Inhaltsverzeichnis Einfuhrung 1 Kinematik eines Massenpunktes
1.1 Bahnkurve, Geschwindigkeit und Beschleunigung 1.2 Kr...
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Inhaltsverzeichnis Einfuhrung 1 Kinematik eines Massenpunktes
1.1 Bahnkurve, Geschwindigkeit und Beschleunigung 1.2 Krummlinige Koordinatensysteme . . . . . . . . . 1.3 Grundtypen von Bewegungen . . . . . . . . . . . 1.3.1 Gleichformig beschleunigte Bewegung . . . 1.3.2 Gleichformige Kreisbewegung . . . . . . . 1.3.3 Periodische Bewegungen . . . . . . . . . .
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2.1 Die Newtonschen Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Das Tragheitsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Das Grundgesetz der Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Das Wechselwirkungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Superposition von Kraften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5 Bewegte Bezugssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Dynamik eines Massenpunkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Impulsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Energiebilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Drehimpulsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Erhaltungssatze und Integration der Bewegungsgleichungen . 2.2.6 Spezielle Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Dynamik eines Massenpunktsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Impulsbilanz (Massenmittelpunktsatz) . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Energiebilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Virialsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5 Drehimpulsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.6 Erhaltungssatze und Integration der Bewegungsgleichungen . 2.3.7 Spezielle Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2 Newtonsche Mechanik
3
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9 14 23 24 26 28
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INHALTSVERZEICHNIS
4
3 Lagrangesche Mechanik
3.1 Das d'Alembertsche Prinzip . . . . . . . 3.1.1 Freie und gebundene Systeme . . 3.1.2 Bedingungsgleichungen . . . . . . 3.1.3 Das d'Alembertsche Prinzip . . . 3.1.4 Bilanzgleichungen . . . . . . . . . 3.1.5 Spezielle Probleme . . . . . . . . 3.2 Lagrangesche Gleichungen . . . . . . . . 3.2.1 Lagrangesche Gleichungen 1. Art 3.2.2 Energiebilanz . . . . . . . . . . . 3.2.3 Generalisierte Koordinaten . . . . 3.2.4 Lagrangesche Gleichungen 2. Art 3.2.5 Erhaltungssatze und Symmetrien 3.2.6 Spezielle Probleme . . . . . . . .
4 Hamiltonsche Mechanik 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7
Das Hamiltonsche Prinzip . . . . . Hamiltonsche Gleichungen . . . . . Poisson-Klammern . . . . . . . . . Kanonische Transformationen . . . Die Hamilton-Jacobi-Gleichung . . Verallgemeinerte Integralprinzipien Teilchen- und Wellenausbreitung .
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231
231 235 238 241 250 255 260
Einfu hrung Die Mechanik ist der Teil der Physik, der sich mit den Bewegungsgesetzen materieller Korper befat. Sie ist die physikalische Disziplin, in der es zuerst und in relativ groem Mae gelang, die Zielstellung der theoretischen Physik zu verwirklichen, namlich durch Verallgemeinerung von Erfahrungen einige allgemeine Grundsatze (Axiome) aufzustellen, aus denen die speziellen Gesetze der vielfaltigen Einzelerscheinungen auf mathematischem Wege ableitbar und erklarbar sind. Die in der Mechanik eingefuhrten Grundbegrie (wie Masse, Kraft, Impuls, Arbeit, Energie usw.) sowie die entwickelten Prinzipien und Methoden sind auch in anderen Teilgebieten der Physik so bedeutsam geworden, da auer historischen Gesichtspunkten viele Grunde dafur sprechen, das Studium der theoretischen Physik mit der Mechanik zu beginnen. klassische Mechanik
relativistische Mechanik
Quantenmechanik
relativistische Quantenmechanik
Wir werden uns im folgenden mit der klassischen Mechanik beschaftigen. Ihre eigentliche Grundlegung ist Newton zu verdanken, der die groen Leistungen von Galilei, Kepler, Descartes, Huygens und anderen zusammen mit seinen eigenen Erkenntnissen gegen Ende des 17. Jahrhunderts zu einem einheitlichen System zusammenfate. Die klassische Mechanik wird deshalb auch haug als Newtonsche Mechanik bezeichnet. In der Folgezeit wurde sie in vielfaltiger Weise weiterentwickelt und auf einen recht hohen Stand gebracht, so da man zeitweise glaubte, das gesamte Naturgeschehen auf die Newtonsche Mechanik zuruckfuhren zu konnen und in ihrem Rahmen (zumindest prinzipiell) erklaren zu konnen. Im Zuge der sich entwickelnden 5
6
EINFUHRUNG
experimentellen Techniken wurden durch verfeinerte und neue Beobachtungsmethoden etwa mit Beginn des 20. Jahrhunderts die Grenzen der klassischen Mechanik sichtbar, und zwar einmal fur hinreichend groe Geschwindigkeiten und zum anderen fur hinreichend kleine Wirkungen. Es entstanden die relativistische Mechanik und die Quantenmechnik, die in ihrer Vereinigung zur relativistischen Quantenmechanik fuhrten. Die Einteilung der Mechanik ist von mehreren Gesichtspunkten aus moglich. Mechanik
Punktmechanik
Kontinuumsmechanik
Die Bewegung eines Korpers ist dann vollstandig beschrieben, wenn die Bewegung aller seiner Teile angegeben werden kann, was i. allg. eine recht verwickelte Aufgabe ist. Der einfachste Fall liegt vor, wenn die Abmessungen des Korpers (auf einer makroskopischen Skala) hinreichend klein sind, so da man sich bei der Beschreibung der Bewegung des Korpers auf die Bewegung eines einzigen Punktes des Korpers beschranken kann. In diesem Fall wird der Korper durch einen sogenannten Massenpunkt ohne raumliche Ausdehnung idealisiert, den man sich mit der gesamten Masse des Korpers behaftet denkt. Ob ein Korper als Massenpunkt angesehen werden kann, hangt naturlich vom konkreten Fall ab. Der Massenpunkt idealisiert den Korper, er ist ein Modell, durch das wirkliche Korper in vielen praktischen Fallen ersetzt werden konnen. Da ein Massenpunkt denitionsgema strukturlos und ohne Ausdehnung ist, kann er nur eine Translationsbewegung ausfuhren (innere Bewegungen und Rotationsbewegungen gibt es nicht). Ausgehend vom einzelnen Massenpunkt, kann man sich dann jeden materiellen Korper bzw. Systeme von solchen Korpern durch viele Massenpunkte zusammengesetzt denken und gelangt zu Massenpunktsystemen, deren Mechanik auch als Punktmechanik bezeichnet wird. So kann insbesondere ein starrer Korper, der in allen seinen Teilen von absolut unveranderlicher Gestalt ist, als ein System von Massenpunkten angesehen werden, deren gegenseitige Abstande sich nicht anderen. Gegenstand dieser Vorlesung ist die Punktmechanik. Die elastischen Eigenschaften und Formanderungen fester Korper sowie die Bewegungen von Flussigkeiten und Gasen gehoren zu dem umfangreichen Gebiet der Mechanik deformierbarer Korper, kurz Kontinuumsmechanik genannt. Es ist klar, da bei der ungeheuren Anzahl von zu berucksichtigenden (diskreten) Massenpunkten die Punktmechanik praktisch nicht durchfuhrbar ist und feldtheoretischen (Kontinuums-)Zugangen der Vorrang zu geben ist. Die Mechanik kann naturlich auch von anderen Gesichtspunkten aus eingeteilt werden. Der Zweig der Mechanik, der Bewegungsablaufe an sich untersucht, d.h.
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EINFUHRUNG
ohne Rucksicht auf ihre Entstehung, ist die Kinematik. Mechanik
Kinematik
Dynamik
Im Gegensatz dazu zieht die Dynamik auch die Ursachen der Bewegung in Betracht. Ein Sonderfall der Dynamik ist die Statik, die die Bedingungen des Ruhezustands (Gleichgewichts) untersucht. So kann auf Grund der gegebenen Einteilungen von der Kinematik, Statik, Dynamik beispielsweise des Massenpunkts, des starren Korpers oder deformierbarer Medien gesprochen werden. Schlielich kann die Mechanik nach den ihr zugrunde liegenden Prinzipien eingeteilt werden: Mechanik
Newtonsche Mechanik
Lagrangesche Mechanik
Hamiltonsche Mechanik
wobei hier der Begri Newtonsche Mechanik im engeren Sinne der Newtonschen Prinzipien zu verstehen ist. Vorlesungschwerpunkte
Punktmechanik Dynamik Newtonsche Mechanik Lagrangesche Mechanik Hamiltonsche Mechanik
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EINFUHRUNG
Kapitel 1 Kinematik eines Massenpunktes 1.1 Bahnkurve, Geschwindigkeit und Beschleunigung Im Rahmen der Kinematik als der geometrischen oder reinen Bewegungslehre werden Bewegungen an sich untersucht, d.h. ohne Rucksicht auf ihre Entstehung. Vom Standpunkt der Kinematik aus ist die Bewegung eines Massenpunktes (eines Korpers) bestimmt, wenn die Lage des Punktes relativ zu einem anderen Korper zu jedem Zeitpunkt angebbar ist. Dieser andere Korper ist als Bezugskorper oder Bezugssystem unerlalich, da im leeren Raum die Lage des Punktes nicht denierbar und damit nicht feststellbar ware. Um die Lage eines Punktes P zu bestimmen, wahlen wir in dem Bezugskorper (z.B. der Erde, einem Labor, oder einem beliebigen, als starr angenommenen Korper) einen Ausgangspunkt O, durch den wir drei aufeinander senkrecht stehende Geraden legen, die wir als Achsen eines rechtwinkligen (kartesischen) Koordinatensystems ansehen. Die Lage des Punktes P , die durch Angabe der drei Koordinaten;!x y z vollstandig bestimmt ist, kann durch den Ortsvektor oder Radiusvektor OP = r charakterisiert werden, dessen rechtwinklige Komponenten gerade die drei Koordinaten x y z sind. Oft wird es zweckmaiger sein, anstelle kartesischer Koordinaten andere, systemangepate Koordinaten zu verwenden (Abschnitt 1.2). 9
10
KAPITEL 1. KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES z P r z ez ey
O
y
ex
x
x y
Die Bewegung des Massenpunktes ist bekannt, wenn der Ortsvektor r als Funktion der Zeit t bekannt ist, r = r(t) (1.1) speziell in kartesischen Koordinaten,
r(t) = x(t) ex + y(t) ey + z(t) ez
(1.2)
d.h., wenn die Funktionen
x = x(t) y = y(t) z = z(t)
(1.3)
bekannt sind. Wir wollen annehmen, da diese Funktionen eindeutig und mindestens zweimal dierenzierbar sind. Die Raumkurve, die durch r(t) beschrieben wird, heit auch Bahnkurve des Massenpunktes. z
r (t)
z(t)
y x(t)
x y(t)
Der Massenpunkt bende sich zur Zeit t in dem durch den Ortsvektor r gekennzeichneten Punkt P , und nach der Zeitspanne t in dem durch den Ortsvektor r + r bestimmten Punkt P , d.h., die Verruckung des Massenpunktes wahrend des 0
1.1. BAHNKURVE, GESCHWINDIGKEIT UND BESCHLEUNIGUNG ;!
11
Zeitintervalls t ist PP =r. Die auf die Zeiteinheit bezogene (mittlere) Verruckung ist durch den Vektor r = r(t + t) ; r(t) (1.4) t t gegeben, der nicht nur eine Funktion der Zeit t ist, sondern auch von der gewahlten Zeitspanne t abhangt. Den von t unabhangigen Vektor der Geschwindigkeit v(t) ndet man dann als Grenzwert von r=t fur t ! 0: 0
r(t + t) ; r(t) v r_ ddrt = lim t 0 t !
(1.5)
und speziell in kartesischen Koordinaten:
r_ = x_ ex + y_ ey + z_ ez :
(1.6)
P, t ∆r
P, t + ∆t
r
Bahnkurve
r + ∆r O
Geometrisch ergibt sich der Vektor der Geschwindigkeit als Grenzlage der Sekante durch die Vektoren r(t +t) und r(t) pro Zeitinterval t in der Grenze t ! 0, d.h., die Richtung der Geschwindigkeit zur Zeit t ist durch die Richtung der Tangente im Punkt P der Bahnkurve r(t) zur Zeit t gegeben,
v = vT
(1.7)
(T - Tangenteneinheitsvektor, v = jvj). Fuhren wir die Bogenlange der Bahnkurve zwischen dem Punkt P (zum Zeitpunkt t) und einem (zu einem geeignet gewahlten Anfangszeitpunkt t0 bestimmten) Punkt P0 ein, d.h. die zwischen t0 und t zuruckgelegte Wegstrecke s,
s = s(t) = so nden wir wegen r = rs(t)]
Zt t0
ds =
Zt t0
jdrj
v = ddrt = ddrs ddst |{z} |{z} T
v
t = t(s)
(1.8)
(1.9)
12
KAPITEL 1. KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES
d.h. Gleichung (1.7). So wie der Vektor der Geschwindigkeit als zeitliche A nderung des Ortsvektors deniert wird, kann der Vektor der Beschleunigung als zeitliche A nderung des Geschwindigkeitsvektors deniert werden: ∆v v Hodograph
v + ∆v O
v(t + t) ; v(t) a v_ r ddvt ddtr2 = lim t 0 t 2
!
(1.10)
und speziell in kartesischen Koordinaten: r = x ex + y ey + z ez :
(1.11)
Die Beschleunigung a(t) wird aus der Kurve v(t) (Hodograph) in der gleichen Weise gewonnen wie die Geschwindigkeit v(t) aus der Bahnkurve r(t). Aus (1.10) mit (1.7) erhalten wir a = ddvt = ddt (vT) = v_ T + v T_ (1.12) und es gilt (1.13) T_ = ddTt = ddTs ddst = v ddTs :
|{z} v
Ferner folgt aus T T = 1 d (T T) = 0 T dT = 0 ds ds Mit (1.13) und dem Hauptnormaleneinheitsvektor
dT N = ds
1 dT
dT ? T: ds
(1.14)
1 dT = R dT = (1.15) ds ds ds ( = jdT=dsj - Krummung, R = 1= - Krummungsradius) lautet die Beschleunigung (1.12) 2 a = ddvt = v_ T + vR N: (1.16) ;
1.1. BAHNKURVE, GESCHWINDIGKEIT UND BESCHLEUNIGUNG
13
Der Beschleunigungsvektor ist hier zerlegt in einen Anteil, der von der Betragsanderung der Geschwindigkeit herruhrt und einen Anteil, dessen Ursache die Richtungsanderung der Geschwindigkeit ist. Die durch T und N aufgespannte Ebene heit auch Schmiegungsebene der Bahnkurve am Punkt r(t)]. Aus (1.16) ist ersichtlich, da der Beschleunigungsvektor immer in der Schmiegungsebene liegt und nach der konkaven Seite der Bahnkurve zeigt. Der dritte auf T und N senkrecht stehende Binormaleneinheitsvektor wird in der Mechanik i. allg. nicht benotigt, da "Beschleunigungen hoherer Ordnung\ kaum eine Rolle spielen. Das aus den genannten Einheitsvektoren gebildete Dreibein, das auch begleitendes Dreibein genannt wird, deniert das sogenante naturliche Koordinatensystem fur Geschwindigkeit und Beschleunigung. Erganzung zur Gleichung (1.15) ∆φ T . N
T
∆T
T+∆T
.
T+∆T ∆s
R ∆φ
Aus der Abbildung liest man ab, da (t ! 0)
gilt, d.h.
d = dRs = jdTj
(1.17)
dT 1 = : ds R
(1.18)
Der Krummungsradius R kann als Radius des Kreises angesehen werden, durch den die Bahnkurve im betrachteten Punkt am besten approximiert wird.
14
KAPITEL 1. KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES
1.2 Krummlinige Koordinatensysteme In kartesischen Koordinaten sind die Koordinatenlinien Geraden. Bisweilen sind den Problemen krummlinige Koordinaten besser angepat. In diesem Fall andern die Koordinatenlinien ihre Richtung, so da die Einheitsvektoren ortsabhangig werden. Stehen die Koordinatenlinien senkrecht aufeinander (z.B. Zylinder- und Kugelkoordinaten), so spricht man von rechtwinkligen (krummlinigen) Koordinaten. Der allgemeinste Fall waren schiefwinklige (krummlinige) Koordinaten. Im Falle von schiefwinkligen Koordinaten lassen sich zwei Arten von Koordinaten und Basisvektoren denieren. Koordinatenlinie xi gi gi
Fläche xi = const.
Betrachten wir ein Koordinatentripel
xi = xi(x y z)
(1.19)
(i = 1 2 3) mit der Umkehrtransformation
x = x(x1 x2 x3) y = y(x1 x2 x3 ) z = z(x1 x2 x3 ):
(1.20)
Zum einen konnen kovariante Basisvektoren @r gi = @x (1.21) i deniert werden, die sich an die jeweilige Koordinatenlinie xi anschmiegen. Zum anderen konnen uber Gradientenbildung kontravariante Basisvektoren
gi = rxi
(1.22)
deniert werden, die auf der jeweiligen Flache xi = const: senkrecht stehen. Oensichtlich gilt fur rechtwinklige Koordinaten gi k gi. Die Skalarprodukte
gik = gi gk = gki
(1.23)
gik = gi gk = gki
(1.24)
1.2. KRUMMLINIGE KOORDINATENSYSTEME
15
hangen von den gewahlten Koordinaten ab, da die Basisvektoren davon abhangen. Invariant sind demgegenuber die Skalarprodukte von kovarianten und kontravariaten Basisvektoren, @ r rxk = @xk = k gik = gi gk = @x (1.25) i @xi i (ik - Kronecker-Symbol). Kovariante und kontravariante Basisvektoren bilden jeweils eine Entwicklungsbasis fur einen beliebigen Vektor q,
q = qk gk = qk gk (1.26) (qi - kontravariante Komponenten von q, qi - kovariante Komponenten von q Sum-
menkonvention: uber zwei gleiche ko- und kontravariante Indizes ist zu summieren). Wir multiplizieren (1.26) jeweils mit gi und gi, verwenden (1.25) und nden
q i = g i q (1.27) qi = gi q: (1.28) Kovariante und kontravariante Komponenten lassen sich in einfacher Weise ineinander umrechnen. So erhalten wir aus (1.27), (1.26) und (1.24) qi = gi q = gi gk qk = gik qk (1.29) und analog qi = gik qk : (1.30) Insbesondere haben wir gik gil = (gk g| i)(g{zi gl}) = gk gl = kl : (1.31) gl
Das Skalarprodukt zweier Vektoren q und p lautet
q p = qi pk g| i{z g}k = qi pi = qi pi ki
(1.32)
bzw.
q p = gik qi pk = gik qi pk : (1.33) Die Groe gik heit metrischer Fundamentaltensor er bestimmt die Lange
des Bogenelements in den jeweils gewahlten Koordinaten,
und es gilt
dr = gi dxi = gi dxi
(1.34)
ds2 = dr dr = gik dxi dxk = gik dxidxk
(1.35)
g det gik > 0:
(1.36)
16
KAPITEL 1. KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES
Als Volumenelement (im dreidimensionalen Raum) kann das von den Vektoren dr1 = g1 dx1 , dr2 = g2 dx2 und dr3 = g3 dx3 aufgespannte Parallelepipedon angesehen werden, d.h. dV = jg1 (g2 g3)j dx1 dx2 dx3 (1.37) bzw. mit y z) (1.38) ikl = gi (gk gl ) = @@(x(x i xk xl ) als dem total antisymmetrischen (Levi-Civita-)Tensor dritter Stufe dV = j 123 jdx1 dx2 dx3 : (1.39) Man kann (durch direktes Ausrechnen) zeigen, da p 123 = det gik = pg (1.40) und 123 123 = 1 (1.41) gilt, wobei in (1.40) das Pluszeichen (Minuszeichen) zu einem rechtshandigen (linkshandigen) Koordinatenssytem gehort. Folglich kann (1.39) in die Form dV = pg dx1 dx2 dx3 (1.42) gebracht werden. Um das Volumenelement zu erhalten, mu das (positive) Produkt der Dierentiale dx1 dx2 dx3 also noch mit der Wurzel der Determinante g das metrischen Fundamentaltensors (Betrag der Funktionaldeterminante) der zugehorigen Koordinaten multipliziert werden. Entsprechend konnen die Flachen des das Volumenelement dV bildenden Parallelepipedons als (vektorielle) Flachenelemente angesehen werden, beispielsweise dA1 = g2 g3 dx2 dx3 : (1.43) Aus (1.38) ist unschwer abzulesen, da ikl die i-te kovariante Komponente des Vektors gk gl ist, d.h. gk gl = ikl gi (1.44) vgl. (1.26) und (1.28)], so da (1.43) als dA1 = g1 123 dx2 dx3 = g1 pg dx2 dx3 (1.45) geschrieben werden kann. Um den Betrag des Flachenelements zu erhalten, p (1.46) jdA1j = gg11 dx2 dx3 mu also das (positive) Produkt der Dierentiale dx2 dx3 noch mit der Wurzel des Produkts aus der Determinante g des metrischen Fundamentaltensors und des Elements g11 = g1 g1 der zugehorigen Koordinaten multipliziert werden. Im folgenden werden wir ein rechtshandiges Koordinatensystem zugrundelegen, so da in (1.45) das positive Vorzeichen zu nehmen ist. Die Formeln fur dA2 und dA3 sind vollig analog aufzuschreiben.
1.2. KRUMMLINIGE KOORDINATENSYSTEME
17
Anmerkungen Gradient in beliebigen Koordinaten Aus der Denition das Gradienten einer Funktion f , @f dxi df = dr rf = @x i lesen wir unter Berucksichtigung von dr = gidxi die Beziehung @f gi rf = @x i ab, d.h. @f rf = gi @x i vgl. (1.26) und (1.28)] bzw. rf = gi gik @x@fk
(1.47) (1.48) (1.49) (1.50)
Divergenz in beliebigen Koordinaten Die Divergenz eines Vektorfeldes a kann bekanntlich (uber den Gauschen Satz)
Z 1 dA a (1.51) r a = lim V 0 V (V ) deniert werden. Wir fuhren die Integration uber ein kleines, in der Abbildung als der Grenzwert
!
x2
|∆ A | 1
x1
x3
∆x2 ∆x3
∆x1
skizziertes Volumenelement aus, und zwar jeweils uber die zwei gegenuberliegenden Flachenelemente, I 1 I 2 I 3 A + A + A : r a = lim (1.52) V 0 V V V Mit A1 a = pg a1 x2 x3 (1.53) !
18
KAPITEL 1. KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES siehe (1.45)] erhalten wir fur das Integral IA1
h p
IA1 ; g(x1 x2 x3 ) a1 (x1 x2 x3 ) i p + g(x1 +x1 x2 x3) a1(x1 +x1 x2 x3) x2 x3 @x@ 1 (pg a1 )x1 x2 x3 (1.54) woraus unter Berucksichtigung von (1.42) IA1 = 1 @ (pg a1) lim (1.55) pg @x1 V 0 V folgt. Mit den analogen Ergebnissen fur die ubrigen Flachen erhalten wir also r a = p1g @x@ i (pg ai): (1.56) !
Rotation in beliebigen Koordinaten Wir wenden Stokesschen Satz
Z
A
dA (r a) =
Z (A)
dr a
(1.57)
auf das (kleine) Flachenelement A1 in der Abbildung an. Mit (1.45) nden wir
pgx2 x3 g1 (r a) x2 a2 (x1 x2 x3) ; a2 (x1 x2 x3 +x3 ) + x3 ;a3 (x1 x2 x3 ) + a3 (x1 x2 +x2 x3 ) @a @a 2 3 x x @x32 ; @x23
d.h.
pg g1 (r a) = @a3 ; @a2 :
(1.58)
(1.59) @x2 @x3 Multiplikation mit e123 liefert unter Berucksichtigung von (1.40) und (1.41) @a3 + e132 @a2 = e1kl @al : (1.60) g1 (r a) = e123 @x 2 @x3 @xk Mit den analogen Resultaten fur die beiden anderen Komponenten erhalten wir also @al : r a = gi eikl @x (1.61) k
1.2. KRUMMLINIGE KOORDINATENSYSTEME
19
Wenden wir uns nun der Darstellung von Geschwindigkeit und Beschleunigung eines Massenpunkts in beliebigen Koordinaten zu, wobei wir von der metrischen Fundamentalgleichung (1.34) ausgehen wollen. Geschwindigkeit:
r_ = x_ i gi
(1.62)
r = xi gi + x_ i g_ i
(1.63)
Beschleunigung:
Wir wollen die Ergebnisse auf rechtwinklige Koordinaten spezialisieren, fur die der metrische Fundamentaltensor diagonal ist,
gik = 2i ik : In diesem Fall sind die Basisvektoren gi und gi zueinander parallel,1 und die Vektoren
(1.64)
gi = 2i gi k gi
(1.65)
ei = gi = i gi
(1.66)
i
stellen orthogonale Einheitsvektoren dar. Mit (1.66) lassen sich dann die Gleichungen (1.62) und (1.63) wie folgt schreiben:
r_ =
3 X i=1
x_ i i ei
3 d ; X i i r = _ dt x_ i ei + x_ i ei i=1
(1.67)
(1.68)
Die (i. allg. etwas umstandliche) Berechnung von e_ i kann auf der Basis der Denitionsgleichung @r (1.69) ei = gi = 1 @x i i i erfolgen. 1
Beachte, da in den Gleichungen (1.64), 1.65), (1.66) und (1.69) nicht uber i summiert wird.
20
KAPITEL 1. KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES
Beispiel: Zylinderkoordinaten (x1 = %, x2 = ', x3 = z) In Zylinderkoordinaten gilt
x = x(% ') = % cos ' y = y(% ') = % sin ' z = z
(1.70)
ds2 = dx2 + dy2 + dz2 = d%2 + %2 d'2 + dz2
(1.71)
% = 1 ' = % z = 1:
(1.72)
woraus ableitbar ist, d.h.
z
r
ϕ
ρ
y
x
Wir berechnen die Einheitsvektoren und ihre zeitlichen Ableitungen: r = % cos ' ex + % sin ' ey + z ez
@ r = e = cos ' e + sin ' e % x y @% 1 @ r = e = ; sin ' e + cos ' e ' x y % @' @r = e z @z e_ % = ;'_ sin ' ex + '_ cos ' ey = '_ e' e_ ' = ;'_ cos ' ex ; '_ sin ' ey = ;'_ e% e_ z = 0 :
(1.73) (1.74) (1.75) (1.76) (1.77) (1.78) (1.79)
1.2. KRUMMLINIGE KOORDINATENSYSTEME
21
Gema (1.67) nden wir dann fur die Geschwindigkeit
r_ = %_ e% + '% _ e' + z_ ez
(1.80)
und daraus gema (1.68) fur die Beschleunigung r = % e% + ('% + '_ %_) e' + z ez + %_ e_ % + '% _ e_ ' + z_ e_ z = % e% + ('% + '_ %_) e' + z ez + %_'_ e' ; '% _ '_ e% d.h.
;
r = % ; '_ 2% e% + ('% + 2%_'_ ) e' + z ez :
Beispiel: Kugelkoordinaten (x1 = r, x2 = , x3 = ') x = r sin cos ' y = r sin sin ' z = r cos ds2 = dr2 + r2d 2 + r2 sin2 d'2
r = 1 = r ' = r sin :
(1.81) (1.82) (1.83) (1.84) (1.85)
z
r r θ ϕ
ρ
y
x
Einheitsvektoren:
r = r sin cos ' ex + r sin sin ' ey + r cos ez @ r = e = sin cos ' e + sin sin ' e + cos e
x y z @r r 1 @ r = e = cos cos ' e + cos sin ' e ; sin e x y z r @
(1.86) (1.87) (1.88)
22
KAPITEL 1. KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES
1 @ r = e = ; sin ' e + cos ' e x y r sin @' ' Zeitliche A nderung der Einheitsvektoren:
(1.89)
e_ r = _ cos cos ' ex ; '_ sin sin ' ex + _ cos sin ' ey + '_ sin cos ' ey ; _ sin ez = _ e + '_ sin e'
(1.90)
e_ = ; _ sin cos ' ex ; '_ cos sin ' ex ; _ sin sin ' ey + '_ cos cos ' ey ; _ cos ez = ; _ er + '_ cos e'
(1.91)
e_ ' = ;'_ cos ' ex ; '_ sin ' ey
(1.92)
Gema (1.87) und (1.88) gilt
woraus
1 e ; cos e = cos ' e + sin ' e x y sin r sin z
(1.93)
1 e + sin e = cos ' e + sin ' e x y cos cos z
(1.94)
ez = cos er ; sin e
(1.95)
folgt. Kombination von (1.93) und (1.95) liefert cos ' ex + sin ' ey = sin er + cos e
(1.96)
e_ ' = ;'_ sin er ; '_ cos e :
(1.97)
und damit wird Gema (1.67) und (1.68) zusammen mit (1.90), (1.91) und (1.97)] nden wir dann fur die Geschwindigkeit
r_ = r_ er + r_ e + 'r _ sin e'
(1.98)
1.3. GRUNDTYPEN VON BEWEGUNGEN
23
und die Beschleunigung
_ d r = r er + d r e + dt ('r _ sin ) e' dt _ e_ + 'r + r_ e_ r + r _ sin e_ ' _ d e + dt ('r _ sin ) e' = r er + ddt r _ _ + r_ _ e + '_ sin e' + r ; er + '_ cos e' + 'r _ sin (;'_ sin er ; '_ cos e )
d.h.
(1.99)
r = r ; _2r ; '_ 2r sin2 er +
d _
r + r_ _ ; '_ 2 r sin cos e
dt
d
_ + dt ('r _ sin ) + r_'_ sin + 'r _ cos e' bzw.
(1.100)
r = r ; _2 r ; '_ 2 r sin2 er
1 d _2
; '_ 2r sin cos
r dt r 1 d ;'r 2 sin2 e' : + r sin _
dt +
e (1.101)
1.3 Grundtypen von Bewegungen Typische Fragestellungen der Kinematik sind beispielsweise die folgenden: { Die Bewegung (d.h. die Bahnkurve) eines Massenpunktes ist bekannt, und es wird seine Geschwindigkeit und seine Beschleunigung gesucht. { Die Geschwindigkeit eines Massenpunktes als Funktion von Ort und Zeit sind bekannt, und es wird die Bahnkurve gesucht. { Die Beschleunigung eines Massenpunktes ist als Funktion des Ortes, der Geschwindigkeit und der Zeit bekannt, und es wird die Bahnkurve gesucht.
24
KAPITEL 1. KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES
Die letzte Aufgabe, die man aus spater ersichtlich werdenden Grunden auch als eine Aufgabe der Dynamik ansehen kann, ist die haugste und wichtigste. Die einfachste Bewegung eines Massenpunktes (eines Korpers) ist die gleichformig geradlinige Bewegung, fur die (1.102)
r_ = v = const: gilt und somit die Beschleunigung verschwindet, r = 0:
(1.103)
Aus (1.102) folgt dann sofort als Bahnkurve eine Gerade entlang der durch v festgelegten Richtung: r(t) = v(t ; t0 ) + r0 : (1.104)
1.3.1 Gleichformig beschleunigte Bewegung
Die gleichformig beschleunigte Bewegung ist durch
(1.105)
r = a = const: deniert, woraus fur die Geschwindigkeit
r_ = at + b
(1.106)
r(t) = 12 at2 + bt + c
(1.107)
t = t0 r = r0 r_ = v0
(1.108)
b = v0 ; at0 c = r0 ; 21 at20 ; bt0
(1.109) (1.110)
und damit fur die Bahnkurve folgt (b c - beliebige konstante Vektoren). Speziell fur die Anfangsbedingungen folgt und somit lautet r(t)
;
;
r(t) = 21 t ; t0 2a + v0 t ; t0 + r0:
(1.111)
1.3. GRUNDTYPEN VON BEWEGUNGEN
25
v0
r - r0
a
Die Bahnkurve liegt also in einer durch a und v0 aufgespannten Ebene { die gleichformig beschleunigte Bewegung ist also eine ebene Bewegung. Die Bewegung setzt sich zusammen aus einer gleichformig geradlinigen Bewegung und einer gleichformig beschleunigten, geradlinigen Bewegung. Wir konnen ohne Beschrankung der Allgemeinheit die xy-Ebene als diese Ebene wahlen und die y-Achse parallel zur Beschleunigung legen, a = aey (1.112) v0 = v0x ex + v0y ey (1.113) x ; x0 = v0x (t ; t0) (1.114) y ; y0 = 21 a(t ; t0 )2 + v0y (t ; t0 ): (1.115) Elimination der Zeit liefert die Bahngleichung y ; y0 = 2va2 (x ; x0 )2 + vv0y (x ; x0 ): (1.116) 0x
0x
Die Bahn ist also eine Parabel, deren Achse zur y-Achse (Beschleunigungsrichtung) parallel ist. In dem speziellen Fall, wenn die Anfangsgeschwindigkeit verschwindet oder in die Richtung der Beschleunigung fallt, entartet die Bewegung in eine geradlinige Bewegung (1.115). Die bekanntesten Beispiele einer gleichformig beschleunigten Bewegung sind der Wurf und der freie Fall (im luftleeren Raum). Seit Galilei ist bekannt, da Korper im erdnahen Schwerefeld mit konstanter Beschleunigung g = 9:81 ms 2 fallen. Wir legen das Koordinatensystem so, da die y-Achse vertikal nach oben gerichtet ist, d.h. a ! ;g. ;
y v0
α x
26
KAPITEL 1. KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES Mit
v0x = v0 cos (1.117) v0y = v0 sin (1.118) und t ; t0 ! t, x ; x0 ! x, y ; y0 ! y (siehe Abbildung) lauten die Gleichungen (1.114) und (1.115) x = v0 t cos (1.119) y = v0t sin ; 12 gt2 (1.120) und die Wurfparabel ist g x2 : y = x tan ; 2v2 cos (1.121) 0 2 Der horizontale Wurf ergibt sich fur =0 und der vertikale Wurf fur = =2. Speziell fur den freien Fall haben wir = ;=2 und v0 = 0 zu setzen. Mit den Gleichungen (1.119) { (1.121) konnen dann alle relevanten Fragen beantwortet werden. Steigzeit y_ = 0 v0 sin ; gts = 0 (1.122) : (1.123) ts = v0 sin g Wurfdauer2 y = 0 v0td sin ; 21 gt2d = 0 (1.124) td = 2v0 gsin = 2ts : (1.125) Wurfhohe 2 sin2 v 0 (1.126) y(ts) = 2g : Wurfweite
2
) : x(td) = v0 sin(2 g
(1.127)
Aus (1.127) ist beispielsweise ersichtlich, da bei gegebenem v0 die Wurfweite fur = 45o den groten Wert annimmt, namlich v02=g. Jede kleinere Wurfweite kann immer unter zwei Winkeln ( und =2 ; ) erzielt werden (Steilwurf und Flachwurf).
1.3.2 Gleichformige Kreisbewegung
Ein Massenpunkt fuhrt eine gleichformige Kreisbewegung aus, wenn er sich mit konstanter Bahngeschwindigkeit v = jvj =const: auf einem Kreis mit festem Radius R = const: bewegt. Wir verwenden ebene Polarkoordinaten (z = 0) und nden gema (1.80) v% = %_ = 0 (1.128) 2 Erfolgt der Wurf aus einer H ohe h, dann ist o ensichtlich y = ;h zu setzen.
1.3. GRUNDTYPEN VON BEWEGUNGEN
27
v' = %'_ = R! = v = const: (1.129) mit ! = '_ als der Winkelgeschwindigkeit um die z-Achse. Wegen v = const: und R = const: ist also auch die Winkelgeschwindigkeit konstant, '_ = ! = Rv = const: ' = !(t ; t0 ) + '0 : (1.130) y
r
ϕ =ω (t - t0) +ϕ0
ϕ x
(1.80) liefert fur die Komponenten der Beschleunigung 2 a% = % ; '_ 2% = ;!2R = ; vR (1.131) a' = '% + 2'_ %_ = 0 (1.132) d.h., die Beschleunigung zeigt zum Mittelpunkt des Kreises (Radialbeschleunigung) und hat den Betrag !2R, 2 a = ;!2R e% = ; vR e%: (1.133) Bei einer gleichformigen Kreisbewegung besteht oenbar zwischen der Winkelgeschwindigkeit !, der Umlaufzeit T , d.h. der Zeit t einer Winkelverschiebung um ' = 2, und der Drehzahl oder Frequenz = 1=T der Zusammenhang 2 = ' = !t = !T ! = 2 = 2: (1.134) T Die Winkelgeschwindigkeit als das 2-fache der Frequenz wird auch Kreisfrequenz genannt. In kartesischen Koordinaten haben wir x = % cos ' x(t) = R cos(!t + ) (1.135) y = % sin ' y(t) = R sin(!t + ) = R cos(!t + ; =2) (1.136) ( = '0 ; !t0). Die Projektionen der Kreisbewegung auf die x- und y-Achse sind harmonische Schwingungen. Genauer ausgedruckt, die gleichformige Kreisbewegung kann als U berlagerung zweier zueinander senkrecht stehender harmonischer Schwingungen angesehen werden, deren Phasendierenz =2 ist.
28
KAPITEL 1. KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES
1.3.3 Periodische Bewegungen 1.3.3.1 Harmonischer Oszillator
Wir betrachten die periodische, lineare Bewegung eines Massenpunktes langs der xAchse um den Koordinatenursprung,
x(t + T ) = x(t)
(1.137)
mit T als der Perioden- oder Schwingungsdauer. Die periodische Bewegung ist eine harmonische Schwingung, wenn die von der Ruhelage (Koordinatenursprung) gerechnete Auslenkung oder Elongation x eine Kosinus- oder Sinusfunktion der Zeit ist, x(t) = A cos(!t + ) (1.138) (A > 0, ! = 2=T = 2 ). A und heien Amplitude und Phase der Schwingung. Haug wird der Begri der Phase auch in bezug auf das komplette Argument = !t + verwendet, und man spricht dann von als der Phasenkonstanten (die durch die Anfangsphase bestimmt wird). Die Frequenz gibt die Anzahl der Schwingungen (Perioden) pro Zeiteinheit an und die Kreisfrequenz ! die Anzahl der Schwingungen pro 2 Zeiteinheiten. x A t T
Aus (1.138) ergibt sich als Geschwindigkeit
x_ (t) = ;!A sin(!t + ): (1.139) Die Geschwindigkeit nimmt also den betragsmaig groten Wert !A in den Zeitpunkten !t + = (2n + 1)=2 (1.140) der Durchgange durch die Ruhelage an (n - ganz). Sie ist Null in den Zeitpunkten !t + = n (1.141) maximaler Auslenkung (Umkehrpunkte). Wir dierenzieren (1.139) und erhalten mit (1.138) fur die Beschleunigung x(t) = ;!2A cos(!t + ) = ;!2x(t) (1.142)
1.3. GRUNDTYPEN VON BEWEGUNGEN
29
Die Beschleunigung ist also proportional zur Auslenkung und dieser entgegengesetzt gerichtet. Demzufolge verschwindet sie in den Zeitpunkten der Durchgange durch die Ruhelage, und sie wird maximal in den Zeitpunkten maximaler Auslenkung. Aus (1.142) sehen wir, da die Auslenkung einer harmonischen Schwingung der Dierentialgleichung (1.143)
x + !2x = 0
genugt. Die Umkehrung ist ebenfalls richtig: Gilt fur eine (eindimensionale) Bewegung eines Massenpunktes die Dierentialgleichung (1.143), dann fuhrt der Massenpunkt eine harmonische Schwingung aus, da
x(t) = A cos(!t + ) = A1 sin(!t) + A2 cos(!t)
(1.144)
die allgemeine Losung dieser Dierentialgleichung ist. Physikalische Objekte, die harmonische Schwingungen ausfuhren, werden auch als harmonische Oszillatoren bezeichnet. Anstelle mit reellen Groen zu rechnen, ist es oft zweckmaig, die komplexe Schreibweise zu bevorzugen,
x(t) = Aei!t A = jAjei
(1.145)
wobei der Realteil (oder auch der Imaginarteil) die physikalische (reelle) Schwingung reprasentiert. Der Vorteil der komplexen Schreibweise wird insbesondere bei der Behandlung linearer U berlagerungen von harmonischen Schwingungen deutlich. Schwingungen unterschiedlichster Art spielen auf vielen Gebieten der Physik eine herausragende Rolle, wobei x nicht immer eine mechanische Auslenkung eines Korpers bedeuten mu.
1.3.3.2 U berlagerung harmonischer Schwingungen
Uberlagerung harmonischer Schwingungen gleicher Richtung und gleicher Frequenz Addieren wir die beiden Schwingungen
x1(t) = A1ei!t A1 = jA1jei1
(1.146)
x2 (t) = A2 ei!t A2 = jA2jei2 so erhalten wir als Resultante
(1.147)
;
bzw.
x(t) = x1(t) + x2 (t) = A1 + A2 ei!t
(1.148)
x(t) = Aei!t
(1.149)
30
KAPITEL 1. KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES
mit
A = A1 + A2 : (1.150) Die Resultante ist also wieder eine harmonische Schwingung der Kreisfrequenz !. Ihre Amplitude und Phasenkonstante konnen nach den ublichen Regeln der Addition komplexer Zahlen berechnet werden: A = jAjei
(1.151)
jAj = jA1j2 + jA2 j2 + 2jA1jjA2j cos(2 ; 1) tan = jA1j sin 1 + jA2j sin 2 jA1j cos 1 + jA2j cos 2
(1.152)
p
(1.153)
Im z
A A2 α2- α1 α2
α
α1
A1 Re z
Die Amplitude jAj der resultierenden Schwingung hangt bei gegebenen jA1j und jA2j von der Phasendierenz (Phasenverschiebung) = 2 ; 1 ab. Speziell fur
= 2n
(1.154)
jAj = jA1j + jA2j
(1.155)
= (2n + 1)
(1.156)
jAj = jA1j ; jA2j
(1.157)
(n ganz) nimmt jAj den groten Wert und fur den kleinsten Wert
1.3. GRUNDTYPEN VON BEWEGUNGEN
31
an. Der Eekt der Phasenabhangigkeit der Amplitude der U berlagerungsschwingung wird auch als Interferenz bezeichnet. Im Falle (1.155) spricht man auch von konstruktiver Interferenz im Gegensatz zu destruktiver Interferenz im Falle von (1.157). Insbesondere wenn jA1j = jA2j gilt, loschen sich die beiden Schwingungen gegenseitig vollig aus. Uberlagerung harmonischer Schwingungen gleicher Richtung und verschiedener Frequenz In diesem Fall kann die Resultante
x(t) = A1 ei!1t + A2 ei!2t (1.158) oensichtlich nicht in die Form (1.149) gebracht werden. Das Ergebnis der U berlagerung ist also keine harmonische Schwingung, sondern ein komplizierterer Vorgang, so da i. allg. keine naheren Aussagen moglich sind. Ist !1=!2 eine rationale Zahl, !1 = m (1.159) !2 n m n - teilerfremde ganze (positive) Zahlen], so ist die Resultante ein periodischer Vorgang, d.h. eine Schwingung, deren Kreisfrequenz ! durch !1 = m! !2 = n! (1.160) deniert ist, x(t) = A1 eim!t + A2 ein!t (1.161) (1.162) x(t + T ) = x(t) T = 2! : Ein wichtiger Spezialfall von (1.158) liegt vor, wenn sich die Frequenzen !1 und !2 nur wenig voneinander unterscheiden und die Amplituden ubereinstimmen. Mit A1 = jA1 jei1 A2 = jA1jei2 (1.163) folgt aus (1.158) x(t) = jA1j ei(!1 t+1 ) + ei(!2 t+2 ) = jA1j ei (!1 !2 )t+1 2]=2 ei (!1+!2 )t+1 +2]=2 + e i (!1 !2)t+1 2 ]=2ei (!1 +!2)t+1 +2 ]=2 = 2jA1j cos(!1 ; !2 )t=2 + (1 ; 2 )=2] ei (!1 +!2)t+1 +2 ]=2 (1.164) d.h. x(t) = 2jA1j cos(! t + )ei(!t+) (1.165) mit ! = 21 (!1 + !2 ) = 21 (1 + 2 ) (1.166) ;
;
;
;
;
32 und
KAPITEL 1. KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES ! = 12 (!1 ; !2) = 12 (1 ; 2):
(1.167)
j!1 ; !2j !1 + !2 bzw: ! !
(1.168)
Sind !1 = ! + ! und !2 = ! ; ! annahernd gleich,
dann andert sich der Kosinus der Dierenzfrequenz relativ zu dem der Summenfrequenz nur sehr langsam. Der Kosinus der Dierenzfrequenz kann gewissermaen der Amplitude zugeordnet werden, und der Vorgang { auch (reine) Schwebung genannt { kann als Schwingung der Kreisfrequenz ! angesehen werden, deren Amplitude mit der Kreisfrequenz 2! periodisch zwischen den Werten 0 und 2jA1j schwankt. Die Frequenz x
t Ts
!s = 2! = j!1 ; !2 j
(1.169)
heit auch Schwebungsfrequenz und die Zeit
Ts = 2! = ! s
(1.170)
Schwebungsdauer. Sind die Amplituden der zwei Einzelschwingungen nicht gleich, dann ist die Schwebung weniger ausgepragt in dem Sinn, da ihre Amplitude nicht auf Null absinken kann (unreine Schwebung). Wird die Schwebung (1.165) mit einer weiteren harmonischen Schwingung
x3 (t) = jA3 jei(!t+)
(1.171)
uberlagert, entsteht als Resultante eine harmonisch amplitudenmodulierte Schwingung, x(t) = jA3j + 2jA1j cos(! t + )] ei(!t+) : (1.172)
1.3. GRUNDTYPEN VON BEWEGUNGEN
33
x 2 A1 A3 t
Harmonische Schwingungsanalyse Oft hat man es mit periodischen Vorgangen zu tun, die nicht in so einfacher Form in wenige harmonische Schwingungen zerlegt werden konnen. Die Zerlegung einer periodischen Bewegung in eine Summe von harmonischen Schwingungen wird mathematisch durch das Fouriersche Theorem ermoglicht. Man spricht in diesem Zusamx
t0
t
T
menhang auch von der Fourier- bzw. Spektralzerlegung. Es sei x(t) eine periodische Funktion mit der Periodendauer T x(t + T ) = x(t) T = 2! : (1.173) Wenn x(t) die Dirichletschen Bedingungen erfullt (die physikalisch fast immer erfullt sind), dann kann x(t) eineindeutig durch eine Summe von Sinus- und Kosinusfunktionen dargestellt werden. Die Dirichletschen Bedingungen besagen, da sich das Denitionsgebiet von x(t) in endlich viele Intervalle zerlegen lat, in denen x(t) stetig und monoton ist, und an jeder Unstetigkeitsstelle mussen die Werte x(t+0) und x(t;0) deniert sein. Die Fourier-Reihe von x(t) wird ublicherweise in komplexer Schreibweise angegeben,
x(t) =
X 1
n=
;1
Anein!t
(1.174)
34
KAPITEL 1. KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES
x(t) = x (t) A n = An : (1.175) Die Fourier-Koezienten lassen sich aus der Funktion x(t) in einem (beliebigen) Intervall (t0 t0 + T ) wie folgt bestimmen:
;
1 Z t0 +T dt x(t)e T t0
im!t
;
d.h.
X
=
1
n=
Z t0+T 1 An T dt ei(n m)!t } | t0 {z ;
;1
(1.176)
Z 1 An = T dt x(t)e T
nm
in!t
(1.177)
;
Von (1.174) kann leicht zur reellen Schreibweise ubergegangen werden:
x(t) = A0 +
0 X@ 1
n=1
1 Anein!t + |{z} A n e in!t A ;
;
An
;
Anein!t + Ane in!t = 2Re Anein!t = 2Re(An) cos(n!t) ; 2Im(An) sin(n!t):
Mit und geht (1.178) in
;
(1.178)
Z 2 an = 2Re(An) = T dt x(t) cos(n!t) T
(1.179) (1.180)
Z 2 bn = ;2Im(An) = T dt x(t) sin(n!t) T
(1.181)
X x(t) = 21 a0 + an cos(n!t) + bn sin(n!t)] n=1
(1.182)
1
uber. Die Gleichungen (1.174) und (1.182) zeigen, da eine beliebige periodische Bewegung als U berlagerung von unendlich vielen harmonischen Schwingungen aufgefat werden kann, wobei in der Praxis haug eine Beschrankung auf endlich viele vorgenommen werden kann. Die Schwingung ei!t ist die Grundschwingung, die Schwingungen ein!t , n > 1, sind die (zur Grundschwingung harmonischen) Oberschwingungen. In vielen praktischen Fallen nahern die Grundschwingung und wenige Oberschwingungen die Funktion x(t) bereits gut an.
1.3. GRUNDTYPEN VON BEWEGUNGEN
35
x
t
Fur T ! 1, d.h. ! ! 0, geht (fur quadratisch integrierbare Funktionen) die Fourier-Reihe (1.174) in das Fourier-Integral uber:
x(t) = lim0 !
X n
qn
ei nt
=
Z
d q( )ei t
(1.183)
( n = n , !), wobei gema (1.177) A n q( ) = lim0 n = 1 Z Z 2 1 1 i t = lim0 2 1 dt x(t)e = 2 dt x(t)e 2 !
;
!
;
i!t
(1.184)
;
gilt (t0 = ;T=2). Zwei senkrecht zueinander stehende harmonische Schwingungen gleicher Frequenz Wir wollen annehmen, da die x- und y-Komponente (eines Vektors in der Ebene) harmonische Schwingungen der gleichen Kreisfrequnz ! ausfuhren,
x(t) = A cos(!t + ) y(t) = B cos(!t + ) = B cos(!t + + ) ( = ; ). Wir kombinieren (1.186) mit (1.185) und schreiben y = cos(!t + ) cos ; sin(!t + ) sin B r 2 x = A cos ; 1 ; Ax 2 sin woraus y x 2 x2 2 B ; A cos = 1 ; A2 sin bzw.
x2 + y2 ; 2xy cos = sin2 A2 B 2 AB
(1.185) (1.186)
(1.187) (1.188) (1.189)
36
KAPITEL 1. KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES
folgt. Die Gleichung (1.189) stellt eine Kurve zweiter Ordnung, namlich eine Ellipse dar. Der resultierende Vektor x(t) y(t)] beschreibt also eine elliptische Schwingung. Die Ellipse liegt in dem Rechteck mit den Seitenlangen 2A und 2B , und ihr Zentrum liegt im Koordinatenursprung. y
A
B x
Spezialfall: = 0 oder = In diesem Fall lautet die Gleichung (1.189) x y 2 (1.190) A B = 0: Fur = 0 geht die Ellipse in die Gerade y = (B=A)x und fur p= in die Gerade y = ;(B=A)x uber, d.h., eine lineare Schwingung der Amplitude A2 + B 2 liegt vor. Spezialfall: = =2 oder = 3=2 Die Gleichung (1.189) lautet x2 + y2 = 1 (1.191) A2 B 2 d.h., die Hauptachsen der Ellipse sind parallel zu den Koordinatenachsen, und die halben Hauptachsenlangen sind die Amplituden A und B der beiden Einzelschwingungen. Spezialfall: = =2 oder = 3=2 und A = B In diesem Fall wird aus der Ellipsengleichung (1.191) die Kreisgleichung x2 + y2 = A2 (1.192) d.h., die elliptische Schwingung geht in eine zirkulare Schwingung uber, x(t) = A cos(!t + ) (1.193) y(t) = A sin(!t + ): (1.194) Die den beiden Vorzeichen entsprechenden Schwingungen unterscheiden sich in der Umlaufrichtung. Schwingung fur A = B in Abhangigkeit von
1.3. GRUNDTYPEN VON BEWEGUNGEN
37
A
y
A x
0
5/4 π
1/4 π
1/2 π
3/2 π
7/4 π
3/4 π
π
2π
Zwei senkrecht zueinander stehende harmonische Schwingungen verschiedener Frequenz Wir wollen wieder annehmen, da sich die Frequenzen der beiden Schwingungen
und
x(t) = A cos(!1t + )
(1.195)
y(t) = B cos(!2t + )
(1.196)
nur wenig voneinander unterscheiden,
j!1 ; !2 j !1 + !2 : Schreiben wir y(t) in der Form
wobei
(1.197)
y(t) = B cos !1t + + (t)
(1.198)
(t) = (!2 ; !1)t + ;
(1.199)
ist, so konnen wir unter der Voraussetzung (1.197) die Bewegung in der xy-Ebene als Schwingung mit der Kreisfrequenz !1 !2 und (im Vergleich dazu) zeitlich langsam veranderlicher Phasendierenz auassen. Im Ergebnis erhalten wir nunmehr Ellipsen von zeitlich veranderlicher Lage.
38
KAPITEL 1. KINEMATIK EINES MASSENPUNKTES y
A
B x
Die Bewegung ist naturlich nur dann streng periodisch, und die Bahnkurve nur dann geschlossen, wenn das Frequenzverhaltnis !1=!2 eine rationale Zahl ist. Sind !1 und !2 inkommensurabel, dann wird die Ausgangslage strenggenommen nie wieder erreicht. Die im Ergebnis der U berlagerung zweier senkrecht aufeinander stehender harmonischer Schwingungen verschiedener Frequenzen resultierenden Bahnkurven heien auch Lissajous-Figuren.3
In manchen Lehrbuchern ndet man den Begri Lissajous-Figuren nur auf streng periodische Bewegungen angewandt. 3
Kapitel 2 Newtonsche Mechanik 2.1 Die Newtonschen Prinzipien Die Grundgesetze bzw. Grundvoraussetzungen, auf denen alle weiteren Satze uber die Lehre der Bewegung materieller Korper unter der Einwirkung von Kraften (Dynamik) aufbauen, sind im wesentlichen in den Newtonschen Prinzipien oder Axiomen enthalten. Diese sind { dem Wortsinn entsprechend { keine mathematisch beweisbaren Satze, sondern resultieren aus der Erfahrung. Sie sind demzufolge als richtig anzusehen, wenn alle ihre Folgerungen durch die Erfahrung bestatigt werden.
