Einführung 1.Motivation
Mikroökonomie I, SS 2005 Version vom 18.04.05
Einführung
1. Motivation In der Volkswirtschaft...
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Einführung 1.Motivation
Mikroökonomie I, SS 2005 Version vom 18.04.05
Einführung
1. Motivation In der Volkswirtschaftslehre geht es ganz grundsätzlich um die Bedürfnisbefriedigung der Menschen bei knappen Mitteln. Dieses Problem stellt sich sowohl auf privater als auch auf gesamtgesellschaftlicher bzw. globaler Ebene: Wie soll ich mein begrenztes Budget (zwischen Hamburger, Coca Cola und Kinobesuchen) aufteilen, damit ich aus dem Konsum der erworbenen Güter den höchsten Nutzen ziehe? Wie kann der Lebensstandard aller Menschen und insbesondere ihre Versorgung mit lebenswichtigen Gütern (Nahrungsmitteln, medizinischer Versorgung) auf einem akzeptablen Niveau sichergestellt werden? Die Wünsche sind in der Regel (individuell wie kollektiv) höher als die vorhandenen Möglichkeiten: Ich will nicht unbedingt mehr, aber zumindest besser essen als es mein Budget erlaubt (und dabei nicht gleichzeitig auf Freizeit verzichten). Aus ethischen Gründen scheint eine Verbesserung der Lebenschancen aller Menschen und eine Beseitigung der Armut wünschenswert, obwohl dies bei den gegebenen wirtschaftlichen Möglichkeiten nicht erreichbar ist.
Es besteht also ein fundamentaler Konflikt zwischen dem Wünschbaren und dem ökonomisch Machbaren. Er lässt sich aber abmildern, indem man – alltagssprachlich formuliert – “aus dem Vorhandenen das Beste macht“ und somit nach effizienten Lösungen sucht. Was man im ökonomischen Zusammenhang darunter konkret zu verstehen hat, ist das Hauptthema der Mikroökonomie und damit auch dieses Kurses.
Eine wichtige Möglichkeit zur Bewältigung von Knappheit ist der Tausch. Babette besitzt drei Tafeln Schokolade, aber keine Kekse; Elvira fünf Packungen Kekse, aber keine Schokolade. Babette hat aber auch Appetit auf Kekse, und Elvira auf Schokolade. Dieses Knappheitsproblem (jeder möchte etwas, was er nicht hat) entschärfen die beiden, indem sie ihre Anfangsbestände teilweise austauschen. Babette gibt Elvira eine Tafel Schokolade und erhält dafür beispielsweise zwei Packungen Kekse – und beiden geht es besser, weil sie nach dem Tausch über ein gemessen an ihren Wünschen (“Präferenzen“) ausgewogeneres Konsumgüterbündel verfügen.
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Einführung
Mikroökonomie I, SS 2005
1.Motivation
Version vom 18.04.05
Auf den Märkten (für Schokolade und Kekse), wie wir sie kennen, erfolgt aber kein Tausch Ware gegen Ware, sondern Ware gegen Geld. Am Prinzip des Tausches und der damit verbundenen Wohlfahrtsverbesserung ändert sich aber nichts. Tauschprozesse erlauben es im Übrigen auch, individuelle “Spezialisierungsvorteile“ auszunutzen. Jeder bietet am Markt diejenigen Leistungen (Putzen, Plätzchen backen, Bücher schreiben) an, zu deren Erstellung er in besonderem Maße befähigt ist. Durch die auf diese Weise zustande kommende Arbeitsteilung (jeder macht das, was er besonders gut kann nicht nur für sich selber, sondern auch für andere) wird die gesamtwirtschaftliche Effizienz erhöht. Alle erreichen einen höheren Nutzen, als wenn jeder allein vor sich “hinwurstelt“.
Wie Märkte grundsätzlich funktionieren und weshalb sie (unter idealen Bedingungen) die Erreichung eines bestmöglichen Zustandes (einer “optimalen Allokation“) herbeiführen können, ist das erste zentrale Thema dieser Veranstaltung. Im Zusammenhang mit der Analyse von Marktprozessen wird aber auch erörtert, durch welche Faktoren (z. B. durch staatliche Eingriffe wie z. B. Steuern oder Handelszölle, oder durch Bildung von Marktmacht bei Monopolen oder Oligopolen) die Märkte an ihrem effizienten Funktionieren gehindert werden können. Durch Verzerrungen der Marktallokation kommt es dann zu Wohlfahrtsverlusten.
Der Tausch auf Märkten stellt eine spezielle Form der Interaktion von Handlungsträgern (“Wirtschaftssubjekten“) dar. Daneben gibt es andere Arten des Zusammenwirkens einzelner Handlungsträger, etwa bei der Bereitstellung eines “Öffentlichen Gutes“. Ein aktuelles Beispiel für ein öffentliches Gut ist der internationale Klimaschutz, der sich in effektiver Weise nur durch gemeinsames kooperatives Verhalten der einzelnen Staaten verwirklichen lässt. Die Analyse verschiedener Interaktionsstrukturen ist ganz allgemein Gegenstand der Spieltheorie, deren Grundzüge im letzten Drittel dieser Veranstaltung behandelt werden.
In der anschließenden Veranstaltung Mikroökonomie II (im Wintersemester 2005/06) wird der Blick dann auf das einzelwirtschaftliche Verhalten gelenkt. So wird insbesondere – im Rahmen der Theorie der Unternehmung – genauer beschrieben, welche Inputmengen knapper Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital) von gewinnmaximierenden Firmen mit dem Ziel der Kostenminimierung gewählt werden. Im Rahmen der Haushaltstheorie wird dann untersucht, für welche Kombinationen von Konsumgütern (Kekse und Schokolade) sich Individuen entscheiden, wenn sie (bei gegebenem Budget = Einkommen und gegebenen 2
Einführung 1.Motivation
Mikroökonomie I, SS 2005 Version vom 18.04.05
Preisen) ihren Nutzen zu maximieren versuchen und wie diese individuelle Entscheidung etwa durch Steuern beeinflusst (“verzerrt“) wird.
Die Argumentation erfolgt im Wesentlichen auf der Basis stilisierter ökonomischer Modelle. Eine solche Vorgehensweise ist zwar typisch für die Volkswirtschaftslehre (wie auch für einzelne Teile der Betriebswirtschaftslehre), auf den ersten Blick vielleicht aufgrund ihrer relativen Abstraktheit auch etwas ungewohnt. Alle z. B. für ein konkretes Marktgeschehen verantwortlichen Bestimmungsfaktoren (Produktionstechniken, Innovationen, Präferenzen der Individuen) sind aufgrund ihrer Vielfalt und Komplexität nicht überschaubar – und, weil sie sich zu sehr auf einzelne ziemlich spezielle Fallbeispiele beziehen, auch nicht so interessant für das Verständnis allgemeiner Zusammenhänge. Deshalb ist eine gezielte Vereinfachung sinnvoll, die eine Konzentration auf die wesentlichen Strukturelemente und Wirkungsmechanismen erlaubt. Man lernt bei einer solchen Modellanalyse, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden und präzise zu argumentieren. Man erkennt insbesondere, von welchen speziellen Annahmen welche Ergebnisse im Einzelnen abhängen. Ein solches Vorgehen trainiert nicht nur das analytische Denkvermögen, sondern trägt auch dazu bei, dass man in konkreten Fällen zwischen den allgemeinen Grundlagen und speziellen, für den Einzelfall charakteristischen Faktoren klarer unterscheiden kann.
Wenn man bestmögliche Zustände in einer allgemeinen Situation charakterisieren will, so bedeutet das in einer etwas technischen Formulierung, dass man “optimiert“. Bei der Optimierung im Rahmen formaler Modelle bedient man sich, wie Sie bereits aus dem Mathematik- und Physikunterricht in der Schule wissen, der Infinitesimalrechnung. Diese spielt auch im Rahmen der ökonomischen Theorie eine wichtige Rolle. Ihre Grundlagen sollen deshalb hier kurz wiederholt werden.
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Einführung
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Mathematische Grundlagen
Version vom 18.04.05
2. Mathematische Grundlagen Ein wichtiges Werkzeug der Mikroökonomie ist die Infinitesimalrechnung. Der Zusammenhang zwischen Mikroökonomie und Infinitesimalrechnung ist eigentlich nahe liegend, da es in der Mikroökonomie sehr oft um die Frage geht, wie sich eine abhängige Größe (etwa die Nachfrage nach einem bestimmten Gut) ändert, wenn eine unabhängige Größe (etwa der Preis dieses Gutes) variiert wird. Dies ist auf allgemeiner Ebene auch das Thema der Differentialrechnung, die im 18. Jahrhundert vom Engländer I. Newton und dem Deutschen G. Leibniz (dessen Name wohl eher von der Kekspackung bekannt ist) entwickelt wurde. Beide Gelehrte waren gleichzeitig auch Naturforscher, so dass die Differentialrechnung v. a. auch in der Physik zur Anwendung kommt (“Wie schnell fällt der Apfel vom Baum?“)
Bei unserer allgemeinen Darstellung bezeichnen wir mit y die unabhängige Variable, mit z die abhängige Variable und mit z = f ( y ) die Funktion, die beide Größen in Beziehung
zueinander setzt. Genauer: Die Funktion f ordnet jedem Wert der unabhängigen Variablen y (im Definitionsbereich der Funktion) genau einen Wert der abhängigen Variablen z zu.
a) Die Ableitung einer Funktion Die Grundfrage der Differentialrechnung (bzw. in anderer Bezeichnung auch der Infinitesimalrechnung) lautet: Wie ändert sich die abhängige Variable (der Funktionswert
z = f ( y ) ), wenn man von einem Ausgangswert y die unabhängige Variable um einen winzig kleinen Betrag (eben “infinitesimal“) erhöht. Die Idee ist klar, die Umsetzung in ein Kalkül weniger. Wir nähern uns dem Problem, indem wir zunächst die unabhängige Variable um einen echt positiven Betrag ∆ vergrößern. Der Funktionswert lautet dann
f ( y + ∆ ) , so dass die Änderung des Funktionswerts durch die Differenz f ( y + ∆ ) − f ( y ) angegeben werden kann. Wir interessieren uns nun für die durchschnittliche Änderung der abhängigen Variablen bezogen auf das Ausmaß der Änderung der unabhängigen Variablen, d. h. für
f ( y + ∆) − f ( y) , ∆
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Mikroökonomie I, SS 2005
2. Mathematische Grundlagen
Version vom 18.04.05
und überlegen uns, was mit diesem Differenzenquotienten geschieht, wenn wir ∆ immer kleiner werden lassen. Wenn der Grenzwert
lim ∆→ 0
f ( y + ∆) − f ( y) ∆
existiert, bezeichnen wir ihn als Differentialquotienten bzw. als Ableitung der Funktion f an der Stelle y . Die Bezeichnung dafür ist üblicherweise f ′ ( y ) oder manchmal auch
∂f ∂y . Dieser Differentialquotient gibt genau das an, was wir suchen, nämlich die Veränderung von z = f ( y ) bei marginaler (“klitzekleiner“) Veränderung von y .
Grafisch lässt sich diese Überlegung durch Abbildung 0-1 folgendermaßen wiedergeben:
Abbildung 0-1 abhängige Variable
z = f (y) f (y + ∆)
B
f (y + ∆)− f (y)
f (y)
A α ∆ y
y+∆
unabhängige Variable
Der Differenzenquotient bei Erhöhung der unabhängigen Variablen um ∆ entspricht dem Anstieg der Sekante, welche den Ausgangspunkt A mit B verbindet. Dies folgt aus der allgemeinen Formel für den Anstieg einer Geraden, der sich aus dem Tangenssatz ergibt. So gilt für die Steigung der Sekante tan α =
Gegenkathete f ( y + ∆ ) − f ( y ) = . Wenn wir Ankathete ∆
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Einführung
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Mathematische Grundlagen
Version vom 18.04.05
∆ immer weiter verringern, nähert sich die jeweils relevante Sekante immer stärker der
Tangente an den Funktionsgraphen an der Stelle y (Punkt A) an. Entsprechend konvergiert der Anstieg der Sekante für ∆ → 0 gegen den Anstieg der Tangente. Die Ableitung einer Funktion an einer Stelle y gibt also den Anstieg der Funktion (bzw. genauer ihres Graphen) an dieser Stelle wieder.
Um diese Erklärung der Grundlagen der Differentialrechnung plastisch zu veranschaulichen, betrachten wir als einfaches Beispiel die Funktion z = f ( y ) = y 2 . Dabei können wir im Vorgriff auf das nächste Kapitel gleich an eine Kostenfunktion denken. Der Differenzenquotient ( Sekantenanstieg) lautet für ein beliebiges ∆ an einer beliebigen Stelle y in diesem Fall
( y + ∆)
2
− y2
∆
=
y 2 + 2 y∆ + ∆ 2 − y 2 ( 2 y + ∆ ) ∆ = = 2y + ∆ ∆ ∆
Bei der Umformung des Zählers wird zunächst eine binomische Formel gebraucht. Im vorletzten Ausdruck der Gleichungskette kürzt sich ∆ dann weg, so dass der Differenzenquotient 2 y + ∆ beträgt. Für ∆ → 0 strebt dieser Ausdruck gegen 2 y , so dass wir für den Differentialquotienten in diesem Beispiel
f ′( y) = 2 y erhalten. (Dies ergibt sich auch direkt durch die Anwendung der Ableitungsregeln, die aus der Schule bekannt sind.)
b) Maxima von Funktionen
Mit Hilfe der Differentialrechnung lassen sich jetzt bestimmte Optimallösungen in einfacher Weise charakterisieren: Damit eine differenzierbare Funktion f ( y ) an einer bestimmten Stelle y ∗ ein lokales Maximum erreicht, ist es notwendig, dass die Ableitung der Funktion an dieser Stelle null wird, d.h. f ′ ( y ∗ ) = 0 gilt. Wäre die Ableitung an der Stelle
y ∗ positiv, d. h. würde f ′ ( y ∗ ) > 0 gelten, so könnte man durch eine kleine (marginale)
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Einführung
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Mathematische Grundlagen
Version vom 18.04.05
Erhöhung der unabhängigen Variablen y den Funktionswert gegenüber f ( y ∗ ) erhöhen und somit – locker formuliert – ein besseres Ergebnis erzielen. Bei einer negativen Ableitung an der Stelle y ∗ , d. h. bei f ′ ( y ∗ ) < 0 , ließe sich hingegen durch Verminderung der unabhängigen Variablen y ein höherer Funktionswert erreichen. In beiden Fällen könnte also bei y ∗ kein lokales Maximum von f ( y ) liegen, was im Umkehrschluss eben heißt, dass in jedem lokalen Maximum f ′ ( y ∗ ) = 0 gelten muss.
Diese Bedingung ist notwendig, aber nicht hinreichend für ein lokales Maximum. Wenn wir aber zusätzlich annehmen, dass die Funktion nicht nur einmal, sondern zweimal differenzierbar ist, d.h. die Ableitung f ′ ( y ) selber eine mit f ′′ ( y ) = ( f ( y′ ) )′ bezeichnete Ableitung besitzt, so können wir sicher sein, dass sich an der Stelle y ∗ ein lokales Maximum von f ( y ) befindet, falls f ′ ( y ∗ ) = 0 und zusätzlich f ′′ ( y ∗ ) < 0 gilt, d.h. die zweite Ableitung negativ ist. Sie können sich als Übung selber klar machen, weshalb diese Aussage gilt. Bei f ′ ( y ∗ ) = 0 und f ′′ ( y ∗ ) > 0 liegt bei y ∗ kein lokales Maximum, sondern ein lokales Minimum der Funktion f ( y ) .
c) Elastizitäten
Gerade in der Ökonomie ist es üblich, nicht nur die absoluten, sondern auch die relativen Veränderungen der beiden Variablen zueinander in Beziehung zu setzen. Gefragt wird
dann, um welchen Bruchteil des ursprünglichen Wertes sich die abhängige Variable z verändert, wenn die unabhängige Variable y um einen bestimmten Bruchteil wächst. Oder etwas griffiger formuliert: Um wie viel Prozent verändert sich z , wenn y um ein Prozent steigt?
Wenn wir den Bruchteil (bzw. Prozentsatz) der Änderung der unabhängigen Variablen dabei mit α bezeichnen, geht es also um den Ausdruck
f ( y +α y) − f ( y) f ( y)
α
=
f ( y +α y) − f ( y)
α f ( y)
.
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Einführung
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Mathematische Grundlagen
Version vom 18.04.05
Diesen Bruch erweitern wir mit y , was zu
f ( y +α y) − f ( y)
(0- 1)
α⋅y
⋅
y f ( y)
führt. Wenn wir ∆ = α y setzen, ergibt sich aus der Definition der Ableitung beim Grenzübergang α → 0 bzw. ∆ → 0 , dass der Ausdruck in (0-1) gegen
ε f ( y) =
(0- 2)
f ′( y) y f ( y)
strebt. Den Ausdruck in (0-2) bezeichnet man als Elastizität der Funktion f an der Stelle y . Sie beschreibt die prozentuale Änderung der abhängigen Variablen z = f ( y ) bei ei-
nem einprozentigen Anstieg der unabhängigen Variablen y .
Wenn die Funktion f streng monoton ist, existiert die Umkehrfunktion f −1 . Da es sich für unsere Zwecke auch als wichtig erweisen wird, die Elastizitätswerte der ursprünglichen Funktion f aus denen der Umkehrfunktion f −1 zu bestimmen, wollen wir eine Beziehung zwischen diesen beiden Ausdrücken herstellen. Es gilt: Die Elastizität von f −1 an der Stelle f ( y ) ist der Kehrwert der Elastizität von f an der Stelle y , d. h.
ε f −1 ( f ( y ) ) =
1
ε f ( y)
.
Diese Aussage ist auch ohne Rechnung klar: Wenn eine einprozentige Erhöhung von y zu einer ε f ( y ) -prozentigen Erhöhung von z führt, muss sich im Umkehrschluss die Variable y um
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ε f ( y)
Prozent verändern, damit die Variable z um ein Prozent zunimmt.
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Einführung
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Mathematische Grundlagen
Version vom 18.04.05
d) Integrale
Zur Infinitesimalrechnung gehört auch die Integralrechnung. Gegeben eine (stetige) Funktion
f ( y ) beschreibt das Integral
y2
∫ f ( y ) dy
der Funktion f ( y ) in den Grenzen zwi-
y1
schen y1 und y2 die Fläche unter dem Graphen der Funktion zwischen y1 und y2 . Dies ist in Abbildung 0-2 dargestellt.
Abbildung 0-2 abhängige Variable
f ( y)
y2
∫ f ( y )dy y1
0
y1
y2
unabhängige Variable
Von großer Bedeutung für die im Folgenden angestellten Überlegungen ist jetzt der Zusammenhang zwischen Differential- und Integralrechnung. Wir halten dazu die untere Integrationsgrenze (die wir jetzt y nennen) fest und variieren die obere, die wir jetzt allgemein mit y bezeichnen. Dadurch ergibt sich die Integralfunktion
y
F ( y ) := ∫ f ( y )dy . y
Wir interessieren uns dann für die Ableitung F ′ ( y ) dieser Funktion an einer beliebigen Stelle y . Dazu bilden wir – wie gehabt – für ein beliebiges ∆ ≠ 0 den Differenzenquotienten
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Einführung
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Mathematische Grundlagen
Version vom 18.04.05 y +∆
F ( y + ∆) − F ( y) = ∆
∫
f ( y )dy ≈
y
∆
f ( y)∆ = f ( y) . ∆
Wo “ ≈ “ steht, müssen in Wirklichkeit Abschätzungen gemacht werden. Das schenken wir y +∆
uns. Wie wir aber an Abbildung 0-3 sehen, unterscheiden sich die Flächen
∫ f ( y ) dy y
und f ( y ) ∆ nur um die schraffierte Dreiecksfläche, die umso kleiner ausfällt, je kleiner ∆ ist. Für infinitesimale ∆ wird sie also beliebig klein, so dass die Ableitung der Integralfunktion F ( y ) an einer Stelle y mit dem Wert der ursprünglichen Funktion an dieser Stelle f ( y ) übereinstimmt, d. h. es gilt
F ′( y ) = f ( y) .
Diesen Zusammenhang bezeichnet man auch als Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung. Abbildung 0-3 abhängige Variable
f ( y)
∆ 0
y
y+∆
unabhängige Variable
Aus diesem allgemeinen Sachverhalt folgt auch, dass sich eine gegebene differenzierbare Funktion f ( y ) bis auf eine Konstante als Integral über ihre Ableitung f ′ ( y ) darstellen lässt:
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Einführung
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Mathematische Grundlagen
Version vom 18.04.05
( )
y
f ( y ) = f y + ∫ f ′ ( y )dy . y
In den folgenden Kapiteln werden wir sehen, wie sich diese allgemeinen mathematischen Überlegungen auf ökonomische Fragestellungen anwenden lassen. Dabei behandeln wir zunächst Konkurrenz-Märkte und ihre Wohlfahrtseigenschaften.
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I. Märkte 1. Angebots- und Nachfragefunktion
Mikroökonomie I, SS 2005 Version vom 06.04.05
I. Märkte Angebot und Nachfrage nach einem Gut (bzw. einer Dienstleistung) treffen auf dem jeweiligen Markt zusammen. Es kommt dabei zur Bildung von Marktgleichgewichten, die insbesondere durch den herrschenden Preis - Gleichgewichtspreis - gekennzeichnet sind. Wie solche Marktgleichgewichte als Ergebnisse von Marktprozessen beschaffen sind und zu welchem gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsniveau sie führen, hängt von vielen Faktoren ab: von den Präferenzen und dem Ausgabenspielraum (Budget) der Nachfrager, von den Produktionskosten der Anbieter, der Art des betreffenden Produkts und insbesondere den für dieses Produkt bestehenden Substitutionsmöglichkeiten, sowie der Marktstruktur, d. h. besonders der jeweiligen Zahl von Anbietern und Nachfragern. Nach einer kurzen Beschreibung allgemeiner Grundlagen wollen wir in diesem Kapitel die wichtigsten Typen von Marktgleichgewichten näher charakterisieren. In diesem Zusammenhang wird auch erörtert, wie es durch staatliche Eingriffe der verschiedensten Art (Mindest- und Höchstpreise, Steuern, Zölle, ...) zu einer Veränderung der Gleichgewichte kommt. Davor wenden wir uns aber der grundlegenden Beschreibung von Märkten durch Angebot und Nachfrage zu.
