Nie mehr brav!
Stephanie Bond
Tiffany 1025
25 – 2/02
gescannt von Almut K.
1. KAPITEL
Mit einer Hand hielt di...
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Nie mehr brav!
Stephanie Bond
Tiffany 1025
25 – 2/02
gescannt von Almut K.
1. KAPITEL
Mit einer Hand hielt die Friseuse das lange dunkle Haar hoch über Cindy Warrens Kopf, mit der anderen die Schere. "Sind Sie sich sicher, Ma'am? Soll ich es wirklich tun?" Cindy nagte unsicher an ihrer Unterlippe. Langes Haar war unkompliziert. Und man kann sich dahinter verstecken, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf. Der alte Jerry, der ein paar Schritte weiter hinter einem Frisiersessel stand, räusperte sich bedeutungsvoll und schob die Weihnachtsmannmütze auf seinem Kahlkopf zurück. Der schwarze Barbier, eine Institution im "Chandelier House", lehnte es kategorisch ab, seine Kunst an Frauenköpfen auszuüben. Jerrys subtiler Kommentar wurmte Cindy. Es war schließlich ihr Haar, oder? Sie las das Namensschild der jungen Friseuse. "Sagen Sie, Bea, wie lange arbeiten Sie schon in unserem Salon?" "Mit heute sind es vier Tage, Ma'am. Vor genau zwei Wochen habe ich an der Friseur-Fachschule meine Abschlussprüfung gemacht." "Aha." Cindy verdaute die Information, während Jerry seinen Kunden auf dem Sessel herumwirbelte, damit sie beide die Aktion verfolgen konnten. "Also, eine Veränderung ist jedenfalls fällig", sagte Cindy entschlossen. "Langes Haar wirkt in meinem Alter einfach lächerlich." "Hör sich das einer an", bemerkte Jerry. "Was ist an langem Haar auszusetzen?" fragte sein Kunde. Cindy warf seinem Spiegelbild einen Blick zu, und ihr stockte der Atem. Der Mann sah unverschämt gut aus. Markantes Gesicht, leuchtend blaue Augen, dunkles, welliges Haar. "Wie bitte?" "Ich habe gefragt, was an langem Haar auszusetzen ist", wiederholte er, und seine Augen funkelten belustigt. Sie unterdrückte das aufwallende Gefühl von Erregung und entgegnete kühl: "Ich sehe damit wie eine Studentin aus." "Die meisten Frauen wären glücklich darüber", meinte der Kunde und schlug seine Beine übereinander, die lang unter dem grauen Frisiercape herausragten. Erst jetzt bemerkte Cindy, wie groß er war. Sie wandte ihren Blick hastig ab und erwiderte knapp: "Diese Frau ist es jedenfalls nicht." Jerry sagte in verschwörerischem Ton zu seinem Kunden: "Sie will jemanden beeindrucken." "Jerry!" Cindy zog warnend die Augenbrauen hoch. Der Kunde nickte Jerry wissend im Spiegel zu. "Einen Mann?" "Natürlich." Jerry nahm seinem Kunden das Cape ab und enthüllte ein weißes Oberhemd und burgunderrote Hosenträger. "Jerry, das reicht!" "Ihren Freund?" fragte der Mann. "Nee. Für so was hat Miss Cindy keine Zeit. Sie arbeitet Tag und Nacht." „Wirklich? Tag und Nacht?" Der Mann machte ein mitfühlendes Gesicht. "Wen will sie dann beeindrucken?"
"Irgend so einen Unternehmensfritzen", sagte Jerry, während er mit einem Pinsel den Hemdkragen und die breiten Schultern des Mannes abfegte. „Jerry, ich habe noch nie in meinem Leben jemanden beeindruckt!" Cindy wurde plötzlich klar, was sie da gesagt hatte. "Ich meine, ich habe mich noch nie bemüht, jemanden zu beeindrucken", korrigierte sie sich ärgerlich. Der alte Barbier ignorierte sie. "Der Bursche kommt nächste Woche, um das Hotel zu überprüfen. Und auch Miss Cindy, schätze ich." "Warum sollte er Miss Cindy überprüfen wollen?" Der Mann sah kurz in Cindys Richtung. "Von den offensichtlichen Gründen mal abgesehen ... " "Weil sie den ganzen Laden schmeißt", sagte Jerry. Sein Kunde war beeindruckt. "Tatsächlich?" "Ja“, sagte Cindy und erdolchte Jerry förmlich mit ihrem Blick. "Ma'am?" meldete Bea sich, deren Hände bereits zitterten. "Lassen Sie's nicht abschneiden", sagte Jerrys Kunde. "Wenn es nach den Männern ginge, würden alle Frauen mit Haaren bis zu den Knien rumlaufen." Cindy wollte sich nicht umstimmen lassen. "Genau." Jerry und sein Kunde wechselten einen viel sagenden Blick. "Ma'am", flehte Bea, "meine Arme machen gleich schlapp." "Schneiden Sie's ab. Das wird mein Weihnachtsgeschenk an mich selbst." "Als Bestrafung, weil Sie ungezogen waren?" fragte der Mann. „Als Bestrafung, weil sie nett war", berichtigte ihn der Barbier. Cindy reichte es jetzt. "Los. Schneiden Sie", befahl sie. „Tun Sie's nicht", sagte der Kunde eindringlich. "Ab damit!" konterte Cindy energisch. "Schneiden Sie Stufen rein. Machen Sie eine neue Frau aus mir." Der Kunde und Jerry tauschten einen besorgten Blick. "Nun machen Sie schon, Bea. Bringen wir's hinter uns." Cindy fühlte sich unwohl. Bea schluckte hörbar, setzte die Schere an und kniff ihre Augen zu. Plötzlich bekam Cindy Panik. "Warten Sie!" rief sie in dem Moment, als die Schere zuschnappte. Bea öffnete die Augen und starrte auf ihre Hand. Der Kunde verzog sein Gesicht und Jerry grunzte schmerzvoll, als die Friseuse dreißig Zentimeter abgetrennten Haars hochhielt. Cindy erstickte ihr Entsetzen und ermunterte die frisch gebackene Friseuse, fortzufahren. Sie hoffte, dass Bea länger bleiben würde als ihre diversen Vorgängerinnen. Da die weibliche Belegschaft sich weigerte, zum Friseursalon des Hotels überzuwechseln, wollte Cindy mit gutem Beispiel vorangehen. Aber als Bea zwanzig Minuten später zurücktrat, um ihre Kreation im Spiegel zu begutachten, verstand Cindy, weshalb keine der Angestellten sich den ungeübten HotelFriseusen anvertraute. "Du liebe Güte", murmelte Jerry geschockt. Sein Kunde stieß einen leisen Pfiff aus. "Ein Jammer." "Sie finden es fürchterlich, nicht?" fragte Bea verzagt.
"Nein", versicherte Cindy ihr eilig. "Nein, es ist ..." Sie hob die Hand, brachte es aber nicht fertig, ihres stumpf abgeschnittenen Haare zu berühren, die ihren Kopf wie eine lange Wollmütze umhüllten. "Ich muss mich nur dran gewöhnen, das ist alles." Sie setzte ein strahlendes Lächeln auf. "Glauben Sie, er wird beeindruckt sein?" fragte der Mann Jerry. "Bestimmt. Falls er in der Lage ist, ihre Frisur zu ignorieren." "Ich kann gut auf diese Kommentare verzichten", zischte Cindy. Sie zog das Cape von ihren Schultern und stand hastig auf. Jerry konnte sie verkraften, aber dieser arrogante Hotelgast trampelte ihr auf den Nerven herum, die in dieser hektischen Vorweihnachtszeit sowieso schon angegriffen waren. Der Kunde stand ebenfalls auf, und in ihrer Eile, aus dem Salon zu kommen, rutschte Cindy auf einem Häufchen ihres Haars aus und schlitterte mit rudernden Armen wie eine Aufziehpuppe über den Marmorboden. Der Gast fing sie geistesgegenwärtig auf. Cindy sah sekundenlang in seine funkelnden blauen Augen, dann löste sie sich aus seinem Griff. "Danke", murmelte sie. Ihr Gesicht brannte. "Der Haarschnitt muss Sie aus dem Gleichgewicht gebracht haben", bemerkte er mit einem spöttischen Lächeln. Cindy kam sich vor wie eine komplette Idiotin. Ohne ein Wort schnappte sie sich ihre grüne Uniformjacke, gab der verzweifelten Bea ein großzügiges Trinkgeld und schritt so würdevoll wie möglich zum Ausgang. Bloß keine große Sache aus dieser peinlichen Episode machen. Alles halb so wild. Dieser irritierende Mann war schließlich nur ein Hotelgast auf der Durchreise. Und Manny würde schon wissen, wie man ihre Frisur retten konnte. „Ach du liebe Zeit." Manny beugte sich mit aufgerissenen Augen über seinen Schreibtisch. "Sag, dass es eine Perücke ist, Cindy." "Es ist eine Perücke." Cindy musste lachen. Manny hatte eine einmalige Art, sie aufzuheitern. Überhaupt war Manny Oliver einmalig, als Freund und als Mitarbeiter. Seine Einstellung als Empfangschef war ein absoluter Glücksgriff gewesen. Er sah gut aus, war höflich, hilfsbereit und geistreich. Und kochen konnte er auch. Cindy seufzte. Warum waren alle guten Männer immer schwul? Manny zupfte an ihrem Haar. "Du warst bei Bea, der Metzgerin, stimmt's?" "Du weißt über sie Bescheid?" "Ich musste eine verzweifelte Frau, die gestern unter Beas Schere geraten ist, mit einem Gratis-Dinner trösten. Cindy stöhnte. "Warum hast du mir nichts davon gesagt?" "Du weißt, dass ich dich nicht mit Kleinigkeiten belästige. Was hast du dir bloß dabei gedacht, dein schönes Haar abschneiden zu lassen?" "Ich wollte bei der weiblichen Belegschaft für unseren Salon werben." "Und du bist in der Tat eine ausgezeichnete Reklame." Cindy zog eine Grimasse. "Also - kann man was retten?' „Klar. Unten am Knab Hill ist dieser entzückende kleine Hutladen.“ "Manny!"
„Tut mir Leid, Boss. Also, ich hab um eins Schluss. Dann können wir uns in deiner Suite treffen. Das Werkzeug bring ich mit." "Prima." Cindy ließ ihren Blick durch die Lobby schweifen und senkte die Stimme. "Sag mal, hast du jemanden gesehen, der ein getarnter Schnüffler sein könnte?" "Kein Trenchcoat weit und breit", flüsterte er mit Verschwörermiene. Als Cindy grinste, fügte er hinzu: "Wieso glaubst du, dieser Stanton könnte früher kommen, um uns inkognito zu beobachten?" „Ich an seiner Stelle würde das tun." „Dumm, dass wir nicht wissen, wie er aussieht." "Ja, wirklich dumm." Wieder sah Cindy sich unauffällig um. "Und wie gesagt, er könnte verkleidet sein. Halte also bitte nach jemandem Ausschau, den man am wenigsten für den Abgesandten unserer Bosse halten würde." In dem Moment schlenderten zwei Männer in der Kostümierung von Captain Kirk und Mr. Spock vorüber. Manny sah Cindy bedeutungsvoll an. "Okay", räumte sie ein, "es dürfte schwierig sein, hier einen Spion auszumachen. Aber trotzdem. Halt die Augen offen. Wir sehen uns dann nachher beim Meeting." Sie setzte ihren Weg durch die Lobby fort und lächelte den Angestellten zu, deren entsetzte Blicke auf ihre Frisur ihr nicht entgingen. Eine Gruppe Arbeiter war damit beschäftigt, an der Wand hinter der Rezeption Tannengirlanden anzubringen, und fast hundert übertrieben gestylte Frauen, die an einer Kosmetikerinnen- Tagung teilgenommen hatten, standen Schlange, um auszuchecken. Cindy steuerte auf Amy zu, die zuständige Managerin für die Zimmerbelegung. "Wie läuft's?" "Gut", antwortete die schlanke Brünette und hob sofort eine Hand an ihre Stirn. "Abgesehen von diesen rasenden Kopfschmerzen." Cindy musste sich zur Anteilnahme zwingen, denn bei all ihrer Tüchtigkeit waren Amys hypochondrische Neigungen legendär. "Es wird an den Parfümschwaden liegen", sagte sie sanft und deutete mit dem Kopf zu der Warteschlange hinüber. "Na ja, ich werd's überleben", seufzte Amy. "Sobald die Kosmetikerinnen hier raus sind, haben wir eine volle Stunde, bevor die Trekkies über uns herfallen. Die Teilnehmer an der Star-Trek-Tagung. Na, die Fernsehserie", fügte sie erklärend hinzu, als sie Cindys fragenden Blick bemerkte. "Oh. Möge die Kraft mit dir sein", sagte Cindy salbungsvoll. „Falsche Tonart, Cindy." Cindy musste über Amys anklagenden Blick lachen. "Ich habe vor dem Meeting noch genau dreiunddreißig freie Minuten. Kann ich dir irgendwas abnehmen?" Amy lächelte dankbar und holte ein Klemmbrett unter dem Tresen hervor. "Es gibt einige Beschwerden." Sie tippte auf die angeheftete Zimmerliste. "Zimmer 620 möchte einen besseren Blick, Nummer 916 will einen Fernseher ohne den
Kanal für Sexfilme, und der Gast in Zimmer 1010 wünscht ein Raucherzimmer mit einem Kingsize-Bett. "Das wär's." "Welche Alternativen können wir anbieten?" "Keine." "Also ein persönliches Gespräch", bemerkte Cindy trocken und nahm das Klemmbrett. Amy grinste. "Viel Erfolg." "Danke." "Übrigens", Amy blinzelte, "was ist mit deinem Haar passiert?" Cindy runzelte die Stirn. "Wir sehen uns dann beim Meeting." Auf ihrem Rückweg durch die Lobby registrierte Cindy mit geübtem Blick jedes Detail. Der Marmorfußboden war auf Hochglanz poliert, die Sitzbereiche mit den antiken Möbeln und den gepolsterten Sofas strahlten eine gepflegte Gemütlichkeit aus, und die alten goldgerahmten Spiegel an den Säulen reflektierten fleckenlos die gedämpften Lichter der Halle. Die Angestellten waren vollauf beschäftigt, vom Pagen bis zu den Reinigungskräften. Gäste strebten dem Ausgang zu, entspannte Urlauber, die den sonnigen Tag genießen wollten. Cindy unterdrückte einen Seufzer. Bis Weihnachten waren es nur noch knapp zwei Wochen, und während alle Welt Geschenke einkaufte und sich auf die Feiertage freute, hatten sie und ihr Stab in dieser betriebsamsten Zeit des Jahres noch viele zermürbende Stunden vor sich. Und als Krönung des Ganzen schickte ihnen die Zentrale nun auch noch diesen Mann von einer Unternehmensberatungsfirma, der ihr über die Schulter sehen sollte. Durch ihre internen Kontakte wusste Cindy, dass Stanton ein kalter Rechner war, berüchtigt für seine rigorosen Sanierungsprogramme. Und die Tatsache, dass er kam, verhieß nichts Gutes für die Zukunft des "Chandelier House". Ein zugeknöpfter Manager-Fiesling würde den leicht verrückten Touch ihres Stabes sicher nicht zu schätzen wissen. Da vor dem Fahrstuhl zahlreiche Gäste warteten, nahm Cindy die Treppe im vorderen Bereich der Lobby. Während ihres Aufstiegs über die breiten teppichbelegten Stufen ließ sie ihren Blick über die Lobby schweifen. Ein grandioser Anblick aus der Vogelperspektive. Ein enormer Kronleuchter, Wahrzeichen und Namensgeber von "Chandelier House", beherrschte das Bild. In der Erinnerung an ihren Großvater und seine köstlichen Geschichten aus der Glanzzeit des Hotels zwinkerte Cindy dem prachtvollen Stück zu. Unten in der Halle entdeckte sie im Gewusel der Gäste und Angestellten die Dekorateure, die ihre Arbeit an der Rezeption beendet hatten und nun die Wände und Säulen weihnachtlich schmückten. Die geschäftige vorweihnachtliche Atmosphäre übertrug sich auf Cindy, und sie setzte ihren Weg in gehobener Stimmung fort. Wie in den vergangenen Jahren auch, würde sie diese turbulenten zwei Wochen überstehen. Ein neuer Anfang lag in greifbarer Nähe. Eine frische unbeschriebene Seite. Ein viel
versprechendes Jahr für das "Chandelier House", ein besseres Verhältnis zu ihrer Mutter und vielleicht sogar der ganz besondere Mann. Cindy lächelte ironisch. Warum sollte man sich mit einem einzigen Weihnachtswunder zufrieden geben? Am Ende der über drei Stockwerke führenden Treppe angelangt, nahm sie einen Fahrstuhl zum sechsten Stock und klopfte bei Zimmer 620. Ein untersetzter Mann in den Fünfzigern, der mit seinen dicken Brillengläsern wie eine Eule aussah, öffnete. Er hatte sich einen Schreibblock unter den Arm geklemmt und hielt zu Cindys Befremden die antike Schreibtischlampe in der Hand. Cindy hob nur kurz die Augenbrauen und stellte sich dann vor. "Man sagte mir, dass Sie ein Zimmer mit einem besseren Blick auf die Stadt wünschen. Ich kann Ihnen eine Suite anbieten, die allerdings erheblich teurer ist." Der Mann polterte ärgerlich los, aber Cindy blieb ruhig und höflich. Schließlich brummte die Eule, dass das Zimmer in Ordnung sei, und knallte die Tür zu. Kopfschüttelnd ging Cindy zum Fahrstuhl. Der Bursche schien an Verstopfung zu leiden. Sie würde ihm zum Frühstück einen Kopenhagener mit Backpflaumenfüllung bringen lassen, mit den besten Empfehlungen der Direktion. Sie fuhr drei Etagen höher. Das Paar in Morgenmänteln von Zimmer 916 klärte ein Missverständnis auf. Sie hatten sich nicht beschwert, weil sie Zugang zum Sexfilm-Kanal hatten, sondern weil sie diesen Sender nicht kostenlos empfangen konnten. Das sei leider nicht möglich, erklärte Cindy. Aber selbst wenn sie ein paar Dollar pro Film bezahlten, wäre das noch immer eine relativ billige AbendUnterhaltung in San Francisco. Zwei von dreien wären erledigt, dachte sie erleichtert, als sie auf dem Weg zu Zimmer 1010 war. Verglichen mit dem, was sie normalerweise zu regeln hatten, waren die heutigen Beschwerden Lappalien. Während sie den langen Korridor hinunterging, ärgerte sie sich zum x-ten Mal über den alten rotbraunen Teppich mit dem scheußlichen Blumenmuster. Bei der nächsten Gelegenheit würde sie bei der Unternehmensleitung neue Teppiche für sämtliche Etagen beantragen. Sie klopfte an die Tür des Gastes, der ein Raucherzimmer wollte, und Sekunden später stand der attraktive Fremde aus dem Friseursalon vor ihr barfuss. Sein Lächeln enthüllte ebenmäßige weiße Zähne, und um seine Augenwinkel bildeten sich feine Fältchen. Ende dreißig, schätzte Cindy und versuchte, seine imposante Maskulinität zu ignorieren. "So trifft man sich wieder", sagte er warm. "Ja", murmelte sie und hätte sich am liebsten ihre Jacke über den Kopf gezogen. Sie warf einen Blick auf ihr Klemmbrett. "Mr. Quinn?" "Eric Quinn." Er streckte ihr die Hand hin. Sie erwiderte seinen festen Händedruck. "Ich bin Cindy Warren, Mr. Quinn. Ich..." "Sie schmeißen diesen Laden. Ich erinnere mich."
Das Blut schoss ihr ins Gesicht. "Ich bin die leitende Managerin, und ich bin wegen Ihres Wunsches nach einem anderen Zimmer hier." Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich lässig gegen den Türrahmen. "Sie kümmern sich persönlich um die Wünsche der Gäste, Miss Warren?" "Nur manchmal. Ich ...“ "Dann fühle ich mich sehr geschmeichelt.“ Er sieht einfach zu gut aus, dachte Cindy. Und er ist sehr von sich eingenommen. "Das müssen Sie nicht, Mr. Quinn", entgegnete sie kühl. "Ich bin nur aushilfsweise eingesprungen. Was Ihren Wunsch betrifft, wir haben ein Raucherzimmer frei. Allerdings mit einem normalen Doppelbett." Mr. Quinn runzelte die Stirn und rieb sich das Kinn. Kein Ring, stellte Cindy fest, und im nächsten Moment fragte sie sich, ob sie noch ganz bei Trost war. Erstens bedeutete das Fehlen eines Rings noch lange nicht, dass der Mann zu haben war. Und zweitens, sie wäre die Letzte, die sich mit einem Gast einlassen würde. Mit einem Gast, der sie maßlos verwirrte, und das in der chaotischsten und sentimentalsten Zeit des Jahres. Mr. Quinn schüttelte den Kopf. "Nein, ich brauche unbedingt ein KingsizeBett. Ich kann eher auf Zigaretten verzichten als auf meinen Schlaf. Ich bin sehr groß." Unwillkürlich ließ Cindy ihren Blick über seinen Körper gleiten. Ein Hitzestrom durchschoss sie, ihr Herz klopfte wild. Sie hantierte an dem Klemmbrett herum, ließ wieder und wieder den Metallclip zuschnappen, immer schneller, je schneller ihr Pulsschlag wurde. Mr. Quinn zuckte mit den Schultern. "Na gut, dann bleibe ich halt hier." Cindy antwortete mit einem schmerzvollen "Au!" Denn ihre Hand war abgerutscht, und der Metallclip kniff in ihre Finger. Mr. Quinn befreite ihre eingeklemmten Finger. "Sie bluten", sagte er. „Es ist nichts", brachte sie zwischen zusammengepressten Zähnen heraus und fragte sich, was dieser Mann an sich hatte, dass sie sich in seiner Gegenwart ständig wie eine Idiotin benahm. Sie starrte auf das Blut, verblüfft, dass eine so kleine Verletzung so höllisch schmerzen konnte. "Nicht der Rede wert." "Kommen Sie herein und spülen Sie Ihre Hand ab", erwiderte er und zog sie sanft am Arm. „Nein, nicht nötig." "Sie werden Ihre Kleidung ruinieren." Er lächelte spöttisch. "Ganz zu schweigen von diesem ... wunderschönen Teppich." Trotz des stechenden Schmerzes musste Cindy lachen. "Vielleicht könnten Sie mir einen Waschlappen borgen." Er wies mit einer Armbewegung ins Zimmer. "Nun kommen Sie schon herein. Wo das Bad ist, wissen Sie ja sicher." "Ich brauche nicht lange", murmelte sie und schob sich rasch an ihm vorbei. Der kurze Moment körperlicher Nähe ließ ihren Puls von neuem in die Höhe schnellen. Sie machte einen langen Schritt über seine großen Schuhe und
unterdrückte den spontanen Gedanken an die anatomischen Zusammenhänge. Ohne nach links oder rechts zu sehen, steuerte sie aufs Bad zu. Sie ignorierte auch die maskulinen Düfte der Seife und des After Shaves im Bad, als sie den Hahn aufdrehte und nach einem Waschlappen griff. In den Spiegel zu schauen war ein Fehler. Ihr Haar sah aus wie ein Relikt aus den Siebzigern, und ihr Make-up hatte dringend eine Auffrischung nötig. Sie stöhnte frustriert, sog dann scharf die Luft ein, als das kalte Wasser auf ihre Finger traf. Was für eine Idiotin sie doch war! Sie presste den Waschlappen auf die Wunde. Als sie ihn nach einer Weile wieder fortnahm, sah sie erleichtert, dass die Blutung schwächer wurde. "In meiner Kulturtasche ist Heftpflaster", rief Mr. Quinn, und zum ersten Mal bemerkte sie seinen leichten Südstaaten-Akzent. "Sie hängt an der Tür. Bedienen Sie sich." Es widerstrebte ihr, an seine persönlichen Sachen zu gehen, aber dann sagte sie sich, dass sie sich wegen eines lächerlichen Pflasters nicht so anzustellen brauchte. Als sie die Badezimmertür schloss, nahm sie den Duft von Leder wahr, Und richtig, am Haken an der Tür hing an einer Schlaufe eine lederne Kulturtasche von imposanter Größe. Als Cindy danach griff, sah sie halb verdeckt dahinter eine hellblaue Pyjamahose hängen. Ein Bild von dem attraktiven Mr. Quinn in seinem Pyjama erschien vor ihrem inneren Auge. Mit zitternden Fingern zog sie den Reißverschluss an der linken Seite der Tasche auf, und ein Schauer kleiner Folienpäckchen regnete auf ihre Füße. Kondome! Mindestens ein Dutzend in allen Variationen ... Du lieber Himmel! Cindy ging in die Hocke, sammelte die Kondome ein und stopfte sie hastig wieder in die Tasche, wobei Mr. Quinns Pyjamahose vom Haken rutschte und zu Boden segelte. Verdammt! Sie hob die Hose auf, fühlte feine Seide, und erst dann dachte sie an den Schnitt in ihrer Hand. 0 nein! Seide nahm Feuchtigkeit bekanntlich auf wie Löschpapier. Voller Entsetzen beobachtete sie, wie der Stoff ihr Blut aufsog. Sie ließ die Hose fallen, als stünde sie in Flammen. "Alles okay da drinnen?" rief Mr. Quinn. Sie verschluckte sich fast. "Ja." "Haben Sie gefunden, was Sie brauchen?" Mit hämmerndem Herzen riss Cindy den rechten Reißverschluss der Tasche auf und fischte zwischen Rasiercreme, Shampoo und Zahnpasta eine Schachtel mit Heftpflastern heraus. "Ja, ich hab's!" rief sie, spülte nochmals ihre Hände ab und klebte zwei Pflaster auf die Wunde. Schließlich hob sie die Pyjamahose vorsichtig auf, um den Schaden zu begutachten. Rote Abdrücke ihrer Finger zierten die Kehrseite von Mr. Quinns Hose, als hätte sie sein Hinterteil begrapscht. Sie schloss die Augen. Warum mussten ihr immer solche Katastrophen passieren? "Miss Warren? Ist alles in Ordnung?"
"Ja, alles okay", brachte sie heraus, während sie fieberhaft überlegte, was sie tun könnte. Und dann kam ihr die rettende Idee. Sie würde die Hose reinigen lassen und noch vor der Dinnerzeit wieder in sein Zimmer schmuggeln. Er würde nie etwas von dem Malheur erfahren. Hastig knüllte sie die Hose zu einer Kugel, stopfte sie hinten unter ihr Rockbündchen und strich ihre Kostümjacke glatt. Nach einem tiefen Atemzug verließ sie das Bad, schob sich eilig an Mr. Quinn vorbei und betrat wieder das sichere Terrain des Korridors. "Vielen Dank." Er reichte ihr das Klemmbrett. "Kein Problem." Sein diabolisches Grinsen erinnerte sie an seinen großen Kondomvorrat, und sie sagte sich, dass er ein Ladykiller war, vor dem sie sich in Acht nehmen musste. Dann besann sie sich auf den ursprünglichen Grund ihres Besuchs. "Das mit dem Zimmer tut mir sehr Leid, Mr. Quinn. Natürlich können Sie gern in der Lounge rauchen." Er zuckte mit den Schultern. "Nicht so wichtig. Vielleicht werde ich die Gelegenheit nutzen, um dieses Laster loszuwerden." Sie nickte kurz. "Na dann viel Glück." Dann drehte sie sich um und floh, und bei jedem Schritt fühlte sie das seidige Knäuel in ihrer Strumpfhose. Eric trat in den Flur und schaute ihr nach. Er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, warum es ihn so reizte, diese Frau zu necken. Aber im Grunde konnte es nicht schaden, eine freundschaftliche Basis zu ihr aufzubauen, bevor sie ihn in ein paar Tagen anders erleben würde. Merkwürdig, dass er so etwas bei all seinen anderen Aufträgen nie für notwendig gehalten hatte. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass sie ihr schönes Haar hatte abschneiden lassen, um den Mann mit dem Hackebeil zu beeindrucken. Er hatte gewusst, dass das "Chandelier House" von einer Frau gemanagt wurde, aber er war weder auf ihre Jugendlichkeit noch auf ihre Schönheit gefasst gewesen. Seit der Episode im Friseursalon war ihm jedoch klar, warum Cindy Warren die oberste Position in dem Traditionshotel einnahm. Sie war eine energische Person und hatte Feuer in ihren schönen grünen Augen. Und selbst mit dem grässlichen Haarschnitt war sie noch verdammt hübsch. Eric ging in sein Zimmer zurück, streifte die Hosenträger von den Schultern und setzte sich wieder an den Schreibtisch, an dem er vor Cindys Besuch seine Unterlagen studiert hatte. Er machte sich Notizen über das Zimmer. Nach ein paar Zeilen über die Größe und den Gesamteindruck des Raums schaute er sich um, um die Details zu begutachten. Obwohl die Möbel alles andere als neu waren, hatten sie weit mehr Charme als das übliche moderne Hotel-Mobiliar. Die abgenutzten Stellen im Teppich waren geschickt durch gewebte Läufer überdeckt. Die elektrischen Anschlüsse funktionierten, und das geräumige Badezimmer war sauber und sonnig. Nichts zu beanstanden. Nur die Schachtel mit den sauren Drops, die er auf dem Nachttisch gefunden hatte, erschien ihm etwas sonderbar.
Er hielt im Schreiben inne und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, weil er schon wieder Cindy Warren vor sich sah, ihre schönen Augen, ihr charmantes Lächeln, ihre entschlossen gestrafften Schultern. Es beunruhigte ihn, dass er sich so stark von ihr angezogen fühlte. Er hatte hier einen Job zu erledigen. Eine Beziehung mit einer Frau, die durch seine Tätigkeit womöglich leiden würde, kam nicht infrage. Er griff nach seiner Zigarettenschachtel, warf sie frustriert wieder hin, und tätigte dann den längst fälligen Anruf. "Lancaster." "Hallo Bill, hier Stanton. Ich wollte Ihnen nur Bescheid geben, dass ich vor Ort bin." "Prima. Wie sieht's aus? Ist der Laden wirklich so verrückt, wie man uns gesagt hat?" Eric warf einen Blick auf die Bonbonschachtel. "Um das zu beurteilen, ist es noch zu früh." "Ich habe mit unserem Verbindungsmann bei Harmon gesprochen. Falls Sie jetzt schon feststellen, dass das ‚Chandelier House' nicht ins Konzept des Unternehmens passt, brauchen wir das Team gar nicht rüberzuschicken." Eric runzelte die Stirn. "Ich bin gut, das wissen wir beide. Trotzdem ist mir das Urteil der anderen wichtig." "Ich habe den Eindruck, dass Harmon dieses Hotel loswerden will." "Warum haben sie uns dann überhaupt angeheuert? Warum stoßen sie den Laden nicht einfach ab?" "Weil irgend so eine alte Kuh im Vorstand eine Schwäche für das Haus hat. Deshalb brauchen sie eine Rechtfertigung." Eric lehnte sich in seinem Stuhl zurück. "Hören Sie, Bill, ich werde diesen Job sachlich und korrekt erledigen. So wie ich es immer mache. Ich denk nicht dran, einen falschen Bericht abzuliefern. Schicken Sie das Team wie geplant. Abgesehen von meinem Ruf geht es hier ja auch um Menschen." Erics Partner schnaubte durch die Nase. "Menschen? Sorry, ich dachte, ich spreche mit Eric Stanton. Macht die Weihnachtszeit Sie rührselig?" Eric sah Cindy Warrens graugrüne Augen vor sich. "Ich schätze, ich bin einfach nur müde." "Haben Sie die Managerin schon kennen gelernt?" "Ja.“ "Und? Hat sie Ihre Tarnung durchschaut?" Eric rieb sich die Nase. "Nein, das hat sie nicht", erwiderte er und fügte im Stillen hinzu: Aber sie ist mir schon unter die Haut gegangen.
2. KAPITEL
Cindy versuchte, Eric Quinns Bild aus dem Kopf zu bekommen, als sie zum Konferenzraum ging. Sie durfte sich nicht von einem attraktiven Gast ablenken lassen. Schon gar nicht zu einem Zeitpunkt, da das Schicksal ihres Stabs von ihr abhing. Wieder nagte die Sorge an ihr. Wenn man tagtäglich so eng zusammenarbeitete, wuchsen die Mitarbeiter einem schnell ans Herz und wurden zu einer Familie. Cindy fühlte sich für sie verantwortlich. Seit der Hotelkonzern Harmon das "Chandelier House" vor zwei Jahren gekauft hatte, hatte sie aus der Zentrale zahlreiche Memos bekommen, die Veränderungen forderten. Veränderungen, die ihr geliebtes Hotel in eine Standardschablone zwängen würden. Bis jetzt hatte sie Widerstand geleistet, aber ihr war bewusst, dass sie gegenüber dem Unternehmen letzten Endes machtlos war. „Guten Morgen allerseits", sagte Cindy mit einem strahlenden Lächeln, als sie den Raum betrat. Sechs Direktoren und die Manager grüßten im Chor zurück und flachsten miteinander, als jeder versuchte, den besten Doughnut aus der Schachtel zu ergattern, die am Tisch herumgereicht wurde. Cindy goss sich einen Becher Kaffee ein. "Neuer Haarschnitt, Cindy?" Joel Cutter, der Manager für den Restaurationsbereich, verbarg sein Grinsen, indem er in einen mit Puderzucker bestäubten Doughnut biss. Ringsherum war leises Lachen zu hören, und Cindy warf ihm einen vernichtenden Blick zu, was ihn nicht im Geringsten berührte. Joel war ein geschätzter Angestellter und ein guter Freund. Ihre kleinen Foppereien waren freundschaftliche Vertrautheiten. Heißer Kaffee schwappte über den Rand ihres Bechers, als Cindy ihn energisch auf den Tisch stellte. Sie ließ sich auf ihrem Platz am Kopfende des Tisches nieder und fühlte den Wulst der verflixten Pyjamahose in ihrem Rücken. "Reicht mal die Doughnuts rüber. Und danke für die Einleitung, Joel. Wir beginnen mit dem Friseursalon. Amy?" Alle Blicke richteten sich auf die Managerin, die aus einer der vier vor ihr aufgereihten Fläschchen weiße Pillen in ihre hohle Hand schüttete. Sie spülte alle auf einmal mit einem kräftigen Schluck Früchtetee hinunter. "Wenn Jerry nicht wäre, würde ich sagen, wir machen aus dem Salon eine Eisdiele. Ich habe die neue Friseuse überredet, bis morgen Abend zu bleiben, aber danach sitzen wir wieder ohne da." Amy lächelte betreten. "Jerry hat mir gesagt, dass sie nur noch geweint hat, nachdem du gegangen warst, Cindy." Wieder ertönte Lachen im Raum. Cindy wedelte mit der Hand, um die Versammlung zur Ruhe zu bringen. "Sehr witzig. Vielleicht kann mir jemand sagen, was das Problem ist.“ Amy beugte sich vor. "Die meisten Friseusen, die wegen der Stelle nachgefragt haben, wünschen sich ein größeres Betätigungsfeld. Sie wollen nicht nur Haare schneiden, sondern auch Dauerwellen machen und färben. Eben alles, was sie
gelernt haben. Meiner Meinung nach müssen wir das ganze Programm anbieten, dann könnten wir eine, gute Kraft bekommen." Cindy nickte und machte sich eine Notiz. "Klingt plausibel." "Und noch etwas", sagte Amy, "es würde helfen, wenn Jerry sich herablassen würde, auch Damen zu bedienen", beendete Cindy an ihrer Stelle. "Aber wie wir alle wissen, hält er eisern an seinem Prinzip fest. Jerry macht seinen Job fantastisch, und wir dürfen ihn nicht verlieren. Er ist eine Legende." "So wie die genialen Frisuren der Siebziger", murmelte Joel in seine Serviette, worauf wieder Gelächter ertönte. Cindy ignorierte Joel und sah Samantha Riggs an, die Verkaufsdirektorin. "Wie läuft das Geschäft, Sam?" "Bestens", antwortete Sam vollkommen unbefangen in ihrer KriegerKostümierung der Klingonen. "Wir haben die Tagung der Trekkies perfekt vorbereitet. Wenn sie mit unserer Arbeit zufrieden sind, werden garantiert auch andere Gruppen bei uns tagen." Zur Bekräftigung rückte sie ihre Schärpe aus Metall zurecht. Cindy hoffte, dass ihr Lächeln nicht so unsicher war, wie sie sich fühlte. Zwar brachten die Fangruppen, die ihre Rollenspiele hier abhielten, gute Einnahmen, aber sie hatte auch gehört, dass das Hotel in der Zentrale den Ruf einer Herberge für Freaks bekommen hatte. Sam zählte an ihren schwarz lackierten Fingernägeln wie aus der Pistole geschossen die erwarteten Gruppen auf. "Die Hellseher treffen am Wochenende ein, die Vampire kommen Samstag, und die Erotik-Messe beginnt nächsten Montag." Panik erfasste Cindy. "Erotik-Messe? Nächsten Montag?" "Kommt Montag nicht dieser Betriebsprüfer mit seinem Team?" fragte Joel. Cindy nickte. "Richtig." Es machte ihr nichts aus, eine nicht jugendfreie Messe in ihrem Hotel auszurichten, aber das Timing konnte kaum schlechter sein. "Hoffen wir, dass der Mann Humor hat", bemerkte Amy. "Und ein intaktes Liebesleben", fügte Manny hinzu. "Um Cindy brauchen wir uns jedenfalls nicht zu sorgen, da sie die Enthaltsamkeit in Person ist", bemerkte Joel. "Du solltest als Komiker auftreten, Joel", gab sie trocken zurück. Joel und seine Frau versuchten unermüdlich, Verabredungen für sie zu arrangieren, aber ihre Bemühungen hatten eine Katastrophe nach der anderen zur Folge gehabt. "Sam, ich möchte, dass diese Messe so weit wie möglich im Hintergrund bleibt." Sam nickte. "Du willst es unauffällig, du kriegst es unauffällig. Kein Problem, Cindy." „... sagte die Frau in dem unauffälligen Klingonen-Kostüm", bemerkte Manny grinsend. "Hey, man tut, was man kann für seine Gäste", erwiderte Sam locker. "Fahren wir fort." Cindy wandte sich dem technischen Leiter William Belk zu, einem stämmigen Mann, der selten sprach. "William, wie steht's mit dem perfekten Weihnachtsbaum für die Lobby?"
