Thomas Schick · Tobias Ebbrecht (Hrsg.) Kino in Bewegung
Film, Fernsehen, Medienkultur. Schriftenreihe der Hochschule...
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Thomas Schick · Tobias Ebbrecht (Hrsg.) Kino in Bewegung
Film, Fernsehen, Medienkultur. Schriftenreihe der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ Die Verbindung von Medien und Kultur wird heute nicht mehr in Frage gestellt. Medien können als integraler Bestandteil von Kultur gedacht werden, zudem vermittelt sich Kultur in wesentlichem Maße über Medien. Medien sind die maßgeblichen Foren gesellschaftlicher Kommunikation und damit Vehikel eines Diskurses, in dem sich kulturelle Praktiken, Konflikte und Kohärenzen strukturieren. Die Schriftenreihe der Hochschule für Film und Fernsehen schließt an eine solche Sichtweise von Medienkultur an und bezieht die damit verbundenen Themenfelder ihren Lehr- und Forschungsfeldern entsprechend auf Film und Fernsehen. Dabei werden unterschiedliche Perspektiven eingenommen, in denen es gleichermaßen um mediale Formen und Inhalte, Rezipienten und Kommunikatoren geht. Die Bände der Reihe knüpfen disziplinär an unterschiedliche Fachrichtungen an. Sie verbinden genuin film- und fernsehwissenschaftliche Fragestellungen mit kulturwissenschaftlichen und soziologischen Ansätzen, diskutieren medien- und kommunikationswissenschaftliche Aspekte und schließen Praktiken des künstlerischen Umgangs mit Medien ein. Die theoretischen Ausführungen und empirischen Studien der Schriftenreihe erfolgen vor dem Hintergrund eines zunehmend beschleunigten technologischen Wandels und wollen der Entwicklung von Film und Fernsehen im Zeitalter der Digitalisierung gerecht werden. So geht es auch um neue Formen des Erzählens sowie um veränderte Nutzungsmuster, die sich durch Mobilität und Interaktivität von traditionellen Formen des Mediengebrauchs unterscheiden.
Thomas Schick Tobias Ebbrecht (Hrsg.)
Kino in Bewegung Perspektiven des deutschen Gegenwartsfilms
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
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1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Barbara Emig-Roller | Eva Brechtel-Wahl VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: text plus form, Dresden Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17489-1
Inhalt
Dieter Wiedemann Zum Geleit ..................................................................................................................9 Tobias Ebbret/Thomas Si Perspektiven des deutsen Gegenwartskinos Zur Einleitung .......................................................................................................... 11 Ästhetiken und Diskurse des deutsen Gegenwartskinos Miael Wedel Bodenlose Resonanz Tom Tykwer und die Evidenz der Sinne ..............................................................21 Thomas Elsaesser Vom Tod als Experiment im Leben zum Kino der ethisen Handlungsmat Fatih Akin und die „Ethise Wende“ .................................................................41 Petra Löer Ghost Sounds und die kinematographise Imagination Christian Petzolds Gespenster und Yella ...............................................................63 Thomas Si Stillstand in Bewegung Raum, Zeit und die Freiheit des Zusauers in Thomas Arlsans Der söne Tag und Angela Sanelecs Mein langsames Leben .............79 Guido Kirsten Fiktionale Authentizität und die Unterklausel im Zusauervertrag Zum lmisen Realismus in Henner Winlers Klassenfahrt ....................... 105 Claudia Wegener Der Kinderlm: Themen und Tendenzen .......................................................... 121 Lothar Mikos Amphibiser Film versus transmediale Erzählung Zu den komplexen Weselbeziehungen von Film und Fernsehen .............. 137
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Inhalt
Grenzen und Übergänge im deutsen Gegenwartskino Tobias Ebbret Begegnungen und Unterbreungen Europäise Gedätnisräume in Romuald Karmakars Land der Vernitung und Robert Thalheims Am Ende kommen Touristen ...... 157 Randall Halle Die deuts-polnise Interzone Kino als transnationaler Apparat in der Europäisen Union ....................... 185 Laura G. McGee Andreas Dresens Natgestalten Wendepunkt in der Entwilung einer künstlerisen Handsri ............207 Andy Räder Auührung einer gewöhnlien Gesite Zum Performativen in Andreas Dresens Halbe Treppe .....................................225 Drehli Robnik Au nur ein Kreativwirtsasstandort Zur Gesitsvermilung in und rund um Stefan Ruzowitzkys Die Fälser .......................................................................... 241 Mariana Ivanova Die DDR aus der Perspektive einer jungen Generation Erkundungsreisen und Grenzerfahrungen zwisen Träumen und Realität in deutsen Filmen seit 2005 ......................................259 Kontexte und Perspektiven des deutsen Gegenwartskinos Elizabeth Prommer, Anna Jurzik, Philipp Lang, Paula Syniawa Der deutse Kinolm: Publikum und Image ..................................................285 Anke Zwirner Innovation und Wirtsalikeit Die Situation von Nawuslmemaern und die Bedeutung der Filmförderung für das deutse Gegenwartskino ....................................309 Tobias Mosig Die weltweite kulturelle Filmarbeit des Goethe-Instituts und deren Bedeutung für die internationale Wahrnehmung des deutsen Films....... 319 Alfred Holighaus Der jüngste deutse Film auf Festivals .............................................................337
Inhalt
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Wege zum Film – Filmemaer im Gesprä Andreas Dresen „Ein bissen Kunst ohne Risiko geht nit …“ Werkstagesprä mit Andreas Dresen an der HFF „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg ..................................................................343 Sylke Enders, Florian Gärtner, Ann-Kristin Reyels, Henner Winler Wege zum Film: Positionen deutser Filmemaer zum zeitgenössisen Kino Ein Gesprä an der HFF „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg ....................365 Autorinnen und Autoren ......................................................................................379
Zum Geleit Dieter Wiedemann
Der Band „Kino in Bewegung – Perspektiven des deutsen Gegenwartslms“ erseint in einer neu begründeten Publikationsreihe der Hosule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ zu den Themen „Film, Fernsehen, Medienkultur“ im VS-Verlag. Damit setzt die HFF eine Tradition fort, die zwisen und mit den „Beiträgen zur Film- und Fernsehwissensa“ begonnen worden war: Die interessierte Öentlikeit über ihre wissensalien und wissensali-künstlerisen Forsungsergebnisse zu informieren. Kino und Film wurden und werden in diesen Publikationen als wesentlie Bestandteile kultureller Kommunikationsprozesse in untersiedlien disziplinären Zusammenhängen thematisiert. Die Autorinnen und Autoren des vorliegenden Bandes widmen si untersiedlien Tendenzen im deutsen Gegenwartslm. Beiträge zum Kinderlm, zum Film im Fernsehen und im Kino, zur Bedeutung der Berlinale für das deutse Gegenwartskino, zur Filmarbeit der Goethe-Institute und nit zuletzt zum Image des deutsen Films beim Publikum ergänzen und verallgemeinern die dabei getroenen Aussagen. Diese Verallgemeinerungen werden am Ende des Bandes wiederum exemplaris konkretisiert dur ein Werkstagesprä mit Andreas Dresen und dur die Transkription einer Podiumsdiskussion mit Sylke Enders, Ann-Kristin Reyels, Florian Gärtner und Henner Winkler, die untersiedlie Wege von Nawuslmemaern zum Film zum Gegenstand hae. Dieses an der HFF „Konrad Wolf“ entstandene und dur sie geförderte Projekt ist ein gutes Beispiel für eine gelungene Synthese von Ergebnissen aus Lehre und Forsung und belegt zudem die Bedeutung der Förderung des wissensalien Nawuses. Sie führt glei zeitig einen Weg fort, den die HFF mit der Publikation „Wegzeien – Fragen von Filmstudenten an Regisseure“ (BFF ) von Karsten Herold und Jens Serer begonnen hat, in der Studierende und Angehörige der Hosule selbst zu Wort kommen. Somit verdeutlit der vorliegende Band den Austaus zwisen künstleriser Praxis und wissensalier Reexion an der HFF. Der Entstehungsort der Publikation ist wohl au dafür verantwortli, dass si die meisten Beiträge Filmen und Regisseurinnen/Regisseuren der Berliner
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Dieter Wiedemann
und der Babelsberger „Sule“ widmen, wobei aus meiner Sit Andreas Dresen, Robert Thalheim und Ann-Kristin Reyels für die Babelsberger und Tom Tykwer, Sylke Enders, Christian Petzold, Thomas Arslan und Angela Sanelec für die Berliner Sule stehen. Insofern ist „Kino in Bewegung“ au ein Verspreen auf weitere Aspekte des deutsen Gegenwartskinos. Babelsberg, im Oktober
Perspektiven des deutsen Gegenwartskinos Zur Einleitung Tobias Ebbret/Thomas Si
„Der deutse Film kann gar nit besser sein“, stellte Joe Hembus zynis im Hinbli auf die westdeutse Filmproduktion fest und lieferte damit den jungen Filmemaern, die später als Vertreter des weltbekannten „Neuen Deutsen Films“ in die Filmgesite eingehen sollten, eine zentrale Parole. Au wenn einige der ‚jungen‘ deutsen Filmemaer dieser Generation no aktiv im Gesä sind, ist der „Neue Deutse Film“ heute selbst zu ‚Papas Kino‘ geworden. Weitere lautstark ausgetragene Generationswesel blieben jedo aus, Manifeste – wie das von Oberhausen aus dem Jahr – hat es in den vergangenen dreißig Jahren in Deutsland keine gegeben und beobatet man die publizistisen Debaen über die Zukun des deutsen Films, seint si seit damals nur wenig verändert zu haben. Erst im Februar diskutierten der Regisseur Volker Slöndor, einer der Veteranen des „Neuen Deutsen Films“ und Günter Rohrba, Präsident der Deutsen Filmakademie und einer der witigsten Förderer jener ‚jungen‘ Filmemaer der er Jahre in der Süddeuts en Zeitung über das deutse Kino der Zukun (vgl. Slöndor ; Rohrba ). In seinem Artikel propagiert Slöndor die Unabhängigkeit des Spiellms von Fernsehproduzenten, die es mit ihrer Forderung, ein Spiellm müsse in Form eines Mehrteilers im Fernsehen auswertbar sein, ersweren würden, si auf die „Natur des Spiellms“ zu konzentrieren, „eine Gesite so knapp und mit so wenig Mieln wie mögli zu erzählen.“ (Slöndor ) Er sieht die Gefahr, dass dur die „unheilige Allianz“ (ebd.) von Fernsehgroßproduzenten und Filmproduzenten, die es vor allem auf Fördertöpfe und Lizenzerlöse abgesehen häen, der deutse Film auf der Stree bleiben würde. Rohrba hält dagegen, dass eine Beteiligung des Fernsehens den Filmemaern nur zugute käme, das Fernsehen milerweile einen Grad der Aufmerksamkeit erlangt häe, die dem Kino zumindest ebenbürtig sei, und stellt sließli fest: „Wenn der deutse Kinolm überleben will, muss er si der Wahrheit beugen, dass die große Zeit des Kinos oensitli vorbei ist.“ (Rohrba ) In dieser Auseinandersetzung seint also die alte Diskussion wieder auf, in der unabhängiges, künstlerises Filmsaen der Forderung na kommerzieller Vermarktbarkeit gegenübergestellt wird. Aus dem Bli
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Tobias Ebbret/Thomas Si
gerät dabei, dass die Veretungen im Produktionsgesä sowie der Zusammenhang von Filmkunst und populärem Kino in einer solen dualistisen Sitweise kaum zu verstehen sind. Die meisten zeitgenössisen Filmemaer seinen si bei solen Debatten eher bedet zu halten – au die ‚junge Generation‘ von heute. Sie entziehen si den alten Dualismen, nutzen die Möglikeiten, die das Fernsehen in Nisen wie dem „Kleinen Fernsehspiel“ bietet, suen na Anknüpfungspunkten bei den großen Autorenlmern der Filmgesite oder spielen mit den Formen und Ausdrusmieln des Populären in ihren Filmen. Auf diese Weise haben in den vergangenen Jahren einige junge Filmemaer na haltig auf si aufmerksam gemat. Ihre Podien sind dabei allerdings nit die Feuilletons oder programmatise Pressekonferenzen auf Filmfestivals, sondern die Leinwände, auf denen sie mit ihren Werken überzeugen wollten und konnten. Das deutse Gegenwartskino ist in Bewegung. Do eine eindeutige Ritung ist dabei – vielleit glülierweise – kaum auszumaen.
Umbrüe stellten Georg Seeßlen und Fernand Jung in einer „Polemik zum deutsen Film“ fest, das Kino der Autoren sei tot. Zwei Gründe führten die beiden Kritiker für diese Annahme an: Die „Veteranen des Neuen Deutsen Films“ häen eine Weiterentwilung des deutsen Films dur Vereinnahmung und fehlende Nawusförderung verhindert und die „Verlagerung der Filmkultur von der kulturellen auf eine wirtsalie Förderung“ in den er Jahren habe kreative und experimentelle Freiräume unmögli gemat (Seeßlen/Jung , ). Daher zeineten sie zum Ausgang des . Jahrhunderts ein düsteres Bild der Filmkunst in Deutsland: In dieser Situation entsteht ein Kino, das mit der Entwi lung des Mediums, mit seinem Reitum und seiner Vielfalt, ganz einfa nits mehr zu tun hat. Es ist – wie das Kino der Adenauer-Ära – soziologis ho interessant, und im na hinein wird es au eine Reihe von verlorenen Bizarrerien oenbaren, für die der Bli zur Zeit nit oen sein kann, weil die Filmkultur als Ganzes so unsön korrupt ist. Letztli aber ist au dieser so gefeierte ‚Erfolg‘ des deutsen Kinos in den letzten Jahren purer ökonomistiser Sein: Potemkino. Denn die erfolgreien deutsen Filme verfehlen glei beide politis-wirtsa lien Aufgaben einer nationalen Kinematographie, nämli einerseits dur den Export Prot zu erzeugen, und andererseits einen kulturellen ImageBonus zu produzieren. Der Erfolg des deutsen Kinos basiert einerseits auf
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dem Rüzug auf si selbst, andererseits, so paradox das klingen mag, auf der segensreien Tätigkeit amerikaniser Verleihrmen auf dem deutsen Markt. (ebd., f., Herv. i. O.)
