Pocket Power
Volker Harms
Kundendienst Serviceleistungen für Kunden und Produkte
HANSER
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Inhalt Wegweiser
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Pocket Power
Volker Harms
Kundendienst Serviceleistungen für Kunden und Produkte
HANSER
3
Inhalt Wegweiser
5
Abkürzungsverzeichnis
6
1
7
Kundendienst – eine Serviceleistung
1.1 Megatrend Dienstleistung
7
1.2 Kundendienst und Kundendiensttrends
11
2
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Umgang mit Kundendienstleistungen
2.1 Merkmale des Kundendienstes
18
2.2 Abhängigkeit der Leistung
20
2.3 Immaterialität
22
2.4 Beteiligung des Kunden
24
2.5 Kopplung von Produktion und Absatz
25
2.6 Mitarbeiterdominanz
27
2.7 Umgang mit Restriktionen
31
3
36
Produkte und Prozesse im Kundendienst
3.1 Kundendienstprodukte
36
3.2 Kundendienstprozesse
40
3.3 Kundendienstqualität
53
3.4 Servicecontrolling
69
3.5 Kundendienstpreise
76
3.6 Kundendienstkonzepte
86
4
Inhalt
Konzept für das Kundendienstpersonal
104
4.1 Mitarbeiterorientierung im Kundendienst
104
4.2 Gestaltungsrahmen der Personalpolitik
107
4.3 Personalmanagement im Kundendienst
113
4
5
Rationalisierungspotenziale im Kundendienst 120
Literatur
121
5
Wegweiser Dieses Buch wendet sich an Praktiker. Die folgenden drei Symbole führen Sie schnell zum Ziel:
C
Dieses Symbol markiert Anwendungstipps: Hier erfahren Sie, wie Sie bei der Umsetzung am besten vorgehen.
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Hier geben wir Ihnen Praxisbeispiele, die zeigen, wie die Thematik von anderen konkret umgesetzt wird. Wo Sie dieses Symbol sehen, weisen wir Sie auf Hürden und Hindernisse hin, die einer Umsetzung erfahrungsgemäß oft im Wege stehen.
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Abkürzungsverzeichnis AGB AQL BSC B-to-B B-to-C CRM DIN E-Commerce EDV EFQM ERP EQA FMEA HWK ISO on IT IHK JiT Kfz LSG MBNQA TQM SLA Q QM UIS
Allgemeine Geschäftsbedingungen Accepted Quality Level Balanced Scorecard Business-to-Business (Markt) Business-to-Consumer (Markt) Customer Relationship Management Deutsches Institut für Normung Electronic Commerce Elektronische Datenverarbeitung European Foundation for Quality Management Enterprise Resource Planning European Quality Award Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse Handwerkskammer International Organization for StandardizatiInformationstechnologie Industrie- und Handelskammer Just in Time Kraftfahrzeug Lufthansa Service Gesellschaft Malcolm Baldrige National Quality Award Total Quality Management Service Level Agreement Qualität Qualitätsmanagement Unternehmerverband Industrie-Service und Dienstleistungen e. V.
7
1
Kundendienst – eine Serviceleistung
1.1 Megatrend Dienstleistung Die hoch entwickelten Volkswirtschaften sind dabei, sich in Dienstleistungsgesellschaften zu verwandeln. Aus Industrienationen werden Dienstleistungsnationen. In diesen Ländern, zu denen auch Deutschland und der größte Teil Europas gehören, sind inzwischen 60 bis 70 % aller Erwerbstätigen in der Dienstleistung beschäftigt. Auch beim Bruttoinlandsprodukt lässt sich dieser Trend in ähnlicher Weise erkennen. Der Veränderungsprozess zu mehr Dienstleistung ist noch nicht abgeschlossen. Der Megatrend hält an. Der internationale Begriff für Dienstleistung ist Service. Beide Ausdrücke sind also synonym zu verwenden. Der Kundendienst ist ein wesentlicher Teil des Dienstleistungsmarktes, auch wenn hierzu keine genauen Zahlen vorliegen. Der Kundendienstbegriff wird im nächsten Kapitel näher erläutert. Dienstleistungen, die nicht oder nur in geringem Maße an Sachgüter oder andere Leistungen gekoppelt sind, sollen als reine Dienstleistungen bezeichnet werden. Hierzu gehören bestimmte EDV-Dienstleistungen, Kommunikationsdienste, Internet-Leistungen, E-Commerce, Consulting, Steuerberatungen und viele andere Leistungen. Diese Branchen boomen in besonderem Maße. In anderen Branchen verläuft die Entwicklung verhaltener. Dies gilt insbesondere für verbundene Dienstleistungen, die in Verbindung mit Sachgütern oder anderen Leistungen angeboten werden. Auch der Kundendienst ist eine solche verbundene Dienstleistung. Der Kundendienst bietet noch viel Entwicklungspotenzial.
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Kundendienst
Es müssen neue Serviceprodukte entwickelt werden, im Extremfall ganze Servicewelten. Innovationen, die auf kreativen Ideen basieren, sind gefragt. Wirtschaft und Politik setzen große Hoffnungen in die Entwicklung der Dienstleistungen. Die Verbesserung vorhandener Serviceprodukte, die höheren Qualitätsansprüchen genügen, und neue Dienste sollen eine bessere Wettbewerbsfähigkeit auf nationalen und internationalen Märkten sicherstellen. Wettbewerber sind neben den hoch entwickelten Volkswirtschaften auch die weniger entwickelten Länder. Können Dienstleistungsprodukte, ähnlich wie Maschinen und Anlagen oder Automobile aus dem Sachgütersektor, zum Exportschlager werden? Neben dem normalen Anspruch an ein (Dienstleistungs-) Produkt, wie gute Qualität, kostengünstige Herstellung und marktgerechter Preis, Marktfähigkeit und hoher Kundennutzen sind zukünftig weitere Merkmale zu beachten. Dazu gehören die Bewältigung der Komplexität der Produkte und Märkte, kurze Lieferzeiten und Termintreue, die Steuerung gleichzeitig ablaufender Prozesse und die Auseinandersetzung mit der wachsenden Agressivität der Kunden und Konkurrenten. Der Kunde ist letzten Endes ein Mensch, im Business-toConsumer-Markt ohnehin, aber auch im Business-to-Business Markt. Viele Kunden sind noch geprägt von der Do-ityourself-Welle. Das Dienstleistungsbewusstsein ist unterentwickelt. Nutzen und Wert einer Dienstleistung werden nicht richtig gewichtet. Für die Volkswirtschaften auf dem Weg in die Dienstleistungsgesellschaft stecken jedoch große Chancen in der Entwicklung eines Dienstleistungsbewusstseins. Dienstleistungsbewusstsein schafft Dienstleistungsmärkte und Konjunkturen.
Megatrend Dienstleistung
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Die hoch entwickelten Volkswirtschaften sind gekennzeichnet durch folgende Merkmale, die den Trend zur Dienstleistung auslösen und unterstützen: Marktsättigung Die Märkte für Sachgüter sind weitgehend gesättigt. Dies gilt umfassend für den Konsumgütermarkt, in hohem Maße aber auch für den Investitionsgütermarkt. Der Markt ist damit zu einem Käufermarkt geworden, auf dem der Kunde bestimmt, was abgesetzt und produziert werden kann. Folgerichtig ist ein verstärkter Wettbewerb entstanden, dem u. a. durch eine verstärkte Marketingorientierung der Unternehmen begegnet wird. Beim Einsatz der Marketinginstrumente gewinnt vor allem der Kundendienst an Bedeutung, bei dem Sachgüter mit Dienstleistungen kombiniert werden. Globalisierung der Märkte Die Internationalisierung der Wirtschaft bietet Chancen und Risiken. Die Chancen ergeben sich aus der Ausweitung der Absatzmärkte, den Möglichkeiten des weltweiten Einkaufs von Gütern und Dienstleistungen (Global Sourcing) sowie dem Aufbau von Produktionsstätten im Ausland. Als Risiko ist vor allem der verstärkte Konkurrenzdruck zu erkennen, der Kosten und Preise beeinflusst. Vernetzte Unternehmensstrukturen Unternehmen konzentrieren sich verstärkt auf das Kerngeschäft, welches immer enger definiert wird. Sie werden dabei kleiner, kompakter und schlanker. Die Möglichkeiten des Zukaufs von Leistungen (Make or Buy-Entscheidung), der
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Kundendienst
umfassenden Nutzung externer Leístungsquellen (Outsourcing) und die Auslagerung von Geschäftsteilen in eigenständige Tochtergesellschaften werden genutzt. Gerade Dienstleistungen, vor allem Kundendienstleistungen, werden zunehmend in spezialisierte Service-GmbHs ausgelagert. Es entstehen neue, leistungsfähige Dienstleistungspartner, die unter verbesserten Rahmenbedingungen arbeiten können. Auf diese besonderen Bedingungen für den Kundendienst und andere Dienstleistungen wird in Kapitel 2 und 3 noch eingegangen. Um Sach- oder Dienstleistungen zu erstellen, müssen aufgrund dieser Entwicklung viele Partner koordiniert zusammenarbeiten. Die Verbindungsstellen zwischen verschiedenen Unternehmen und innerhalb der Prozessketten zur Leistungserstellung müssen definiert und organisiert werden. Diese Vernetzung tritt innerhalb von Großunternehmen und Konzernen auf und ist gleichermaßen zwischen den Unternehmen zu finden.
erstellt von ciando
Boom der Informations- und Kommunikations(I&K-)Technologien Die Ausweitung der Telekommunikationsdienste und der Informationsverarbeitung inkl. der Internettechnologien macht es möglich, die erhöhte Komplexität der vernetzten Unternehmensstrukturen zu bewältigen. Auch Kundendienstleistungen sind auf die Unterstützung durch die I&K-Technologien angewiesen. Die Informationsverarbeitung und die Kommunikationstechnologien bieten gleichzeitig breiten Raum für neue, kreative Kundendienst- und Serviceprodukte. Die schnellen Veränderungen dieser Technologien dynamisieren alle damit zusammenhängenden Leistungen.
Kundendienst und Kundendiensttrends
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Neue Investitionsstrategien Der schnelle Wandel der Technologien aber auch eine gezielte Unternehmensstrategie, die Kapitalbindung zu senken, führen zu neuen Finanzierungsmodellen im Bereich des Anlagenleasings. Fixe Kosten werden zumindest teilweise in variable Kosten umgewandelt. Die Flexibilität der Unternehmen steigt. Neue Dienstleistungen entstehen.
1.2 Kundendienst und Kundendiensttrends Kundendienstleistungen sind ein besonderes Segment des Dienstleistungsmarktes. Es handelt sich immer um ergänzende Dienstleistungen zu einem Produkt, das der Kunde kaufen möchte, gerade übernimmt oder schon besitzt. Das Produkt kann ein Sachgut oder ein Dienstleistungsprodukt sein (vgl. Bild 1). Kundendienstleistungen sind also produktbegleitende Leistungen. Beispiele sollen dies verdeutlichen:
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Sachgutbezogener Kundendienst
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Dienstleistungsbezogener Kundendienst
Ein Kunde kauft sich im Kaufhaus eine Hose. Die Hose ist zu lang und muss gekürzt werden. Dieser Änderungsdienst ist eine Kundendienstleistung des Kaufhauses.
Ein Gast hat ein Zimmer in einem Hotel in der Nähe des Flughafens gebucht. Die Dienstleistung besteht aus der Übernachtungsleistung mit Gastronomie und Fitnessservice. Als zusätzlichen Service bietet das Hotel einen Holund Bringdienst (Shuttleservice) vom und zum Flughafen an. Dies ist eine Kundendienstleistung des Hotels.
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Kundendienst
Bild 1: Sachgut- und dienstleistungsbezogene Kundendienstleistungen
Unter dem Begriff Kundendienst sind also überwiegend immaterielle betriebliche Leistungen zu verstehen, die dem Kunden den Kauf eines Sachgutes oder einer Dienstleistung erleichtern oder die Nutzung bzw. Inanspruchnahme ermöglichen oder vereinfachen. Der Kundendienst verschafft dem Kunden einen Zusatznutzen. Das anbietende Unternehmen kann damit unterschiedliche Ziele verfolgen, die jedoch alle in eine Verbesserung von Umsatz und Gewinn münden: " Verkauf und Absatz fördern " Präferenzen für Unternehmen und Produkte schaffen " Kundenbindung aufbauen (Nachkauf/Inanspruchnahme weiterer Produkte)
Kundendienst und Kundendiensttrends
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" Nutzung/Betrieb eines Sachgutes sichern " Kundendienstumsatz durch den Verkauf von Kundendienstleistungen (After-Sales Service) steigern " Komplettangebote von Sachgut inkl. Serviceleistung anbieten Ein Teil der Kundendienstleistungen wird in der Angebotsphase, also vor dem Kauf, erbracht (Bild 2). Dazu gehören Beratungsleistungen, Vorführung und Test von technischen Geräten und Anlagen, Bewirtungsservice und vieles andere mehr.
Bild 2: Kundendienstphasen
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Kundendienst
Kundendienstleistungen in der Kaufphase (Kaufabschluss, Bezahlung) betreffen überwiegend die Zahlungskonditionen und die Vereinfachung des Zahlungsvorganges (Kundenkarte). Der Leistungsumfang ist begrenzt. Kundendienstleistungen werden überwiegend nach dem Kauf angeboten. Die After-Sales-Phase umfasst die Auslieferungs- und Nutzungsphase einschließlich der Garantie- und Außergarantiephase. Häufig wird der Kundendienst deshalb mit dem Begriff After-Sales Service (ASS) gleichgesetzt, was streng genommen nicht zutreffend ist. In die Auslieferungsphase fällt bei Sachgütern die Verpackung, die Übergabe an den Kunden, die Einweisung und ggf. Inbetriebnahme. Bei kundenbezogen gefertigten Gütern liegt vor der Übergabe an den Kunden die Herstellung und ggf. die Montage (Maschine, Anlage, System) vor Ort. In der Dienstleistungsproduktion liegt der Tätigkeitsschwerpunkt und damit auch der Schwerpunkt für die zusätzlichen Kundendienstleistungen immer in der Erstellungs- und Auslieferungsphase, weil bei Dienstleistungen keine Produktion auf Lager möglich ist.
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Kundendienst bei Flugreisen
Der Kunde nimmt das Dienstleistungsprodukt ,,Flugreise" in Anspruch. Damit verbundene Kundendienstleistungen können das Servieren von Kaffee, die Auslage von Zeitungen im Warteraum oder ein Snack im Flugzeug sein. Diese Kundendienstleistungen stehen im direkten sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Herstellungs- und Auslieferungsphase der Hauptleistung.
Nach der Auslieferungsphase beginnt bei Sachgütern die Nutzungsphase, die über die Garantie- und Außergarantie-
Kundendienst und Kundendiensttrends
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phase bis zum Nutzungsende reicht. Bei Dienstleistungsprodukten gibt es in diesem Sinne keine Nutzungsphase, auch wenn es Nachwirkungen nach Abschluss der Leistung geben kann. In der Garantiephase werden vom Kundendienst Garantieansprüche des Kunden kostenlos erfüllt. Bei fehlenden Garantiezusagen sind mindestens die Gewährleistungsansprüche zu erfüllen. Derartige Leistungen können sowohl für Sachgüter als auch Dienstleistungsprodukte anfallen. Das können Nachbesserungen, Umtausch oder die Wiederholung von Leistungen sein. In der sich anschließenden Außergarantiephase beginnt für Dienstleistungsprodukte bereits wieder die Akquisition für den Verkauf der nächsten Leistung. Auch bei Sachgütern ist dies eine Phase, in der Kundenbindung aufzubauen und zu erhalten ist, die zu einem späteren Kauf führen soll. Bei Investitionsgütern, also Geräten, Maschinen, Anlagen und Systemen, ist dies hingegen eine Phase großer Aktivitäten zur Unterstützung der Produktnutzung durch den Kunden. Die Ausführung übernimmt der Technische Kundendienst. Typische Kundendienstprodukte sind die Inspektion, Wartung und Reparatur, der Ersatzteildienst, Schulungsleistungen, der Betreiberservice sowie viele Zusatzleistungen rund um das Produkt. Die Bedeutung dieser Leistungen ist im Bereich der Geschäftskunden (B-to-B-Markt) hoch, weil diese Produkte als Betriebsmittel in die Prozessketten der Kunden integriert sind. Produktbezogene Kundendienstleistungen im BusinessMarkt sind extrem wichtig geworden und bieten ein hohes Entwicklungspotenzial für die nächsten Jahre. Full ServiceAngebote des Technischen Kundendienstes werden zum Be-
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Kundendienst
treiberservice weiterentwickelt. Maschinen und Anlagen werden mit zusätzlichen Kundendienstleistungen zu Komplettangeboten verbunden (hybride Produkte). Komplette Systemlösungen werden erstellt. Die Zukunft im Kundendienst ist durch folgende Entwicklungen gekennzeichnet: " Entwicklung neuer Kundendienstprodukte mit Komplettcharakter, bei denen Sachgüter oder Dienstleistungen mit erweiterten Kundendienstleistungen verbunden werden. Der Schwerpunkt liegt bei Sachgütern im B-toB-Markt. " Ausbau der Kundendienstorganisationen zu selbständigen Servicegesellschaften mit hoher Eigenverantwortung und Selbstbestimmung in der Produktgestaltung und im Operating bei voller Kosten- und Erlösverantwortung. " Konsequenter Einsatz neuer Technologien, insbesondere der Informationsverarbeitung und der Kommunikationstechniken, zur Steuerung der Serviceprozesse. " Ausbau der Professionalität durch verbesserte Aus- und Weiterbildung, angepasste Managementmethoden und mitarbeiterorientierten Steuerungsverfahren sowie die Unterstützung der Kreativität und Innovation. Die Zukunft im Kundendienst wird getrieben von neuen Sachgütern und Dienstleistungen, die um Kundendienstleistungen ergänzt werden können (Bild 3), sowie den I&KTechnologien. Der Markt zeigt neue Anforderungen und Anfragen für Serviceprodukte, erfordert neue Abläufe und Verfahren und ermöglicht neue Kundenbindungsstrategien.
Kundendienst und Kundendiensttrends
Bild 3: Zukunft im Kundendienst
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18
2
Umgang mit Kundendienstleistungen
2.1 Merkmale des Kundendienstes Kundendienstleistungen sollen dem Kunden einen zusätzlichen oder sogar notwendigen Nutzen bringen, wenn er ein Sachgut kauft und benutzt oder sich eine Dienstleistung erstellen lässt. Was sich so einfach anhört, ist für die leistenden Betriebe häufig ein Problem. Ganz gleich, ob der Hersteller, ein Händler oder ein Dienstleistungsbetrieb die Kundendienstleistung erbringt, es stellen sich häufig unerwartete Schwierigkeiten ein, die zu einer Fehlleistung führen. Um derartige Qualitätsprobleme zu vermeiden, müssen die Leistungsprozesse im Kundendienst besonders sorgfältig geplant, gesteuert und durchgeführt werden. Dies ist gar nicht so einfach, denn es gibt viele Einflussgrößen, die dabei zu berücksichtigen sind. Deshalb werden in diesem Kapitel die Merkmale von Kundendienstleistungen dargestellt, die alle berücksichtigt werden müssen. Es sind folgende fünf Merkmale, die in der Übersicht in Bild 4 dargestellt sind: " Abhängigkeit der Leistung Der Kundendienst ist an eine andere Leistung gekoppelt. Bei sachbezogenen Kundendienstleistungen sind diese an ein Sachgut des Kunden gebunden. Bei Dienstleistungen gibt es einen direkten Bezug zur Person des Kunden, d. h. der Kunde ist physisch oder psychisch betroffen. " Immaterialität Die Immaterialität in der Dienstleistung, also auch in der Kundendienstleistung, bedeutet, dass die Leistung materiell nicht greifbar, also nicht anfassbar ist. Sobald mate-
Merkmale des Kundendienstes
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rielle Anteile mit in den Leistungsprozess einfließen, vereinfacht sich die Leistungssituation. Entsprechend anspruchsvoll und schwierig sind dagegen reine Dienstleistungen bzw. Kundendienstleistungen (ohne materielle Anteile) zu erbringen. " Beteiligung des Kunden Der Kunde ist in den Leistungsprozess eingebunden, der für ihn individuell erbracht wird. Im einfachen Fall ist ein Objekt des Kunden beteiligt, also ein Sachgut oder ein Tier, im schwierigen Fall der Kunde selbst. Der synchrone Kontakt zwischen Kunden und Dienstleister muss aktiv gestaltet werden. " Kopplung von Produkt und Absatz Die zeitliche und sachliche Verknüpfung der Herstellung und der Übergabe der Leistung an den Kunden wird als Uno-Actu-Prinzip bezeichnet. Hiermit wird die Gleichzeitigkeit der Leistungserstellung und des Absatzes bzw. Konsums durch den Kunden verdeutlicht. Am Ende eines individuellen, kundenbezogenen Dienstleistungsprozesses ,,Kundendienst" wird nichts mehr überreicht. Die Leistung ist bereits übergegangen. " Mitarbeiterdominanz Kundendienstleistung ist Mitarbeiterleistung. Die Mitarbeiter sind die tragende Säule des Leistungsprozesses. Weitere Einsatzfaktoren wie Betriebsmittel oder Material spielen eher eine untergeordnete Rolle. Neben der notwendigen Kundenorientierung ist im Kundendienst eine extreme Mitarbeiterorientierung erforderlich. Im Allgemeinen ist es ein einzelner Mitarbeiter, der beim Kunden für das Unternehmen die Serviceleistung erbringt. Er muss für die Leistung befähigt sein und braucht die interne Unterstützung aus dem Unternehmen.