"Die Leute in der Baumschule suchen noch." Cindys Magen zog sich zusammen. "Die Dezembertage werden allmählich knapp", sagte sie bemüht locker. "Ich möchte den Baum aufgestellt und geschmückt sehen, bevor unsere Besucher eintreffen." "Ja. " Cindy lächelte gepresst und machte sich eine Notiz. Nachdem sie mit dem Controller und der Personalchefin einige verwaltungstechnische Details diskutiert hatte, wandte sie sich an Joel. "Möchtest du jetzt über deine Abteilung berichten, oder lenkt mein Haar dich zu sehr ab?" "Ich werde mich bemühen, stark zu bleiben." "Das freut mich. Fang mit den Banketts an." "Bis einschließlich Silvester zu neunzig Prozent ausgebucht." "Sehr gut. Wie steht's mit dem Restaurant?" Er schob ihr einen Zeitungsartikel zu. "Der ‚Chronicle' hat uns eine mittelmäßige Benotung gegeben." Sie überflog den Artikel. "Immer noch besser als die Prügel, die sie uns im vergangenen Frühjahr verpasst haben. Gibt's sonst noch was?" "Ich glaube, ich bin nicht der Einzige, der sich wegen dieser Inspektion Gedanken macht." Cindy nickte. "Das ist das nächste Thema auf der Liste, aber ich bin froh, dass du es angesprochen hast, Joel." Sie sah ihre Mitarbeiter an, die plötzlich sehr still geworden waren. "Wie die meisten von euch wissen, hat der Vorstand der Harmon-Kette eine Unternehmensberatungs-Firma beauftragt, einige ihrer Hotels unter die Lupe zu nehmen." Sie lächelte. "Und wir gehören zu den Glücklichen. Das ‚Chandelier House' wird gründlich durchleuchtet werden, angefangen bei den Bilanzen bis hin zu unserem Reservierungs-System und zum Kundendienst." Manny räusperte sich. "Gibt es einen Grund, warum sie uns so scharf ins Visier nehmen?" "Es könnte damit zu tun haben, dass ich den Bemühungen der Konzernleitung, unseren Geschäftsstil zu ändern, schon seit zwei Jahren widerstehe." „Es könnte auch damit zu tun haben, dass du Brüste hast", murmelte Amy. "Das glaube ich nicht. Es hängt bestimmt nicht damit zusammen, dass ich eine Frau bin", sagte Cindy ernst. Dann grinste sie und deutete mit dem Daumen zu den nicht übertrieben großen Wölbungen unter ihrer Jacke. "Außerdem ist dein Argument fragwürdig.“ Gelächter löste die Anspannung im Raum. "Sie wollen uns standardisieren", mutmaßte Joel. Cindy erwog bedachtsam ihre Worte. "Der Vorstand wünscht, dass wir uns mehr seinem unternehmerischen Profil anpassen, ja." Sie zwang sich zu einem optimistischen Ton. "Wie gesagt hat dieser Mr. Stanton sich und sein Team für Montag angekündigt. Es würde mich aber nicht überraschen, wenn er schon früher käme, um uns auszuspionieren. Gebt mir Bescheid, falls euch jemand verdächtig erscheint."
"Müssen wir uns Sorgen machen?" fragte Amy und massierte ihre Schläfen. "Ich glaube, ich bekomme eine Migräne." "Wir müssen wachsam sein", korrigierte Cindy sanft, "uns bewusst sein, dass alles, was wir tun, bewertet werden wird. Sobald Mr. Stanton da ist, werde ich ein Meeting einberufen und ihn dazu einladen. Er wird schnell merken, dass unser Hotel von kompetenten Profis geführt wirrd." Sie setzte ein ermutigendes Lächeln auf. "So, wenn sonst nichts mehr anliegt ... " "Moment", unterbrach Joel sie. "Vergiss nicht unsere Weihnachtsfeier morgen Abend." Cindy hätte fast aufgestöhnt. An die Weihnachtsfeier hatte sie überhaupt nicht mehr gedacht. "Wie könnte ich das vergessen?" krächzte sie. "Sollen wir in Anbetracht der drohenden Sparmaßnahmen Sandwiches mitbringen?" fragte Sam. Alle lachten. "Vergiss die Sandwiches", sagte Joel, "aber du könntest einen Begleiter für Cindy mitbringen." Unter dem allgemeinen Gelächter zischte Cindy ihm zu: "Du bewegst dich auf dünnem Eis, Freundchen." Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. "Das Meeting ist beendet." Als einer nach dem anderen den Raum verließ, knuffte Cindy Joel in die Schulter. "Wieso bist du dir so sicher, dass ich allein komme? Vielleicht habe ich ja eine Begleitung. " "Erzähl mir nichts, Cindy. Nenne mir nur einen passablen Junggesellen in der Stadt, den du mit deinem Desinteresse noch nicht zum Psychiater getrieben hast." "Witzbold." "Wenn du morgen Abend aber tatsächlich einen Begleiter haben solltest ..." Er überlegte einen Moment. "Dann vertrete ich dich den ganzen Mittwoch." Sie blieb abrupt stehen. Einen ganzen Tag frei! Das könnte ihre letzte Chance sein, Weihnachtseinkäufe zu machen, bevor der Hotelbetrieb im saisonalen Chaos versank. "Ist das dein Ernst?" "Natürlich. Ich werde mich um alles kümmern, was anfällt", versicherte Joel ihr. Dann grinste er diabolisch. "Und wenn du morgen allein kommst, krieg ich für einen vollen Monat deinen Parkplatz." "Ich brauche also nur einen Mann aufzutreiben?" wollte Cindy wissen. "Er muss hetero sein", sagte Amy, die interessiert lauschend neben ihnen herging. "Richtig", stimmte Joel zu. "Ich will eindeutig heterosexuelle Tändeleien sehen, bevor die Party endet." Cindy machte ein gekränktes Gesicht. "Ihr glaubt wohl nicht, dass ich jemand finden kann?" "Richtig", sagten sie wie aus einem Mund. Sie warf Joel einen Blick zu. „Abgemacht. Der Deal gilt."
Er rieb sich triumphierend die Hände. "Ein VIP-Parkplatz. Ich kann's kaum abwarten." "Und ich kann's nicht erwarten, diesen mysteriösen Mann kennen zu lernen", sagte Amy über die Schulter, als sie Joel zur Treppe folgte. Cindy blieb stehen und starrte ihren Freunden nach. "Ich auch nicht“, murmelte sie düster. So unauffällig wie möglich erkundete Eric während der nächsten beiden Stunden die verschiedenen Bereiche des Hotels. Da er in der Inkognito-Phase für gewöhnlich wertvolle Beobachtungen machte, wollte er so viel wie möglich erledigt haben, bevor seine Tarnung aufflog. Nachdem er in einer Nische seine Beobachtungen notiert hatte, schlenderte er zum Schreibtisch des Empfangschefs hinüber, wo ein blonder junger Mann ihn mit einem professionellen Lächeln begrüßte. „Guten Tag, Sir. Wie kann ich Ihnen helfen?" Eric brauchte nur Sekunden, um sich ein Urteil über den Mann zu bilden. Leute wie ihn, höflich, kompetent, zuvorkommend, musste man heutzutage mit der Lupe suchen. Dieser Empfangschef war zweifellos ein Schatz für Cindy Warren. "Ich hätte gern eine Empfehlung für mein Dinner." "Irgendeine spezielle Küche, Sir?" "Vielleicht ein gutes Steak." "Falls Sie nicht lieber in die City bummeln möchten - unser Chefkoch grillt hervorragende Rumpsteaks." Eric applaudierte dem Mann im Stillen für diese Antwort. "Klingt gut ich probier's. Wie ist die Lounge?" "Gute Drinks, aber nicht viel Action an einem Montagabend." Eric lachte. "Genau richtig für mich." Der Empfangschef streckte ihm die Hand hin. "Ich bin Manny Oliver.“ "Quinn. Eric Quinn." Sie drückten sich die Hände. "Freut mich, dass Sie das ‚Chandelier House' gewählt haben, Mr. Quinn. Falls ich irgendetwas tun kann, um Ihren Aufenthalt angenehmer zu machen, lassen Sie es mich wissen." In dem Moment entdeckte Eric Cindy am anderen Ende der Lobby. Ihm wurde erst bewusst, dass er sie anstarrte, als Manny sagte. "Das Ist unsere leitende Managerin, Cindy Warren." Eric gab sich betont locker. "Ja, ich weiß. Wir haben uns heute Morgen kurz im Friseursalon gesehen. " Er beobachtete, wie sie neben einem stämmigen Mann herging und in der Biegung der geschwungenen Treppe vom Boden bis zur Decke zeigte. "Ich war von ihrer Professionalität beeindruckt." Und von ihren Beinen. "Sie ist Spitze", stimmte Manny ihm zu. "Das ‚Chandelier House' kann sich glücklich schätzen, Miss Warren zu haben." "Sie erscheint mir sehr jung für einen so verantwortungsvollen Posten", sagte Eric und hoffte, dass Manny anbiss.
„Anfang dreißig", informierte Manny ihn. "Ist sie Single?" hörte Eric sich fragen. Er wusste nicht, wer von seinen Worten überraschter war, der Empfangschef oder er. Manny reckte sich zu seiner vollen Größe. "Miss Warren ist unverheiratet", sagte er gepresst und Eric fragte sich, ob er in seine Chefin verliebt war, und gab sich in Gedanken einen Tritt. Er nickte knapp. "Danke für Ihren Dinner-Tipp, Mr. Oliver." Als er einen Schein aus seiner Brieftasche zog, hob Manny dezent die Hand, bevor er ihm das Trinkgeld geben konnte. "Nicht der Rede wert, Mr. Quinn. Es ist mein Job, mich um jeden im Hotel zu kümmern", sagte er, wobei er das Wort jeden bedeutungsvoll betonte. Er lächelte, doch in seinem Blick lag eine Warnung. "Ich bin sicher, dass Sie in Ihrem Job gut sind", antwortete Eric locker. "Ich tue mein Bestes", versicherte Manny ihm. "Lassen Sie sich das Steak schmecken, Mr. Quinn." Eric konnte der Versuchung nicht widerstehen, nochmals in Cindys Richtung zu schauen, und kam in den Genuss einer unbeabsichtigten Vorführung ihrer sexy Beine, als sie die Arme in die Höhe streckte, um dem Mann etwas zu erklären. Vermutlich diskutierten sie über die Installation der Weihnachtsdekoration. Mannys bohrenden Blick im Rücken fühlend, bewegte Eric sich in Richtung Lounge und versuchte, die Anziehung zu ignorieren, die die Hotel-Managerin auf ihn ausübte. Es musste an der Weihnachtszeit liegen. Sie machte ihn sentimental. Oder scharf. Oder beides. Über dem Eingang zur Lounge prangte der Name "Sammy's". Nicht sehr originell, dachte Eric, als er die beiden Stufen hinabging und den schwach erleuchteten Raum betrat. Er erwartete, dass die Lounge den unzähligen langweiligen Hotelbars gleichen würde, die er in den fünfzehn Jahren seiner Tätigkeit besucht hatte, und war überrascht, an den Wanden gerahmte Konzertplakate vorzufinden, von denen einige aus der Blütezeit des Jazz stammten. In einer Ecke stand ein altes Klavier, und aus verborgenen Lautsprechern erklang die Melodie von "White Christmas", die Erinnerungen an vergangene Weihnachtsfeste weckte. Eric verspürte einen Anflug von Wehmut. Seit dem Tod seiner Mutter hatte sich vieles verändert. Die Bar war so gut wie leer. Nur einige Trekkies in bunten Kostümen saßen bei einem großen Krug Bier um einen Tisch. Dann aber erspähte Eric zu seiner Freude Jerry den Barbier, der auf einem Hocker an der Bar saß, auf dem Kopf seine Weihnachtsmann-Mütze und zwischen den Fingern eine dicke Zigarre. "Hallo", sagte Jerry in seinem tiefen Bass, "wenn das nicht Mr. Quinn ist." Er klopfte auf den Barhocker neben sich. "Setzen Sie sich. Tony wird Ihnen einen ordentlichen Drink mixen." Eric schob sich auf den Hocker und nickte dem breitschultrigen Barmann zu. "Bourbon und Wasser." Dann drehte er sich zu Jerry. "Gönnen Sie sich eine
Pause, Jer?" Nach einer Zigarette schmachtend, klopfte er auf seine Hemdtasche und stellte frustriert fest, dass er die Schachtel im Zimmer gelassen hatte. Vielleicht wäre es wirklich das Beste, mit dem Rauchen aufzuhören. Jerry zog an seiner Zigarre und stieß den Rauch aus. "Ich hab für heute Schluss gemacht. Hatte genug von dem Geplärr dieser Frau." "Wie bitte?" "Die Frau, die Miss Cindys Haar abgehackt hat. Sie hat den ganzen Tag geheult." "Es war doch nicht ihre Schuld", sagte Eric lachend. "Wir haben Ihre Chefin gewarnt.“ "Sie kennen Cindy?" Tony starrte Eric an, während er ihm den Drink hinschob. Noch ein verknallter Angestellter, vermutete Eric. "Nicht wirklich", antwortete er leichthin. Der Barmann taxierte ihn schweigend. Seine gewaltigen Brustmuskeln spannten sich unter seinem hautengen weißen Oberhemd. Er sah bedrohlich aus, daran änderten auch die roten Hosenträger mit dem fröhlichen GlöckchenMuster nichts. Schließlich ging Tony ans andere Ende des Tresens, um einen neuen Gast zu bedienen. "Kümmern Sie sich nicht um ihn", sagte Jerry, "er ist Miss Cindys selbst ernannter Bodyguard." "Sieht ziemlich gefährlich aus." Jerry beugte sich nah zu Eric. "Ganz unter uns, er hat in San Quentin gesessen." Eric sah alarmiert von seinem Drink auf. "Weswegen?" "Hab ihn nie gefragt", murmelte Jerry. "Aber er ist so weit okay. Außer dass er sich als der Beschützer unserer Chefin aufspielt." "Miss Warren ist offenbar eine beliebte Frau", bemerkte Eric. "Sie ist eine gute Frau", stellte Jerry richtig. "Aber stur." Er schüttelte bekümmert den Kopf. "So stur, wie der Tag lang ist." „Ist sie keine gute Managerin?" "Die beste, die man sich denken kann. Aber vor zwei Jahren hat eine große Gesellschaft dies Hotel gekauft, und seitdem versuchen sie in einem fort, alles Mögliche zu verändern. Miss Cindy wehrt sich standhaft, aber sie reibt sich dabei auf." "Was spricht dagegen, die Leistung eines Betriebs zu verbessern? Die Gäste würden das sicher begrüßen." "Die Gäste des ‚Chandelier House' kommen nicht wegen der Leistung, Mr. Quinn. Man braucht nur die Straße runterzugehen und kriegt ein größeres Zimmer mit einem besseren Blick für weniger Geld." "Warum kommen die Leute dann überhaupt hierher?" Jerry lachte und deutete zu den Trekkies in ihren verwegenen Kostümen. "Wir sind hier alle etwas verrückt, und wir betreuen Verrückte. Das ‚Chandelier House' ist eine profitable Nische, aber Miss Cindy kann niemanden dazu bringen, ihr zuzuhören."
"Hat sie sich Ihnen anvertraut?" „Nein." Jerry grinste. "Aber ich kenne das Hotel. Bin schon dreißig Jahre hier. Und ich kenne Frauen. War drei Mal verheiratet." "Die Ehe ist eher eine fragwürdige Empfehlung", warf Eric ein. "Frauen sind das kostbarste Geschenk, das der liebe Gott auf die Erde gesandt hat", sagte der alte Mann versonnen. "Sind Sie schon je zum Altar gegangen, Sohn?" Eric lachte trocken auf. "Nein." Jerry nickte wissend. "Aber Miss Cindy ist interessant, nicht? Eine attraktive Frau." Es beunruhigte Eric leicht, dass sein Interesse so leicht zu erkennen war. Wenn er Cindy das nächste Mal traf - was hoffentlich bald sein würde -, durfte er bei den Angestellten nicht den Eindruck erwecken, dass er bei ihrer Chefin Annäherungsversuche machte. "Ich kenne sie ja kaum." Jerry zog genussvoll an seiner Zigarre. "O ja, Sie mögen sie.“ Eric leerte in einem Zug sein Glas. "Kein Kommentar." "Hm. Es hat Sie schlimm erwischt." Jerry lachte leise. "Wie lange bleiben Sie in San Francisco?" Leicht genervt zuckte Eric mit den Schultern. "Meine Arbeit wird in ein paar Tagen erledigt sein, aber wahrscheinlich hänge ich einen kleinen Urlaub dran. Bis Neujahr oder so." „Weihnachten allein? Keine Familie?" Eric erwog zu lügen, entschied sich dann aber für die Wahrheit. „Mein Vater und ich sind uns seit dem Tod meiner Mutter nicht mehr sehr nahe. Meine jüngere Schwester wird über die Feiertage bei ihm sein." "Verstehen Sie und Ihre Schwester sich auch nicht?" Jerry klang nicht verurteilend, sondern einfach nur neugierig. "Doch, wir mögen uns. Aber Alicia ist bedeutend jünger als ich, und außerdem hat sie schon eine eigene Familie, die sie in Anspruch nimmt." Der Barbier machte ein teilnahmsvolles Gesicht. "Trotzdem sollten Familien zusammenhalten, besonders in dieser Zeit des Jahres." Eric wich seinem Blick aus, denn plötzlich erfasste ihn eine schmerzliche Sehnsucht nach den Weihnachtsfesten seiner Kindheit. Kugeln, Lametta und Zuckerkringel an einer duftenden Fichte, selbst gebackene Plätzchen und sein Vater am Klavier. Aber Gomas Stanton war nach dem Tod seiner Frau mürrisch und unzugänglich geworden. Eric ertrug den Gedanken nicht, Weihnachten zu Hause zu verbringen. Er würde seinen Vater zum Fest anrufen und sich wieder die übliche Litanei anhören, dass er ein Handlager skrupelloser Profitgeier sei, die den Fall des traditionellen amerikanischen Kapitalismus vorantrieben. Gomas Stanton, der dreiunddreißig Jahre lang als Glasbläser-Meister in einer Fabrik gearbeitet hatte, glaubte, dass der Wohlstand einer Gesellschaft aus der Produktionskraft jedes Einzelnen erwuchs. Man stellte sichtbare, greifbare Güter her, die man kaufen und verkaufen und besitzen konnte. So funktionierte nach
den Vorstellungen seines Vaters eine gesunde, florierende Wirtschaft. Der Beruf Unternehmensberater war für Gomas Stanton rätselhaft und daher suspekt. "Leute wie du zerstören die soliden kleinen Familienbetriebe", hatte sein Vater ihm einmal vorgeworfen. "Die Sorte Unternehmen und die Sorte Menschen, die dieses Land aufgebaut haben." Jedes Jahr dieselben Anklagen. Je mehr Eric darüber nachdachte, desto besser erschien ihm die Idee, Weihnachten an der Westküste zu bleiben. Besonders weil er die interessante Cindy Warren kennen gelernt hatte. Er wusste, dass viele Hoteldirektoren während der betriebsamen Festtage in der Nähe ihrer Hotels blieben, um jederzeit erreichbar zu sein. Vielleicht würden Cindy und er auf das neue Jahr anstoßen ... "Natürlich werden Sie anders über Weihnachten denken, wenn Sie Ihre Herzdame gefunden haben", fuhr Jerry unbeirrt fort. "Die Liebe hat so eine Art, das Fest zu etwas ganz Besonderem zu machen." Eric lachte. "Ob Weihnachten oder nicht, es besteht keine Gefahr, dass ich mich verliebe, Jer." "Das berühmte letzte Wort eines Grünschnabels. Ich hab euch beide heute Morgen gesehen. Ihr seid voneinander weggesprungen wie zwei falsch gepolte Magnete. Ich bin alt, mein Junge, aber ich bin nicht blind." Halb verlegen, halb ärgerlich schüttelte Eric den Kopf. "Sie haben eine lebhafte Fantasie, mein Lieber." Er stand auf und legte einen Schein auf den Tresen. "Trotzdem, danke für die Gesellschaft." "Ich rate ihnen, sich in Acht zu nehmen", warnte Jerry, ohne aufzublicken. "Keine Sorge. Ich werde Tony keinen Grund geben, sich seine Bewährung zu vermasseln." Jerry lachte, ein kehliges Grummeln. "Mr. Quinn, wissen Sie gar nicht, dass eine hübsche Frau hundert Mal gefährlicher ist als ein hartgesottener Krimineller?" Er zog ein letztes Mal an seinem Zigarrenstumpen und drückte ihn dann aus. "Du bist geliefert, mein Sohn. Frohe Weihnachten."
3. KAPITEL "Also, wer ist der Glückspilz?" fragte Manny, während er mit einem dicken Lockenstab eine Strähne von Cindys Haar einrollte. Auf seine Technik konzentriert, beobachtete sie ihn im Spiegel ihres Frisiertisches. "Glückspilz?" "Amy hat mir erzählt, dass du zu unserer Weihnachtsfeier einen heißen Verehrer mitbringen willst. Wer ist es?" "Ist in diesem Haus denn gar nichts heilig?" Cindy seufzte. "Ich hab keine Verabredung. Jedenfalls noch nicht." "Ich kann ein paar Freunde fragen, wenn du möchtest."
"Er muss hetero sein." Manny verdrehte indigniert die Augen. "Ich kenne auch Heteros. Genau gesagt zwei." Er zögerte. "Aber sie sind ... verheiratet. Und der eine ist Joel." „Toll. Du bist wirklich eine große Hil..." Cindy brach ab und schnupperte. "Es riecht brenzlig." Manny fuhr zusammen und zog den Lockenstab aus ihrem Haar. Die Strähne fiel schlaff herab. "Nichts passiert", stellte er fest, bevor er das Ergebnis seiner Bemühung näher studierte. "Dein Haar ist ziemlich dünn." "Danke." Sie hob ihre verpflasterte Hand an. "Könntest du nachher auch etwas Alkohol auf meinen Schnitt tun?" "Was zum Teufel hast du da gemacht?" "Das erzähl ich dir später. Erst mal ist mein Haar an der Reihe. Beeil dich." "Wie konnte dies Mädchen dir bei deinem Haar nur einen Stufenschnitt machen?" "Ich hab's ihr gesagt." "Als Frau vom Fach hätte sie von ihrem Vetorecht Gebrauch machen müssen." "Vielleicht solltest du unser neuer Figaro werden." "Cindy, entgegen dem weit verbreiteten Volksglauben sind nicht de schwulen Männer geborene Haarkünstler." "Dann verrat mir bitte, warum ich hier sitze?" "Ich versuche lediglich, das Beste aus dieser Tragödie zu machen." Er befreite das nächste Strähnenbündel, das sich ebenfalls stur weigerte, sich in eine Locke zu verwandeln, aus der Zange des Lockenstabs. "Aber ich sehe, dass ich kläglich versage." "Was mach ich bloß? Meine Mutter kriegt einen Schlaganfall, wenn ich Weihnachten nach Hause komme." Manny verdrehte die Augen. "Übertreib es nicht, Cindy. Die drei Tage wirst du überleben. Und deine Mutter auch." "Ich bin so froh, dass du mitkommst", sagte sie ernst. "Mom wird dir glauben, wenn du ihr erzählst, dass mein Haarschnitt in San Francisco Mode ist." "O nein, Schätzchen. Ich fahre wegen des Truthahns mit und nicht, um zwischen zwei zankenden Frauen zu vermitteln." "So schlimm sind wir gar nicht", sagte sie lachend. "Es ist die normale kriegerische Mutter-Tochter-Beziehung. Übrigens, nur um dich vorzubereiten, Mom wird denken, dass wir miteinander schlafen." "Ist das ein Kompliment?" „Klar!" Sie knuffte ihn liebevoll. "Und vielen Dank im Voraus, dass du mich vor dem üblichen Gelaber, wie einen netten Mann finden und zur Ruhe kommen, bewahrst." "Und? Warum kommst du nicht zur Ruhe?" fragte Manny, während er Cindys Haar toupierte und mit Spray einnebelte. "Steckt irgendeine schlechte Erfahrung dahinter?" Cindy dachte über die Millionen-Dollar-Frage nach. "Ich kann mich an keine besonders traumatischen Erfahrungen erinnern", sagte sie schließlich. Allerdings
auch nicht an besonders bemerkenswerte Erlebnisse." Sie seufzte schwer. "Weißt du, ich bin nie einem Mann begegnet, der die ungewöhnlichen Dinge im Leben schätzte. Jemandem, der Worte benutzt wie supercalifragilistisch." Manny starrte sie nur an. "Okay, vielleicht erwarte ich zu viel." Er strich ihr das Haar hinter die Ohren und prüfte das Ergebnis. "Am besten, du erwartest gar nichts und vergisst diesen ganzen Blödsinn vom großen Glück und so weiter. Denn wenn du so bist wie meine Freunde, weiblich oder männlich, wird die Liebe eine schreckliche Tortur für dich werden." "Und wieso?" "Weil dein Traummann all das verkörpern wird, was du hasst." Cindy lachte. "Interessant. Weiter, halt dich nicht zurück." "Ich meine es ernst. Sicher, zuerst sind alle blind vor Verliebtheit. Aber hier", Manny tippte sich auf seine Schulter, "hier weinen sie sich nach dem bösen Erwachen alle aus. Ehrlich, ich bezweifle, ob dieser Beziehungskram die ganze Anstrengung wert ist, Sieh dir doch all die Unglückswürmer an, die mal geglaubt haben..." "Du rennst bei mir offene Türen ein", unterbrach Cindy ihn. "Ich bin nicht auf der Suche nach einem Mann. Aber was ich dringend brauche, ist ein freier Tag. Deshalb muss ich einen Begleiter für die Weihnachtsfeier finden, und wenn ich einen engagieren muss.“ „Aha, Romantik auf Kreditkarte. Und wer hat dir den freien Tag in Aussicht gestellt?" "Joel." "Hätte ich mir denken können. Er kann es nicht lassen." Manny zupfte an Cindys Haar herum und betrachtete seufzend ihr Spiegelbild. "Sorry, Cindy, mehr kann ich beim besten Willen nicht tun. Aber ich muss sagen, dass deine Augen ohne all das Haar drum herum viel besser zur Geltung kommen." Sie starrte auf die unterste Haarschicht, die schlaff um ihre Schultern hing, während die oberste kurz über ihren Ohren endete. "Danke, aber so kann ich einfach nicht herumlaufen. Ich sehe unmöglich aus", jammerte sie und wies den Gedanken, dass sie für den Mann aus Zimmer 1010 gut aussehen wollte, weit von sich. Sie stand resigniert auf. "Jedenfalls muss ich jetzt wieder an die Arbeit. Ich habe wahrhaftig dringendere Dinge zu tun, als über meine Frisur zu lamentieren." Zum Beispiel musste Mr. Quinns Pyjamahose in die Reinigung. Das seidene Knäuel steckte noch immer in ihrer Strumpfhose. „Sieh zu, dass du etwas Zeit für die Männerjagd rausschindest." "Mit dieser Frisur brauche ich eine Knarre, um einen Mann einzufangen." "Wo ist das hübsche Chanel-Tuch, das die liebe Mammi dir zum Geburtstag geschenkt hat?“ "Das gelbe?" Cindy ging an eine Kommode und nahm einen hauchdünnen Seidenschal heraus. "Hier. Warum?" "Drapier dir das gute Stück um den Hals und lass die Enden über deinen Rücken hängen. Es wird die Aufmerksamkeit von deinem Haar ablenken."
Sie zog Manny eine Grimasse, befolgte aber seinen Rat und begutachtete das Ergebnis im Spiegel. Wie üblich hatte ihr Freund Recht. Manny wickelte langsam die Schnur um den Lockenstab. "Cindy", sagte er ungewöhnlich ernst, "du machst dir wegen Stanton Gedanken, stimmt's?" Cindy nickte. "Unter anderem." Manny stieß einen Seufzer aus. "Gerade hab ich angefangen, diesen verrückten Laden zu mögen.“ "Noch haben wir unsere Jobs", beruhigte sie ihn. "Aber ich will dich nicht belügen. Wir sind das Stiefkind des Unternehmens, und ich habe den Verdacht, dass Harmon beabsichtigt, uns loszuwerden." "Diese Inspektion muss nicht unbedingt unser Aus bedeuten", überlegte Manny. "Vielleicht erkennen Stanton und seine Leute das Potenzial des alten Kastens. Vielleicht empfehlen sie Harmon, uns einen Fonds für Verbesserungen zur Verfügung zu stellen." "Das wäre traumhaft. Vorausgesetzt, sie zwingen uns nicht, das zu verändern, was das ‚Chandelier House' so einmalig macht." Cindy lächelte verkrampft. "Übrigens", Manny grinste. "Was deinen Männernotstand betrifft, heute Morgen war ein Mann in der Lobby, der dich angestarrt hat, als hätte er nichts dagegen, dich auf seinem Gabentisch zu finden." "Mich?" "Ein Bursche namens Quinn." Cindys Pulsschlag beschleunigte sich. "Eric Quinn?" "Du hast ihn schon kennen gelernt?" "Gewissermaßen." Entschlossen, es schnell hinter sich zu bringen, griff Cindy nach hinten und zog die Pyjamahose unter ihrem Rockbund hervor. Mannys Augen weiteten sich. "Es ist nicht, was du denkst." "Ich denke, dass dies Mr. Quinns Pyjamahose ist." "Okay, es ist, was du denkst, aber ich hab die Hose nicht auf die Art bekommen, wie du es vermutest." "Erwartest du, dass ich glaube, du hast sie gestohlen?" Sie biss sich auf die Lippe. Manny starrte sie ungläubig an. "Du hast sie tatsächlich geklaut?" Cindy ließ sich in einen Sessel fallen. "Ich kann es selbst nicht glauben." Manny setzte sich ebenfalls. "Cindy, ich sterbe gleich. Was ist mit dieser Hose?" Allein bei dem Gedanken an den Vorfall brach ihr der Schweiß aus. Sie haspelte die ganze Geschichte herunter. "Na ja, und da dachte ich mir, ich nehme die Hose heimlich mit und lasse sie reinigen", beendete sie ihren Bericht. Manny schüttelte fassungslos den Kopf. "Du managst dieses Hotel, und etwas Klügeres ist dir nicht eingefallen?" "In dem Moment erschien mir der Plan sehr gut!"
Er fasste die zerknitterte Hose am Bund und betrachtete eingehend den Fleck. „Tut mir Leid, aber die Chancen, Blut aus Seide rauszukriegen, sind gleich null." Sie stöhnte. „Was soll ich denn jetzt tun?" "Beckwith", murmelte Manny, als er das Etikett entdeckte. "Da ist eine HerrenBoutique in Pacific Heights. Sie führen diese Marke." Cindys Miene erhellte sich. "Wirklich?" "Ja. Der Mann hat einen teuren Geschmack." Sie griff nach ihrer Handtasche. "Lieber Manny, hättest du vielleicht Lust ...“ „... zu Beckwith zu laufen und zu fragen, ob sie das gleiche Modell noch mal haben?" Sie presste die Hände aneinander. "Ich flehe dich an." Ein verträumter Ausdruck erschien in Mannys Augen. "Ich hab eine Krawatte in Beckwith's Schaufenster gesehen, die ich sehr schick fand." "Sie gehört dir!" rief Cindy und reichte ihm ihre Kreditkarte. "Aber ich brauche diese Hose vor der Dinnerzeit.“ "Kein Problem." "Und …“ sie hob warnend den Finger, kein Wort zu irgendjemand!" Seine Mundwinkel zuckten. "Falls du es noch nicht weißt Empfangschef ist praktisch gleichzusetzen mit Hüter ‚kleiner schmutziger Geheimnisse'." Er stopfte die Hose zusammen mit dem Lockenstab in eine Plastiktasche. "Übrigens soll ich dir von Amy sagen, dass du an der Rezeption vorbeischauen möchtest. Sie hat möglicherweise entdeckt, unter welchem falschen Namen sich Mr. Stanton bei uns eingeschlichen hat." Cindy schoss vom Stuhl hoch. "Das sagst du mir erst jetzt? Wer ist der Mann?" "Sie will es dir persönlich sagen." Sie fuhren zusammen zur Lobby hinunter, wo sie sich trennten, nachdem Manny versprochen hatte, sie sofort anzupiepsen, wenn er zurück war. Beunruhigt ging Cindy zur Rezeption. Sie hatte gehofft, dass wenigstens der Baum stehen würde und die Weihnachtsdekoration perfekt wäre, bevor Stanton eintraf. Amy stand hinter dem Schreibtisch und träufelte sich Tropfen in die Augen "Eine Allergie?" fragte Cindy. "Ich glaube, es kommt von diesen Tannengirlanden an der Wand." „Du Arme. Wenn du dagegen allergisch bist, muss die Weihnachtszeit eine Qual für dich sein. " "Fast so schlimm wie der Valentinstag." "Bist du gegen Schokolade auch allergisch?" "Nein, gegen Penicillin." Cindy runzelte die Stirn. "Was hat Penicillin mit ... Ach, nicht so wichtig." Sie senkte die Stimme. "Du hast Stanton entdeckt?" "Jedenfalls glaube ich es. Es ist der Gast in Zimmer 620.“ „Mr, Stark? Bei dem war ich heute Morgen. Wie kommst du darauf, dass er es ist?"