1. Angebots- und Nachfragefunktionen Die Grundbausteine der Markttheorie und damit der Analyse von Marktgleichgewichten sind die Angebots- und Nachfragefunktion. Diese Funktionen geben an, in welcher Weise die Produzenten (oder allgemeiner die Anbieter) bzw. die Konsumenten eines bestimmten Gutes (z. B. Kekse) auf verschiedene Preise des Gutes reagieren. Es scheint plausibel, dass ein höherer Preis den Produzenten einen Anreiz liefert, mehr von dem entsprechenden Gut zu erzeugen, während für die Konsumenten der Verbrauch des Gutes unattraktiver wird. Für die Erzeuger lohnt sich bei einem höheren Preis ja ein höherer Produktionsaufwand, was sie zur Ausdehnung der Produktion motiviert. Die Verbraucher hingegen müssten – bei unterstellten konstanten Einkommen – auf andere Güter verzichten, wenn sie von dem Gut, dessen Preis gestiegen ist, gleich viel konsumieren wollen wie zuvor. Dies schränkt in aller Regel nach einem Preisanstieg ihre Neigung zum Erwerb des betreffenden Gutes ein. Was in dieser Hinsicht für das Angebot eines einzelnen Produzenten und die Nachfrage eines einzelnen Konsumenten gilt, überträgt sich auf die am Gütermarkt insgesamt angebo12
I. Märkte 1. Angebots- und Nachfragefunktion
Mikroökonomie I, SS 2005 Version vom 06.04.05
tene bzw. nachgefragte Gütermenge. Im Normalfall wird die Angebotsfunktion X S ( p ) (der Index S steht hier für “supply“) daher eine wachsende Funktion des Preises und die Nachfragefunktion X D ( p ) (der Index D steht hier für “demand“) eine fallende Funktion des Preises sein. Dabei bezeichnet p den Güterpreis und X die Gesamtangebots- bzw. Gesamtnachfragemenge des entsprechenden Gutes. Wenn man von einem “Normalfall“ spricht, stellt sich ganz automatisch die Frage, ob es auch einen nicht normalen Fall gibt. In der Tat werden wir im Laufe des Kurses auch Situationen kennen lernen, in denen Angebots- und Nachfragefunktionen einen außergewöhnlichen Verlauf aufweisen. Die Angebotsfunktion fällt dann – zumindest auf einzelnen Preisintervallen – mit steigendem Preis, während die Nachfragefunktion wächst. Worauf diese auf den ersten Blick überraschenden Reaktionen von Anbietern und Nachfragern im Einzelnen beruhen, bedarf allerdings einer etwas komplizierteren Analyse, die im Augenblick von den grundlegenden Zusammenhängen ablenken würde und daher (vorerst) ausgeklammert wird.
Bei den folgenden Überlegungen spielen auch die Umkehrfunktionen der Angebots- und der Nachfragefunktion eine besondere Rolle: Mit pS ( X ) bezeichnen wir die inverse Angebotsfunktion, mit pD ( X ) die inverse Nachfragefunktion, die oft auch als Preis-
Absatzfunktion bezeichnet wird. Ökonomisch lassen sich diese beiden Umkehrfunktionen folgendermaßen interpretieren: Die inverse Angebotsfunktion pS ( X ) gibt an, bei welchem Güterpreis die Produzenten insgesamt gerade zur Erzeugung der Gütermenge X bereit sind. Ganz analog beschreibt die inverse Nachfragefunktion pD ( X ) , wie hoch der Güterpreis sein muss, damit die Konsumenten insgesamt gerade die Gütermenge X nachfragen. Was hinter der (inversen) Angebots- und der (inversen) Nachfragefunktion aus ökonomischer Sicht genau steckt, soll jetzt erörtert werden. Dabei interessiert uns insbesondere, durch welche Verhaltensweisen von Produzenten und Konsumenten sich X S ( p ) und
X D ( p ) erklären lassen und – was etwas komplizierter ist – wie sich mit Hilfe der jeweiligen Umkehrfunktionen pS ( X ) und pD ( X ) Wohlfahrtsmaße bestimmen lassen.
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I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
1. Angebots- und Nachfragefunktion
Version vom 06.04.05
a ) Gewinnmaximierung von Unternehmen und (inverse) Angebotsfunktion Wir beginnen damit, dass wir das Angebotsverhalten der Produzenten eines Gutes (etwa Kekse) beschreiben. Insbesondere wollen wir klären, wie die Produzenten in Anpassung auf verschiedene Marktpreise des Gutes ihre Produktionsmenge verändern. Dazu betrachten wir zunächst einen einzelnen Keks-Produzenten, bei dem die Produktion der Gütermenge x Kosten in Höhe von c ( x ) verursacht. Die als zweimal differenzierbar angenommene Funktion c ( x ) beschreibt also die einzelwirtschaftliche Kostenfunktion des betreffenden Produzenten. Hinsichtlich der Eigenschaften dieser Kostenfunktion wird unterstellt, dass c′ ( x ) > 0 sowie c′′ ( x ) > 0 gilt, d. h. dass die Grenzkosten positiv sind (“zu-
sätzlich produzierte Gütereinheiten erhöhen die Produktionskosten“) und mit steigender Produktionsmenge zunehmen. Mit zunehmender Produktion wird eine weitere Ausdehnung der Produktion also immer kostspieliger, was man mit dem Erreichen von Kapazitätsgrenzen oder der Verknappung von Produktionsfaktoren erklären kann, die etwa beim Produktionsfaktor Arbeit entsprechende Lohnzuschläge für geleistete Überstunden erforderlich machen. Wie reagiert nun ein einzelner Unternehmer mit der Kostenfunktion c ( x ) , wenn er mit dem Güterpreis p konfrontiert wird, auf dessen Höhe er keinerlei Einfluss ausüben kann? Als Ziel unternehmerischen Handelns gilt dabei – als üblicherweise zu beobachtetendes Verhalten – die Maximierung des Unternehmensgewinns, der sich aus der Differenz zwischen dem Erlös (Umsatz) aus dem Verkauf und den Kosten bei der Produktion der entsprechenden Güter ergibt:
G ( x ) = px − c ( x ) . Dieser Gewinn ist durch “geschickte“ Wahl der Produktionsmenge x zu maximieren. In Abhängigkeit von Güterpreis p wird das Gewinnmaximum durch diejenige Produktionsmenge xs ( p ) erreicht, bei der die Ableitung der Gewinnfunktion null wird, d. h. für die
G′ ( xS ( p ) ) = p − c′ ( xS ( p ) ) = 0
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I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
1. Angebots- und Nachfragefunktion
Version vom 06.04.05
gilt. Die einzelwirtschaftliche Angebotsfunktion xs ( p ) wird also in Abhängigkeit vom Güterpreis p durch die Marginalbedingung
(I-1-1)
c′ ( xS ( p ) ) = p
bestimmt, d. h. durch die Bedingung, dass die Grenzkosten der Produktion mit dem Güterpreis p übereinstimmen. Für die inverse Angebotsfunktion pS ( x ) (eines einzelnen Unternehmens) hat man wegen (I-1-1) somit
pS ( x ) = c′ ( x ) . Da diese Zusammenhänge für das Verhalten aller Anbieter gelten, ergibt sich das Gesamtangebot dadurch, dass die gesamtwirtschaftlichen Grenzkosten der Produktion C ′ ( X ) bei gewinnmaximierendem Verhalten der (als Preisnehmer handelnden) Anbieter mit dem jeweiligen Güterpreis p übereinstimmen. Für die gesamtwirtschaftliche Angebotsfunktion
X S ( p ) bedeutet das folglich
(I-1-2)
C′ ( X S ( p )) = p .
Wenn wir eine große Zahl von Anbietern betrachten, ist die Annahme von Preisnehmerverhalten (“price-taking behaviour“) im Übrigen recht plausibel, weil man bei einer großen Zahl unabhängig handelnder Firmen realistischerweise nicht davon ausgehen kann, dass eine einzelne Firma zur Manipulation des Güterpreises in der Lage ist. Wie bereits bei einem einzelnen Unternehmer ist die Bedingung (I-1-2) identisch mit
pS ( X ) = C ′ ( X ) , d. h. die inverse Angebotsfunktion fällt mit der (gesamtwirtschaftlichen) Grenzkostenfunktion für das betreffende Gut zusammen. Damit ist eine Erklärung für den Verlauf der inversen Angebotsfunktion gefunden. 15
I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
1. Angebots- und Nachfragefunktion
Version vom 06.04.05
Auf diese Weise lässt sich auch unmittelbar eine Verbindung zwischen der inversen Angebotskurve pS ( X ) und einer Komponente der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt, nämlich den gesamtwirtschaftlichen Produktionskosten C ( X ) , herstellen. Wenn wir von Fixkosten der Produktion, d. h. den Kosten, die vor Beginn der Produktion anfallen, absehen, gilt ja nach dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung
X
(I-1-3)
X
( )
( )
C ( X ) = ∫ C ′ X dX = ∫ pS X dX . 0
0
Die bei der Menge X anfallenden Produktionskosten lassen sich also als Fläche unter der inversen Angebotsfunktion in den Grenzen zwischen 0 und X darstellen; in Abbildung I-1 entsprechen sie (unter Vernachlässigung von Fixkosten) der Fläche A0CB.
Abbildung I-1
Preis
pS ( X ) pS ( X )
D
A 0
B
C X
Menge
Damit die Produzenten bereit sind, gerade die Menge X zu produzieren und auf den Markt zu werfen, muss der Güterpreis pS ( X ) betragen. Der Erlös der Produzenten insgesamt beläuft sich dann auf pS ( X ) X ; dies entspricht der Rechtecksfläche 0CBD. Damit bleibt als Produzentenrente bzw. Gewinn die Differenz
pS ( X ) X − C ( X ) .
16
I. Märkte 1. Angebots- und Nachfragefunktion
Mikroökonomie I, SS 2005 Version vom 06.04.05
In Abbildung I-1 ist dies gerade die Fläche ABD. Beachten Sie in diesem Zusammenhang bitte, dass Produzentenrente und Gewinn nur identisch sind, wenn die Fixkosten – wie im vorliegenden Fall unterstellt wurde – null betragen. Allgemein ergibt sich der Gewinn aus der Produzentenrente abzüglich der Fixkosten. Anders ausgedrückt liegt der Unterschied zwischen Produzentenrente und Gewinn darin, dass bei der Ermittlung der Produzentenrente nur die variablen Kosten, bei der Gewinnermittlung jedoch die gesamten Kosten (inkl. Fixkosten) zu berücksichtigen sind.
b) Die (inverse) Nachfragefunktion
Um zu einer analogen wohlfahrtsrelevanten Interpretation für die inverse Nachfragefunkti-
on pD ( X ) zu gelangen, müssen wir etwas weiter ausholen. Zu diesem Zweck betrachten wir zunächst einen einzelnen Konsumenten ("Max"), dessen in Geld ausgedrückte ("monetäre") Wertschätzung für ein bestimmtes Gut (die bereits bekannten Kekse) ermittelt werden soll.
Im ersten Schritt wird Max danach gefragt, wie viel Euro bzw. Cent ihm eine Packung Kekse wert ist, d. h. wie viel er maximal für eine Kekspackung (sofort konsumierbar) zu zahlen bereit ist. Max, der hungrig ist, nennt 2,50 € als Zahlungsbereitschaftsmaß. (Um Missverständnisse gleich im Ansatz zu vermeiden: Diese 2,50 € haben zunächst nichts mit dem Preis der Kekse zu tun, d. h. damit wie viel ein Supermarkt tatsächlich für die Kekse verlangt. Vielmehr beschreiben die 2,50 € die in Geld ausgedrückte Wertschätzung, die Max ganz subjektiv in einer bestimmten Situation für Kekse hat.) Im zweiten Schritt wird dann ermittelt, wie viel Max für eine zweite Packung Kekse auszugeben bereit ist. Max, schon etwas weniger hungrig, nennt für die zweite Packung 2 €. Für die dritte Packung ist er noch bereit, 1,50 € zu bezahlen, für die vierte 1,00 €, für die fünfte 0,50 €, für die sechste nichts mehr. Dann hat Max − zumindest, was den Konsum von Keksen angeht − genug, er ist "gesättigt".
Wenn man in einem Koordinatensystem die (maximalen) Zahlungsbereitschaften für die einzelnen Kekspackungen abträgt, ergibt sich die in Abbildung I-2 dargestellte treppenförmige Funktion.
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I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
1. Angebots- und Nachfragefunktion
Version vom 06.04.05
Abbildung I-2
Zahlungsbereitschaft in €
2,50 2,00 1,50
p 1,00 0,50 1
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Kekspackungen
Diese Grafik lässt sich in zweifacher Weise deuten: Zum einen gibt die Fläche unter der Treppe an, wie viel Max eine bestimmte Gesamtmenge an Keksen in Geldeinheiten wert ist: Bei drei Packungen ergibt dies den Betrag 1x 2,50 + 1x 2,00 + 1x1,50 = 6 € . Diese Feststellung lässt sich auch in der Weise interpretieren, dass drei Packungen Kekse Max einen in Geldeinheiten gemessenen Nutzen in Höhe von 6 € verschaffen. Die 6 € liefern also ein
monetäres Nutzenmaß für eine bestimmte Menge von Keksen, und die Höhe der einzelnen Treppenstufen in Abbildung I-2 gibt dann den Grenznutzen an, den eine zusätzliche Packung Kekse jeweils erzeugt.
Zum anderen kann man die Stufenfunktion in Abbildung I-2 aber auch als Nachfragefunktion bzw. als inverse Nachfragefunktion auffassen. Nehmen wir etwa an, der Preis für eine Kekspackung betrage 1,20 €. Dann wird Max drei Packungen konsumieren, denn für die ersten drei Packungen ist seine Zahlungsbereitschaft (mit 2,50 €, 2 € bzw. 1,50 €) höher als der Preis von 1,20 € pro Packung. Die vierte Packung ist Max aber mit 1 € weniger wert als der Preis von 1,20 €, so dass Max auf den Konsum der vierten Packung verzichten
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I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
1. Angebots- und Nachfragefunktion
Version vom 06.04.05
wird. Anhand von Abbildung I-2 lässt sich die Nachfrageentscheidung von Max also dadurch ermitteln, dass man schaut, von welcher Anzahl von Kekspackungen an die Treppenfunktion unter dem Preis des betreffenden Gutes ( p = 1, 20 € ) liegt.
Wichtig ist jetzt, dass man mit Hilfe von Abbildung I-2 gleichzeitig feststellen kann, wie hoch der Nettonutzen von Max beim Kauf (und Konsum) einer bestimmten Menge von Keksen zu einem bestimmten Preis ist. Bleiben wir bei dem Beispiel mit einem Preis von 1,20 € pro Packung und der für Max dann optimalen Kaufmenge von drei Packungen. Er hat in diesem Fall – wie gerade berechnet – einen Bruttonutzen von 6 €, gleichzeitig aber Ausgaben für die Kekse in Höhe von 3x1, 20 € = 3,60 € , so dass ihm ein in Geldeinheiten gemessener Nettonutzen in Höhe von 6 € − 3, 60 € = 2, 40 € bleibt. Grafisch ist dies die Fläche zwischen der Treppenfunktion und der Preisgeraden, die in Abbildung I-2 abschattiert ist.
Wenn man jetzt wieder mehrere Individuen betrachtet und deren Zahlungsbereitschaften für ein bestimmtes Gut aufaddiert, erhält man sowohl eine Beschreibung für den gesamten monetär bewerteten Grenznutzen des Gutes als auch die inverse Gesamtnachfragefunktion für das Gut. Anders gesagt: Die inverse Gesamtnachfragefunktion pD ( X ) eines Gutes lässt sich als Funktion der aggregierten Grenznutzen interpretieren. Die Fläche unter der inversen Nachfragefunktion (in den Grenzen zwischen 0 und einem bestimmten Konsumniveau X ) beschreibt folglich den in Geld ausgedrückten Nutzen aller Konsumenten, der ihnen insgesamt durch den Konsum der Menge X vermittelt wird:
X
(I-1-4)
∫ p ( X ) dX . D
0
Diesen Betrag nennt man auch die Bruttokonsumentenrente bei der Menge X . Die eigentliche (Netto)Konsumentenrente ergibt sich dann dadurch, dass man die Bruttokonsumentenrente um die Ausgaben der Konsumenten für den Erwerb der Menge X vermindert, d. h. formal
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I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
1. Angebots- und Nachfragefunktion
Version vom 06.04.05
X
RK ( X ) = ∫ pD ( X )dX − pD ( X ) X . 0
Mit Hilfe der durch (I-1-3) und (I-1-4) angegebenen Beschreibungen für die gesamtwirtschaftlichen Kosten und Nutzen wird es jetzt möglich, die Gesamtwohlfahrt grafisch zu veranschaulichen, die sich in verschiedenen Marktgleichgewichten ergibt. Es wird also im Folgenden nicht nur untersucht, wie hoch die gleichgewichtigen Mengen und Preise jeweils sind, sondern auch, ob ein bestimmtes Ergebnis unter Wohlfahrtsgesichtspunkten (d. h. im Hinblick auf den Nutzen der Konsumenten und die Kosten der Produzenten) "gut" oder "schlecht" ist. Eine solche bewertende Betrachtungsweise bezeichnet man auch als
normativ. (Ihr steht die positive Analyse gegenüber, die sich damit beschäftigt zu erklären, wie bestimmte Ergebnisse – etwa die Höhe des gleichgewichtigen Marktpreises – zustande kommen.)
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I. Märkte 2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht
Mikroökonomie I, SS 2005 Version vom 19.05.05
2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht a) Beschreibung von Konkurrenzmarkt-Gleichgewichten im Angebots-Nachfrage-Diagramm Wir sind bisher davon ausgegangen, dass es auf dem betrachteten Markt für ein bestimmtes Gut (z. B. die zuvor betrachteten Kekse) eine große Zahl von Nachfragern gibt, die unabhängig voneinander handeln. Aufgrund dieser Annahme haben sie keinen Einfluss auf den Marktpreis. Da sie also über keinerlei Marktmacht verfügen, müssen sie als passive Preisnehmer handeln. Gleiches soll für die Angebotsseite gelten, auf der es auch eine Vielzahl von Anbietern gibt, die Preisnehmer sind. Die hohe Zahl von Marktteilnehmern auf beiden Seiten des Marktes und das dadurch erzwungene Preisnehmerverhalten gilt als charakteristisch für die in diesem Abschnitt betrachtete Situation vollkommener Konkurrenz.
Allgemein spricht man von einem Gleichgewichtszustand, wenn sich alle Beteiligten optimal an die jeweils gegebenen Bedingungen anpassen und die dabei individuell gewählten Handlungen miteinander verträglich ("konsistent") sind. Im speziellen Fall eines Marktgleichgewichts bei vollkommener Konkurrenz bedeutet diese Bedingung konkret das Folgende: Das Datum, an das sich die Beteiligten (Nachfrager und Anbieter) anpassen, ist der jeweils herrschende Marktpreis. Wie diese Anpassung genau geschieht, wird durch die Nachfragefunktion X D ( p ) bzw. die Angebotsfunktion X S ( p) vollständig erfasst. Die dabei resultierenden Handlungen von Nachfragern und Anbietern sind konsistent, wenn sich ein Preis p* eingestellt hat, bei dem die Nachfrager genau die Gütermenge nachfragen, die von den Anbietern bei diesem Preis produziert wird. Der Preis p* heißt Gleichgewichtspreis, die Menge X * = X D ( p* ) = X S ( p* ) ist dann die Gleichgewichtsmenge auf dem vollständigen Konkurrenzmarkt. Grafisch ergibt sich das Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht im Schnittpunkt der (inversen) Nachfrage- mit der (inversen) Angebotsfunktion (vgl. Abbildung I-3; Punkt B ).
Wir nehmen an, dass ein solcher Schnittpunkt (und somit ein KonkurrenzmarktGleichgewicht) tatsächlich existiert. Wenn, wie hier unterstellt, die Nachfragefunktion fällt und die Angebotsfunktion wächst, ist ein Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht dann auch eindeutig bestimmt.
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I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht
Version vom 19.05.05
Abbildung I-3
C
pS ( X ) p∗ D A
pD ( X ) Menge
0
Die Produzentenrente, die sich aus der Differenz zwischen dem Erlös in Höhe von p* X * und den (variablen) Kosten C ( X * ) ergibt, wird in Abbildung I-3 durch die Fläche DAB , die Konsumentenrente durch die Fläche DBC beschrieben. Die Gesamtwohlfahrt (Konsumentenrente + Produzentenrente) entspricht also der Fläche ABC .
Die Gesamtwohlfahrt wird bei Produktion der Gleichgewichtsmenge X * maximiert. Links von X * sind die bei den Konsumenten anfallenden Grenznutzen (ausgedrückt durch die inverse Nachfragefunktion pD ( X ) ) ja größer als die Grenzkosten der Produzenten (ausgedrückt durch die inverse Angebotsfunktion pS ( X ) ), so dass sich eine Ausdehnung der Produktion aus gesamtwirtschaftlicher Sicht lohnt. Würde etwa nur die Menge X < X * produziert, käme es gegenüber dem Wohlfahrtsmaximum zu einem Verlust in Höhe der in Abbildung I-3 schraffierten Fläche.
Rechts von X * ist hingegen der Grenznutzen kleiner als die Grenzkosten, so dass eine Einschränkung der Produktion zu einer gesamtwirtschaftlichen Verbesserung führen würde.
Insgesamt wird durch diese Überlegung die Botschaft des ersten Hauptsatzes der Wohlfahrtstheorie, auf den wir an späterer Stelle noch ausführlicher zu sprechen kommen werden, bestätigt: Bei vollkommener Konkurrenz und dem damit einhergehenden Preisneh22
I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht
Version vom 19.05.05
merverhalten aller Beteiligten führt der Marktprozess zur Realisierung der gesamtwirtschaftlich optimalen Lösung.
b) Wirkungen von Veränderungen der Angebotsbedingungen auf das Marktgleichgewicht Nach den Überlegungen des vorhergehenden Abschnitts dürfte klar sein, dass der Verlauf der Nachfrage- und der Angebotsfunktion von einer Vielzahl exogener Faktoren abhängt. Wenn sich diese Faktoren ändern, verändern sich auch die das Handeln der Akteure am Markt charakterisierenden Funktionen und damit die Lage des Marktgleichgewichts. Dies lässt sich an einigen Beispielen erläutern:
Wir behandeln zunächst den Fall, dass sich - im Sinne eines kostensparenden technischen Fortschritts - durch Veränderungen in der Produktionstechnik (etwa durch den verstärkten Einsatz von Computern in den vergangenen 20 Jahren) die Grenzkosten der Produktion senken, so dass sich die inverse Angebotsfunktion nach unten verlagert. In Abbildung I-4 soll p S ( X ) die neue (inverse) Angebotsfunktion bezeichnen. Die Nachfragefunktion soll gleich bleiben.
Auf das Marktgleichgewicht wirkt sich dieser "Shift" der Angebotsfunktion in der Weise aus, dass der Gleichgewichtspreis (von p* auf p * ) fällt und die Gleichgewichtsmenge (von X * auf X * ) wächst. Dabei ist (bei gleicher Veränderung der Angebotsfunktion) der Preiseffekt umso stärker und der Mengeneffekt umso geringer, je steiler die Nachfragefunktion verläuft, d. h. je preisunelastischer die Nachfrage reagiert.
Abbildung I-4 Preis pS ( X ) C D
p*
B
A
p
*
B
D A
p S ( X )
pD ( X ) 0
X*
X *
Menge
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I. Märkte 2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht
Mikroökonomie I, SS 2005 Version vom 19.05.05
Man kann anhand der Abbildung zudem feststellen, wie die Gesamtwohlfahrt sowie die einzelnen Wohlfahrtskomponenten von Nachfragern und Anbietern (Konsumentenrente und Produzentenrente) durch die betrachtete Veränderung der Angebotsfunktion beein beschrieben. Weil flusst werden: Die neue Konsumentenrente wird durch die Fläche DBC
der neue Gleichgewichtspunkt B auf der Nachfragefunktion rechts unterhalb des alten Gleichgewichtspunktes B liegt, ist die Fläche DBC , welche die ursprüngliche Konsumen . Die Vertenrente beschreibt, eine echte Teilmenge der neuen Konsumentenrente DBC
schiebung der inversen Angebotsfunktion nach unten bewirkt also eine eindeutige Erhöhung der Konsumentenrente: Die Konsumenten profitieren ja sowohl von der Ausdehnung der Gütermenge als auch vom Rückgang des Güterpreises, welche sich als Effekte einer Verminderung der Grenzkosten der Produktion einstellen.