Stadtgespräch (D , Rainer Kaufmann), Abgeschminkt (D , Katja von Garnier), Kleine Haie (D , Sönke Wortmann) oder Der bewegte Mann (D , Sönke Wortmann) hießen diese duraus erfolgreien Produktionen, mit denen si die Kritik nit so ret anfreunden wollte. Komödien und Bestseller-Verlmungen dominierten den Markt und entspraen der erwünsten Kalkulierbarkeit. Selbstbezogen und „Ohne Standpunkt“, wie Martina Knoben bemerkt (Knoben , ), entstünde ein neues „Konsenskino“ (Seeßlen/Jung , ), das später als „Komödien-Boom“ in die jüngere deutse Filmgesitssreibung eingehen sollte. Do bereits innerhalb dieses Konsens-Kinos der ausgehenden Ära Kohl wurden Spuren eines Umbruchs sichtbar. Tom Tykwer drehte, wenn auch wenig beatet, Wintersläfer (D ), Hans-Christian Smid präsentierte, no duraus im konventionellen Erzählrahmen, Na fünf im Urwald (D ). Beide Regisseure sollten für die folgenden Entwilungen im deutsen Film entseidende Rollen spielen und so war na den trüben Aussiten Mie der er Jahre zum Ende des Jahrtausends plötzli und überrasend zu lesen: Der deutse Film hat einen neuen Anlauf genommen. Die Zeit der Beziehungskomödien ist vorbei, der Autorenlm hat endgültig abgedankt. Eine neue Generation von Sauspielern, Regisseuren und Drehbuautoren hat mit Mut und Leidensa, Respektlosigkeit und Phantasie dem Kino einen kreativen Sub verpaßt. (Töteberg , )
Was war passiert? Ein deutses Filmwunder mit dem lmgesitlie Eos auslösenden Namen ‚Lola‘ hae si in den Kinos ereignet, ursprüngli intendiert als privatwirtsalie Reungstat. Lola rennt (D , Tom Tykwer) hieß der Überrasungserfolg der Produktionskooperative X-Filme Creative Pool, die von den Regisseuren Wolfgang Beer, Dani Levy und Tom Tykwer, sowie dem Produzenten Stefan Arndt gegründet worden war. Als Alternative zur herkömmlien, aussließli am nanziellen Erfolg orientierten, Filmproduktion sollte die Kooperative ein Arbeiten in einer gemeinsamen Infrastruktur, die Bündlung und Vermilung von Wissen und Erfahrungen und den kreativen Austaus ermöglien. Als Vorbild dafür diente unter anderem die US-Firma United Artists, die von dem Regisseur D.W. Grith und den Sauspielern Charles Chaplin, Douglas Fairbanks und Mary Pi ford gegründet worden war. Do stand X-Filme erst einmal vor dem dro-
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henden ökonomisen Ende und daher blieb Tom Tykwer gar nits anderes übrig, als mit Lola Rennt einen Erfolg zu produzieren. In dieser Form wurde die Wiedergeburt des deutsen Kinos jedenfalls zur Legende. Rübliend war die anbreende „Zeit des Aurus“ (Gansera , ) weniger ein Wunder als die Folge einer Perspektivversiebung, die si von den alten Gegensätzen befreite: Unterhaltung und erzählerise Tiefe slossen si von nun an genauso wenig aus wie lmgesitlie Bezugnahmen und Referenzen zur Populärkultur. Ein „Spiel mit Eekten“ und „Spiel der Imagination“ konstatierte der Filmkritiker Rainer Gansera anhand von Tykwers Film (ebd., ). Damit erreite Tykwer nit nur ein interessiertes Publikum, au über die Grenzen Deutslands hinaus, sondern erneuerte glei zeitig eine grundlegende Tendenz des Kinos, nämli die Ersaung von imaginativen Welten aus den Mieln des Kinos heraus. In seiner Auseinandersetzungen mit den Tendenzen des deutsen Films im Auru wies Gansera au auf einen weiteren Film hin, der si dur Eigenwilligkeit und Sensibilität auszei nete, Hans-Christian Smids – Nits ist so wie es seint (D ). Smids Film erneuerte jene andere Tendenz des Kinos als „Kunst der Wirklikeit“ (ebd., ) und holte gleizeitig das na, was die Komödien der ausgehenden er und beginnenden er Jahre in Deutsland unterließen: Die Wirklikeit jener Jahre als „eine Zeit der Kälte, der Konfusion und der apokalyptisen Ängste“ zu besreiben (ebd., ).
Perspektiven In den folgenden Jahren fäerten si beide Tendenzen im deutsen Gegenwartskino weiter auf, ohne in alte Diotomien zurüzufallen und ohne die eigene Nähe sowohl zum europäisen Kino als au zu Hollywood zu verleugnen. Überhaupt übersrien diese Filme nit nur ästhetis, sondern au geogras Grenzen. Nit nur die Distribution ritete si in Folge des Erfolgs von Lola rennt international aus. Au die Filmemaer selbst erkundeten das Leben jenseits der nationalen Entitäten. Neben einem neo-nostalgisen Historienkino, das die immergleien Mythen und Gesiten in Filmen wie Der Untergang (D/I/A , Oliver Hirsbiegel) wiederholte, entstanden so au transnationale Erfahrungsräume im deutsen Gegenwartskino. Hans-Christian Smids ga ungsübergreifende Studien der deuts-polnisen Grenzregion in Liter (D ) und Die wundersame Welt der Waskra (D ) sind dafür nur ein Beispiel. Au die einer neuen „Berliner Sule“ zugereneten Regisseure wie Angela Sanelec in Marseille (D ), Christian Petzold in Die Innere Sierheit (D ), Thomas Arslan in Geswister (D ) und Dealer
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(D ), Henner Winler in Klassenfahrt (D/PL ) oder Christian Hohäusler in Milwald (D/PL ) zieht es in nationale und kulturelle Zwisenräume. Deuts land ist in diesen Filmen nit mehr der einzige Bezugspunkt. Das maen vor allem die transnationalen Begegnungen in den Filmen Fatih Akins deutli. Seine Protagonisten wandern zwisen versiedenen Welten. Gegen die Wand (D/TR ) und Auf der anderen Seite (D/TR/I ) beispielsweise zeigen diese Perspektivversiebung in den deuts-türkisen Erfahrungsund Konikträumen, die diese glei zeitig für die Zusauer erö net. Andere Filmemaer untersuen ästhetise, historise und gesellsalie Zwisenräume. Romuald Karmakar reduziert beispielsweise seine Arbeiten nit auf eine bestimmte Form, dreht Spiellme und Dokumentarlme genauso wie er mit Video, DV und zuletzt au dem Internet experimentiert. Seine Verlmung des Jon-Fosse-Stüs Die Nat singt ihre Lieder (D ) wurde auf der Berlinale dur seine radikale Reduktion, den Bru mit konventionalisierten Formen und eine deutlie Stilisierung zum Skandal (vgl. Ebbret , f.). Andere Filmemaer zieht es in die Regionen. Hans Steinbilers Hierankl (D ) dekonstruiert das Genre des Heimatlms, Marcus Rosenmüller erneuert es auf seine Art in Wer früher stirbt, ist länger tot (D ). „Die Szene ist in Bewegung, man darf vom deutsen Film no einiges erwarten“, konstatierte Miael Töteberg im Jahr (Töteberg , ); und er sollte Ret behalten. Auf der Berlinale stellte eine Gruppe von Filmemaern ein Gemeinsasprojekt vor: Deutsland (D , Wolfgang Beer, Fatih Akin u.a.). Wer Programmatises zur Lage der Nation erwartet hae, wurde enäust. Die Montage von Kurzlmen und Momentaufnahmen, manes bemüht, anderes zufällig, weniges genial, zeigte vor allem eines: es gibt kein einheitlies deutses Kino. Das deutse Gegenwartskino ist vielfältig und es konstituiert si dur die heterogenen Perspektiven der versiedenen Filmemaer und dur die untersiedlien Perspektiven, die an ihre Filme herangetragen werden können. Au jenseits der teuren Großproduktionen bleibt dabei die we selhafte deutse Gesite ein präsentes Thema. Im Kino nden si neben den lmisen Gesitsktionen der letzten Jahre au andere Filme: radikale Spurensuen zum Beispiel wie Karmakars Land der Vernitung (D ) oder die deuts-polnisen Begegnungen in Robert Thalheims Am Ende kommen Touristen (D ). Und au die DDR hat ihre Spuren hinterlassen, nit nur in Good bye Lenin (D ) sondern au in Andreas Dresens Sommer vorm Balkon (D ) und Christian Swoows Novemberkind (D ).
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Positionen Die Beiträge des vorliegenden Sammelbandes versuen die vers iedenen Tendenzen im deutsen Gegenwartskino zu orten und unterziehen dazu versiedene Filmemaer und deren Filme eingehenden Analysen. Der erste Teil Ästhetiken und Diskurse des deutsen Gegenwartskinos versammelt Lektüren und Überblie, die mit Hilfe untersiedlier theoretiser Instrumentarien diese Tendenzen aufdeen und die ästhetisen Ausdrusformen in vielfältige Bezüge zu Medientheorien, philosophisen Reexionen und untersiedlien Genres und Gaungen setzen. Der zweite Teil Grenzen und Übergänge im deutsen Gegenwartskino nimmt die geograsen und ästhetisen Grenzerweiterungen in den Bli. Analysen, die transnationale Produktionsbedingungen und deren Auswirkungen auf die ästhetisen Ausdrusformen perspektivieren, begegnen der Untersuung von Werken, die menslie Grenzerfahrungen und historise Erkundungsreisen in den Bli nehmen. Der drie Teil Kontexte und Perspektiven des deuts en Gegenwartskinos thematisiert die Rahmenbedingungen, mit denen die aktuellen Tendenzen in einem kontinuierlien Weselspiel stehen. Filmförderung, Produktions- und Rezeptionskontexte sowie das Image und die Wahrnehmung des deutsen Gegenwartslms stehen hier im Mielpunkt. Sließli kommen im letzten Teil Wege zum Film – Filmemaer im Gesprä einige Filmemaer selbst zu Wort. Der Regisseur Andreas Dresen beritet über seine Arbeitsweise, die Bedingungen unter denen si seine Projekte heute realisieren lassen und erzählt von seinem eigenen Weg zum Filmemaen. Ihre Wege zum Film zeinen au Sylke Enders, Florian Gärtner, AnnKristin Reyels und Henner Winkler in ihrem Gesprä na. Sie diskutieren über Zusreibungen und Standorte, problematisieren die Möglikeiten und Grenzen des Filmemaens in Deutsland und formulieren ihre Sit auf das heterogene deutse Gegenwartskino. Der Sammelband versut auf diese Weise eine eindeutige Positionsbestimmung genauso zu vermeiden wie den Anspru auf Vollständigkeit. Zu nden sind hingegen Lektüren und Standpunkte, die versiedene Perspektiven auf das heutige Filmsaen in Deutsland einnehmen. In deren Zusammenspiel konkretisiert si das Bild eines Kinos in Bewegung, das weder im Rahmen nationaler Zuordnung, no mit den Begrien europäis, transnational, global oder populär ganz zu fassen ist. Seine gesellsalien Wirkungen und ästhetisen Innovationen können allenfalls vermutet werden. Denno formulieren die Beiträge den Anspru, Ausgangspunkte für die weitere Besäigung mit
Perspektiven des deutsen Gegenwartskinos
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dem deutsen Gegenwartskino aufzuzeigen. Theoretise und praktise Perspektiven und Positionen sollten si dabei möglist ergänzen.
Literatur Ebbret, Tobias ( ) Bilder hinter den Worten. Über Romuald Karmakar. Berlin: Verbreer. Gansera, Rainer ( ) Zeit des Aurus. Tendenzen im deutsen Kino / . In: epd Film, H. , S. –. Hembus, Joe ( ) Der deutse Film kann gar nit besser sein. Bremen: Sünemann. Knoben, Martina ( ) Ohne Standpunkt. Zum deutsen Film der neunziger Jahre. In: epd Film, H. , S. –. Rohrba, Günter ( ) Das Kino bleibt ein Traum. In: Süddeutse Zeitung v. . . . Slöndor, Volker ( ) Vorhang auf, Vorhang runter. In: Süddeutse Zeitung v. . . . Seeßlen, Georg/Jung, Fernand ( ) Das Kino der Autoren ist tot. Glauben wir an ein neues? Eine Polemik zum deutsen Film. In: epd Film, H. , S. –. Töteberg, Miael (Hg.) ( ) Szenenwesel. Momentaufnahmen des jungen deutsen Films. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
Ästhetiken und Diskurse des deutschen Gegenwartskinos
Bodenlose Resonanz Tom Tykwer und die Evidenz der Sinne Miael Wedel
Mie der er Jahre ersien mit Tom Tykwer ein Regisseur auf der Szene des deutsen Films, der von der Kritik selbst no dort als singuläres Talent erkannt wurde, wo sie ihn in seinen ästhetisen Entwürfen letztli seitern sah; und der son mit seinen ersten Regiearbeiten eine Fangemeinde um si versammeln konnte, die ihm als ,Kultregisseur‘ au dorthin no zu folgen bereit war, wo die von seinen Filmen erzählten Gesiten zunehmend banal anmuteten und dieser Eindru immer weniger von der ihnen verliehenen lmisen Ausdrusform (und dem entspreenden Gefühl einer ästhetis gesäigten Kinoerfahrung) wegemat zu werden sien.1 Von Die tödlie Maria (D ) und Wintersläfer (D ) über Lola rennt (D ) und Der Krieger und die Kaiserin (D ) zu Heaven (D/I/USA/F/UK ), The Perfume – The Story of a Murder (Das Parfum – Die Gesite eines Mörders, D/F/ES/USA ) und The International (USA/D/UK ): Die Werkentwilung seiner Spiellme hat es sowohl den Kritikern als au den ihm zugeneigten Teilen des deutsen Publikums nit immer leit gemat, Tykwer die Treue zu halten.2 Viele halten si no heute lieber an die frühen Filme und deren Lust am spielerisen, dabei aber äußerst präzisen Umgang mit Genreversatzstüen, etwa des Horror- und Kammerspiellms in Die tödlie Maria und des Melodramas in Wintersläfer, den man mit dem Geniestrei von Lola rennt auf die Spitze getrieben sieht, dessen überragender Publikumserfolg sie ihm aber au glei son wieder abgebroen zu haben sien. Was bisher auf Lola rennt folgte, bezeuge, so der Tenor, eine s leiende Preisgabe der besonderen lmisen Fantasie und inszenatorisen Signatur Tykwers an den Gesma eines Massenpublikums, der zwisen Kunst und Kits, auf 1
Der folgende Text geht auf Vorträge zurü, die am . Oktober an der Amsterdam Sool for Cultural Analysis (ASCA) und am . Mai am Seminar für Filmwissensa der Freien Universität Berlin gehalten wurden. Für die Einladungen, Hinweise und Kommentare danke i Joseph Frütl und Patricia Pisters (Amsterdam) sowie Daniel Illger und Hermann Kappelho (Berlin). 2 Für einen vor allem motivis orientierten Werküberbli bis eins ließli Heaven vgl. Suppa .