Amy tupfte sich mit einem Papiertuch die Augen. "Abgesehen von der Namensähnlichkeit ist er überall im Hotel herumgelaufen, hat Fragen zu den Möbeln gestellt und sich Notizen gemacht. Und außerdem", Amy flüsterte jetzt fast, "hat er bis Weihnachten gebucht und Bargeld als Sicherheit hinterlegt, statt eine Kreditkarte zu benutzen." "Hm - klingt, als könnte er unser Mann sein. Ich schau noch mal bei ihm vorbei." "Hör mal …“ Amy beugte sich über den Tresen und musterte Cindys konservativen dunkelblauen Rock, „... zeig etwas mehr Bein, ja?" "Amy! Glaubst du im Ernst, ich greife auf weibliche Tricks zurück, um das Urteil des Mannes zu beeinflussen?" Amy sah sie eine volle Minute lang stumm an. Cindy seufzte und krempelte ihren Rockbund um. „Wie viel Bein?" Cindy lächelte strahlend, als der Mann in Nummer 620 ihr die Tür öffnete. Hallo, Mr. Stark." Er blinzelte sie durch seine dicken Brillengläser an. „Ja? Sie wünschen?" "Ich bin Cindy Warren, die Managerin. Wir haben heute Morgen wegen des Zimmerwechsels gesprochen." "Ich will nicht mehr tauschen, da ich mich inzwischen hier eingerichtet habe." „Gut", sagte sie schnell. Er brauchte nicht zu wissen, dass die Suite, die sie ihm angeboten hatte, inzwischen vergeben wer. "Ich möchte noch einmal unser Bedauern zum Ausdruck bringen und Ihnen versichern, dass wir tun werden, was wir können, um Ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Falls Sie irgendeinen Wunsch haben, zögern Sie nicht, es mich wissen zu lassen." "Ein paar Gratis-Mahlzeiten wären nicht schlecht", sagte er unverblümt. Sie räusperte sich dezent. "Ich habe schon arrangiert, dass Sie morgen ein kostenloses Frühstück bekommen, Sir." „Hoffentlich mehr als Kaffee und einen Doughnut.“ Sie biss sich auf die Zunge. "Aber natürlich, Sir. Genießen Sie Ihren Aufenthalt." Als die Tür sich geräuschvoll wieder geschlossen hatte, ging sie niedergeschlagen zum Fahrstuhl zurück. Wenn dieser Sauertopf das Schicksal des Hotels in der Hand hatte, dann mussten sie sich auf allerhand gefasst machen. Die Tür glitt auf, und sie betrat gedankenverloren die Fahrstuhlkabine. "Hallo", sagte eine tiefe Stimme. Sie schaute direkt in Eric Quinns lächelndes Gesicht. Dieses Lächeln! Er sah so hinreißend aus, dass sie ihn sekundenlang nur anstarren konnte. Sie bemerkte ein Grübchen in seiner linken Wange, das ihr vorher nicht aufgefallen war. Sie bemerkte auch den warmen Glanz in seinen Augen. Und sie bemerkte ebenfalls, dass er sich umgezogen hatte. Er trug eine graue Jogginghose, ein weißes TShirt und Sportschuhe. Sie betete, dass er seine Pyjamahose noch nicht vermisst hatte.
"Probleme?" fragte er teilnahmsvoll. "Nein", antwortete sie hastig, zwang sich dann zu einem Lächeln. "Na ja, nicht mehr als sonst." „Keine weiteren Verletzungen, hoffe ich." Ihre Wangen wurden heiß. "Nein." Sie räusperte sich und suchte nach einem anderen Thema. "Wie läuft's, Mr. Quinn? Sind Sie mit Ihrem Aufenthalt so weit zufrieden?" "Sehr. Der erste Tag war recht produktiv." Sein Blick wanderte zu ihrem Rocksaum, glitt kurz über ihre Beine und zu ihrem Gesicht zurück. "Und ich bin Eric." Oh, diese Augen! Ihre Finger zitterten leicht. Der Metallclip hatte wahrscheinlich ein paar Nerven beschädigt. Sie starrte auf die Tafel mit den Stockwerknummern und versuchte sich zu erinnern, wo sie aussteigen wollte. "Was genau machen Sie beruflich ... Eric?" "Ich bin Handelsvertreter." "Und was verkaufen Sie?" fragte sie, nur um die Unterhaltung in Gang zu halten. „Ach, allerhand Krimskrams." Ihr war rätselhaft, warum er so vage antwortete, und plötzlich fiel ihr die Erotik-Messe ein. "Bereiten Sie die Messe vor, die nächste Woche stattfindet?" tastete sie sich vor. Er fuhr sich durchs Haar. Die Frage schien ihm unbehaglich zu sein. "Hm ... Ja, genau genommen bereite ich etwas vor." Was das Sortiment Kondome in seiner Kulturtasche erklärte. Sie nickte und wich seinem Blick aus. Hoffentlich war sie nicht rot geworden. Ihr Gesicht brannte jedenfalls wie Feuer. Was war los mit ihr? Sie war liberal, sie war cool. Sie war sogar ein Mal mit Manny in ein Striplokal gegangen. Warum also irritierte sie die Vorstellung, dass dieser Mann Dildos und Ledertangas verkaufte? "Fahren Sie auch ins Untergeschoss?" fragte er mit einem Blick zu dem einzigen leuchtenden Knopf. "Äh ... Nein." Cindy hieb auf den Knopf für die Lobby, fast im selben Moment glitt die Tür auf, und fluchtartig stürzte sie hinaus. Weit kam sie nicht, da etwas an ihrem Nacken riss und sie festhielt. Taumelnd fuhr sie herum. Ihr Schal war In der Fahrstuhltür eingeklemmt und wurde in den Schacht hinabgezogen. Die Luft wurde ihr knapp, ihr Herz raste wild. Endlich glitt die Seide von Ihrem Hals, und ihr Chanel-Tuch verschwand im Boden. Glücklicherweise hatte sie es nicht geknotet. Das wäre ihr Ende gewesen. Cindy schloss die Augen und atmete tief durch. "Ist er es?" Sie drehte sich um und sah Amy auf den Fahrstuhl zukommen, "Glaubst du, dass Stark Stanton ist?" "Könnte sein", murmelte Cindy. "Er Ist etwas widerborstig."
"Vielleicht steht er nicht auf Beine", meinte Amy. "Oder er steht auf Männer. Vielleicht hätten wir Manny hochschicken sollen." "Was immer, sag den anderen, sie sollen auf Zack sein, wenn unser grantiger Gast auftaucht." Amy schnippte mit den Fingern. "Hey, warum lädst du ihn nicht zu der Weihnachtsfeier ein?" Cindy starrte sie an. "Bist du verrückt?" "Warum nicht? Zeig ihm, dass man auch Spaß haben kann." "Soll er den Stab betrunken sehen? Als albernen, hemmungslosen Haufen?" "Oh, daran habe ich nicht gedacht. Aber du brauchst einen Begleiter, Cindy." "Jedenfalls wird es nicht der Mann sein, der hier ist, um Hackfleisch aus uns zu machen. Es macht mir nichts aus, die charmante Hausdame zu spielen, aber ich will nicht, dass der Stab denkt, ich würde mich an den Mann ranmachen, um meinen Job zu retten." "Du hast Recht", sagte Amy. "Ich werde die anderen instruieren." "Gut. Bis später." Cindy hastete die Treppe ins Untergeschoss hinunter, in der Hoffnung, dort ihren Seidenschal zu finden. Vergebens. Wahrscheinlich hatte sich das Tuch im Räderwerk verheddert und würde den Lift früher oder später außer Betrieb setzen. Cindy sah auf ihre Uhr. Kurz vor drei. Manny müsste innerhalb der nächsten Stunde zurück sein. Sie würde die Ersatzhose in Eric Quinns Zimmer bringen können, während er im Fitnessraum trainierte. Eine Vision seines athletischen Körpers huschte durch ihren Kopf, und sie beeilte sich, wieder nach oben zu kommen. Um sieben hatte Cindy noch immer nichts von Manny gehört. Sie betrat das Restaurant durch den Personaleingang, um den Küchenstab zu begrüßen. Nach einer kurzen Unterhaltung mit dem Chefkoch ging sie in den Speiseraum und setzte sich an einen der hinteren und selten benutzten Tische in der Nähe der Waschräume. Aufatmend streifte sie sich die Pumps von den Füßen. Was für ein Tag! "Sie haben doch sicher nicht vor, allein zu speisen", sagte Eric Quinn hinter ihr. Sie drehte sich um und sah ihn wenige Schritte entfernt an einem Tisch sitzen, der durch einen Pflanzenkübel halb verdeckt war. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. "Es macht mir nichts aus." "Irgendwie ist es albern, dass wir beide allein essen, finden Sie nicht?" In seinem Ton war nicht die Spur einer Anspielung. "Darf ich mich zu Ihnen setzen, Miss Warren?" Sag Ja, redete sie sich zu. Er war einfach nur ein netter Geschäftsmann, der beim Dinner mit jemandem plaudern wollte. Außerdem könnte sie ihn so im Auge behalten, bis Manny sie anpiepte. "Bitte." Er erhob sich und kam mit seinem Weinglas an ihren Tisch. Sie deutete auf den Stuhl ihr gegenüber. "Und nennen Sie mich Cindy."
„Also gut ... Cindy." Er hatte sich umgezogen und trug jetzt eine legere graue Hose und ein hellblaues Hemd. Als er sich hinsetzte, fiel Cindy die athletische Geschmeidigkeit seiner Bewegungen auf, die eine prickelnde Unruhe in ihr auslöste. "Was empfehlen Sie?" Cindys Gedanken schweiften ab. Eine Freundin hatte ihr vor einiger Zeit von einer ziemlich ungewöhnliche Stellung erzählt, die sie gern mal ausprobieren würde. "Das Rumpsteak", sagte sie, und ihr Herz hämmerte wie wild. "Das hat auch der Empfangschef vorgeschlagen." "Sie haben mit Manny gesprochen?" Die Sache war nur die, dass keiner ihrer Exfreunde so etwas wie ein loderndes Feuer in ihr entfacht hatte. "Ja. Scheint ein netter Kerl zu sein." "Er ist meine rechte Hand." Oh, richtig, der Restaurator aus Oakland hatte ein viel versprechendes Knistern erzeugt, aber zu der Zeit war sie mit beruflichen Problemen überladen gewesen und ... Na ja, die Sache war längst passe. "Gute Leute sind schwer zu finden", bemerkte er. "Besonders in unserer Branche." Aber dieser Mann - dieser Mann war eine Ladung Dynamit. "Cindy, bevor wir uns weiter unterhalten, muss ich mit Ihnen über eine andere Sache reden." Panik erfasste sie. Er wusste Bescheid. Er hatte gemerkt, dass seine Pyjamahose weg war, und war zu dem Schluss gekommen, dass sie sie genommen hatte. Sie griff nach ihrem Wasserglas. "Was meinen Sie?" "Ich meine ein gewisses Kleidungsstück." Sein Lächeln ließ einen eisigen Schauer über ihren Rücken laufen. Sie stürzte ein halbes Glas Wasser hinunter und verschluckte sich prompt. "Oh, das", krächzte sie, nach Luft ringend. "Also, ich kann das erklären ..." "Nicht nötig. Sie waren etwas verlegen, das verstehe ich." "Ja, aber..." "Wissen Sie, eigentlich finde ich Ihre kleinen Missgeschicke richtig komisch." Cindy wand sich vor Verlegenheit. "Das freut mich, aber …“ "Ich hoffe, es ist Ihnen recht, dass ich mir bei der Reinigung an der Ecke Rat geholt habe", sagte er und griff In seine Jackett-Tasche. "Also, die Sache ist die, dass ich mich schon um einen Ersatz gekümmert habe. Sie brauchen sich also wegen des Blutflecks keine Gedanken ..." Sie brach irritiert ab. Reinigung? Wie konnte er von dem Blutfleck wissen? Er zog eine kleine Papiertüte aus der Tasche. "Blutfleck? Haben Sie sich verletzt, als Ihr Tuch weggerissen wurde?" "Mein Tuch?" "Ja, Ihr Tuch." Lachend nahm er ihr sorgsam gefaltetes Chanel-Tuch aus der Tüte. "Was dachten Sie denn, wovon ich rede?" "Von meinem Tuch natürlich", antwortete sie lahm. "Der Schnitt an meiner Hand, wissen Sie - ich hatte befürchtet, es wäre Blut an mein Tuch gekommen, als ich versucht habe, es aus der Fahrstuhltür zu zerren."
"Ich konnte es in den Lift hineinziehen", erklärte er, "aber es waren Schmutzflecken drauf, und deshalb dachte ich mir, ich lasse es für Sie reinigen." Wieder lächelte er. "Ich hoffe, Sie finden das nicht zu eigenmächtig." "Überhaupt nicht. Vielen Dank." Sie nahm das Tuch und legte es vor sich auf den Tisch. "Es ist ein Geschenk von meiner Mutter." „Aha. Lebt sie in San Francisco?" „Nein, in Virginia. Mein Vater auch. Und mein älterer Bruder." "Wirklich? Ich bin auch aus Virginia." Ehe sie ihn Näheres fragen konnte, ertönte ihr Pieper. Sie lächelte entschuldigend. „Tut mir Leid. Ich bin noch im Dienst." Sie zog ein kleines Funkgerät aus ihrer Tasche und drückte einen Knopf. "Ja, Amy?" "Entschuldige, dass ich dich störe, Cindy, aber unser spezieller Gast in 620 beschwert sich über die Zimmertemperatur." Cindy vermutete, dass Mr. Stark sie testen wollte. "Ist es ihm zu heiß oder zu kalt?" "Zu heiß." "Prüf bitte persönlich die Klimaanlage und nimm sicherheitshalber einen Ventilator mit." Cindy steckte das Gerät wieder ein und lächelte Eric an. "Wo waren wir? Ach ja! Aus welcher Gegend in Virginia kommen Sie?" "Aus der Nähe von Manassas. " "Aha. Ich bin weiter südlich aufgewachsen, unweit von Fredericksburg." "In Fredericksburg bin ich unzählige Male gewesen. Wie klein die Weit ist." Sie lächelte. "Ja, wirklich." Ein Kellner nahm ihre Bestellung entgegen, und sie kamen überein, sich eine Karaffe Weißwein zu teilen. Cindy entspannte sich ein wenig, aber sie würde erst aufatmen, wenn Manny sich gemeldet hatte. Beeil dich, flehte sie im Stillen. Der Kellner brachte den Wein, und Eric füllte ihre Gläser. "Fahren Sie oft nach Hause?" fragte sie und sah einen schwer zu deutenden Ausdruck über sein Gesicht huschen. Wehmut? Er schüttelte den Kopf. "Meine Schwester und ich sind uns nah, aber zu meinem Vater habe ich kein besonders gutes Verhältnis. Er ist mit meiner Arbeit nicht einverstanden." Verständlicherweise, dachte sie. Mit einem Sohn, der Sexspielzeug verkaufte, konnte man sich nicht gerade brüsten. Cindy musste allerdings zugeben, dass die Kombination von Erics gutem Aussehen, dem gedämpften Licht und dem köstlichen Wein seinen Beruf irgendwie aufregend erscheinen ließ. "Mögen Sie Ihren Job?" fragte er sie. Bevor sie antworten konnte, ging der Pieper wieder los, und sie mussten beide lachen. Es war wieder Amy. "Cindy, jetzt beschwert er sich über den Lärm im Nachbarzimmer." "Über was für einen Lärm?" "Ich bin oben gewesen, hab aber nichts gehört."
"Dann geh noch mal nach oben." Amy seufzte. "Er ist unausstehlich, Cindy. "Ich weiß, aber bleib am Ball." Sie drückte den Knopf und steckte das Sprechgerät weg. "Ja, ich mag meinen Job. Meistens. Natürlich gibt es auch frustrierende Momente. Das ist nun mal so, wenn man mit so vielen unterschiedlichen Menschen zu tun hat." Sie plauderten angeregt, und Eric wurde Cindy zunehmend sympathischer, trotz seines fragwürdigen Berufs. Einmal, als sie gleichzeitig nach der Karaffe griffen, berührten sich ihre Finger, und sie spürte einen Funken prickelnder Energie. Seinem leicht verhangenen Blick nach zu urteilen, empfand er dasselbe. Die perfekte Begleitung für die Weihnachtsfeier, attraktiv, Gentleman, bald wieder abgereist. "Eric, ich hätte da eine Frage", begann Cindy und wurde wieder von dem Pieper unterbrochen. Sie stöhnte, dann lachte sie und zog das Funkgerät hervor. "Hier Manny. Ich hab das Teil. Ich warte an meinem Schreibtisch." "Okay, bin gleich da." Endlich! Cindys Stimmung hob sich schlagartig. Sie stand auf und lächelte entschuldigend. "Ich muss kurz etwas mit dem Empfangschef klären. Es wird nicht lange dauern. Hoffentlich macht es Ihnen nichts aus, allein auf unser Dinner zu warten." "Natürlich nicht." Ganz Gentleman, erhob er sich ebenfalls. "Oh, das Tuch." Cindy griff nach dem gefalteten Stück Seide. "Ich freu mich wirklich, dass ich es wieder habe, und ich werde es sofort umbinden." Sie wollte so gut wie möglich aussehen, falls sie den Mut aufbrachte, Eric zu der Party einzuladen. "Nehmen Sie sich vor angriffslustigen Fahrstuhltüren in Acht." Sein liebenswürdiges Lächeln sandte eine Welle heißer Erregung durch ihren Körper, und Cindy eilte fluchtartig davon. Eric schaute ihr sinnend nach. Die Frau war ein Rätsel, eine unwiderstehliche Mischung aus Schönheit, Stärke und Verletzlichkeit. Und die Anziehung zwischen ihnen war unbestreitbar. Er leerte sein Glas. Doch er durfte nichts mit ihr anfangen, jedenfalls nicht vor Abschluss seiner Untersuchung. Die Stille im Restaurant steigerte seine innere Unruhe. Er sah auf die Uhr. Wahrscheinlich war Zeit genug für einen kurzen Anruf bei Lancaster, bevor Cindy zurückkam. Vielleicht würde ein Gespräch über die Studie ihn in seinem Entschluss bestärken, den gebührenden Abstand zu der reizvollen Managerin zu halten. Im Hinausgehen signalisierte er dem Kellner, dass sie beide zurückkommen würden, und steuerte dann auf den Fahrstuhl zu.
4. KAPITEL
"Warum muss ich eigentlich mitkommen?" lamentierte Manny, der hinter Cindy her den Korridor entlanghastete. "Für eine Fünfundneunzig-Dollar-Krawatte kannst du wohl zumindest Schmiere stehen", gab sie zurück. "Verglichen mit der Pyjamahose war die Krawatte ein Schnäppchen." Cindy blieb abrupt stehen, so dass Manny sie beinahe gerammt hätte. "Wie viel hat die Hose gekostet?" "Dreihundertfünfzig." "Dollar?" "Ich hab dir gesagt, dass der Mann einen teuren Geschmack hat. Muss ziemlich betucht sein. Was macht er eigentlich beruflich?" Cindy ging weiter. "Er ist Handelsvertreter", antwortete sie ausweichend. Vor Erics Zimmer legte sie das Tuch um ihre Schultern, um die Hände frei zu haben. Dann steckte sie ihren Generalschlüssel ins Schloss. "Hierfür könnte ich gefeuert werden", sagte Manny finster. "Ich werde bei deinem Boss ein gutes Wort für dich einlegen." Das Schloss klickte. "Gib mir die Hose, und halt vor der Tür Wache." Manny reichte ihr eine kleine Papiertüte. "Und wenn Quinn aufkreuzt?" Ihre Ohren wurden heiß. "Er ist im Restaurant und wartet auf mich." "Oh, Dinner zu zweit?" „Fang nicht damit an." "Und was, wenn ihm die Warterei zu öde ist und er noch mal nach oben geht?" Cindy seufzte. "Dann sing oder huste oder so was. Außerdem wird er nicht kommen." Ihr Herz schlug wie eine Urwaldtrommel, als sie die Tür aufschob und ins Zimmer schlüpfte. Im Bad nahm sie die beiden Hosen aus der Tüte. Tatsächlich, sie waren identisch, außer dass das neue Exemplar ein wenig zu neu aussah. Cindy drückte ein paar Knitterfalten hinein und entfernte das schockierende Preisschild. Als sie die fleckige Hose wieder in die Tüte steckte, schwebte der seltsam vertraute Duft eines Toilettewassers zu ihr. Sie zögerte nur einen winzigen Moment, dann öffnete sie die kondomfreie Seite der Kulturtasche, griff hinein und ertastete eine Flasche. Als sie auf das Etikett sah, musste sie lächeln. "English Leather", das Alltagsduftwasser ihres Vaters. Eric Quinn trug einen sündhaft teuren Pyjama und benutzte ein Eau de Toilette für acht Dollar die Flasche! Sie drückte auf die Düse, hielt die neue Pyjamahose kurz in den Duftnebel, hängte sie vorsichtig hinter die Kulturtasche und schaute auf ihre Uhr. Sechs Minuten. Nicht schlecht. Sie war im Begriff, das Bad zu verlassen, als sie vom Korridor her einen merkwürdigen Lärm hörte. Schmetterte da jemand "Santa Claus Is Coming to Town"? Ein angetrunkener Gast? Plötzlich erstarrte Cindy. Mannys Warnung! Sie schoss ins Bad zurück und knipste das Licht aus. Die Knie wurden ihr weich, als sie hörte, wie ein Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde. Das
Zimmermädchen? Sie saß in der Falle, konnte sich nirgends verstecken, außer ... Mit einem Satz war sie in der Badewanne, zog mit zitternden Fingern den Duschvorhang zu und kauerte sich in die Ecke. Die Zimmertür öffnete sich, und Mannys Stimme drang zu ihr. "Nur ein kleines vorweihnachtliches Ständchen, Sir." Und dann hörte sie Eric Quinns Lachen, das ihr Inneres zu Eis gefrieren ließ. "Ich habe gar nicht gewusst, dass ein Empfangschef sich auch um die musikalische Unterhaltung der Gäste kümmert. Entschuldigen, Sie mich bitte, ich muss telefonieren und dann wieder runter ins Restaurant." "Natürlich, Sir." Cindy hielt den Atem an. Sie hörte, wie er durchs Zimmer ging und den Telefonhörer abnahm. Horchte angespannt, als er telefonierte, konnte aber kein Wort verstehen, da er seine Stimme dämpfte. Mit wem er wohl sprach? Mit seiner Freundin? Mit seiner Frau? Und wenn schon, ob Eric Quinn sein Bett mit einer Frau teilte oder nicht, es änderte nichts an ihrem Leben. Und was für ein Leben! dachte Cindy. Ich hocke in der Badewanne eines Gastes, dessen Pyjamahose ich gestohlen habe! Nebenan wurde der Telefonhörer aufgelegt. Dann Schritte. Die Schritte kamen näher, und zu Cindys Entsetzen öffnete sich die Badezimmertür. Das Licht ging an. Cindy presste sich die Hand auf den Mund. War er ins Bad gekommen, um ... ... etwas aus seiner Kulturtasche zu nehmen, wie sie aus dem Ratschen eines Reißverschlusses schloss. Ein Kondom? Sie reckte indigniert das Kinn. Glaubte der Mann, er würde Glück bei ihr haben? Wasser lief ins Becken, und Eric Quinn putzte sich mit der Gründlichkeit eines Zahnarztes die Zähne. Cindy verspürte einen Anflug von Enttäuschung, aber Eric war offenbar in bester Laune, denn als das Wasser zu laufen aufhörte, pfiff er leise vor sich hin. Cindy musste sich das Lachen verkneifen, als sie die Melodie von "Santa Claus Is Coming to Town" erkannte. Sie zog eine Grimasse, froh, dass sie nicht mehr an den Weihnachtsmann glaubte. Denn sie war diesmal wirklich ungezogen gewesen. Eric klopfte die Zahnbürste am Becken ab und legte sie ins Etui, das er wieder in der Kulturtasche verstaute. Cindys Herz setzte einen Schlag aus, als er ein Handtuch über die Duschstange warf und dabei die Plastikringe verschob. Als Silhouette erschien seine Gestalt noch imposanter. Jetzt hob er einen Arm ... um den Vorhang beiseite zu schieben? Cindy fühlte sich einer Ohnmacht nahe, als seine Hand über der Stange erschien, an der der Duschvorhang befestigt war. Er zog das Handtuch glatt. Und dann knipste er das Licht aus und ging hinaus. Vor Erleichterung sackte Cindy kraftlos in sich zusammen. Sie saß mehrere Minuten auf dem Badewannenrand, bevor sie mit wackligen Beinen hinauskletterte und zur Eingangstür wankte. Nach einem Blick durch den Spion öffnete sie die Tür und trat in den Korridor. "Na, das wird aber auch Zeit!" flüsterte jemand hinter ihr. Sie fuhr zusammen. "Manny! Du hast mich zu Tode erschreckt!"
"Und ich bin hier draußen fast durchgedreht." Er fasste sie am Arm und zog sie hinter sich her den Flur entlang. " Was zum Teufel ist da drinnen passiert?" Sie hielt die Tüte hoch. "Ich hab die Pyjamahose reingeschmuggelt." "Hat er dich gesehen?" "Nein." Sie drückte auf den Fahrstuhlknopf. "Ich hab mich in der Badewanne versteckt." Manny schüttelte langsam den Kopf. "Unfassbar." "Unwiederholbar", korrigierte sie ihn. Er grinste. "Ich möchte wissen, was ein guter Erpresser rausschlagen könnte." "Du kannst das alte Teil entsorgen", konterte sie und hielt ihm die Tüte hin. "Ich muss wieder runter ins Restaurant, zum Dinner mit Mr. Quinn." Cindy sah Eric Quinn am Tisch sitzen, die Hände um sein Weinglas gelegt. Mit einem aufgesetzten Lächeln durchquerte sie den Speiseraum und ließ sich auf ihrem Stuhl nieder. „Tut mir Leid, dass es etwas länger gedauert hat." Jemand hatte die Kerze in dem Weihnachtsgesteck auf dem Tisch angezündet. Das flackernde Licht warf interessante Schatten auf Erics markantes Gesicht. Cindy hatte den Eindruck, dass er in der vergangenen Viertelstunde noch attraktiver geworden war. Oder der Wein, den sie getrunken hatte, begann zu wirken. "Hoffentlich keine Probleme", sagte er, und in seinen Augenwinkeln erschienen diese hinreißenden feinen Lachfältchen. "Ähm ... Nein." Der Kellner brachte zwei Platten an ihren Tisch und hob die Deckel ab. "Guten Appetit." Cindy hatte ihren Appetit verloren. Sie ertappte sich dabei, wie sie Eric musterte und nach irgendeinem Merkmal seines anrüchigen Gewerbes suchte, das ihr einen Grund geben könnte, seine Gesellschaft zu meiden. Aber sie sah nur einen fantastisch aussehenden, durch und durch maskulinen Mann, der höflich darauf wartete, dass sie zu essen begann. Sie scheint ziemlich durcheinander zu sein, dachte Eric, als er sie über den Tisch hinweg ansah. Wenn ihm nur etwas einfiele, wie er mehr Zeit mit der faszinierenden Cindy Warren verbringen könnte, ohne ihren Verdacht zu erregen - oder seine Begierde. "Wo waren wir stehen geblieben?" fragte er, während er die geschmorten Zwiebeln von seinem Steak schob. "Virginia", sagte sie und schob eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. Sogar mit dem verhunzten Haarschnitt sieht sie hinreißend aus, dachte Eric. Geradezu klassisch schön mit ihren großen Augen, den hohen Wangenknochen und der makellosen hellen Haut. "Ach ja, richtig." "Aber Sie leben dort nicht mehr, oder?" Er schnitt in sein Steak. "Nein, ich bin zu viel unterwegs. Hab hier und da eine kleine Wohnung." „Fahren Sie zu Weihnachten nach Manassas?"
Zuerst Jerry und jetzt Cindy. Eric fragte sich, ob seine Tarnung geplatzt war und ob die Angestellten versuchten, sich bei ihm einzuschmeicheln. "Wahrscheinlich nicht", antwortete er so locker wie möglich. "Ich glaube, Sie wollten mich etwas fragen, bevor Sie gerufen wurden." Cindy griff nach ihrem Glas. "Kann sein, aber mir ist entfallen, was es war." Sie nahm einen großen Schluck. "Sind Sie zum ersten Mal hier bei uns?" "Ja, obwohl ich mehrmals im Jahr in der Gegend um San Francisco zu tun habe." Als sie den Blick senkte, fragte er sich wieder, ob sie wusste, warum er hier war. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als mitzuspielen. "Dieses Hotel hat sehr viel Charme." "Danke. Es wurde in den Zwanzigern erbaut und hat mehrere Erdbeben mitgemacht. Aber trotz der Beschädigungen und Umbauten hält die alte Dame sich wacker." "Sie reden wie über eine liebe Bekannte", sagte er, während er eine Gurkenscheibe aus seinem Salat pickte. "Ich hänge an dem Haus. Mein Großvater war einer der ursprünglichen Besitzer." Eric sah überrascht auf. Über Cindy Warrens persönliche Verbindung mit dem Hotel war er nicht informiert worden. "Wie interessant. Dann sind Sie also nicht zufällig hier." "Ja und nein", antwortete sie und stocherte auf ihrem Teller herum. "Mein Großvater hat seine Anteile verkauft, als ich noch gar nicht geboren war." Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Meine Mutter meint, dass ich nach ihm komme. Jedenfalls hab ich Hotel-Management studiert und dann in mehreren kleinen, individuell geführten Hotels gearbeitet, bevor ich hier gelandet bin." Eric spielte den Dummen. "Das Haus gehört also zu keiner Kette?" "Zuerst nicht, aber vor zwei Jahren hat ein Konzern in Detroit das ,Chandelier House' gekauft. Meinen Posten haben sie mir zum Glück gelassen." "Ein Vertrauensvotum, würde ich sagen." Cindy zuckte mit den Schultern. "Ich will mich nicht brüsten, aber dies Hotel ist etwas Besonderes. Man muss ein bestimmter Typ Mensch sein, um die Atmosphäre des Hauses zu schätzen." Wie aufs Stichwort zog eine Gruppe Trekkies in voller Kostümierung vorbei. Cindy lächelte. "Hier ist es nie langweilig." Als Eric ihr Glas nachfüllen wollte, hielt sie ihn auf. "Ich bin noch immer im Dienst. Noch eine Stunde." Er nickte diskret zu den auffällig gekleideten Freizeit-Abenteurern hinüber. "Ist das Ihre typische Klientel?" "O nein. Unsere typische Klientel ist viel bizarrer." "Tatsächlich?" Sie nickte. "Die Schlangenbeschwörer waren am unheimlichsten.“ Eric ließ seine Gabel sinken. "Schlangenbeschwörer?" "Und die Tätowierungskünstler waren überraschenderweise am höflichsten. "Hm."
"Und die Vampire haben letztes Jahr für einen unglaublichen Umsatz an der Bar gesorgt. Deshalb freuen wir uns, dass sie im Frühjahr wiederkommen." Eric beugte sich vor. "Haben Sie Vampire gesagt?" "Keine Sorge. Alle unsere Angestellten lassen sich vorher gegen Tetanus impfen." "Das beruhigt mich." "Und Ihre Leute treffen auch in Kürze ein." Also wusste sie, wer er war. Erleichtert und unbegreiflicherweise auch enttäuscht, nickte Eric. "Sie verstehen hoffentlich, warum ich so diskret sein musste." Cindy wich seinem Blick aus. "Ja, das verstehe ich." "Die Leute behandeln einen anders, sobald sie die Wahrheit kennen.“ Ein Lächeln umspielte ihren Mund, ihre Augenlider senkten sich halb, und ihre Stimme klang plötzlich aufregend sexy. "Wahrscheinlich würde ich zu diesen Leuten gehören, wenn ich nicht die Gelegenheit gehabt hätte, Sie kennen zu lernen, Eric." "Ich bin froh, dass meine Tätigkeit unsere - Freundschaft nicht beeinträchtigt." Wieder ein sexy Lächeln. "Ich bin eine aufgeschlossene Frau." Plötzlich schrillten Alarmsignale in Erics Kopf. Machte sie sich in der Hoffnung auf eine wohlwollende Beurteilung an ihn heran? "Mir wäre es lieber, überhaupt nicht über die Arbeit zu reden", sagte er. "Denn ich hasse es, Beruf und Vergnügen zu vermischen." "Ist mir recht", sagte sie freundlich und wandte sich mit sichtlich größerem Genuss wieder ihrem Teller zu. Eric beobachtete sie verwundert. Er hatte befürchtet, dass die Enthüllung der Wahrheit eine Auseinandersetzung zur Folge haben würde oder zumindest eine angespannte Stimmung. Aber Cindy schien sich jetzt wohler zu fühlen. Offenbar war sie froh, dass der Grund seines Aufenthalts ans Licht gebracht war. Er lehnte sich entspannt zurück und betrachtete die Frau ihm gegenüber. Merkwürdig, dass sie entgegen ihrer Absicht das gelbe Tuch nicht trug. Aber da sie wegen ihres Missgeschicks so schrecklich verlegen gewesen war, sagte er nichts und genoss einfach nur ihre Gesellschaft. Ob sie auch nur annähernd ahnte, dass dies seine unterhaltsamste Mahlzeit seit Monaten war? Sie schob ihren Teller zurück, ihre Augen leuchteten, ihre vom Wein feuchten Lippen glänzten. "Ich muss Ihnen etwas beichten, Eric." Er hob überrascht die Augenbrauen. "Schießen Sie los, aber ich warne Sie. Ich bin kein Priester." Sie lachte, wobei ihr ein "Hicks', entwich. "Oh!" Sie schlug sich mit der Hand auf den Mund. "Entschuldigung." Ihre Ungehemmtheit amüsierte ihn. Er schob ebenfalls seinen Teller beiseite und teilte den restlichen Wein auf ihre beiden Gläser auf. Sie nahm einen großen Schluck. "Offen gestanden wollte ich Sie vorhin wirklich etwas fragen. Ich …"
"Guten Abend, Cindy. " Ein Mann kam an ihren Tisch, in der einen Hand zwei Gläser, in der anderen eine exotisch aussehende kleine Flasche. "Hallo, Joel. Dies ist Eric Quinn, einer unserer Gäste. Mr. Quinn, dies ist Joel Cutter, der unter anderem für den Einkauf der Getränke zuständig ist." Anscheinend hat sie vor, meine Identität noch geheim zu halten, dachte Eric anerkennend. Joel stellte die Gläser auf den Tisch und gab Eric die Hand. "Sorry, dass ich Ihre Unterhaltung unterbreche. Aber ich dachte mir, dass Sie vielleicht diesen Zimtlikör kosten möchten, den ich für die Festtage geordert habe." "Klingt interessant", sagte Eric. Joel füllte die bauchigen Gläser gute zwei Zentimeter hoch mit einer schweren rötlichen Flüssigkeit. "Das ist zu viel für mich", protestierte Cindy. Eric respektierte ihre Zurückhaltung. "Nur ein kleiner Probierschluck." "Okay. " Sie lächelte und ergriff ihr Glas. "Auf Weihnachten." "Auf Weihnachten." Er ließ sein Glas über der Kerze gegen ihres klingen. "Vielleicht bekommen wir beide, was wir uns wünschen." Ihr Lächeln schwand, das Glas glitt ihr aus der Hand, streifte die Kerze und hüpfte dann quer über den Tisch. Das weiße Tischtuch sog den kostbaren Likör auf, dann kippte die Kerze um, und binnen Sekunden stand der Tisch in Flammen. Eric sprang auf, streckte die Arme über den Tisch und stieß Cindy aus der Gefahrenzone. Dabei fing sein Ärmel Feuer, Schreie gellten durch den Speiseraum. Jemand rief nach einem Feuerlöscher, aber Eric hatte bereits das herabhängende Ende des Tischtuchs um seinen Arm gewickelt und die Flammen erstickt. Aus zwei Metern Abstand starrte Cindy auf das qualmende Tischtuch. "Sind Sie okay?" Eric fasste sie am Ellenbogen und drehte sie sanft zu sich. "Ich hab Sie in Brand gesteckt." "Ach was, es war nur ein kleines Malheur." Er hielt seinen Arm hoch und zeigte ihr den rauchgeschwärzten, aber ansonsten unversehrten Hemdsärmel. "Sehen Sie?" Er knöpfte die Manschette auf und schob den Stoff hoch. "Nichts passiert." Sie stand noch immer völlig benommen da, erschüttert über ihre Tollpatschigkeit. Zuerst seine Pyjamahose und jetzt das. "Cindy!" Joel kam angelaufen. "Was ist passiert?" "Es ist alles in Ordnung", beruhigte Eric ihn. "Ein bisschen verschütteter Likör und die Kerze und ..." "Joel", unterbrach Cindy ihn noch immer geschockt. "Es tut mir Leid, dass ich einen solchen Tumult verursache. Ich werde diesen Schlamassel in Ordnung bringen lassen, Mr. Quinns Rechnung abzeichnen und ihn zum Erste-HilfeRaum bringen." "Das ist wirklich nicht nötig", versicherte Eric ihr, aber sie warf ihm einen Blick zu, der keinen Widerspruch duldete, und er schwieg. Mit zittriger Hand zeichnete sie die Rechnung für sein Dinner ab.