Die Abbildung zeigt auch, dass sich die Gesamtwohlfahrt erhöht, und zwar von ABC auf
. Im Hinblick auf die Produzentenrente allein lässt sich keine eindeutige Aussage ABC kleiner als die alte treffen. Es ist im Prinzip möglich, dass die neue Produzentenrente ABD
Produzentenrente ABD ist. Dieser Fall tritt umso eher dann ein, wenn •
der Gleichgewichtspreis stark sinkt,
•
die Gleichgewichtmenge nur wenig wächst bzw.
•
die neue Angebotsfunktion flacher verläuft als die alte, d. h. das Güterangebot infolge der neuen Technologie preiselastischer wird.
Die ersten beiden hiermit beschriebenen Faktoren sind - wie zuvor schon bemerkt - dann gegeben, wenn die Güternachfrage relativ preisunelastisch ist. Wenn - im Extrem - eine völlig preisunelastische Nachfrage vorliegt und die Nachfragekurve somit eine Parallele zur Preisachse ist, wirkt nur der dritte Faktor. Dieser Spezialfall ist in Abbildung I-5 dargestellt.
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I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht
Version vom 19.05.05
Abbildung I-5 Preis pS ( X )
XD D
p*
B A B
D
p *
p S ( X )
A
0
Menge X*
dort Aufgrund des gegenüber pS ( X ) flacheren Verlaufs von p S ( X ) ist die Fläche ABD
offensichtlich kleiner als die Fläche ABD , so dass Abbildung I-5 tatsächlich einen Fall abbildet, in dem es zu einem Rückgang der Produzentenrente kommt. Wir gelangen also zu dem auf den ersten Blick etwas überraschenden Ergebnis, dass eine technische Neuerung, die zu einer Verminderung der Grenzkosten der Produktion führt, nicht unbedingt im (kollektiven) Interesse der Produzenten liegt, von denen eine solche Innovation auszugehen hat. Deshalb kann es unter Umständen dazu kommen, dass bei vollkommener Konkurrenz die erstbeste wohlfahrtsmaximierende Lösung, welche die Wahl der kostengünstigeren Produktionstechnik voraussetzt, doch nicht verwirklicht wird.
c) Die Wirkung staatlicher Eingriffe
c1) Höchst- und Mindestpreise Im Rahmen des hier zugrunde liegenden Konkurrenzmarkt-Modells sind es in vielen Fällen staatliche Eingriffe, welche das Erreichen der Optimallösung mit X * als Produktionsmenge verhindern. Als erstes Beispiel für eine solche Maßnahme behandeln wir hier die Einführung eines Höchstpreises für das entsprechende Gut. Meist aus sozialen Gründen werden solche Höchstpreise insbesondere bei Grundbedarfsgütern angewendet. Verbreitet waren und sind v. a. Mietpreisbindungen, durch die der Wohnungsmarkt reguliert wird. Restbestände solcher Regelungen, die im Übrigen das Prinzip der Vertragsfreiheit einschränken, gibt es auch in Deutschland. Die Festsetzung von Höchstpreisen wird zumeist 25
I. Märkte
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2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht
Version vom 19.05.05
mit dem Bestreben begründet, Wucher (und damit die Ausbeutung wirtschaftlich Schwacher) zu vermeiden. So verwundert es nicht, dass es gerade in der Zeit von Hungersnöten zur Einführung von Höchstpreisen für Grundnahrungsmittel (meist ergänzt durch die Ausgabe von Lebensmittelmarken) kam. Wir wollen jetzt analysieren, wie sich die Festlegung einer Preisbegrenzung p < p∗ auf die Allokation im Konkurrenzmarkt-Modell auswirkt: Wenn die Produzenten keinen höheren Güterpreis als p erzielen können, werden sie nur die Menge X S ( p ) < X * anbieten. Die produzierte Menge bleibt also unter der gesamtwirtschaftlich optimalen Menge, weil bei dem zu niedrigen Preis viele potenzielle Anbieter auf ein Angebot verzichten. ("Warum soll ich in eine Mietwohnung investieren und mich mit Mietern herumärgern, wenn ich dafür nur eine geringe Miete bekomme?") Der durch die Preisregulierung verursachte Wohlfahrtsverlust (der "Deadweight Loss") wird in der Abbildung I-6 durch die Fläche EBF beschrieben.
Abbildung I-6 Preis C
pS ( X ) F
pD ( X S ( p )) p* D p G
H
B
E
A
pD ( X )
X S ( p)
X*
Menge
Bei der Angebotsmenge X S ( p ) ist die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten aber höher als der Preis. Formal gilt pD ( X S ( p )) > p , wobei wieder pD ( X ) die inverse Nachfrage bezeichnet. Da die Konsumenten aufgrund der bestehenden Höchstpreis-Regelung ihre höhere Zahlungsbereitschaft nicht offiziell bzw. legal in Nachfrage umsetzen können, ist in dieser Situation mit der Bildung eines Schwarzmarktes zu rechnen. Auf diesem werden
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I. Märkte 2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht
Mikroökonomie I, SS 2005 Version vom 19.05.05
dann faktisch Preise bezahlt, die weit über dem offiziellen, vom Staat festgelegten Höchstpreis liegen. Damit wird die Preisbildung willkürlich - und das Preissystem büßt seine regulative Funktion ein.
Da die Festsetzung von Höchstpreisen auf sozialpolitischen Motiven beruht, sind natürlich die Verteilungswirkungen einer solchen Preisregulierung von ganz besonderem Interesse. Klar ist, dass durch den Maximalpreis p die Produzentenrente von ABD auf AEG sinkt. Ob jedoch im Gegenzug die Gesamtheit der Konsumenten tatsächlich in der erwünschten Weise von der Fixierung eines Höchstpreises profitiert, lässt sich a priori nicht eindeutig beantworten. Die Konsumentenrente im unregulierten Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht beträgt DBC , nach Einführung von p hat sie sich zu GEFC verändert. Beiden Konsumentenrenten-Flächen ist die Teilfläche DHFC gemeinsam, so dass es für die Nettobilanz der Konsumenten nach Einführung eines Höchstpreises darauf ankommt, ob GEHD größer oder kleiner ist als HBF . GEHD beschreibt grob gesprochen den Gewinn der Konsumenten aufgrund des gegenüber dem Konkurrenzmarktpreis reduzierten Preises, HBF ihren Verlust aufgrund des eingeschränkten Angebots. Die Konsumenten gewinnen also einerseits durch den vom Staat durchgesetzten niedrigeren Güterpreis und verlieren andererseits durch die damit einher gehende Einschränkung des Güterangebots. Im Falle von HBF > GEHD , was auch in Abbildung I-6 dargestellt ist, überwiegt der Verlust den Ge-
winn. Es kommt dann zu einer Netto-Einbuße für die Konsumenten, so dass die Preisregulierung ihren verteilungspolitischen Zweck völlig verfehlt. Eine solche Konstellation tritt umso eher dann ein, wenn die inverse Nachfragefunktion steil und die inverse Angebotsfunktion flach ist, d. h. die Nachfrage relativ preisunelastisch, das Angebot aber relativ preiselastisch ist.
Bei eher preiselastischer Nachfrage und eher preisunelastischem Angebot ist dies gerade umgekehrt. Hier profitieren die Konsumenten, wie es von der Politik angestrebt wird, von der Preiskontrolle. Zumindest kurzfristig dürfte ein relativ preisunelastisches Angebot auch für den wichtigsten Anwendungsfall von Höchstpreis-Regelungen, nämlich dem Mietwohnungsmarkt, in der Tat vorliegen.
In ähnlicher Weise lassen sich die Wirkungen von Mindestpreisen untersuchen. Von empirischer Bedeutung sind diese insbesondere im Zusammenhang mit Regulierungen des Ar-
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I. Märkte
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2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht
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beitsmarktes. Nicht überall existieren zwar gesetzlich fixierte Mindestlöhne, jedoch kann die Gewährung von Sozialhilfe (wie in Deutschland) faktisch wie ein Mindestlohn wirken.
c2) Verbrauchsteuern Ein weiteres wichtiges Beispiel für staatliche Maßnahmen, die zu einer Veränderung von Marktgleichgewichten führen, stellen Steuern dar. In unserem Mengen-Preis-Diagramm wollen wir beschreiben, wie eine Mengensteuer, deren Bemessungsgrundlage die physische Quantität (Kilogramm, Liter, ...) des gehandelten Gutes ist, das KonkurrenzmarktGleichgewicht verändert. Ein wichtiges Beispiel für eine solche Steuer ist in Deutschland die Mineralölsteuer. Wenn wir mit t den Steuersatz einer solchen Mengensteuer bezeichnen, so bedeutet die Einführung einer Mengensteuer grafisch, dass sich die inverse Angebotsfunktion um t parallel nach oben verschiebt, während die Nachfragefunktion gleich bleibt. Dabei gehen wir davon aus, dass p jetzt den von den Verbrauchern entrichteten Preis des Gutes (den Konsumentenpreis) angibt. Darin ist der Steuersatz t enthalten, so dass der Nettopreis, den die Anbieter pro verkaufter Menge bekommen (der Produzenten-
preis), p − t beträgt. Die Angebotsfunktion X St ( p ) nach Erhebung der Steuern bestimmt sich somit als X St ( p ) = X S ( p − t ) .
Für die inverse Angebotsfunktion gilt dann pSt ( X ) = pS ( X ) + t .
In Abbildung I-7 liegt das neue Marktgleichgewicht im Punkt Bt , die produzierte und am Markt gehandelte Menge sinkt infolge der Erhebung der Mengensteuer von X * auf X t , der Konsumentenpreis steigt von p* auf pt und der Produzentenpreis sinkt von p* auf
pt − t .
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I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht
Version vom 19.05.05
Abbildung I-7 Konsumentenpreis pSt ( X ) C
t pt H p* D pt − t
E
Bt J
B F pD ( X )
A
0
pS ( X )
Xt
X*
Menge
Die gesamte Steuerzahlung tX t (die Steuereinnahmen des Staates) wird in Abbildung I-7 durch das Rechteck EFBt H gemessen. Weil durch die Steuer sowohl der Konsumentenpreis erhöht als auch der Produzentenpreis gesenkt wird, trägt nicht eine der beiden Marktseiten allein die Steuerlast. Wenn die Steuer bei den Anbietern erhoben wird, gelingt es diesen also, einen Teil der Steuerlast auf die Nachfrager zu überwälzen. Das Ausmaß dieser Steuerüberwälzung wird deutlich, wenn wir in Abbildung I-7 die Größe der Flächen
DJBt H und EFJD miteinander vergleichen, die zusammen gerade die Fläche EFBt H der Steuerzahlung ergeben. Da DJBt H = ( pt − p* ) X t
gilt, d. h. DJBt H das Produkt aus der Differenz zwischen dem neuen und dem alten Konsumentenpreis und der steuerlichen Bemessungsgrundlage X t ist, lässt sich DJBt H als derjenige Teil der Steuerlast auffassen, der von den Konsumenten getragen wird. EFJD gibt dann den Teil des gesamten Steueraufkommens wieder, den die Anbieter tragen.
Das Verhältnis DJBt H / EFJD ist umso größer, je steiler die inverse Nachfragefunktion
pD ( X ) und je flacher die inverse Angebotsfunktion pS ( X ) ist, d. h. je preisunelastischer die Nachfrage und je preiselastischer das Angebot ist. Dies bedeutet, dass die Konsumen29
I. Märkte 2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht
Mikroökonomie I, SS 2005 Version vom 19.05.05
ten von einer Verbrauchsteuer(erhöhung) umso stärker getroffen werden, je schlechter sie das betreffende Gut durch andere Güter ersetzen können. Bei der Mineralölsteuer dürfte dies zumindest kurzfristig der Fall sein.
Die von uns hier betrachtete Mengensteuer hat aber nicht nur die soeben beschriebenen Verteilungseffekte, sondern auch einen realwirtschaftlichen Allokationseffekt, d. h. das Produktionsniveau wird durch diese Steuer ebenso beeinflusst wie das gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtsniveau: Da die Produktion ja auf das Niveau X t zurückgeht, wird das bei
X * gelegene gesamtwirtschaftlich optimale Produktionsniveau nach Erhebung der Steuer nicht mehr erreicht. Der von der Steuer somit ausgelöste reale Wohlfahrtsverlust wird durch das Harberger-Dreieck FBBt gemessen ( Fläche zwischen gesamtwirtschaftlicher Grenznutzenfunktion pD ( X ) und der gesamtwirtschaftlichen Grenzkostenfunktion pS ( X ) zwischen X t und X * ).
Ein solcher steuerlich bedingter Wohlfahrtsverlust wird auch als steuerliche Zusatzlast (“Excess Burdens of Taxation“) bezeichnet. Sein Entstehen lässt sich dadurch erklären, dass eine Mengensteuer der beschriebenen Art das Verhalten der am Markt aktiven Produzenten und Konsumenten verändert, indem sie einen Keil zwischen Konsumenten- und Produzentenpreis treibt. Das Preissystem wird durch diese Verzerrung deshalb an der Herstellung der gesamtwirtschaftlich optimalen Lösung gehindert.
Die zentrale Botschaft, die sich aus der Beschreibung von Excess Burdens allgemein ergibt, lautet: Steuern belasten die Bürger nicht nur mit der eigentlichen Steuerzahlung, sondern darüber hinaus noch mit realen Wohlfahrtsverlusten, die der von der Steuer verursachten Verzerrung der relativen Preise anzulasten sind.
c3) Handelspolitische Maßnahmen Bisher haben wir angenommen, dass der von uns analysierte Markt von ausländischen Märkten völlig abgeschottet ist, d. h. dass das auf diesem Markt gehandelte Gut weder exportiert noch importiert wird. Jetzt hingegen wollen wir davon ausgehen, dass der betrachtete nationale/lokale Markt Teil des Weltmarktes für das betreffende Gut ist. Der Weltmarktpreis pW soll dabei niedriger sein als der lokale Gleichgewichtspreis p* . In der Realität liegt eine solche Situation bei vielen Nahrungsmitteln (wie etwa Weizen) oder aber bei 30
I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht
Version vom 19.05.05
der Steinkohle vor. Gibt es dann keinerlei Importbeschränkungen, können auch die Anbieter auf dem Binnenmarkt keinen höheren Preis als pW verlangen. Sie schränken ihr Angebot daher auf X S ( pW ) ein, während die Konsumenten eine im Vergleich zu X * höhere Gütermenge
X D ( pW )
nachfragen
(siehe
Abbildung
I-8).
Der
Differenzbetrag
X D ( pW ) − X S ( pW ) muss also aus dem Ausland importiert werden.
Abbildung I-8 Preis
C pS ( X )
B
p* D F
pW
G
A 0
pD ( X ) X S ( pW ) X *
X D ( pW )
Menge
Import
Gegenüber der reinen Binnenmarktlösung erhöht sich die Konsumentenrente durch den Außenhandel (von DBC ) auf EGC und die Produzentenrente sinkt (von ABD ) um EFBD auf AFE . Da die Erhöhung der Konsumentenrente ( EGBD ) dabei größer ist als
die Verminderung der Produzentenrente, steigt durch die ungehinderte Möglichkeit zum Import des betreffenden Gutes die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt in der betrachteten nationalen Volkswirtschaft um die schraffierte Fläche FGB .
Um die heimischen Produzenten zu schützen, wird der freie Handel aber vielfach eingeschränkt. Dies geschieht durch mengenmäßige Importbeschränkungen ("Importquoten") oder durch Zölle. Die Wirkungen dieser beiden Instrumente wollen wir jetzt untersuchen. Wir stellen uns zunächst vor, dass der Import des Gutes nur bis zur Höchstmenge X ges-
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I. Märkte
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2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht
Version vom 19.05.05
tattet ist. Infolge dieser Quotenreglementierung stellt sich auf dem Binnenmarkt dann ein Preis p ein, bei dem die Importmenge gerade der zulässigen Quote entspricht: X D ( p) − X S ( p) = X . Preis pS ( X )
Abbildung I-9 B
D
z
H p pw E
K
J F
L
G M
A
0
pD ( X ) X S ( pW ) X
X D ( pW )
Menge
Wie anhand von Abbildung I-9 zu erkennen ist, gewinnen die heimischen Produzenten durch die Importquote im Vergleich zum Szenario mit Freihandel EFJH , während die Konsumenten EGKH an Konsumentenrente verlieren. Durch die Beschränkung des internationalen Handels reduziert sich die Gesamtwohlfahrt im Heimatland (verglichen mit der Situation ohne Importrestriktionen) um FGKJ .
Dieser Wohlfahrtsverlust lässt sich dadurch vermindern, dass der Staat anstelle einer Quotenregelung einen Zoll als handelspolitisches Instrument verwendet. Ein Mengenzoll in Höhe von z := p − pW hat die gleichen Mengeneffekte wie die ursprüngliche Quotenregelung, jedoch erzielt der Staat jetzt Zolleinnahmen in Höhe von zX LMKJ , die er zur Finanzierung von Staatstätigkeit verwenden und somit in die nationale Ökonomie zurück führen kann. Gegenüber dem Fall mit Freihandel geht die Wohlfahrt im Heimatland dann nur um FLJ + MGK zurück - und somit um weniger als bei der Importbeschränkung auf
X . Der Vorteil von Zöllen als handelspolitische Maßnahme liegt aus der Sicht des Heimatlandes darin, dass es mit ihrer Hilfe gelingt, bei den ausländischen Anbietern denjenigen Zusatzgewinn abzuschöpfen, den sie ansonsten durch den von pW auf p gestiegenen Binnenmarktpreis hätten.
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I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Das kurzfristige Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht
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Für die ausländischen Unternehmen ist eine Importbeschränkung natürlich insofern von Nachteil, als diese zu einem sinkenden Güterabsatz auf dem von uns betrachteten Binnenmarkt führen. Ob sie aber insgesamt verlieren, steht bei einer Quotenregelung nicht von vornherein eindeutig fest. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass pX > pW ( X D ( pW ) − X S ( pW )) gilt. Wenn anstelle der Mengenbegrenzung X jedoch der (allokationsäquivalente) Zoll z eingesetzt wird, erhalten die ausländischen Anbieter nur den Nettopreis pW . Ihr Erlös aus der Belieferung des Marktes im Heimatland sinkt dann durch die handelsbeschränkende Maßnahme (von pW ( X D ( pW ) − X S ( pW )) ) auf pW X .
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I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
3. Das Angebotsmonopol
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3. Das Angebotsmonopol Bisher haben wir Märkte betrachtet, in denen es sehr viele Anbieter und Nachfrager gibt, die aufgrund ihrer großen Zahl keine Marktmacht besitzen und als Preisnehmer handeln. Jetzt hingegen nehmen wir an, dass einer nach wie vor großen Zahl von Nachfragern ein einziger Anbieter gegenüber steht. Das Angebotsmonopol, über das ein solcher Alleinanbieter verfügt, soll ihm auch nicht von anderen Anbietern streitig gemacht werden können. Ein Marktzutritt zusätzlicher Anbieter ist somit ausgeschlossen. Welche Gründe hierfür in der Realität angeführt werden können, werden wir später noch erörtern.
Da er auf keine Mitkonkurrenten achten muss, kann der Monopolist den Güterpreis im Prinzip frei wählen. Anders als ein Anbieter im Fall vollkommener Konkurrenz ist ein Monopolist also kein Preisnehmer, sondern - wenn man so will - ein autonomer "Preissetzer" oder "Preisgeber". Die Konsumenten bleiben hingegen passiv und passen sich mit ihrer Nachfrageentscheidung an die jeweils vorgegebenen Preise an. Wenn der Monopolist den Preis p wählt, ergibt sich seine Absatzmenge durch die Nachfragefunktion als X D ( p) ,
so
dass
der
Erlös
des
Monopolisten
pX D ( p )
und
sein
Gewinn
GM ( p ) = pX D ( p) − C ( X D ( p)) beträgt. (Wie zuvor beschreibt C ( X ) wieder die Kostenfunktion, jetzt eben die des Monopolisten). Das Verhalten des Monopolisten lässt sich alternativ hierzu aber auch durch die Annahme beschreiben, dass der Monopolist nicht den Preis, sondern die Angebotsmenge X vorgibt. Beschreibt pD ( X ) die inverse Nachfragefunktion, beträgt der Gewinn des Monopolisten bei Produktion der Menge X
GM ( X ) = pD ( X ) X − C ( X ) = RM ( X ) − C ( X ) . Dabei steht RM ( X ) = pD ( X ) X für den Erlös des Monopolisten. Im Folgenden legen wir den zweiten Ansatz zugrunde und interpretieren das Verhalten des Monopolisten als Mengensetzung.
Das Unternehmensziel soll natürlich auch beim Monopolisten darin bestehen, den Gewinn zu maximieren. Allerdings sei hier angemerkt, dass ein Monopolist weniger Gefahr läuft, seine wirtschaftliche Existenz einzubüßen, als ein Anbieter bei vollkommener Konkurrenz, wenn er am Ziel der Gewinnmaximierung gewisse Abstriche macht.
34
I. Märkte
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3. Das Angebotsmonopol
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Bei der Wahl der gewinnmaximierenden Produktionsmenge X M wägt der Monopolist zwei Effekte gegeneinander ab: Den Gewinnzuwachs durch Erhöhung des Absatzpreises, der sich bei einer Angebotsverknappung ergibt, auf der einen Seite gegen die Gewinneinbuße durch die Verminderung der Absatzmenge auf der anderen Seite.
Wenn der Monopolist seine Gewinnfunktion GM ( X ) durch geschickte Wahl von X maximiert, so führt dies (durch Ableiten von GM ( X ) nach X und Null-Setzen der Ableitung) auf die Marginalbedingung
(I-3-1)
RM′ ( X M ) − C ′( X M ) = p′D ( X M ) X M + pD ( X M ) − C ′( X M ) = 0 .
Daraus folgt insbesondere, dass im Gewinnmaximum des Monopolisten dessen Grenzerlös mit den Grenzkosten übereinstimmen muss. Weil die inverse Nachfragefunktion pD ( X ) in X fällt, d. h. weil p′D ( X ) < 0 für alle X gilt, hat man
RM′ ( X ) = p′D ( X ) X + pD ( X ) < pD ( X ) .
Die Grenzerlösfunktion des Monopolisten liegt also überall unterhalb der inversen Nachfragefunktion. Der Einfachheit halber gehen wir hier davon aus, dass die Grenzkosten der Produktion anwachsen oder zumindest nicht fallen ( C ′′( X ) ≥ 0 ). Dann liegt das gewinnmaximale Produktionsniveau X M des Monopolisten unter der Produktionsmenge X * , die sich unter ansonsten gleichen Bedingungen bei vollkommener Konkurrenz ergäbe und die ja das gesamtwirtschaftliche Optimum darstellt. In der Monopollösung zahlen die Konsumenten den Güterpreis pM = pD ( X M ) , der über dem Gleichgewichtspreis p* der Konkurrenzmarkt-Lösung liegt. In Abbildung I-10 ist die Bestimmung der gewinnmaximalen Outputmenge grafisch beschrieben.