2.1.1 Das Tragheitsgesetz
Die einfachste Bewegung eines Massenpunkts (eines Korpers) ist die gleichformig geradlinige Bewegung, bei der r_ konstant ist, und die Frage ist, unter welchen Umstanden eine solche Bewegung existiert. Eine mit einer gewissen Geschwindigkeit auf einer horizontalen Unterlage abgesto ene Kugel fuhrt naherungsweise eine geradlinige Bewegung aus. Die Kugel rollt um so weiter, je glatter die Unterlage ist, d.h., je glatter die Unterlage, desto mehr ahnelt die Bewegung einer gleichformig geradlinigen Bewegung. Die Geschwindigkeitsabnahme ist o ensichtlich eine Folge von au eren Einussen (Wechselwirkung der Kugel mit der Unterlage). Konnten diese beseitigt werden (so wie etwa die horizonale Unterlage den Einu der Erde kompensiert), dann wurde die Kugel ihre Geschwindigkeit unverandert beibehalten. Diese (auch schon vor Newton gewonnene) Erkenntnis wurde von Newton in einer recht allgemeinen Formulierung an die Spitze seines mechanischen Systems1 gestellt und bildet den Inhalt des ersten Axioms. Jeder Korper beharrt im Zustand der Ruhe oder gleichformig geradlinigen Bewegung, wenn er nicht durch einwirkende Krafte gezwungen wird diesen Zustand zu andern. 1
Philosophiae Naturalis Principia Mathematica, London, 1687
39
40
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Der Begri Kraft steht hier zunachst fur "au eren Einu \, d.h. die Wirkung anderer Korper auf den betrachteten Korper. Die Eigenschaft der Korper, ihre Geschwindigkeit bzw. ihren Ruhezustand unverandert beizubehalten, sofern sie nicht unter dem Einu anderer Korper stehen, wird Beharrungsvermogen oder Tragheit genannt und das Axiom Tragheitsgesetz. Die gleichformig geradlinige Bewegung ist also auch vom dynamischen Standpunkt aus die einfachste, namlich der naturliche Bewegungszustand eines Korpers, zu dessen Aufrechterhaltung keine au ere Einwirkung notig ist. Das Tragheitsgesetz ist keine Selbstverstandlichkeit, sondern stellt eine Extraktion vieler Erfahrungen fur einen idealen Grenzfall dar. Es kann insbesondere nicht Gegenstand einer unmittelbaren experimentellen U berprufung sein, da ein Korper nicht vollstandig jeder Einwirkung anderer Korper entzogen werden kann. Das Tragheitsgesetz hat nur dann einen Sinn, wenn das Bezugssystem, in dem die Bewegung beschrieben wird, angegeben ist. Newton sprach das Axiom bezuglich des "im absoluten Raum\ ruhenden Systems aus. Ein solches System kann jedoch nicht durch Experimente festgelegt werden. Der positive Inhalt des Axioms ist also das Postulat, da uberhaupt ein Bezugssystem existiert, in dem das Tragheitsgesetz gultig ist. Ein solches Bezugssystem hei t Inertialsystem. So kann beispielsweise das im Fixsternhimmel befestigte System als ein solches angesehen werden, d.h. ein Koordinatensystem, dessen Ursprung im Massenmittelpunkt (Abschnitt 2.3.2) des Sonnensystems liegt (also naherungsweise im Mittelpunkt der Sonne) und dessen Achsen nach bestimmten Fixsternen weisen. Wir werden spater sehen, da sich jedes System, das sich relativ zu einem Inertialsystem gleichformig geradlinig bewegt, ebenfalls ein Inertialsystem ist. In vielen praktischen Fallen ist es ausreichend, ein in der Erde verankertes Bezugssystem zu verwenden. Der Inhalt des Tragheitsgesetzes kann also wie folgt zusammengefa t werden:
Es existiert ein solches Bezugssystem, in dem sich ein sich vollig selbst uberlassener ("kraftefreier\) Korper im Zustand der Ruhe oder der gleichformig geradlinigen Bewegung bendet.
Ein solches Bezugssystem wird Inertialsystem genannt, und alle weiteren Gesetze der Mechanik werden auf dieses System bezogen.
Erfahrungsgema kann ein im Fixsternhimmel befestigtes Bezugssystem als Inertialsystem angesehen werden.
2.1.2 Das Grundgesetz der Dynamik Nach dem ersten Newtonschen Axiom mu eine in einem Inertialsystem auftretende Beschleunigung eines Korpers der Einwirkung anderer Korper zugeschrieben werden. Diese uben eine Kraft auf den Korper aus, oder { wie man auch sagt { am Korper greift eine Kraft an. Als Veranschaulichung kann die Beschleunigung eines
2.1. DIE NEWTONSCHEN PRINZIPIEN
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Korpers vermittels unserer Muskelkraft dienen. Es sollte jedoch hervorgehoben werden, da Aussagen wie "die Kraft ist Ursache der Beschleunigung\ nur eine formale Aussage ist. Die eigentlichen Ursachen der Beschleunigung eines Korpers sind in den geometrischen und physikalischen Eigenschaften des Korpers und seiner Umgebung einschlie lich ihrer Wechselwirkung zu sehen. Diese zu untersuchen ist Gegenstand anderer Teilgebiete der Physik (z.B. Elektrodynamik, Gravitationsphysik, Atom- und Elementarteilchenphysik). In der Mechanik werden die Krafte i. allg. als gegeben betrachtet, und es wird nicht ihr Ursprung, sondern ihre (mechanische) Wirkung untersucht. Die Einfuhrung des Begri s Kraft gestattet es, die vielfaltigen wahren Ursachen von Beschleunigungen unter einem einheitlichen Begri zusammenzufassen, der es gestattet, die Bewegungsvorgange von eigentlich sehr verschiedener Herkunft einheitlich zu behandeln, d.h. eine einheitliche Dynamik aufzubauen, die in allen Gebieten der Physik anwendbar ist. Die Erfahrung besagt, da eine gro ere Beschleunigung einer gro eren Kraft bedarf. Die einfachste Variante ist, die Kraft proportional zur Beschleunigung zu setzen, wobei der Proportionalitatsfaktor o ensichtlich keine universelle Konstante ist. Dies wurde { bereits entgegen unserer Muskelempndung { bedeuten, da dieselbe Kraft jedem Korper die gleiche Beschleunigung erteilt. So bedarf es einer gro eren Kraft, einer Eisenkugel die gleiche Beschleuningung zu erteilen wie einer Holzkugel vom gleichen Radius. Die Eisenkugel ist (im Sinne des ersten Axioms) trager als die Holzkugel. Demzufolge mu als Proportionalitatsfaktor in die Beziehung zwischen Kraft und Beschleunigung eine fur den Korper charakteristische Gro e eingehen, namlich die (trage) Masse. Es sei m die trage Masse und F die Kraft. Das zweite Axiom als das Grundgesetz der Dynamik kann dann wie folgt formuliert werden: Die auf einen Massenpunkt (eines Korpers) wirkende Kraft ist gleich dem Produkt aus Masse und Beschleunigung des Massenpunkts.
mr = F
(2.1)
Newton selbst formulierte das Axiom in einer etwas anderen Form: Die A nderung der Bewegung ist der einwirkenden bewegenden Kraft proportional und geschieht nach der Richtung derjenigen Linie, in der die Kraft wirkt. Dabei ist unter Bewegung die Bewegungsgroe, d.h. der Impuls
p = mr_
(2.2)
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KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
zu verstehen, so da das Grundgesetz die Form der Impulsbilanz
p_ = F
(2.3)
annimmt. Die Formulierungen (2.1) und (2.3) sind identisch, wenn die Masse m als wahrend der Bewegung konstant angesehen werden kann, p_ = ddt (mr_ ) = mr = F: (2.4) Bei sehr gro en, mit der Lichtgeschwindigkeit c vergleichbaren Geschwindigkeiten v zeigt sich (relativistische Mechanik), da die Masse nicht mehr als konstant angesehen werden kann: m = p m0 2 2 (2.5) 1 ; v =c (m0 - Ruhmasse, d.h. Masse fur v =0). In diesem Fall wird (2.1) falsch, wahrend (2.3) zusammen mit (2.2) und (2.5)] weiterhin gultig ist. Auch in der nichtrelativistischen Mechanik gibt es bereits Probleme, bei denen m eine veranderliche Gro e ist und (2.3) zur Anwendung kommt. Ein typisches Beispiel ist die Bewegung einer Rakete, deren Masse mit anhaltender Verbrennung des Treibsto s abnimmt. Dynamische Kraft- und Massenmessung Das Grundgsetz erlaubt uber Beschleunigungsmessung die dynamische Kraft- und -Massenmessung. Wir wollen annehmen, da zwei verschiedenen Korpern (Massenpunkten) mit der gleichen Kraft me bare Beschleunigungen erteilt werden, m1r1 = m2r2 (2.6) d.h. m2 = jr1j : (2.7) m jr j 1
2
Das Massenverhaltnis der zwei Korper la t sich also aus dem Verhaltnis der gemessenen (Betrage der) Beschleunigungen bestimmen. Das Massenverhaltnis ist unabhangig von der Kraft und nur fur die zwei Korper charakteristisch. Wahlt man die Masse eines beliebigen Korpers als Vergleichsmasse (der Masseneinheit), so kann jede Masse eindeutig bestimmt werden. U blich ist das Kilogramm (kg) als Masse des sogenanten Pariser Ur- oder Normalkilogramms. Mit der Masseneinheit wird uber das Grundgesetz dann die Krafteinheit festgelegt, 1 N (Newton) = 1 kg m s;2: (2.8) 1 Newton ist also die Kraft, die einem Korper der Masse 1 kg die Beschleunigung 1 ms;2 erteilt.
2.1. DIE NEWTONSCHEN PRINZIPIEN
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Wenn einer bekannten Masse beispielsweise mit einer in verschiedenem Grade zusammengedruckten Feder me bare Beschleunigungen erteilt werden, dann konnen auf Grund des Grundgesetzes die entsprechenden Krafte bestimmt werden und auf diese Weise ein in der Krafteinheit Newton geeichter Kraftmesser (Federwaage) konstruiert werden. F m 0
x
Statische Kraft- und Massenmessung Bekanntlich zieht die Erde jeden materiellen Korper mit einer gewissen Kraft an, Schwerkraft bzw. Gewicht genannt. Erfahrungsgema ist an einem festen Ort der Erde die Fallbeschleunigung r = g fur jeden Korper die gleiche. Nach dem Grundgesetz der Dynamik ist somit F = mg (2.9) das Gewicht eines Korpers der Masse m.2 Das Gewicht des Normalkilogramms an dem Ort, an dem g = 9:81 ms;2 ist, wird ublicherweise als praktische Krafteinheit Kilopond (kp) gewahlt, 1 kp = 9:81 N: (2.10) Die praktische Kraftmessung beruht auf dem Gewicht. Die unbekannte Kraft wird mit einem bekannten Gewicht in wohlbekannter Weise kompensiert, z.B. mit Hilfe eines uber eine feste Rolle gefuhrten Fadens. Die Kraft kann naturlich auch durch Dehnung einer Feder (Federwaage) gemessen werden, wenn ihre Skala mit bekannten Gewichten geeicht wurde. F
mg
m mg =F mg An verschiedenen Orten ist etwas verschieden. Am A quator ist = 9 78 ms;2 , wahrend am Nordpol = 9 832 ms;2 gemessen wird (siehe dazu auch Abschnitt 2.2.6.3). 2
g
g
:
g
:
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KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Diese Art der Kraftmessung wird durch die Erfahrung ermoglicht, da ein Korper (Massenpunkt) unter der Wirkung zweier gleichgro er, aber in entgegengesetzte Richtungen wirkende Krafte immer in den (Gleichgewichts-)Zustand der Ruhe gebracht werden kann (siehe auch Abschnitt 2.1.4). Die Methode wird deshalb auch statische Kraftmessung genannt. Sie ist fur praktische Zwecke wesentlich bequemer als die dynamische Kraftmessung. Wenn man (mit Hilfe einer beliebigen Waage) bei einer statischen Kraftmessung feststellt, da die Gewichte zweier Korper an einem bestimmten Ort gleich gro sind, dann sind ihre Massen ebenfalls gleich gro , m1 g = m2 g m1 = m2 : (2.11) Dies ermoglicht die statische Massenmessung. Bei dieser Art von Massenmessung spielt die Tragheit des Korpers o ensichtlich keine Rolle (da er sich ja in Ruhe bendet), sondern die Schwere ist entscheidend. Demzufolge kann man zunachst einmal zwischen der durch die dynamische Messung denierten tragen Masse mt und durch die Gewichtsmessung mittels Waage denierten schweren Masse ms unterscheiden. Die Tatsache, da die beiden verschiedenen Arten der Massenbestimmung dasselbe Resultat ergeben (d.h. im gewahlten Ma system mt = ms gilt) ist nicht trivial, sondern beruht auf der Erfahrungstatsache, da die Fallbeschleunigung fur jeden Korper die gleiche ist die genausten Messungen gehen auf Eotvos (1894) zuruck]. Zusammenfassende Wertung Das Grundgesetz der Dynamik f uhrt den Kraft- und Massebegri ein verbunden mit entsprechenden Me verfahren. So konnen mit Hilfe der geschilderten dynamischen Methoden Kraft- und Massenmessung auf Beschleunigungsmessungen, d.h. Langen- und Zeitmessungen, zuruckgegfuhrt werden. Das Grundgesetz der Dynamik erlaubt die Losung von zwei Arten von Aufgaben. Einerseits kann von der beobachteten Bewegung eines Massenpunkts (gegebener Masse) auf die am Massenpunkt angreifende Kraft geschlossen werden. So liefert zweimalige Di erentiation der Bahnkurve r(t) nach der Zeit die Beschleunigung r, die multipliziert mit der Masse m die wirkende Kraft F = mr ergibt. Auf diese Weise kann (gegebenenfalls unter Zuhilfenahme zusatzlicher Kraft- und Massemessungen) der mathematische Ausdruck fur die Kraft F, das sogenannte Kraftgesetz, fur die unterschiedlichsten Arten von Bewegungen gefunden werden. Umgekehrt kann bei gegebenem Kraftgesetz der Bewegungsablauf bestimmt werden, d.h., es kann die Bahnkurve r(t) bestimmt werden. Dies ist i. allg. die Aufgabe, mit der sich die theoretische (und auch die technische) Mechanik befa t. Wenn die auf einen Massenpunkt (gegebener Masse) wirkende Kraft F bekannt ist, so bestimmt die Gleichung mr = F die Beschleunigung r des Massenpunkts, womit die Bestimmung der Bahnkurve auf das mathematische Problem der Losung von Di erentialgleichungen zuruckgefuhrt ist.
2.1. DIE NEWTONSCHEN PRINZIPIEN
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2.1.3 Das Wechselwirkungsgesetz (actio = reactio)
Es wurde bereits darauf hingewiesen, da die auf einen Massenpunkt wirkende Kraft nicht aus dem Massenpunkt selbst stammt, sondern es mu mindestens noch ein zweites Objekt vorhanden sein, mit dem der Massenpunkt wechselwirkt. Erfahrungsgema erfahrt ein Massenpunkt bei der Wechselwirkung mit einem zweiten Massenpunkt nicht nur eine Kraft, sondern er selbst ubt auf den zweiten Massenpunkt ebenfalls eine Kraft aus. Kraftwirkungen sind immer gegenseitig. Dieser Sachverhalt ist Gegenstand des dritten Axioms: Die von einem Massenpunkt (eines Korpers) auf einen zweiten Massenpunkt (des gleichen oder eines anderen Korpers) ausgeubte Kraft F21 ist gleich gro und entgegengesetzt der Kraft F12 , die der zweite Massenpunkt auf den ersten Massenpunkt ausubt. Formelma ig ausgedruckt, lautet es
F12 = ;F21
(2.12)
und in Newtonscher Fassung: Die Wirkung ist stets der Gegenwirkung gleich, oder die Wirkungen zweier Korper aufeinander sind stets gleich und von entgegengesetzter Richtung. Das Axiom wird auch das Gesetz der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung oder kurz Wechselwirkungsgesetz, auch Gegenwirkungs- oder Reaktionsprinzip genannt. Seine fundamentale Bedeutung wird nicht so sehr in der Mechanik eines einzelnen Massenpunkts deutlich, als vielmehr bei der Mechanik von Massenpunktsystemen.
2.1.4 Superposition von Kraften
Als weiteres Axiom wird ofters der Sachverhalt genannt, da sich die auf einen Massenpunkt wirkenden Krafte vektoriell addieren. Unterliegt ein Massenpunkt gleichzeitig der Wirkung mehrerer Krafte F1 F2 : : :, so ist ihre Gesamtwirkung vollig gleichwertig der Wirkung ihrer vektoriellen Resultante, d.h., die Krafte konnen durch die Einzelkraft F = F1 + F2 + (2.13) ersetzt werden. Aus diesem Grund wird das Axiom auch das Unabhangigkeitsprinzip oder Superpositionsprinzip genannt. Fur das Grundgesetz der Dynamik hei t dies mr = F1 + F2 + : (2.14)
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KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Der Sachverhalt ist eine Erfahrungstatsache und folgt nicht aus dem Grundgestz, wie man auf Grund der Addition der Gleichungen
mr1 = F1 mr2 = F2 : : :
(2.15)
denken konnte. Addition mit r =r1 +r2 + enthalt namlich die Annahme, da jede Kraft ihre eigene Wirkung auch in Gegenwart anderer Krafte ausubt, die Krafte also unabhangig voneinander sind und sich gegenseitig nicht beeinussen. Wenn z.B. eine ursprunglich vorhandene Kraft F1 durch die Gegenwart einer zweiten Kraft F2 zu F01 verandert wurde, so ware die Beschleunigung des Massenpunkts nicht (F1 + F2 )=m, sondern (F01 + F2 )=m.
2.1.5 Bewegte Bezugssysteme Die Grundgleichung der Dynamik
mr = F
(2.16)
ist zunachst als in einem Inertialsystem gultig eingefuhrt worden. Wir wollen nun untersuchen, welche Form die Grundgleichung in einem Bezugssystem 0 annimmt, das sich relativ zu einem Inertialsystem auf eine bestimmte Weise bewegt. Das Problem ist unter zwei Gesichtspunkten von Interesse: (1) Es wird die Rolle des Inertialsystems verdeutlicht. (2) Oft ist es wunschenswert, die Erscheinungen nicht in einem Inertialsystem, sondern z.B. in einem an die Erde oder an ein bewegtes Fahrzeug auf der Erde angeheftetes Koordinatensystem zu beschreiben. Bewegt sich relativ zu einem Inertialsystem ein anderes System 0 , so wird die Bewegung eines Massenpunkts von den in und 0 bendlichen Beobachtern verschieden beschrieben. Wir wollen zwei kartesische Koordinatensysteme betrachten.
Σ
r r
ez
ez
Σ ey
r0 O ex
ey
O ex
z
2.1. DIE NEWTONSCHEN PRINZIPIEN
47
Ort des bewegten Massenpunkts wird durch den Ortsvektor r = r(t) festgelegt. 0 In : Ort des bewegten Massenpunkts wird durch den Ortsvektor r0 = r0(t) festgelegt. Es gilt r = r0 + r0: (2.17) Durch zeitliche Di erentiation nden wir daraus den Zusammenhang zwischen den Geschwindigkeiten und Beschleunigungen in den beiden Systemen. Dabei ist zu beachten, da r0 auf das Koordinatensystem 0 zu beziehen ist,
In :
r0 = x0 e0x + y0e0y + z0 e0z
(2.18)
dessen Basisvektoren e0x e0y e0z i. allg. zeitlich nicht konstant sind. Wir nden zunachst 0 de0y 0 de0z dx0 0 dy0 0 dz0 0 d r d r d e 0 x 0 0 r_ = dt = dt + x dt + y dt + z dt + dt ex + dt ey + dt ez : (2.19) Ein Beobachter in 0, fur den sich die Achsenrichtungen seines Koordinatensystems nicht andern, schreibt dem Massenpunkt o ensichtlich die Geschwindigkeit
r_ 0 ddrt
0 0
dx0 e0 + dy0 e0 + dz0 e0 = x_ 0e0 + y_ 0e0 + z_ 0 e0 (2.20) x y z dt x dt y dt z zu. Die Schreibweise d0 r0=dt bringt zum Ausdruck, da die zeitliche Di erentiation in 0 bei fester Lage der Koordinatenachsen durchzufuhren ist. Man spricht von v ddrt (2.21) auch als von der Absolutgeschwindigkeit und nennt
v0 ddrt
(2.22)
vtr ddrt0
(2.23)
0 0
Relativgeschwindigkeit. Die Gro e
ist die Geschwindigkeit des Koordinatenursprungs O0 von 0 sie hei t auch Translationsgeschwindigkeit. Die zeitliche A nderung der Basisvektoren e0x e0y e0z in (2.19) resultiert aus einer moglichen Drehung des Systems 0 um eine Achse durch seinen Ursprung. Ganz allgemein kann eine Drehung um eine Achse folgenderma en beschrieben werden. Aus der Abbildung lesen wir ab:
48
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK ω
dϕ
C B θ
dAB
AB
A ;!
;!
djAB j = CB d' = jAB j sin d'
(2.24)
;!
;! ;! djAB j = jAB d' = jAB j sin j sin !: (2.25) dt dt Wir denieren den Vektor der (momentanen) Winkelgeschwindigkeit ~! als den Vektor, dessen Richtung durch die (momentane) Drehachse im Sinne einer Rechtsschraube gegeben ist und dessen Betrag durch j~!j = j'_ j bestimmt ist. Mit (2.25) folgt dann ;!
;! dAB = !~ AB dt
(2.26)
;!
Identizieren wir nunmehr AB der Reihe nach mit e0x, e0y und e0z , so erhalten wir fur die gesuchten zeitlichen Ableitungen der Basisvektoren in 0 de0x = ~! e0 de0y = ~! e0 de0z = ~! e0 (2.27) x dt y dt z dt und folglich gilt 0 de0y 0 de0z d e x 0 0 x dt + y dt + z dt = ~! r0 (2.28) Mit (2.20) und (2.28) lautet die Gleichung (2.19) dr = d0 r0 + dr0 + ~! r0 dt dt dt
(2.29)
2.1. DIE NEWTONSCHEN PRINZIPIEN
49
Die fur verschwindende Relativgeschwindigkeit v0 = 0 resultierende Geschwindigkeit dr0 + ~! r0 (2.30) dt wird auch Fuhrungsgeschwindigkeit genannt. Wegen r ; r0 = r0 folgt aus (2.29) dr0 = d0 r0 + ~! r0: (2.31) dt dt Aus der Art der Herleitung ist sofort ersichtlich, da die Gleichung (2.31) nicht nur fur den Vektor r0, sondern fur jeden Vektor
b = b0xe0x + b0y e0y + b0z e0z
(2.32)
gilt: db = d0b + ~! b: (2.33) dt dt Ist speziell b = ~!, so haben wir d~! = d0 ~! (2.34) dt dt d.h., der Vektor der Winkelgeschwindigkeit spielt eine besondere Rolle seine zeitliche A nderung ist in beiden Bezugssystemen die gleiche. Wir wollen die Beschleunigung berechnen. Aus (2.29) mit den Bezeichnungsweisen (2.21) { (2.23)] erhalten wir durch zeitliche Di erentiation dv = dv0 + dvtr + ~! dr0 + d~! r0: (2.35) dt dt dt dt dt Zur Berechnung von dv0=dt konnen wir wieder die Gleichung (2.33) anwenden: dv0 = d0v0 + ~! v0: (2.36) dt dt Ferner liefert die Gleichung (2.31) 0 (2.37) ~! ddrt = ~! v0 + !~ (~! r0): Wir setzen (2.36) und (2.37) in (2.35) ein und erhalten dv = d0 v0 + dvtr + d~! r0 + ~! (~! r0) + 2~! v0 dt dt dt dt
(2.38)
50
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Die Gro e dvtr=dt hei t auch Translationsbeschleunigung. Ferner wird die fur verschwindende Relativgeschwindigkeit v0 = 0 (und damit auch verschwindende Relativbeschleunigung dv0=dt = 0) resultierende Beschleunigung dvtr + d~! r0 + ~! (~! r0) (2.39) dt d t auch Fuhrungsbeschleunigung genannt, da sie (fur v0 = 0) gerade die zeitliche Ableitung der Fuhrungsgeschwindigkeit (2.30) ist. Als Coriolisbeschleunigung wird in der Regel die Gro e ;2~! v0
(2.40)
und als Zentrifugalbeschleunigung die Gro e ;~! (~! r0 )
(2.41)
bezeichnet. Grundgleichung der Dynamik Setzen wir in der in geltenden Grundgleichung
mr = F (2.42) fur r =dv=dt die Gleichung (2.38) ein, so erhalten wir als Grundgleichung in 0 (r0 = d0v0=dt) mr0 = F ; mr0 ; m~!_ r0 ; m~! (~! r0) ; 2m~! r_ 0
(2.43)
Im System 0 ist o ensichtlich das Grundgesetz der Mechanik in der Form mr0 = F nicht gultig, da auf der rechten Seite der Gleichung (2.43) au er der (im Intertialsystem auftretenden) Kraft F vier weitere Glieder { die Tragheitskrafte { auftreten. Ein Beobachter im System 0, der die Bewegung eines Massenpunkts (in 0) deuten will, mu also zu der am Massenpunkt angreifenden Kraft noch die vier Tragheitskrafte hinzunehmen. Ist speziell F = 0, so wird mittels der Tragheitskrafte gerade der E ekt der Tragheit eines Massenpunkts beschrieben, wonach sich ein sich selbst uberlassener Massenpunkt (im Inertialsystem ) beschleunigungsfrei bewegt. Die Gleichung (2.43) kann als Formulierung des Grundgesetzes der Mechanik in einem beliebigen Bezugssystem angesehen werden: Die Grundgleichung der Mechanik kann in jedem Bezugssystem angewendet werden, wenn zu der Kraft, die am Massenpunkt im Inertialsystem angreift, die Tragheitskrafte addiert werden. Zwei der Tragheitskrafte haben besondere Namen erhalten.
2.1. DIE NEWTONSCHEN PRINZIPIEN
51
Zentrifugalkraft: Fcen = ;m~! (~! r0) ω ω -ω
r (ω
r)
r
Corioliskraft: Fcor = ;2m~! v0 ω
-2 ω
v
v
Wenn man die an einem Massenpunkt angreifende Kraft als eine von den umgebenden materiellen Korpern bestimmte objektive Realitat ansieht, so kann diese von solchen mathematischen Hilfsmitteln wie der Wahl des Bezugssystems nicht abhangig sein. In diesem Sinne kann Kraft nur die oben mit F bezeichnete Gro e F genannt werden, die den Newtonschen Axiomen entsprechend die Beschleunigung des Massenpunkts im Inertialsystem bewirkt. Demgegenuber sind die Tragheitskrafte nicht wirkliche Krafte, sondern eher ktive Krafte. Man nennt sie deshalb auch Scheinkrafte im Gegensatz zu den als eingepragte Krafte bezeichneten wirklichen Kraften. Die Einfuhrung der Scheinkrafte ist sehr zweckma ig, da sich damit die mechanischen
52
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Erscheinungen in jedem Bezugssystem in bekannter Weise beschreiben lassen. Die Scheinkrafte au ern sich fur einen in 0 bendlichen Beobachter mit der gleichen Wirkung wie die eingepragten Krafte in und sind ebenso wie die eingepragten Krafte me bare Krafte. Galileisches Relativitatsprinzip Wir betrachten zwei relativ zueinander bewegte Bezugssysteme und 0 , wobei das System nicht notwendigerweise ein Inertialsysteme sein mu , und bezeichnen mit F~ die Resultante aus eingepragten Kraften und den in wirkenden Tragheitskraften. Von der Herleitung der Gleichung (2.43) ist klar, da auch im vorliegenden Fall die Grundgleichung in 0 auf (2.43) fuhrt, wenn dort unter F nunmehr die genannte Kraftresultante F~ verstanden wird. Fuhrt das System 0 relativ zum System nur eine gleichformig geradlinige Bewegung aus, d.h. r = ~r0 + r0 ~r_ 0 = const: ~! = 0 (2.44) dann treten in der in 0 geltenden Grundgleichung (2.43) keine aus der Bewegung von relativ zu 0 resultierenden (zusatzlichen) Tragheitskrafte auf, und die Grundgleichungen in und 0 lauten in : mr = F~ (2.45) 0 0 ~ in : mr = F (2.46) wobei die in den beiden Gleichungen auftretende Kraft F~ als Funktion der Koordinaten und Geschwindigkeiten in den beiden Systeme i. allg. nicht die gleiche Form besitzt, F~ = F ; mr0 ; m~!_ r ; m~! (~! r) ; 2m~! r_ = F ; mr0 ; m~!_ r0 ; m~! (~! r0) ; 2m~! r_ 0 ;m~!_ ~r0 ; m~! (~! ~r0 ) ; 2m~! ~r_ 0 : (2.47) Wenn speziell das System ein Intertialsystem ist, dann ist die Kraft in der Grundgleichung (2.45) als eine eingepragte Kraft, F~ = F, i. allg. eine Funktion des Orts, der Geschwindigkeit und der Zeit. Wenn wir ferner davon ausgehen, da eingepragte Krafte ihre Ursache in der Wechselwirkung eines Korpers mit anderen Korpern haben, dann konnen eingepragte Krafte nur von auf diese Korper bezogenen Lagen und Geschwindigkeiten abhangen. Anders ausgedruckt, sie konnen nur von irgendwelchen Koordinaten- und Geschwindigkeitsdi erenzen abhangen,
F = F(r ; rr r_ ; r_ r t)
(2.48)
so da die Grundgleichung (2.45) im Intertialsystem die Form
mr = F(r ; rr r_ ; r_ r t)
(2.49)
2.1. DIE NEWTONSCHEN PRINZIPIEN
53
annimmt. Die den U bergang zwischen zwei Bezugssystemen und 0 vermittelnde Transformation (2.44) hei t auch Galilei-Transformation. Ist ein Intertialsystem, dann nimmt die Grundgleichung (2.46) im relativ dazu unbeschleunigt bewegten Bezugssystem 0 o ensichtlich die gleiche Form wie im Intertialsystem an,
mr0 = F(r0 ; r0r r_ 0 ; r_ 0r t):
(2.50)
Wenn also das System ein Intertialsystem ist, dann ist auch jedes System 0 , das relativ zu eine unbeschleunigte Translationsbewegung ausfuhrt, ein Inertialsystem. Das hei t, wenn es ein Inertialsystem gibt, dann gibt es unendlich viele Intertialsysteme. Untersucht ein im Inertialsystem 0 bendlicher Beobachter in seinem System irgendeinen mechanischen Vorgang, ndet er sein Resultat gleich dem Resultat, zu dem ein im Inertialsystem bendlicher Beobachter bei der Untersuchung des Vorgangs in seinem System kommt. Folglich kann von keinem einzigen System , d.h. von keinem einzigen Punkt das Universums behauptet werden, da er in absoluter Ruhe ist, da dies mit demselben Recht von jedem System 0 , das relativ zu eine gleichformig geradlinige Translationsbewegung ausfuhrt, behauptet werden konnte. Mit keinem mechanischem Experiment kann zwischen und 0 unterschieden werden. In diesem Sinne konnen also keine absolute Ruhe und keine absolute Geschwindigkeit festgestellt werden. Obiger Sachverhalt wird auch als das Relativitatsprinzip der klassischen Mechanik bzw. Galileisches Relativitatsprinzip bezeichnet: Inertialsysteme, die relativ zueinander eine unbeschleunigte Translationsbewegung ausfuhren, sind fur die Beschreibung mechanischer Vorgange vollkommen gleichwertig. Im Hinblick auf die gleiche Form der Grundgleichungen (2.49) und (2.50) wird das Galileische Relativitatsprinzip also auch wie folgt formuliert: Die Grundgleichung der Mechanik ist gegenuber Galilei-Transformationen beim U bergang von einem Inertialsystem zu einem anderen forminvariant. Umgekehrt kann man sagen, da die durch die Erfahrung bestatigte Forminvarianz des Grundgesetzes der Mechanik beim U bergang von einem Inertialsystem zu einem anderen Inertialsystem bezuglich der analytischen Form der an einem Massenpunkt angreifenden (eingepragten) Krafte bedeutet, da diese nur von relativen Lagen und relativen Geschwindigkeiten abhangen konnen. Wir wollen annehmen, da sich 0 relativ zu gleichformig geradlinig langs der x-Achse bewegt, die mit der x0 -Achse zusammenfallen soll. Nehmen wir ferner an, da zum (gewahlten) Zeitnullpunkt die beiden Systeme zusammenfallen, dann lautet die Galilei-Transformation
x0 = x ; vtrt y0 = y z0 = z
(2.51)
54
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
wobei der Vollstandigkeit halber anzumerken ist, da
t0 = t
(2.52)
gilt, die Zeit also beim U bergang zwischen den beiden Inertialsystemen nicht transformiert wird. z
Σ
z
y
Σ
y x
x
vtr t
Die Forderung (2.52) ist nicht trivial und auch nicht universell gultig. Sie ist gultig, solange die betrachteten Geschwindigkeiten klein im Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit c = 3 108 ms;1 sind. Die Verallgemeinerung des Galileischen Relativitatsprinzips der Mechanik ist das Einsteinsche spezielle Relativitatsprinzip, nach welchem Bezugssysteme, die relativ zueienander eine unbeschleunigte Translationsbewegung ausfuhren, fur die Beschreibung aller physikalischen Erscheinungen aquivalent sind, und die Forminvarianz der entsprechenden Gleichungen Lorentz-Transformationen anstelle von Galilei-Transformationen erfordert. So ist die spezielle Galilei-Transformation (2.51) und (2.52) durch die spezielle LorentzTransformation (2.53) x0 = px ; vtr2 t 2 y0 = y z0 = z 1 ; vtr=c
t0 = tp; (vtr=c2 )x2 1 ; vtr=c 2
zu ersetzen. Fur
(2.54)
vtr 1 (2.55) c2 (nichtrelativistischer Grenzfall) gehen die Gleichungen (2.53) und (2.54) in die Gleichungen (2.51) und (2.52) uber.
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
55
2.2 Dynamik eines Massenpunkts Wie bereits erwahnt, ermoglicht das 2. Newtonsche Axiom die Losung von im wesentlichen zwei Arten von Problemen. (1) Berechnung der Kraft F, die auf einen Massenpunkt wirkt, wenn seine Bahnkurve r(t) bekannt ist. (2) Berechnung der Bahnkurve r(t) bei bekannter Kraft F. (3) Kraft und Bahnkurve sind teilweise bekannt. Die vollstandige Bahnkurve und die entsprechende Gesamtkraft sind zu berechnen. Obwohl durchaus von praktischer Bedeutung, sind Aufgaben der ersten Art von geringerem theoretischen Interesse, da sie auf reine Di erentiationsaufgaben hinauslaufen. Die eigentlichen Aufgaben der theoretischen Mechanik, denen wir uns im folgenden widmen wollen, sind solche der zweiten und dritten Art.
2.2.1 Bewegungsgleichungen
Das Problem der Bestimmung des Bewegungsablaufs eines im Raum (frei) beweglichen Massenpunkts stellt sich wie folgt dar. Die Masse m des Punkts und die auf ihn wirkende resultierende (Gesamt-)Kraft F, die i. allg. eine Funktion des Orts, der Geschwindigkeit und der Zeit ist, sind bekannt. Das hei t, das Kraftgesetz F = F(r r_ t) (2.56) ist gegeben. Die gesuchte Bahnkurve r(t) des Massenpunkts genugt der Grundgleichung der Dynamik mr = F(r r_ t): (2.57) Ihre Bestimmung erfordert die Integration dieser vektoriellen, gewohnlichen Di erentialgleichung 2. Ordnung. In Komponenten zerlegt, beinhaltet die Gleichung (2.57) drei gekoppelte Di erentialgleichungen, auch Bewegungsgleichungen des Massenpunkts genannt. Speziell in kartesischen Koordinaten lauten sie mx = Fx(x y z x_ y_ z_ t) my = Fy (x y z x_ y_ z_ t) mz = Fz (x y z x_ y_ z_ t): (2.58) Die allgemeine, sechs willkurliche Integrationskonstanten enthaltene Losung der Bewegungsgleichungen umfa t die Gesamtheit der Bewegungen, die das gegebene Kraftgesetz zula t. Eine bestimmte Bewegung wird dann eindeutig dadurch bestimmt, da die Integrationskonstanten durch gewisse Bedingungen festgelegt werden. Am haugsten werden Anfangsbedingungen gestellt, d.h., es werden Ort (r0) und Geschwindigkeit (v0) des Massenpunkts zu einer gewissen Anfangszeit (t0) vorgegeben, r0 = r(t0) v0 = r_ (t0): (2.59)
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KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Die Tatsache, da bei bekanntem Kraftgesetz und bekanntem Anfangszustand der Ablauf der Bewegung eines Massenpunkts eindeutig bestimmt ist, liefert ein charakteristisches Beispiel fur die Determiniertheit des Kunftigen durch das Gegenwartige. Diese Determiniertheit ist als gleichbedeutend mit der Kausalitat im mechanischen Geschehen anzusehen. Die Bewegungsgleichungen stellen Beziehungen zwischen zeitlich und raumlich unmittelbar benachbarten Bewegungszustanden dar und beschreiben den Bewegungsablauf im Kleinen. Dieser ist in der Regel einfacher und kompakter zu formulieren als der Bewegungsablauf im Gro en, der die explizite Angabe aller moglichen Bahnkurven erfordert. Dies ist nicht nur in der Mechanik der Fall und erklart, warum viele fundamentale Naturgesetze in Form von Di erentialgleichungen vorliegen. Die Bestimmung der Bahnkurve eines Massenpunkts erfordert folgende Schritte: (1) Au!nden bzw. Aufstellen des entsprechenden Kraftgesetzes und damit der Bewegungsgleichungen. (2) Integration der Bewegungsgleichungen. (3) Deutung und Fixierung der auftretenden Integrationskonstanten sowie physikalische Interpretation der Losung. Die (zumindest teilweise) Integration der Bewegungsgleichungen kann oft mit Hilfe von geeignet einzufuhrenden Gro en (wie Impuls, Drehimpuls, Energie) und den fur diese Gro en unter bestimmten Bedingungen geltenden Erhaltungssatzen erheblich erleichtert werden. So konnen bei bestimmten Klassen von Kraften auf Grund von Bilanzgleichungen und Erhaltungssatzen ein oder mehrere erste Integrale der Bewegungsgleichungen unmittelbar angegeben werden. Dabei wollen wir unter einem ersten Integral der Bewegungsgleichungen (d.h. der Di erentialgleichungen 2. Ordnung) eine Differentialgleichung 1. Ordnung der Form
f (r r_ t) = 0 (2.60) verstehen. In vielen Fallen kann man aus solchen Bewegungsintegralen bereits wichtige Schlusse uber den Bewegungsablauf ziehen, ohne die Bewegungsgleichungen vollstandig integrieren zu mussen.
2.2.2 Impulsbilanz
Beginnen wir mit der Impulsbilanz. Fur einen Massenpunkt ist sie trivial, da sie nichts anderes darstellt als die bereits erwahnte Form dp = F dt
(2.61)
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
57
des Grundgesetzes der Mechanik mit
p = mr_
(2.62)
als Impuls des Massenpunkts siehe (2.2) und (2.3)]. Als Bilanzgleichung aufgefa t, besagt die Gleichung (2.61): Die zeitliche A nderung des Impulses ist gleich der einwirkenden (Gesamt-) Kraft. Wenn keine Kraft wirkt, d.h. F = 0, gilt der Impulserhaltungssatz, dp = 0 p = const: (2.63) dt Das triviale Bewegungsintegral beinhaltet das bekannte Ergebnis, da sich ein kraftefreier Massenpunkt mit konstanter Geschwindigkeit entlang einer Geraden bewegt oder ruht. Wir werden spater sehen, da im Falle eines aus mehreren Massenpunkten bestehenden Systems Impulsbilanz und Impulserhaltung nicht trivial sind.
2.2.3 Energiebilanz
Eine an einem Massenpunkt m angreifende Kraft F leistet bei der Verschiebung des Massenpunkts langs einer Raumkurve C i. allg. eine Arbeit W . F C ϕ
P2
dr
P1
Fur eine hinreichend kleine Verschiebung dr ist die geleistete (innitesimale oder elementare) Arbeit dW wie folgt deniert: dW = F dr = jFjjdrj cos ' = Fsds
(2.64)
(Fs = jFj cos ' - Kraftkomponente in Richtung des Weges, ds = jdrj). dW ist positiv, negativ oder Null, je nachdem ob die Kraft F mit der Verschiebung dr einen spitzen, stumpfen oder rechten Winkel bildet. Negatives dW bedeutet o ensichtlich, da gegen die betrachtete Kraft Arbeit zu leisten ist, um die Verschiebung zu realisieren. Die gesamte Arbeit, die von der Kraft F bei der Verschiebung des Massenpunkts langs der
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KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Kurve C vom Punkt P1 bis zum Punkt P2 geleistet wird, ist dann das Linienintegral der Kraft langs C , Z W = F dr: (2.65) C
Die Arbeit hangt i. allg. von der Kraft, vom Anfangs- und Endpunkt des durchlaufenen Weges und von der Art des Weges zwischen diesen beiden Punkten ab. Als Leistung P wird die pro Zeiteinheit verrichtete Arbeit deniert, d.h. P = ddWt = F r_ : (2.66) Wir multiplizieren die vektorielle Bewegungsgleichung (2.57) skalar mit r_ ,
mr = F und nden Die Gro e
j r_
(2.67)
; mr r_ = ddt 12 mr_ r_ = F r_ :
(2.68)
T = 21 mr_ r_ = 12 mjr_ j2 (2.69) hei t Bewegungsenergie oder kinetische Energie des Massenpunkts, und die Gleichung (2.68) stellt eine Bilanzgleichung fur die kinetische Energie dar, dT = P dt
(2.70)
In Worten: Die zeitliche A nderung der kinetischen Energie ist gleich der Leistung der einwirkenden (Gesamt-)Kraft. Die di erentielle Formulierung (2.70) entspricht der integralen Formulierung Z 2
1
d.h.
dT =
Z 2
1
P dt =
Z 2
T2 ; T1 = W:
1
F dr
(2.71) (2.72)
Anmerkung Bei der Bilanz mussen alle Krafte berucksichtigt werden, da in der Grundgleichung F die Gesamtkraft bedeutet. Ziehen wir beispielsweise einen auf einer Unterlage reibenden Korper mit konstanter Geschwindigkeit, so leistet unsere Muskelkraft Arbeit,
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
59
obwohl sich die kinetische Energie des Korpers nicht andert. Letzteres bedeutet, da die Gesamtkraft verschwinden mu . Diese setzt sich o ensichtlich aus der Reibungskraft und der dem Betrag nach gleichen aber entgegengesetzt gerichteten Muskelkraft zusammen. Konservative Kraftfelder Ene Kraft hei t konservativ, wenn
F = F(r)
(2.73)
ist und es eine skalare Funktion U (r) gibt, so da
F = ;rU (r)
(2.74)
d (T + U ) = 0 dt
(2.82)
gilt. Mit anderen Worten, das nicht explizit zeitabhangige Vektorfeld F(r) la t sich aus einem skalaren Feld U (r) durch Gradientenbildung herleiten. In Komponentenschreibweise: (2.75) dU = rU dr = @Ui dxi @x @U gi (2.76) rU (r) = @x i F = Fi gi (2.77) @U : Fi = ; @x (2.78) i Speziell in kartesischen Koordinaten: @U F = ; @U : Fx = ; @U F (2.79) y=; @x @y z @z Im Falle eines konservativen Kraftfelds la t sich also die Gleichung (2.66) in die Form @U dxi = ; dU P = F r_ = ;rU r_ = ; @x (2.80) i dt dt bringen. Das hei t, die Leistung ist die negative totale zeitliche Ableitung der skalaren Funktion U . Damit wird aus (2.70) dT = P = ; dU (2.81) dt dt bzw.
60
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Aus der Bilanzgleichung fur die kinetische Energie wird der Energieerhaltungssatz
T + U = 21 mjr_ j2 + U (r) = E = const:
(2.83)
Die Gro e U hei t potentielle Energie oder auch einfach Potential, und E ist als Summe aus kinetischer und potentieller Energie die (mechanische) Gesamtenergie des Massenpunkts. Der Energieerhaltungssatz (2.83) fur konservative Systeme stellt o ensichtlich ein (nicht triviales) Bewegungsintegral dar. Wir wollen die Frage beantworten, wann eine Kraft F(r) ein Potential besitzt. Aus F = ;rU (r) (2.84) folgt wegen r rU = 0 (2.85) da die Rotation der Kraft verschwinden mu oder, wie man auch sagt, das Kraftfeld wirbelfrei sein mu , rF=0 (2.86) bzw. in Komponentenschreibweise:
Man beachte, da
@Fl = 0: ikl @x k
(2.87)
@Fl r F = gi ikl @x k
(2.88)
gilt. Die Wirbelfreiheit des Kraftfeldes kann also als notwendige Bedingung dafur angesehen werden, da das Kraftfeld ein Potential besitzt. Aus (2.84) folgt ferner, da das Wegintegral der Kraft, d.h. die geleistete Arbeit der Kraft langs der Kurve C zwischen den Punkten P1 und P2 , unabhangig von der Art der durchlaufenen Kurve ist und nur vom Anfangs- und Endpunkt abhangt: Z P2
P1
F dr = ;
Z P2
P1
rU dr = ;
Z P2
P1
dU = U1 ; U2
(2.89)
Ui = U (Pi )]. Wird eine geschlossene Kurve (C ) durchlaufen, so da Anfangs- und Endpunkt zusammenfallen, dann gilt o ensichtlich Z
I
(C )
F dr = F dr = 0:
(2.90)
Das Wegintegral der Kraft langs einer beliebigen, geschlossenen Kurve verschwindet also.
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
61
F
ϕ
dr (C )
P1 = P2
Nun gilt der Stokessche Satz, Z
(C )
F dr =
Z
A
dA (r F)
(2.91)
wobei A eine beliebige, von (C ) berandete Flache bedeutet.
dA
A (C )
Der Stokessche Satz impliziert, da Unabhangigkeit des Wegintegrals der Kraft von der Art der durchlaufenen Kurve aquivalent zur Wirbelfreiheit der Kraft ist. Damit kann die Wirbelfreiheit der Kraft als notwendige und hinreichende Bedingung fur die Existenz eines Potentials angesehen werden. Ist (2.86) erfullt, so folgt aus dem Stokesschen Satz (2.91), da (2.90) gilt. Damit kann aber eine (bis auf eine unwesentliche Konstante) eindeutige Funktion U (r) deniert werden,
U (r) = U (r0 ) ;
Z P
P0
F(r0) dr0
(2.92)
62
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
so da
rU (r) = ;F(r)
(2.93) gilt P0 =b r0, P =b r]. Wegen der Wegunabhangigkeit des Integrals in (2.92) kann die Integration beispielsweise langs C in der Abbildung ausgefuhrt werden. z C
P = (x,y,z)
C
P0 = (x0,y0,z0 )
y x
U (x y z) = U (x0 y0 z0) ; ;
Z y
y0
Z x
x0
dy0 F
dx0 Fx(x0 y0 z0 )
0 y (x y z0 ) ;
Z z
z0
dz0 Fz (x y z0)
(2.94)
Di erentiation nach x ergibt @U = ;F (x y z ) x 0 0 @x Z y Z z @F @F y (x y 0 z0 ) z (x y z 0 ) 0 0 ; dy ; dz @x @x y0 z0 | {z } | {z } @Fx (xy 0 z0 ) @y 0
@Fx (xyz 0 ) @z 0
= ;Fx (x y0 z0) ; Fx(x y z) + Fx(x y z0) ; Fx (x y z ) + Fx (x y z0 ) = ; Fx(x y z) und analog ndet man fur die beiden ubrigen Ableitungen @U = ;F (x y z) @U = ;F (x y z) y z @y @z
(2.95) (2.96)
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
63
womit (2.93) bewiesen ist. Die Antwort auf die Frage, ob r F = 0 gilt, beantwortet also die Frage, ob ein Potential existiert. Ist r F =0, dann existiert ein Potential und kann gema (2.92) berechnet werden. Das Potential ist nur bis auf eine additive Konstante bestimmt. Deswegen kann das Potential in einem willkurlich gewahlten Bezugspunkt P0 Null gesetzt werden, U (r0 ) = 0 (2.97) und folglich Z P Z P0 0 0 U (r) = ; F(r ) dr = F(r0) dr: (2.98) P0
P
Haug wird P0 mit dem unendlich fernen Punkt identiziert. Aus (2.98) erschlie t sich folgende physikalische Bedeutung des Potentials U (r) eines Massenpunkts im Kraftfeld F(r). Der Wert des Potentials in einem Punkt P =b r ist gleich der Arbeit, die gegen die Kraft F geleistet werden mu , wenn der Massenpunkt vom Bezugspunkt P0 in den Punkt P verschoben wird. Alternativ, es ist die Arbeit, die die Kraft F bei einer Verschiebung des Massenpunkts vom Punkt P in den Bezugspunkt P0 leistet. Man spricht von U (r) auch anschaulich als von einem "Potentialgebirge\. Fur quipotentialachen, Flachen gleichen Potentials, A
U = const: gilt
dU = 0
(2.99)
rU dr = 0 dr ? rU:
(2.100) Da dr in einer A quipotentialache liegt, steht der Gradient rU senkrecht auf der A quipotentialache, so da es keine Kraftkomponente in dieser Flache gibt. Auf A quipotentialachen bewegt sich der Massenpunkt also kraftefrei. Der starkste Anstieg des Potentials ist o ensichtlich in Richtung des Gradienten zu verzeichnen, dr k rU
dU = jrU jjdrj (2.101) d.h., die Kraft F steht senkrecht auf der jeweiligen A quipotentialache und zeigt in Richtung des starksten Potentialgefalles. Falls die Kraft F immer senkrecht auf der Geschwindigkeit r_ steht, verschwindet die Leistung, F ? r_ P = F r_ = 0 (2.102) und aus der Bilanzgleichung (2.70) fur die kinetischen Energie wird ein Erhaltungssatz fur die kinetische Energie, dT = 0 (2.103) dt bzw. T = const: (2.104)
64
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
In diesem Fall ist also die potentielle Energie identisch gleich Null, und das Kraftfeld kann nicht als Gradient eines skalaren (Potential-)Feldes dargestellt werden. Ein typisches Beispiel ist die Lorentzkraft auf eine elektrische Ladung q im Magnetfeld B, F = qr_ B F r_ = 0: (2.105) Nichtkonservative Krafte Betrachten wir ein explizit zeitabhangiges Kraftfeld
F = F(r t):
(2.106)
Ist das Kraftfeld zu jedem Zeitpunkt wirbelfrei,
r F(r t) = 0:
(2.107)
dann kann ein solches Kraftfeld naturlich auch als Gradient einer skalaren Funktion dargestellt werden, d.h., es kann ein explizit zeitabhangiges Potential U (r t) eingefuhrt werden, F(r t) = ;rU (r t): (2.108) Ein solches Kraftfeld ist nicht konservativ, und es gilt kein (mechanischer) Energieerhaltungssatz, wie die folgende Rechnung zeigt: dT = F r_ = ;rU r_ dt @U dxi ; @U + @U = ; @x i dt @t} @t | {z
(2.109)
; ddUt
d (T + U ) = @U dt @t
(2.110)
Die zeitliche A nderung der (mechanischen) Energie des betrachteten Massenpunkts ist bestimmt durch die partielle Zeitableitung der potentiellen Energie. Dieser Sachverhalt bringt zum Ausdruck, da dem Massenpunkt durch eine zeitlich kontrollierte (au ere) Krafteinwirkung in denierter Weise Energie zugefuhrt bzw. entzogen werden kann. Je nachdem ob das Potential zeitunabhangig oder zeitabhangig ist, spricht man auch von einem stationaren bzw. nichtstationaren Potentialfeld. Krafte, die aus einem Potential ableitbar sind, werden auch Potentialkrafte genannt. Krafte, die die Energie eines Massenpunkts nicht erhalten, werden (im Gegensatz zu konservativen Kraften) auch als dissipative Krafte bezeichnet. Dazu gehoren i. allg. Krafte, die explizit von der Zeit und/oder der Geschwindigkeit abhangen oder
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
65
rein ortsabhangige Krafte, die nicht wirbelfrei sind.3 Ein Beispiel fur ein nicht wirbelfreies Kraftfeld ware ein Kraftfeld, dessen Feldlinien konzentrische Kreise sind. Es ist klar, da die langs eines solchen Kreises geleistete Arbeit nicht verschwinden kann, da Fdr langs des Kreises uberall dasselbe Vorzeichen hat. Fur nichtkonservative Krafte gilt keine Erhaltung der mechanischen Energie E = T + U . Bei Bewegungen, die mit solchen Kraften zusammenhangen, spielen nicht nur rein mechanische Energieformen des betrachteten Systems eine Rolle, sondern auch andere Energieformen (z.B. Warme) sowie Wechselwirkungen des betrachteten Systems mit seiner Umgebung. Im allgemeinen unterliegt ein Massenpunkt sowohl konservativen als auch dissipativen Kraften, F = F(cons)(r) + F(diss) (r r_ t) (2.111) (cons) F (r) = ;rU (r) (2.112) und die mechanische Energiebilanz kann in der allgemeinen Form d (T + U ) = P (diss) = F(diss) r_ dt
(2.113)
geschrieben werden. In Worten ausgedruckt, die zeitliche A nderung der mechanischen Energie ist gleich der Leistung der dissipativen Krafte. Sind alle Krafte konservativ, bleibt die mechanische Energie erhalten. Insgesamt geht naturlich auch bei Anwesenheit dissipativer Krafte keine Energie verloren. Die Erfahrung besagt, da stets ein allgemeiner Energieerhaltungssatz existiert, der viel umfassender als der mechanische ist, und die Erhaltung der Summe aller Energieformen in einem abgeschlossenen System ausdruckt. Einfache Beispiele Schwerkraft Die Kraft im oberachennahen, homogenen Gravitationsfeld der Erde
F = ;mg ez
(2.114)
(kartesisches Koordinatensystem mit vertikal nach oben gerichteter z-Achse) ist konservativ. Das Potential lautet
U (x y z) =
Z z
0
dz0 mg = mgz
(2.115)
und folglich gilt fur einen Massenpunkt unter dem Einlu der Schwerkraft der Energieerhaltungssatz 1 mv 2 + mgz = E = const: (2.116) 2 Der Begri der dissipativen Kraft wird nicht einheitlich verwendet. So werden in einem engeren Sinne Potentialkrafte nicht zu den dissipativen Kraften gezahlt. 3
66
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
mit
v2 = x_ 2 + y_ 2 + z_ 2 : (2.117) Bewegt sich der Massenpunkt in der Luft oder in einem anderen Medium, so wirkt auf ihn au er der Schwerkraft noch eine durch das Medium bedingte Reibungskraft F(diss), die zum Ausdruck bringt, da das Medium der Bewegung des Massenpunkts Widerstand leistet und versucht die Bewegung abzubremsen { die Bewegung gedampft ist. In vielen Fallen kann diese dissipative Kraft proportional zur Geschwindigkeit und entgegengesetzt zu ihr gerichtet angenommen werden, F(diss) = ; r_ (2.118) ( - Reibungs- oder Dampfungskoe!zient). In diesem Fall gilt fur die mechanische Energie E = 21 mv2 + mgz (2.119) des Massenpunkts die Bilanzgleichung dE = ; v2 (2.120) dt wie man sich mit Hilfe der allgemeinen Bilanzgleichung (2.113) leicht uberzeugen kann. Die mechanische Energie des Massenpunkts nimmt also wegen der Reibung standig ab. Diese Energie wird von den Teilchen des umgebenden Mediums aufgenommen, so da insgesamt keine Energie verlorengeht. Linearer (harmonischer) Oszillator Fur kleine Auslenkungen hat eine Feder die Eigenschaft, da die rucktreibende Kraft proportional zur Auslenkung ist. Im Falle einer eindimensionalen Bewegung langs der x-Achse (mit der Gleichgewichtslage bei x = 0) haben wir also F = ;kx ex (2.121) (k - Federkonstante, k> 0) und folglich lautet die Bewegungsgleichung (in x-Richtung) eines mit der Feder verbundenen Massenpunkts mx = ;kx (2.122) bzw. x + !2x = 0 (2.123) 2 (! = k=m), d.h. die Di erentialgleichung einer harmonischen Schwingung (Abschnitt 1.3.3.1). m F 0
x
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
67
Die Kraft (2.121) ist naturlich konservativ,
U (x) =
Z x
0
dx0 kx0 = 12 kx2
(2.124)
so da Energieerhaltung gilt, 1 2 1 2 2 mx_ + 2 kx
= E = const:
(2.125)
In der Praxis wird die Bewegung des Massenpunkts (auf Grund von innerer Reibung der Feder) nach einer gewissen Zeit zur Ruhe kommen. Die Feder nimmt Energie auf und erwarmt sich dabei. Der E ekt der Dampfung kann in vielen Fallen auch hier wieder durch eine dissipative Kraft bechrieben werden, die proportional zur Geschwindigkeit des Massenpunkts und entgegengesetzt zur ihr gerichtet ist,
F(diss) = ; x_ ex
(2.126)
so da die Bewegungsgleichung eines gedampften linearen Oszillators
mx = ;kx ; x_
(2.127)
lautet. Entsprechend (2.113) gilt dann fur die mechanische Energie des Massenpunkts,
E = 21 mx_ 2 + 21 kx2
(2.128)
die Bilanzgleichung
dE = ; x_ 2 : (2.129) dt Die Ergebnisse konnen leicht auf einen dreidimensionalen, isotropen Oszillator ausgedehnt werden. Von einem solchen (im Sinne eines ungedampften Oszillators) spricht man, wenn ein Massenpunkt (z.B. ein Atom in einem Kristallgitter) bei einer Auslenkung aus der Ruhelage (bei r = 0) mit einer richtungsunabhangigen (d.h. isotropen), dem Betrag der Auslenkung proportionalen Kraft zuruckgezogen wird,
F = ;kr
mr = ;kr:
(2.130)
Man uberzeugt sich leicht, da die Kraft (2.130) ebenfalls konservativ ist,
U (r) = 21 kjrj2 = 12 kr2 (r - Kugelkoordinatenradius).