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Umgang mit Kundendienstleistungen
Bild 4: Merkmale von Kundendienstleistungen
In den nächsten Kapiteln werden die Einflussgrößen verdeutlicht, vertieft und mit Beispielen hinterlegt.
2.2 Abhängigkeit der Leistung Kundendienst ist eine besondere Dienstleistung, weil sie nicht eigenständig ist, sondern zu einer Hauptleistung gehört und von dieser abhängig ist. Diese Abhängigkeit der Leistung beeinflusst das Kundendienstprodukt gravierend. Der Einfluss aus der Hauptleistung – die ein Sachgut, eine Dienstleistung oder eine Mischung aus beiden sein kann – kann positiv oder negativ sein. Dabei fallen vor allem solche Fälle auf, bei denen die Probleme der Hauptleistung durch den Kundendienst aufgefangen und behoben werden müssen. Dies ist im Besonderen beim After-Sales Service zu beobachten. Insbesondere bei technischen Produkten, die durch einen Technischen Kundendienst betreut werden, liegt hier ein Arbeitsschwerpunkt.
Abhängigkeit der Leistung
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Abhängigkeit des Kundendienstes von der Hauptleistung
Der Technische Kundendienst hat eine Anlage (Hauptleistung) zu warten, die sehr serviceunfreundlich konstruiert ist. Der erhöhte Zeitbedarf und verlängerte Ausfallzeiten bei der Wartung werden dem Kundendienst angelastet, obwohl die Ursache dafür in der Hauptleistung liegt.
Der Einsatzpunkt des Kundendienstes kann generell vor dem Kauf der Hauptleistung, beim Kauf oder nach dem Kauf liegen. Es lassen sich damit der Pre-Sales Service, der Sales Service und der After-Sales Service unterscheiden (Bild 5).
Bild 5: Kundendienstleistungen im Zeitablauf (Beispiele)
Mit dem Pre-Sales Service lassen sich kauffördernde Bedingungen schaffen, im Konsumentenmarkt z. B. durch das Angebot von Parkplätzen, einer Cafeteria und eines Kinderhorts oder auch der Vorführung von Bekleidung oder technischen Geräten. Im Geschäftsmarkt stehen der Beratungsservice, Vorführungen und Probeinstallationen von Geräten und Anlagen als notwendige Leistungen für den Verkauf im Mittelpunkt.
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Umgang mit Kundendienstleistungen
Zum Zeitpunkt des Kaufs kann ein Sales Service angeboten werden, der jedoch nur einen geringen Umfang hat und sich überwiegend auf Zahlungsbedingungen und -erleichterungen (Kundenkarte, Kreditkarte) bezieht. Der Schwerpunkt des Kundendienstes für Sachgüter liegt im After-Sales Service. Neben einfachen Diensten, wie der Verpackung von Geschenken und dem Auslieferservice, werden für Sachgüter und vor allem technische Güter Änderungsdienste (Customizing), Installationen, Inbetriebnahmen, Umtauschservice, Gewährleistungs- und Garantiearbeiten angeboten. Für die sich anschließende Nutzungsdauer der Produkte werden Inspektionen, Wartungen, Reparaturen und ein Ersatzteilservice angeboten. Diese Kundendienstleistungen können mit Serviceverträgen, 24-h-/7-Tage-Service, Remote Service bis hin zum Betreiberservice ausgebaut werden. Ein Teil dieser Leistungen hat nicht nur einen unverbindlichen, ergänzenden Charakter, sondern beinhaltet notwendige Kundendienstleistungen, welche zur Vermarktung der Hauptleistung erforderlich sind.
2.3 Immaterialität Ein typisches Merkmal des Kundendienstes ist die Immaterialität der Kernleistung. Auch wenn Teile der Leistung materiell und damit greifbar und anfassbar sind, bleibt ein wesentlicher Teil unsichtbar. Bei der Reparatur eines Gerätes kann der Kunde das eventuell eingebaute Ersatzteil sehen, die eigentliche Tätigkeit des Technikers bei der Fehleranalyse und -diagnose sowie die Überlegung, wie die Reparatur durchzuführen ist, bleiben jedoch verborgen. Gänzlich immateriell ist eine Hotlineberatung. Durch das Telefongespräch werden die Probleme des Kunden aufgenommen,
Immaterialität
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analysiert, vielleicht im Hintergrund reproduziert und simuliert, teilweise hochwertiges Wissen übertragen und schließlich das Problem gelöst. In beiden Fällen findet eine Wertschöpfung für den Kunden statt, die nur schwer greifbar ist, insbesondere nach Abschluss des Kundendienstprozesses. Sie ist teilweise an Folgewirkungen erkennbar, also z. B. daran, dass das Gerät wieder funktioniert oder der Kunde aufgrund der Hotlineberatung besser mit einem Computerprogramm umgehen kann. Weil der Wert der eigentlichen Leistung schlecht erkennbar ist, entsteht beim Kunden häufig eine falsche PreisLeistungs-Relation, d. h. die Leistung ist ihm einfach zu teuer. Je mehr Zeit seit dem Leistungszeitpunkt verstrichen ist, desto geringer wird die Wertschätzung. Daraus lässt sich ableiten, dass Kundendienstleistungen, vor allen im B-toC-Markt, unmittelbar nach Leistungsende bezahlt werden sollten. Weiter sollte der Serviceanbieter versuchen, die Leistung zu materialisieren. Dies kann z. B. durch schriftliches Niederlegen der Leistungsschritte in der Rechnung oder ein Zertifikat bzw. eine Garantieurkunde geschehen. Die Immaterialität bedeutet auch, dass beim Angebot der Kundendienstleistung nur ein allgemeines Leistungsversprechen gegeben werden kann, z. B.: ,,Wir werden Ihr Gerät reparieren" oder ,,Wir unterstützen Sie bei der Nutzung Ihrer Software." Das Einhalten des Leistungsversprechens führt zur Vertrauensbildung beim Kunden, die sich aber erst bei der nächsten Inanspruchnahme oder bei der ,,Mund-zuMund-Werbung" auswirkt. Wie viel einfacher ist dagegen der Kauf eines Sachgutes, für das vor dem Kauf viele Sachinformationen zur Verfügung stehen, das unter Zuhilfenahme der Augen sowie des Tast- und Geruchssinns erfasst und sogar ausprobiert werden kann!
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Umgang mit Kundendienstleistungen
2.4 Beteiligung des Kunden Der Herstellprozess für ein Sachgut läuft bis auf Sonderformen (Baustellenfertigung, gläserne Manufaktur von Volkswagen) für den Kunden unsichtbar und ohne dessen Beteiligung in einer Fabrik oder Werkstatt ab. Der Einsatz von bestimmten Mitarbeitern, Materialien und Betriebsmitteln liegt im Ermessen des Produzenten. Dem Kunden wird am Ende des Herstellprozesses ein perfektes Produkt übergeben, dessen Werdegang er nicht kennt und nicht miterlebt hat. Ganz anders sieht die Leistungserstellung bei einer Kundendienstleistung aus. Neben dem Einsatz der Mitarbeiter, Betriebsmittel und in geringem Umfang von Material kommt als zusätzlicher Produktionsfaktor der Kunde persönlich (personengebundene Kundendienstleistung) oder der Kunde mit einem Sachgut (sachgebundene Kundendienstleistung) ins Spiel. Es gibt einen für den Kunden sichtbaren Teil des Leistungsprozesses und einen unsichtbaren. Beide Teile lassen sich gedanklich durch eine ,,line of visibility" trennen. Im unsichtbaren Teil ist der Dienstleister frei in der Arbeitsgestaltung. Im sichtbaren Teil ist der Kunde dabei, sieht alles und macht sogar mit. Er ist wie ein zusätzlicher Produktionsfaktor an der Leistungserstellung beteiligt, die für ihn individuell erbracht wird.
➽
Beteiligung des Kunden
• Bei einer Reparatur einer Maschine muss der Kunde angeben, wann unter welchen Bedingungen der Fehler aufgetreten ist, muss ihn ggf. vorführen, muss deutlich machen, welche Maschinenparameter wichtig sind und am Ende die Reparatur abnehmen.
Kopplung von Produktion und Absatz
•
•
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Bei einer Hotlineleistung muss der Kunde mitdenken, bestimmte Handgriffe machen, Einwände vorbringen und zum Schluss die Leistung, die er bekommen hat, bestätigen. Bei einer Bedienerschulung für eine Maschine oder Anlage ist der Dienstleister darauf angewiesen, dass der Kunde wach und interessiert ist, aktiv mitmacht und selbständig übt. Ohne die Beteiligung des Kunden ist ein positives Schulungsergebnis nicht zu erreichen.
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor einer Kundendienstleistung liegt also in der Gestaltung des synchronen Kontaktes zwischen Kunde und Kundendienst in der Leistungsphase. Der Kunde darf und muss mitgestalten. Trotzdem muss der Prozess vom Dienstleister gesteuert werden, ohne dass der Kunde sich manipuliert fühlt. Häufig ist dies eine Gratwanderung.
2.5 Kopplung von Produktion und Absatz Bei einem materiellen Produktionsprozess steht das Gut erst am Ende der Prozesskette zur Verfügung. Es kann gelagert und bevorratet werden. Über eine Logistikkette ist der Transport zu einem anderen Verkaufsort oder direkt zum Kunden möglich. Ein Sachgut wird häufig in großen Mengen standardisiert und anonym, angepasst an Kundenwünsche in kleinen Mengen oder einzeln gefertigt. Bei einer Kundendienstleistung ist das anders. Die Kundendienstleistung wird individuell für einen Kunden erstellt, auch wenn sie möglicherweise aus standardisierten Komponenten zusammengesetzt wird. Der Produktionsprozess ist überwiegend bereits das Produkt, das schrittweise auf den Kunden
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Umgang mit Kundendienstleistungen
übergeht. Am Ende des Prozesses wird also dem Kunden nichts weiter überreicht. Mit dem letzten Prozessschritt endet der Auftrag. Produktion und Absatz finden also im Gleichschritt statt, weshalb man auch vom Uno-Actu-Prinzip spricht. Natürlich ist eine solche Kundendienstleistung weder transportierbar noch lagerfähig. Sie ist zu dem Zeitpunkt und an dem Ort zu erbringen, den der Kunde vorbestimmt hat. Der Dienstleister kann sich auf die Anforderungen und Wünsche nur einstellen, indem er Leistungsbereitschaft vorhält. Den Startschuss für die Erstellung der Kundendienstleistung gibt der Kunde. Die Kopplung von Produktion und Absatz bei gleichzeitiger Integration des Kunden stellt extreme Ansprüche an die Gestaltung des Dienstleistungsprozesses. Sie sind höher als in der Sachgutproduktion. Die Fehlermöglichkeiten im Prozess sind hoch und reichen von Kapazitätsproblemen bei Mitarbeitern und Betriebsmitteln, fehlendem Material, falscher Terminabstimmung, Know-how-Problemen, fehlenden Serviceunterlagen und Informationen bis hin zu Eingriffen des Kunden. Die Probleme bekommt der Kunde mit. Er ist der oberste Qualitätsprüfer. Schlechtes Ansehen von Kundendienstleistungen entsteht durch Fehler in der Prozesskette. Kundendienstqualität ist also Prozesskettenqualität. Das Uno-Actu-Prinzip kann an Beispielen überprüft werden:
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Anlagenreparatur
• Die Reparatur einer großen Anlage startet mit der Meldung und Leistungsanforderung des Kunden beim Kundendienst. Die Kundendienstorganisation ist in Leistungsbereitschaft.
Mitarbeiterdominanz
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•
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Es wird ein Termin vereinbart, zu dem ein Techniker beim Kunden erscheint. Der Kunde erläutert die Probleme mit der Anlage, ist bei der folgenden Fehlersuche des Technikers dabei oder zumindest in der Nähe und schaut ihm bei der Reparatur über die Schulter. Zusammen mit dem Kunden wird die Anlage nach der Instandsetzung wieder in Betrieb genommen und getestet. Der Kunde bestätigt die Leistung, und der Kundendiensteinsatz ist, bis auf einen eventuellen administrativen Nachlauf, abgeschlossen. Die Produktion und der Absatz der Kundendienstleistung sind gleichzeitig erfolgt.
Ein zweites Beispiel aus dem Technischen Kundendienst verdeutlicht das Uno-Actu-Prinzip an einer personenbezogenen Leistung.
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Schulung
• Der Kunde soll zur Bedienung eines Gerätes geschult werden (personenbezogene Leistung). Das Serviceunternehmen nutzt seine Leistungsbereitschaft. Der Mitarbeiter mit seinem Wissen und seinen Fähigkeiten steht zur Verfügung. Es sind Unterlagen vorhanden. Ein Schulungsraum sowie das Gerät können genutzt werden. Die Schulung beginnt zu dem mit dem Kunden vereinbarten Termin. Der Kunde muss intensiv mitwirken. Die Dienstleistung wird durch den Trainer permanent erbracht und geht direkt auf den Kunden über. Produktion und Absatz finden synchron statt. Das Uno-Actu-Prinzip ist vollständig erfüllt.
2.6 Mitarbeiterdominanz Für die Herstellung von materiellen und immateriellen Gütern werden die Einsatzfaktoren menschliche Arbeit, Betriebsmittel und Material benötigt. Bei Dienstleistungen
28
Umgang mit Kundendienstleistungen
kommt noch der Kunde als so genannter externer Faktor dazu. Der Unterschied zwischen der Herstellung eines Sachgutes und einer Kundendienstleistung liegt in der Zusammensetzung der Einsatzfaktoren (Bild 6). Bei Sachgütern liegt der Anteil der Mitarbeiterleistung in der industriellen Fertigung bei 20 bis 45 % (Schätzung auf Basis der Herstellkosten), der Materialanteil bei 25 bis 40 % und der Betriebsmittelanteil bei 20 bis 30 %. Bei Kundendienstleistungen erreicht die menschliche Arbeit dagegen einen Anteil von 70 bis 95 %, der Materialanteil liegt bei 2 bis 30 % und der Einsatz von Betriebsmitteln bei 5 bis 10 %. Der Anteil der Mitarbeiterleistung ist im Kundendienst also dominierend.
Bild 6: Einsatzfaktoren in der Leistungserstellung (Basis: Herstellkosten, geschätzt)
Viele Mitarbeiter erstellen im direkten Kontakt mit dem Kunden im so genannten Front Office die Kundendienstleistung. Überwiegend sind es einzelne Mitarbeiter,
Mitarbeiterdominanz
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die nach außen das gesamte Unternehmen repräsentieren, manchmal auch Teams. Gedanklich getrennt durch die ,,line of visibility" arbeiten die Mitarbeiter des Back Office. Sie bereiten die Leistungsbereitschaft vor, betreuen die Kundendienstaufträge administrativ, bereiten Teilleistungen vor, steuern und unterstützen die Kolleginnen und Kollegen im Front Office. Sie haben eine wichtige Supportfunktion, ohne die eine Produktionskette im Service nicht möglich ist. Eine Leistung überwiegend mit Mitarbeitern zu erstellen bedeutet, auch die nötigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Wie in Kapitel 4 näher ausgeführt wird, müssen die richtigen Mitarbeiter mit der passenden Ausbildung gefunden werden. Es müssen Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen durchgeführt werden. Der ganze Gestaltungsrahmen der Personalpolitik und das Personalmanagement müssen auf die Kundendienstaufgabe zugeschnitten sein. Das betrifft die Arbeitsorganisation, Mitarbeiterbeteiligung, Lernprozesse, aber auch die Tarifpolitik sowie die Vergütungs- und Arbeitszeitmodelle. Die Mitarbeiterdominanz lässt sich gut an Beispielen nachvollziehen:
➽ •
Außendiensteinsatz im Technischen Kundendienst
Bei der Reparatur einer Anlage beim Kunden arbeitet der Techniker im Front Office unter den Augen des Kunden. Er muss fachlich fit und trainiert sein. Sein Verhalten gegenüber dem Kunden wurde durch Kommunikationstrainings geschult.
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Umgang mit Kundendienstleistungen
Der Techniker ist selbständig unternehmerisch tätig. Er wird vom Back Office bzw. der Servicezentrale unterstützt, die den Einsatz vorbereitet hat. Dazu gehören die Fehlerbeschreibung, Informationen zu vorangegangenen Serviceeinsätzen (Logbuch), Reparaturhilfen aus dem Wissensmanagement, Sprengzeichnungen und Ersatzteillisten sowie möglicherweise bereits ein Ersatzteilkit. Während des Einsatzes bekommt er Hilfe über das Internet oder telefonisch bei der zentralen Hotline. Der Mitarbeiter spielt eine dominierende Rolle.
Der Anteil menschlicher Arbeit wird in diesem Fall bei ca. 70 % liegen, der Ersatzteilanteil bei 20 % und der Einsatz von Betriebsmitteln (Fahrzeug, Werkzeug, Mess- und Prüfmittel) bei 10 %.
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Änderungsdienst für Textilien
• Beim Änderungsdienst für Kleidung im Bekleidungshaus ist die Arbeit des Mitarbeiters im Front Office auf das Anprobieren, Abstecken, Annehmen des Änderungsauftrags sowie die spätere Ausgabe und Abrechnung beschränkt. Auch hier sind eine fachliche Qualifikation und kundenorientiertes Verhalten erforderlich, jedoch sind die Ansprüche im Vergleich zu einer technischen Dienstleistung deutlich niedriger. Der eigentliche Bearbeitungsvorgang läuft in der Schneiderwerkstatt ohne Beisein und Einflussnahme des Kunden ab. Das entspannt den Arbeitsablauf und eröffnet Freiheitsgrade in der Durchführung. Es können z. B. eigene Mitarbeiter oder Subunternehmer eingesetzt werden. Die menschliche Arbeit dominiert.
Umgang mit Restriktionen
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Die Arbeitszeiten und Vergütungssysteme in einer Kundendienstwerkstatt sind einfacher zu gestalten. Viele Dienstleister ,,flüchten" ganz gezielt in einen abgeschirmten Werkstattbereich, also hinter die ,,line of visibility", um dort in aller Ruhe arbeiten zu können. Falls der Kunde merkt, dass der Dienstleister sich bewusst versteckt, kann er misstrauisch werden. Der Anteil menschlicher Arbeit liegt in diesem Beispiel mit geschätzten 96 % sehr hoch. Der Materialanteil ist mit unter 2 % (Garn, Stoßband) verschwindend gering, ebenso der Einsatz von Betriebsmitteln von maximal 3 % (Raum, Tisch, Licht, Nähmaschine, Schere).
2.7 Umgang mit Restriktionen Die besonderen Merkmale einer Kundendienstleistung beinhalten Restriktionen, welche die Durchführung anspruchsvoll und schwierig machen. Es gibt jedoch auch Strategien und Maßnahmen, um die Wirkungen dieser Restriktionen zu begrenzen. Hierzu sollen einige Möglichkeiten beispielhaft aufgezeigt werden. Die Abhängigkeit der Kundendienstleistung von der Hauptleistung kann den Kundendienst negativ beeinflussen. Daher muss die Hauptleistung bereits kundendienstfreundlich gestaltet werden. Bei technischen Produkten sollte z. B. die Serviceorganisation (TKD) schon bei der Entwicklung darauf achten, dass die Geräte, Maschinen oder Anlagen servicefreundlich aufgebaut sind. Das bedeutet, dass die wichtigen Baugruppen gut zugänglich sein müssen, eventuell Serviceklappen eingebaut werden, Messpunkte herausgezogen sind, ein Selbstdiagnosesystem eingebaut ist usw.
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Umgang mit Kundendienstleistungen
Ähnliches gilt für den Kundendienst bei Dienstleistungsprodukten. Bei Paketdiensten gibt es ein Sendungsverfolgungssystem, das nicht nur die internen Abläufe unterstützt, sondern über das dem Kunden auch Informationen zu seiner Sendung gegeben werden können. Das System kann dem Kunden online zur Verfügung gestellt werden.
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Auch ein Dienstleistungsprodukt kann bzw. muss servicefreundlich gestaltet werden. Zum Umgang mit der Immaterialität gibt es Möglichkeiten, die Leistung des Kundendienstes greifbar zu machen, d. h. sie in gewissen Grenzen zu materialisieren. Nach der Inspektion einer Maschine kann das Ergebnis in einem gut aufgemachten Zertifikat mit Zusatzinformationen festgehalten und damit griffig gemacht werden. Ähnlich könnte der Abholschein bei der Änderungsschneiderei gestaltet werden.
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Häufig sind Informationen, Kennzahlen, Daten und Bilder Bestandteil der Kundendienstleistung. Informationen, Kennzahlen, Daten und Bilder können häufig durch eine passende Informationsverarbeitung aufbereitet und dem Kunden, z. B. als CD, überreicht werden. Diese Teilleistung wird damit lagerfähig, transportierbar und greifbar. Auch eine Datenübertragung über das Internet ist möglich.