35
I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
3. Das Angebotsmonopol
Version vom 06.04.05
Abbildung I-10 Preis, GK C
pM G
C ′( X )
F B
p* D E
0
pD ( X )
RM′ ( X )
A
Menge
XM
X*
Wie in vielen grafischen Darstellungen eines Monopolgleichgewichts ist auch in Abbildung I-10 für die inverse Nachfragefunktion ein linearer Verlauf unterstellt. Für die zentralen Aussagen ist dies zwar nicht weiter von Belang, jedoch werden die Zeichnung und auch die Berechung der Monopollösung dadurch einfacher. Formal bedeutet ein linearer Verlauf der inversen Nachfragefunktion, dass sich diese darstellen lässt als
pD ( X ) = a − bX
(mit
a, b > 0 ).
Die Erlösfunktion des Monopolisten ist dann RM ( X ) = (a − bX ) X , so dass sich für den Grenzerlös
RM′ ( X ) = a − 2bX
ergibt. Im Vergleich zur inversen Nachfragefunktion verläuft die Grenzerlösfunktion also doppelt so steil, so dass sie im Vergleich zur inversen Nachfragefunktion auch den halben X -Achsenabschnitt aufweist: a / 2b an Stelle von a / b .
Den Gewinn, den der Monopolist in der für ihn gewinnmaximalen Lösung erzielt, kann man anhand von Abbildung I-10 in zweifacher Weise darstellen: (Dabei wird wieder vor36
I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
3. Das Angebotsmonopol
Version vom 06.04.05
ausgesetzt, dass es keine Fixkosten bei der Produktion gibt, so dass die Produzentenrente mit dem Gewinn zusammen fällt.)
•
Zum einen ist
GM ( X M ) = pD ( X M ) X M − C ( X M ) = pD ( X M ) X M −
XM
∫ C ′( X )dX 0
= AEFG. •
Zum anderen gilt
GM ( X M ) = R( X M ) − C ( X M ) =
XM
∫ ( R′( X ) − C ′( X ))dX 0
= AEC. Insbesondere folgt hieraus, dass die beiden Flächen AEFG und AEC gleich groß sein müssen. Die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt in der Monopollösung beträgt AEFC ( Fläche zwischen der Grenznutzenfunktion der Konsumenten pD ( X ) und der Grenzkostenfunktion C ′( X ) ). Sie ist um EBF kleiner als das unter den gegebenen Bedingungen maximal mög-
liche Wohlfahrtsniveau ABC . Die von einem Monopolisten zur Maximierung seines Gewinns vorgenommene Verknappung des Güterangebots führt also zu einem Wohlfahrtsverlust in Höhe von EBF , der auch als "Deadweight Loss of Monopoly" bezeichnet wird. Obwohl die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt im Monopol niedriger ist als bei vollkommener Konkurrenz, ist der Produzentengewinn höher. In Abbildung 1-10 muss AEFG > ABD sein, sonst würde der Monopolist ja nicht freiwillig die kleinere Produktionsmenge X M wählen. Der im Monopol entstehende Wohlfahrtsverlust geht somit mehr als voll zu Lasten der Verbraucher, deren Konsumentenrente gegenüber dem vollkommenen Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht (Punkt B ) von DBC auf GFC sinkt.
Die vom Monopolisten gegenüber der gesamtwirtschaftlich optimalen Lösung vorgenommene Einschränkung der Produktion bewirkt insbesondere, dass in der Monopollösung der
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I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
3. Das Angebotsmonopol
Version vom 06.04.05
Güterpreis über den Grenzkosten liegt: pM > C ′( X M ) . Mit Hilfe der Marginalbedingung (I-3-1) lässt sich das Ausmaß der Abweichung des Monopolpreises von den Grenzkosten auch quantifizieren. So folgt aus (I-3-1) (wegen pM = pD ( X M ) ):
(I-3-2)
p′ ( X ) X pM 1 + D M M pD ( X M )
= C ′( X M ) .
Der zweite Summand in der Klammer auf der linken Seite von (I-3-2) ist offensichtlich eine Elastizität, die angibt, um wie viel Prozent der Preis des Gutes fallen muss, damit die Nachfrage nach dem Gut um ein Prozent wächst. Diese Elastizität ist der Kehrwert einer wesentlich gebräuchlicheren Elastizität, nämlich der Preiselastizität der Nachfrage ε D ( p) . Diese beschreibt, um wie viel Prozent sich die Güternachfrage ändert, wenn der Güterpreis um ein Prozent wächst. Somit lässt sich die Gleichung (I-3-2) umformen zu
(I-3-3)
1 pM 1 + = C ′( X M ) ε D ( pM )
(I-3-4)
pM =
bzw.
C ′( X M ) . 1 1+ ε D ( pM )
Weil ε D ( pM ) (wegen p′( X ) < 0 ) auch kleiner als null ist, hat man - wie auch nicht anders zu erwarten ist - pM > C ′( X M ) . Die Gleichung (I-3-4), die in der Literatur im Übrigen auch als Robinson-Relation bezeichnet wird, erlaubt auch die Aussage, dass der Monopolpreis umso stärker von den Grenzkosten abweicht, je kleiner der Betrag der Preiselastizität
ε D ( pM ) ist. (Ein kleiner Wert von ε D ( pM ) impliziert ja, dass im Nenner des Ausdrucks auf der rechten Seite von (I-3-4) ein großer Betrag von eins abgezogen wird, so dass der Nenner insgesamt nur einen niedrigen (positiven) Wert annimmt und pM somit groß wird.)
Ein Monopolist verfügt also über eine umso höhere Monopolmacht, je geringer die Preiselastizität der Nachfrage ist. Dies leuchtet im Prinzip auch ohne Rechnung ein, weil es dem Monopolisten in diesem Falle gelingt, den Güterpreis in die Höhe zu treiben, ohne gleich38
I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
3. Das Angebotsmonopol
Version vom 06.04.05
zeitig einen allzu großen Gewinneinbruch durch den Rückgang der abgesetzten Gütermenge im Kauf nehmen zu müssen.
Die in (I-3-4) ermittelte Robinson-Relation kann man in doppelter Weise deuten:
Aus der strategischen Perspektive eines Monopolisten liefert sie eine "Daumenregel" dafür, welchen Preisaufschlag ("Mark-up") er zur Maximierung seines Gewinns vorzunehmen hat, wenn er über die Höhe der Preiselastizität der Nachfrage informiert ist (bzw. zumindest über entsprechende Schätzungen verfügt).
Aus der Perspektive eines außen stehenden Beobachters erhält man in diesem Zusammenhang einen Index für das Ausmaß der Monopolistenmacht. Zunächst bietet es sich an, im vom Monopolisten vorgenommenen relativen Preisaufschlag auf die Grenzkosten einen Ausdruck für die Macht des Monopolisten zu sehen. Bezogen auf den Preis lautet dieser Lerner-Index für die Monopolmacht
L=
pM − C ′( X M ) . pM
Das aus Gleichung (I-3-3) aber
pM − C ′( X M ) = −
pM ε D ( pM )
folgt, lässt sich der Lerner-Index auch als
L=−
1 1 = ε D ( pM ) ε D ( pM )
schreiben. Um die Ausübung der Monopolmacht zu begrenzen und die Konsumenten vor Ausbeutung durch den Monopolisten zu schützen, kann der Staat eine Preisregulierung einführen. Wenn dem Monopolisten nicht gestattet ist, seinen Preis über p* hinaus zu erhöhen, wird auf diesem Wege sogar die gesamtwirtschaftlich optimale Lösung erreicht.
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I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
3. Das Angebotsmonopol
Version vom 06.04.05
Der Monopolist hat ja sicherlich kein Interesse daran, mehr als X * zu produzieren und somit einen niedrigeren Preis als p* inkaufzunehmen. Im Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Vorteilhaftigkeit von Höchstpreis-Regelungen besteht also ein deutlicher Unterschied zwischen der Situation bei vollkommener Konkurrenz und der im Monopol: Während bei vollkommener Konkurrenz solche Preisgrenzen wohlfahrtsschädlich wirken, können sie im Monopol zu einer erheblichen Wohlfahrtssteigerung beitragen.
Allerdings erscheint es bei näherem Hinsehen nicht mehr ganz so zwingend wie auf den ersten Blick, dass es im Fall des Angebotsmonopols einer staatlichen Regulierung bedarf. Hohe Monopolgewinne locken – wie wir es auch später bei der Behandlung des langfristigen Konkurrenzmarkt-Gleichgewichts noch sehen werden – neue Anbieter auf den Markt. Dadurch wird der Preiserhöhungsspielraum des Monopolisten beschränkt. Auch eine lediglich potenzielle Konkurrenz diszipliniert den Monopolisten und schützt (zumindest bis zu einem gewissen Grade) die Verbraucher.
Volle empirische Gültigkeit hat das Monopol-Modell nur in den Fällen, in denen es ausgeschlossen ist, dass neue Anbieter dem ursprünglichen Monopolisten den Markt streitig machen. Nicht-bestreitbare Märkte (non-contestable markets) liegen vor, wenn das Angebot des Alleinanbieters aufgrund natürlicher Gegebenheiten nicht durch andere Angebote ersetzt werden kann. Dabei ist daran zu denken, dass etwa nur ein einziger Anbieter im Besitz einer wichtigen natürlichen Ressource ist - was in der Wirklichkeit allerdings eher selten vorkommt. Für ein Hotel dürfte die Lage an einem schönen See zwar ein Alleinstellungsmerkmal bedeuten, es gibt aber nicht nur einen einzigen See. Eine höhere Mobilität (durch niedrigere Transportkosten) dürfte ganz allgemein monopolistische Produktion erschweren.
In den empirisch wohl bedeutsamsten Fällen dürfte es sogar der Staat selber sein, der Unternehmen Monopolmacht gewährt, indem er ihnen für Produkte und Produktionsverfahren Patente erteilt, die Produzenten eines ganz bestimmten Gutes vor Nachahmern schützen.
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I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
4. Preisdiskriminierung
Version vom 06.04.05
4. Preisdiskriminierung Ein Monopolist ist eventuell in der Lage, seinen Gewinn noch dadurch zu steigern, dass er nicht für alle von ihm veräußerten Einheiten des Gutes den gleichen Preis verlangt. Diese Differenzierung des Güterpreises, die in der Literatur auch als Preisdiskriminierung bezeichnet wird, kann sich entweder an der Höhe der verkauften Menge oder aber am Kreis der Käufer orientieren. Bevor wir die empirische Anwendbarkeit dieser Ansätze diskutieren, geben wir zunächst eine Beschreibung ihrer theoretischen Grundlagen.
a) Die theoretischen Ansätze
a1) Preisdiskriminierung ersten und zweiten Grades Beim Monopolpreis pM sind die Konsumenten nur bereit, die Monopolmenge X M zu kaufen. Will der Monopolist seinen Umsatz ausweiten, muss er den Güterpreis senken. Bezieht sich diese Senkung auf alle veräußerten Einheiten, vermindert sich dadurch aber der Gewinn des Monopolisten. Unter der Bedingung, dass für alle Gütereinheiten ein gleich hoher Preis bezahlt wird, wählt ja der Monopolist zur Maximierung seines Gewinns gerade die Absatzmenge X M bzw. den Absatzpreis pM . Eine Verbesserungsmöglichkeit besteht aus der Sicht des Monopolisten darin, nur für die über X M hinausgehenden Mengeneinheiten einen niedrigeren Preis zu verlangen. Nehmen wir an, der Monopolist möchte insgesamt die Menge X > X M produzieren und auch verkaufen. Für die letzte von ihm erzeugte Einheit kann er dann (logischerweise) nur den Preis pD ( X ) verlangen, der gerade der Zahlungsbereitschaft der Verbraucher für diese letzte Einheit entspricht. Eine ganz einfache Preisdifferenzierungsstrategie könnte dann folgendermaßen aussehen: Für die Menge X M verlangt der Monopolist den Preis pM ( = pD ( X M ) ), für die zusätzliche Menge X − X M aber nur den niedrigeren Preis pD ( X ) . Auf diese Weise gelingt dem Monopolisten der Absatz der höheren Menge X , ohne dass er dadurch seinen Gewinn schmälert. Er erhöht ihn sogar und zwar um den Betrag pD ( X )( X − X M ) − (C ( X ) − C ( X M )) , d. h. um die Differenz zwischen dem zusätzlichen Erlös und den zusätzlichen Produktionskosten bei Ausdehnung der Produktion von X M auf X . Dabei wächst auch der Nutzen der Konsumenten, so dass es zu einer gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtssteigerung kommt. Abbildung I-11 verdeutlicht diese Aussage.
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I. Märkte
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4. Preisdiskriminierung
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Abbildung I-11 Preis, GK C
A
0
C ′( X )
F
G
pM ~ ~ p G
~ F
K
E
~ E
B
RM′ ( X )
X M X~
pD ( X ) Menge
, die KonsuDer Gewinn bzw. die Produzentenrente des Monopolisten steigt um EEFK . Die Gesamtwohlfahrt (als Summe von Produzenten- und mentenrente wächst um KFF zu. Bei einer solchen Preisdifferenzierung nach Konsumentenrente) nimmt also um EEFF veräußerten Mengeneinheiten spricht man von einer Preisdiskriminierung zweiten Grades.
Nicht in jedem Fall muss eine solche Preisdiskriminierung zweiten Grades im Interesse der Verbraucher sein. Der Monopolist könnte, wenn er die theoretischen Zusammenhänge durchschaut hat, nämlich auch auf die Idee kommen, die im Vergleich zu pM höhere Zahlungsbereitschaft der Konsumenten für unter X M gelegene Mengen auszunutzen. Im einfachsten Fall verlangt er dann für eine Menge X < X M den über pM gelegenen Preis p = pD ( X ) und nur für die Menge ( X M − X ) den ursprünglichen Monopolpreis pM . Wie
die Abbildung I-12 zeigt, erhöht sich der Gewinn des Monopolisten dadurch um ( p − pM ) X , die Konsumentenrente sinkt um den gleichen Betrag. Weil sich die Produkti-
onsmenge nicht ändert (sie beträgt nach wie vor X M ), bleibt die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt gleich. Es kommt durch die Diskriminierung zweiten Grades hier nur zu einer Umverteilung von den Konsumenten zum Monopolisten, wodurch (gegenüber der eigentlichen Monopol-Allokation mit der Produktionsmenge X M und dem Konsumentenpreis pM ) der Nutzen der Konsumenten weiter zurückgeht.
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I. Märkte
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4. Preisdiskriminierung
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Abbildung I-12
Preis, GK
~ ~ p pM
C ′( X )
pD ( X )
RM′ ( X )
Menge
~ ~ X XM
0
Je besser der Monopolist in der Lage ist, die von ihm für verschiedene Mengenintervalle geforderten Preise abzustufen, desto mehr kann er durch eine immer weiter gehende Abschöpfung der Konsumentenrente seine Gewinnposition verbessern. Die folgende Abbildung I-13 verdeutlicht dies für vier Mengenstufen X 1 , X 2 − X 1 , X 3 − X 2 sowie X 4 − X 3 für die jeweils die Preise p1 , p 2 , p 3 , p 4 verlangt werden. (Dabei ist p i = pD ( X i ) für i = 1,..., 4 ).
Abbildung I-13 Preis, GK C
~ p1 ~ p2
C ′( X )
~ p3 B
D ~ p4
0
~ X1
~ X2
~ X3
pD ( X )
~ X4 = X *
Menge
Bei der Darstellung dieses allgemeinen Falls der Preisdiskriminierung zweiten Grades muss im Übrigen auf die ursprüngliche Monopol-Allokation ( X M , pM ) gar nicht Bezug genommen werden. In unseren ersten beiden Beispielen (mit den Produktionsmengen X 43
I. Märkte 4. Preisdiskriminierung
Mikroökonomie I, SS 2005 Version vom 06.04.05
und X ) diente die Monopollösung nur als Ausgangspunkt, um das Verhalten des Monopolisten besser erklären zu können.
In Abbildung I-13 reicht die letzte Mengenstufe bis zur gesamtwirtschaftlich optimalen Produktionsmenge X * , bei der sich die Nachfragefunktion pD ( X ) und die Grenzkostenfunktion C ′( X ) gerade schneiden. Durch Preisdifferenzierung kommt es in diesem Fall sogar dazu, dass der Monopolist die gesamtwirtschaftlich optimale Produktionsmenge X * erzeugt. Allerdings haben die Konsumenten in der in Abbildung I-13 dargestellten Situation nur wenig davon. Ihre gesamte Konsumentenrente ist gerade so groß wie die abschattierte Fläche. Würde die gesamtwirtschaftlich optimale Menge X * unter Konkurrenzbedingungen erzeugt und verkauft, wäre die Konsumentenrente so groß wie das Dreieck DBC . Die Differenzfläche zwischen dem Dreieck DBC und der getönten Fläche eignet
sich der monopolitische Anbieter durch die von ihm vorgenommene Preisdiskriminierung zweiten Grades an.
An dieser Überlegung wird auch deutlich, worauf diese Art der Preisdifferenzierung letzten Endes hinauslaufen kann. Wird die Zahl der Mengenabstufung immer größer und die Länge der Mengenintervalle, für die jeweils derselbe Preis verlangt wird, immer kleiner, schöpft der Monopolist (im Grenzfall) sogar die gesamte Konsumentenrente ab, die sich bei Produktion der optimalen Menge X * ergibt. Je kleiner die einzelnen Mengenintervalle in Abbildung I-13 werden, desto kleiner wird die abschattierte Fläche, und die den Verbrauchern verbleibende Konsumentenrente geht schließlich gegen null. Die gesamte Wohlfahrt fällt dann dem Monopolisten zu. In diesem Extremfall spricht man von Preisdiskriminierung ersten Grades. Bei einer solchen aus der Sicht des Anbieters perfekten Preisdifferenzierung stellt sich der Monopolist besser als in der Monopolallokation mit dem Einheitspreis pM , die Konsumenten stellen sich aber schlechter. Das für den eigentlichen Monopolfall charakteristische Allokationsproblem (der Monopolist produziert weniger als gesamtwirtschaftlich optimal wäre: X M < X * ) wird jetzt zwar vermieden, dafür wird das Verteilungsproblem verschärft: die Konsumenten leiden bei Preisdiskriminierung ersten Grades noch mehr als im nicht-diskriminierenden Monopolfall.
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I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
4. Preisdiskriminierung
Version vom 06.04.05
a2) Preisdiskriminierung dritten Grades
Die Darstellung der Preisdiskriminierung dritten Grades ist in konzeptioneller Hinsicht zwar etwas einfacher als die der Preisdiskriminierung zweiten Grades, dafür erfordert sie aber einen gewissen Rechenaufwand.
Die Ausgangssituation besteht darin, dass ein monopolistischer Anbieter mit der Kostenfunktion C ( X ) mit zwei klar identifizierbaren Nachfragergruppen a und b konfrontiert ist, die durch ihre jeweiligen Preis-Absatz-Funktionen ( inversen Nachfragefunktionen) pDa ( X ) und pDb ( X ) charakterisiert sein sollen. Die Frage ist dann, welche Mengen X Ma
und X Mb der Monopolist auf den beiden Teilmärkten jeweils anbieten bzw. welche Preise pMa ( = pDa ( X Ma ) ) und pMb ( = pDb ( X Mb ) ) er von den beiden Nachfragergruppen verlangen
soll, wenn er wiederum danach strebt, seinen Gewinn zu maximieren.
Zu bestimmen sind dann diejenigen Produktionsmengen X Ma und X Mb , die den gesamten Monopolgewinn GM ( X a , X b ) = p a ( X a ) X a + p b ( X b ) X b − C ( X a + X b ) maximieren. Wenn man GM ( X a , X b ) sowohl nach X a als auch nach X b ableitet und beide Ableitungen gleich null setzt, erhält man die Marginalbedingungen p a′ ( X Ma ) X Ma + p a ( X Ma ) = C ′( X Ma + X Mb ) p b′ ( X Mb ) X Mb + p b ( X Mb ) = C ′( X Ma + X Mb ) .
Auf der rechten Seite dieser beiden Marginalbedingungen stehen identische Grenzkosten der Produktion, so dass sich durch Gleichsetzen der beiden linken Seiten (und Ausklammern der jeweiligen Preise pMa = pDa ( X Ma ) und pMb = pDb ( X Mb ) ) die folgende Identität ergibt: p a′ ( X Ma ) X Ma pMa 1 + pMa
p b′ ( X Mb ) X Mb = pMb 1 + pMb
.
Dabei gilt p a′ = ∂p a / ∂x und pb′ = ∂pb / ∂x . Daraus folgt
45
I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
4. Preisdiskriminierung
(I-4-1)
Version vom 06.04.05
1 ε ( pMb ) p . = 1 p 1− a a ε D ( pM ) a M b M
1−
b D
Wie wir bei der Behandlung des Standardmonopolfalls ja bemerkt hatten, ist
−
pDa ′ ( X Ma ) X Ma 1 = a a a pM ε D ( pM )
und
pDb ′ ( X Mb ) X Mb 1 − = b b , b pM ε D ( pM )
wobei ε Da ( pMa ) und ε Db ( pMb ) die Preiselastizitäten der Nachfrage auf den beiden Gütermärkten a und b (bei den Preisen pMa und pMb ) bezeichnen. Die sich bei Gewinnmaximierung ergebende Preisdifferenzierungs-Regel besitzt damit eine wichtige Interpretation: Angenommen es gilt ε Da ( pMa ) > ε Db ( pMb ) , d. h. die Nachfrage auf dem Teilmarkt b ist preis-unelastischer als auf dem Teilmarkt a . Im Zähler von (I-4-1) wird dann ein größerer Betrag von eins abgezogen als im Nenner, so dass der Zähler kleiner ist als der Nenner. Da in diesem Fall pMa / pMb < 1 gilt, folgt pMa < pMb .
Allgemein gilt also, dass eine (betragsmäßig) geringere Preiselastizität der Nachfrage auf
einem Teilmarkt zur Folge hat, dass ein gewinnmaximierender Monopolist dort einen höheren Preis fordern wird. Diese Aussage ist auch intuitiv plausibel: Geringe Preiselastizität der Nachfrage bedeutet ja, dass die Konsumenten auf dem betreffenden Markt bei einer Preiserhöhung das auf diesem Markt gehandelte Gut nur in geringem Maße substituieren können oder wollen. Insofern verfügt ein Monopolist gerade auf einem solchen Markt über eine hohe Marktmacht, die er durch die Wahl eines relativ hohen Angebotspreises auch zur Maximierung seines Gewinns nutzen wird. 46
I. Märkte 4. Preisdiskriminierung
Mikroökonomie I, SS 2005 Version vom 06.04.05
b) Empirische Anwendungen
Im vorhergehenden Abschnitt wurden Preisdifferenzierungs-Strategien für den Fall eines einzelnen Anbieters behandelt. Die in diesem Zusammenhang relevanten Grundideen haben aber auch Gültigkeit, wenn es mehrere Firmen gibt, die in begrenzter Konkurrenz zueinander stehen. Die Grundideen solcher Preisbildungsmodelle sind im Fall mehrerer Anbieter aber nur anwendbar, wenn eine leichte Preiserhöhung einer einzelnen Firma über den Konkurrenzmarktpreis - anders als bei vollkommener Konkurrenz - nicht sofort dazu führt, dass die Nachfrage bei dieser Firma völlig wegbricht. Auf diesen Aspekt werden wir in einem der nächsten Kapitel - bei der Behandlung der monopolistischen Konkurrenz noch näher eingehen.