(2.131)
68
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
2.2.4 Drehimpulsbilanz
Wir multiplizieren die vektorielle Bewegungsgleichung (2.57) vektoriell mit r, r j mr = F (2.132) und erhalten mr r = r F: (2.133) Wegen d (r r_ ) = r_ r_ +r r (2.134) | {z } dt folgt also die Bilanzgleichung
fur den Drehimpuls wobei die Gro e
0
dL = M dt
(2.135)
L = mr r_ = r p
(2.136)
M=rF
(2.137) auf der rechten Seite der Gleichung (2.135) als Drehmonent bezeichnet wird. In Worten: Die zeitliche A nderung des Drehimpulses ist gleich dem einwirkenden (Gesamt-)Drehmonent. Ist speziell M = 0, dann gilt Drehimpulserhaltung, dL = 0 L = const: (2.138) dt und somit stellt mr r_ = const: (2.139) ein (vektorielles) Bewegungsintegral dar. M = 0 gilt naturlich immer fur den trivialen Fall F = 0. Dann liefert der Drehimpulserhaltungssatz o ensichtlich keine neuen Erkenntnisse, die uber den Impulserhaltungssatz hinausgehen. Fur F 6= 0 ist M = 0 erfullt, falls F und r parallel bzw. antiparallel gerichtet sind, M = 0 =b F "" bzw: "# r: (2.140) Derartige Krafte hei en Zentralkrafte. Ihre allgemeinste Form ist F = f (r r_ t) r : (2.141) jrj
Drehimpulserhaltung gilt also genau dann, wenn sich der Massenpunkt unter dem Einu einer Zentralkraft bewegt. Eine Konsequenz des Drehimpulserhaltungssatzes ist der Flachensatz.
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
69
dr dA r
Das (vektorielle) Flachenelement dA, das von r und dr aufgespannt wird, ist bekanntlich dA = 21 r dr (2.142) (man beachte die geometrische Bedeutung des Vektorprodukts), und folglich gilt fur die Flachengeschwindigkeit dA = 1 r r_ = 1 L: (2.143) dt 2 2m In Worten ausgedruckt, die zeitliche A nderung der Flachengeschwindigkeit eines Massenpunkts ist proportional zu seinem Drehimpuls. Konstanter Drehimpuls bedeutet also eine konstante Flachengeschwindigkeit, (2.144) L = const: ddAt = const: Dieser Sachverhalt { auch als Flachensatz bezeichnet { kann auch wie folgt formuliert werden. Unter der Wirkung einer Zentralkraft ist die Flachengeschwindigkeit eines Massenpunkts konstant, d.h., (a) die Bewegung erfolgt in einer Ebene senkrecht zum Drehimpuls, und (b) der Radiusvektor (auch Fahrstrahl genannt) uberstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flachen. Der Drehimpulserhaltungssatz (Flachensatz) ist eine Vektorgleichung und enthalt demzufolge drei Integrationskonstanten. Zwei von diesen bestimmen die Bahnebene, d.h. die Richtung der Normalen, die dritte legt den Betrag der Flachengeschwindigkeit in der Bahnebene fest. Wahlen wir die xy-Ebene eines kartesischen Koordinatensystems als die Bahnebene, so lautet wegen L = m(xy_ ; yx_ )ez (2.145) die Gleichung, die den Betrag der Flachengeschwindigkeit festlegt, xy_ ; yx_ = const: (2.146)
70
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
L
ϕ
y
r
x
Verwenden wir in der xy-Ebene Polarkoordinaten, so gilt
r = % e% r_ = %_ e% + %'_ e'
(2.147)
L = m%2 '_ ez
(2.148)
%2 '_ = const:
(2.149)
und der Betrag der Flachengeschwindigkeit wird uber die Gleichung festgelegt. Anmerkungen { Unter Zentralkraften im engeren Sinne versteht man haug solche Zentralkrafte, deren Betrag nur vom Abstand r = jrj vom Zentrum abhangt,
F = f (r) rr :
(2.150)
Ein solches Zentralkraftfeld ist konservativ und besitzt das Potential
U (r) = ; Speziell fur
Z r
r0
dr0 f (r0):
(2.151)
(2.152) f (r) = ; r 2 (Gravitationskraft, Coulomb-Kraft) lautet das Potential (r0 = 1) U (r) = ; r : (2.153) Fur die Bewegung eines Massenpunkts unter dem Einu einer Zentralkraft im engeren Sinne gilt also neben dem Drehimpulserhaltungssatz auch der Energieerhaltungssatz.
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
71
{ Wenn die auf einen Massenpunkt wirkende Kraft immer parallel oder antiparallel zu einer Geraden ist, die durch eine feste Achse geht, spricht man von einer Axialkraft. In diesem Fall gilt Drehimpulserhaltung bezuglich der Projektion der Bahn auf eine zu der Achse senkrechten Ebene. z
F
r
y
x ρ
Die Achse sei die z-Achse eines kartesischen Koordinatensystems, und die Gerade liege immer in der %z-Ebene (ebene Polarkoordinaten in der xy-Ebene). Mit r = % e% + z ez (2.154) und F = F% e% + Fz ez (2.155) folgt M = (zF% ; %Fz ) e': (2.156) Das hei t, das Drehmonent besitzt keine z-Komponente, Mz = 0 (2.157) so da die z-Komponente des Drehimpulses erhalten bleibt, dLz = 0 L = const: (2.158) z dt Die Gleichung xy_ ; yx_ = const: (2.159) bzw. %2 '_ = const: (2.160) stellt also im Falle von Axialkraften ein erstes Integral der Bewegungsgleichungen dar.
72
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
2.2.5 Erhaltungssatze und Integration der Bewegungsgleichungen
Wie bereits bemerkt, konnen Erhaltungssatze vorteilhaft bei der Integration der Bewegungsgleichungen eingesetzt werden. Fur den Fall eines (einzigen) Massenpunkts ist Impulserhaltung von geringem Interesse, da dies bekanntlich bedeutet, da der Massenpunkt eine geradlinig gleichformige Bewegung ausfuhrt (oder ruht). Die interessanten Falle sind naturgema diejenigen, bei denen sich der Massenpunkt unter dem Einu von Kraften bewegt,
mr = F 6 0:
(2.161)
Energieerhaltung und Drehimpulserhaltung ermoglichen dann ein allgemeines Integrationsverfahren zur vollstandigen Losung der Bewegungsgleichungen. Wir wollen zunachst eine eindimensionale Bewegung langs einer denierten Achse, der x-Achse, betrachten. Da Ortsvektor, Geschwindigkeitsvektor und Kraftvektor nur x-Komponenten besitzen sollen, gilt o ensichtlich Drehimpulserhaltung mit L =0, was gerade Ausdruck der Tatsache ist, da es sich um eine geradlinige Bewegung handelt. Ist die Kraft konservativ, F = F (x) ex (2.162) dann gilt Energieerhaltung 1 2 2 mx_ + U (x) = E
mit
U (x) = ;
Aus (2.163) folgt zunachst
Z x
x0
= const:
dx0 F (x0):
x_ 2 = m2 E ; U (x)]
bzw.
x_ = ddxt = Separation der Variablen liefert dann
r
2 E ; U (x)] : m
(2.163) (2.164) (2.165) (2.166)
dx 2 E ; U (x)] =m
(2.167)
dx + const: 2 E ; U (x)] =m
(2.168)
dt = p und nach Integration
t=
Z p
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
73
Die Energie und die Integrationskonstante in (2.168) spielen die Rolle der beiden freien Konstanten in der Losung der Bewegungsgleichung mx = F (x). Die Gleichung (2.168) bestimmt t(x), deren Umkehrung x(t) liefert. Die Bestimmung der Umkehrfunktion kann in der Praxis manchmal etwas kompliziert sein, so da man unter Umstanden durch direkte Integration der Bewegungsgleichung schneller zum Ziel kommt. Wegen x_ 2 0 mu gema (2.165) E ; U (x) 0 gelten, d.h., die Bewegung kann nur in solchen Gebieten verlaufen, wo
U (x) E
(2.169)
gilt. U
E
x1
x2
x3 x
So sind die erlaubten Bereiche in der Abbildung
x1 x x2 x3 x:
(2.170)
Die Punkte, in denen die potentielle Energie gleich der Gesamtenergie ist,
U (x) = E
(2.171)
bestimmen die Grenzen der Bewegung. In diesen Umkehrpunkten kehrt die Geschwindigkeit gerade ihr Vorzeichen um. Wenn das fur die Bewegung zulassige Gebiet auf beiden Seiten durch Umkehrpunkte begrenzt ist, verlauft die Bewegung in einem endlichen Gebiet { die Bewegung ist nit. Wenn das Gebiet nicht oder nur auf einer Seite begrenzt ist, wird die Bewegung innit und der Massenpunkt lauft ins Unendliche. In unserem Beispiel (Abbildung) kann der Massenpunkt fur das gegebene (feste) E zwischen x1 und x2 eine periodische Bewegung (i. allg. naturlich keine
74
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
harmonische Schwingung) ausfuhren und fur x x3 falls dort immer U (x) < E ist] eine Bewegung, bei der der Massenpunkt aus dem Unendlichen kommt, bei x = x3 reektiert wird (der Potentialwall zwischen x3 und x2 hindert ihn daran, das innere Gebiet zu erreichen) und ins Unendliche zurucklauft. Mogliche Ruhelagen des Massenpunkts sind die Stellen, wo keine Kraft auf ihn wirkt (sofern sie energetisch erreichbar sind). Dies sind o ensichtlich die Punkte mit dU = 0 (2.172) dx also die Extrema des Potentials. In einem Maximum liegt der Massenpunkt labil. Bei einer kleinen Abweichung unterliegt er einer Kraft in Richtung des Potentialabfalls und "gleitet den Potentialberg hinab\. Demgegenuber liegt der Massenpunkt in einem Minimum des Potentials stabil. Bei einer Abweichung wird er durch die wirkende Kraft immer wieder in die Ausgangslage zuruckgezogen. Wenden wir uns nun der dreidimensionalen Bewegung zu. Gelten in diesem Fall sowohl Drehimpulserhaltung als auch Energieerhaltung, so ist die Kraft eine konservative Zentralkraft (2.173) F = f (r) rr und die (vektorielle) Bewegungsgleichung lautet mr = f (r) rr : (2.174) Das Potential kann gema Z r U (r) = ; dr0 f (r0) (2.175) r0
berechnet werden siehe (2.150) und (2.151)]. Wie wir wissen, erfolgt im Falle L = const: die Bewegung in einer Ebene senkrecht zu L, die wir ohne Beschrankung der Allgemeinheit als xy-Ebene eines kartesischen Koordinatensystems wahlen konnen (L parallel bzw. antiparallel zur z-Achse). In dieser xy-Ebene wahlen wir zweckma igerweise Polarkoordinaten, r = % e% r_ = %_ e% + %'_ e' (2.176) z L
ϕ x
y
r ρ
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
75
und die Erhaltungssatze liefern (Lz L). Aus (2.177) folgt
m%2 '_ = L 1 m ;%_ 2 + %2 '_ 2 + U (%) = E 2
(2.177) (2.178)
L '_ = m% 2
(2.179)
1 2 2 m%_ + Ue (%) = E
(2.180)
L2 Ue (%) = U (%) + 2m% 2
(2.181)
so da '_ in (2.178) eliminiert werden kann, und das e ektive Potential
lautet. Die Gleichung (2.180) hat die gleiche Form wie die Gleichung (2.163) fur die eindimensionale Bewegung, so da vollig analog zu (2.165) { (2.168) vorgegangen werden kann: %_2 = m2 E ; Ue (%)] (2.182) r d % %_ = dt = m2 E ; Ue (%)] (2.183) d% (2.184) dt = p 2 E ; Ue (%)] =m
t=
Z
d% + const: 2 E ; Ue (%)] =m
p
(2.185)
Damit ist t(%) bestimmt. Bildung der Umkehrfunktion liefert dann %(t). Aus %(t) kann dann auch '(t) bestimmt werden. Dazu fassen wir % als Funktion %'(t)] auf und bemerken, da wegen (2.179) d% = d% d' = d% L (2.186) dt d' dt d' m%2 gilt, woraus mit (2.183) r
d% = m%2 d% = m%2 2 E ; U (%)] e d' L dt L m folgt. Separation der Variablen liefert L p d% d' = m %2 2 E ; Ue (%)] =m
(2.187) (2.188)
76
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
woraus sich nach Integration Z L d% + const: ' = m 2p % 2 E ; Ue (%)] =m
(2.189)
ergibt. Damit ist '(%) bestimmt und mit %(t) auch '(t). Die Gleichungen (2.185) und (2.189) losen die gestellte Aufgabe { Integration der Bewegungsgleichungen { in allgemeiner Form. Die Bahngleichung (2.189) bestimmt als Beziehung zwischen % und ' die geometrische Form der Bahn. Die Gleichung (2.185) bestimmt in impliziter Form die Zeitabhangigkeit des Abstands des Massenpunkts vom Zentrum. Aus (2.179) ist ersichtlich, da sich der Winkel ' stets monoton mit der Zeit andert, da '_ niemals das Vorzeichen wechselt. Falls L = 0 ist, d.h. '_ = 0 und somit ' = const:, liegt der Spezialfall einer eindimensionalen Bewegung vor. Die obige Rechnung zeigte, da der Radialteil der Bewegung immer als eindimensionale Bewegung in einem Feld mit dem e ektiven Potential (2.181) aufgefa t werden kann. Die zum Potential U (%) hinzutretende Gro e L2 =(2m%2 ) wird manchmal auch Zentrifugalenergie genannt. Die %-Werte, bei denen
%_ = 0
L2 = E Ue (%) = U (%) + 2m% 2
(2.190)
ist, bestimmen die Grenzen des Bewegungsbereichs. Obwohl an den durch (2.190) denierten Punkten die radiale Geschwindigkeit %_ gleich Null wird, bedeutet dies im Gegensatz zu einer echten eindimensionalen Bewegung aber nicht, da der Massenpunkt anhalt, da die Winkelgeschwindigkeit '_ an diesen Punkten i. allg. nicht verschwindet. Die Gleichung %_ = 0 bestimmt die Umkehrpunkte der Bahn in ihnen hat die Funktion %(t) ein Minimum %min oder Maximum %max. Wenn der zulassige %-Bereich,
nur durch die eine Bedingung
Ue (%) E
(2.191)
% %min
(2.192)
eingeschrankt wird, ist die Bewegung des Massenpunkts innit. Der Massenpunkt kommt beispielsweise aus dem Unendlichen und verschwindet wieder im Unendlichen. Liegen dagegen die zulassigen %-Werte zwischen zwei endlichen Grenzen %min und %max, so ist die Bewegung nit, und die Bahn verlauft vollstandig in dem ringformigen Gebiet, das durch die Kreise % = %min und % = %max begrenzt wird.
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
77
ρmax
ρmin
∆ϕ
Die Bahn mu dabei keineswegs geschlossen sein. Wahrend sich % von %max bis %min und wieder bis %max andert, dreht sich der Radiusvektor um den Winkel #':, fur den gema (2.189) Z %max L d% p #' = 2 (2.193) 2 m %min % 2 E ; Ue (%)] =m folgt. Die Bahn bildet nur dann eine geschlossene Kurve, wenn dieser Winkel ein rationaler Teil von 2 ist, d.h. #' = 2 m (2.194) n (m n ganz, teilerfremd). Nach n-maliger Wiederholung der zugehorigen Zeitperiode fallt der Radiusvektor des Massenpunkts mit seinem Ausgangswert wieder zusammen, und die Bahnkurve schlie t sich. Solche Falle sind jedoch Ausnahmen, und bei beliebigem Potential U (%) wird der Winkel #' kein rationaler Teil von 2 sein. Darum ist die Bahn bei niter Bewegung i. allg. nicht geschlossen. Sie lauft unendlich oft durch die beiden Umkehrpunkte und uberstreicht in unendlich langer Zeit die gesamte Ringache zwischen den beiden begrenzenden Kreisen. Es existieren nur zwei Typen von Zentralfeldern, in denen alle Bahnen niter Bewegung geschlossen sind, namlich U (%) %1 und U (%) %2 : (2.195) p In den Umkehrpunkten %min und %max wechselt die Quadratwurzel 2E ; Ue (%)]=m in (2.183) fur %_ das Vorzeichen, r %_ = m2 E ; Ue (%)] : (2.196) Positives Vorzeichen: % nimmt mit wachsender Zeit zu der Massenpunkt bewegt sich in Richtung maximaler Entfernung vom Zentrum.
78
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Negatives Vorzeichen: % nimmt mit wachsender Zeit ab der Massenpunkt bewegt sich in Richtung minimaler Entfernung vom Zentrum. Wenn man der Richtung des Radiusvektors eines Umkehrpunkts mit beispielsweise maximaler Entfernung vom Ursprung den Winkel '(%max) zuordnet, so gilt gema (2.189) Z % L d%0 p ' ; '(%max) = m : (2.197) %max %0 2 2 E ; Ue (%0 )] =m Die Punkte mit gleichen %-Werten auf den in diesem Umkehrpunkt aneinander grenzenden Bahnabschnitten nur durch das Vorzeichen von ' ; '(%max). Die Bahn ist also symmetrisch bezuglich der erwahnten Richtung. y r> = r< r> δϕ
r max
δϕ r< x
Verfolgen wir die Bahn ausgehend von dem gewahlten Punkt maximaler Entfernung vom Zentrum, so gelangen wir zum nachsten Umkehrpunkt minimaler Entfernung vom Zentrum und durchlaufen dann einen symmetrisch zum ersten liegenden Bahnabschnitt bis zum nachsten Umkehrpunkt maximaler Entfernung vom Zentrum. Das la t sich in beiden Richtungen beliebig oft wiederholen, und man sieht, da die Kenntnis einer Halbschleife (von %min bis zum nachsten %max) genugt, um die ganze Bahn zu konstruieren. A hnliches gilt auch fur innite Bahnen, die aus zwei symmetrischen A sten bestehen, die vom Umkehrpunkt (minimaler Entfernung vom Zentrum) ins Unendliche laufen. Die Zentrifugalenergie L2=(2m%2 ) (L 6= 0), die zur potentiellen Energie U (%) hinzutritt und fur % ! 0 wie %;2 gegen 1 geht, fuhrt gewohnlich dazu, da ein bewegter Massenpunkt niemals zum Zentrum des Kraftfeldes gelangen kann, auch dann nicht, wenn die Kraft anziehend ist. Der Massenpunkt kann nur dann in das Zentrum "fallen\, wenn die potentielle Energie fur % ! 0 genugend schnell gegen ;1 geht. Aus der Ungleichung L2 0 E ; U (%) ; 2m% (2.198) 2
bzw.
2 %2 U (%) + 2Lm E%2
(2.199)
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
79
folgt, da % nur dann Null werden kann, wenn die Bedingung 2 %2 U (%)%!0 ; 2Lm
(2.200)
erfullt ist. Mit anderen Worten, U (%) mu entweder wie ; =%2 mit L2 =(2m) oder wie ;1=%n mit n > 2 gegen ;1 streben.
2.2.6 Spezielle Probleme 2.2.6.1 Freier Fall im inhomogenen Schwerefeld der Erde Wir betrachten zwei Korper (Massenpunkte) der Massen m1 und m2 an den Orten r1 und r2, die gravitativ miteinander wechselwirken. Die Kraft auf den Korper der Masse m1 lautet 1 m2 r1 ; r2 F12 = ; j m (2.201) r ; r j2 jr ; r 1
und analog ist
2
1
2
F12 = ;F21 :
(2.202)
Die Gravitationskonstante in (2.201) betragt
= 6:67 10;11 kg;1m3s;2 :
(2.203)
Wir wollen annehmen, da m2 hinreichend gro ist, m2 m1, so da von der Bewegung des Korpers mit der gro en Masse abgesehen werden kann. Ein solcher Fall liegt o ensichtlich fur die Bewegung eines irdischen Korpers der Masse m1 = m im Schwerefeld der Erde, m2 = me , vor. Legen wir den Koordinatenursprung in den Mittelpunkt der (als Kugel angenommenen) Erde, r1 = r, r2 =0, so lautet die Bewegungsgleichung fur den kleinen Korper (2.204) mr = F = ; mr2e m rr : Fur verschwindenden Drehimpuls liefert (2.204) bekanntlich eine geradlinige Bewegung, d.h. den senkrechten Fall bzw. senkrechten Wurf. Die Bewegung erfolge (gema Abbildung) langs der z-Achse, so da die Bewegungsgleichung
mz = ; mz2e m verbleibt.
(2.205)
80
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK z z0
R
me
Einsetzen von
z = R z(R) = ;g (2.206) in (2.205) liefert den Zusammenhang zwischen Fallbeschleunigung, Gravitationskonstante, Erdmasse und Erdradius,
me = gR2 (2.207) so da die Bewegungsgleichung (2.205) auch in der Form 2 mz = ;m gR (2.208) z2 geschrieben werden kann. Gema (2.153) lautet das Potential 2 U (z) = ;m gRz (2.209) und es gilt Energieerhaltung: 2 1 z_ 2 ; gR = E = const: (2.210) 2 z m Wir legen die Konstante uber die Fallbedingung z = z0 z_ = 0 (2.211) fest, 2 2 1 z_ 2 ; gR = ; gR (2.212) 2 z z0 bzw. p
q
z_ = ; 2gR z;1 ; z0;1
(2.213)
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
81
(z z0 ), wobei wegen z_ 0 (Fall) die Wurzel mit dem negativen Vorzeichen zu nehmen ist. Integration mittels Separation der Variablen liefert dann t als Funktion von z, d.h. fur den senkrechten Fall Z z 0 1 d z p p (2.214) t = ; 2gR z0 z 0;1 ; z0;1 (t =0, z = z0 ). Ohne das Integral in (2.214) explizit auszurechnen, konnen bereits eine Reihe von Aussagen auf der Basis von (2.213) getro en werden. Geschwindigkeit, mit der ein aus dem Unendlichen kommenden Korper auf der Erde auftrit. Wir setzen in (2.213) z = R z0 = 1 (2.215) und erhalten fur die Geschwindigkeit vR an der Erdoberache p vR = 2gR (= 11:2 km s;1 ) (2.216) (2. kosmische Geschwindigkeit, siehe auch Abschnitt 2.2.6.6). Ein u der Abnahme der Erdbeschleunigung mit wachsender Hohe h auf die Geschwindigkeit, mit der ein aus h fallender Korper auf der Erde auftrit. Wir setzen in (2.213) z = R z0 = R + h (2.217) und erhalten fur die Geschwindigkeit vR (h) an der Erdoberache in Abhangigkeit von h s p vR(h) = 2gR 1 ; 1 +1h=R : (2.218) Wir entwickeln fur h=R 1, s
1 ; 1 +1h=R =
(
"
1;
1 ; Rh + Rh
2
vR (h)
p
1=2
1=2 = Rh 1 ; Rh 1=2
h h 1; R 2R
und erhalten
#)1=2
2gh 1 ; 2hR
(2.219) (2.220)
82
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
wobei der zweite Term in der runden Klammer die erste Korrektur des fur das homogene Schwerefeld bekannten Resultats darstellt. Fur h=R 1 geht (2.208) mit z = R + z0 in die Di erentialgleichung
z0 = ;
g z0 gR2 = ; ; g 1 ; 2 (R + z)2 (1 + z0 =R)2 R
(2.221)
bzw.
z0 ; 2 Rg z0 = ;g (2.222) uber, die sich in einfacher Weise direkt integrieren la t. Mit dem Standardansatz z0 et f ur die allgemeine Losung der homogenen Gleichung und der Konstanten R=2 als spezieller Losung der inhomogenen Gleichung, erhalten wir z0 = Aet + Be;t + 21 R
mit
(2.223)
r
= 2 Rg
(2.224)
t = 0 z0 = h z_ 0 = 0
(2.225)
h = A + B + 21 R 0 = (A ; B )
(2.226) (2.227)
woraus mit der Anfangsbedingung fur die Konstanten A und B
folgt, d.h.
B = A = ; 12 R2 1 ; 2 Rh : Wir setzen (2.228) in (2.223) ein und erhalten z0 = z ; R = ; R
r
(2.228)
1 ; 2 h cosh 2 g t2 ; 1 : (2.229) 2 R R Wir sehen, da auf Grund der Inhomogenitat des Schwerefelds die durchfallene Strecke i. allg. schneller als t2 anwachst.
2.2.6.2 Freier Fall mit Reibung im homogenen Schwerefeld der Erde
Bekanntlich setzt Luft oder ein anderes Gas (bzw. Flussigkeit) einem bewegten Korper einen gewissen Widerstand entgegen. Diese der Geschwindigkeit des Korpers entgegengesetzt gerichtete (dissipative) Kraft hangt erfahrungsgema von der Geschwindigkeit und der Form des Korpers sowie vom Medium ab, in dem die Bewegung erfolgt.
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
83
Die (theoretische) Bestimmung der Widerstandskraft ist i. allg. ein recht kompliziertes Problem der Hydrodynamik (als Teil der Kontinuumsmechanik). Fur hinreichend kleine Korper und hinreichend kleine Geschwindigkeiten (laminare Stromung) ist der Widerstand betragsma ig proportional zur Geschwindigkeit. Bei der Bewegung gewohnlicher Korper in der Luft (turbulente Stromung) kann in vielen Fallen eine Proportionalitat zum Geschwindigkeitsquadrat angenommen werden. Wir wollen die dissipative Kraft zunachst nicht weiter spezizieren und nur annehmen, da
F(diss) = f (z_ ) ez
(2.230)
gilt die Bewegung soll wieder senkrecht zur Erdoberache erfolgen (z-Achse mit Nullpunkt auf der Erdoberache). Ferner wollen wir uns auf die Bewegung im homogenen Schwerefeld (h=R ! 0, siehe Abschnitt 2.2.6.1) beschranken. Der Auftrieb in einem gasformigen oder ussigen Medium fuhrt bekanntlich dazu, da die an einem Korper angreifende Schwerkraft um das Gewicht des durch den Korper verdrangten Mediums reduziert wird. Bezeichnen wir mit mm die Masse des verdrangten Mediums, so lautet die Kraft
F = ;(m ; mm)g ez = ;mg~ ez mit
(2.231)
g~ = 1 ; mmm g = 1 ; m g (2.232) ( - Massendichte des Korpers, m - Massendichte des Mediums), d.h., der E ekt des Auftriebs kann einfach durch eine modiziert Erdbeschleunigung g~ erfa t werden. Die Bewegungsgleichung lautet somit
mz = ;mg~ + f (z_ )
(2.233)
d.h.
dz_ = ;g~ + m;1 f (z_ ): (2.234) dt Integration mittels Separation der Variablen liefert t als Funktion von z_ . Speziell fur den Fall erhalten wir Z z_ dz_ 0 t = ;g~ + m (2.235) ;1 f (z_ 0 ) 0 (t = 0, z_ = 0). Lineares Widestandsgesetz
f (z_ ) = ; z_
(2.236)
84
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
( 0). Man spricht in diesem Fall auch vom Stokesschen Widerstandsgesetz. Speziell fur eine hinreichend kleine Kugel vom Radius r gilt = 6r ( - Zahigkeit des Mediums). Mit der Reibungskraft (2.236) lautet die Gleichung (2.235) Z z_
dz_ 0 0 g~ + ;z_ 0 (; = =m). Eine einfache Rechnung liefert z_ t = ; ;1 ln(~g + ;z_ 0 )0
g ~ + ; z _ 1 = ; ln ; g~ d.h.
t=;
bzw.
(2.237)
(2.238)
g~ + ;z_ = g~ e;;t
(2.239)
; ; z_ = ; ;g~ 1 ; e;;t = ; g~ m 1 ; e;(=m)t :
(2.240)
;mg~ + f (z_ ) = 0:
(2.242)
Von t = 0 an nimmt die Geschwindigkeit also betragsma ig fortwahrend zu (aber langsamer als t) und nahert sich fur t ! 1 der konstanten Fallgeschwindigkeit (2.241) v1 = ;g~ = g~ m : Es ist klar, da diese Geschwindigkeit praktisch schon fur endliche Zeiten t ;;1 angenommen wird und der Korper dann eine gleichformig geradlinige Bewegung ausfuhrt. Die Geschwindigkeit (2.241) resultiert o ensichtlich aus der Bedingung, da die Bewegung kraftefrei erfolgt, Integration von (2.240) liefert schlie lich z als Funktion von t,
g ~ g ~ 1 ; ; t z ; h = ;2 ; ; t + ; e 2 = g~m2 ; g~m t + m e;(=m)t
(t = 0, z = h). Quadratisches Widestandsgesetz f (z_ ) = ; z_ 2 jzz__ j
(2.243)
(2.244)
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
85
( 0). Mit der Reibungskraft (2.244) lautet die Gleichung (2.235) fur z_ 0 (Fall) Z z_ 0 1 t = ; g~ 1 ;d(z_ z_ 0 )2 0 2 = =(mg~)]. Wir fuhren die Integration aus,
(2.245)
Z z_ 1 t = ; 2~g dz_ 0 1 +1z_ 0 + 1 ;1z_ 0 0 z_ 1 0 0 = ; 2~g ln(1 + z_ ) ; ln(1 ; z_ )] 0
+ z_ = ; 2~g1 ln 11 ; z_
(2.246)
d.h.
1 + z_ = e;2~gt: 1 ; z_ Wir stellen nach z_ um und erhalten 2~g t 1 z_ = ; 1 ee2~gt ; +1 bzw.
(2.247) (2.248) r
r
z_ = ; 1 tanh(~gt) = ;g mg~ tanh
!
g~ t : m
(2.249)
Erwartungsgema nimmt auch in diesem Fall die Geschwindigkeit betragsma ig mit wachsender Zeit zu (aber langsamer als t) und wird fur hinreichend gro e Zeiten, d.h. t m=( g~)];1=2 , konstant, namlich r 1 v1 = = g mg~ : (2.250) Wir integrieren (2.249) und erhalten schlie lich die Funktion z(t),
z ; h = ;m ln cosh
r
!
g~ t : m
(2.251)
Im Falle kleiner Reibung ist es oftmals ausreichend, nur die Korrekturterme niedrigster Ordnung zu den ublichen Formeln des freien Falls zu betrachten. Berucksichtigen wir, da fur jxj 1 die Taylor-Entwicklung von ln cosh x ln cosh x 21 x2 ; 121 x4
(2.252)
86
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
liefert, so folgt fur
r
aus (2.251)
g~ t 1 m
z ; h ; 21 g~t2
(2.253)
1 ; 6mg~ t2 :
(2.254)
2.2.6.3 Bewegung auf der rotierenden Erde Wenn die Bewegung eines Massenpunkts in einem irdischen Laborsystem, also in einem rotierenden Bezugssystem, genau beschrieben werden soll, so mussen zu den auf den Massenpunkt wirkenden eingepragten Kraften noch die Zentrifugalkraft Fcen = ;m~! (~! r) (2.255) und die Corioliskraft Fcor = ;2m~! r_ (2.256) hinzugenommen werden (Abschnitt 2.1.5). Hierbei ist der Betrag der Winkelgeschwindigkeit der Erde gegenuber dem Fixsternhimmel 2 s;1 = 7:29 10;5 s;1: ! = j~!j = 86164 (2.257) Wenden wir uns speziell der Bewegung eines Korpers zu, auf dem im Inertialsystem nur die Gravitationskraft der Erde wirkt. Die Resultante der Gravitationskraft der Erde und der Zentrifugalkraft ist fur einen irdischen Beobachter o enbar die Schwerkraft (Gewicht des Korpers). Demzufolge braucht in der Bewegungsgleichung e ektiv nur die Corioliskraft berucksichtigt werden,
mr = g + 2mr_ !~ Fcen ω
Fgra
θ
mg
(2.258)
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
87
Wie aus der Abbildung zu ersehen ist, andert sich g infolge der Zentrifugalkraft mit der geographischen Breite . A quator: jgj = 9:78 ms;2 Pol: jgj = 9:83 ms;2 Die Form der Erde, das Geoid, weicht von der Kugelform etwas ab, und g zeigt genaugenommen nicht exakt nach dem Erdzentrum, sondern steht senkrecht auf der Geoidache und hangt auch von der Hohe ab.4 Wenn sich die Bewegungen in Bereichen abspielen, deren Abmessungen hinreichend klein sind, kann g in diesen Bereichen mit genugender Genauigkeit als konstant angenommen werden. Wir wahlen als Bezugssystem ein kartesisches Koordinatensystem am Beobachtungsort der geographischen Breite . Wie aus der nachsten Abbildung ersichtlich ist, gilt in diesem Koordinatensystem
g = ;g ez r_ = x_ ex + y_ ey + z_ ez ~! = ;! cos ex + ! sin ez
(2.259) (2.260) (2.261)
und die komponentenma ige Darstellung der Bewegungsgleichung (2.258) lautet
x = 2! sin y_ y = ;2! sin x_ ; 2! cos z_ z = ;g + 2! cos y:_
(2.262) (2.263) (2.264)
π 2- θ senkrecht zum Geoid z
ω ω
West
y θ
West-Ost
Ost
x Nord-Süd
Berucksichtigte man die anderen Himmelskorper und deren relative Bewegung zur Erde, so mute man auch noch eine Zeitabhangigkeit von g in Rechnung stellen. 4
88
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Freier Fall Wir wollen die Gleichungen (2.262) { (2.264) unter den Anfangsbedingungen
t = 0 x = y = 0 z = h x_ = y_ = z_ = 0
(2.265)
losen. Wegen der Kleinheit von ! genugt es dies naherungsweise zu tun. Da x_ ! und y_ !, folgt, wenn Glieder !2 vernachlassigt werden,
x = 0 y = ;2! cos z_ z = ;g:
(2.266) (2.267) (2.268)
Aus (2.266) und (2.268) zusammen mit den Anfangsbedingungen folgt dann
z_ = ;gt
x(t) = 0
(2.269)
z(t) = h ; 21 gt2
(2.270)
und somit geht (2.267) in
y = 2gt! cos
(2.271)
uber, woraus (mit den Anfangsbedingungen)
y_ = gt2! cos
(2.272)
y(t) = 31 gt3! cos
(2.273)
und weiter
folgt. Da die y-Achse im gewahlten Koordinatensystem nach Osten zeigt und y(t) gema (2.273) fur t > 0 nur positive (und mit der Zeit wachsende) Werte annimmt, erleidet der fallende Korper eine Ostabweichung. Zur Wirkung der Corioliskraft Die Wirkung der Corioliskraft uberblickt man am einfachsten, wenn man den Vektor der Winkelgeschwindigkeit am Ort der geographischen Breite in die zwei Komponenten in Vertikal- und Horizontalrichtung zerlegt:
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS ω ωh
89
ωv
θ ω ωv
ωh
!v = ! sin !h = ! cos :
(2.274)
Bewegt sich sich ein Korper horizontal Gleichungen (2.262) und (2.263) mit z_ =0], so gibt ~!v Anla zu einer horizontalen, senkrecht zur Geschwindigkeit (nach rechts auf der Nordhalbkugel und nach links auf der Sudhalbkugel) gerichteten Kraft. Ein horizontal bewegter Korper weicht infolge der Erdrotation von seiner Bahn (im Vergleich zum Inertialsystem) auf der nordlichen Halbkugel nach rechts, auf der sudlichen Halbkugel nach links ab. Ferner gibt bei einer horizontalen Bewegung ~!h Anla zu einer Kraft, die senkrecht nach oben oder unten zeigt und somit zu einer Gewichtsanderung des Korpers fuhrt (Eotvos-Eekt).
2.2.6.4 Gedampfte Schwingungen
Wenn eine an einer Schraubenfeder oder an einem Gummifaden befestigte Masse aus der Ruhelage um eine kleine Strecke x (oder ein Fadenpendel um einen kleinen Winkel ' aus der Senkrechten) ausgelenkt wird, so wirkt auf die Masse eine der Auslenkung proportionale und in Richtung der Ruhelage zeigende Kraft
F = ;kx ex
(2.275)
(k - Federkonstante). Dieses Kraftgesetz entspricht dem aus der Elastizitatstheorie bekanntem Hookesschen Gesetz und la t sich in vielen Fallen anwenden. Das Potential lautet
U = 21 kx2
(2.276)
mx = ;kx
(2.277)
und die Bewegungsgleichung
90
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
ist die eines (ungedampften) harmonischen Oszillators,
x + !02x = 0
(2.278)
wobei die Kreisfrequenz r
!0 = mk (2.279) auch Eigenfrequenz des Oszillators genannt wird siehe Gleichung (1.143) mit der Bezeichnung !0 anstelle von !]. Fur gro ere Auslenkungen verliert in vielen Fallen das lineare Kraftgesetz (2.275) seine Gultigkeit und nichtlineare Terme mussen berucksichtigt werden,
F = f (x) ex f (x) = c1x + c2x2 + :
(2.280)
Fur x = 0 verschwindet die Kraft dieser Punkt stellt also eine Ruhelage dar. Sie ist o ensichtlich stabil, wenn c1 < 0 gilt. Im Falle eines solchen nichtlinearen Kraftgesetzes (und niter Bewegung) spricht man auch von einem anharmonischen Oszillator. Im Falle eines dreidimensionalen harmonischen Oszillators wird haug zwischen isotropem und anisotropem Kraftgesetz unterschieden. Isotroper Fall:
F = ;k r:
(2.281)
Fi = ;kixi (ki 6= kj fur i 6= j ):
(2.282)
Anisotroper Fall: Wahrend fur einen isotropen harmonischen Oszillator Drehimpulserhaltung gilt die Kraft (2.281) ist eine Zentralkraft], ist dies fur einen anisotropen harmonischen Oszillator nicht der Fall. Kehren wir zum eindimensionalen Oszillator zuruck. Zu der eine (harmonische) Schwingung verursachenden Kraft tritt auf Grund der in der Praxis immer auftrenden Verluste stets eine Reibungskraft hinzu, die dafur verantwortlich ist, da jede angeregte und sich dann selbst uberlassene Schwingung nach einer gewissen Zeit zur Ruhe kommt. In vielen Fallen kann die Reibungskraft proportional zur Geschwindigkeit und entgegengesetzt zur Geschwindigkeit gerichtet angenommen werden,
F (diss) = ; x_ ex
(2.283)
so da an die Stelle der Bewegungsgleichung (2.277) die Gleichung
mx = ;kx ; x_
(2.284)
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
91
tritt, d.h.
x + 2;x_ + !02x = 0
(2.285)
(2; = =m). Die Gleichung (2.285) wird ublicherweise als Di erentialgleichung einer (eindimensionalen) freien, gedampften Schwingung bezeichnet (gedampfter harmonischer Oszillator). Ihre Losung kann mittels Standardmethoden erfolgen. Der Ansatz
x et
(2.286)
liefert die charakteristische Gleichung
2 + 2; + !02 = 0
(2.287)
zur Bestimmung der ,
12 = =
;;
q
;; i
;2 ; !02
q
!02 ; ;2 :
(2.288)
Damit lautet die allgemeine Losung
x = C1e1 t + C2e2 t
(2.289)
x = e;;t (C1 + C2t)
(2.290)
falls 1 6= 2 ist, und im entarteten Fall (1 = 2 = ;;). Entsprechend den Gro enverhaltnissen von !0 und ; werden ublicherweise drei Falle unterschieden. Schwingfall
!02 > ;2:
(2.291)
1 = ; + i! 2 = 1
(2.292)
In diesem Fall haben wir mit reellem (positivem) q
! = !02 ; ;2
(2.293)
92
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
und die Losung (2.289) nimmt fur reelles x die Gestalt ; x = e;;t C1ei!t + C1 e;i!t (2.294) bzw. x = Ce;;t cos(!t + ) (2.295) an (C1 = jC1jei , C = jC1j). Speziell fur ;=! ;=!0 1 kann x(t) als harmonische Schwingung mit der Kreisfrequenz ! aufgefa t werden, deren Amplitude Ce;;t mit wachsender Zeit exponentiell gedampft ist. Die Gro e ; wird in diesem Zusammenhang auch Dampfungskonstante genannt, ihr Inverses Abklingzeit. Es ist klar, da eine gedampfte harmonische Schwingung kein periodischer Vorgang ist. Ferner ist die in (2.293) denierte Kreisfrequenz ! immer (etwas) kleiner als die Kreisfrequenz !0 des ungedampften Oszillators. Dementsprechend ist T =2=! immer (etwas) gro er als T0 = 2=!0. x T
t
Im Falle ;=! ;=!0 1 kann das Verhaltnis zweier aufeinander folgender maximaler Auslenkungen (Amplituden) auf der gleichen Seite immer als das gleiche angesehen werden. (2.296) xn = Ce;;tn (;1)n tn = n ! ; ! gegeben, und folglich gilt xn = e;T (2.297) xn+2 (tn+2 ; tn = 2=! = T ). Das Verhaltnis (2.298) p = xxn = e;T n+2
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
93
auch Dampfungsverhaltnis genannt, kann als ein Ma fur die Dampfung angesehen werden. Das Verhaltnis zweier aufeinander folgender maximaler Auslenkungen auf verschiedenen Seiten ist xn = ;e;T=2 = ;pp : (2.299) x n+1
Oft wird die Dampfung nicht durch p direkt, sondern durch das logarithmische
Dekrement
% = ln p = ;T (2.300) charakterisiert. Aus Messungen der Amplituden kann p und somit % in einfacher Weise bestimmt werden. Wird zusatzlich noch die Schwingungsdauer gemessen, kann die Dampfungskonstante ; (und bei bekannter Masse m auch die Reibungskonstante
) ermittelt werden. Die Konstanten C und in der allgemeinen Losung (2.295) konnen durch die Anfangsbedingungen des speziellen Problems festgelegt werden. Man uberzeugt sich leicht, da beispielsweise fur die Anfangsbedingungen t = 0 x = 0 x_ = v (2.301) die Losung (2.295) wie folgt lautet:
q v v ; ; t ; ; t x = ! e sin(!t) = p 2 2 e sin !02 ; ;2 t : (2.302) !0 ; ;
Kriechfall
!02 < ;2: (2.303) Wie aus (2.288) ersichtlich, sind in diesem Fall 1 und 2 in der allgemeinen Losung (2.289) reell und negativ, und C1 und C2 sind zwei beliebige reelle Konstanten. Da beide Glieder in (2.289) rein exponentiell abklingende Funktionen sind, hat der durch (2.289) beschriebene Bewgungsablauf nichts mehr mit einer Schwingung zu tun, sondern ist rein aperiodisch. Speziell fur die Anfangsbedingungen (2.301) erhalten wir q
v ; ; t x = p 2 2 e sinh ;2 ; !02 t (2.304) ; ; !0 x
t
94
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
vgl. mit (2.302]. Im Gegensatz zu (2.302) kann x nicht mehr das Vorzeichen wechseln. Fur v > 0 nimmt x von Null beginnend mit wachsendem t zunachst zu, erreicht einen Maximalwert und nimmt dann wieder ab und nahert sich asymptotisch Null. Aperiodischer Grenzfall !02 = ;2: (2.305) In diesem Fall gilt 1 = 2 = ;; (2.306) und die allgemeine Losung ist durch (2.290) gegeben, wobei C1 und C2 wieder zwei beliebige reelle Konstanten sind, die durch die Anfangsbedingungen festlegbar sind. Im Falle der Anfangsbedingungen (2.301) lautet die Losung x = vte;;t (2.307) (die sich auch direkt als Grenzwert von (2.304) fur !02 ! ;2 ergibt). Die Bewegung ist ebenso wie die im Kriechfall aperiodisch. Verglichen mit dem Kriechfall, kommt sie jedoch im aperiodische Grenzfall am schnellsten zur Ruhe (Me geratebau!). aperiodischer Grenzfall
x
t
2.2.6.5 Erzwungene Schwingungen Wir wollen annehmen, da auf einen gedampften harmonischen Oszillator noch eine au ere, anregende Kraft wirkt, Fext = F (t) ex : (2.308) Die Kraft moge periodisch und harmonisch sein, F (t) = f cos('t + ): (2.309) Eine mogliche Realisierung besteht darin, eine Masse an eine Spiralfeder zu hangen und das obere Ende der Feder mit der Kreisfrequanz ' auf- und abzubewegen. Die unter dem Einu einer au eren, periodischen Kraft erzwungene Schwingung genugt der Bewegungsgleichung mx = ;kx ; x_ + f cos('t + ) (2.310)
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
95
bzw.
x + 2;x_ + !02x = (f=m) cos('t + )
(2.311)
Die allgemeine Losung x(t) der Di erentialgleichung (2.311) setzt sich zusammen aus der allgemeinen Losung xh (t) der homogenen Gleichung und einer partikularen Losung xp (t) der inhomogenen Gleichung,
x(t) = xh(t) + xp(t):
(2.312)
Die allgemeine Losung der homogenen Gleichung ist in (2.289) bzw. (2.290) gegeben, und eine partikulare Losung der inhomogenen Gleichung kann als harmonische Schwingung der Kreisfrequenz ' angesetzt werden,
xp = A cos('t + ):
(2.313)
Um die Amplitude A und die Phase zu bestimmen, benutzt man zweckma igerweise die komplexe Schreibweise (siehe Abschnitt 1.3.3), d.h.
xp = A cos('t + ) f cos('t + )
! !
xp = Aeit feit
(2.314) (2.315)
wobei nunmehr A und f komplex sind,
A = jAjei f = jf jei :
(2.316)
Mit (2.314) und (2.315) wird aus (2.311) ;
;'2 + 2i;' + !02 A = f=m
bzw.
q
(!02 ; '2 )2 +(2;')2 exp
i arctan !2;' 2 2 0 ;'
Damit nden wir jAj =
und
m
q
jAjei
jf j
(!02 ; '2 )2 +(2;')2
tan( ; ) = 2;' !02 ; '2 :
(2.317) = jf jei =m:
(2.318) (2.319)
(2.320)
96
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK Da wegen der Dampfung lim x (t) = 0 t!1 h
(2.321)
lim x(t) = xp (t):
(2.322)
gilt (Abschnitt 2.2.6.4), folgt t!1
Nach Beendigung des durch xh (t) beschriebenen Einschwingvorgangs, d.h. unter stationaren Bedingungen, stellt sich also der durch xp (t) gegebene Bewegungsablauf ein. Der Massenpunkt fuhrt mit der Kreisfrequenz ' der treibenden Kraft eine (ungedampfte) erzwungene, harmonische Schwingung aus. θ−α π π 2
zunehmendes Γ
ω0
Ω
Die Amplitude jAj Gleichung (2.319)] dieser Schwingung und ihre Phasendi erenz ( ; ) Gleichung (2.320)] bzgl. der treibenden Kraft hangen empndlich von ' ab. Aus (2.320) ist ersichtlich, da die Phase der erzwungenen Schwingung immer hinter der Phase der treibenden Kraft zuruckbleibt (siehe obige Abbildung). Die Amplitude jAj nimmt gema (2.319) mit wachsender Frequenz ' zunachst zu, erreicht fur ;=!0 1 (kleine Dampfung) an der Stelle ' = 'r !0 ein (scharfes) Maximum und nimmt im weiteren Verlauf wieder ab. Demnach wird also die Amplitude des Oszillators am gro ten, wenn die Frequenz der treibenden Kraft mit der Eigenfrequenz des Oszillator (naherungsweise) ubereinstimmt. Diesen E ekt nennt man auch Resonanz die Kurve jA(')j hei t Resonanzkurve. Die Resonanzkurve ist um so schmaler und hoher, d.h., die Resonanz ist um so deutlicher ausgepragt, je kleiner die Dampfung ; ist. Fur hinreichend kleine Dampfung kann die Amplitude beliebig gro werden (Resonanzkatastrophe). Bei ungedampften Systemen ware die Amplitude an der Resonanzstelle ' = !0 unendlich gro . Da dies unphysikalisch ware, ist klar, da Dampfung immanenter Bestandteil jeglicher realen Bewegung ist.
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
97
A
zunehmendes Γ
Ωr
Ω
ω0
Die exakte Lage des Maximums der Amplitude ergibt sich aus der Losung der Gleichung djAj = 0 (2.323) d' d.h. d h;!2 ; '2 2 + 4;2 '2i 0 = d' 0 ; = ;2 !02 ; '2 + 4;2 2' (2.324) woraus als Resonanzfrequenz q
q
'r = !02 ; 2;2 = !0 1 ; 2;2=!02
(2.325)
folgt. Damit ergibt sich als maximale Amplitude jAmaxj = jA('r)j jAmax j =
jf j !02 ; ;2
p
2;m
=
jf j 2;m!0 1 ; (;=!0)2 p
:
(2.326)
Die Resonanzbreite #' ist ublicherweise als Halbwertsbreite #' = '2 ; '1
jA('i )j = 12 jAmax j2
(2.327)
deniert. Resonanzen spielen eine gro e Rolle in allen Gebieten der Physik und Technik. { Unter der Wirkung der bei laufenden Motoren und Maschinen auftretenden periodischen Erschutterungen konnen Gebaude schwer beschadigt werden.
98
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
{ Marschkolonnen durfen auf Brucken nicht im Gleichschritt marschieren, da die periodische Bewegung in der Nahe einer Eigenfrequenz der Brucke liegen konnte. { Der Ton vieler Musikinstrumente wird durch Resonanz verstarkt. Bei Lautsprechern konnen Resonanzen zu unerwunschten Verzerrungen fuhren. { Elektrische Frequenzmesser nutzen zum gro en Teil Resonanze ekte. Beim Rundfunk- und Fernsehempfang ermoglichen sie die Trennung der verschiedenen Sender. Neben dem Amplitudenmaxium (Amplitudenresonanz) kann man auch nach dem Maximum der Geschwindigkeitsamplitude 'jAj fragen (Geschwindigkeitsresonanz) fragen. Eine einfache Rechnung zeigt, da die durch die Gleichung d'jAj = 0 (2.328) d' bestimmbare Lage der Geschwindigkeitsresonanz genau mit der Eigenfrequenz !0 des Oszillators ubereinstimmt. Ist die treibende Kraft eine beliebige periodische Funktion der Zeit, so la t sich diese immer als Fourier-Reihe darstellen,
F (t) =
1 X
n=;1
fneint
(2.329)
(siehe Abschnitt 1.3.3.2). An die Stelle der Bewegungsgleichung (2.311) tritt dann die Gleichung
x + 2;x_ + !02x =
1 X
n=;1
fneint
(2.330)
und die partikulare Losung der inhomogenen Gleichung kann ebenfalls in Form einer Fourier-Reihe
xp =
1 X
n=;1
An eint
(2.331)
dargestellt werden, wobei der Zusammenhang der komplexen Amplituden An und fn o ensichtlich in genau der gleichen Weise wie in (2.317) gegeben ist, wenn dort und in den folgenden Gleichungen ' durch n' und A f durch An fn ersetzt werden, ;(n')2 + 2i;(n') + !02 An = fn =m: (2.332) Damit ist das Problem einer beliebigen periodischen Kraft auf das einer harmonischen Kraft zuruckgefuhrt. Resonanz tritt auf, wenn die au ere Kraft Fourier-Komponenten enthalt, deren Frequenzen n' in der Nahe von 'r ( !0 ) liegen.
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
99
2.2.6.6 Kepler-Problem Wir wollen die Bewegung einer (Punkt-)Masse m1 m im Gravitationsfeld einer als raumfest angenommenen (Punkt-)Masse m2 M bestimmen. Dieses Problem ist nicht nur in der Mechanik von Himmelskorpern von grundlegender Bedeutung, sondern wegen seiner Analogie zur Bewegung einer elektrischen Ladung im Coulomb-Feld einer zweiten Ladung auch in der Atomphysik. Es sei M die Sonnenmasse und m die Masse eines Planeten des Sonnensystems. Wegen ihrer im Vergleich zur Masse eines Planeten uberwiegend gro en Masse, M m, kann die Sonne naherungsweise zunachst als ruhend angesehen und als Ursprung des Bezugssystems gewahlt werden (so betragt beispielsweise die Sonnenmasse das 3:3 105-fache der Erdmasse). Ferner wollen wir annehmen, da sich die Planeten nicht zu nahe kommen. Unter den gemachten Annahmen reduziert sich das Vielkorperproblem auf ein Einkorperproblem fur m mit der Bewegungsgleichung
mr = F
(2.333)
r F = ; mM r2 r
(2.334)
U (%) = ; mM %
(2.336)
und F gema (2.204), (r, Radiusvektor von M zu m). Da F konservativ und Zentralkraft ist, gelten Energie- und Drehimpulserhaltung. Letzteres bedeutet bekanntlich, da die Bewegung in einer Ebene verlauft. Wir wollen als diese Ebene wieder die xy-Ebene wahlen und dort ebene Polarkoordinaten verwenden. Das (aus der Drehimpulserhaltung resultierende) e ektive Potential (2.181) lautet L2 Ue (%) = U (%) + 2m% (2.335) 2 wobei
das Gravitationspotential ist siehe (2.153)]. Der Energieerhaltungssatz (2.180) liefert dann die Gleichung 1 m%_2 + U (%) = 1 m%_ 2 ; e 2 2
mM + L2 = E: % 2m%2
(2.337)
Wir bestimmen das Minimum von Ue (%). Seine Lage %0 folgt aus dUe = 0 d%
mM %2
;
L2 = 0 m%3
(2.338)
100
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
d.h. 2 %0 k = mL2 M
(2.339)
womit sich
Ue (k) =
;
mM = ; 2 m3 M 2 2k 2L2
(2.340)
ergibt. L=0
Ueff (ρ) E2
k ρ E1 Ueff (k)
Finite Bewegung:
Ue (k) E < 0
;
mM 2k
E
<0
(2.341)
bzw. ;1
2Ek < 0:
mM
(2.342)
Innite Bewegung: 0 E:
(2.343)
Die Umkehrpunkte bestimmen sich aus der Gleichung
Ue (%) ; E = 0:
(2.344)
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS
101
Die Rechnung liefert
L2 ; mM ; E = 0 2m%2 % 1 ; 2 m2M 1 ; 2mE = 0 %2 L2 % L2 1 ; 2 1 ; 1 2Ek = 0 %2 k % k2 mM
(2.345)
s
1 = 1 1 + 1 2Ek % k k2 k2 mM bzw.
s
!