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Umgang mit Restriktionen
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Ähnlich ist das Problem zu behandeln, wenn das Kundendienstprodukt bei der Ansprache des Kunden und beim Verkauf nur ein Leistungsversprechen ist, das der Kunde nur schwer greifen kann. Auch hier geht es darum, die angebotene Leistung greifbar zu machen, schriftliche Inhalte und Bilder zu zeigen, Referenzen anzugeben, auf Erfahrungen hinzuweisen oder sinnvoll zu materialisieren. Die Beteiligung des Kunden kann gut gesteuert werden, wenn die Hauptleistung ein Sachgut ist, das transportiert, gelagert und in einer Werkstatt bearbeitet werden kann, wie z. B. bei der Änderungsschneiderei. Ist der Kunde persönlich am Kundendienstprozess beteiligt, ist es möglich, bestimmte Verfahrensweisen zu entwickeln und mit dem Kunden zu kommunizieren, wie er sich einbringen und verhalten kann. Wenn der Kunde auf die Leistung warten möchte oder muss, ist die Aufenthaltsmöglichkeit in Wartezonen inzwischen eine übliche Kundendienstleistung. Ihm werden Sitzgelegenheiten, Lesestoff, Musik, Fernsehen oder evtl. der Zugang zum Internet über einen PC angeboten. Auch ein Erfrischungsgetränk gehört dazu.
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Auch die Einschränkung durch das Uno-Actu-Prinzip, Herstellung und Absatz der Kundendienstleistung als Einheit, lässt sich teilweise überwinden. Wichtig ist in jedem Fall, dass die Leistungsbereitschaft perfekt vorgehalten wird und der Herstellprozess gut geplant und professionell ausgeführt wird. Der Starttermin der Prozesskette kann allerdings häufig über eine Terminabsprache in engen Grenzen variiert werden, so dass eine gewisse zeitliche Bewegungs-
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Umgang mit Kundendienstleistungen
freiheit entsteht. Damit wird die Auslastung der Kapazitäten erleichtert. Dies wird auch durch das Angebot planbarer Kundendienstleistungen erreicht. Durch einen Servicevertrag können Inspektions-, Wartungs- und Instandsetzungsaufgaben mittelfristig geplant werden. Das Serviceunternehmen löst sich damit teilweise aus der Umklammerung des UnoActu-Prinzips.
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Situative Einflüsse können den Kundendienstprozess negativ beeinflussen und zu Qualitätsproblemen führen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sich in 95 bis 98 % aller Fälle die Einflüsse wiederholen. Damit kann Vorsorge getroffen werden, indem normierte Abwicklungen bzw. Teilprozessketten geschaffen werden, die in diesen Fällen genutzt werden. Improvisationen enthalten große Qualitätsrisiken. Die Mitarbeiter müssen ad hoc Entscheidungen treffen. Die passenden Betriebsmittel und benötigtes Material stehen nicht immer zur Verfügung. Weder die Prozessschritte noch die Übergänge zwischen den Schritten sind gesichert.
Es ist eine große Hilfe für den Servicemitarbeiter, wenn gesicherte Abläufe zur Verfügung stehen und er nur in seltenen Fällen improvisieren muss. Eine Kundendienstleistung wird individuell für einen Kunden erstellt. Dabei brauchen allerdings nicht jedes Mal neue Abwicklungen definiert werden, sondern die kundenindividuelle Prozesskette kann aus Standardbausteinen zu-
Umgang mit Restriktionen
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sammengesetzt werden. Je individueller diese Kette wirkt, desto besser. Die Dominanz der menschlichen Arbeitskraft, d. h. die Mitarbeiterdominanz, wird in Kapitel 4 angesprochen. Vorab der generelle Hinweis: Jeder Kundendienstmitarbeiter und jede -mitarbeiterin, insbesondere im Front Office, sollte unternehmerisch handeln (dürfen).
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
3.1 Kundendienstprodukte In der Vergangenheit wurde unter dem Begriff ,,Produkt" immer ein Sachgut verstanden, also eine Maschine, ein Karton, ein T-Shirt oder ein Apfel. Der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft hat die Sichtweise verändert. Es sind neue, immaterielle Produkte dazugekommen: Serviceprodukte. Eine Dienstleistung, auch eine Kundendienstleistung, als Produkt aufzufassen, erleichtert den Umgang mit ihr, und ist der erste Schritt, um sie griffiger zu machen. Dies gilt für alle Phasen im Produktlebenszyklus einer Kundendienstleistung. Der Zyklus beginnt mit der Angebotsphase (Pre-Sales-Phase) und geht über den Verkauf und die Leistungserstellung (Sales-Phase) bis zur Phase nach Abschluss des Kundendienstprozesses (After-Sales-Phase). Erfolgreiche Kundendienstunternehmen versuchen, ihre Kundendienstprodukte für den Kunden greifbar zu machen, sie zu visualisieren und zu beschreiben. Am besten ist es, Teile der Leistung zu materialisieren. Das Motto lautet: Make the intangible tangible.
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Die Beschreibung eines Kundendienstproduktes ist vor allem in der Angebotsphase wichtig. Dem Kunden kann die Leistung nicht vorab gezeigt werden, sondern er erhält nur ein Leistungsversprechen. Die Beschreibung des Serviceproduktes sollte zusätzlich visualisiert werden, d. h. durch bildliche Darstellungen ergänzt werden.
Kundendienstprodukte
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Kundendienstprodukte werden individuell für einen Kunden erstellt, immer ,,ganz frisch" nach den Wünschen des Kunden. Die Wünsche des Kunden wirklich individuell zu befriedigen ist aufwendig und teuer. Das bedeutet für den Dienstleister, alle Details der Bedürfnisse und ggf. des konkreten Bedarfs abzufragen und dieses einmalige Produkt anschließend zu produzieren. So ähnlich entsteht beispielsweise ein Architektenhaus. Die Vorgehensweise der Profi-Kundendienste ist anders. Abgeleitet aus den typischen Kundenanforderungen, also dem Marktbedarf, werden zahlreiche standardisierte Kundendienstprodukte entwickelt und dem Kunden angeboten, möglichst noch bevor dieser in ein Brainstorming über seine Wünsche verfällt. Werden diese standardisierten Kundendienstprodukte in einer genügenden Vielfalt angeboten, findet jeder Kunde sein Produkt. Diese Modularisierung der Produkte ermöglicht eine standardisierte Erstellung von Dienstleistungsbausteinen. Das Produkt kann wie ein Puzzle zusammengestellt werden. Eine kundenindividuelle Anpassung (Customization) ist möglich. Selbst für Sonderwünsche gibt es Spielräume. Das Prinzip der Dienstleistungsprodukte aus Standardbausteinen lässt sich am Beispiel der Speisekarte in der Gastronomie verdeutlichen.
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Individuelles Menü
Feinschmeckerlokale fragen die Wünsche des Gastes individuell ab und entwickeln und produzieren ein kundenbezogenes, einmaliges Menü. Die aufwendige Entwicklung und Erstellung des Serviceproduktes führt zu einem großen Zeitbedarf und hohen Kosten und Preisen. Der Markt für derartige Restaurants ist entsprechend klein.
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
Die meisten Gaststätten arbeiten dagegen mit der Speisekarte.
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Speisekarten-Menü
Die verschiedenen Gerichte einer Gaststätte (Serviceprodukte) sind aus Standardbausteinen wie Vorspeisen, Suppen, Salaten, Beilagen und Hauptgängen zusammengesetzt. Besonders deutlich ist dies bei chinesischen Restaurants. Ein Customizing ist in bestimmten Grenzen zusätzlich möglich, z. B. das Austauschen von Reis gegen Nudeln. Das Serviceprodukt kann gut vorbereitet werden (hohe Leistungsbereitschaft), die Produktionszeit ist kurz und die Kosten sind niedrig. Das Essen kann zu günstigen Preisen angeboten werden.
Eine Übersicht über die Serviceprodukte des Technischen Kundendienstes (Bild 7) zeigt die Vielzahl möglicher Angebote. Diese lassen sich noch weiter auffächern. So verbergen sich hinter der Installation und Inbetriebnahme viele Teilprodukte. Serviceverträge können Inspektions-, Wartungsoder Reparaturverträge sein, die wiederum aus Modulen (mit/ohne Material, Rufbereitschaft, Wochenendservice etc.) zusammengesetzt sind. Die Entwicklung eines neuen Kundendienstproduktes beginnt mit der Marktanalyse, bei welcher der Kundenbedarf und der erwartete Nutzen ermittelt werden (Bild 8). Danach werden Serviceinhalte und Design festgelegt. Ein ganz wesentlicher Schritt ist die Prozessgestaltung, mit der die Dienstleistung produziert werden soll. Die fertige Leistung kann im Markt angeboten und eingeführt werden. Das neue Produkt wird im Auftrag des ersten Kunden hergestellt, die geplante und vorbereitete Prozesskette durchgeführt.
Kundendienstprodukte
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Bild 7: Serviceprodukte im Technischen Kundendienst
Die Erfahrungen führen zu Verbesserungen oder sogar einem Redesign des Serviceproduktes. Improvisation Viele Firmen gehen mit noch unfertigen Kundendienstprodukten auf den Markt, mit der Folge, dass sehr viel improvisiert werden muss. Improvisation führt im Kundendienst zu mangelhaften Leistungen, hoher Zeit- und Mitarbeiterbelastung und hohen Kosten, die nicht über den Preis abgedeckt sind. Noch viel schlimmer: Der Kunde wird zum ,,Versuchskaninchen" und bekommt das Drama hautnah mit!
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
Bild 8: Entwicklung neuer Kundendienstprodukte
3.2 Kundendienstprozesse Für Sachgüter als auch Dienstleistungen haben die Herstellprozesse eine große Bedeutung. Sie bestimmen die Güte und Qualität des Produktes, den Zeitbedarf (Lieferzeit) und die Kosten. Während bei der Herstellung von Sachgütern Fehler der Prozessketten nachträglich noch behoben werden können, ohne dass der Kunde etwas merkt, ist das in der Dienstleistung nicht möglich. Der Kundendienstprozess muss also besonders sorgfältig gestaltet und durchgeführt werden. Der Prozess ist bereits das Produkt. Kundendienstprozesse entstehen aus einer Abfolge von Teilprozessen, die miteinander verknüpft sind. Für eine funktionierende Prozesskette müssen alle Teilprozesse in Ordnung und alle Übergangsstellen organisiert und funktionstüchtig sein.
Kundendienstprozesse
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Der modulare Aufbau der Kundendienstprodukte vereinfacht die Herstellprozesse. Für ein neues Serviceprodukt kann auf vorhandene Teilprozesse zurückgegriffen werden, die wiederholt benutzt und vom Serviceunternehmen beherrscht werden. Lediglich für neue Inhalte sind neue Prozessteile zu entwickeln (Bild 9).
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Schulungsmodul
• Für die neue Laserschweißmaschine LSM 581 soll den Kunden eine Benutzerschulung angeboten werden. Das Kernmodul dieser Schulung muss neu entwickelt werden, wobei einige Teile der Maschine möglicherweise bereits von anderen Maschinen bekannt sind. Viele andere Teilprozesse dieses Produkts ,,Benutzerschulung LSM 581" sind jedoch vorhanden und können in die Prozesskette eingebaut werden. Dazu gehören das Verfahren der Einladung, die Anmeldebestätigung, die Hotelreservierung sowie die Kursbetreuung und das Abendprogramm. Auch die Nachbetreuung der Kursteilnehmer könnte wieder ein Standardbaustein sein.
Bei der Herstellung von Massengütern in der Serienfertigung werden starre Produktionsprozesse eingesetzt. In geringem Maße ist das auch bei Dienstleistungen möglich, wenn diese stark durch ihre Betriebsmittel geprägt sind. Hierzu gehören inzwischen einige Bankdienstleistungen (Ausdruck von Kontoauszügen, Abheben von Geld am Bankautomaten) und der Ausdruck von Briefmarken und Fahrkarten am Automaten. Derartige starre Prozesse können und müssen perfektioniert werden, da sie tausendfach in der gleichen Form jeden Tag wieder ablaufen (Bild 10). Aus der Sicht des Prozess-
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
Bild 9: Kundendienstprodukte durch Teilprozesse
betreibers sind sie ideal: Sie sind perfekt und sicher. Es gibt keine Abweichungen vom Idealprozess. Sie sind wiederholbar und haben eine hohe, abgesicherte Qualität, die zu einer entsprechenden Produktqualität führt. Es lassen sich Standardprodukte zu niedrigen Kosten herstellen. Die eingesetzten Mitarbeiter haben keine Spielräume für Entscheidungen beim Ablauf der Prozessketten, was Vor- und Nachteile hat. Ganz anders sind flexible Prozesse, die bei Kundendienstleistungen meistens erforderlich sind. Die Prozessketten sind kundenindividuell zu entwickeln bzw. an den Kundenwunsch anzupassen. Die Realisierung einer geplanten Prozesskette kann unterschiedlich sein. In geringem Umfang muss improvisiert werden, so dass der Prozess unberechenbar wird. Die Ergebnisse des Prozesses, also die Serviceprodukte, sind individuell. Die Leistungen der Mitarbeiter sind schwankend, die Effizienz ist niedrig. Die Kosten sind hoch.
Kundendienstprozesse
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Bild 10: Starre und flexible Prozesse
Aus dem Vergleich beider Prozessformen lässt sich ableiten, dass ein Kundendienstprozess so flexibel wie nötig und so starr wie möglich sein sollte.
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Flexibilisierung durch Module
Die Flexibilisierung eines Kundendienstprozesses lässt sich durch ein modulares Konzept erreichen. Die Kombination der vielen kleinen Teilprozesse wird kundenindividuell vorgenommen, während die Teilprozesse selbst standardisiert und starr sind. Es wird nur ganz wenige Teilprozesse geben, die flexibel und kundenindividuell sein müssen.
Improvisation ist nicht steuerbar und sollte vermieden werden. Sie ist eine Lösung für den äußersten Notfall. Jede Prozesskette im Kundendienst muss wertschöpfend sein. Das gilt folgerichtig auch für die Teilprozesse und Arbeitsschritte, aus der eine Prozesskette besteht. Es sind ver-
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
schiedene Produktionsfaktoren intelligent miteinander zu kombinieren. Dabei entsteht ein Mehrwert (added value). Folgende vier Faktoren werden eingesetzt: " Menschliche Arbeitskraft als dominierender Produktionsfaktor im Kundendienst " Betriebsmittel wie Räume, Werkzeuge, Messinstrumente, Automaten, EDV-Hard- und -software " Material wie z. B. Ersatzteile, Disketten, Papier, Nahrungsmittel " Kundenleistungen wie die Mithilfe bei der Fehlerdiagnose und -behebung, Handreichung, Mitarbeit (meist kostenlos!) Kunden einbeziehen! Kostenbewusste und clevere Dienstleistungsunternehmen spannen den Kunden kräftig in die Leistungserstellung ein. Er ist die billigste Arbeitskraft. Dies gilt für alle Self-Service-Aktivitäten und teilweise auch die Sachgutproduktion. Bei IKEA führt der Kunde die Endmontage und den Aufstelldienst durch: kostenlos!
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Bei der Produktion eines Kundendienstproduktes werden durch betriebliche Tätigkeiten Güter in höherwertige Güter verwandelt. Die Input-Güter sind die immateriellen oder materiellen Güter des Kunden. Materielle Güter sind die Anlagen, Maschinen und Geräte des Kunden. Die Verwandlung geschieht durch den Einsatz der Produktionsfaktoren in der Prozesskette. Der Wertschöpfungsprozess lässt sich grafisch verdeutlichen (Bild 11).
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Bild 11: Wertschöpfungsprozess im Kundendienst
In der Ausgangslage ist der Kundendienst in Leistungsbereitschaft. Der Kunde fordert zum Zeitpunkt t1 ein Kundendienstprodukt an. Der Produktionsprozess beginnt und hebt schrittweise den materiellen oder immateriellen Wert für den Kunden von w1 (Ausgangswert) auf w2 (Endwert) an. Es entsteht eine Wertschöpfung (added value), die dem Kunden schrittweise übergeben wird. Zum Zeitpunkt t2 ist der Prozess zu Ende. Der materielle oder immaterielle Wert ist vom Level 1 auf einen erhöhten Level 2 angehoben worden.
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Wertschöpfende Fernseher-Reparatur
• Der Fernseher (materielles Gut) eines Kunden ist ausgefallen. Er ruft den Technischen Kundendienst an und gibt das Kundendienstprodukt ,,Fernseher-Reparatur vor Ort" in Auftrag.
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Der Fernseher hat den niedrigen Wert w1, weil er nicht mehr nutzbar ist. Der Serviceprozess beginnt mit dem Anruf des Kunden zum Zeitpunkt t1. Nach vorbereitenden Schritten beginnt der Einsatz beim Kunden. Der Kunde ist einbezogen, hilft bei der Diagnose, schaut dem Techniker über die Schulter und prüft zum Schluss die Funktion, nimmt also die Arbeit ab. In die Prozesskette sind viele Teilprozesse eingebunden. Sie reichen von der telefonischen Auftragsannahme, der Auftragsvorbereitung, Ersatzteilprüfung, Tourenplanung, Technikerfahrt, Fehlerdiagnose und -analyse, Einbau von Ersatzteilen, Ausfüllen des Reparaturbelegs bis hin zur Rechnungsstellung. Zum Zeitpunkt t2 ist das Serviceprodukt erbracht und dem Kunden übergeben. Es hat eine Wertschöpfung stattgefunden. Der funktionsfähige Fernseher hat den hohen Wert w2. Er ist wieder auf dem hohen Level 2. Die Prozessdauer (t2 bis t1) ist die Kundenentbehrzeit.
Bei einer immateriellen Kundendienstleistung lässt sich der Wertschöpfungsprozess ganz analog verfolgen.
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Wertschöpfende Schulung
• Der Kunde kauft das immaterielle Produkt ,,Benutzerschulung Laserschweißmaschine LSM 581". Vor Prozessbeginn ist der Kunde bezüglich der Benutzung der Maschine unwissend. Er hat den immateriellen Level 1 (Wert w1). Mit dem Beginn des Schulungskurses wird der Wissensstand des Kunden schrittweise angehoben und erreicht zum Zeitpunkt t2 einen neuen hohen Wissensstand w2. Er kann jetzt mit der Maschine umgehen, hat also einen neuen Wissenslevel 2. Es hat eine Wertschöpfung stattgefunden. Der Kunde hat das Kundendienstprodukt erhalten. Der Kundendienstprozess ist abgeschlossen.
Kundendienstprozesse
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Die Prozessdarstellung von Kundendienstprozessen sollte mit Hilfe grafischer Methoden mit den Möglichkeiten der Informationsverarbeitung vorgenommen werden. Eine gute Darstellungsmöglichkeit bietet ein Ablaufdiagramm nach der Norm DIN 66 001. In den meisten Fällen reicht ein Flow-Chart mit nur fünf Symbolen aus: Aktionskästchen, Verzweigung, Verbindungslinien, Start-/EndeSymbol und Konnektor. Ablaufdiagramme können mit speziellen Computerprogrammen wie PowerPoint, Visio, oder ABC-FlowCharter erstellt werden. Anspruchsvoller sind Modellierwerkzeuge, welche über eine Visualisierung hinaus eine strukturierte, verknüpfte Darstellung von Prozessketten ermöglichen. Ein anerkanntes rechnergestütztes Werkzeug ist der ARIS Toolset. Auch die Netzplantechnik ist gut zur Prozessdarstellung geeignet. Netzpläne sind erst durch die Rechnerunterstützung (z. B. MS Project), welche sowohl die Eingabe und Darstellung als auch den Änderungsdienst perfekt übernimmt, voll nutzbar geworden. Neben der Darstellung und Modellierung der Prozesse ist eine Unterstützung des Workflows durch geeignete ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning) erforderlich. Die Steuerung der Prozessketten im Tagesgeschäft muss aus Gründen der Transparenz, Terminsteuerung, Qualität, Wirtschaftlichkeit und vielen anderen Gründen durch ein Standard-ERPSystem (z. B. SAP/R3), eine spezielle Branchenlösung oder ein individuelles System unterstützt werden. Der grobe Leistungsprozess besteht aus einer Folge von Teilprozessen (Bild 12). Er wird von den Mitarbeitern unter Zuhilfenahme von Betriebsmitteln und Material durchgeführt. Aber es gibt noch als zusätzlichen (externen) Produktionsfaktor den Kunden. Er ist im Allgemeinen während
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
des Leistungsprozesses dabei, arbeitet teilweise mit oder ist sogar persönlich betroffen (personenbezogene Kundendienstleistung).
Bild 12: Leistungsprozess im Kundendienst
Die Prozessgestaltung beginnt mit einer Grobstruktur der einzelnen Prozessteile, die als reiner Vorwärtsprozess vom Auftragseingang bis zum Auftragsabschluss reicht. Verzweigungen brauchen in diesem Stadium nur unvollständig angegeben zu werden. Auf Schleifen, die wiederholt durchlaufen werden, wird komplett verzichtet. Hervorgehoben werden die Kernprozesse, die durch Steuerungs- und Supportprozesse unterstützt werden (Bild 13). In diesem Stadium kann schon zwischen für den Kunden sichtbaren Prozessen und nicht sichtbaren Hintergrundprozessen unterschieden werden. Sichtbare Prozesse laufen im Front Office ab, unsichtbare im Back Office.