"Cindy", flüsterte Joel ihr zu. "Mach dir wegen dieser Sache keine Gedanken. Ich bin froh, dass du nicht verletzt bist." Er zögerte. "Ich weiß, es ist nicht gerade der beste Zeitpunkt, dies zu erwähnen, aber ich suche einen Freiwilligen, der morgen auf unserer Party den Weihnachtsmann spielt." Sie hob den Kopf. "Soll ich etwa der Weihnachtsmann sein?" "Na ja ... es wäre gut für die Moral der Truppe, wenn sie dich in Weihnachtsstimmung sähen. Du weißt schon, die Inspektion und so weiter." "Na gut", gab sie nach, "bring das Kostüm zur Party mit. Ich werde unauffällig nach draußen verschwinden und mich umziehen, wenn es Zeit ist, die Geschenke zu verteilen." "Prima. Und keine Sorge, das Kostüm ist brandsicher.“ "Du bist zum Brüllen komisch, Joel Cutter." Als Joel ging, stellte sie fest, dass Eric ein paar Meter entfernt von ihr stand und jedermann versicherte, dass er okay sei. Sie seufzte. Falls sie jemals den Mut aufbringen würde, ihn zu der Party einzuladen, würde er vermutlich absagen, weil er Angst um sein Leben haben musste. Er kam zu ihr, und gemeinsam verließen sie das Restaurant und gingen zu den Fahrstühlen. "Ich hab's wieder geschafft", sagte sie zerknirscht. „Aber es war nicht Ihre Schuld", wiederholte er sanft. Sie drückte den Knopf, verlegen, beschwipst und verwirrt. Als sie in die Kabine traten, riskierte sie einen Blick zu Eric und bemerkte einen schwarzen Streifen auf seiner linken Wange. Sie zog ein Papiertuch aus der Tasche, hob den Arm und hielt dann abrupt inne, als ihre Blicke sich trafen. "Auf Ihrer Wange ist ein ... da." Sie reichte ihm das Tuch und deutete auf den Fleck. Dann ging sie so weit wie möglich auf Abstand. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie er den Hals zu der spiegelnden Messingtafel reckte und an dem Fleck rieb. "Finden Sie nicht, dass wir uns für ein Stockwerk entscheiden sollten?" Ihrer Würde völlig beraubt, hob sie die Hand, aber dann zögerte sie. Hatte er andeuten wollen, dass er gern die Nacht mit ihr verbringen würde? Ihre Finger zitterten, und plötzlich leuchtete der Knopf mit der Nummer zehn auf. Sein Stockwerk. "Und für Sie?" fragte er. "Fünfzehn", stotterte sie und kam sich total lächerlich vor. Er hatte nicht den Wunsch, die Nacht mit ihr zu verbringen. Wahrscheinlich würde er sofort seinen Versicherungsagenten anrufen oder seinen Anwalt. Das Glöckchen des Fahrstuhls ertönte, und die Tür öffnete sich zur zehnten Etage. "Gute Nacht, Cindy. Danke für den wundervollen Abend." Sie lächelte bitter. "Trotz Feuer und Chaos?" Er enthüllte in einem breiten Lächeln seine perfekten Zähne. "Trotz Feuer und Chaos." Seine Augen waren einzigartig. "Mir hat der Abend auch gefallen." "Das freut mich. Vielleicht kreuzen sich unsere Wege bald wieder." Ihre Kehle wurde staubtrocken. "Vielleicht."
Als die Tür zuglitt, lehnte Cindy sich schwer gegen die Wand. Bitte lass diesen Tag zu Ende gehen. Zuerst der schreckliche Haarschnitt, dann die Handverletzung, das Theater mit der Pyjamahose, das Malheur mit dem ChanelTuch ... Cindy riss die Augen auf. Wo war ihr gelbes Tuch? Sie dachte angestrengt nach. Sie hatte den Seidenschal mitgenommen, als sie den Speiseraum verließ. Sie erinnerte sich auch, dass sie ihn über die Schulter geworfen hatte, bevor sie... Sie erstarrte. Das Tuch musste irgendwo in Erics Zimmer liegen. Nicht auszudenken, wenn er es fand. Cindy bezwang die in ihr aufsteigende Hysterie, während der Lift aufwärts glitt. Sobald die Tür sich in der fünfzehnten Etage öffnete, schoss sie hinaus und raste zur Treppe.
5. KAPITEL Cindy sauste im Rekordtempo die fünf Stockwerke hinunter. Gott sei Dank lag Erics Zimmer am äußersten Ende des Flures. Mit etwas Glück konnte sie ihn erwischen, bevor er es erreichte. Sie sprintete den Korridor entlang, bog um die Ecke und sah ihn vor seiner Tür stehen, den Schlüssel am Schloss. "Eric!" Er drehte sich um und sah sie verwundert an. Sie rannte auf ihn zu, bis sie keuchend vor ihm stehen blieb. "Cindy, was ist los?" fragte er beunruhigt. Um Atem ringend, suchte sie nach einer Erklärung. "Ich möchte Ihnen ein neues Hemd kaufen." Eric schüttelte amüsiert den Kopf. "Sie sind den ganzen Weg zurückgerannt, um mir das zu sagen? Ich bin gerührt, aber Sie brauchen mir das Hemd wirklich nicht zu ersetzen. Ich hänge nicht übermäßig an meiner Kleidung." Schade, dass ich das nicht schon dreihundertfünfzig Dollar früher gewusst habe, schoss es Cindy durch den Kopf. "Ich bestehe darauf.“ Könnte ich vielleicht ein - ein Stück Papier haben, damit ich mir die Marke und Ihre Größe notieren kann?" "Okay, wenn es Ihr Gewissen beruhigt. Aber wie wär's, wenn Sie einfach das Hemd nehmen?" Sie rieb sich ihre stechende Seite und nickte. "Moment, ich zieh mich rasch um." Verdammt, auf die Art würde sie nicht in sein Zimmer kommen. "Äh ... Eric..." Er drehte sich um. "Ja?" "Sie wissen doch, ich wollte Sie etwas fragen.“ "Fragen Sie."
Verzweifelt blickte sie nach allen Seiten. "Es ist etwas Persönliches." "In dem Fall kommen Sie bitte herein." Er hielt ihr die Tür auf und ließ sie vorangehen. Sie suchte mit den Augen den Teppich ab - nichts. Das Tuch musste im Bad sein. "Möchten Sie einen Drink?" "Nein, ich muss ins Badezimmer", platzte sie heraus und fügte dann erklärend hinzu: "Um mich frisch zumachen." Er machte ein verdutztes Gesicht. "Bitte." Cindy floh ins Bad und schloss die Tür. Himmel, was musste er von ihr denken? Hektisch spähte sie in die Badewanne, und da lag ihr Schal. Sie schlang ihn um ihren Hals und sicherte ihn mit einem Knoten. Dann lockerte sie ihr Haar auf, putzte mit den Fingern ihre Zähne und wusch sich die Hände. Aber noch länger konnte sie nicht herumtrödeln. Also atmete sie tief durch und öffnete die Tür. Sie war sich nicht sicher, was sie erwartet hatte, brennende Kerzen, Eric in einer Smokingjacke auf dem Bett ruhend, aber sie verspürte eine vage Enttäuschung, als sie einen hell erleuchteten Raum vorfand und am Fenster stehend Eric. Eric ließ den Blick über die erleuchtete City von San Francisco schweifen und dachte über die verworrene Situation nach. Warum musste er ausgerechnet die Managerin des Hotels begehren, das er schließen sollte? Auch wenn Cindy behauptete, keine Probleme mit seinem Job zu haben, ihm war bei der Sache nicht wohl. Allmählich fragte er sich, ob Cindy Warren ihn vielleicht nur deshalb so faszinierte, weil sie tabu für ihn war. Oder versuchte sie etwa, ihn einzuwickeln, um seine Entscheidung zu beeinflussen? Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Angestellte, deren Zukunft von ihm abhing, ihn umgarnte. Er vernahm hinter sich ein Geräusch und drehte sich um. Sie stand nahe bei der Badezimmertür und sah nicht gerade wie eine Frau aus, die wild entschlossen war, einen Mann zu verführen. Genau genommen sah sie ziemlich ängstlich aus. "Ein schöner Ausblick", bemerkte er. "Ja, nicht wahr? Vom Dach aus ist es noch viel eindrucksvoller. Falls Sie an einem der nächsten Abende hinauf möchten, brauchen Sie nur dem Empfangschef Bescheid zu geben, damit jemand Ihnen die Sicherheitstür öffnet." "Danke für den Tipp." Er musterte sie und lächelte. "Sie haben Ihr Tuch umgebunden. Hübsch. Sieht aus wie neu." "Ja ... Nochmals vielen Dank." Sie fummelte nervös an ihrem Schal. "Wenn Sie mir vielleicht das Hemd geben könnten?" Wollte sie mich nicht etwas fragen? Vielleicht hat sie der Mut verlassen, oder vielleicht erwartet sie, dass ich den ersten Schritt mache, überlegte Eric. Er sehnte sich nach ihr, doch seine Arbeit hatte Vorrang. Also knöpfte er sein Hemd auf und stellte überrascht fest, dass er in diesem Moment froh war, ein TShirt unter dem Oberhemd zu tragen. Als Cindy ihm das Hemd abnahm, berührten sich ihre Hände, und prickelnde Erregung durchzuckte ihn. "Cindy."
Auch sie spürte die knisternde Spannung zwischen ihnen, das verriet ihr Blick. "Ja?" erwiderte sie. Ich wünschte, ich könnte sie jetzt in die Arme nehmen, dachte er und stellte sich vor, wie er sie an sich zog, sie küsste. Und dann merkte er zu sein em Erstaunen, dass es keine Einbildung war. Er spürte ihren warmen Atem, schmeckte ihre Lippen, ihre Zunge, das Aroma des Weins in ihrem Mund. Fühlte ihre Hände auf seinem Rücken. Fast hätte er dem Drang nachgegeben, ihren Körper mit den Händen zu erkunden, doch er widerstand, strich statt dessen ihr Haar zurück und küsste sie erneut. Die heftige Reaktion seines Körpers löste in seinem Kopf alle Alarmsignale aus, die ihn in die Realität zurückriefen. Widerstrebend gab er Cindy frei und versuchte, sich wieder in den Griff zu bekommen. Sie trat ein Stück zurück und biss sich auf die Lippen. "Das war nicht geplant. "Eric hob sein Hemd vom Boden auf. "Ich hab dagegen angekämpft, aber ich konnte dem Drang einfach nicht mehr widerstehen." "Wieso haben Sie dagegen angekämpft?" Cindy verstand ihn nicht. "Sind Sie verheiratet?" Eric lachte. "O nein, da gibt es niemanden." Dann wurde er ernst. "Trotzdem habe ich Bedenken. Wegen meiner Arbeit, verstehen Sie?" Sie nahm ihm das Hemd aus der Hand und betrachtete eingehend den geschwärzten Ärmel. Dann hob sie den Blick. "Die kann ich ignorieren, wenn Sie es können." Eric konnte nicht fassen, welche Gefühle ihre Worte in ihm auslösten. Noch nie hatte das Interesse einer Frau ihm so viel bedeutet. Obwohl sein Verstand ihn warnte, hörte er sich sagen: "Vielleicht können wir morgen Abend noch einmal zusammen essen." Sie lachte. Nicht gerade die Reaktion, die er sich erhofft hatte. "Eric, was ich Sie den ganzen Abend fragen wollte, ist, ob Sie mich morgen Abend zu unserer Belegschafts-Weihnachtsfeier begleiten möchten." Trotz seiner geradezu kindischen Freude blieb er zurückhaltend. "Haben Sie Ihren Angestellten gesagt, warum ich hier bin? Ich möchte auf keinen Fall hässliche Gerüchte über die Chefin auslösen.“ „Momentan sehe ich keinen Grund, die Belegschaft über Ihre Tätigkeit zu informieren." "Aber es wird herauskommen." Sie zuckte mit den Schultern. "Die Angestellten in diesem Hotel haben schon ganz andere Schocks verdaut." Eric sagte sich, dass die Party eine gute Gelegenheit sein würde, Cindy und ihren Stab im privaten Umgang zu erleben. Außerdem würde er sehen, wie sie es mit dem Geldausgeben für Freizeitvergnügungen hielten. "Also gut, ich werde kommen. Ist Abendgarderobe erforderlich?" Cindy nickte. "Ein paar Blocks von hier ist ein Frack- und SmokingVerleih. Natürlich übernehme ich die Kosten. Das ist das Mindeste, was ich tun kann."
"Vielen Dank, aber ich habe meinen Smoking dabei. Wann beginnt die Party?" „Um acht, in der Lounge. Gegen Mitternacht ist Schluss." Er lächelte, trotz seiner Bedenken. "Ich werde um Viertel vor bei Ihnen anklopfen." "Eine Dauerwelle?" fragte Cindy und starrte in den Spiegel. "Sind Sie sicher?" "Absolut", sagte die quirlige neue Friseuse namens Camilla und nickte vehement. "Es gibt nur zwei Möglichkeiten, ihrem Haar mehr Fülle zu geben. Die eine ist, es stufig zu schneiden, und das Experiment haben Sie offensichtlich wohl hinter sich. Die Alternative ist eine Dauerwelle. Sie sind eine ideale Kandidatin für Miss Fern's Pflegewelle mit Aloe'. Fünfzehn bis achtzehn Minuten, würde ich sagen." Cindy war begeistert. "Es dauert nicht länger als zwanzig Minuten?" "Ich werde mindestens eine Stunde brauchen, um Ihre zotteligen Haare auf Wickler zu rollen. Aber danach geht's schnell wie der Wind." Cindy sah zu Jerry, der gerade einen Herrn rasierte. Aber er schien völlig auf seine Arbeit konzentriert. Wie wird es denn aussehen?" fragte sie Camilla. „Hübsch und voll. Große, lockere Wellen - ein Traum." "Ich wollte immer welliges Haar haben", gestand Cindy. "Na also. Dann würde ich sagen, wir starten." Cindy hätte nie gedacht, wie sehr man leiden musste, um sich den Traum von großen, lockeren Wellen zu erfüllen. Die eifrige Camilla teilte unzählige Haarsträhnen ab, die sie so fest aufrollte, dass Cindys Mundwinkel zu einem Dauergrinsen hochgezogen wurden. Sie betrachtete die dunklen Schatten rund um ihre Augen. Die schlaflose Nacht spiegelte sich deutlich in ihrem Gesicht. Und sie war mit demselben Übelkeitsgefühl aufgestanden wie damals als pubertierender Teenager, als der niedlichste Junge an der Schule ihr auf dem Sportplatz zugezwinkert hatte. In ihrer Unsicherheit, wie sie reagieren sollte, war sie wie gelähmt gewesen. Okay, seit der Schulzeit war sie ein paar Schritte weitergekommen, und am College hatte sie den so genannten Sprung über die Klippe kennen gelernt. Aber es blieb immer dieser entnervende Refrain: Soll das alles gewesen sein? Und nun war dieser Mann aufgetaucht. Sosehr sie Eric Quinn begehrte, sie hatte das vage Gefühl, dass sie sich in eine riesige Enttäuschung hineinmanövrierte, denn sein Gewerbe störte sie doch, das musste sie widerstrebend zugeben. "Gleich ist es geschafft", zwitscherte Camilla und wickelte die letzte Strähne derart fest auf, dass es Cindy die Tränen in die Augen trieb, doch sie ertrug tapfer den Schmerz. "Und nun die Lösung." Camilla träufelte eine scharf riechende Flüssigkeit über den Helm von Lockenwicklern. "In ein paar Minuten sehe ich nach, wie Ihr Haar die Lösung annimmt.“ Cindy nickte, und im selben Moment ertönte ihr Pieper. "Cindy, hier Amy. Könntest du mal kurz zur Rezeption kommen?" "Ich bin momentan etwas indisponiert. Ist es dringend?"
"Ich fürchte ja." Amys Stimme sank zu einem kratzigen Flüstern. "Mr. Stark ist hier und behauptet, dass in seinem Zimmer eine Ratte ist. Er besteht darauf, mit der Managerin zu reden." Cindy stöhnte. "Bring ihn in den Lunchraum fürs Personal und gib ihm eine Tasse Kaffee. Ich bin gleich da." Sie drehte sich zu Camilla. "Könnten Sie mir irgendetwas um den Kopf wickeln? Ich werde in der Lobby gebraucht." Die Friseuse griff nach einem knallgrünen Handtuch. "Sie können nicht zu lange bleiben, hören Sie? Sonst ..." "Höchstens zehn Minuten", versprach Cindy. Eine Hand am Handtuch und mit gesenktem Kopf hastete sie durch die Lobby. Nach wenigen Metern kollidierte sie mit einem großen Körper und landete auf ihrem Hinterteil, direkt vor einem Paar riesiger Schuhe. Sie unterdrückte einen Fluch. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, was für einen lächerlichen Anblick sie bot. "Guten Morgen", sagte Eric Quinn. Das Lachen in seiner Stimme war nicht zu überhören. "Morgen", murmelte sie, ohne aufzublicken. "Sind Sie okay?" Sie nickte. „Tut mir Leid, Cindy, ich habe Sie nicht kommen sehen. Er hockte sich zu ihr. "Darf ich Ihnen hochhelfen?" "Eigentlich hatte ich Applaus für meine akrobatische Leistung erwartet." Eric lachte. "Kommen Sie." Er streckte ihr die Hand hin, sie griff widerstrebend zu und ließ sich auf die Füße ziehen. Interessiert betrachtete er ihren Turban. "Ist das eine Westküsten-Mode?" "Ich bin aus dem Salon gerufen worden", erklärte sie und dachte bei sich, dass das Giftgrün des Handtuchs die perfekte Ergänzung zu ihrem vermutlich feuerroten Gesicht war. "Dann lasse ich Sie wohl besser gehen", sagte er munter. "Bis heute Abend. Ich freue mich auf die Party." Wahrscheinlich freut er sich auf meine nächste Ulknummer, dachte sie verdrossen, als sie zum Lunchraum trabte. Dort fand sie Amy und den zürnenden Mr. Stark vor. "Guten Tag, Mr. Stark, ich bin Cindy Warren, die Managerin." "Wir haben uns schon zwei Mal unterhalten, Miss Warren", antwortete er gereizt. "Ich bin nicht senil." "Natürlich nicht, Mr. Stark, entschuldigen Sie bitte", erwiderte sie, während Amy ohne ein Wort flüchtete. "Miss Anderson sagte mir, Sie hätten ein Nagetier in Ihrem Zimmer gesehen." "Es war eine Ratte!" Stark rückte seine karierte Krawatte zurecht. "Was ist denn mit Ihrem Kopf?" "Ich saß gerade beim Friseur, Sir." "Sie sehen aus wie all diese anderen Spinner, die hier in Kostümen rumlaufen", brummte er. "Was für eine Freak-Show schmeißen Sie hier eigentlich?"
Cindy beherrschte sich. Er testete sie wieder. "Es tut mir Leid, wenn Sie sich durch einige unserer Gäste irritiert fühlen, Sir. Aber ich versichere Ihnen, ihr Rollenspiel ist ein harmloses Hobby." Sie atmete tief. "Nun zu dem Tier, das Sie in Ihrem Zimmer gesehen haben. Ich werde sofort jemanden vom Wartungspersonal hochschicken, und ich entschuldige mich vielmals für den Vorfall." Er schnaubte empört. "Ich denke, ich habe ein Anrecht auf eine Entschädigung." "Natürlich, Mr. Stark. Wir werden Ihnen eine Übernachtung weniger berechnen. Und ich hoffe, dass diese Sache Ihnen nicht den Aufenthalt bei uns verdirbt." Er grinste ärgerlich und stapfte ohne Gruß hinaus. Cindy sprintete zum Salon zurück, wo Camilla sie stirnrunzelnd empfing. "Sie sind zehn Minuten zu spät." Cindy ließ sich in den Sessel fallen. "Ist mein Haar jetzt ruiniert?" "Lassen Sie mich nachsehen. Die Dauerwelle ist erst komplett, wenn man das Fixiermittel drauftut." Camilla drehte einen Wickler heraus, und zu Cindys Entzücken rollte sich die Strähne zu einer spiralförmigen Locke. Sie warf Jerry einen triumphierenden Blick zu. Er schüttelte nur den Kopf. Camilla studierte das Ergebnis. "Die Locke ist etwas zu fest." Für Cindy, die sich ihr Leben lang lockiges Haar gewünscht hatte, spielte das keine Rolle. "Ich liebe es!" "Okay." Die Friseuse öffnete die Flasche mit der Fixierlösung. "Wenn Sie es so mögen …" Als Cindy Manny die Tür öffnete, starrte er sie nur an. "O mein Gott!" Damit waren ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. "Es ist schrecklich, nicht?" "Es sieht aus wie diese scheußliche Perücke von Jan Brady, als er sich einen anderen Look zulegen wollte." "Außer, dass es orange ist." "Dauerwelle?" Sie nickte betreten. "Die Chemikalien haben die Farbe ausgelaugt." Cindy brach in Tränen aus. "Was soll ich denn jetzt machen?" Manny legte ihr den Arm um die Schulter. "Aber, aber, so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Allerdings hätte diese neue Friseuse es nicht so kraus machen sollen." "Es ist nicht ihre Schuld." Sie erklärte ihm, was passiert war. "Was hat Jerry dazu gesagt?" "Er spricht nicht mit mir." Cindy ließ sich auf den Hocker fallen und schaute mit feuchten Augen in den Spiegel. Manny berührte vorsichtig die wie Messing schillernden starren Locken. Er rümpfte die Nase. "Es stinkt." "Dass es so schlecht riecht, hab ich auch nicht gewusst", stöhnte sie.
"Du hältst dich heue Abend besser von brennenden Kerzen fern, sonst stehst du sofort in Flammen." Sie schniefte. "Du hast also von dem Vorfall gehört. Ich hab Eric Quinns Hemd getoastet." „Also wirklich, Cindy. Ich weiß, du willst diesen Burschen nackt sehen, aber findest du nicht, dass es subtilere Mittel gibt, als seine Garderobe Stück für Stück zu zerstören?" Sie lachte spöttisch. "Kein Kommentar. Und jetzt unternimm um Himmels willen etwas!" "Kannst du mir verraten, wie ich aus einem Adlerhorst eine Frisur machen soll?" "Wenigstens hab ich eine Begleitung für die Party. Mein freier Tag ist mir sicher", triumphierte sie. Dann sackten ihre Schultern herab. "Allerdings hat er vor der Dauerwelle zugesagt." „Aber nach dem Feuer. Wir wissen also, dass er nicht so leicht zu schocken ist." "Gibt es denn gar keine Hoffnung?" "Du könntest heute Abend eine Ladung Gel reinkneten. Nass ist sexy. Aber fürs Erste müssen wir's runterbinden. Wo ist das Tuch von deiner Mutter?" Cindy zeigte zur Kommode. "Als ob ich nicht schon genug Probleme hätte." "Probleme?" fragte Manny, während er das Chanel-Tuch aus der Schublade nahm. "Gibt's was Neues?" Sie erzählte ihm von Mr. Starks neuester Beschwerde. "Eine Ratte? Igitt! Und? Ist es wahr?" "Steven Myers vom Wartungsdienst hat einen Essensrest unter dem Heizkörper gefunden, aber keine Ratte." „Womöglich hat Stark den selbst hingelegt." "Genau. Allmählich werde ich diese Tests leid." Cindy seufzte. "Und einen Weihnachtsbaum haben wir auch noch nicht. Bei dieser Trödelei kommt er womöglich erst zu Neujahr." Manny stemmte die Hände auf die Hüften. "Kann ich mal kurz telefonieren?" "Benutz den Apparat im Schlafzimmer. Dieser funktioniert nicht." Während Manny telefonierte, schlang Cindy den Seidenschal in verschiedenen Variationen um ihren Kopf. Nach einer Weile kapitulierte sie und beschloss, das Tuch als Gesichtsschleier zu tragen. So würde niemand sie erkennen. „Alles paletti", verkündete Manny, als er zurückkam. "Der Baum wird in einer Stunde hier sein." "Wie hast du das denn gemacht?" "Ich hab den Boss von der Baumschule verlangt und ein paar Namen aus der Schwulen-Mafia fallen lassen und angedroht, dass sie nie wieder Blumen im Großhandel kriegen, wenn sie nicht noch heute einen super Baum liefern." Sie grinste. "O Manny, was würde ich ohne dich machen?" "Das frag ich mich auch." Er nahm mit beiden Händen ihre Lockenmähne zurück, bündelte sie zu einem dicken Pferdeschwanz und griff nach dem
Chanel-Tuch. "So, nun erzähl mal von diesem Burschen, der dich so durcheinander bringt." "Er ist Handelsvertreter." "Welche Branche?" Sie beschloss zu beichten, zumal Manny es sowieso herausfinden würde. "Er handelt mit - Unterhaltungsartikeln für Erwachsene." Mannys Hände erstarrten. "Sexspielzeug?" „Musst du es so drastisch ausdrücken? Irgendjemand muss das Zeug ja schließlich verkaufen." Manny band das Tuch zu einer Schleife. "Hey, ich bin ihm dankbar, dass er sich opfert, aber deshalb würde ich ihm noch lange nicht meine beste Freundin anvertrauen." Sie lächelte. "Du bist und bleibst ein riesiger Softie." "Behalt's für dich, ja?" Manny zupfte die Schleife zurecht. "Was meinst du, ob du mir ein paar kostenlose Muster besorgen könntest?" „Unter meinem Bett ist ein Karton mit einem kleinen Sortiment. Sam hat ihn mir gegeben, damit ich mir das Zeug vor der Messe ansehe. Such dir was aus." "Bin schon unterwegs.“ Eric betrat die Lounge und setzte sich an den Tresen. Weihnachtsdekorationen türmten sich auf der Sitzbank vor dem Klavier. Eric zog die Zigarettenschachtel aus seiner Tasche, und plötzlich wurde ihm bewusst, dass er mit dem Rauchen angefangen hatte, als er aus Zeitmangel das Klavierspielen aufgeben musste. Er bestellte bei Tony ein Bier und zündete seine Zigarette an. Er musste wirklich mit der Raucherei aufhören, die verdammten Dinger schmeckten nicht mal mehr. "Diese Glimmstängel werden Sie umbringen." Ein älterer Mann mit einer dicken Brille hievte sich auf den Hocker neben Eric. "Haben Sie eine übrig?" Eric schob ihm die Schachtel hin. "Bedienen Sie sich." Der Mann bestellte einen Scotch und zündete sich die Zigarette an. "Danke. Reginald Stark." "Eric Quinn." "Freut mich. Ich glaub, wir beide sind die einzigen normalen Menschen in diesem Hotel. Wie haben Sie sich in diesen verrückten Laden verirrt?" Eric lachte. "Ich bin rein geschäftlich hier. Und Sie?" "Antiquitäten-Händler. Bin auf Einkaufstour. Ich steige immer in älteren Hotels ab und halt die Augen offen." Er zog tief an seiner Zigarette und atmete den Rauch achtlos in Erics Richtung aus. "Manchmal hab ich Glück und ergattere Stücke, die sie wegwerfen wollen, für einen Apfel und ein Ei." "Und sind Sie hier schon fündig geworden?" Stark nahm einen kräftigen Schluck von seinem Whiskey. "Nicht das, was ich momentan suche." Er lachte meckernd. "Aber wenigstens kriegt man hier allerhand gratis, wenn man sich oft genug beschwert.“
Eric bekam Mitleid mit den Hotelangestellten, die sich tagein, tagaus mit Leuten wie Stark befassen mussten. Der unangenehme Mann rückte vertraulich näher. "Haben Sie etwas Geld, Quinn?" Eric griff nach seiner Brieftasche. "Ich kann Ihnen mit einem Zehner aushelfen, wenn Sie für die Bar nicht genug dabeihaben." "Nein, Mann. Ich meine richtig Geld. Für eine Investition mit gutem Profit.“ Eric schüttelte den Kopf. "Hab kein Interesse an riskanten Geschäften." "Ich rede von einem Vermögen, das greifbar in Sicht ist." Was für ein Hochstapler. Eric drückte entnervt seine Zigarette aus. "Sie glauben mir nicht? Okay, ich sag's Ihnen, weil Sie wie ein Ehrenmann aussehen." Wieder sah Stark sich verstohlen um. "Es ist der Kronleuchter in der Lobby. Das Ding ist 'ne Masse Geld wert." Stark zog ein zerknittertes Blatt Papier aus seiner Jackentasche. "Hier, sehen Sie selbst." Eric warf einen Blick auf das Blatt, eine aus einem Buch gerissene Seite, auf der ein altes Foto von einem Kronleuchter abgebildet war. Darunter ein kleiner Text. "Bleikristall, französische Manufaktur. Von diesem Leuchter wurden drei Exemplare hergestellt, aber nur der Verbleib von zweien ist bekannt." "Und der dritte hängt für jeden sichtbar in der Lobby", sagte Stark. "Der Kronleuchter auf dem Foto sieht aber noch etwas anders aus", wandte Eric ein. "Bei dem Leuchter in der Lobby fehlt ein Teil in der Mitte. Alles andere ist identisch." Neugierig geworden, studierte Eric nochmals das Foto. "Wert circa siebenhunderttausend Dollar", las er murmelnd. "Inzwischen ist der Leuchter 'ne runde Million wert." Eric hob die Augenbrauen. "Und Sie wollen mir erzählen, dass niemand etwas davon weiß?" "Ich bin mir ziemlich sicher." "Und? Was stellen Sie sich vor?" "Wenn Sie, sagen wir, fünfhundert Riesen haben, könnten wir dem Hotel ein Angebot machen." Eric glaubte, nicht richtig zu hören. "Sie wollen fünfhunderttausend Dollar von mir?" "Ich hab einen Interessenten, aber erst mal brauch ich Geld, um das gute Stück zu kaufen. Natürlich kriegen Sie's hinterher zurück. Plus die Hälfte des Gewinns." Der Mann war ein abgefeimter Betrüger. Eric schüttelte den Kopf. "Sorry, Kumpel, ich beiß nicht an." Stark stopfte das Blatt wieder in seine Tasche und kippte seinen Drink hinunter. "Ihr Pech, Quinn." Er knallte einen Schein auf den Tresen und stand auf. Eric sah ihm nach und fragte sich, ob er wohl einen Dummen für seinen Deal finden würde. Er bezahlte sein Bier, und gerade als er gehen wollte, kam Joel
Cutter herübergeschlendert. „Tag, Mr. Quinn. Wie geht es Ihnen nach dem Schreck gestern Abend?" "Ausgezeichnet. Und selbst? Keine Krisen heute?" Cutter grinste. "Bis jetzt nicht, aber der Tag ist ja noch lang. Ich hab gehört, dass Sie mit Cindy zu unserer Weihnachtsparty kommen." "Wir kommen als Freunde", antwortete Eric mit einem Blick zu Tony, der finster die Stirn runzelte. Zum Glück lenkte das Läuten des Telefons den Muskelmann ab. "Cindy ist ein tolles Mädchen", sagte Joel warm. "Sie liebt dieses Hotel. Sie engagiert sich so sehr, dass sie darüber ihr Privatleben vernachlässigt. Falls Sie wissen, was ich meine..." „Eric nickte freundlich und fragte sich gleichzeitig, ob der Mann Cindys Loblied sang, weil er herausgefunden hatte, wer er war. Er hasste sich dafür, dass er immer gleich Hintergedanken vermutete. Andererseits gehörte es zu seinem Job, über unlautere Motive zu spekulieren. "Joel!" Tony hängte den Hörer ein und band hastig seine Schürze ab. "Es gibt ein Problem in der Lobby. Cindy braucht jeden, der abkömmlich ist. Sofort!" "Ist Stanton da?" Bei Joels Frage wäre Eric fast zusammengezuckt. Er wusste also nicht, wer er war. Und es schien, als ob der ganze Stab Angst vor seiner Ankunft hatte. "Nein, der Weihnachtsbaum ist gekommen", sagte Tony und kam hinter der Bar hervor. "Diese Idioten von der Baumschule haben ihn durch den Vordereingang gebracht, und da steckt er jetzt fest." Joel schaute Eric an. "Na, was hab ich gerade gesagt?" Eric grinste. "Meinen Sie, es wird noch Hilfe benötigt?" "Kommen Sie", sagte Joel und lief los.
6. KAPITEL Cindy rieb sich den Nacken, nicht ganz sicher, ob der Schmerz von ihrem straffen Pferdeschwanz herrührte oder von dem Stress, eine acht Meter lange Tanne im Eingang eingeklemmt zu sehen. In der Lobby herrschte Chaos. Gäste posierten vor dem Spektakel und machten Fotos. Angestellte liefen oder standen hemm, starrten auf den gigantischen Baum und dann wieder erwartungsvoll zu ihr. Die obere Hälfte des Baums lag in der Lobby, der untere Teil blockierte den Bürgersteig und einen Teil der Straße. Manny stand wild gestikulierend draußen und stauchte die Liefercrew zusammen. Eine Frau vom Sicherheitsdienst dirigierte auf Cindys Anweisung hin den Verkehr um den mächtigen Stamm herum. „Miss Warren, können Sie mir verraten, wie ich hier rauskommen soll?"
Cindy zählte langsam bis drei, ehe sie sich zu dem aufgebrachten Mr. Stark umdrehte. "Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeit, Sir. Hinter den Fahrstühlen ist ein Nebenausgang. " "Ich will eine Falle kaufen oder Rattengift. Verplempere unnötig Geld und Zeit, und dann ist auch noch der Ausgang versperrt", polterte er. Cindy winkte Amy heran, die über Mund und Nase eine Schutzmaske trug. "Amy, bitte sei so gut und bestell ein Taxi zum Nebeneingang. Und sag dem Fahrer, er soll Mr. Stark auf Kosten des Hotels befördern." Amy warf Cindy einen verzweifelten Blick zu, als sie mit dem vor sich hin brummelnden Mann ging. Kurz darauf kam Joel angelaufen, gefolgt von Tony und Samantha in ihrer lila Kapuzen-Uniforrn und von Eric Quinn. "Wie ist denn das passiert?" fragte Joel außer Atem. Cindy seufzte. "Das Plastiknetz ist aufgerissen, als sie den Baum schon halb durch die Tür hatten. Und nun kriegen sie das Ding einfach nicht von der Stelle." "Ich meinte, was mit deinem Haar passiert ist." Cindy hätte Joel erwürgen können. "Ich hab's machen lassen", sagte sie kurz angebunden. Sam kniff die Augen zusammen. "Sieht irgendwie orange aus." "Das liegt an der Beleuchtung", erklärte Cindy eisig. "Ihr Kopf hat eine hübsche Form, Miss Cindy", meinte Tony. Sie lächelte verkrampft. "Danke, Tony.“ "Haben Sie schon einen Plan?" fragte Eric sichtlich amüsiert. "Ich hab dran gedacht, mir den Kopf zu rasieren und eins von Sams Kostümen zu tragen." Seine Mundwinkel zuckten. "Ich meinte den Baum." „Ach so. Nein, ich habe keinen Plan." Sie schaute in die Runde. „Aber Vorschläge sind willkommen." Während das Grüppchen betreten schwieg, ging Eric näher an den Baum heran. Cindy folgte ihm. "Was meinen Sie?" "Wie wär's, wenn Sie ihn in der Mitte durchsägen lassen und nur die obere Hälfte nehmen?" "Dann hätten wir einen mächtig kurzen Weihnachtsbaum in einer mächtig großen Lobby." Er zuckte mit den Schultern. "Es ist doch nur ein Baum. In zwei, drei Wochen wird er entsorgt und in irgendeinem Garten als Mulch enden." Seine Nüchternheit erschreckte Cindy. Es schien ihr ein Zeichen zu sein für den tiefen Bruch innerhalb seiner Familie. Wie läppisch waren dagegen die kleinen Reibereien mit ihrer Mutter. Ihre hässlichen Bemerkungen taten ihr jetzt Leid, und sie nahm sich vor, so bald wie möglich zu Hause anzurufen. Ihr Gesichtsausdruck schien ihre Gedanken zu verraten, denn Eric lachte leise. "Natürlich ist das nur meine Meinung. Ich persönlich brauche dieses ganze Trallala nicht."