1 = 1 1 1 + 2Ek : % k
mM Wir setzen
(2.346)
(2.347)
s
2Ek : " = 1 + mM Die Bedingung fur eine nite Bewegung lautet dann 0 "<1 und die fur eine innite Bewegung 1 " und fur die Umkehrpunkte (2.347) (minimales und maximales %) gilt 1 = 1+" %min k
(2.348) (2.349) (2.350) (2.351)
1 = 1 ; " (falls " < 1): (2.352) %max k Fur " = 1 folgt %max = 1, d.h., eine nite Bewegung schlagt in eine innite um. Die Bewegungsgleichungen konnen { wie im Abschnitt 2.2.5 beschrieben { mittels der Erhaltungssatze (oder naturlich auch direkt) gelost werden. Wir wollen hier die Bahngleichung etwas genauer untersuchen. Gema Gleichung (2.189) gilt Z % L d%0 p (2.353) '= m %min %02 2 E ; Ue (%0 )] =m
102
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
wobei uber die Konstante in (2.189) so verfugt wurde, da ' = 0 fur % = %min ist. Wir drucken zunachst in 2m E ; U (%0 )] = 2mE + 2 m2 M ; 1 (2.354) e L2 L2 L2%0 %0 2 die Parameter L und E durch k Gleichung (2.339)] und " Gleichung (2.348)] wie folgt aus: s
2Ek " = 1 + mM
"2 ; 1 = 2E = 2mE k2
mMk L2
2m E ; U (%0)] = "2 ; 1 + 2 1 ; 1 e L2 k2 k %0 %0 2
2 2 1 " 1 = 2; 0; k % k (
2 = "2 1 ; k 10 ; 1 k " % k
2 )
(2.355)
:
(2.356)
Damit kann (2.353) in die Form (
Z % k d%0 1 ; k 1 ; 1 '= " " %0 k %min %0 2
2 );1=2
(2.357)
gebracht werden. Wir fuhren zweckma igerweise eine Variablensubstitution durch,
k 1 ; 1 = z (2.358) " %0 k dz = ; k 1 d%0 " %02
%0
und erhalten
'=;
Z
1
= %min
( ; k1 )
k 1 " %
d%0 = ; " dz %0 2 k
(2.359)
z = k" % 1 ; k1 min
1 " 1 k = " k + k ; k = 1
dz = arccos k 1 ; 1 p " % k 1 ; z2
(2.360)
(2.361)
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS woraus
103
k 1 ; 1 = cos ' " % k
(2.362)
1 = 1 (1 + " cos ') % k
(2.363)
bzw.
folgt. Die Gleichung (2.363) ist die Gleichung fur Kegelschnitte. Kreis " = 0 bzw: E = ; mM 2k :
(2.364)
Ellipsen 0 < " < 1 bzw:
;
mM < E < 0: 2k
(2.365)
Parabel
" = 1 bzw: E = 0:
(2.366)
Hyperbeln
" > 1 bzw: E > 0: (2.367) Au er der Bahngleichung kann naturlich auch die Zeitabhangigkeit der Koordinaten % und ' bestimmt werden. So kann man aus % = %(') mittels der Beziehung d' = L (2.368) dt m%2 siehe Gleichung (2.177)] zunachst t als Funktion von ' bestimmen, Z ' m t ; t0 = L d'0 %2('0 ) (2.369) '0 woraus durch Bildung der Umkehrfunktion ' = '(t) berechnet werden kann. Damit und der Bahngleichung kann dann auch % als Funktion von t bestimmt werden, % = %'(t)]: (2.370) Damit ist das Problem im Prinzip gelost.
104
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK v ρ = a+ ε u
ρ = a− ε u b
ρ
ρ ϕ
a
u
e k
Keplersche Gesetze Im Hinblick auf die Planetenbewegung wollen wir die Ellipsen (einschlie lich Kreis) etwas eingehender analysieren. Wir drucken " (Exzentrizitat) und k (Parameter) durch e und a aus (siehe Abbildung). " = ae (2.371)
k
= (1 ; "2 )a =
b2 e2 = a2 ; b2 a
(2.372)
= ; mM 2E
(2.373)
Gro e Halbachse
a=
k
1 ; "2
| {z }
;2Ek=(mM )
d.h.
a = mM 2jE j :
(2.374)
Bei gegebenen Massen wird also die gro e Halbachse nur durch die Energie festgelegt. Kleine Halbachse L2 b2 = ak = mM (2.375) 2jE j m2 M
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS d.h.
105
b = p jLj : 2mjE j
(2.376)
Umlaufzeit (Periodendauer) Aus dem Flachensatz (2.143) folgt djAj = jLj = ab (2.377) dt 2 m T d.h. T = 2mab : (2.378) jLj Wir ersetzen a und b gema (2.374) und (2.376) und erhalten 1 p T = 2m mM (2.379) 2jE j 2mjE j und somit r (2.380) T = mM m2 jE1j3=2 : Die Periodendauer wird also (bei gegebenen Massen) nur durch die Energie bestimmt. Da die gro e Halbachse ebenfalls nur durch die Energie festgelegt ist, kann die Periodendauer durch die gro e Halbachse ausgedruckt werden, T = 2m p a = 2m p a2 (2.381) 2mjE j
m M=a d.h. r 1 a3=2 (2.382) T = 2 M bzw. 42 a3: T 2 = M (2.383) Fur zwei Planeten der Massen m1 und m2 auf elliptischen Bahnen um die Sonne gilt demnach fur die Umlaufzeiten T1 und T2 sowie die gro en Halbachsen a1 und a2
T1 2 = a1 3 : T2 a2 Die obigen Ergebnisse bilden den Inhalt der Keplerschen Gesetze.
(2.384)
106
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
(1) Die Planeten bewegen sich auf Ellipsen, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht. (2) Der Fahrstrahl von der Sonne zu einem Planeten uberstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flachen. (3) Die Quadrate der Umlaufzeiten zweier Planeten verhalten sich wie die Kuben der gro en Halbachsen. Anzumerken ist, da die historische Reihenfolge die umgekehrte war. Die empirisch aus astronomischen Beobachtungen abgeleiteten Keplerschen Gesetze5 , durch die u.a. das heliozentrische Weltsystem von Kopernikus genauer begrundet wurde, fuhrten Newton zur Aufstellung des Gravitationsgestzes. Dieses ist trotz seiner einfacheren Form naturlich viel allgemeiner als die Keplerschen Gesetze und bedeutet einen hoheren Grad der Erkenntnis. Es fa t nicht nur die Keplerschen Gesetze und die Gravitationskraft zu einer einzigen Aussage zusammen, sondern ist die Grundlage zur Bestimmung der Bewegung aller Himmelskorper. So konnen beispielsweise die bei der Planetenbewegung beobachteten kleinen Abweichungen von den Keplerschen Gesetzen quantitativ durch die Gravitationswirkung der anderen Planeten gedeutet werden. Die Untersuchung dieser Storungen fuhrte sogar zur Entdeckung neuer Planeten an vorausberechneten Stellen. Wir wollen den Weg skizzieren, wie aus den Keplerschen Gesetzen auf das Gravitationsgesetz geschlossen werden kann. Das erste und das zweite Gesetz bringt die Drehimpulserhaltung zum Ausdruck, woraus folgt, da die Kraft eine Zentralkraft ist und nur eine radiale Komponente besitzt, d.h., in dem von uns gewahlten Koordinatensystem gilt ; F = F% e% F% = m % ; %'_ 2 (2.385) und m%2 '_ = L (2.386) Gleichung (2.177)]. Wir di erenzieren die Ellipsengleichung 1 = 1 (1 + " cos ') (2.387) % k und nden
d 1 = ; %_ = ; " '_ sin ' = ; "L sin ' (2.388) dt % %2 k km%2 d.h. "L sin ' (2.389) %_ = km 5
1609 und 1619
2.2. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTS woraus
107
"L '_ cos ' = "L2 cos ' % = km km2 %2
(2.390)
folgt. Wir setzen (2.386) und (2.390) in (2.385) ein:
"L2 cos ' ; L2 F% = m km 2 %2 m2%3
2 " L 1 L2 1 : = m%2 k cos ' ; % = ; km %2 | {z }
(2.391)
;1=k
Wegen (2.377) und (2.386) folgt L = 1 %2 '_ = ab (2.392) 2m 2 T d.h. 2 2 a2b2 = 4Lm2 T 2 (2.393) bzw. T 2 = 42 m2 b2 = 42 m2k (2.394) a3 L2 a L2 b2 = ak, siehe Gleichung(2.372)]. Da nach dem 3. Keplerschen Gesetz T 2=a3 fur alle Planetenbahnen (und somit fur alle Ellipsen) die gleiche Konstante liefert, mu also nach (2.394) auch
2 k ;1 m (2.395) = L2 eine fur alle Bahnen Konstante sein, die nur noch von der Sonnenmasse abhangen kann, so da fur die Gravitationskraft F% = ; m (2.396) %2 gelten mu . Gema dem dritten Newtonschen Axiom kann nur proportional zu M sein, = M (2.397) mit einer von M nunmehr unabhangigen Konstante , d.h. F% = ; mM (2.398) %2 :
108
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Kosmische Geschwindigkeiten Ein Satellit soll von einem Punkt P im Abstand R vom Mittelpunkt der (als kugelformig angenommenen) Erde in eine Umlaufbahn gebracht werden, deren erdnachster Punkt au erhalb der Entfernung R liegt, und es ist die Frage zu beantworten, welche Ausgangsgeschwindigkeit v der Satellit besitzen mu . vφ
v P vR
R
Satellit
Erde
Unter Berucksichtigung von (2.351) und (2.339) ist die Bedingung 2 R < %min = 1 +k " = m2 ML(1 + ") zu erfullen, d.h. L2 > m2 MR(1 + ") und wegen L2 = m2 R4_ 2 = m2 R2v 2 erhalten wir v 2 > (1 + ") M R : Andererseits soll die Bewegung nit sein, E < 0 21 mjvj2 ; mM R <0 bzw.
M : jvj2 = v 2 + vR2 < 2 R
(2.399) (2.400) (2.401) (2.402) (2.403) (2.404)
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS
109 γM
vR
2
γM R
1/2
1/2
R
vφ
erlaubte Bereiche
Die Abbildung zeigt die mit den Bedingungen (2.402) und (2.404) erlaubten Geschwindigkeitsbereiche (beachte, da fur eine nite Bewegung 0 " < 1 gilt). Insbesondere lesen wir die erste und zweite kosmische Geschwindigkeit ab (mit R als den Erdradius). 1. kosmische Geschwindigkeit (" = 0) r
;1 vI = M R (= 7:9 km s ):
(2.405)
2. kosmische Geschwindigkeit (" = 1) r
;1 vII = 2 M R (= 11:2 km s ):
(2.406)
2.3 Dynamik eines Massenpunktsystems 2.3.1 Bewegungsgleichungen Die fur einen Massenpunkt aufgestellte (vektorielle) Bewegungsgleichung kann naturlich auch auf Probleme angewendet werden, bei denen N diskrete Korper, die sich als frei bewegliche Massenpunkte au assen lassen, Krafte aufeinander ausuben. Ist r der Ortsvektor des -ten Massenpunkts (im Inertialsystem), m seine Masse und F die Resultante aller an ihm angreifenden Krafte, dann lauten die Bewegungs-
110
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
gleichungen des Massenpunktsystems
m r = F ( = 1 2 : : : N )
(2.407)
Sind die Krafte F (im allgemeinen Fall) als Funktionen der Orte und Geschwindigkeiten der Massenpunkte sowie der Zeit bekannt, so besteht die Bestimmung der Bewegung des Massenpunktsystems in der Integration des Gleichungssystems (2.407), das 3N (gekoppelte) gewohnliche Di erentialgleichungen zweiter Ordnung enthalt. Man kann den Grundgleichungen (2.407) der Punktmechanik eine sehr allgemeine Bedeutung zuschreiben. Sie basiert auf der Au assung, nach der jeder materielle Korper als aus einer endlichen (wenn auch gro en) Anzahl von Massenpunkten bestehend angenommen werden kann (z.B. aus nahezu punktformigen Atomen, Molekulen oder ahnlichen Aggregaten, die Krafte aufeinander ausuben). Nach dieser (im 18. und 19. Jahrhundert verabsolutierten) Au assung ist jedes materielle System schlechthin ein Punktsystem, die gesamte Mechanik Newtonsche Punktmechanik. Wir wissen heute, da die Newtonsche Punktmechanik im atomaren Bereich versagt. Damit die Newtonsche Mechanik anwendbar ist, mussen die Massenpunkte vom makroskopischen Standpunkt aus hinreichend klein, mikroskopisch jedoch hinreichend gro sein, d.h., sie mussen beispielsweise noch eine genugend gro e Anzahl von atomaren Bausteinen enthalten. Die Au assung, nach der die Mechanik ausgedehnter Korper auf Systeme von Massenpunkten zuruckgefuhrt werden kann, setzt also voraus, da ein solcher Korper in vom makroskopischen Standpunkt hinreichend kleine Massenelemente #m zerlegt werden kann, die nahezu als unveranderlich, punktformig angesehen werden konnen. mν = ∆ mν rν
Das Modell eines Massenpunktsystems bewahrt sich beim starren Korper und anderen starren Systemen. In der Mechanik deformierbarer Korper (die Massenelemente #m andern im Laufe der Zeit ihre Form) erwies sich die Kontinuitatshypothese als geeigneter, d.h. die Einfuhrung einer Massendichte =dm=dV als stetige (bzw. stuckweise stetige) Funktion des Ortes und der Zeit. Der Umstand, da es nicht sinnvoll ist, die gesamte Mechanik auf diskrete Punktsysteme abzubilden, beruhrt den weiteren Inhalt der Vorlesung jedoch nicht, da der gro te Teil der allgemeinen Prinzipien
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS
111
und Satze uber Punktsysteme durch entsprechenden Grenzubergang auch in einer fur die Kontinuitatshypothese geeigneten mathematischen Form ausgedruckt werden konnen (Kontinuumsmechanik). Es ist zweckma ig, die auf einen Massenpunkt eines Massenpunktsystems wirkenden Krafte in zwei Klassen einzuteilen, 1. in die von Massenpunkten (Korpern) au erhalb des untersuchten Systems stammenden aueren Krafte und 2. die zwischen den zum System gehorenden Massenpunkten wirkenden inneren Krafte. Wir wollen die Resultante der auf den -ten Massenpunkt des Systems wirkenden au eren Krafte mit F(ext) bezeichnen und die vom -ten auf den -ten Massenpunkt des Systems wirkende innere Kraft mit F ,
F = F(ext) +
N X
=1
F
(2.408)
In der Summe uber mu das Glied mit = weggelassen bzw. F = 0 gesetzt werden, da ein Massenpunkt auf sich selbst keine Kraft ausuben soll, und es gilt
F = ;F
(2.409)
(3. Newtonsches Axiom). Damit lauten die Newtonschen Bewegungsgleichungen (2.407)
m r = F(ext) +
N X
=1
F
(2.410)
Fur Massenpunkte kann man annehmen, da die inneren Krafte Zentralkrafte sind, d.h., F fallt in die Richtung der den -ten und den -ten Punkt verbindenden Geraden,
F = r ; r : jF j jr ; r j
(2.411)
112
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK mµ Fνµ (ext)
Fν mν
Umgebung
System
Dies ist naturlich eine neue Grundvoraussetzung, die jedoch aus Symmetriegrunden naheliegend ist. Es ware schwer vorstellbar, da von zwei wirklich punktformigen Korpern der eine auf den anderen ein Kraft ausubt, die nicht in die Richtung der einzig ausgezeichneten Geraden, namlich der sie verbindenden Geraden fallt.
2.3.2 Impulsbilanz (Massenmittelpunktsatz)
Summation der N (vektoriellen) Bewegungsgleichungen (2.410) liefert N X =1
m r =
N X =1
F(ext) +
N X N X
F =
=1 =1 | {z } = 0 wegen (2:409)
N X =1
F(ext) :
(2.412)
Mit dem Gesamtimpuls des Systems
p=
N X =1
p =
N X =1
m r_
(2.413)
und der Resultante aller au eren Krafte
F(ext) =
N X =1
F(ext)
(2.414)
stellt die Gleichung (2.412) die Impulsbilanz des Massenpunktsystems dar: dp = F(ext) dt
(2.415)
Die zeitliche A nderung des Gesamtimpulses eines Massenpunktsystems ist gleich der Resultante der auf das System einwirkenden au eren Krafte.
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS
113
Ein System hei t abgeschlossen, wenn F(ext) ur ein = 0 und somit F(ext) = 0 gilt. F abgeschlossenes System gilt also Erhaltung des Gesamtimpulses,
F(ext) = 0
ddpt = 0 p = const:
(2.416)
was drei (im Gegensatz zum Fall eines einzigen Massenpunkts nichttriviale) erste Bewegungsintegrale bedeutet. Die Impulsbilanz kann in einer aquivalenten und physikalisch sehr anschaulichen Form mit Hilfe des Massenmittelpunkts N X 1 rc = m m r =1
m=
N X
(2.417)
m
(2.418)
m r_ = mr_ c
(2.419)
=1
ausgedruckt werden. O ensichtlich gilt
p=
N X =1
und gema (2.415) genugt der Massenmittelpunkt der Bewegungsgleichung
mrc = F(ext)
(2.420)
Der Massenmittelpunkt eines Massenpunktsystems bewegt sich so, als ob in ihm die gesamte Masse des Systems vereinigt (konzentriert) ware und an ihm die Resultante aller au eren Krafte wirkte. Die Feststellung, da bei Fehlen au erer Krafte der Gesamtimpuls des Systems erhalten bleibt, ist also aquivalent der Feststellung, da der Massenmittelpunkt des Systems eine gleichformig geradlinige Bewegung ausfuhrt (oder ruht), dp = 0 =b r = 0 c dt
r_ c = const:
(2.421)
114
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Anmerkungen (1) Die Gleichung (2.420) stellt gewisserma en die nachtragliche Rechtfertigung des Modells des Massenpunkts fur ein ausgedehntes System (ausgedehnter Korper) dar. In dem Umfang, in dem ein kompliziertes System durch seinen Massenmittelpunkt ersetzt werden kann, kann es wie ein Massenpunkt behandelt werden. Insbesondere kann man die translatorische Bewegung eines ausgedehnten Korpers immer durch die Bewegung seines Massenmittelpunkts beschreiben. (2) Fur die Bewegung des Massenmittelpunkts spielen die inneren Krafte keine Rolle. Wenn beispielsweise ein abgefeuertes Gescho in der Luft { unter der Wirkung innerer Krafte { explodiert, dann setzt der Massenmittelpunkt der auseinanderiegenden Splitter seine Parabelbahn auch weiterhin fort (wenn vom Luftwiderstand abgesehen wird). (3) Jedes System kann i. allg. durch geeignete Erweiterung zu einem abgeschlossenen System gemacht werden, in dem nur innere Krafte wirken. Dabei werden die zunachst au erhalb des System bendlichen Korper, die auf die Systemteile Krafte ausuben, zum System hinzugenommen. Bei der Behandlung physikalischer Probleme ist jedoch haug gerade der umgekehrte Weg zweckma ig, namlich die Herausnahme einiger Teile eines Systems und Ersetzung ihrer Wirkung durch au ere Krafte (mit naherungsweise bekanntem Kraftgesetz). In diesem Sinne kann die Mechanik des einzelnen Massenpunkts als Grenzfall angesehen werden, bei dem die Wirkung aller ubrigen Massenpunkte in einer einzigen au eren Kraft zusammengefa t wird (und die Ruckwirkung des betrachteten Massenpunkts auf die ubrigen Massenpunkte vernachlassigt wird). (4) Der Massenmittelpunkt wird oft auch Schwerpunkt genannt. Benden sich die Massenpunkte des Systems im homogenen Schwerefeld des Erde, so gilt
F(ext) =
N X =1
m g = mg
(2.422)
und aus (2.420) folgt rc = g
(2.423)
d.h., der Massenmittelpunkt (oder Schwerpunkt) bewegt sich wie ein Massenpunkt der Masse m under dem Einu der Erdbeschleunigung g. Konstruktion des Massenmittelpunkts Der Massenmittelpunkt zweier Punktmassen m1 und m2 teilt die Entfernung der Punkte im umgekehrten Verhaltnis zu den Massen in zwei Teile (d.h., er liegt naher zur gro eren Masse).
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS r2 - rc
115 m2
rc - r1 m1
r2
rc r1
(m1 + m2 ) rc = m1r1 + m2r2
(2.424)
m1 (rc ; r1 ) = m2 (r2 ; rc)
(2.425)
d.h. bzw.
jrc ; r1 j jr2 ; rc j
2 =m m : 1
(2.426)
Die Aufgabe der Bestimmung des Massenmittelpunkts von drei Punktmassen kann auf die fur zwei Punktmassen zuruckgefuhrt werden. Der Massenmittelpunkt kann ermittelt werden, indem zunachst der Massenmittelpunkt der Massen m1 und m2 und dann der Massenmittelpunkt der Masse m3 und der im Massenmittelpunkt der beiden ersten Massen gedachten Masse m1 + m2 bestimmt wird, (m1 + m2 + m3) r(3) r + m r +m3 r3 c =m | 1 1 {z 2 }2
(2.427)
(2) (m1 + m2 ) + m3 ] r(3) c = (m1 + m2 )rc + m3 r3 :
(2.428)
(m1 +m2 )r(2) c
d.h. Das Verfahren kann fortgesetzt werden, um den Massenmittelpunkt eines Systems aus beliebig vielen Punktmassen zu konstruieren. Dabei ist die Reihenfolge der Massenpunkte o ensichtlich beliebig, da diese vollig symmetrisch in die Formel (2.417) zusammen mit (2.418)] eingehen. Der Massenmittelpunkt wird allein durch die Anordnung der Massenpunkte relativ zueinander bestimmt. Damit ist insbesondere der Zusammenhang der Koordinaten des Massenmittelpunkts in zwei Bezugssystemen wie folgt gegeben:
rc = r0 + r0c:
(2.429)
116
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
rc
rc
O
r0
O
Bei einem Korper mit kontinuierlicher Massenverteilung denke man sich den Korper zunachst wieder in hinreichend kleine Massenelemente #m zerlegt und fuhrt dann die Summationen als Integrationen aus, Z X 1 1 (2.430) rc = m r #m ! rc = m r dm
m=
X
#m
!
m=
Z
dm:
(2.431)
Ist die Massendichte des Korpers, so gilt dm = d3r und die Integrale in (2.430) und (2.431) konnen als Volumenintegrale (mit i. allg. ortsabhangigem ) ausgefuhrt werden, Z 1 rc = m d3 r r (2.432)
m=
Z
d3 r :
(2.433)
2.3.3 Energiebilanz
Wir multiplizieren die Bewegungsgleichung (2.410) fur den -ten Massenpunkt skalar mit r_ und erhalten gema Abschnitt 2.2.3 die Bilanzgleichung fur die kinetische Energie des -ten Massenpunkts als dT = P dt
(2.434)
T = 21 m jr_ j2
(2.435)
mit
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS
117
und
P = r_ F : Summation uber alle Massenpunkte liefert
(2.436)
dT = P dt wobei
T=
N X =1
T =
N X =1
(2.437)
1 m jr_ j2 2
(2.438)
die kinetische Energie des Gesamtsystems und
P=
N X =1
P =
N X =1
r_ F
(2.439)
die von den Kraften am Gesamtsystem erbrachte Leistung ist. Die zeitliche A nderung der kinetischen Energie eines Massenpunktsystems ist gleich der Gesamtleistung, d.h. der Leistung aller am System angreifenden Krafte. Sind die Krafte F , = 1 2 : : : N , konservativ, d.h. F = F (r1 r2 : : : rN ) F (r )
r F = 0
dann existiert ein Potential U = U (r1 r2 : : : rN ) U (r ) so da F = ;r U gilt. Damit ergibt sich fur die Gesamtleistung (2.439)
P=
N X =1
P = ;
=;
N X
N X =1
(2.440) (2.441) (2.442) (2.443)
r U r_
@U dxi = ; dU i dt =1 @x dt
(2.444)
118
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
und die Bilanzgleichung (2.437) geht in d (T + U ) = 0 dt uber. Fur konservative Systeme gilt also Erhaltung der Gesamtenergie,
T + U = E = const:
(2.445) (2.446)
Wie im Abschnitt 2.2.3 ausgefuhrt, unterliegt ein Massenpunkt sowohl konservativen als auch dissipativen Kraften,
F = F(cons) (r ) + F(diss) (r r_ t)
(2.447)
F(cons) = ;r U
(2.448)
so da die mechanische Energiebilanz (2.437) die Form d (T + U ) = P (diss) dt
(2.449)
annimmt, wobei
P (diss)
=
N X =1
F(diss) r_
(2.450)
die Gesamtleistung der dissipativen Krafte ist. Die Anwesenheit dissipativer Krafte bedeutet immer, da das System nicht abgeschlossen ist. Gema (2.408) denken wir uns die auf die einzelnen Massenpunkte wirkenden Krafte in innere und au ere Krafte zerlegt. Hinsichtlich der inneren Krafte konnen wir annehmen, da diese Zentralkrafte sind (siehe die Bemerkungen vor Beginn des Abschnitts 2.3.2). Ferner wollen wir annehmen, da sie nur vom gegenseitigen Abstand abhangen,6
F = f (r ) rr
(2.451)
r = r ; r r = jr j:
(2.452)
Wenn es sich um identische Massenpunkte handelt (d.h. um Massenpunkte der gleichen Art), braucht nicht extra indiziert werden. Das gleiche gilt auch fur in (2.453). 6
f
U
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS
119
mν rν- rµ
rν
mµ
rµ
Die inneren Krafte sind o ensichtlich konservativ,
U = U (r ) = ; f (r) = f (r)],
Z r
1
dr f (r) = U (r )
F = ;r U (r ) = r U (r ) = r U (r ) = ;F :
(2.453)
(2.454)
Das Gesamtpotential der inneren Krafte lautet dann
U (int)
1 2
=
N X =1
U (r )
(2.455)
denn
r
;
U (int)
= =
; 12
;
N X
=1
N X
=1
r
1 U (r ) ; 2
r U (r ) =
N X
=1
N X
=1
r U| {z(r })
F
U (r )
(2.456)
Sind die au eren Krafte konservativ, (ext) F(ext) = F (r )
(2.457)
F(ext) = ;r U (r )
(2.458)
so existiert ein Gesamtpotential der au eren Krafte,
U (ext)
=
N X =1
U (r ):
(2.459)
120
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Das Gesamtpotential U = U (int) + U (ext) des konservativen Systems lautet somit
U = 21
N X =1
U (r ) +
N X =1
U (r )
(2.460)
Anmerkungen (1) Wenn ein System abgeschlossen ist, gibt es nur innere Krafte, die (in der Regel) als konservativ angesehen werden konnen und ein zeitunabhangiges Potential besitzen. Fur abgeschlossene Systeme gilt also erfahrungsgema der Energieerhaltungssatz. (2) Dissipative Krafte konnen demnach als au ere Krafte angesehen werden. A u ere Krafte (ext) F(ext) (2.461) = F (r t) die explizit zeitabhangig sind, konnen ebenfalls ein Potential besitzen, das dann naturlich auch explizit zeitabhangig ist,
F(ext) = ;r U (r t):
(2.462) In diesem Fall wird U (ext) in (2.459) und damit das Gesamtpotential U in (2.460) zeitabhangig, und die Energie ist keine Erhaltungsgro e. Wie im Falle eines Massenpunkts Gleichung (2.110)] gilt nunmehr fur das Massenpunktsystem die Energiebilanz d (T + U ) = @U : (2.463) dt @t (3) Wir wechseln den Bezugspunkt und setzen r = r0 + r0 :
(2.464) mν
rν
O
rν
r0
O
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS
121
Die kinetische Energie la t sich dann wie folgt aufschreiben.
T = =
N X =1
1 m jr_ j2 2
2 1 2 mjr_ 0 j + r_ 0
N X
=
=1
N X
r_ 0
m +
=1 {z } mr_ 0c
|
d.h.
T=
2 1 2 mjr_ 0 j +
1 m (_r + r_ 0 ) (_r + r_ 0 ) 0 2 0
N X =1
N X =1
0 2 1 2 m jr_ j
0 2 0 1 2 m jr_ j + mr_ 0 r_ c :
(2.465)
(2.466)
Wahlen wir speziell als Bezugspunkt den Massenmittelpunkt des Massenpunktsystems, r0 = rc, dann gilt r0c = 0, und die Gleichung (2.466) geht in
T=
2 1 2 mjr_ c j +
N X =1
0 2 1 2 m jr_ j
(2.467)
uber. Die kinetische Energie eines Massenpunktsystems setzt sich also zusammen aus der kinetischen Energie der Translationsbewegung des im Massenmittelpunkt vereinigt gedachten Systems und der kinetischen Energie der Teile des Systems relativ zum Massenmittelpunkt.
2.3.4 Virialsatz
Bei Bewegungsvorgangen von Massenpunkten und Systemen von Massenpunkten ndet standig eine Umwandlung von kinetischer Energie in potentielle Energie und umgekehrt statt. In diesem Zusammenhang macht der Virialsatz eine Aussage daruber, wie gro im zeitlichen Mittel die Beitrage von kinetischer und potentieller Energie zur Gesamtenergie des Systems sind. Zur Herleitung gehen wir von der Bewegungsgleichung fur den -ten Massenpunkt aus, die wir mit r skalar multiplizieren, m r r = F r (2.468) d (m r r_ ) ; m jr_ j2 = r F dt und summieren uber alle Massenpunkte, N X
N N X d (m r r_ ) ; X 2 m jr_ j = r F : d t =1 =1 =1
(2.469) (2.470)
122
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Wir wollen annehmen, da die Krafte ein Potential besitzen, r F = ;r r U so da (2.470) in der Form
(2.471)
N N X d (m r r_ ) ; X 2 m jr_ j = ; r r U =1 =1 =1 dt
N X
(2.472)
geschrieben werden kann. Im weiteren interessieren wir uns fur den zeitlichen Mittelwert der Gleichung (2.472). Ist f (t) eine zeitabhangige Gro e, so wollen wir unter dem zeitlichen Mittelwert dieser Gro e Z t+T=2 1 0 f (t0 ) f (t) = Tlim d t (2.473) !1 T t;T=2 verstehen. Wir mitteln die Gleichung (2.472) und erhalten N X
d (m r r_ ) = lim 1 T !1 T =1 dt =
N X =1
N X =1
t+T=2 m _
m jr_ j2 ;
r r
N X =1
t;T=2
r r U:
(2.474)
Fur nite Bewegungen, auf die wir uns beschranken wollen, sind die Gro en m r r_ fur jeden Zeitpunkt endlich. Folglich gilt 1 lim T !1 T
N X =1
t+T=2 m _
r r
t;T=2
= 0
(2.475)
und wir erhalten N X
bzw.
m jr_ j2
=1 {z | 2T
T=
=
}
1 2
N X =1
N X =1
r r U
r r U
(2.476)
(2.477)
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS
123
Der zeitliche Mittelwert der kinetischen Energie ist gleich dem halben Virial des Massenpunktsystems. Das Virial la t sich in vielen Fallen weiter vereinfachen. Ist beispielsweise die potentielle Energie eine homogene Funktion zweiten Grades, N X =1
r r U = 2U
(2.478)
so folgt (nach dem Eulerschen Theorem uber homogene Funktionen) aus (2.477) T = U: (2.479) In diesem Fall stimmen die Zeitmittel von potentieller und kinetischer Energie uberein. Ein solcher Fall liegt fur ein System gekoppelter linearer Schwingungen vor (Abschnitt 2.3.7.2).
2.3.5 Drehimpulsbilanz
Wir multiplizieren die Bewegungsgleichung (2.410) fur den -ten Massenpunkt (von links) vektoriell mit r und erhalten gema Abschnitt 2.2.4 die Drehimpulsbilanz des -ten Massenpunkts als dL = M (2.480) dt mit L = r p (2.481) und M = r F : (2.482) Summation der N (vektoriellen) Bilanzgleichungen (2.480) liefert dL = M (2.483) dt wobei
L=
N X =1
L =
N X =1
r p
(2.484)
der Gesamtdrehimpuls und
M=
N X =1
M =
N X =1
r F
(2.485)
124
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
das Gesamtdrehmoment des Massenpunktsystems ist. Gema (2.408) zerlegen wir in (2.485) F in innere und au ere Krafte,
M = =
N X
r F(ext) +
=1 N X
r F(ext) +
=1
N X
=1
N X =1
F
!
r F :
(2.486)
Unter Berucksichtigung des dritten Newtonschen Axioms F = ;F la t sich der Doppelsummenterm wie folgt umformen: N X =1
r F =
1 2
=
1 2
=
1 2
N X =1 N X =1 N X =1
(r F + r F ) (r F ; r F ) (r ; r ) F :
(2.487)
Wenn wir nun wieder annehmen (siehe die Bemerkungen vor Beginn des Abschnitts 2.3.2), da die inneren Krafte zwischen punktformigen Massen Zentralkrafte sind,
F r ; r jF j jr ; r j
(2.488)
dann gilt o ensichtlich N X =1
r F = 0
(2.489)
und das Gesamtdrehmoment ist die Resultante der Drehmomente der au eren Krafte,
M=
N X
(ext) : r F(ext) =M
(2.490)
dL = M(ext) dt
(2.491)
=1
Die Drehimpulsbilanz lautet somit
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS
125
Die zeitliche A nderung des Gesamtdrehimpulses eines Massenpunktsystems ist gleich dem Gesamtdrehmoment der au eren Krafte, wenn die inneren Krafte Zentralkrafte sind. Die Beschrankung auf Zentralkrafte ist praktisch unbedeutend, da erfahrungsgema die Drehimpulsbilanz in der Fassung (2.491) ohne Einschrankung gultig ist. Verschwindet das Gesamtdrehmoment (der au eren Krafte), gilt Drehimpulserhaltung. M(ext) = 0 ddLt = 0 L = const: (2.492) Drehimpulserhaltung gilt also insbesondere fur abgeschlossene Systeme. Fazit: Wirken auf ein Massenpunktsystem keine au eren Krafte, oder verschwindet die Resultante ihrer Drehmomente, bleibt der Gesamtdrehimpuls des Systems erhalten. Drehimpulserhaltung bedeutet drei erste Integrale der Bewegungsgleichungen. In kartesischen Koordinaten lauten sie N X =1 N X =1 N X =1
m (y z_ ; z y_ ) = Lx = C1 m (z x_ ; x z_ ) = Ly = C2
m (x y_ ; y x_ ) = Lz = C2
(2.493)
wobei C1 C2 C3 drei beliebige Konstanten sind, die beispielsweise durch die Anfangsbedingungen spezizierbar sind. Die zum konstanten Gesamtdrehimpuls senkrecht stehende Ebene wird auch invariable Ebene genannt. Drehung um eine feste Achse Wir betrachten die Drehung eines Systems um eine feste Achse, die wir als z-Achse eines kartesischen Koordinatensystems au assen konnen. Die Komponente von L in Richtung der Drehachse lautet dann in kartesischen und Zylinderkoordinaten
Lz =
N X =1
m (x y_ ; y x_ ) =
N X =1
m %2 '_ :
(2.494)
Falls die Komponente des Gesamtdrehmoments in Richtung der Drehachse verschwindet, d.h. Mz = 0, ist Lz eine Erhaltungsgro e,
Lz =
N X =1
m %2 '_ = const:
(2.495)
126
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Dies ist unter irdischen Bedingungen beispielsweise der Fall, wenn die Drehachse parallel zur Schwerkraft gerichtet ist. Konnen die Massenpunkte insbesondere als untereinander starr verbunden angesehen werden (Modell des starren Korpers), besitzen alle Massenpunkte o ensichtlich die gleiche Winkelgeschwindigkeit,
'_ = '_ = '_ ! und Lz nimmt die Form
Lz =
N X
=1
(2.496)
!
m %2 !
(2.497)
an. Mit (=
N X =1
m %2
(2.498)
als dem auf die (z-Achse als) Drehachse bezogenem Tragheitsmoment des Systems lautet die Gleichung (2.497)
Lz = (!: (2.499) Im Falle eines ausgedehnten Korpers mit kontinuierlicher Massenverteilung kann das Tragheitsmoment analog dem Vorgehen bei der Bestimmung des Massenmittelpunkts eines solchen Korpers berechnet werden (Ende von Abschnitt 2.3.2). Der Korper wird in hinreichend kleine Massen- bzw. Volumenelemente zerlegt, und es wird von der Summation in der Denitionsgleichung (2.498) zur Integration ubergegangen. Mit als der Massendichte des Korpers lautet das Tragheitsmoment (=
Z
dm %2
=
Z
d3 r %2 :
(2.500)
Das Tragheitsmonent ist um so gro er, je gro er die Massen und je gro er ihre Entfernungen von der Drehachse sind. Bei konstantem Lz kann also die Winkelgeschwindigkeit vergro ert bzw. verkleinert werden, wenn das Tragheitsmoment verkleinert bzw. vergro ert wird (Drehsesselexperimente, Eiskunstlaufer). Wahrend es nach dem Massenmittelpunktssatz unmoglich ist, sich auf vollig reibungsfreien Boden allein mittels innerer Krafte (translatorisch) fortzubewegen, konnen die inneren Krafte eine beliebige Winkelanderung bewirken. Rolle des Bezugspunkts Der Drehimpuls hangt i. allg. von der Wahl des Bezugspunkts ab. Es seien O und O0 zwei Bezugspunkte,
r = r0 + r0 :
(2.501)
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS
127
mν rν
rν
O
r0
O
Fur den Fall, da
r_ 0 = 0
(2.502)
ist, hangen L0 und L wie folgt zusammen:
L0
= =
N X =1 N X =1
m r0 r_ 0
=
N X =1
m r r_ ; r0
m (r ; r0) r_ N X
m r_
(2.503)
=1 {z } mr_ c =p
|
d.h.
L0 = L ; r0 p:
(2.504)
Der Drehimpuls ist also von der Wahl des ruhenden Bezugspunkts O0 dann unabhangig, wenn der Gesamtimpuls des Systems verschwindet (p = 0) und somit der Massenmittelpunkt ruht. Betrachten wir nunmehr den Fall, da sich der Bezugspunkt O0 relativ zu O bewegt: r0 = r0(t). Wir nden
L0
= =
N X =1 N X =1
m (r ; r0 ) (_r ; r_ 0) m r r_ ;
N X =1
m r0 r_ ;
N X =1
m r r_ 0 +
N X =1
m r0 r_ 0 (2.505)
d.h.
L0 = L ; r0 p ; m (|rc {z ; r0 ) r_ 0 } r0c
(2.506)
128 woraus
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK dL0 = dL ; r_ p ; r dp 0 dt dt 0 dt ;m (_rc ; r_ 0 ) r_ 0 ;m (rc ; r0 ) r0 | {z } ;pr_ 0
(2.507)
d.h.
dL0 = dL ; r dp ; m (r ; r ) r c 0 0 dt dt 0 dt folgt. Fur den Zusammenhang der Gesamtdrehmomente gilt
M0
= =
M0 (ext) N X =1
=
N X =1
(2.508)
r0 F(ext)
(r ; r0 ) F(ext) = M(ext) ; r0 F(ext)
(2.509)
was wegen der Impulsbilanz (2.415) auch in der Form
M0(ext) = M(ext) ; r0 ddpt
(2.510)
geschrieben werden kann. Wir fassen die Gleichungen (2.508) und (2.510) zusammen, berucksichtigen die Drehimpulsbilanz (2.491) und erhalten dL0 = M0 (ext) ; m (r ; r ) r : c 0 0 dt Wie erwartet, gilt die Drehimpulsbilanz in der Form dL0 = M0(ext) dt
(2.511)
(2.512)
mit M0(ext) als dem Drehmoment der eingepragten au eren Krafte, wenn r0 eine gleichformig geradlinige Bewegung ausfuhrt (oder ruht), d.h. r0 = 0. Die Gleichung (2.512) mit M0 (ext) als dem Drehmoment der eingepragten au eren Krafte gilt aber auch dann, wenn als O0 der Massenmittelpunkt des Systems gewahlt wird, d.h.
r0(t) = rc(t):
(2.513)
Erfolgt speziell die Bewegung im homogenen Schwerefeld der Erde,
F(ext) = ;gm ez
(2.514)
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS
129
(z-Achse senkrecht zur Erdoberache nach oben gerichtet), so gilt fur die Resultante des Drehmoments
M(ext)
= g ez
N X =1
m r = gm ez rc = rc F(ext)
(2.515)
und wegen (2.509)
M0 (ext) = (rc ; r0) F(ext):
(2.516)
Aus (2.516) ist ersichtlich, da das auf den Massenmittelpunkt (Schwerpunkt) bezogene Drehmoment eines Massenpunktsystems im homogenen Schwerefeld der Erde verschwindet,
M0 (ext) = 0 fur r0 = rc:
(2.517)
Identizieren wir O0 als den Koordinatenursprung eines Bezugssystems 0, das relativ zu einem Inertialsystems (mit Ursprung O) (bei fester gegenseitiger Achsenlage) eine durch r0(t) beschriebene Translationsbewegung ausfuhrt, so stellt die Gleichung (2.511) o ensichtlich die Drehimpulsbilanz dar, wie sie ein Beobachter in 0 festgestellt. Gema Abschnitt 2.1.5 wird er bei der Berechnung des Drehmoments neben den eingepragten (au eren) Kraften noch die Tragheitskrafte hinzunehmen. Im vorliegenden Fall liefert dies anstelle von (2.509)] N X =1
;
r0 F(ext) ; m r0 =
N X
0 r0 F(ext) ; mrc r0
=1 0 (ext)
= M
; m (rc ; r0 ) r0
(2.518)
mit M0 (ext) aus (2.509)], d.h. gerade die rechte Seite in (2.511). Mit den Ergebnisses des Abschnitts 2.1.5 ist die Verallgemeinerung auf beliebig bewegte Bezugssysteme 0 o ensichtlich. Die Drehimpulsbilanz kann in jedem Bezugssystem in der Form (2.491) angegeben werden, wenn zu den eingepragten au eren Kraften die jeweiligen Tragheitskrafte (die ebenfalls als au ere Krafte au a bar sind) hinzugenommen werden.
2.3.6 Erhaltungssatze und Integration der Bewegungsgleichungen
Wie in Abschnitt 2.2.5 gezeigt wurde, konnen im Falle von Energie- und Drehimpulserhaltung die Bewegungsgleichungen fur einen Massenpunkt bis auf die Berechnung von Integralen vollstandig gelost werden. Fur ein Massenpunktsystem ist dies i. allg. nicht so einfach moglich. Fur ein abgeschlossenes System konnen wir davon ausgehen, da Energieerhaltung, Impulserhaltung und Drehimpulserhaltung gelten. Ein
130
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
System aus N Massenpunkten genugt bekanntlich 3N Bewegungsgleichungen, d.h. 3N gewohnlichen Di erentialgleichungen 2. Ordnung. Deren Losung ist durch 6N Integrationskonstanten bestimmt. Die oben genannten allgemeinen Erhaltungssatze liefern nur 10 Konstanten: die Energie, die 6 Orts- und Geschwindigkeitskomponenten des Massenmittelpunkts sowie die 3 Komponenten des Drehimpulses. Wahrend die fur das Zweikorperproblem fehlenden 2 Konstanten noch relativ einfach bestimmbar sind, ist dies bereits fur die fehlenden 8 Konstanten des allgemeinen Dreikorperproblems nicht mehr moglich. Wie wir spater sehen werden, hangen die Erhaltungssatze fur ein System eng mit den Symmetrien des Systems zusammen. So konnen naturlich spezielle Vielkorpersysteme spezielle Symmetrien aufweisen, so da neben den allgemeinen Erhaltungssatzen noch spezielle Erhaltungssatze gelten, die zur Integration der Bewegungsgleichungen ausgenutzt werden konnen. Wir wollen unter Zuhilfenahme der allgemeinen Erhaltungssatze das Zweikorperproblem etwas genauer untersuchen. Eine wichtige Anwendung ist die Bewegung zweier Massenpunkte im gegenseitigen Gravitationsfeld (Zweikorperproblem im engeren Sinne als ein Modell beispielsweise fur die Bewegung von Sonne und Erde). m1 r1
r2- r1
r2
m2
Mit dem Kraftansatz (2.451) fur die inneren Krafte lauten die (vektoriellen) Bewegungsgleichungen fur die zwei Massenpunkte m1r1 = ;f (r21 ) rr21 (2.519) 21 (2.520) m2r2 = f (r21) rr21 : 21 Es ist zweckma ig, anstelle von r1 und r2 den Massenmittelpunktsvektor rc und den Abstandsvektor r21 zu verwenden. Eine einfache Rechnung zeigt, da die Gleichungen m1r1 + m2 r2 = (m1 + m2 )rc (2.521) und r2 ; r1 = r21 (2.522) auf r01 = r1 ; rc = ; m m+2m r21 (2.523) 1 2 r02 = r2 ; rc = m m+1m r21 (2.524) 1 2
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS
131
fuhren. Die Impulserhaltung impliziert, da fur den Massenmittelpunkt 2 r2 rc = m1mr1 ++ m 1 m2 die Bewegungsgleichung rc = 0
(2.525) (2.526)
gilt, der Massenmittelpunkt sich also gleichformig geradlinig bewegt oder in Ruhe bleibt,
rc = c1t + c2 :
(2.527)
In U bereinstimmung mit dem Galileischen Relativitatsprinzip kann also beispielsweise ein solches Inertialsystem gewahlt werden, dessen Ursprung mit dem Massenmittelpunkt zusammenfallt, und somit r01 = r1 ; rc und r02 = r2 ; rc von Massenmittelpunkt aus gemessen werden. r2 r1 m1
m2
Massenmittelpunkt
Multiplizieren wir die Bewegungsgleichung (2.519) mit m2 und die Bewegungsgleichung (2.520) mit m1 , und subtrahieren wir die erste Gleichung von der zweiten, so erhalten wir unschwer die Bewegungsgleichung fur r21 ,
r21 = f (r21) rr21
(2.528)
= mm1+mm2
(2.529)
21
wobei
1
2
die reduzierten Masse ist. Damit ist das Zweikorperproblem auf das Einkorperproblem zuruckgefuhrt. Die Bewegung der beiden Massen relativ zueinander ist o ensichtlich einem Einkorperproblem vom Typ (2.174) aquivalent, bei dem sich ein Massenpunkt mit der Masse in einem konservativen Zentralkraftfeld f (r)r=r bewegt. Ist r21(t) bekannt, sind gema (2.523) und (2.524) auch r1(t) und r2 (t) bekannt. Mittels Energie- und Drehimpulserhaltungssatz kann dann die Bewegungsgleichung (2.528) in der im Abschnitt 2.2.5 beschriebenen Weise integriert werden. Gema (2.467) ist die kinetische Energie die Summe aus der konstanten (und somit unwesentlichen) kinetischen Energie der Massenmittelpunktsbewegung und der kinetischen Energie T 0
132
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
der Bewegung der beiden Massenpunkte relativ zum Massenmittelpunkt. Man kann sich leicht uberzeugen, da letztere { in U bereinstimmung mit (2.528) { gerade durch
T 0 = 21 jr_ 21j2
(2.530)
gegeben ist. Gema (2.506) ist der auf den Massenmittelpunkt bezogene Drehimpuls
L0 = L ; (m1 + m2 )rc r_ c : (2.531) Wegen r_ c = const: und somit rc r_ c = const: ist fur konstantes L auch L0 konstant, L0 = m1 r01 r_ 01 + m2 r02 r_ 02 = const: (2.532) dies kann naturlich auch direkt aus (2.512) gefolgert werden], woraus wegen r01 "# r02 Gleichungen (2.523) und (2.524)]
L0 r01 = L0 r02 = 0
(2.533)
folgt. Beide Massenpunkte bewegen sich also dauernd in der zu L0 senkrechten und durch den Massenmittelpunkt gehenden invariablen Ebene. Dieses Ergebnis kann naturlich auch direkt aus der Bewegungsgleichung (2.528) gewonnen werden (vektorielle Multiplikation mit r21 ). Kepler-Problem als Zweikorperproblem Wir identizieren m1 mit der Sonnenmasse M und m2 mit der Planetenmasse m, bezeichnen den Abstandsvektor r2 ; r1 von der Sonne zum Planeten mit r (relativer Radiusvektor), und erhalten aus (2.528) und (2.529) zusammen mit (2.334)]
m) r : r = ; (M + (2.534) 2 r r Die Gleichung (2.534) hat dieselbe Form wie im Falle des Einkorpermodells Gleichungen (2.333) und (2.334)], wobei anstelle von M die Gesamtmasse M + m auftritt. Dieser Unterschied ist beim 1. und 2. Keplerschen Gesetz unwesentlich, da hier die Masse nur in Verbindung mit beliebigen Konstanten auftritt. Der Unterschied wird wesentlich beim 3. Keplerschen Gesetz. Anstelle von (2.383) gilt nunmehr 2 2 T 2 = (M4+ m) a3 = M (14+ m=M ) a3:
(2.535)
Die rechte Seite dieser Gleichung ist fur verschiedene Planeten des Sonnensystems verschieden, so da hinsichtlich der Umlaufzeiten zweier Planeten die Relation (2.384) durch 2 3 T1 = a1 1 + m2 =M (2.536) T2 a2 1 + m1 =M
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS
133
zu ersetzen ist. Der Einu der Sonne au ert sich also in dem Verhaltnis m=M . Dies ist beim Jupiter, dem Planeten mit der gro ten Masse, gerade 10=00. Die auf den gemeinsamen Massenmittelpunkt bezogene Bewegung von Sonne und Planet la t sich mittels (2.523) und (2.524) leicht feststellen. Mit den Bezeichnungen r0M = r1 und r0m = r2 gilt
m r M +m = mM +M r:
r0M = r0m
;
(2.537) (2.538)
Die auf den Massenmittelpunkt bezogene Bewegung der beiden Korper ist ebenfalls eine Keplersche Bewegung. So ist im Falle einer elliptischen Bewegung die Ellipse des Planeten wegen des Faktors M=( M + m) 1 nahezu vom gleichen Ma wie die Ellipse der relativen Bewegung von Sonne und Planet. Demgegenuber ist die Ellipse der Sonne eine um das Verhaltnis m=( M + m) m=M kleinere Ellipse.
2.3.7 Spezielle Probleme 2.3.7.1 Der Sto Wir betrachten zwei Korper (Teilchen), die gewissen inneren Kraften unterworfen sind. Dabei wollen wir annehmen, da die gegenseitige Kraftwirkung zwischen den beiden Korpern kurzreichweitig ist, d.h., wenn die Korper hinreichend weit voneinander entfernt sind, kann angenommen werden, da sie sich kraftefrei bewegen. Unter einem Sto zweier (oder auch mehrerer) Korper wollen wir ihr plotzliches (kurzzeitiges) Zusammentre en verstehen. Eine genaue, von den elastischen und plastischen Eigenschaften der Sto partner ausgehende Theorie der bei einem Sto auftretenden Erscheinungen ist i. allg. recht schwierig. O ensichtlich reicht das Modell zweier Massenpunkte nicht aus, um die Einzelheiten der Wechselwirkung wahrend eines Sto es zu beschreiben, da hier die geometrische Gestalt der beiden Korper und die Art der inneren Krafte zu berucksichtigen sind. Trotzdem lassen sich Aussagen uber die Bewegung der Korper nach dem Sto machen, da die inneren Krafte die Bahn des Massenmittelpunkts nicht beeinussen.
134
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK u1 m1 m1
v1 Stoßgebiet
v2
m2
m2
u2
Es ist ublich, Sto e unter unterschiedlichen Gesichtspunkten zu klassizieren. Vom kinematischen Standpunkt aus ist der Sto zweier Korper beliebiger Form zentral, wenn die gemeinsame Normale der beiden Flachen im Beruhrungspunkt { die Stonormale { mit der die Massenmittelpunkte verbindenden Geraden zusammenfallt. So ist der Sto zweier homogener Kugeln immer zentral. Ein Sto hei t schief oder gerade, je nachdem ob die beiden Geschwindigkeiten (der Massenmittelpunkte) unmittelbar vor dem Sto in eine Gerade fallen oder nicht. So ist in der Abbildung der Sto fur = 0 zentral und fur 6= 0 nichtzentral. Ferner ist er fur = 0 gerade und fur 6= 0 schief.
Verbindungsgerade der Massenmittelpunkte α
v2
v1
Gerade der Flächennormalen
β
Wir betrachten zwei Korper der Massen m1 und m2 ihre (Massenmittelpunkts-)Geschwindigkeiten vor dem Sto seien v1 und v2 und nach dem Sto u1 und u2. Da die Sto krafte innere Krafte sind, gilt Erhaltung des Gesamtimpulses,
m1 v1 + m2 v2 = m1 u1 + m2 u2 :
(2.539)
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS
135
Wie im Abschnitt 2.3.6 ist es auch hier wieder zweckma ig, Massenmittelpunktsvektor rc und Abstandsvektor
r = r2 ; r1 zu verwenden,
(2.540)
r1 = rc ; mm2 r
(2.541)
r2 = rc + mm1 r
(2.542)
m = (m1 + m2) Gleichungen (2.523) und (2.524)]. Aus (2.541) und (2.542) folgt fur die Geschwindigkeiten (2.543) r_ 1 = r_ c ; mm2 r_ r_ 2 = r_ c + mm1 r_ : (2.544) Die Gleichungen (2.543) und (2.544) gelten sowohl fur die Geschwindigkeiten vor dem Sto (v1 v2 vc v) und nach dem Sto (u1 u2 uc u), und die Impulserhaltung bedeutet (2.545)
r_ c = uc = vc
Der Massenmittelpunkt der beiden Sto partner fuhrt eine gleichformig geradlinige Bewegung aus oder ruht. Analog gilt auch Drehimpulserhaltung, die im vorliegenden Fall jedoch keine weiteren Gleichungen ergibt. Um die unbekannten Geschwindigkeiten u1 und u2 zu bestimmen, sind weitere Annahmen notwendig. Wir wollen im folgenden von moglichen Rotationsbewegungen der Korper absehen. Elastischer Sto Im Idealfall des vollkommen elastischen Stoes bleibt die kinetische Energie der Translationsbewegung des Gesamtsystems erhalten,
m1 jv1j2 + m2 jv2j2 = m1 ju1j2 + m2 ju2j2 :
(2.546)
Wir verwenden (2.543) und (2.544) und erhalten 1 m2 jvj2 m1 vc ; mm2 v + m2 vc + mm1 v = mjvc j2 + mm
2
2
| {z }
(2.547)
136
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
so da (2.546) { in U bereinstimmung mit (2.528) { in der Form mjvcj2 + jvj2 = mjuc j2 + juj2 (2.548) geschrieben werden kann bzw. wegen (2.545) jvj2 = juj2 : (2.549) Wahrend damit der Betrag von u durch den Betrag von v festgelegt ist, bleibt seine Richtung noch o en,
u =ve
(2.550)
(v = jvj). In anderen Worten, der Vektor der Relativgeschwindigkeit wird im Ergebnis des betrachteten elastischen Sto es i. allg. gedreht. Der die Richtung von u (d.h. die Richtung, in die die Relativgeschwindigkeit gedreht wird) festlegende Einheitsvektors e hangt o ensichtlich von den konkreten Wechselwirkungen zwischen den sto enden Korpern und ihrer relativen Lage zu Zeiten wahrend des Sto es ab. Wir wenden (2.543) und (2.544) auf die Geschwindigkeiten nach dem Sto an, berucksichtigen (2.545) sowie (2.550) und erhalten (2.551) u1 = vc ; mm2 v e u2 = vc + mm1 v e (2.552) bzw. ausfuhrlich + m2v2 ; m2 v e u1 = m1 v1 m (2.553) m + m2v2 + m1 v e: u2 = m1 v1 m (2.554) m Wir drucken die Geschwindigkeiten v1 v2 und u1 u2 durch die entsprechenden Impulse aus, p1 = m1 v1 p2 = m2 v2 (2.555) q1 = m1 u1 q2 = m2 u2 (2.556) und erhalten (2.557) q1 = mm1 (p1 + p2 ) ; v e q2 = mm2 (p1 + p2 ) + v e: (2.558) Die obigen Resultate konnen in ubersichtlicher Weise graphisch veranschaulicht werden, wie die folgende Abbildung zeigt.