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Bild 13: Grobschema eines allgemeinen Kundendienstprozesses
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Häufig kann der Kundendienst entscheiden, ob ein Teilprozess für den Kunden sichtbar sein soll oder nicht. Gute Kundendienste zeigen hier eine große Offenheit, indem sie die Anwesenheit des Kunden zulassen oder ihn sogar einladen, bei der Arbeit dabei zu sein. Ein Uhrmacher, der vor dem Kunden fachmännisch die Uhr öffnet, die Batterie tauscht, das Gehäuse wieder schließt, die Uhr einstellt und dem Kunden freundlich übergibt, wird ein deutlich größeres Vertrauen aufbauen als ein Kollege, der mit der Uhr in die hinten liegende Werkstatt, also ins Back Office, verschwindet.
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Ein grob strukturierter Prozess kann, Teilprozess für Teilprozess, mit Hilfe von Flow-Charts ausgearbeitet werden. Ein beispielhaftes Ablaufdiagramm für eine Kundendienstleistung im Bordservice einer Fluggesellschaft ist in Bild 14 dargestellt. Das Ablaufdiagramm zeigt folgenden Ablauf: Der Fluggast klingelt nach der Stewardess. Das Leuchtzeichen signalisiert und identifiziert ihn als Anforderer. Die Stewardess geht zu ihm hin und fragt nach seinen Wünschen. Handelt es sich um einen Non-Food-Wunsch (z. B. Decke) oder eine Dienstleistung (Information, Hilfe), so verzweigt sich der Prozess in einen neuen Teilprozess. Bezieht sich der Wunsch auf ein Essen oder Getränk, prüft die Stewardess, ob dieser Wunsch erfüllbar ist, d. h. ob die entsprechenden Lebensmittel an Bord sind. Ist das nicht der Fall, wird sie ein alternatives Angebot machen, also statt Birnensaft Orangensaft anbieten. Stimmt der Kunde zu oder war sein Wunsch ohnehin erfüllbar, holt die Stewardess das Getränk oder Essen und serviert es dem Passagier am Platz. Der konsumiert die Nahrungsmittel. Nach einer Weile räumt die Stewardess das Geschirr wieder ab und fragt den Fluggast nach weiteren
Kundendienstprozesse
Bild 14: Ablaufdiagramm Bordservice im Flugzeug
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Wünschen. Hat dieser einen erneuten Wunsch, macht der Ablauf eine Schleife und beginnt wieder mit der Abfrage des Kundenwunsches. Ansonsten endet hier dieser Teilprozess. Es wird deutlich, dass einige Prozessschritte noch wesentlich detaillierter dargestellt werden könnten. Um aus diesem Ablauf eine Arbeitsanweisung zu entwickeln, müssten einige Teilschritte noch ein bis zwei Detaillierungsstufen genauer angegeben werden. Beispielsweise könnten die Lebensmittel im Flugzeug (Standardbestand) vollständig aufgelistet oder der Entnahmevorgang weiter detailliert werden. Bei Standardprozessen, die sich täglich vielfach wiederholen, lohnt sich die Ausarbeitung detaillierter Flow-Charts. Sie können bei Schulungen der Mitarbeiter und bei der permanenten Verbesserung der Prozesse nutzbringend eingesetzt werden. Sie sind gleichzeitig die Basis für eine Qualitätszertifizierung nach DIN EN ISO 9000 : 2000.
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Zur erfolgreichen Gestaltung von Kundendienstprozessen ist es dringend erforderlich, die Mitarbeiter einzubeziehen. Sie müssen helfen, gute Prozesse zu entwickeln und sie später auch zu betreiben. Dabei ist insbesondere der Übergang von einem Teilprozess auf den nächsten zu beachten, weil hier die Prozesskette besonders anfällig für Störungen ist. Es ist also ein gutes Schnittstellenmanagement nötig. Sichere Prozessketten führen zu einer hohen Prozessqualität. Eine hohe Prozessqualität bedeutet im Kundendienst hohe Produktqualität.
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3.3 Kundendienstqualität Ähnlich wie für ein Sachgut erwartet der Kunde von einem Dienstleistungsprodukt, dass es fehlerfrei ist. Eine Kundendienstleistung muss eine hohe Kundendienstqualität haben. Der Maßstab dafür ist eine Mischung aus objektiven und subjektiven Kriterien. Beide Kriterien können und müssen vom Dienstleister beeinflusst werden. Objektive Kriterien sind durch Daten und Fakten greifbar. Sie können für ein Kundendienstprodukt vorgegeben und kontrolliert werden, wie z. B. die Zeitdauer einer Leistung, die Terminierung, der Ort der Leistungserbringung, die Verwendung bestimmter Betriebsmittel und Materialien sowie einige Arbeitsergebnisse.
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Zimmerservice
Für den Zimmerservice in einem Hotel kann vorgegeben und kontrolliert werden, dass die Zahnputzbecher in einer Kunststofffolie eingehüllt sind, die Toilettenbrille desinfiziert und mit einer Banderole versehen ist und ein ,,Betthupferl" auf dem Kopfkissen liegt.
Für viele Dienstleistungen wurden interne Messwerte entwickelt, die eine objektive Beurteilung der Leistung ermöglichen. Die Messwerte müssen sich selbstverständlich an dem subjektiven Empfinden des Kunden orientieren.
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Fast Food-Restaurant
Bei der Restaurantkette McDonald's müssen bestimmte selbst entwickelte und normierte Kenngrößen eingehalten werden. Kein Gast soll länger als drei Minuten
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
warten, kein Hamburger darf länger als zehn Minuten liegen, der Kaffee muss mit 65 Grad in den Becher fließen und die Toiletten müssen einmal pro Stunde kontrolliert und in Ordnung gebracht werden.
Subjektive Kriterien sind durch die Empfindungen des Kunden geprägt und schwierig erfassbar. Auch hängen sie häufig von der ,,Tagesform" des Kunden ab. Trotzdem muss immer wieder versucht werden, sie greifbar und objektivierbar zu machen, damit eine hohe Kundendienstqualität hergestellt werden kann.
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Servicequalität Auto-Werkstatt
• Bei einem Mercedes-Benz der S-Klasse wurde vom Kundendienst die Kardanwelle ausgetauscht, da sie aufgrund der hohen Laufleistung ausgeschlagen war. Der Kunde beschwerte sich nach der Reparatur, dass das Auto lauter geworden sei. Geräuschmessungen ergaben, dass dies objektiv nicht der Fall war, sondern das Fahrzeug deutlich leiser geworden war. Der Besitzer hatte sich offensichtlich an das leichte Brummen und Vibrieren der alten Kardanwelle gewöhnt und empfand dies als angenehm.
Als Definition für Kundendienstqualität bleibt festzuhalten: Definition Kundendienstqualität wird durch die Erfüllung objektiver Anforderungen und subjektiver Kundenerwartungen erreicht.
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Die Rahmenbedingungen für eine hohe Kundendienstqualität sind anspruchsvoller als für die Qualität von Sachgütern. Die besonderen Merkmale der Leistungserstellung (siehe Kapitel 2) erschweren das Erreichen von Qualitätszielen. Dies erklärt, warum Kundendienstleistungen immer mal wieder misslingen, der Kunde dies mitbekommt und kommuniziert. Als überwiegend immaterielles Produkt sind weder die Leistungen noch die Qualität der Leistung gut greifbar, z. B. bei einer Beratungsleistung. Wie einfach lässt sich dagegen ein Sachgut, z. B. ein Kochtopf, beurteilen! Die Mitwirkung des Kunden (externer Produktionsfaktor) beeinflusst die Qualität der Leistung. Die Reparatur eines technischen Produktes wird z. B. wesentlich beeinflusst durch die Fehlerangaben des Kunden. Die Qualität und Wirksamkeit einer heilgymnastischen Behandlung hängen z. B. gravierend von der Mitwirkung des Kunden ab. Der Uno-Actu-Prozess – die Leistungserstellung und Übergabe der Leistung an den Kunden finden synchron statt – ist qualitätshemmend. Der Kunde bekommt häufig Probleme bei der Leistungserstellung mit und wird negativ geprägt, selbst wenn der Fehler anschließend behoben wird. Die Erstellung einer Kundendienstleistung kann erst nach der Auftragsvergabe durch den Kunden erfolgen, denn eine Lagerung oder Speicherung der Leistung ist nicht möglich. Je schneller der Leistungsprozess gestartet werden muss, desto besser muss die Leistungsbereitschaft organisiert sein. Die Qualität der Leistungsbereitschaft beeinflusst die Qualität der Kundendienstleistung gravierend. Die Mitarbeiterdominanz im Kundendienst macht die Qualität der Leistung mitarbeiterabhängig. Der hustende und schniefende Mitarbeiter in der Auftragsannahme des
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
Kraftfahrzeugservice verdient Mitleid, wirkt aber leider auch qualitätsmindernd. Das Qualitätsziel eines Kundendienstes muss darin liegen, die Nutzenerwartungen des Kunden mit der produzierten Dienstleistung zu erfüllen (Bild 15). Bildlich gesprochen müssen die Nutzenerwartungen mit der Kundendienstleistung in Deckung gebracht werden. Solange dies nicht der Fall ist, besteht eine Qualitätslücke. Diese Qualitätslücke kann durch eine verbesserte Leistungserstellung oder durch Veränderung der Nutzenerwartungen des Kunden geschlossen werden. Kundendienste mit einem hohen Qualitätsanspruch versuchen, die Nutzenerwartungen des Kunden zu übertreffen. Die Serviceleistung muss größer als die Nutzenerwartung werden, was bildlich zu einer negativen Qualitätslücke führt. Man spricht von einer positiven Überraschung.
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Die Nutzenerwartungen des Kunden werden von einer Vielzahl von Einflussgrößen bestimmt. Es ist für den Dienstleister wichtig, sowohl die Kundenerwartungen als auch die Einflussparameter zu kennen. Auf einige der Einflussgrößen kann der Kunde einwirken. Das Erkennen und Beeinflussen von Nutzenerwartungen des Kunden darf nicht zur Manipulation des Kunden führen. Der Kundendienst sollte vielmehr eine faire Information und Kommunikation zur Kundendienstleistung bieten.
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Bild 15: Kundendienstqualität
Die Nutzenerwartungen des Kunden werden durch folgende Einflussgrößen geprägt: " Ausgangspunkt sind die Kundenbedürfnisse, die sich mit dem Kauf eines Primärprodukts bzw. einer Primärleistung zu einem konkreten Kundenbedarf entwickeln. Der Bedarf an einer Kundendienstleistung kann vor dem Kauf oder auch weit nach dem Kauf der Primärleistung liegen, wie z. B. im Technischen Kundendienst bei der jährlichen Inspektion eines Aufzugs.
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" Als Nächstes prägt das Leistungsangebot des Kundendienstes einschließlich einer kundenbezogenen Anpassung (Customizing) des Standardangebots die Nutzenerwartungen. " Der Preislevel des Serviceangebots beeinflusst den Kunden. Bei einem Hochpreisangebot schnellen die Nutzenerwartungen nach oben, bei einem Niedrigpreisangebot sind die Erwartungen tendenziell gedämpft. " Der Vergleich mit Angeboten des Wettbewerbs führt möglicherweise zu einer Veränderung der Erwartungshaltung. " Die Darstellung der Kundendienstleistung (z. B. in der Werbung) stellt eine Konkretisierung des Angebots dar. Gerade bei einer immateriellen Leistung sind verständliche Informationen und Visualisierungen sowie ehrliche und offene Darstellungen dringend erforderlich. Übertriebene Erwartungen können gedämpft und Leistungsvorteile herausgestellt werden. " Das Image des Anbieters ist eine langfristige Komponente. Pauschale Bewertungen wie ,,schnell, gut aber teuer" bestimmen stark die Erwartungshaltung. " Schließlich gehen subjektive weiche Merkmale des Kunden wie Toleranz, Sozialverhalten, Stress und Stimmungen in die Nutzenerwartungen ein. Über die tatsächlich produzierte Kundendienstleistung sind die Nutzenerwartungen des Kunden zu erfüllen, damit keine Qualitätslücke entsteht. Folgende Anforderungen lassen sich an die Prozesskette stellen: " Vom Kundendienst muss genau die angebotene Leistung erbracht werden. Wenn für ein Auto der ,,große Wartungsdienst" in Auftrag gegeben wurde, dann müssen ge-
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nau die im Servicescheckheft angegebenen Teilleistungen erbracht werden. " Es müssen die geeigneten Teilprozesse ausgewählt werden, damit insgesamt die geplante Kundendienstleistung erbracht werden kann. " Jeder Arbeitsschritt muss 100 % in Ordnung sein. Jeder Übergang zu einem neuen Arbeitsschritt muss einwandfrei klappen. Insbesondere muss jeder Übergang von einem Teilprozess zum nächsten in Ordnung sein. An diesen Stellen sind zwischen den beteiligten Mitarbeitern Kunden-Lieferanten-Beziehungen aufzubauen. Dazu gehört auch die zeitgerechte Übergabe des Leistungsprozesses im Sinne einer Just in Time-Beziehung. " Die für den Kunden sichtbaren Prozessteile sind besonders überzeugend zu gestalten. Teilweise kann entschieden werden, ob ein Prozessteil sichtbar durchgeführt werden soll (Front Office) oder verdeckt im Hintergrund (Back Office). Ein typischer Back Office-Prozess ist die Reparatur in einer Werkstatt. " Selbstverständlich ist die Einhaltung von Gesetzen, Verordnungen, Normen, Richtlinien der Branchenverbände sowie allgemein anerkannter Regeln. Der Qualitätsgedanke ist von der Abgabe des Angebots bis zum Abschluss des Auftrages zu verfolgen. Jeder Prozessteil ist einzubeziehen.
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Eine To-Do-Liste kann helfen, den Qualitätsgedanken in jedem Prozessteil zu verankern. Zu berücksichtigen sind u. a. folgende Qualitäts (Q)-Bereiche:
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Q des Angebots (sach- und kundengerecht) Q der Leistungsbereitschaft Q der Auftragsvorbereitung Q der Auftragssteuerung und des Informationsmanagements Q der Informationsverarbeitung (EDV) Q der Auftragsdurchführung Q im Auftragsabschluss und in der Nachbereitung Q im Eskalationsfall (Problemfall, Wiederholungsauftrag) Q in der Administration
Die Messung der Qualität ist eine wichtige Aufgabe, um den Qualitätslevel der Kundendienstleistung erkennen und anheben zu können. Dies beginnt mit dem Festhalten objektiv misslungener Servicefälle oder Teilprozesse, die nicht zu Beschwerden des Kunden geführt haben, weil der Fehler kurzfristig korrigiert wurde oder der Kunde die Mühe einer Beschwerde nicht auf sich genommen hat. Dieses Verfahren der Selbsterkenntnis und Fehlermeldung wird nur in wenigen Unternehmen praktiziert. Alle Beteiligten sind im Einzelfall aber froh, ,,dass es noch einmal gut gegangen ist". Genauso selten wird schlüssiges Kundenverhalten festgehalten. In diesem Fall wird durch Emotionen, Verstimmungen und verbale Äußerungen deutlich, dass der Kunde mit der Kundendienstleistung unzufrieden ist. Er verzichtet auf eine förmliche Reklamation, nimmt sich jedoch sicherlich vor, zukünftig auf diese Kundendienstleistungen und möglicherweise auf die Primärleistung zu verzichten. Präzisere Informationen zur Prozesskette lassen sich durch Testaufträge gewinnen, welche die Prozesse durchlaufen und beobachtet werden können. Da die Prozesse von Mitarbeitern durchgeführt werden, werden dabei auch die Mitarbeiter kontrolliert. In Deutschland ist das Mitbestim-
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mungsgesetz zu beachten und der Betriebsrat einzuschalten. In größerem Umfang lässt sich das Testverfahren nicht durchführen. Die Aussagefähigkeit ist begrenzt. Beschwerden der Kunden geben dem Kundendienstunternehmen wertvolle Informationen über die Qualitätslücke zwischen den Nutzenerwartungen und der tatsächlich erbrachten Leistung. Durch ein geeignetes Beschwerdemanagement können Qualitätsprobleme statistisch und sachlich ausgewertet und Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet werden. Dabei muss dem Unternehmen immer bewusst sein, dass die Beschwerden nur einen Bruchteil der wirklichen Qualitätsprobleme ausmachen. Sie sind nur die berühmte Spitze vom Eisberg. Weit verbreitet und erfolgreich einsetzbar sind Kundenbefragungen, die in regelmäßigen Abständen, mindestens einmal jährlich, durchgeführt werden sollten. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Befragungsmethoden und Auswerteverfahren, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. Kundenbefragungen sind im Kundendienst ein unverzichtbares Instrument zur Überprüfung der Servicequalität und der Kundenzufriedenheit. Die letzte Frage in einem Fragebogen sollte immer die pauschale Bewertung des Kundendienstes nach dem Schulnotensystem (Note 1 = sehr gut, Note 5 = mangelhaft) enthalten. Gute Kundendienste erreichen Noten zwischen 2,0 und 2,2, schlechte liegen über 2,5. Exzellente Serviceunternehmen haben die Eins vor dem Komma.
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Zur Entwicklung und Nutzung eines durchgängigen Qualitätsmanagementsystems im Kundendienst stehen Methoden und Verfahren zur Verfügung, die hier unter dem Stich-
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wort Qualitätswerkzeuge (Q-Tools) (Bild 16) aufgeführt werden. Einige der Q-Tools lassen sich benutzen, um ein wirksames Qualitätsmanagementsystem (QM-System) zu gestalten, andere helfen bei der täglichen Umsetzung. Das Total Quality Management(TQM)-Modell kann als grundlegender Ansatz für ein qualitätsorientiertes Managementkonzept im Kundendienst eingesetzt werden. Die Mitarbeiter auf allen Arbeits- und Managementstufen arbeiten mit einer hohen Eigenverantwortung an den Qualitätszielen mit. Oberstes Ziel ist die Kundenzufriedenheit. Die gesamte Wertschöpfungskette von der Vorbereitung des Serviceauftrags (Leistungsbereitschaft) bis zur Übergabe der letzten Teilleistung an den Kunden wird qualitätssichernd gestaltet. Eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 9000 : 2000 bietet dem Kundendienst die Möglichkeit, dem Kunden zu dokumentieren, dass der Servicebetrieb über ein funktionierendes QM-System verfügt. Wichtig ist für den Kundendienst die in der überarbeiteten Norm vorgeschriebene prozessorientierte Darstellungsweise, welche die funktionsorientierte Betrachtung ablöst. Kundendienstqualität wird u. a. durch Prozessqualität erreicht. Neben den Führungs-, Ressourcenund Realisationsprozessen sind auch Analyse- und Verbesserungsprozesse darzustellen, wodurch permanente Qualitätsverbesserungen angeschoben werden sollen. Der Malcolm Baldrige National Quality Award (MBNQA) wird nur in den USA vergeben. Nur wenige Unternehmen schaffen es, die hohen Ansprüche für die Qualitätsauszeichnung zu erfüllen. Für ein Kundendienstunternehmen kann es jedoch sehr nützlich sein, die sieben Qualitätskriterien, die weit über die Qualitätsanforderungen der ISO 9000-Norm hinausgehen und z. B. die Unternehmensführung, das Informationsmanagement und die Betriebsergebnisse mit ein-
Kundendienstqualität
Bild 16: Qualitätswerkzeuge für den Kundendienst
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beziehen, als Entwicklungskriterien für das eigene Qualitätsmanagementkonzept zu benutzen. Der European Quality Award (EQA) ist das europäische Pendant. Es wird von der European Foundation for Quality Management (EFQM) vergeben. Es wird nach Befähigerkriterien (Führung, Mitarbeiterorientierung, Politik & Strategie, Ressourcen, Prozesse) und Ergebnissen (Mitarbeiterzufriedenheit, Kundenzufriedenheit, gesellschaftliche Verantwortung/Image, Geschäftsergebnisse) unterschieden. Auch diese EQA-Kriterien können zur Entwicklung eines Qualitätskonzeptes im Kundendienst verwendet werden. Quality Function Deployment (QFD) ist eine handfeste Vorgehensweise, um vom Markt benötigte Produkte in hoher Qualität zu entwickeln und zu produzieren. QFD stellt systematische Ansätze zur schrittweisen, prozessorientierten Umsetzung von Kundenanforderungen in bewertbare Produkt- und Prozessparameter zur Verfügung. Die schrittweise systematische Analyse und Umsetzung wird durch tabellarische und grafische Darstellungen sowie ein gut strukturiertes Dokumentationsmaterial unterstützt. Die Methode ist gut für die Entwicklung komplexer Leistungsprozesse geeignet. QFD wurde zwischen 1966 und 1972 in Japan für die industrielle Produktion von Sachgütern entwickelt. Bei einer Anwendung für Kundendienstund andere Serviceprozesse muss der Anwender die tabellarischen und grafischen Darstellungen anpassen.