Sie drohte ihm scherzhaft mit dem Finger. "Wissen Sie, was Sie brauchen? Eine gehörige Dosis Weihnachtsstimmung." Dann drehte sie sich zu Joel um. "Bring sämtliche Handschuhe her, die du auftreiben kannst. Und du, Sam, holst bitte Manny rein, ja?" "Was hast du vor?" "Wir werden diese prächtige Tanne mit vereinten Kräften in die Lobby holen. Selbst wenn bei dem Manöver ein paar Zweige abbrechen, sind wir noch immer besser dran Cindy warf Eric einen kurzen Blick zu, „...als mit einem amputierten Baum." Joel kam mit einem Packen Arbeitshandschuhe zurück und teilte sie aus. Der selbst ernannte Team-Leiter Manny gebot mit einer energischen Handbewegung Ruhe. "Okay, Leute, wir können es schaffen, wenn wir alle zusammenarbeiten. Denkt dran, ihr müsst die Beine einsetzen, nicht den Rücken. Und ihr schiebt erst dann, wenn ich es sage.“ Angestellte und Gäste stiegen in die Zweige und packten zu. Eric bezog direkt gegenüber Cindy Stellung. Durch das Gewirr der Zweige sah sie ihn lächeln, als er mit einem jungen Mann neben ihm sprach. In dem Moment wusste sie, dass Eric Quinn ein Mann war, in den man sich leicht verlieben konnte. „Alles klar?" Mannys Ruf ließ sie zusammenfahren. Mit beiden Händen packte sie einen armdicken Ast und drückte ihn mit aller Kraft gegen den Stamm. "Okay, jetzt tief einatmen, und bei drei schiebt ihr. Eins ... zwei ... drei!" Während alle gleichzeitig schoben, das Lieferteam von draußen und Gäste und Belegschaft drinnen, quälte die Tanne sich Zentimeter für Zentimeter durch den Eingang. „Sachte!" schrie Manny von hinten. "Pass auf, dass sie sich nicht dreht." Cindy zwang sich, Eric nicht anzustarren, während sie ihr Gewicht nach vorn warf. Aber sie nahm ihn so intensiv wahr, dass sie sich kaum konzentrieren konnte. In weniger als sechs Stunden wurde sie mit dem aufregendsten Mann, den sie je kennen gelernt hatte, auf eine Party gehen. "Super. Und jetzt noch ein Mal!" schrie Manny. Mit einem kollektiven Stöhnen schoben sie ein letztes Mal, und der Baum zischte durch die Tür in die Lobby. Applaus brach los, und Cindy strahlte vor Erleichterung. Der Baum würde aufgestellt sein, noch bevor Mr. Stark-Stanton zurück war. Eric zog lachend seine Handschuhe aus. „Komisch. Wieso hab ich auf einmal Lust, Zigarren herumzureichen?" Cindy fand, dass er öfter lachen sollte. Ihr Herzschlag tanzte einen verrückten kleinen Jitterbug. Trotz des Trubels ringsum fühlte sie sich seltsam abgeschieden zusammen mit diesem Mann, der sie in so erschreckend kurzer Zeit so tief berührt hatte. Sie flüchtete in ein neutrales Thema. "Apropos Zigarren, wie läuft's mit Ihrem Entschluss, das Rauchen aufzugeben?" „Kein Problem, solange meine Hände beschäftigt sind", sagte er mit einem kaum merklichen Lächeln.
Cindy schluckte. Von wegen neutrales Thema. Sie griff in ihre Jackentasche, zog ein Päckchen saure Drops heraus und drückte es ihm mit einem Grinsen in die Hand. "Die Geheimwaffe des angehenden Nichtrauchers. Bei kluger Anwendung ist der Erfolg garantiert." Sie wurde etwas ernster. "Sollten unsere Wege sich nicht noch einmal kreuzen, sehen wir uns heute Abend. Und vielen Dank für Ihre Hilfe.“ "Und Ihnen danke ich für die Dosis Weihnachtsstimmung." Während er die Bonbons einsteckte, sah Eric ihr nach. Er sehnte sich danach, mit Cindy zusammen zu seine, trotz seiner Argumente gegen eine Beziehung mit ihr. Wenn er allein war, erschien es ihm so einfach, standhaft zu bleiben, aber sobald er sie sah, wurde er schwach. Inzwischen war ein Trupp Arbeiter in die Lobby gekommen und baute ein Gerüst auf. Eric betrachtete den funkelnden Kronleuchter und dachte, wie sehr sein Vater diese kunstvolle handwerkliche Arbeit schätzen würde. Vielleicht würde er ihm eine Postkarte mit dem Bild des Leuchters schicken, als Zeichen, dass er an ihn dachte. In seltsam heiterer Stimmung schlenderte Eric zu den Fahrstühlen. Der Nachmittag rauschte nur so an Cindy vorüber. Sie überwachte das Aufstellen der Tanne, machte den leicht exzentrischen Dekorateuren ein paar vorsichtige Vorschläge und überließ sie schließlich ihrer künstlerischen Arbeit, nachdem sie ihr ein Meisterwerk versprochen hatten. Für Mr. Stark arrangierte sie einen Theaterabend, gratis selbstverständlich. So würde der Mann wenigstens aus dem Haus sein, wenn die Belegschaft feierte. Sie schaute in der Lounge vorbei, um zu sehen, wie es mit den Vorbereitungen lief. Joel winkte ihr beruhigend aus dem hinteren Teil der Bar zu. In der Ecke, wo normalerweise das Klavier stand, sah sie Jerry auf einer Leiter stehen und eine Lichterkette aufhängen. Er ist einfach ein Schatz, dachte Cindy voller Zuneigung für den alten Barbier, der immer einsprang, wenn eine helfende Hand gebraucht wurde. Lächelnd ging sie zu ihm hinüber. "Bist du mir noch böse, Jerry?" Ohne sie anzusehen brummte er: "Du hast es dir anscheinend in den Kopf gesetzt, dein Haar zu ruinieren." "Es wird rauswachsen." "Nein, es wird rausfallen." "Kann sein. Aber mir wurde von maßgeblicher Seite bescheinigt, dass ich eine hübsche Kopfform habe." Endlich lachte Jerry und setzte sich oben auf die Trittleiter. "Sogar mit rostigem Draht auf dem Kopf schaffst du es noch, Krähen zum Singen zu bringen.“ Sie warf ihm ein ironisches Lächeln zu. "Ich bin ja so froh, dass wir uns vertragen haben. Wo ist das Klavier?"
"Sie haben's nach nebenan in den Asteroiden-Raum gebracht, um Platz zu schaffen. Hey, ich hab in dem Karton mit dem Dekorationszeug einen künstlichen Mistelzweig gefunden. Soll ich ihn aufhängen?" "Bloß nicht. Ich hab letzte Woche aus der Zentrale ein Memo bekommen, das Mistelzweige auf Betriebsweihnachtsfeiern verbietet." "Du hörst doch sonst nie auf diese Leute." "Dieses Mal tu ich's lieber. Also vergiss den Mistelzweig." Jerry kletterte langsam die Leiter hinab. "Hast wohl Angst, du könntest darunter geküsst werden, wie?" "Unsinn!" "Angst, dass du nicht geküsst wirst?" "Meine Würde verbietet es mir, darauf zu antworten." Er grinste. "Ich hab gehört, du bringst diesen Quinn-Burschen mit." "Richtig. Ich bringe Quinn mit. Und da der Informationsfluss in diesem Haus so fantastisch funktioniert, ist der Grund dir sicher bekannt. So, ich muss weiter, hab noch im Büro zu tun." "Du beeilst dich besser, wenn du dich noch für die Party schick machen willst." "Denkst du, dafür brauche ich Stunden?" Jerry nahm sie in den Arm und drückte sie. "Versuch mal nicht nur an das Hotel zu denken, und amüsier dich heute Abend mit deinem jungen Mann." Dann hielt er den Mistelzweig hoch und grinste. "Und hierfür werd ich schon einen geeigneten Platz finden." Cindy knuffte ihn liebevoll. "Bis nachher, du Schlitzohr.“ Jerrys Worte hatten die prickelnde Vorfreude wieder aufgerührt, die sie den ganzen Nachmittag unterdrückt hatte. Nur mit Mühe konnte sie sich auf ihre Büroarbeit konzentrieren. Wann immer sie an diesem Nachmittag durch das Hotel ging, ertappte sie sich dabei, dass sie nach Eric Ausschau hielt. Um sechs war es höchste Zeit, sich für die Party fertig zu machen. Mannys Instruktionen folgend wusch Cindy ihre drahtigen Locken zwei Mal, um wenigstens etwas von der Dauerwelle und den Geruch herauszubekommen. Danach tränkte sie die Haarmasse mit einem Festiger. Sie duschte, cremte sich mit der Body-Lotion für besondere Gelegenheiten ein und schlüpfte in ihren Bademantel. Schließlich nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und entfernte das Handtuch von ihrem Haar. An ihrem Kopf klebten feste kleine Löckchen, die selbst in nassem Zustand die Farbe von Messing hatten. Sie stöhnte und griff nach der Kosmetiktasche, die Manny ihr gegeben hatte. Die Tasche enthielt außer einem grobzinkigen Kamm diverse Gels, ein schwarzes Ding, das aussah wie eine winzige Hängematte, und ein gefaltetes Blatt Papier. Cindy glättete den Bogen und studierte Mannys Anweisungen. Sie schmierte ihre wilde Mähne dick mit Gel ein und strich sie nach hinten zurück, genau wie auf Mannys Zeichnung. Die kleine Hängematte, so las sie, war ein Pferdeschwanznetz. Sie befestigte es mit den beigefügten
Haarklammern und betrachtete sich von der Seite im Spiegel. Es sah gar nicht so übel aus. Ihr Gesicht war eine andere Sache. Sie hatte seit Ewigkeiten nichts mit ihren Augenbrauen gemacht. „Tu was mit deinen Augen, bring sie voll zur Geltung!" hatte Manny ihr eingeschärft. Sie fischte aus einer voll gestopften Schublade eine Pinzette und eine Wimpernzange und zupfte ihre widerspenstigen Brauen zu ebenmäßigen Bögen zurecht. Sie musste zugeben, ihre grünlichen Augen waren das Beste an ihrem Gesicht. Sorgsam setzte sie die Wimpernzange an und drückte den Griff zusammen. In dem Moment schrillte im Schlafzimmer das Telefon. Ihre Hand zuckte, und ein stechender Schmerz schoss durch ihr Augenlid. Beim zweiten Läuten sprang sie auf und lief nach nebenan, die Hand auf ihr schmerzendes Auge gepresst. "Hallo?" "Hier Manny. Ich hab eine Lieferung für dich angenommen. Soll ich's hochbringen?" "Was ist es denn?" Sie wischte die Tränen fort, die ihr über die Wangen liefen. "Lass dich Überraschen." Cindy betrachtete die Wimpernzange und erstarrte, als sie die vielen Wimpern sah, die an dem kleinen Gummipolster klebten. "Komm hoch." Sie knallte den Hörer auf, stolperte zum Frisiertisch zurück und starrte in den Vergrößerungsspiegel. Komisch, ihr war nie klar gewesen, wie sehr Wimpern zur harmonischen Balance eines Gesichts beitrugen. Der Lidrand ihres linken Auges war an einigen Stellen fast kahl. Cindy ließ sich stöhnend auf den Hocker fallen. So konnte sie Eric nicht unter die Augen treten, sie würde ihm unter irgendeinem Vorwand absagen. Oder war es vielleicht doch nicht so auffällig? Während sie wieder ihr gerupftes Auge inspizierte, klopfte es an der Tür. "Blumen? Wer um alles in der Welt …“ "Ich schätze , sie sind von deinem flotten Verehrer.“ Manny folgte Cindy ins Zimmer und reichte ihr die Vase mit den weißen Rosen und pastellfarbenen Freesien, zwischen denen ein kleiner Umschlag steckte. "Hey, dein Haar sieht toll aus." "Deine Idee", sagte sie und stellte die Blumen auf den Couchtisch. "Du siehst in diesem irren Smoking auch toll aus." "Danke. Hab ich richtig getippt?" fragte er, als Cindy die Karte aus dem Umschlag nahm. Sie las den Text und spürte, wie ihre Wangen heiß wurden: Ich danke Ihnen im Voraus für einen bezaubernden Abend. Eric. "Na, was schreibt er?" "Dass das Wort Empfangschef einfach nur neugierige Person bedeutet." Manny zog ein Gesicht, dann weiteten sich plötzlich seine Augen.
"Cindy! Was ist mit deinen Wimpern passiert?“ "Ich hatte gehofft, es würde nicht auffallen." "Wimpernzange?" Sie nickte kläglich. "Ein gefährliches Werkzeug in der Hand einer nervösen Frau. Hast du künstliche Wimpern?" "Nein." Manny ging zur Tür. "Bin gleich wieder da. Schmink dich inzwischen, aber noch nicht die Augenpartie." Als er fort war, las Cindy Erics Karte noch einmal. Seine dynamische Handschrift gefiel ihr und seine Formulierung ebenfalls. Bezaubernder Abend. Eric war ein zuvorkommender Mann. Und ein aufrichtiger Mann. Trotz seiner Befürchtung, sein Beruf könnte sie abstoßen, war er offen zu ihr gewesen. Sie trug ein leichtes Make-up auf, darüber einen Hauch Puder und Rouge. Dann kramte sie in ihrem Schminkkasten nach dem leuchtend roten Lippenstift. Als sie das satte Rot auf ihre Lippen auftrug, erinnerte sie sich mit lebendiger Klarheit an die Berührung von Erics Lippen auf ihrem Mund. Sie schloss die Augen und durchlebte alles noch einmal. Seinen maskulinen Duft, den Geschmack seines Kusses, das Gefühl seiner Hände, die ihr Gesicht hielten ... Ein Schauer rieselte ihr über den Rücken. Zugegeben, dies war kein guter Zeitpunkt, von einem Mann fasziniert zu sein. Aber entgegen ihrer Befürchtung, Eric Quinn könnte sie zu sehr von ihren Pflichten ablenken, hatte sie alles im Griff. Sie riss sich für den berüchtigten Mr. Stark-Stanton zwar kein Bein aus, aber sie tat ihr Bestes, um den schwierigen Mann zu besänftigen. Cindy schlüpfte in das lange schwarze Kleid und zog ihre schwarzen Wildleder-Pumps an. Dann strich sie farblosen Lack auf ihre kurzen Nägel. Der Lack war gerade getrocknet, als Manny zurückkam. Aus einer kleinen Plastiktüte beförderte er eine winzige Schachtel mit künstlichen Wimpern zu Tage. Sie beäugte misstrauisch die dünnen bewimperten Halbkreise. "Ich hab solche Dinger noch nie getragen." "Du wirst dich in null Komma nichts dran gewöhnen." Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. "Hat das Mädchen im Drugstore gesagt." In wenigen Minuten hatte Manny die Lücken in ihren Wimpern ausgefüllt. Sie testete das etwas schwerere Lid, indem sie zwinkerte, zog dann Mannys Gesicht zu sich und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. "Danke!" Fast im selben Moment klopfte es an der Tür. "O Gott, das ist Eric. Und ich bin noch nicht fertig." "Es fehlt nur noch das Augen-Make-up. Geh schon, ich mach auf. Und vergiss deine Kristallohrringe nicht." Cindys Hände zitterten. "Ich bin ein Nervenbündel, Manny. Noch ein letzter Rat?"
Ihr Freund grinste. "Versuch, nicht noch mehr von seiner Kleidung zu ruinieren, wenn du ihn ausziehst."
7. KAPITEL Eric fühlte sich wie ein Teenager, der seine Begleitung zum Schulball abholt. Seine Ängste, wegen seiner Gefühle für Cindy, hatten sich seit der Weihnachtsbaum-Episode noch verstärkt. Während des Nachmittags hatte er nämlich weitere Absonderlichkeiten in ihrem geliebten "Chandeller House" entdeckt. Auf der Etage mit den Konferenzräumen gab es drei Waschräume, einen für Herren, einen für Damen und einen mit der Aufschrift: Andere. Unheimlich. Und statt der üblichen prunkvollen Namen trugen die Tagungsräume Bezeichnungen wie "Saal der Phänomene", "Kammer der vierten Dimension", "Asteroiden-Raum" und Ähnliches. Eric hatte auch die Inventarlisten gründlich studiert. Der Wert des Kronleuchters war mit dreißigtausend Dollar angegeben, ein angemessener Betrag, wie ihm schien. Warum hatte er dann auf der Postkarte an seinen Vater geschrieben: Hallo, Dad, wollte dich fragen, ob du vielleicht Informationen über diesen Kronleuchter für mich ausgraben kannst. Er klopfte. Seine Sorge schlug in Erstaunen um, als Manny ihm öffnete. "Hallo", brachte er heraus. Der Empfangschef lächelte gepresst. "Cindy ist gleich fertig. Kommen Sie herein." Befremdet folgte Eric ihm durch einen kleinen Flur in ein geräumiges Wohnzimmer, das geschmackvoll in Blau- und Goldtönen eingerichtet war. "Nehmen Sie Platz", sagte Manny, der selbst keine Anstalten machte, sich zu setzen. „Danke, ich kann stehen", erwiderte Eric nicht sehr freundlich. Wieso hing der Empfangschef in der Wohnung seiner Chefin herum? Als er ihn näher betrachtete, bemerkte Eric eine Spur Lippenstift auf seiner Wange. Hatten die beiden etwas miteinander? War Cindys hingebungsvoller Kuss nur Schauspielerei gewesen? Eric beschloss von neuem, ihrem Charme zu widerstehen. "Ich bin soweit." Cindy kam herein, und Eric musste einen anerkennenden Pfiff unterdrücken. Sie sah umwerfend aus. Ihr schwarzes, gerade geschnittenes Weid hatte nur einen kleinen Ausschnitt und bedeckte ihr Dekollete - doch der fließende Stoff schmiegte sich an ihre femininen Kurven - feste runde Brüste, schmale Taille, geschwungene Hüften - die unter ihrer Uniform sonst nur wenig zur Geltung
kamen. Ein hoher Seitenschlitz gab die Aussicht auf eins ihrer langen schlanken Beine frei. Prompt reagierte Erics Körper, und er fühlte sich so kribbelig wie bei seiner ersten Verabredung in der High School. Ihre Blicke trafen sich, und seine Kehle wurde trocken. Funkelnde, geschliffene Ohrgehänge glitzerten an ihren Ohren wie riesige Regentropfen. Durch das glatt anliegende Haar kam ihr schönes Profil besonders gut zur Geltung. Ihre leuchtenden graugrünen Augen wurden von dichten schwarzen Wimpern betont. Sie zwinkerte, was ihn überraschte. Er antwortete mit einem Lächeln. Nun lächelte auch sie, ihre vollen roten Lippen glänzten. Er konnte den Blick nicht von ihr wenden, und seine Zunge war wie gelähmt. Von ihr kam auch kein Wort. "Cindy hat Ihre Blumen bekommen", brach Manny das Schweigen. "Sie liebt weiße Rosen, stimmt's, Cindy?" Sie nickte, aber ansonsten beachtete sie ihren Empfangschef nicht weiter. Eric bemerkte die pochende kleine Ader an ihrem Hals. Manny räusperte sich. "Also, ich denke, ich lasse euch beiden Plaudertaschen jetzt allein. Bis gleich." Eric hörte hinter sich Mannys Schritte und das Wappen der Tür. Nach ein paar Sekunden absoluter Stille murmelte er: „Hi." "Hi." "Sie sehen fantastisch aus." "Danke." Er schluckte. "Ich mag Ihre Ohrringe." Und Ihre Kurven. Cindy lächelte. "Vielen Dank für die Blumen und die nette Karte." "Gern geschehen." "Ich denke, wir gehen jetzt besser nach unten." "Ja, gehen wir." Als Cindy sich umdrehte, um ihm zur Tür vorauszugehen, sah er, dass ihr Kleid im Rücken einen tiefen Ausschnitt hatte. Der Anblick ihrer seidig schimmernden Haut verschlug ihm fast den Atem. Er stellte sich das Gefühl vor, die Hände über ihre zarte Haut gleiten zu lassen, und schluckte. Da sie ungewohnt still war, nutzte Eric die Fahrt im Lift, um wenigstens eins der Themen anzuschneiden, die ihn beunruhigten. "Cindy, mir ist heute Morgen bei der Aktion mit dem Baum dieser großartige Kronleuchter aufgefallen. Ist er wertvoll?" Sie zuckte mit den Schultern. "Ich denke, der Leuchter hat die hier arbeiten, einen ideellen Wert." "Dann ist es kein antikes Stück?" "Nein, der Leuchter ist eine Reproduktion." "Eine Reproduktion?" Sie nickte. "Soviel ich weiß, kam das Original aus Frankreich. Angeblich wurden in den Zwanzigern drei in die Staaten geliefert. Einer für unser Hotel, einer für ein Hotel in Chicago und der dritte für ein Kaufhaus in Beverly Hills. Aber während des Zweiten Weltkriegs sind alle drei Kronleuchter durch Kopien ersetzt worden. Die Originale wurden gespendet, als Finanzierungshilfe für den
Krieg." Der Fahrstuhl hielt, und während sie auf die Lounge zusteuerten, sagte sie: „Tut mir Leid, dass ich Ihre Illusion zerstört habe, Mr. Quinn." Sie zog ihn auf, indem sie seinen Tarnnamen verwendete, und er spielte mit. "Es ist trotzdem eine Interessante Story." Er reichte ihr den Arm, als sie den Eingang zur Bar erreichten. "Was ist mit ‚Eric' passiert?" Sie lächelte und schob ihren Arm in seinen. "Wollen wir, Eric?" Man drehte sich nach Ihnen um, als sie die Bar betraten. Eric bemerkte erstaunte Blicke. Ein Zeichen, dass man es nicht gewohnt war, die Chefin am Arm eines Mannes zu sehen. Jedenfalls nicht am Arm eines Fremden. Er erspähte Manny, der wie erwartet allein war und sie bereits ins Visier genommen hatte. Der Raum war weihnachtlich geschmückt. Auf der erhöhten Bühne saß ein Discjockey an seinem Schaltpult, aus den Lautsprechern tönte 'Angle Bell Rock’. Eric schätzte, dass etwa zweihundert Leute in glitzernden Kleidern und schicken Anzügen die Lounge bevölkerten. Cindy war binnen Minuten von Angestellten umringt, begrüßte deren Partner, schüttelte Hände, wechselte hier und dort einige Worte. Ihn stellte sie einfach nur als Eric Quinn vor. Er fragte sie, was sie trinken wollte, und schlängelte sich durch die Menge zur Bar, wo Jerry auf einem Hocker saß, sehr fesch in seinem schiefergrauen Anzug und mit der roten Krawatte. Eric schob sich neben ihn und rief Tony seine Bestellungen zu. "Sind Sie allein gekommen, Jerry?" „Ja.“ "Ich dachte, Sie wären verheiratet." "Ich hab gesagt, ich war verheiratet", berichtigte der Barbier ihn. Dann grinste er breit. "Momentan bin ich in 'ner Zwischenphase." „Aha." "Haben Sie und Miss Cindy morgen große Pläne?" Eric runzelte verwirrt die Stirn. "Morgen?" „Ja. Sie sind doch der Grund, dass Miss Cindy morgen einen freien Tag hat, und deshalb dachte ich, Sie beide würden zusammen was unternehmen." Eric lachte. "Wie bitte?" "Sie hat's Ihnen nicht erzählt? Also, die Sache ist die …“ Eric blickte düster vor sich hin, nachdem Jerry ihn aufgeklärt hatte. Toll! Er war das Objekt einer Wette. "Na, na, nun versink mal nicht gleich in Trübsal, mein Junge. Ich bin sicher, sie mag dich auch ein bisschen." "Trübsal?" Eric lachte verkrampft. "Cindy und ich sind einfach nur zwei Leute, die sich auf einer Party amüsieren. Völlig harmlose Sache." Er nahm die Drinks und ging, Als er Cindy inmitten einer Gruppe entdeckte, stieg wieder heißes Verlangen in ihm auf. Zugegeben, sie ist eine Schönheit, und sie ist klug und sexy, aber sie ist tabu, mahnte er sich. Er sah einfach umwerfend in seinem Smoking aus. Cindy fühlte eine prickelnde Erregung, als Eric auf sie zuging. Er zwinkerte ihr zu und gab ihr
ihren Cocktail. Sie schmolz unter seinem intensiven Blick dahin. Falls sich die Gelegenheit bieten sollte, warum sie nicht ergreifen und mit diesem aufregenden Mann eine Nacht verbringen ... Er beugte sich zu ihr, seine Augen funkelten. "Was hör ich da von einer Wette?" "Wette?" Seine Mundwinkel zuckten. "Ja. Ich hab gar nicht gewusst, dass ich einen bezahlten Urlaubstag wert bin." Sie senkte verlegen den Blick. "Es war eine ganz harmlose Wette zwischen Freunden." "Und ich dachte, Sie hätten mich eingeladen, weil Sie mich mögen." "Oh, ich mag ..." Sie wurde rot. "Ich meine ... Ob Sie's glauben oder nicht, ich hatte die Wette tatsächlich vergessen." Eric grinste. "Wie schön! In dem Fall wird Joel sich bestimmt freuen, von Ihnen zu hören, dass ... " "Halt! Warten Sie!" rief sie und lachte. "Ich brauch den freien Tag. Dringend." "In dem Fall“, er nahm ihre Hand und führte sie zur Tanzfläche, „lassen Sie uns tanzen und darüber reden, wie Sie mich entschädigen können." Bei der Berührung seiner Hand fing ihr Herz an zu hämmern. "Ich kann nicht besonders gut tanzen." "Lassen Sie sich einfach von mir führen", sagte er, legte ihr die Hand um die Taille und schob sie in langen Walzerschritten zu „I’ll Be Home for Christmas" über die Tanzfläche. Sich seiner Hand auf ihrer nackten Haut allzu bewusst, hielt Cindy so viel Abstand wie möglich und folgte steif seinen Schritten. "Entspannen Sie sich", sagte er sanft. Janzen ist ein Vergnügen und keine Qual." "Ich glaube, es liegt an dem Lied", redete sie sich heraus. "Macht es Sie traurig? Werden Sie Weihnachten nicht zu Hause sein?" "Doch. Das Lied macht mich etwas nervös. Meine Mutter kann ziemlich ... intensiv sein." "Es ist ein Jammer", sagte er locker, "dass man sich seine Familie nicht aussuchen kann." Sie dachte an sein Problem mit seinem Vater und erwiderte: "Ich bin sicher, dass Eltern in Bezug auf ihre Kinder manchmal genauso denken." Plötzlich lachte er. "Wahrscheinlich haben Sie Recht." Er zog sie näher und strich dabei mit seiner Hand über ihren Rücken. "Und nun zu morgen", murmelte er dicht an ihrem Ohr. "Was ist mit morgen?" fragte sie und widerstand dem Drang, den Kopf an seine Schulter zu legen. "Da ich der Grund für Ihren freien Tag bin, halte ich es für angemessen, dass Sie ihn mit mir verbringen. Finden Sie nicht auch?" Insgeheim begeistert, tat Cindy so, als würde sie nur widerstrebend einwilligen. "Also gut. Und was hatten Sie sich vorgestellt?"
"Erst mal ausschlafen." Sie kam aus dem Takt und trat ihm auf den Fuß. "Sorry, ich hab Ihnen ja gesagt, dass ich keine gute Tänzerin bin." Meinte er, dass er zusammen mit ihr ausschlafen wollte? "Wir würden also relativ spät starten", nahm er den Faden ohne auf ihre Entschuldigung einzugehen, wieder auf. "Ich muss Weihnachtseinkäufe machen. Nicht gerade ein bezaubernder Zeitvertreib." "Die Gesellschaft wird bezaubernd sein." Schon wieder zwinkerte er ihr zu, und ein Hitzestrom durchflutete sie. Die Musik wechselte zu dem lebhaften Stück "Rockin' around the Christmas Tree", und Cindy lachte ausgelassen, als Eric sie schwungvoll herumwirbelte. Eine Drehung folgte auf die andere, und sie begann, die Wirkung des Alkohols zu spüren. "Hey, mir wird schwindelig!" "Wenn wir jetzt aufhören, muss ich etwas anderes finden, um meine Hände zu beschäftigen." Bei seinen geflüsterten Worten prickelte die Haut auf ihren Brüsten. "Okay, noch ein Stück." Sie tanzten weiter, und Cindy hatte das beängstigende Gefühl, unkontrolliert über die Tanzfläche zu wirbeln. Dennoch genoss sie den Tanz. Es war aufregend, wie sie abwechselnd auf Tuchfühlung waren, und dann, bei den Drehungen, wieder voneinander entfernt. Schließlich endete die Musik, und alle applaudierten. "Sie sind ein sehr guter Tänzer", bemerkte Cindy, als sie von der Tanzfläche gingen. "Ich habe seit Ewigkeiten nicht getanzt. Früher musste ich immer mit meiner kleinen Schwester Jitterbug in der Küche tanzen." Eric lächelte versonnen. "Sie sind auch recht leichtfüßig." Da war es wieder dies Augenzwinkern. Vielleicht ist er angetrunken, dachte Cindy. Das Letzte, was sie in ihrem Leben brauchte, war ein Mann, der Sexspielzeug verkaufte und ein Alkohol-Problem hatte. Halt, was waren das für absurde Gedanken? Dies war nur eine Bekanntschaft und keine Beziehung. Okay, eine Bekanntschaft, die anscheinend auf eine Affäre zusteuerte. Und für eine Affäre konnte sie ihre Ansprüche etwas herunterschrauben. Sie gingen zum Büfett, beluden ihre Teller und gesellten sich dann zu Manny und Samantha und deren Begleiter. Eric entschuldigte sich, um Drinks zu holen. Sams Freund erzählte gerade von seiner Reise durch Nepal. Manny sah ungeheuer gelangweilt aus. "Setz mal 'ne freundlichere Miene auf", flüsterte Cindy. "Du hast gut reden", murmelte er zurück, "schließlich hast du 'ne heiße Nacht vor dir." "Das ist nicht wahr!" "Ich wette, Mr. Quinn glaubt, dass du mit ihm ins Bett hüpfen willst." "Nur weil ich mit ihm getanzt habe?" "Nein. Weil du ihm alle zwanzig Sekunden zugezwinkert hast."
"Wovon redest du?" "Wie klappt's mit den Wimpern?" Deshalb Erics Augenzwinkern! "O Manny, du hast Recht. Ich habe pausenlos gezwinkert. Wahrscheinlich denkt er, ich bin ganz schön dreist." "Ich würde sagen, dreist ist eine riesige Untertreibung." "Sei still, er kommt." "Na, Cindy, was macht unser Weihnachtsbaum?" fragte Sam. "Die Dekorateure wollen bis morgen früh fertig sein." „Prima. Und wie läuft's mit unserem schwierigen Mr. Stark?" "Heute Abend sind wir vor ihm sicher, dafür hab ich gesorgt. Ich hoffe nur, er hat nicht wieder irgendwelche seltsamen Beanstandungen." Sie lächelte Eric zu, als er die Drinks auf den Tisch stellte. Sam wurde von ihrem Begleiter zur Tanzfläche gezogen. "Ich hab aufgeschnappt, was Sie da eben gesagt haben", sagte Eric, als er sich setzte. "Mir ist auch eine ziemlich bizarre Sache passiert." "Was?" fragte sie. Manny beugte sich vor. "Es wird Ihnen verrückt vorkommen, aber Ich glaube, jemand hat meine Pyjamahose aus meinem Zimmer gestohlen und durch eine neue ersetzt. Dieselbe Farbe, dieselbe Marke." Cindy schluckte schwer. "Wirklich?" "Ja. Klingt verrückt, nicht?" „Total verrückt", stimmte Manny zu. "Die Sache ist die", fuhr Eric langsam fort, "dass der Pyjama ein Geschenk war und wahrscheinlich auch teuer. Aber eigentlich hab ich das Ding nie gemocht." Er lachte. "Der Perversling, der die Hose stibitzt hat, wollte offenbar etwas Getragenes haben. Aber er hätte wirklich nicht für Ersatz sorgen müssen." Hätte ich das bloß vorher gewusst! dachte Cindy. "Eric", sagte sie, während sie ihre Serviette glättete, "wenn die Farbe und Marke dieser Pyjamahose identisch sind, wie kommen Sie dann darauf, dass es nicht dieselbe Hose ist?" "Weil auf der Tasche meine Initialen eingestickt waren." "Ihre Initialen?" Er nickte und biss in ein Stück Quiche. "Seltsam, was.“ "Ich würde es abartig nennen", erklärte Manny. "Krank, gestört." Cindy stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen. "Wenn das Hotel irgendetwas tun kann..." "Ich bin nicht auf eine Entschädigung aus. Ich wollte Sie nur wissen lassen, dass hier womöglich ein Irrer herumläuft." Sie brachte ein müdes Lächeln zu Stande. "Danke für den Tipp." Die Stunden verflogen. Cindy trank, aß und tanzte mit Eric, bis sie erschöpft war und so angetörnt, wie sie es nie für möglich gehalten hätte. Die Chemie zwischen ihnen stimmte geradezu unglaublich gut, und sie konnte das Ende der Party kaum erwarten. Sie lächelte Eric an und rieb träge ihren Fuß an seinem Bein.
Er war mitten im Erzählen einer lustigen Geschichte, fuhr zusammen und sah sie an. Zu ihrem Erstaunen wurde er rot. "Cindy, benimm dich!" mahnte Manny, und alle lachten. Plötzlich stand Joel an ihrem Tisch. "Es ist halb zwölf, Cindy. Kommst du?" "Wohin?" Joel formte mit dem Mund "Weihnachtsmann" und gestikulierte zur Tür. Ein heißer Schreck durchfuhr sie. Das hatte sie völlig vergessen. "Könnte nicht jemand anders ... ?" "Hey, du hast es versprochen." "Ja." Aber da hatte sie auch noch gedacht, sie würde solo erscheinen. "Also, dann komm." Sie stand seufzend auf. Gerade als sie gedacht hatte, sie würde mit einem Fitzelchen Würde über den Rest des Abends kommen. "Ich bin gleich zurück", sagte sie zu Eric. Er zwinkerte ihr zu. "Diesen Fummel nennst du ein Weihnachtsmann-Kostüm? Ausgeschlossen, Joel, das zieh ich nicht an!" "Es ist rot und hat weißen Pelzbesatz an den Rändern." Cindy verschränkte die Arme vor der Brust. "Und sieh mal, es sind schwarze Stiefel dabei." "Es sind hüfthohe Lackstiefel!" "Und die Mütze. Vergiss nicht die Mütze." Joel ließ eine lange rote Strumpfmütze mit einem weißen Ponpon am Ende vor ihrer Nase baumeln. "Wer hat dieses lächerliche Outfit gekauft?" "Die Dame im Geschenk-Shop hat es mir gegeben. Sie wollte nichts dafür haben." Cindy seufzte. "Wenn du willst, dass ich mich wie eine Idiotin fühle, meinetwegen." Joel lächelte triumphierend. "Du kannst froh sein, dass ich nicht mehr ganz nüchtern bin", erklärte sie. "Und diese Stiefel werde ich nicht tragen!" „Okay, okay. Dies Ding sieht etwas groß für dich aus", stellte Joel fest, als er das Kleid hochhielt. "Na ja, wenigstens wird es nicht hauteng sein.“ Sie riss es ihm aus den Händen und zeigte zur Tür. "Verdufte." "Ich mach den Geschenksack fertig. Du wirst sehen, alle werden begeistert sein." "Ho-ho-ho", brummelte sie und scheuchte ihn aus dem Vorratsraum. Sie schlüpfte aus ihrem Kleid, hängte es an einen Haken neben dem Mopp und zog das rote Modell an. Es schlackerte um ihre Taille, der mit Kunstpelz besetzte Rock fiel ihr bis über die Knie, und die weißen Pelzmanschetten reichten bis zu ihren Fingerspitzen. Mit Hilfe eines breiten schwarzen Plastikgürtels, den sie neben den skandalösen Stiefeln entdeckte, raffte Cindy einen Meter Stoff zusammen, den sie über ihrer geschnürten Taille hoch zupfte. Sie setzte sich die Mütze auf und schnippte den weißen Ponpon über ihre Schulter. Bei Joels
Klopfen holte sie tief Luft und ging hinaus. "Kein Wort!" zischte sie, als er sie mit einem breiten Grinsen musterte. Eric hörte brüllendes Gelächter, bevor er Cindy sah. Die Chefin als Weihnachtsmann. Deshalb also hatte Joel sie rausgelotst. Er beugte sich zur Seite, um einen besseren Blick zu haben, und fiel in den Applaus der anderen ein. Cindy selbst schien nicht annähernd so amüsiert über ihre Kostümierung zu sein, die offensichtlich für eine fülligere Weihnachtsfrau gemacht war. Jedenfalls war sie keine Spielverderberin, machte die Runde und verteilte rote Umschläge an ihre Angestellten, während der Discjockey den Song "Ich wünsch mir zu Weihnachten ein Nilpferd" spielte. Die fröhliche Atmosphäre und die harmlosen Hänseleien, mit denen die Leute Cindy aufzogen, bestätigten Eric, wie beliebt sie war. Und das zu Recht. Als Cindy an ihrem Tisch Halt machte, warf sie ihm einen verlegenen Blick zu und gab dann Manny und Samantha ihre Umschläge. "Und wer beschenkt Sie?" fragte Eric und spielte mit dem Ponpon an ihrer Mütze. "Das hat Joel schon getan. Ich darf dieses entzückende Kostüm behalten." Er lachte. "Ich finde, es steht Ihnen", sagte er, und eine Vis ion huschte durch seinen Kopf - Cindy mit nichts als der Mütze bekleidet. "Danke. Amy meinte, ich müsste noch reinwachsen." Sie griff nach dem roten Sack. "Bis gleich. In zehn Minuten bin ich fertig." Sam und ihr Partner gingen wieder tanzen und ließen Eric mit Manny am Tisch zurück. Erics Blick folgte Cindy, die die letzten Umschläge verteilte. Bei dem Gedanken, sie bald wieder neben sich zu haben, durchzuckte es ihn heiß. "Cindy ist ein Juwel", sagte Manny lebhaft. "Ja, sie ist wirklich eine tolle Frau." Manny beugte sich vor. "Nur damit Sie es wissen, sie hat mir gesagt, warum Sie hier sind." Sein Ton war ruhig, sein Ausdruck ernst. "Normalerweise ist es mir völlig schnuppe, was jemand beruflich macht. Aber in diesem Fall ist es mir nicht egal, weil Cindy mir nicht egal ist. Sie reisen in ein paar Tagen wieder ab, und Cindy muss dann mit den Folgen fertig werden." Der Empfangschef hielt Erics Blick stand. "Sie bedeutet mir sehr viel, Sir. Ich möchte Cindy nicht leiden sehen." Eric sah aus dem Augenwinkel, wie Cindy hinausging. Er schwieg einen Moment. Manny Oliver hatte seinen eigenen inneren Konflikt in klare Worte gefasst. "Ich möchte genauso wenig wie Sie, dass Cindy verletzt wird." "Gut", sagte Manny und stand auf. "Dann sind wir uns ja wenigstens in einem Punkt einig. Gute Nacht." „Manny." Eric erhob sich ebenfalls. "Könnten Sie vielleicht noch ein paar Minuten bleiben und mich bei Cindy entschuldigen? Ich denke, ich mache besser Schluss für heute." "Kein Problem. Frohe Weihnachten, Mr. Quinn."