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Miael Wedel
deren Grenze die Arbeiten des Regisseurs si seither auf zunehmend prekäre Weise und unter steigender Absturzgefahr bewegten, bekanntli nit allzu trennsarf zu unterseiden wisse. Die einstige Virtuosität wirkt auf viele Kritiker ledigli no manieriert, der besondere lmise Reiz des Tykwersen Inszenierungstalents zur Dekoration verkommen. Vom Ausverkauf an Hollywood ist die Rede. Heaven, The Perfume, The International: Leit lassen si die Titel der jüngsten internationalen Koproduktionen Tykwers metaphoris gegen ihren Regisseur wenden. Seinem Stil wäre in diesem Sinne jede Bodenha ung – spri: der Bezug zur eigenen persönlien Vision und damit au jede Verankerung in einem glaubwürdigen Sto – verloren gegangen, er wirke abgehoben und aufgesetzt, auf unangenehme Weise „parfümiert“, hinterlasse hier und da ledigli no vereinzelte cineastise Farbtupfer und Dunoten. Und für viele der Enäusten stellt si die Frage, ob Tom Tykwer – „the international“ – überhaupt no als Repräsentant des deutsen oder au nur europäisen Gegenwartslms anzuspreen sei. Lässt man die Beretigung des soeben paraphrasierten Bewertungsmusters einmal beiseite, so erseint an ihm do zumindest symptomatis, dass die antithetis konstruierten Gegensätze zwisen nationalem und internationalem Kino, die Gegenüberstellung von Autorenlm und Genreästhetik, von konventionellem Mainstream und künstlerisem Gegenentwurf, die Unterseidung in Inhalt und Form, die immer wieder eingeforderte Symmetrie zwisen Themenwahl und geeignetem lmisen Ausdru für den sitbarsten Teil des deutsen Gegenwartskinos im allgemeinen und insbesondere die Filme Tykwers keine Geltung mehr beanspruen können.
Vom „Konsens-Kino“ zur „transnationalen Ästhetik“ Um diese Auflösungsbewegung hergebrachter kritischer und ästhetischer Maßstäbe im historisen Verlauf etwas genauer zu erfassen, ist es nützli, si an die Situation des deutsen Films zu Beginn der er Jahre zu erinnern. Eric Rentsler hat die damals vorherrsende Tendenz unter den Begri eines „Konsens-Kinos“ gestellt. Rentsler meint damit die Renaissance eines Star-zentrierten Unterhaltungskinos, das si in bewusster Abwendung vom Autoren-Selbstverständnis und gesellsaskritisen Realismusdiskurs des Neuen Deutsen Films der er und er Jahre rü haltlos dem fragwürdigen Publikumsges ma des gesamtdeutsen Volkes vers rieben habe. Und damit einen lmwirtsalien Aufswung des deutsen Films ausgelöst hat, der (also im Jahr vor Lola rennt) mit einem einheimisen
Bodenlose Resonanz
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Marktanteil deutser Produktionen von % seinen vorläugen Höhepunkt erreite (vgl. Rentsler , ). Der Preis, der für den kommerziellen Erfolg von Regisseuren wie Rainer Kaufmann (mit Stadtgesprä [D ] und Die Apothekerin [D ]), Sönke Wortmann (mit Der bewegte Mann [D ] und Das Superweib [D ]), Katja von Garnier (mit Abgesminkt [D ] und Bandits [D ]), Joseph Vilsmaier (mit Stalingrad [D ] und Comedian Harmonists [D/A ]), Helmut Dietl (mit Stonk [D ] und Rossini [D ]) oder Detlev Bu (mit Wir können au anders [D ] und Männerpension [D ]) zu entriten war, bestand, so Rentslers Verdikt, in lmformaler Konfektionsware, politiser Anbiederung an den Common Sense und der Inszenierung von Pseudo-Identitätskrisen ohne Tiefgang und gesellsalie Konsequenzen: „no depth of despair, no true suering, no real joy“ (ebd., ), wie Rentsler sreibt, und weiter: [T]he cardinal sins for this ‚Joystick-Generation‘ were ‚reection‘ and ‚commitment‘ […]. Instead of German tales of martyrdom and suering, the New Cinema of Consensus oers tableaux of mobile young professionals, who play with possibility and irt with dierence, living in the present and worrying about their future, juggling careers, relationships and lifestyles. (ebd., .)
Was si am Beispiel der Wiedervereinigungs- und Beziehungskomödien von Go, Trabi, Go (D , Peter Timm) und Manta, Manta (D , Wolfgang Büld) bis zu Männerpension, Das Superweib und Der bewegte Mann, aber au in Filmen mit explizitem Gesitsbezug wie Vilsmaiers Rama dama (D ), Stalingrad und Comedian Harmonists oder Dietls Stonk mit einigem guten Willen zumindest thematis no als eine Wendung verstehen ließ, die der deutse Film als dezidiert „nationales“ Kino einer neuen „Normalität“ der „Berliner Republik“ (Jürgen Habermas) genommen hat, trug in si bereits die ersten Anzeien einer unaualtsamen Zersetzung des Nationalen: Rentsler weist darauf hin, dass viele der kommerziell an einheimisen Kinokassen erfolgreisten Filme – darunter Abgesminkt, Stadtgesprä, Der bewegte Mann und Knoin’ on Heaven’s Door (D , Thomas Jahn) – ihren Erfolg nur mithilfe der fünf großen US-amerikanisen Verleihrmen (Warner, UIP, Columbia, Buena Vista, Fox) erzielen konnten (vgl. ebd., ). Nimmt man diesen Hinweis auf, so lässt si eine kontinuierlie Linie ziehen zwisen dem vermeintli no national denierten „Konsens-Kino“ zu einem zweiten, nur seinbar konkurrierenden Paradigma, mit dem die übergreifende Entwilung des deutsen Films na besrieben worden ist: der bewussten Ausformung einer „transnationalen Ästhetik“ im Zeitalter
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eines global organisierten, zumindest aber europäis und transatlantis operierenden, Produktions- und Verleihsystems. Vor dem Hintergrund des Übergangs von einem staatli subventionierten Filmförderungssystem zu einem privatwirtsali nanzierten hat Randall Halle überzeugend dargelegt, dass die daraus resultierende „transnationale Ästhetik“ deutser Spiellmproduktionen weder gleibedeutend ist mit der Nivellierung nationaler und kultureller Dierenz no zu einer Verarmung der lmspralien Ausdrusmöglikeiten führt.3 Ganz im Gegenteil experimentierten für einen internationalen Markt hergestellte Filme weitaus bewusster mit untersiedlien Erzählformen und lmisen Gestaltungsmöglikeiten, um kulturell bzw. inter-kulturell spezise Themen zu verhandeln (vgl. Halle ). Folgt man dieser Argumentation, so ist die Misung von Genreversatzstüen und Formelementen aus der Tradition des deutsen und europäisen Autorenlms in diesem Zusammenhang bezei nend für eine neue Form von Autorsa, deren Stilverständnis si nit mehr ohne weiteres gegen den Design-Charakter ihrer Produkte im medialen Verwertungszusammenhang ausspielen lässt (vgl. Garwood ). Auf ganz ähnlie Weise hat Rosalind Galt im Ansluss an Überlegungen Thomas Elsaessers für die Herausbildung eines „Neuen europäisen Kinos“ seit reklamiert, dass eine nagewasene Generation von europäisen Regisseuren wie Lars von Trier, Pedro Almodovar oder eben Tom Tykwer die alte Seu der Autorenlmer vor „sönen“, d.h. Genuss verspreenden Bildern und spektakulären Inszenierungen abgelegt habe, wodur die Unterseidung zwisen Genreästhetik und „realistisem“ Gegenkino längst porös geworden sei, ohne deshalb soglei im vagen Begri der Postmoderne aufzugehen (vgl. Galt ; Elsaesser ). Letzteres vor allem deshalb nit, weil die jeweilige Amalgamierung von Genreanlehnung und Autorenstil an si bereits son das Produkt konkret zu bestimmender historiser und lmhistoriser Konstellationen ist, als sole bes reibbar bleibt und si der kritisen Reexion anbietet. Im neuen europäisen Kino, so Galt, kehrt Gesite als spezise ästhetise Konguration wieder, womit au das künstlerise Anliegen der genannten Regisseure nit mehr zu verweseln ist mit dem Anspru des „alten“ europäisen Autorenkinos auf einen in die Gesellsa unmielbar hineinwirkenden kritisen Realismus. Das Interesse der Regisseure gelte vielmehr der Mobilisierung eines in seiner lmisen Bedingtheit annoncierten Bildes von Gesite, oder au: eines in seiner ästhetisen Verfasstheit historis identizierbaren kinemato3 Vgl. dazu am Beispiel der deuts-polnisen Filmbeziehungen au den Aufsatz von Randall Halle in diesem Band.
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graphisen Bildes der Welt, in und an dem si persönlie Gesiten no erzählen und ins Bild setzen lassen – Gesiten, die deshalb nit zufällig bevorzugt eben von Erfahrungen des Iverlusts und verstellten Weltzugängen handeln. Aber eben nit mehr dadur, dass die lebensweltli gegebene Wahrnehmung von Raum und Zeit in irgendeiner Weise „realistis“ simuliert und gespiegelt würde, sondern gerade indem diese Spiegelung selbst in der ästhetisen Bearbeitung vielfältig gestört, verstört und damit erst sitbar wird. In diesem Sinne hat au Gertrud Ko speziell die Filme Lars von Triers und Tom Tykwers vor dem Vorwurf in Sutz zu nehmen versut, sie häen ihren Anspru auf künstlerise Autorsa zugunsten einer unheiligen Allianz von lmisem Stilwillen und religiösem Kits aufgegeben, angesits einer globalen, jeden Film rüsitslos kommerzialisierenden Film- und Medienindustrie, der sie zuletzt immer dienen. Wie Rosalind Galt die Integration „söner“, spektakulärer, im Sinne von: pathetis-piktorialer Bildkompositionen, so versteht Ko die Wiederkehr religiöser Motivik und Ikonograe in den Filmen Lars von Triers und Tom Tykwers stadessen als Antwort auf eine tief greifende ästhetise Krise des europäisen Kinos. Die Frage, die sie aufwir, ist folgende: Ob nämli die Gesiten, die Tykwer und von Trier erzählen, einfa nur Gesiten [sind] über Leute mit starken mystisen Überzeugungen, die wahr werden, oder sind diese neuen wundersamen Mären dazu da, um unseren Glauben an das Kino selber zu stärken, an jene magise, wundervolle Masine, die uns unseren Glauben an die Welt zurügeben soll? (Ko , f.)
Der Slüssel zum Verständnis eines Films wie Tykwers Der Krieger und die Kaiserin ist für Ko der Begri der „Konversion“ bzw. „Bekehrung“, der zuglei ein ästhetises Verfahren und eine Form der Zusaueransprae bezeinet. In beiden seiner Bedeutungen wendet er si gegen die durgreifende Ironisierung, mit der die Postmoderne auf die Krise des Erzählens reagiert hat. Für Ko manifestiert si die lmise Begabung, die Tykwer in diesem Film unter Beweis stellt, nit darin, dass Der Krieger und die Kaiserin die Gesite einer Bekehrung (zur Liebe) erzählt. Sie besteht vielmehr in der Fähigkeit, in seinen Filmen diese Konversionsbewegung der Bekehrung selbst zum ästhetisen Prinzip zu erheben. Daher ihr Vorslag, Tykwers Filme als „die formale Konversion von einem Bild in das andere zu sehen und damit vielleit eine Erzählung über das Kino selbst.“ (Ebd.,
) Die auällige Präsenz religiöser Motive im neueren europäisen Kino sollte mithin weder als eine rein zufällige Häufung no als etwas im bustäblien Sinne zu Verstehendes betratet werden. Vielmehr dienen diese Motive als
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Katalysatoren für einen kinematographisen Stil, dessen vorrangige Funktion es ist, uns die Mat, mit der das Kino uns an ästhetise Illusionen glauben lässt, in einer Form vor Augen zu führen, die eine rein ideologise Antwort auf ein wie au immer geartetes epistemologises Problem weit übersteigt. Tykwers (und Lars von Triers sowie des neuen europäisen Films insgesamt) vermeintlier „Katholizismus“, wie er in religiösen Motiven zum Vorsein kommt, so führt Ko ihren Gedanken zu Ende, ist nits anderes als der „Träger eines kinematographisen Stils […], mit dem no einmal die Mat des Glaubens an die ästhetise Illusion des Films besworen wird. […] ‚Katholizismus‘ ist hier der Name für einen piktorialen Stil. Ein Stil, der es ermöglit in Bildern zu leben.“ (ebd., f.)4
Kino im Übergang, Autor im Umbru Kehrt man aus dieser Perspektive des Übergangs von der nationalen Allegorie eines dezidiert a-politisen „Konsens-Kinos“ in den Anfangsjahren des wiedervereinigten Deuts land zur Herausbildung einer „transnationalen Ästhetik“ im deutsen und europäisen Film um die Jahrtausendwende zur Betratung der Rolle zurü, die Tom Tykwer und seine Filme in dieser historisen Konstellation gespielt haben, so lässt si seine gerade in ihren inneren Spannungen und Widersprüen symptomatise Position genauer bestimmen. Als Tykwer im Juli – ein Jahr na seinem Spiellmdebüt – in Berlin gemeinsam mit seinen Regiekollegen Wolfgang Beer und Dani Levy sowie dem Produzenten Stefan Arndt die Produktionsrma X-Filme Creative Pool gründete, riteten sie si programmatis gegen das vorherrsende „Konsens-Kino“, das zu diesem Zeitpunkt allerdings erst dabei war, si au kommerziell im großen Stil dur zusetzen. Wolfgang Beer bezeinete den Zeitpunkt der Gründung von X-Filme als „den absoluten Tiefpunkt des deutsen Films, sowohl was den Marktanteil als au die Inhalte betraf.“ (zit. n. Töteberg , ) Und Stefan Arndt hat die Ausgangssituation wie folgt besrieben: Wir sind nit auf der deutsen Komödienwelle mitgeswommen oder haben Remakes von deutsen Filmen hergestellt. Wir suen authentise Stoe, die in Deutsland spielen oder mit Deutsland zu tun haben, aber international funktionieren. Ziel ist ein ansprusvolles Independent-Autorenkino, das eher in der Tradition der amerikanisen Independents liegt. (zit. n. ebd., ) 4
Vgl. au die überarbeitete englise Fassung des Aufsatzes: Ko .