Die Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA) ist ein Instrument, um neue Kundendienstprozesse und -produkte vor der erstmaligen Durchführung für einen Kunden systematisch zu überprüfen. Insbesondere die Prozess-
Kundendienstqualität
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FMEA ist für Dienstleistungsprozesse geeignet. Es werden kritische Prozessschritte identifiziert, analysiert und die gefundenen möglichen Fehlerquellen eliminiert bzw. abgesichert. Dazu ist ein Formblatt zu entwickeln, auf dem jeweils die Fehlerbeschreibung, der Prozessschritt und der verantwortliche Mitarbeiter festgehalten werden. Zu dem Fehler werden alle relevanten Informationen zusammengetragen, wie z. B. Fehlerhäufigkeit, Umstände, Auswirkungen und Kundenwirkung. Nach einer Risikoabschätzung und Festlegung von Prioritäten wird der Fehler abgestellt. Auch diese Methode wurde ursprünglich für Industrieprozesse entwickelt. Das Fischgrätendiagramm (Ishikawa-Diagramm) ist ein Ursache-Wirkungs-Diagramm, das in Teams und Qualitätszirkeln verwendet wird, um erkannte Qualitätsprobleme zu lösen. Als Kopf wird das Problem angegeben (Bild 17). Die vier Hauptbeeinflusser, meistens der Mensch, die Betriebsmittel, das Material und die Methoden, werden als Rippen dargestellt. Im Brainstorming wird nach den Ursachen der Qualitätsprobleme gesucht. Die möglichen Ursachen werden als waagerechte Gräten in das Diagramm eingetragen und damit dokumentiert und visualisiert.
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Produktschulung
• Die Produktschulung von Kunden für ein neues Gerät wird von den Teilnehmern negativ bewertet (Bild 17). Einflussgrößen sind der Trainer, die verwendeten Hilfsmittel, die zur Verfügung stehenden Informationen und Produktunterlagen sowie der Schulungsablauf. Mögliche Ursachen beim Trainer können mangelhafte Rhetorik oder zu wenig Produktkenntnisse sein.
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Bei den Hilfsmitteln könnten der zu laute Schulungsraum, der zeitweise defekte Beamer oder die zu geringe Anzahl von Schulungsgeräten sein. Auch die noch nicht vollständigen Manuals und fehlenden Schaltbilder könnten ebenso mitgewirkt haben wie Fehler im Schulungsablauf. Die Pausen waren möglicherweise zu kurz oder die Zahl der Kurstage war zu gering.
Bild 17: Fischgrätendiagramm (Ishikawa-Diagramm)
Die möglichen Ursachen müssen analysiert und gewichtet werden. Danach ist nach Lösungen zu suchen (Brainstorming). Die Stichprobenprüfung nach AQL (Accepted Quality Level = annehmbare Qualitäts-Grenzlage) ist ein Prüfverfahren, das eine 100-%-Prüfung durch die Prüfung einer genügend großen Stichprobe ersetzt (z. B. Attributprüfung nach DIN ISO 2859). Es steht ein formalisiertes Verfahren zur Verfügung, bei dem für ein bestimmtes Prüfniveau ein Stichprobenplan vorgegeben ist. Zur Anwendung dieses Verfahrens
Kundendienstqualität
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muss eine genügend große Grundgesamtheit von Prüfobjekten vorliegen.
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Prüfung nach AQL
• Im Technischen Kundendienst können Werkstattreparaturen stichprobenartig nach AQL 1,5 geprüft werden, wobei mehrere Prüfkriterien festzulegen sind (optische Prüfung, reparierte Funktion, andere Hauptfunktionen, Verschleißteile). Der Wareneingang von Ersatzteilen im Technischen Kundendienst und die Zimmerkontrolle in einem großen Hotel lassen sich ebenfalls nach einem Stichprobenverfahren prüfen.
Das Beschwerdemanagement ist ein wichtiges Q-Tool. Alle im Kundendienst eingehenden Reklamationen sind mit verschiedenen Merkmalen zu erfassen und statistisch aufzubereiten. Die Analyse der Daten ermöglicht, Schwächen in der Dienstleistung zu erkennen und diese zu beseitigen. Mit Hilfe einer systematischen und schnellen Beschwerdebearbeitung muss die Kundenzufriedenheit wieder hergestellt werden. Häufig besteht sogar die Chance, den Kunden durch geeignete Maßnahmen noch stärker an den Kundendienst zu binden. Formalisierte Verfahren existieren zum Beschwerdemanagement nicht. Jedes Serviceunternehmen sollte sein individuelles Beschwerdesystem entwickeln. Die Kundenbefragung als Q-Tool wurde bereits am Anfang dieses Kapitels beschrieben. Es ist darauf hinzuweisen, dass es zahlreiche unterschiedliche Befragungsmöglichkeiten gibt, z. B. gestützte und nicht gestützte Verfahren, telefonische, persönliche und internetgestützte Befragung. Es gibt
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offene und geschlossene Fragen, Schulnotensysteme und andere Bewertungsskalen. Hinzu kommen verschiedene Auswertungssysteme. Empfehlenswert ist die Auswertung mit dem Statistikprogramm SPSS. Aufgrund der Vielschichtigkeit sollte der Aufbau eines Kundenbefragungstools mit professioneller Hilfe vorgenommen werden. Die Aufwendungen, um im Kundendienst ein hohes Qualitätsniveau zu erreichen und zu halten, werden als Qualitätskosten bezeichnet. Sie können in Fehlerverhütungs-, Prüfund Fehlerkosten untergliedert werden. Fehlerverhütungskosten treten bei der Planung, Entwicklung und Absicherung von Kundendienstprozessen auf.
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Fehlerverhütungskosten Gerätekundendienst
Obwohl die Techniker eines Technischen Kundendienstes gut geschult sind und umfangreiche Manuals für jedes einzelne Gerät mit sich führen, treten bei den Kundendiensteinsätzen immer wieder Fehler bei der Bedienung der Geräte auf. Um diese Fehler abzustellen, werden für alle Geräte Kurzanleitungen erarbeitet, auf DIN-A6-Kärtchen gedruckt und den Technikern zur Verfügung gestellt. Die Kosten für diese Kärtchen sind Fehlerverhütungskosten.
Alle Prüfmaßnahmen führen zu Prüfkosten.
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Prüfkosten Autohaus
Ein Autohaus ruft jeden zehnten Kunden nach einem Werkstattaufenthalt (Inspektion, Wartung oder Reparatur) an, um herauszufinden, ob der Servicefall zur Zufriedenheit des Kunden verlaufen ist. Die Kosten des Mitarbeiters am Telefon, die Telefonkosten und anteilige Gemeinkosten für den Arbeitsplatz sind Prüfkosten.
Servicecontrolling
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Fehlerkosten entstehen, wenn ein Teil eines Kundendienstprozesses oder der gesamte Prozess misslungen ist und Maßnahmen durchzuführen sind, um den Prozess zu wiederholen, zu ergänzen oder den Kunden auf andere Weise zufrieden zu stellen. Bei Dienstleistungen kann der Prozess häufig nicht wiederholt werden, und der Kunde muss einen Preisnachlass oder eine Wiedergutmachung bekommen.
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Reparatur Geschirrspüler
Bei der Reparatur eines Geschirrspülers in der Küche einer Kundin zieht der Techniker das Einbaugerät unvorsichtig aus der Küchenzeile heraus, so dass Kratzer auf dem Linoleum entstehen, die sich nicht entfernen lassen. Die Kundin bekommt vom Kundendienst einen Geldbetrag, damit sie den Bodenbelag in der Küche erneuern lassen kann. Die Kosten sind Fehlerkosten.
Während die Ausgabenseite für Qualität in Form der Qualitätskosten rechenbar ist, ist die Einnahmenseite, also die positiven Wirkungen der Qualität, weniger transparent. Die Wirkungen reichen weit über den Anspruch einer vertragsgerechten Erbringung von Kundendienstleistungen hinaus. Es geht um die Erfüllung von Nutzenerwartungen des Kunden, eine langfristige Kundenbindung und Partnerschaft sowie die Ergänzung und Unterstützung der primären Sachoder Dienstleistung für den Kunden. Qualität spart langfristig Geld und bringt Umsatz.
3.4 Servicecontrolling Alle Planungs- und Steuerungsaufgaben im Kundendienst werden unter dem Begriff Servicecontrolling zusammengefasst. Es ist ein Zahlenwerk aufzubauen, das die Kun-
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dendienstleistung transparent macht. Umfangreiche betriebswirtschaftliche Informationen, Daten und Kerngrößen sind zu beschaffen, aufzubereiten, zu analysieren und als interne Dienstleistung den einzelnen Stellen selektiv zur Verfügung zu stellen. Empfänger sind die Geschäftsführung, die Kundendienstleitung, die Führungskräfte aller Ebenen und auch die Mitarbeiter, wobei die Informationsbedarfe unterschiedlich sind und unterschiedlich erfüllt werden müssen. Es gibt kein Standard-Controllingsystem, insbesondere nicht für die sehr vielfältigen Kundendienststrukturen. Jeder Kundendienst muss sein eigenes Servicecontrolling entwickeln. Der Informationsbedarf der internen Kunden ist abzufragen, fachmännisch zu ergänzen und zu realisieren.
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Das Servicecontrolling kann unterschiedlichste Zahlen liefern: " Das Executive Reporting liefert der Geschäftsführung verdichtete Eckdaten und Analysen über den Geschäftsverlauf. " Im Performance Reporting werden Produktivitäten und andere Leistungsdaten aufbereitet. " Mit Prozesskennzahlen werden die Prozesssteuerung und damit der Produktionsprozess der Kundendienstleistung überwacht sowie die Struktur- und Prozessinnovation angestoßen. " Kennzahlen zur Kundenzufriedenheit unterstützen das Kundenmanagement. " Kennzahlen zu Garantie- und Kulanzleistungen werden vom Kundenmanagement und der Leistungssteuerung benötigt.
Servicecontrolling
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" Mitarbeiterkenngrößen können, abgestimmt mit dem Betriebsrat, zur Personalsteuerung eingesetzt werden. " Zur abteilungs- und betriebsübergreifenden Leistungsverrechnung sind Daten zu erfassen und aufzubereiten. " Zur Weiterentwicklung des Kundendienstgeschäfts werden Eckdaten aufbereitet und ggf. im Benchmarking mit anderen Unternehmen verglichen. " Für das Frühwarnsystem werden aus internen und externen Kennzahlen anspruchsvolle Prognosen erstellt. Für das Servicecontrolling ergeben sich für alle Aufgaben immer wieder Zyklen, die ähnlich strukturiert sind. Die Controlling-Routine (Bild 18) beginnt mit Visionen, die über Kundendienststrategien in konkrete Kundendienstziele überführt werden. Diese richtungsweisenden Vorgaben werden in größeren Abständen, z. B. im Jahresrhythmus, vom Verwaltungsrat, der Geschäftsführung, dem Führungskreis und ggf. ausgewählten Mitarbeitern erarbeitet. In der Kundendienstplanung werden alle relevanten Daten, vom Auftragseingang bis zu den Gemeinkosten, für den Budgetzeitraum geplant und auf die Monate ,,heruntergebrochen". In der Ist-Datenerfassung werden die Monatsergebnisse (evtl. auch Wochen- oder Tagesergebnisse) ermittelt. Basierend auf dem Plan-Ist-Vergleich werden die Daten analysiert. Daten und Analysen werden der Kundendienststeuerung zur Verfügung gestellt. Abweichungen sind zu kontrollieren. Bei dauerhaften Veränderungen sind Prognosen zu erstellen, die den alten Plan ergänzen oder ersetzen. Diese Informationen sind in der Kundendienststeuerung der einzelnen Fachfunktionen zu berücksichtigen, sind also Steuergrößen für das laufende Geschäft. Aber auch der nächste Planungszyklus wird hiervon beeinflusst, da sich die Ausgangsbasis verändert.
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Bild 18: Controlling-Routine im Kundendienst
Im Controlling des Kundendienstes werden auch Kennzahlensysteme genutzt. Es wird mit qualitativen und quantitativen Kennzahlen gearbeitet: " Qualitative Kenngrößen sind schwieriger zu gewinnen als quantitative. Sie werden über Befragungen, Schwachstellen- und Beschwerdeanalysen gewonnen, wie das z. B. bei Qualitätskennzahlen der Fall ist. Über Maßstäbe wie Schulnotensysteme oder Scoring-Modelle werden sie quantifiziert und können so in Kennzahlensysteme einfließen. " Quantitative Kenngrößen stehen dem Kundendienst aus der Kosten- und Leistungsrechnung zur Verfügung. Sie sind als Planwerte (Budget), Prognose und Ist-Zahlen in der Kostenstellen-, Kostenarten- und Kostenträgerrechnung in einem hohen Detaillierungsgrad zu finden. Sie
Servicecontrolling
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können nach Bedarf zu Kennzahlen verarbeitet werden, auch in Verbindung mit den Erlösen. Neben diesen finanziellen Kennzahlen gibt es auch operative Kennzahlen aus der operativen Steuerung des Kundendienstgeschäfts, wie z. B. der durchschnittliche Zeitbedarf für einen Auftrag. Das Kennzahlensystem des Kundendienstes besteht also aus finanziellen und operativen Kennzahlen, die wiederum als absolute Zahlen oder Verhältniszahlen dargestellt werden können (Bild 19). Die Verhältniszahlen können auf eine zeitliche Basis (Stunde, Tag, Monat, Jahr) oder auf eine sachliche Basis (Mengen, Anzahl Mitarbeiter) bezogen werden. Zu den absoluten Kennzahlen des Kundendienstes im operativen Bereich gehören die Zahl der Mitarbeiter und Kunden, die Zahl der Standorte mit Angabe der Flächen (in qm), die Zahl der Fahrzeuge, die Stückmengen von Teilen im Lager (z. B. Ersatzteile, Verbrauchsmaterial), die Zahl der Kundendienstleistungen (Serviceprodukte) und die Zahl der abgeschlossenen Serviceverträge. Im finanziellen Bereich gehören zu den absoluten Kennzahlen der Umsatz und die Erlöse, Kosten in jeder Aufgliederung, der Gewinn, das Anlage- und Umlaufvermögen sowie der Lagerbestand. Bei den Verhältniskennzahlen steht an erster Stelle die Produktivität, beispielsweise die Anzahl der Kundenkontakte oder Kundeneinsätze je Mitarbeiter und Tag. Zu den zeitlichen Größen gehören die (durchschnittlichen) Arbeits- und Fahrtzeiten je Kundendienstfall sowie Unproduktivzeiten je Mitarbeiter (Schulung, Krankheit, Verteilzeiten), die auch, bezogen auf die Jahresarbeitszeit, als Unproduktivquoten dargestellt werden können.
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Bild 19: Kennzahlensystem im Kundendienst
Die Fahrtstrecken je Fahrauftrag, die Fahrtstrecken je Mitarbeiter und Tag sowie die Fahrleistung je Auto und Jahr sind wichtige Verhältniskennzahlen. Hinzu kommen Qualitätskennzahlen wie Reklamationsquoten, also die Zahl der Reklamationen in Bezug auf die Gesamtzahl der Aufträge, Wiederholungsquoten von Aufträgen sowie Garantie- und Kulanzquoten, die auch auf die Zahl der vom
Servicecontrolling
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Kundendienst betreuten Maschinen/Geräte bezogen werden können. Bei den finanziellen Verhältniskennzahlen lassen sich die durchschnittlichen Kosten und Erlöse je Servicefall angeben. Eine weitere Untergliederung nach Arbeitskosten und Arbeitskosten je Servicefall ist möglich. Deckungsbeiträge in verschiedenen Stufen können pro Fall, je Serviceprodukt oder je Erzeugnisgebiet errechnet werden. Auch die Materialkosten je Fall sind eine wichtige Kennzahl. Für die Fahrzeuge sind die Kosten pro km wichtig. Mitarbeiterbezogen können die Lohn- und Gehaltskosten je Mitarbeiter sowie die Schulungs- und Trainingskosten je Mitarbeiter ermittelt werden. Um Übersicht über eine Kundendienstabteilung oder ein Kundendienstunternehmen zu bekommen und Eingriffsnotwendigkeiten und -möglichkeiten erkennen zu können, wird ein System von Kennzahlen benötigt. Hier kann die Methode der Balanced Scorecard (BSC) eingesetzt werden (siehe Pocket Power TQM Scorecard). Balanced Scorecards sind Berichtsbögen bzw. Bildschirmmasken, in denen eine ausgewogene Kombination und Gewichtung der Kennzahlen dargestellt wird, welche die Beurteilung eines Unternehmens aus mehreren Blickwinkeln erlaubt. Als Kennzahlenbereiche kommen im Kundendienst in Frage: " Finanzielle Kennzahlen (Umsatz, Kosten, Deckungsbeiträge) " Kundenbezogene Kennzahlen (Qualität, Kundenzufriedenheit) " Prozesskennzahlen (operative Kennzahlen) " Mitarbeiterkennzahlen (Struktur, Mitarbeiterzufriedenheit)
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Der Aufbau eines solchen Scorecard-Systems ist ohne Computerunterstützung nicht denkbar. Kleine Kundendienste können ein Tabellenkalkulationsprogramm (Excel) benutzen. Professioneller ist eine Scorecard-Software oder die Nutzung von ERP-Systemen (Enterprise Resource Planning), wie sie von Firmen wie SAP, Innosoft, Service Alliance (Apertum), Siebel oder Great Plains angeboten werden.
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Ein Balanced Scorecard-System ist ein dynamisches System. Die Kennzahlen müssen anpassbar und die Gewichtung muss veränderbar sein.
Ein sachgerechtes Controlling geht nahtlos in ein internes Consulting über, das zur Reorganisation, Diversifikation und Innovation des Kundendienstes führt.
3.5 Kundendienstpreise Der Preis für eine Kundendienstleistung ist ein wichtiges Element der Abmachung zwischen einem Kunden und einem Dienstleister. Die Preispolitik ist ein Teil der Kontrahierungspolitik. Es ist zu prüfen, welche besonderen Modalitäten zu beachten sind, und wie die Preise gebildet werden. Die Besonderheiten des Kundendienstes sind zu beachten (siehe Kapitel 1.2). Der Kundendienst ist abhängig von einer Primärleistung. Die Merkmale der Preispolitik, die für Sachgüter und Dienstleistungen gelten, sind damit nur teilweise übertragbar. Die Preisbildung für Kundendienstleistungen ist eingeschränkt.
Kundendienstpreise
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Kundendienst ist aber auch eine Dienstleistung, und die besonderen Merkmale der Dienstleistung beeinflussen die Preisbildung. Die Leistung ist schwer greifbar und als immaterielles Gut für den Kunden nur schwierig zu bewerten. Der Kunde ist an der Leistung als Zuschauer oder sogar Mitwirkender beteiligt, was sein Preisgefühl beeinflusst. Dies gilt auch für Gleichzeitigkeit von Leistungserstellung und Leistungsübergang auf den Kunden. Außerdem beeinflusst der Mitarbeiter den Preis, einerseits durch die Kosten, andererseits durch seine Arbeit und Kommunikation mit dem Kunden (siehe Kapitel 2). •
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Im Kundendienst lässt sich der Preis meist nicht autonom festsetzen, sondern er ist abhängig von der Primärleistung. Das Leistungs-Preis-Verhältnis ist vor Leistungsbeginn für den Kunden verschwommen, da ihm nur ein Leistungsversprechen angeboten werden kann. Teilweise muss er aber jetzt schon dafür bezahlen. Auch nach Übergabe des Kundendienstprodukts ist er unsicher, ob der Preis fair ist, da das Produkt (teilweise) immateriell ist. Kundendienstleistungen ,,verblassen". Je weiter die immaterielle Leistung beim Bezahlen zurückliegt, desto teurer erscheint dem Kunden der Preis. Heterogene, individuelle Kundendienstleistungen erfordern individuelle Preise, welche die Vergleichbarkeit schwierig und den Kunden unsicher machen.
Die Preismodalitäten für Kundendienstleistungen sind vielfältig. Sie reichen vom Hochpreissegment, in dem der Kundendienst Gewinne machen kann, bis zum Nulltarif, der über die Primärleistung subventioniert werden muss. Eine Kundendienstleistung kann nach verschiedenen Modalitäten abgerechnet werden (Bild 20).
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
Bild 20: Preismodalitäten im Kundendienst
Die Abrechnung nach Aufwand basiert auf einem Stundensatz, der mit der vom Kundendienst benötigten Zeit (in Stunden) multipliziert wird. Der Zeitaufwand ist meistens vom Kunden kontrollierbar, während der Stundensatz vom Dienstleister vorgegeben ist. Er wird vom Dienstleister auf Basis der Kosten, überwiegend Personalkosten, mit einem Gewinnaufschlag kalkuliert. Fahrtkosten können ebenfalls mit einem Fahrtstundensatz nach Aufwand in Rechnung gestellt werden. Benötigtes Material wird zum Festpreis, evtl. mit einer Rabattstaffel, zusätzlich verkauft und ist meistens mit einer guten Marge kalkuliert. Eine häufig genutzte Variante ist die Berechnung von Zeitschritten: 6-Minuten-Schritte, 10-MinutenSchritte, 15-Minuten-Schritte oder sogar Stunden-Schritte.
Kundendienstpreise
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Aufwandsabrechnung
• Die Leistungen eines Kundendienstes werden beispielsweise in 6-Minuten-Schritten abgerechnet. Die Zeiteinheit möge für den Kunden e 7,50 kosten. Die Preisoptik ist günstig. Für die volle Stunde werden damit e 75 fällig, was ein Privatkunde schon nicht mehr als günstig einstufen würde. Da alle angefangenen Zeiteinheiten berechnet werden, erhält der Kundendienst für durchschnittlich drei Minuten Zusatzerlöse (e 3,75). Falls der Kundendienst intern über Vorgabezeiten gesteuert wird, wie z. B. im Kraftfahrzeuggewerbe, und die Arbeitseinheiten ebenfalls sechs Minuten dauern, entsteht ein harmonisiertes System. Es können sehr genaue Kostenvoranschläge erstellt und für viele Standardarbeiten Festpreise gemacht werden.