Die Preisdiskriminierung ersten Grades lässt sich in der Realität so gut wie nie wirklich einsetzen. Um eine derartige vollkommene Differenzierung der Preise wirklich praktizieren zu können, müsste der Anbieter die maximalen Zahlungsbereitschaften für zusätzlich produzierte Gütereinheiten ganz genau kennen. Insbesondere müsste er über die Zahlungsbereitschaften einzelner Kunden genau Bescheid wissen. Diese Zahlungsbereitschaften sind den Individuen aber nicht an der Nase abzulesen - und wenn der Anbieter sie erfragt, würden die Konsumenten natürlich falsche (nämlich zu niedrige) Werte für ihre Zahlungsbereitschaften nennen. Da sie mit der Angabe der Zahlungsbereitschaft ihren individuellen Güterpreis gewissermaßen selbst bestimmen, würden sie bei einer wahrheitsgemäßen Angabe nur ihre Ausgaben für das betreffende Gut in die Höhe treiben.
Preisdifferenzierung zwischen einzelnen Kunden ist in einem gewissen Maße Sache des psychologischen Geschicks - und von daher mit einer gewissen Willkür behaftet. Wie geht ein Autohaus beim Verkauf von Neuwagen etwa mit Stammkunden um? Einerseits werden diese eine Art Treuerabatt wünschen, andererseits würde es für die Stammkunden vielfach auch psychische Kosten verursachen, zu einem anderen Autohaus zu wechseln, was deren potenzielle Zahlungsbereitschaft erhöht und die Position des Anbieters verbessert.
Wenn die Kunden Preisdiskriminierungsstrategien seitens der Anbieter antizipieren, werden sie sich auch strategisch anpassen, was die Umsetzung einer Preisdiskriminierung durch die Anbieter keineswegs erleichtert. Die Kunden werden erkennen, dass die Preise "Verhandlungssache" sind - und die für sie damit verbundenen Chancen zu nutzen versu47
I. Märkte 4. Preisdiskriminierung
Mikroökonomie I, SS 2005 Version vom 06.04.05
chen. Verhandlungen über Preise ("Feilschen") sind aber mit Transaktionskosten verbunden, die bei nicht allzu teuren Standardgütern die durch Preisdiskriminierungsstrategien erzielbaren Zusatzeinnahmen der Anbieter leicht überwiegen können.
Eine Preisdifferenzierung zwischen einzelnen Kunden kann auch deswegen ins Leere laufen, weil sich Kunden vor einem Kauf eventuell bei anderen Nachfragern erkundigen werden, wie viel Rabatt diese bekommen haben. Wenn Herr Maier erst nach Abschluss eines Kaufvertrags erfährt, dass Frau Müller wesentlich günstigere Konditionen eingeräumt worden sind, wird er sauer sein, weil er sich unfair behandelt fühlt. Der Treue zum Anbieter ist dies nicht allzu förderlich. Eine ungeschickt durchgeführte Preisdifferenzierungspolitik kann für ein Unternehmen deshalb höchst nachteilig sein. Besonders leicht möglich ist Preisdifferenzierung hingegen bei "Laufkundschaft".
Davon abgesehen legen es schon die zuvor erwähnten Informationsprobleme nahe, bei der Preisdifferenzierung eher pauschal vorzugehen, wie es durch die Modelle zur Preisdiskriminierung zweiter und dritter Art beschrieben worden ist.
Unsere Überlegungen zur Preisdiskriminierung zweiter Art helfen zu verstehen, was theoretisch hinter den vielfach angewandten Mengenrabatten steckt. Wichtige Beispiele für solche Mengenrabatte sind die folgenden:
•
Großpackungen mit geringeren Einzelstückpreisen: von Erdnüssen bis zu Kopfschmerzmitteln. (Eine weitere wichtige Ursache für eine solche Preisgestaltung dürfte neben nachfragetheoretischen Überlegungen, wie sie hier dargestellt wurden, aber auch in der Kostendegression bei Verpackungsmaterial, Transport und Vertrieb zu suchen sein.)
•
Bonuspunkte (etwa bei Hotelketten und Fluggesellschaften), die nach Überschreiten einer gewissen Mindestgrenze Vorteile gewähren.
•
"Zahl 4 für 5 Nächte" als Spezialangebote bei Hotels.
Allerdings entspricht das oben vorgestellte Modell zur Preisdiskriminierung zweiten Grades nicht in jedem Fall diesen Beispielen, in denen ja für unterschiedliche Nachfragemen48
I. Märkte 4. Preisdiskriminierung
Mikroökonomie I, SS 2005 Version vom 06.04.05
gen eines einzelnen Konsumenten verschiedene Preise verlangt werden. Im Modell bezog sich die Preisdifferenzierung hingegen auf unterschiedliche Preise für unterschiedliche Mengenintervalle der Gesamtabsatzmenge. Dieser Unterschied bleibt aber ohne tiefere Bedeutung, wenn sich das Unternehmen mit einem relativ homogenen Kundenkreis konfrontiert sieht. Die gesamtwirtschaftliche Nachfragefunktion ist dann einfach - etwas locker ausgedrückt - ein "Vielfaches" der Nachfragefunktion eines einzelnen "repräsentativen" Konsumenten.
Bei der Preisdiskriminierung dritten Grades hingegen steht der Anbieter im Modell klar abgrenzbaren Nachfragergruppen gegenüber. Eine solche Situation dürfte am ehesten dann vorliegen, wenn der Monopolist auf zwei oder mehreren räumlich getrennten nationalen Märkten (Deutschland, USA) operiert. In der Realität stellt sich ansonsten auch hier ein erhebliches Informations- bzw. Identifikationsproblem. Nur in einigen Fällen ist eine klare Einteilung in Nachfragergruppen möglich, die sich an objektiv feststellbaren Kriterien orientiert. Dazu gehören etwa altersabhängige Rabatte bei Theatern, Museen, Verkehrsunternehmen (niedrigere Bahncard-Preise für Leute bis zu oder ab einem bestimmten Alter) oder aber auch bei Brillenläden. Teilweise liegt dieser Art der Differenzierung die Vermutung zugrunde, dass Junge und Alte über ein geringeres Einkommen verfügen als erwerbstätige Individuen, was zu einer höheren Preiselastizität der Nachfrage führt. In die Kategorie dieser Preisdifferenzierung anhand objektiver Merkmale fallen auch Preisermäßigungen und in manchen Fällen auch Preiszuschläge für Touristen (z. B. Taxis in Prag), die man etwa an ihrer Unkenntnis bezüglich der Landessprache erkennen kann.
Empirisch viel wichtiger als die Verwendung solcher direkter Zuordnungsmerkmale sind Preis- und Vertragskonditionen, die zu einer Selbstselektion der Konsumenten führen. Im Verkehrs- und Hotelbereich gehört hierzu die Kopplung von Preisermäßigungen an gewisse Nutzungseinschränkungen. Die häufig vorgesehene "Wochenendbindung" etwa führt dazu, dass sich die zahlungsbereiten Geschäftskunden von den knauserigen Privatreisenden von selber trennen ("Self Selection"). Für ein Unternehmen ist es in der Regel Verschwendung von Zeit und Geld, wenn es einen teuer bezahlten Manager noch einen Tag länger am Ort der Dienstbesprechung ausharren lässt, nur damit der Flug billiger wird. (Je größer die Differenz zwischen Standardpreis und ermäßigtem Preis ausfällt, desto größer wird allerdings der Anreiz, dies doch zu tun, was eine solche Preisdifferenzierungsstrategie dann ins Leere laufen lassen kann.) 49
I. Märkte
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4. Preisdiskriminierung
Version vom 06.04.05
Ähnlich wirkt auch die Bemessung eines Tarifs nach dem Datum der Buchung im Sinne von Frühbucherrabatten und Last-Minute-Angeboten. Bei Reisenden, die geschäftlich unterwegs sind, ist es nicht unüblich, dass sie nicht nur zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt in einer anderen Stadt sein müssen, sondern diesen Zeitpunkt auch recht spät erfahren. Individuen, die aus privaten Gründen reisen, sind hier vielfach wesentlich flexibler, was einen Ansatzpunkt für die Gewährung von Rabatten für diese Gruppe liefert.
Ein weiteres wichtiges Beispiel in diesem Zusammenhang stellen auch wissenschaftliche Verlage dar, die von institutionellen Abonnenten teilweise einen im Vergleich zu privaten Abonnenten um das fünffache erhöhten Preis verlangen. Wissenschaftliche Bibliotheken sind - um ihren eigenen Ruf zu wahren - fest darauf angewiesen, die für die einzelnen Fachgebiete zentralen wissenschaftlichen Zeitschriften verfügbar zu haben. Den Verlegern dieser Zeitschriften verhilft diese Abhängigkeit der wissenschaftlichen Bibliotheken zu einer immensen Marktmacht, die übrigens auch für die Universitätsbibliothek Regensburg ein großes Problem darstellt.
50
I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
5. Oligopolistische Märkte
Version vom 21.06.05
5. Oligopolistische Märkte Bisher haben wir die beiden Fälle betrachtet, in denen es entweder (bei vollkommener Konkurrenz) eine sehr große Anzahl von Anbietern oder aber (im Monopolfall) nur einen einzigen Anbieter gibt. Zwischen diesen beiden Extremen liegen die Fälle, in denen die Zahl n der Anbieter zwar größer als eins ist, aber dennoch eher klein bleibt. Welche Marktgleichgewichte sich in diesem Oligopolfall einstellen können, beschreiben wir jetzt in zwei Szenarien. Dabei konzentrieren wir uns der einfacheren Darstellung wegen auf den Duopolfall mit lediglich n = 2 Anbietern.
a) Mengenwettbewerb: Das Cournot-Nash-Gleichgewicht
a1) Reaktionsfunktionen Wir gehen von zwei identischen Anbieterfirmen aus, die zunächst ganz allgemein durch eine (individuelle) Kostenfunktion c( xi ) gekennzeichnet sein sollen. Dabei steht xi (mit i = 1, 2 ) für die Produktionsmenge der Firma i = 1, 2 . Mit X = x1 + x2 bezeichnen wir die
Gesamtproduktionsmenge des Gutes. Die Nachfrageseite mit einer großen Zahl von Individuen als Abnehmer des Gutes wird - wie schon in den vorherigen Abschnitten - durch die Preis-Absatz-Funktion pD ( X ) beschrieben.
Wie jede der beiden Firmen in dieser Situation handeln wird, um ihren Gewinn zu maximieren, hängt vom Verhalten der jeweils anderen Firma ab. Betrachten wir zum Beispiel Firma 2 und nehmen dabei an, dass sich Firma 1 für ein bestimmtes Produktionsniveau x1 entschieden hat. Wenn Firma 2 unter dieser Bedingung selber ein bestimmtes Produktionsniveau x2 wählt, beträgt ihr Gewinn
Gx21 ( x2 ) = pD ( x1 + x2 ) x2 − c( x2 ) .
Wenn man diesen Gewinnausdruck (bei gegebenem x1 ) nach x2 ableitet und die Ableitung gleich null setzt, erhält man als Marginalbedingung für die gewinnmaximale Angebotsmenge x2r ( x1 ) von Firma 2 pD′ ( x2r ( x1 ) + x1 ) x2r ( x1 ) + pD ( x2r ( x1 ) + x1 ) − c′( x2r ( x1 )) = 0 .
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I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
5. Oligopolistische Märkte
Version vom 21.06.05
Die Bezeichnung x2r ( x1 ) für das optimale Produktionsniveau von Firma 2 bringt dabei zum Ausdruck, dass die Entscheidung von Firma 2 von der "Vorgabe" x1 der anderen Firma, d. h. im betrachteten Fall Firma 1, abhängt. Firma 2 passt sich jeder denkbaren Entscheidung der anderen Firma in gewinnmaximierender Weise an. Mit ihrer dann konditionalen Entscheidung reagiert sie - im Sinne der Cournot-Nash Verhaltenshypothese, die wir in einem späteren Kapitel ausführlicher spieltheoretisch erörtern wollen - in optimaler Weise auf die Handlungen der anderen Firma 1. Für dieses Reaktionsverhalten steht das Superskript " r ", und ganz allgemein wird die durch x2r ( x1 ) definierte Beziehung auch Reaktionsfunktion von Firma 2 genannt. Solche Reaktionsfunktionen sind der entscheidende Baustein zur Bestimmung von Marktgleichgewichten im Duopolfall (mit n = 2 ) und im allgemeineren Oligopolfall (mit n > 2 ).
Um das Konzept der Reaktionsfunktion etwas plausibler zu machen, wollen wir jetzt die Reaktionsfunktion für Firma 2 in einem einfachen Spezialfall konkret rechnerisch bestimmen. Hierzu nehmen wir an, dass die Preisabsatzfunktion pD ( X ) linear ist, d. h. dass pD ( X ) = a − bX gilt, und die beiden Firmen (identische) konstante Grenzkosten in Höhe von c aufweisen. Bei durch das Verhalten der anderen Firma 1 gegebenem x1 und selber zu wählendem x2 lautet der Gewinn von Firma 2 im betrachteten Beispiel dann
Gx21 ( x2 ) = (a − b( x1 + x2 )) x2 − cx2 .
Die Marginalbedingung für die optimale Reaktion von Firma 2 wird dann zu a − bx1 − 2bx2r ( x1 ) − c = 0 ,
woraus sich als explizite Darstellung der Reaktionsfunktion von Firma 2
x2r ( x1 ) =
a−c 1 − x1 2b 2
52
I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
5. Oligopolistische Märkte
Version vom 21.06.05
ergibt. Wie in Abbildung I-14 dargestellt, ist die Reaktionsfunktion von Firma 2 in einem
x1 - x2 -Diagramm also eine fallende Gerade mit dem Anstieg −1/ 2 . Abbildung I-14
x2 Isoprofitlinien von Firma 2
Gewinnerhöhung für Firma 2
x2r (~ x1 )
x2r ( x1 ) x1
~ x1
a2) Isoprofit-Linien
Man kann sich die Herleitung der Reaktionskurve x2r ( x1 ) grafisch noch auf andere Weise verdeutlichen. Dabei bestimmen wir zunächst mit Hilfe des Gewinnausdrucks Gx21 ( x2 ) von Firma 2 alle Kombinationen ( x1 , x2 ) , die zu einem gleichen konstanten Gewinnniveau G 2 für Firma 2 führen. Die formale Bedingung für die entsprechende Isoprofitlinie (= Linie gleichen Gewinnniveaus) von Firma 2 lautet in unserem Rechenbeispiel dann
( a − b ( x + x )) x 1
2
2
− cx2 = G 2
bzw. −bx22 + (a − c − bx1 ) x2 − G 2 = 0 .
Dies ist offensichtlich die Gleichung einer Parabel, die im x1 - x2 -Diagramm nach links geöffnet ist. (Drehen Sie vielleicht zum besseren Verständnis die Abbildung I-14 um 90o, so dass Sie leichter x2 als unabhängige und x1 als abhängige Variable betrachten können.) Eine weiter links gelegene Isoprofitlinie von Firma 2 entspricht einem höheren Gewinn dieser Firma. Weshalb dies gilt, lässt sich folgendermaßen erklären: Angenommen, Firma 53
I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
5. Oligopolistische Märkte
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2 produziert eine bestimmte Menge x2 . Wir stellen uns dann vor, dass ausgehend von einem gewissen Anfangsniveau Firma 1 ihre Produktion x1 einschränkt. In Abbildung I-14 bewegt man sich dann auf einer Parallelen zur x1 -Achse in Richtung auf die x2 -Achse. Ökonomisch impliziert die Verminderung von x1 bei konstantem x2 eine Reduktion des Gesamtangebots des Gutes und damit eine Erhöhung des Güterpreises. Für Firma 2 (mit unveränderter Angebotsmenge) kommt es dadurch zu einem Anstieg des Gewinns.
Was bedeutet jetzt die Bestimmung der optimalen Mengenreaktion von Firma 2 vor dem Hintergrund der auf diese Weise bestimmten Isoprofitlinien? Nehmen wir an, Firma 1 habe ein bestimmtes jetzt mit x1 bezeichnetes Produktionsniveau gewählt. Zum Zwecke der Gewinnmaximierung sucht Firma 2 dann dasjenige eigene Produktionsniveau, für das sie beim gegebenen x1 auf der am weitesten links gelegenen Isoprofitlinie landet. In Abbildung I-14 bedeutet dies, dass Firma 2 diejenige Isoprofitlinie bestimmt, durch welche die Parallele zur x2 -Achse im Abstand x1 gerade tangiert wird. Der entsprechende Tangentialpunkt bestimmt dann die optimale Mengenreaktion x2r ( x1 ) von Firma 2.
Aus dieser Überlegung folgt zudem eine wichtige allgemeine Eigenschaft der Isoprofitlinien: Jede Isoprofitlinie von Firma 2 verläuft in ihrem Schnittpunkt mit der Reaktionskurve von Firma 2 senkrecht. Oder anders ausgedrückt: Die Reaktionskurve von Firma 2 ist die Verbindungslinie der Scheitelpunkte aller ihrer Isoprofitlinien. Dieser Sachverhalt gilt auch im allgemeinen Fall, d. h. ohne die besonderen Annahmen des hier durchgerechneten Spezialfalls.
a3) Die Bestimmung des Gleichgewichts
Bisher haben wir nur die optimale Anpassung des Produktionsniveaus von Firma 2 an jeweils vorgegebene Produktionsniveaus von Firma 1 betrachtet. Wenn man ganz analog die optimalen Reaktionen von Firma 1 bestimmt, erhält man die Reaktionsfunktion x1r ( x2 ) von Firma 1. Im zuvor betrachteten Spezialfall wird die Reaktionsfunktion von Firma 1 als Funktion von x2 durch
x1r ( x2 ) =
a−c 1 − x2 2b 2
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beschrieben. Dies ist (von der x2 -Achse aus gesehen) in Abbildung I-15 eine Gerade mit dem Anstieg −1/ 2 ; in der vertrauten Weise von der x1 -Achse aus gesehen hat die Reaktionsfunktion von Firma 1 also den Anstieg −2 . Abbildung I-15
x2 x1r ( x2 )
N
x2N
x2r ( x1 ) 0
x1N
x1
Die Reaktionskurven x1r ( x2 ) und x2r ( x1 ) der beiden Firmen schneiden sich in genau einem Punkt, der für identische Firmen mit gleichen Grenzkostenfunktionen auf der Winkelhalbierenden liegt. Dieser in Abbildung I-15 dargestellte Schnittpunkt der Reaktionskurven ( N ) bestimmt das Marktgleichgewicht im Duopolfall bei unterstellter Mengenanpassung der beiden Firmen. In diesem sog. Cournot-Nash-Gleichgewicht betragen die Produktionsmengen von Firma 1 bzw. Firma 2 x1N und x2N .
Die ökonomische Erklärung für diese Gleichgewichtslösung ist von grundsätzlicher Bedeutung und geht weit über den hier behandelten Duopolfall hinaus: Allgemein liegt ein Gleichgewicht vor, wenn keiner der beteiligten Akteure einen Anreiz hat, eine andere Handlung zu wählen als die, die er im Gleichgewicht gewählt hat. Unter den jeweils gegebenen Bedingungen möchte keiner der Akteure also den Gleichgewichtszustand verlassen, so dass ein Gleichgewicht einen stabilen Zustand markiert.
Speziell in unserem Duopolfall befindet sich der Markt gemäß dieser Definition in einem Gleichgewicht, wenn die dort gewählte Produktionsmenge von Firma 1 die optimale Reaktion auf die im Gleichgewicht von Firma 2 gewählte Produktionsmenge darstellt und um55
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gekehrt die Produktionsmenge von Firma 2 die optimale Antwort auf die Produktionsmenge von Firma 1 ist. Die gleichgewichtigen Produktionsmengen der beiden Firmen x1N und x2N stellen somit wechselseitig beste Antworten aufeinander dar, was sich formal durch die
beiden Forderungen x2N = x2r ( x1N ) und x1N = x1r ( x2N )
ausdrücken lässt. Grafisch besagt die erste dieser Bedingungen, dass die Gleichgewichtsallokation auf dem Reaktionspfad von Firma 2, und die zweite, dass die Gleichgewichtsallokation auf dem Reaktionspfad von Firma 1 liegen muss. Also befindet sich das CournotNash Gleichgewicht ( x1N , x2N ) auf beiden Reaktionspfaden zugleich, d. h. es liegt in deren Schnittpunkt. Bei jeder anderen Kombination ( x1 , x2 ) hätte umgekehrt gesehen zumindest eine der beiden Firmen ein Interesse daran, von dieser Allokation abzuweichen, so dass ( x1 , x2 ) kein Gleichgewicht sein kann.
Für unser Beispiel können wir die Lage des Cournot-Nash Gleichgewichts konkret berechnen. Die beiden Bedingungen für das Cournot-Nash Gleichgewicht lauten in diesem Fall
x2N =
a−c 1 N − x1 und 2b 2
x1N =
a−c 1 N − x2 , 2b 2
woraus sich
x1N = x2N =
a−c 3b
für die Produktionsmengen der beiden Firmen im Cournot-Nash Gleichgewicht ergibt.
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a4) Koordiniertes Verhalten beider Firmen: Kollusion
Das unkoordinierte Verhalten der Firmen, das diese in das Cournot-Nash Gleichgewicht führt, hat zur Folge, dass es im Cournot-Nash Gleichgewicht zu keiner Maximierung des gemeinsamen Gewinns der beiden Firmen kommt. Weshalb dies so ist, sieht man leicht an Abbildung I-16. Da sich im Cournot-Nash Punkt N die Isoprofitlinien der beiden Firmen im rechten Winkel schneiden, entsteht links von N eine "Linse", d. h. eine Fläche, die sowohl unterhalb der durch N verlaufenden Isoprofitlinie von Firma 1 als auch links der durch N verlaufenden Isoprofitlinie von Firma 2 liegt. Wenn also beide Firmen gegenüber N = ( x N , x N ) ihre Produktion so reduzieren, dass die neue Kombination der Produktionsniveaus ( x1 , x2 ) innerhalb der Linse liegt, erhöhen sich die Gewinne beider Firmen. Aus der Sicht der Firmen (ohne Berücksichtigung der Konsumenten) kommt es dann zu einer Pareto-Verbesserung.
Pareto-optimale Lösungen wohlgemerkt aus der Sicht der Firmen (!) werden für solche Kombinationen ( x1* , x2* ) erreicht, in denen sich die Isoprofitlinien der Firmen tangieren
Abbildung I-16
x2 x1r ( x2 )
N
x2N K
x2K 0
x2r ( x1 )
x1K x1N
x1
Unter diesen aus Firmensicht besten Lösungen sticht die in Abbildung I-16 dargestellte symmetrische Lösung K = ( x K , x K ) besonders hervor, in der die beiden Firmen ihren gemeinsamen Gewinn bei gleichem Produktionsniveau beider Firmen maximieren. Formal ergibt sich – jetzt im Fall einer allgemeinen Preis-Absatz-Funktion pD ( X ) – diese Menge x K durch Maximierung des gemeinsamen Gewinns
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2( pD (2 x) x − c( x)) .