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS
137
C
e A
O
B
AO = mm2 (p1 + p2) OB = mm1 (p1 + p2) OC = v e ;!
;!
;!
;!
;!
(2.559)
;!
AB = p1 + p2 AC = q2 CB = q1: (2.560) Wir wollen annehmen, da die Sto normale bekannt ist und zerlegen e in zwei Komponenten, namlich eine in Richtung der Sto normalen (Einheitsvektor eN ) und eine senkrecht dazu in der Tangentialebene (Einheitsvektor eT ), u = uT eT + uN eN : (2.561) Fur den elastischen Sto gilt o ensichtlich uT = vT uN = vN : (2.562) Unelastischer Sto Der andere Grenzfall ist der vollkommen unelastische Sto, bei dem die beiden Korper in Richting der Sto normalen die gleiche Geschwindigkeit annehmen, uN = 0 (2.563) d.h. u1 N = u2 N . Bei den tatsachlich vorkommenden Sto en, ist man in Ermangelung genauer Kenntnisse auf die Einfuhrung von empirischen Koe!zienten angewiesen. Zu Beginn des Sto es werden die Korper so lange zusammengedruckt, bis die ursprungliche Relativgeschwindigkeit in Richtung der Sto normalen Null wird. Dann folgt der Ruckgang der Formanderung. Die Richtung der Relativgeschwindigkeit in Richtung der Sto normalen kehrt sich um. Nach Beendigung des Vorgangs ist sie jedoch wegen i. allg. unvollstandiger Elastizitat kleiner als zu Beginn des Sto vorgangs, uN = 1: (2.564) vN
138
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Die empirische Konstante wird auch Restitutions- oder Stokoezient genannt. Im Grenzfall des vollkommen elastischen Sto es gilt = 1 und entsprechend = 0 fur den vollkommen unelastischen Sto . In der Praxis liegt der Wert von irgendwo dazwischen. So ist beispielsweise fur Stahlkugeln 0:6 und fur Elfenbein 0:9. Die Tangentialkomponenten konnen i. allg. als unveranderlich angesehen werden, uT = vT : (2.565) Eine graphische Darstellung kann analog zum Fall des vollkommen elastischen Sto es erfolgen jedoch gilt nunmehr u = v~ e v~ v (2.566)
v~2 d.h.
= vT2
+ 2vN2
= v2 + ( 2 ; 1)vN2 v2
1 + ( 2 ; 1)
v 2 N
v
r
2 v~ = v 1 + ( 2 ; 1) vvN :
(2.567) (2.568)
2.3.7.2 Gekoppelte Schwingungen Wir betrachten zwei (lineare) Federschwinger, die untereinander uber eine dritte Feder gekoppelt sind.
m1
x
m2
Die Bewegungsgleichungen lauten m1 x1 = F1(ext) + F12 m2 x2 = F2(ext) + F21 : Mit den linearen Kraftansatzen (ext) (0) F1 = ;k1 x1 ; x1
F2(ext) = ;k2 x2 ; x(0) 2 und
(0) F12 = ;k x1 ; x(0) 1 ; x2 + x2 = ;F21
(2.569) (2.570) (2.571) (2.572) (2.573)
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS (0) (x(0) 1 x2 - Ruhelagen) erhalten wir also m1 x)1 = ;k1 x)1 ; k()x1 ; x)2 ) m2 x)2 = ;k2 x)2 + k()x1 ; x)2 ) wobei x)1 = x1 ; x(0) 1
139 (2.574) (2.575) (2.576)
x)2 = x2 ; x(0) (2.577) 2 die auf die Gleichgewichtslagen bezogenen Koordinaten sind. Die Krafte sind konservativ, und die potentielle Energie ist durch die quadratische Form U = 12 (k1 + k))x21 + (k2 + k))x22 ; 2kx)1 x)2 (2.578) gegeben. Obwohl das System nicht abgeschlossen ist, gilt Energieerhaltung. Das Differentialgleichungssystem (2.574) und (2.575) kann gema der allgemeinen Theorie gewohnlicher, linearer Di erentialgleichungssysteme uber den Ansatz x)1 = A1 et x)2 = A2et (2.579) gelost werden, der, wie eine einfache Rechnung zeigt, auf die Sakulargleichung
k k k k 2 1 2 2 + m + m ; mk mk = 0 (2.580) +m +m 1 1 2 2 1 2 fuhrt, deren Wurzeln unschwer berechnet werden konnen. Wir schreiben das Di erentialgleichungssystem (2.574) und (2.575) etwas um, indem wir Massenmittelpunkts- und Relativkoordinaten einfuhren, x)c = m1 (m1x)1 + m2 x)2 ) (2.581) x) = x)2 ; x)1 so da
(2.582)
(2.583) x)1 = x)c ; mm2 x) x)2 = x)c + mm1 x) (2.584) siehe (2.541) und (2.542)] gilt. Eine kurze Rechnung liefert das folgende Di erentialgleichungssystem fur x)c und x):
k + k k k 1 2 2 1 x)c = ; m x)c + m m ; m x) (2.585) 1 2
140
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
x) = mk1 ; mk2 x)c ; k + mm2 mk1 + mm1 mk2 x) (2.586) 1 2 1 2 ( - reduzierte Masse). O ensichtlich gilt keine Impulserhaltung, so da naturlich auch Massenmittelpunkts- und Relativbewegung i. allg. nicht entkoppeln. Sie entkoppeln, falls k1 = k2 (2.587) m1 m2 ist, d.h., falls die Eigenfrequenzen r r k 1 (0) (0) !1 = m !2 = mk2 (2.588) 1 2 der beiden ungestorten harmonischen Oszillatoren gleich sind, !1(0) = !2(0) !1. Die Koordinaten, fur die die Bewegungsgleichungen linear gekoppelter harmonischer Oszillatoren entkoppeln, hei en Normalkoordinaten. Ihre Bestimmung wird auch Normalkoordinatenanalyse genannt. Im Falle zweier linearer harmonischer Oszillatoren gleicher Frequenz sind also Massenmittelpunkts- und Relativkoordinate die Normalkoordinaten des gekoppelten Systems. Wir wollen uns der Einfachheit halber zunachst auf diesen Fall konzentrieren. Mit k1 = k2 = k1 + k2 = m2 k1 + m1 k2 = !2 (2.589) m1 m2 m m m1 m m2 1 wird aus (2.585) und (2.586) x)c + !12x)c = 0 (2.590) wobei
x) + !22x) = 0
(2.591)
k = (2.592) ist. Die Gleichungen (2.590) und (2.591) sind die Bewegungsgleichungen harmonischer Oszillatoren, und die allgemeine Losung lautet x)c (t) = Ac cos(!1t + c) (2.593) !22
!12 +
x)(t) = A cos(!2t + ) (2.594) (Abschnitt 1.3.3). Damit ergeben sich gema (2.583) und (2.584) fur die Auslenkungen aus den Gleichgewichtslagen (2.595) x)1 (t) = Ac cos(!1t + c) ; mm2 A cos(!2t + ) x)2 (t) = Ac cos(!1 t + c) + mm1 A cos(!2t + ): (2.596)
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS
141
Die sich fur Ac 6= 0, A = 0 und Ac = 0, A 6= 0 ergebenden zwei Schwingungen der Eigenfrequenzen !1 und !2 des gekoppelten Systems werden auch Normalschwingungen bzw. Eigen- oder Fundamentalschwingungen des Systems genannt. Die allgemeine Losung ergibt sich dann als beliebige U berlagerung der beiden Normalschwingungen. Normalschwingungsanalyse als lineares Eigenwertproblem Die Entkopplung der Bewegungsgleichungen eines linearen, schwingenden Systems durch Einfuhrung geeigneter Linearkombinationen der Systemkoordinaten kann naturlich auch fur Systeme mit mehr als zwei Massenpunkten (Teilchen) durchgefuhrt werden (z.B. fur Molekule und Kristallgitter). Eine systematische Methode zum Aufnden der Normalschwingungen basiert auf Diagonalisierungsverfahren fur Matrizen. Um dies zu sehen, schreiben wir die obigen Resultate fur unsere zwei gekoppelten Oszillatoren etwas um. Wir beginnen mit den Bewegungsgleichungen (2.574) und (2.575), die in der Form
x~ = ;
X
V x~
(2.597)
( = 1 2) geschrieben werden konnen, wobei die skalierten Koordinaten p
m x) = x~ (2.598) eingefuhrt wurden. Die symmetrische, reelle Matrix V hangt mit der Matrix U in der potentiellen Energie U = 12
X
U x) x)
(2.599)
wie folgt zusammen:
V = (m m );1=2 U :
(2.600)
Gema (2.595) und (2.596) kann dann die Losung in der Form
x~ (t) =
X
C q (t)
(2.601)
dargestellt werden, wobei die Normalkoordinaten q harmonische Oszillatoren reprasentieren,
q + ! 2q = 0
(2.602)
142
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Die Matrix C lautet in unserem Fall
C =b m1
p
m1 p m2
;
p
m2 : p m1
(2.603)
Sie ist orthogonal, (C ;1) = C
(2.604)
und diagonalisiert o ensichtlich die Matrix V X
0 0
(C ;1) 0 V 0 0 C 0 = ! 2
(2.605)
Wendet man C ;1 (von links) auf die Gleichung (2.601) an, so ergibt sich die Gleichung (2.602) genau dann, wenn die Gleichung (2.597) erfullt ist. Die Normalschwingungsanalyse lauft also auf die Losung des Eigenwertproblems der Matrix V hinaus. Die Eigenwerte bestimmen die Quadrate der Eigenfrequenzen, und die Eigenvektoren legen die Geometrie der Normalschwingungen fest, d.h. die jeweilige Linearkombination der Ausgangskoordinaten. Es ist klar, da das Verfahren nicht nur auf die zunachst betrachteten zwei speziellen, sondern ganz allgemein auf N gekoppelte harmonische Oszillatoren anwendbar ist (d.h. = 1 2 : : : N in obigen Gleichungen, N beliebig).7 Normalschwingungen zeichnen sich meistens durch eine besonders hohe Symmetrie der Bewegung der Massenpunkte aus, was die Rechnungen in der Praxis sehr vereinfachen kann. Schwebungen Wir kehren zu unserem Ausgangsproblem zweier gekoppelter harmonischer Oszillatoren zuruck und wollen zwei Grenzfalle diskutieren. Ist (fur entsprechende Anfangsbedingungen) uber die frei wahlbaren Koe!zienten in (2.595) und (2.596) so verfugt, da Ac = (m2=m)A ist, so setzt sich x)1 (t) aus zwei Schwingungen gleicher Amplitude zusammen. Analog ist x)2 (t) fur Ac = (m1=m)A eine U berlagerung zweier Schwingungen gleicher Amplitude. Ist m1 = m2 , tri t der Sachverhalt fur x1 (t) und x2 (t) gleicherma en zu. Unterscheiden sich die beiden Schwingungen (gleicher Amplitude) nur schwach in ihren Frequenzen,
!2 ; !1 !2 + !1
(2.606)
Dies schliet auch dreidimenionale Bewegungen der beteiligten Massenpunkte ein, da den einzelnen Koordinaten naturlich auch unterschiedlichen Raumrichtungen entsprechen konnen. Ferner setzt das Verfahren nur ein lineares Problem vom Typ (2.597) voraus, so da es sich auch nicht notwendigeweise um Schwingungen handeln mu. 7
x
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS
143
so liegen jeweils Schwebungen vor (Abschnitt 1.3.3.2). Dies ist o ensichtlich der Fall, wenn die beiden Oszillatoren nur schwach gekoppelt sind, k k1 = k2 : (2.607) m1 m2 Ist m1 = m2 , so fuhren beide Massenpunkte Schwebungen aus, die fur c = o enbar gerade um =2 verschoben sind. Hat die Amplitude der einen Schwingung ihren gro ten Wert erreicht, dann ist die der anderen Schwingung Null und umgekehrt. Der geschilderte Bewegungszustand kann erreicht werden, wenn anfangs die beiden Massenpunkte ruhen und einer von beiden aus der Gleichgewichtslage ausgelenkt ist. Bei der dann einsetzenden Bewegung wird die Energie des Systems zwischen den beiden Massenpunkten periodisch ausgetauscht. Erzwungene Schwingungen Wir wollen annehmen, da in den Ausgangsgleichungen (2.574) und (2.575) m2 m1 (2.608) und somit k k (2.609) m2 m1 gilt und die Werte von k1=m1 und k2=m2 endlich (fest) sind. Dann kann in (2.575) der zweite Term (naherungsweise) weggelassen werden, m2 x)2 = ;k2 x)2 (2.610) und folglich fuhrt der Massenpunkt m2 (naherungsweise) eine ungestorte Schwingung aus, (0) x)2(t) = A2 cos !2 t + 2 : (2.611) Wir setzen (2.611) in (2.574) ein und erhalten m1 x)1 = ;(k1 + k) x)1 + kA2 cos !2(0) t + 2 :
(2.612)
Die Gleichung (2.612) ist die Bewegungsgleichung einer erzungenen Schwingung eines harmonischen Oszillators der Eigenfrequenz r !1 = mk1 + mk (2.613) 1 1 unter dem Einu einer harmonischen Kraft der Frequenz !2(0) (siehe Abschnitt 2.2.6.5). Wir sehen, eine erzwungene Schwingung kann als Grenzfall von Koppelschwingungen aufgefa t werden. Die Erzeugung eines schwingungsfahigen Systems durch eine au ere Kraft bedeutet seine Kopplung mit einem zweiten System derart, da dieses vom ersten nicht bzw. nur in vernachlassigbar kleinem Ma beeinu t wird, die Ruckwirkung des ersten auf das zweite System also weggelassen werden kann.
144
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
2.3.7.3 Die Raketengleichung Als Beispiel der Bewegung eines Korpers mit veranderlicher Masse wollen wir die Bewegung einer Rakete untersuchen, deren Masse sich durch Aussto en von Masse verandert. Fassen wir die Rakete plus ausgesto ene Masse als Massenpunktsystem auf, so gilt o ensichtlich Massenerhaltung, und fur den Gesamtimpuls gilt die Bilanzgleichung
p_ = F(ext) :
(2.614)
Gema der Abbildung kann p_ wie folgt berechnet werden. t +∆ t
t
m v
∆m v+∆v +u
m+ ∆m v+∆v
Impuls zur Zeit t:
p = mv
(2.615)
Impuls zur Zeit t + #t:
p + #p = m + #m]v + #v] ; #mv + #v + u] = mv + m#v ; #mu
(2.616)
(u - relative Austrittsgeschwindigkeit der ausstromenden Masse), d.h. #p = m#v ; #mu
(2.617)
p_ = mv_ ; m_ u:
(2.618)
bzw. in der Grenze #t ! 0 Wir fassen die Gleichungen (2.614) und (2.618) zusammen und erhalten die Rake-
tengleichung
mv_ = F(ext) + m_ u
(2.619)
2.3. DYNAMIK EINES MASSENPUNKTSYSTEMS
145
Die Gleichung (2.619) kann o ensichtlich in die Form d (mv) = F(ext) + m_ (v + u) (2.620) dt gebracht werden kann, in der sie die Impulsbilanz fur die Rakete darstellt. Die zeitliche A nderung des Impulses einer Rakete ist gleich der au eren Kraft und der Schubkraft m_ (v + u). Betrachten wir als Beispiel den geradlinigen Aufstieg einer Rakete (Bewegung in z-Richtung) im homogenen Schwerefeld der Erde, v = z_ ez (2.621)
u = ;u ez F(ext) = ;g ez :
(2.622)
In diesem Fall lautet die Raketengleichung (2.619) m_ u z = ;g ; m (m_ < 0),8 woraus fur die Raketengeschwindigkeit Z t m_ u z_ = ;g(t ; t0) ; dt0 m t0 z_ (t0) = 0] und die Bahnkurve
z(t) = ; 12 g(t ; t0)2 ;
Z t
t0
dt0
Z t0
t0
_ u dt00 m m
(2.623) (2.624) (2.625) (2.626)
z(t0 ) = 0] folgen. Speziell fur konstante Ausstromgeschwindigkeit u = const: gilt
m ( t 0) (2.627) z_ = ;g(t ; t0 ) + u ln m(t) : Ist zum Zeitpunkt t = tf samtlicher Treibsto verbraucht, hat die Rakete die Geschwindigkeit
m ( t 0) vf = ;g(tf ; t0) + u ln m(t ) (2.628) f erreicht, und fur t > tf unterliegt sie dann den Gesetzen des senkrechten Wurfs, z_ = ;g(t ; tf ) + vf : (2.629) Der zweite Term in (2.628), der die Endgeschwindigkeit ohne au ere Kraft darstellt, hangt also nur vom Massenverhaltnis m(t0 )=m(tf ) ab. Insgsamt wird also die maximal erreichbare Geschwindigkeit (2.628) um so gro er, je schneller moglichst viel Masse ausstromt. Eine genauere Untersuchung erfordert i. allg. auch die Berucksichtigung der Reibungsverluste durch die Atmosphare siehe Abschnitt 2.2.6.2. 8
146
KAPITEL 2. NEWTONSCHE MECHANIK
Kapitel 3 Lagrangesche Mechanik 3.1 Das d'Alembertsche Prinzip 3.1.1 Freie und gebundene Systeme Vom mechanisch-mikroskopischen Standpunkt aus konnte man die "Welt\ als ein System von Massenpunkten auassen, zwischen denen Krafte wirken, die Anla fur die Bewegung der Massenpunkte entsprechend den Newtonschen Bewegungsgleichungen geben. Abgesehen davon, da sich die Physik nicht auf die klassische Punktmechanik reduzieren lat, stot dieses Konzept bereits in der Mechanik selbst auf unuberwindbare praktische Hindernisse. Stellen wir uns vor, ein ausgedehnter, makroskopischer Korper wurde als ein System von Massenpunkten beschrieben, beispielsweise im Sinne von Atomen oder Molekulen. Wir hatten es dann groenordnungsmaig mit N = 1023 Teilchen zu tun, d.h. mit 31023 gekoppelten, gewohnlichen Dierentialgleichungen zweiter Ordnung, die gelost werden muten zur Bestimmung der Bahnkurven aller Teilchen. Dies ist naturlich praktisch unmoglich. Ein moglicher Ausweg aus dieser Situation besteht darin zu versuchen, das jeweilige Gesamtsystem in ein (moglichst "kleines\) Objekt, dessen physikalische Eigenschaften primar gesucht sind, und eine Umgebung, deren Einu auf das Objekt durch geeignete Annahmen (zumindest naherungsweise) erfabar sind, ohne auf die mikroskopischen Bewegungsgleichungen der Korper der Umgebung zuruckzugreifen, zu unterteilen. Ein solches Vorgehen setzt in der Regel voraus, da die Ruckwirkung des Objekts auf die Umgebung vernachlassigbar sein mu. Betrachten wir beispielsweise einen Korper (im Sinne eines Massenpunkts), der unter dem Einu der Schwerkraft auf einer schiefen Ebene hinabgleitet. Er unterliegt der Gravitationskraft der Erde (die schiefe Ebene eingeschlossen) und seitens der schiefen Ebene Kraften, die ihn entlang der schiefen Ebene zwingen und verhindern, da er in sie eindringen oder gar hindurchfallen kann. Das setzt insbesondere voraus, da unter dem Einu des Korpers keine merkliche Deformation der schiefen Ebene eintritt, die Wirkung des Korpers auf die schiefe Ebene hinreichend schwach und somit vernachlassigbar ist. Unter diesen Bedingungen kann also im Sinne obiger 147
148
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
Einteilung der Korper als Objekt und die schiefe Ebene als Umgebung betrachtet werden, deren Einu auf den Korper durch eine auere Kraft beschrieben werden kann, einer Zwangskraft, die ihn zwingt, sich ausschlielich auf der schiefen Ebene zu bewegen. z
α x
Es liegt auf der Hand, da es sinnlos ware, die schiefe Ebene in Massenpunkte zu zerlegen, die sowohl untereinander als auch mit dem zu untersuchenden Objekt wechselwirken, und zu versuchen, die resultierenden Bewegungsgleichungen zu losen. Wie bereits erwahnt, ist es fur viele Zwecke ausreichend anzunehmen, da die schiefe Ebene ein starrer Korper ist, der durch den abgleitenden Korper nicht beeinut wird. Der Einu der schiefen Ebene besteht dann einzig darin, da sich der Korper nicht frei bewegen kann, sondern nur eingeschrankt oder gebunden (namlich entlang der Oberache der schiefen Ebene). Werden auch die Reibungsverluste in Rechnung gestellt, tritt neben die Zwangskraft noch eine zusatzliche (im engeren Sinne) dissipative Kraft. Die Vorstellung, da sich ein Massenpunkt nur eingeschrankt bewegen kann, bedeutet, da er in seinem Bewegungsablauf gewissen Nebenbedingungen unterworfen ist, die sich in Form von Bedingungsgleichungen fur die Bahnkurve formulieren lassen, d.h., Elemente der Bahnkurve werden gewissermaen vorgegeben.1 Im vorliegenden Beispiel ergibt sich die Bedingungsgleichung aus der Forderung, da der Massenpunkt auf der schiefen Ebene bleibt, d.h.
x sin z cos = 0: ;
(3.1)
Es konnen also nur solche Werte von x(t) und z(t) wahrend einer Bewegung realisiert werden, die der Bedingung (3.1) genugen. Entsprechend der Begrisbildungen freie und eingeschrankte Bewegung spricht man auch von freien und gebundenen Systemen. Es sollte angemerkt werden, da die erwahnte Einteilung eines Gesamtsystems in ein System und eine Umgebung (Rest des Gesamtsystems, das das System zwar beeinut, jedoch selbst im wesentlichen unbeeinut bleibt) typisch fur das Herangehen an physikalische Probleme ist. Es ist klar, da sich der Einu einer Umgebung auf ein System nicht immer durch Bedingungsgleichungen etwa der Form (3.1)] und der Dies ist bei der Konstruktion von Maschinen mit ihren speziellen Bewegungsablaufen von elementarer Bedeutung. 1
3.1. DAS D'ALEMBERTSCHE PRINZIP
149
damit verbundenen Zwangskrafte erfassen lat. Ein typisches Beispiel dafur ist die Dampfung (Reibung) eines Systems auf Grund seiner Wechselwirkung mit der Umgebung. Hier ist ein grundsatzlich anderes Vorgehen erforderlich, um die zusatzlichen dissipativen Krafte zu nden.
3.1.2 Bedingungsgleichungen
Wir wollen gebundene Systeme etwas genauer untersuchen und dabei andere Enusse wie etwa Reibung vernachlassigen. Ehe wir uns der Aufgabe zuwenden, ein allgemeines Verfahren zu formulieren, das es gestattet, zu praktischen Bewegungsgleichungen zu gelangen und in diesem Zusammenhang auch die den Bindungen entsprechenden Zwangskrafte zu bestimmen, wollen wir die ublichen Nebenbedingen klassizieren. Dazu betrachten wir wieder ein System aus N Massenpunkten, wobei wir der Zweckmaigkeit halber eine etwas andere Numerierung verwenden werden. Wir legen kartesiche Koordinaten zugrunde und numerieren die insgesamt 3N Koordinaten und Kraftkomponenten mit lateinischen Indizes von 1 bis 3N . Die Massen numerieren wir ebenfalls von 1 bis 3N durch mit der Magabe, da die drei Massen, die zu einem Teilchen gehoren, jeweils gleich sind. Das System der Newtonschen Bewegungsgleichungen lautet dann
mi xi = Fi (i = 1 2 : : : 3N ):
(3.2)
Die Massenpunkte gebundener Systeme konnen durch recht verschiedene Arten von Bindungen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschrankt werden. So kann zwischen aueren und inneren Bindungen unterschieden werden. Bindungen an feste Fl achen oder Kurven im Raum: auere Bindungen. Bindungen, die die gegenseitigen Lagen der Massenpunkte einschranken: innere Bindungen. Wie bereits erwahnt, konnen derartige die Bewegungsfreiheit einschrankende Bindungen als Nebenbedingungen formuliert werden. Dabei werden ublicherweise vier Grundtypen von Nebenbedingungen unterschieden. Holonome Nebenbedingungen Holonome Nebenbedingungen lassen sich in Form von Gleichungen der folgenden Art formulieren:
fk (xj t) = 0 (k = 1 2 : : : r)
(3.3)
fk (xj t) fk (x1 x2 : : : x3N t)] bzw. 3N X @fk i=1
@fk = 0 x _ i+ @xi @t
(3.4)
150
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
was gleichbedeutend mit
3N X @fk i=1
@fk dt = 0 d x i+ @xi @t
(3.5)
ist. Die Anzahl r der (voneinander unabhangigen) Nebenbedingungen kann oensichtlich die Anzahl 3N der Bewegungsgleichungen nicht ubersteigen, r 3N: (3.6) Die Groe f = 3N ; r (3.7) bestimmt die Anzahl der Freiheitsgrade des Systems. Anholonome Nebenbedingungen Anholonome Nebenbedingungen lassen sich nur in Form von Dierentialgleichungen formulieren, 3N X
fki(xj t)x_ i + fk0(xj t) = 0
(3.8)
fki(xj t)dxi + fk0(xj t)dt = 0
(3.9)
i=1
was gleichbedeutend mit
3N X i=1
ist. Die Funktionen fki(xj t) und fk0(xj t) sind so beschaen, da (fur gegebenes k) keine Funktion fk (xj t) existiert, fur die die Gleichung 3N df k = X @fk x_ + @fk = 0 dt i=1 @xi i @t
(3.10)
zu (3.8) aquivalent ist. Die Dierentialgleichung (3.8) besitzt also keinen integrierenden Faktor, d.h., es gibt kein vollstandiges Dierential, das zu (3.9) aquivalent ist. Ein typisches Beispiel fur eine anholonome Bedingung ist die Bedingung fur die Bewegung eines Schlittschuhs auf einer ebenen Eisache. Als vereinfachtes Modell eines Schlittschuhs nehmen wir eine (kurze) Gerade, die wir als Massenpunkt mit einem inneren Freiheitsgrad (Einstellwinkel ' der Schneide) ansehen konnen. Die Bewegung des Schlittschuhs ist oensichtlich dadurch eingeschrankt, da sie nur in Richtung der Schneide erfolgen kann und nie senkrecht zu ihr, d.h. y_ ; tan ' x_ = 0: (3.11)
3.1. DAS D'ALEMBERTSCHE PRINZIP
151
y ϕ
x
Die Bedingung (3.11) ist anholonom. Anderfalls ware sie equivalent zu einer Bedingung in der Form f (x y ')=0, was nicht moglich ist, weil dann ' bei vorgegebenem Ort festgelegt ware. Dies kann naturlich auch direkt verziert werden, wenn die Bedingung (3.11) in dierentieller Form aufgeschrieben wird, dy ; tan ' dx + 0 d' = 0:
(3.12)
Da der Term mit d' verschwindet, kann es keinen integrierenden Faktor geben. Zu den anholonomen Bedingungen werden auch solche gezahlt, die nur in Form von Ungleichungen formulierbar sind. Solche einseitigen Bindungen werden auch unilateral genannt im Gegensatz zu Bindungen, die in Form von Gleichungen formulierbar sind und auch als bilateral bezeichnet werden. Eine unilaterale Bindung ist beispielsweise die Forderung, da ein Massenpunkt ein bestimmtes Volumen nicht verlassen darf.
Ein typisches Beispiel ist der Fall, da ein Massenpunkt eine Flache nach einer Seite nicht verlassen kann, wahrend er sich im Raum uber der anderen Seite der Flache frei bewegen kann. So kann beispielsweise ein Massenpunkt an einem Faden der Lange l im Schwerefeld der Erde alle Punkte innerhalb der Kugel r = l erreichen, aber nicht Punkte auerhalb. Es ist klar, da der Massenpunkt die Kugelache tatsachlich verlassen kann und dann innerhalb der Kugel ein Stuck einer Wurfparabel durchlauft. Ein anderes Beispiel ist ein Skispringer, der am Schanzentisch abhebt.
152
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
Im allgemeinsten Fall wird man es mit Systemen zu tun haben, deren Bewegungsfreiheit sowohl durch holonome als auch anholonome Bindungen eingeschrankt ist. Wir wollen Systeme mit gemischten Bindungen generell als anholonome Systeme bezeichnen und nur solche als holonome Systeme, fur die ausschlielich Bedingungsgleichungen der Form (3.3) bzw. (3.4) oder (3.5)] vorliegen. Skleronome Nebenbedingungen Nebenbedingungen (holonom oder anholonom) heien skleronom, wenn sie nicht explizit von der Zeit abhangen. Im Falle von holonomen Bedingungen mu also @fk = 0 (3.13) @t gelten und im Falle von anholonomen Bedingungen @fki = 0 (i = 1 2 : : : 3N ) f = 0: (3.14) k0 @t Rheonome Nebenbedingungen
Rheonome Nebenbedingungen sind explizit zeitabhangige Nebenbedingungen. Es ist klar, da im Falle eines Systems, das r Nebenbedingungen unterliegt, diese unterschiedlicher Art sein konnen. Neben holonomen konnen anholonome Bedingungen vorkommen, und die Bedingungen konnen teils skleronom und teils rheonom sein.
3.1.3 Das d'Alembertsche Prinzip
Entsprechend dem zweiten Newtonschen Axiom genugen die Massenpunkte eines Massenpunktsystems den Bewegungsgleichen (3.2). Im Falle von gebundenen Systemen setzen sich die Krafte aus eingepragten Kraften und Zwangskraften zusammen. Eingepragte Krafte sind solche Krafte, die auch im Falle des freien Systems (im Inertialsystem) wirksam sind. Wie bereits erwahnt, sind Zwangskrafte diejenigen Krafte,
3.1. DAS D'ALEMBERTSCHE PRINZIP
153
die entsprechend den vorliegenden Bindingen die Bewegungsfreiheit der Massenpunkte einschranken. Wir wollen dies in den Bewegungsgleichungen (3.2) zum Ausdruck bringen, indem wir Fi + F~i anstelle von Fi schreiben und unter Fi nunmehr nur noch die eingepragten Krafte verstehen und unter F~i die Zwangskrafte, mi xi = Fi + F~i (i = 1 2 : : : 3N ): (3.15) Zu diesen 3N Bewegungsgleichungen sind die entsprechenden r Nebenbedingungen hinzuzunehmen, d.h. beispielsweise im Falle von holonomen Nebenbedingen 3N X @fk dx + @fk dt = 0 (k = 1 2 : : : r): (3.16) @xi i @t i=1 Um die Losung der Bewegungsgleichungen zu nden, die den gestellten Nebenbedingungen genugt, mu oensichtlich noch ein Zusammenhang zwischen den (bisher noch unbekannten) Zwangskraften und den Nebenbedingungen hergestellt werden mit dem Ziel, die Zwangskrafte in geeigneter Weise durch die Nebenbedingungen auszudrucken. Dieser Zusammenhang wird durch das d'Alembertsche Prinzip hergestellt. Dazu ist es zunachst notig, den Begri der virtuellen Verruckung einzufuhren. Virtuelle Verruckungen Virtuelle Verruckungen xi (i =1 2 : : : 3N ) sind mit den Nebenbedingungen vereinbare, innitesimal kleine Auslenkungen des Systems, die momentan geschehen sollen, d.h. t =0, und damit nur gedacht (virtuell) sind. Sie stimmen daher i. allg. nicht mit den tatsachlichen Verruckungen des Systems fur t 6= 0 uberein. Im Falle von holonomen Bedingungen sind also virtuelle Verruckungen solche, die den Gleichungen (3.5) mit dt = 0 genugen, 3N X @fk x = 0: (3.17) @xi i i=1 Analog gilt gema (3.9) fur den Fall anholonomer Bedingungen 3N X i=1
fkixi = 0:
(3.18)
D'Alembertsches Prinzip Betrachten wir zunachst bilaterale Bindungen. Das d'Alembertsches Prinzip lautet 3N X ~ i=1
Fi xi = 0
(3.19)
154
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK Zwangskrafte leisten bei virtuellen Verruckungen keine Arbeit.
Das d'Alembertsche Prinzip sichert, da bei Bewegungen von Massenpunkten entlang vorgegebenen Raumkurven oder in vorgegebenen Flachen die Zwangskrafte (wie intuitiv zu erwarten ist) immer senkrecht zu diesen stehen. Bei anderen (inneren) Nebenbedingungen ist eine anschauliche Interpretation schwieriger. Das d'Alembertsche Prinzip kann nicht bewiesen werden es ist wie jedes physikalische Grundgesetz eine Erfahrungstatsache. Aus den Newtonschen Bewegungsgleichungen (3.15) folgt F~i = mi xi ; Fi (3.20) und somit kann die Gleichung (3.19) auch in der Form 3N X i=1
(mi xi ; Fi) xi = 0
(3.21)
geschrieben werden, in der die Zwangskrafte eliminiert sind. Die Gleichung (3.21) und die r Nebenbedingungen stellen die Ausgangsgleichungen zur Bestimmung des Bewegungsablaufs eines gebundenen (und naturlich als Spezialfall auch des freien) Massenpunktsystems dar. Den im Zusammenhang mit unilateralen Bindungen angegebenen Beispielen ist gemeinsam, da die virtuelle Verruckung in der jeweiligen Flache liegt oder an einer Seite der Flache von dieser wegzeigen kann, wahrend die Zwangskraft oensichtlich nach eben dieser Seite der Flache gerichtet ist. In diesem Fall ist die Gleichung (3.19) durch die entsprechende Ungleichung zu ersetzen, so da im allgemeinen Fall 3N X ~
Fi xi 0
(3.22)
(mi xi ; Fi) xi 0
(3.23)
i=1
bzw.
3N X i=1
gilt. Mechanisches Gleichgewicht Im mechanischen Gleichgewicht, wenn jeder Massenpunkt eines (in einem bestimmten Augenblick ruhenden) Systems standig in Ruhe ist,
xi = 0 (i = 1 2 : : : 3N )
(3.24)
3.1. DAS D'ALEMBERTSCHE PRINZIP
155
geht (3.23) in 3N X i=1
(3.25)
Fi xi 0
uber, und es gilt das Prinzip der virtuellen Arbeit: Ein Massenpunktsystem ist dann und nur dann im Gleichgewicht, wenn die gesamte virtuelle Arbeit der am System angreifenden eingepragten Krafte verschwindet bzw. nicht positiv ist. Das Prinzip der virtuellen Arbeit ist das allgemeinste Gleichgewichtsprinzip der Mechanik (d.h. das allgemeinste Prinzip der Statik). Es geht bis auf Archimedes zuruck und stammt in der angegebenen Formulierung von Bernoulli. Fur komplizierte Systeme sind die den Bindungen entsprechenden Bedingungen in der Regel nicht in analytischer Form vorgegeben, und ihr Au nden ist i. allg. eine nichttriviale Aufgabe. Bei einer Maschine konnen die virtuellen Verruckungen oft direkt aus der Arbeitsweise der Maschine erkannt werden. Sollen die Bedingungen fur das Gleichgewicht eines Systems in einer gegebenen Lage bestimmt werden, so ist das System in Gedanken "probeweise\ ein wenig aus dieser Lage zu verschieben, die Gesamtarbeit der eingepragten Krafte zu berechnen und Null zu setzen. Ein sehr einfaches Beispiel ist der Hebel (im Schwerefeld der Erde). Die einzig mogliche virtuelle Verruckung ist eine kleine Drehung um die Achse senkrecht zur Papierebene durch den PunktO (siehe die Abbildung). a
δϕ
O b
F
(b)
F (a)
Die virtuelle Arbeit ist folglich F (a) a' ; F (b) b' = 0 bzw. ;F (a) a ; F (b)b ' = 0 |{z}
(3.26) (3.27)
beliebig
und wir erhalten als Gleichgewichtsbedingung das bekannte Hebelgesetz F (a) a = F (b) b: Die auf die Achse bezogenen Drehmomente sind einander gleich.
(3.28)
156
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
3.1.4 Bilanzgleichungen
Die in den Abschnitten 2.3.2, 2.3.3 und 2.3.5 diskutierten Bilanzgleichungen fur Impuls, Energie und Drehimpuls bleiben naturlich weiterhin gultig, wenn unter den wirkenden Kraften { wie dies grundsatzlich sein mu { alle wirkenden Krafte verstanden werden, d.h. fur gebundene Systeme eingepragte Krafte und Zwangskrafte. Entsprechend der Einteilung der auf einen Massenpunkt wirkenden Krafte in innere und auere Krafte, konnen auch die Zwangskrafte in innere und auere Zwangskrafte eingeteilt werden,2
F~ = F~ (ext) +
N X ~ =1
F :
(3.29)
Die Impulsbilanz (2.415) lautet nunmehr dp = F(ext) + F~ (ext) (3.30) dt und die Drehimpulsbilanz (2.491) dL = M(ext) + M ~ (ext) : (3.31) dt Die zeitliche A nderung des Gesamtimpulses eines Massenpunktssystems ist gleich der Resultante der aueren eingepragten Krafte und der aueren Zwangskrafte. Analog ist die zeitliche A nderung des Gesamtdrehimpulses eines Massenpunktssystems gleich dem Gesamtdrehmoment der aueren eingepragten Krafte und der aueren Zwangskrafte (falls alle inneren Krafte Zentralkrafte sind). Fur die kinetische Energie gilt gema (2.437) dT = P + P: ~ (3.32) dt Die zeitliche A nderung der kinetischen Energie eines Massenpunktsystems ist gleich der Leistung aller am System angreifenden eingepragten Krafte und Zwangskrafte. Wir werden auf die Energiebilanz noch zuruckkommen (Abschnitt 3.2.2). Hier wollen wir uns auf den Fall skleronomer Bedingungen beschranken, d.h. Bedingungen der Art 3N X i=1
fki dxi = 0
(3.33)
vgl (3.14)]. Da es in diesem Fall keinen Unterschied zwischen virtuellen und realen Verruckungen gibt, dxi = xi (3.34) Man beachte, da innere Zwangskrafte ihre physikalische Ursache in der Wechselwirkung von Systemfreiheitsgraden mit Umgebungsfreiheitsgraden haben konnen. 2
3.1. DAS D'ALEMBERTSCHE PRINZIP
157
liefert das d'Alembertsche Prinzip (3.19) 3N X ~ i=1
Fi xi =
3N X ~ i=1
Fi dxi = 0
(3.35)
und folglich gilt
P~ =
3N X ~ i=1
Fi x_ i = 0:
(3.36)
Damit geht die Bilanzgleichung (3.32) in die Bilanzgleichung fur freie Systeme uber, dT = P: (3.37) dt Mit anderen Worten, in der mechanischen Energiebilanz solcher Systeme spielen nur die eingepragten Krafte eine Rolle. Besitzen diese ein Potential,
@U Fi = @x i so gilt also wie im Falle freier Systeme d (T + U ) = @U dt @t siehe Gleichung (2.463)] .
(3.38)
;
(3.39)
3.1.5 Spezielle Probleme
Es ist klar, da das d'Alembertsche Prinzip den Fall freier Systeme enthalt. In diesem Fall werden die xi in der Grundgleichung (3.21) durch keinerlei Nebenbedingungen eingeschrankt. Da also jedes xi frei, d.h. unabhangig von den restlichen xi (i 6= i), wahlbar ist, kann die Gleichung (3.21) oensichtlich nur dann erfullt sein, wenn fur jedes xi der Klammerausdruck bei xi fur sich verschwindet, d.h. 0
mixi = Fi
0
(3.40)
und somit die Newtonschen Gleichungen fur freie Systeme gelten.
3.1.5.1 Massenpunkt auf schiefer Ebene Wir betrachten einen Massenpunkt, der sich unter dem Einu der Schwerkraft reibungsfrei auf einer schiefen Ebene bewegt.
158
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK z F s
m
α F
F
x
Eingepragte Kraft:
F = mg ez :
(3.41)
z = x tan
(3.42)
;
Nebenbedingung: bzw.
z = x tan (3.43) (1 Teilchen, 1 Nebenbedingung 3 1 = 2 Freiheitsgrade). Mit (3.43) lautet das d'Alembertsche Prinzip: xx + yy + (z + g)z = x + (z + g) tan ] x + yy = 0: (3.44) Da x und y beliebig wahlbar sind, liefert das d'Alembertsche Prinzip die zwei Gleichungen x + (z + g) tan = 0 (3.45) ;
y = 0 (3.46) die zusammen mit der Nebenbedingung (3.42) zu losen sind. Die Gleichung (3.46) besagt weiter nichts, als da die Bewegung auf der schiefen Ebene in y-Richtung eine gleichformig geradlinige ist. Zweimalige Dierentiation der Nebenbedingung (3.42) liefert z = x tan (3.47) so da nach Elimination von z die Gleichung (3.45) in die Gleichung 2 x (1 (3.48) | + tan {z }) +g tan = 0 1= cos2
3.1. DAS D'ALEMBERTSCHE PRINZIP
159
bzw.
x = g sin cos (3.49) ubergeht. Erwartungsgema ist die Bewegung in x-Richtung eine gleichformig beschleunigte. Fuhren wir anstelle der x-Koordinate die Koordinate s = cosx (3.50) (langs der schiefen Ebene) ein, so wird aus (3.49) s = g sin = F =m (3.51) (siehe die Abbildung). Die Bewegung langs der s-Achse erfolgt unter dem Einu der Projektion der Schwerkraft auf diese Achse. Fur die Komponenten der Zwangskraft F~ = mr F (3.52) ergibt die Rechnung F~x = mx = mg sin cos = F sin (3.53) F~y = my = 0 (3.54) F~z = mz + mg = m(x tan + g) = mg(sin2 1) = mg cos2 = F cos : (3.55) Erwartungsgema ist die Zwangskraft entgegengesetzt gleich der Komponente der Schwerkraft senkrecht zur schiefen Ebene, F~ = F : (3.56) ;
;
;j
kj
;
;
;j
;
;
?j
j
;
?j
?
3.1.5.2 Kreispendel
Wir betrachten die Bewegung eines Korpers (Massenpunkts), der am Ende einer masselosen\ Stange befestigt ist, die im Schwerefeld der Erde an einer festen Achse "drehbar aufgehangt ist (ebenes mathematisches Pendel). ϕ l
m F ρ x
160
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
Eingepragte Kraft:
F = mg ex = mg cos ' e% mg sin ' e' : ;
(3.57)
z = 0 % = l
(3.58)
z = 0 % = 0
(3.59)
r = % e% + %' e' + z ez = %' e'
(3.60)
Nebenbedingungen: bzw. (1 Teilchen, 2 Nebenbedingungen 3 ; 2 = 1 Freiheitsgrad). Mit (3.59) ergibt sich fur die virtuelle Verruckung und das d'Alembertsche Prinzip lautet (mr ; F) r = (mr e' ; F e') %' = m (%' + 2%_'_ + g sin ') %' = 0
(3.61)
woraus wegen dem frei wahlbaren ' die Gleichung
%' + 2%_'_ = g sin ' ;
(3.62)
folgt, die zusammen mit den Nebenbedingungen (3.59) zu losen ist. Die Nebenbedingung z = 0 bringt zum Ausdruck, da die Bewegung in der xy-Ebene erfolgt. Die Bedingung fester Pendellange % = l bedeutet eine Kreisbewegung, und aus (3.62) ergibt sich fur die Winkelbewegung (%_ = 0)
' = gl sin ' ;
(3.63)
Kleine Auslenkungen Fur hinreichend kleine Auslenkungen ' 1 gilt sin ' '
(3.64)
so da die Bewegungsgleichung (3.63) in die fur eine harmonische Schwingung ubergeht (Abschnitt 1.3.3.1),
' + !2' = 0
(3.65)
3.1. DAS D'ALEMBERTSCHE PRINZIP mit
rg
161
s
2 = 2 l : T = (3.66) l ! g Eine bekannte Anwendung der Gleichung (3.66) ist die Eichung von Pendeluhren durch die Pendellange. Beliebige Auslenkungen Im Falle beliebiger Auslenkungen kann die Losung der Bewegungsgleichung (3.63) nach dem bekannten Rezept fur eindimensionale Bewegungen konservativer Systeme erfolgen (Abschnitt 2.2.5). So gilt (im vorliegenden Fall skleronomer Bedingungen) T + U = E = const: (3.67)
!=
;
T = 21 m r_ 2 = 21 m %_2 + %2 '_ 2 + z_ 2 = 12 ml2 '_ 2 j j
(3.68)
U = mg% cos ' = mgl cos ' (3.69) und folglich lautet der Energieerhaltungssatz 1 ml2 '_ 2 mgl cos ' = E (3.70) 2 bzw. 1 2 (3.71) 2 '_ + u(') = mit = E=(ml2 ) und u(') = !2 cos ': (3.72) Anwenden von (2.168) liefert dann t als Funktion von ' m 1, E und U (x) u(')]: Z t = p d'2 + const: (3.73) 2( + ! cos ') ;
;
;
;
!
u
!
ω ε
2
ϕ
− ω2 − ϕ0
ϕ0
!
162
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
Fur
!2 > > !2 (3.74) ist die Bewegung oensichtlich nit (die Winkelauslenkung liegt innerhalb eines 2 Intervalls). Die Umkehrpunkte '0 folgen aus (3.71) fur '_ = 0, ;
u('0) = !2 cos '0 = : Im Falle einer niten Bewegung mit der Anfangsbedingung ;
t = 0 ' = 0 wird aus (3.73)
!t =
Z'
(3.75) (3.76)
p2(cos 'd'
0
: (3.77) cos '0) Der maximalen Auslenkung '0 entspricht dabei die Anfangsgeschwindigkeit 0
0
p
;
'_ t=0 = ! 2(1 cos '0) : (3.78) Die rechte Seite von (3.77) stellt ein elliptisches Integral dar. Da ' periodisch anwachst and abfallt, t aber immer zunimmt, mu die Quadratwurzel abwechselnd mit positivem und negativem Vorzeichen genommen werden. Wir wollen uns auf die erste Viertelschwingung beschranken, wahrend der sowohl ' und die Wurzel positiv sind. Mit ; ; sin 21 ' = k sin k = sin 21 '0 (3.79) j
0
;
0
und unter Verwendung der Relation cos ' = 1 ; 2 sin2(' =2) lat sich das elliptische Integral auf die Legendresche Normalform eines elliptischen Integrals erster Gattung bringen, 0
Z
0
d F (k ): (3.80) 1 ; k2 sin2 0 F (k ) ist als Funktion des Moduls k und der Amplitude tabelliert. Wir wollen die Schwingungsdauer der anharmonischen Schwingung berechnen. Dazu haben wir t = T=4 und ' = '0 bzw. = =2 in (3.80) zu setzen,
!t =
p
0
0
! 41 T = F (k 12 ) d.h.
s
T = 4 gl F (k 12 ):
(3.81) (3.82)
3.1. DAS D'ALEMBERTSCHE PRINZIP
163
Wegen F (k 12 ) hangt die Schwingungsdauer i. allg. auch von der Amplitude '0 ab siehe die zweite Gleichung in (3.79)]. Eine Taylorentwicklung von F (k 12 ) nach k liefert
s h i ; l 2 2 ; 1 ; 1 3 2 4 ; 1 1 T = 2 g 1 + 2 sin 2 '0 + 2 4 sin 2 '0 + :
(3.83)
Wie erwartet, geht T fur '0 ! 0 in den bekannten Ausdruck fur die Schwingungsdauer einer harmonischen Pendelschwingung uber zweite Gleichung in (3.66)]. Bis einschlielich der Korrektur '20 gilt
s l
2 T = 2 g 1 + '160 :
Dieses Ergebnis ist noch bei Amplituden von 70o bis auf 1% richtig. Zwangskraft ; F~% = m % ; %'_ 2 ; F% = ;ml'_ 2 ; mg cos '
F~' = m (%' + 2%_'_ ) F' = ml | ' + mg{zsin ' = 0} ;
(3.84)
(3.85) (3.86)
Bewegungsgleichung
F~z = m |{z} z 0
;
Fz = 0: |{z} 0
(3.87)
Die Zwangskraft besitzt also nur eine %-Komponente, ; F~ = ;ml '_ 2 + !2 cos ' e% :
(3.88)
Wir eliminieren '_ mittels des Energieerhaltungssatzes (3.71) und erhalten ; F~ = ;ml 2 + 3!2 cos ' e%
(3.89)
woraus fur eine nite Bewegung unter Berucksichtigung von (3.75) F~ = ;mg (3 cos ' ; 2 cos '0) e%
(3.90)
folgt. Die Zwangskraft, die durch den Pendelstab aufgebracht werden mu, mu die %-Komponente der Schwerkraft kompensieren und die Radialkraft realisieren, die die Kreisbewegung erzwingt. In den Umkehrpunkten, wenn das Pendel ruht, ist die Zwangskraft erwartungsgema entgegengesetzt gleich der %-Komponente der Schwerkraft.
164
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
3.1.5.3 Bewegungsgleichungen des starren Korpers
Wie bereits erwahnt, wollen wir einen starren Korper als ein System von Massenpunkten m ansehen, deren gegenseitige Abstande sich nicht andern sollen, d.h. bei allen Bewegungen des Systems als fest vorgegeben angesehen werden konnen. Im Falle von N Massenpunkten (N 3) gibt es 3N ; 6 Abstande der Massenpunkte untereinander, und somit ist die Bewegung des Systems durch 3N ; 6 Bedingungen eingeschrankt. Das heit, das System besitzt 3N ; (3N ; 6) = 6 Freiheitsgrade. mν rν
ϕν
rν r1
O
D'Alembertsches Prinzip:
N X =1
m1
(m r ; F ) r = 0:
(3.91)
Nebenbedingungen:
r = r1 + r
(3.92)
r = r1 + r
(3.93)
0
0
r = 0 (3.94) wobei m1 ein willkurlich herausgegriener Massenpunkt ist. Fur festen Abstand, r = 0, kann der Massenpunkt m nur eine Drehung um eine Achse durch den Massenpunkt m1 ausfuhren, r = ~' r (3.95) (vgl. Abschnitt 2.1.5), und somit gilt r = r1 + ~' r : (3.96) j
0
j
j
0
0
0
0
j
3.1. DAS D'ALEMBERTSCHE PRINZIP
165
Obige Gleichung gilt naturlich fur alle Massenpunkte. Da jedoch alle gegenseitigen Abstande fest bleiben, mu fur alle Massenpunkte ~' = ~' ( 6= ) (3.97) gelten, und somit sind die mit den Nebenbedingen vertraglichen virtuellen Verruckungen durch r = r1 + ~' r (3.98) gegeben, und es gilt r_ = r_ 1 + ~! r : (3.99) Die beliebig wahlbaren r1 und ~' reprasentieren oensichtlich die 6 Freiheitsgrade des starren Korpers (3 Translations- und 3 Rotationsfreiheitsgrade). Wir setzen (3.98) in (3.91) ein und erhalten 0
0
0
0
r1 r1
N X =1
N X =1
(m r ; F ) + ~' r 0
(m r ; F ) + ~'
bzw. wegen r = r ; r1
N X =1
N X =1
(m r ; F ) = 0
(m r r ; r F ) = 0 0
0
(3.100) (3.101)
0
r1
N X =1
(m r ; F )
+ ~'
N X =1
m r r ; r F ; r1 (m r ; F )] = 0:
(3.102)
Da r1 und ~' frei wahlbar sind, folgt also N X =1 N X =1
Das heit, die Impulsbilanz
m r =
m r r =
N X =1 N X =1
F
(3.103)
r F
(3.104)
dp = F = F(ext) dt
(3.105)
166
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
(Abschnitt 2.3.2) und die Drehimpulsbilanz dL = M = M(ext) dt
(3.106)
(Abschnitt 2.3.5) fur das Massenpunktsystem sind gerade die Bewegungsgleichungen eines frei beweglichen starren Korpers. Die Gesamtkraft und das Gesamtdrehmoment sind nur durch die eingepragten aueren Krafte bestimmt, da die Zwangskrafte als innere Krafte keinen Beitrag leisten. Ist der starre Korper nicht frei beweglich, d.h., ist seine Bewegung durch bestimmte Nebenbedingungen eingeschrankt,3 so treten neben den eingepragten aueren Kraften naturlich auch auere Zwangskrafte F~ (ext) und Zwangsdrehmomente M~ (ext) auf, und anstelle von (3.105) und (3.106) gilt dp = F(ext) + F~ (ext) (3.107) dt dL = M(ext) + M ~ (ext) : dt
(3.108)
3.1.5.4 Um eine feste Achse drehbarer starrer Korper
Ein typisches Beispiel ist ein starrer Korper, der nur um eine feste Achse drehbar ist.4 Es sei die z-Achse die Drehachse und r1 xiere einen Punkt auf der Achse. Die Einschrankung der Bewegung des starren Korpers auf eine Drehung um diese Achse bedeutet
r1 = 0 ~' = ' ez (3.109) und aus (3.101) folgt erwartungsgema die Drehimpulsbilanz fur die z-Komponente,5 dLz = M = M (ext) z z dt
(3.110)
Die Zwangskrafte geben oensichtlich keinen Anla zu einem Zwangsdrehmonent in Richtung der Drehachse. Bekanntlich kann Lz in der Form
Lz = # '_ 3 Diese Nebenbedingungen schr anken r1 und '~ ein. 4 5
Eine Translationsbewegung entlang der Achse ist ausgeschlossen. Bezugspunkt ist ein Punkt der Drehachse.