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Anschaulich umreißen die ursprünglichen Zielsetzungen der beteiligten Filmemaer den Spagat, der hier versut wurde: authentise – was wohl heißt: lebensnahe – in Deutsland angesiedelte Stoe, die denno in einem lmisen Idiom gehalten sind, mit dem ein internationales Publikum angesproen werden kann. Damit war ein Konzept formuliert, das si in den ersten Produktionen der Firma allerdings no keineswegs erfüllte. Obwohl Atungserfolge bei der Kritik, konnten si weder Levys Stille Nat (D ) no Beers Das Leben ist eine Baustelle (D , na einem gemeinsam mit Tykwer verfassten Bu) no Tykwers Wintersläfer an den deutsen Kinokassen, gesweige denn den ausländisen, in einem Maß behaupten, wie es für das Überleben der Firma notwendig gewesen wäre. Es ist bekannt, dass Tykwer Lola rennt in dieser Situation unter dem expliziten Vorsatz gemat hat, dass der Film vor allem eines werden müsse: ein kommerzieller Erfolg. Dass ihm dies – au im Ausland – derart überragend gelungen ist, hat das gewagte Konzept einer kreativen Kooperation von Filmemaern gereet und Tykwer selbst zum (au international) am meisten gefragten jungen Regisseur des deutsen Films gemat. De facto bedeutete der Erfolg von Lola rennt aber au den unmielbaren Ansluss an die Vorjahreserfolge von Unterhaltungslmen wie Das Superweib, Rossini oder Männerpension, deren massenhaen Zuspru beim deutsen Publikum Lola rennt nahtlos fortsetzte. Es lässt si darüber spekulieren, wie bewusst X-Filme in den Folgejahren in jene Genres und Publikumssiten hineinzustoßen versute, die zuvor das „Konsens-Kino“ besetzt hielt: Mit Absolute Giganten (D , Sebastian Sipper) als Antwort auf Knoin’ on Heaven’s Door; Connie Walthers Mit Feuer und Flamme (D ) oder Beers Good Bye, Lenin (D ) als doppelte Antwort auf Bandits, Sonnenallee (D , Leander Haußmann) und Helden wie wir (D , Sebastian Peterson) bis hin zu Dany Levys Alles auf Zu er (D ) als verspätete Antwort auf Stonk und Rossini. Unabhängig vom jeweiligen Produktionskalkül und ästhetisen Anspru der Filme ist jedenfalls festzuhalten, dass X-Filme das Konsens-Kino wenn nit mit anderen Mieln fortsetzte, dann do zumindest um eine Palee ergänzte, die erprobte Stars und Genrerezepte aufnahm und in transponierter Form weiterführte. Ganz fraglos aber ist der Aspekt der transnationalen Publikumsaspirationen von Lola rennt bes leunigt worden, sodass bereits ein First-Look-Deal mit der amerikanisen Miramax geslossen werden konnte, für die Tykwer dann Heaven gedreht hat. Aber au Tykwers unmielbar auf Lola rennt folgendes Spiellmprojekt Der Krieger und die Kaiserin, auf das er si trotz mehrerer Angebote aus Hollywood zunäst zurüzog, stand son unter
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dem Zeien (und dem Dru) der Variation jener „transnationalen Ästhetik“, zu deren Vorreiter er nolens volens mit Lola rennt geworden war. So folgeritig Tykwers weiterer Weg zum Regisseur ho budgetierter, englisspraiger Koproduktionen, weg von X-Filme und (mit The Perfume) hin zu Bernd Eiingers Constantin-Film bzw. (mit The International) zum Studio Babelsberg im Rübli au erseinen mag: Er ist do gekennzeinet von Brüen, Pausen, Umwegen und zumindest einer existentiellen Saenskrise na der Fertigstellung von Heaven im Jahre .5 Aus dieser Krise führte Tykwer dann erst die Arbeit an dem Kurzlm True – als Teil des OmnibusProjekts Paris, je t’aime (F/FL/CH , Olivier Assayas u.a.) entstanden – hinaus. Ein Werk, das trotz seiner nur gut Minuten Länge und nit nur wegen seiner werkbiograsen Sarnierfunktion so etwas wie ein Slüssellm in Tykwers Oeuvre darstellt. Vielleit gerade weil True als Kurzlm befreit ist vom Erzählbogen des langen Spiellms stellt si der typise Tykwer-Mix, jenes unmielbar identizierbare, aus dem arakteristisen Look und Sound hervorgehende Feeling, umso prägnanter ein. Das kurze, jedes Unterseidungsvermögen zwisen Fantasie und Realität hintergehende und unterlaufende Spiel mit einer amour fou zwisen dem Blinden und der Fremden ist dabei auf allen Ebenen der Gestaltung gespit mit Anspielungen und Selbstzitaten, der Film selbst so etwas wie eine kleine Enzyklopädie des Gesamtwerks von Die tödli e Maria und Wintersläfer über Lola rennt und Der Krieger und die Kaiserin bis hin zu Heaven. Die Paarung eines Hollywood-Stars (Natalie Portman) mit dem Darsteller des Blinden aus Der Krieger und die Kaiserin (Melior Beslon) slägt den Bogen hin zu den transnationalen Produktionen, die no kommen werden, auf die au der Sauplatz (Paris) und die (französis-englise) Mehrspraigkeit des Films verweisen.
5 Als Umweg, wenn nit gar verslungene Rü kehr zu seinen Anfängen, lässt si au Tykwers bisher letzter Film Drei ( ) auassen, laut Produktionsmieilung „ein tragikomiser Film über Liebe, Moral und Gesleter im spätmodernen Deutsland der gemisten Gefühle. Hanna und Simon, beide Mie , sind ein Paar in Berlin. Ohne das Wissen des jeweils anderen verlieben sie si in den ebenso fremden wie faszinierenden Adam. Das Geheimnis belebt und verwirrt die Beziehungen zwisen den Liebenden.“ <www.x-lme. de/html/neu_drei.htm> (Stand: . . )
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Aektive Resonanz, sinnlie Evidenz: Zum Beispiel Der Krieger und die Kaiserin So leit si True im Gesamtwerk verorten lässt, so swer ers ließt si sein im Titel erhobener Wahrheitsanspru. Wele Wahrheit, so muss man wohl fragen, kann si in einem Film ausspreen, der vor Künstlikeit und Selbstzitaten nur so strotzt und dessen eigentlier Anlass die Inszenierung eines touristisen Klisees, Paris als Stadt der Liebe, darstellt? Im Ansluss an Gertrud Kos vorhin skizzierte Überlegungen ist wohl davon auszugehen, dass eine andere Wahrheit gemeint ist als die metaphysise der „wahren Liebe“. Und es damit nit um die Wahrheit des lmis inszenierten Gegenstands oder einer lmis zum Ausdru gebraten Idee geht, sondern um die Evidenz, die dem Kinematographisen als ästhetiser Präsentationsform immanent ist. Gertrud Ko hat si bei Ihrem Versu, die Filme Tykwers – und hier vor allem Der Krieger und die Kaiserin – auf der Folie ästhetiser Immanenz zu lesen, auf Deleuzes paradoxes Theorem berufen, allein das Kino gebe uns unseren Glauben an die Welt zurü, allein im Kino werde die Welt als ontologise Gewissheit no evident: Das Band zwisen Mens und Welt ist zerrissen. Folgli muss dieses Band zum Gegenstand des Glaubens werden: es ist das Unmöglie, das nit anders als in einer Glaubenshaltung zurükehren kann. Der Glaube ritet si nit an eine andere oder verwandelte Welt. Der Mens ist in der Welt wie in einer rein optis-akustisen Situation. […] Allein der Glaube vermag den Mensen an das zurüzubinden, was er sieht und hört. Von daher ist es notwendig, daß das Kino nit die Welt lmt, sondern den Glauben an die Welt, unser einziges Band. […] Uns den Glauben an die Welt zurüzugeben – dies ist die Mat des modernen Kinos (wenn es kein sletes mehr ist). (Deleuze , )
Wenn im Folgenden ein Zugang zu Der Krieger und die Kaiserin vorgeslagen werden soll, der auf ganz ähnlie Weise davon ausgeht, dass in den kinematographisen Konversionsbewegungen, in der „Bekehrung von einem Bild zum andern“, der eigentlie Kern des ästhetisen Verfahrens liegt, so unter einer zweifaen Akzentversiebung: Zum einen stelle i die vielfältigen Phasierungen und Rhythmisierungen in den Mielpunkt. Mit diesen entfaltet si nit nur das kinematographise Bild als unabgeslossener Prozess des Visuellen und bekehrt in dieser Entfaltung das wahrnehmende Subjekt zum Kino und damit (mit Deleuze gedat) zum Glauben an die Welt als Ort der (ästhetisen) Immanenz. In
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ihnen verbinden si au das Visuelle und das Akustise, das Hören und Vernehmen wie das Sehen, erst zu einer ästhetisen Präsenz, in der si das Kinematographise konstituiert. Zum anderen stütze i mi auf Überlegungen, die Jean-Luc Nancy an den Filmen Abbas Kiarostamis angestellt hat, was in diesem Zusammenhang und in Bezug auf Tykwer vielleit zunäst befremden mag. Um diesem Befremden entgegenzuwirken, möte i nahe legen, Nancys Arbeit zur Evidenz des Filmisen bei Kiarostami (in der er si über die akustise Dimension auf auällige Weise aussweigt) in Konjunktion mit einem anderen Text zu lesen, in dem es unter dem Begri der „Resonanz“ zentral um akustise Wahrnehmung als grundlegende Form von Welterfahrung geht: dem , unmielbar na der Kiarostami-Arbeit entstandenen Essay „À l’écoute“ (dt. Nancy ). Dies kann hier allerdings nur andeutungsweise gesehen. Nancy zufolge vollzieht si die kinematographise Erzeugung von Evidenz auf drei Ebenen, die zuglei drei Formen von Präsenz herstellen: (.) die Evidenz der Kunst an si; (.) die Evidenz des Bildes als etwas per denitionem Distinktem, von der Welt wie dem wahrnehmenden Subjekt Ges iedenen; sowie (.) die Evidenz der Zeitli keit von Bewegung (vgl. Nancy ). Die Leinwand, auf der dieses mit der Welt stets un-identise Bild erseint, fungiert zuglei als eine Önung in der Welt und als eine Önung auf die Welt (bzw. das Reale) hin. Der Bli des Zusauers, dem das Bild im Modus des respektvollen Sauens si önet, verweist das Bild auf das wahrnehmende Subjekt, misst zuglei aber au immer die Distanz zwisen Bild, Welt und Subjekt aus. In der Bewegtheit des Bildes sließli, in der Transformation von Diskontinuität und Kontinuation, der Variation des doppelten Bezugs zur Welt und zum wahrnehmenden Subjekt, verwandelt si laut Nancy Repräsentation in Präsentation, in „Präsenz“. Wobei die entstehende Präsenz, wie Nancy klarstellt, nit im Akt des Sehens begründet ist, sondern si im Erseinen einer plötzlien Begegnung und der Entfaltung einer sinnlien Intensität in der Zeit darbietet. In „À l’écoute“ geht es um eine vierte Ebene der Evidenz und Form von Präsenz, die Nancy unter den Begri der „Resonanz“ fasst.6 In einer Fußnote gegen Ende des Essays benennt Nancy die konkreten kulturellen Versiebungen, die ihn zu seinen Reexionen veranlasst haben mögen. Er sprit hier von 6 Nur am Rande sei vermerkt, dass der Begri der Resonanz in Nancys Philosophie zunehmend an Bedeutung gewinnt und mehr und mehr dabei ist, als gleiwertiges Konzept neben das des „Mit-Seins“ und des „espacement“ zu treten, auf denen seine Ontologie, Epistemologie und Ästhetik gründen. Eine exzellente Einführung in die Philosophie Nancys bietet James .
