsmassen unterhalb von etwa 8 Sonnenmassen das in ihrem Zentrum ablaufende Heliumbrennen beenden, ihnen also das Helium ausgeht und der stellare Kern fast nur noch aus Kohlenstoff und Sauerstoff besteht, beginnt ihre Hülle wieder heftig zu expandieren. Denn der Kern 57
gerät aus dem thermischen Gleichgewicht und beginnt zu kontrahieren, wodurch das Gebiet der Schalenquelle überhitzt wird; sie beginnt wieder heftig zu brennen, und der Sternhülle bleibt nichts anderes übrig, als zu expandieren (vgl. Kapitel 4c). Sterne, die einen Ausflug ins heißere Gebiet des HRDs unternommen haben – also auch die massearmen HorizontalastSterne –, müssen diesen nun beenden und landen wieder an der Hayashi-Linie, auf dem sogenannten Asymptotischen Riesenast oder AGB (Asymptotic Giant Branch). Die Sterne des Asymptotischen Riesenastes expandieren zu solchen Radien, daß sie selbst die Größe der Roten Riesen um ein Vielfaches übertreffen. Die Masse des kontrahierenden C/O-Kerns wächst durch die Aktivität der sich entwickelnden Helium-Schalenquelle stetig an. Dies geschieht allerdings so langsam, daß der C/O-Kern bald entartet. Deshalb wird sein Radius um so kleiner, je mehr Masse er bekommt (vgl. Kapitel 5a), so daß die in den Schalenquellen erzeugte Leuchtkraft steigt und sich die Sternhülle beständig ausdehnt. Manche Sterne erreichen Leuchtkräfte von mehr als 10 000 Sonnenleuchtkräften und eine Ausdehnung von fast 1000 Sonnenradien. Im Zentrum des Sonnensystems verankert, würde ihre Oberfläche selbst den Jupiter erreichen. Die mittlere Dichte der Sternhülle sinkt auf 10–10g/cm3 – erst 10 Milliarden Kubikzentimeter zusammen haben ein Gramm Masse –, und die Schwerebeschleunigung auf der Sternoberfläche wird sehr klein, 30 000mal kleiner als die Schwerebeschleunigung auf der Erde. Wer auf der Erde einen Ball 10 m hoch werfen kann, erzielt auf einem AGB-Stern beim gleichen Wurf eine Höhe von 300 km. Diese Sterne entwickeln einen ausgeprägten Sternwind. Bei 3000 K Oberflächentemperatur reicht selbst die thermische Geschwindigkeit der Atome fast bis an die Fluchtgeschwindigkeit heran – die Sternhülle könnte langsam in den Weltraum verdampfen. Zusätzlich übt die Strahlung des Sterns eine nach außen gerichtete Kraft aus. Die Strahlung kann am heftigsten auf kleine Staubpartikel einwirken, die sich in den äußersten Schichten der Sternhülle bilden, wo die Temperaturen niedrig sind. Die Staubteilchen werden durch die Strahlung unaufhalt58
sam vom Stern weggedrückt und reißen das Gas, in das sie eingebettet sind, mit sich. AGB-Sterne entwickeln einen Wind, der mit Spitzengeschwindigkeiten von etwa 10 km/s für astronomische Verhältnisse zwar langsam ist, der aber doch so dicht ist, daß die Masse der Sternhülle im Laufe der AGB-Entwicklung deutlich abnimmt. Für AGB-Sterne ist ein zweites Phänomen charakteristisch, welches sowohl für den Massenverlust bedeutsam, aber auch für die Entstehung der meisten chemischen Elemente vom Eisen bis zum Blei verantwortlich ist: die Thermischen Pulse. Wenn der Stern den AGB erreicht hat und sein C/O-Kern immer mehr kontrahiert, wird die Effektivität der heliumbrennenden Schale oberhalb des C/O-Kerns so stark gesteigert, daß die gewaltige Expansion der darüberliegenden Schichten die Temperaturen im Bereich der Wasserstoff-Schalenquelle niedrig werden läßt – die Quelle erlischt. Die Helium-Schalenquelle ist dann allein für die Produktion der gesamten Sternleuchtkraft verantwortlich. Da die Wasserstoffquelle erloschen ist, die Heliumquelle aber unermüdlich Helium in Kohlenstoff und Sauerstoff umwandelt, wird die Masse, die zwischen beiden Schalenquellen liegt, immer kleiner. Irgendwann wächst dadurch die Temperatur am Ort der Wasserstoff-Schalenquelle wieder an, und sie erwacht zu neuem Leben. Sie übernimmt bald ganz die stellare Energieproduktion, und die Heliumquelle erlischt. Hat sich wieder genug Masse zwischen beiden Schalenquellen angesammelt, zündet die Heliumquelle wieder, und zwar so heftig, daß sie viel mehr Energie erzeugt als nötig. Die Hülle expandiert, die Wasserstoffquelle erlischt, und wenn die Hülle ihr Gleichgewicht findet, brennt wieder nur die Wasserstoffquelle. Wieder wächst die Masse zwischen den Schalenquellen, bis die Heliumquelle heftig zündet usw. Dieser Prozeß kann sich im Laufe der AGB-Entwicklung eines Sterns viele dutzendmal wiederholen. Die Zeitdauer zwischen zwei thermischen Pulsen – die keinesfalls eine Pulsation des Sterns wie im Cepheiden-Stadium bedeuten – beträgt viele 100 oder 1000 Jahre, und auch der Puls selbst entwickelt sich in einem Zeitraum von Jahren bis Jahrzehnten; so lange dauert es, bis die 59
von der heftig zündenden Heliumquelle erzeugte Energie die Sternoberfläche erreicht. Aufgrund der thermischen Pulse werden einmalige Bedingungen für die Nukleosynthese der schwersten Elemente geschaffen. Während jeden Pulses entwickeln sich Konvektionsströme, die wasserstoffreiches Material zur heliumbrennenden Schale hinabtransportieren. Die Wasserstoffatomkerne können dort sofort mit dem im Heliumbrennen erzeugten Kohlenstoff reagieren, und diese Reaktion führt zur Freisetzung von Neutronen. Die Neutronen werden aber sehr schnell wieder eingefangen, und zwar mit der größten Wahrscheinlichkeit von den schwersten der vorhandenen Atomkerne. Zunächst sind es die wenigen von Anfang an im Stern vorhandenen Eisenteilchen (Ordnungszahl 26), die die Neutronen bevorzugt einfangen. Werden die entstehenden Eisenisotope zu neutronenreich, erleiden sie einen radioaktiven β-Zerfall, und es entsteht ein Kobalt-Atomkern mit der Ordnungszahl 27. So werden durch sukzessives Einfangen von Neutronen und β-Zerfälle alle Elemente bis zum Blei mit der Ordnungszahl 82 aufgebaut. Aus Abbildung 11 wird deutlich, daß durch den Prozeß der langsamen, sukzessiven Neutronenanlagerung – in der Literatur wird er s-Prozeß genannt (s von slow, langsam) – nicht alle stabilen Isotope gebildet werden können. Speziell die neutronenreichsten Isotope werden im sogenannten r-Prozeß erzeugt (vgl. dazu Kapitel 7d). Der Einfang freier Neutronen stellt in der Natur die einzige Möglichkeit dar, die chemischen Elemente schwerer als Eisen zu erzeugen. Das Neutron ist elektrisch neutral und kann sich den schweren Atomkernen ungehindert nähern, während geladene atomare Teilchen die enorme Coulomb-Abstoßung des elektrischen Feldes, das von den stark positiv geladenen Kernen ausgeht, spüren und diese auch bei größten Temperaturen nicht überwinden können. Durch die thermischen Pulse werden die AGB-Sterne zur wichtigsten Quelle von Elementen schwerer als Eisen im Universum. Dies ist inzwischen durch viele Beobachtungen von AGB-Sternen belegt. Da ihre Hüllen fast durch und durch konvektiv sind, werden Teile des im s-Prozeß erzeugten Materials 60
rasch bis zur Oberfläche transportiert, wo es zu sehen ist. So wurde schon 1952 das Element Technetium im Spektrum eines AGB-Sterns identifiziert. Technetium hat die Ordnungszahl 43 (s. Abbildung 11), und es kommt natürlicherweise auf der Erde nicht vor, weil es mit einer Halbwertszeit von etwa 1 Million Jahre radioaktiv zerfällt. Sein Auftauchen in einem AGB-Stern bedeutet: Es ist dort frisch synthetisiert worden. Ein AGB-Stern dehnt sich während eines thermischen Pulses durch den großen Leuchtkraftanstieg zu Dimensionen aus, die noch gigantischer sind als die seines Ruhezustands. Er fängt ähnlich wie die Cepheiden zusätzlich zu schwingen an, hier al-
Abbildung 11: Ausschnitt des s-Prozeß-Wegs in der Nuklidkarte. Quadratisch eingezeichnete Isotope sind stabil, im Inneren der Quadrate ist deren Massenzahl angegeben. Kreisförmig eingezeichnete Kerne sind radioaktiv instabil und zerfallen in Pfeilrichtung in Kerne links oberhalb. Waagerechte Pfeile deuten Neutroneneinfänge an. Der dargestellte Ausschnitt umfaßt alle stabilen Kerne der Elemente Yttrium bis Ruthenium. Das Element Technetium besitzt keine stabilen Isotope. Das instabile Isotop 93 Zr hat eine sehr große Halbwertszeit, so daß der s-Prozeß auch das Isotop 94Zr erreicht. Die Kerne 96Zr, 100Mo und 104Ru können im s-Prozeß nicht gebildet werden; sie entstehen im r-Prozeß. Die protonenreichen Kerne 92Mo, 96Ru und 98Ru können ebenfalls nicht im s-Prozeß gebildet werden; diese sogenannten p-Prozeß-Kerne sind aber 100mal seltener als s- oder r-Prozeß-Isotope; ihre Herkunft ist noch unklar.
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lerdings aus noch ungeklärter Ursache. Die Schwingungsperiode der AGB-Sterne beträgt aufgrund ihrer riesigen Ausdehnung etwa 1 Jahr, und die Amplituden können sehr groß werden. Die Helligkeit des Prototyps dieser Klasse von Pulsatoren, o Ceti oder Mira, schwankt um bis zu sechs Größenklassen (vgl. Kapitel 1). All das führt in der letzten Phase der AGB-Entwicklung zu einer dramatischen Zunahme des stellaren Massenverlusts. Innerhalb weniger 1000 Jahre werden einige Zehntel Sonnenmassen abgeblasen, so daß schließlich der heiße C/O-Kern fast frei zutage tritt. Während die winzigen Reste verbleibenden Wasserstoffs und Heliums verbrennen, steigt die Oberflächentemperatur des Sterns dramatisch an, und der Stern läuft bei konstanter Leuchtkraft quer durch das HRD, bis zu einer Maximaltemperatur von mehr als 100 000 K (vgl. Abbildung 10). Der extreme Temperaturanstieg der Sternoberfläche bewirkt ein brillantes kosmisches Schauspiel. Sobald der Stern heißer als etwa 20000 K wird, sind die von seiner Oberfläche entweichenden Photonen so energiereich, daß sie einen großen Teil der kurz vorher abgeblasenen Materie in der Umgebung des Sterns ionisieren. Bei der Rekombination senden die Gasatome selbst Licht aus, so daß das zuvor unsichtbare zirkumstellare Gas als strahlender Nebel aufleuchtet. Weil der Stern immer heißer wird und daher viel Licht im ultravioletten Spektralbereich abstrahlt, der Nebel diese Strahlung aber in Wellenlängen des sichtbaren Lichts umwandelt, erscheint der Nebel meist viel heller als der in seiner Mitte befindliche Stern. Der nebelerzeugende Wind am Ende der AGB-Entwicklung weist nur eine geringe Geschwindigkeit auf, der heißer werdende post-AGBStern aber entwickelt kurzzeitig einen kräftigen Wind mit großer Geschwindigkeit, so daß das Material des Nebels vielfach zu einer relativ dünnen Kugelschale oder, im Fall rasch rotierender Sterne, zu einem Ring komprimiert wird. Der bekannteste dieser sogenannten Planetarischen Nebel – sie erhielten diesen Namen, weil manche von ihnen in den Teleskopen früherer Zeiten wie Planetenscheibchen aussahen – ist M 57, der Ringnebel im Sternbild Leier (vgl. Abbildung 12). 62
Abbildung 12: Kalebassen-Nebel, bipolare Windblase um den Mira-Stern OH231.8+4.2. Der Nebel durchmißt etwa ein Lichtjahr. Der Stern selbst, der den Nebel erzeugt hat, ist auf dem Bild nicht zu erkennen; er steht an der schmälsten Stelle des Nebels links oberhalb der Bildmitte. Die bipolare Struktur entsteht durch die Fokussierung eines schnellen Windes durch eine nicht-sichtbare staubhaltige Scheibe, die vormals durch einen langsamen, zum Äquator des Sterns hin konzentrierten Wind gebildet wurde und in die der Stern eingebettet ist. Dieses Bild dokumentiert die Entstehung eines Planetarischen Nebels und den Übergang seines zentralen Sterns vom AGB-Stern zum Weißen Zwerg.
Die Zentralsterne dieser Nebel, entartete stellare Kerne aus Kohlenstoff und Sauerstoff, sind zunächst noch hell und heiß. Sie können aber bald keine Kernfusion mehr betreiben: Die winzigen Reste an Wasserstoff und Helium an ihrer Oberfläche sind bald verbraucht, und der Stern wird leuchtschwächer und kälter. Der Planetarische Nebel verblaßt wieder, der Stern ist nun zum Weißen Zwerg geworden. Dieser kann mit seiner gespeicherten thermischen Energie noch einige Millionen Jahre leuchten, bis er selbst allen Beobachtungen unzugänglich wird und als dunkler, kalter Stern seine Bahn durch die Milchstraße zieht. 63
7. Die Entwicklung massereicher Sterne zu Supernovae Seit dem Stadium der Sternentstehung hat die innere Gravitation die Sterne fest im Griff. Die Dichten im Sternzentrum nehmen unaufhörlich zu, zwar unterbrochen durch langandauernde Phasen des thermischen Gleichgewichts wie z.B. das Wasserstoffbrennen, aber diese können die weitere Kontraktion nur aufhalten, nicht verhindern. Nur die Entartung der Elektronen im Sterngas kann bei den masseärmeren Sternen eine weitere Kontraktion für immer verhindern. Je massereicher ein Stern ist, desto fester packt die Gravitation zu. In Kapitel 5c wurde gezeigt, daß aufgrund relativistischer Effekte für stellare Kerne mit Massen oberhalb der Chandrasekhar-Grenzmasse auch die Elektronenentartung ein weiteres Kontrahieren nicht mehr aufhalten kann. Es ist bemerkenswert, wie erfolgreich sich fast alle Sterne gegen die Macht der scheinbar unüberwindlichen Gravitation wehren. Der Sonne wird es gelingen, fast die Hälfte ihrer Masse zurück in den Weltraum zu schleudern, bevor sie als Weißer Zwerg endgültig verglüht. Den größten Teil verliert sie durch den Sternwind auf dem asymptotischen Riesenast. Bei etwas massereicheren Sternen ist die Effizienz dieser Prozesse sehr viel größer. Ein Stern mit anfänglich 5 Sonnenmassen schafft es, rund 80 % seiner Masse aus seinem eigenen Gravitationspotential hinauszukatapultieren. Massereichen Sternen mit mehr als ca. 8 Sonnenmassen Anfangsmasse gelingt es ebenfalls, einen sehr großen Teil davon an das interstellare Medium zurückzugeben, teilweise durch Sternwinde, aber auch durch einen gänzlich anderen Prozeß: die Supernova-Explosion. a) Winde heißer Sterne Massereiche Sterne sind extrem heiß und besitzen enorme Leuchtkräfte, die hellsten von ihnen können schon auf der Hauptreihe Sternwinde von großer Intensität entwickeln. So 64
zeigen die Spektren vieler O Sterne (vgl. Tabelle 2) blauverschobene Absorptionslinien, ein klares Zeichen dafür, daß die Ionen, die den jeweiligen Linien zuzuordnen sind, von der Sternoberfläche auf uns zufliegen. Die Breite dieser Linien deutet dabei auf sehr hohe Windgeschwindigkeiten hin: Es werden einige 1000 km/s gemessen. Die hellsten O Sterne zeigen sogar Emissionskomponenten in einigen Spektrallinien, was auf hohe Gasdichten in der unmittelbaren Umgebung des Sterns – also auf große Winddichten – hinweist. Die O Stern-Winde sind theoretisch gut verstanden: Sie beruhen auf Absorptionsvorgängen von Ionen schwerer Elemente. Wenn ein Ion in den höheren Schichten der Sternatmosphäre ein von unten kommendes Photon absorbiert, wird es angeregt, d. h. eines seiner Elektronen wird auf ein höheres Energieniveau gehoben. Fällt dieses kurz darauf wieder auf sein Ausgangsniveau, emittiert das Ion ein Photon mit der gleichen Energie, die das absorbierte Photon hatte, allerdings in eine zufällige Richtung. Während die absorbierten Photonen alle aus der gleichen Richtung kommen – der’Strahlungsfluß der Sternleuchtkraft ist von der Sternoberfläche weg in den Weltraum gerichtet – und jedem absorbierenden Ion einen Impuls, einen Stoß, von der Sternoberfläche weg geben, ist die Richtung ihrer Emission zufällig, so daß im Mittel kein Impuls übertragen wird. Der Nettoeffekt ist eine Beschleunigung der Ionen von der Sternoberfläche fort. Bei einem festen Elektronenübergang einer bestimmten Ionensorte wird der Absorptionsprozeß effektiver, wenn die Ionen erst einmal beschleunigt sind. Sie können nämlich in diesem Übergang nur Photonen mit gerade der Energie absorbieren, die dem Energieunterschied des Ausgangszustands und des angeregten Zustands entspricht. Würden sie sich nicht bewegen, würden Ionen des gleichen Typs, die unter ihnen in der Atmosphäre liegen, bereits alle passenden Photonen absorbieren. Da ihre Geschwindigkeit aber von der Sternoberfläche weggerichtet ist, haben etwas energiereichere Photonen gerade die zur Absorption passende Energie, denn der Dopplereffekt bewirkt, daß das von der Sternoberfläche fortfliegende Ion die 65
ihm von dort nachkommenden Photonen rotverschoben sieht. Für das Ion haben die Photonen also eine etwas kleinere Energie als für den ruhenden Beobachter. Eine im Sternwind kontinuierlich zunehmende Geschwindigkeit sorgt deshalb dafür, daß für jeden Ort im Sternwind genügend Photonen mit der passenden Energie vorhanden sind, um die Ionen noch weiter zu beschleunigen. In den Spektren von O Sternen gibt es Tausende von Absorptionslinien, und jede dieser Linien entspricht gerade einer diskreten Anregungsenergie eines bestimmten Ions. Der kumulative Effekt der Strahlungsbeschleunigung in all diesen Linien ist groß genug, um alle Ionen mit großer Geschwindigkeit vom Stern fortzutreiben. Dabei reißen diese auch die Ionen, deren Elektronenhüllen keine passenden Energieniveaus haben, um selbst von der Strahlung beschleunigt zu werden – z. B. Wasserstoff-Ionen –, sowie die Vielzahl der freien Elektronen mit sich. Die Massenverlustraten sind so groß, daß O Sterne durch ihren Wind während des zentralen Wasserstoffbrennens einen merklichen Bruchteil ihrer Anfangsmasse verlieren. Die hohen Windgeschwindigkeiten bewirken, daß sie im Laufe ihres Lebens alles Gas des interstellaren Mediums im Umkreis von mehreren Dutzend Lichtjahren von sich fortschieben; sie erzeugen um sich sogenannte Windblasen (s. Abbildung 13). Für die hellsten O Sterne kann der Verlust eines großen Teils ihrer Wasserstoffhülle durch Sternwinde katastrophale Folgen haben. Wenn mit der abnehmenden Sternmasse die Schwerebeschleunigung an der Sternoberfläche sinkt, stoßen sie an eine für Sterne fundamentale Stabilitätsgrenze: die sogenannte Eddington-Grenze. Sie ist erreicht, wenn der Strahlungsdruck der Photonen auf das Sterngas – auch ohne den Effekt der Strahlungsbeschleunigung in Absorptionslinien – so groß wird, daß er die Gravitationsanziehung überwindet. Der Massenausstoß des Sterns wird damit um Größenordnungen gesteigert, und die Verhältnisse an der Sternoberfläche ändern sich so rasch, daß Radius und Leuchtkraft des Sterns auf kurzen Zeitskalen variieren können; solche Sterne nennen die Astronomen LBVs (Luminous Blue Variables). Da die effektive Fluchtgeschwin66
Abbildung 13: Honigwabenartige Ansammlung von kugelschalenförmigen Nebeln in der Großen Magellanschen Wolke nahe dem Explosionsort der Supernova 1987A, aufgenommen im Januar 1992. Jede Blase hat einen Durchmesser von ca. 10 Lichtjahren und könnte das Resultat eines heftigen Windes von einem Zentralstern sein.