In Abbildung I-16 ist der Punkt K dann derjenige Punkt auf der Winkelhalbierenden, in dem sich die Isoprofitlinien der beiden Firmen gerade tangieren. Die Lösung K lässt sich ökonomisch als Ergebnis einer Fusion der beiden Firmen interpretieren. Nach einer solchen Fusion verbleibt nur ein Anbieter (mit zwei Produktionsstätten) am Markt, der dann als Monopolist handelt. An unserem Beispiel mit einer linearen Preis-Absatz-Funktion und konstanten Grenzkosten lässt sich diese Aussage einfach verdeutlichen. Der aggregierte Gewinn beider Firmen (bei einheitlichem Produktionsniveau x ) wird in diesem Spezialfall zu 2((a − 2bx) x − cx) ,
woraus sich als Optimalitätsbedingung (durch Ableiten nach x und Nullsetzen der Ableitung) a − 4bx K − c = 0
bzw. für den Output einer einzelnen Produktionsstätte
xK =
a−c 4b
ergibt. Insgesamt wirft das fusionierte Unternehmen also die Menge 2 x K = (a − c) / 2b auf den Markt. Diese Menge stimmt mit der Monopolmenge X M überein, die sich über die Bedingung p′D ( X M ) X M + p D ( X M ) = c bzw. a − 2bX M = c als X M = (a − c) / 2b ergibt.
Um eine für beide Firmen bessere Allokation (innerhalb der "Linse") zu erreichen, bedarf es aber nicht unbedingt eines Zusammenschlusses beider Firmen. Vielmehr reicht es aus, dass diese eine bindende Absprache über eine Einschränkung ihrer Produktion treffen. Die Firmen bilden dann ein Kartell, wie man es auf internationaler Ebene etwa durch die OPEC (die Organisation Erdöl-exportierender Länder) kennt.
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Für die beteiligten Firmen besteht ein erhebliches Problem der Kartellbildung allerdings darin, dass sie nicht darauf vertrauen können, dass die anderen Firmen die getroffenen Vereinbarungen tatsächlich einhalten. Jede Firma hat nämlich einen starken Anreiz, sich nicht an die eingegangenen Verpflichtungen zur Produktionseinschränkung zu halten, sondern absprachewidrig mehr zu produzieren. Kartelle sind somit instabil, d. h. sie laufen immer Gefahr, sich aufzulösen.
Weshalb es zu einer solchen Instabilität der Kartell-Lösung kommt, lässt sich anhand von Abbildung I-17 erläutern.
Abbildung I-17
x2 x1r ( x2 )
N
x2N x2K
K
0
x1K x1N x1r (x2K )
x2r ( x1 ) x1
Nehmen wir an, die Firmen hätten sich darauf verständigt, jeweils die Menge x K zu erzeugen. Wenn Firma 1 sieht, dass Firma 2 die Produktion auf x K gedrosselt hat, kann sie ihren eigenen Gewinn dadurch steigern, dass sie mehr als die vereinbarte Menge x K erzeugt. Gegeben x K als Produktionsmenge der zweiten Firma stellt sich Firma 1 natürlich am Besten, wenn sie - wie in Abbildung I-17 dargestellt - vollständig zum Cournot-Nash Anpassungsverhalten übergeht und x1r ( x K ) produziert. Dadurch sinkt gegenüber der vereinbarten Allokation K = ( x K , x K ) aber der Gewinn von Firma 2, so dass diese, wenn möglich, nicht bei der Produktion von x K bleiben wird. Zu erwarten ist vielmehr, dass beide Firmen in das unkoordinierte Cournot-Nash-Verhalten zurück fallen. Das Kartell bricht dann zusammen, und es ist wieder mit N als Marktgleichgewicht zu rechnen.
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In der soeben beschriebenen Situation kann man das abweichende Verhalten von Firma 1 auch folgendermaßen erklären: Durch ihre Produktionseinschränkung von x2N auf x K trägt Firma 2 zu einer Erhöhung des Produktionspreises bei. Indem Firma 1 ihre Produktion dann erhöht, macht sie sich gewissermaßen die von Firma 2 vorgenommene Mengenreduktion und die davon ausgelöste Preiserhöhung opportunistisch zunutze. In diesem Sinne handelt Firma 1 dann gegenüber den Anstrengungen von Firma 2, für eine Erhöhung des Preises zu sorgen, als Freifahrer. Was es mit Freifahrer-Verhalten im Einzelnen auf sich hat, werden wir später in einem allgemeineren spieltheoretischen Rahmen noch ausführlich erörtern.
a5) Ansätze zur Stabilisierung von Kartellen
Wenn ein Kartell funktionieren, d. h. stabil sein soll, sind Vorkehrungen zur Sicherung der Kartelldisziplin erforderlich, die den beteiligten Firmen einen Anreiz geben, die getroffenen Vereinbarungen – entgegen kurzfristigen Eigeninteressen – doch einzuhalten.
Innerhalb des hier präsentierten Rahmens lässt sich eine Stabilisierung des Kartells am einfachsten erreichen, wenn eine beteiligte Firma i fest damit rechnen kann, dass die jeweils andere Firma j ihr kooperatives Engagement (hier: ihre Produktionseinschränkung gegenüber N ) sofort einstellt, falls i die Abmachung verletzt. Firma i weiß dann, dass sie aus ihrem abweichenden Verhalten keinerlei Vorteile ziehen kann, weil ihre Abweichung unmittelbar in das Cournot-Nash Gleichgewicht N zurück führt. Ob ein solcher Drohmechanismus auf Firma i wirklich wirkt, hängt davon ab, wie stark sich die andere Firma j bereits an ein Produktionsniveau x j < x N gebunden hat. Eine starke Bindung erhöht den Anreiz für Firma j zu opportunistischem Handeln, während eine hohe Flexibilität von Firma j bei der Wahl ihres Produktionsniveaus günstig auf die Stabilität des Kartells wirkt.
Eine weitere Determinante für die Stabilität eines Kartells blieb in unserem Zwei-FirmenModell bisher ausgeblendet. Wenn es nämlich nicht nur zwei, sondern im allgemeinen Oligopolfall eine größere Zahl von Firmen gibt, kann eine einzelne Firma sich ausrechnen, dass ihr individuelles Ausscheren aus der Kartellvereinbarung die anderen Firmen wahrscheinlich ziemlich unbeeindruckt lassen wird. Die im Kartell verbleibenden Firmen ziehen selbst aus begrenzter Kooperation dann noch einen Vorteil, so dass die Drohung mit 60
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sofortiger Rückkehr zur nicht-kooperativen Cournot-Nash Strategie nicht unbedingt glaubhaft ist.
Schon diese einfache Überlegung führt zur gängigen Hypothese, dass große Kartelle (mit vielen Teilnehmern) in der Realität eher zur Instabilität tendieren als kleine (mit wenigen Teilnehmern). Große Kartelle werden in der Regel auch schwerer zustande kommen als kleine: Neben der bereits bei Abschluss der Vereinbarung antizipierten höheren Instabilität dürften hierbei v. a. auch die bei Vertragsverhandlungen zwischen vielen Teilnehmern zu erwartenden höheren Transaktionskosten eine gewichtige Rolle spielen. Wenn die Firmen dazu noch heterogen sind, wird es zudem schwer fallen, eine für alle akzeptable Aufteilung der Produktionsquoten in einer Kartelllösung zu finden. Falls die Verschiedenartigkeit der Firmen allerdings so stark ausgeprägt ist, dass eine einzige Firma eindeutig den Markt dominiert, könnte dies die Lösung der Koordinationsprobleme auch erleichtern. Eine solche dominante Firma ist ja eher in der Lage, die Rolle des Marktführers zu übernehmen und die anderen (kleineren) Firmen dazu zu veranlassen, bei Mengenreduktion bzw. Preiserhöhungen mitzuziehen.
Sanktionen bei Verletzung der Kartelldisziplin sind prinzipiell auch außerhalb des Modellrahmens möglich. Wenn z. B. die Firmen voneinander dadurch profitieren, dass die eine Firma die Innovationen der anderen Firma mit benutzen kann, lässt sich die Drohung mit dem Entzug dieser zur Stabilisierung des Kartells nutzen.
Die Bereitschaft zu kooperativem Handeln in einem Kartell kann auch dadurch motiviert sein, dass sich die Firmen eine Reputation als zuverlässiger Kooperationspartner aufbauen bzw. erhalten wollen. Die Bildung einer solchen Reputation geht einher mit der Schaffung einer Atmosphäre des Vertrauens zwischen den Anbieterfirmen, die als "weicher" Faktor für die Stabilisierung von Kartellen von entscheidender Bedeutung sein kann.
a6) Die Wohlfahrtseffekte des Duopols
Bislang haben wir die Qualität von Allokationen ausschließlich aus der Position der Anbieter betrachtet, d. h. den Nutzen der Nachfrager (deren Konsumentenrente) vollständig ausgeblendet. Was aber für die Anbieter gut ist (nämlich die Erhöhung ihres Gewinns durch erfolgreiche Kartellbildung), ist für die Konsumenten (und die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt) schlecht: Durch die im Vergleich zum Cournot-Nash Gleichgewicht niedrigere 61
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Produktionsmenge und den höheren Preis verlieren die Konsumenten bei einer Kartellbildung - und zwar mehr als die Produzenten an Produzentenrente hinzu gewinnen.
Dies zeigt die grafische Darstellung in Abbildung I-18, in der auf der horizontalen Achse jetzt die Gesamtproduktionsmenge X der beiden als identisch angenommenen Firmen abgetragen ist. Mit X N (= 2 x N ) bezeichnen wir speziell die Gesamtproduktionsmenge im (symmetrischen) Cournot-Nash Gleichgewicht, für welche die Marginalbedingung
(I-5-1)
p′D ( X N )
XN + pD ( X N ) = c 2
gelten muss. Hier wird wieder von konstanten Grenzkosten der Produktion ausgegangen. Grafisch bedeutet dies, dass X N im Schnittpunkt der Funktion p′D ( X N )
XN + pD ( X N ) mit 2
der Parallelen zur X -Achse im Abstand c liegen muss. Bei einer linearen Preis-AbsatzFunktion pD ( X ) = a − bX wird (I-5-1) zu
pD′ ( X N )
XN 3 + pD ( X N ) = a − bX N = c . 2 2
Diese Darstellung erlaubt einen unmittelbaren Vergleich mit der Monopollösung X M , die ja durch die Bedingung p′D ( X M ) X M + p D ( X M ) = a − 2bX M = c
charakterisiert ist und die sich bei Kollusion/Fusion der beiden Firmen einstellen würde. Da für alle Produktionsniveaus X (wegen p′D ( X ) < 0 )
p′D ( X )
X 3 + pD ( X ) = a − bX > a − 2bX = p′D ( X ) X + pD ( X ) 2 2
gilt, folgt sofort X N > X M und pD ( X N ) < pD ( X M ) .
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Abbildung I-18 Preis, GK C
pD ( X M ) pD ( X N ) p* = pD ( X * )
J
H
F
K
E
A
G
D
N XM X
B
X∗
c
Menge
Bei Kollusion zwischen den beiden Firmen geht in Abbildung I-18 die Gesamtwohlfahrt gegenüber dem Duopol (Produzentenrente + Konsumentenrente) um GDEH von ADEC auf AGHC zurück. Die Konsumentenrente sinkt von FEC auf JHC , während die gesamte Produzentenrente der beiden Anbieter von ADEF auf AGHJ steigt. Für die Konsumenten ist (ganz im Gegensatz zu den Produzenten) ein Duopol immer noch besser als ein Monopol. Beide Formen unvollkommener Konkurrenz sind aber sowohl für die Konsumenten als auch für die Gesamtwohlfahrt schlechter als die Konkurrenzmarkt-Lösung mit der Produktionsmenge X * und dem Preis p* = pD ( X * ) = c , in der die Gesamtwohlfahrt ABC beträgt.
a7) Der allgemeine Oligopolfall
Anhand eines zu Abbildung I-18 analogen Diagramms (vgl. Abbildung I-19) lässt sich auch die allgemeine Oligopol-Lösung mit einer beliebigen Zahl n identischer Firmen beschreiben. Wiederum sei pD ( X ) ( = a − bX ) die Preis-Absatz-Funktion, und die Grenzkosten der Produktion seien für alle Firmen identisch und gleich c . Wir überlegen uns dann, wie sich die i -te Firma optimal durch Wahl ihrer Produktionsmenge an die anderen n − 1 Firmen anpassen wird, wenn diese insgesamt die Produktionsmenge X − i vorgeben. Die i te Firma maximiert dann ihren Gewinn in Höhe von pD ( X − i + xi ) xi − cxi ,
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was zur Marginalbedingung p′D ( X − i + xir ( X −i )) xir ( X − i ) + pD ( X − i + xir ( X − i )) = c
führt. Mit xir ( X − i ) bezeichnen wir - entsprechend dem Duopolfall - die von Firma i mit dem Ziel der Gewinnmaximierung gewählte Produktionsmenge (ihre optimale Reaktion), wenn die anderen Firmen insgesamt die Menge X − i produzieren.
Im Cournot-Nash Gleichgewicht mit n identischen Anbietern ergibt sich eine symmetrische Lösung, in der alle Firmen die gleiche Menge produzieren. Bezeichnet X nN die Gesamtproduktionsmenge aller Firmen, erzeugt eine einzelne Firma also den n -ten Teil von X nN , d. h. X nN / n . Die Bedingung für das Oligopolmarkt-Gleichgewicht mit n identischen
Firmen lautet dann
p′D ( X nN )
(I-5-2)
X nN + pD ( X nN ) = c . n
Die Oligopol-Lösung mit n Anbietern kann in Abbildung I-19 also als Schnittpunkt der Funktion Qn ( X ) = p′D ( X )
X + pD ( X ) mit der Grenzkostenfunktion c gefunden werden. n
Abbildung I-19 Preis, GK
pD ( X nN ) c
Qn ( X ) pD ( X ) 0
X
Menge
N n
64
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Im Fall einer linearen Nachfragefunktion gilt
Qn ( X ) = a −
n +1 bX . n
Diese Funktionen Qn ( X ) haben für verschiedene Firmenzahlen n also alle den gleichen Ordinatenabschnitt, sie verlaufen aber umso flacher, je größer n ist (bleiben jedoch immer steiler als die inverse Nachfragefunktion). Die Gesamtproduktionsmenge im Cournot-Nash Gleichgewicht wächst also mit steigender Firmenzahl, während der Güterpreis pnN = pD ( X nN ) fällt. Die Konsumentenrente sowie die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt
nehmen zu und der Gesamtgewinn der Produzenten geht zurück, wenn n steigt. Wenn n gegen unendlich geht, strebt X nN / n gegen null, so dass p ′( X nN ) X nN / n als erste Komponente in der Marginalbedingung für das Oligopol-Gleichgewicht aus (I-5-2) immer mehr an Bedeutung verliert. Für sehr großes n wird die Marginalbedingung dann approximativ zu p ( X nN ) = c . Das bedeutet, dass sich das Oligopol-Gleichgewicht immer stärker an das Konkurrenzmarkt-Gleichgewicht annähert, wenn die Firmenzahl beliebig groß wird. Daran wird deutlich, dass die Konkurrenzmarkt-Lösung in der Tat die Situation widerspiegelt, in der es am Markt viele Anbieter (und Nachfrager) gibt.
b) Das Stackelberg-Gleichgewicht
Die zentrale Annahme bei der Behandlung des Cournot-Nash Gleichgewichts besteht darin, dass die beteiligten Firmen gleichzeitig handeln. Zu einem anderen Gleichgewichtskonzept - eben dem des Stackelberg-Gleichgewichts - gelangt man, wenn man statt dessen davon ausgeht, dass es beim Verhalten der beiden Firmen eine "Zugfolge" gibt. Das bedeutet, dass in einer Periode 1 eine der beiden Firmen ein bestimmtes Produktionsniveau wählt und in der nächsten Periode die andere Firma "nachzieht". Die Firma, die als erste am Zug ist, wird Stackelberg-Führer, die andere Firma Stackelberg-Folger genannt.
Wir gehen davon aus, dass Firma 1 als Stackelberg-Führer handelt. Bei der Bestimmung ihres gewinnmaximalen Produktionsniveaus wird sie die Handlungen der anderen Firma antizipieren. Das bedeutet, dass Firma 1 voraussehen wird, dass Firma 2 auf jede von Firma 1 vorgegebene Menge als Cournot-Nash Mengenanpasser reagieren wird. Dabei wird 65
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der Einfachheit halber - vollkommene Information unterstellt, d. h. Firma 1 kennt die optimalen Reaktionen von Firma 2 genau.
Wie sieht in diesem Falle das Gewinnmaximierungskalkül von Firma 1 aus? Wenn Firma 1 sich für das Produktionsniveau x1 entscheidet, antwortet Firma 2 mit der Wahl des Produktionsniveaus x2r ( x1 ) . Auf diese Weise bestimmt der Spielführer durch Wahl seiner eigenen Produktionsmenge die Produktionsmenge des Folgers. Die Gesamtproduktionsmenge beträgt dann x1 + x2r ( x1 ) , so dass sich für den Gewinn von Firma 1 G1S ( x1 ) = pD ( x1 + x2r ( x1 )) x1 − c( x1 )
ergibt.
Die Marginalbedingung für die für Firma 1 gewinnmaximale Produktionsmenge x1S ist im allgemeinen Fall also
pD′ ( x1S + x2r ( x1S ))(1 +
∂x2r S ) x1 + pD ( x1S + x2r ( x1S )) = c′( x1S ) . ∂x1
Die Produktionsmengen der beiden Firmen im Stackelberg-Gleichgewicht sind dann durch x1S und x2S = x2r ( x1S ) bestimmt.
Die obigen Marginalbedingung ist für unsere weiteren Überlegungen nur von begrenztem Interesse. Zu beachten ist allerdings, dass der Term, der den Anstieg der Reaktionskurve von Firma 2 angibt, zum Ausdruck bringt, wie im Stackelberg-Fall das Verhalten des Stackelberg-Führers von der Reaktion des Folgers abhängt.
Die Lage des Stackelberg-Gleichgewichts lässt sich im Rahmen unseres Duopol-Modells auch leicht grafisch beschreiben. Gewinnmaximierung des Stackelberg-Führers (Firma 1) bedeutet in Abbildung I-20, dass Firma 1 auf der Reaktionskurve von Firma 2 denjenigen Punkt bestimmt, der auf der am weitesten unten gelegenen Isoprofit-Linie von Firma 1 liegt. (Weiter unten gelegene Isoprofit-Linien von Firma 1 entsprechen ja, wie wir zuvor
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gesehen haben, einem höheren Gewinnniveau dieser Firma.) Daraus folgt, dass das Stackelberg-Gleichgewicht ( x1S , x2S ) in dem Punkt der Reaktionsfunktion von Firma 2 liegt, in dem diese gerade eine Isoprofitlinie von Firma 1 tangiert.
Abbildung I-20
x2 x1r ( x2 )
N
x2N
S
x2S 0
x1N
x1S
x2r ( x1 ) x1
Wegen ihres glockenförmigen Verlaufs liegt die Isoprofit-Linie von Firma 1, die durch den Stackelberg-Punkt S geht, überall unterhalb der Reaktionsfunktion x2r ( x1 ) von Firma 2. Daraus folgt, dass •
der Cournot-Nash Gleichgewichtspunkt N oberhalb der Isoprofit-Linie durch S liegt. Firma 1 als Stackelberg-Führer erreicht im Stackelberg-Gleichgewicht S also ein höheres Gewinnniveau als im Cournot-Nash Gleichgewicht N . Bei Firma 2 ist dies gerade umgekehrt: In S ist ihr Gewinn niedriger als in N . In Abbildung I-20 sieht man dies daran, dass der Punkt N links von der durch S verlaufenden Isoprofit-Linie von Firma 2 liegt. Die Rollenverteilung im Stackelberg-Modell steht für Machtunterschiede im Marktprozess. Der Stackelberg-Führer, der als erster am Zuge ist, kann dadurch die Marktallokation autonom bestimmen und verfügt in diesem Sinne dann über mehr Macht als im Cournot-Nash Modell. Der lediglich reaktiv handelnde StackelbergFolger verliert im Vergleich zum Cournot-Nash Fall an Macht. Die unterschiedlichen Gewinnpositionen lassen sich dann als Konsequenz dieser Machtverschiebung begreifen.
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5. Oligopolistische Märkte
•
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x1S > x1N und x2S < x2N gilt. Der Stackelberg-Führer produziert im Stackelberg-
Gleichgewicht S also mehr als im Cournot-Nash Gleichgewicht N , und der Stackelberg-Folger weniger. Auch dieser Sachverhalt lässt sich ökonomisch interpretieren: Dem Stackelberg-Führer gelingt es durch seine Marktmacht, den Folger in eine Position zu manövrieren, in welcher der Folger mehr als der Führer durch Beschränkung der Produktion dazu beiträgt, dass der Preis des Gutes hoch bleibt. •
X S = x1S + x2S > x1N + x2N = X N gilt. Die Gesamtproduktionsmenge in S ist also größer
als in N , woraus folgt, dass der Güterpreis im Stackelberg-Gleichgewicht S unter dem im Cournot-Nash Gleichgewicht N liegt: p S = pD ( X S ) < pD ( X N ) = p N . In Abbildung I-20 erkennt man dies daran, dass die Reaktionskurve x2r ( x1 ) von Firma 2 flacher als eine negativ geneigte 45º-Linie durch N verläuft, die ja alle Punkte mit gleicher Gesamtproduktionsmenge wie in N beschreibt. Für den Fall einer linearen Preis-Absatz-Funktion pD ( X ) = a − bX sowie konstanter Grenzkosten c lässt sich das Stackelberg-Gleichgewicht leicht berechnen. Der Gewinn des Stackelberg-Führers (Firma 1) beträgt bei Wahl der Produktionsmenge x1 (a − b( x1 + x2r ( x1 )) x1 − cx1
.
Nach Einsetzen der Reaktionsfunktion x2r ( x1 ) =
(a − b( x1 +
a−c 1 − x1 von Firma 2 ergibt sich 2b 2
a−c 1 a−c 1 a−c 1 − x1 ) x1 − cx1 = (a − ( + bx1 )) x1 − cx1 = ( − bx1 ) x1 . 2b 2 2 2 2 2
Wenn man diesen Gewinnausdruck nach x1 ableitet und die Ableitung gleich null setzt, erhält man
bx1S =
a−c 2
bzw.
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x1S =
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a−c 2b
für die Produktionsmenge von Firma 1 im Stackelberg-Gleichgewicht S . Die Produktionsmenge von Firma 2 beträgt dann
x2S = x2r ( x1S ) =
a−c 1 a−c a−c . − = 2b 2 2b 4b
Wegen x1S =
a−c a−c a−c > = xN > = x2S 2b 3b 4b
gilt im Spezialfall mit linearer Nachfrage und konstanten Grenzkosten also in der Tat x1S > x1N = x N und x2S < x2N = x N .