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den neuen rhythmisen Prägungen, die aus so vielen volkstümlien Musiken hervorgegangen sind, bis zur digitalen Klangsynthese, über alle erdenklien Te niken der Klangbearbeitungen (Sample, Remix usw.). Au in dieser Hinsit zieht ein Abstand zwisen dem Klanglien und dem Visuellen die Aufmerksamkeit auf si: Die Mutation der Bilder wahrt ihnen einen allgemeinen Charakter, den i etwas zugespitzt den ‚Tableauarakter‘ nennen würde. Die klanglie Veränderung dagegen ö net und gräbt in uns und um uns herum neue Höhlen, in denen das ‚Musikalise‘ letztli seine ‚Figur‘, sein ‚Gesit‘ verliert (do das Bildlie verliert es zum Beispiel in der Performanz). Andererseits bräute es eine besondere Erforsung der Klangwelt von Kino und Video und der Weise, in der dort Akustises und Optises einander gegenseitig azieren. (Nancy , )
Ohne diese Erforsung, wie im Kino „Akustises und Optises einander gegenseitig azieren“, selbst son zu leisten, bietet Nancys Essay in seiner Unterscheidung zwischen verschiedenen Modi der akustischen Wahrnehmung (dem Hören und dem Vernehmen), dem Visuellen als „Form“ und dem Akustisen als „Kra“ do vielfältige Anknüpfungspunkte für eine sole Erforsung. Sie ist zu denken eben als eine Analyse der weselseitigen ästhetisen Konversionsbewegung, in der, wenn man so will, das Bild unablässig zum Ton bekehrt wird und der Ton zum Bild; und si, in leiter Abwandlung einer Formulierung Nancys, „die Wahrheit ‚selbst‘ als Transivität und als unablässige Transition eines Kommen-und-Gehen“ (ebd., ) von Bild gewordenem Ton und Ton gewordenem Bild vernehmen lässt. Einer solen Erforsung bieten si nun wiederum die Filme Tykwers auf besondere Weise an. Nit nur darin, dass er in den meisten seiner Filme neben der Regie und o der Mitarbeit am Bu au für die Musik verantwortli zeinet, die zu einer weiteren unverweselbaren Signatur geworden ist. Eine Untersuung der ästhetisen und aektiven Resonanzen in seinen Filmen, die nit zufällig o mit einer auf der Ton- und Bildebene deutli akzentuierten Mise en phase einsetzen, korrespondiert zudem mit einer modularen Vorgehensweise des Regisseurs, die nit primär von einem fertigen Figurenentwurf oder Handlungskonikt ausgeht, sondern von einer atmosphärisen Bildidee als einzelner aektiver Einheit, die es dann zu entfalten gilt. „Ausgangspunkt meiner Filme ist meist ein situativer Moment“, hat Tykwer auf die Frage, wie er die Gesiten zu seinen Filmen entwile, einmal geantwortet, und diesen Ansatz wie folgt besrieben: Ein Bild, das aber no nit so konkret ist, sondern eher etwas von einem atmosphärisen Klimaraum hat. Das wird dann die Urzelle des Films. […] i
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Miael Wedel versue, ein inneres Bild, das einen klimatisen Zustand skizziert, in eine kommunizierende Kunstform zu transformieren. (zit. n. Kremski/Wulf , )
In Bezug auf die Szene mit Bodo und Sissi in der Gummizelle der Wuppertaler Psyiatrie aus Der Krieger und die Kaiserin erklärt er in diesem Zusammenhang: Au die Musik hat in dieser Szene etwas Sphärises und Psyedelises, um das Innere eines Zustands, ein Im-Kopf-Sein zu besreiben. Sie sollte nit melodiös klingen, sondern eher wie eine Atmo oder wie ein Klangkörper sein, so als hörte man wie der Raum klingt, der in der Tat ein seeliser Raum ist. Diese Musik taut übrigens immer dann auf, wenn die Grenzen ießend werden und das, was die Personen im Traum wahrnehmen, herüberswappt in die Realität. Das sind Momente, in denen si surreale Räume ihren Weg in die Wirklikeit bahnen. (zit. n. ebd.)
Die wenigsten Kritiker sind im Fall von Der Krieger und die Kaiserin dem Regisseur auf diesem Weg gefolgt. Einige sahen, na Lola rennt, nur „eine große Lähmung und Langsamkeit, die Tykwerse Trance, über Story und Figuren“ fallen (Feldfoss ). Realistis sei der Film ledigli in den Psyiatrie-Szenen (vgl. Kersten ), die Konstruktion im Ganzen bleibe „sleierha“, „das prätentiöse Spiel mit Zeien und Bedeutungen“ führe zu einer unnötigen Verrätselung der Gesite, die „Allmatsfantasie des Regisseurs“ sließli „zur degoutanten Publikumsveratung, wenn uns Krieger und Kaiserin zwingen zu verstehen, was sie uns nit sagen wollten.“ (Bühler ) Einmal mehr, so ein fester Topos der Kritik, komme „die Handlung […] der visuellen Ebene nit immer“ hinterher (Zander ). „Entwielt der Film wirkli Poesie“, fragt ein Kritiker, „oder wird ihm diese Poesie, je länger die Gesite dauert, nit auf manieristise Weise aufgezwungen?“ (Koppold ) Die Gesite des traumatis verwitweten Bundeswehrveteranen Bodo und der Psyiatrie-Swester Sissi ließe si do au mit beseideneren Mieln erzählen, als „Miniatur vom steinigen Weg zur Selbstndung“ à la Absolute Giganten: „Das wäre“, so eine weitere kritise Stimme, „die ‚angemessene Form‘ für eine ‚kleine‘ Gesite, und so haben wir im deutsen Kino seit langem diese Gesiten au erzählt.“ (Rodek ) Von wenigen Ausnahmen abgesehen, kehrt in der Rezeption von Der Krieger und die Kaiserin das bekannte Set an oppositionellen Ordnungskategorien von Nationalem und Universellem, Genrekino und Autorenstil, Genussverspreen und Reexionsanspru wieder, das nit nur Form und Inhalt gegeneinander abwägt, sondern den Film au auf den visuellen Umgang mit seinem Sujet reduziert. Es ist nun zugegebenermaßen nit die Aufgabe der Filmkri-
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tik, si in jeden Film bis in die kleinsten Verästelungen seiner Artikulation hineinzubegeben, um etwa Aufsluss über die Möglikeiten des Zugangs zur Welt und zu si selbst zu gewinnen, die das Kino dem Mensen zu Beginn des . Jahrhunderts no gewähren mag. Und do sind die Fragen, aus denen heraus der Philosoph Nancy na eben diesen Aufslüssen sut – und deren Relevanz für eine ästhetise Besreibung von Der Krieger und die Kaiserin jetzt absließend no an einigen Momenten des Films hervorgehoben werden soll – so swierig nit gestellt. Nancy fragt zu Beginn seines Essays „À l’écoute“: „Es seint ret einfa eine klanglie Form – sogar eine Vision – zu evozieren, unter welen Bedingungen aber könnte man von einem visuellen Geräus spreen?“ (Nancy , ) Ins Kinematographise gewendet, erönen die Bedingungen, na denen hier gefragt wird, die Mögli keit einer Lektüre der Filme Tykwers, deren Gravitationspunkte jene Momente darstellen, in denen Präsenz (jenseits des repräsentierten Gesehens, aber au an ihm) als ästhetise Erfahrung dur die weselseitige Azierung und Modulierung von Bild und Ton hergestellt wird. Von Nancy ausgehend, lässt si diese Modulierung entlang der Transformationen verfolgen, denen die grundlegende aristotelise Unterseidung zwisen „Form“ (bei Nancy Merkmal des Bildes und seiner visueller Evidenz) und „Kra“ (als Eigensa des Akustisen und dessen aektiver Resonanz) im audiovisuellen Zeitmedium des Films ausgesetzt ist. In der prononcierten Mise en phase zu Beginn von Der Krieger und die Kaiserin – den Sreien der Möwen, dem Rausen der Wellen, dem Tien des Weers auf dem Sreibtis, dem Surren der Brieeförderungsmasinen, aber au in den Bewegungen der Figuren und dem Wesel von einer Einstellung zur anderen – wird ein grundlegender zeitlier Rhythmus und Resonanzraum im Snipunkt von Visuellem und Akustisem etabliert, der ähnli rhythmisierte Expositionen etwa in Lola rennt oder Heaven variiert, zuglei aber au ein ganz eigenes Gefüge raumzeitlier und tonbildlier Artikulation erritet.7 Eingeführt wird hier im Weselspiel von Punkt und Dauer, Ereignis und Struktur, Ton und Bild, Sehen und Hören, Bli und Berührung ein Modus kinematographiser Welterfahrung, der den handelnden Subjekten auf der Leinwand wie den wahrnehmenden Subjekten im Kino einen spezisen Erfahrungshorizont vorgibt, vor dem der Prozess einer ästhetisen Transformationen si vollziehen kann.
7 Zur Funktion audiovisueller Rhythmisierung in Lola rennt vgl. Wedel . Zum Begri der Mise en phase und ihrer Funktion als Initiationsmodell des Filmanfangs vgl. Hartmann , –.
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Abbildung 1
An den Hauptguren des Films wird dies soglei vorgeführt: Sowohl Sissi mit der Musel am Ohr, in der sie das Geräus ihres eigenen Körpers als Eo eines inneren Fantasiebildes vernimmt (Abb. ) wie au Bodo bei seinem Flugversu auf der Autobahnbrüe, den der vertikale Kreisswenk der Kamera als äußere Bewegung für eine innere Bewusstseinstätigkeit vollzieht (Abb. ),8 sind als Figuren einer radikal exponierten Subjektivität inszeniert, die si aus Resonanzen speist: Mit Nancy gesproen, entsteht ein kinematographiser Raum der Verweise, der „ganz allgemein als Raum eines Selbst oder eines Subjekts deniert werden kann“: Ein Subjekt spürt si: Das ist seine Eigenheit und seine Denition. Das heißt, es vernimmt si, sieht si, berührt si, s met si usw. und es denkt oder repräsentiert si, nähert und entfernt si von si selbst. Und somit spürt es si immer ein ‚Selbst‘ spüren, das si entgeht oder si versanzt und anderswo widerhallt wie in/an si, in einer Welt und im anderen. (Nancy , , Herv. i. O.)
Was im klassisen europäisen Autorenlm (etwa bei Fellini, Antonioni oder Resnais) als Mise en conscience auf die Versränkung von realem und mentalem Gesehen zielte, kehrt bei Tykwer im Modus eines „fundamentalen Rhythmus des Aekts“ wieder: als grundlegende Resonanz, ja, wie Nancy es formulieren würde, als „Resonanz als Grund, als erste oder letzte Tiefe des ‚Sinnes‘ (oder der Wahrheit) selbst.“ (ebd., )
8 Zur Bedeutung kreisender Kamerabewegungen u.a. in Tykwers Filmen vgl. Mergenthaler .
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Abbildung 2
An einigen wenigen Beispielen lässt si vielleit verdeutlien, was damit gemeint sein kann und wie si diese grundlegende Resonanz in Der Krieger und die Kaiserin in der gegenseitigen Azierung des Visuellen und des Akustisen, der beständigen Transformation von Form und Kra, von visuellen Geräusen und sonoren Bildern ästhetis umgesetzt ndet: So fällt in der Szene des Gespräs zwisen dem Anstaltsleiter und Bodo auf, wie übersteuert das Geräus des sprudelnden Mineralwassers auf dem Sreibtis gegenüber den anderen Geräusen der Szene ist (Abb. ). Hervorgehoben wird in der Manipulation auf der Tonebene die subjektive Wahrnehmung Bodos, die dur eine Großaufnahme des Wasserglases (Abb. ) im Rahmen einer Pointof-View-Konstruktion au visuell gestaltet ist (Abb. ). Wir nehmen an dieser Stelle aber nit nur eine optis konnotierte Sinneswahrnehmung der Figur akustis wahr, die Kadrierung der Einstellungsfolge paart unseren Bli auf Bodo zuglei mit dem Bli auf die in kleine Kästen
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unterteilte Milglasseibe im Hintergrund, die, um die Motive des Wassers und des Glases, einen merkwürdigen guralen Kontrapunkt zum Anbli der aufsteigenden Gasbläsen im Mineralwasser bildet. In diesem Geet von visuellen und akustisen, guralen und motivisen Korrespondenzen und Analogien wird Bodos psyologis seinbar unmotivierter, vermeintli dur eine physiologise Fehlfunktion ausgelöster Tränenausbru zwar nit erklärt. Als Form unmielbar aektiver Resonanz ist er jedo eingelassen in ein System ästhetiser und sinnlier Korrespondenzen, die ihn als solen evident erseinen lassen. Die der ästhetisen Transformationsbewegung immanente Evidenz klärt si jedo vollständig erst in einer späteren Szene, wenn der Film das Muster von motivisen Entspreungen und sinnlien Resonanzen no mals variiert. Was in der soeben besriebenen Szenen no zu hören war, kehrt als „visuelles Geräus“ in jenem Moment wieder, als Sissi und Bodo na ihrem
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Abbildung 6
Sprung vom Da der Anstalt si unverho in einem Jenseits „immersiver Resonanz“ wiedernden (Abb. ). Wie für Bodo die Milchglasscheibe im Hintergrund der Szene mit dem Wasserglas, gibt es au für die Sissi-Figur ein entspreendes Pendant zu diesem späten Moment der ästhetisen Realisierung umfassender Resonanz, in dem das Bild seine Form aufzugeben seint und die Kra eines visuellen Geräuss annimmt: In Sissis Zimmer, dessen Dekor eine präzise Besreibung ihrer Innenwelt gibt, war eben diese umfassende Kra der Resonanz no „unbelebt“ und in ihrer rein visuellen Form zum Bild erstarrt (Abb. ).
Abbildung 7
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Slüsse Es ist behauptet worden, der Erzählverlauf in Tykwers Filmen, au der von Der Krieger und die Kaiserin, würde letztli einem festen Muster gehoren, an deren Ende seinen Figuren die Flut aus den sie gefangen haltenden Umständen gelingt: in Lola rennt entkommen Manni und Lola sließli mit einer Tüte voller Geld; in Heaven entziehen si Philippa und Filipo dem Zugri der Polizei mit dem Helikopter Ritung Himmel; in Der Krieger und die Kaiserin langen Sissi und Bodo am Ende do no fern ihrer traumatisen Vergangenheit auf der idyllisen Insel an (vgl. Slipphae ). Jenseits einer rein narrativen und repräsentationell gefassten Logik lassen si die Slusswendungen aber au anders verstehen: Nit als Flut in die Utopie, sondern als Einkehr ins – oder au: Bekehrung der Figuren zum – kinematographisen Bild. Auf dieser Ebene bleiben Manni und Lola im endlosen Intervall des letzten freeze frame für immer gefangen. Philippa und Filipo verswinden nit im Himmel, sondern lösen si im Zentrum eines Bildes vom Himmel auf, das einen Moment später ebenso plötzli kollabiert wie die Flugsimulator-Animation zu Beginn des Films. Die Fahrt von Sissi und Bodo sließli führt sie an keinen anderen Ort ihrer Träume als in die fotograse Reproduktion hinein, die sie von ihm besitzen.9 Eine sole Lektüre der Slusswendungen würde bestätigen, dass jede Metaphysik, die hier no zu entdeen ist, in Tykwers Filmen auf unheimlie Weise mit der ästhetisen Immanenz des Kinos zur Deung gebrat wird. Es ging mir in meinen Überlegungen um dreierlei: Erstens, um die historise Einordnung der Filme Tykwers im Übergang von einem primär national denierten „Konsens-Kino“ zur transnationalen Ästhetik eines „post-nationalen“ oder „neuen europäisen Kinos“. I wollte zeigen, dass si nit nur die bisherige Werkentwilung bei Tykwer, sondern viele ästhetise Eigenarten seiner Filme vor diesem Hintergrund zunäst einmal perspektivis erfassen und teilweise au erklären lassen. Zweitens ging es mir um eine genauere Besreibung dieser ästhetisen Eigenarten selbst auf der Grundlage einer anderen Denition von Autorsa, die si nit mehr in strikter Absetzung vom Mainstream deniert, sondern in Auseinandersetzung mit den ihm eigenen „Poetiken des Aekts“. Driens ging es mir um den Vors lag eines analytisen Ansatzes, der sowohl der Besonderheit von Tykwers Stil und 9 Hinzufügen ließe si au no Grenouille, der, in einer Slussgur nur seinbar ristlier Epiphanie, am Ende von The Perfume von den Pariser Obda losen verspeist wird und dessen Körper si im Bild vom Pariser Marktplatz, das den Bogen zurü zur ersten Einstellung des Films slägt, verstreut.