(3.111)
3.1. DAS D'ALEMBERTSCHE PRINZIP
167
geschrieben werden Gleichung (2.499)], wobei #=
N X =1
%2
m =
Z
dm %2
(3.112)
das auf die (z-Achse als) Drehachse bezogenem Tragheitsmoment des starren Korpers ist Gleichungen (2.498) und (2.500)]. Das Tragheitsmoment ist fur einen gegebenen starren Korper und xierter Drehachse ein systemspezischer (zeitunabhangiger) Parameter (der senkrechte Abstand % des jeweiligen Massenelements von der Drehachse andert sich nicht). Damit lautet die Bewegungsgleichung (3.110) (3.113)
# ' = M
(M Mz ). Da beim Vorliegen skleronomer Bedingungen in die Energiebilanz nur eingepragte Krafte eingehen, gilt im Falle von eingepragten Kraften, die ein Potential besitzen, d (T + U ) = @U (3.114) dt @t Hier ist U = U (' t), und die kinetische Energie lautet
T = =
N X 1 =1
2 m jr_
2 j
=
N X 1 =1
2 2 m j~! r j
N N X X 1 m %2 '_ 2 = 1 m ; %_ 2 + %2 '_ 2 + z_ 2 = 2 |{z} 2 |{z} |{z} =1 =1 0 0 %2 '_ 2
Somit nimmt (3.114) die Form d 1 # '_ 2 + U (' t) = @ U (' t) dt 2 @t an. Dierentiationi nach der Zeit liefert dT = # '_ ' = ; dU + @U = ; @U '_ dt dt @t @' d.h. # ' = ; @U @' woraus durch Vergleich mit (3.113) M = ; @U @'
2 1 2 # '_ :
(3.115)
(3.116) (3.117) (3.118) (3.119)
168
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
folgt. Die Drehung eines starren Korpers um eine feste Achse ist also vollig analog zu einer eindimensionalen Translationsbewegung (x =b ', m =b #, F =b M ). Gilt Energieerhaltung, d.h. @U=@t = 0, kann die Bewegungsgleichung (3.113) gema der fur eindimensionale konservative Systeme gultigen Regel (2.168) integriert werden, Z d' + const: (3.120) t= p 2 E ; U (')] =# Steinerscher Satz Der Steinersche Satz stellt den Zusammenhang zwischen den Tragheitsmomenten eines Korpers bezuglich der Drehachse und der parallel zur Drehachse verschobenen und durch den Massenmittelpunkt verlaufenden Achse her. mν
ρν
Drehachse
ρν
ρc
x
ϑν xν Achse durch den Massenmittelpunkt, parallel zur Drehachse
Aus der Abbildung lesen wir ab: # = =
N X =1
m %2 =
N X ; m % 2 + %2 =1
N X m % 2 + m %2c |=1 {z } 0
c
;
0
c
;
2%c% cos # 0
N X 2%c m % cos # |=1 x{z=0 } 0
(3.121)
c
d.h. # = #c + m %2c
(3.122)
Ist das Tragheitsmoment eines Korpers bezuglich einer durch den Massenmittelpunkt gehenden Achse bekannt, so ist es (bei bekannter Gesamtmasse und bekannter Massenmittelpunktslage) bezuglich jeder dazu parallel verschobenen Achse bekannt. Der praktische Vorteil liegt auf der Hand: Das Tragheitsmoment mu nur einmal berechnet werden.
3.1. DAS D'ALEMBERTSCHE PRINZIP
169
Zwangskrafte und Zwangsdrehmomente Gema (3.107) und (3.108) gilt fur die (aueren) Zwangskrafte und Zwangsdrehmomente F~ (ext) = ddpt ; F(ext) (3.123)
M~ (ext) = ddLt M(ext):
(3.124)
;
~ (ext) fur die Fixierung der Drehachse, die Eine wichtige Rolle spielen die F~ (ext) und M seitens der Achsenlager i. allg. durch Krafte und Drehmomente gestutzt werden mu, bzw. mussen die Achsenlager die entgegengesetzt gleichen Krafte und Drehmomente aufnehmen konnen. Es liegt auf der Hand, da die Bestimmung der Zwangskrafte und Zwangsdrehmomente fur die Konstruktion technischer Anlagen von allergroter Bedeutung ist. Betrachten wir die gleichformige Drehbewegung eines Korpers um eine feste Achse im homogenen Schwerefeld der Erde, wobei wir annehmen wollen, da die Drehachse die senkrecht zur Erdoberache nach oben gerichtete z-Achse ist. In diesem Fall liefern die Gleichungen (3.123) und (3.124) F~ (ext) = mrc + mgez
m%c '_ 2 e% + mgez vergleiche (1.82) fur %_ = 0 und ' = 0] und M~ (ext) = L_ + mgrc ez
= L_ x + mgyc ex + L_ y mgxc ey =
;
(3.125)
;
(3.126)
vergleiche (2.516)]. Die Zwangskraft (3.125) ist gerade die Kraft, die den Massenmittelpunkt auf eine Kreisbahn vom Radius %c in fester Hohe uber der Erdoberache zwingt. Erwartungsgema hat das Zwangsdrehmoment keine z-Komponente (nach Voraussetzung soll die Drehung um die z-Achse frei sein). Wir wollen die Komponenten des zur Achsenxierung notwendigen Zwangsdrehmoments, das aus der Drehbewegung selbst resultiert (d.h. nicht durch das auere Drehmoment bedingt ist), noch etwas genauer untersuchen und die entsprechenden Drehimpulskomponenten berechnen. Wir nden zunachst6 N X _Lx = d m (y z_ ; z y_ ) = dt =1
;
N X =1
m z y =
N X =1
m z '_ 2y (3.127)
Man beachte, da fur eine Kreisbewegung aus x = % cos ' und y = % sin ' die Beziehungen ;'y _ und y_ = 'x _ folgen, woraus im Falle einer gleichformigen Kreisbewegung nach einer weiteren Dierentiation die verwendeten Ausdrucke fur x und y folgen. 6
x_ =
170
bzw.
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK N X _Ly = d m (z x_ ; x z_ ) = dt =1
N X =1
m z x =
;
N X =1
m z '_ 2x (3.128)
L_ x = '_ 2#yz L_ y = '_ 2 #xz :
(3.129) (3.130)
;
Die Groen #ij =
N X =1
m (x )i (x )j (i = j )
(3.131)
6
heien auch Deviationsmomente. Anstelle zeitabhangige Deviationsmomente im raumfesten Koordinationsystem zu benutzen, ist es oft zweckmaiger, in ein korperfestes Koordinatensystem uberzugehen, y
y
x, y
körperfest x
ϕ x Drehachse
x = x cos ' y sin ' y = x sin ' + y cos ' z = z : 0
;
0
(3.132) (3.133) (3.134)
0
0
0
Damit nden wir
#xz = #x z cos ' ; #y z sin ' (3.135) #yz = #x z sin ' + #y z cos ' (3.136) wobei die (korper- und achsenspezischen) Deviationsmomente #x z und #y z nunmehr zeitunabhangig sind. Verschwinden fur eine gewahlte, durch den Massenmittelpunkt des Korpers gehende Drehachse die Deviationsmomente, so ist oensichtlich kein Zwangsdrehmoment notwendig, um ein Kippen der Drehachse zu verhindern. Ein um eine solche Achse nach einem Ansto in Drehung versetzter Korper kann um diese Achse frei weiterrotieren, da die Achse ihre Lage beibehalt. Eine solche Achse wird auch freie Achse genannt (Abschnitt 3.2.6.6). 0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
3.1. DAS D'ALEMBERTSCHE PRINZIP
171
3.1.5.5 Atwoodsche Fallmaschine
Wir betrachten zwei Korper (Massenpunkte) m1 und m2 , die an einem Seil uber eine Rolle der Masse m(R) gefuhrt werden, wobei wir annehmen wollen, da die Haftreibung zwischen Seil und Rolle ein Gleiten des Seiles verhindert. Von der Bewegung des Seiles selbst wollen wir absehen (seine Masse soll klein im Vergleich zu den Massen m1 , m2 und m(R) sein). Ferner soll die Bewegung der beiden Punktmassen nur langs der y-Achse erfolgen und die Achse der Rolle (Radius R) durch ihren (festen) Massenmittelpunkt gehen (siehe Abbildung). y R
x Drehachse
z
mR
ϕ
m1 m2
Eingepragte Krafte:
F(R) = m(R) g ey ;
F1 = m1 g ey F2 = m2 g ey : ;
;
(3.137) (3.138)
Nebenbedingungen: (R) (R) x(R) c = yc = zc = 0
(3.139)
~! = '_ ez
(3.140)
x1 = const: x2 = const: z1 = z2 = 0
(3.141)
R' + y1 = const: (Rollbedingung)
(3.142)
y1 + y2 = const:
(3.143)
172
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
(12 Koordinaten, 11 Nebenbedingungen 12 ; 11 = 1 Freiheitsgrad). Die Nebenbedingungen (3.139) und (3.141) reduzieren das d'Alembertsche Prinzip zunachst auf #' ' + m1 (y1 + g) y1 + m2 (y2 + g) y2 = 0
(3.144)
woraus wegen R' = ;y1 Nebenbedingung (3.142)] und y1 = ;y2 Nebenbedingung (3.143)]
# (3.145) ; R ' + m1 (y1 + g) ; m2 (y2 + g) y1 = 0 folgt. Da y1 beliebig ist (d.h. durch keinerlei Bedingung eingeschrankt ist), mu also der Klammerausdruck verschwinden, # ' + m y ; m y ; (m ; m ) g = 0: ; (3.146) 1 1 2 2 2 1 R Die Gleichung (3.146) zusammen mit den Nebenbedingungen (3.142) und (3.143) bestimmen die Bewegung der Rolle und der beiden Massenpunkte. Die Nebenbedingungen (3.139) und (3.141) sind oensichtlich trivial, da sie die Bewegung des Massenmittelpunkts der Rolle und die Bewegung der Massenpunkte in x- und z-Richtung bereits vollstandig festlegen. Um die Losung der Gleichungen (3.142), (3.143) und (3.146) zu nden, dierenzieren wir die Nebenbedingungen (3.142) und (3.143) zweimal,
R' + y1 = 0
(3.147)
y1 + y2 = 0
(3.148)
und konnen damit in (3.146) z.B. ' und y2 durch y1 ausdrucken, 2 ; m1 y1 = #=Rm2 + (3.149) m1 + m2 g: Die Rolle fuhrt also eine gleichformig beschleunigte Rotation und die Massenpunkte m1 und m2 gleichformig beschleunigte Translationen aus. Mit M1 = m1 + 2#R2 M2 = m2 + 2#R2 (3.150) lautet (3.149) 2 ; M1 y1 = M (3.151) M1 + M2 g: Die Massen m1 m2 und M1 M2 unterscheiden sich durch die halbe der auf den Umfang der Rolle reduzierten Masse #=R2. Ist die Rolle unbeweglich und gleitet
3.1. DAS D'ALEMBERTSCHE PRINZIP
173
das Seil (reibungsfrei) uber die Rolle, ist in den Ergebnissen diese Zusatzmasse einfach Null zu setzen. Wir berechnen die Zwangskrafte. Es ist klar, da wegen der Nebenbedingungen (3.139) und (3.141) die Zwangskrafte (R) F~ (R) = m(R)r(R) (3.152) c ;F
F~ 1 = m1r1 F1 F~ 2 = m2r2 F2 ;
(3.153)
;
nur y- Komponenten besitzen konnen, F~ (R) = m(R) g ey
(3.154)
F~ 1 = F~1y ey F~ 2 = F~2y ey
(3.155)
2 M1 F~1y = m1 y1 + m1g = m1 M g + m1g = 2 m1 M1 M2 g M +M M M +M
(3.156)
m1 g F~1y = 2 M
(3.157)
;
bzw.
1
2
1
1
1
2
= M1M2 =(M1 + M2)], und analog m2 g: (3.158) F~2y = 2 M 2 Eingepragte und Zwangskrafte sind auere Krafte. Fur die Bewegung des Massenmittelpunkts mu also nach dem Massenmittelpunktssatz die Resultante aus eingepragten Kraften und Zwangskraften ausschlaggebend sein. Dies lat sich durch direktes Ausrechnen schnell verizieren: ;m(R) + m + m y = m(R)y(R) + m y + m y 1 2 c 1 1 2 2 m2 )(M1 ; M2) g = m1 y1 ; m2 y1 = ; (m1 ;M 1 + M2 = ; (m1 + m2 )(M1 +MM2+) ;M2m1 M2 ; 2m2 M1 g 1 2 m1 g + 2 m2 g = ;(m1 + m2 )g + 2 M M 1 2 ; = m(R) + m1 + m2 g + F~y(R) + F~1y + F~2y : | {z } | {z } F ;
y
(3.159)
F~y
Wir wollen an dieser Stelle auf die Berechnung des Zwangsdrehmoments verzichten. Handelt es sich um einen homogenen Zylinder, stellt die (durch den Massenmittelpunkt gehende) Drehachse oensichtlich eine freie Achse dar, zu deren Richtungsxierung es keines Drehmoments bedarf.
174
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
3.1.5.6 Physisches Pendel y
O ϕ
Drehachse
ρc
Massenmittelpunkt Schwingungsmittelpunkt O
x
OO = l
F = mge x
Wir betrachten einen starren Korper, der um eine Achse parallel zur Erdoberache frei beweglich ist. Gema (3.113) mit (2.516)] lautet die Bewegungsgleichung # ' = Mz = ;yc Fx = ;%c mg sin '
(3.160)
' = %c#mg sin '
(3.161)
bzw. ;
Die Gleichung (3.161) entspricht genau der eines mathematischen Pendels Gleichung (3.63)] der Pendellange l = %#m (3.162) c so da alle Ergebnisse des Abschnitts 3.1.5.2 ubernommen werden konnen. Wir verwenden den Steinerschen Satz Gleichung (3.122)] und setzen die reduzierte Pendellange l in Beziehung zum Tragheitsmoment bezuglich der parallel verschobenen, durch den Massenmittelpunkt gehenden Achse, # l = %c 1 + %2 mc : (3.163) c Fur gegebenes l gibt es oensichtlich zwei Werte von %c , d.h., die moglichen Aufhangepunkte konnen i. allg. auf zwei verschiedenen Kreisen um den Massenmittelpunkt gewahlt werden. Wird also speziell der Schwingungsmittelpunkt zum neuen Aufhangepunkt gemacht, ergibt sich die gleiche Pendelbewegung (und im Falle einer Schwingung naturlich auch die gleiche Schwingungsdauer).
3.1. DAS D'ALEMBERTSCHE PRINZIP
175 y ρ(1) c
ρ +ρ =l θc (2) ρ(1) c ρc = m (1) c
(2) c
ρ(2) c
x
Die Schwingungsdauer ist gegen A nderungen von %c am unempndlichsten, wenn %c so gewahlt wird, da dl = 0 d%c gilt, d.h.
(3.164)
r
#c (2) %c = %(1) c = %c = m : Die entsprechende reduzierte Pendellange
(3.165)
r
(3.166) l = 2 #mc : ist die kleinstmogliche (Minimumpendel) und gibt damit auch fur die kleinstmogliche Schwingungsdauer Anla. l
ρc
(1)
θc 2√ m
ρc
(2)
ρc
176
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
3.2 Lagrangesche Gleichungen Das d'Alembertsche Prinzip liefert die Bewegungsgleichungen nicht explizit. Es mussen zunachst uber die r Nebenbedingungen die virtuellen Verruckungen bestimmt werden, d.h., es mussen r Verruckungen xi (i = 1 2 : : : r) eliminiert werden, um zu 3N ; r = f frei verfugbaren Verruckungen zu gelangen. Erst dann konnen die Bewegungsgleichungen abgelesen werden. Das d'Alembertsche Prinzip kann jedoch auch ganz allgemein ausgewertet werden, und es konnen explizite Bewegungsgleichungen in allgemeiner Form angegeben werden.
3.2.1 Lagrangesche Gleichungen 1. Art Wir beginnen mit dem d'Alembertschen Prinzip 3N X i=1
(mi xi ; Fi ) xi = 0
(3.167)
Gleichung (3.21)] und nehmen (bilaterale) anholonome Bedingungen7 3N X i=1
fki dxi + fk0 dt = 0 (k = 1 2 : : : r)
(3.168)
Gleichungen (3.9)] an. Wir multiplizieren die k-te Gleichung (3.168) fur dt = 0 mit einem Lagrangeschen Multiplikator k , summieren uber alle k, r X 3N X k=1 i=1
k fki xi = 0
(3.169)
und subtrahieren das Ergebnis von (3.167). Wir nden 3N X i=1
mi xi Fi ;
;
r X k=1
!
k fki xi = 0:
(3.170)
Von den 3N virtuellen Verruckungen xi sind 3N ; r = f Verruckungen frei wahlbar, wahrend die restlichen r Verruckungen uber die Nebenbedingungen (d.h. durch die frei wahlbaren Verruckungen) festgelegt sind. Wir wahlen die r Lagrangeschen Multiplikatoren k nun so, da fur die nicht frei wahlbaren r virtuellen Verruckungen die Vorfaktoren in (3.170) verschwinden. Da die restlichen f virtuellen Verruckungen frei wahlbar sind, mussen deren Vorfaktoren in (3.170) ebenfalls verschwinden. Damit Im Falle holonomer Nebenbedingungen sind die fki bekanntlich durch Ableitungen @fk =@xi und durch @fk =@t zu ersetzen.
7
fk0
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
177
erhalten wir als Bewegungsgleichungen die Lagrangeschen Gleichungen 1. Art:
mi xi = Fi +
r X k=1
k fki (i = 1 2 : : : 3N )
(3.171)
Die 3N Lagrangeschen Gleichungen 1. Art zusammen mit den r Nebenbedingungen 3N X i=1
fki x_ i + fk0 = 0 (k = 1 2 : : : r)
(3.172)
siehe (3.8)] bilden ein System von 3N + r Gleichungen zur Bestimmung der 3N Koordinaten xi und der r Lagrangeschen Multiplikatoren k . Der Preis, der fur die allgemeine Auswertung des d'Alembertschen Prinzips in obiger Form zu zahlen ist, besteht oensichtlich in der zusatzlichen Bestimmung der Lagrangeschen Multiplikatoren, d.h., es sind nicht 3N sondern 3N + r Gleichungen zu losen. Aus (3.171) lesen wir ab, da die Zwangskrafte F~i durch die Nebenbedingungen und die Lagrangeschen Multiplikatoren wie folgt dargestellt werden konnen:
F~i =
r X k=1
k fki
(3.173)
Speziell im Fall von holonomen Bedingungen gilt
F~i =
r X k k @f @xi : k=1
(3.174)
Die Lagrangeschen Gleichungen 1. Art bedeuten oenbar nichts anderes als den analytischen Ausdruck des d'Alembertschen Prinzips in rechtwinkligen Koordinaten. Sie liefern im Sonderfall, wenn die Beschleunigungen aller Massenpunkte verschwinden, zusammen mit den Nebenbedingungen eine explizite Form des fur das mechanische Gleichgewicht geltenden Prizips der virtuellen Arbeit: Die expliziten Gleichgewichtsbedingungen eines Massenpunktsystems ergeben sich aus den Lagrangeschen Gleichungen 1. Art und den Nebenbedingungen, wenn dort xi = 0 (i = 1 2 : : : 3N ) gesetzt wird. Losungsstrategie Die 3N Beschleunigungen x i aus den Lagrangeschen Gleichungen 1. Art sind in die durch Dierentiation der Nebenbedingungen zu gewinnenden r Gleichungen einzusetzen.
178
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK Diese r Gleichungen sind als Bestimmungsgleichungen fur die r Lagrangeschen Multiplikatoren k anzusehen und zu losen k = k (xj x_ j t). Die so erhaltenen k = k (xj x_ j t) sind in die Lagrangeschen Gleichungen einzusetzen. Damit sind die Lagrangeschen Multiplikatoren eliminiert (d.h., es werden in den Newtonschen Bewegungsgleichungen analytische Ausdrucke fur die Zwangskrafte eingesetzt, und damit ist das Kraftgestz insgesamt bekannt). Die resultierenden 3N Gleichungen, die dann Bewegungsgleichungen im ublichen Sinn der Newtonschen Mechanik darstellen, sind zu losen und liefern xi = xi(t).
Beispiel: Massenpunkt auf schiefer Ebene (vgl. Abschnitt 3.1.5.1) z m
F s
α F
F
x
Eingepragte Kraft:
F = mg ez :
(3.175)
f (x y z) = z x tan = 0
(3.176)
;
Nebenbedingung: ;
bzw.
@f = tan @f = 1: @x @z Lagrangesche Gleichungen 1. Art: ;
mx = tan my = 0 mz = mg + : ;
;
(3.177) (3.178) (3.179) (3.180)
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
179
Wir folgen der angegebenen Losungsstrategie und dierenzieren die Nebenbedingung (3.176) zweimal nach der Zeit,
z x tan = 0
(3.181)
;
und eliminieren mittels der Bewegungsgleichungen (3.178) und (3.180) x und z,
+ tan2 = 0 g+m m
(3.182)
= mg cos2 :
(3.183)
;
d.h. Nunmehr konnen wir in den Bewegungsgleichungen eliminieren,
x = g sin cos y = 0 z = g sin2 ;
;
(3.184) (3.185) (3.186)
bzw.
x = z = s cos sin d.h., wir erhalten das bekannte Resultat (3.51), s = g sin :
(3.187) (3.188)
;
Fur die Zwangskraft gilt gema (3.174)
F~ = rf = mg cos2 r(z x tan ) ;
(3.189)
bzw. komponentenweise
F~x = mg sin cos F~y = 0 F~z = mg cos2 ;
(3.190) (3.191) (3.192)
d.h. exakt das Resultat (3.53) { (3.55). Die Gradientenbildung in (3.189) bringt unmittelbar zum Ausdruck, da die Zwangskraft senkrecht auf der fur die Bewegung relevanten Flache der schiefen Ebene steht.
180
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
3.2.2 Energiebilanz
Wir kehren zur Energiebilanz (3.32) zuruck, dT = P + P: ~ dt Mit (3.173) konnen wir die Leistung der Zwangskrafte
P~ =
3N X ~ i=1
Fi x_ i
(3.193) (3.194)
durch die Nebenbedingungen und die Lagrangeschen Multiplikatoren ausdrucken,
P~ = wobei
3N X i=1
X r 3N X k=1
k
i=1
!
fkix_i
fki(xj t)x_ i + fk0(xj t) = 0
(3.195) (3.196)
gilt Gleichung (3.8)]. Folglich kann (3.195) als
P~ = ;
r X k=1
k fk0
(3.197)
geschrieben werden, und die Energiebilanz lautet r dT = P ; X k fk0 : (3.198) dt k=1 Ensprechend gilt fur holonome Bindungen r dT = P ; X @fk : (3.199) k dt @t k=1 Wahrend im Falle skleronomer Bindungen die A nderung der kinetischen Energie eines Massenpunktsystems allein durch die Leistung der eingepragten Krafte bestimmt wird, tragen die aus rheonomen Bindungen resultierenden Zwangskrafte i. allg. zur Leistung bei sie konnen sowohl zu einer Zunahme der Energie des Systems als auch einer Abnahme Anla geben. Besitzen die eingepragten Krafte ein Potential, so gilt vgl. (2.463)] r d (T + U ) = @U ; X (3.200) dt @t k=1 k fk0 bzw. r @fk : d (T + U ) = @U ; X (3.201) k dt @t k=1 @t Ist das System konservativ und skleronom, gilt Energieerhaltung.
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
3.2.3 Generalisierte Koordinaten
181
Wenn ein aus einer hinreichend groen Anzahl von Massenpunkten bestehendes System einer Vielzahl von Bindungen unterliegt, kann die bisherige Auswertung des d'Alembertschen Prinzips recht aufwendig werden. So mu unter Umstanden eine groe Anzahl von Ausgangsgleichungen betrachtet werden, obwohl die Bewegung des Systems relativ einfach sein kann, da es nur uber eine relativ geringe Anzahl von Freiheitsgraden verfugt. Auch bei Systemen, die nur aus wenigen Massenpunkten bestehen, kann eine Verbesserung der Auswertung angebracht sein. So enthalten die bei der direkten Auswertung des d'Alembertschen Prinzips nach Elimination der abhangigen virtuellen Verruckungen resultierenden f = 3N ; r Bewegungsgleichungen noch alle 3N Koordinaten. Zusammen mit den r Nebenbedingungen bilden sie ein System von 3N Gleichungen, das zu losen ist. Erst nach Elimination von r Variablen in den Bewegungsgleichungen mittels der r Nebenbedingungen resultieren die eigentlichen Bewegungsgleichungen fur die den f Freiheitsgraden entsprechenden Variablen. Bei Verwendung der 3N Lagrangeschen Gleichungen 1. Art entsteht zunachst ein aus 3N + r Gleichungen bestehendes Gleichungssystem. Elimination der r Lagrangeschen Multiplikatoren mittels der r Nebenbedingungen reduziert dieses auf 3N Bewegungsgleichungen fur 3N Variablen, die gelost werden mussen { ein Verfahren, was recht muhevoll sein kann. Es macht deshalb Sinn nach einem Losungsverfahren zu fragen, bei dem die Nebenbedingungen einmal elimiert werden und im Ergebnis dessen genau f Bewegungsgleichungen fur exakt f Variable entstehen, d.h. Bewegungsgleichungen, die nach Art und Anzahl genau den Freiheitsgraden des Systems entsprechen. Ein solches Verfahren ist fur holonome Systeme moglich und fuhrt auf die Lagrangeschen Gleichungen 2. Art. Wir betrachten ein aus N Massenpunkten bestehendes System, das in seiner Bewegungsfreiheit durch r Nebenbedingungen der Form fk (xj t) fk (x1 x2 : : : x3N t) = 0 (k =1 2 : : : r) (3.202) Gleichung (3.3)] eingeschrankt ist. Fassen wir das Gleichungssystem (3.202) als Gleichungssystem zur Bestimmung der xi auf, so sehen wir, da f = 3N ; r Koordinaten unbestimmt bleiben. Bezeichnen wir diese mit xj1 xj2 : : : xjf , so konnen wir die Losung von (3.202) als xi = xi (xj1 xj2 : : : xjf t) (i = 1 2 : : : 3N ) (3.203) darstellen. Die Koordinaten xj1 xj2 : : : xjf sind oensichtlich durch keinerlei Nebenbedingungen weiter eingeschrankt. Anstelle der (beliebig wahlbaren) f Koordinaten xj1 xj2 : : : xjf konnen naturlich auch f beliebige Kombinationen dieser Koordinaten verwendet werden, q = q(xj1 xj2 : : : xjf t) ( = 1 2 f ) (3.204) die unter Umstanden dem System besser angepat sind. Wir werden also ganz allgemein xi = xi (q t) xi (q1 q2 : : : qf t) (i =1 2 : : : 3N ) (3.205)
182
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
schreiben und die keinerlei Nebenbedingungen unterworfenen Koordinaten q ( = 1 2 f ) als generalisierte Koordinaten bezeichnen. Entsprechend heien die q_ generalisierte Geschwindigkeiten. Aus (3.205) folgt durch Dierentiation nach der Zeit
x_i =
f X @xi
@xi q _ + @q @t =1
(3.206)
so da also
@ x_ i = @xi (3.207) @ q_ @q gilt (man beachte, da @xi =@q ). nicht von den generalisierten Geschwindigkeiten abhangt). Ohne sie so zu benennen, haben wir schon bei vielen Beispielen generalisierte Koordinaten verwendet. So kann die Winkelkoordinate ' bei der Drehung eines starren Korpers um eine feste Achse (Abschnitt 3.1.5.4) naturlich als generalisierte Koordinate aufgefat werden. Im Falle eines auf einer schiefen Ebene abgleitenden Massenpunkts (Abschnitt 3.1.5.1) stellen s y generalisierte Koordinaten dar.
3.2.4 Lagrangesche Gleichungen 2. Art
Wir verwenden (3.205) und drucken die virtuellen Verruckungen xi durch die virtuellen Verruckungen q aus,
xi =
f X @xi =1
@q q
(3.208)
und setzen das Egebnis in (3.167) ein: 3N X i=1
bzw.
(mixi ; Fi)
"X f 3N X =1
i=1
(mi xi ;
f X @xi =1
@q q = 0
#
@xi q = 0: Fi ) @q
(3.209)
(3.210)
Da die f virtuellen Verruckungen q frei wahlbar sind, liefert das d'Alembertsche Prinzip zunachst die f Bewegungsgleichungen 3N X i=1
@xi = 0 ( = 1 2 : : : f ): (mi xi ; Fi ) @q
(3.211)
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
183
Wir wollen diese Gleichungen noch etwas umschreiben und beginnen mit dem ersten Term auf der linken Seite: 3N X
3N @xi = d X @xi mi xi @q m _ ix i dt i=1 @q i=1 |{z}
;
3N X i=1
@ x_ i =@ q_
@ x_ i mix_ i @q
3N 3N X @ x_ i ; X = d m x _ m _ i @ x_ i i i ix dt i=1 @ q_ i=1 @q
3N 3N X X @ d @ 2 1 1 m x_ 2 = m x_ ; dt @ q_ i=1 2 i i @q i=1 2 i i
| {zT }
d.h.
3N X
@xi = d @T mi xi @q dt @ q_ i=1
;
| {zT }
@T @q
(3.212)
(3.213)
wobei die kinetische Energie als Funktion der generalisierten Koordinaten und Geschwindigkeiten sowie der Zeit angesehen werden kann,
T = T (q q_ t): Der zweite Term in (3.211) deniert die generalisierten Krafte 3N X @xi : $ = $ (q q_ t) = Fi @q i=1
(3.214) (3.215)
Somit lauten die Bewegungsgleichungen (3.211) d @T ; @T = $ ( = 1 2 : : : f ) dt @ q_ @q Besitzen die (eingepragten) Krafte Fi ein Potential U = U (xi t), @U Fi = ; @x i dann kann $ in (3.215) als $ = ;
3N X @U @xi i=1
@U = ; @xi @q @q
(3.216)
(3.217)
(3.218)
184
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
geschrieben werden. Die potentielle Energie kann als Funktion der generalisierten Koordinaten und der Zeit angesehen werden, U = U (q t) (3.219) und folglich gilt @U = 0 (3.220) @ q_ und somit auch @U + d @U : $ = ; @q (3.221) dt @ q_ Wir setzen $ aus (3.221) in (3.216) ein und erhalten d @L ; @L = 0 ( = 1 2 : : : f ) dt @ q_ @q
(3.222)
L = L(q q_ t) = T U
(3.223)
mit ;
als der Lagrange-Funktion des Systems.8 Die Gleichungen (3.223) fur holonome Systeme, die ein Potential besitzen, bzw. die Gleichungen (3.216) fur holonome Systeme, die kein Potential besitzen, stellen f gewohnliche Dierentialgleichungen 2. Ordnung zur Bestimmung der q (t) dar. Sie heien Lagrangesche Gleichungen 2. Art oder auch kurz nur Lagrangesche Gleichungen. Wie gewunscht, entspricht die Anzahl der Gleichungen genau der Anzahl der Freiheitsgrade, und die Nebenbedingungen treten nicht mehr explizit auf. Vorgehensweise: Es sind in der kinetischen Energie und der potentiellen Energie (bzw. im Kraftgesetz) des Systems die 3N Koordinaten xi und zugehorigen Geschwindigkeiten x_ i des freien Systems entsprechend den r holonomen Nebenbedingungen durch f generalisierte Koordinaten q und zugehorigen generalisierte Geschwindigkeiten q_ auszudrucken. Es ist die Lagrange-Funktion L = T ; U aufzustellen (bzw. das Kraftgesetz f ur die generalisierten Krafte zu formulieren). Jedes System kann durch Vergroerung\ zu einem System gemacht werden, fur das eine Lagrange-Funktion existiert. " 8
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
185
Die f Lagrangeschen Gleichungen (3.222) bzw. (3.216)] sind aufzustellen und zu losen. Falls notwendig, k onnen aus den erhaltenen q = q(t) die xi = xi(t)= xiq (t) t] bestimmt werden und uber die xi (t) gema (3.20) dann die Zwangskrafte. Es ist klar, da sich die Lagrangeschen Gleichungen auf holonom gebundene als auch freie Systeme anwenden lassen. Fur die Lagrangeschen Gleichungen in der Form (3.222) ist nur wichtig, da die eingepragten Krafte ein Potential besitzen, was naturlich auch explizit zeitabhangig sein kann. Die formale Gestalt der Lagrangeschen Gleichungen ist vollig unabhangig von der Wahl der generalisierten Koordinaten. Die Groen @T p = @@L = (3.224) q_ @ q_ heien auch generalisierte Impulse, und es gilt @L = @T + $ p_ = @q (3.225) @q d.h., die zeitliche A nderung der generalisierten Impulse ist durch die jeweilige generalisierte Kraft und die Ableitung der kinetischen Energie nach der jeweiligen generalisierten Koordinate gegeben. Fur ein freies System mit Potentialkraften kann die Lagrange-Funktion in der Form
L=
3N X 1 i=1
2 2 mi x_ i ; U (x1 x2 : : : x3N t)
(3.226)
angegeben werden. Hier stimmen die generalisierten Impulse mit den gewohnlichen Impulsen uberein, @L = m x_ = p (3.227) i i i @ x_ i und die generalisierten Krafte mit den gewohnlichen Kraften, @L = ; @U = F : (3.228) @xi @xi i Erwartungsgema liefern die Lagrangeschen Gleichungen (3.222) die Newtonschen Bewegungsgleichungen des freien Systems, d @L ; @L = p_ ; F = 0: (3.229) dt @ x_ i @xi i i
186
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
Anholonome Systeme Wir betrachten ein anholonomes System mit gemischten (bilateralen) Bindungen. Nehmen wir an, es liegen r holonome Bedingungsgleichungen und r anholonome Bedingungsgleichungen vor. Die holonomen Bedingungsgleichungen konnen wie oben angegeben verarbeitet werden. Es verbleibt das d'Alembertsche Prinzip in einer der Gleichung (3.210) entsprechenden Form, d.h. 0
f X d @T
dt @ q_ ;
=1
bzw.
@T $ q = 0 @q
(3.230)
;
f X d @L @L q = 0 dt @ q_ @q
(3.231)
;
=1
zusammen mit r (r f ) anholonomen Bedingungsgleichungen 0
0
f X =1
fl dq + fl0 dt = 0 (l = 1 2 : : : r ) 0
0
0
(3.232)
siehe (3.9)]. Die Groen fl und fl0 sind i. allg. Funktionen der generalisierten Koordinaten und der Zeit derart, da keine integrierenden Faktoren gefunden werden konnen, die aus den Gleichungen (3.232) vollstandige Dierentiale machen. Auf Grund der r Nebenbedingungen sind also nur f = f ; r virtuelle Verruckungen q unabhangig voneinander. Allerdings kann die Anzahl der notwendigen Koordinaten q selbst nicht kleiner als f gemacht werden, da sich die Dierentialgleichungen der r verbliebenen Nebenbedingungen nicht in endliche Gleichungen uberfuhren lassen, aus denen dann weitere r Koordinaten eliminiert werden konnten. Diese Tatsache wird verbal dadurch zum Ausdruck gebracht, da man sagt, da das anholonome System im Endlichen f und im Innitesimalen nur f = f ; r Freiheitsgrade besitzt. Die weitere Auswertung der Gleichungen (3.230) bzw. (3.231) und (3.232) kann wie in den Beispielen im Abschnitt 3.1.5 erfolgen. Sie kann naturlich auch im Sinne der Lagrangeschen Gleichungen 1. Art (Abschnitt 3.2.1) erfolgen: 0
0
0
0
0
0
0
0
0
r d @T ; @T = $ + X l fl dt @ q_ @q l=1
(3.233)
r d @L ; @L = X dt @ q_ @q l=1 l fl :
(3.234)
0
bzw.
0
Diese Gleichungen zusammen mit den Nebenbedingungen liefern die erforderliche Anzahl von Gleichungen zur Bestimmung der Koordinaten q und der Lagrangeschen Multiplikatoren l. Langrangesche Gleichungen vom gemischten Typ konnen
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
187
naturlich auch fur holonome Systeme aufgestellt werden, wenn es wunschenswert ist, mit mehr Koordinaten als Freiheitsgraden zu arbeiten. Mehrdeutig bestimmte Lagrange-Funktion Wir betrachten zwei Lagrange-Funktionen L(q q_ t) und L (q q_ t) mit L = L + ddt R(q t) (3.235) R(q t) - beliebige Funktion der generalisierten Koordinaten und der Zeit]. Dann gilt 0
0
f @R q_ + @R dR = X dt =1 @q @t
(3.236)
@L = @L + @R @ q_ @ q_ @q
(3.237)
d @L = d @L + @ dR dt @ q_ dt @ q_ @q dt
(3.238)
@L = @L + @ dR @q @q @q dt
(3.239)
0
0
0
und folglich nden wir d @L ; @L = d @L ; @L : (3.240) dt @ q_ @q dt @ q_ @q Die Lagrange-Funktionen L und L fuhren also auf die gleichen Bewegungsgleichungen (Eichtransformation). Mit anderen Worten, die Lagrange-Funktion eines Systems ist bis auf die totale zeitliche Ableitung einer beliebigen Funktion der Koordinaten und der Zeit bestimmt. 0
0
0
3.2.5 Erhaltungssatze und Symmetrien
Erhaltungssatze fur physikalische Groen konnen als Ausdruck von Symmetrien angesehen werden: Die Lagrange-Funktion des Systems ist invariant gegenuber den entsprechenden Symmetrietransformationen. Erhaltungssatz, der aus der Homogenitat der Zeit folgt. Im Falle eines abgeschlossenen Systems hangt die Lagrange-Funktion nicht explizit von der Zeit ab.9 Dieser Sachverhalt bringt die Tatsache zum Ausdruck, da die 9
Ein abgeschlossenes Systems besitzt in der Regel eine Lagrange-Funktion.
188
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
Lagrange-Funktion eines abgeschlossenen Systems invariant gegenuber einer zeitlichen Translation
t
!
t + t
(3.241)
ist. Ist L = L(q q_ t) die Lagrange-Funktion eines Systems, so gilt fur eine zeitliche Translation
L(q q_ t + t) = L(q q_ t) + L
(3.242)
L = @L @t t:
(3.243)
D.h., L verschwindet dann und nur dann, wenn die partielle Ableitung der LagrangeFunktion nach der Zeit verschwindet { die Lagrange-Funktion also nicht explizit von der Zeit abhangt, (3.244) L = 0 ! @L @t = 0: Die Invarianz der Lagrange-Funktion gegenuber einer zeitlichen Translationen ist Ausdruck der Homogenitat der Zeit. Wir wollen die Frage zu beantworten, was diese Symmetrie physikalisch bedeutet:
f f dL = X @L q_ + @L q + @L = d X @L q_ + @L dt =1 @q @ q_ @t dt =1 @ q_ @t
bzw. d dt
X f @L
q _ L = @L @ q_ @t =1
d.h.
@L = 0 @t
!
;
f X @L
;
q_ L = const: @ q _ =1 ;
(3.245)
(3.246)
(3.247)
Invarianz der Lagrange-Funktion gegenuber einer zeitlichen Translationen fuhrt also auf den Erhaltungssatz (3.247). Da nur die kinetische Energie von den Geschwindigkeiten abhangt, folgt sofort, da f X @L
f X @T
q_ = @ q_ q_ @ q _ =1 =1
(3.248)
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
189
gilt. Ganz allgemein ist bei Vorliegen skleronomer Bindungen die kinetische Energie eine homogene Funktion 2. Grades in den q_ ,10 T (q q_) = 2 T (q q_ ) (3.249) so da (nach dem Eulerschen Theorem uber homogene Funktionen) f X @T
q_ = 2T @ q _ =1
(3.250)
ist. Damit erhalten wir
f X @L =1
@ q_ q_ L = 2T (T U ) = T + U = E: ;
;
;
(3.251)
Energieerhaltung ist also Ausdruck der Invarianz der Lagrange-Funktion eines abgeschlossenen Systems gegenuber einer zeitlichen Translation, d.h. Ausdruck der Homogenitat der Zeit, @L = 0 dE = 0 E = const: (3.252) @t dt Es ist klar, da Energieerhaltung nicht nur fur abgeschlossene Systeme gilt, sondern auch fur Systeme gelten kann, die sich in aueren Kraftfeldern benden. Bedingung ist, da die aueren eingepragten Krafte konservativ sind und nur skleronome Bindungen auftreten. Handelt es sich um zeitabhangige Potentialkrafte, so nimmt die Bilanzgleichung (3.246) im Falle skleronomer Bindungen die Form der Energiebilanz an: dE = ; @L dt @t
(3.253)
Erhaltungssatz, der aus der Homogenitat des Raumes folgt. Im Falle eines abgeschlossenen Systems kann die Lagrange-Funktion nicht von den absoluten Koordinaten der Massenpunkte, sondern nur von ihren gegenseitigen Abstanden abhangen. Die Lagrange-Funktionen mu also bei einer beliebigen raumlichen Translation r invariant sein, r ! r + r L ! L + L (3.254)
L = 10
N X =1
r
r
r
L
Dies kann insbesondere fur ein abgeschlossenes System angenommen werden.
(3.255)
190
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
L = 0
N X
=1
r
r
L = 0:
(3.256)
Die Invarianz der Lagrange-Funktion gegenuber einer raumlichen Translation ist Ausdruck der Homogenitat des Raumes. Fuhren wir die Translationsvariable r als eine generalisierte Koordinate ein, so hangt die Lagrange-Funktion oensichtlich nicht von dieser Koordinate ab, N @L = r L = X rr L = 0 r @r =1
(3.257)
und es mu folglich gelten. Da in
d @L = d r L = 0 dt @ r_ dt r_ dL =
N X =1
dr rr L +
@L = const: @ r_
(3.258)
d_r rr_ L +
(3.259)
N X =1
die Ableitungen von L nach r_ die Ableitungen von T nach r_ sind, nden wir N N N X X @L = X _ r T = m r = p = p: @ r_ =1 r_ =1 =1
(3.260)
Invarianz der Lagrange-Funktionen gegenuber einer raumlichen Translation bedeutet also Erhaltung des Gesamtimpulses des Systems:
p = const:
(3.261)
Erhaltungssatz, der aus der Isotropie des Raumes folgt. Isotropie des Raumes bedeutet, da sich die Physik eines abgeschlossenen Systems bei einer Drehung des Systems nicht andert. Mit anderen Worten, bei einer Transformation
r
!
r + r r = ~' r
L
!
L + L
(3.262) (3.263)
soll die Lagrange-Funktion ungeandert bleiben,
L = 0
(3.264)
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN d.h.
L =
N X =1
r
r
r
L = ~'
191
N X =1
r timesrr L = 0
(3.265)
Fassen wir fur eine gewahlte feste Achse den Drehwinkel ' als generalisierte Koordinate auf, so gilt @L = 0 (3.266) @' und wir nden d @L = 0 @L = const: (3.267) dt @ '_ @ '_ Da dies fur die Drehung um eine beliebige Achse gilt, ist die Groe, die erhalten bleibt, der Drehimpuls des Systems, wie unschwer zu sehen ist, dL =
N h X =1
i
(d'~ r ) rr L + (d'~_ r ) rr_ L +
N X
= d'~
=1
d.h.,
@L = e @ '_ !
r
N X =1
r
~_ r L + d'
r p = e!
N X =1
N X =1
r p +
L = e! L
(3.268) (3.269)
(3.270)
(e! - Einheitsvektor in Richtung der Drehachse). Invarianz der Lagrange-Funktionen gegenuber einer raumlichen Drehung um eine beliebige Achse bedeutet also Erhaltung des Gesamtdrehimpulses des Systems:
L = const:
(3.271)
Zyklische Koordinaten Wir wollen wieder annehmen, da ausgehend von den kartesischen Koordinaten und unter Berucksichtigung moglicher Nebenbedingungen geeignete (systemangepate) generalisierte Koordinaten eingefuhrt wurden. A ndert sich bei einer Transformation
q L
!
!
q + q
(3.272)
@L q L + L = L + @q
(3.273)
192
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
die Lagrange-Funktion nicht, dann hangt sie oensichtlich nicht von q ab, @L = 0 (3.274) L = 0 ! @q so da wegen d @L = 0 (3.275) dt @ q_ der Erhaltungssatz @L = const: (3.276) @ q_ gilt. Generalisierte Koordinaten, von denen die Lagrange-Funktion nicht abhangt, heien zyklische Koordinaten. Sie stellen Symmetriekoordinaten des Systems dar und geben Anla zu Erhaltungssatzen. Beispiel: Bewegung im homogenen Kraftfeld Wir betrachten die Bewegung eines Massenpunktsystems in einem homogenen Kraftfeld langs der z-Achse, F = c ez (3.277) und schreiben die Lagrange-Funktion in Zylinderkoordinaten auf, L = T ; U (3.278) 1 2
T= U = 21
N X ; m %_2 + %2 '_ 2 + z_ 2
=1
N X
U ( r r ) j
=1
;
j
;
N X =1
c z
(3.279) (3.280)
vgl. (2.455)], wobei
r r = r 2 + r 2 2r r
j
;
j
j
j
j
j
;
= %2 + %2 + z2 + z2 ; 2z z ; 2% % cos(' ; ' ) gilt. Wir fuhren neue Koordinaten ein:
'1 =
N X =1
' = 1 ( = 2 3 : : : N ): ;
(3.281) (3.282) (3.283)
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
193
Oensichtlich hangen die Dierenzwinkel ' ; ' nicht von 1 ab, und wegen (3.280) und (3.281) hangt also auch die potentielle Energie nicht von 1 ab. Da ferner die kinetische Energie nicht von den ' und damit auch nicht von den abhangt, ist
1 zyklische Variable, und es gilt der Erhaltungssatz @L = const: (3.284) @ _ 1 Wir nden N N N @L = X @L @ '_ = X @L = X m %2 '_ = L = const: @ _1 =1 @ '_ @ _1 =1 @ '_ =1 z
(3.285)
Die Erhaltungsgroe ist die z-Komponente des Drehimpulses. Beispiel: Zwei-Korper-Problem Wir betrachten zwei Massenpunkte, die uber eine abstandsabhangige Zentralkraft miteinander wechselwirken (z.B. Planet und Zentralgestirn vermittels der Gravitationskraft). Wie wir wissen, gilt in diesem Fall der Impulserhaltungssatz. Die Massenmittelpunktskoordinaten mussen folglich zyklische Koordinaten und das ZweiKorper-Problem auf ein Einkoperproblem zuruckfuhrbar sein. Die Lagrange-Funktion lautet zunachst
L = 21 m1 r_ 1 2 + 12 m2 r_ 2 2 U ( r2 r1 ): (3.286) Wir fuhren Relativ- und Massenmittelpunktkoordinaten ein (siehe Abschnitt 2.3.7), r2 r1 = r (3.287) j
j
j
j
;
j
;
j
;
m1 r1 + m2 r2 = mrc (m = m1 + m2), woraus
(3.288)
r1 = rc mm2 r
(3.289)
;
r2 = rc + mm1 r
folgt. Damit ergibt sich j
j
r_ 1
2 j
r_ 2 2 j
(3.290)
2 m 2 r_ 2 2 m2 r_ r_ = r_ c 2 m m c m21 r_ 2 + 2 m1 r_ r_ = r_ c 2 + m 2 m c j
2 j +
j j
j
j
j j
2 1 2 1 2 m1 jr_ 1 j + 2 m2 jr_ 2 j
=
;
(3.291)
(3.292)
1 mjr_ j2 + 1 jr_ j2 c 2 2
(3.293)
194
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
( - reduzierte Masse), und die Lagrange-Funktion (3.286) nimmt die Gestalt (3.294) L = 21 mjr_ c j2 + 12 jr_ j2 ; U (jrj) an. Sie setzt sich additiv aus der Lagrange-Funktion fur die Massenmittelpunktsbewegung und der Lagrange-Funktion fur die Relativbewegung zusammen, wobei, wie erwartet, die Massenmittelpunktskoordinaten zyklische Koordinaten sind.
3.2.6 Spezielle Probleme
Die Lagrangeschen Gleichungen 2. Art bzw. die vom gemischten Typ bedeuten in bezug auf Anwendungen eine der weitreichendsten und brauchbarsten Methoden, die in der Mechanik bekannt sind. Die Starke des Formalismus wird insbesondere bei schwierigen technisch-mechanischen Problemen deutlich, bei denen Bindungen und Zwangskrafte der verschiedensten Art vorkommen, aber auch bei relativ einfachen Problemstellungen kann die Verwendung der Lagrangeschen Gleichungen von betrachtlichem Vorteil sein.
3.2.6.1 Beschleunigung in beliebigen Koordinaten Unabhangig davon, ob es sich um gebundene oder freie Systeme handelt, konnen die fur ein Problem gewahlten (von kartesichen Koordinaten abweichenden) Koordinaten immer auch als generalisierte Koordinaten angesehen werden. Ein Beispiel ist die Beschreibung der Bewegung eines Massenpunktes in beliebigen Koordinaten xi (siehe Abschnitt 1.2). Es sei L = L(xi x_ i) die Lagrange-Funktion in diesen generaliserten Koordinaten und dazugehorigen generalisierten Geschwindigkeiten. Mit der Geschwindigkeit r_ = x_ i gi (3.295) ergibt sich fur die kinetische Energie T = 21 m gik x_ ix_ k : (3.296) Die Lagrangeschen Gleichungen lauten d @L ; @L = d @T ; @T + @U = 0 (3.297) dt @ x_ i @xi dt @ x_ i @xi @xi bzw. d @T @T (3.298) dt @ x_ i ; @xi = ;gi rU = gi F woraus r = gi(gi r) mit
@T gi r = m1 ddt @@Tx_ i ; @x i
(3.299)
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
195
folgt. Speziell fur den Fall orthogonaler Koordinaten gilt
gi = iei und (3.301) lautet
(3.300)
1 d @T ; @T ei r = m dt @ x_ i @xi i
(3.301)
Verglichen mit den Gleichungen (1.63) und (1.68), sind die Gleichungen (3.299) und (3.301) wesentlich einfacher auszuwerten, da die explizite Dierentiation der Basisvektoren entfallt. Beispiel: Zylinderkoordinaten (x1 = %, x2 = ', x3 = z) ds2 = d%2 + %2d'2 + dz2
(3.302)
% = 1 ' = % z = 1
(3.303)
;
T = 21 m %_2 + %2'_ 2 + z_ 2 :
(3.304)
@T = m%_ d @T = m% @T = m%'_ 2 @ %_ dt @ %_ @%
(3.305)
%-Komponente:
1 d @T m dt @ %_
;
@T = % %'_ 2 = e r: % @% ;
(3.306)
'-Komponente: @T = m%2 '_ d @T = m%2 ' + 2m%%_'_ @T = 0 @ '_ dt @ '_ @'
(3.307)
1 d @T ; @T = %% + 2%_'_ = e r: ' %m dt @ '_ @%
(3.308)
3.2.6.2 Massenpunkt im beschleunigten Bezugssystem
Es seien x y z und x_ y_ z_ die kartesischen Koordinaten und Geschwindigkeiten eines Massenpunkts im Inertialsystem sowie x y z und x_ y_ z_ die Koordinaten und Geschwindigkeiten in einem beliebig beschleunigten Bezugssystem (siehe Abschnitt 2.1.5 und die dort verwendeten Bezeichnungen). Die Groen x y z und x_ y_ z_ 0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
196
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
konnen naturlich auch als generalisierte Koordinaten und Geschwindigkeiten aufgefat werden. Um die Lagrange-Funktion in diesen Variablen aufzustellen, gehen wir in einem ersten Schritt vom Inertialsystem in ein rein translatorisch beschleunigtes Bezugssystem uber. Mit r_ = r_ 0 + r_ = r_ 0 + x_ ex + y_ ey + z_ ez (3.309) nden wir fur die kinetische Energie T = 21 mjr_ 0 + r_ j2 = 12 mjr_ 0j2 + mr_ 0 r_ + 12 mjr_ j2 = 12 mjr_ 0j2 + m ddt r_ 0 r ; mr0 r + 12 mjr_ j2: (3.310) Da die Lagrange-Funktion nur bis auf die totale zeitliche Ableitung einer beliebigen Funktion der Koordinaten bestimmt ist, nden wir 0
0
0
0
0
0
0
0
L = 21 m r_ j
0
0
2 ; mr r 0
0
j
;
0
(3.311)
U
Nunmehr lassen wir auch eine Drehung des bewegten Bezugssystems zu. Dazu haben wir gema (2.29) in (3.311) die Ersetzung11 r_ ! r_ + ~! r : (3.312) vorzunehmen: 0
L = 21 m r_ j
0
0
0
2 ; mr r 0
0
j
+ mr_ (~! r ) 0
0
(3.313)
+ 12 mj~! r j2 ; U 0
Wir wollen uns uberzeugen, da die Lagrange-Funktion (3.313) auf die Bewegungsgleichung (2.43) fuhrt. Die Rechnung wird am ubersichtlichsten, wenn wir zunachst das Dierential von L fur dt = 0 aufschreiben: dL = mr_ d_r ; mr0 dr + mr_ (~! dr ) + m(~! r ) d_r + m(~! r ) (~! dr ) ; (rU ) dr = ; mr0 + m ~! r_ + m~! (~! r ) + rU ] dr + (mr_ + m ~! r ) d_r : (3.314) 0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Beachte, da nach der Ersetzung zeitliche Ableitungen gestrichener Groen im Sinne eines Beobachters im bewegten Koordinatensystem zu bilden sind. 11
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
197
Aus dieser Gleichung lesen wir ab: d @L = d r L = d (mr_ + m ~! r ) = mr + m ~!_ r + m ~! r_ (3.315) dt @ r_ dt r_ dt 0
0
0
0
0
0
0
@L = r L = mr + m ~! r_ + m~! (~! r ) + rU: (3.316) r 0 @r Damit lautet die (vektorielle) Lagrangesche Gleichung d @L @L = mr + m ~!_ r + m !~ r_ dt @ r_ @ r + mr0 + m ~! r_ + m~! (~! r ) + rU = 0: (3.317) Mit F = rU ist dies genau die im Abschnitt 2.1.5 hergeleite Gleichung (2.43). ;
0
;
0
;
0
0
0
0
0
0
0
0
0
;
3.2.6.3 Kugelpendel Wir betrachten die Bewegung eines Korpers (Massenpunkts), der am Ende einer masselosen\ Stange befestigt ist, die im Schwerefeld der Erde an einem festen Punkt "drehbar aufgehangt ist. z
m l
F
θ ϕ
ρ
y
x
Kinetische Energie:
;
T = 12 m x_ 2 + y_ 2 + z_ 2
2 2 _2 2 2 2 1 = 2 m r_ + r + r sin '_ :
(3.318)
Potentielle Energie:
U = mgz = mgr cos :
(3.319)
198
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
Nebenbedingung:
r = l = const: Lagrange-Funktion:
L=T U = ;
1 2 2 ml
_2
+ sin2 '_ 2
(3.320)
;
mgl cos :
Lagrangesche Gleichungen: d @L = d ml2 _ = ml2 dt @ _ dt
@L = ml2 sin cos '_ 2 + mgl sin @ d @L ; @L = ml2 ; ml2 sin cos '_ 2 ; mgl sin = 0 dt @ _ @
(3.321) (3.322) (3.323) (3.324)
d.h.12
; gl sin 1 + gl cos '_ 2 = 0
(3.325)
d @L = d ;ml2 sin2 '_ = 2ml2 sin cos _'_ + ml2 sin2 ' dt @ '_ dt
(3.326)
@L = 0 @'
(3.327)
d @L ; @L = 2ml2 sin cos _'_ + ml2 sin2 ' = 0 dt @ '_ @'
(3.328)
sin ' + 2 cos _'_ = 0
(3.329)
d.h.
Fur '_ = 0 geht die Gleichung (3.325) in die Bewegungsgleichung (3.63) des Kreispendels uber ( ! 2 ; ). 12
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
199
Die Integration der Bewegungsgleichungen (3.325) und (3.329) kann mit Hilfe des Energieerhaltungssatzes und des Erhaltungssatzes fur die z-Komponente des Drehimpulses13 erfolgen (siehe Abschnitt 2.2.5). Ausdruck letzteren ist die Tatsache, da ' zyklische Variable ist und somit @L = ml2 sin2 '_ = const: (3.330) @ '_ | {z } Lz
gilt. Energieerhaltung bedeutet
E =T +U =
1 ml2 2
_2
+ sin2 '_ 2
+ mgl cos = const:
(3.331)
Aus (3.330) ergibt sich dann fur '_
Lz L2z 2= ' _ ml2 sin2 m2 l4 sin4 und dies in (3.331) eingesetzt liefert eine Dierentialgleichung nur fur , L2z + mgl cos = E: 1 ml2 _ 2 + 2 2ml2 sin2 Wir setzen z = l cos z_ = l sin _ '_ =
;
(3.332)
(3.333) (3.334)
d.h.
z_ 2 = z_ 2 : (3.335) l2 sin2 l2 z2 Mit (3.334) und (3.335) geht (3.333) in eine Dierentialgleichung fur z uber, ml2 z_ 2 + L2z (3.336) 2(l2 z2 ) 2m(l2 z2 ) + mgz = E bzw. 2 2 L 2 2 2 z_ = ml2 (l z )(E mgz) 2mz : (3.337) Separation der Variablen liefert t = t(z) in integraler Form, Z l dz t= p 2 2 + const: (3.338) 2(l z )(E mgz) L2z =(2m)]=m _2 =
;
;
;
;
;
13
;
;
;
;
Das homogene Schwerefeld der Erde liefert keine z -Komponente des Drehmoments.