digkeit von Sternen an der Eddington-Grenze sehr klein ist – die Sternoberfläche ist so gut wie kräftefrei –, führen selbst sehr kleine Rotationsgeschwindigkeiten des Sterns dazu, daß ein Großteil des Windes den Stern mit einer vergleichsweise geringen Geschwindigkeit in einer äquatorialen Scheibe verläßt, denn im Gegensatz zu den Polen wirkt am Äquator des Sterns noch die Fliehkraft. Der Stern reagiert auf den Massenverlust mit einer raschen Radiusverkleinerung, wodurch sich die Schwerebeschleunigung an der Sternoberfläche erhöht. Sie gewinnt wieder die Oberhand, und der Stern entwickelt wieder einen normalen, d.h. sehr schnellen und nahezu sphärischsymmetrischen Sternwind. 67
Jüngste Untersuchungen legen nahe, daß der Stern η Carinae in den letzten Jahrhunderten die eben beschriebene Entwicklung durchgemacht hat. Der in Abbildung 14 gezeigte hanteiförmige Humunkulus-Nebel wird dabei als Durchbruch des – nahe am Stern sphärischen, schnellen – Sternwindes durch die ebenfalls fragmentarisch sichtbare, im Eddington-Wind erzeugte äquatoriale Scheibe interpretiert (vgl. auch Abbildung 2). Die Phase, während der η Carinae an die Eddington-Grenze gestoßen ist, entspricht dabei dem Mitte des letzten Jahrhunderts beobachteten Helligkeitsausbruch. Der Stern P Cygni befindet sich möglicherweise in einer ähnlichen Entwicklungsphase; wie η Carinae zeigte P Cygni in den vergangenen Jahrhunderten Helligkeitsausbrüche, und auch um ihn wurde vor kurzem ein kompakter, expandierender Nebel gefunden. Die LBV-Variationen sind sehr uneinheitlich und können sicher nicht allein durch die Eddington-Instabilität erklärt werden; dies gilt insbesondere für die leuchtschwächeren LBVs. Auf diesem Gebiet gibt es noch viele offene Fragen. O Stern- und LBV-Winde tragen dazu bei, daß die massereichsten Sterne ihre Wasserstoffhülle schon fast vollständig verloren haben, wenn sie die Brennphase des zentralen Heliumbrennens erreichen. Die LBV-Instabilität wird wirkungsvoll unterdrückt, wenn stark heliumangereichertes Material an die Sternoberfläche kommt, denn der bedeutendste Anteil des Strahlungsdrucks bei heißen Sternen beruht auf der Streuung der Photonen mit den freien Elektronen des Gases der Sternhülle. Helium liefert aber – pro Gramm Materie – nur halb so viele Elektronen wie Wasserstoff, so daß durch eine Heliumanreicherung der Massenanteil der freien Elektronen und mit ihnen der Strahlungsdruck deutlich sinken. Wenn der Stern seine Wasserstoffhülle verloren hat, kann er die Eddington-Grenze nicht mehr so leicht erreichen. Trotz allem weisen Sterne, die von ihrer Wasserstoffhülle befreit sind, die extrem heißen sogenannten Wolf-RayetSterne, noch immer enorme Winde auf. Sie sind so dicht, daß die Sternoberfläche nicht mehr zu sehen ist. Dies äußert sich im Sternspektrum darin, daß fast keine Absorptionslinien, son68
Abbildung 14: Der Humunkulus-Nebel um den Stern η Carinae, aufgenommen mit dem HUBBLE-Weltraumteleskop im Dezember 1993, ist möglicherweise Resultat des Erreichens der Eddington-Stabilitätsgrenze dieses extrem leuchtkräftigen Sterns. Der Winkeldurchmesser des Nebels beträgt etwa 15 Bogensekunden, der Durchmesser etwa 0,6 Lichtjahre. Vgl. auch Abbildung 2.
dem nur noch Emissionslinien dem Kontinuum überlagert sind, ein für Sternspektren einmaliger Fall. Im schnellen WolfRayet-Wind bildet sich dort, wo die Materiedichten klein genug werden, eine Pseudo-Oberfläche, von der aus die Photonen nach außen entweichen können; sie liegt oft mehrere Stern69
radien von der wahren Sternoberfläche entfernt. Die pro Zeiteinheit im Wolf-Rayet-Wind weggeblasene Materiemenge ist zwar nicht so groß wie die im Maximum des LBV-Windes, aber er bläst kontinuierlich während der gesamten weiteren Entwicklung des Sterns, welche eine Zeitspanne von etwa 500 000 Jahren umfaßt. Der Massenverlust in der Wolf-RayetPhase ist so erheblich, daß vom Stern am Ende seiner Entwicklung nur noch ein kleiner Bruchteil der Anfangsmasse übrig-
Abbildung 15: Endmasse als Funktion der Anfangsmasse für Sterne anfänglich solarer chemischer Zusammensetzung (durchgezogene Linie). Für Sterne mit Anfangsmassen oberhalb etwa 8 Sonnenmassen, welche letztlich als Supernovae explodieren, sind die Massen der Sterne kurz vor dem Supernova-Ausbruch als Endmassen eingetragen. Abweichungen von der Winkelhalbierenden des Diagramms (gestrichelte Gerade) ergeben sich vor allem durch Windmassenverluste, und zwar während der AGB-Phase bei massearmen und während der Wolf-Rayet-Phase bei den massereichsten Sternen. Die gepunktet eingezeichnete Linie gibt die Masse der stellaren C/O-Kerne am Ende der Entwicklung an. Zu den verschiedenen SupernovaTypen vgl. Kapitel 7c.
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bleibt. Dies ist unter anderem daran zu sehen, daß etwa die Hälfte aller Wolf-Rayet-Sterne, welche aufgrund der sehr geringen Zeitdauer der späteren Brennphasen (s. Kapitel 7b) im zentralen Heliumbrennen begriffen sein müssen, die Brennprodukte des Heliumbrennens, insbesondere Kohlenstoff, in hoher Konzentration an ihrer Sternoberfläche zeigen. Alle Sterne mit Anfangsmassen oberhalb von etwa 30 Sonnenmassen durchlaufen in der heutigen Milchstraße LBV- und Wolf-Rayet-Phasen; ihre Massen am Ende der thermonuklearen Entwicklung betragen einheitlich etwa nur 5 Sonnenmassen (vgl. Abbildung 15). Diese Sterne werden trotz ihrer geringen Endmassen eine Supernova-Explosion erleiden, die durch den Kollaps des zentralen Sternbereichs hervorgerufen wird (vgl. Kapitel 7c); der Grund: Am Ende ihrer Entwicklung bestehen sie fast ausschließlich aus schweren Elementen. Ihr C/O-Kern umfaßt mit mehreren Sonnenmassen mehr als genug, um alle thermonuklearen Brennphasen zu durchlaufen, ohne in die Sackgasse der nichtrelativistischen Entartung zu geraten (s. Kapitel 5c). b) Neutrinos und die späten Fusionsphasen Verglichen mit den masseärmeren Sternen verläuft die Entwicklung massereicher Sterne wie im Zeitraffer. Ihr Wasserstoffbrennen dauert einige Millionen Jahre, vergleichbar mit der Kontraktionszeitskala der Sonne, während ihre Kontraktionszeit sich nur nach Jahrzehntausenden bemißt. Das ist die Folge der immensen Leuchtkraft der Sterne oberhalb von etwa 8 Sonnenmassen, die fast durchweg im Bereich zwischen 10 000 und 1 Million Sonnenleuchtkräften liegt (vgl. Kapitel 4a). Ein prägnanter Vergleich: Die Sonne wird im Laufe ihres Lebens etwa 40mal das Milchstraßenzentrum umrunden, ein 20-Sonnenmassen-Stern am Ort der Sonne dagegen schafft während seines gesamten Lebens nur einen Kreisausschnitt von etwa 10°. Aufgrund ihrer kurzen Lebensspanne und weil der Sternentstehungsprozeß die Bildung massearmer Sterne stark begünstigt (s. Kapitel 2), sind massereiche Sterne in der Milchstraße 71
selten. Aber mit ihren riesigen Leuchtkräften, ihren meist sehr hohen Oberflächentemperaturen, ihren extremen Sternwinden und der finalen Supernova-Explosion dominieren sie den galaktischen Energiehaushalt. Sie entwickeln stellare Kerne oberhalb der Chandrasekhar-Masse und durchlaufen alle thermonuklearen Brennphasen. Dies macht sie zu den mit Abstand wichtigsten Nukleosynthesefabriken im Universum. Wasserstoff- und Heliumbrennen der massereichen Sterne unterscheiden sich nicht wesentlich von den entsprechenden Phasen der masseärmeren Sterne. Das Wasserstoffbrennen verbringen sie auf der Hauptreihe, und es umfaßt ca. 90 % der gesamten Lebensdauer der Sterne. Danach kontrahiert der Heliumkern – zunächst ohne zu entarten –, und die WasserstoffSchalenquelle betreibt die Expansion der Hülle zu Riesen-Dimensionen. Ein Teil des Heliumbrennens findet auf der Hayashi-Linie statt, ein anderer im heißen Gebiet des HRDs. Nur die massereichsten Sterne, die schon auf der Hauptreihe und noch mehr während des Heliumbrennens Sternwinde von solcher Stärke entwickeln, daß sie bereits in dieser Phase einen erheblichen Anteil ihrer Gesamtmasse verlieren, vermeiden ganz den kühlen Bereich des HRDs und verbringen ihr Heliumbrennen als heiße Wolf-Rayet-Sterne bei Oberflächentemperaturen zwischen 30 000 und 100 000 K. Der nach dem Ende des Heliumbrennens entstandene C/OKern massereicher Sterne ist genügend groß, um weiter zu kontrahieren, ohne allzu stark zu entarten. Die Temperaturen im Zentrum steigen über 1 Milliarde K. Bei derart hohen Temperaturen und entsprechend hohen Dichten kommt eine Teilchensorte ins Spiel, die die weitere Entwicklung des Sterns um ein Vielfaches beschleunigt: die Neutrinos. Neutrinos sind subatomare Teilchen, deren charakteristischste Eigenschaft es ist, mit normaler Materie fast überhaupt nicht in Wechselwirkung zu treten, sie gewissermaßen gar nicht wahrnehmen. Bis heute ist unbekannt, ob Neutrinos eine Ruhemasse besitzen, die gegebenenfalls allerdings sehr klein sein muß. Darum bewegen sich Neutrinos, wie Photonen, fast mit Lichtgeschwindigkeit. Die Reaktionswahrscheinlichkeit der Neutrinos mit Atomker72
nen ist so klein, daß sie im Durchschnitt in einem Medium mit einer Dichte von 6 g/cm3 – wie etwa dem Gestein der Erde – bis zu ihrer ersten Wechselwirkung 50 Lichtjahre weit fliegen würden; zum Vergleich: Die Entfernung Erde-Mond beträgt etwa eine Lichtsekunde. Im Inneren eines massereichen Sterns, der eine Milliarde K heiß ist, beträgt die Dichte allerdings 1 Million g/cm3. Dies reduziert die sogenannte mittlere freie Weglänge der Neutrinos etwa auf die Entfernung Sonne – Saturn (ca. 3000 Sonnenradien). Verglichen mit der Ausdehnung des dichten stellaren Kernbereichs von etwa 1 Hundertstel Sonnenradius, ist das immer noch eine gewaltige Strecke. Neutrinos können den Stern ohne Wechselwirkung durchfliegen. Wo kommen die Neutrinos her? In einem Gas mit einer Temperatur von mehr als 1 Milliarde K sind die Teilchen und Quanten so energiereich, daß es zur spontanen Paarbildung kommen kann. So können z.B. energiereiche Photonen spontan ein Elektron-Positron-Paar bilden. Das Positron ist das Antiteilchen des Elektrons. Materie und Antimaterie zerstrahlen in der Regel wieder zu Photonen, d.h. ein erzeugtes Positron wird mit dem nächsten Elektron, das es trifft, wieder in ein Lichtquant umgewandelt. Es besteht aber eine endliche Wahrscheinlichkeit dafür, daß bei der Reaktion eines Positrons mit einem Elektron keine Photonen, sondern Neutrinos entstehen. Auch Streuprozesse von Photonen und Elektronen sowie Plasmaquanten können spontan Neutrinos bilden, und zwar immer paarweise: ein Neutrino und ein Antineutrino. Wenn ein massereicher Stern im Zentrum Neutrinos erzeugt, wird sein Leben komplizierter bzw. gewissermaßen kostspieliger. Im Gegensatz zu den Photonen, die sich in Jahrzigtausenden von innen nach außen durch den Stern arbeiten müssen, verlassen die Neutrinos ihn augenblicklich. Die erhebliche Energie, die für ihre Erzeugung aufgewendet wurde, geht dem Stern ebenso augenblicklich verloren. Nun ist das nichts, womit ein Stern nicht leben könnte. Auch die Sonne erzeugt in ihrem Inneren Neutrinos – hier allerdings aufgrund des Ablaufs von Kernreaktionen – und erleidet damit einen stetigen Energieverlust von etwa 2 % ihrer Photonen-Leuchtkraft. Oberhalb 73
von 1 Milliarde K steigt aber die Neutrinoproduktion mit zunehmender Temperatur immens an. So ist schon im Kohlenstoffbrennen, der nuklearen Brennphase nach dem Heliumbrennen (vgl. Tabelle 4), das noch bei Temperaturen knapp unterhalb 1 Milliarde K abläuft, die Neutrino-Leuchtkraft eines Sterns mehr als hundertmal größer als seine PhotonenLeuchtkraft. Wenn dem Stern solch riesige Energiemengen entzogen werden, ohne daß sie zu seiner Stabilisierung beitragen könnten, muß die nukleare Energieproduktion entsprechend beschleunigt werden. So dauert in einem Stern von 20 Sonnenmassen das Kohlenstoffbrennen nur etwa 100 Jahre; ohne Neutrino-Energieverluste würde es 10 000 Jahre dauern.
Brennstoff
Temp. 106 K
Dichte g/cm3
H He C Ne O Si
30 200 600 1200 2000 3000
1 500 100 000 1 Mio. 10 Mio. 100 Mio.
Kühlung
Dauer
Aschen
Photonen 10 Mio.Jr. He Photonen 1 Mio. Jr. C,O Neutrinos 1000 Jr. Ne, Mg Neutrinos 10 Jr. Mg, Si Neutrinos 1 Jr. Si, S Neutrinos Stunden Fe, Ni
Bereich MSonne 10 6 5 3 2 1,5
Tabelle 4: Kernbrennphasen eines massereichen Sterns. Die Zahlen in den Spalten 5 und 7 hängen von der Masse des Sterns ab und gelten hier für einen 20-Sonnenmassen-Stern. Die letzte Spalte gibt die Massen der durch die entsprechenden Fusionsphasen ausgebrannten Kerne am Ende der Entwicklung an.