Die Abrechnung nach Aufwand scheint für den Kunden offen und fair zu sein, jedoch bleiben große Unsicherheiten bezüglich des endgültigen Rechnungsbetrages. Sie können in bestimmten Fällen, z. B. im Technischen Kundendienst, durch Kostenvoranschläge gemildert werden. Pauschalpreise für Kundendienstleistungen sind beim Kunden beliebt, weil schon vor Beginn der Leistungserstellung Klarheit über den Preis herrscht. Es sind nur geringe Überraschungen zu erwarten. Bei Pauschalpreisen muss der Leistungsumfang sehr deutlich beschrieben sein, weil der Kunde gerne eine höhere Leistung erwartet. Wenn der Batteriewechsel einer Armbanduhr für e 5,50 angeboten wird, so ist darin nicht enthalten, dass die Uhr hinterher wieder – wie im Neuzustand – wasserdicht ist. Dies wäre jedoch eine kostenpflichtige Zusatzleistung.
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
Die negativen Überraschungen bei der Leistungserstellung, wie technische Probleme oder ein erhöhter Zeitbedarf, gehen zu Lasten des Dienstleisters. Andererseits hat der Kundendienst die Möglichkeit, innerhalb fester Pauschalen durch rationelle Arbeit, verbesserte Betriebsmittel und optimierten Einsatz der Mitarbeiter die Kosten zu senken, so dass die Deckungsbeiträge erhöht werden können. Eine Mischung aus Preispauschalen und einer Aufwandsabrechnung ist eine häufig verwendete Variante. Die Reparatur einer Druckmaschine beim Kunden könnte beispielsweise am Wochenende mit einer Anfahrtspauschale und einer Wochenendpauschale, ansonsten aber nach Aufwand abgerechnet werden. Die Ersatzteile könnten nach Verbrauch auf Basis einer vorliegenden Preisliste abzüglich 10 % Großkundenrabatt in Rechnung gestellt werden. In einem Servicevertrag, der häufig im After-Sales Service von Anlagen und Maschinen verwendet wird, werden verschiedene marktfähige Kundendienstleistungen sachlich und preislich gebündelt.
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Kundendienstprodukte im Anlagenservice
Die Abfüllanlage eines Getränkeherstellers wird vom Technischen Kundendienst des Anlagenherstellers (Herstellerkundendienst) im Rahmen eines Full Service-Vertrages betreut werden. Folgende Leistungen können gebündelt werden: • Inspektion und Wartung • Reparaturen (vorbeugende und bei Ausfall) • 7 Tage/24 h Ruf- und Einsatzbereitschaft • Remote Service • Hotline Service • Garantierte Anlagenverfügbarkeit 95 % Die besonderen Leistungsbedingungen werden in Service Level Agreements (SLA) niedergelegt.
Kundendienstpreise
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Die Preisbündelung (bundling) führt beim Kunden zu einer vollständigen Transparenz und Berechenbarkeit der Servicekosten ohne Überraschungen. Die Servicekosten können einwandfrei budgetiert werden. Der Gesamtpreis ist niedriger als die Summe der Einzelleistungen. Der Servicevertrag sichert auf der anderen Seite dem Kundendienst feste Einnahmen für ein Jahr mit Verlängerungsoption. Die Aufgaben der Leistungsbereitschaft, Ersatzteilvorhaltung und Kapazitätsplanung der Mitarbeiter lassen sich besser und kostengünstiger lösen. Der Kundendienst übernimmt eine erhöhte Verantwortung. Leistungen zum Nulltarif sind eine Spezialität im Kundendienst. In diesen Fällen wird für die Kundendienstleistung kein Preis verlangt, sondern der Preis wird in den Preis der Primärleistung integriert. Keinesfalls darf dieses Preismodell so verstanden werden, dass die Kundendienstleistung kostenlos erbracht werden kann. Typische Leistungen, die der Kundendienst kostenlos für den Kunden erbringt, sind Gewährleistungen- und Garantiearbeiten. Sie werden firmenintern dem Vertrieb, der Produktion oder dem Hersteller der primären Dienstleistung in Rechnung gestellt. Interessant ist die Möglichkeit, aus Marketinggründen die Kundendienstleistung zusammen mit der Primärleistung mit einem Preis anzubieten. Viele Sachgüter lassen sich nur noch in der Bündelung ,,Sachgut + Kundendienst" verkaufen.
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Gabelstapler + Schulung
Ein Maschinenhersteller hat ein neues HochregalZwischenlager bauen lassen, für das er vier neue Hochregalstapler bei der Firma Jungheinrich bestellt. Die Stapler werden angeliefert, und die Bedienung der Geräte wird
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
erläutert. Als zusätzliche Kundendienstleistung wird für alle Gabelstaplerfahrer eine eintägige Fahrerschulung durchgeführt, damit sie die neuen Stapler sicher und leistungsoptimiert bewegen können. Die Kundendienstleistung ist im Gesamtpreis enthalten und hat den Ausschlag für den Kauf dieser Geräte gegeben.
Kundendienstleistungen können auch mit Dienstleistungsprodukten verbunden werden und dort im Preis integriert sein. Eine Trennung der Leistung und eine getrennte Rechnungsstellung (unbundling) ist häufig nicht machbar, weil sie vom Kunden nicht akzeptiert wird.
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Unbundling im Airline Catering
Für das Serviceprodukt ,,Flugreise von Frankfurt nach Malaga" gibt es von der Lufthansa einen Festpreis. Im Ticketpreis enthalten ist ein Snack mit einem Getränk sowie anschließend Kaffee oder Tee. Würde diese Kundendienstleistung von der Primärleistung ,,Flug" getrennt, einzeln angeboten und mit einem Preis versehen, so müsste dieser Imbiss vermutlich e 20,– kosten. Maximal 20 % der Fluggäste würden diese Kundendienstleistung in Anspruch nehmen. Möglicherweise würden Fluggäste zu anderen Fluggesellschaften wechseln, wo sie einen kostenlosen Snack erhalten.
Die Preisbildung im Kundendienst sollte marktbasiert sein. Die kostenbasierten Preise sollten dagegen lediglich die Preisuntergrenze markieren. Marktpreise lassen sich durch den Vergleich von Preislisten gewinnen, für die eine Aushangspflicht besteht. Hier lassen sich die Pauschalpreise für einzelne Kundendienstleistungen sowie die Stundensätze der Wettbewerber able-
Kundendienstpreise
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sen. Preisvergleiche lassen sich durch die Beteiligung an Benchmarking-Aktionen beschaffen, die von neutralen Institutionen und Unternehmensberatungen durchgeführt werden. Eine Bewertung der eigenen Preise lässt sich im Rahmen von Kundenbefragungen gewinnen. Die Kunden können auf einer Notenskala ihre Einschätzungen abgeben, ob sie eine von ihnen genutzte Kundendienstleistung im Preis als sehr günstig (Note 1,0), sehr teuer (5,0) oder mit dazwischen liegenden Werten einstufen. Bei der kostenbasierten Preisbildung stellt insbesondere die Fixkostenlastigkeit ein Problem dar, die durch die Leistungsbereitschaft entsteht. Durch schwankende Mengen von Kundenaufträgen schwankt die Kapazitätsauslastung, so dass die Fixkosten unterschiedlich abgedeckt werden. Es ist ideal, wenn die fixen Bereitschaftskosten durch Fixpreisanteile und die variablen Kosten durch Aufwandskonditionen abgedeckt werden können. Zur Abdeckung der fixen Kosten der Leistungsbereitschaft können dem Kunden Teilnahmegebühren für bestimmte Serviceleistungen angeboten werden. Die Teilnahme am 24-h-Service, an der Rufbereitschaft, an der Hotline oder am Remote Service wird durch eine Bereitschaftspauschale sichergestellt. Im Einsatzfall wird zusätzlich nach Aufwand oder Pauschalen abgerechnet. Es können auch Teilleistungen ,,kostenlos" geliefert werden, z. B. eine bestimmte Anzahl von Beratungen durch die Hotline.
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Die Besonderheit der Kundendienstleistung als abhängige Leistung bringt es mit sich, dass der Spielraum der Preisdifferenzierung eingeschränkt ist. Bestimmte Differenzierungs-
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
merkmale, die bei anderen Dienstleistungen oder bei Sachgütern gängig sind, werden im Kundendienst nicht verwendet (Bild 21).
Bild 21: Merkmale zur Preisdifferenzierung im Kundendienst
Kundendienstleistungen sind vorwiegend kundenindividuelle Einzelleistungen, so dass Mengendifferenzierungen im Preis (Mengenrabatte) nicht üblich sind. Ausnahmen gibt es beim Ersatzteilverkauf, der aber eine Sachleistung ist. Ebenso führt eine frühe Reservierung von Kundendienstleistungen, sofern das überhaupt machbar ist, nicht zu Frühbucherrabatten. Eine Differenzierung nach bestimmten Kundengruppen wie Kinder, Erwachsene, Studenten, Rentner oder Männer und Frauen bzw. verschiedenen Berufsgruppen sind unüblich. Ebenso sind Preisdifferenzierungen nach Regionen (Land, Stadt) oder Bundesländern selten. Auch saisonale Preisdifferenzierungen sind ungängig.
Kundendienstpreise
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Eine geeignete Preisdifferenzierung ist dagegen nach zeitlichen Kriterien möglich. Kundendienstleistungen außerhalb der üblichen Bürozeiten können mit höheren Stundensätzen oder Zusatzpauschalen berechnet werden. Dies gilt auch für Nacht-, Wochenend- und Feiertagseinsätze. Auch Schnelligkeit kann in den Preisen berücksichtigt werden, z. B. Reparaturen innerhalb von 24 Stunden oder Einsätze mit Reaktionszeiten von ein oder zwei Stunden. Aufgrund der unterschiedlichen Kosten und unterschiedlicher Marktsituation sind die Preise in unterschiedlichen Ländern (auch in Europa) trotz gleicher Leistungen verschieden. Eine generelle marktorientierte Preisdifferenzierung findet nach Privatkunden und Geschäftskunden statt, wobei neben der Preisdifferenzierung auch eine Leistungsdifferenzierung stattfindet. Im B-to-C-Markt sind niedrige Preise, z. B. im Technischen Kundendienst, wichtig, da die technischen Geräte niederpreisig sind und schnell die Reparaturwertgrenze erreicht ist. Beim Kunden steht außerdem weniger Geld zur Verfügung. Dafür ist eine gewisse Zeittoleranz da. Auf eine Waschmaschine kann der Kunde schon einmal drei Tage verzichten. Im B-to-B-Markt dagegen sind Geräte, Anlagen und Maschinen als Betriebsmittel eingesetzt. Ein Ausfall beeinträchtigt die Produktion oder legt sie sogar lahm. Im Technischen Kundendienst stehen der kurzfristige Einsatz, eine kurze Entbehrzeit und die nachhaltige Reparatur im Vordergrund. Der Preis der Kundendienstleistung ist weniger kritisch. Sofern die Rechnung die Leistungen offen legt und nicht überzogen ist, wird sie problemlos bezahlt. Meist entstehen dauerhafte Kunden-Lieferantenbeziehungen. Häufig werden Serviceverträge abgeschlossen.
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Eine für begrenzte Zeit geltende Preisdifferenzierung wird bei Aktionen, Aktionstagen oder -wochen vorgenommen. Ein bestimmtes Leistungspaket wird meist gegen einen pauschalen Aktionspreis angeboten. Für den Kundendienst ist dies eine Werbemaßnahme, die gleichzeitig ein Zusatzgeschäft und Auslastung der Kapazitäten bringt.
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Aktionswoche
Die Aktionswochen der Kfz-Kundendienste laufen im Herbst meist unter dem Begriff ,,Wintercheck". Im Leistungsbündel sind für einen Pauschalpreis von z. B. e 9,90 die Überprüfung der Reifen inkl. Luftdruck, der Scheibenwischerblätter, des Kühlerfrostschutzes sowie ein Batteriecheck enthalten.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass nicht nur die Leistung den Preis beeinflusst, sondern der Preis auch die Erwartungshaltung des Kunden zum Kundendienstprodukt prägt. Muss der Kunde einen hohen Preis bezahlen – vielleicht gibt es keine Alternative zu dieser Kundendienstleistung, oder es gibt bestimmte Präferenzen – so erwartet er auch eine Top-Leistung bezüglich aller Kriterien wie Zeit, Qualität, Abwicklung und Freundlichkeit im Kontakt. Bei einem Niedrigpreisangebot erwartet der Kunde nur die Basisleistung und nimmt Abstriche bei der Zeit und Abwicklung in Kauf.
3.6 Kundendienstkonzepte Der Kundendienst spielt im Marketingkonzept der Primärleistung, sowohl beim Sachgut als auch bei der Dienstleistung, als Marketinginstrument eine wichtige Rolle. Der Kunden-
Kundendienstkonzepte
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dienst ist entweder in die Leistungspolitik integriert oder wird als eigenständiges Instrument unter Servicepolitik geführt. Unabhängig hiervon sollte eine Kundendienstorganisation über ein eigenes Kundendienstkonzept verfügen, das allerdings mit der Unternehmenspolitik des Gesamtunternehmens oder Konzerns harmonieren muss.
Bild 22: Elemente des Kundendienstkonzeptes
Das Kundendienstkonzept besteht aus neun Elementen (Bild 22). Die ersten sechs Elemente sind die Marketingbausteine, die sich zum Marketingkonzept des Kundendienstes zusam-
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menfügen lassen. Die letzten drei Elemente sind die operativen Bausteine, die als operatives Konzept die Realisierung der Kundendienstaufgaben beschreiben. In dem Element Leistung werden alle Kundendienstleistungen bzw. Kundendienstprodukte festgelegt. Kundendienstprodukte wurden ausführlich in Kapitel 3.1 besprochen. Das Element Distribution enthält alle Kundengruppen und Absatzkanäle für die Kundendienstleistungen sowie die Vertriebsorganisation. Da der Kundendienst immer an eine Hauptleistung gekoppelt ist, sind die Kunden und Absatzkanäle weitgehend vorgegeben. Häufig wird die Kundendienstleistung auch zusammen mit der Primärleistung verkauft. Im After-Sales-Bereich agieren Kundendienstorganisationen meist sehr selbständig. Es können vorhandene Kunden aktiv angesprochen werden, um ihnen weitere Serviceprodukte zu verkaufen. Bei einer gezielten Ausweitung des Kundendienstgeschäfts können selbstverständlich auch völlig neue Kundengruppen mit anderen Primärprodukten akquiriert werden.
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Kundendienstleistung Bordverpflegung
• Mit der Neugründung der Lufthansa AG im Jahre 1954 wurde auch die Kundendienstleistung Bordverpflegung mit aufgebaut. Die Ausweitung auf andere Serviceprodukte und andere Kunden begann 1966 mit der Gründung der Lufthansa Service Gesellschaft (LSG). Mit neuen Expansionsstrategien ab 1989 kamen neue Produktbereiche wie die Airport-Gastronomie und das NonAirline Business mit dem Party Service, Restaurants und den ,,Ringeltaube"-Märkten dazu. Als neue Kunden wurden andere Airlines, Flughafengesellschaften und schließlich sogar der einzelne Konsument gewonnen.
Kundendienstkonzepte
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Das B-to-B-Geschäft wurde um das B-to-C-Geschäft ergänzt. Durch weitere Firmenzukäufe entstand schließlich der größte Airline Caterer der Welt, die Lufthansa Service Holding AG, mit 2,5 Mrd. e Umsatz und 29 000 Beschäftigten.
Das Element Konditionen enthält neben der Preispolitik, die bereits in Kapitel 3.5 angesprochen wurde, weitere Elemente der Kontrahierungspolitik, d. h. der vertraglichen Abmachungen mit dem Kunden. Dazu gehören die Leistungsbedingungen des Kundendienstes, z. B. die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), sowie die Garantiebestimmungen als freiwillige Ausweitung der Gewährleistungspflicht. Viele der Konditionen sind in den Serviceverträgen mit dem Kunden niedergelegt, wie beispielsweise Service Level Agreements (SLA). In dem Marketingelement Kommunikation wird geregelt, wie die Geschäftskunden und Konsumenten (Endkunden) angesprochen werden. Neben den Empfängern der Kundendienstleistung wird intensiv mit den Herstellern und Vertreibern der Primärleistung kommuniziert. Dazu sind die Schnittstellen zu den Geschäftspartnern zu organisieren. Die Kommunikation mit den modernen Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnik wie Internet/ Intranet, Mobile Computing und Telefon-/Faxverbindungen erleichtern diese Aufgaben. Eine Kundendienstanforderung erreicht das Unternehmen auf unterschiedlichen Wegen: " Eine persönliche Anforderung liegt bei der Bestellung eines Getränkes im Flugzeug oder bei der Inanspruchnahme des Änderungsdienstes für Kleidung im Warenhaus
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
vor. Der Kunde kann auch eine Kundendienstniederlassung (Kundendienststelle, Servicecenter) persönlich besuchen und dort seine Wünsche vortragen. " Die gängigste Methode ist immer noch die telefonische Auftragsvergabe, die über ein Call-Center oder eine Leitstelle des Kundendienstes läuft. Hier kann gleich ein Termin für einen Mitarbeiterbesuch (Außendiensteinsatz) oder für die Abholung eines defekten Gerätes zur Reparatur vereinbart werden. Der große Vorteil des Telefons ist das sofortige Feedback. " Ohne sofortige Rückkopplung sind Anforderungen per Brief, Fax oder E-Mail. Beim Fax oder bei einer E-Mail ist jedoch eine sehr schnelle Antwort möglich. " Noch komfortabler sind für den Kunden und den Kundendienst Anforderungsformulare auf der Homepage (E-Commerce-Lösung), über die bereits wichtige Kundendaten und -wünsche abgefragt werden können. Auch eine interaktive Auftragsannahme und -abstimmung wird zukünftig möglich sein. Zur Kommunikationspolitik im Kundendienst gehört auch die werbliche Außendarstellung (Bild 23). Dabei soll hier die reine Produktdarstellung (Angebotsdarstellung) von der allgemeinen Unternehmensdarstellung getrennt betrachtet werden. Wegen des immateriellen Charakters der Kundendienstleistung sind Produktdarstellungen sehr schwierig. Das Kundendienstprodukt besteht im Wesentlichen nur aus einem Leistungsversprechen. Es muss an den Kunden herangetragen werden, sei es persönlich, telefonisch oder schriftlich. In der Produktbeschreibung für jede Kundendienstleistung sollten alle Inhalte und Teilleistungen, alle Arbeits-
Kundendienstkonzepte
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Bild 23: Außendarstellung des Kundendienstes
schritte mit eventuellen Zwischenergebnissen, der Zeitbedarf und ggf. der ausführende Mitarbeiter oder das Kundendienstteam in einfachen, verständlichen Worten beschrieben werden. Die Beschreibung sollte werblich aufbereitet werden.
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
Die enge Verbindung mit der Primärleistung sollte genutzt werden. Bei gegenständlichen Leistungen kann das Sachgut mit einbezogen werden. Bei Primär-Dienstleistungen kann die Kundendienstleistung mit an die werbliche Aussage angehängt werden. Die Verkaufsunterlagen der Primärleistung wie Kataloge, Flyer, Manuals und Garantiekarten lassen sich um Angebotsdarstellungen für den Kundendienst erweitern. Bildliche Darstellungen und andere Visualisierungen sind möglich, auch wenn das eigentliche Kundendienstprodukt materiell nicht darstellbar ist. Neben der Darstellung des Primärprodukts sind alle materiellen Anteile nutzbar, die in die Leistung einfließen: das Ersatzteil im Technischen Kundendienst, der Snack im Bordservice und das ,,Betthupferl" im Hotelzimmer. Auch die benutzten Hilfsmittel (Betriebsmittel) sind darstellbar: das Messgerät im Technischen Kundendienst, die Pantry im Flugzeug und die Sauna im Hotel. Schließlich sind auch die Mitarbeiter vorzeigbar: der Servicetechniker beim Reparieren, die Stewardess beim Servieren und der Bademeister beim Herrichten der Sauna. Schließlich können ,,Referenzkunden" beim Genießen der Kundendienste gezeigt werden. Der alte Spruch aller Dienstleistungsprofis lautet: Make the intangible tangible. Die nicht greifbare Kundendienstleistung soll, natürlich in engen Grenzen, materialisiert werden. Der Kunde soll etwas zum Festhalten bekommen. Die Teilnehmer an der Kassenterminalschulung erhalten ein schön aufbereitetes Kärtchen mit einer Kurzanleitung und ein kleines Modell des Kassenterminals. Die Teilnehmer an der ,,Beleuchtungswoche" erhalten eine farbige Plakette für die Windschutzscheibe.
Kundendienstkonzepte
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Die Unternehmensdarstellung einer Kundendienstorganisation (Abteilung, Bereich, GmbH, AG) ist ein wichtiger Teil der externen Kommunikation (Bild 23). Weil Dienstleistungen den Ruf haben, leicht einmal zu misslingen, und der Technische Kundendienst beispielsweise ohnehin meistens zum Einsatz kommt, wenn ein Gerät oder eine Anlage nicht funktioniert, muss besonders intensiv an einer positiven Außendarstellung und einem positiven Image gearbeitet werden. Es ist die Grundsatzentscheidung zu treffen, ob die Außendarstellung der Muttergesellschaft bzw. des Konzerns als Lieferant der Primärleistung übernommen werden kann oder soll. Der Kundendienst kann seine eigene Darstellung auf ein vorhandenes Corporate Design und eine Corporate Identity aufsatteln und hat sofort eine große Verbreitung und Marktdurchdringung.