200
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
Ist t = t(z) bekannt, kann uber die Umkehrfunktion z = z(t) bestimmt werden und daraus dann auch = (t)]. Aus (3.332) und (3.334) folgt
'_ = m(l2Lz z2 )
(3.339)
'_ = dd't = dd'z ddzt
(3.340)
d' = Lz 2 dz m(l ; z2 )z_
(3.341)
;
und es gilt
d.h.
bzw. mit (3.337) d' = lLz p 2 2 2 2 dz m(l ; z ) 2(l ; z )(E ; mgz) ; L2z =(2m)]=m :
(3.342)
Separation der Variablen liefert dann ' = '(z),
'=
Z
z dz p2(l2 z2lL + const: )(E mgz) L2z =(2m)]=m
m(l2 ; z2 )
;
;
;
(3.343)
Mit z = z(t) kann dann ' als Funktion von t berechnet werden. Damit ist die gestellte Aufgabe prinzipiell gelost. Die Integrale in (3.338) und (3.343) sind elliptische Integrale und konnen auf Tabellenwerte zuruckgefuhrt werden. Wichtige Eigenschaften der Bewegung konnen auch hier wieder aus den Erhaltungssatzen abgeleitet werden, ohne die verbliebenen Integrale explizit auszuwerten. Dazu untersuchen wir die Funktion
V (z) = (l2 z2 )(E mgz) L2z =(2m) z_ 2 ;
;
;
(3.344)
(deren Wurzel in den Integralnennern auftritt) etwas naher. Da z_ 2 0 ist und entsprechend (3.334)
l z l
;
(3.345)
gilt, mu V (z) als Polynom dritten Grades in z in einem gewissen, zwischen ;l und l liegenden Intervall (z1 und z2 in der Abbildung) positiv sein.14 Die in V (z ) auftretenden Konstanten E und Lz konnen immer so gewahlt werden, da diese Forderung erfullt ist. 14
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
201
V(z) -l
l z1
z2
z3
z
z1 und z2 sind also zwei Wurzeln der Gleichung V (z) = 0. Die dritte Wurzel liegt oensichtlich auerhalb l, da V (l) = L2z =(2m) < 0 und V ( ) > 0 ;
1
(3.346)
ist. Nur die zwischen z1 und z2 liegenden Punkte sind physikalisch sinnvoll, d.h., die z-Koordinate des Massenpunkts kann sich nur zwischen z1 und z2 und die Winkelkoordinate nur zwischen den entsprechenden Werten 1 und 2 andern. Der Massenpunkt mu sich also stets innerhalb zweier Breitenkreise bewegen. Diese Breitenkreise werden auch tatsachlich am Ende jedes Aufstiegs bzw. Abstiegs erreicht. Fur den Augenblick der Umkehr gilt z_ = 0 und folglich V (z) = 0, d.h., z = z1 z2. z
l
z2
m
z1
Ferner gilt wegen (3.339) und (3.345)
'_ > 0
(3.347)
(Lz > 0), d.h., der Winkel ' kann nicht abnehmen und andert sich folglich nur in einer Richtung.15 _ = 0 ist nur fur Lz = 0 moglich.
15 '
202
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
Die Zeit, die der Massenpunkt benotigt, um von seiner hochsten Lage z2 zu seiner tiefsten Lage z1 zu gelangen, kann vollig analog zum Kreispendel als das Viertel der vollen Schwingungsdauer T (bzgl. der Bewegung der z-Koordinate) aufgefat werden (vgl. Abschnitt 3.1.5.2). Aus (3.338) zusammen mit (3.344)] folgt Z z2 dz p2V (z)=m : T = 4l (3.348) z1 Die Bewegung insgesamt ist i. allg. nicht periodisch. Zwar wird ein gegebener Winkel nach der Zeit T wieder angenommen, doch andert sich der Winkel ' in dieser Zeit nicht um 2 , so da der Ausgangspunkt der Bewegung nicht wieder erreicht wird. Gema (3.343) ergibt sich fur die A nderung von ' wahrend der Zeit T Z z2 dz 4 lL z p (3.349) %' = 2 + ' = m 2 2 z1 (l ; z ) 2V (z )=m (' - Abweichung von der periodischen Bewegung). Die Bewegung ist also i. allg. nur bedingt periodisch sie wird dann periodisch, wenn '=(2 ) eine rationale Zahl ist (siehe Abschnitt 1.3.3.2, Lissajous-Figuren). Kleine Auslenkungen Im Falle kleiner Auslenkungen aus der Gleichgewichtslage, y x (3.350) l 1 l 1 gilt x2 + y2 p2 2 2 (3.351) z = ; l ; (x + y ) ;l 1 ; 21 l2 und die Lagrange-Funktion lautet (naherungsweise) h ; i L 21 m x_ 2 + y_ 2 ; gl x2 + y2 : (3.352) Es ist leicht zu sehen, da in diesem Fall die Lagrangeschen Gleichungen die Bewegungsgleichungen zweier harmonischer Oszillatoren sind: d @L ; @L = 0 x + !2x = 0 (3.353) dt @ x_ @x d @L ; @L = 0 y + !2y = 0 (3.354) dt @ y_ @y !2 = gl : (3.355) Die Bewegung ist also eine U berlagerung zweier zueiander senkrecht stehender harmonischer Schwingungen gleicher Frequenz (Abschnitt 1.3.3.2). Im Falle kleiner Auslenkungen aus der Gleichgewichtslage und beliebiger Phasendierenz beider Schwingungen bewegt sich der Endpunkt des Kugelpendels (naherungsweise) mit der Periodendauer T = 2 =! auf einer horizontalen Ellipse, deren Form und Lage durch die Anfangsbedingungen festgelegt sind.
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
203
3.2.6.4 Sympathisches Pendel Wir betrachten die Bewegung eines Doppelpendels in der Ebene (siehe Abbildung), wobei wir die Pendelstabe wieder als (im Vergleich zu den Pendelkorpern nahezu) masselos ansehen wollen. Als generalisierte Koordinaten wahlen wir die Winkel '1 und '2. Es gilt x
ϕ1
l1
m1 Achsen senkrecht zur Papierebene ϕ2
l2 m2
y
x1 y1 x2 y2 x_ 1 y_1 x_ 2 y_2
= = = = = = = =
l1 sin '1 l1 cos '1 l1 sin '1 + l2 sin '2 l1 cos '1 + l2 cos '2 l1'_1 cos '1 l1 '_1 sin '1 l1'_1 cos '1 + l2 '_2 cos '2 l1 '_1 sin '1 l2 '_2 sin '2 :
(3.356) (3.357) (3.358) (3.359) (3.360) (3.361) (3.362) (3.363)
;
;
;
Damit lautet die potentielle Energie
U = m1 gy1 m2gy2 = (m1 + m2 )gl1 cos '1 m2gl2 cos '2 ;
;
;
;
und fur die kinetische Energie ergibt sich
;
;
(3.364)
T = 21 m1 x_ 21 + y_12 + 12 m2 x_ 22 + y_22 = 12 (m1 + m2 ) l12'_ 21 + 12 m2 l22 '_ 22 + m2 l1l2 '_ 1'_ 2 cos('1 '2): ;
Mit L = T ; U folgt dann @L = ;m l l '_ '_ sin(' ; ' ) ; (m + m )gl sin ' 212 1 2 1 2 1 2 1 1 @'1
(3.365) (3.366)
204
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
@L = m l l '_ '_ sin(' ' ) m gl sin ' 212 1 2 1 2 2 2 2 @'2 @L = (m + m )l2 '_ + m l l '_ cos(' ' ) 1 2 1 1 212 2 1 2 @ '_ 1 @L = m l2 '_ + m l l '_ cos(' ' ): 22 2 212 1 1 2 @ '_ 2 Die Lagrangeschen Gleichungen d @L @L = 0 dt @ '_ 1 @'1 d @L @L = 0 dt @ '_ 2 @'2 fuhren somit auf die Bewegungsgleichungen ;
;
;
;
(3.367) (3.368) (3.369)
;
(3.370)
;
(3.371)
(m1 + m2 ) l12 '1 + m2 l1 l2'2 cos('1 ; '2) + m2l1 l2'_ 22 sin('1 ; '2) + (m1 + m2 ) gl1 sin '1
m2 l22 '2 + m2 l1 l2'1 cos('1 '2) ;
;m2 l1 l2 ' _ 21 sin('1 ; '2) + m2gl2 sin '2
=0
=0
(3.372)
(3.373)
Speziell in Linearisierungsnaherung (kleine Auslenkungen und kleine Geschwindigkeiten) vereinfachen sich die Gleichungen (3.372) und (3.373) zu (m1 + m2 ) l12 '1 + m2l1 l2'2 + (m1 + m2 ) gl1'1 = 0 (3.374) bzw.
m2 l22 '2 + m2 l1l2 '1 + m2 gl2'2 = 0
(3.375)
(3.376) '1 + lg '1 = m m+2m ll2 '2 1 1 2 1 '2 + lg '2 = ll1 '1 : (3.377) 2 2 Die Gleichungen beschreiben die Bewegung zweier uber die Beschleunigung (linear) gekoppelter harmonischer Oszillatoren. Sie konnen uber den Standardansatz '1 = Aei!t '2 = Bei!t (3.378) gelost werden. Die Bewegung beider Pendel entspricht dann der Summe zweier harmonischer Schwingungen i. allg. verschiedener Frequenzen, Phasen und Amplituden. ;
;
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
205
3.2.6.5 Auf einer schiefen Ebene abrollender Zylinder Wir wollen die Bewegung eines auf einer schiefen Ebene abrollenden zylinderformigen Korpers untersuchen und zunachst den allgemeinen Fall betrachten, da der Massenmittelpunkt nicht auf der Zylinderachse liegt. y eϕ eρ ϕ es
R ρc h r0
s α x
Gema (2.466) lautet die kinetische Energie
T=
N X 1
1 mjr_ j2 + 0 2
=1
2 2 m jr_ j + mr_ 0 r_ c 0
0
(3.379)
wobei fur die Rotationsbewegung gema (3.99)
r_ = ~! r
(3.380)
~! = '_ ez r_ 0 = s_ es
(3.381)
'_ = Rs_
(3.382)
0
0
mit gilt und die Rollbedingung
s_ + R'_ = 0 bzw. fur '(s = 0) = 0
;
' = Rs + const: ;
' = Rs zu beachten ist. Damit sowie (3.115) und
(3.383)
;
r_ 0 r_ c = r_ 0 (~! rc) = (s_ es) ('_ ez %c e% ) = (s_ es) (%c'_ e' ) = %c s_'_ sin '
0
0
;
(3.384)
206
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
ergibt sich die kinetische Energie als T = 21 ms_2 + 12 #'_ 2 ; m%c s_'_ sin '
2 2 = 21 ms_2 + 12 # Rs_ 2 ; m%c sR_ sin Rs : Die potentielle Energie lautet U = mgyc = mg h ; s sin ; %c sin( ; ')] i h
= mg h ; s sin ; %c sin + Rs und somit stellt #
s 2 h
i % c 1 L = 2 m + R2 ; 2m R sin R s_ + mg s sin + %c sin + Rs die Lagrange-Funktion des Systems dar. Aus (3.387) folgt @L = ;m %c cos s s_2 + mg hsin + %c cos + s i @s R2 R R R
@L = m + # 2m %c sin s s_ @ s_ R2 R R und die Bewegungsgleichung d @L @L = 0 dt @ s_ @s nimmt die Form
(3.385)
(3.386) (3.387)
(3.388)
;
(3.389)
;
(3.390)
m + R#2 ; 2m %Rc sin Rs s %c cos s s_2 ; mg hsin + %c cos + s i = 0 ;m R2 R R R
(3.391)
an.16 Wir wollen die Bewegungsgleichung fur den einfachen Fall eines homogenen Zylinders auswerten. In diesem Fall ist oensichtlich %c =0, und die Bewegungsgleichung lautet # m + R2 s = mg sin : (3.392) Die Dierentialgleichung (3.391) ersetzt gewissermaen die einfache Dierentialgleichung (3.51) fur den punktformigen Korper im Sinne eines reibungsfrei abgleitenden Korpers. 16
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN Mit dem Tragheitsmoment
Z
# = dV
%2
= l2
nden wir dann
ZR 0
207
d% %3 = l2 R4=4 = 12 R2m
(3.393)
s = 23 g sin : (3.394) Die Beschleunigung eines auf einer schiefen Ebene abrollenden homogenen Zylinders betragt also nur zwei Drittel der Beschleunigung des Korpers, wenn er auf der schiefen Ebene reibungsfrei abgleitet. Anmerkungen (1) Wahl der Drehachse Wir schreiben (3.392) als 1 ;# + mR2 s = 1 # s = mg sin (3.395) R2 | {z } R2 P P
bzw. (s_ = ;R'_ )
#P ' = ;mgR sin : (3.396) Gema dem Steinerschen Satz Gleichung (3.122)] ist #P oensichtlich das Tragheitsmoment bezuglich der Achse P entlang der Beruhrungslinie zwischen Zylinder und schiefer Ebene. Achse durch Massenmittelpunkt
FR Achse durch Berührungspunkt
P
F
(2) Haftreibung Wir schreiben (3.392) noch etwas anders um, 2 ms = # mR mg sin + mR2
mR2 mg sin = mg sin ; mg sin + # + mR2 # mg sin # + mR2 = mg sin ; ## mg sin : P
= mg sin ;
(3.397)
208
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
Hier ist
F = mg sin es
(3.398)
die Komponente der Schwerkraft in der schiefen Ebene, die ein reines Abgleiten des Zylinders bewirken wurde, und F = FR = ; ## mg sin es (3.399) P ist oenbar eine von der schiefen Ebene (d.h. der Unterlage des Zylinders) aufzubringende Zwangskraft, die notwendig ist, damit der Zylinder rollt und nicht einfach abgleitet. Diese Zwangskraft heit auch Haftreibung (oder Haftreibungskraft). Wir bezeichnen mit jFRjmax den groten Betrag der Haftreibung, die die Unterlage aufbringen kann. Wie die Erfahrung besagt, ist jFRjmax von der Beruhrungsebene unabhangig und proportional zum Betrag der Normalkraft jFNj, mit der die beiden Beruhrungsachen gegeneinander gedruckt werden, 0
FR max = 0 FN
j
j
j
j
(3.400)
(0 - Haftreibungskoe zient). Der Zylinder kann also nur dann rollen, wenn die Bedingung
FR
j
erfullt ist. Mit
FN = mg cos
j
j
FR max
j j
j
FR max = 0mg cos
j
j
sowie (3.399) lautet die Bedingung (3.401) # mg sin mg cos 0 #P d.h. + R2 tan 0 ##P = 0 #=m #=m
p
(3.401) (3.402) (3.403) (3.404)
( #=m - Tragheitsradius um die Massenmittelpunktsachse). Gilt anfangs anstatt der Rollbedingung js_j = Rj'_ j)
s_ > R '_
j j
j
j
(3.405)
so wird die Abwartsbewegung des Zylinders zunachst mit einer Gleitbewegung verbunden sein, und diese Art der Bewegung wird (wegen der durch Reibung verusachten Abbremsung) nach einer gewissen Zeit in eine reine Rollbewegung umschlagen oder
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
209
nicht, je nachdem ob die Bedingung (3.404) erfullt ist oder nicht. Ist umgekehrt zu Beginn
s_ < R '_
j j
j
j
(3.406)
so wird zunachst eine mit Gleiten verbundene Aufwartsbewegung zu beobachten sein, die nach einer gewissen Zeit mit Sicherheit aufhoren und in eine Abwartsbewegung ubergehen wird. Diese ist dann eine reine Rollbewegung, wenn die Bedingung (3.404) erfullt ist. Andernfalls setzt eine Bewegung vom zuerst genannten Typ ein. (3) Gleitreibung Wir wollen einen Korper betrachten, der (beispielsweise wegen seiner Geometrie) nicht rollen, sondern nur gleiten kann. Im Falle eines reibungsfreien Abgleitens ware dann
s = g sin
(3.407)
Gleichung (3.51)]. Damit der Korper tatsachlich gleiten kann, mu zunachst die Haftreibung uberwunden werden. Dazu mu die Bedingung
mg sin
FR max = 0mg cos
j
j
(3.408)
erfullt sein, d.h. tan 0 :
(3.409)
tan 0 = 0
(3.410)
Das durch denierte 0 bestimmt den Neigungswinkel der schiefen Ebene, bei dem das Gleiten gerade einsetzt. Wenn der Korper dann gleitet, ubt der Untergrund reibungsbedingt eine bremsende Wirkung auf den Korper aus. Die der Gleitreibung zuzuschreibende dissipative Kraft ist der Geschwindigkeit des Korpers entgegengerichtet, und ihr Betrag kann typischerweise proportional dem Betrag der zur Flache senkrechten Druckkraft angesetzt werden, FS = ; FN jrr__ j (3.411) ( - Gleitreibungskoe zient). Anstelle von (3.407) gilt also fur die gleitende Bewegung17
s = g (sin cos ) : ;
17
(3.412)
Bei einer Aufwartsbewegung ist in den folgenden Gleichungen durch ; zu ersetzen.
210
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
Aus dieser Gleichung ist ersichtlich, da sich der (in Bewegung gesetzte Korper) im weiteren unbeschleuningt bewegt, wenn fur den Neigungswinkel der schiefen Ebene tan = : (3.413) gilt. Diese als Reibungswinkel bezeichnete, recht anschauliche Groe wird oft anstelle von zur Kennzeichnung der Gleitreibung verwendet, und die Bewegungsgleichung (3.412) wird in der Form ;) s = g sin(cos (3.414) geschrieben. (4) Rollreibung Kehren wir wieder zu unserem rollenden Zylinder zuruck. Auch hier ubt der Untergrund eine bremsende Wirkung auf die Bewegung des Korpers aus, die Rollreibung. Zylinder und Unterlage beruhren sich gegenseitig infolge ihrer Deformation langs einer Flache, und daraus lat sich ein bremsendes Drehmoment MR ableiten, dessen Betrag erfahrungsgema proportional dem Betrag der Normalkraft gesetzt werden kann,18 MR = ;R jFNj j~!~!j (3.415) (R - Rollreibungskoe zient). Der Rollreibungskoe zient als eine Lange heit auch Radius der Rollreibung. Die dadurch modizierte Bewegungsgleichung erhalten wir am einfachsten aus (3.396), indem wir dort das Drehmoment der Schwerkraft durch das Reibungsdrehmoment erganzen, #P ' = ;mg (R sin ; R cos ) : (3.416) Insbesondere erfordert gleichformiges Abrollen (' = 0) eine schiefe Ebene mit dem Winkel (3.417) tan = RR
(groe Rader rollen "leichter\ als kleine).
3.2.6.6 Grundlagen der Kreiseltheorie Aus Abschnitt 3.1.5.3 wissen wir, da die Bewegungsgleichungen eines (frei beweglichen) starren Korpers durch die Impulsbilanz und die Drehimpulsbilanz gegeben sind, dp = F = F(ext) (3.418) dt 18 Der Vollst andigkeit wegen sei neben Gleit- und Rollreibung auch noch die Bohrreibung
erwahnt, die zu einem Drehmoment senkrecht zur Beruhrungsebene Anla gibt, dessen Betrag ebenfalls als proportional zum Betrag der Normalkraft angenommen werden kann.
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
211
dL = M = M(ext) (3.419) dt Gleichungen (3.105) und (3.106)]. Ehe wir uns mit diesen Gleichungen etwas naher beschaftigen, ist es zweckmaig, zunachst einige Vorbetrachtungen anzustellen. Tragheitstensor
mν
z rν
Rν
Z Y X
y
Rc
Koordinatensystem im Massenmittelpunkt des Körpers
x
raumfestes Koordinatensystem
Gema (2.467) kann die kinetische Energie eines Massenpunktsystems in der Form
T=
1 mjR _ cj2 + 2
N X 1 =1
2 2 m jr_ j
(3.420)
geschrieben werden, wenn der Bezugspunkt der Massenmittelpunkt des Systems ist. Wie dazu bereits im Abschnitt 2.3.3 festgestellt, setzt sich die kinetische Energie aus der kinetischen Energie der Translationsbewegung des im Massenmittelpunkt vereinigt gedachten Systems und der kinetischen Energie der Massenpunkte relativ zum Massenmittelpunkt zusammen. Fur einen starren Korper bedeutet dies, da sich die kinetische Energie aus der kinetischen Energie der Translationsbewegung und der kinetischen Energie der Rotation zusammensetzt. Gema (3.99) gilt r_ = ~! r (3.421) und wir nden: T = Ttr + Tr (3.422)
Ttr = 21 m R_ c 2 j
Tr =
N X ~ 2 r 2 (!~ r )2 : 1 2 m ~! r = 2 m !
N X 1 =1
(3.423)
j
j
2 j
=1
j
j j
j
;
(3.424)
212
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
Wir wollen den Ausdruck fur die Rotationsenergie noch etwas umformen. Wir schreiben j~ !j2jr j2 = (~! ~!)(r r ) = !i!i (x )j (x )j = gik (x )j (x )j !i!k (3.425) (~! r )2 = !i(x )i !k (x )k
!~ 2 r 2 (~! r )2 = gik (x )j (x )j (x )i(x )k !i!k denieren den Tragheitstensor j
j j
j
;
;
N X #ik = m gik (x )j (x )j (x )i(x )k =1
;
(3.426) (3.427)
(3.428)
und konnen damit die Rotationsenergie in die Form
Tr = 12 #ik !i!k
(3.429)
bringen. In kartesischen Koordinaten stellen die Diagonalelemente die bereits eingefuhrten Tragheitsmomente bezuglich der Koordinatenachsen dar, und die Nichtdiagonalelemente sind die ebenfalls bereits bekannten Deviationsmomente (Abschnitt 3.1.5.4). In den Gleichungen (3.420) { (3.429) ist das dem starren Korper zugeordnete Koordinatensystem nur insoweit speziziert, da der Ursprung mit dem Massenmittelpunkt des starren Korpers zusammenfallt. Die Achsen konnen sowohl mit dem starren Korper fest verbundenen als auch raumfest orientiert sein. Es ist klar, da nur im ersten Fall der Tragheitstensor zeitunabhangig und damit eine rein korperspezische Groe ist. Aus der Denition ist ersichtlich, da der Tragheitstensor symmetrisch ist, #ik = #ki : (3.430) Der Tragheitstensor kann mittels einer Flache zweiter Ordnung veranschaulicht werden, und zwar durch das Tragheitsellipsoid. Ist # das Tragheitsmoment bezuglich der Achse, um die (momentan) die Drehung erfolgt, so kann die kinetische Energie der Rotation als (3.431) Tr = 21 # !2 geschrieben werden Gleichung (3.115)], und der Vergleich mit (3.429) liefert #ik !i!k = # !2 (3.432)
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
213
bzw.
(3.433) #ik p ! p! = #ik yiyk = 1 #j~!j #j~!j p yi = !i=( #j~!j)]. Dies ist aber gerade die Gleichung eines Ellipsoids. Bekanntlich kann sie durch eine Hauptachsentransformation vereinfacht werden, indem das Koordinatensystem so gelegt wird, da seine ( )-Achsen mit den Achsen des Ellipsoids zusammenfallen, 0A 0 0 1 #ik =b @ 0 B 0 A (3.434) 0 0 C i
k
A 2 + B 2 + C 2 = 1:
(3.435)
y3 1 ω √θ ω
1 √C y2 1 √B
y1 1 √A
Die Groen A B C heien Haupttragheitsmomente des Korpers. Sie sind die Tragheitsmomente bezuglich der Haupttragheitsachsen des Korpers. Im Hauptachsensystem nimmt die kinetische Energie der Rotation die einfache Form ; Tr = 21 A p2 + B q2 + C r2 (3.436) an, wobei p ! , q ! und r ! die Komponenten der Winkelgeschwindigkeit im Hauptachsensystem bezeichnen, ~! = p e + q e + r e : (3.437) Hinsichtlich ihres Tragheitstensors werden starre Korper ublicherweise in drei Klassen eingeteilt. Bei einem unsymmetrischen Kreisel sind alle drei Haupttragheitsmonente verschieden voneinander (A 6= B 6= C ). Stimmen zwei Haupttragheitsmomente uberein (z.B. A = B 6= C ), liegt ein symmetrischer Kreisel vor, dessen Tragheitsellipsoid ein Rotationsellipsoid ist. Stimmen alle drei Haupttragheitsmomente uberein (A = B = C ), handelt es sich um einen Kugelkreisel.
214
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
Eulersche Gleichungen Als nachstes wollen wir die Drehimpulsbilanz (d.h. die drei fur die Rotation zustandigen Bewegungsgleichungen des starren Korpers) unter Verwendung des Tragheitstensors in eine etwas andere Form bringen. Wir gehen von der Denition des Drehimpulses aus,
L=
N X =1
m r r_
(3.438)
legen den Bezugspunkt wieder in den Massenmittelpunkt des Korpers und nden mit (3.421):
L = =
N X =1
m r (~! r )
N X m ~! r 2 r (r ~!) j
j
;
=1
(3.439)
bzw. komponentenweise
Li = =
N X m !i (x )j (x )j (x )i (x )k !k ;
=1
N X m gik (x )j (x )j (x )i (x )k !k ;
=1
(3.440)
d.h.
Li = #ik !k
(3.441)
Die Komponenten des Drehimpulses sind also lineare Funktionen der Komponenten der Winkelgeschwindigkeit, wobei dieser Zusammenhang durch den Tragheitstensor vermittelt wird. Speziell im Hauptachsensystem gilt mit der Bezeichnung (3.437)]
L = A p e + B q e + C r e :
(3.442)
Mit (3.441) liefert die Drehimpulsbilanz (3.419) die Bewegungsgleichungen fur die Rotation in der Form d ;# !k = M : (3.443) i dt ik
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
215
Diese Gleichungen gelten im Gegensatz zu (3.441)] naturlich nur in dem (im Massenmittelpunkt des Korpers verankerten) Koordinatensystem, dessen Achsen raumfest orientiert sind (zur Rolle des Bezugspunkts fur die Drehimpulsbilanz siehe Abschnitt 2.3.6). Wir wollen uns den Zusammenhang zwischen Drehimpuls und Winkelgeschwindigkeit mit Hilfe des Tragheitsellipsoids veranschaulichen. Mit
f (yi) = #ik yiyk 1 ;
(3.444)
lautet die Gleichung des Tragheitsellipsoids
f (yi) = 0
(3.445)
woraus mit (3.441)
@f = 2# yk = 2 L (3.446) ik @yi # ~! i folgt. Der Gradient an das Tragheitsellipsoid ist also proportional zum Drehimpuls. p
j
j
ω L . ζ
η
ξ
Wie bereits bemerkt, besteht der Nachteil raumfest orientierter Achsen des im Massenmittelpunkt des Korpers verankerten Koordinatensystems darin, da der Tragheitstensor zeitabhangig ist und die zeitliche Dierentiation in (3.443) sowohl die Winkelgeschwindigkeit als auch den Tragheitstensor erfat. Einfacher wird die Situation, wenn die Drehimpulsbilanz im korperfesten Koordinatensystem (mit Ursprung im Massenmittelpunkt) aufgeschrieben wird und als korperfestes Koordinatensystem das Hauptachsensystem gewahlt wird. Gema (2.33) gilt fur den Zusammenhang der zeitlichen Ableitungen in beiden Koordinatensystemen dL = d L + ~! L dt dt 0
(3.447)
216
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
so da die Drehimpulsbilanz fur einen Beobachter im korperfesten Koordinatensystem d L + ~! L = M dt
(3.448)
0
lautet. In Komponenten lautet (3.448) L_ i + ikl !k Ll = Mi (3.449) bzw. unter Berucksichtigung des Zusammenhangs (3.441) von Drehimpuls und Winkelgeschwindigkeit #ik !_ k + ikl !k #kn!n = Mi : (3.450) Die zunachst immer noch recht kompliziert aussehenden drei Gleichungen (3.450) nehmen im Hauptachsensystem mit den Bezeichnungen (3.437) und (3.442)] eine recht einfache Gestalt an:
A p_ + (C B ) q r = M B q_ + (A C ) r p = M C r_ + (B A) p q = M ;
(3.451)
;
;
Dies sind die Eulerschen Gleichungen. Sie stellen die Bilanzgleichungen fur die Komponenten des Drehimpulses im mitrotierenden Hauptachsensystem des starren Korpers dar. Die Orientierung des mitrotierenden Bezugssystems relativ zum raumfesten Bezugssystem kann durch die Eulerschen Winkel # ' beschrieben werden. z
ζ
η
ξ ϑ ϕ
ψ
x
Knotenlinie K
y
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
217
In der Abbildung sind x y z die kartesichen Koordinaten des Koordinatensystems fester Achsenorientierung bzgl. des Inertialsystems und die kartesichen Koordinaten des korperfesten (d.h. mit dem Korper mitrotierenden) Koordinatensystems. (1) Drehung um die Knotenlinie K (' fest # variabel): !~ K = #_ eK = #_ (cos e ; sin e ) : (3.452) (2) Drehung um die z-Achse (# fest ' variabel):
~!z = '_ ez = '_ (sin # sin e + sin # cos e + cos # e ) : (3) Drehung um die -Achse (# ' fest variabel): ~! = _ e :
(3.453) (3.454)
Wir setzen in
~! = ~!K + ~!z + ~!
(3.455)
die Ausdrucke (3.452) { (3.454) ein, vergleichen mit (3.437) und nden
p = '_ sin # sin + #_ cos q = '_ sin # cos #_ sin r = '_ cos # + _ ;
(3.456)
Kombination von (3.456) und (3.451) liefert dann die Bewegungsgleichungen fur die Rotationsbewegung in der Form eines Dierentialgleichungssystems zweiter Ordnung zur Bestimmung der Eulerschen Winkel # ' als Funktionen der Zeit. In gewissen einfachen Fallen (wie beispielsweise fur M = M = M = 0) lassen sich die Eulerschen Gleichungen direkt integrieren und die Winkelgeschwindigkeitskomponenten q p r als Funktionen der Zeit bestimmen. Diese Funktionen konnen dann in (3.456) eingesetzt werden, und es bleibt, die drei Dierentialgleichungen erster Ordnung fur die Eulerschen Winkel # ' zu losen, um das Problem der Rotationsbewegung insgesamt zu losen. Anmerkung Um den Zusammenhang zwischen den Komponenten eines Vektors in den beiden Koordinatensystemen herzustellen, ist es nutzlich, die Richtungskosinusse der Achsen des einen Systems in bezug auf die Achsen des anderen Systems zu kennen. Ausgedruckt durch die Eulerschen Winkel, sind sie in der folgenden Tabelle zusammengestellt.
218
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
x cos cos ' sin sin ' cos # sin cos ' cos sin ' cos # sin ' sin # y cos sin ' + sin cos ' cos # sin sin ' + cos cos ' cos # cos ' sin # z sin sin # cos sin # cos # Lagrangesche Gleichungen Die Bewegungsgleichungen (3.418) und (3.419) { letztere in Form der Eulerschen Gleichungen (3.451) zusammen mit den Gleichungen (3.456) { konnen naturlich auch als Lagrangesche Gleichungen geschrieben werden. Die fur die Rotationsbewegung zustandigen generalisierten Koordinaten sind dann gerade die Eulerschen Winkel # ' . Mit (3.422), (3.423) und (3.429) lautet die Lagrange-Funktion zunachst L = T U = 21 m R_ c 2 + 12 #ik !i!k U: (3.457) ;
;
;
;
;
j
;
j
;
Schreiben wir die kinetische Energie der Rotation im (korperfesten) Hauptachsensystem auf Gleichung (3.436)] und drucken gema (3.456) die Winkelgeschwindigkeiten p q r durch die Eulerschen Winkel und deren zeitliche Ableitungen aus, so erhalten wir fur die Lagrange-Funktion (3.457)
2 L= '_ sin # sin + #_ cos
2
2 + 21 B '_ sin # cos ; #_ sin + 21 C '_ cos # + _ ; U (Rc # ' ) (3.458) 1 _ 2 1 2 mjRc j + 2 A
wobei das Potential naturlich auch noch explizit von der Zeit abhangen kann. Die Bewegungsgleichungen des starren Korpers lauten dann d @L ; @L = 0 (3.459) dt @ R_ c @ Rc d @L ; @L = 0 d @L ; @L = 0 d @L ; @L = 0: dt @ #_ @# dt @ '_ @' dt @ _ @
(3.460)
Stimmt der Koordinatenursprung des korperfesten Bezugssystems nicht mit dem Massenmittelpunkt uberein, so ist in (3.458)
Rc = R0 + rc
(3.461)
zu setzen, und es tritt gema (2.466) noch der Term mR_ 0r_ c in der kinetischen Energie auf, 1 _ 2 1 _ 2 _ (3.462) 2 mjRc j ! 2 mjR0 j + mR0 r_ c wobei nunmehr R0 den Koordinatenursprung des korperfesten Bezugssystems deniert und rc den darauf bezogenen Massenmittelpunkt festlegt. Bendet sich der
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
219
Korper im homogenen Schwerefeld der Erde, so lautet das Potential (wenn die Z Achse senkrecht nach oben gerichtet ist) U = mg (Z0 + rc cos #) (3.463) wobei rc der (feste) Abstand des Massenmittelpunkts vom Koordinatenursprung des korperfesten Bezugssystems ist. Ein starrer Korper werde in einem Punkt festgehalten (Kreisel im engeren Sinn), und es sei R0 der Unterstutzungspunkt. Bendet sich der Kreisel im homogenen Schwerefeld der Erde, lautet die Lagrange-Funktion
L=
1 2A
2 2 '_ sin # sin + #_ cos + 12 B '_ sin # cos ; #_ sin
2 1 _ + 2 C '_ cos # + ; mgrc cos # (3.464)
siehe die Gleichungen (3.458) und (3.461) { (3.463) mit R_ 0 = 0]. Ein symmetrischer Kreisel liegt bekanntlich vor, wenn zwei Haupttragheitsmomente gleich sind. Die in die Richtung des dritten Haupttragheitsmoments fallende Symmetrieachse heit auch Figurenachse. Wir wollen die -Achse als Figurenachse annehmen, d.h. A = B . Die Lagrange-Funktion (3.464) nimmt dann die Form
L=
1 2A
'_ 2 sin2 # + #_ 2
+
1C 2
'_ cos # + _
2
;
mgrc cos #
(3.465)
an. Ein symmetrischer Kreisel ist kraftefrei, wenn auf ihn kein Drehmoment wirkt. Unter irdischen Bedingungen lat sich dies bekanntlich dadurch erreichen, da der Massenmittelpunkt als Unterstutzungspunkt gewahlt wird. Wie aus (3.465) ersichtlich, verschwindet fur rc = 0 der durch die Schwerkraft bedingte Potentialterm. Rotation um freie Achsen Rotiert ein Korper bei Abwesenheit von Drehmomenten um eine Achse, deren Lage sich im korperfesten Bezugssystem nicht andert, so spricht man { wie bereits kurz erwahnt { von einer freien Achse. Fur verschwindendes Drehmoment lauten die Eulerschen Gleichungen (3.451) A p_ + (C ; B ) q r = 0 (3.466) B q_ + (A ; C ) r p = 0 (3.467) C r_ + (B ; A) p q = 0: (3.468) Da sich die Drehachse im korperfesten Bezugssystem nicht andern soll, mu ferner p_ = q_ = r_ = 0 (3.469) und somit (C ; B ) q r = (A ; C ) r p = (B ; A) p q = 0 (3.470)
220
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
gelten. Wir wollen den allgemeinen Fall
A=B=C 6
(3.471)
6
betrachten. Aus (3.470) ist dann ersichtlich, da mindestens zwei der p q r identisch verschwinden mussen. Dieses Ergebnis besagt, da nur die Haupttragheitsachsen freie Achsen sind. Nun gilt in einem solchen Fall
L ~!
(3.472)
k
so da wegen L = const: sich die Drehachse auch im raumfesten Koordinatensystem nicht andert. Man sollte einen starren Korper, der um eine freie Achse rotiert, also daran erkennen, da er nicht "torkelt\. Wir wollen diesen Punkt etwas genauer untersuchen und nehmen an, da der Korper, der um die -Achse rotieren moge, etwas gestort und die Drehachse dabei etwas aus der -Richtung gebracht wird,
p = p0 + p q = q r = r:
(3.473)
Mit (3.473) lauten die Eulerschen Gleichungen (3.466) { (3.468)
A p_ + (C B ) q r = 0 B q_ + (A C ) r (p0 + p) = 0 C r_ + (B A) (p0 + p) q = 0: ;
;
;
(3.474) (3.475) (3.476)
Fur hinreichend kleine Storungen gehen die letzten zwei Gleichungen naherungsweise in
B q_ + (A C ) p0 r C r_ + (B A) p0 q ;
;
0 0
(3.477) (3.478)
uber, die uber den Ansatz
q = bet r = cet
(3.479)
gelost werden konnen. Wir erhalten das algebraische Gleichungssystem
B b + (A C ) p0 c = 0 (B A) p0 b + C c = 0
(3.480) (3.481)
B (A C ) p 0 (B A) p C =0 0
(3.482)
;
;
woraus die Gleichung
;
;
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
221
folgt und somit )(A B ) p2 2 = (A CBC 0 gilt. Damit die Achse stabil ist, mu oensichtlich ;
2 < 0
;
(3.483)
;
p
= i 2
j
j
(3.484)
sein, d.h., es mu entweder
A > C und A > B
(3.485)
A < C und A < B
(3.486)
oder gelten. In diesem Fall fuhren q und r harmonische Schwingungen um die Nulllage aus. Sind q und r anfangs klein, so bleiben sie also immer klein, und die Achse kann als stabil angesehen werden. Ist
C > A > B oder C < A < B dann gilt
2 > 0
=
p
2
j
j
(3.487) (3.488)
und die Achse kann oensichtlich nicht als stabil angesehen werden. Drehungen um die Achsen des groten (A > C , A > B ) und des kleinsten (A < C , A < B ) Haupttragheitsmoments sind also stabil, wahrend eine Drehung um die Achse des mittleren Haupttragheitsmoments labil ist. Die Stabilitat der Rotation um die Achse des groten Tragheitsmoments nutzt beispielsweise jeder Diskuswerfer aus. Der rotierende Diskus behalt seine Lage im Raum wahrend des Wurfs bei, steht damit im absteigenden Teil der Bahn schrag zur Bahnkurve und erhalt so einen zusatzlichen Auftrieb. Kraftefreier symmetrischer Kreisel Wir wollen wieder die -Achse als Figurenachse annehmen, d.h. A = B . Anstelle die Lagrangeschen Gleichungen direkt zu losen, wollen wir unter Verwendung der Eulerschen Gleichungen in zwei Schritten vorgehen. Fur den symmetrischen Kreisel lauten die Eulerschen Gleichungen (3.466) { (3.468)
A p_ + (C A) q r = 0 A q_ + (A C ) r p = 0 C r_ = 0: ;
;
(3.489) (3.490) (3.491)
222
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
Aus (3.491) folgt zunachst
r = r0 = const:: (3.492) Die verbleibenden Gleichungen (3.489) und (3.490) konnen uber den Standardansatz p = aet q = bet (3.493) gelost werden, der das algebraische Gleichungssystem A a + (C A) r0 b = 0 (3.494) (A C ) r0 a + A b = 0 (3.495) liefert. Gleichung fur , A (C A) r 0 = 0 (A C ) r (3.496) A 0 liefert 2 2 = (A A2C ) r02 (3.497) d.h. = i& & = A A C r0 : (3.498) Aus (3.494) folgt dann (fur = i&) (3.499) b = (A AC )r a = ia: 0 Mit a = a ei ergibt sich dann fur b = b ei b = a = + 21 : (3.500) Die Losung von (3.489) und (3.490) lautet somit p(t) = a cos(&t + ) = a sin(&t + ) (3.501) ;
;
;
;
;
;
;
;
j j
j j
j j
j j
j j
j j
q(t) = a cos(&t + ) j j
(3.502)
und es gilt
p2 + q2 = a 2 = const: bzw. unter Berucksichtigung von (3.492) !2 = p2 + q2 + r2 = a 2 + r02 = const: j j
j j
(3.503) (3.504)
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
223
ζ
Figurenachse
a r0 Polkegel
ω
α
η ξ
Die Winkelgeschwindigkeit ~! besitzt also eine konstante -Komponente und ihr Betrag ist ebenfalls konstant. Ferner fuhrt die Projektion der Winkelgeschwindigkeit auf die -Ebene eine gleichformige Kreisbewegung aus. Die Winkelgeschwindigkeit wandert also auf einem Kreiskegel, dem Polkegel, gleichformig um die Figurenachse. Figurenachse und momentane Drehachse fallen also i. allg. nicht zusammen fur den Winkel gilt tan = jraj 0
(3.505)
wobei (durch entsprechende Wahl der Orientierung der -Achse) o.B.d.A. angenommen werden kann, da r0 positiv ist. So bewirkt beispielsweise die Bewegung der momentanen Drehachse der Erde, da der Nordpol auf einem Kreis von etwa 10 m Radius in 433 Tagen einmal um den "geometrischen\ Nordpol wandert. Um die Bewegung des Kreisels im raumfesten Koordinatensystem (Inertialsystem) zu erhalten, mussen noch die Eulerschen Winkel als Funktionen der Zeit berechnet werden. Dazu ist gema (3.456) das Gleichungssystem p = jaj sin(&t + ) = '_ sin # sin + #_ cos (3.506) _ q = jaj cos(&t + ) = '_ sin # cos ; # sin (3.507) r = r0 = '_ cos # + _ (3.508) zu losen. Dazu schauen wir uns zunachst die aus der Drehimpulserhaltung folgenden Bewegungsintegrale an. Wir legen die z-Achse des raumfesten Koordinatensystems so, da sie mit der Richtung des (konstanten) Drehimpulses zusammenfallt,
L = L ez
(3.509)
so da bezuglich des korperfesten Koordinatensystems
L = L (sin # sin e + sin # cos e + cos # e )
(3.510)
224
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
und folglich unter Berucksichtigung von (3.442)] L = L sin # sin = Ap (3.511) L = L sin # cos = Aq (3.512) L = L cos # = Cr (3.513) gilt. Mit den Eulerschen Gleichungen (3.506) und (3.507) erhalten wir dann L sin # sin = '_ sin # sin + #_ cos (3.514) A L sin # cos = '_ sin # cos ; #_ sin (3.515) A L cos # = r = '_ cos # + :_ (3.516) 0 C Aus den Gleichungen (3.514) { (3.516) lesen wir ab, da #_ = 0 cos # = r0 CL (3.517) und '_ = AL (3.518) gelten mu. Damit folgt aus (3.516) zusammen mit (3.498)] fur _ C r = &
_ = A ; (3.519) A 0 d.h.
= & t + 0 : (3.520) Mit #_ = 0 sowie (3.520) liefert die Gleichung (3.507) cos(&t + ) : jaj (3.521) '_ = sin # cos(&t + 0 ) Da wegen (3.518) '_ konstant (und '_ 0) ist, konnen die Konstanten 0 und als einander gleich angenommen werden, 0 = . Aus (3.521) folgt somit jaj jaj '_ = sin ' = (3.522) # sin # t + '0 Wir setzen (3.519) und (3.522) in (3.516) ein und erhalten jaj A;C r r0 = tan + (3.523) # A 0
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
225
woraus tan # = jrajCA
(3.524)
0
folgt. Damit sind die drei Eulerschen Winkel als Funktionen der Zeit bestimmt. Sie enthalten insgesamt noch vier Konstanten, namlich r0 jaj 0 '0. Von den ursprunglich sechs Konstanten sind bereits zwei durch die Fixierung der z-Achse als Drehimpulsachse festgelegt. Drehimpulsachse z
Figurenachse ζ
A>C . (ψ > 0 )
Nutationskegel
Spurkegel
ωz
ω ωζ
Polkegel
Die Figurenachse (als Symmetrieachse des Kreisels) schliet mit der Drehimpulsachse einen festen Winkel # ein und jeder ihrer in die xy-Ebene projizierten Punkte vollfuhrt eine gleichformige Kreisbewegung ('_ = const:). Die Figurenachse bewegt sich also gleichformig auf einem Kreiskegel mit dem Onungswinkel # um die Drehimpulsachse. Dieser Kegel wird auch Nutationskegel genannt. Dabei dreht sich der Korper (reprasentiert durch die korperfesten -Achsen) gleichzeitig um die Figurenachse mit der Winkelgeschwindigkeit _ . Die Winkelgeschwindigkeit ~! ergibt sich dann aus den Winkelgeschwindigkeiten der Drehungen um die Drehimpulsachse und die Figurenachse gema ~! = ~!z + ~! = '_ ez + _ e (3.525) woraus ersichtlich ist, da ~! immer in der z -Ebene liegt. Die momentane Drahachse rotiert also zusammen mit der Figurenachse um die Drehimpulsachse. Die momentane Drehachse bewegt sich also gleichformig auf einem Kreiskegel, dem Spurkegel, mit dem Onungswinkel j# ; j um die Drehimpulsachse. Gleichzeitig bewegt sie sich auf dem Polkegel um die Figurenachse. Die gegenseitige Bewegung der Achsen kann als Abrollen von Kegeln veranschaulicht werden. Wir wollen wieder o.B.d.A. annehmen, da die -Achse so orientiert ist, da r0 positiv ist. Wahrend fur A>C die momentane Drehachse zwischen der Drehimpulsachse und der Figurenachse liegt, liegt fur A <
226
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
C die Drehimpulsachse zwischen der momentanen Drehachse und der Figurenachse siehe die Gleichungen (3.505), (3.524) und (3.519)]. Der Polkegel rollt fur A>C mit seiner Auenache und fur A < C mit seiner Innenache auf dem Spurkegel ab und fuhrt dabei die Figurenachse auf dem Nutationskegel. Drehimpulsachse z
Figurenachse ζ
A
ω
Spurkegel
Polkegel ωζ
Schwerer symmetrischer Kreisel z ζ
Unterstützungspunkt mg
Die Lagrange-Funktion eines symmetrischen Kreisels im Schwerefeld der Erde, der nicht im Massenmittelpunkt unterstutzt wird, lautet
L=T U = ;
1 2A
'_ 2 sin2 # + #_ 2
+
1C 2
'_ cos # + _
2
;
mgrc cos # (3.526)
Gleichung (3.465)]. Die Losung der daraus folgenden Bewegungsgleichungen kann mit Hilfe der Erhaltungssatze erfolgen. Da L nicht explizit von der Zeit abhangt, gilt
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN Energieerhaltung,
227
2 T + U = 12 A '_ 2 sin2 # + #_ 2 + 12 C '_ cos # + _ + mgrc cos # = E = A = const: (3.527) Ferner sind ' und zyklische Koordinaten, so da die Erhaltungssatze @L = A'_ sin2 # + C '_ cos # + _ cos # = A a = const: (3.528) @ '_ und @L = C '_ cos # + _ = A b = const: (3.529) @ _ gelten. Mittels dieser beiden Gleichungen konnen '_ und _ in (3.527) eliminiert werden, und wir erhalten 1 #_ 2 + u(#) = (3.530) 2 mit #)2 + Ab2 + mgrc cos # : u(#) = (a b cos (3.531) 2C A 2 sin2 # Aus (3.530) folgt dann t = t(#) in der Form Z t = p d# + const: (3.532) 2 u(#)] Ist die Umkehrfunktion # = #(t) bestimmt, kann diese in die Gleichungen (3.528) und (3.529) eingesetzt werden, und aus den resultierenden Gleichungen konnen dann '(t) und (t) in Form von Integralen bestimmt werden. Damit ist das Problem des schweren symmetrischen Kreisels im Prinzip gelost. Ist speziell rc = 0, liegt der Fall des kraftefreien Kreisels vor. Wir wollen annehmen, da die Figurenachse des Kreisels parallel zur Erdoberache gerichtet ist und der Kreisel in eine schnelle Drehung um diese Achse versetzt wird. Diese Situation entspricht den Anfangsbedingungen (fur t = 0) # = 21 ' = 0 = 0 (3.533) ;
;
#_ = 0 '_ = 0 _ = _ 0 : (3.534) Die Gleichungen (3.528) und (3.529) liefern dann fur die Konstanten a und b a = 0 b = CA _ 0 (3.535)
228
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
und aus (3.527) ergibt sich fur
= 2CA _ 02 = 2AC b2 :
(3.536)
Wir setzen die Konstanten aus (3.535) und (3.536) in (3.530) zusammen mit (3.531)] ein und erhalten mgrc 2 1 _2 1 2 (3.537) 2 # + 2 b cot # + A cos # = 0 bzw. 1 _ 2 + 1 b2 tan2 ; mgrc sin = 0 (3.538) 2 |2 {z A } u ~()
mit
# = 21 + :
(3.539)
u
−π/2
π/2
δ
erlaubter Bereich
Der Bewegungsbereich ist oensichtlich auf solche Werte von eingeschrankt, fur die u~ 0 gilt. Je groer jbj (d.h. je groer j _ 0 j), desto kleiner wird der erlaubte -Bereich. Fur einen in eine hinreichend schnelle Umdrehung um die Figurenachse versetzten Kreisel konnen also die trigonometrischen Funktionen entwickelt werden, und es reicht, die Glieder in jeweils niedrigster Ordnung zu berucksichtigen. Demgema geht (3.538) naherungsweise in 1 _ 2 1 2 2 mgrc (3.540) 2 + 2b ; A = 0
3.2. LAGRANGESCHE GLEICHUNGEN
229
uber. Die Gleichung (3.540) entspricht oensichtlich der Energie eines harmonischen Oszillators, der unter dem Einu der konstanten "Kraft\ mgrc=A aus seiner ungestorten Ruhelage ( = 0, _ = 0 fur t = 0) ausgelenkt wird, c + b2 = mgr (3.541) A woraus unschwer die Losung c = mgr b2 A 1 ; cos(bt)]
C_ cA = mgr (3.542) _ 02C 2 1 cos A 0 t zu erhalten ist. Die Figurenachse fuhrt also unter dem Einu der Schwerkraft in vertikaler Richtung eine Schwingung zwischen = 0 und = 2mgrcA=( _ 02 C 2) mit hoher Frequenz und kleiner Amplitude aus. Diese Bewegung wird auch Nutation genannt. In der gleichen Naherung lautet die Gleichung (3.528) A'_ C _ 0 = 0 (3.543) d.h. C mgr c '_ = _ 1 cos A _ 0t (3.544) C 0 woraus A C mgr c (3.545) '= _ t sin A _ 0 t C 0 C _ 0 folgt. Die Figurenachse bewegt sich also mit der mittleren Winkelgeschwindigkeit mgrc=(C _ 0) zusatzlich um die z-Achse. Diese Bewegung wird auch Prazession genannt. Schlielich folgt aus (3.529) naherungsweise
_ = _ 0 (3.546) d.h., der Kreisel dreht sich mit der ihm anfangs gegebenen Winkelgeschwindigkeit um die Figurenachse. ;
;
;
;
z
ζ
230
KAPITEL 3. LAGRANGESCHE MECHANIK
Kapitel 4 Hamiltonsche Mechanik Ausgehend von den Newtonschen Bewegungsgleichungen haben wir die Grundgleichungen der Dynamik in Form der Lagrangeschen Gleichungen (2. Art) formuliert. Als zusatzliches Axiom haben wir dabei das d'Alembertsche Prinzip verwendet, das es uns ermoglichte, (holonom) gebundene Systeme in die Behandlung einzubeziehen. Es hat sich gezeigt, da den Lagrangeschen Gleichungen ein fundamentales Variationsprinzip { das Hamiltonsche Prinzip { zugrunde liegt, das weit uber die Mechanik hinaus von zentraler Bedeutung fur die theoretische Physik ist.
4.1 Das Hamiltonsche Prinzip Wir bleiben bei der Mechanik und wollen die Frage beantworten, wodurch sich die tatsachliche Bewegung eines Massenpunktsystems von einer davon etwas abweichend gedachten Bewegung unterscheidet. Die Bewegung eines Massenpunktsystems mit f Freiheitsgraden kann durch eine "Bahnkurve\ in einem abstrakten f -dimensionalen Kongurationsraum der generalisierten Koordinaten q charakterisiert werden. Wir wollen die Bahnkurve etwas variieren, wobei wir die zugelassenen Vergleichsbahnen dadurch einschranken, da wir jedem Punkt P der wirklichen Bahnkurve einen (in nitesimal) benachbarten Punkt P derart zuordnen, da P und P jeweils zum gleichen Zeitpunkt gehoren, die Zeit also nicht variiert wird, 0
0
q = q (t) ! q = q (t)
(4.1)
q (t) = q (t) ; q(t) t = 0:
(4.2)
0
0
bzw. 0
231
232
KAPITEL 4. HAMILTONSCHE MECHANIK t P2
t2
Vergleichsbahnkurve P
P
t
tatsächliche Bahnkurve t1
P1 qα
Die Variationen der generalisierten Koordinaten q (t) stellen also gerade virtuelle Verruckungen dar. Gema (4.2) konnen sie als dierenzierbare Funktionen der Zeit angesehen werden, d q (t) = q_ (t) ; q_ (t) = q_ (t) (4.3) dt wobei die q_ (t) die Variationen der generalisierten Geschwindigkeiten sind. Bei der gewahlten Variationsart durfen also die Operationen d=dt und vertauscht werden. Nunmehr betrachten wir eine Funktion (q q_ t). Die Variation dieser Funktion, d.h. die Dierenz der Funktion auf der wirklichen Bahn und einer variierten Bahn, ist 0
= (q q_ t) ; (q q_ t) = (q + q q_ + q_ t) ; (q q_ t): Fur hinreichend kleine Variationen q q_ folgt dann f X @ @ q + @ q_ q_ : = @q =1 0
0
(4.4) (4.5)
Um die Frage zu beantworten, wodurch sich die wirkliche Bahnkurve des Systems von den zugelassenen Vergleichsbahnen unterscheidet, erinnern wir zunachst daran, da nach dem d'Alembertschen Prinzip
f X d @L @L (mixi ; Fi) xi = dt @ q_ ; @q q = 0 =1 i=1
3N X
(4.6)
gilt, woraus bekanntlich die Lagrangeschen Gleichungen folgen, da die q frei wahlbar sind. Wie bereits erwahnt, entsprechen die virtuellen Verruckungen q in (4.6) genau
4.1. DAS HAMILTONSCHE PRINZIP
233
den oben de nierten Bahnvariationen. Wir formen (die zweite Gleichung in) (4.6) etwas um, indem wir @L @L d d @L d dt @ q_ q = dt @ q_ q ; @ q_ dt q @L @L d = dt @ q_ q ; @ q_ q_ (4.7) schreiben, und folglich
f d @L f X @L q + @L q_ = X @q @ q_ dt @ q_ q =1 =1 | {z }
(4.8)
L
gilt, d.h., die einer Variation der Bahnkurve entsprechende Variation der LagrangeFunktion ist @L f X d (4.9) L = dt @ q_ q : =1 Zeitliche Integration dieser Gleichung in den Grenzen t1 t2 liefert
Z
t2 t1
t2 f X @L q : dt L = @ q _ t1 =1
(4.10)
Die rechte Seite dieser Gleichung verschwindet, wenn die Vergleichsbahnen so gewahlt werden, da ihre Anfangs- und Endpunkte mit denen der wirklichen Bahnkurve ubereinstimmen: q(t1 ) = q (t2) = 0: (4.11) Wir nden also
Z
t2
t1
dt L =
Mit der De nition der Wirkung
S= lautet das Ergebnis
Z
Z
t2
t1 t2
t1
dt L = 0:
dt L
S = 0
(4.12) (4.13)
(4.14)
234
KAPITEL 4. HAMILTONSCHE MECHANIK Die von einem Massenpunktsystem (im Kon gurationsraum) tatsachlich durchlaufene Bahnkurve zeichnet sich gegenuber den zugelassenen Vergleichsbahnen dadurch aus, da fur sie die Wirkung einen Extremwert { meistens ein Minimum { annimmt.