Die weiteren nuklearen Brennphasen vollziehen sich bei sukzessive höheren Temperaturen, und entsprechend steigen die Neutrinoverluste fast ins Unermeßliche. Die letzte Brennphase, das Siliziumbrennen, erfolgt bei etwa 3 Milliarden K (vgl. Tabelle 4), und die Neutrino-Leuchtkraft kann die PhotonenLeuchtkraft dabei um mehr als das Millionenfache übertreffen; sie steigt auf mehr als 1000 Milliarden Sonnenleuchtkräfte. Ein sehr massereicher Stern strahlt im Siliziumbrennen in einer einzigen Sekunde so viel Energie in Form von Neutrinos aus wie die Sonne in Form von Licht während einer Million Jahre. 74
Darum geschieht das gesamte Siliziumbrennen eines massereichen Sterns, also die Umwandlung von mehr als einer Sonnenmasse Silizium in Eisen, in dem geradezu lächerlichen Zeitraum von weniger als einem Tag. c) Sternkollaps und Explosion Mit Zeitskalen von Stunden und Leuchtkräften von 1000 Milliarden Sonnenleuchtkräften ist keineswegs die Grenze dessen erreicht, was Sterne leisten können. In der Sekunde seines Todes, im Supernova-Kollaps, dem leuchtkräftigsten Phänomen des Weltalls, emittiert ein Stern so viel Energie wie alle anderen Sterne des gesamten Universums zusammen. Wie kommt es dazu? Zunächst gilt es zu verstehen, warum der Stern im Anschluß an das Siliziumbrennen keine Energie mehr aus der Kernfusion gewinnen kann. Hauptprodukt des Siliziumbrennens ist Eisen, und die Atomkerne der Eisengruppenelemente, insbesondere Eisen und Nickel, sind stabiler als alle anderen. Ihre Protonen und Neutronen werden durch größere Kräfte zusammengehalten als z.B. die des Siliziums; bei der Fusion von Silizium zu Eisen wird Energie frei. Auch die sehr schweren Atomkerne sind weniger stark gebunden als die des Eisens, so daß auch bei der Spaltung sehr schwerer Atomkerne Energie frei wird. Aus Eisen aber ist nichts mehr „herauszuholen“: Gleichgültig, ob man es spalten oder durch Fusionsreaktionen schwerere Elemente aus ihm aufbauen will, es muß dazu Energie aufgewendet werden. Mit der Ausbildung eines Kerns aus Eisen hat ein Stern endgültig die Entwicklungsphase beendet, in der er aus Kernprozessen Energie gewinnen kann. Der Stern steht vor einer schier unüberwindlichen Schwierigkeit: Ihm geht die nukleare Energiequelle verloren, und er erleidet bei den extrem hohen Temperaturen in seinem Inneren gewaltige Energieverluste durch Neutrinoemission. Er muß wieder kontrahieren: Das Gravitationspotential ist die einzige Energiequelle, die ihm bleibt, um die hohen Energieverluste auszugleichen. Die Kontraktion aber treibt die Temperaturen 75
immer weiter in die Höhe, und dies läßt die Neutrinoverluste nur noch mehr ansteigen. Zwei Effekte bewirken nun, daß der stellare Kern sein hydrostatisches Gleichgewicht verliert, welches er seit dem Ende der Protostern-Phase inne hatte (vgl. Kapitel 3a). Zum einen führen die enormen Dichten zu inversen β-Zerfällen, also zu Elektroneneinfängen der Atomkerne, wodurch die Elektronenkonzentration und damit auch der Druck im stellaren Kern reduziert wird. Elektroneneinfänge sind bei Sternen mit Anfangsmassen knapp oberhalb von etwa 8 Sonnenmassen am wichtigsten; sie können dort den Druck sogar so weit reduzieren, daß die effektive Chandrasekhar-Masse auf Werte unterhalb von 1,3 Sonnenmassen verringert wird. Zum anderen kommt es bei Temperaturen von fast 10 Milliarden K zu Photodesintegrationen, d.h. die Photonen werden so energiereich, daß sie die Eisen-Atomkerne in Fragmente spalten können. Da Eisen-Atomkerne stabiler als alle anderen sind, verbraucht dieser Prozeß Energie. Die Effektivität beider Prozesse bewirkt, daß der Druck im stellaren Kern der riesigen Gravitationskraft nicht mehr die Waage halten kann: Er bricht unter seinem eigenen Gewicht zusammen. Der innere Teil des stellaren Eisenkerns – der nicht mehr nur aus Eisen besteht, sondern zunehmend auch aus dessen Desintegrationsprodukten sowie den sich daraus bildenden Kernen – kollabiert dabei in sehr guter Näherung so, als sei sein Innendruck gleich Null geworden; der äußere Teil des Eisenkerns fällt langsamer nach. Je größer die Dichten im kollabierenden Kern werden, desto wichtiger werden Elektroneneinfänge, d. h. je ein Proton eines Atomkerns und ein Elektron vereinigen sich zu einem Neutron, wobei ein Neutrino ausgesendet wird. Bei diesem Prozeß nimmt die Zahl der freien Elektronen im Gas immer mehr ab, was den Druck weiter reduziert und die Materie immer neutronenreicher werden läßt. Im weiteren Verlauf des Kollaps werden die Dichten so groß, daß die entstehenden Neutrinos nicht mehr frei entweichen können; dies tritt ein, wenn die Dichten ca. 1012 g/cm3 überschreiten – 1 cm3 würde auf der Erde 1 Million Tonnen wiegen. Es beginnt auch die Konzentration der Neutrinos zu stei76
gen, und aufgrund der zunehmenden Zahl ihrer Stöße mit den anderen Teilchen tragen sie zum Gesamtdruck bei. Bei etwa 1014 g/cm3 wird Kernmateriedichte erreicht, d.h. die Dichte ist vergleichbar mit der von Atomkernen. Die Atomkerne berühren sich gewissermaßen, und dies führt dazu, daß das Gas fast schlagartig inkompressibel wird – es läßt sich plötzlich nicht mehr weiter zusammendrücken. Wenn dies im Zentrum geschieht, merkt der Rest des Eisenkerns zunächst noch nichts davon und prallt mit großer Wucht auf die zentrale harte Kugel aus Material mit Kernmateriedichte. Die Kugel wird dadurch noch etwas komprimiert, schnellt aber sogleich wie eine harte Feder wieder nach außen
Abbildung 16: Der Krebsnebel, Überrest der Supernova-Explosion eines massereichen Sterns im Jahre 1054 n. Chr. im Sternbild Stier (vgl. auch Abbildung 24). Daß die Supernova vom hydrodynamischen Typus war, wird durch die Existenz eines Pulsars inmitten des Nebels nahegelegt, der auf dem Bild allerdings nicht zu sehen ist.
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und löst damit eine gigantische Stoßwelle aus, die den Eisenkern nach außen durchläuft, alles Material mit sich reißt und so dem Kollaps des zentralen Kerns eine gigantische Explosion der Hülle folgen läßt: Die Supernova ist geboren. Auf ihrem Weg nach außen verliert die Schockwelle zunächst stark an Intensität, weil ein großer Teil ihrer Energie dafür aufgezehrt wird, die Atomkerne im äußeren Teil des Eisenkerns zu desintegrieren. Numerische Modelle zeigen, daß die Energie der Neutrinos und konvektiver Wärmetransport in den äußeren Schichten des Proto-Neutronensterns, der im Zentrum der Supernova entstanden ist, wesentlich dazu beitragen, die Schockwelle nicht endgültig absterben zu lassen. Hat sie erst einmal den Eisenkern verlassen, gewinnt sie sogar etwas Energie, weil die Temperaturen, die durch die Schockwelle induziert wurden, klein genug geworden sind, um keine Photodesintegrationen mehr zu bewirken, aber noch groß genug sind, um im innersten Bereich der Sternhülle die Kernfusion noch einmal aufflammen zu lassen. Erst wenn die Schockwelle die Sternoberfläche erreicht hat, was einige Stunden nach dem nur Millisekunden dauernden zentralen Kollaps eintritt, wird die Supernova-Explosion als optisches Phänomen sichtbar, und die Supernova strahlt für einige Monate viele tausendmal heller als die hellsten Sterne. Bevor die Schockwelle die Sternoberfläche erreicht, schon in den ersten Sekunden nach dem Kern-Kollaps, emittiert die Supernova den Löwenanteil (99 %) der Energie, die durch den Fall in das tiefe Gravitationspotential freigesetzt wird. Denn sobald die Neutrinos mit ihrer Energie die Schockwelle endgültig auf den Weg gebracht haben, können sie selbst wieder entweichen. Die Supernova-Theorie sagt voraus, daß in einer Sekunde die unvorstellbare Energie von 1053 erg (eine 1 mit 53 Nullen) in Form von Neutrinos ausgesandt wird – das ist so viel Energie, wie alle je 10 Milliarden Sonnen in den 10 Milliarden Galaxien des Universums zusammen in dieser Zeit ausstrahlen. Die Zahl der von der Supernova entweichenden Neutrinos – etwa 1058 – ist so groß, daß es trotz ihrer unwahrscheinlich kleinen Wechselwirkungswahrscheinlichkeit mit nor78
maier Materie gelungen ist, auf der Erde die Neutrinos einer 150 000 Lichtjahre entfernten Supernova nachzuweisen: der Supernova 1987A in einer Satelliten-Galaxie unserer Milchstraße, der Großen Magellanschen Wolke. Zwei NeutrinoLabors, Kamiokande in Japan und IMB in den USA, haben unabhängig voneinander am 23. Februar 1987 um 7 Uhr 41 eine Anzahl von zwölf bzw. acht Neutrinos empfangen, die eindeutig von jener Supernova kamen. Diese ersten Neutrino-Messungen von einer Quelle außerhalb unseres Sonnensystems – kurioserweise sogar außerhalb unserer Milchstraße – lieferten eine hervorragende Bestätigung des beschriebenen qualitativen Supernova-Modells (vgl. Abbildung 17). Die Supernova 1987A wird sicher nicht lange die einzige Supernova bleiben, von der Neutrinos empfangen wurden. Statistisch sollte etwa alle 30 Jahre eine Supernova in unserer Milchstraße explodieren. Selbst wenn das Ereignis auf der uns
Abbildung 17: Neutrinos von der Supernova 1987A, aufgenommen von den Neutrino-Labors IMB (gefüllte Quadrate) und Kamiokande (offene Quadrate), die jeweils 8 bzw. 12 Neutrinos im Energiebereich zwischen 5 und 40 MeV (Mega-Elektronenvolt) innerhalb von 10 Sekunden gemessen haben. Diese Messungen lieferten erstmals den Beweis dafür, daß die Kerne massereicher Sterne zu Neutronensterndichten kollabieren.
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abgewandten Seite unserer Galaxie stattfindet, wo es optisch nicht wahrgenommen werden kann, wird es den seit 1987 verbesserten Neutrino-Detektoren auf keinen Fall entgehen. Was hier beschrieben wurde, ist eine sogenannte hydrodynamische Supernova, im Gegensatz zu den thermonuklearen Supernovae (s. Kapitel 8b). Die hydrodynamischen Supernovae werden oft mit den Typ II Supernovae gleichgesetzt, die spektroskopisch durch das Auftreten von Wasserstofflinien definiert sind; dies ist aber nicht immer richtig. Zwar weisen die Vorläufer der thermonuklearen Supernovae keinen Wasserstoff auf, sind daher generell vom Typ I, der durch das Fehlen von Wasserstofflinien definiert ist, aber die massereichsten Vorläufer von hydrodynamischen Supernovae können ebenfalls wasserstofffrei sein (s. Kapitel 7a) und daher als Typ I Supernovae beobachtet werden. Eine spektroskopische Sub-Klassifizierung der Typ I Supernovae legt nahe, daß letztere in die Kategorie Typ Ib/c fallen, thermonukleare Supernovae hingegen dem Typ Ia entsprechen; diese Einteilung soll im weiteren beibehalten werden (vgl. auch Abbildung 15). d) Neutronensterne und Schwarze Löcher Bei dem vorgestellten Supernova-Modell wird ein zentraler Teil des Sterns nicht in das interstellare Medium hinausgeschleudert, sondern bleibt gravitativ gebunden. Der innerste Kernbereich des Sterns, der zuerst Kernmateriedichte erreicht, kann als ein harter, rückfedernder, kugelförmiger Bereich betrachtet werden. Es ist offenkundig, daß er sich nicht selbst aus dem Sternzentrum herauskatapultieren kann. Die hohen Energieverluste durch die Neutrinoemission bewirken, daß fast der gesamte ehemalige Eisenkern gravitativ gebunden bleibt. Nur die darüberliegende Sternhülle, die wegen ihrer großen Ausdehnung gar nicht die Zeit gefunden hat, dem zentralen Kollaps des Kerns zu folgen und daher gravitativ weniger stark gebunden ist, wird durch die Schockwelle hinausgeschleudert. Im Inneren der Supernova bleibt der kollabierte Kern, bildet sich ein Neutronenstern. 80
Kleine Mengen des Materials aus dem Übergangsbereich zwischen dem entstandenen Neutronenstern und der darüberliegenden Hülle werden mit in den Weltraum hinausgerissen. Dieses Material ist extrem neutronenreich und bildet im sogenannten r-Prozeß (r von rapid, schnell) schwere Elemente vom Eisen bis zum Blei. Die Neutronendichten sind im r-Prozeß so hoch, und die Zeitskala für Neutronenanlagerung ist mit Bruchteilen von Sekunden so kurz, daß ein Atomkern in der Regel viele Neutronen anlagern kann, bevor ein β-Zerfall das Element mit der nächsthöheren Ordnungszahl erzeugt. Im sProzeß dagegen, der eine Neutroneneinfang-Zeitskala von teilweise vielen tausend Jahren hat, folgt fast auf jeden Neutroneneinfang ein β-Zerfall. Der r-Prozeß erzeugt in der Regel die neutronenreichen Isotope der Elemente jenseits von Eisen, während im s-Prozeß die neutronenärmeren Isotope gebildet werden (vgl. Abbildung 11). Ein weiteres Phänomen, das sich während der Supernova-Explosion ereignet, hat seinen Grund darin, daß in den äußeren Bereichen des entstehenden Neutronensterns konvektive Strömungen und Wirbel auftreten. Konvektion besteht stets aus aufsteigenden energiereichen und absinkenden energiearmen Teilströmungen. Die bei der Konvektion vom Inneren an den Rand des Proto-Neutronensterns transportierte Energie ist dort nicht gleichmäßig verteilt: Wo von unten Material aufströmt, ist es heißer als an Orten, an denen Material nach unten absinkt. Da die Neutrino-Emissionsrate stark von der Temperatur abhängt, kommt es zu einer deutlich anisotropen, zu einer in verschiedene Richtungen unterschiedlich starken Neutrinoabstrahlung. Sie versetzt dem Neutronenstern einen Stoß in die Richtung, die der mittleren Richtung der Neutrinoemission entgegengesetzt ist. Auch außerhalb des Neutronensterns entsteht eine Konvektionszone, deren Energietransport kräftig hilft, die nach außen laufende Stoßwelle der Supernova-Explosion anzutreiben und eine zusätzliche Anisotropie in der Explosion hervorzurufen. Modellrechnungen zeigen, daß die Zahl der konvektiven Auf- und Abströmungen relativ klein und die erzeugte Anisotropie gerade darum relativ groß ist (s. Abbildung 18). 81
Abbildung 18: Numerische Simulation der Konvektion in einer Typ II Supernova. Dargestellt ist die Entropie – helle Gebiete sind heiß, dunkle Gebiete sind kälter – 0,65 Sekunden nach dem Kollaps des zentralen Eisenkerns eines 20-Sonnenmassen-Sterns. Der dargestellte Halbkreis hat einen Radius von 120 km. Im inneren Bereich von ca. 35 km Radius bildet sich der Neutronenstern. Dem Bild sind Geschwindigkeitsvektoren überlagert, von denen die globale Ausstrombewegung der Explosion subtrahiert ist, so daß die konvektiven Strömungsmuster sichtbar werden.
Insgesamt kann die Asymmetrie der Explosion so groß sein, daß der Neutronenstern Geschwindigkeiten von einigen hundert km/s erhält. Das ist zwar deutlich weniger als die Geschwindigkeit, mit der die Sternhülle zunächst auseinandergetrieben wird – sie kann größer als 10 000 km/s sein. Später aber, wenn die auseinanderfliegende Sternhülle als Supernova-Überrest im Laufe von Jahrtausenden vom umliegenden interstellaren Gas abgebremst wird, kann der Neutronenstern, der seine Geschwindigkeit unvermindert beibehält, aus dem Supernova-Überrest her82
ausfliegen. Tatsächlich finden sich Supernova-Überreste, die zwar noch einen Neutronenstern beinhalten, aber nicht mehr im geometrischen Zentrum, sondern schon in deren Randbereichen. Viele isolierte Neutronensterne, sogenannte Pulsare (s. u.), weisen eine sehr große Eigengeschwindigkeit auf. Es ist denkbar, daß eine große Zahl von Neutronensternen Geschwindigkeiten erhielt, die sie weit aus der Milchstraßenscheibe hinausgeschleudert haben; die Milchstraße und alle anderen Galaxien könnten durchaus mit einem ausgedehnten Halo aus Neutronensternen umgeben sein. Beim Kollaps eines stellaren Eisenkerns kommt es nicht nur zu einer sehr starken Erhöhung seiner Dichte. Alle Sterne rotieren, zumindest ein wenig. Mit zunehmender Verdichtung muß aber die Rotationsperiode immer kürzer werden, ähnlich wie bei einem Eisläufer, der eine Pirouette mit ausgestreckten Armen beginnt und immer schneller um seine eigene Achse rotiert, je mehr er die Arme an den Körper anlegt. Neutronensterne können extrem schnell rotieren; die schnellsten schaffen etwa 1000 Eigendrehungen pro Sekunde. Auch Magnetfelder sind in jedem Stern vorhanden, welche durch den Kollaps zu extremen Feldstärken konzentriert werden. Die schnelle Rotation führt dazu, daß einige Teilchen – Elektronen oder Protonen – die NeutronensternOberfläche verlassen können, und zwar aufgrund ihrer elektrischen Ladung nur am magnetischen Nord- und Südpol. Dabei werden sie beschleunigt und senden Strahlung entlang der Magnetfeldachse aus, zumeist im Radiobereich, manchmal aber auch im sichtbaren Licht. Ist die Magnetfeldachse gegen die Rotationsachse geneigt, sendet der Neutronenstern zwei enge Lichtkegel aus, die die Rotation mitvollziehen. Diese kosmischen Leuchtfeuer erhielten den Namen Pulsare. Steht unser Sonnensystem zufällig in der Bahn eines solchen Lichtkegels, wird es pro Rotationsperiode des Neutronensterns einmal von dem Lichtkegel getroffen, und es sieht so aus, als würde der Neutronenstern periodisch aufblinken. Der berühmteste Pulsar, der sogar im sichtbaren Licht nachzuweisen ist, ist der Neutronenstern im Krebsnebel, dem Überrest einer vor knapp tausend Jahren beobachteten Supernova im Sternbild Stier (s. Abbildung 16). 83
Wie sieht die Struktur eines Neutronensterns aus? Beim Kollaps des stellaren Eisenkerns hat das Einfangen von Elektronen die Neutronen zur vorherrschenden Nukleonensorte im Kernmateriebrei gemacht. Es blieben Beimengungen von noch vorhandenen Elektronen und Protonen, die aus Gründen der Ladungserhaltung stets gleich häufig sind. Die erreichten Dichten entsprechen denen von Atomkernen (1014–1015g/cm3). Man kann sagen: Der Neutronenstern ist selbst ein Atomkern gigantischen Ausmaßes. Neutronen unterliegen, ebenso wie die Elektronen, dem Pauli-Verbot (vgl. Kapitel 5a), d.h. sie können sich nicht beliebig nahe kommen, ohne große Geschwindigkeitsunterschiede aufzuweisen. Bei den gegebenen hohen Dichten ist das Neutronengas in der Tat stark entartet. Neutronensterne haben in gewisser Hinsicht Ähnlichkeit mit Weißen Zwergen: Sie bestehen aus hochentarteter Materie. Folgerichtig sind die Radien von Neutronensternen – die typischerweise nur etwa 10 km betragen – um so kleiner, je mehr Masse ein Neutronenstern besitzt. Es gibt auch für Neutronensterne, ebenso wie für Weiße Zwerge, eine Grenzmasse, oberhalb derer sie unter ihrer eigenen Schwerkraft zusammenbrechen müssen. Bei den Weißen Zwergen erzeugen die Elek tronen im Gas fast den gesamten Druck, obwohl ihre Masse im Vergleich zur Masse der Atomkerne im Gas vernachlässigbar klein ist – ein Elektron wiegt nur etwa ein Tausendstel eines Protons oder Neutrons. Im Neutronenstern dagegen sind die Neutronen sowohl für den gesamten Druck als auch für die gesamte Masse verantwortlich. Wenn also die Neutronen relativistisch entarten – d.h. sie sich so nahe kommen, daß viele Neutronen Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit entwickeln –, wächst die effektive Masse der Neutronen gemäß der speziellen Relativitätstheorie. Damit wächst auch die Masse des Neutronensterns. Ignoriert man diesen Effekt bei Neutronensternen, der bei Weißen Zwergen keine Rolle spielt, erhält man eine obere Grenzmasse von etwa 5,7 Sonnenmassen. Seine Berücksichtigung führt zu deutlich kleineren Grenzmassen. Unsicherheiten in der Beschreibung der Zustandsgleichung bei Dichten oberhalb von 1015g/cm3 haben bislang eine 84