Für die Gesamt-Angebotsmenge im Stackelberg-Gleichgewicht ergibt sich
X S = x1S + x2S =
a−c a−c 3 a−c a−c a−c 2 a−c , + = > X N = x1N + x2N = + = 2b 4b 4 b 3b 3b 3 b
so dass für die jeweiligen Gleichgewichtspreise tatsächlich p S = pD ( X S ) < p N = pD ( X N ) gilt.
c) Preiswettbewerb (Das Betrand-Modell)
Es sind wiederum zwei identische Firmen i = 1, 2 gegeben, deren Kostenfunktion c( xi ) = cxi lauten. Mit X D ( p) bezeichnen wir die Nachfragefunktion auf dem Markt für das betreffende Gut. Die Umkehrfunktion p D ( X ) ist dann – wie bereits zuvor – die PreisAbsatz-Funktion. Im Gegensatz zu den Überlegungen in den vorherigen Abschnitten sind es jetzt aber die von Firma 1 und Firma 2 geforderten Preise p1 und p2 (und nicht die Mengen), die als strategische Variable der beiden Firmen dienen. Es herrscht also Preiswettbewerb. 69
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Zur genauen Analyse des Preiswettbewerbsmodells treffen wir noch einige zusätzlichen Annahmen: •
Die Konsumenten kaufen immer beim billigsten der beiden Anbieter. Dies impliziert, dass das am Markt gehandelte Gut völlig homogen ist, d.h. dass es (wie etwa bei Benzin) keine signifikanten Qualitätsunterschiede zwischen den Anbietern gibt. Zudem herrscht vollkommene Markttransparenz und es bestehen keine Vorlieben der Verbraucher für einen bestimmten Anbieter.
•
Wenn beide Anbieter den gleichen Preis p = p1 = p2 verlangen, erfolgt eine gleichmäßige Aufteilung der Gesamtproduktion X D ( p) auf die beiden Anbieter. Beide Firmen produzieren dann die Menge
X D ( p) . Ohne zusätzliche Modellannahmen er2
scheint eine solche gleichmäßige Aufteilung plausibel. Sie lässt sich auch als Konsequenz des “Prinzips des unzureichenden Grundes“ auffassen.
Es gilt dann die folgende Behauptung: Im “Bertrand-Nash-Gleichgewicht“ des durch die vorhergehenden Annahmen charakterisierten Preiswettbewerbsspiels stimmt der Gleichgewichtspreis mit den Grenzkosten der Produktion überein, d.h. es gilt p B = c, und es wird die gesamtwirtschaftlich optimale Menge X ∗ = X D (c) produziert.
Eine Begründung für diese Aussage lässt sich in der folgenden Weise geben: (1) Dass eine der Firmen i = 1, 2 einen Preis pi < c fordert, ist von vornherein ausgeschlossen. Sonst würde sie ja pro verkaufter Mengeneinheit einen Verlust in Höhe von pi − c < 0 erzielen und müsste aus dem Markt ausscheiden. (2) Wir gehen deshalb davon aus, dass Firma j einen Preis p j > c setzt und fragen dann (im Sinne der Nash-Verhaltenshypothese), wie die andere Firma i – zur Maximierung ihres Gewinns – durch Wahl eines eigenen Preises pi auf das vorgegebene p j reagieren wird.
70
I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
5. Oligopolistische Märkte
Version vom 21.06.05
Dabei sind drei Alternativen zu betrachten: •
Firma i setzt einen höheren Preis als Firma j , d.h. es gilt pi > p j . In diesem Fall kaufen die Konsumenten nur bei Firma j und der Gewinn von Firma i beträgt null.
•
Firma i setzt den gleichen Preis wie Firma j , d.h. es gilt pi = p j . Der Gewinn von Firma i ist dann ( p j − c)
XD ( pj ) 2
, weil in diesem Fall – nach der von uns getroffe-
nen Annahme – die beiden Firmen die Gesamtproduktionsmenge gleichmäßig unter sich aufteilen. •
Firma i setzt einen niedrigen Preis als Firma j , pi < p j . Der Gewinn von Firma i beträgt in diesem Fall ( pi − c) X D ( pi ) , weil annahmegemäß alle Konsumenten bei Firma i einkaufen.
(3) Konfrontiert mit diesen drei Alternativen wird sich Firma i zur Maximierung ihres Gewinns für die dritte Alternative entscheiden und dabei einen nur wenig unterhalb von p j gelegenen Preis pi = p j − ε wählen. Falls ε genügend klein ist, gilt ja
( p j − ε − c) X D ( p j − ε ) > ( p j − c)
Gewinn von Firma i 3. Alt.
X D( pj) 2
2. Alt.
> 0,
1. Alt.
d.h. die Wahl der dritten Alternative führt bei Firma i zum höchsten Gewinn. Ein derartiges Verhalten lohnt sich für Firma i deswegen, weil sie durch Unterbietung des Preises von Firma j die gesamte Nachfrage an sich ziehen kann.
(4) Nur bei einem einheitlichen Preis p B = p1B = p2B = c besteht für beide Firmen keine Möglichkeit zu einer weiteren Preisunterbietung, weil es sonst zu einem Verlust käme. Dies haben wir bereits unter (1) klar gemacht. Bei p B = c liegt dann auch das 71
I. Märkte
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5. Oligopolistische Märkte
Version vom 21.06.05
Gleichgewicht dieses Preiswettbewerbsspiels. Durch unsere früheren Überlegungen wissen wir aber, dass durch die Bedingung “Preis = Grenzkosten“ das gesamtwirtschaftliche Optimum mit der Produktionsmenge X ∗ charakterisiert ist.
Damit haben wir alle Bestandteile der obigen Behauptung nachgewiesen.
Insbesondere zeigt sich also ein erheblicher Unterschied zwischen diesem hier beschriebenen Betrand-Nash-Gleichgewicht und dem zuvor erörterten Cournot-Nash-GG, in dem Mengenwettbewerb herrscht. Im Cournot-Fall ist ja die Gesamtproduktionsmenge X N – wie zuvor ausführlich erläutert – durch die Marginalbedingung p′D ( X N )
XN + pD ( X N ) = c 2
charakterisiert, d.h. es gilt p D ( X N ) > c und somit X N < X ∗ . Im Cournot-Fall wird also im Vergleich zur Optimalmenge X ∗ zu wenig produziert. Es kommt im CournotGleichgewicht zu einem Wohlfahrtsverlust gegenüber der gesamtwirtschaftlich optimalen Lösung, der im Bertrand-Gleichgewicht nicht auftritt. Vor diesem Hintergrund scheint der Preiswettbewerb gegenüber dem Mengenwettbewerb “besser“.
Im Hinblick auf seinen Realitätsgehalt, bestehen gegenüber dem einfachen BertrandModell allerdings einige Zweifel: •
Zu einer gleichmäßigen Aufteilung der Produktion wird es bei gleichen Preisen nicht unbedingt kommen, wenn die Firmen über unterschiedliche Macht verfügen.
•
Die von verschiedenen Firmen angebotenen Güter gleichen Typs (z. B. PKWs) sind in der Regel nicht homogen, sondern sie unterscheiden sich in zahlreichen Beschaffenheitsmerkmalen (z. B. Fahrverhalten, Kofferraumgröße). Zudem bestehen auch bei im Prinzip homogenen Gütern (Benzin) unterschiedliche Entfernungen zu den einzelnen Lieferanten (Tankstellen), durch die “Transportkosten“ entstehen, die die effektiven Preise beeinflussen.
•
Auch ist Markttransparenz wegen hoher Informationskosten (auch in Form von Zeitkosten) oft nicht gegeben. Wie schwierig für den Käufer der Vergleich zwischen der Qualität etwa verschiedener Kfz-Modelle ist, zeigt im Übrigen auch die große Zahl von Autotest-Berichten in Zeitschriften. 72
I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
5. Oligopolistische Märkte
Version vom 21.06.05
Aufgrund der somit beschränkten empirischen Gültigkeit der bisherigen Version des Bertrandmodells wollen wir jetzt den Bertrand-Wettbewerb im Falle nicht-homogenen Güter analysieren. Diese Annahme erscheint der Realität besser angemessen, weil sich die Produkte verschiedener Unternehmen schon im Design unterscheiden und verschiedene Marken auch ein unterschiedliches Image haben (BMW vs. Audi vs. Skoda). Die Konsumenten “switchen“ dann bei kleinen Preisunterschieden nicht sofort von der einen zur anderen Marke. Dadurch entsteht für eine einzelne Firma ein größerer Preissetzungsspielraum.
Um diesen Fall in einem Modell darzustellen, betrachten wir wiederum zwei identische Firmen i = 1, 2 mit gleichen Kostenfunktionen cxi , aber – und das ist der neue Aspekt in dieser Modellvariante – individuellen Nachfragefunktionen der Gestalt xiD ( pi , p j ) = α − β pi + p j .
Die Nachfrage nach dem von Firma i hergestellten Gut hängt dann nicht nur von dem von dieser Firma gesetzten Preis pi , sondern auch vom Preis p j der anderen Firma ab. Und zwar fällt gemäß der obigen Formel die Nachfrage nach dem Produkt von Firma i , wenn ihr eigener Preis pi steigt und der Preis der anderen Firma p j abnimmt. Anders als im Fall eines homogenen Gutes verliert jetzt Firma i auch nicht sofort alle ihre Kunden, wenn ihr Preis etwas über dem von Firma j liegt.
Wenn die beiden Firmen in dieser Weise charakterisiert sind, lassen sich die PreisReaktionfunktionen leicht explizit beschreiben: Zur Bestimmung ihrer optimalen Reaktion maximiert Firma i für jeden gegebenen Preis p j der anderen Firma ihren Gewinn durch geschickte Wahl von pi , d.h. sie maximiert ( pi − c) xiD ( pi , p j )
als Funktion von pi . Nullsetzen der Ableitung dieser Funktion nach pi liefert dann als Marginalbedingung für die optimale Preisreaktion pir ( p j ) von Firma i
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I. Märkte
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5. Oligopolistische Märkte
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(α − β pir ( p j ) + p j ) − β ( pir ( p j ) − c) = 0
p rj ( p j ) =
bzw.
1 (α + β c + p j ). 2β
Daraus ergibt sich insbesondere, dass Firma i einen umso höheren eigenen Preis wählen wird, je höher der Preis der anderen Firma ist. Im Gegensatz zum CournotMengenwettbewerb sind in dieser Variante des Bertrand-Preiswettbewerbs die Reaktionskurven also steigende Funktionen. Eine grafische Darstellung der Reaktionskurven der beiden Firmen findet sich in Abbildung I-21. p1r ( p2 ) p2
Abbildung I-21 p2r ( p1 )
pB
α + βc 2β
0
α + βc 2β
pB
p1
Der im Bertrand-Gleichgewicht herrschende Preis p B ergibt sich dann aus der Symmetriebedingung pir ( p B ) = p B . Der Gleichgewichtspreis p B muss ja für beide Firmen eine wechselseitig beste Antwort darstellen, d.h. Firma i reagiert mit dem Gleichgewichtpreis p B , wenn die andere Firma p B vorlegt. Im dem von uns betrachteten speziellen Fall bedeutet diese Bedingung
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I. Märkte
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5. Oligopolistische Märkte
pB =
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1 (α + β c + p B ) , 2β
woraus sich für p B konkret der folgende Wert ermitteln lässt:
pB =
α + βc 2β − 1
Im Zahlenbeispiel von Pindyck/Rubinfeld, S. 616 werden die speziell folgenden Parameterwerte unterstellt α = 12 , β = 2 und c = 0, d.h. es gibt nur fixe Kosten (in Höhe von F = 20), aber keine variablen Kosten. Die Reaktionsfunktionen lauten dann für i, j = 1, 2 :
pir ( p j ) = 3 +
1 pj 4
und das Bertrand-Gleichgewichtpreis ergibt sich bei p B = 4 . Jede der beiden Firmen produziert dann xiD (4, 4) = 12 − 2 ⋅ 4 + 4 = 8 Gütereinheiten und macht dabei einen Gewinn = Erlös − Fixkosten = 4 ⋅ 8 − 20 = 12 Geldeinheiten. Analog zum Cournot-Fall wollen wir uns nun noch überlegen, wie im Bertrand-Modell die Kartell bzw. Kollusionslösung aussieht. Diese kommt dann zustande, wenn die beide Firmen sich keine Konkurrenz mehr machen, sondern – mit dem Ziel der Maximierung des gemeinsamen Gewinns – kooperieren.
Unter der naheliegenden Annahme, dass die beiden identischen Firmen in der Kartelllösung den gleichen Preis p verlangen, bedeutet das Streben nach einem möglichst hohen gemeinsamen Gewinn die Maximierung von ( p − c) 2 xiD ( p, p ) ,
d.h. im konkreten Fall die Maximierung von
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I. Märkte
Mikroökonomie I, SS 2005
5. Oligopolistische Märkte
Version vom 21.06.05
2( p − c)(α − β p + p )
durch geeignete Wahl von p . Die Marginalbedingung für den entsprechenden Kartellpreis p K lautet dann
(α − β p K + p K ) − ( β − 1)( p K − c) = 0
woraus sich
pK =
α + ( β − 1)c 2( β − 1)
folgt. Wie man durch eine komplizierte, aber nicht weiter interessante Rechnung bestätigt, gilt p K > p B , d.h. durch die Kooperation der beiden Firmen kommt es (wie schon im Cournot-Fall) zu einer Preiserhöhung. Speziell im Zahlenspiel von Pindyck/Rubinfeld erhält man für den Kartellpreis p K =
12 = 6 > 4 = pB . 2(2 − 1)
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II. Spieltheorie
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1. Nash-Verhalten und Normalformen
Version vom 21.06.05
II. Grundzüge der Spieltheorie Beim Cournot-Nash Gleichgewicht, wie wir es zuvor im Rahmen der Oligopoltheorie kennen gelernt hatten, war die Grundannahme, dass die beteiligten Firmen unkoordiniert handeln. Welche Konsequenzen sich aus diese Hypothese ergeben, lässt sich auch in einem anderen und wesentlich allgemeineren Rahmen erörtern. Man gelangt dann zur nichtkooperativen Spieltheorie, deren Grundlagen wir jetzt beschreiben wollen.
1. Nash-Verhalten und Normalformen Der Einfachheit halber beschränken wir unsere Darstellung auf Situationen, in denen es zwei Agenten 1 und 2 gibt, die jeweils über zwei Handlungsmöglichkeiten A1 und B1 bzw. A2 und B2 verfügen. Im Duopolfall würde dies bedeuten, dass sich jede der beiden Firmen zwischen zwei ganz bestimmten Produktionsniveaus entscheiden muss. Auf diese Interpretation kommt es jetzt aber nicht mehr an. Im nächsten Unterabschnitt werden wir auch andere Beispiele kennen lernen, in denen die nicht-kooperative Spieltheorie zur Anwendung kommt.
Genauso wie zuvor beim Duopol überlegt sich jeder der beiden Agenten, was er zur Maximierung des eigenen Nutzens tun soll, je nachdem wie der andere Agent (sein Gegenspieler) handelt. Auch hier geht es also erst einmal darum, optimale Antworten (Reaktionen) auf die möglichen Aktionen des jeweils anderen Agenten zu bestimmen. Eine solche optimale Anpassung eines Agenten wird allgemein als Nash-Verhalten bezeichnet. Um die Ergebnisse eines solchen Verhaltens in unserer einfachen spieltheoretischen Situation beschreiben zu können, benötigen wir natürlich Informationen über die Nutzenwerte, die sich bei den verschiedenen denkbaren Kombinationen der möglichen Aktionen der Beteiligten für die beiden Spieler jeweils ergeben. Je nachdem, welche Aktionen gewählt werden, lauten die relevanten Auszahlungen für Spieler 1
u1 ( A1 , A2 ) u1 ( B1 , A2 ) u1 ( A1 , B2 ) u1 ( B1 , B2 )
77
II. Spieltheorie
Mikroökonomie I, SS 2005
1. Nash-Verhalten und Normalformen
Version vom 21.06.05
und für Spieler 2 entsprechend
u2 ( A1 , A2 ) u2 ( B1 , A2 ) u2 ( A1 , B2 ) u2 ( B1 , B2 ) .
Dabei steht z. B. u1 ( A1 , B2 ) für den Nutzen, den Agent 1 erhält, wenn er selber die Aktion A1 und Agent 2 die Aktion B2 wählt. Der Nutzen u2 ( A1 , B2 ) bezeichnet hingegen den Nutzen des anderen Agenten bei gleichem Verhalten der beiden Spieler.
Nash-Verhalten bedeutet jetzt, dass jeder Spieler bei gegebenem Verhalten des anderen diejenige Aktion wählt, die ihn bei gegebener Handlung des anderen am besten stellt. Betrachten wir hierzu etwa Agent 1 und nehmen an, dass Agent 2 die Handlung B2 wählt. Dann vergleicht Agent 1 die beiden Nutzenwerte u1 ( A1 , B2 ) und u1 ( B1 , B2 ) und entscheidet sich dann für die Handlungsalternative, die ihm den höheren Nutzen bringt. Für die "Reaktionsfunktion" R1 ( B2 ) gilt also R1 ( B2 ) = A1 ⇔ u1 ( A1 , B2 ) > u1 ( B1 , B2 )
bzw. R1 ( B2 ) = B1 ⇔ u1 ( A1 , B2 ) < u1 ( B1 , B2 ) . Bei u1 ( A1 , B2 ) = u1 ( B1 , B2 ) ist Agent 1 indifferent im Hinblick darauf, ob er auf die Aktion B2 des anderen mit A1 oder B1 antworten soll.
Ein Nash-Gleichgewicht liegt jetzt – ganz genauso wie im Duopolfall – bei einer Kombination der Handlungen beider Agenten, die wechselseitig beste Antworten aufeinander sind. Dann sind beide zufrieden, weil sie sich – gegeben die Handlung des jeweils anderen – durch keine andere eigene Handlung noch besser stellen können. In diesem Sinne stellt ein Nash-Gleichgewicht einen stabilen Zustand dar. 78
II. Spieltheorie
Mikroökonomie I, SS 2005
1. Nash-Verhalten und Normalformen
Version vom 21.06.05
Bei der Bestimmung der optimalen Reaktionen der Agenten kommt es nur auf die Rangordnung der Pay-Offs, nicht nur auf deren absolute Höhe an. Deswegen reicht es zur Beschreibung der Spielstruktur aus, lediglich die Rangziffer der Auszahlungen anzugeben. Konkret heißt dies, dass für ein Individuum die beste Auszahlung den Wert 4 und die schlechteste den Wert 1 zugeordnet bekommt. Stimmen zwei, drei oder gar vier Pay-Offs überein, werden entsprechend weniger Rangziffern vergeben. Mit Hilfe dieser Rangziffern lässt sich dann eine ganz bestimmte Spielstruktur in einem Diagramm (der NormalformDarstellung eines Spiels) beschreiben. Ein Beispiel hierfür liefert Abbildung II-1.
Abbildung II-1 Agent 2
A2
B2
A1
(3,1)
(1,4)
B1
(2,2)
(4,3)
Agent 1
Dieses Diagramm ist folgendermaßen zu lesen: Wenn Agent 1 die Handlung A1 und Agent 2 die Handlung B2 wählt, landet man beim rechten oberen Eintrag. Im konkreten Fall sagt dieser aus, dass Agent 1 dann die für ihn schlechtestmögliche Auszahlung 1 und Agent 2 die bestmögliche Auszahlung 4 realisiert.
Ohne Schwierigkeiten lassen sich jetzt anhand dieses Diagramms die optimalen Reaktionen der beiden Individuen erkennen. Nehmen wir beispielsweise an, Agent 2 habe sich für die Handlung B2 entschieden. In der letzten Spalte von Abbildung II-1 müssen wir dann prüfen, bei welcher eigenen Handlung Agent 1 seinen höchsten Pay-Off erzielt. Wegen 4 > 1 ist dies B1 . Die optimale Antwort auf B2 ist also B1 , wofür wir
B2 → B1
79
II. Spieltheorie
Mikroökonomie I, SS 2005
1. Nash-Verhalten und Normalformen
Version vom 21.06.05
schreiben. Analog erhält man A1 als beste Antwort von Spieler 1 auf die Aktion A2 von Spieler 2, kurz A2 → A1 .
Für die optimalen Antworten von Agent 2 ergibt sich A1 → B2
sowie
B1 → B2 .
In diesem speziellen Fall ist es für Agent 2 also immer, d. h. unabhängig davon, ob Agent 1 sich für A1 oder B1 entscheidet, die beste Wahl, B2 zu spielen. Für Agent 2 ist B2 dann eine dominante Strategie.
Das Nash-Gleichgewicht ist in diesem Beispiel eindeutig bestimmt. Es liegt bei der Kombination der Handlungen ( B1 , B2 ) . Nur dort sind die Aktionen der beiden Agenten kompatibel miteinander: B2 ist für Agent 2 die beste Antwort auf B1 , und B1 ist die beste Antwort von Agent 1 auf B2 .
Diese Überlegungen zum Nash-Verhalten sind bisher rein formal. Sie dienen auch nur dazu, die Normalformdarstellung eines Spiels mit zwei Spielern und jeweils zwei Handlungsoptionen zu erklären. Welche konkreten Spieltypen von besonderem inhaltlichen Interesse sind, soll jetzt aufgezeigt werden.
80
II. Spieltheorie
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Spezielle Spieltypen in Normal-Form-Darstellung
Version vom 21.06.05
2. Spezielle Spieltypen in Normal-Form-Darstellung a) Das Gefangenen-Dilemma (Prisoner's Dilemma) Die Normalform hat bei diesem Spieltyp die folgende Gestalt:
Abbildung II-2
A2
B2
A1
(2,2)
(4,1)
B1
(1,4)
(3,3)
Auszahlungsmatrix im Gefangenen-Dilemma
Die Geschichte, die zur Bezeichnung “Gefangenen-Dilemma“ geführt hat, ist etwas weit hergeholt und hat mit Ökonomie im engeren Sinne nichts zu tun. (Interessehalber können Sie sie aber in jedem Mikro-Lehrbuch nachlesen.)
Wichtiger ist vielmehr, dass ein Gefangenen-Dilemma ein Kooperationssystem zwischen Agenten beschreibt. Dabei können wir etwa an den globalen Klimaschutz denken, bei dem die Reduktion von Treibhausgasen in einem Land durch verminderte Erderwärmung auch den anderen Ländern zugute kommt. Das Land, das die Emissionsvermeidung vornimmt, löst dann positive externe Effekte bei andern Ländern aus.
In stilisierter Betrachtung nehmen wir jetzt an, dass es nur zwei identische Länder gibt, die entweder eigene Vermeidungsmaßnahmen vornehmen, d. h. im Modell B1 bzw. B2 wählen, oder auf Emissionsvermeidung verzichten, d. h. A1 bzw. A2 wählen. Wenn ein Land Emissionsvermeidung vornimmt, entstehen ihm Kosten in Höhe von c und sein nationaler Nutzen (auch die infolge der Emissionsreduktionen verbesserte Umweltqualität) beträgt b . Gleichzeitig entsteht aber ein Nutzen in gleicher Höhe auch beim anderen Land. Es soll
(II-2-1)
2b > c > b
gelten. Die relevanten Pay-Offs für die beiden Länder i = 1, 2 lauten dann 81
II. Spieltheorie
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Spezielle Spieltypen in Normal-Form-Darstellung
Version vom 21.06.05
ui ( A1 , A2 ) = 0 u1 ( A1 , B2 ) = b und u2 ( A1 , B2 ) = b − c u1 ( B1 , A2 ) = b − c und u2 ( B1 , A2 ) = b ui ( B1 , B2 ) = 2b − c .