Dieser Sachverhalt bildet den Inhalt des Hamiltonschen Prinzips, auch Prinzip der kleinsten Wirkung genannt. Aus dem Prinzip ist sofort ablesbar, da mit L auch (4.15) L = L + ddt R(q t) eine zulassige Lagrange-Funktion ist, wobei R(q t) eine beliebige Funktion der generalisierten Koordinaten und der Zeit ist Eichtransformation, siehe (3.235) und folgende Gleichungen]. Umgekehrt kann das Hamiltonsche Prinzip an die Spitze gestellt werden, und es konnen aus ihm die Lagrangeschen Gleichungen hergeleitet werden: 0
S =
Z
t2
t1
dt L =
"
Z
t2 t1
dt L
# f X @L @L = dt q + @ q_ q_ @q t1 =1 @L d @L ) Z t2 (X f
@L d = dt @q q + dt @ q_ q ; dt @ q_ q t1 =1 # f Z t2 "X f X @L t2 d @L @L = dt @q ; dt @ q_ q + =1 @ q_ qt1 = 0 t1 =1 | {z } Z
t2
0
(4.16)
und da die q frei wahlbar sind, @L ; d @L = 0 ( = 1 2 : : : f ): (4.17) @q dt @ q_ Mathematisch stellen die Lagrangeschen Gleichungen die Losung der sogenannten Euler-Lagrangeschen Variationsaufgabe dar. Das Hamiltonsche Prinzip in der Form (4.12) bzw. (4.14) setzt nur die Existenz einer Lagrange-Funktion voraus, d.h., kinetische und potentielle Energie mussen de nierbar sein (siehe auch Abschnitt 4.6). Sowohl holonome als auch (unilaterale) anholonome Nebenbedingungen sind moglich. Im Falle von anholonomen Nebenbedingungen ergeben sich naturlich nicht die Lagrangeschen Gleichungen 2. Art, sondern je nach der Art der Auswertung Bewegungsgleichungen beispielsweise vom Typ
4.2. HAMILTONSCHE GLEICHUNGEN
235
der Lagrangeschen Gleichungen 1. Art oder Gleichungen vom gemischten Typ. Legen wir die ursprunglichen 3N Koordinaten des Systems zugrunde, so folgt anstelle von (4.16)
Z
t2
t1
bzw.
" 3N # X @L d @L dt ; dt @x_ i xi = 0 @x i i=1
Z
t2 t1
dt
" 3N X i=1
#
(Fi ; mixi ) xi = 0
(4.18)
(4.19)
wobei nunmehr die xi nicht mehr frei wahlbar sind, sondern gema 3N X i=1
fki xi = 0
(k = 1 2 : : : r)
(4.20)
mit den (im allgemeinen Fall anholonomen) Nebenbedingungen vertraglich sein mussen siehe (3.18)]. Aus (4.19) kann also zunachst nur auf 3N X i=1
(Fi ; mixi ) xi = 0
(4.21)
geschlossen werden, d.h. auf das d'Alembertsche Prinzip.
4.2 Hamiltonsche Gleichungen Die Bewegung eines (holonom gebundenen) Massenpunktsystems wird durch die Lagrange-Funktion des Systems beherrscht. Aus der Kenntnis der Lagrange-Funktion, die eine Funktion der generalisierten Koordinaten und Geschwindigkeiten und (im Falle einer expliziten Zeitabhangigkeit) der Zeit ist, konnen uber die Lagrangeschen Gleichungen die Bewegungsgleichungen des Systems in Form von f gekoppelten, gewohnlichen Dierentialgleichungen 2. Ordnung fur die generalisierten Koordinaten aufgestellt werden. Die Bewegung erfolgt insbesondere so, da die Wirkung extremal (in der Regel minimal) ist. Fur bestimmte Aufgaben kann es zweckma ig sein, neben den generalisierten Koordinaten nicht die generalisierten Geschwindigkeiten, sondern die generalisierten Impulse zu verwenden. In diesem Zusammenhang ergibt sich die Frage, wie und in welcher Form bei einer solchen Formulierung der Mechanik die Bewegungsgleichungen gewonnen werden konnen. Der U bergang von einer Gesamtheit unabhangiger Variablen zu einer anderen kann durch eine Legendre-Transformation realisiert werden. Aus L = L(q q_ t) folgen die generalisierten Impulse p = @@L ( = 1 2 : : : f ) (4.22) q_
236
KAPITEL 4. HAMILTONSCHE MECHANIK
als Funktionen von q, q_ und gegebenenfalls t, woraus die generalisierten Geschwindigkeiten q_ als Funktionen von q , p und gegebenenfalls t bestimmbar sind, p = p (q q_ t) q_ = q_ (q p t) : (4.23) Das totale Dierential der Lagrange-Funktion lautet
@L f X @L @L dq + dq_ + dt dL = @q @ q _ @t =1 = =
d.h. d
f X
f X =1
(p_dq + p dq_ ) + @L @t dt
=1
p_dq + d (p q_) ; q_ dp] + @L @t dt
f X
!
f X
pq_ ; L = (;p_ dq + q_dp ) ; @L @t dt: =1 =1 {z } |
(4.24)
(4.25)
H
Die Funktion
H = H (q p t) =
f X =1
pq_ ; L
(4.26)
ist die Hamilton-Funktion des Systems. Aus Abschnitt 3.2.5 wissen wir, da im Falle skleronomer Bindungen H gerade die Energie des Systems darstellt siehe Gleichung (3.251)]. Das vollstandige Dierential der Hamilton-Funktion lautet
@H f X @H @H dH = @q dq + @p dp + @t dt =1
(4.27)
@H q_ = @H p_ = ; @q @p
(4.28)
@H = ; @L : @t @t
(4.29)
und der Vergleich mit (4.25) liefert
( = 1 2 : : : f ) und
4.2. HAMILTONSCHE GLEICHUNGEN
237
Die Gleichungen (4.28) stellen gerade die gesuchten Bewegungsgleichungen fur die q und p dar. Sie hei en Hamiltonsche Gleichungen oder auch kanonische Gleichungen und bilden ein System von 2f gekoppelten, gewohnlichen Dierentialgleichungen erster Ordnung fur die 2f unbekannten Funktionen q (t) und p(t). Sie ersetzen die f Lagrangeschen Gleichungen (f gekoppelte, gewohnliche Dierentialgleichungen 2. Ordnung). Gema Abschnitt 3.2.5 ist die totale zeitliche Ableitung der Hamilton-Funktion die negative partielle Zeitableitung der Lagrange-Funktion, d.h. dH = ; @L dt @t siehe Gleichung (3.253)]. Mit (4.29) erhalten wir also
(4.30)
dH = @H = ; @L : dt @t @t Dieses Ergebnis ist naturlich auch direkt veri zierbar,
(4.31)
f dH = X @H q_ + @H p_ + @H dt @q |{z} @p |{z} @t =1 |{z} @L p_
q_
;
;
@t
(4.32) = @H = ; @L : @t @t Hangt die Hamilton-Funktion nicht explizit von der Zeit ab, ist sie Erhaltungsgro e,
@H = 0 dH = 0 H = const: (4.33) @t dt Im Falle skleronomer Bindungen ist diese Erhaltungsgro e gerade die Energie des Systems. Wenn die Lagrange-Funktion von einer Koordinate q nicht abhangt { die Koordinate also zyklische Koordinate ist { tritt sie wegen (4.26) oensichtlich auch nicht in der Hamilton-Funktion auf, d.h., p ist Erhaltungsgro e, @H = 0 p_ = ; @q
p = const:
(4.34)
Die kanonischen Gleichungen konnen auch direkt, d.h. ohne uber die Lagrangeschen Gleichungen zu gehen, aus dem Hamiltonschen Prinzip hergeleitet werden. Wir wollen dies skizzieren. Gema (4.26) gilt
L=
f X =1
p q_ ; H (q p t)
(4.35)
238
KAPITEL 4. HAMILTONSCHE MECHANIK
und Anwendung des Hamiltonschen Prinzips (4.12) hei t dann
Z
t2 t1
= =
dt L =
Z Z
t2 t1 t2 t1
dt
Z
t2 t1
dt
f X =1
"f X =1
#
p q_ ; H (q p t)
@H q ; @H p p q_ + pq_ ; @q @p
f X d dt p q dt =1
@H @H + dt pq_ ; p_q ; @q q ; @p p t1 =1 t2 Z t f f 2 X X @H @H = p q + q_ ; @p p ; p_ + @q q = 0: (4.36) dt t 1 =1 |=1 {z t}1 Z
f X
t2
0
Fassen wir die q und p als unabhangige Variablen auf, die frei variierbar sind, mussen oensichtlich die kanonischen Gleichungen @H p_ = ; @H q_ = @p (4.37) @q gelten.
4.3 Poisson-Klammern Obwohl die kanonischen Gleichungen ihrer Form nach auf den ersten Blick recht ahnlich sind, unterscheiden sie sich durch das Vorzeichen und mussen deshalb separat aufgeschrieben werden. Wir wollen versuchen, die Bewegungsgleichungen physikalischer Gro en in einer einheitlichen Weise zu formulieren. Es sei A eine physikalische Gro e als Funktion der generalisierten Koordinaten und Impulse und gegebenenfalls der Zeit, A = A(q p t): (4.38) Unter Berucksichtigung der kanonischen Gleichungen (4.37) gilt fur die zeitliche A nderung der Gro e A f dA = X @A q_ + @A p_ + @A dt @q @p @t =1
f X @A @A : @H @A @H = + ; @q @p @p @q @t =1
(4.39)
4.3. POISSON-KLAMMERN
239
Mit der De nition der Poisson-Klammer fA B g zweier Gro en A und B ,
f X @B @A @B @A fA Bg = @q @p ; @p @q =1
(4.40)
lautet die Bewegungsgleichung (4.40) fur die Gro e A dA = fA H g + @A dt @t
(4.41)
Speziell fur A = q bzw. A = p ergeben sich aus (4.41) die kanonischen Gleichungen in der (symmetrischen) Form
p_ = fp H g q_ = fq H g
(4.42)
Wie man sich durch direktes Ausrechnen uberzeugen kann, gelten fur PoissonKlammern folgende Regeln:
fA Bg = ;fB Ag
(4.43)
f(A + B) C g = fA C g + fB C g
(4.44)
fAB C g = AfB C g + fA C gB
(4.45)
fA pg = @q@A
(4.46)
fA qg = ; @p@A
(4.47)
fA fB C gg + fB fC Agg + fC fA Bgg = 0:
(4.48)
Die Gleichung (4.48) wird auch als Jakobi-Identitat bezeichnet. Insbesondere folgt aus (4.46) oder (4.47)] fur die Poisson-Klammern der generalisierten Koordinaten und Impulse
fq p g =
(4.49)
240
KAPITEL 4. HAMILTONSCHE MECHANIK
fq q g = fp p g = 0:
(4.50)
Ferner liefert die Anwendung der Regeln (4.46) und (4.47) auf (4.42) die kanonischen Gleichungen in ihrer ursprunglichen Form (4.37). Funktionen der dynamischen Variablen, die bei der Bewegung eines Massenpunktsystems konstant bleiben, stellen bekanntlich Bewegungsintegrale des Systems dar. Wie aus (4.41) ersichtlich, ist in der Sprache der Hamiltonschen Mechanik eine Gro e A Bewegungsintegral, falls dA = fA H g + @A = 0 (4.51) dt @t gilt. Wenn also insbesondere die Gro e A nicht explizit von der Zeit abhangt, lautet die Bedingung dafur, da A Erhaltungsgro e ist,
fA H g = 0:
(4.52)
Die Poisson-Klammer der Gro e A mit der Hamilton-Funktion des Systems mu verschwinden. Wir betrachten die Bewegungsgleichung einer in Form einer Poisson-Klammer gegebenen physikalischen Gro e fA B g. Gema (4.41) gilt d fA B g = fA B g H + @ fA B g: (4.53) dt @t Wir verwenden die Jacobi-Indentitat (4.48), so da fur die doppelte Poisson-Klammer auf der rechten Seite der Gleichung (4.53)
fA Bg H
= A fB H g + B fH Ag = A fB H g + fA H g B
(4.54)
geschrieben werden kann. Berucksichtigen wir ferner, da @ fA B g = @A B + A @B (4.55) @t @t @t ist, so kann (4.53) wie folgt umgeschrieben werden: d fA B g = A fB H g + fA H g B + @A B + A @B dt @t @t @A @B = fA H g + @t B + A fB H g + @t (4.56) d.h. d fA B g = dA B + A dB : (4.57) dt dt dt
4.4. KANONISCHE TRANSFORMATIONEN
241
Der durch diese Gleichung ausgedruckte Sachverhalt wird auch Poisson-Theorem genannt. Falls insbesondere A und B Erhaltungsgro en sind, d.h. dA = dB = 0 (4.58) dt dt gilt, ist also die Poisson-Klammer von A und B auch eine Erhaltungsgro e, d fA B g = 0 fA B g = const: (4.59) dt Die Anwendung des Poisson-Theorems liefert selbstverstandlich nicht immer neue Bewegungsintegrale. Dies ist der Fall, wenn die Poisson-Klammer zweier Gro en A und B eine Funktion dieser Gro en ist oder trivialerweise auf eine Konstante fuhrt. Trit weder das eine noch das andere zu, ist ein neues Bewegungsintegral gefunden.
4.4 Kanonische Transformationen
Kanonische Transformationen sind Transformationen des 2f -dimensionalen Phasenraums der Variablen q und p , die diesen Variablen in eindeutiger Weise neue Variable
q = q(q p t) (4.60) p = p(q p t) (4.61) zuordnen, wobei zu jeder Hamilton-Funktion H (q p t) eine neue HamiltonFunktion H (q p t) existiert mit der Eigenschaft, da auch in den neuen Variablen die Bewegungsgleichungen in Form von kanonischen Gleichungen @H p_ = ; @H q _ = (4.62) @q @p angegeben werden konnen, wenn bezuglich der Ausgangsvariablen die kanonischen Gleichungen @H q_ = @H p_ = ; @q (4.63) @p erfullt sind. Mit anderen Worten, kanonische Transformationen lassen lassen die kanonischen Gleichungen forminvariant. Die Frage, ob es derartige Transformationen gibt, la t sich durch die Angabe eines Konstruktionsverfahrens bejahen. Wie wir wissen, sind die kanonischen Gleichungen aus dem Hamiltonschen Prinzip herleitbar, d.h., es mu mit ! Z t2 X f dt pq_ ; H = 0 (4.64) 0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
t1
0
0
=1
0
242
KAPITEL 4. HAMILTONSCHE MECHANIK
auch
Z
t2
dt
t1
f X =1
!
pq_ ; H = 0 0
0
(4.65)
0
gelten. Die Variationsprobleme (4.64) und (4.65) mussen dabei auf die gleiche Losungsmannigfaltigkeit fuhren, d.h., sie mussen einander aquivalent sein. Diese A quivalenz ist vorhanden, wenn sich die beiden Integranden in (4.64) und (4.65) hochstens um die (totale) Zeitableitung einer beliebigen Funktion R1 (q q t) unterscheiden (siehe auch Abschnitt 3.2.4), 0
f X
f X
pq_ ; H = pq_ ; H + ddt R1(q q t): |=1 {z } |=1 {z }
(4.66)
q(t1 ) = q (t1) = q (t2 ) = q(t2 ) = 0
(4.67)
L
0
0
0
0
L
0
Wegen 0
0
gilt oensichtlich
Z
t2
dt d R1 (q q t) dt = R1 q (t2) q (t2) t2] ; R1 q (t1) q (t1) t1 ] = 0: 0
t1
0
Aus (4.66) folgt
0
(4.68)
f @R1 q_ + @R1 q_ + @R1 dR1 = X dt @q @q @t =1 0
0
= d.h., es mussen die Relationen
f X =1
(p q_ ; p q_) + H 0
0
0
; H
(4.69)
1 p = ; @R1 p = @R @q @q
(4.70)
1 H = H + @R @t
(4.71)
0
0
( = 1 2 : : : f ) und 0
4.4. KANONISCHE TRANSFORMATIONEN
243
gelten. Die 2f Gleichungen (4.70) stellen gerade die gesuchten Transformationsgleichungen fur den U bergang von den q p zu den q p dar. Die (beliebige) Funktion R1 (q q t) hei t die Erzeugende der Transformation. Auosen der Gleichungen (4.70) nach den q p liefert 0
0
0
q = q (q p t) p = p (q p t) (4.72) und Einsetzen in H und R1 in (4.71) liefert dann die transformierte HamiltonFunktion1 @ R q (q p t) q t] (4.73) H (q p t) = H q (q p t) p (q p t) t] + @t 1 Es kann zweckma ig sein, als Erzeugende nicht eine Funktion der Variablen q q, sondern anderer alter und neuer Variablen zu wahlen. Wir wollen zwischen folgenden Typen von Erzeugenden unterscheiden:2 R1 (q q t), R2(q p t), R3 (p q t), R4 (p p t). Der U bergang von einer Erzeugenden zu einer anderen kann mittels Legendre-Transformationen realisiert werden. Gema (4.70) konnen die gestrichenen Koordinaten q als Funktionen der ungestrichenen Koordinaten q und der gestrichenen Impulse p aufgefa t werden, 1 q = q ( q p t ): p = ; @R (4.74) @q Aus (4.69) folgt dann f dR1 = X (pq_ ; pq_ ) + H ; H dt =1 f
X d (4.75) = pq_ ; dt (p q ) + p_q + H ; H =1 0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
bzw.
0
0
0
!
f f X d R +X dt 1 =1 pq = =1 (p q_ + qp_ ) + H 0
Mit
0
0
0
0
0
; H:
(4.76)
f X R2 (q p t) = R1 q q (q p t) t + pq (q p t) 0
0
0
0
0
(4.77)
0
=1
Unter der partiellen Ableitung der Erzeugenden in (4.73) ist @R1 (q q t)=@t q =q (q p t) zu verstehen. 2 Die Erzeugende kann nat urlich auch als Funktion der q und p (bzw. der q und p ) aufgefat werden. In diesem Fall folgen i. allg. keine (einfachen) algebraischen Transformationgleichungen, sondern Di erentialgleichungen. 1
0
j
0
0
0
0
244
KAPITEL 4. HAMILTONSCHE MECHANIK
liefert (4.76)
f @R2 q_ + @R2 p_ + @R2 d R2 = X dt @q @p @t =1 0
0
=
f X =1
(p q_ + qp_ ) + H 0
0
0
; H
(4.78)
d.h., es mussen anstelle von (4.70) und (4.71) nunmehr die Relationen 2 q = @R2 p = @R @q @p ( = 1 2 : : : f ) und 2 H = H + @R @t gelten. Die zwei ubrigen Falle lassen sich analog behandeln: 0
0
0
f dR1 = X d (p q ) ; q p_ ; p q_ + H dt dt =1 0
0
0
; H
!
f f X d R ;X d R 3 p q = dt = (;q p_ ; p q_) + H dt 1 =1 =1 | {z } 0
0
0
; H
(4.79)
(4.80)
(4.81) (4.82)
R3 (p q ) 0
3 p = ; @R3 q = ; @R @p @q
(4.83)
3 H = H + @R @t
(4.84)
0
0
0
f d (p q ) ; q p_ + q p_ + H dR2 = X dt dt =1 0
0
0
; H
!
f f dR4 = X d R ;X p q = dt 2 =1 dt =1 (;q p_ + q p_ ) + H | {z } 0
R4 (p p ) 0
0
0
; H
(4.85) (4.86)
4.4. KANONISCHE TRANSFORMATIONEN
245
4 q = @R4 q = ; @R @p @p
(4.87)
4: H = H + @R @t
(4.88)
0
0
0
Die sehr gro e Freiheit in der Wahl der kanonischen Transformationen bringt es mit sich, da der Koordinaten- und Impulscharakter der kanonischen Variablen ganz verloren gehen kann. Da die Bedeutung der Benennung sehr unscharf werden kann, werden die Variablen q und p hau g einfach als kanonisch konjugierte Variable bezeichnet. Beispiel 1: Wahlen wir als Erzeugende die Funktion
R=
f X =1
q q
(4.89)
0
so liefern die Relationen (4.70) @R = q p = ; @R = ;q : p = @q @q 0
0
0
(4.90)
Bei dieser Transformation werden also "Koordinaten\ und "Impulse\ (bis auf ein Vorzeichen) vertauscht, so da es wenig Sinn macht, die einen als Koordinaten und die anderen als Impulse zu bezeichnen. Beispiel 2: Kanonische Transformation und Storungsrechnung Wir wollen der Einfachheit halber ein eindimensionales Problem mit der HamiltonFunktion
H (x p) = H0 (x p) + HI (x p)
(4.91)
betrachten und annehmen, da die Losung der zu H0 gehorenden Bewegungsgleichungen bekannt ist: 0 x_ = @H0 p = p (t) x = x (t): (4.92) p_ = ; @H 0 0 @x @p Falls die Losung des durch die Hamilton-Funktion H (x p) de nierten Problems nicht in geschlossener Form moglich ist und die durch HI gegebene Storung klein ist, kann eine storungstheoretische Entwicklung versucht werden. Zu diesem Zweck machen wir den Ansatz
x = x0 (t) + x p = p0 (t) + p 0
0
(4.93)
246
KAPITEL 4. HAMILTONSCHE MECHANIK
der als kanonische Transformation von den Variablen x p zu den Variablen x p aufgefa t werden kann und auf eine explizit zeitabhangige Hamilton-Funktion fuhrt. Oensichtlich ist 0
0
R(x p t) = x ; x0 (t)] p + p0 (t)]
(4.94)
@R = p + p (t) = p 0 @x
(4.95)
0
0
die Erzeugende: 0
@R = x ; x (t) = x : (4.96) 0 @p Die zu den kanonische konjugierten Variablen x p gehorende Hamilton-Funktion H lautet folglich H = H + @R (4.97) @t wobei @R = ; p + p (t)] x_ (t) + x ; x (t)] p_ (t) 0 0 0 0 @t = ; p + p0 (t)] x_ 0 (t) + x p0 (t) (4.98) gilt. Ausfuhrlich geschrieben, lautet also die Hamilton-Funktion H H (x p t) = H x0 (t) + x p0(t) + p ] + x p0(t) ; p + p0 (t)] x_ 0(t): (4.99) Die Dierentialgleichungen zur Bestimmung von x (t) und p (t) sind die kanonischen Gleichungen @H ; p_ (t) = f (x p t) p_ = ; @H = ; (4.100) @x @x 0 0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
@H ; x_ (t) = g(x p t) x_ = @H = (4.101) 0 @p @p wobei wir o.B.d.A. als Anfangsbedingungen x (t0) = 0 p (t0 ) = 0 (4.102) annehmen konnen x(t0 )= x0 (t0 ), p(t0)= p0 (t0)]. Die formale Losung von (4.100) und (4.101) lautet Zt x (t) = d gx ( ) p ( ) ] (4.103) 0
0
0
0
0
0
0
0
0
t0
0
0
4.4. KANONISCHE TRANSFORMATIONEN
p (t) =
Z
t
247
d f x ( ) p ( ) ]
(4.104)
d gx(n) ( ) p(n) ( ) ]
(4.105)
d f x(n) ( ) p(n) ( ) ] 0
(4.106)
x(0) (t) = p(0) (t) = 0:
(4.107)
0
und sukzessive Iteration liefert
x(n+1) (t) =
0
t0
Z
t
0
p(n+1) (t) =
0
0
t0
Z
t
0
0
0
t0
0
0
Poisson-Klammern Kanonische Transformationen sind gerade solche Transformationen, die die PoissonKlammern zweier (beliebiger) Gro en A und B invariant lassen,
fA Bgpq = fA Bgp q 0
(4.108)
0
wobei die Bezeichnungsweise fA B gpq (fA B gp q ) angibt, da die Gro en A und B als Funktionen der q p (q p) aufzufassen sind. Die Gleichung (4.108) la t sich durch direktes Ausrechnen beweisen, 0
0
0
0
f X @A @B @A @B fA Bgpq = @q @p ; @p @q =1 ! f " X @q @A @p @B @q @B @p @A = @q @q + @p @q @q @p + @p @p =1
! # @q @A @p @B @q @B @p @A ; @q @p + @p @p @q @q + @p @q 0
0
0
0
0
0
0
0
0
bzw.
0
0
0
0
0
0
"
0
@q @q @q @q @A @B fA Bgpq = ; @q @q @q @p @p @q =1 @p @p @p @p @A @B + ; @p @p @q @p @p @q f X
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
(4.109)
248
KAPITEL 4. HAMILTONSCHE MECHANIK
@q @p @q @p @A @B + ; @q @p @q @p @p @q @q @p @q @p # @B @A ; @p @q @q @p ; @p @q 0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
(4.110)
woraus zunachst
f " X @A @B fq q g + @A @B fp p g fA Bgpq = pq pq @q @q @p @p =1
! # @A @B @A @B + @q @p ; @p @q fq p gpq 0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
(4.111)
folgt. Das Problem reduziert sich also auf die Berechnung der Poisson-Klammern der transformierten Koordinaten und Impulse als Funktionen der ursprunglichen Koordinaten und Impulse. Der Zusammenhang zwischen beiden Arten von Variablen wird durch eine kanonische Transformation vermittelt, so da wegen 1 p = ; @R1 p = @R (4.112) @q @q 0
0
Gleichungen (4.70)]
@ 2 R1 = ; @p = @p @q @q @q @q gelten mu . Analog folgt wegen 2 q = @R2 p = @R @q @p 0
0
(4.113)
0
(4.114)
0
0
Gleichungen (4.79)]
@ 2 R2 = @q = @p : @q @p @q @p 0
0
Mit (4.114) und (4.115) erhalten wir
f X @q fq q gpq = @q@q @p =1 |{z} 0
0
(4.115)
0
;
@q @q ; @p @q |{z} 0
0
0
@q =@p 0
0
@p =@p 0
f X @q @q @q @p @q =; + = ; = 0 @q @p @p @p @p =1 0
0
0
0
0
0
(4.116)
4.4. KANONISCHE TRANSFORMATIONEN d.h.
249
fq q gpq = fq q gp q = 0: 0
0
0
0
0
(4.117)
0
In analoger Weise nden wir
fp p gpq = fp p gp q = 0
(4.118)
fq p gpq = fq p gp q = :
(4.119)
0
und
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Die Gleichungen (4.117) { (4.119) bringen die Invarianz der Poisson-Klammern der kanonischen Variablen bei kanonischen Transformationen zum Ausdruck. Setzen wir (4.117) { (4.119) in (4.111) ein, so folgt die aufgestellte Behauptung (4.108). In nitesimale kanonische Transformationen Eine Transformation
q = q + g (q p t)
(4.120)
0
p = p + h (q p t) (4.121) hei t in nitesimal, wenn so klein ist, da Glieder proportional zu 2 und hoheren Potenzen von vernachlassigt werden durfen. Mit (4.120) und (4.121) folgt "f # f X X L;L = pq_ ; H ; p q_ ; H 0
0
0
=1
=
;
f X =1
0
0
=1
(g_ p + hq_ ) + H
0
;H
f f X X d = ; dt gp + (gp_ ; hq_ ) + H =1 =1
0
; H:
(4.122)
Damit die Transformation kanonisch ist, mu die rechte Seite dieser Gleichung gleich der totalen zeitlichen Ableitung einer Funktion (Erzeugenden) R von 2f unabhangigen Variablen und der Zeit sein, d.h.
@R f X @R @R q_ + @p p_ + @t (gp_ ; hq_ ) + H ; H = @q =1 =1
(4.123)
@R h = ; @R g = @p @q
(4.124)
f X
woraus
0
250
KAPITEL 4. HAMILTONSCHE MECHANIK
H = H + @R @t
(4.125)
0
folgt, und die Gleichungen (4.120) und (4.121) lauten:
@R q = q + @p
(4.126)
@R p = p ; @q
(4.127)
0
0
Entsprechend den kanonischen Gleichungen gilt fur die zeitliche Entwicklung der q und p @H dt q (t + dt) = q (t) + q_ dt = q (t) + @p (4.128)
@H dt: p(t + dt) = p (t) + p_ dt = p(t) ; @q
(4.129)
Wir vergleichen mit (4.126) und (4.127) und nden, da die kanonischen Gleichungen im Sinne einer in nitesimalen kanonischen Transformation mit H als der Erzeugenden interpretiert werden konnen q ! q (t + dt), p ! p(t + dt), ! dt]. Gilt insbesondere Energieerhaltung, bleibt die Hamilton-Funktion bei dieser Transformation unverandert. 0
0
4.5 Die Hamilton-Jacobi-Gleichung Die kanonischen Gleichungen als 2f gewohnliche Dierentialgleichungen 1. Ordnung sind einer (2f + 1)-dimensionalen partiellen Dierentialgleichung 1. Ordnung, der Hamilton-Jacobi-Gleichung, aquivalent. Dazu betrachten wir eine kanonische Transformation, die auf H =0 (4.130) fuhrt. In diesem Fall werden alle transformierten kanonischen Variablen q p zu zyklischen Variablen, d.h., es gilt q = a = const: p = b = const: (4.131) 0
0
0
0
0
4.5. DIE HAMILTON-JACOBI-GLEICHUNG
251
( = 1 2 : : : f ). Ist die Transformation von den q p zu den q p bekannt, ist das dynamische Problem gelost. Die (gesuchten) kanonischen Variablen q p konnen dann durch die transformierten kanonischen Variablen q p { und zwar in Form der Konstanten a b { und der Zeit ausgedruckt werden, 0
0
0
0
q = q (q p t) = q (a b t)
(4.132)
p = p (q p t) = p(a b t):
(4.133)
0
0
0
0
Die kanonischen Variablen q p sind damit als Zeitfunktionen gegeben. Da sie noch von 2f (Integrations-)Konstanten a b abhangen, die z.B. entsprechend den jeweiligen konkreten Anfangsbedingungen spezi ziert werden konnen, stellen sie oensichtlich die allgemeine Losung des Problems dar. Das eigentliche Problem besteht naturlich darin, die kanonische Transformation zu bestimmen. Wir betrachten dazu die Erzeugende
R = R(q p t) = R(q b t)
(4.134)
@R a = @R p = @q @b
(4.135)
0
so da nach (4.79)
( = 1 2 : : : f ) gilt. Da ferner nach (4.80)
H = H + @R @t 0
gelten mu , folgt wegen der Forderung H = 0 H + @R @t = 0 d.h. unter Berucksichtigung von (4.135)
(4.136)
0
@R @R H q @q t + @t = 0 bzw. ausfuhrlich
(4.137)
(4.138)
@R @R @R @R H q1 q2 : : : qf @q @q : : : @q t + @t = 0: (4.139) 1 2 f Diese als Hamilton-Jacobi-Gleichung bezeichnete Gleichung ist die partielle Dierentialgleichung fur die gesuchte Erzeugende R.
252
KAPITEL 4. HAMILTONSCHE MECHANIK
Jede partielle Dierentialgleichung erster Ordnung hat eine Losung, die von einer beliebigen Funktion abhangt. Eine solche Losung hei t allgemeine Losung. Im vorliegenden Fall ist jedoch nicht die allgemeine Losung, sondern die vollstandige Losung gefragt. Die vollstandige Losung ist eine Losung, die gerade so viele (frei wahlbare) Konstanten enthalt, wie unabhangige Variable vorhanden sind. In der HamiltonJacobi-Gleichung treten die Zeit und die f Variablen q als unabhangige Variablen auf. Folglich mu die vollstandige Losung dieser Gleichung gerade f + 1 freie Konstanten enthalten. Da von der Funktion R in der Hamilton-Jacobi-Gleichung nur Ableitungen vorkommen, ist eine der Konstanten additiv, und somit hat die vollstandige Losung die Form
R = f (q1 q2 : : : qf b1 b2 : : : bf t) + A (4.140) und die gesuchte Erzeugende ist bestimmt. Mit Hilfe der Gleichungen (4.135) konnen dann die gesuchten kanonischen Variablen q p als Funktionen der Zeit berechnet werden. Wir wollen uns die physikalische Bedeutung der Erzeugenden R in der HamiltonJacobi-Gleichung klarmachen. Es gilt f dR = X @R q_ + @R (4.141) dt =1 @q @t und wegen (4.135) und (4.138) f dR = X dt =1 p q_ ; H = L
d.h.
R=
Z
dt L = S:
(4.142) (4.143)
Die Erzeugende R in der Hamilton-Jacobi-Gleichung ist also (bis auf eine unwesentliche Konstante) gleich der Wirkung S . Folglich ist die Hamilton-Jacobi-Gleichung die Gleichung, der die Wirkung S genugen mu ,
@S @S H q @q t + @t = 0
(4.144)
Hangt die Hamilton-Funktion nicht explizit von der Zeit ab, gilt (skleronome Bedingungen vorausgesetzt) Energieerhaltung. In diesem Fall ist aus (4.144) zu ersehen, da
S = ;Et + S0
(4.145)
4.5. DIE HAMILTON-JACOBI-GLEICHUNG
253
wobei die charakteristische Funktion oder auch verkurzte Wirkungsfunktion genannte Funktion S0 nur von den q abhangt und der verkurzten Hamilton-JacobiGleichung genugt:
@S H q @q 0 = E
(4.146)
Fur das totale Dierential der charakteristischen Funktion gilt oensichtlich
Andererseits ist
f f X X @S 0 dq = p dq : dS0 = @q =1 =1
(4.147)
dS = Ldt = dS0 ; E dt
(4.148)
dS0 = (L + E ) dt
(4.149)
dS0 = 2T dt
(4.150)
d.h. woraus mit L = T ; U und E = T + U
folgt. Die charakteristische Funktion des Systems zwischen zwei Zeiten t1 und t2 ist also (im Falle skleronomer Bindungen) durch das Zeitintegral der doppelten kinetischen Energie gegeben:
S0 =
Z
t2 t1
dt 2T
(4.151)
(hinsichtlich der A quivalenz der Gleichungen (4.147) und (4.150) siehe auch (3.250). Beispiel: Wurf Fur die Bewegung eines Massenpunkts im homogenen Schwerefeld der Erde lautet die Hamilton-Funktion H = 21m p2x + 21m p2y + 21m p2z + mgz (4.152) und folglich lautet die verkurzte Hamilton-Jacobi-Gleichung
1 @S0 2 + 1 @S0 2 + 1 @S0 2 + mgz = E: 2m @x 2m @y 2m @z
(4.153)
254
KAPITEL 4. HAMILTONSCHE MECHANIK
Wir versuchen, die Gleichung durch einen Separationsansatz S0 (x y z) = S0(1) (x) + S0(2) (y) + S0(3) (z) zu losen:
1 dS0(1) 2m dx
!2
(2) 1 d S 0 + 2m dy
Diese Gleichung ist erfullt fur
!2
(3) 1 d S 0 + 2m dz
!2
!2
1 dS0(1) 2m dx 1 dS0(2) 2m dy
1 dS0(3) 2m dz
!2
!2
+ mgz = E:
(4.154) (4.155)
= const:
(4.156)
= const:
(4.157)
+ mgz = const::
(4.158)
Die Gleichungen (4.156) und (4.157) liefern dS0(1) = c 1 dx dS0(2) = c 2 dy und aus (4.158) folgt d.h. Oensichtlich gilt
S0(1) (x) = c1 x
(4.159)
S0(2) (y) = c2 y
(4.160)
dS0(3) = qc2 ; 2m2gz 3 dz
; S0(3) = ; 6m22 g c23 ; 2m2 gz 3=2 :
(4.161) (4.162)
1 ;c2 + c2 + c2 = E: (4.163) 2m 1 2 3 Mit (4.159), (4.160) und (4.162) lautet die Wirkung (4.145) ; ; S (x y z t) = ; 21m c21 + c22 + c23 t + c1 x + c2 y ; 6m22 g c23 ; 2m2 gz 3=2 (4.164)
4.6. VERALLGEMEINERTE INTEGRALPRINZIPIEN und wir nden
255
@S = ; c1 t + x = a 1 @c1 m
(4.165)
@S = ; c2 t + y = a 2 @c2 m
(4.166)
@S = ; c3 t ; c3 ;c2 ; 2m2gz1=2 = a : (4.167) 3 @c3 m m2 g 3 Die Gleichungen (4.165) { (4.167) stellen die bekannte Bahnkurve fur den Wurf im homogenen Schwerefeld der Erde dar. Die Gleichungen (4.165) und (4.166) beschreiben eine gleichformig geradlinige Bewegung in x und y-Richtung, und die Gleichung (4.165) liefert fur die Bewegung in z-Richtung die U berlagerung einer gleichformig geradlinigen mit der gleichformig beschleunigten Bewegung, wie durch eine einfache Umformung zu sehen ist, 2 2 c g a m 3 3 z ; 2m2g = ; 2 t + c (4.168) 3 d.h. z = ; 21 gt2 + at + b (4.169) (a b - Konstante).
4.6 Verallgemeinerte Integralprinzipien Das Hamiltonsche Prinzip in der im Abschnitt 4.1 angegebenen Form setzt die Existenz einer Lagrange-Funktion L = T ; U voraus. Dies ist naturlich immer moglich, wenn das System hinreichend "gro \ gemacht wird. Das Hamiltonsche Prinzip kann aber auch so allgemein formuliert werden, da es auch dann angewendet werden kann, wenn keine potentielle Energie de nierbar ist und damit keine LagrangeFunktion angebbar ist. Um dies einzusehen, besinnen wir uns zunachst wieder auf das d'Alembertsche Prinzip 3N X i=1
und schreiben
(mixi ; Fi) xi = 0
3N
X d mixi xi = (mix_ i xi) ; mi x_ ix_ i d t i=1 i=1
3N X
(4.170)
(4.171)
256
KAPITEL 4. HAMILTONSCHE MECHANIK
d.h. 3N X
3N X mi xixi = ddt (mi x_ ixi ) ; T: i=1 i=1
(4.172)
Berucksichtigen wir ferner, da 3N X i=1
Fi xi = W
(4.173)
die virtuelle Arbeit der am System angreifenden eingepragten Krafte ist, so nimmt die Gleichung (4.170) die Form der Lagrangeschen Zentralgleichung
T + W =
3N X d (m x_ x ) dt i i i i=1
(4.174)
an. Zeitliche Integration von (4.174) in den Grenzen t1 bis t2 liefert dann mit xi (t1) = xi(t2) = 0
Z
t2 t1
dt T +
Z
t2 t1
dt W = 0
(4.175)
Im allgemeinen Fall, wenn die (au eren) eingepragten Krafte kein Potential besitzen, kann im zweiten Intergral die Variation nicht vor das Integral gezogen werden. Besitzen die (au eren) eingepragten Krafte ein Potential, W = ;U , so haben wir
T + W = (T ; U ) = L
(4.176)
und (4.175) nimmt die Form (4.12) bzw. (4.14) an. Wir wollen bei der Variation die Zeit mitvariieren, d.h., wir wollen die Bahnkurve xi(t) mit benachbarten Kurven xi(t) zu unterschiedlichen Zeiten vergleichen, 0
xi = xi (t + t) ; xi(t) 0
(4.177)
und xi und t als dierenzierbare Funktionen der Zeit ansehen. Wir nden bis auf kleine Gro en hoherer als erster Ordnung
xi = xi (t + t) ; xi (t + t) + xi (t + t) ; xi (t) = xi + x_ i t
(4.178)
x_ i = x_ i (t + t) ; x_ i (t) = x_ i + xi t:
(4.179)
0
xi(t + t) xi (t)] und analog 0
4.6. VERALLGEMEINERTE INTEGRALPRINZIPIEN
257
Die Variation einer Funktion (xi x_ i t) lautet somit = (xi + xi x_ i + x_ i t + t) ; (xi x_ i t)
3N X @ @ @ t = x x _ i+ i + @xi @ x_ i @t i=1 " 3N @ # X @ @ = + @xi x_ i + @ x_ i xi + @t t i=1 = + d dt t:
(4.180)
Man beachte, da bei der betrachteten Variationsart die Operationen und d=dt nicht miteinander vertauscht werden durfen. Wir formen den Term auf der rechten Seite der Lagrangeschen Zentralgleichung (4.174) unter Berucksichtigung von (4.178) etwas um, 3N 3N X dX d m x_ x = dt mix_ i ( xi ; x_ i t) dt i=1 i i i i=1 3N X = ddt mix_ i xi ; ddt (2T t) i=1
3N X d = dt mix_ i xi ; 2 ddTt t ; 2T ddt t i=1
und erhalten
3N X d T d t d T + W + 2 dt t + 2T dt = dt mix_ i xi : i=1 Zeitliche Integration von t1 bis t2 liefert dann
Z
t2 t1
(4.182)
!
3N t2 X d t d T t + 2T dt = mi x_ i xi : dt T + W + 2 dt i=1 t
i=1
fki dxi + fk0 dt = 0
(4.183)
1
Aus den Nebenbedingungen 3N X
(4.181)
(k = 1 2 : : : r)
(4.184)
siehe (3.9)] und den fur virtuelle Verruckungen geltenden Bedingungen 3N X i=1
fki xi = 0
(k = 1 2 : : : r)
(4.185)
258
KAPITEL 4. HAMILTONSCHE MECHANIK
folgt wegen (4.178) unschwer 3N X i=1
fki xi + fk0 t = 0
(k = 1 2 : : : r):
(4.186)
Die weitere Auswertung von (4.183) zusammen mit (4.186) kann in unterschiedlicher Weise erfolgen. Wird t = 0 gesetzt und werden die Variationen xi an den Grenzen ebenfalls Null gesetzt, xi = 0, gelangen wir zu (4.175). Wir wollen fur den Fall t 6= 0 die Variationen xi und t an den Grenzen so wahlen, da
3N X i=1
!t2 mi x_ i xi = 0
(4.187)
t1
gilt. Ferner wollen wir so variieren, da (anstelle t = 0) die Relation
T = W
(4.188)
erfullt ist, d.h., bezuglich der virtuellen Verruckungen soll die Zunahme der kinetischen Energie gleich der virtuellen Arbeit sein. Damit sowie T = T ; ddTt t (4.189) siehe Gleichung (4.180)] geht die Gleichung (4.183) in
Z
t2 t1
uber. Wegen
Z
t2 t1
dt
dt T = =
Z
T + T ddt t = 0 t2
t1 t2
Z
t1
(4.190)
d(t + t) (T + T ) ; dt
T + T ddt t
Z
t2 t1
dt T
(4.191) (4.192)
konnen wir also (4.189) in der Form
Z
t2
t1
dt T = 0
(4.193)
schreiben. Verglichen mit den gema (4.187) und (4.188) zugelassenen Vergleichsbahnen nimmt das Zeitintegral der kinetischen Energie fur die wirkliche Bewegung einen Extremwert an (Euler-Maupertuis-Prinzip).
4.6. VERALLGEMEINERTE INTEGRALPRINZIPIEN
259
Bei skleronomen Systemen konnen die Bedingungsgleichungen (4.186) und die Randbedingung (4.187) erfullt werden, wenn fur t1 und t2 xi =0 und t beliebig ist. In diesem Fall konnen also die Vergleichsbewegungen zwischen gegebener Anfangsund Endlage zu beliebigen Zeiten ablaufen. Ist das System noch konservativ, so gilt wegen (4.188)
(T + U ) = E = 0
(4.194)
d.h., die Gesamtenergie langs einer Vergleichsbahn hat den gleichen Wert wie langs der wirklichen Bahn. Unter den genannten Bedingungen konnen wir also folgende Aussage treen: Das Zeitintegral der kinetischen Energie ist fur die wirkliche Bewegung extremal, verglichen mit Nachbarbewegungen gleicher Gesamtenergie sowie gleicher Anfangs- und Endlage, die zu beliebigen Zeiten durchlaufen werden. Mit (4.151) nimmt (4.193) dann die Form
Z
S0 =
t2
t1
dt 2T = 0
(4.195)
an. Das hei t, unter den gegebenen Bedingungen wird nicht die Wirkung, sondern die verkurzte Wirkung extremal.3 Im Falle konservativer, skleronom-holonomer Systeme kann (4.195) noch etwas weiter umgeformt werden. Es gilt bekanntlich f X
2T dt2 =
=1
g dq dq :
(4.196)
Sehen wir die g als die Elemente des metrischen Fundamentaltensors des Kon gurationsraums an, so ergibt sich fur das Linienelement ds2 =
f X =1
g dqdq
(4.197)
und es gilt
2T dt2 = ds2 Damit wird aus (4.195)
S0 =
Z
s2
s1
dt = pds : 2T
p
ds 2T = 0
(4.198)
(4.199)
Dies ist naturlich in U bereinstimmung mit dem Hamilton-Prinzip zusammen mit den Gleichungen (4.145) und (4.151), wie unschwer zu sehen ist. 3
260 d.h.
KAPITEL 4. HAMILTONSCHE MECHANIK
Z
s2 s1
Zs p p ds T = ds E ; U = Extremum: 2
s1
(4.200)
Verschwinden die eingepragten Krafte, dann reduziert sich E ; U auf eine Konstante, und aus (4.199) wird
Z
s2 s1
ds = Extremum:
(4.201)
Unterliegt also das Massenpunktsystem keinen eingepragten Kraften, so ist die Lange der tatsachlich zwischen zwei Punkten (in U bereinstimmung mit den Nebenbedingungen) durchlaufenen Bahn extremal und zwar in der Regel minimal. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von dem Prinzip der kurzesten Bahn.
4.7 Teilchen- und Wellenausbreitung Wir betrachten einen Massenpunkt mit den kartesischen Koordinaten x y z, der sich in einem konservativen Kraftfeld bewegen soll. Gema (4.145) gilt fur die Wirkung
S (x y z t) = S0(x y z) ; Et:
(4.202)
Wahrend die Gleichung S0 (x y z) = const: eine zeitlich unveranderliche Flache im Kon gurationsraum des Massenpunkts beschreibt, stellt S (x y z t)=const: eine bewegte Flache dar. Man spricht in diesen Vorgang auch von der Ausbreitung von Wirkungswellen. Wenn zum Zeitpunkt t die Flache S = C mit der Flache
S0 (x y z) = C + Et
(4.203)
zusammenfallt, so fallt sie zum Zeitpunkt t + dt mit der Flache
S0 (x y z) + dS0 (x y z) = C + E (t + dt)
(4.204)
dS0 = E dt:
(4.205)
dS0 = dr rS0
(4.206)
E = u rS0
(4.207)
zusammen, d.h. Da andererseits
ist, folgt fur die Ausbreitungsgeschwindigkeit u = dr=dt der Wirkungswellen die Beziehung
4.7. TEILCHEN- UND WELLENAUSBREITUNG
261
und somit fur den Betrag der Geschwindigkeit u = jrES j : (4.208) 0 Die verkurzte Hamilton-Jakobi-Gleichung (4.146) liefert (rS0) (rS0) = 2m(E ; U ) (4.209) so da wir fur den Betrag der Ausbreitungsgeschwindigkeit (4.210) u= p E 2m(E ; U ) schreiben konnen. Die Geschwindigkeit des Massenpunkts lautet bekanntlich v = mp = m1 rS0 (4.211) so da ihr Betrag p p 1 v = m = m jrS0j = 2m(mE ; U ) (4.212) ist und folglich E =E u = mv (4.213) p gilt. Die Bahnkurven des Massenpunkts sind also orthogonale Trajektorien der sich im Raum ausbreitenden Flachen konstanter Wirkung. Der Betrag der Geschwindigkeit der Wirkungswellen ist dabei umgekehrt proportional zum Betrag der Teilchengeschwindigkeit.
r(t)
S 0 =C+Et
262
KAPITEL 4. HAMILTONSCHE MECHANIK
Betrachten wir ein zunachst vollig anders erscheinendes Problem, namlich die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen gema der Wellengleichung 2 2 ! = nc2 @@t!2 0
(4.214)
wobei c0 die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ist und n = n(r) den i. allg. raumlich veranderlichen Brechungsindex darstellt. Im Falle eines homogenen Mediums (konstanter Brechungsindex) wird die Gleichung (4.214) bekanntlich durch ebene Wellen gelost: !(r t) = A ei(nk r !t+')
(4.215)
jkj = c!0 = 2 :
(4.216)
;
Die Bezeichnung ebene Welle bringt die Tatsache zum Ausdruck, da die Flachen konstanter Phase, (r t) = nk r ; !t = const:
(4.217)
Ebenen sind. In Verallgemeinerung von (4.215) kann man nun fur den Fall inhomogener Medien, wenn sich der Brechungsindex raumlich andert, den Losungsansatz !(r t) = A(r) ei(rt)
(4.218)
(r t) = 0 (r) ; !t:
(4.219)
machen. Wir setzen (4.218) in die Wellengleichung (4.214) ein und erhalten (nach Trennen von Real- und Imaginarteil) unschwer die zwei Gleichungen
A + A k2 n2 ; (r0 ) (r0 ) = 0
(4.220)
2(rA) (r0 ) + A 0 = 0
(4.221)
(r0 ) (r0 ) = k2 n2
(4.222)
(k = jkj). Wir wollen im Sinne der geometrischen Optik annehmen, da die Wellenlange hinreichend klein ist, so da der Brechungsindex in Bereichen, deren Linearausdehnung von der Gro enordnung der Wellenlange ist, als konstant angesehen werden kann. In diesem Fall kann der erste Term in (4.220) vernachlassigt werden, und wir erhalten die Eikonalgleichung4 4
Oft wird auch die Groe 0 =k Eikonal genannt, und es wird die Bezeichnung S0 verwendet.
4.7. TEILCHEN- UND WELLENAUSBREITUNG
263
Die Gleichungen (4.219) und (4.222) der geometrischen Optik haben oensichtlich die gleiche Form wie die Gleichungen (4.202) und (4.209) der klassischen Mechanik fur die Bewegung eines Teilchens in einem konservativen Kraftfeld $ S , ! $ E , k2 n2 $ 2m(E ; U ) = p2]. Insbesondere breiten sich die Flachen konstanter Phase, (r t) = const: mit der (Phasen-)Geschwindigkeit ! = c0 c = nk (4.223) n aus. Die orthogonalen Trajektorien dieser Flachen bezeichnet man bekanntlich als Lichtstrahlen. Ist die Eikonalgleichung (4.222) gelost und 0 (r) bekannt, kann aus der Gleichung (4.221) der Gradient der Amplitudenfunktion A(r) in Richtung des Gradienten von 0 (r) bestimmt werden. In der dazu senkrechten Richtung bleibt der Gradient der Amplitudenfunktion (im Sinne von Strahlen) unbestimmt. Um den Strahlgang r = r(s) zu bestimmen (s - Bogenlange), schreiben wir zunachst gema (4.222) r0 = kn ddsr (4.224) und leiten nach s ab, d kn dr = d r = dr r r = 1 (r ) r] r 0 kn 0 0 ds ds ds 0 ds 1 r (r ) (r )] = 1 rk2 n2 = rkn: (4.225) = 2kn 0 0 2kn Also lautet die Strahlgleichung d n dr = rn: (4.226) ds ds Die A quivalenz zwischen der Eikonalgleichung in der geometrischen Optik und der verkurzten Hamilton-Jakobi-Gleichung in der klassischen Mechanik sowie die Tatsache, da Lichtrahlen und Bahnkurven orthogonale Trajektorien der entsprechenden Flachen sind, kann auch wie folgt formuliert werden. Bewegt sich ein Massenpunkt in einem konservativen Kraftfeld, so sind seine Bahnen identisch mit denjenigen der Lichtstrahlen in einem inhomogenen Medium, dessen Brechungsindex n proportional p zu E ; U ist. Nach (4.200) bedeutet dies, da fur Lichtstrahlen
Z
s2 s1
ds n = Extremum
(4.227)
gilt. Diese Gleichung ist aber nichts anderes als das aus der geometrischen Optik wohlbekannte Fermatsche Prinzip, welches besagt, da die optische Lange eines Strahls zwischen zwei festen Punkten extremal ist, meistens minimal. Es ist unschwer
264
KAPITEL 4. HAMILTONSCHE MECHANIK
zu zeigen, da das Extremalprinzip (4.227) tatsachlich die Strahlgleichung (4.226) liefert. Zu diesem Zweck parametrisieren wir die Bogenlange s gema p ds = x 2 + y 2 + z 2 d = s d (4.228) (4.229) x = dd x y = dd y z = dd z so da (4.227) in der Form 0
s2
s1
n ds =
Z
2
1
0
0
0
0
Z
0
0
p
d n(x y z) x 2 + y 2 + z 2 = Extremum 0
0
0
(4.230)
geschrieben werden kann. Dieses Extremalproblem fuhrt oensichtlich auf die Eulerschen Gleichungen bezuglich der Funktion p (4.231) F (x y z x y z ) = n(x y z) x 2 + y 2 + z 2 d.h. d @F ; @F = 0 d @F ; @F = 0 d @F ; @F = 0: (4.232) d @x @x d @y @y d @z @z 0
0
0
0
0
0
0
0
0
Betrachten wir beispielsweise die erste dieser drei Gleichungen. Mit @F = n x @F = s @n @x s @x @x erhalten wir die Gleichung d n x = s @n d s @x bzw. 1 d n 1 dx = @n s d s d @x 0
0
0
0
0
0
(4.234)
0
(4.235)
0
0
(4.233)
d.h. exakt die (x-Komponente der) Strahlgleichung (4.226): d n dx = @n : (4.236) ds ds @x Der obige Sachverhalt kann auch durch die Feststellung zum Ausdruck gebracht werden, da sich jedem Problem der geometrischen Optik ein klassisch-mechanisches Problem zuordnen la t, indem das Eikonal proportional zur verkurzten Wirkungsfunktion gesetzt wird. Die klassische Mechanik entspricht damit der geometrischen Optik als dem Grenzfall der Wellenoptik fur hinreichend kleine Wellenlangen. Die charakteristischen Welleneigenschaften von Licht (wie Interferenz und Beugung) treten in diesem Grenzfall nicht in Erscheinung. Man kann nun die Frage stellen, ob die klassische Mechanik nicht auch als Grenzfall einer allgemeineren Wellenmechanik aufgefat werden kann, so da nur im Grenzfall hinreichend kleiner Wellenlangen eine Beschreibung der Bewegung mittels Bahnkurven sinnvoll ist. Dies ist in der Tat so { diese allgemeinere Mechanik ist die Quantenmechanik, die sich in der Tat als eine Wellenmechanik formulieren lat.