genaue Berechnung der Neutronenstern-Grenzmasse verhindert; die bestehenden Theorien schränken sie aber auf Werte zwischen 1,5 und 3 Sonnenmassen ein. Die theoretische Einschränkung der möglichen Neutronensternmassen auf Werte kleiner als etwa 3 Sonnenmassen ist sehr wichtig. Denn Astronomen haben in einigen Doppelsternsystemen (s. Kapitel 8), die offensichtlich aus einem normalen Stern und einem nicht-leuchtenden Körper bestehen, mit Hilfe der Keplerschen Gesetze die Massen beider Komponenten ableiten können und gefunden, daß manche Systeme nicht-leuchtende Komponenten mit Massen deutlich oberhalb von drei Sonnenmassen enthalten. Diese Objekte müssen kollabierte Neutronensterne sein. Dabei besteht die Möglichkeit, daß beim Kollaps eines massereichen stellaren Eisenkerns zunächst ein Neutronenstern gebildet wird, dessen Masse aber letztlich zu groß ist, so daß er unter seiner eigenen Schwerkraft zusammenbrechen muß – in diesem Fall ist eine begleitende Supernova-Explosion wahrscheinlich. Falls der Eisenkern noch massereicher ist, so daß sein Kollaps ohne einen hydrostatischen Zwischenzustand direkt zu Dichten oberhalb von Kernmateriedichten führt, könnte keine Supernova entstehen. Wenn ein Objekt mit einer gegebenen Masse eine kritische Ausdehnung unterschreitet – den sogenannten SchwarzschildRadius, der nur von der Masse des Objekts abhängt und für einen Neutronenstern etwa 5 km beträgt –, dann schnürt sich nach der allgemeinen Relativitätstheorie das Objekt selbst gewissermaßen von der ihn umgebenden Raum-Zeit ab. Alles, was von ihm noch wahrzunehmen ist, ist seine Gravitationsanziehung. Selbst Photonen, also Licht, können ein solches Objekt nicht mehr verlassen. Solche Gebilde, Schwarze Löcher, bilden einen Zustand ultimativer Kompaktheit, mathematisch beschreibbar durch Singularitäten; eine Steigerung der Kompaktheit ist nicht mehr möglich. Sie deformieren Raum und Zeit in ihrer Umgebung, und ihre mathematische Beschreibung sagt eine Vielzahl faszinierender Effekte voraus (s. z. B. Roman und Hannelore Sexl: Weiße Zwerge – Schwarze Löcher). 85
8. Doppelsterne Sterne entstehen aus fragmentierenden Gaswolken, und da in diesen viele Sterne gleichzeitig eng benachbart entstehen, ist es nur natürlich, daß sich dabei Doppelsterne und Mehrfachsysteme bilden. Es gibt sogar Astronomen, die behaupten, alle Sterne seien in Mehrfachsystemen entstanden, auch die, die heute Einzelsterne sind, wie z.B. unsere Sonne. Bei einem Doppelsternsystem umrunden zwei Sterne ihren gemeinsamen Schwerpunkt – hier zählen nicht solche Sternpaare unter den Doppelsternbegriff, die von der Erde aus gesehen nur zufällig fast auf dem gleichen Sehstrahl liegen und deshalb am Himmel eng benachbart sind. Mehrfachsysteme bestehen aus paarweise angeordneten Untersystemen, wobei jedes Untersystem entweder von einem Doppelstern oder von einem Einzelstern gebildet wird. Doppelsternsysteme sind sehr viel häufiger als Mehrfachsysteme und hier geeignet, um die grundsätzlichen Effekte der Stern-Stern-Wechselwirkung und die sich daraus ergebende Vielfalt an Phänomenen zu beschreiben. a) Das Algol-Paradoxon Algol ist ein berühmter Stern im Sternbild Perseus, der mit einer Helligkeit von 2 m. 3 dem bloßen Auge recht hell erscheint. Berühmt geworden ist er deshalb, weil er etwa alle drei Tage für einige Stunden um über eine Größenklasse schwächer leuchtet als sonst. Dieses Phänomen, das sich in strenger Regelmäßigkeit wiederholt, ist erstmals 1669 dokumentiert. Doch aus alten Sagen ist zu schließen, daß Algol auch schon in der Antike als variabel erkannt wurde. Es ist wohl kein Zufall, daß Algol in der Perseus-Sage das Haupt der Medusa markiert, das Monster in Frauengestalt und mit Schlangenhaar, dessen Blick jedes Lebewesen in Stein verwandeln konnte, und auch der arabische Begriff Ras-Al-Ghul, von dem der Name Algol herrührt, bedeutet: Kopf des Dämons. 86
Algol ist ein sogenannter Bedeckungsveränderlicher, das ist ein Doppelsternsystem, dessen Bahnebene fast parallel zum Sehstrahl von der Erde aus liegt, so daß sich die beiden Komponenten bei jedem Umlauf in der Regel zweimal gegenseitig bedecken; sie stehen dann, von der Erde aus gesehen, gerade hintereinander. Das Algol-System erfährt in der Tat zwei Verdunkelungen pro Umlauf, die jeweils knapp zehn Stunden dauern, deren Ausmaß aber stark unterschiedlich ist. Bei der ersten leuchtet das Sternsystem über eine Größenklasse schwächer als im Normalzustand, die zweite Verdunklung beträgt nur wenige Hundertstel Größenklassen und ist mit dem bloßen Auge nicht auszumachen. Diese Asymmetrie in der Lichtkurve rührt daher, daß die beiden Sterne des Systems unterschiedlich hell sind. Der eine, Stern A, leuchtet mit etwa 100 Sonnenleuchtkräften, der andere, Stern B, mit nur etwa 3 Sonnenleuchtkräften. Das tiefe Minimum der Lichtkurve entspricht der Phase, in der der leuchtschwächere Stern B sich vor seinen hellen Begleiter schiebt. Heute sind mehr als 4000 bedeckungsveränderliche Doppelsterne bekannt, und Algol ist der Prototyp einer bedeutenden Unterklasse, deren Sternkomponenten scheinbar paradoxe Eigenschaften besitzen. Der leuchtschwächere und masseärmere Stern B im Algol-System ist mit einem Radius von fast 4 Sonnenradien bereits eindeutig auf dem Weg, sich in einen Riesenstern zu transformieren, während der viel hellere Stern A mit etwa 2,8 Sonnenradien eine Ausdehnung hat, die für Hauptreihensterne dieser Masse ganz normal ist. Stern A ist also zweifellos noch mitten im zentralen Wasserstoffbrennen. Eine triviale, aber wichtige Konsequenz dessen, daß die Komponenten eines Doppelsternsystems zur gleichen Zeit entstanden sind, ist, daß beide Sterne des Systems gleich alt sind. Wie kann aber der masseärmere Stern B sein zentrales Wasserstoffbrennen schon vor dem verschwenderisch leuchtenden massereicheren Stern A beendet haben, wenn beide gleich alt sind? Genau diese Frage wird als Algol-Paradoxon bezeichnet. Seine Auflösung erfordert einen gewissen Mut – und ist dann verblüffend einfach: Der Stern B muß früher masserei87
eher und leuchtkräftiger gewesen sein als Stern A. Wenn der massereichere Stern in einem engen Doppelsternsystem sein Wasserstoffbrennen beendet hat und zu expandieren beginnt, wird seine Oberfläche dem masseärmeren Begleiter dabei zu nahe kommen, so daß Material vom expandierenden Stern auf den Begleiter abzuströmen beginnt. Bevor es zum sogenannten Massentransfer kommt, wird der anfänglich massereichere Stern stark verformt, er beult sich in Richtung seines Begleiters aus. Dieses Phänomen kann man z. B. im bedeckungsveränderlichen System β Lyrae studieren. Die Lichtkurve dieses Systems zeigt eindeutig, daß beide Sterne eiförmig sind, daß sie also, wenn sie von der Erde aus gesehen nebeneinander stehen, eine größere Oberfläche und damit auch eine größere Helligkeit zeigen als in den Phasen kurz vor einer Bedeckung. Der Massentransfer in engen Doppelsternsystemen kann unterschiedlich schnell verlaufen. Die Erhaltung des insgesamt im Doppelstern vorhandenen Drehimpulses hat das Resultat, daß der Massenübertrag von der massereicheren zur masseärmeren Komponente den Bahnabstand der beiden Sterne kleiner werden läßt. Das ist in gewisser Weise fatal für den expandierenden Stern, dem es ohnehin schon zu eng geworden war. Andererseits werden die meisten Sterne durch den Massenverlust kleiner – das ist keineswegs selbstverständlich, wie die entarteten Sternen gezeigt haben. Es wird sich eine hohe, aber endliche Massentransferrate einstellen, und das Doppelsternsystem wird immer enger. Es wird schließlich der Punkt erreicht, an dem beide Sterne die gleiche Masse haben. Wenn Stern B weiter expandiert, wird Masse auf den bald massereicheren Stern A gebracht, und das Doppelsternsystem wird wieder weiter. Weil dadurch der masseverlierende Stern wieder mehr Platz erhält, nimmt die Massentransferrate in dieser Phase deutlich ab. Der Bahnabstand wird aber keineswegs so weit wachsen, daß der ursprünglich massereichere, jetzt masseärmere Stern ungehindert zu Rote Riesen-Dimensionen anwachsen kann. Der Massenüberstrom wird erst aufhören, wenn der expandierende Stern den größten Teil seiner Wasserstoffhülle verloren hat, die Wasserstoffschalenquelle schwächer wird und die Expansion 88
des Sterns aufhört; in der Regel hat er bis dahin weit mehr als 50 % seiner Anfangsmasse abgegeben. Algol ist noch in der Phase des Massentransfers begriffen: Mit Radiobeobachtungen wurde ein Gasstrom zwischen beiden Komponenten nachgewiesen, und im optischen Spektrum des helleren Sterns wurden Spektrallinien gefunden, die zeigen, daß er von einer Scheibe leuchtenden Gases umgeben ist, die durch den Massentransfer erzeugt wurde. b) Massenüberstrom auf Weiße Zwerge Viele Doppelsterne enthalten einen Weißen Zwerg als Komponente; das kann Anlaß zu hochgradig instabilen Zuständen geben. Weiße Zwerge bestehen aus stark entartetem Gas. Nehmen sie durch Massenüberstrom von einem Begleiter Wasserstoff- oder heliumreiches Material auf, Astronomen nennen es akkretieren, entartet es auf dem Weißen Zwerg bald selbst. Wenn sich so viel von ihm angesammelt hat, daß am Boden der akkretierten Schicht Brenntemperaturen erreicht werden, muß es zu einer thermonuklearen Katastrophe kommen, ganz ähnlich wie beim zentralen Helium-Flash massearmer Sterne (vgl. Kapitel 5b). Heute sind etwa 800 Doppelsterne bekannt, die aus einem akkretierenden Weißen Zwerg und einem meist massearmen Hauptreihenstern bestehen, welcher Masse an den Weißen Zwerg abgibt. Solche Systeme heißen kataklysmische Veränderliche oder kurz CVs (nach dem englischen Begriff cataclysmic variables). Damit in einem solchen System Massenüberstrom einsetzen kann, muß der Bahnabstand der beiden Komponenten sehr klein sein; er darf nur wenige Sonnenradien betragen. Wie kommt ein Weißer Zwerg, dessen Vorläufer normalerweise ein Roter Riese ist, zu einem so nahen Begleiter? Die Antwort lautet: die CV-Systeme müssen früher so weit gewesen sein, daß der ursprünglich massereichere Stern sich bis zum Roten Riesen ausdehnen konnte, bevor ihm sein Begleiter in den Weg kam und der Massenüberstrom einsetzte. Die Hülle von Roten Riesen ist fast vollständig konvektiv. Wenn 89
Sterne mit konvektiven Hüllen Masse verlieren, reagiert ihre innere Struktur darauf mit Ausdehnung, statt – wie die meisten anderen Sterne – mit einer Radiusverringerung (vgl. Kapitel 8a). In einer solchen Situation schrumpft nicht nur der Bahnabstand durch den Massenüberstrom, sondern der masseverlierende Stern wird auch noch größer; dies ist ein gänzlich instabiler Fall. Die Massentransferrate schwillt innerhalb kurzer Zeit so weit an, daß der Begleiter die Materie gar nicht so schnell aufnehmen kann und sein Radius stark zunimmt. Der Rote Riese wächst aufgrund des starken Massenabstroms noch mehr an, und schließlich bildet sich eine gemeinsame Gashülle um beide Sterne aus, in welcher sich der Begleitstern des Roten Riesen, der noch im Hauptreihenstadium ist, und der Kern des Roten Riesen gegenseitig umkreisen. Die Bewegung der beiden kompakten Objekte durch die gemeinsame Riesen-Hülle verursacht starke Reibung, mit zwei Konsequenzen. Erstens werden sie durch die Reibung abgebremst und kommen sich dadurch immer näher, und zweitens wird durch die Reibung Wärme erzeugt, d.h. es wird sehr viel Energie freigesetzt. Während die Sterne nun aufeinander zu spiralen, wird ihre Rotationsbewegung immer schneller, die pro Zeiteinheit freigesetzte Reibungsenergie immer größer, und es wird vielfach dazu kommen, daß die Energie ausreicht, um die gesamte Riesen-Hülle abzustoßen. Damit werden die beiden kompakten Komponenten freigegeben: der Kern des Roten Riesen, der zum Weißen Zwerg wird, und der Hauptreihenstern, der das Abenteuer fast unbeschadet überstanden hat. Wenn die Riesen-Hülle nicht rechtzeitig abgeworfen werden kann, müssen die beiden Zentralobjekte schließlich miteinander verschmelzen. Das Resultat ist dann ein Einzelstern mit möglicherweise sehr ungewöhnlicher chemischer Struktur. Solche Objekte könnten den sogenannten R Corona Borealis-Sternen entsprechen, ausgedehnten, heliumreichen Sternen mit einer extremen Kohlenstoffanreicherung in ihrer Hülle. Doppelsternsysteme, die die gemeinsame Hülle abstoßen, entsprechen den Parametern von CVs: Sie sind sehr eng geworden und bestehen aus einem Hauptreihenstern und einem Wei90
ßen Zwerg. Der Grund des Massenüberstroms in den CVs liegt normalerweise nicht darin, daß der Hauptreihenstern expandiert, sondern im langsamen Zerfall der Doppelsternbahn. Es gibt zwei wichtige Ursachen für den Verlust von Bahnenergie, der zu einer stetigen Annäherung beider Komponenten führt. Zum einen ist das System so eng und die Bahnbewegung so rasch – ein Umlauf dauert nur wenige Stunden –, daß Gravitationswellenstrahlung erzeugt wird, eine Energieform, die nach der allgemeinen Relativitätstheorie von jedem zeitlich variablen Gravitationsfeld ausgestrahlt wird und sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet (vgl. Kapitel 1). Dieser Energieverlust geht auf Kosten der Bahnenergie und macht das System enger. Der zweite Effekt beruht auf dem Sternwind des Hauptreihensterns, der analog zum Sonnenwind vorausgesetzt werden kann. Die Partikel dieses Windes, zumeist Elektronen oder Protonen, werden vom Magnetfeld des Hauptreihensterns bis zu sehr großen Abständen von der Sternoberfläche gezwungen, mit der Eigendrehung des Sterns mitzurotieren; das bremst die Rotationsbewegung des Sterns selbst stark ab. Im Gegensatz zu unserer Sonne, bei der diese Abbremsung fast vollständig gelungen ist – sie rotiert nur in etwa 26 Tagen einmal um ihre Achse –, wird der Hauptreihenstern im CV-System durch das nahe Schwerefeld des Weißen Zwergs stark deformiert. Diese starken Gezeitenkräfte führen sehr schnell zu gebundener Rotation, d.h. der Hauptreihenstern weist dem Weißen Zwerg immer die gleiche Seite zu, ähnlich wie der Mond der Erde. Der durch den Sternwind abgeführte Drehimpuls in CVs wird daher dem Bahndrehimpuls des Systems entzogen. Der Bahnzerfall führt zu einer Annäherung beider Sterne und verursacht einen stetigen Massenüberstrom vom Hauptreihenstern auf den Weißen Zwerg. Die Rotation des Systems läßt das überströmende Material nicht direkt auf den Weißen Zwerg fallen, sondern es sammelt sich zunächst in einer rotierenden Scheibe um diesen, in der es, durch Scherkräfte abgebremst, nach innen spiralt und schließlich die Oberfläche des Weißen Zwergs erreicht. Die innere Reibung der Scheibe, mehr noch aber die Reibung der Scheibe am Sternrand und der Auf91
prall des Materiestroms auf den äußeren Scheibenrand im sogenannten hot spot heizen sie so stark auf, daß die Scheibe – und nicht die Sterne – die dominante Lichtquelle eines CVs darstellt. Sie kann eine Leuchtkraft von mehreren Sonnenleuchtkräften erreichen. Dies ist wichtig für das Verständnis der Zwergnova-Erscheinungen, die etwa 50 % aller CVs zeigen: einige Tage andauernde Lichtausbrüche von mehreren Größenklassen, die sich in unregelmäßigen Abständen von ca. 100 Tagen wiederholen. Zwergnovae werden sehr wahrscheinlich durch Instabilitäten der Akkretionsscheibe verursacht, nicht durch Veränderungen der Leuchtkräfte der Sternkomponenten. Die stetige Akkretion von Wasserstoff und Helium auf einen Weißen Zwerg bedeutet: Es sammelt sich hochexplosiver Brennstoff an. In welcher Form er auf dem Weißen Zwerg zündet und verbrennt, hängt entscheidend davon ab, wie stark das akkretierte Material entartet. Da bei vergleichbaren Dichten kälteres Gas stärker entartet ist als wärmeres (vgl. Kapitel 5), wird der Entartungsgrad um so größer sein, je langsamer die Akkretion vor sich geht, je kleiner die Akkretionsrate ist. Im Falle schneller Akkretion kann das Gas nicht schnell genug abkühlen; es heizt sich auf und erreicht die Brenntemperaturen bei sehr schwacher Entartung, d.h. Wasserstoff- und Heliumbrennen können ganz normal und stetig ablaufen. Die entstehende Sternstruktur wäre tatsächlich ebenfalls die eines Roten Riesen, wenn nicht die Anwesenheit des nahen Begleiters die Ausbildung einer gemeinsamen Hülle erzwingen und so den Massenzuwachs des Weißen Zwerges stark begrenzen würde. Akkretionsraten, oberhalb derer das Wasserstoffbrennen nichtentartet verläuft, betragen etwa 10–7 Sonnenmassen pro Jahr – theoretisch würde also in 10 Millionen Jahren eine Sonnenmasse akkretiert (vgl. Abbildung 19). Diese kritische Rate liegt deutlich oberhalb der Akkretionsrate in den meisten CVs. Kleinere Akkretionsraten führen dazu, daß das Wasserstoffbrennen unter stark entarteten Bedingungen zündet; es kommt zum thermonuklearen runaway. Wie beim zentralen Heliumflash führt die einsetzende Kernfusion zu einer Erwärmung, 92
Abbildung 19: Verhalten des Kernbrennens bei Akkretion von Wasserstoff (links) oder Helium (rechts) auf einen Weißen Zwerg in Abhängigkeit von der Akkretionsrate. Die Akkretion von Helium kann dabei entweder durch Massenüberstrom heliumreichen Materials von einem Begleitstern oder, falls wasserstoffreiches Material mit einer Rate oberhalb von etwa 10“‘ Sonnenmassen pro Jahr akkretiert wird, durch Anreicherung der Heliumschicht beim Wasserstoffbrennen erreicht werden. Das Ergebnis der Akkretion ist entweder eine Nova-Explosion, eine Supernova-Explosion oder das Kollabieren des Weißen Zwerges zu einem Neutronenstern. Die aus dem Diagramm ersichtlichen Grenzwerte sind als Größenordnungen zu betrachten und hängen zusätzlich von der Masse des Weißen Zwerges ab.
welche das entartete Gas aber nicht durch Expansion moderieren kann, so daß die erhöhten Temperaturen die Kernreaktionen immer mehr anheizen. Für Akkretionsraten kleiner als etwa 10–9 Sonnenmassen pro Jahr – also für die meisten CVs – kommt es dabei zu einem Nova-Ausbruch: Ein großer Teil des akkretierten Wasserstoffs verpufft in kurzer Zeit und wird aufgrund der starken Freisetzung von Energie von der Sternober93
fläche fortgeblasen. Für die Zeitdauer von einigen Dutzend Tagen entsteht ein sehr heftiger Wind mit Geschwindigkeiten von weit über 1000 km/s. Die Leuchtkraft des Systems erhöht sich um einen Faktor 10 000 bis 1 Million, so daß seine scheinbare Helligkeit um 10 bis 15 Größenklassen ansteigen kann. In einem Nova-Ausbruch werden etwa 10–4 Sonnenmassen Gas, welches teilweise stark mit Nukleosyntheseprodukten angereichert ist, in das interstellare Medium geworfen (s. Abbildung 20). In der Milchstraße werden etwa 3 bis 4 Nova-Explosionen pro Jahr beobachtet, woraus die galaktische Nova-Rate insgesamt auf etwa 40 pro Jahr geschätzt wird. Da die Gasakkretion nach dem Nova-Ausbruch unvermindert andauert, ist zu erwarten, daß sich in einem System Nova-Ausbrüche nach einer gewissen Zeit wiederholen; dies ist tatsächlich schon in wenigen Fällen beobachtet worden. So zeigt z. B. das Doppelsternsystem U Soc, das eine Umlaufperiode von etwa einem Tag aufweist, etwa alle 10 Jahre einen Nova-Ausbruch. Ein weiteres
Abbildung 20: Aufnahme der am 19. Februar 1992 explodierten Nova Cygni, gewonnen am 31. Mai 1993 mit dem Hubble-Weltraumteleskop. Die Schalenstruktur des ausgeworfenen Materials um den Zentralstern ist deutlich sichtbar.