Mannys Hieb, ihn mit seinem falschen Namen anzureden, entging Eric nicht. "Frohe Weihnachten, Manny." Komisch, dachte er, als er die Bar verließ, dies ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich mir wünsche, jemand anderes zu sein.
8. KAPITEL "Gegangen?" Cindy versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen. Manny räusperte sich. "Ich soll dir sagen, dass es ihm Leid täte, aber er müsste ins Bett." Sie zupfte am Ausschnitt ihres schwarzen Kleides. "Ach, was soll's.“ "Du magst diesen Burschen, stimmt's?" "Ich weiß nicht. Bei aller Toleranz stört es mich offen gestanden doch, dass er seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Sexspielzeug verdient. Wie kommt ein Mann wie er bloß dazu? Er scheint sonst so ... perfekt zu sein." "Kein Mann ist perfekt, Schätzchen." Manny grinste. "Außer mir natürlich. Wie ist es, soll ich dich nach oben begleiten?" Sie sah sich in der leeren Bar um. "Danke, aber ich will hinten noch einiges überprüfen." Sie lächelte schwach. "Wenigstens kann ich morgen ausschlafen." „Hey", sagte Manny weich. "Bist du okay?" "Sicher." "Wenn dieser Bursche dir das Herz bricht, dann breche ich ihm das Nasenbein." "Keine Chance", versicherte sie Manny. "Wir sehen uns morgen. Komm gut nach Haus." Während sie Manny nachsah, gestand Cindy sich ein, dass sie nicht nur enttäuscht und verletzt, sondern total niedergeschlagen war. War es nicht mal wieder typisch, dass der erste Mann, der ihr seit Jahren gefiel, nicht einmal genug Interesse an ihr aufbrachte, um ihr einen lausigen Gutenachtkuss zu geben? Sie nahm ihre Abendtasche und verließ die Bar. Auf dem Weg zu den Fahrstühlen nahm sie leise Musik wahr. Sie blieb stehen und lauschte. Klavierklänge, eindeutig. Jemand spielte auf dem Klavier, das aus der Bar geräumt worden war. Ihre Neugier siegte über ihre trübe Stimmung, und sie ging den Korridor hinunter zum Asteroiden-Raum. Sie öffnete leise die Tür. Alles war dunkel. Die melancholische Melodie von „I’ll Be Home for Christmas" schwebte zu ihr. Sie bemerkte einen matten Lichtschein, der das Klavier umgab. Es stand mit der Rückseite zur Tür und verdeckte den Spieler. Ihre Neugier wuchs. Auf Zehenspitzen bewegte sie sich vorwärts. Wer immer dort am Klavier saß, spielte nicht übel.
Nach einem weiteren Schritt erkannte sie die Umrisse eines Mannes. Sie sog scharf die Luft ein, der Klavierspieler hörte abrupt auf und fuhr herum. "Eric!" rief sie aus. "Ich habe die Musik gehört und ... Ich meine, ich hatte keine Ahnung, dass Sie hier drinnen sind. Sie spielen wirklich gut." Seine Smokingjacke lag über dem Klavier, die Schleife hing offen über seinem aufgeknöpften Hemd, die Kerze auf dem Notenhalter warf ihr weiches Licht über die Tasten und seine schlanken Hände. Er lachte leise. "Ich habe seit Jahren nicht gespielt. Zufällig hab ich das Klavier entdeckt und ... Also, ich wollte niemanden stören." "Spielen Sie, solange Sie möchten", sagte Cindy schnell, während sie sich rückwärts zur Tür bewegte. "Gute Nacht." "Cindy." Sie blieb stehen. "Es tut mir Leid, dass ich mich auf der Party ausgeklinkt habe." "Schon gut. Es war ja sowieso Schluss. " Er räusperte sich und zeigte auf die Tasten. "Irgendwelche Wünsche, bevor Sie gehen?" „Also ... Ich habe immer eine Vorliebe für ‚Blue Christmas'... Kriegen Sie das hin, mit schmalziger EIvis-Stimme?" "Schmalzig? Rostig kommt eher hin." "Okay. Sie spielen, und ich singe." "Nehmen Sie Platz", sagte er mit breitem Lächeln und rutschte auf der Klavierbank zur Seite. Sie setzte sich neben ihn, wobei sie einen handbreiten Sicherheitsabstand ließ. Er begann zu spielen, und sie sang: I'll have a blue Christmas without you." Ohne dich werd ich ein trauriges Weihnachten haben. "I'll be so blue thinking about you." Ich werd mit Wehmut an dich denken. I’ll be so blue-hu-hu.“ Eric grinste. "Sie sind schrecklich." Sie warf ihm einen strahlenden Blick zu. "Die brennenden Kerzen am Tannenbaum ...“ Er hörte auf zu spielen und protestierte "Es heißt: die roten Kerzen an dem grünen Baum.“ "Sie spielen, und ich singe!" "Okay." Er spielte weiter. "Die roten Kerzen - an dem grünen Baum - werden mir nichts bedeuten, Darling", sang Cindy. Er brach wieder ab. "Werden nicht so sein wie früher, Darling." Sie bedeutete ihm, weiterzuspielen. "Wenn du nicht bei mir bist", jaulte sie, knuffte ihn dann in die Seite. "Jetzt weiche Akkorde für den Background-Chor. Ooh-ooh - ooh-ooh." Er musste so lachen, dass er kaum noch spielen konnte, und auch Cindy fing an zu glucksen. Aber sie hielt bis zum Ende durch. "Großes Finish! Jetzt alle!" schrie sie, und Eric sang den letzten Refrain mit ihr zusammen. Cindy klatschte und pfiff, als er ein tosendes Finale in die Tasten hämmerte. "Sie sind genial!"
"Und Sie müssen beschwipst sein." "Ich meine es ernst. Sie setzen sich an ein Klavier und spielen drauflos. Ohne Noten. Bei wem haben Sie das gelernt? War Ihre Mutter Klavierlehrerin?" "Nein", sagte er leise, während er eine weiche Melodie improvisierte. "Mein Vater hat es mir beigebracht. Er ist genial. Konnte keine einzige Note lesen und hat die kompliziertesten Konzerte gespielt, nur nach Gehör." Die Melodie klang wehmütig. "Ich war nie so gut wie er, wollte es auch nie sein. Mein Dad konnte nicht begreifen, dass ich das Klavierspielen nicht so geliebt habe wie er. Aber ich wollte Geld machen, statt als armseliger Klavierlehrer zu enden." "Ist Ihr Verhältnis zu Ihrem Vater deshalb so schlecht?" "Unter anderem. Vor allem liegt es daran, dass mein alter Herr von mir enttäuscht ist. Die Art, wie ich meinen Lebensunterhalt verdiene, passt nicht in sein Weltbild. Er hält mir immer wieder vor, dass ich nicht wüsste, was im Leben wichtig ist." Sie verkniff sich die Frage, warum er nicht wenigstens Klaviere verkaufte. "Wann haben Sie Ihren Vater das letzte Mal gesehen?" "Im April war ich zum Geburtstag meiner Nichte in Manassas und hab kurz bei ihm reingeschaut. Es war nicht erfreulich." „Aber er muss Sie sehr lieben, wenn er so heftig darauf reagiert hat, dass Sie lieber Handelsvertreter werden wollten als Musiklehrer." Eric verzog den Mund. "Ich schätze, so kann man's auch betrachten." Dann straffte er die Schultern. "So. Letzter Aufruf für Musikwünsche." Cindy schwirrte noch der Kopf von seinen Offenbarungen. "Wie wär's, wenn Sie Ihr Lieblingslied spielen?" "Oh, das ist leicht." Er spielte eine dramatische Ouvertüre und stimmte dann eine Blues-Version von "Santa Claus ist Coming To Town" an. "Los, Cindy." Sie schmetterte drauflos, stieß gegen seine Schulter, bis er lachend mit ihr schunkelte. Zusammen sangen sie ausgelassen den Schlussrefrain und lachten und applaudierten. Cindy strahlte ihn an. "Das war lustig." "Ich bin froh, dass Sie reingeschaut haben", sagte er, klappte den Klavierdeckel herunter und nahm die Kerze vom Notenhalter. Im Begriff, sie auszupusten, hielt er inne. "Nanu." Sie sah hoch, und ihr Herzschlag machte einen Sprung. Direkt über ihnen hing Jerrys Mistelzweig. Danke, Jerry! Langsam stellte Eric die Kerze wieder ab und lächelte. "Da haben wir wohl keine Wahl, was meinen Sie?" „Das sehe ich ganz genau so." Er beugte sich näher, und sah ihr dabei tief in die Augen. "Sie sehen heute Abend wieder ganz bezaubernd aus." Ihre Kehle war wie zugeschnürt. "Danke." Er strich leicht mit dem Mund über ihre Lippen, und Cindy schloss die Augen, als er den Mund auf ihren senkte. Zuerst küsste er sie behutsam und zart. Aber
als sie die Lippen teilte, stöhnte er und vertiefte den Kuss. Sie drängte sich eng an ihn, sog seinen Duft ein und verlor sich in den Liebkosungen seiner Lippen. Schließlich beendete Eric den Kuss. "Wir sollten wohl besser gehen." Sie nickte, unfähig, auch nur ein Wort herauszubringen. Eric stand auf, schlüpfte in seine Smokingjacke und nahm die Kerze. Mit zittrigen Beinen folgte Cindy ihm in den Korridor, wo er die Kerze ausblies und auf einen Tisch stellte. "Ich begleite dich nach oben." "Das ist nicht nötig." "Es ist das Mindeste, was ich tun kann nach meinem unhöflichen Abgang vorhin." "Oh, du hattest sicher deine Gründe." "Ja." Sie gingen zum Fahrstuhl. "Ich hatte Angst, ich würde dich fragen, ob du die Nacht mit mir verbringen möchtest." "Und du hast befürchtet, ich würde Nein sagen?" fragte sie nervös. "Ich hab befürchtet, du würdest Ja sagen." Geschickt pariert, dachte sie. Wie aus einem Film. Während der Fahrt nach oben sprach er kein Wort, und sie versuchte in seinem Gesicht zu lesen, ob er die Frage stellen würde. Ihre Nervosität wuchs. Schweigend gingen sie den Korridor entlang. Als sie ihre Zimmertür aufgeschlossen hatte, streifte Eric ihre Wangen mit den Lippen und sagte: „Gute Nacht, Cindy. Danke für den bezaubernden Abend." Ihr Herz begann zu hämmern. Hatte sie sich nicht vorgenommen, die Gelegenheit zu nutzen? Und würde sich je eine bessere Gelegenheit bieten als diese? Sie berührte seinen Arm. "Eric, ist es, weil du noch immer wegen deines Jobs Skrupel hast?" Er zögerte einen winzigen Moment. "Das war auch ein Grund, ja." Ihre Hände glitten an den Revers seiner Smokingjacke hoch. „Für mich ist es kein Grund, Eric." Sie schlang die Arme um seinen Nacken und zog sein Gesicht zu sich für einen langen, sinnlichen Kuss. Augenblicklich schloss er sie in die Arme, und sie fühlte, wie erregt er war. Heißes Begehren durchflutete sie. "Verbring die Nacht bei mir", flüsterte sie. Er fuhr sich zögernd mit der Hand durchs Haar. "Bist du dir wirklich sicher?" Ohne ein Wort zog sie ihn an seinen Revers in ihr Zimmer. Im dem Moment, als Eric die Schwelle übertrat, schaltete sein Verstand ab, und sein Körper übernahm die Führung. Sie stolperten durch den dunklen Flur und hantierten gegenseitig an ihrer Kleidung. Cindys Schuhe blieben Im Wohnzimmer zurück, seine Smokingjacke landete auf dem Flur, seine Hose an der Schlafzimmertür. Cindy kämpfte mit dem Reißverschluss ihres Kleides, und Eric half ihr. Das Kleid rutschte zu Boden, sie drehte sich In seinen Armen, und präsentierte ihm ihren nackten Oberkörper. Im spärlichen Licht, das durch das Fenster fiel, war sie einfach atemberaubend. Schlank und langgliedrig, ihre Brüste fest und rund wie Pfirsiche, die darauf warteten, gepflückt zu werden. Er zog sie an sich, schwelgte in dem Gefühl,
ihren Körper so eng an sich zu spüren. Sie zupfte an seinem Hemd, und bald landete das hinderliche Kleidungsstück ebenfalls auf dem Boden. Erics Verlangen wuchs immer mehr. Er hob Cindy auf den Arm, trug sie zum Bett und legte sie sanft nieder. Schwer atmend streifte er ihr die Strümpfe ab, überwältigt vom Anblick ihres wundervollen Körpers, der nur noch mit einem winzigen Slip bekleidet war. Sie bog ihren Rücken durch und hob ihm ihre Brüste entgegen. Eric wollte sich Zeit nehmen, wollte sie mit sinnlicher Langsamkeit lieben, aber jetzt, wo er ihren verlockender Körper vor sich hatte, fühlte er sich wie ein unerfahrener Teenager, der nach allem gleichzeitig hungerte und nicht wusste, wo er anfangen sollte. Der Beweis seiner Begierde spannte sich hart und pulsierend in seinen Boxershorts, aber dieses dünne Hindernis zwischen ihnen half ihm, nicht die Kontrolle über sich zu verlieren. Hätte er Cindy überall Haut an Haut gespürt, dann hätte er sich nicht mehr zurückhalten können. Er küsste ihren Mund, strich mit den Lippen über ihren Hals und streichelte ihre Brustspitzen, bis sie leise stöhnte. Halb über ihr liegend, senkte er den Mund auf ihre Brust und küsste die harten Knospen. Cindy vergrub die Hände in seinem Haar. Ihr Körper, ihr Stöhnen, ihr Duft machten ihn wahnsinnig vor Begehren. Er zerrte ihren Slip herunter und schluckte schwer beim Anblick, der sich ihm nun bot. Cindy fasste nach dem Bund seiner Shorts, und Eric zögerte, weil er wusste, dass es bald vorbei sein würde, wenn sie ihn befreite. Dann hielt er plötzlich mit einem frustrierten Stöhnen ihre Hand fest. "Was ist?" stieß sie atemlos hervor. Vor Verlegenheit fand er keine Worte. Er war so fest entschlossen gewesen, nicht mit ihr zu schlafen, dass er die Kondome in seinem Zimmer gelassen hatte. "Ich bin hierfür nicht vorbereitet." "Du meinst, du hast kein Kondom?" Er räusperte sich. "Ja." Sonderbar. Sie hatte geglaubt, dass er Kondome wie Geschäftskarten bei sich trug. ihre Gedanken rasten, und dann fiel ihr der Karton unter dem Bett ein, in dem sich eine Kollektion diverser Erotik-Utensilien befand, die sie von den Ausstellern der Erotik-Messe erhalten hatte. Sie zögerte bei der Vorstellung, vor Erics Augen in einem Karton mit dubiosem Sexspielzeug zu kramen, aber dann wurde ihr klar, dass er das ganze Sortiment kannte und vermutlich den Warencode jedes Stücks auswendig wusste. Und wie konnte sie ihm besser beweisen, dass sie kein Problem mit seinem Job hatte? "Moment, vielleicht habe ich welche", sagte sie. Erics Stimmung hob sich. Sekunden später kniete Cindy vor ihrem Bett und hob den Deckel von dem koffergroßen Karton. Erst jetzt registrierte sie die Vielfalt der Produkte, auf die sie vorher nur einen flüchtigen Blick geworfen hafte. "Wow!" sagte Eric, der hinter ihr stand.
Sie durchkramte den Inhalt, und da Eric nicht wissen sollte, wie unerfahren sie in seinem Gewerbe war, reichte sie ihm Produkte, von denen sie annahm, dass sie brauchbar sein könnten. "Kokos-BodyLikör, Kondome mit Struktur..." Sie hielt ein interessant aussehendes batteriebetriebenes Gerät hoch und hob fragend die Augenbrauen. Eric zuckte mit den Schultern und legte es beiseite. "Schlagsahne mit Schokoladengeschmack - ein Slip mit offenem Schritt?" Auf die Schlagsahne verzichtete er, befühlte aber interessiert den winzigen Slip mit offenem Schritt. "Vielleicht später?" Sie nickte und beugte sich wieder über den Karton. Plötzlich küsste Eric ihren Nacken und rieb seine Brust an ihrem Rücken. "Cindy", flüsterte er, "findest du nicht, dass wir für die erste Runde genug ausgerüstet sind?" Sie lächelte. "Machst du das Licht aus?" "Kommt nicht infrage", protestierte er und zog sie wieder aufs Bett. "Ich will dich sehen." "Und ich möchte dich sehen", hauchte sie und schob seine Shorts hinunter. Und dann sah sie, was sie auf Grund seiner Körpergröße bisher nur vermutet hatte, und es durchströmte sie heiß. "Wow!“ Eric lachte nur. Bebend wie eine jungfräuliche Studentin lag Cindy da und wollte ihn so sehr, dass es sie erschreckte. Sie untersuchten die Inhalte der unterschiedlichen Fläschchen aus dem Karton, bemalten sich gegenseitig damit und leckten sich wieder ab, bis sie vor Erregung keuchten. Cindy versuchte die Kondomhülle zu öffnen, doch es gelang ihr nicht, und Eric musste ihr helfen. Mit zitternden Fingern versuchte sie ihm den Schutz überzustreifen. „Anders herum", sagte Eric. Verflixt, sie hatte das Ding verdreht. "Uups ...!" Von wegen raffiniertes Sexkätzchen! Sie schaffte es noch nicht mal, ihm ein Kondom überzustreifen. "Lass mich dir helfen", sagte er, rollte sich das Kondom über und schob sie in die Kissen zurück. Sein Brusthaar kitzelte ihre Brüste, als er seine Hände mit ihren über ihrem Kopf verflocht. Zu keinem Wort fähig, ließ sie ihren Körper für sich sprechen. Sie wand sich unter ihm, hob ihm die Hüften entgegen, sagte ihm mit jeder Bewegung, wie sehr sie ihn wollte. „Ladies first", flüsterte er und strich mit der rechten Hand über ihren erhitzten Körper, glitt dann zwischen ihre Schenkel, liebkoste zart ihre empfindlichste Stelle. Cindy drängte sich ihm entgegen, bewegte sich in einem langsamen Rhythmus. Ihre in Monaten angestaute sexuelle Energie und die erregende Gegenwart des Mannes über ihr trieb sie über die Schwelle und ließ sie selbstvergessen ihre Lust auskosten. Ihr zufriedenes Stöhnen vermischte sich mit seinem, als sie langsam zurück in die Kissen sank. Eric zog seine Hand zurück und schob sich auf sie. Gierig presste er sich an sie, und Cindy fühlte ihn groß und pulsierend zwischen ihren Schenkeln. Sie
umklammerte seinen festen Po, zog Eric noch enger an sich, schloss die Augen. und öffnete sich ihm einladend. Behutsam glitt er in sie hinein. Cindy spürte seinen wilden Herzschlag. Sie spreizte ihre Beine, um ihn ganz in sich aufzunehmen, und aufstöhnend füllte er sie ganz aus. Sie warf den Kopf zurück, bog sich ihm ekstatisch entgegen und schrie. Er zog sich ein wenig aus ihr zurück, schob die Hände unter ihren Po und senkte sich dann mit qualvoller Langsamkeit wieder tief in sie. Cindy umklammerte seinen Rücken, folgte seinem Rhythmus, spannte instinktiv die Muskeln an. Ihr Tempo steigerte sich zu einem Rausch von Bewegung und sinnlichen Lauten. Cindy spürte seine wachsende Anspannung, und als Eric über ihr erbebte, erfasste eine Welle der Erregung sie, so dass sie im selben Moment wie er zum Höhepunkt kam. Er schrie seine Lust heraus, dann legte er seinen Kopf an ihre Schulter. Cindy atmete schwer und streichelte sanft seinen Rücken. "Nicht auszudenken, wenn du dich an deinen Vorsatz gehalten hättest", murmelte sie zufrieden, "und die Nacht ohne mich verbracht hättest." Er lachte. "Allerdings." Er stützte sich mit den Ellenbogen ab und sah sie mit funkelnden Augen an. "Und die Nacht ist noch jung." Cindys Haut prickelte vor Erregung. "Und der Kasten unter meinem Bett steckt voller Überraschungen ..." Cindy befand sich lange Minuten im köstlichen Schwebezustand zwischen Schlafen und Wachen. Sonderbar, wie angenehm ermattet sie sich fühlte. Sie öffnete fast widerwillig die Augen. Erinnerungen an die Nacht durchfluteten sie. Eric lag schlummernd neben ihr, das Gesicht ihr zugewandt. Wach war er hinreißend, aber schlafend war der Mann ein Gott. Als sie sich seine Umarmungen in Erinnerung rief, breitete sich ein warmes Prickeln in ihr aus. Es war verblüffend, wie vertraut sie sich mit ihm fühlte. Sie drehte sich auf die Seite und betrachtete ihn zärtlich. Cindy seufzte, Wenn Erics Job doch nur normaler wäre. Aber eigentlich sollte sie froh sein. So hielt ihr Unbehagen wegen seiner Tätigkeit sie davon ab, sich in ihn zu verlieben. Sie erschrak. Liebe? Manny hatte einmal gesagt, dass man sich seine Liebe am besten für Kaschmir und französischen Champagner aufsparen sollte. In ihrem Kopf ballte sich ein dumpfer Schmerz, der sie daran erinnerte, wie viel sie auf der Party getrunken hatte. Und Kokos-Body-Likör trug nicht gerade zu einem Gefühl morgendlicher Frische bei. Sie hob die Hand an ihren schmerzenden Kopf und fühlte ein Gewirr von drahtigem Haar. Wahrscheinlich sah sie Furcht erregend aus. Lautlos stieg sie aus dem Bett und humpelte über den Teppich. Ihre Muskeln waren steif, und sie trug noch den schrittlosen Mini-Slip, der sie nun beim Gehen unangenehm kniff. Überall lag Kleidung verstreut, Flaschen dekorierten beide Nachttische, und über einem Lampenschirm hing eine Schwesternhaube aus dem Musterkoffer - also das würde viele Tagebuchseiten füllen.
Im Bad schlüpfte sie in ihren kurzen Frotteebademantel und riskierte einen ersten Blick in den Spiegel. Was sie sah, war eine Medusa mit einem ernsthaften Haarproblem. Und der Wimpernstreifen, der mitten auf ihrer Stirn wie eine schrille Tätowierung klebte, war das Tüpfelchen auf dem i. Ehe Cindy entscheiden konnte, ob sie unter die Dusche steigen oder einfach flüchten sollte, läutete das Telefon. Leise fluchend stürzte sie zurück zum Nachttisch an ihrer Bettseite. Es war erst halb neun. Zum Kuckuck, dies war ihr freier Tag! "Hallo", meldete sie sich schroff und ging so weit, wie die Schnur es erlaubte, vom Bett weg. "Guten Morgen." Manny klang etwas betreten. "Gut wird er hoffentlich noch." „Bist du nicht allein?" fragte er beunruhigt. "Nein." „O Mann. Wärmt etwa Quinn dein Bett?" "Das geht dich nichts an." "Stimmt, aber ich habe Neuigkeiten, die vielleicht für dich wichtig sein könnten." Cindy drehte sich zum Bett und sah, dass Eric aufgewacht war und sie lächelnd anschaute. Sofort wurden ihre Brustspitzen hart, ihr Körper schien zu summen in der Erinnerung an seine Umarmungen. "Was ist es?" Er ist verheiratet, er ist ein Verbrecher, er hat sieben uneheliche Kinder ... "Weißt du, ich habe seine Pyjamahose neulich nicht weggeworfen. Ich dachte, man könnte sie vielleicht zu irgendwas verwenden." Eric setzte sich auf, wobei die Steppdecke auf den Fußboden rutschte und seinen nackten Körper in voller Pracht enthüllte. Ihr Herz hämmerte. "Es ist mir egal, was du damit machst", sagte sie mit süßer Stimme. "Komm endlich zur Sache." "Also, ich hab sein Monogramm auf der Tasche gefunden und ein wenig recherchiert. Der Mann in deinem Bett heißt tatsächlich Eric Quinn - Eric Quinn Stanton." Die Luft wich aus ihren Lungen. Cindy starrte Stanton an, der wahrscheinlich deshalb so selbstzufrieden lächelte, weil er die naive Managerin getäuscht und ins Bett gekriegt hatte. Die Demütigung lähmte sie, und kalte Wut kroch in ihr hoch. "Cindy, bist du noch da?" fragte Manny besorgt. Diese unglaubliche Dreistigkeit! Der Hörer rutschte aus ihrer Hand. Sie ballte die Fäuste und machte einen entschlossenen Schritt auf das Bett zu. Eric betrachtete völlig gebannt die halb nackte Cindy und nahm abwesend wahr, wie der Hörer auf den Teppich fiel. Sie sah hinreißend zerzaust aus, und er fragte sich, ob sie sich wohl so nach ihm sehnte wie er sich nach ihr. Diese Frau machte süchtig. Ihr Musterkoffer mit Sexspielzeug war eine köstliche Überraschung gewesen. Kein Zweifel, horizontal passten sie wunderbar
zusammen. Er hätte schwören können, dass sie letzte Nacht für einige Sekunden über dem Bett geschwebt hatten. "Hast du gut geschlafen?" fragte sie, während sie langsam auf ihn zukam. Er nickte. "Musst du nicht den Hörer auflegen?" "Nein." In seiner Vorfreude auf einen leidenschaftlichen Morgen lächelte er. Offenbar wollte sie nicht, dass sie nochmals durch das Telefon gestört würden. "Du bist sehr gut", gurrte sie und kam näher. Männliche Genugtuung erfüllte ihn. "Ich würde sagen, wir waren beide gut." Sie bewegte sich mit schwingenden Hüften auf ihn zu. "Na ja, ich schätze, einen Teil der Schuld - ich meine des Verdienstes - sollte ich mir zuschreiben." Ihr übertrieben verführerisches Gebaren amüsierte ihn. "Noch mehr Rollenspiele?" Ohne zu antworten blieb sie am Bett stehen und öffnete die Schublade ihres Nachttisches. "Spielen wir wieder Krankenschwester und Arzt?" fragte er und reckte den Hals. Nach den aufregenden Abenteuern der Nacht konnte er sich nicht vorstellen, womit sie ihn jetzt noch überraschen könnte. "Ich bin für so ziemlich alles offen." Doch dann sah er, was sie aus der Schublade nahm, und setzte sich kerzengerade auf. "Außer Schmerz. Auf Schmerz stehe ich nicht", sagte er, denn sie hielt eine Dose Reizgas in der Hand. Cindys Blick verfinsterte sich, als sie die Dose direkt auf seine schrumpfende Männlichkeit richtete. "Das einzige Spiel, das hier gespielt wird, ist Ihr infames Spielchen, Mr. Stanton. Und damit ist jetzt Schluss.“ Er presste den Rücken gegen die Kopflehne. "Ich weiß nicht, wovon du redest." Ihre Augen wurden schmal. "Sind Sie Eric Stanton oder nicht?" "Natürlich bin ich es." "Sie schämen sich noch nicht einmal genug, um es zu leugnen?" Entgeistert sah er sie an. "Warum sollte ich es leugnen? Du hast doch fast von Anfang an gewusst, wer ich bin." "Wie bitte?" zischte sie wütend. "Was fällt Ihnen ein? Sie haben mich die ganze Zeit glauben lassen, Sie wären Eric Quinn, Handelsvertreter für Sexspielzeug. Machen Sie, dass Sie aus meinem Bett kommen. Und aus meiner Wohnung. Scheren Sie sich raus!" Er rutschte langsam zur anderen Seite des Bettes, die Düse der Spraydose fest im Blick. "Handelsvertreter für Sexspielzeug? Woher hast du denn diese absurde Idee?" "Von Ihnen, Sie ... Sie Schurke." "Schurke?" Ohne sie aus den Augen zu lassen, stellte er die Füße auf den Boden, froh, dass das Bett nun zwischen ihnen war. "Cindy", sagte er sanft, stellen Sie dies Zeug weg, okay?" "Sie machen jetzt besser 'ne Fliege, Stanton." „Aber ich muss mich erst anziehen."
"Zehn Sekunden, dann besprühe ich alle Anhängsel, die Sie haben." "Cindy ... " "Zehn ... neun…“ "Warten Sie!" Er bückte sich nach seiner Hose und stieg hinein, während er durch das Zimmer stolperte. Sie folgte ihm. "Acht." "Ich verstehe das nicht", protestierte er und sammelte im Laufen Kleidungsstücke auf. "Letzte Nacht haben wir …“ "Sieben ... " „... unglaublichen Sex gehabt..." "Sechs." „... sogar mehrmals "Fünf ..." „… und jetzt ..." Eric stolperte rückwärts durch den Flur, während er in sein Smokinghemd schlüpfte. "Vier... ." „... wollen Sie mich …“ „... drei..." „... entmannen!" Er stieß mit dem Rücken gegen die Tür, in seinen Armen ein Kleiderbündel. "Können wir nicht darüber reden?" "Zwei..." Cindy hob die Hand mit der Spraydose. Er wirbelte herum und entriegelte in Lichtgeschwindigkeit die Tür. „... eins!" "Bin schon draußen", rief er, riss die Tür auf und hechtete in den Korridor. Dem dumpfen Laut seiner Landung folgte das Krachen der Tür. Eric stützte sich auf die Ellenbogen, seine Unterarme brannten von der Rutschpartie über den Teppich. Er hörte ein Geräusch, drehte sich um und entdeckte zwei weißhaarige Damen, die ihn anstarrten. Er lächelte gequält und rappelte sich auf. Dann sammelte er seine Smokingjacke, die Boxershorts und eine Socke ein. "Morgen, Ladies", grüßte er freundlich, als die Damen mit weit aufgerissenen Augen vorbeigingen. Als sie um die Ecke bogen, klopfte er fluchend an Cindys Tür. "Cindy, mach, auf." Nichts rührte sich. "Verdammt, Cindy!" flüsterte er. "Gib mir wenigstens meine Schuhe." Offenbar war sie nicht in derselben großzügigen Stimmung wie in der Nacht, als sie ... Ach zum Teufel! Eric entfernte sich in Richtung Treppe, wobei er sich den Zeh schmerzhaft am Teppich stieß. Als er Cindys Tür klappen hörte, lief er zurück, froh, dass sie sich nun doch entschlossen hatte, mit ihm zu reden. Er hatte kaum Zeit, sich zu ducken, bevor ein großer Schuh gegen die Wand hinter ihm knallte. Der zweite Schuh streifte seine Schulter, dann knallte die Tür wieder zu. Völlig verwirrt schob Eric seine nackten Füße in die Schuhe und schlurfte zur Treppe. Es kam ihm vor, als würde er seinen ramponierten Stolz dabei hinter sich her schleifen.
9. KAPITEL Cindy saß brütend am Frühstückstresen, vor sich einen Becher mit inzwischen kaltem Kaffee. Wie hatte sie nur so dumm sein können! Stanton hatte ihre Professionalität testen wollen, und sie hatte Weihnachtsmann und der unartige Zwerg mit ihm gespielt. Panik erfasste sie, als sie sich die Konsequenzen ihres unmöglichen Verhaltens ausmalte. Vielleicht war sie zu impulsiv gewesen, ihn halb nackt aus ihrer Wohnung zu jagen. Mit ihm zu reden wäre klüger gewesen. Sie schreckte zusammen, als es leise klopfte. Eric! Mit wackligen Beinen ging sie zur Tür und war grenzenlos erleichtert, als sie durch den Spion Mannys grimmiges Gesicht entdeckte. Sie riss die Tür auf. "O Manny, gut, dass du kommst." "Ich hab durchs Telefon nicht viel verstanden, aber es hat sich schlimm angehört." Sie kämpfte gegen ihre Tränen an. "Dies Ist schlimmer als der schlimmste Albtraum." Er drückte sie an sich. „Tut mir Leid, dass du die Nachricht von mir erfahren musstest. Aber du solltest dich nicht wegen etwas zermartern, was du nicht ändern kannst." Sie atmete tief und reckte das Kinn. "Du hast Recht. Ich konzentriere mich jetzt wohl besser auf die Schadensaufstellung." "Das ist mein Mädchen." "Möchtest du einen Kaffee?" "Gern." Sie schenkte ihm einen Becher ein. "Also, was hat er bisher für Beobachtungen im Hotel gemacht. Beziehungsweise, wovon wissen wir, dass er es weiß?" Gemeinsam stellten sie die deprimierende Liste auf. Angefangen bei dem vertrackten Personalproblem im Friseursalon bis hin zu der peinlichen Weihnachtsbaumpanne und der feuchtfröhlichen Betriebsparty mit Cindy als Weihnachts-Play-mate. "Ein Schreckensregister!" Cindy sank in sich zusammen. "Und, nicht zu vergessen..." Manny zeigte mit dem Daumen zum Schlafzimmer. Sie schloss die Augen. "O Gott, erinnere mich nicht daran." "Übrigens", sagte er locker, "wie war es?" Zuerst wollte sie lügen, dann aber seufzte sie tief. "Un-glaub-lich." Er grinste. „Wirklich?" "Ich glaube, einmal bin ich ohnmächtig geworden." "Mann!" "Ja, es ist ein Jammer, dass er sich als ein niederträchtiger Schnüffler entpuppt hat."