Wegen der Annahmen in (II-2-1) gilt offensichtlich b > 2b − c > 0 > b − c ,
so dass man in der Tat die Rangordnung der Pay-Offs erhält, wie sie in Abbildung II-1 dargestellt ist. Wir prüfen, wie in dieser Situation die optimalen Reaktionen der beiden Länder aussehen.
Wenn Land 2 A2 wählt, d. h. keine Emissionen vermeidet, ist es für Land 1 optimal, selber auch auf Emissionsvermeidung zu verzichten: Aus der Normalform-Darstellung folgt dies wegen 2 > 1 . Bei Nicht-Kooperation des anderen Landes erbringt die alleinige eigene Kooperation (Emissionsvermeidung) wegen c > b keinen positiven Netto-Nutzen.
Wenn hingegen Land 2 kooperiert und die Aktion B2 (Emissionsvermeidung) durchführt, stellt sich Land 1 wiederum besser, wenn es selber keine Emissionsvermeidung durchführt und also A1 wählt. Wiederum wegen c > b fährt Land 1 in diesem Falle besser, wenn es in Bezug auf die Vermeidungsanstrengungen des anderen Landes als "Freifahrer" handelt.
Nicht-Kooperation, d. h. Verzicht auf eigene Emissionsvermeidung ( A1 bzw. A2 ), ist also für jedes der beiden Länder die dominante Strategie. Das einzige Nash-Gleichgewicht in diesem Spiel ist daher ( A1 , A2 ) , d. h. beidseitige Nicht-Kooperation. Dieses Ergebnis ist aus ökonomischer Sicht unbefriedigend, weil beidseitige Kooperationen ( B1 , B2 ) gegenüber dem Gleichgewicht ( A1 , A2 ) eine Pareto-Verbesserung darstellt. Durch isoliertes Handeln der beiden Länder gemäß der Nash-Hypothese wird diese erstrebenswerte Lösung aber nicht erreicht. Es liegt deshalb ein Kooperationsdilemma (bzw. ein soziales Dilemma) vor, dessen Ursache kurz gesagt darin besteht, dass jedes der beiden Länder die Freifahrer82
II. Spieltheorie
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Spezielle Spieltypen in Normal-Form-Darstellung
Version vom 21.06.05
position als die aus seiner individuellen Perspektive attraktivere Alternative ansieht. Gewissermaßen tricksen sich die Länder gegenseitig selber aus.
Um die Möglichkeit einer Pareto-Verbesserung nutzen zu können, müssen die beiden Länder die Option ausschließen, dass sie nicht kooperativ handeln. Der naheliegende Weg zu einer solchen Selbstbindung besteht im Abschluss eines Kooperationsvertrags, in dem sich die Länder zur Emissionsvermeidung verpflichten. Im Bereich des internationalen Klimaschutzes wurde im Jahre 1997 mit dem Kyoto-Protokoll ein entsprechender Vertrag geschlossen. Die Schwierigkeit ist allerdings, zunächst hinreichend viele Länder zur Unterzeichung eines solchen Vertrages zu bewegen und dann für die tatsächliche Einhaltung der Abmachung zu sorgen. Im Oligopolfall hatten wir bereits ein entsprechendes Problem im Zusammenhang mit der Kartelldisziplin kennengelernt.
b) Das Chicken-Spiel Die Pay-Off-Matrix im Chicken-Spiel wird in Abbildung II-3 beschrieben:
Abbildung II-3 A2
B2
A1
(1,1)
(4,3)
B1
(3,4)
(2,2)
Auszahlungsmatrix im Chicken-Game
Auch hier besteht ein Freifahrer-Anreiz. Wenn der jeweils andere Agent kooperiert und B1 bzw. B2 spielt, stellt man sich selber besser, wenn man nicht kooperiert: Wegen 3 > 2 gilt
B1 → A2 und B2 → A1 .
Wenn der andere Agent aber nicht kooperiert und A1 bzw. A2 spielt, fährt man selber besser, wenn man B1 bzw. B2 und somit die kooperative Handlung wählt: Wegen 4 > 1 gilt für die optimalen Reaktionen dann A1 → B2 und A2 → B1 . Um beim Beispiel internationaler Umweltprobleme zu bleiben, sind die Schäden aus der Umweltverschmutzung in die83
II. Spieltheorie
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Spezielle Spieltypen in Normal-Form-Darstellung
Version vom 21.06.05
sem Fall so groß, dass man bei einem Alleingang immer noch besser dasteht als wenn bei der Emissionsvermeidung gar nichts geschieht. In diesem Fall gibt es zwei mögliche NashGleichgewichte, nämlich ( A1 , B2 ) und ( B1 , A2 ) . In einem Nash-Gleichgewicht kooperiert also genau einer der beiden Agenten.
Die Spielstruktur des Chicken-Game kann im Vorfeld, d. h. in einer Phase, bevor das eigentliche Spiel stattfindet, strategische Anreize auslösen. Wegen 4 > 3 stellt sich in jedem der beiden Nash-Gleichgewichte derjenige Agent besser, der nicht kooperiert. (Im konkreten Beispiel erspart er sich ja die Kosten für die Umweltschutzmaßnahmen, profitiert aber von den Vermeidungsanstrengungen des anderen). Um tatsächlich in die für ihn vorteilhafte Freifahrerposition gelangen zu können, wird jeder Agent dann zu signalisieren versuchen, dass er keine Vermeidungsanstrengungen unternehmen wird. Zu diesem Zweck spielt er dann seine Präferenzen für Umweltschutz herunter oder vermeidet es, Technologien zu entwickeln, die ihn überhaupt erst zu einem wirksamen Umweltschutz befähigen würden. Im letzteren Fall soll dann in gewissem Sinne ein "Strategic Advantage of Being Less Skilled" ausgenutzt werden.
c) Assurance Game Die Auszahlungsmatrix in diesem Falle ist: Abbildung II-4
A2
B2
A1
(2,2)
(3,1)
B1
(1,3)
(4,4)
Auszahlungsmatrix im Assurance-Game
Die optimalen Reaktionen sind jetzt
A2 → A1 B2 → B1 A1 → A2 84
II. Spieltheorie
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Spezielle Spieltypen in Normal-Form-Darstellung
Version vom 21.06.05
B1 → B2
Auf Nicht-Kooperation des anderen wird mit Nicht-Kooperation, auf Kooperation mit Kooperation reagiert. Die Agenten handeln gemäß des Reziprozitätsgedankens nach dem Motto "Wie du mir, so ich dir". Folglich gibt es zwei Nash-Gleichgewichte, nämlich ( A1 , A2 ) und ( B1 , B2 ) . Im Hinblick auf die Erreichung der Pareto-optimalen Lösung ( B1 , B2 ) besteht allerdings ein Koordinationsproblem: Die Agenten müssen sicher sein können, dass der jeweils andere Agent tatsächlich kooperiert, damit sie zur Kooperation bereit sind. Daher rührt auch die Bezeichnung “Assurance Game.“
Wie es zu einer solchen Spielstruktur kommen kann, lässt sich folgendermaßen erklären: Die Agenten sind gutwillig und prinzipiell zu freiwilliger Kooperation bereit. Sie streben zwar für sich selber keine Freifahrerposition an, möchten sich allerdings auch nicht von den anderen ausnutzen lassen. Möglicherweise würde auch eine isolierte Kooperationshandlung eines Agenten allein nur einen ganz geringen Nutzeneffekt haben, so dass ein Alleingang für einen einzelnen Agenten nicht profitabel ist. Um - etwa beim internationalen Umweltschutz - einen ausreichenden Effekt zu erreichen, müssen genügend Länder mitziehen. Aus der Sicht eines einzelnen Agenten kommt es dann zu einer konditionalen Kooperationsentscheidung.
d) Das Harmoniespiel Die Standardform bei diesem Spieltyp sieht wie folgt aus:
Abbildung II-5 A2
B2
A1
(1,1)
(3,2)
B1
(2,3)
(4,4)
Auszahlungsmatrix im Harmoniespiel
85
II. Spieltheorie
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Spezielle Spieltypen in Normal-Form-Darstellung
Version vom 21.06.05
Wegen 2 > 1 und 4 > 3 gilt für die optionalen Reaktionen der beiden Agenten jetzt
A2 → B1 B2 → B1 A1 → B2 B1 → B2
In diesem Falle ist also Kooperation die dominante Strategie für beide Agenten und die Pareto-optimale Kooperationslösung ( B1 , B2 ) stellt das einzige Nash-Gleichgewicht dieses Spiels dar.
Etwa aus dem Gefühl einer strengen moralischen Verpflichtung heraus ist die Bereitschaft, etwas für die Verbesserung der Umwelt zu tun, so stark ausgeprägt, dass die Agenten ihren Beitrag leisten – und zwar unabhängig davon, was die anderen tun.
e) Battle-of-the-Sexes und andere Koordinationsspiele Bei Battle-of-the-Sexes ("Kampf der Geschlechter") hat man die folgende Spielstruktur:
Abbildung II-6 A2
B2
A1
(3,2)
(1,1)
B1
(1,1)
(2,3)
Auszahlungsmatrix bei Battle-of-the Sexes
Unterschiedliches Handeln der beiden Agenten, d. h. ( A1 , B2 ) und ( B1 , A2 ) , ist für beide die schlechteste Lösung. Wenn sie sich koordinieren und gleich handeln, stellen sich beide besser, der eine aber noch besser als der andere.
Vorstellen kann man sich dabei, dass zwei Telekommunikationsgesellschaften unterschiedliche Netze betreiben. Sind die dabei verwendeten Technologien völlig verschieden, ist 86
II. Spieltheorie
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Spezielle Spieltypen in Normal-Form-Darstellung
Version vom 21.06.05
eine Kommunikation zwischen den Kunden der beiden Netze so sehr erschwert, dass sich das Geschäft für keinen der beiden Netzbetreiber wirklich lohnt.
Bei Verwendung eines einheitlichen Standards ist dieses Problem beseitigt, aber es stellt sich diejenige Firma besser, deren Technologie zur Anwendung kommt. Die optimalen Reaktionen sind dabei
A2 → A1 B2 → B1 A1 → A2 B1 → B2 .
Es gibt zwei Nash-Gleichgewichte ( A1 , A2 ) und ( B1 , B2 ) , die sich danach unterscheiden, welcher der beiden Agenten besser wegkommt. In dieser Hinsicht ist man in einer ähnlichen Situation wie beim Chicken-Game.
Ein anderes noch einfacheres Koordinationsspiel ist wie folgt beschaffen:
Abbildung II-7 A2
B2
A1
(1,1)
(2,2)
B1
(2,2)
(1,1)
Hier gilt "Vive la Différence". Wenn (bei ( A1 , B2 ) oder ( B1 , A2 ) ) zwei Firmen unterschiedliche Produkte auf den Markt werfen, geht es beiden gut. Beim Angebot ähnlicher Produkte kommen sie sich aber ins Gehege und zerstören ihre Marktchancen. Die Konstellation ( A1 , A2 ) und ( B1 , B2 ) führen beide hier Firmen zu wenig erfreulichen Gewinnsituationen. Für die optimalen Reaktionen gilt
A2 → B1
87
II. Spieltheorie
Mikroökonomie I, SS 2005
2. Spezielle Spieltypen in Normal-Form-Darstellung
Version vom 21.06.05
B2 → A1 A1 → B2 B1 → A2 .
Die beiden Nash-Gleichgewichte sind also ( A1 , B2 ) und ( B1 , A2 ) .
88
II. Spieltheorie
Mikroökonomie I, SS 2005
3. Sequentielle Spiele
Version vom 04.07.05
3. Sequentielle Spiele Bei Vergleich des Cournot-Nash Gleichgewichts mit dem Stackelberg-Gleichgewicht haben wir bereits im Duopolfall erkannt, dass der Ausgang eines Spiels davon abhängt, ob die Spieler simultan handeln oder aber ob einer von ihnen als erster am Zuge ist. Diese allgemeine Einsicht bestätigt sich auch im Rahmen des allgemeinen spieltheoretischen Ansatzes, welcher der Betrachtung in diesem Kapitel zugrunde liegt.
Die Bedeutung der Zugfolge für den Spielausgang verdeutlichen wir am Beispiel des Chicken Game. Nehmen wir an, Spieler 1 sei als erster am Zug. Dann wird er sich für die Handlung A1 entscheiden, weil er – bei vollkommener Voraussicht – ja antizipiert, dass sein Mitspieler auf A1 mit B2 reagiert. Spieler 1 realisiert dadurch seinen bestmöglichen Pay-Off in Höhe von 4, während Spieler 2 nur die Auszahlung 2 erreicht. Genauso wie im Stackelberg-Fall des Duopols erhält Spieler 1 dadurch, dass er als erster ziehen kann, also einen strategischen Vorteil. Durch das Vorliegen einer eindeutigen Zugfolge ist das Gleichgewicht des Spiels zudem eindeutig bestimmt, während es bei gleichzeitiger Handlung beider Spieler, d. h. in der Cournot-Nash Situation, ja zwei Gleichgewichte gibt.
Grafisch kann man den sequentiellen Spielverlauf durch einen Spielbaum ("extensive Form") darstellen, wie er in Abbildung II-8 veranschaulicht wird. Der gepunktete Streckenzug gibt nach den gerade angestellten Überlegungen den tatsächlichen Spielverlauf an.
Abbildung II-8 A2 A1
(1,1)
Spieler 2
B2
(4,2)
A2
(2,4)
B2
(3,3)
Spieler 1 B1
Spieler 2
Wie es in der Realität zur Bestimmung der Zugfolge und damit zu einem strategischen Vorteil bei einem der Agenten kommen kann, soll anhand eines Beispiels veranschaulicht werden. Dabei stellen wir uns vor, dass es sich bei dem Chicken-Spiel um die Bereitstellung eines internationalen öffentlichen Umweltgutes (Klimaschutz) handelt. Land 1 be-
89
II. Spieltheorie 3. Sequentielle Spiele
Mikroökonomie I, SS 2005 Version vom 04.07.05
stimmt dann den Spielverlauf völlig und zieht in diesem Sinne tatsächlich als erstes, wenn es nicht in der Lage ist, eigenständig Maßnahmen zur Verminderung schädlicher Emissionen und damit zur Verbesserung der Umweltqualität herbeizuführen. Wenn Land 2 hingegen über entsprechende Fähigkeiten verfügt und zudem – wie in der Pay-Off Struktur des Chicken Game unterstellt – an einer Verbesserung der Umweltgüter auch ein hinreichend starkes Interesse hat, wird es einseitig umweltverbessernde Aktivitäten ergreifen. In gewissem Sinne ist es dann die "Unfähigkeit" von Land 1, durch die Land 2 in die Position gedrängt wird, in der es allein für das öffentliche Gut sorgt, während Land 1 die für sich selber vorteilhafte Freifahrer-Position einnehmen kann. Ein scheinbarer Nachteil (fehlende Möglichkeit eines eigenen Beitrags zum internationalen Umweltschutz) schlägt also in einen effektiven strategischen Vorteil um. Dieser Sachverhalt lässt sich etwa durch das Motto "Die Schwäche wird zur Stärke." oder auch "Die Letzten werden die Ersten sein." beschreiben - was zumindest auf den ersten Blick paradox erscheint.
Wenn Land 1 diese Zusammenhänge antizipiert, kann es den Zustand der eigenen Unfähigkeit auch planvoll herbeizuführen versuchen. Land 1 bemüht sich dann darum, sich definitiv an die für sich selber vorteilhafte Strategie zu binden, um durch ein solches Commitment seine strategische Position zu verbessern. In unserem konkreten Beispiel kann dies heißen, dass Land 1 etwa über längere Zeit hinweg keinerlei Initiative zur Entwicklung von Umweltschutztechnologien ergreift. Ein solches strategisches Verhalten kann aber auch gefährlich sein, wenn Land 2 mit der gleichen strategischen Absicht in analoger Weise handelt. Es kann dann dazu kommen, dass beide Länder im Endeffekt über weniger (technische) Möglichkeiten zur Umweltverbesserung verfügen, als es in ihrem eigentlichen Interesse liegt.
In der betrachteten Situation kann sich ein Land im Übrigen auch dadurch einen strategischen Vorteil zu verschaffen versuchen, dass es seine Präferenzen für das internationale Umweltgut systematisch untertreibt. Zu diesem Zwecke wird es beispielsweise Politiker in internationale Umweltverhandlungen schicken, die bekanntermaßen selber mit "grünem" Gedankengut nichts am Hut haben. In der Spieltheorie spricht man in diesem Zusammenhang von strategischer Delegation.
Der strategische Vorteil einer Bindung lässt sich auch an einem wichtigen industrieökonomischen Beispiel veranschaulichen. Beim sog. Markteintrittsspiel geht es darum, dass 90
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eine Firma (Firma 1, "Entrant") sich überlegt, ob sie auf einem Markt aktiv werden soll, der bislang von einer einzigen Firma (Firma 2, "Incumbent") bedient wird. Das Ziel des potenziellen Neueindringlings Firma 1 besteht natürlich darin, der alteingesessenen Firma 2 einen Teil ihres Profits streitig zu machen. Allerdings kann Firma 2 sich wehren, indem diese einen Preiskampf startet. Die möglichen Aktionen der beiden Firmen sind also:
A1 : Markteintritt Firma 1 B1 : kein Markteintritt
A2 : Anpassung Firma 2 B2 : Preiskampf
Die Pay-Off Struktur soll dann die in Abbildung II-8 dargestellte Form haben.
Abbildung II-9
Firma 2 A2
B2
A1
(20,40)
(-10,10)
B1
(0,100)
(0,60)
Firma 1
Hinter diesem Auszahlungsschema stecken die folgenden Annahmen: Bei ( B1 , A2 ) bleibt Firma 1 dem Markt fern. Sie hat weder Erlöse noch Kosten und somit einen Pay-Off von 0. Firma 2 erzielt hingegen ihren Monopolgewinn, der 100 betragen soll. Die Kombination der Handlungen ( B1 , B2 ) ist für die Beschreibung des Spielergebnisses völlig unbedeutend. Dass Firma 2 den Preis senkt, obwohl Firma 1 nicht aktiv wird, ist von vornherein auszu91
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schließen, da Firma 2 sich dadurch in offensichtlicher Weise ja schlechter stellen würde: 60 < 100 . Wenn bei ( A1 , A2 ) Firma 1 in den Markt eintritt und Firma 2 sich passiv anpasst,
sinkt der Gewinn von Firma 2 auf 40. Firma 1 hat einen Gewinn von 20. Dieser liegt aber unter dem Gewinn von Firma 2, weil der Markteintritt für Firma 1 mit Kosten verbunden sein soll. Im Falle ( A1 , B2 ) wirft Firma 2 absichtlich eine größere Produktmenge auf den Markt. Gegenüber ihrer Anpassungsstrategie verliert Firma 2 also infolge des sinkenden Güterpreises, so dass ihr Gewinn nur noch 10 anstelle von 40 beträgt. Firma 1 macht jetzt aber infolge der durch den Markteintritt angefallenen Zusatzkosten einen Verlust in Höhe von 10, dies entspricht einer Auszahlung in Höhe von -10.
Die relevanten Teile dieses Spiels lassen sich in übersichtlicher Weise durch einen Spielbaum, der in Abbildung II-10 dargestellt ist, veranschaulichen.
Abbildung II-10 A2 A1
Firma 2 B2
Firma 1 B1
(20,40)
(-10,10)
(0,100)
Firma 1 wird – mit der gleichen Logik wie zuvor beim Chicken-Spiel – in den Markt eintreten. Sie erzielt dadurch einen Gewinn von 20 > 0 . Die Drohung eines Preiskrieges von Firma 2 ist hingegen nicht wirksam, weil sie unglaubhaft ist. Wenn Firma 1 nämlich bereits in den Markt eingetreten ist, stellt sich Firma 2 schlechter, wenn sie ihre Drohung wahr macht: 10 < 40 . Sie schneidet sich "ins eigene Fleisch". Auch jetzt zeigen wieder die gepunkteten Strecken den tatsächlichen Spielverlauf an. Die Firma 1 tritt ein, und Firma 2 passt sich an.
Um in dieser Situation ihre Drohstrategie glaubwürdig zu machen, kann Firma 2 strategisch handeln: So kann Firma 2 sich einen Ruf verschaffen, irrational zu sein, d. h. den anderen Spieler ohne Rücksicht auf eigene Verluste zu bekämpfen. Wenn Firma 2 eine solche aggressive Grundhaltung überzeugend signalisiert, hat sie Erfolg: Firma 1 bleibt 92
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dem Markt fern. Die bekannte Irrationalität kann also über den gesamten Spielverlauf hinweg durchaus rational sein - was auch ziemlich paradox erscheint.
Zudem kann Firma 2 im Vorfeld des betrachteten Spiels ihre eigenen Pay-Offs absichtlich verändern. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass sie Zusatzkosten aufwendet, um Überkapazitäten aufzubauen. Der Monopolgewinn sinkt dann etwa auf 80. Wenn Firma 1 in den Markt eintritt und Firma 2 klein beigibt und auf einen Preiskampf verzichtet, hat der Gewinn von Firma 2 das Niveau 20. Wenn Firma 2 jedoch den Preiskampf beginnt und mehr von dem von ihr produzierten Gut auf den Markt wird, soll bei Firma 2 der Gewinn jetzt 30 betragen. Dieser Gewinn ist dann höher als in der ersten Variante des Markteintrittsspiels (vgl. Abbildung II-9 bzw. Abbildung II-10). Im konkreten Fall ist dies darauf zurückzuführen, dass die mit dem Preiskampf einhergehende Ausdehnung der Produktion bei Firma 1 aufgrund der bestehenden höheren Produktionskapazitäten zu geringeren Kosten möglich ist. Diese potenzielle Kostensenkung für die Mehrproduktion, ist der alleinige Sinn und Zweck der Schaffung der Überkapazitäten in der hier betrachteten Situation. Der Spielbaum hat dann die in Abbildung II-11 wiedergegebene Gestalt. Abbildung II-11
A2
(20,20)
Firma 2 A1
B2
Firma 1 B1
(-10,30)
(0,80)
Jetzt ist es für Firma 2 völlig rational, auf den Markteintritt von Firma 1 mit einer Ausdehnung ihrer Produktionsmenge zu reagieren: 30 > 20 . Damit ist für Firma 1 klar, dass sich ein Markteintritt nicht lohnt. Dieser Spielverlauf ist in Abbildung II-11 wiederum durch eine gepunktete Linie gekennzeichnet. Firma 2 verbleibt in ihrer Monopolstellung. Ihr Monopolgewinn vermindert sich aber durch die rein strategisch motivierte Schaffung von Überkapazitäten von 100 (in Abbildung II-10) auf 80 (in Abbildung II-11). Die Kosten, die von diesen Überkapazitäten verursacht werden, dienen nur zur Erhöhung der “Kampfstärke“ von Firma 2. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht führen sie zu einem Wohlfahrtsverlust, welcher den Deadweight Loss of Monopoly noch weiter erhöht. Im Endeffekt werden die Überkapazitäten aber nicht einmal genutzt. 93