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bekanntes System ist T CrB im Sternbild Nördliche Krone, welches mit einer Bahnperiode von 227 Tagen allerdings kein typisches CV darstellt. Im Ruhezustand ist es ein Objekt 15. Größenklasse, und es hat in den Jahren 1866 und 1946 NovaAusbrüche gezeigt, die es als Objekt 2. Größenklasse für das bloße Auge deutlich sichtbar aufleuchten ließen. Novae sind trotz ihres enormen Helligkeits- und Energieausbruchs in keiner Weise mit Supernovae vergleichbar; in Typ II Supernovae z.B. ist die freigesetzte Energie 100 Millionen Mal und die Lichtproduktion mindestens 10 000mal größer. Das Innere eines Weißen Zwerges – in den meisten Fällen etwa halb Kohlenstoff, halb Sauerstoff – besteht aus Material, das nach kernphysikalischen Gesichtspunkten Energie durch thermonukleare Fusionsprozesse freisetzen kann; dazu muß nur irgendwie die kritische Brenntemperatur erreicht werden. Obwohl der Weiße Zwerg das aus eigener Kraft nicht kann (vgl. Kapitel 5), hat die Natur mindestens einen, wahrscheinlich sogar mehrere Wege dafür gefunden. Zwischen zwei Nova-Ausbrüchen akkretiert der Weiße Zwerg eine gewisse Menge Material – typischerweise 10–4 Sonnenmassen –, während des Ausbruchs verliert er Masse – typischerweise ebenfalls etwa 10–4 Sonnenmassen. Langfristig wird sich die Masse des Weißen Zwerges also kaum ändern. Für Akkretionsraten im Bereich zwischen 10–7 und 10–8 Sonnenmassen pro Jahr werden aber die Wasserstoff-Schalenflashs so schwach, daß sie zu keiner Nova-Explosion und insbesondere zu keinem Massenverlust des Weißen Zwerges führen (vgl. Abbildung 19). In diesem Fall baut sich eine Heliumschale auf dem C/O-Zwergstern auf. Für eine wachsende Heliumschicht auf einem Weißen Zwerg gilt das gleiche wie für die Wasserstoffschicht: Je schneller sie anwächst, desto geringer ist der Entartungsgrad der Schicht. Für Akkretionsraten oberhalb von etwa 10–8 Sonnenmassen pro Jahr sind die Heliumschalenflashs nur schwach und ohne dynamische Konsequenzen. Ihre Brennprodukte, Kohlenstoff und Sauerstoff, addieren sich zu der effektiven Masse des Weißen Zwerges. Wenn die Massenakkretion bei genügend hohen 95
Akkretionsraten nur lange genug anhält, wächst die Masse des C/O-Weißen Zwerges immer mehr an. Das heißt, sein Radius wird immer kleiner, die Entartung immer relativistischer, die Temperatur steigt, und kurz bevor die Chandrasekhar-Grenzmasse von etwa 1,4 Sonnenmassen erreicht wird, zündet im Zentrum des Weißen Zwerges der Kohlenstoff-Flash (vgl. Kapitel 5 c). Es entsteht eine sogenannte Typ Ia oder thermonukleare Supernova. Das gleiche Resultat ist bei der Entwicklung eines sehr engen Doppelsterns gegeben, der aus zwei Weißen Zwergen besteht, z. B. einem C/O- und einem Helium-Zwerg. Bei Umlaufszeiten im Minuten-Bereich wird ein solches System durch Gravitationswellenstrahlung immer enger, bis schließlich vom masseärmeren, aber größeren Helium-Zwerg Helium auf den C/OZwerg abströmt. Die hierbei erzielten Akkretionsraten liegen im Bereich 10–5–10–4 Sonnenmassen pro Jahr, so daß das Heliumbrennen auf dem C/O-Zwerg stetig verläuft, er ebenfalls bis zur Chandrasekhar-Grenzmasse anwachsen kann und das Kohlenstoffbrennen explosiv zündet. Das Kohlenstoffbrennen breitet sich zunächst vom Zentrum aus wahrscheinlich in einer Brennfront mit Unterschallgeschwindigkeit aus, welche sich bald in eine mit Überschallgeschwindigkeit nach außen laufende Detonationswelle umwandelt, und durchzieht binnen Sekunden den gesamten Weißen Zwerg. Die dabei freiwerdende Energie genügt, um ihn mit bis zu 10 % der Lichtgeschwindigkeit, also einigen 10 000 km/s, vollständig auseinanderzureißen. Die hohen Temperaturen lassen etwa 50 % des Weißen Zwerges zu dem Nickelisotop 56Ni verbrennen, welches radioaktiv ist und innerhalb weniger Wochen über Kobalt zu Eisen zerfällt. Typ Ia Supernovae sind die wichtigste Quelle von Eisen in der Milchstraße. Der radioaktive Zerfall von Nickel und Kobalt läßt Typ Ia Supernovae einige Wochen lang heller strahlen als Typ II Supernovae. Die durch eine Typ Ia Supernova erzeugte kinetische Energie ist vergleichbar mit der von Typ II Supernovae (ca. 1051 erg), die insgesamt freigesetzte Energie ist aber ca. 100mal kleiner, denn Typ Ia Supernovae erzeugen nahezu keine Neutrinos. 96
Da für Weiße Zwerge die Chandrasekhar-Grenzmasse maßgebend ist, sind die Verhältnisse kurz vor dem Supernova-Ausbruch und damit auch die Supernova-Explosion selbst fast unabhängig von der Vorläuferentwicklung. Man würde für die zwei oben vorgestellten Fälle sehr ähnliche Explosionsverläufe und insbesondere auch fast gleiche Maximalhelligkeiten erwarten. Typ Ia Supernovae wären damit Standardkerzen: Wo immer eine zu beobachten ist, wäre sogleich ihre Entfernung bekannt. Ihre extreme Helligkeit ließe es zu, den Abstand zu Galaxien in extremen Entfernungen zu vermessen und die Hubble-Konstante sehr genau zu bestimmen (vgl. Kapitel 6b). In den letzten Jahren kamen aber zunehmend Zweifel an der Einheitlichkeit der Typ Ia Supernovae auf, weil zum einen keine passenden Vorläufersterne beobachtet werden – welche aber auch schwer zu finden sind: Ein Doppelsternsystem aus zwei Weißen Zwergen z. B. sendet kaum Licht aus –, und weil zum anderen einige offensichtlich leuchtschwache Typ Ia Supernovae beobachtet wurden. Angeregt durch diese Umstände, machen sich die Supernova-Theoretiker zunehmend daran, alternative thermonukleare Explosionsszenarien zu entwerfen. Zwei davon seien angesprochen. Es könnte sein, daß unter gewissen Umständen – wenn z. B. der Weiße Zwerg aufgrund sehr schneller Akkretion im Zentrum recht heiß ist und relativ geringe Dichten aufweist – das Zünden des Kohlenstoffbrennens den Zwerg nicht zerreißt, sondern nur etwas auseinandertreibt, dieser rekollabiert und dadurch erst richtig ins explosive Kohlenstoffbrennen getrieben wird. Weil die Entartung in diesem Fall relativ gering und der äußere Teil des Weißen Zwerges zum Zeitpunkt der Explosion schon etwas expandiert ist, wird in diesem Fall deutlich weniger radioaktives Nickel erzeugt, und die Leuchtkraft der Supernova ist stark reduziert. Ein anderes Modell geht von sehr geringen Akkretionsraten auf den Weißen Zwerg aus, wie sie z.B. gegeben sind, wenn sein Begleiter ein Roter Riese ist, der einen starken Sternwind besitzt. Es muß dann nicht zum Massenüberstrom vom Riesen zum Zwerg kommen, sondern der Zwerg akkretiert einen Teil 97
des in alle Richtungen abgeblasenen Riesenwindes. Aufgrund der geringen Akkretionsrate kann sich eine dicke Heliumschale auf dem Weißen Zwerg entwickeln, bevor das Heliumbrennen zündet (s. Abbildung 19). Dies geschieht extrem heftig, und es wird eine starke Kompressionswelle ins Innere des Weißen Zwerges gesandt. Sie fokussiert in seinem Zentralbereich und löst dort das explosive Kohlenstoffbrennen aus, welches den Weißen Zwerg zerreißt. Dieses Modell hat zwei Vorzüge: Erstens sind geeignete Vorläufersysteme bekannt, die sogenannten Symbiotischen Systeme; zweitens können hier auch Weiße Zwerge zur Explosion gebracht werden, die noch lange nicht die Chandrasekhar-Grenzmasse erreicht haben. Akkretierende Weiße Zwerge können aber auch kollabieren. Wenn Helium von einem massereichen C/O-Weißen Zwerg akkretiert wird, kann dieser, z. B. bei sehr niedrigen Akkretionsraten – kleiner als 10–9 Sonnenmassen pro Jahr –, die Chandrasekhar-Masse erreichen, ohne vorher das akkretierte Helium zu zünden. Die Chandrasekhar-Grenzmasse kann im Endstadium dieser Entwicklung durch Elektroneneinfänge unter den kanonischen Wert von 1,4 Sonnenmassen reduziert werden: Weniger Elektronen im Weißen Zwerg bedeuten einen geringeren Innendruck. Der Kollaps eines solchen kalten, innen möglicherweise schon kristallisierten Weißen Zwerges führt zu einem Neutronenstern. Dieses Modell erklärt möglicherweise die Existenz zahlreicher Pulsare in engen Doppelsternsystemen mit einem massearmen stellaren Begleiter, wie sie vor allem in Kugelsternhaufen zu finden sind. c) Stellare Röntgen- und γ-Strahler Die Erdatmosphäre ist für Röntgenstrahlen vollkommen undurchlässig – zu unserem Glück. Die mehr als eine Million K heiße Korona der Sonne erzeugt so viele Röntgenstrahlen, daß wir ohne den Schutz der Atmosphäre nicht überleben könnten. Die Röntgenstrahlung der Sonne wurde in den 50er und 60er Jahren entdeckt, als Röntgendetektoren mit Raketen in Höhen bis über 100 km geschossen wurden. Eine Extrapolation der 98
solaren Röntgenleuchtkraft auf Sterne in der Sonnenumgebung ließ damals nicht erwarten, Röntgenstrahlen von Quellen außerhalb des Sonnensystems messen zu können. Um so größer war die Überraschung, als kurz darauf, zunächst mit weiteren Raketenexperimenten und ab 1970 mit dem ersten Röntgensatelliten UHURU, eine Fülle von zum Teil hellen Röntgenquellen am Himmel gefunden wurde. UHURU identifizierte allein etwa 400 Quellen, und Nachfolgesatelliten, insbesondere EINSTEIN und der extrem erfolgreiche und immer noch aktive ROSAT – letzterer fand bereits mehr als 50 000 neue Röntgenquellen, untersuchte viele spektral und entdeckte völlig neue Objektklassen – zeigen, daß der Himmel, mit Röntgenaugen betrachtet, ebenso reichhaltig ist wie im Bereich des sichtbaren Lichts. Der Prozeß, der in den meisten hellen und kompakten Röntgenquellen für die Erzeugung großer Mengen sehr energiereicher Photonen verantwortlich ist, ist die Akkretion von Gas auf einen Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch. Diese Objekte sind so kompakt, daß auf sie einströmendes Gas extrem komprimiert und aufgeheizt wird. Die erzeugten Temperaturen betragen oft 100 Millionen K und mehr, und die dazugehörigen Photonenenergien – mehr als 10 000mal größer als die Energien von Photonen im Bereich des sichtbaren Lichts – liegen im Röntgenbereich. Dieser Prozeß kann in stellaren, aber auch in galaktischen Dimensionen stattfinden: Eine Vielzahl sogenannter Seyfert-Galaxien und Quasare sind starke Röntgenstrahler; das deutet möglicherweise auf die Akkretion von Gas auf ein extrem massereiches Schwarzes Loch hin. Die Interpretation stellarer Röntgenquellen ist eindeutig. So zeigt z. B. die Röntgenquelle Cen X–3 (die dritte katalogisierte Röntgenquelle im Sternbild Centaurus) streng periodische Röntgenverdunkelungen, was am einfachsten durch eine periodische Bedeckung der Röntgenquelle durch einen Begleiter erklärt wird. In zahlreichen Fällen konnte der Begleitstern auch optisch identifiziert werden, wobei sich zeigte, daß er entweder ein massereicher und damit junger Stern der Population I ist oder ein massearmer Stern, der zumeist der alten Population II 99
angehört. Damit sind die Röntgendoppelsterne in zwei Klassen einzuteilen. Die massereichen Röntgendoppelsterne sind in den Spiralarmen der Milchstraße zu finden, während die etwa dreimal häufigeren massearmen Röntgendoppelsterne vorzugsweise im Kernbereich der Milchstraße, dem sogenannten Bulge, sowie in Kugelsternhaufen zu beobachten sind. Im Gegensatz zu den massearmen Röntgendoppelsternen, bei denen die Existenz eines Neutronensterns häufig durch den akkretionsinduzierten Kollaps eines Weißen Zwerges erklärt wird, wird die Entstehung der massereichen Doppelsterne heute qualitativ gut verstanden. Sie verläuft etwa folgendermaßen: Entsteht ein enges Doppelsternsystem, dessen massereichere Komponente anfänglich mehr als etwa 10 Sonnenmassen besitzt, wird diese ihre Wasserstoffhülle nach Ende des zentralen Wasserstoffbrennens auf den Begleiter transferieren, am Ende der thermonuklearen Entwicklung kollabieren und in einem Supernovaereignis einen Neutronenstern bilden (s. Kapitel 7). Die Supernova-Explosion ist dabei eine kritische Phase für das Binärsystem, denn ihm geht die Masse der durch die Explosion ins interstellare Medium getriebenen Hülle verloren, und die Bahn der Sterne umeinander wird stark gestört. In vielen Fällen wird das Doppelsternsystem aufbrechen. Ob dies geschieht, hängt davon ab, ob das System durch die Supernova-Explosion mehr als die Hälfte seiner Gesamtmasse verliert; weil der massereichere Stern vielfach den größten Teil seiner Anfangsmasse auf seinen Begleiter transferiert hat, würden wohl die meisten Systeme die Supernova überleben. Ebenso wichtig sind Stärke und die Richtung des Stoßes, den der entstehende Neutronenstern während der Supernova-Explosion erfährt (s. Kapitel 7d). Daß dessen Richtung zufällig ist, bedeutet, daß viele Binärsysteme auch diesen Effekt überstehen können. Wenn sich der Begleitstern weiterentwickelt und irgendwann zum Roten Riesen expandieren will, kommt es zum invertierten Massenüberstrom vom Begleitstern auf den Neutronenstern – und damit zur Emission von Röntgenstrahlung. Aufgrund des extremen Gravitationspotentials der Neutronensterne sind die erzeugten Röntgenleuchtkräfte erheblich und 100
übersteigen auch die durch Kernfusion auf der Neutronensternoberfläche gewonnenen Energien. Es gibt Systeme, die im Röntgenbereich 100 000mal mehr Energie abstrahlen als unsere Sonne in allen Spektralbereichen zusammen. Mittlere Röntgenleuchtkräfte liegen bei einigen 1000 Sonnenleuchtkräften. Dies übertrifft die Röntgenleuchtkraft von Einzelsternen bei weitem – die bei den massereichsten überraschenderweise einige Prozent der Sonnenleuchtkraft beträgt. In Abbildung 21 ist ein Modell für den Röntgendoppelstern Her X-l dargestellt, ein System, das eine Stellung zwischen massearmen und massereichen Röntgendoppelsternen einnimmt (vgl. Susanne Schandl, Sterne und Weltraum 4/94). Da Neutronensterne oft starke Magnetfelder besitzen, kann bei ihnen die Akkretion und damit auch die Röntgenstrahlung nur an den magnetischen Polen erfolgen. Bei einer Neigung der Magnetfeldachse zur Rotationsachse läßt die Rotation des Neutronensterns die Röntgenstrahlung mit der Rotationsperiode gepulst erscheinen; Astronomen sprechen von Röntgenpulsaren. Je nach der Expansionsgeschwindigkeit des Begleitsterns können die Akkretionsraten auf den Neutronenstern unterschiedlich sein. Im Fall des spektakulären Systems mit der Bezeichnung SS433 (vgl. Kapitel 1), das eine Umlaufszeit von 13 Tagen aufweist, ist der Massenüberstrom vom etwa 10 Sonnenmassen schweren Begleiter so heftig, daß der Strahlungsdruck des Photonenfeldes, das durch die Akkretion erzeugt wird, den größten Teil des einströmenden Gases wieder fortschleudert. Der Materieausstoß erfolgt – fokussiert durch die Akkretionsscheibe – durch zwei Materiestrahlen oder Jets senkrecht zur Scheibenebene, wobei die Jets eine Präzession mit einer Periode von 174 Tagen beschreiben. SS433 befindet sich inmitten eines Supernova-Überrestes; das unterstützt eindrucksvoll die These des Supernova-Ursprungs der Neutronensterne in massereichen Röntgendoppelsternen. Neutronensterne, die nur sehr langsam akkretieren, geben Anlaß zur spontanen, explosionsartigen Verbrennung des akkretierten Materials und bilden so das Analogon zu den NovaAusbrüchen akkretierender Weißer Zwerge (s. Kapitel 8b). Die 101
Abbildung 21: Dreidimensionales Modell für die Struktur von Röntgendoppelsternen. Sie bestehen aus einem normalen Stern, von dem ein Massenstrom auf einen Neutronenstern zufließt, wodurch sich um diesen eine sogenannte Akkretionsscheibe ausbildet. Die Parameter des dargestellten Systems entsprechen der Quelle Herkules X-l: Masse und mittlerer Radius des Hauptreihensterns betragen 2,2 Sonnenmassen und 4,2 Sonnenradien, die Ausdehnung des Neutronensterns von ca. 20 km (entsprechend etwa 0,00003 Sonnenradien) im Zentrum der Scheibe ist klein. Der Scheibenradius beträgt etwa 2,5 Sonnenradien. Die Verformung des Hauptreihensterns sowie der durch eine Linie angedeutete Massenstrom sind realistisch. Der Betrachter sieht unter einem Winkel von 30° auf die Bahnebene des Systems. Es sind drei Phasen des Bahnumlaufs gezeigt, die Phasenwinkeln von 20°, 50° und 80° entsprechen. Der Massenschwerpunkt liegt noch innerhalb des Hauptreihensterns, er liegt in den drei Teilabbildungen auf einer senkrechten Linie.