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Arbeitsweise als au den kulturellen Voraussetzungen und ästhetisen Implikationen seiner Filme – im Hinbli auf eine andere Form von Subjektivität und kinematographiser Evidenz – Renung trägt. Im Ergebnis dieser drei Srie kann vielleit die Feststellung stehen, dass Tykwers Kino tatsäli eine Art „kon-sensuellen Kinos“ darstellt. Allerdings in dem Sinne, dass es si hierbei um ein Kino handelt, das immer mit allen Sinnen re net und keinem einzelnen staatlien Gebilde no als politise Allegorie dient; das, wie andere Beispiele des aktuellen transnationalen oder europäisen Kinos au, neue Gemeinsaen bildet und abbildet und sie aufeinander hin önet – und warum nit au mit Hollywood oder von Hollywood aus?
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Vom Tod als Experiment im Leben zum Kino der ethisen Handlungsmat Fatih Akin und die „Ethise Wende“ Thomas Elsaesser
Vorspiel Wie für viele meiner Generation war die Liebe zum Kino stets mehr als Unterhaltung. Es ging au immer um die Frage, welen Platz Kino im öentlien Raum einnahm, und wele Rolle der Film für eine fortsrilie Politik spielen konnte. Na den enäusten Honungen der er Jahre mutierte diese Möglikeit einer progressiven und gleizeitig transgressiven Intervention des Kinos in der Gesellsa – seit November und dann wieder seit September – zur Frage, weles Potenzial Filmemaen für einen gleiermaßen unmöglien wie stets eingeforderten Dialog mit si bringt: des Dialogs mit dem ethnisen, dem religiösen und dem nationalen Anderen. Dass si dabei eine Versiebung von der Politik zu etwas anderem – nennen wir es identity-politics, Multikulturalismus oder Primat der Kultur – abzei net, gehört ebenso zum Thema wie die grundsätzlie Ambivalenz des Kinos selbst: als Fenster zur Welt einerseits und als Spiegel des Subjekts andererseits. Die Transparenz und der Abbildrealismus des Films haen son öer in der Gesite des Kinos die Erwartung genährt, dass der Kinoapparat einen genaueren – und vielleit deshalb gereteren – Bli auf die sitbaren Erseinungen der Welt werfen kann als das menslie Auge; dass er das enthüllt, was unbemerkt blieb und übersehen wurde; und dass damit eine neue Äquivalenz und In-Dierenz in die Welt kommt, wele die Teilung von Subjekt und Objekt aueben kann und I und Nit-I neu verhandelt. Dem gegenüber steht das Kino als Projektionsäe und imaginärer Spiegel, die uns mit einem Selbst konfrontieren, das si stets in idealisierende oder dominierende Bli-Konstellationen, ebenso wie in Verkennung und Verleugnung verstrit. Zusammen genommen ergibt si daraus ein Spannungsfeld, in dem das Kino unser Begehren na Selbstbestätigung und Identität zu einer Begegnung mit dem Anderen und Fremden maen könnte, ansta uns in der Verkleidung des Anderen immer nur selbst wieder zu begegnen, indem der Andere das auf uns zurüspiegelt, von dem er glaubt, wir häen es auf ihn projiziert.
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Die Einforderung des Dialogs, die Frage na dem Anderen und die Verstriung von I und Nit-I sind die Themen dessen, was normalerweise unter Begrien der Toleranz, des multikulturellen Zusammenlebens oder der Religionsfreiheit in der Politik und Öentlikeit diskutiert wird. Besonders in Westeuropa haben si die Institutionen der Europäisen Union seit mehreren Jahrzehnten bemüht, akute und potentielle Konikte zwisen nationalen Interessen oder ethnisen Gruppen in dialogise Bahnen zu lenken: sie versuen, zwisen (persönlier und religiöser) Identität und (regionaler und spralier) Autonomie zu vermieln; Mensen anderer Abstammung und Glaubens zu integrieren; geteilte Werte zu fördern und gleie Rete zu gewähren; Gesetzte und Vorsrien zu harmonisieren; und die Rahmenbedingungen vorzugeben, die alle Be- und Einwohner eines Landes zu MitBürgern maen. Dass die Medien und insbesondere die Massenmedien in diesem Bemühen um den Dialog (sowie dessen Seitern) in der multi-kulturellen Gesellsa eine strategise Rolle spielen, ist evident. Das Fernsehen lebt davon. Denno wird man heute die diesbezüglien Erwartungen an das Kino angesits dessen swindender Bedeutung als Teil einer funktionierenden Öentli keit wohl eher beseiden halten. Daraus ergibt si im Umkehrsluss die Möglikeit, dass Filme radikaler, transgressiver und weniger vermielnd an die Wurzeln und inhärenten Widersprüen dieses Dialogs herangehen können. Das könnte in erster Linie bedeuten, dass das Kino si nit nur als Abbildmedium und Reektionsraum (d.h. Fenster und Spiegel im oben angedeuteten Sinn) versteht, sondern au als Darstellungsform, in der es um Handlung, Handlungsträger und Handlungsmat geht; in der neben Handeln au Denken, Fühlen und Wahrnehmen gleiberetigt sind, und die den abstrakten Kategorien von Staat, Ret und Gesetz die orientierend-desorientierenden Erfahrungen der Körper, Sinne und des Gesits (des face-to-face) hinzufügen oder entgegensetzen. Das gegenwärtige europäise Kino wird damit zum drien Pol einer dialogis-dialektisen Beziehung zwisen dem in den letzten zwei Jahrzehnten erneut hinterfragten Selbstverständnis bezügli eines der Grundvermätnisse der Aulärung und der Romantik: nämli der Allgemeinverbindlikeit gewisser Rete einerseits und den versiedenen Ansprüen, die nit als universell anzusehen sind, sondern im Namen von Gruppen, Identitäten oder Interessen geäußert werden, die si national, religiös, sexuell oder über bestimmte Werte und Lebensstile dierenzieren. Die Widersprüe zwisen Allgemeingültigkeit oder Universalismus, und Relativierung oder Partikularismus können si auf versiedenen Ebenen manifestieren, sei es in der Einzigartigkeit eines jeden Einzelnen (im Streit zwisen der ‚Unantastbarkeit‘
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des Lebens contra Biopolitik und Humangenetik), in der einzigartigen Identität einer spezisen Gruppe (ethnise Minderheiten oder Diaspora-Gemeinden contra Vorwurf westlier Hegemonie und Ethnozentrismus) oder in der historisen Einzigartigkeit bestimmter Ereignisse (der Holocaust, die Nakba oder Amerika na dem . September, contra staatliem Terror wie im Falle des Nationalsozialismus, dem Terrorismus im Namen unterdrüter Gruppen, oder dem ‚war on terror‘ seitens einer westlien Koalition). Genereller gesagt, im Streit um (einen o als hegemonial oder eurozentris wahrgenommenen) Universalismus einerseits und (einen o als dogmatis, fundamentalistis oder sektiereris kritisierten) Partikularismus anderseits, kommt dem Kino der Körper und Gefühle, der Handlungsträger und Opfer, der Bilder des Wahrnehmens und des Denkens und dem Denken in Bildern (und Tönen) eine no näher zu bestimmende Rolle zu, bei der si die hier skizzierten Gegensätze versieben, vermengen und erst einmal anders ‚darstellen‘. Um aber diese Rolle, im Zusammenhang mit dem, was i hier ein typis europäises (oder westlies) Bemühen um das politise Erbe der Aulärung angesits des Multikulturalismus und der Globalisierung genannt habe, genauer in den Bli nehmen zu können, bedarf es eines Umwegs oder Zwisensris, besonders da au in der Öentlikeit der Versu gemat wird, aus dem seinbar unauöslien Gegensatz von politisem Universalismus und kultureller Relativierung eine neue Kategorie ins Spiel zu bringen. Diese Kategorie ist die Ethik.
Die ethise Wende Denn in eben diesem Kontext ist Ethik wieder zu einem kritisen Thema geworden. Sie taut genau an dem Verbindungspunkt auf, an dem die Merkmale der Dierenz si zunehmend von dem traditionellen Verständnis von Politik (der Parteien und Ideologien, wie zu Zeiten des Kalten Kriegs) hin zu Kultur, Religion and Ethnizität wegbewegen, die z.B. Klasse oder man mal sogar Nationalität als Kennzeien der Zugehörigkeit ersetzen. Diese Neu-Verortung der Öentli keit stellt nit länger einen gemeinsalien Rahmen oder eine gemeinsame Grundlage für die Slitung oder Verhandlung konkurrierender Forderungen bereit, außer in Form von bürokratisen Umverteilungen (z.B. ‚Quotenregelungen‘, d.h. Gleiberetigungsmaßnahmen und ‚armative action‘ in den USA, oder Finanzhilfe zur Förderung ‚regionaler Eigenständigkeit‘ in der EU sowie die Verwaltung der ‚kulturellen Vielfalt‘ auf lokaler Ebene in den Gemeinden). So lange die Torte groß genug ist, dass jeder sein Stü abbekommt, mag dies funktionieren, aber weder politis no
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philosophis stellt es eine Lösung dar. Einerseits ist das Anerkennen des Anderen das explizite Ziel des ‚Multikulturalismus‘, mit dessen Hilfe man die Konsequenzen des Eurozentrismus zu mildern versut und eine neue Toleranz zu saen ho. Andererseits könnte der Ruf na Toleranz das Problem versärfen, indem er aus einer nit als sole gekennzeineten Position der Stärke und Übermat sprit, und so die Hierarien und Vorurteile zur Hintertür wieder hineinlässt – eine Fatalität die Slavoj Žižek als reexiven Rassismus bezeinet hat (vgl. Žižek , ). Eine Wende hin zur Ethik wäre hier der Name für eine ganz andere Art der Begegnung mit dem Anderen, wobei Ethik hier nit mit Moral glei zusetzen ist, und si au von den sogenannten moralisen Gefühlen unterseidet, dank derer in den USA im Zeien des Präsidenten Barak Obama eine ‚post-partisan nation‘ im Entstehen begrien sein soll. Wenn Moral im Allgemeinen die Werte und Normen umsreibt, die das öentlie Leben regeln und Konformität und Kohärenz unter dem Gesetz gewährleisten sollen, bezeinet Ethik eher die persönlien Verhaltensformen, in welen individuelle Überzeugungen mit öentliem Handeln korrelieren, die aber – denkt man an die großen ethisen Vorbilder wie z.B. Antigone – au zu a-sozialen und sogar anti-sozialen Entseidungen führen können. Für einen Philosophen wie Emmanuel Lévinas hat Ethik daher wenig mit Moral oder Gemeinwohl zu tun, sondern ist mit der „Infragestellung des Selben“ (Lévinas , ) verbunden, d.h. sie fühlt si berufen den Konsensus wenn nötig au zu durbreen, auf dem Moral basiert. Im Hinbli auf Ethik sollte man aber no weiter unterseiden zwisen zwei Formen: ‚Ethik ‘ und ‚Ethik ‘. In der allgemeinen De nition, das entspräe Ethik , umfasst Ethik die Grundsätze des Handelns eines Mensen, aber au die Autorität und den Respekt, die bzw. den eine Person dank seines oder ihres Tuns gebietet, das einem retsaenen, einem „geprüen“ (examined) und für lebenswert befundenen Leben zugrunde liegt.1 Aber „Ethos“ (im Gegensatz zu Logos) kann si au auf Werte und Sien beziehen, die Mensen lieb und teuer sind.2 In diesem Sinn ist Ethik mit den Zielen des Multikulturalismus vereinbar und kann als Anerkennung der Gleiberetigung untersiedlier Kulturen und Identitäten innerhalb einer sozialen Einheit oder eines geographisen Raums verstanden werden. Aber wenn man nun
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In der Apologie des Sokrates lässt Plato Sokrates sagen: „Ein ungeprües Leben ist nit lebenswert“ (Sokrates, zit. n. Plato , a). 2 Ethik als die Autorität und Authentizität einer Person verdankt dies einer Verwurzelung des Einzelnen in einem etablierten Werte- und Glaubenssystem. Siehe hierzu Aristoteles, für den Ethos, Pathos und Logos die drei wesentlien Formen im Appell an das Publikum darstellen (vgl. Aristoteles ).