"Hat seine Scharade ihm wenigstens Leid getan?" "Von wegen. Der Mistkerl hatte den Nerv, überrascht zu tun. Hat behauptet, ich hätte die ganze Zeit gewusst, wer er ist." "Aber er hat dir doch erzählt, er würde mit Sexutensilien handeln, oder?" Sie nickte, zögerte dann und rekapitulierte ihr Gespräch im Fahrstuhl. "Er hat gesagt, dass er Krimskrams verkauft." "Und daraus hast du geschlossen, dass er mit aufblasbaren Gummipuppen handelt?" "Natürlich nicht", verteidigte sie sich und erzählte von Stantons Andeutungen und ihren Schlussfolgerungen. Als sie schließlich alle Puzzleteile zusammengesetzt hatten, schüttelte Manny fassungslos den Kopf. "Du hast gedacht, er hat gesagt, ihr habt gedacht - eine Serie von Missverständnissen. Jedenfalls wissen wir jetzt, dass Stanton nicht unter Vortäuschung falscher Tatsachen mit dir ins Bett gegangen ist." "Ja. Er dachte, dass ich trotz seines Jobs mit ihm schlafen wollte.“ "Wahrscheinlich ist ihm das nicht zum ersten Mal passiert." Manny trank seinen Kaffee aus. "So, ich geh jetzt besser wieder runter. Sehen wir uns später?" Sie nickte benommen. "Ich berufe ein Meeting ein, sobald ich angezogen bin und etwas mit meinem Haar getan habe." „In dem Fall sehen wir uns im Frühling", sagte er mit einem Augenzwinkern. Dann zupfte er ihr die verirrten Wimpern von der Stirn und legte ihr den Streifen in die Hand. Sie schniefte. "Ich werd nie mit diesen Dingern klarkommen." "Hast du nicht eine Brille zum Autofahren? Warum setzt du die nicht auf?" "Gute Idee. Vielleicht verdeckt sie außerdem die Ringe um meine Augen", seufzte sie niedergeschlagen. Er streichelte liebevoll ihre Wange. "Kopf hoch, Mädchen. Stanton ist bald wieder weg, und Weihnachten wirst du die ganze Geschichte vergessen haben." Eric nahm eine lange heiße Dusche, um Klarheit in seine Gedanken zu bekommen. Offenbar hatte Cindy ihn die ganze Zeit für einen Händler von Erotikutensilien gehalten. Wieso, das war ihm schleierhaft. Jedenfalls musste jemand in ihrem Stab seine Identität herausgefunden und sie angerufen haben. Vermutlich der Empfangschef. Ganz gleich, wie das Missverständnis entstanden war, sie hatten miteinander geschlafen, obwohl er gewusst hatte, dass es ihn in einen Interessenkonflikt bringen würde. Wie hatte er sich nur dazu hinreißen lassen können, in Cindy Warrens Bett zu steigen? Wo war seine viel gepriesene Professionalität geblieben? Verdammt, er wurde schlampig. Während er sich abtrocknete und sich anzog, überlegte er, wie er seinen Fehler ausbügeln konnte. Er musste mit Cindy reden, ihr erklären ... was? Dass er sie für die Sorte Frau gehalten hatte, die keine Skrupel haben würde, mit dem Prüfer ihres Hotelbetriebs zu schlafen? Seufzend ging er zum Telefon und hörte ein
knirschendes Geräusch unter seinem Schuh. Er bückte sich und hob einen zerbrochenen Ohrring auf. Wahrscheinlich war er bei ihrem hastigen Vormarsch ins Schlafzimmer in seiner Kleidung hängen geblieben. Eric besah sich die beiden Teile des gläsernen Tropfens. Zum Glück war der Bruch glatt. Ein Juwelier würde das Stück vielleicht reparieren können. Eric hoffte es. Es war das Mindeste, was er tun konnte, um sein unmögliches Benehmen gutzumachen. Erinnerungsblitze an die Nacht mit Cindy quälten ihn. Sie hatte bei ihm Knöpfe gedrückt, von deren Existenz er nicht mal was geahnt hatte. Oh, die albernen Spiele waren spaßig gewesen, aber woran er sich vor allem erinnerte, war die totale Hingabe, die sich in ihrem schönen Gesicht gespiegelt hatte. Im reifen Alter von sechsunddreißig war er wahrhaftig kein Novize mehr, was Frauen betraf, aber keine hatte ihm je in dieser Weise ihre Verletzlichkeit gezeigt. Cindy hatte ihm vertraut und hatte dann feststellen müssen, dass er nicht der Mann war, für den sie ihn gehalten hatte. Nein, liebenswert war er wirklich nicht, und er hatte nicht das Recht, irgendwelche Wünsche in Bezug auf Cindy Warren zu haben. Sie hatte für ihn nichts anderes zu sein als eine Hotel-Managerin, deren Arbeit er beurteilen sollte. Und seine Notizen füllten bereits Seiten. Sie führte ein Hotel für schrullige Außenseiter und ignorierte das Unternehmenskonzept. Cindy Warren und er mochten im Bett in totaler Harmonie sein, ansonsten waren sie in absoluter Dissonanz. Sie antwortete nicht, als er bei ihr anrief. Vielleicht würde er sie in der Lobby finden, bevor sie das Hotel verließ. "Guten Morgen, Mr. Stanton", grüßte Manny Oliver kühl und nahm hinter seinem Schreibtisch eine steife Haltung an. Für Eric war das die Bestätigung, dass er der Anrufer gewesen war. Als er sich näherte, beugte der Empfangschef sich vor und flüsterte: "Ich sollte Ihnen einen Kinnhaken verpassen, dass Sie Sterne sehen, Stanton." Eric presste die Kiefer aufeinander. "Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten, Oliver." "Ich dachte, Sie hätten mich bei unserem Gespräch nach der Party verstanden.“ "Cindy hat den ersten Schritt gemacht." "Sie wusste nicht, wer Sie sind." "Ich habe gedacht, sie wüsste es." "Aha." Manny sah ihn verächtlich an. "Ist das für Sie Berufsroutine, Stanton?" "Über diese Bemerkung sehe ich hinweg, da ich weiß, wie viel Cindy Ihnen bedeutet. Also, haben Sie sie gesehen?" „Kann ich Ihnen helfen, Mr. Stanton?" Er drehte sich um und sah Cindy ein paar Schritte entfernt stehen, in Jeans, weißem Rollkragenpulli und einer karierten Flanelljacke. Ihr Haar hatte sie unter eine beutelige Schirmmütze aus grünem Samt gestopft. Mit der legeren Kleidung und der runden metallgefassten Brille sah sie wie eine niedliche Studentin aus. Und sie wirkte weit gefasster, als er sich momentan fühlte.
"Kann ich Ihnen helfen, Mr. Stanton?" wiederholte sie kühl. Er ging auf sie zu, wobei er einen angemessenen Abstand wahrte. "Könnte ich Sie unter vier Augen sprechen?" "Sicher", sagte sie zu seiner Überraschung. "Aber es wird bis nach unserem Stabsmeeting warten müssen. In einer Viertelstunde bin ich zurück." Sie machte Manny ein Zeichen und ging zum Fahrstuhl. Cindy begrüßte ihre Mitarbeiter, die bereits am Konferenztisch saßen. Sie beschloss, stehen zu bleiben, für den Fall, dass ein schneller Abgang nötig werden sollte. Wer konnte wissen, wie ihr Stab auf ihr Geständnis reagieren würde? Mit Verrätern ging niemand zimperlich um. "Es muss sehr wichtig sein", tönte Joel, "wenn man bedenkt, dass du heute eigentlich frei hast, nachdem du einen echten, lebendigen Mann zur Party mitgebracht hast." Die Anwesenden lachten, bis auf Manny, der den Stuck an der Decke studierte. Cindy musste daran denken, wie lebendig Eric in der vergangenen Nacht gewesen war und wie sehr es sie diesen Morgen gelüstet hatte, ihn umzubringen. Irgendwie brachte sie ein Lächeln zu Stande. "Meine Weihnachtseinkäufe mache ich später. Aber zuerst möchte ich mit euch über eine - persönliche Angelegenheit reden. Ich denke, ihr habt fast alle den Herrn kennen gelernt, der mich gestern auf die Party begleitet hat." "O Cindy!" Sam sprang auf. "Eric hat dir einen Heiratsantrag gemacht!" Lärm brach im Raum los. "Du heiratest?" rief Joel und begann zu klatschen und zu johlen. Einem hysterischen Anfall nahe, wedelte Cindy mit den Armen. "Wartet!" Die hintere Tür des Konferenzraums öffnete sich, und zu Cindys Entsetzen betrat Eric Stanton die turbulente Szene. Manny brachte die Versammlung mit einem schrillen Pfiff zum Schweigen. Alle starrten Eric an. „Tut mir Leid, dass ich störe. Ich habe geklopft, aber..." Er kam näher. "Ich habe das Gefühl, dass ich der Grund für dieses Meeting bin." Cindy konnte ihm nicht in die Augen sehen. "Stimmt", brachte sie heraus. "Sie können ebenso gut dabei sein." Sie winkte alle auf ihre Plätze zurück, deutete dann auf Eric. "Ich möchte euch Mr. Eric Quinn Stanton vorstellen." Eric trat an den Tisch und sah in die Runde. "Guten Morgen. Wie Sie sicher alle wissen, werden mein Team und ich im Auftrag von Harmon eine RoutineUntersuchung über dieses Hotel durchführen." Kinnladen sackten herab, Augen weiteten sich, Adamsäpfel hüpften. Cindy beobachtete, wie Verwirrung sich in Fassungslosigkeit verwandelte. Anklagende Blicke wanderten in ihre Richtung. "Miss Warren hat nichts von meiner Identität gewusst“, fuhr Eric fort. "Sie hat erst vor kurzem erfahren, wer ich bin." Erleichtert, dass er sie nicht bloßgestellt hatte, ergriff Cindy wieder das Wort. "Ich bin sicher, dass ihr Mr. Stanton durch euer Entgegenkommen seine Arbeit erleichtern werdet", sagte sie. "Das wäre alles." Sie bewegte sich zur Tür, um Eric zu entkommen.
"Miss Warren." Sie blieb stehen. Und alle anderen auch. "Ja?" "Sie sagten, wir könnten uns nach dem Meeting unterhalten." Verdammt! "Ich bin in der Lobby." Ohne auf seine Antwort zu warten, eilte sie hinaus. Im Korridor holte Amy sie ein. "Es tut mir so Leid, Cindy. Hätte ich nicht Mr. Stark für den Schnüffler gehalten, dann hättest du Eric vielleicht schon verdächtigt, bevor du..." Sie brach abrupt ab. Cindy stockte der Atem. Wusste Amy etwa auch, dass sie mit ihm geschlafen hatte? Falls ja, dann bestimmt nicht von Manny. "Bevor ich was?" "Bevor du ihn zu der Party eingeladen hast", endete Amy. "Mach dir keine Vorwürfe, Cindy. Er hat dich benutzt, um an uns heranzukommen." Ihre Freunde drängten sich um sie, um ihr zu versichern, dass sie weiterhin zu ihr standen. Sie lächelte erleichtert und zog eine Geschäftskarte aus ihrer Jackentasche. "Ich habe vor dem Meeting den Mann, den wir fälschlicherweise für Mr. Stanton hielten, im Fahrstuhl getroffen. Mr. Stark reist heute ab. Er hat mich gebeten, ihn zu verständigen, falls wir etwas von unserem Mobiliar verkaufen wollen." Sie hielt die Karte hoch, und Amy las laut vor: "Reginald Stark. Antiquitäten.“ Im Fahrstuhl philosophierten sie über das Phänomen, wie man sich in Menschen irren konnte. "Ich hab da mal was sehr Komisches erlebt", begann Joel eine seiner humoristischen Geschichten. "Es war auf einem Trip durch ...“ Sein Pieper ertönte. "Hier Joel. Was gibt's?" Mannys Stimme krächzte aus dem winzigen Lautsprecher. "Ein Problem mit dem Weihnachtsbaum. Komm so schnell wie möglich. Und bring Cindy mit." Als Cindy einen Moment später den Baum sah, brachte sie vor Entsetzen kein Wort heraus. Die majestätische Blautanne war von der Spitze bis zum Fuß in schwarze Schleier gewickelt. Joel zeigte zu einer Menschentraube auf dem Bürgersteig. Einige protestierten mit Schildern gegen Gotteslästerung. "Stanton wird es lieben", knurrte er. "Ich fange ihn am Fahrstuhl ab", sagte Cindy. "Lass bitte sofort dieses schwarze Zeug entfernen." Dann ging sie, um auf den Mann zu warten, den sie am liebsten nie mehr sehen wollte. Als Eric aus dem Lift stieg und sie sah, lächelte er fast. Aus Schadenfreude natürlich, nahm Cindy an. Sie schluckte ihren letzten Rest Stolz hinunter und lächelte gezwungen. "Haben Sie schon gefrühstückt?" "Nein." "Ich dachte mir, wir könnten unsere Privatangelegenheiten außer Haus bei einem Frühstück besprechen." "Gut. " Er wandte sich zum Haupteingang. "Der Seiteneingang ist näher", sagte sie und ging in die entgegengesetzte Richtung.
"Bratkartoffeln mit Schinken und Rührei und eine Portion Malzgrütze." Cindy reichte der Kellnerin die Speisekarte. "Ich habe einen Riesenhunger." Eric beobachtete sie amüsiert. Offenbar hatten sie sich beide einen gesunden Appetit erarbeitet. "Für mich bitte dasselbe." Er nahm seinen Kaffeebecher. Wie sollte er anfangen und wo? Wenn er nur wüsste, was sie dachte, aber sie hatte auf dem Weg zum Restaurant trotz seiner Bemühungen kaum ein Wort gesprochen. Mit ihrer grünen Mütze und der Gelehrtenbrille sah sie so entzückend aus, dass er wünschte, er könne alles, was zwischen ihnen stand, ungeschehen machen und sie in ihr Bett zurücktragen. Er stellte seinen Becher wieder auf den Tisch. "Cindy, wir müssen miteinander reden." "Zuerst ich", sagte sie mit unbewegter Miene. "Mr. Stanton …“ "Ich bin Eric." „Vielleicht. Aber Sie sind nicht die Person, für die ich Sie gehalten habe." Er nickte. "Mr. Stanton, zuerst einmal möchte ich klarstellen, dass ich mich für gewöhnlich nicht mit Gästen einlasse. Genau gesagt …“ sie senkte den Blick, „... war letzte Nacht das erste Mal, dass ich so etwas getan habe." Sie sah ihn wieder an. "Ich habe für mein Benehmen keine Entschuldigung, aber ich hoffe, dass mein bedauerlicher Fehler keine nachteiligen Folgen für meinen Stab haben wird.“ Eric runzelte die Stirn. Bedauerlich? "Deshalb bitte ich Sie, mit der Meldung dieses Vorfalls zu warten, bis Ihre Untersuchung endgültig abgeschlossen ist. Denn wenn ich jetzt entlassen werde, wird die Moral der Angestellten leiden, welches sich wiederum negativ auf das Geschäft in der Weihnachtssaison auswirken könnte. Ich möchte, dass das ‚Chandelier House' zum Jahresabschluss eine gesunde Bilanz präsentiert." Sein Respekt für Cindy stieg um einige Grad. "Miss Warren, ich habe nicht die Absicht, jemanden bei Harmon über diese peinliche Situation zu unterrichten. Es tut mir Leid, dass ich Sie auf den Gedanken gebracht habe, ich sei jemand anderes. Wenn ich inkognito an einem Arbeitsplatz bin, gebe ich immer nur vage Auskünfte über meine Person, aber ich täusche niemanden absichtlich, schon gar nicht die Geschäftsführung. Ich hatte wirklich geglaubt, dass meine Tarnung bereits geplatzt wäre." Eric seufzte. "Und ich habe mir auch noch nie solch eine Liaison erlaubt." Cindy studierte ihre Hände, schaute dann auf. "Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, dass ich Ihnen Tricksereien vorgeworfen habe. Es war dumm von mir, aus vagen Informationen Schlüsse zu ziehen." "Es tut mir Leid, dass es Ihnen so peinlich..." Bitte, lassen Sie uns über die Situation reden. Wie soll es jetzt weitergehen?" "Also, ich habe zwei Vorschläge. Nummer eins: Ich gebe dies Projekt auf und reise ab." "Der Vorschlag gefällt mir."
Allerdings habe ich das ungute Gefühl, dass bei meinem Ausstieg jemand im Harmon-Vorstand durchsetzen könnte, ihr Hotel einfach abzustoßen, ohne eine faire Begutachtung." "Aber warum? Wir sind ein florierendes Unternehmen. Die Zentrale sackt die Gewinne ein und rückt nur Pennys für Reparaturen und Neuanschaffungen raus." "Das Hotel mit seiner speziellen Klientel ist nicht gut für ihr Image. Sie kennen das Konzept von Harmon, Miss Warren. Ihre Zielgruppe sind Geschäftsleute." "Dann sollen sie uns doch verkaufen!" Cindy hieb mit der Faust auf den Tisch. "Mit einem anderen Besitzer sind wir besser dran." "Cindy", sagte er und bezwang den Drang, ihre Hand zu nehmen, "so einfach ist das nicht." Er erklärte, dass Harmon das Hotel Stück für Stück verkaufen würde, zuerst die Möbel, dann das übrige Inventar. "Möglicherweise wird das ‚Chandelier House' sogar nach dem Verkauf abgerissen, um einem profitableren Bürohaus zu weichen." "Und die Alternative?" "Ich bleibe und führe die Überprüfung durch. Eine positive Beurteilung wird einen Verkauf nicht verhindern, aber die Rechtfertigung eines Verkaufs schwieriger machen." "Das ist alles?" "Ich kann keine Versprechungen machen." "Und wer sagt mir, dass es eine faire und objektive Untersuchung wird? Was, wenn Sie mich wieder reinlegen?" Eric schluckte. "Cindy, ich bin nicht in diesem Geschäft, um das Leben von Menschen zu ruinieren." "Da habe ich aber andere Dinge gehört." Ihre Bemerkung traf ihn wie ein Schlag In den Magen. "Sie müssen mir bei dieser Sache vertrauen", sagte er ruhig. Ihr Mund verspannte sich. "Es sieht ganz so aus, als hätte ich keine Wahl, Mr. Stanton." Sie stand auf und hängte sich ihre Tasche über die Schulter. "Lassen Sie mein Frühstück zurückgehen, ich habe keinen Appetit mehr. Und da ich Sie in den nächsten Tagen gezwungenermaßen oft genug sehen werde, möchte ich meine knappe Freizeit nicht auch noch in Ihrer Gesellschaft verbringen." Damit drehte sie sich um und ging hinaus.
10. KAPITEL
„Tut mir Leid, Mr. Stanton." Der Juwelier schüttelte bedauernd den Kopf. "Das kann ich nicht reparieren."
"Aber als ich den Ohrring vor zwei Tagen herbrachte, sagte die Dame mir, es wäre kein Problem." "Meine Frau hat nicht erkannt, dass der Ohrring nicht aus Glas ist, sondern aus altem Bleikristall. Hierfür werde ich keinen Ersatz finden." Eric rieb sich frustriert das Kinn. Cindy war in den letzten beiden Tagen nicht gerade herzlicher zu ihm geworden, und er hatte gehofft, seine Geste könnte helfen, ihre gestrandete Beziehung wieder flottzumachen. Der Juwelier gab ihm die Teile des Ohrrings zurück. "Ein hübsches Stück. Sieht aus, als ob es von einem Kronleuchter stammt. Eric horchte auf. "Von einem Kronleuchter?" "Genau. Also das wäre was, ein Kronleuchter aus solch einzigartigem Kristall." Erics Gedanken wirbelten durcheinander. Er bedankte sich, verließ eilig den Laden und rief vom nächsten Münztelefon aus seinen Vater an. "Pops? Hier Eric. " "Das weiß ich", blaffte Stanton senior. "Ich hab nur einen Sohn, weißt du." Eric biss sich auf die Zunge, fragte dann: "Wie geht's dir?" "Ich langweile mich zu Tode. Nicht, dass es dich wirklich interessiert." "Dad, das ist nicht wahr..." "Ich hab deine Karte aus San Francisco gekriegt. Machst du da drüben wieder eine Firma kaputt?" "Nein", antwortete Eric geduldig. "Dad, hast du etwas über den Kronleuchter auf der Postkarte herausbekommen?" "Hab ihn sofort erkannt. Er wurde in den zwanziger Jahren in, Frankreich gefertigt. Außer den drei Originalen in Bleikristall wurden später diverse Kopien hergestellt. Und der Leuchter auf der Karte scheint eine sehr gute Kopie zu sein. Allerdings fehlt das Mittelstück.“ Erics Pulsschlag beschleunigte sich. "Wie sah dieses Mittelstück aus, Dad?" "Es war eine Spirale von Kristallprismen, die aus der Mitte heraushing." Prismen, die zu Ohrgehängen verarbeitet worden waren? "Dad, hast du eine Ahnung, wie viel das Original wert sein könnte?" "Ich hab nachgeschlagen. Anderthalb Millionen." "Wirklich?" "Ja. Wieso dieses plötzliche Interesse an einem Beleuchtungskörper?" "Ich versuche gerade, den Wert dieses Leuchters zu schätzen. Dad, ich brauche ein Bild von dem Originalleuchter." "Kannst du dir das Buch nicht Weihnachten ansehen?" "Ich brauche das Bild sofort und ... Tja, ich werd's dieses Jahr nicht schaffen, Weihnachten nach Hause zu kommen." Am anderen Ende herrschte einen Moment Stille. "Warum nicht?" "Etwas Unvorhergesehenes bei der Arbeit." "Mir macht's nichts aus, aber Alicia und die Kinder werden enttäuscht sein." "Ich werd ihr schreiben und versuchen, nach Neujahr zu kommen." Eric zögerte. "Könntest du mir das Buch schicken?" "Sicher. Und wohin?"
Eric nannte seinem Vater die Adresse des Hotels und dachte, wie traurig es war, dass zwei von den Menschen, die er am meisten liebte, Weihnachten nicht bei ihm sein werden. Dann stutzte er. Menschen, die er liebte ... ? "Schwarze Schleier, so ein Schwachsinn!" lamentierte Manny, der zusammen mit Cindy zusah, wie die Trauerdekoration von der Tanne abgenommen wurde. "Und was soll jetzt passieren?" "Die Arbeiter werden einfach noch mehr Lichterketten anbringen. Dann haben wir einen festlich strahlenden Baum, wenn Stantons Team heute Nachmittag eintrifft." "Dein Optimismus ist bewundernswert", bemerkte Manny. "Apropos Stanton, ich hab ihn heute noch gar nicht hier herumhängen sehen. Weißt du, wo er steckt?" "Woher soll ich das wissen? Ich tu mein Möglichstes, um dem Mann aus dem Weg zu gehen. Je weniger ich ihn sehe, desto besser.“ "Das wollte ich nur wissen." Manny gab ihr eine Plastiktüte. "Was ist das?" „Stantons Pyjamahose. Ich will sie nicht auf meinem Gewissen haben. Da ich jetzt weiß, dass er dir nichts bedeutet, ist es mir lieber, du nimmst sie zurück." Cindy nahm die Tüte. "Ich muss laufen. Hab einen Termin im Frisiersalon." Sie hob die Hand. "Kein Wort!" Eric stand auf dem obersten Treppenabsatz und betrachtete durch ein Opernglas den Kronleuchter, als plötzlich die Lichter ausgingen. Nach dem Geländer fassend, fragte er sich unwillkürlich, ob Cindy die Urheberin des Stromausfalls war. Bei dem Gedanken musste er lächeln, und wieder fühlte er dies seltsame Ziehen in der Brust. Wahrscheinlich Schuldgefühle, dachte er, während er das Opernglas in seine Jackentasche steckte. Nach kurzer Zeit ging die Notbeleuchtung an. Eric schaute in die Lobby hinab, wo vor dem Stromausfall Arbeiter den Weihnachtsbaum dicht an dicht mit Lichterketten bestückt hatten. Waren die Leitungen vielleicht überlastet gewesen. Eine Gruppe von sechs Gästen in grauen Anzügen kam durch den Eingang, schwarze Rollkoffer hinter sich her ziehend. Sein Team, stellte Eric fest und verfluchte das schlechte Timing. In dem Halbdunkel ging er die lange Treppe hinunter. Wie erwartet kam Cindy angeflogen - beinahe buchstäblich, da eine Art Cape hinter ihr her flatterte. Ihr Haar stand wild und nass von ihrem Kopf ab und sah fast ... nein, dieser violette Ton musste an der matten Beleuchtung liegen. Eric ging seinem Team entgegen, schüttelte Hände und erklärte, was passiert war. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er unempfindlich für die Mini-Katastrophen im Hotel wurde. Cindy hatte bereits die Evakuierung der Arbeiter vom Gerüst organisiert und verkündet, vom Stromausfall seien mehrere Häuserblöcke betroffen, aber diese kleine Panne würde sicher bald wieder behoben sein.
Als sie kurz zu Eric sah, winkte er sie herüber und stellte ihr seine Mitarbeiter vor. Sie wurde blass, erholte sich aber schnell und begrüßte sein Team, das stoische Gelassenheit zeigte, mit einem hinreißenden Lächeln. "Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeit. Es werden gleich Taschenlampen ausgeteilt - ah, da sind sie schon. Für uns acht Stück, bitte." Ein junger Mann gab ihnen aus einem Karton helle zylinderförmige Stäbe und ging weiter. Stirnrunzelnd betrachtete Eric das seltsame Ding in seiner Hand. "Meine Damen und Herren ..." Samanthas Stimme ertönte aus einem Megafon. "Alle Gäste erhalten gratis einen kombinierten Taschenlampen-Vibrator, mit Empfehlungen der Firma Pinkerton, Aussteller auf der Erotik-Messe, die am Montag in unserem Hotel beginnt. Sollten Sie dann noch bei uns sein, sind Sie herzlich eingeladen, die Ausstellung zu besuchen." Eric warf Cindy einen amüsierten Blick zu, als sie auf die eindeutig geformte Taschenlampe starrte, die sie in der Hand hielt. "Miss Warren, würden Sie uns heute Abend beim Dinner Gesellschaft leisten? Hoffentlich bei Lampenlicht?" Sie nickte und lächelte zittrig. "Hoffen können wir, nicht wahr?" "Es ist violett!" stöhnte Cindy, während sie in den Spiegel starrte. „Aubergine klingt so viel modischer", erklärte Manny. "Ich wollte es nur einen Ton dunkler haben, und die neue Friseuse hat mir Schokoladenbraun empfohlen. Und dies ist das Resultat. Grauenvoll!" "Ich finde, es sieht gar nicht so schlecht aus. Außerdem ist diese Farbe total im Trend." "Manny, in einer Stunde erwarten Stanton und sein Team mich zum Dinner. Ich sehe wie eines der Spice Girls aus." "Ich hab gehört, dass das Team während des Stromausfalls angekommen ist." "Wann sonst? Ich wette, sie waren von meinem Aussehen sehr beeindruckt, ganz zu schweigen von den leuchtenden Vibratoren." „Na ja, schlimmer kann's jedenfalls nicht kommen." „Sag das bitte nicht." "Wenigstens haben wir wieder Strom." "Zum Glück. Sonst würde niemand unseren ungeschmückten Weihnachtsbaum bewundern können." "Du sagst es." "Und was machen wir jetzt mit meinem Haar?" Manny hob eine ihrer dunkelviolettfarbenen Locken hoch. "Hast du nicht ein Kleid in dieser Farbe?" Sie nickte. "Wie wär's mit einem Tuch? Blau wäre hübsch." "Ich hab kein blaues Tuch." Aber wir haben dies hier." Manny nahm die Tüte mit Erics Pyjamahose von einem Stuhl. "Feinste blaue Seide." "Bist du wahnsinnig? Ich werde beim Dinner mit Eric nicht seine von mir gestohlene Pyjamahose auf dem Kopf tragen."
Aber Mannys Hände waren schon an der Arbeit. "Stell es dir als ein sündhaft teures Tuch aus einer Edel-Boutique vor. Den Bund umgeschlagen, den Fleck versteckt, die Beine hinten geknotet, und ... voila." Sie wollte protestieren, aber Manny deutet auf den Spiegel. Eine exotisch aussehende Frau blickte ihr entgegen. Ihr Haar wurde durch den improvisierten Turban aus ihrem Gesicht gehalten, so dass die dunklen Locken sich über die blassblaue Seide kringelten. "Verdammt, Manny, wie machst du das nur?" "Ich habe eben eine künstlerische Ader." "Und was, wenn Stanton die Hose erkennt?" "Er wird nicht mal auf die Idee kommen, dass diese kunstvoll drapierte Seide seine Pyjamahose ist. Es ist einfach zu perfekt."
11. KAPITEL Eric stand neben dem Tisch und winkte seinen Mitarbeitern zu, als sie das Restaurant verließen. Merkwürdig, er hatte vorher nie bemerkt, wie unglaublich langweilig ihre Gesellschaft war. Er wandte sich an Cindy. "Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen und noch eine Wege bleiben." Sie nickte knapp. "Sie wollten mit mir über eine Hotel-Angelegenheit sprechen?" „Ja. Wie wär's, wenn wir aufs Dach hochgingen? Ich muss gestehen, dass ich nach einer Zigarette lechze." "Warum setzen wir uns dann nicht in die Lounge?" fragte sie misstrauisch. "Ich möchte nicht, dass jemand unser Gespräch mit anhört. Außerdem haben Sie mir von dem großartigen Blick erzählt, den man von oben hat." Ihre Augen wurden schmal. "Ich dachte, Sie wollten mit mir über das Hotel reden." "Stimmt, aber ich glaube, es wird Ihnen lieber sein, wenn wir uns unter vier Augen unterhalten." "Dann muss ich mir erst eine Jacke holen." "Sie können meine haben, es wird nicht lange dauern.“ "Okay, gehen wir." Als sie vor ihm her zur Tür ging, schwelgte er in dem Anblick ihrer geschwungenen Hüften, die sich deutlich unter ihrem schmalen Kleid abzeichneten. Ihr violett schimmerndes Haar, das einen hübschen Kontrast zu ihren graugrünen Augen bildete, war etwas gewöhnungsbedürftig, aber ... Was für Gedanken hatte er? Er würde nicht lange genug hier sein, um sich an irgendetwas zu gewöhnen. Die eine Nacht mit Cindy würde eine schöne Erinnerung sein, mehr nicht. "Sie haben einen guten Eindruck auf das Team gemacht", sagte er, als sie zum Fahrstuhl gingen.
Cindy seufzte. "Nach dem schrecklichen Chaos während der Begrüßung konnte ich ja nur aufsteigen.“ "Ich habe ihnen gesagt, dass sie sich dran gewöhnen würden, Sie so zu sehen." "Danke." Eric lachte. "Ich meinte, dass sie sich dran gewöhnen würden, Sie so aktiv und tatkräftig zu sehen. Mittendrin im Geschehen, egal, was anliegt." "Das ist mein Job, Mr. Stanton." Sie stieg in den Lift, drückte den Knopf, starrte ausdruckslos an die Wand. Mr. Stanton! Eric hasste die Förmlichkeit, die Distanz, das angespannte Schweigen. Die Fremdheit zwischen ihnen quälte ihn. Eine kalte Brise hüllte Cindy ein, als sie aufs Dach hinaustrat. Sie erschauerte, und im nächsten Moment fühlte sie Erics Jackett um ihre Schultern. Seine Körperwärme haftete noch an dem seidigen Futter, und der schwache Duft von "English Leather" umschwebte sie. "Danke", murmelte sie und bewegte sich zur Dachmitte. "Eindrucksvoll", bemerkte Eric, während er den Blick über die City schweifen ließ. Cindy nickte zustimmend. In dieser Höhe war die Welt eine beruhigende Mischung aus Stille und Lichtern. Der Wind spielte mit ihrem Haar und ließ es in der Luft tanzen. Sie berührte das "Tuch", das zu ihrem Schreck viel lockerer zu sitzen schien als vorhin. Na ja, noch saß es, und Eric hatte ja gesagt, dass das Gespräch nicht lange dauern würde. "Wirklich sehr schön", sagte er und drehte sich zu ihr. Trotz der Umstände war es ihr unmöglich, ihn anzusehen und nicht berührt zu sein. Sie kannte zu viele intime Geheimnisse von ihm, und die Erinnerungen wurden allzu lebendig. "Mr. Stanton", sagte sie hastig, "ich muss heute früh schlafen gehen. Vielleicht kommen Sie jetzt besser zur Sache." Er nickte, sein Ausdruck war nicht zu deuten. Dann trat er auf sie zu und streckte seine Hände nach ihr aus. Entsetzt über ihr plötzliches Verlangen hob sie beide Hände. "Halt! Was fällt Ihnen ein, mich unter einem geschäftlichen Vorwand hier hochzulocken, wenn Sie nur im Kopf hatten, mich ... anzugrapschen!" Er blieb mit geweiteten Augen stehen. Verletztheit löste ihre Zunge. "Wollten Sie es gern mal auf einem Dach treiben, Mr. Stanton? Macht Sie das an? Hab ich Ihnen nicht schon genug Material für pikante Anekdoten geliefert?" Er zeigte auf sein Jackett. "Wenn Sie fertig sind, in der linken Tasche ist etwas, das Ihnen gehört." Betreten griff Cindy in die Tasche und zog ein winziges Päckchen heraus. "Seien Sie vorsichtig beim Auswickeln." Behutsam faltete sie das Papier auseinander. "Mein Ohrring! Danke! Ich hab ihn überall verzweifelt gesucht." Dann sah sie die beiden Teile, und ihre Miene trübte sich. "Oh..."
Er erklärte ihr, wie das Malheur passiert war. "Es tut mir sehr Leid. Ich wollte ihn reparieren lassen, aber der Juwelier sagte mir, dass er nichts machen könne, da das Stück aus altem Bleikristall gefertigt sei." Cindys Knie wurden weich. "Ja, das stimmt." "Er hat auch gesagt, dass das Material wahrscheinlich von einem Kronleuchter stammt." „Ach ja?" Sie steckte die Teile in ihre Handtasche und wanderte zur schulterhohen Mauer, die das Dach umgab. "Ja. Und dass ein Kronleuchter aus diesem Kristall ungeheuer wertvoll wäre." Cindy hörte an seiner gedämpften Stimme, dass er zum entgegengesetzten Horizont starrte. Wie symbolisch, dachte sie. Sie zwinkerte gegen den Wind, der am Rand des Dachs viel stärker war als in der Mitte. "Interessant", sagte sie über die Schulter, und im selben Moment rutschte ihr Tuch ihr auf die Stirn, und ein Hosenbein wehte vor ihrem Gesicht. Sie schnappte nach dem Bein und versuchte, den Schaden zu beheben. Eric stand mit dem Rücken zu ihr. Offenbar wusste er nicht, wie er seine Frage formulieren sollte. Sie wurde immer nervöser. Weiche Seide fiel um ihren Hals. In panischer Hast riss sie die Hose herunter und knäuelte sie zu einem Ball. Wohin damit? Ihre Tasche war zu klein. Eric hatte ihr noch immer den Rücken zugewandt. Ihr Herz hämmerte. „Cindy." Sie warf das Knäuel über die Brüstung und drehte sich zu Eric um, der von der anderen Seite auf sie zukam. "Ja?" "Stammt dieser Ohrring von dem Kronleuchter in der Lobby?" "Die Ohrringe sind schon lange in der Familie", antwortete sie ausweichend. "Und Ihr Großvater war einer der ursprünglichen Besitzer des Hotels." "Ja, und?" "Cindy, wenn der Kronleuchter in der Lobby ein Original Ist, dann ist er ein Vermögen wert." "Ich erinnere mich nicht an seinen Wert, aber ich werde veranlassen, dass die Buchhaltung Sie informiert." "Ich habe in die Bücher gesehen, und ich glaube nicht, dass der dort angegebene Wert stimmt." "Ich kenne mich auf dem Gebiet nicht aus." „Aber mein Vater. Er war Glasbläser und hat ein wenig für mich recherchiert." Eric kam noch einen Schritt näher. "Ich gebe Ihnen noch eine Chance, mir alles zu erzählen, was Sie über den Kronleuchter wissen. Andernfalls werde ich Harmon von meiner Vermutung belichten und das Stück schätzen lassen." Sie seufzte, drehte sich wieder um und starrte in die Ferne. "Mein Großvater hat dieses Hotel geliebt, und der Kronleuchter, so sagte er immer, sei das Symbol für seine Einzigartigkeit. Als er noch Mitbesitzer war, hat er das Mittelstück herausnehmen lassen und für meine Großmutter Ohrringe in Auftrag gegeben. Ich habe sie geerbt, zusammen mit der Geschichte von den drei Originalleuchtern, die dem Staat gestiftet und durch Kopien ersetzt wurden." Sie
lachte leise. "Ehrlich, ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass wir im Hotel ein Original haben, wenn ich nicht in Großvaters Tagebüchern gestöbert hätte. Er schreibt, dass er der Regierung im letzten Moment eine stattliche Geldsumme zukommen ließ, um dem Hotel den Leuchter zu erhalten." "Eine erstaunliche Story", bemerkte Eric. "Und traurig", sagte sie. "Die Spende hat die Mittel meines Großvaters so stark dezimiert, dass er seinen Anteil am Hotel schließlich verkaufen musste. Sein Trost war, dass der Kronleuchter das ‚Chandelier House' weiterhin krönen würde, auch wenn er nicht mehr da wäre." "Und warum haben Sie niemandem etwas davon gesagt?“ "Ich habe die Wahrheit zu dem Zeitpunkt herausgefunden, als Harmon das Hotel kaufte. Und ich wusste, dass sie das Stück an den Meistbietenden verkaufen und durch eine billige Kopie ersetzen würden." „Cindy", sagte Eric ruhig. "Der Leuchter sollte in einem Museum hängen.“ "Er gehört hierher." "Es ist nicht recht, Cindy. Das Stück ist das Eigentum von Harmon, und man sollte den Besitzern sagen, wie viel es wert ist." "Haben Sie etwa vor, sie zu informieren?" "Das habe ich nicht gesagt. Ich muss erst alles gründlich durchdenken." Zu Cindys Entsetzen brannten Tränen in ihren Augen. "Eric, ich vertraue darauf, dass Sie über das Materielle hinwegsehen und das Richtige tun werden." Sie suchte in seinem Gesicht nach einer Bestätigung, sah aber nur Unentschlossenheit. "Mr. Stanton, ich weiß, Sie arbeiten In Harmons Auftrag und nach unternehmerischen Kriterien. Vielleicht werden Sie sogar den Verkauf des Hotels empfehlen. Aber das ‚Chandelier House' ist mehr als ein Posten in den Bilanzen. Wenn ich könnte, würde ich dieses Hotel kaufen." Sein Ausdruck wurde weich. Er hob die Hand und strich ihr ungebändigtes Haar zurück. "Und wenn ich könnte, würde ich es für dich kaufen." Wie in Zeitlupe zog er sie an sich und schlang die Arme um sie. In seine Wärme gehüllt, schloss sie die Augen und entspannte sich. Seine tröstende Umarmung wurde fester. Er ließ die Hände über ihren Rücken wandern, und sie legte die Arme um seine Taille. Sanft berührte er ihr Kinn, hob ihren Mund zu seinem. Sie atmete tief ein, bevor ihre Lippen sich berührten, denn sie wollte, dass der Kuss lang andauerte - die ganze Nacht hindurch, bis nach dem Abschluss seiner Untersuchung und ins neue Jahr hinein. Sein Mund bewegte sich mit schmerzlich schöner Süße auf ihren Lippen. Ihre Knie wurden weich, sie schmiegte sich stöhnend in seine Arme. Er ließ den Mund über ihren Hals gleiten, überzog ihre sensible Haut mit kleinen zarten Küssen. Gleichzeitig schob er die Hände unter ihr Jackett und fasste ihre Hüften. Mühelos hob er sie hoch und ließ sie langsam an sich hinabgleiten. „Cindy", flüsterte er, "du weckst verrückte Wünsche in mir. Ich möchte dich lieben. Hier und jetzt."