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Corporate Design Caterer
Die LSG Lufthansa Service Holding AG nutzt die Marke Lufthansa mit, die für Fliegen, Service, Internationalität und Professionalität steht. Darauf wurde die eigene Serviceidentität als größter Airline Caterer der Welt aufgesattelt.
Unabhängige Kundendienste sollten eine eigene Dienstleistungsmarke, ein eigenes Design sowie eine eigene Identität entwickeln. Die Dienstleistungsmarke soll dem Kunden und dem Lieferanten der Primärleistung die Sicherheit geben, dass er in guten Händen ist und verlässliche Kundendienstleistungen in hoher Qualität erwarten darf. Intern unterstützt sie die Corporate Identity.
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
Das Corporate Design wird gestützt durch das Logo, das auf der Dienstkleidung, den Briefbögen und Faxvorlagen, den Präsentationsunterlagen, den Fahrzeugen und der Homepage immer wieder auftaucht. Die Dienstleistungsmarke sollte beim Deutschen Patentamt in München geschützt werden. Durch das Corporate Design wird auch eine Corporate Identity geprägt. Diese kann durch Unternehmensgrundsätze gestützt und mit Leben gefüllt werden. Diese können zusammen mit den Mitarbeitern erarbeitet werden. Ein Leitspruch oder Slogan verstärkt die Identität des Kundendienstes. Werbemaßnahmen für Kundendienstleistungen sind (noch) selten. Häufiger wird dagegen mit Kundendienstleistungen für die Primärleistung geworben. Werbung kann im Kundendienst zur Verkaufsförderung bestimmter Kundendienstprodukte eingesetzt werden. Noch seltener wird für den Kundendienst Imagewerbung gemacht. Meistens erscheint sie in Kunden- und Fachzeitschriften. Die Idee ist, den Kundendienst positiv darzustellen, auf seine Leistungsfähigkeit hinzuweisen, Vertrauen und eine langfristige Kundenbeziehung aufzubauen. Davon profitiert nicht nur der Kundendienst, sondern auch die primäre Sach- und Dienstleistung. Eine solche Imagewerbung ist sehr langfristig ausgerichtet. Die Erfolgskontrolle ist schwierig. Die Kosten sind hoch. Aber in Zeiten, in denen die Sachgüter und Dienstleistungen der Wettbewerber sich immer ähnlicher werden, wird die Partnerschaft mit dem Kunden immer wichtiger. Customer Relationship Management (CRM) über den Kundendienst ist eine Erfolgsstrategie. Die Volkswagen AG hat dies beispielsweise erkannt.
Kundendienstkonzepte
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Imageanzeige von Volkswagen Service
Transparenz schafft Vertrauen. Transparenz in Qualität, Leistung und Preis: Kunden erwarten das, und auch Handel und Servicepersonal fahren gut damit. Nehmen wir als Beispiel das neue Volkswagen Zentrum Kempten mit dem Volkswagen Service Center, der viel zitierten gläsernen Werkstatt . . . Auch in Zukunft sind wir für alles offen, was Volkswagenfahrer noch zufriedener und Volkswagen-Partner noch leistungsfähiger macht. Volkswagen Service (VW) (Service Today 2/2001)
Kundendienste können auch durch Sponsoring auf sich aufmerksam machen und Imagewerbung betreiben. Der kleine oder mittelständische Kundendienst kann im regionalen Bereich Jugendarbeit oder Sportvereine fördern. Große und international tätige Serviceunternehmen können sogar Großveranstaltungen sponsern. Die Wirkung des Sponsoring ist grundsätzlich positiv. Zum Kundendienstkonzept gehört auch das Marketingelement ,,Service im Service". Es enthält zusätzliche Serviceleistungen, die über die normalen Kundendienstleistungen hinausgehen. Es ergänzt damit die Leistungspolitik eines Kundendienstes um Merkmale, die ihn positiv von anderen Kundendiensten, die auch gute Arbeit leisten, unterscheiden. Beim Absatz von Sachgütern heißt dieses Element einfach Servicepolitik. Service im Service kann zum wichtigen Differenzierungsmerkmal werden, wenn hiermit die Frage beantwortet wird: Warum soll ich (als Kunde) ausgerechnet diesen Kundendienst beauftragen? Inwieweit hebt sich dieser Kundendienst von anderen Kundendiensten ab?
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
Die möglichen zusätzlichen Serviceleistungen hängen von der Branche, vom Markt, von den Primärprodukten und von der Region bzw. dem Land ab, in dem der Kundendienst tätig ist. Ganz besonders hängen die Zusatzleistungen von den Kunden ab, von den Menschen also und davon, ob sie sich im B-to-B-Markt oder im B-to-C-Markt bewegen. Eine Zusatzleistung, die bei einem Privatkunden Begeisterung auslöst, stößt bei einem Geschäftskunden möglicherweise nur auf ein müdes Lächeln. Zusatzleistungen können aus folgenden Bereichen kommen: " Besonderer Umgang mit Umweltfragen/Ökologie " Service-Patenschaften für junge Unternehmen " Service User Club als Diskussionsforum " Passwortgeschützter Zugang zu interessanten Internetseiten/Chat Rooms " Sonderangebote für Sachgüter und Dienstleistungen " Kundentagungen, Vortragsreihen mit einem besonderen Nutzen Die Auskleidung dieser Service-im-Service-Bausteine erfordert eine große Kreativität der Führungskräfte und Mitarbeiter im Kundendienst. Die Kosten-Nutzen-Relation ist nur langfristig zu bewerten. Das Marketingelement Personal hat im Kundendienst, wie auch bei anderen Dienstleistungen, eine besondere Bedeutung, da der überwiegende Teil der Leistungen (70 bis 95 %) von Mitarbeitern erbracht wird. Der Kundendienstmitarbeiter hat gleichermaßen einen großen Einfluss auf die Leistungserstellung als auch auf den Absatz der Leistung. Beide laufen im Kundendienst gemäß dem Uno-Actu-Prinzip gleichzeitig ab. Ein Kundendienstkonzept baut damit zwangsläufig auf einer großen Mitarbeiterorientierung auf. Den Mitarbeitern
Kundendienstkonzepte
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im Kundendienst ist deshalb ein eigenes Kapitel (Kapitel 4) reserviert. Aus allen genannten Marketingelementen – Leistung, Distribution, Konditionen, Kommunikation, Service im Service und Personal – setzt sich das Marketingkonzept eines Kundendienstes zusammen. Zwischen den Elementen gibt es intensive Abhängigkeiten, die zu beachten sind. Entscheidungen innerhalb einzelner Elemente können nicht isoliert getroffen werden, sondern müssen mit den anderen Elementen harmonisiert werden. Wird das Marketingkonzept um die operativen Elemente Kundendiensttyp, Kundendienstprozess und Kundendienstfunktionen ergänzt, so entsteht ein komplettes Kundendienstkonzept (Bild 22). Aus den Inhalten der Kundendienstleistung, aus deren Umfang und organisatorischer Realisierung ergibt sich der Kundendiensttyp (Bild 24). Er unterscheidet sich einerseits danach, ob der Kundendienst für eine Dienstleistung oder ein Sachgut des Kunden erbracht wird und andererseits danach, ob dafür eine eigenständige Kundendienstorganisation (Abteilung, Geschäftsbereich, GmbH, KG, AG) benötigt wird (Kundendiensttyp I und II) oder ob ein Mitmach-Kundendienst ausreicht (Kundendiensttyp III und IV). Kundendiensttyp I: Beim Kundendiensttyp I wird eine Dienstleistung um Kundendienstleistungen ergänzt, welche die Inanspruchnahme für den Kunden erleichtern, eine Präferenz für genau diesen Dienstleister erzeugen und zu einer langfristigen Kundenbindung führen. Da die Zusatzleistungen einen erheblichen Umfang ausmachen, werden sie von einer eigenständigen Kundendienstorganisation erbracht. Ob die Kundendienstleistung dem Kunden berechnet wird oder nicht, spielt eine untergeordnete Rolle.
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
Kundendiensttyp I
• Bordverpflegung/Catering für Flugreisen (LSG Sky Chefs Deutschland GmbH) Bistro/Speisewagen/Bordservice bei Bahnreisen (Mitropa AG) Cafeteria/Zeitschriftenkiosk im Krankenhaus Porter am Bahnhof Zubringerbus vom Parkplatz zur Messehalle Zubringerbus vom Parkplatz zur Abflughalle am Flughafen
Bild 24: Kundendiensttypen
Kundendiensttyp II: Der Kundendiensttyp II bezieht sich auf ein Sachgut, das von einem Kunden gekauft und genutzt wird. Der Kundendienst bietet Ergänzungsleistungen an, die den Kauf unterstützen und später die Nutzung ermöglichen. Zu unterscheiden sind der Klein- und Großgeräte- sowie An-
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lagenkundendienst, der Gebrauchs- und Investitionsgüterkundendienst, Hersteller-, Händler- und freie Kundendienste. Die Aufgaben können mit eigenen Mitarbeitern (Eigenservice) oder mit Vertragskundendiensten (Subunternehmer) durchgeführt werden.
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Kundendiensttyp II
• Technischer Kundendienst (After-Sales Service) Lieferdienst für Versandhandel und E-Commerce Änderungsdienst für Textilien im Kaufhaus Gardinenservice (nähen und anbringen) Schuhreparatur
Kundendiensttyp III: Auch vom Kundendiensttyp III werden sachgutbezogene Zusatzleistungen erbracht, deren Umfang aber so gering und zeitlich so eng mit dem Kaufvorgang verbunden ist, dass er als Mitmach-Kundendienst von der Verkaufsorganisation angeboten und durchgeführt wird. Eine eigene Kundendienstorganisation ist also nicht erforderlich.
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Kundendiensttyp III
• Geschenkverpackung im Handel Blumenbinden im Blumenladen Getränkekiste ins Auto setzen (Getränkemarkt) Rücknahme von Verpackungsmaterial Anhängerverleih vom Möbelhaus (IKEA) oder Baumarkt
Kundendiensttyp IV: Der Mitmach-Kundendienst von Typ IV ergänzt ein Dienstleistungsprodukt in einem geringen Umfang. Die Kundendienstleistung wird von den Dienstleistungsmitarbeitern zusätzlich erbracht.
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Kundendiensttyp IV
• Getränkeservice im Reisebus Fahrradverleih im Hotel Theaterkartenservice im Hotel Zeitschriftenservice beim Arzt oder Frisör Hol- und Bringdienst beim Hauskauf durch den Immobilienmakler
Die Entscheidung für den Kundendiensttyp beeinflusst wesentlich das operative Konzept und damit die Kundendienstprozesse und -funktionen, die im Folgenden vorgestellt werden. Zur Herstellung von Kundendienstprodukten werden Kundendienstprozesse benötigt. Aus der Summe vernetzter Teilprozesse entsteht eine Wertschöpfungskette, die das Kundendienstprodukt ist. Ein solcher Wertschöpfungsprozess kann erst gestartet werden, wenn der Kunde seinen Auftrag gibt. Kundendienstprozesse wurden in Kapitel 3.2 ausführlich dargestellt. Kundendienstfunktionen sind Elemente einer Aufbauorganisation, die in einem Organigramm dargestellt werden. Diese werden benötigt, um zusätzlich zu den Prozessen (Ablauforganisation) ein weiteres Ordnungselement im Unternehmen zu haben. Funktionen sind zuständig für bestimmte Aufgaben, haben eine hohe Fachkompetenz, die in erster Linie von den Fähigkeiten der Mitarbeiter abhängt, und haben auch einen verantwortlichen Vorgesetzten. Traditionell gibt es in vielen Unternehmen typische Fachfunktionen wie die Produktion, die Werkstatt, den Versand, die Buchhaltung und die Personalabteilung, die allerdings meist nicht prozessorientiert arbeiten. Diese Funktionen lie-
Kundendienstkonzepte
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fern ihre Leistung oder ihr Material dort zu, wo es benötigt wird. Sie springen, bildlich gesehen, in den Prozessketten hin und her. Für einen Kundendienstprozess oder jede andere Dienstleistung ist eine prozessorientierte Aufbauorganisation wesentlich günstiger (Bild 25). Dabei werden zusammenhängende Teilprozesse durch eine funktionale Einheit übernommen. Diese neue Funktion ist nicht mehr die übliche fachspezifische Spezialistenfunktion, sondern ist der Prozessbetreiber (Process Owner) für einen Teilprozess. Hier sind unterschiedliche Aufgaben zusammengefügt, die ein breiteres Wissen und eine umfassendere Qualifikation erfordern. Neben fachlichen Leistungen müssen auch logistische Tätigkeiten, administrative Vorgänge und Controllingaufgaben wahrgenommen werden. Die Standardfunktion alter Prägung existiert damit möglicherweise nicht mehr, weil ihre Aufgaben auf neue prozessorientierte Funktionen aufgeteilt sind. Bei einem Kundendienst lassen sich dabei auch Funktionen bilden, die spezielle Serviceprodukte herstellen, was einer divisionalen Organisation entspricht.
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Ablauf Kundendienstwerkstatt
In einer Kundendienstwerkstatt führt der Techniker nicht nur die technische Reparatur aus, sondern er übernimmt auch den Transport vom Wareneingang, macht die Administration und Dateneingabe, beschafft selber die notwendigen Ersatzteile, macht die Qualitätsprüfung und liefert das reparierte Gerät schließlich beim Warenausgang ab. Der Prozess bleibt die ganze Zeit in seiner Hand.
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Produkte und Prozesse im Kundendienst
Bild 25: Prozessorientierte Aufbauorganisation
Kundendienstkonzepte
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Es ist abzusehen, dass in zunehmendem Maße Organigramme mit prozessbezogenen Funktionen entstehen werden, die allein schon an den neuen Bezeichnungen und Begriffen erkennbar sein werden. Durch Über- und Unterordnung der Funktionen entstehen Organigramme. Im Kundendienst werden Organigramme nur von genügend großen Organisationen benötigt, bei denen eine Gliederung in Funktionen und damit Verantwortungsbereiche sinnvoll ist. Die kleinen Mitmach-Kundendienste werden im Organigramm einer größeren Organisation/Firma höchstens ein einzelnes Funktionskästchen sein.
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Konzept für das Kundendienstpersonal
4.1 Mitarbeiterorientierung im Kundendienst Der Mitarbeiter – womit natürlich auch die Mitarbeiterin gemeint ist – spielt im Kundendienst eine dominierende Rolle (siehe auch Kapitel 2.6). Jede Kundendienstleistung, ausgenommen Automaten-Dienstleistungen, ist personalintensiv. Der Mitarbeiter ist der vorherrschende Produktionsfaktor. Das Konzept für das Kundendienstpersonal geht von einer extremen Mitarbeiterorientierung aus. In der Erfolgskette einer Kundendienstorganisation ist diese Mitarbeiterorientierung (Bild 26) ein treibendes Element. Der Ursprung dieser Erfolgskette liegt in der Primärleistung, die entweder ein Herstell- und Verkaufsprozess eines Sachguts oder eine Dienstleistung ist. Die Mission des Kundendienstes ist es, diese Sach- und Serviceprodukte mit zusätzlichen Dienstleistungen zu ergänzen und ihre Nutzung zu ermöglichen oder zu unterstützen. Der Kundendienst erhält quasi einen pauschalen Arbeitsauftrag, der durch Kundendienstleistungen ausgefüllt werden kann. Arbeitsauftrag und Kundendienstprodukte verändern sich dynamisch. Diese Dynamik wird durch veränderte Primärprodukte, Marktveränderungen und Unternehmensentscheidungen angestoßen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor zur Erfüllung des generellen Arbeitsauftrags durch Kundendienstprodukte ist die Mitarbeiterorientierung. Kundendienstleistung ist Mitarbeiterleistung. Folglich muss der Kundendienstmitarbeiter ganz besonders in das Unternehmen bzw. die Serviceorganisation
Mitarbeiterorientierung im Kundendienst
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Bild 26: Mitarbeiterorientierung in der Erfolgskette des Kundendienstes
eingebunden werden. Die tragende Rolle des Mitarbeiters zeigt sich in folgenden Kernaufgaben: " Der Mitarbeiter ist Prozesskettengestalter, d. h. er wirkt wesentlich an den Kundendienstprozessen mit. " Der Mitarbeiter ist Prozesskettenbetreiber und Process Owner.
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Konzept für das Kundendienstpersonal
" Der Mitarbeiter ist Kontaktstelle zum Kunden. Er ist Repräsentant des Kundendienstes und des Primärleisters. " Der Mitarbeiter ist der Träger der Kundenorientierung. Die Sorge und Fürsorge für den Mitarbeiter muss ihren Ausdruck in der Personalpolitik und im Personalmanagement finden. Die Kundenorientierung wird von den Mitarbeitern getragen. Kundenorientierung und Mitarbeiterorientierung stehen in enger Abhängigkeit zueinander. Der direkte Zusammenhang zwischen Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenzufriedenheit ist inzwischen unbestritten. Die Kundenorientierung gilt für alle Mitarbeiter. Für die Mitarbeiter im Front Office, die permanent engen Kontakt mit den Kunden haben, ist die Kundenorientierung fast eine Selbstverständlichkeit. Aber auch die Mitarbeiter im Back Office, z. B. in der Werkstatt, im Lager, in der internen Logistik, in der Buchhaltung und in der Personalabteilung, müssen kundenorientiert arbeiten. Eine zeitlich begrenzte Mitarbeit im Front Office (Auftragsannahme, Außendienst) vermittelt das notwendige Wissen und Gespür.
C
Kundenorientierung beinhaltet Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und Partnerschaft für den Kunden. Das gilt für die Leistungsprozesse, die Servicequalität, die Kommunikation und die Konditionen. Das Ergebnis dieser Kombination von Mitarbeiter- und Kundenorientierung ist ein langfristiger Erfolg im Kundendienst mit exzellenten Serviceprodukten, hohen Umsätzen sowie sicheren Deckungsbeiträgen und Gewinnen. Die Zu-
Gestaltungsrahmen der Personalpolitik
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friedenheit und Begeisterung des Kunden sichern die langfristige Beziehung mit dem Kunden ab und sind Ausgangsbasis für den Ausbau des Primärgeschäfts.
4.2 Gestaltungsrahmen der Personalpolitik Die Personalpolitik gibt den konzeptionellen strategischen Rahmen der Personalarbeit im Kundendienst an, der im Personalmanagement des Tagesgeschäfts umgesetzt wird. Für die Personalpolitik ist es wichtig, dass ein moderner Dienstleistungsrahmen besteht (Bild 27). Es muss eine gewisse Dienstleistungsreife vorhanden sein, d. h. die Besonderheiten der Dienstleistungsproduktion (siehe Kapitel 2) müssen gezielt aufgegriffen und bei der Arbeit berücksichtigt werden. Dazu gehört eine Firmenstruktur oder ein Umfeld innerhalb eines Unternehmens oder Konzerns, das den Mitarbeitern genügende Gestaltungsmöglichkeiten in den Prozessen und funktionalen Beziehungen möglich macht. Eigenständige Business Units, die als Profit-Center geführt werden, oder weitgehend eigenständige GmbHs sind der passende Rahmen für das Kundendienstgeschäft. Für die Mitarbeiter muss neben der sachlichen Erfüllung der Kundendienstaufgaben auch ein finanzieller Erfolg erkennbar werden. Falls für die Lohn- und Gehaltstarife kein Haustarif abgeschlossen werden kann, sollte ein Kundendienstunternehmen einem Dienstleistungsverband angehören, und die Mitarbeiter sollten entsprechend von einer Dienstleistungsgewerkschaft vertreten werden. Völlig ungeeignet sind ein Industrieverband und eine Industriegewerkschaft.
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Konzept für das Kundendienstpersonal
Bild 27: Personalpolitik im Kundendienst
Ein für den Kundendienst geeigneter Verband ist der ,,Unternehmerverband Industrieservice und Dienstleistungen e. V. (UIS)", der zu der Unternehmerverbandsgruppe (www.uvgruppe.de) gehört und Dienstleistungsunternehmen auch zu Mitarbeiter- und Tariffragen berät.
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Im Rahmen der Personalpolitik sind auch generelle Fragen der Arbeitsorganisation zu klären. Neben den schon besprochenen Mitgestaltungsmöglichkeiten an den Arbeitsprozessen sind hier Entscheidungen zur Selbstorganisation und -steuerung durch die Mitarbeiter festzulegen. Auch wenn im Kundendienst häufig in verteilten Organisationen gearbeitet wird und der Front Office-Mitarbeiter zeitweise
Gestaltungsrahmen der Personalpolitik
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ein Einzelkämpferdasein führt, sind Gruppenarbeit und Teambildung ein wichtiges Element der Arbeitsorganisation. Eine herkömmliche Teambildung ist im Kundendienst wegen der räumlichen Trennung der Mitarbeiter meist nicht möglich. Die moderne Form der Teambildung sind virtuelle Teams, die über Internet und Handy kommunizieren, sich organisieren und gemeinsam Aufgaben und Probleme lösen. Sporadische Erfahrungsaustauschtreffen, vom Unternehmen anberaumt und organisiert, ermöglichen das persönliche Kennenlernen und die direkte Kommunikation.