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von einer Wende zur Ethik sprit, dann wäre man eher im Berei der Ethik , in der si Ethik und Multikulturalismus als Vorder- und Rüseite derselben Haltung präsentieren, wobei Ethik sowohl das Gegenstü als au das fehlende Supplement bildet. Gegenstü insofern, als sie eine Art Platzhalter darstellt, für eine no ausstehende Politik, und Supplement insofern, als diese Ethik versut, den erfahrenen Mangel an Normativität im Multikulturalismus auszufüllen, d.h. dem angeblien Relativismus der Toleranz gegenzusteuern. Lévinas speziziert das Grundprinzip der Ethik wie folgt: A calling into question of the Same […] is brought about by the Other. We name this calling into question of my spontaneity by the presence of the Other ethics. The strangeness of the Other, his irreducibility to the I, to my thoughts and my possessions, is precisely accomplishmed as a calling into question of my spontaneity as ethics. (Lévinas , )
Man könnte das vielleit so umsreiben, dass Ethik Forderungen umfasst, deren Erfüllung si als unabdingbar darstellt, die mir aber weder (von der Moralität) auferlegt werden no zu denen i (dur das Gesetz) gezwungen werden kann (vgl. Lévinas , f.). Eine derartige De nition – die ein komplexes Territorium jenseits von Gesetz und Exekutive, Einzelnem und Gemeinsa, Notwendigkeit und Wahl abstet, aber do all dies impliziert – verweist nützlierweise auf die zwisen Ethik, Politik und multikultureller Toleranz existierende Interdependenz, zuglei aber au auf die Unters iede in Bezug auf den Status der einzelnen Diskurse besonders zu Fragen der Gleiheit, der Gleiwertigkeit, und der Geretigkeit (sei sie von fehlbaren mens lien Gesetzen zugepasst, oder handele es si um gölie, um poetise Geretigkeit oder einfa nur um ‚Fairness‘). So besteht Lévinas z.B. darauf, dass die authentise Begegnung mit dem Anderen nit auf eine weselseitige Beziehung reduziert werden kann (ein Austaus, ein gemeinsam vereinbarter Vertrag oder Handel, ein Quid pro Quo – was nahe läge, wenn Glei heit gleigesetzt würde mit Gleiwertigkeit und weniger mit Unterordnung unter das gleie Gesetz). Falls jedo, wie wir gesehen haben, die Ethik auf eine Forderung antwortet, die von außerhalb der Gesetze und Bräue erhoben wird, dann grei die zweite Denition der Ethik, da diese als Gegenbegri zur Kultur fungiert: sie hebt die Swelle, indem sie auf ein Manko des Multikulturalismus verweist, da er die Bedingungen der Begegnung mit dem Anderen nit spezizieren kann, wenn weder Gleiheit no ein universelles Gesetz gegeben sind. Der Multikulturalismus muss also das als anwesend voraussetzen, was er bemüht ist, in die Welt zu setzen. Oder, um Fürst von Bülow aus einem anderen Kontext zu zitieren: „und willst du nit
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mein Bruder sein, so slag i dir den Sädel ein“3: der Multikulturalismus läu Gefahr, den Anderen nur in dem Maße zu tolerieren, als er si innerhalb der Moralität und des Konsensus bewegt, die ja erst zu verhandeln wären (vgl. Appiah ). Neben Lévinas wird die Wende zur Ethik au mit dem Namen Jacques Derrida in Verbindung gebrat, für den die Ethik sowohl die Entkopplung von der traditionellen Idee der (Partei-)politik als au die Saung einer kritisen Distanz von jedweder Form von Kulturalismus signalisierte. Dabei bestand au er auf einem Untersied zwisen Ret und Gesetz, und lehnte es ab, die Frage na Reten und Geretigkeit als Teil einer Identität stienden Politik, d.h. als Miel der Verteilung (Gleiheit) oder des kollektiven Willens (Demokratie) zu stellen. Stadessen bringt Ethik die Frage der Gewalt mit ein, die – wie eben suggeriert – für gewöhnli im multikulturellen Diskurs nur implizit anwesend ist bzw. ausges lossen wird. Lévinas und Derrida bestehen auf Begrie wie „Verpitung“, die in der Kulturalismusdebae in der Regel wenig Platz haben, da dieser Begri si an den Einzelnen in seiner Einzigartigkeit als Forderung beziehen, während Kulturalismus meist die Forderungen einer Gruppe oder Gemeinsa, also einer Pluralität betri, die ihre „Rete“ einklagt.4
Fatih Akin: ein Regisseur der Ethik? Dies wäre ein kurzer Abriss einer möglien Logik der ‚Wende zur Ethik‘ heute: sie beträfe den Versu, die Aporien des Multikulturalismus anzugehen, ohne die Spannung der alten Sule marxistiser Politik und der von NGOs vertretenen neuen Sule der Mensenrete und humanitären Hilfsaktionen aus den Augen zu verlieren. Damit wäre ‚Ethik‘ au eine Antwort auf das politise Vermätnis vom Mai
, bzw. ein Weitersreiben der dort angelegten Ambivalenzen, die si in Bezug auf Handeln, Lebensentwurf und dem Anspru‚ das Persönlie politis zu maen, seither in den diversen identity-wars immer wieder aufgetan haben. Die zuret zu stellende Frage ist, in welem Maße ein soler sozio-politiser Rahmen geeignet ist, das Problemfeld zu bestimmen, in dem die vielen europäisen Filme angesiedelt sind, die si während des letzten Jahrzehnts 3 Bernhard von Bülow tat diesen Ausspru in einer Rede während einer Auseinandersetzung im Reistag gegenüber dem sozialdemokratisen Abgeordneten August Bebel. 4 Ein herausragender Süler von Lévinas und Derrida ist in dieser Hinsit Simon Critley (vgl. Critley ).
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mit Themen wie Migration, Globalisierung und multikultureller Identität besäigt haben; insbesondere diejenigen, die si mit dem ‚Begehren‘, der ‚Deterritorialisierung‘, dem ‚Exzess‘ und der Figur des ‚Opfers‘ besäigen. I denke dabei an Filme, wie Lars von Triers Dogville (DK/S u.a. ), fast alle Filme der Brüder Dardenne, In This World (UK ) von Miael Winterboom oder Aki Kaurismäkis Mies vailla menneisyyä (Der Mann ohne Vergangenheit, FIN/D/F ). Besonders symptomatis erseint mir allerdings Gegen die Wand (D/TR ) von Fatih Akin, insbesondere weil er auf den ersten Bli mit allen Klisees des multikulturellen Filmemaens zwisen zwei Kulturen arbeitet: türkise Hozeiten in Hamburg, Tanbur und Ney Klänge am Ufer des Bosporus (ein wiederkehrendes Tableau, das gleizeitig als Chor und als Rahmung fungiert), erzkonservative patriaralise Väter, unterdrüte Töter, Drogen-Szene und Alkohol, sowie die männlie Doppelmoral selbst bei der jüngeren Generation, wenn es um Frauen geht (strikte Trennung zwisen Prüderie zu Hause und zur Sau gestellter Mao-Sexualität). Denno speist si die innere Dynamik des Films nit aus diesem Leben im ethnisen Dazwisen, der interkulturellen Hybridisierung von Musikstilen oder den generationsübergreifenden Familienfehden. Besonders in der ersten Häle des Films seint das Mann-Frau-Paar miteinander darum zu weeifern, wer von beiden singulärer und weniger kooperativ sein kann, aber dafür selbstzerstöreriser, hemmungsloser oder no ‚abjekter‘ als der andere. In diesen Momenten spielen die kulturellen Untersiede oder der multikulturelle ‚Dialog‘ kaum eine Rolle. An ihrer Stelle vermielt der Film ein äußerst intensives Freiheitsempnden, das auf dem Gefühl und der Gewissheit beruht, dass man nits mehr zu verlieren hat, um ein Zitat von Janis Joplin abzuwandeln. Beide Personen lernen si kennen, als sie in einem fast wörtlien Sinn son post-mortem Wesen sind, also einen ‚Tod‘ son hinter si haben. Beide haben Suizidversue überlebt und fühlen si aus ihrem jeweiligen Sozialzusammenhang ausgestoßen: es ist ein radikaleres Ausgeworfensein als das, was irgendwele Rüversierungen ethniser Zugehörigkeit zustande bringen oder heilen könnten. Sie verlieben si nit ineinander, sondern sließen einen Pakt, um ihre jeweiligen höst unkonventionellen Lebensentwürfe durzusetzen, er seine ‚asoziale Unabhängigkeit‘, sie das ‚volle Leben‘, ohne Rüsit auf den Anderen und denno als eine Art ‚Ethik der Authentizität‘. Akin zeigt dem Zusauer, wie diese beiden, losgelöst von einer stabilen Identität, und jeder des Anderen Andere, si auf den Weg zu einer Ethik begeben: ihr gefährlier, gewalätiger, aber potenziell befreiender Ego-Zustand löst si genau da auf, wo ihre ‚Spontaneität‘ von der Gegenwart des Anderen in Frage gestellt wird. Damit erreit die Vorstellung ihr Ende, dass die nur für die ‚symbolise Instanz‘ inszenierte Hozeit ihnen Rete gibt, beziehungsweise,
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dass die Verbindung auf einer Gegenseitigkeit, einem Quid pro Quo beruht. Die jeweiligen Suldgefühle entladen si zwar in einer amour fou, gleizeitig aber verlieren sie dabei nit nur einander, sondern au si selbst. Die Ethik des Aushaltens der inneren Widersprüe am Anderen zerbrit an der sie wieder einholenden Moral von Suld und Sühne. Der ‚ethise Kern‘ des Films besteht demna nit aus dem Vermisen der kulturellen Untersiede zwisen ‚türkiser‘ und ‚deutser‘ Kultur, wie es eine Spielart des Multikulturalismus vorgibt, die häug in den Filmen vom Stil My Big Fat Greek Wedding (My Big Fat Greek Wedding – Hozeit auf Grieis, USA/CA , Joel Zwi), Bride and Prejudice (Liebe lieber indis, UK/USA , Gurinder Chadha) oder au bei Kebab Connection (D , Anno Saul) anzutreffen ist. Stadessen betont er die Risiken, die Gewalt und die Destabilisierung, die eine wahrha ethise Begegnung mit dem Anderen in si birgt. Je mehr si beide ihrer ‚türkisen Wurzeln‘ bewusst werden, umso weniger gehören sie zusammen: sta ihnen eine ‚Heimkehr‘ zu ermöglien, lässt der Film sie verwundet, einsam und ratlos zurü. Hier geht es mir jedo swerpunktmäßig um einen der na folgenden Filme von Fatih Akin, Auf der anderen Seite (D/TR/I ), an dem si die Konsequenzen einer etwaigen ethisen Wende im europäisen Kino ebenfalls studieren lassen.
Jacques Rancière: Ethique hard und Ethique so Dazu muss i jedo den konzeptionellen Horizont no ein weiteres Mal versieben, um eine kritise Sit auf diese Wende zur Ethik einzuführen, wie sie in den S rien von Jacques Rancière und Alain Badiou si direkt und indirekt artikuliert. Insbesondere geht es mir um Rancières Kritik an dem tournant ethique, der „ethisen Wende“ also, ein Kapitel aus seinem Bu La Malaise de l’esthetique (dt. ). Als ein Denker, der Ästhetik und Politik als zwei kommunizierende Röhren sieht, ist Rancière von besonderem Interesse für die Frage der Vermilung und für die Platzhalterfunktion der Ethik zwisen den Idealen des Sozialismus und der Pragmatik der humanitären Hilfsaktionen. Es wird nit verwundern, dass für Rancière die Politik der bürokratisen Umverteilung und der Konsens (wie ihn z.B. die EU anstrebt) geradezu die Absaung der Politik bedeuten. Die so genannte postideologise Politik – ob es si nun um Intervention im Namen der ‚Weltöentlikeit’ oder um Wirtsassanktionen im Namen der ‚Mensenrete‘ oder humanitäre Missionen bei Militäraktionen handelt – stellt si für ihn nit nur als eine Negation des Politisen dar. Sie ist Beweis dafür, dass es si um einen
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tiefen (politisen, aber au philosophisen) Nihilismus handelt. Rancières Hauptargument wäre, dass eine Gesellsa, die Katastrophen, Opfer und Überlebende in den Mielpunkt ihrer Politik der Rete und Piten stellt, folgeret den Sinn des Lebens als ‚Leben im Angesit des Todes‘ denieren oder besser gesagt, eine sole Politik impliziert, dass ‚Leben‘ vom Tod, der es permanent bedroht, gereet werden muss – also: gereet vor Risiko, vor Kontingenz, vor andauernden Gefahren, und damit gereet vor dem Leben selbst. Unser Denken in ‚Katastrophen‘ (ob es nun historise sind, wie die Shoah der Juden, die Nakba der Palästinenser, der Völkermord an den Armeniern, der sowjetise Gulag; ob es Naturkatastrophen sind: Tsunamis, Hurrikane, Erdbeben, die Erderwärmung; oder militärise: Bürgerkriege, Präventivkriege, der Kampf gegen den Terror) allemal wird zur ‚Grundlage‘ und dem ‚Ursprung‘ des Seins, der ‚Opferstatus‘, als einzige Form von Authentizität: „Die Ethik hat hier ihre Herrsa in der Form des Humanitären, sodann in der Form der grenzenlosen Geretigkeit […] erritet.“ (Rancière , ) Es ist das Ret selbst, das dur die Hervorhebung eines Rets – dem „absoluten Ret des Opfers“ (ebd., ) – über alle andere Rete (z.B. im Verband mit militärisen Interventionen, oder humanitären Aktionen) entleert wird. Kein Zweifel, dies sind harte Aussagen nit nur für uns Europäer, denn sie seinen z.B. die Sändung der Mensenrete in China oder Dafour gut zu heißen. Do liegen diese Aussagen in der konsequenten Linie des auf Nietzse zurügehenden Post- und Antihumanismus im neueren französisen Denken von Foucault bis Deleuze, den Rancière hier versär zum Ausdru bringt. Aber vielleit no seinbar widersprü lier und verblüender ist Rancières Behauptung, dass die mit Lévinas und Derrida assoziierte „ethise Wende“ das Pendant eben dieses Nihilismus ist. Besonders in den Formulierungen von Lévinas werden – laut Rancière – Handeln und Denken angesits des reinen Anderen, der „Alterität“ suspendiert. Ob nun humanistis-weltli mit dem Swerpunkt auf Gesundheitsvorsorge, Sozialwesen und humanitäre Hilfe (wie im Sozialstaat und unseren westlien Demokratien) oder religiös-messianis mit der Ausritung des Lebens auf die Begegnung mit dem Erhabenen, dem absolut Andersartigen (wie bei Lévinas): beide Formen der Ethik, Ethik (die der ‚Sorge um das Selbst‘ und der ‚Unantastbarkeit‘ des Lebens) und Ethik (die Gewalt des Infragestellens des Selbst in der Alterität und in der Begegnung, von Angesit zu Angesit, mit dem Anderen) sind nit in der Lage oder nit gewillt, der Gegenwart einen positiven Wert zuzusreiben. So wird das Jetzt zu einem Ort der Lähmung und der ewigen Aufsiebung (Derridas ‚diérance‘), der nur vor dem Hintergrund des Todes oder einer Natur- bzw. von Mensen gematen Katastrophen Bedeutung erhält. Anders gesagt liegt der Wende zur Ethik die Überzeugung