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extreme Kompaktheit der Neutronensterne bewirkt, daß sie bei einem solchen Ereignis Oberflächentemperaturen von mehr als 100 Millionen K erreichen und darum fast ausschließlich im Röntgenbereich strahlen; wegen der starken Gravitationsanziehung führt die Explosion – im Gegensatz zu den Novae – nicht zu einem Massenauswurf. Diese sogenannten Röntgenburster senden typischerweise einmal pro Stunde Röntgenblitze von wenigen Sekunden Dauer aus. Die kontinuierliche Röntgenstrahlung, die bei solchen Systemen ebenfalls vorhanden ist und durch die Akkretion verursacht wird, ist dabei etwa 100mal schwächer als die während eines Ausbruchs, wenn sie auch über lange Zeiten gemittelt 100mal mehr Energie liefert als die thermonukleare Fusion. Bei einigen Doppelsternsystemen mit einer kompakten Komponente konnte deren Masse bestimmt werden – mit dem Ergebnis, daß das kompakte Objekt für einen Neutronenstern zu massereich ist und also ein Schwarzes Loch sein muß (s. Kapitel 7c). Der bekannteste, aber keineswegs einzige Fall ist das helle Röntgensystem Cygnus X-1, bestehend aus einem heißen Überriesen und einem dunklen Objekt mit einer Masse zwischen 3 und 9 Sonnenmassen. Die Existenz Schwarzer Löcher in Binärsystemen ist nach allem nicht verwunderlich. Wenn die Anfangsmasse des massereicheren Sterns eines engen Doppelsternsystems nur groß genug ist, könnte er am Ende seiner thermonuklearen Entwicklung direkt ein Schwarzes Loch statt einen Neutronenstern bilden (vgl. Kapitel 7d). Aber auch wenn zunächst ein Neutronenstern entstanden ist, so nimmt seine Masse, wenn er akkretiert, stetig zu – bei kontinuierlichen Röntgenstrahlern wie bei Röntgenburstern. Akkretiert er soviel Material, daß er die Grenzmasse für Neutronensterne erreicht, muß er schließlich unter seinem eigenen Gewicht zusammenbrechen und zu einem Schwarzen Loch kollabieren. Zur Erklärung einer Objektklasse, die möglicherweise gar nicht hierher gehört, werden vielfach auch Doppelsternmodelle herangezogen. Es sind die kosmischen γ-Strahlen-Burster, eines der größten Fragezeichen in der derzeitigen Astrophysik. γ-Strahlen sind Photonen, die noch um viele Größenordnungen 103
energiereicher als Röntgenstrahlen sind, und sie können nicht durch Akkretion auf Neutronensterne in nennenswerten Mengen- entstehen; γ-Strahlen-Burster sind nicht verwandt mit den Röntgenburstern. Entdeckt wurden die γ-Burster per Zufall im Jahre 1967, und zwar durch einen Satelliten, der einen γ-Strahlen-Detektor an Bord hatte, um Atombombentests auf der Erde zu erkennen. Gefunden hat er in den Jahren 1969–1972 zwölf kurzzeitige γ-Strahlen-Blitze, die eindeutig nicht von der Erde kamen. Den Daten wurde zunächst so wenig vertraut, daß sie erst 1973 veröffentlicht wurden. Heute ist das Phänomen unbestritten: Der momentan aktive GRO-Satellit, der speziell zum Aufspüren von γ-Blitzen entwickelte Instrumente an Bord hat, mißt im Mittel mehrere Blitze pro Tag. Diese dauern in der Regel 1–10 Sekunden und haben am Himmel keine Vorzugsrichtung. Bisher ist kein Fall dokumentiert, bei dem sich ein klassischer γ-Strahlen-Blitz an der gleichen Stelle am Himmel wiederholt hätte. Es gibt keinen Anhaltspunkt für die Entfernung der γ-Strahlen-Burster; das macht ihre Erklärung so schwierig. Bisher wurden über 100 konkurrierende Theorien über ihren Ursprung vorgeschlagen, von denen viele Neutronensterneigenschaften benutzen. So könnten γ-Strahlen-Blitze ausgesandt werden, wenn die feste Kruste von auskühlenden, möglicherweise noch schrumpfenden Neutronensternen in der Sonnenumgebung bei einem Neutronensternbeben aufbricht. Die Quellen von γStrahlen-Blitzen könnten aber auch Neutronensterne sein, die durch einen Stoß bei der Supernova-Explosion, bei der sie entstehen, in den galaktischen Halo geschleudert werden (vgl. Kapitel 7d) und dort mit dem Zerfall ihrer starken Magnetfelder spontane Strukturänderungen durchmachen. Eine dritte Hypothese besagt, daß zwei Neutronensterne in einem Doppelsternsystem, deren Gravitationswellenstrahlung eine immer größere Annäherung beider bewirkt, bei deren Verschmelzung einen γBlitz von solcher Stärke aussenden, daß er selbst noch aus den entferntesten Galaxien zu beobachten ist. Aber es gibt, wie gesagt, weitere Modelle, und es bleibt abzuwarten, ob sich eines oder mehrere als zutreffend herausstellen werden. 104
9. Die Entstehung der chemischen Elemente a) Elemententstehung außerhalb von Sternen Fast alle chemischen Elemente, die heute im Universum vorkommen, wurden in Sternen erzeugt. Aber es gibt Ausnahmen, d. h. Elemente, die nicht in Sternen synthetisiert werden. Zur Nomenklatur: Wenn Astrophysiker von Metallen reden, so sind stets – anders als in der Umgangssprache – alle chemischen Elemente schwerer als Helium gemeint. Das Universum entstand mit dem Urknall (s. Steven Weinberg: Die ersten drei Minuten). Die Frühphase des Urknalls war bei sehr hohen Temperaturen strahlungsdominiert, und Protonen und Neutronen konnten erst nach etwa einer Sekunde, bei Temperaturen unterhalb etwa 10 Milliarden K, in nennenswerter Anzahl entstehen. Zunächst war die Zahl der Protonen und Neutronen nahezu gleich, aber aufgrund der größeren Stabilität bzw. kleineren Masse des Protons verschob sich das Gleichgewicht mit abnehmender Temperatur zu seinen Gunsten, und am Ende betrug das Protonen-Neutronen-Verhältnis etwa 7:1. Die Materiedichten und Temperaturen waren im Urknall für wenige Minuten groß genug, um thermonukleare Reaktionen zuzulassen. Allerdings stand die Nukleosynthese im Urknall ganz zu Anfang vor einem Problem: Die beiden einzigen zunächst möglichen Fusionsreaktionen, Proton + Proton sowie Proton + Neutron, erzeugen Deuterium, d.i. Wasserstoff mit der Massenzahl 2; Deuterium ist aber sehr zerbrechlich und wird bei Temperaturen oberhalb von etwa einer Milliarde K durch Photodesintegration sofort zerstört. Erst als das expandierende Universum unter eine Milliarde K abgekühlt war, was nach etwa 100 Sekunden der Fall war, konnten Kerne mit Massenzahlen größer als 2 gebildet werden. Es gab aber schon bald eine neue Hürde, nämlich das Fehlen stabiler Atomkerne mit den Massenzahlen 5 und 8. So stand die Kernfusion, nachdem neben Deuterium die beiden Heliumisotope 3He und 4He mit den Massenzahlen 3 und 4 erzeugt werden konnten, schon wieder in einer Sackgasse. Während 105
diese Hürde in Sternen auf Zeitskalen von Jahrmillionen bis -milliarden übersprungen werden kann, war das Universum im Urknall bereits nach wenigen Minuten so weit abgekühlt und expandiert, daß die Nukleosynthese, kaum nachdem sie begonnen hatte, schon wieder beendet war. Da Deuterium und 3He relativ zerbrechlich sind, waren ihre im Urknall erzeugten Häufigkeiten sehr klein, so daß nahezu alle anfangs entstandenen Neutronen dazu verwendet wurden, das Isotop 4He zu bilden. Damit betrug das im Urknall erzeugte Verhältnis von Wasserstoff- zu Heliumteilchen etwa 12:1, das entsprechende Massenverhältnis ist 3:1. Nach dem Urknall bestanden 3/4 aller Masse aus Wasserstoff, bestand 1/4 aus Helium, nur etwa jedes 100 000ste Teilchen war ein Deuterium- oder 3He-Atom, und nur noch jedes zehnmilliardste Teilchen gehörte dem nächsthöheren Element Lithium an. Demnach bestanden die Sterne der ersten Generation fast nur aus Wasserstoff und Helium, und alle anderen Elemente wurden erst im Laufe der kosmischen Entwicklung gebildet. Dies wird durch Bestimmungen von Elementhäufigkeiten in den Atmosphären sehr alter Sterne bestätigt. Sterne mit einer Masse von weniger als etwa 0,8 Sonnenmassen haben eine Lebensspanne, die größer als das Weltalter ist, so daß die Chance gegeben ist, die sehr massearmen Sterne der ersten Generation noch heute zu sehen. So wurden im galaktischen Halo viele sehr metallarme Sterne gefunden; den Rekord hält der Stern G77–61 mit einer 400 000mal kleineren Konzentration an schweren Elementen als in der Sonne. Sehr metallarme Sterne sind zwar seltener als erwartet – was u.a. daran liegen kann, daß früher mehr massereiche Sterne gebildet wurden als heute (vgl. Kapitel 2) –, aber allein ihre Existenz bekräftigt nachdrücklich die Vorstellungen zur Urknall-Nukleosynthese. Neben Wasserstoff und Helium gibt es noch eine weitere Gruppe von Elementen, die vornehmlich außerhalb von Sternen generiert werden: die Elemente Lithium, Beryllium und Bor. Da stabile Atomkerne mit den Massenzahlen 5 und 8 fehlen und weil die genannten Elemente relativ zerbrechlich sind, werden sie in Sternen nur in unbedeutenden Mengen erzeugt. 106
Statt dessen entstehen sie im interstellaren Medium als Folge der zerstörerischen Wirkung der kosmischen Strahlung. Die kosmische Strahlung besteht aus Atomkernen, hauptsächlich Protonen und Heliumkernen, die nahezu mit Lichtgeschwindigkeit durch die Milchstraße fliegen. Treffen sie im Weltraum auf einen schwereren Atomkern – etwa Kohlenstoff, Sauerstoff oder Eisen –, wird er von dem Stoß vielfach zertrümmert. Die dabei entstehenden Bruchstücke bilden alle möglichen Elemente; dies geschieht aber so selten, daß es dadurch zu keinen merklichen Veränderungen der kosmischen Elementhäufigkeiten kommt. Außer bei Elementen, die es sonst fast gar nicht gäbe. Dennoch sind die Elemente Li, Be und B heute im Universum millionenmal seltener als etwa Kohlenstoff und Sauerstoff. b) Primäre und sekundäre Isotope Die stellare Nukleosynthese muß vor allem die Häufigkeiten der Elemente schwerer als Bor erklären, wobei nicht übersehen werden soll, daß das stellare Wasserstoffbrennen den Massenanteil des Heliums im interstellaren Medium schon von den ursprünglichen 25 % auf etwa 28 % ansteigen ließ. Die verschiedenen Isotope eines chemischen Elements – Atomkerne, die sich nur in ihrer Massenzahl und nicht in der Ladungszahl unterscheiden – haben oft völlig unterschiedliche Entstehungsgeschichten. Kohlenstoff z. B. hat zwei stabile Isotope, 12C und 13 C. Während die Sterne der ersten Generation 12C im Heliumbrennen aus der Fusion von drei Heliumkernen in großen Mengen erzeugten, konnten sie das Isotop I3C überhaupt nicht herstellen; dies entsteht erst im Laufe der chemischen Entwicklung aus anderen Metallen. Die Bildung der Elemente beginnt mit dem Wasserstoffbrennen. Im Inneren unserer Sonne vollzieht sich das Wasserstoffbrennen in einer Reaktionsfolge, der sogenannten pp-Kette, in der durch die Fusion zweier Protonen unter β-Zerfall Deuterium entsteht und aus diesem durch weiteren Protoneneinfang das leichte Heliumisotop 3He. Die Vereinigung zweier 3HeKerne, bei der zwei Protonen freigesetzt werden, ergibt schließ107
lieh das Endprodukt des Wasserstoffbrennens: 4He. Bei diesem Reaktionszyklus, der netto vier Protonen in einen 4He-Kern – und’ Energie – verwandelt, sind offensichtlich keine Metalle involviert; er ist deshalb für die Synthese schwerer Elemente unbedeutend. Wenn die Sonne aber zum Roten Riesen wird, verläuft das Wasserstoffbrennen in der Schalenquelle bei höheren Temperaturen, als dies auf der Hauptreihe der Fall war. Ebenso ist die Zentraltemperatur im Wasserstoffbrennen bei Sternen mit Massen oberhalb von etwa 1,5 Sonnenmassen größer als bei der Sonne. Das ermöglicht die Produktion von Helium durch einen schneller ablaufenden Prozeß, den sogenannten CNOZyklus. In ihm fangen Kohlenstoff-, Stickstoff- und Sauerstoffatomkerne kontinuierlich Protonen ein. Ist das dabei erzeugte Isotop des nächst höheren Elements radioaktiv, wandelt es ein Proton in ein Neutron im Atomkern um und zerfällt in ein massereicheres Isotop des Ausgangselements. Bei einem Protoneneinfang von 15N, 17O oder 18O wird ein Heliumteilchen freigesetzt. Auf diese Weise wird die Gesamtzahl der CNO-Kerne nicht verändert, und der Nettoeffekt ist, wie bei der pp-Kette, die Produktion von Helium aus Wasserstoff. Der CNO-Zyklus kann natürlich nur in Sternen stattfinden, die von Anfang an CNO-Kerne in ihrem Gas enthalten; die Sterne der ersten Generation waren hauptsächlich auf die pp-Kette angewiesen. Im CNO-Zyklus wird jedoch nicht nur Helium erzeugt. Da sie unterschiedliche kernphysikalische Eigenschaften haben, reagieren nicht alle Kerne der CNO-Isotope gleichgut mit Protonen. Manche, z.B. 12C, haben eine große Reaktionswahrscheinlichkeit, andere, z. B. 14N, eine kleine. Deshalb wird sich im Gas bald ein Reaktionsgleichgewicht einstellen, das die Reaktionswahrscheinlichkeit widerspiegelt; 12C entsteht seltener als 14N. Das Produkt aus Teilchenhäufigkeit und Reaktionswahrscheinlichkeit wird für alle CNO-Isotope gleich. Die Gleichgewichts-Häufigkeitsverteilung ist dabei unabhängig von der anfänglichen Häufigkeitsverteilung der CNO-Isotope. Vergleicht man nun die CNO-Gleichgewichtsverteilung mit der Häufigkeitsverteilung der CNO-Isotope im interstellaren 108
Gas der heutigen Milchstraße, so kann man die CNO-Isotope in Gewinner und Verlierer einteilen, je nachdem, ob ein Isotop aus dem CNO-Brennen in heutigen Sternen mit einer Häufigkeit herauskommt, die größer oder kleiner als seine Anfangshäufigkeit ist. Das Ergebnis lautet: Gewinner sind 13C, 14N und 17 O, alle anderen, also 12C, 15N, 16O und 18O, sind Verlierer. Für die Verlierer ist sicher nach anderen Produktionsprozessen Ausschau zu halten, für die Gewinner aber, z.B. für 13C, gilt, daß sie im CNO-Zyklus entstehen. Die Sterne der ersten Generation konnten kaum 13C bilden, und auch später war seine Erzeugung immer proportional zu der anfänglich im Sterngas enthaltenen Menge von CNO-Kernen, die in der Milchstraße erst nach und nach häufiger wurden. 12C dagegen, das Hauptprodukt des Heliumbrennens, konnte von Anfang an und unabhängig vom Metallgehalt der Sterne in großen Mengen produziert werden. Solche Isotope nennen Astrophysiker primär, und Isotope wie 13C, deren Produktion von anfänglich im Sterngas vorhandenen Metallen abhängt, sekundär.
Abbildung 22: Vergleich der Entwicklung der Häufigkeiten eines primären und eines sekundären Isotops mit zunehmender Metallizität, beginnend bei dem Zustand ohne schwere Elemente (schematisch).