"Das dürfen wir nicht tun", murmelte sie. Dennoch fühlte sie, wie sie der Versuchung erlag, alle Bedenken über Bord zu werfen und sich Eric hier unter den Sternen hinzugeben. Sie berührte ihn, streichelte ihn durch den Stoff seiner Hose hindurch, bis er aufstöhnte. Er hob ihr KLeid hoch, schob die Hände in ihren Slip, umfasste Ihren Po und rieb sich an ihr. Und gleichzeitig streichelte er sie, drängte sie, sich für ihn zu öffnen. Seufzend presste sie sich an ihn, keuchte, als er die Finger in sie hineingleiten ließ. Seine Berührungen stachelten ihr Verlangen noch mehr an und trieben sie schnell höher und höher, bis sie mit einem Aufschrei den Gipfel erreichte. Eric bedeckte ihr Gesicht und ihren Hals mit Küssen, streichelte sie, murmelte ihren Namen. Aber Cindy wollte ihm ebenfalls Lust bereiten, ließ sich auf die Knie nieder und löste seinen Gürtel. Mit seiner Hilfe befreite sie ihn, spürte ihn nun groß und hart unter ihren Fingerspitzen, ersetzte dann ihre Hand durch Lippen und Zunge. Eric schob die Finger in ihr Haar und warf stöhnend den Kopf zurück. Obwohl er in lustvoller Qual stöhnte, ließ er sie das Tempo bestimmen. Und sie machte weiter, voller Freude, dass sie ihn so erregen konnte. Schließlich keuchte er ihren Namen, als Warnung, weil er sich nicht mehr lange zurückhalten konnte, und um ihr Zeit zu geben, sich zurückzuziehen, falls sie es wollte. Plötzlich erleuchtete Flutlicht den Himmel und tauchte Erics Oberkörper, der über die Brüstung ragte, in Helligkeit. Er fuhr herum. "Was zum Teufel …“ Cindy erstarrte, stand auf und ordnete hastig ihre Kleidung, wozu Eric erheblich mehr Zeit brauchte. Als sie über die Brüstung schaute, blickte sie direkt in blendendes Licht. "Halt!" schrie der Sicherheitschef des Hotels durch ein Megafon. Eine Menschentraube hatte sich auf dem Bürgersteig angesammelt. "Um Himmels willen, springen Sie nicht! Die Feuerwehr ist unterwegs." "Was zum Teufel ist da unten los?" fragte Eric mit belegter Stimme. Cindy starrte nach unten. "Anscheinend glaubt er, dass jemand von hier oben runterspringen will." „Am liebsten würde ich springen, um diesem Idioten den Hals umzudrehen", brummte Eric. "Pete!" schrie sie nach unten. "Niemand will springen." "Cindy? Sind Sie das?" "Ja, ich bin's. Rufen Sie die Feuerwehr an und sagen Sie, dass es ein Irrtum war." Petes Okay klang etwas enttäuscht. Das Licht erlosch, und sie waren wieder in Dunkelheit gehüllt. "Ich muss gehen", sagte Cindy, der plötzlich die Ungeheuerlichkeit ihres Benehmens bewusst wurde. "Sonst kommt jemand hoch." "Hey." Eric zog sie an sich und gab ihr einen kurzen Kuss. "Noch zwei Sekunden, und ich wäre gekommen."
Cindy fühlte nichts als tiefe Scham. Sie hatten sich wie Tiere benommen, ohne emotionale Beteiligung - jedenfalls nicht von seiner Seite. Sie jedoch hatte sich, wie ihr jetzt klar wurde, längst in ihn verliebt. Sie löste sich heftig aus seiner Umarmung. "Was ist los?" "Nichts", erwiderte sie kühl, während sie sein Jackett auszog und es ihm in die Anne drückte. "Wie Sie wissen, haben wir beide einen Job zu tun." Damit drehte sie sich um und ging zur Tür. Was hatte Manny noch gesagt? "Die liebe wird eine Qual sein, weil dein Traummann all das verkörpern wird, was du hasst.“ Wieder mal hatte er Recht. Verdammt. Manny kam mit fassungslosem Ausdruck hinter seinem Schreibtisch hervor. "Wie bitte? Du hast die Hose vom Dach geworfen?" "Wie konnte ich wissen, dass sie an einem Fenster hängen bleiben würde? Die Sicherheitsleute dachten, dass oben ein Mann war, der runterspringen wollte." Er schaute in die Plastiktüte, die sie in der Hand hielt. "Und wie hast du das gute Stück wieder gekriegt?" „Hab sie in einem Schrank in Petes Büro gefunden, nach vier Tagen Suche." Manny sah sie entgeistert an. "Ich hab fast Angst zu fragen, wo du jetzt hin willst." "Zum Heizungsraum. Ich werd das Ding verbrennen, damit es mir nicht noch mehr Probleme macht. Obwohl es unwahrscheinlich ist, dass mir vor Stantons Abreise eine weitere Katastrophe passiert, will ich die Möglichkeiten einschränken." "Wenigstens ist der Weihnachtsbaum keine Gefahr mehr." "Richtig. Was könnte harmloser sein als die guten alten Zuckerstangen daran?" Cindy sah auf ihre Uhr. "Ich muss los, hab einen Termin bei Matilda." „Was willst du denn nun schon wieder mit deinem Haar anstellen? Alle finden die Farbe cool." "Ich weiß. Mich haben sogar völlig Fremde darauf angesprochen. Aber ich kann damit nicht leben." "Du oder deine Mutter?" "Ach, Manny, hör schon auf." "Du bist wegen Stantons Abschlussbericht nervös, stimmt's? Wann will er dir das Ding vorlegen?" "Um vier. Natürlich bin ich nervös. Wenn ich bedenke, was für Glanzleistungen ich ihm vorgeführt habe ..." Manny tätschelte ihre Hand. "Du machst hier einen Superjob, und wenn Stanton und seine Leute das nicht sehen, sind sie blind." "Danke, aber..." "Und ich hasse diesen Mann dafür, dass er dich durch die Mangel dreht." "Gib nicht Eric die Schuld, Manny. Was ich momentan durchmache, habe ich mir selbst zuzuschreiben", sagte sie stockend und wischte sich die Augen. Er machte eine hilflose Geste. "Ach je! Du bist In ihn verliebt."
Sie nickte. "Schön dumm, ich weiß. Aber keine Sorge, Neujahr wird ich über ihn hinweg sein. Und morgen um diese Zeit sitzen wir beide im Flugzeug, und dann werden wir drei Tage lang bei Muttern futtern. Ich freue mich riesig, dass du mitkommst." "Ich freue mich auch. Übrigens muss ich morgen früh noch ein paar Besorgungen machen. Am besten, wir treffen uns am Abflugschalter. "Okay. Dann also bis spätestens morgen." Nachdem Cindy die Pyjamahose den Flammen übergeben und sicherheitshalber einen Verlustbericht geschrieben hatte, eilte sie zu ihrem Termin bei Matilda. Vor dem Salon sah sie eine Warteschlange von Männern, Frauen und Teenagern. "Da ist sie!" rief jemand. "Das ist genau die Farbe, die ich will." Verwirrt ging sie hinein und sah die Friseuse zwischen drei Kundinnen hinund herhetzen. "Sie sind ein Hit, Matilda!" "Nein, Sie sind der Hit, Miss Warren. Alle diese Leute wollen eine exotische Haarfarbe, weil sie Ihr Haar gesehen haben. Wir könnten ein Vermögen machen, wenn wir uns auf Färben und Kopfrasuren und solche Sachen spezialisieren." Cindy konnte nicht fassen, dass sie bei ihrer speziellen Kundschaft nicht schon lange daran gedacht hatte. „Tolle Idee, Matilda." "Danke! Oh! Jerry wartet hinten auf Sie." Sie ging nach hinten, wo Jerry bereits auf sie wartete. "Du erweist mir eine große Ehre, Jerry." "Setz dich. Es ist mein Weihnachtsgeschenk für dich." Er drapierte den Umhang um ihre Schultern. "Obwohl du ziemlich unartig warst". Sie runzelte die Stirn. "Du musst nicht alles glauben, was du hörst." "Ich sehe genug mit meinen eigenen Augen, Mädchen." "Ich weiß nicht, was du meinst." "Ihr gebt ein nettes Paar ab, du und Stanton.“ Sie schüttelte den Kopf, obwohl sie wusste, dass Streiten zwecklos war. "Jerry, hattest du eine Ahnung, dass Quinn in Wahrheit Stanton war?" "Ich hab's schon an dem Tag gewusst, als ihr beide zum Haarschneiden hier wart." "Hat er es dir erzählt?" "Nee. Ich hab's einfach gewusst." Das war typisch Jerry, sich zurücklehnen und die Leute beobachten, um zu sehen, was sich entwickelte. Cindy taxierte ihn mit einem tödlichen Blick, aber er griff einfach nach seiner Schere.
12. KAPITEL
Eric überflog die Berichte seiner Mitarbeiter, die sämtliche Aspekte der Hotelführung beurteilt hatten. Die Bemerkung "unkonventionell, aber effektiv" tauchte immer wieder auf. Alles in allem wurde sein Urteil bestätigt. Das "Chandelier House" war ein behagliches Irrenhaus mit einer Gewinnspanne, von der die Harmon-Leute bei einigen ihrer Lieblingsobjekte nur träumen konnten. Aber unglücklicherweise stimmte das Hotel nur in sehr wenigen Punkten mit Harmons Firmenpolitik überein. Zwar hatte Eric mehrere Seiten über die Rentabilität des Hotels verfasst, aber letzten Endes sollte seine Studie vor allem eine Frage beantworten: Entsprach das Haus dem Profil eines Harmon-Hotels oder nicht? Die Antwort lautete ganz klar Nein. Selbst wenn er die Harmon-Leute dazu brächte, das Objekt zu behalten, was höchst unwahrscheinlich war, würden sie Cindy ständig unter Druck setzen oder sie ganz einfach entlassen. "Wenn ich könnte, würde ich das Hotel für dich kaufen." Seine Worte verfolgten Eric. Er selbst hatte nicht die Mittel, aber er könnte Investoren zusammenbekommen und auf Harmon einwirken, das Hotel als Ganzes zu veräußern. In bedeutend besserer Stimmung tippte Eric seinen Bericht in den Laptop. Zumindest konnte er mit dem Gefühl abreisen, alle Parteien fair behandelt zu haben. Morgen war Heiligabend. Sein Team war bereits fort, und er selbst hatte beschlossen, nach Atlanta zu fliegen. Das Klima war in dieser Jahreszeit im Südosten angenehm, und er würde sich eine Südstaatenschönheit suchen, um sich von Cindy abzulenken. Es war klar, dass der Bericht das Ende ihrer Beziehung bedeutete falls man die Tortur der letzten beiden Wochen eine Beziehung nennen konnte. Zuerst schlief sie mit ihm, dann ignorierte sie ihn tagelang. Und dann die heiße Episode auf dem Dach - hatte sie das nur mitgemacht, damit er Stillschweigen über den Kronleuchter wahrte? Danach war sie wieder unnahbar gewesen. Um ihn an der Leine zu halten? Heiß, kalt, heiß, kalt Wechseldusche war das ihr Spiel? Falls ja, dann ... dann ... Dann schien es zu funktionieren. Zähneknirschend tippte er eine Seite über den, Kronleuchter, dann löschte er den Text wieder und fluchte. Er hatte seine Arbeit noch nie von seinen Gefühlen beeinträchtigen lassen - bis jetzt. Seine Verliebtheit hatte sein Hirn vernebelt. Er fuhr auf. Verliebt? Von neuem attackierte er die Tastatur. Verliebt in eine exzentrische, weichherzige Frau mit violetten Locken, die ihn jeden Tag seines Lebens verrückt machen würde? Er hieb auf die Taste für Großbuchstaben und tippte: AUSGESCHLOSSEN. „Hey, das sieht ja toll aus! Du hättest es schon früher schneiden lassen sollen."
Cindy strich über ihr kurzes, welliges, dunkelbraunes Haar und knuffte Manny in den Arm. "Ach, was du nicht sagst." Sie war froh, vor dem Meeting mit Eric noch ein paar Minuten mit ihrem besten Freund zu flachsen. Es beruhigte wenigstens ein bisschen ihre Nerven. Eine Viertelstunde vor der verabredeten Zeit betrat sie den Konferenzraum. Wenigstens dieses Mal wollte sie würdevoll erscheinen, wenn Eric aufkreuzte. Sie nahm den Autoritätsplatz am Tischende ein, übte fünf Minuten lang ihre geschäftsmäßige Pose, stellte dann ihren Stuhl zehn Zentimeter höher und den Stuhl rechts von ihr zehn Zentimeter tiefer, um sich eine gewisse Überlegenheit zu verschaffen. Als sie Schritte hörte, nahm sie schnell ihre Pose ein und vertiefte sich in ihre Notizen, die sie auswendig kannte. Es klopfte. Sie sah auf, ignorierte ihr plötzliches Herzklopfen und bat Eric herein. Dann konzentrierte sie sich wieder auf ihre Papiere und kritzelte eine Notiz an den Rand. "Brauchen Sie noch mehr Zeit?" fragte er, während er auf dem Stuhl zu ihrer Linken Platz nahm. "Nein", sagte sie nach einer kalkulierten Pause. Sie klappte ihre Mappe zu und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. "Also", begann sie und merkte zu ihrem Entsetzen, wie die Lehne ihres Stuhls sich langsam rückwärts neigte. Sie ruderte mit den Armen, kämpfte, um ihr Gleichgewicht wiederzuerlangen - vergebens. Der Stuhl kippte, Eric sprang auf, um sie zu halten, aber er war nicht schnell genug. Der Stuhl krachte hintenüber auf den Boden. Cindys Kopf schlug hart auf, aber der Rest von ihr schien okay zu sein - weil sie die Armlehnen krampfhaft umklammert hatte. In perfekter Haltung, nur eben in der Horizontalen, saß sie in ihrem Stuhl und starrte an die Decke. Erics besorgtes Gesicht erschien über ihr. "Sind Sie okay?" "Ja." Ihr entging nicht sein amüsiertes Lächeln, als er ihr hoch half. Vor Verlegenheit glühend, lehnte sie sich gegen den Tisch und betastete vorsichtig ihren Kopf. "Kein Wunder, dass er umgekippt ist", bemerkte Eric, als er den Stuhl untersuchte. Jemand hat ihn zu hoch gestellt, dadurch hat sich der Schwerpunkt verlagert." Er schob ihren Stuhl beiseite und stellte ihr den niedrigen hin. "Nehmen Sie diesen hier." Sie fluchte im Stillen, aber ihr Kopf schmerzte so sehr, dass sie sich auf den gepolsterten Sitz fallen ließ und es grimmig hinnahm, als sie so tief saß, dass seine Knie fast auf ihrer Augenhöhe waren. Eric kniete sich vor sie und schaute in ihr Gesicht. "Sind Sie sicher, dass alles in Ordnung ist? Möchten Sie ein Glas Wasser?" "Nein, danke", murmelte sie. Sie nahm den herben Duft seiner Seife wahr und bemerkte, dass er sich beim Rasieren das Kinn geschnitten hatte. Sie wollte ihn. Sie liebte ihn. Und gleichzeitig verabscheute sie ihn. "Lassen Sie uns das Ganze so schnell wie möglich hinter uns bringen." Er musterte sie einen Moment lang, nickte dann und setzte sich wieder auf seinen Platz. Mit hämmerndem Herzen sah sie zu ihm hoch. Er öffnete eine
Ledermappe und las vor: "Dies Dokument ist der offizielle Bericht von Stanton und Partnern über das Objekt ... " Er verstummte und schob ihr die Mappe hin. "Vielleicht möchten Sie es lieber in Ruhe lesen." Seine Körpersprache und sein Zögern sagten ihr genug über den Inhalt. "Fahren Sie bitte fort." "Es tut mir Leid, Cindy, aber in Anbetracht von Harmons Vorgaben hatte ich keine andere Wahl, als den Verkauf des Hotels zu empfehlen. Aus unternehmerischer Sicht musste ich das tun." Cindy saß vollkommen reglos da, von tiefer Traurigkeit erfüllt. Abgesehen davon, dass ihr geliebtes Hotel Stück für Stück versteigert werden würde, kapierte Eric es ganz einfach nicht. Einige Dinge waren eben mehr wert als die Summe ihrer Einzelteile. Zum Teufel mit den idiotischen Marktanalysen. Er tippte auf die Mappe. "Wir haben übereinstimmend festgestellt, dass das ‚Chandelier House’ ein gut geführtes Hotel ist. Sein einziger Nachteil besteht darin, dass Harmon es überhaupt gekauft hat. Es steht alles in dem Bericht, Sie können es nachlesen. Cindy schluckte. "Vielleicht später." "Die Geschichte von dem Kronleuchter habe ich übrigens nicht erwähnt." Sie zuckte nur mit den Schultern. "Tatsache ist, dass Sie den Verkauf des Hotels empfohlen haben. Trotz des guten Managements, trotz der schwarzen Zahlen. Geschichte und Tradition bedeuten Ihnen nichts. Und Menschen auch nicht." Eric warf die Hände in die Luft. "Was sollte ich denn tun? Das ,Chandelier House' passt einfach nicht in Harmons Konzept. Sie wollen Kunden aus der Manager-Klasse in ihren Hotels haben und keine obskuren Außenseiter." "Sie haben Ihre Argumente dargelegt, Mr. Stanton." Cindy zwang sich, Haltung zu bewahren, "Das Meeting ist beendet." Die Tränen zurückdrängend, wirbelte sie in ihrem Stuhl herum, hörte, wie Eric auf stand und durch den Raum ging. Als es still wurde, dachte sie, er wäre leise hinausgegangen, dann aber sprach er von der Tür her. "Cindy." Sie sah ihn über die Schulter an. "Ja?" „Es tut mir Leid, wenn ich Ihnen das weihnachtsfest verdorben habe." Dieser egoistische Mistkerl! Wenigstens würde es leicht sein, über ihn hinwegzukommen. "So viel Macht haben Sie nicht über mein Leben, Mr. Stanton." "Dann darf ich Ihnen vielleicht sagen, dass es wirklich schön war, mit Ihnen ... zu arbeiten.“ Cindy kämpfte mit den Tränen. "Und noch etwas." Sie wartete. "Ihr Haar sieht sehr hübsch aus." Dann ging er hinaus. Cindy legte ihren schmerzenden Kopf zurück und wünschte zum hundertsten Mal, dass sie Eric Quinn Stanton nie begegnet wäre. Ihr Pieper ertönte. "Ja?" meldete sie sich.
"Hi, hier ist Manny. Meinst du, du kannst noch eine Weihnachtsbaumkrise verkraften?" Als Eric auf die Bar zusteuerte, wo er seine Depression mit einem doppelten Scotch betäuben wollte, hörte er in der Lobby einen lauten Tumult. Er ging dem Lärm nach und sah Zuckerstangen vom Weihnachtsbaum regnen. Schäbig gekleidete Gestalten sammelten die Süßigkeiten auf und stopften sie in Plastiktüten, Hüte und Jackentaschen. Vier Männer schüttelten den Stamm der Tanne und sorgten für Nachschub. Eric drückte sich in eine Ecke, um zuzusehen. Wie erwartet erschien die Managerin im Eiltempo auf der Szene und gab Anweisungen. Der kurz darauf anrückende Arbeitstrupp baute erneut das Gerüst auf. Die verbliebenen Zuckerstangen kamen in eine Wanne, die zur freien Bedienung im Eingang aufgestellt wurde. Wieder hatte sie in ihrer unvergleichlichen Art eine Krise gemeistert, aufgebrachte Gemüter besänftigt und die Wogen geglättet. Und wieder fühlte Eric dieses Schwellen in seiner Brust, das er mittlerweile mit Cindy Warren assoziierte. Sie war eine hinreißende Frau - geistreich, schön, charmant, aufrichtig. Ihre Angestellten liebten sie. Und er liebte sie. Geschockt gestand er sich ein, dass er sich tatsächlich verliebt hatte - zum falschen Zeitpunkt und in die falsche Frau. Denn gerade die Eigenschaften, die Cindy unwiderstehlich machten - ihre Exzentrizität, Selbstsicherheit und Chuzpe-, würden ihn unweigerlich zum Wahnsinn treiben. Er brauchte in seinem Leben Ordnung und hatte gern berechenbare Menschen um sich. Wahrscheinlich kamen sein unkonventioneller, künstlerischer Vater und er deshalb nicht miteinander aus. Er beobachtete Cindy. Sichtlich zufrieden, dass alles seinen Gang ging, stieg sie die Freitreppe hinauf. Oben angelangt, legte sie die Hände um das Geländer und starrte auf den Kronleuchter. Was mochte in ihr vorgehen? Dachte sie an ihren Großvater? An all die Gäste, die gekommen und gegangen waren? Sie winkte, als die Arbeiter Teile des improvisierten Gerüsts wegtrugen. Die Leute von der Straße und einige Gäste standen um die Wanne mit den Zuckerstangen herum. Der Weihnachtsbaum schwankte leicht. Eric schoss aus der Nische und eilte durch die Lobby. Als er zu Cindy hochschaute, sah er ihr entsetztes Gesicht. "Der Baum fällt um!" schrie sie. "Geht aus dem Weg, der Baum fällt um.“ Eric zog einige Schaulustige zurück, dann beobachtete er gebannt, wie der Baum sich langsam nach vorn neigte. Die obersten Zweige streiften den Kronleuchter, der daraufhin heftig hin- und herschwang. Eric riss seinen Blick von der Szene los und hielt nach Cindy Ausschau. Sie stand noch immer oben, den Blick ängstlich auf den schaukelnden Leuchter fixiert.
Der gigantische Baum gewann an Geschwindigkeit und landete krachend auf dem Marmorboden. Ein Schauer Tannennadeln wirbelte hoch und rieselte auf die Umstehenden nieder. Aber Eric sah in Gedanken schon Kristallsplitter fliegen, "Geht in Deckung, Leute!" schrie er, und Sekunden später löste der Leuchter sich mit einem hässlichen Knirschen aus der Halterung, fiel auf den Baum und zersplitterte in tausend Stücke.
13. KAPITEL Cindy öffnete mühsam die Augen, die nach einer Nacht endlosen Weinens fast zugeschwollen waren. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so erbärmlich gefühlt. Sie hatte nicht geglaubt, dass es nach dem schrecklichen Meeting mit Eric noch schlimmer kommen könnte, aber die Kronleuchter-Katastrophe hatte alles übertroffen. Zwar war der Fall des Leuchters durch den Baum gedämpft worden, aber sie bezweifelte, dass er je vollständig restauriert werden konnte. Eric war einer der vielen Helfer bei den Aufräumarbeiten gewesen, aber sie hatte sich so weit wie möglich von dem Mann fern gehalten, in dem sie sich so getäuscht hatte. Wieder überwältigte sie diese Traurigkeit - Traurigkeit darüber, dass ein Mann wie Eric sie nie würde lieben können, weil er nicht verstand, was ihr am Herzen lag. Cindy quälte sich hoch und hockte sich grübelnd auf die Bettkante. Binnen weniger Tage war ihr Leben völlig aus den Fugen geraten. Aus einem Impuls heraus griff sie zum Telefon und wählte die Nummer ihrer Eltern. "Hallo, Mom, ich brauche einen Rat ... Mom, bist du noch da? ... Ja, ich möchte deinen Rat." Eric betrat den Fitnessraum und stieg abwesend auf ein Laufband. Dann erst bemerkte er, dass Manny Oliver auf dem benachbarten Gerät lief. Der Empfangschef nickte ihm kurz zu und studierte dann wieder den Monitor. "Sie trainieren früh", bemerkte Eric. "Ich fliege in zwei Stunden." „Geht's zu Weihnachten nach Hause?" „Ja. Mit Cindy." Eric schluckte. Sie hatte also doch eine Beziehung mit Oliver. Von Eifersucht gepackt, stellte er ein zügiges Jogging-Tempo ein. "Ich hoffe, Sie beide haben ein schönes Weihnachtsfest." Manny nahm nicht den Blick von dem Monitor. "Ich würde sagen, das haben Sie verdorben, Mr. Stanton." Sein feindseliger Ton entging Eric nicht. "Schauen Sie, ich habe nicht gewusst, dass Sie und Cindy ... zusammen sind."
"Cindy und ich sind nicht zusammen, Stanton." Erics Herzschlag machte einen Hüpfer, dann dämmerte ihm, was der Empfangschef mit dem verdorbenen Weihnachtsfest gemeint hatte. "Ich nehme an, Cindy hat Ihnen erzählt, dass ich in meinem Bericht empfehlen musste, das ‚Chandelier House' zu verkaufen. Es tut mir Leid, aber ... hey!" rief er, als Manny ihn mit einem kräftigen Schubs vom Laufband stieß. "Was zum Teufel soll das?" Mannys Gesicht war eine Maske kalter Abscheu. "Cindy hat mir erzählt, dass Ihr Bericht in jeder Hinsicht positiv ist, Sie Schuft. Anscheinend wollte sie mich schonen." Er schnaufte verächtlich. "Sie sind ein Feigling, Stanton. Sie verdienen Cindy nicht, und sie verdient nicht, was Sie ihr angetan haben beruflich und persönlich. Entschuldigen Sie mich, Sir, aber ich gehe jetzt besser, bevor ich Ihnen eins in die Fresse haue und meinen Job verliere." Völlig verstört sah Eric dem Mann nach, und dann kroch eine beschämende Erkenntnis in ihm hoch. Manny hatte Recht, er war feige. Er hatte Angst, auf die Menschen zuzugehen, die ihm am meisten bedeuteten, Cindy und sein Vater. Plötzlich wusste er, was er zu tun hatte. "Oliver! Warten Sie!" Manny blieb stehen. "Ich habe gerade gesagt, dass ich keinen Ärger will, Stanton." Eric ignorierte die Abfuhr und erklärte ihm hastig, was er vorhatte. Manny ging weiter. "Das ist verrückt, Mann." Eric folgte ihm. "Ich weiß, aber unsere ganze Beziehung ist verrückt. Für mich ist dies eine Feuerprobe." Er wusste, dass er ohne Zusammenhang drauflosfaselte - aber er konnte nicht aufhören. "Ich meine, wenn man's genau bedenkt, war es pures Glück, dass unsere Wege sich gekreuzt haben." Manny starrte ihn an. "Glück?" Prickelnde Hitze stieg in Erics Nacken hoch. "Oder Fügung..." "Ich weiß, was Sie meinen. Es ist nur, dass - ach, nicht so wichtig." Manny seufzte. "Wenn das danebengeht, wird Cindy uns beiden einen Tritt in den Hintern geben." Cindy suchte zum x-ten Mal mit den Augen die Menge nach Manny ab. Wo steckte er? "Letzter Aufruf für den Flug nach Richmond", tönte es aus dem Lautsprecher. Tränen stiegen in ihr auf, als sie begriff, dass sie obendrein zu allem anderen Kummer nun auch noch allein nach Hause fliegen würde. Sie schulterte ihre Reisetasche und warf einen letzten Blick über die Schulter. Kein Manny in Sicht. Einen dicken Kloß im Hals, schob sie sich hinter der Schlange von Passagieren den Kabinengang hinunter. Wenn sie erst einmal auf Ihrem Platz saß, hatte sie Zeit genug, sich auszuheulen. Sie musste zugeben, dass sie sich auf ihre Mutter freute, denn ihr Telefongespräch war ein überraschender Wendepunkt in ihrer Beziehung gewesen. Ihre Mutter hatte ihr tatsächlich zugehört und Verständnis gezeigt - von Frau zu Frau.
Der Platz neben ihrem war frei - Mannys Platz. Seufzend verstaute sie ihre Tasche und ließ sich erschöpft in ihren Sitz fallen. "Hi." Sie sah hoch und erstarrte. "Eric?" Er lächelte scheu. "Was machen Sie hier?" "Ich hab diesen Platz gekauft." Ihr Herz verkrampfte sich. "Etwa von Manny?" "Ja." Er ließ sich neben ihr nieder. "Na ja, getauscht ist wohl richtiger. Manny ist nach Atlanta unterwegs." Sie nickte langsam. "Er hat mal dort gelebt und hat noch Freunde da." Trotzdem war sie verletzt, dass Manny sie nicht informiert hatte. Sie atmete tief durch und beschloss, das Beste aus der Situation zu machen. "Bedeutet dieser Tausch, dass Sie mit Ihrem Vater gesprochen haben?" „Ja. Es war ein gutes Gespräch." "Das freut mich", sagte sie und meinte es auch so. Ein Signal ertönte, und der Pilot erklärte über den Bordlautsprecher, dass ihr Abflug sich wegen des dichten Luftverkehrs um eine halbe Stunde verzögern würde. Etliche Reisende stöhnten frustriert, Cindy eingeschlossen. Das fehlte ihr noch. "Na ja, vielleicht gibt uns das Zeit zum Reden", meinte Eric. "Reden?" Er zog ein kleines, in Goldpapier verpacktes Päckchen aus seiner JackettTasche. "Das ist für Sie." „Für mich?" "Machen Sie's auf." Sie wickelte das Päckchen aus, hob den Deckel ab und sog die Luft ein, Zwei Ohrringe lagen auf schwarzem Samt, tropfenförmige Diamanten von einzigartiger Schönheit. "O mein Gott." Sie schluckte schwer, "Du kann ich nicht annehmen, Eric." „Aber das andere Paar habe ich ruiniert." "Sie konnten nichts dafür." "Okay, dann liebe ich dich." "Und außerdem sind diese Ohrringe viel zu ..." Sie brach abrupt ab. "Was?" "Ich liebe dich", flüsterte Eric. "Ich habe Manny zu dem Tickettausch überredet, damit ich mit dir zusammen Weihnachten feiern kann. Glaub mir, ich musste eine Menge Strippen ziehen, um ihn rumzukriegen." Er küsste sie zärtlich auf den Mund, aber sie saß wie versteinert da. Enttäuscht wich er zurück. "Ich hab's vermasselt, stimmt's? Ich hatte gehofft, du hättest auch ... Gefühle für mich." Cindys Empfindungen wechselten zwischen Glück, Angst, Verwirrung. "Eric", sagte sie vorsichtig, "ich liebe dich, aber es braucht mehr als Liebe, wenn eine Beziehung dauerhaft sein soll. Man muss ähnliche Ziele haben, dieselben Wertvorstellungen." Er fasste ihre Hand und erzählte ihr von seinen Hoffnungen, das Hotel zu kaufen. Sie hörte mit wachsender Freude zu, ihr Herz jubilierte. "Und ich kann
mir niemand Besseren denken als dich, den Laden zu schmeißen", sagte er lächelnd und fügte hinzu: "Solange du nicht mit den männlichen Gästen anbändelst." Er küsste sie erneut, und Cindy rutschte näher, machte sich wieder mit ihm vertraut. Als der Kuss endete, runzelte sie die Stirn. "Du schenkst mir ein Paar Diamantohrringe und erwartest, dass ich in deine Arme sinke?" Seine hinreißenden Lachfältchen erschienen. "Funktioniert es?" "Absolut." Er betrachtete sie zärtlich. "Ich glaube, ich habe mich in dem Moment in dich verliebt, als diese Frau dein Haar abgeschnitten hat." "Dann war es ja richtig, dass ich deinen Rat, es lang zu lassen, nicht befolgt habe. Bist du bereit, meine Familie kennen zu lernen?" "Ja. Und du? Möchtest du meine kennen lernen?" "Natürlich. Meinst du, dein Vater wird mich mögen?" "Die Frau, die mich wieder zum Klavierspielen gebracht hat? Da gehe ich jede Wette ein. Übrigens hab ich schon vorgefühlt, ob er was mit dem Kronleuchter machen kann." "Und?" "Er kann's nicht abwarten, endlich was zu tun zu kriegen.“ Benommen vor Glück lehnte Cindy sich wieder in ihrem Sitz zurück. Innerhalb einer Viertelstunde hatte das schlimmste Weihnachten ihres Lebens sich in das glücklichste verwandelt. Eric griff in seine Tasche und zog ein leicht verkrumpeltes Stück Papier heraus. "Was ist das?" "Das hab ich beim Auschecken bekommen. Es ist die Kopie einer Verlustmeldung. Sie betrifft meine Pyamahose." Ihr Pulsschlag beschleunigte sich. "Und?" "Dieser Bericht trägt deine Unterschrift." "Weil ich ihn geschrieben habe." „Und wieso hast du gewusst, dass die Hose blau war?" "Weil ich sie in deinem Badezimmer gesehen habe, als ich mir die Hand verletzt hatte." Er nickte und sah wieder auf den Zettel. "Und diese Notiz über das Monogramm - wieso hast du das gewusst?" "Du hast doch Manny und mir erzählt, dass deine Initialen auf der Tasche waren." „Aber ich kann mich nicht erinnern, dass ich die Buchstaben genannt habe." Sie zuckte mit den Schultern. "Ich habe eben angenommen, dass es die Initialen deines vollen Namens waren E.Q.S." "Wirklich?" fragte er und hob die Augenbrauen. Sie biss sich auf die Lippe, als ihr Fehler ihr klar wurde. Dann lächelte sie, beugte sich vor und ließ ihren Finger verführerisch über seine Nase gleiten. "Ich hab eine Idee. Warum gehen wir nicht in den Waschraum und beenden, was wir auf dem Dach begonnen haben?"
Er schnappte sich ihren Finger. "Ich glaube, du versuchst, das Thema zu wechseln." „Funktioniert es?" „Absolut. Du bist ein ganz Schlimme, Cindy Warren, weißt du das?" Er zog sie in die Anne und küsste sie tief und lange. " Und deshalb ist es so schön, dich zu lieben." - ENDE