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Die Arbeitszeitregelungen im Kundendienst können sich nicht an den gängigen Bürozeiten orientieren, sondern müssen an den Kundenbedarf angepasst sein. Neben besonderen zeitlichen Anforderungen treten im Kundendienst große Mengenschwankungen auf. Ohne kurzfristige Anpassungsmöglichkeiten der Mitarbeiterkapazität nach oben und nach unten kann das Serviceniveau nicht gehalten werden. Es werden flexible Arbeitszeitmodelle benötigt, die für das Unternehmen als auch die Mitarbeiter zeitliche Dispositionsspielräume vorsehen, z. B. über Arbeitszeitkonten, auf die Plus-Stunden und Minus-Stunden gebucht werden können. Für bestimmte Mitarbeitergruppen in der Kundendienstzentrale können allerdings auch feste Arbeitszeiten oder Gleitzeitmodelle in Frage kommen. Zu einem bestimmten Teil haben Arbeitszeitregelungen auch mit dem Vergütungssystem zu tun, z. B. bei Mehrarbeit. Auch zum Vergütungssystem müssen personalpolitische Entscheidungen getroffen werden. Beeinflusst wird dies durch eine eventuelle Zugehörigkeit zu einem Tarifverband.
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Konzept für das Kundendienstpersonal
Grundsätzlich ist über fixe und variable Vergütungen nachzudenken. In kleineren Kundendienstorganisationen haben sich Zeitlohnsysteme als ausreichend erwiesen, die eine fixe monatliche Vergütung oder einen fixen Stundenlohn vorsehen. Ein solches System lässt sich einfach administrieren. Das fehlende monetäre Anreizsystem wird durch intensive Führung, Steuerung und Motivation ersetzt. Es können zusätzlich immaterielle Anreize geboten werden, wie Karrieremöglichkeiten, die Selbstverwirklichung in bestimmten Teilaufgaben, große Freiheiten im Alltag und möglicherweise Incentives. Große Kundendienste arbeiten überwiegend mit gemischten Vergütungssystemen, die eine fixe Grundvergütung mit zusätzlichen Prämien vorsehen. Akkordsysteme kommen allerdings weniger in Frage, da routinemäßige, gleichartige Arbeiten in großen Mengen im Kundendienst selten vorkommen. Prämien können für unterschiedliche Tatbestände ausgeschüttet werden. Es kommen Qualitätskriterien, zeitliche Kriterien (Zeitdauer, Termineinhaltung) oder die Kundenzufriedenheit zur Anwendung. Je größer eine Kundendienstorganisation ist, desto wichtiger wird eine gezielte Personalentwicklung. Da es keine speziellen Ausbildungsgänge für Kundendienstmitarbeiter gibt, müssen eigene Konzepte entwickelt werden. Dazu sind Soll-Qualifikationen zu definieren, die sich aus den heutigen und künftigen Anforderungen im Rahmen der strategischen Kundendienstentwicklung ergeben. Ist-Qualifikationen im Unternehmen und im Markt sind zu ermitteln und mit den Soll-Qualifikationen abzugleichen. Hieraus ergibt sich der Qualifizierungsbedarf, der durch kundendienstindividuelle Qualifizierungskonzepte gedeckt werden muss.
Gestaltungsrahmen der Personalpolitik
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Es ist intern zu prüfen, welcher Weiterbildungsbedarf bei den vorhandenen Mitarbeitern besteht und wie dieser zu decken ist. Gleichzeitig ist festzulegen, in welchem Umfang junge Mitarbeiter als Auszubildende für technische oder kaufmännische Berufe eingestellt werden sollen und wie deren Weiterbildung nach Abschluss der Lehre aussehen soll. Ähnliche Überlegungen sind für Führungsnachwuchskräfte anzustellen, die einen Abschluss an einer Berufsakademie, einer Fachhochschule oder einer Universität absolviert haben. In der Personalpolitik sind die Anforderungen an die Führungskräfte im Kundendienst festzulegen. Die Soll-Qualifikation wird in den meisten Unternehmen aus einer fachlichen Qualifikation, einer allgemeinen Managementkomponente und einer Führungskomponente bestehen. Die Führungskomponente wird wegen ihrer großen Bedeutung im Kundendienst bewusst als eigene Managementkomponente behandelt. Die fachliche Qualifikation beinhaltet eine Lehre, eine Meisterausbildung oder ein Studium zu den fachlichen Aufgaben, die im Kundendienst durchgeführt werden. Mögliche technische Abschlüsse sind Maschinenbaumeister, Maschinenbauingenieur, Diplom-Chemiker oder Diplom-Informatiker. Kaufmännische Abschlüsse sind Touristik-Kaufmann, Bankkaufmann, Hotel-Kaufmann oder Diplom-Betriebswirt für Logistik. Neben der Ausbildung sind auch einige Jahre Erfahrung im Fachgebiet erforderlich. Die Managementkomponente wird im Wesentlichen Weiterbildungen und berufliche Erfahrungen in der Organisation von Projekten, im Aufbau und Reengineering von Arbeitsprozessen, in der Gestaltung von Organigrammen (Aufbauorganisation) und im Controlling enthalten.
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Konzept für das Kundendienstpersonal
Zum Controlling gehören die Budgetierung und der Businessplan, die Kosten- und Leistungssteuerung, die Gewinnund Verlustrechnung, der Jahresabschluss sowie die monatlichen Soll-Ist-Vergleiche der wichtigsten operativen und finanziellen Kennzahlen. Selbst nach einem betriebswirtschaftlichen Studienabschluss können diese Fähigkeiten nicht vorausgesetzt werden, zumal das Zahlenwerk eines Kundendienstes Besonderheiten beinhaltet. Die Führungskomponente hat in einem personalintensiven Kundendienstunternehmen eine hervorragende Bedeutung. Servicemitarbeiter in flachen Hierarchien, einer verteilten Organisation unter anspruchsvollen Dienstleistungsbedingungen zu führen, erfordert eine hohe Führungsqualifikation. Die unternehmerisch tätigen Mitarbeiter brauchen Chefs, die ihnen helfen, erfolgreich zu sein. Der Chef wird zum Coach. Die Führungskraft im Kundendienst muss Visionen haben, den Mitarbeitern Perspektiven bieten, hohe Maßstäbe setzen und die Karriere fördern. Zu den Erfolgsprinzipien gehören eine offene, angstfreie Atmosphäre und Kommunikation sowie Freiräume und Eigenverantwortung für die Mitarbeiter. Trotzdem muss bei Kundenproblemen oder bei einer finanziellen Schieflage schnell und konsequent eingegriffen werden. Die Anforderung an die Mitarbeiter im Kundendienst sind umfassend. Häufig wird der Begriff Multiskill-Mitarbeiter verwendet. Tatsächlich werden zwei Qualifikationsanforderungen gestellt. Zu der Fähigkeit, hervorragende fachliche Arbeit (hard skills) zu leisten, werden zusätzliche Fähigkeiten in der Kommunikation und Interaktion mit den Kunden, den Lieferanten der Primärleistung und intern (soft skills) erwartet. Die fachliche Komponente baut auf einer technischen oder kaufmännischen Ausbildung auf. Sie wird durch Weiterbil-
Personalmanagement im Kundendienst
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dungsmaßnahmen, Training und Erfahrungen in der Praxis ergänzt und permanent auf den neuesten Stand gebracht. In bestimmten Branchen, z. B. dem Technischen Kundendienst, werden bestimmte Qualifikationslevel unterschieden, z. B. Level-1-, Level-2-, Level-3-Techniker. Ergänzt werden müssen auch einige betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse. Die kommunikative Komponente (soft skills) enthält Qualifikationen, die zum Beziehungsaufbau zum Kunden benötigt werden. Dazu gehören persönliche, angeborene, natürliche Merkmale wie Persönlichkeit und Charakter, Verstand und Gespür, Spaß an neuen Dingen und Ehrgeiz. Die sich hieraus entwickelnde Eigenmotivation kann durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen ergänzt werden. Zu den möglichen Inhalten gehören Kommunikations- und Verhaltenstraining, Verkaufsgesprächsführung beim Verkauf von Kundendienstleistungen und Primärprodukten, Problemerkennung und -analyse sowie systematische Entscheidungsfindung.
4.3 Personalmanagement im Kundendienst Im Personalmanagement wird der strategische Rahmen der Personalpolitik in das praktische Tagesgeschäft des Kundendienstes umgesetzt (siehe Krieg 1999). Dies beginnt mit der Ausgestaltung der Qualifikationsanforderungen an die Mitarbeiter und Führungskräfte, die personalpolitisch festgelegt wurden (Bild 28). In der Personalplanung wird der kurz- und mittelfristige Bedarf an Mitarbeitern festgelegt. Im Budget wird für das neue Planjahr ermittelt, wie viel Kundendienstmitarbeiter in den einzelnen Funktionen, also im Call-Center, in der Auftragssteuerung, im Außendienst etc. benötigt werden. Gleichzeitig muss nach Qualifikationen differenziert werden.
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Konzept für das Kundendienstpersonal
Bild 28: Personalmanagement im Kundendienst
Ausgangspunkt der Planung sollten immer die erwartete Absatzplanung der Primärleistung im Planjahr sowie die Absätze aus den davor liegenden Jahren sein, sofern daraus noch Kundendiensteinsätze zu erwarten sind. Im Technischen Kundendienst ist das die so genannte ,,produktive Basis", die sich aus dem Geräteverkauf im Planjahr und den in den vorangegangenen Jahren abgesetzten und noch in Betrieb befindlichen Geräten zusammensetzt. Aus dieser Basismenge sind die durchzuführenden Kundendiensteinsätze abzuleiten. Mit der durchschnittlich pro Auftrag benötigten Zeit lassen sich die benötigten Arbeitsstunden und daraus die produktiven Mitarbeiter errechnen.
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Personalmanagement im Kundendienst
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Eine mittelfristige Personalplanung (drei bis fünf Jahre) wird benötigt, da die Rekrutierung und der Aufbau von Mitarbeitern nicht kurzfristig möglich ist. Außerdem ist eine Hire & Fire-Politik im Service, der auf den Aufbau und die Pflege von Kundenbeziehungen programmiert ist, äußerst kritisch. Die Verfahren der mittelfristigen Personalplanung sind dieselben, wobei die Zahlen zwangsläufig ungenauer werden. Deshalb muss auch diese Planung jährlich überarbeitet werden. Bei der Umsetzung der Personalentwicklung werden Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen, interne und externe Schulungen, Trainings und Seminare geplant und durchgeführt. Dabei ist besonders auf die Förderung einzelner Mitarbeiter und Führungskräfte zu achten. Personalmarketing ist durchzuführen, um die Beschaffung von Kundendienstpersonal zu unterstützen. Personalmarketing wirkt mittel- und langfristig. Der Kundendienst präsentiert sich potentiellen Bewerbern, er informiert über seine Tätigkeit, zeigt Berufs- und Karrierechancen auf und versucht permanent, Interessentengruppen aufzubauen und zu pflegen. Im Personalmarketing stehen verschiedene Maßnahmen zur Verfügung (siehe Krieg 1999).
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Personalmarketingmaßnahmen im Kundendienst
Medieneinsatz: • Internetauftritte für Interessenten und Bewerber mit Kontaktmöglichkeit • Broschüren, Faltblätter zur Vorstellung des Kundendienstes • Multimedia-Kundendienstpräsentation (CD, Download)
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Konzept für das Kundendienstpersonal
Events: • Teilnahme an IHK-/HWK-Veranstaltungen • Hochschulmessen • Kundendienstpräsentation bei Exkursionen • Teilnahme an Karriere-Kongressen On the Job: • Aufnahme Praxissemester-Studenten, Schülerpraktika • Angebot von Diplomarbeiten
Die Personalbeschaffung und -auswahl wird für die Besetzung offener Stellen durchgeführt. Der erste Schritt ist immer die interne Stellenausschreibung. Externe Bewerber werden über das Arbeitsamt, Stellenangebote auf der Homepage, Anzeigen in regionalen oder überregionalen Zeitungen und Fachzeitschriften oder – für Führungspositionen – über Personalberater angesprochen. Ein Vorstellungsgespräch wird anberaumt, wenn die Daten des Kandidaten bzw. der Kandidatin in einer guten Übereinstimmung mit dem Anforderungsprofil für diese Stelle stehen. Das Anforderungsprofil sollte zusammen mit der Fachfunktion erstellt werden und zwar bereits vor Beginn der Beschaffungsmaßnahme. An einem Bewerbungsgespräch sollten der spätere Vorgesetzte als Kundendienstspezialist und ein Personalreferent teilnehmen. Die Personalbetreuung dient primär der optimalen Integration neuer Kundendienstmitarbeiter in das Unternehmen. Hier ist gerade im Kundendienst ein besonderer Bedarf. Neben der Integration in die Kundendienstorganisation muss der Mitarbeiter die Kunden kennen lernen sowie die Art und Weise, wie mit dem Kunden kommuniziert und die Verbindung zu ihm aufgebaut und gepflegt wird.
Personalmanagement im Kundendienst
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Neben einem Einarbeitungsplan, der dem Kennenlernen aller wichtigen Prozesse und Kollegen dient, bietet sich im Kundendienst an, Patenschaften zu bilden. Der neue Kollege wird einem gestandenen und guten Mitarbeiter zugeordnet, der ihm bei der Eingliederung hilft. Am Anfang wird er zusammen mit ihm eingesetzt, um ,,on the job" zu lernen. Eine solche Patenschaft kann über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden. Bei Auslandseinsätzen kann dies der Brückenkopf ins Unternehmen sein und bleiben.
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Der Personaleinsatz wird über arbeitsplatzbezogene, zeitbezogene und auf den Serviceprozess bezogene Maßnahmen gesteuert. Auf den Arbeitsplatz bezogen hat der Kundendienst eine Versorgungspflicht gegenüber dem Mitarbeiter. Der Mitarbeiter ist mit der nötigen Arbeitsplatzausstattung zu versehen, braucht Informationen und Arbeitsanleitungen zur Durchführung der Arbeiten bzw. zum Betrieb der Prozessketten und muss in die Informationsflüsse zur Durchführung aktueller Aufträge eingebunden werden.
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Ausstattung Kundendiensttechniker im Außendienst
Sachmittel: Fahrzeug, Laptop, Mobiltelefon, Servicemappe, Mess- und Prüfmittel, Werkzeuge, Ersatzteilgrundausstattung Arbeitsunterlagen: Serviceunterlagen, Manuals, Verfahrensrichtlinien, technische Unterlagen auf CD, Internetzugang zur Fehlerdatenbank und Support-Center Informationsnetz: Einwahl in verschiedene Datenbanken: Auftragsdatenbank, Ersatzteilbestand und -bestellwesen, Produktdatenbank (Primärleistung), allgemeine Information über Groupware
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Konzept für das Kundendienstpersonal
Zeitbezogene Maßnahmen betreffen die zeitliche Steuerung der Einsätze und die Kundendienst-individuelle Entwicklung und Pflege eines flexiblen Arbeitszeitmodells. Prozessbezogene Personalsteuerungsmaßnahmen betreffen die Selbständigkeit der Mitarbeiter und die autonome Durchführung von Kundenaufträgen, ohne dass die Kontrolle über das Geschehen verloren geht. Dazu gehört z. B. die zeitliche Dokumentation der Arbeitseinsätze. Auch für die Teambildung und Gruppenarbeit werden bestimmte Regelungen und Steuerungsmaßnahmen benötigt. Zur Personalführung sollen hier die Personalbeurteilung, die Zielvereinbarungen und der Führungsstil angesprochen werden. Die Personalbeurteilung gehört zu den gängigen Führungsaufgaben für einen Kundendienstmanager. Der Mitarbeiter hat einen (moralischen?) Anspruch auf ein Feedback zu seinen Leistungen. Schwierig ist die Entscheidung, ob ein formalisiertes jährliches Beurteilungssystem eingeführt werden soll, das zwangsläufig einen Einfluss auf das Vergütungssystem haben müsste. Eine kleine oder mittelständische Kundendienstorganisation kann getrost auf ein formalisiertes, mit dem Betriebsrat abgestimmtes Beurteilungssystem verzichten, da der Aufwand in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ergebnis steht.
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Zielvereinbarungen sind im Kundendienst ein gut einsetzbares Führungsinstrument. Es gibt eine Vielzahl möglicher Ziele, die mit dem Kundendienstmitarbeiter individuell vereinbart werden können, wie z. B. Ergebnisziele, Leistungsziele, Zeitziele, Qualitätsziele, Reklamationsquoten und Noten bei der Beurteilung des Servicegrades oder der
Personalmanagement im Kundendienst
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Kundenfreundlichkeit. Die Zielerreichung kann auch zur Zahlung außertariflicher Zulagen, Prämien oder Tantiemen herangezogen werden, allerdings ohne mathematischen Zusammenhang. Im Kundendienst, in dem die meisten Mitarbeiter sehr selbständig und unternehmerisch arbeiten sollen, wird der Kundendienstleiter mehr und mehr zum Coach. Der Führungsstil liegt also zwischen einem kooperativen Stil und Coaching. In besonderen Situationen sind Abweichungen möglich, d. h. eine situative Anpassung in bestimmten Krisensituationen ist zulässig. Besonders hilfreich sind Führungsgrundsätze, die von den Führungskräften eines Kundendienstes erarbeitet und anschließend als Leitlinie von diesen verwendet werden.
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Führungsgrundsätze der DEUTZ SERVICE INTERNATIONAL GmbH
Wir denken und handeln unternehmerisch. Wir stimmen Planungen und operative Ziele ab. Wir informieren uns gegenseitig. Wir delegieren und übertragen Verantwortung. Wir sprechen offen und fair miteinander. Wir gehen mit der Arbeitszeit ökonomisch um. (siehe Müller 1995, S. 301)
Die Führungsgrundsätze sollten selbstverständlich auch den übrigen Mitarbeitern bekannt sein und deshalb an exponierter Stelle ausgehängt werden.
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Rationalisierungspotenziale im Kundendienst
Der Kundendienst wird zukünftig noch stärker als bisher Bindeglied zwischen den Lieferanten der Primärleistungen und den Kunden sein. Das wird zum Ausbau der kleinen Mitmach-Kundendienstleistungen beitragen. Stärker werden jedoch die professionellen Kundendienstorganisationen angeregt werden, neue Kundendienstprodukte und rationellere Arbeitsverfahren zu entwickeln. Rationelle Prozesse haben eine günstige Leistungs-Kosten-Struktur und fördern damit die Wettbewerbsfähigkeit. Einige Rationalisierungspotenziale sind zu erkennen: Die Standardisierung von Kundendienstleistungen ist auch zukünftig attraktiv. Standardleistungen erhöhen die Reaktionsfähigkeit des Dienstleisters, verkürzen die Vorlaufund Arbeitszeiten, dienen der Qualitätssicherung und senken die Kosten. Es entsteht aber ein Balanceakt zwischen Standardisierung und Individualisierung. Auch die Automatisierung von Teilleistungen durch technische Hilfen ist eine Art der Standardisierung. Mitarbeiterleistung wird durch Automatenleistung ersetzt. Es gibt ein Verbesserungs- und Kosteneinsparungspotenzial. Durch Wissensdatenbanken und Expertensysteme lassen sich Arbeitszeiten verkürzen, Wiederholungseinsätze vermeiden, die Qualität steigern und Kosten senken. Im Technischen Kundendienst kann der Ausbau der Remote-Strukturen den Teleservice forcieren. Dazu sind Veränderungen in den betreuten Maschinen und Anlagen nötig, wie der Einbau von Servicesensoren und -prozessoren. Breitbandige Übertragungswege werden anspruchsvolle Anwendungen unterstützen. Investitionen in technische Lösungen werden zu sinkenden Servicekosten führen.
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Literatur Alle Pocket Power-Bände siehe innere Umschlagseiten. Akao, Y.: QFD – Quality Function Deployment. Landsberg 1992 Czenskowski, T.: Das Controlling im After-Sales Service-Management, in: Pepels, W. (Hrsg.): Kundendienstpolitik. München 1999 Fischer, W. (Hrsg.): Service Today (Zeitschrift). Landsberg Harms, V.: Kundendienstmanagement. Berlin: Herne 1999 Kotler, P. u. a.: Grundlagen des Marketing, 2. Auflage. München 1999. Krieg, H. J.: Das Personalmanagement im After-Sales Service-Bereich, in: Pepels, W. (Hrsg.): Kundendienstpolitik. München 1999 Masing, W. (Hrsg.): Handbuch Qualitätsmanagement, 4. Aufl. München, Wien 1999 Meffert, H.; Bruhn, M.: Dienstleistungsmarketing. Wiesbaden 1995. Meffert, H.: Marketing – Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung, 9. Aufl. Wiesbaden 2000 Melzer-Ridinger, R.: Die Qualitätssteuerung bei Kundendiensten, in: Pepels, W. (Hrsg.): Kundendienstpolitik. München 1999 Müller, H.: Service Marketing. Berlin, Heidelberg, New York 1995 Pepels, W. (Hrsg.): Kundendienstpolitik – Die Instrumente des After-Sales-Marketing. München 1999 Töpfer, A.; Mehdorn, H.: Total Quality Management, 3. Aufl. Neuwied, Kriftel, Berlin 1994