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Die Häufigkeiten der einzelnen Isotope konnten im Laufe der chemischen Entwicklung der Milchstraße nicht bei allen Isotopen gleich schnell zunehmen. Während die primären Isotope fast konstante Zuwachsraten hatten – jedenfalls im vereinfachten Fall einer konstanten Sterberate der Sterne –, sind sie bei sekundären Isotopen anfangs Null und steigen linear mit der Metallizität (Abbildung 22). c) Zeitskalen der chemischen Entwicklung Das Studium der Häufigkeiten in sehr metallarmen, unentwikkelten Sternen erlaubt tiefe Einblicke in die Frühphase der galaktischen chemischen Entwicklung. Die Zunahme der Häufigkeit eines Elements, z. B. des Eisens, liefert gewissermaßen eine chemische Uhr – welche allerdings keineswegs gleichmäßig läuft und in der Praxis auch schwer zu eichen ist. Zunächst zeigt sich, daß die chemische Uhr an unterschiedlichen Orten der Milchstraße verschieden schnell gegangen sein muß, doch soll hier durch Mittelung über viele Orte eine mittlere chemische Zeit definiert werden. Auch so sind eindeutige und erstaunliche Entdeckungen zu machen. Die Eisen-Uhr erlaubt es, durch Bestimmung der Häufigkeiten anderer Elemente in Sternen unterschiedlichen Eisengehalts herauszufinden, wie diese mit der Zeit angewachsen sind. So ist z. B. das Verhältnis von Sauerstoff zu Eisen bei Sternen, die weniger als 10 % des solaren Eisengehalts besitzen, nahezu konstant, und zwar bei einem deutlich größeren Wert als dem der Sonne. Bei eisenreicheren Sternen fällt dieses Verhältnis aber mit zunehmendem Eisengehalt ab. Eine weitere Auffälligkeit zeigt das C/O-Verhältnis als Funktion des Eisengehalts: Es ist keineswegs konstant, sondern steigt mit zunehmender Metallizität zunächst langsam, dann steiler an (s. Abbildung 23). Die zeitlichen Variationen der Produktionsraten verschiedener Elemente sind nicht durch deren primären oder sekundären Charakter zu erklären: Die mit Abstand häufigsten Isotope der genannten Elemente, also 12C, 16O und 56Fe, die bei der Bestimmung von Elementhäufigkeiten erfaßt werden, haben durchweg primäre 110
Natur. Was hier beobachtet wird, ist eine echte Zeitabhängigkeit des Auftretens der Nukleosyntheseprozesse selbst. Kohlenstoff und Sauerstoff sind die Aschen des Heliumbrennens. Drei Helium-Atomkerne bilden 12C – die Instabilität von 8 B, die im Urknall eine weitergehende Elementbildung verhinderte, wird hier überwunden –, und wenn das Heliumbrennen weit fortgeschritten und die Heliumhäufigkeit reduziert ist, ist die 12C-Häufigkeit so groß, daß durch das Einfangen der verbliebenen 4He-Kerne aus 12C das Isotop 16O entsteht. Am Ende des Heliumbrennens ist die Sauerstoffhäufigkeit im stellaren C/ O-Kern vergleichbar mit der von 12C. In das interstellare Medium kann das erzeugte C/O-Gemisch aber nur bei massereichen Sternen gelangen. Sie verbrennen zwar den zentralen Teil des C/O-Kerns noch weiter zu schwereren Elementen (vgl. Tabelle 4), aber die verbleibende dicke Kugelschale aus C/O wird in der Supernova-Explosion ins interstellare Medium geworfen, wogegen der C/O-Kern masseärmerer Sterne zum Weißen Zwerg wird, dessen Material dem chemischen Kreislauf für immer entzogen bleibt – außer in engen Doppelsternsystemen (vgl. Kapitel 8b). Allerdings erzeugen die massearmen Sterne auf dem Asymptotischen Riesenast (vgl. Kapitel 6c) im Helium-Schalenbrennen Kohlenstoff, der durch konvektive Mischprozesse auch während der thermischen Pulse in der gesamten Sternhülle verteilt wird; sie sind ernsthafte Kandidaten für die Produktion von 12C. Die Erzeugung von 16O bleibt hingegen – wie auch die Synthese der Elemente zwischen Sauerstoff und Eisen – fast ausschließlich den massereichen Sternen überlassen. Dies kann erklären, daß das C/O-Verhältnis im Laufe der galaktischen Entwicklung zunahm: Zunächst lieferten die massereichen Sterne der ersten Generation ihre Nukleosyntheseprodukte ans interstellare Medium, darunter viel 16O mit einer gewissen 12C-Beimischung. Erst später kam nach und nach die 12 C-Produktion der viel langlebigeren Sterne des mittleren und unteren Massenbereichs hinzu. Diese Hypothese ist aber nicht unumstritten. Aufgrund der komplexen Entwicklung der AGBSterne (s. Kapitel 6c) kann ihre Kohlenstoffproduktion bisher 111
nur sehr ungenau vorhergesagt werden. Ein alternatives Modell besagt, daß auch 12C vorwiegend in massereichen Sternen entsteht, diese aber bei höherem Metallgehalt deutlich mehr Kohlenstoff produzieren als bei niedrigem. Als Ursache dafür wird vorgeschlagen, daß metallreiche massereiche Sterne – im Gegensatz zu ihren metallarmen Gegenstücken – während des zentralen Heliumbrennens äußerst starke Sternwinde entwikkeln und durch sie so viel Massenverlust erleiden, daß sie einen Großteil des produzierten Kohlenstoffs an das interstellare Medium abgeben, bevor er zu Sauerstoff weiterverbrannt werden kann. Tatsächlich werden in der Milchstraße sogenannte Wolf-Rayet-Sterne des Kohlenstofftyps beobachtet, die äußerst starke und sehr stark kohlenstoffangereicherte Winde besitzen (s. Kapitel 7a), während sie in sehr metallarmer Umgebung, z.B. in der Kleinen Magellanschen Wolke, deren Metallizität nur ein Zehntel der galaktischen beträgt, so gut wie nicht vorkommen. Wie steht es mit der Entwicklung des Eisengehalts selbst, der Grundlage der chemischen Uhr? Der Knick im SauerstoffEisen-Verhältnis zugunsten des Eisens bei etwa einem Zehntel der solaren Metallizität bedeutet, daß ab dem Zeitpunkt, ab dem diese Menge an Metallizität gegeben ist, entweder die Sauerstoffproduktion reduziert oder die Eisenproduktion erhöht wurde. Das erste wäre schwer zu verstehen – es hieße, daß die Sternentstehung plötzlich reduziert worden wäre. Für die zweite Hypothese hingegen gibt es eine natürliche Erklärung. Massereiche Sterne erzeugen zwar große stellare Eisenkerne, aber fast alles Eisen wird im Laufe des Supernovakollaps desintegriert und bildet später den Neutronenstern; ihre Eisenproduktionsraten sind nur sehr moderat. Andererseits werden in Typ Ia Supernova-Explosionen Weiße Zwerge fast vollständig, oder zumindest zum großen Teil, zu Eisen verbrannt, welches vollständig in das interstellare Medium injiziert wird. Die Zahl der Vorläufersysteme von Typ Ia Supernovae (s. Kapitel 8b) kann theoretisch nur sehr ungenau vorhergesagt werden, da ihre Entwicklung kompliziert, zum Teil noch unverstanden und zum Teil umstritten ist. Ein Ver112
gleich der Anzahl von Typ Ia und Typ II Supernovae in Spiralgalaxien zeigt aber, daß sie-zahlreich genug sind, um die Eisenproduktion in der heutigen Milchstraße zu dominieren. Die theoretische Zeitdauer der Entwicklung eines Typ Ia Supernova-Vorläufersystems ist vom jeweils zugrundeliegenden Modell abhängig und daher sehr unsicher; allen Modellen gemeinsam ist aber, daß Weiße Zwerge zur Explosion gebracht werden müssen, und bis aus einem Stern des mittleren Massenbereichs ein Weißer Zwerg wird, vergehen mindestens 100 Millionen Jahre. Das ist eine Zeitspanne, in der bereits Dutzende von Generationen massereicher Sterne mit Lebensdauern von nur wenigen Millionen Jahren Sauerstoff produziert haben. Das späte Einsetzen der Eisenerzeugung durch Typ Ia Supernovae erklärt so auf natürliche Weise das Abknicken des Sauerstoff-EisenVerhältnisses im Laufe der galaktischen chemischen Entwicklung. Das Verhältnis Kohlenstoff zu Eisen ist bemerkenswert konstant. Das ist deshalb überraschend, weil sowohl die Kohlenstoffproduktion als auch die Eisenproduktion in der Milchstraße erst mit einer deutlichen Verzögerung gegenüber Sauerstoff in vollem Umfang eingesetzt hat. Wenn das Kohlenstoff-EisenVerhältnis trotzdem konstant ist, heißt dies, daß die Verzögerung für beide Elemente etwa gleich lang dauerte. Außerdem müssen Kohlenstoff und Eisen in der frühen Milchstraße gerade in solchen Mengen produziert worden sein, daß ihre relative Häufigkeit ziemlich genau dem heutigen C/Fe-Verhältnis in der Milchstraße entsprach. Der zeitliche Verlauf der Häufigkeiten von schweren Elementen jenseits der Eisengruppe ist noch nicht eindeutig geklärt, aber es gibt deutliche Trends. So steigt die Häufigkeit von Europium, das vorwiegend im r-Prozeß synthetisiert wird, recht gleichmäßig mit der Eisenhäufigkeit an. Dies bedeutet, daß der r-Prozeß wahrscheinlich ein primärer Prozeß ist, der möglicherweise – wie die Eisenproduktion – etwas später als die Sauerstoffproduktion einsetzte. Ein Modell dafür wäre die r-Prozeß-Produktion in Typ II Supernovae von Sternen mit etwa 10 Sonnenmassen Anfangsmasse, die gerade massereich 113
genug sind, um überhaupt zur Supernova zu werden. Ihre Lebensdauer ist mit etwa 20–30 Millionen Jahren fast lOmal so lang-wie die der massereichsten Sterne. Die Häufigkeiten von Strontium und Barium dagegen steigen mit zunehmender Metallizität zunächst deutlich langsamer an als die r-Prozeß-Häufigkeiten, was einen sekundären Charakter nahelegt. d) Nukleosynthese heute Jeder elementbildende Prozeß am Anfang der chemischen Entwicklung unserer Milchstraße wurde erst nach einer gewissen Einschaltdauer aktiv; das ist aus den Häufigkeitsmustern sehr metallarmer, massearmer Sterne abzulesen. Die Einschaltdauer sagt etwas über die Lebensdauer der Sterne aus, in denen die jeweiligen Nukleosyntheseprozesse ablaufen. Beobachtung und Theorie stimmen darin überein, daß zunächst die massereichsten Sterne der ersten Generation mit einer Lebensdauer von nur etwa 3 Millionen Jahren große Mengen Sauerstoff produzierten, ebenso die Produkte der späten Brennphasen, insbesondere die Elemente Neon, Magnesium, Silizium und Schwefel (vgl. Kapitel 7b). Erst leicht verzögert kamen die r-ProzeßElemente hinzu, es wurden Eisen und Kohlenstoff in großen Mengen erzeugt sowie die s-Prozeß-Elemente. Die Interpretation, daß die Elemente in der aufgeführten Reihenfolge in zunehmend masseärmeren und damit langlebigeren Sternen gebildet werden, ist zwar die einfachste, aber sie muß nicht richtig sein, wie am Beispiel des Kohlenstoffs zu sehen war (vgl. Kapitel 9c). Inzwischen – etwa 12–20 Milliarden Jahre nach der Entstehung des Universums – ist die kosmische Elementküche voll in Betrieb. Das Alter des Universums entspricht etwa der Lebensdauer von Sternen mit 0,8 Sonnenmassen, und es gibt kein Indiz dafür, daß noch masseärmere Sterne in ferner Zukunft Nukleosyntheseprozesse entwickeln, die in großem Ausmaß Elemente produzieren, welche heutzutage selten sind. Das bedeutet aber nicht, daß sich die chemischen Elementhäufigkeiten relativ zueinander nicht mehr verändern werden. Im Ge114
genteil, die gegenwärtig ablaufenden Nukleosyntheseprozesse sorgen nicht nur dafür, daß der Gesamtgehalt an Metallen in der Milchstraße stetig zunimmt; das sich zu Lasten des Sauerstoffs verschiebende Sauerstoff-Eisen-Verhältnis in Sternen zunehmender Metallizität macht deutlich, daß der Eisengehalt in der derzeitigen Milchstraße schneller anwächst als der Sauerstoffgehalt (s. Abbildung 23). Sucht man im Universum nach direkten Beweisen für die heute ablaufende Elementsynthese, dann kommen die Supernovae in den Blick. Daß die enorme Helligkeit von Typ Ia Supernovae nur durch den Energieinput des radioaktiven Zerfalls großer Mengen Nickel über Kobalt zu Eisen zu verstehen ist, mag als indirekter Beweis angesehen werden, doch mit dem spektroskopischen Nachweis des radioaktiven Zerfalls relativ kurzlebiger Atomkerne ist deutlich: Sie müssen gerade erst erzeugt worden sein. Der radioaktive Zerfall von Atomkernen setzt γ-Strahlen frei, das sind Photonen mit extrem hohen Energien von einigen MeV (Mega-Elektronenvolt). Von bestimmten Atomkernen werden γ-Strahlen nur in diskreten Energien ausgesandt. So kann man den Zerfall von 56Kobalt zu 56Eisen eindeutig an γ-Photonen mit Energien von 0,847 MeV und 1,238 MeV erkennen. Genau diese beiden γ-Spektrallinien sind vom SMM-Satelliten etwa ein Jahr nach dem Ausbruch in der Supernova 1987A entdeckt worden. Daß der direkte Nachweis des Kobalt-Zerfalls zuerst bei einer Typ II Supernova erfolgte, obwohl in Typ Ia Supernovae eine fast 10mal größere Menge an Kobalt zu erwarten ist, ist Zufall: Die Supernova 1987A war die erste sehr nahe Supernova seit dem Aufstieg des ersten Satelliten, der γ-Strahlen-Detektoren an Bord hatte. Heutige und künftige γ-Strahlen-Satelliten sollten in der Lage sein, den Kobalt-Zerfall von einer hellen Typ Ia Supernova möglicherweise selbst in Galaxien des Virgo-Haufens nachzuweisen; ein Ereignis, das statistisch innerhalb weniger Jahre zu erwarten ist. Supernovae produzieren auch andere radioaktive Isotope, wenn auch in deutlich geringeren Mengen. Ist die Zerfallszeit der Kerne nicht zu groß – d. h. ist die Zahl der pro Zeiteinheit 115
Abbildung 23: Häufigkeits-Verhältnisse von Kohlenstoff/Sauerstoff, Sauerstoff/Eisen und Kohlenstoff/Eisen – jeweils in Einheiten der entsprechenden solaren Häufigkeitsverhältnisse – in Sternen mit unterschiedlichem Eisengehalt. Kreise entsprechen Sternen der Milchstraßenscheibe, Kreuze entsprechen Sternen des galaktischen Halos.
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zerfallenden Kerne nicht zu klein –, können in nahen Supernova-Überresten in der Milchstraße deren γ-Strahlen gefunden werden. Dies ist vor kurzem in zwei Fällen gelungen: Der GRO-Satellit hat 1993 die 1,157 MeV-Linie des 44Titan-Zerfalls im Supernova-Überrest Cas A entdeckt. Aus dem beobachteten γ-Photonenfluß und der Titan-Zerfallszeitskala von etwa 78 Jahren konnte geschlossen werden, daß in der Explosion, die etwa um das Jahr 1600 stattfand und die mysteriöserweise damals nicht beobachtet wurde, ca. 0,0003 Sonnenmassen radioaktives Titan entstanden sind. Diese Menge Titan paßt gut zu den Vorhersagen der theoretischen Modelle für massereiche Typ II Supernovae. Da γ-Strahlen die für optische Photonen undurchdringliche Milchstraßenebene praktisch ohne Abschwächung durchqueren können, hegen die Hochenergie-Astrophysiker die Hoffnung, dank einer Empfindlichkeitssteigerung der γ-Detektoren in die Lage zu kommen, die Überreste fast aller Supernovae, die in den letzten Jahrhunderten in der Milchstraße explodierten, im Licht von γ-Zerfallslinien aufzufinden. Mit einem solchen Zensus kann die Supernovarate in unserer Galaxis – die auf etwa drei pro Jahrhundert geschätzt wird – und damit auch die derzeitige Elemententstehungsrate vermutlich sehr genau bestimmt werden. Ein weiteres radioaktives Isotop, dessen Zerfallsstrahlung von verschiedenen Satelliten vermessen wurde, ist 26Aluminium. Im Gegensatz zu 56Ni, 56Co und 44Ti gibt es eine ganze Reihe von Prozessen und Objekten, die 26Al erzeugen können. Dazu gehören das Wasserstoffbrennen massereicher Sterne, das Wasserstoffschalenbrennen in AGB-Sternen, das Kernbrennen bei Nova-Eruptionen, hydrostatisches und explosives Neonbrennen in massereichen Sternen sowie die neutrinoinduzierte Synthese in Typ II Supernovae. Der Nachweis der 26A1– Zerfallsstrahlung aus der Richtung des Vela-Supernova-Überrests (s. Abbildung 24) legt nahe, daß massereiche Sterne Quellen radioaktiven Aluminiums sind: der Vela-Supernova-Überrest enthält einen Pulsar. Die Zeitspanne von der SupernovaExplosion bis heute, die auf etwa 11 000 Jahre geschätzt wird, ist klein gegenüber der 26Al-Zerfallszeitskala von ca. 1 Million 117
Abbildung 24: Überrest der Supernova-Explosion eines massereichen Sterns vor ca. 11 000 Jahren im Sternbild Vela: Die stellaren Nukleosyntheseprodukte werden an das interstellare Medium zurückgegeben.
Jahren, so daß explosiv erzeugtes 26Al heute fast vollständig erhalten sein muß; selbst 26Al, das im Wasserstoffbrennen des Vorläufersterns synthetisiert wurde, kann noch nicht vollstän-
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Abbildung 25: Linien gleicher Helligkeit im Licht der 1,809 MeV-Zerfallslinie des radioaktiven Aluminium-Isotops 26Al entlang des galaktischen Äquators, aufgenommen mit dem COMPTEL γ-Strahlen-Teleskop des GRO-Satelliten. Die Emission bei etwa 265° galaktischer Länge entspricht der Position des Vela-Supernova-Überrests.
dig zerfallen sein. Ein deutlich schwächeres 26Al-Signal scheint aus der Richtung des Wolf-Rayet-Sterns γ Velorum zu kommen. Sollte dies bestätigt werden, wäre der Beweis für die 26AISynthese im Wasserstoffbrennen massereicher Sterne und für einen großen Massenverlust von Wolf-Rayet-Sternen erbracht: Die Aschen des Wasserstoffbrennens müßten in gewaltigen Mengen vom Wolf-Rayet-Stern ausgeschleudert worden sein, damit die γ-Photonen des zerfallenden Aluminiums zur Erde gelangen können. Die γ-Strahlen beobachtenden Satelliten sehen 26Al in vielen Teilen der Milchstraße. Fast ihre ganze Scheibe glüht im Licht der 1,809 MeV-Linie des Aluminiumzerfalls. Mit den sehr empfindlichen Sensoren des GRO-Satelliten konnte eine Kartierung des gesamten Himmels im Licht der 26Al-Zerfallslinie vorgenommen werden (s. Abbildung 25). Die überraschend klumpige Struktur der Emissionsverteilung, die einer sehr ungleichmäßigen Verteilung der 26Al erzeugenden Quellen entspricht, weist auf ein sehr junges Alter dieser Quellen hin. Dem beobachteten Fluß von 1,8 MeV Photonen entspricht eine Menge von ca. 1–3 Sonnenmassen radioaktiven Aluminiums, das zur Zeit in der Milchstraße zu finden ist. Das ist der beste Beweis dafür, daß überall in unserer heutigen Galaxis das Leben und Sterben der Sterne seinen Lauf nimmt, daß der Prozeß des Aufbaus der chemischen Elemente mit unverminderter Effektivität anhält. 119
Danksagung Viele Freunde und Kollegen haben mir geholfen, Fehler und Unklarheiten aus diesem Text zu beseitigen, insbesondere Andreas Burkert, Ewald Müller und Hans Ritter. Von ihnen wie auch von zahlreichen Diskussionen mit Hartmut Braun, Jens Fliegner, Alexander Heger, Hans-Günther Ludwig und Peter Schneider sind viele interessante Anregungen mit eingeflossen. Mein besonderer Dank gilt auch Roland Diehl, Reinhard Genzel, Ewald Müller, Susanne Schandl, Hermann Schmidt und Gerd Weigelt für das Überlassen sehr schöner Bilder und Graphiken, durch welche viele Aussagen aktuell und lebendig illustriert werden konnten. Gisela Wimmersberger bin ich für die rasche und sorgfältige Anfertigung der Zeichnungen sehr dankbar.
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Kommentiertes Literaturverzeichnis Rudolf Kippenhahn, Hundert Milliarden Sonnen, Piper, München 1980. Allgemeinverständliche Darstellung des Aufbaus und der Entwicklung von Sternen aus der Perspektive des Stellarforschers Rudolf Kippenhahn. Spannend geschrieben und auch für Leser ohne naturwissenschaftliche Vorbildung leicht verständlich. Rudolf Kippenhahn, Der Stern von dem wir leben, DVA, Stuttgart 1990. In allgemeinverständlicher Form werden die vielfältigen Phänomene in und auf der Sonne sowie deren Relation zu anderen Sternen beschrieben. Wolfgang Mattig, Die Sonne, Verlag C.H. Beck, München 1995. Die Entwicklung der Sonnenforschung von den Anfängen bis heute sowie der derzeitige Wissensstand über den inneren Aufbau und das äußere Erscheinungsbild der Sonne werden in knapper und prägnanter Form dargestellt. Das Buch ist für naturwissenschaftlich interessierte Laien sowie für Studenten geeignet. Meyers Handbuch über das Weltall, BI Verlag, Mannheim. Ein Kompendium der Astronomie und Astrophysik, geeignet als Einstiegslektüre in dieses Fachgebiet sowie als Nachschlagewerk. Ewald Müller, Instabilitäten und Mischvorgänge in Supernovaexplosionen vom Typ II, Sterne und Weltraum 5/1995, S. 350. Allgemeinverständlicher Aufsatz in der genannten Monatszeitschrift, welcher die in Kapitel 7 erwähnten Phänomene bei einer hydrodynamischen Supernova detailliert, anschaulich und reich bebildert beschreibt. Susanne Schandl, Die verbogene Akkretionsscheibe von Hercules X-l, Sterne und Weltraum 4/1994, S. 270. Allgemeinverständlicher Aufsatz in der genannten Monatszeitschrift, der geometrische Verhältnisse in Röntgendoppelsternen und die Geschichte ihrer Entschleierung am Beispiel des Systems Hercules X-l in eindrucksvoller Weise veranschaulicht. Helmut Scheffler und Hans Elsässer, Physik der Sonne und der Sterne, BI Verlag, Mannheim 1990, Lehrbuch der Stellarphysik für Physikstudenten. Besonders hervorgehoben werden die Themen Sonnenphysik und Physik der Sternatmosphären. Roman und Hannelore Sexl, Weiße Zwerge – Schwarze Löcher, Vieweg, Braunschweig 1975. Äußerst unterhaltsame, aber auch anspruchsvolle Darstellung der unserer Alltagserfahrung oft widersprechenden physikalischen Phänomene im Zusammenhang mit kompakten stellaren Objekten. Steven Weinberg, Die ersten drei Minuten, Piper, München 1986. Darstellung der Anfangsphase unseres Universums nach der Urknalltheorie. Gut verständlich für Leser mit naturwissenschaftlichen Grundkenntnissen.
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Abbildungsverzeichnis 1. Die Ringe der SN1987A. Quelle: Space Telescope Science Institute, Baltimore ................................................................................. 2. Speckle-Aufnahme von η Carinae. Quelle: Prof. G. Weigelt, Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn .............................. 3. Klumpige Molekülwolke. Quelle: Prof. R. Genzel, Max-PlanckInstitut für Extraterrestrische Physik, Garching ................................ 4. 30 Doradus Komplex. Quelle: Space Telescope Science Institute, Baltimore................................................................................................. 5. Jet vom jungen Stern HH34. Nach: Sterne und Weltraum 11/87, S. 618, Abb. 3a....................................................................................... 6. Solare Granulation. Quelle: Sacramento Peak Observatory............... 7. HRD sonnennaher Sterne. Nach: Meyers Handbuch über das Weltall, BI Verlag, 5. Auflage, S. 381 ................................................... 8. HRD heller Sterne. Nach: Meyers Handbuch über das Weltall, BI Verlag, 5. Auflage, S. 380 .................................................................... 9. Schematisches Te-pe-Diagramm. Eigenanfertigung ........................... 10. Schematisches HRD. Eigenanfertigung ............................................... 11. s-Prozeß-Weg in der Nuklidkarte, Ausschnitt. Eigenanfertigung...... 12. Kalebassen-Nebel. Quelle: ESO, Garching ......................................... 13. Honigwaben-Nebel in der Großen Magellanschen Wolke. Quelle: ESO, Garching................................................................................... 14. HST-Aufnahme von r| Carinae. Quelle: Space Telescope Science Institute, Baltimore ................................................................................ 15. Anfangs-Endmassen-Diagramm. Eigenanfertigung ......................... 16. Krebsnebel: Ein Supernova-Überrest. Quelle: ESO, Garching.......... 17. Neutrinos von der Supernova 1987A. Nach: Sterne und Weltraum 2/92, S. 91, Abb. 5 ....................................................................... 18. Konvektion in einer Typ II Supernova. Quelle: Dr. E. Müller, Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching ................................. 19. Kritische Akkretionsraten. Eigenanfertigung ...................................... 20. Hülle der Nova Cygni. Quelle: Dr. F. Paresce, nach: Astronomy and Astrophysics Vol. 282, S. L13, Fig. 1 .......................................... 21. Her X-l Schema. Quelle: Dr. S. Schandl, Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching .......................................................................... 22. Entwicklung primärer und sekundärer Häufigkeiten. Eigenanfertigung ............................................................................................. 23. Entwicklung verschiedener Elementhäufigkeitsverhältnisse. Eigenanfertigung ................................................................................... 24. Vela-Supernova-Überrest. Quelle: ESO, Garching ............................. 25. 26 Al-Karte der Milchstraße. Quelle: Dr. R. Diehl, Max-PlanckInstitut für Extraterrestrische Physik, Garching .................................
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9 10 15 17 21 31 34 37 49 52 61 63 67 69 70 77 79 82 93 94 102 109 116 118 119
Glossar Astronomische Längenmaße Sterndurchmesser werden meist in Vielfachen des Sonnenradius angegeben, welcher 696 000 km oder 6,96 10 10 cm beträgt. Sehr ausgedehnte Sterne können einen Radius von mehr als einer Astronomischen Einheit (A. E.) haben, welche der mittleren Entfernung der Erde von der Sonne entspricht und 149 Millionen km beträgt. Die Distanzen zwischen den Sternen werden meist in Lichtjahren (Lj) gemessen. Ein Lichtjahr entspricht dabei der Strecke, die das Licht, welches sich im Vakuum mit einer Geschwindigkeit von 300 000 km/s ausbreitet, innerhalb eines Jahres zurücklegt. Damit gilt 1 Lj = 63 000 A.E. = 9,46 1012 km = 9,46 1017 cm. In der wissenschaftlichen Literatur wird statt des Lichtjahrs oft die Einheit Parsec (pc) benutzt, wobei 1 pc = 3,26 Lj beträgt. Scheinbare Sternhelligkeiten In den Anfängen der Astronomie wurden die mit bloßem Auge sichtbaren Sterne in sog. Größenklassen (magnitudes) eingeteilt, wobei die hellsten Sterne zur 1. Größenklasse, die schwächsten zur 5. Größenklasse gezählt wurden. Die heute benutzte wissenschaftliche Definition versucht die historische Vorgabe zu berücksichtigen und definiert die Differenz zweier Größenklassen als m1 – m2 = –2,5 (log s1 – log s2), wobei s1 und s2 die Strahlungsflüsse zweier Sterne mit den Größenklassen m1 und m2 bedeuten. Mit der Festlegung der Helligkeit des Polarsterns als 2 m. 12 erhält Sirius als hellster Stern am Himmel –1 m. 6 und Wega 0 m. 0. Die schwächsten mit bloßem Auge sichtbaren Sterne haben weiterhin etwa 5 m. 0, mit den größten Teleskopen erkennt man Sterne bis zu 25 m. 0. Die Helligkeit der Sonne beträgt auf dieser Skala –26 m. 8. Absolute Sternhelligkeiten Die absolute Sternhelligkeit ist definiert als die scheinbare Sternhelligkeit, die ein Stern hätte, wenn er von uns eine Entfernung von 10 pc oder 32,6 Lj hätte. Absolute Sternhelligkeit M, scheinbare Sternhelligkeit m und Entfernung r erfüllen die Beziehung m – M = 2,5 log(r/10pc)2. Bolometrische Helligkeit und Farben Als bolometrische Helligkeit bezeichnet man die Helligkeit eines Sterns, die seiner in allen Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums zusammengenommenen Strahlung entspricht. Die absolute bolometrische Helligkeit Mbol ist daher ein Maß für die Sternleuchtkraft L und ist definiert durch die Beziehung Mbol = –2,5 log(L/L☼) + Mbol,☼ wobei L☼ = 3,86
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1033 erg/s die Sonnenleuchtkraft und Mbol,☼ = 4 m. 77 die absolute bolometrische Helligkeit der Sonne ist. In die visuelle Helligkeit geht nur der im visuellen Spektralbereich ausgesandte Strahlungsfluß ein, und die Differenz zwischen visueller und bolometrischer Helligkeit wird Bolometrische Korrektion (B.C.) genannt: B.C. = mvis – mbol = Mvis – Mbol. Helligkeiten bezogen auf andere Ausschnitte des elektromagnetischen Spektralbereichs, welche zumeist durch im Strahlengang des Teleskops montierte Filter definiert werden, werden Farben oder Farbhelligkeiten genannt. Spektrum und Spektrallinien Als Spektrum bezeichnet man den Verlauf der Intensität der Strahlung eines Sterns als Funktion der Lichtwellenlänge. In Wellenlängenbereichen, in denen diese Funktion kontinuierlich verläuft, spricht man vom Kontinuum oder von Kontinuumstrahlung. Diese entspricht bei Sternen in erster Näherung der Kontinuumstrahlung eines idealen Schwarzen Körpers mit einer Temperatur entsprechend der Oberflächentemperatur des Sterns (vgl. dazu auch Kap. 4b). Fast alle Sternspektren zeigen aber eine Vielzahl von auf einen engen Wellenlängenbereich begrenzten Flußabsenkungen, welche im Spektrum als dunkle Linie sichtbar sind; man spricht von Absorptionslinien. Einige wenige Sterne zeigen sog. Emissionslinien, i.e. eng begrenzte Wellenlängenbereiche mit einem Strahlungsfluß oberhalb des Kontinuumsflusses. Breite und Form dieser Linien erlauben eine Vielzahl von Aussagen über den chemischen, mechanischen und thermischen Zustand der sie absorbierenden oder emittierenden Schichten. Kernphysikalische Begriffe Zu einem chemischen Element gehören Atome mit der gleichen Protonenzahl im Atomkern; aufgrund der gleichartig strukturierten Elektronenhülle weisen sie identische chemische Eigenschaften auf. Atome gleicher Protonen-, aber unterschiedlicher Neutronenzahl im Atomkern werden Isotope eines Elements genannt. Je nach Neutronenzahl sind die kernphysikalischen Eigenschaften der verschiedenen Isotope eines Elements sehr unterschiedlich. In der Regel hat ein Element einige stabile Isotope und viele radioaktiv instabile Isotope; letztere zerfallen im Laufe der Zeit in andere chemische Elemente, wobei die Halbwertszeit angibt, nach welcher Zeit genau die Hälfte einer gegebenen Menge eines radioaktiven Isotops zerfallen ist. Die häufigste Zerfallsart ist der β-Zerfall, bei dem sich entweder ein Neutron im Atomkern unter Aussendung eines Elektrons (β-Teilchen) in ein Proton umwandelt (β–-Zerfall), oder ein Proton wandelt sich in ein Neutron um (β+-Zerfall). Beim β-Zerfall werden auch energiereiche Photonen, sog. γ-Strahlen, ausgesandt. Deren Energien werden in MegaElektronenvolt (MeV) gemessen, wobei 1 MeV = 1 000 000 eV = 1,602 106erg.
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Register absolute Helligkeit 35, 39, 123 Absorptionslinie 65–66, 124 AGB 59 AGB-Phase 70 AGB-Stern 58–63, 111, 117 Akkretion 89, 92–93, 95, 98–99, 101, 103–104 Akkretionsraten 95–98 Akkretionsscheibe 92, 102 Algol 86–87, 89 Algol-Paradoxon 87 allgemeine Relativitätstheorie 12, 85 Alter des Universums 39, 57, 114 Aluminium 117, 119 Antineutrino 73 Astronomische Einheit (A.E.) 10, 123 Asymptotischer Riesenast oder AGB 58 Bahnenergie 91 Barium 114 Bedeckungsveränderliche 87 Beryllium 106 Blei 60 bolometrische Helligkeit 124 Bor 106–107 Braune Zwerge 18, 43–44 Bulge 100 η Carinae 10, 68–69 Cas A 117 Cen X–3 99 δ Cephei 54 Cepheiden 54–57 Chandrasekhar-Grenzmasse 48, 64, 72, 76, 96–98 CNO-Zyklus 27–28, 108–109 COMPTEL 119 Coulomb-Abstoßung 60
CV (kataklysmatische Veränderliche) 89–93, 95 CygnusX–1 103 Deuterium 105–107 Doppelsternsystem 49, 85–87, 89, 97, 100 Dopplereffekt 65 30 Doradus-Komplex 18 30 Doradus-Nebel 17 Dunkle Materie 13, 44 Eddington-Stabilitätsgrenze 66–69 Eddington-Wind 68 EINSTEIN 99 Eisen 60, 75, 110–116 Eisenkern 76–78, 80, 83, 85 Elektroneneinfänge 76, 98 Emissionslinie 69, 124 Energieerzeugung 27–28 Entartung 42–43, 46–47, 64, 84, 92, 95, 97 Entfernungsmessungen 57, 97 Europium 113 Expansion des Universums 57 Farben 124 Fragmentation 15–16, 18 G77–61 106 Galaxien 83 GB oder Riesenast 51, 53, 59 Granulation 31–32 Gravitation 14–15, 20, 23, 25, 41, 75, 85 Gravitationslinsen-Effekt 44 Gravitationswellen 12, 91, 96, 104 GRO 104, 117, 119 Große Magellansche Wolke 17–18, 67, 79 Größenklasse 35, 123
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Halbwertszeit 61, 124 Hauptreihe 33–34, 36, 39, 50, 53, 72 Hauptreihenstern 36–37, 39, 56, 89–91, 102 Hayashi-Linie 51, 53, 56, 58, 72 Helium 19, 105 –10 8 Helium-Flash 46, 48–49, 51, 53 Helium-Schalenquelle 58–59 Heliumbrennen 30, 45–46, 49, 51–54, 71–72, 96, 107, 111 Heliumkern 51 Herkules X-l 102 Hertzsprung, Enjar 33 Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD) 34–35, 38, 50–53 HH34 21 Horizontalast 53 Horizontalast-Sterne 56, 58 HUBBLE 10, 17, 69 Hubble-Konstante 57, 97 Humunkulus-Nebel 68–69 hydrodynamische Supernova 80–81 hydrostatischer Kern 20 hydrostatisches Gleichgewicht 23, 29
Kleine Magellansche Wolke 112 Kobalt 60, 115 Kohlenstoff 71, 107–108, 111–114, 116 Kohlenstoff-Flash 48, 96 Kohlenstoffbrennen 46, 48–49, 74, 96–9 8 Kontinuum 69, IIA Konvektion 30–31, 51, 60, 81–82 kosmische Strahlung 107 Krebsnebel 77, 83 Kugelsternhaufen 98, 100 Leuchtkraft 25, 33, 35, 37–38, 51, 53, 56, 58, 71 Lichtjahr 15, 35, 123 Lithium 106 Luminous Blue Variables 66, 68, 71 β Lyrae 88
Jeans-Kriterium 14 Jet 11, 21, 101 Jupiter 43
M 57 62 Magnesium 114 Masse-Leuchtkraft-Beziehung 37 Massentransfer 88–89 Massenüberstrom 89, 91, 93, 100–101 Massenverlust 59, 62, 66–67, 70, 88, 112 massereiche Sterne 71–73 K-Mechanismus 55–56 Metalle 105 Milchstraße 14–15, 19, 33, 39, 43, 79, 83, 94, 100, 119 Mira oder o Ceti 7, 62–63 Molekülwolke 14–15
Kalebassen-Nebel 63 Kamiokande 79 Kelvin-Helmholtz-Zeitskala 26 Keplersche Gesetze 85 Kernfusion 26–28, 40, 78 Kernmateriedichte 77, 80
Neon 114 Neonbrennen 117 Neutrinos 12, 46, 72–76, 78–79, 81, 96 Neutron 60, 81, 84, 105 Neutroneneinfang 81
IMB 79 Instabilitätsstreifen im HRD 56 Ionen 65–66 Ionisation 56 Isotope 60–61, 81, 107–110, 117, 124
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Neutronenstern 80–85, 93, 98–104 nicht-relativistische Entartung 48–49 Nickel 75, 96, 115 Nova-Ausbruch 93–95, 117 Nukleosynthese 60, 72, 105, 107, 111, 114, 118 ο Ceti s. Mira Oberflächentemperatur 34–36, 50–51, 53 OH231.8+4.2 63 Orion-Nebel 15 P Cygni 8, 68 Parsec (pc) 15, 123 Pauli-Verbot 47, 84 Perioden-Leuchtkraft-Beziehung für Cepheiden 57 Photodesintegration 76, 105 Photonen 62, 65–66, 73, 76, 85, 103, 115 Planetarische Nebel 62–63 Planetensystem 22 Positron 73 pp-Kette 27, 107 primäre Isotope 110 Protonen 105, 107 Protuberanzen 32 PSR 1913+16 12 Pulsar 11, 77, 83, 98, 117 Pulsation 54–56, 62 Quasare 99 Sternhaufen 17–18 R Corona Borealis-Sterne 90 r-Prozeß 60–61, 81, 113–114 R136 17 radioaktiver Zerfall 60, 81, 124 relativistische Entartung 47–48, 84 Riesen-HII-Region 17 Röntgenburster 103 Röntgendoppelstern 100–102
Röntgendoppelstern Her X-1 101 Röntgenpulsare 101 Röntgenstrahlung 98, 100–101, 103 ROSAT 99 Roter Riese 38–39, 41, 44–45, 50, 54, 56, 89–90, 97 Roter-Riesen-Ast 51, 53, 59 RR Lyrae-Sterne 56 Russell, Henry Norris 33 Ruthenium 61 s-Prozeß 60–61, 81, 114 Salpeter-Gesetz 18 Sauerstoff 108, 110–116 Schalenquelle 58 Schwarzes Loch 85, 99, 103 Schwarzschild-Radius 85 Schwefel 114 schwere Elemente 19 δ Scuti-Sterne 56 sekundäre Isotope 110 Seyfert-Galaxien 99 Silizium 75, 114 Siliziumbrennen 74–75 SMM 115 Sonne 8–9, 26–27, 33, 41, 44, 50, 53, 56, 64, 71, 73, 91, 98, 107 Sonnenflecken 32 Spektraltyp 34–35 spezielle Relativitätstheorie 47 SS433 11, 101 Stefan-Boltzmann-Gesetz 38–39 Sternhelligkeit 34–35, 123 Sternhülle 55, 80, 82 Sternwind 50, 58, 64, 66–68, 72, 91, 97, 112 Stickstoff 108 γ-Strahlen 12, 103–104, 115, 117 γ-Strahlen-Burster 12, 103 Strontium 114
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Supernova 48, 50, 70–72, 75, 77–83, 85, 95, 100–101, 104, 112, 115, 118 Supernova 1987A 9–10, 12, 67, 79, 115 Supernova-Explosion 64, 93, 97 Symbiotisches System 98
Virgo-Galaxienhaufen 57 visuelle Helligkeit 34–35, 39, 124
Wärmestrahlung 36, 38 Wasserstoff 19, 106 Wasserstoff-Schalenquelle 40, 51, 53–54, 59 Wasserstoffbrennen 26, 28, 36, T CrB 95 40–41, 43, 49–50, 72, 87, T Tauri-Stern 17, 24–26, 29, 43 92–93, 107, 117 Technetium 61 Weiße Zwerge 38–39, 48–50, 63, Thermische Pulse 59–60 84, 89, 91–93, 95–98, 100, thermische Zeitskala 26 112–113 thermisches Gleichgewicht 28–29, Windblasen 66 40 Wolf-Rayet-Phase 70–71 Titan 117 Wolf-Rayet-Stern y Velorum Typ I Supernova 80 119 Typ Ia Supernova (thermonukleare Wolf-Rayet-Sterne 68, 71–72, Supernova) 80, 96–97, 112112, 119 113, 115 Wolf-Rayet-Wind 69 Typ Ib/c Supernova 70, 80 Typ II Supernova 80, 82, 95, 113, Yttrium 61 115, 117 Zentralsterne Planetarischer Nebel U Soc 94 63 UHURU 99 β-Zerfall 60, 76, 81, 124 Urknall 19, 105–106 Zwergnova 92