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zugrunde, dass – um jetzt mit Alain Badiou zu spreen – „die einzige Sae, die dem Mensen zustoßen kann, der Tod ist.“ (Badiou , ) Gegen diesen post-humanistisen ‚Ausnahmezustand‘ (vgl. Agamben ) oder die jüdis-ristlie Ethik der absoluten „Alterität“ na Lévinas setzt Rancière auf ein radikales Konzept der demokratisen Politik, d.h. auf ein auf absolute Glei heit geritetes Denken und Handeln, die er als „partage du sensible“, als „Aueilung des Sinnlien“ (vgl. Rancière a) de niert, und die vom Dissens und nit vom Konsens bestimmt ist. Demokratie hat für ihn keine repräsentative Funktion, sie kann also nit das Volk vertreten oder seine Stelle einnehmen. Damit werden Geretigkeit und Gleiheit bzw. der Kampf gegen ihre Perversion nit ewig aufgesobene Ziele, sondern als im Jetzt und Hier smerzha oder lustvoll gelebte Realitäten. Diese für Rancière grundlegenden Aspekte des Politisen werden heutzutage wenn überhaupt nur in der modernen Kunst (Readymades, Konzeptkunst, Installationen) angetroen, und au dort nur in einer abgemilderten, o parodistisen Form als Montageeekte der Gegenüberstellung, als Bestehen auf Paradoxen und den Zwiespältigkeiten der Selbstreferenz aufgegrien. Wahre Politik müsste si dieses nun allein von der Kunst besetzte Gebiet zurüerobern und neben dem Kunst-Raum wieder in den öentlien Raum (zu dem das Kino gehört) tragen. Im . Jahrhundert wurde zwangsläug Marcel Duamp zum Helden dieser Idee einer radikalen Gleiheit, da er aufzeigte, dass alles zur Kunst werden kann, wenn es nur seinen Platz und seine Zuordnung verändert. Dur seine radikale Umstrukturierung dieser Zuordnungen hat Duamp mithilfe der Ästhetik die Grundlagen einer anderen Ontologie gesaen. Aber au das Kino hat das Potenzial einer solen Kunst an der Grenze zum ‚Politisen‘, da das Kino so widersprüli ist: die Vermisung von meanis und lebenset, die Koexistenz von purem Aekt und Realismus der Abbildung ist für Rancière der große Vorteil des Kinos gegenüber allen bisherigen Künsten, kurzum: Sein si selbst im Weg stehen, sein Zerrissen- oder Verquer-sein, wie es bei Rancière heißt, mat den Wert des Kinos aus, da es der Einzigartigkeit und Sitbarkeit des Ephemeren, des Hässlien, des Exzessiven, des Ausgeslossenen und Abjekten ebenso eine gültige Existenz geben kann wie dem Sönen, dem Wahren und dem Erhabenen. Das Kino sa es so tendenziell, Leben und Kunst radikal gleizusetzen oder gleizustellen, also das ursprünglie Verspreen der Avantgarde einzulösen. Es kann dies aufgrund seiner grundlegenden, son im Apparat angelegten Eigensaen und zuglei in seiner Funktion als Nafolger des realistisen Romans, der selbst wiederum Erbe der französisen Revolution ist, da er als erster das Gewöhnlie, Vergänglie wie au das Abjekte und Obszöne zu legitimen Themen der Kunst gemat hat. Daher verfügt das Kino über das Potenzial, die Bewegung hin zu einer
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‚radikalen Gleiheit‘ au im politisen Sinn zu vollziehen. Rancière mat deutli, wie sehr seine Kuns heorie mit einer Theorie der Arbeit und der menslien Handlungsmat verknüp ist. Dies ist au der Grund, warum er einen heimlien Dialog mit Adorno und anderen Neomarxisten zu führen seint, deren Ideen zur Verdingliung und Kritik an der Kulturindustrie er allerdings skeptis hinterfragt. Es ist diese radikale und gleiwohl konsequente Haltung zum Politisen als dem Ästhetisen zugeordnet und umgekehrt, allerdings nit als antinome Welten (wie bekannterweise bei Walter Benjamin), sondern eher in heteronomer Beziehung (also als Spannung, die von gegenseitiger Abhängigkeit gestützt wird), die Rancière Autorität verleiht und durch die er einen Fluchtpunkt sa auf „das Politise“ (und nit „die Politik“), mit dessen Hilfe er au die „ethise Wende“ kritis positionieren kann. „Politik ereignet si“, wie es bei Rancière heißt, „wenn die, die ‚nit die Zeit haben‘, si die Zeit nehmen, die notwendig ist, um als Bewohner eines gemeinsamen Raumes aufzutreten, und um zu beweisen, dass ihr Mund sehr wohl eine Sprae erzeugt, die das Gemeinsame aussprit und nit nur eine Stimme, die Smerz signalisiert.“ (Rancière , ) Im Gegensatz dazu seint das Ethise, wie es si dur den den Mensenreten eingeräumten Vorrang, und au dur Lévinas’ oder Derridas Wende zur Ethik deniert, im Stillstand zwisen der Idee einer vielfa gesädigten jedo letztendli vereinten Gemeinsa von Opfern (was Rancière „l’ethique so“, weie Ethik nennt) einerseits, und – wie im Falle Lévinas und Agambens ‚homo sacer‘ – in einem permanenten Ausnahmezustand zu verharren, der si aus der Sitweise einer seinbar auf unbestimmte Zeit aufgesobenen ewigen Geretigkeit ableitet („l’ethique hard“, harte Ethik). Aber, wie Rancière fast sarkastisch bemerkt – wobei er auf die „harte Ethik“ von Lévinas und Agamben zielt: „This reversal of the ‚modernist‘ paradigm of the politicity of art is in keeping with a whole trend of thought that dissolves political dissensuality in an archi-politics of exception and terror from which only a Heideggerian God can save us.“ (Rancière b).
‚Auf der anderen Seite‘: Fatih Akin Na dieser etwas groben Skizze von Rancières Ansatz zur Politik und Kritik der ethisen Wende, komme i nun endli auf Fatih Akins Auf der anderen Seite zu spreen. Der Film erhielt in Cannes den Preis für das beste Drehbu und düre hinlängli bekannt sein, daher folgt hier nur eine kurze Zusammenfassung der Handlung, die i etwas kühn der Webseite des Films und seiner Wikipedia-Entry entnommen habe:
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Thomas Elsaesser Ses Mensen, deren Wege si auf sisalhae Weise kreuzen, ohne si zu berühren. […] Nejat ist ein türkisstämmiger, introvertierter Germanistikprofessor, dessen Vater Ali eine Beziehung mit Yeter beginnt, einer türkisen Prostituierten. Als diese später bei einem Streit mit Ali […] zu Tode kommt, besließt Nejat, Yeters versollene Toter Ayten [in Istanbul] zu suen. […] Mit seinem Vater hat er gebroen, dieser verbüßt in Bremen eine Hastrafe wegen Totslags und wird später aus Deutsland ausgewiesen. In einem zweiten Erzählstrang erfährt man, dass Ayten eine Politaktivistin ist und in der Ho nung auf politises Asyl aus Istanbul na Deutsland ieht. Sie verliebt si in die gleialtrige Loe, die gegen den Willen ihrer [konservativen] Muer Susanne besließt, die illegal in Deutsland lebende Türkin zu besützen. Nadem diese entdet und in die Türkei abgesoben wird, reist Loe ihr na […]. Bei dem Versu, anstelle ihrer Freundin eine Wae dur die Stadt zu smuggeln, kommt sie ums Leben. Im abs ließenden Filmabs ni reist Susanne na Istanbul, in der Honung, ihrer Toter näher zu sein, wenn sie den gleien Weg geht […] und si um die inhaierte Ayten kümmert. Loe hat kurz vor ihrem Tod Nejats Bu laden besut, was dazu geführt hat, dass er ihr ein Zimmer zur Untermiete anbietet. So kommt es im weiteren Verlauf zu einer Begegnung zwisen ihm und ihrer Muer. Kurz bevor das zu ahnende Zusammentreen der Protagonisten der vorigen Kapitel standet, endet der Film mit einem am Strand auf seinen Vater wartenden Nejat.5
Obwohl si ihre Wege mehrfa kreuzen, werden weder Aytens Sue na ihrer Muer no Nejats Sue na Ayten je aufgelöst. Wie aus dem bereits Gesagten hervorgeht, interessieren mi an dem Film für mein allgemeines Argument die Verquiung von multikulturellen Begegnungen, von Mikro- und Makro-Politik in Europa, der Terrorismus und die si aus all dem ergebenden ethisen Konikte, gegen den Hintergrund des plötzlien und sinnlosen Tods zweier Protagonisten. Was mi aber zuerst auf den Film aufmerksam gemat hae, war die Präsenz von Hanna Sygulla, Fassbinders Muse in vielen seiner witigen Filme aus den er Jahren, die in Auf der anderen Seite die Rolle der Susanne spielt, eine der zwei zentralen Mutterguren der Gesite. Au in der Handlung gibt es immer wieder gewollt Verweise auf Fassbinder-Filme: die Ausgangssituation erinnert an Angst essen Seele auf (BRD ), da hier der muslimise Gastarbeiter (Ali) eine Prostituierte nit nur für Sex bezahlt, sondern au dafür, dass sie ihm ‚ritiges‘ Essen kot. Dass er sie ungewollt tötet und dafür ins Gefängnis muss, erinnert an 5 Vgl. dazu den Eintrag: (Stand: . . )
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Franz Biberkopf und Ida in Berlin Alexanderplatz (BRD ), die lesbise Beziehung wiederum an Die bieren Tränen der Petra von Kant (BRD ). Ein weiterer wesentlier Punkt ist die Tatsae, dass Auf der anderen Seite in Deutsland (im Nahinein) als zweiter Teil einer Trilogie bezeinet wurde, laut Aussagen des Regisseurs Akin als Antwort auf Fassbinders BRD-Trilogie konzipiert (Die Ehe der Maria Braun [BRD ], Lola [BRD ], Die Sehnsut der Veronika Voss [BRD ]). Was die swierige Beziehung zwisen Westdeutsland und seiner Nazivergangenheit für Fassbinder, so seint Akin anzudeuten, ist für ihn der nit weniger problematise Dialog zwisen ‚assimilierten‘ Türken in Deutsland und ihrem Heimatland. Außerdem lag es Akin daran, Fassbinder (via Hanna Sygulla) und Yilmaz Guney, dem wohl witigsten türkisen Regisseur der er und er Jahre, zusammen zu bringen, indem er dessen Lieblingssauspieler, Tuncel Kurtiz, den Vater spielen ließ, obwohl die beiden einander nit treen, außer (nur für den Zusauer sitbar) an der Passkontrolle des Istanbuler Flughafen. Diese Begegnung gibt dem Film eine weitere allegorise Dimension, indem sie eine drie Ebene des innerlmisen Dialogs önet: mit Fassbinder/Douglas Sirk haben wir den deuts-deuts-Hollywood Dialog; mit Fassbinder/Fatih Akin den deuts-türkis-europäisen Dialog; und mit Guney/Akin den kurdis-türkis-europäisen Dialog. Wie son in Gegen die Wand vermeidet Akin jeglie Andeutung eines Romeo-und-Julia Melodramas von verfeindeten Familien und multikulturellen Liebenden, deren Liebe unter einem sleten Stern steht. Er ist au nit an einer Verweslungskomödie voller nationaler Stereotypen interessiert, wie sie im Genre der bereits erwähnten grieisen Hozeit so populär ist, obwohl Akins Kurz und Smerzlos (D ) sehr wohl mit diesen Versatzstüen spielt und er am Drehbu eines für beide Klisees typisen Films mitgesrieben (und diesen au mit produziert) hat, Arno Sauls Kebab Connection. In Auf der anderen Seite dominieren dagegen, wie bei Fassbinder, pervers unwahrseinlie Liebesbeziehungen, masoistise Selbstvorwürfe und suldig-unsuldige Sündenböe. Der Film ist in drei Teile unterteilt, die jeweils dur einen Zwisentitel angekündigt werden und deren ersten beiden gleiermaßen erbarmungslos „Yeters Tod“ und „Loes Tod“ vorwegnehmen. Der drie Teil hat den Filmtitel selbst als Zwisentitel und verfolgt die Ankun der hinterbliebenen Protagonisten in der Türkei, wie si die Wege ihrer Sue kreuzen, ohne dass sie je zusammenführen, ebenso wie ihre parallelen Beinahe-Begegnungen. So sieht man z.B. die Särge von Yeter und Loe, die in entgegengesetzte Ritungen transportiert werden. Diese starke Metapher und das eindringlie Bild erinnern daran, dass der ganze Film als eine Art Möbiusband konzipiert ist, eine Endlossleife, die zwisen Hamburg und Istanbul verläu, während die Wege der ses Protagonisten das ‚Leben der Anderen‘ in beide Ritun-
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gen überqueren, oder genauer formuliert, auf beiden Seiten des Möbiusbandes ihren Lauf nehmen: nämli jeweils auf der anderen Seite. Der Film lässt dabei oen, wele ‚andere‘ Seite er letztli meint: die von Leben und Tod, politise und nationale Grenzen, des Selbst und des Anderen, auf beide Seiten der gleien Endlossleife, oder ‚auf der anderen Seite‘ von Gegen die Wand. Die vielen Parallelen, Zufälle, Unwahrseinlikeiten und dramatisen Ironien wurden von diversen Kritikern bemängelt, jedo sollte man fairerweise darauf aufmerksam maen, dass eine sol überbordende Handlung die Genealogie von Rainer Werner Fassbinder zu Douglas Sirk und Hollywood fortsetzt und vielleit au die des türkisen Melodrams, in das si Akin mit diesem Film eins reibt. Sygulla als Matriar in herrst über mehr als nur das liberale Gewissen des Films: sie hütet das Verspreen, das Erbe des lmgesitlien Dialogs an die näste Generation weiterzugeben, der si hier zu einem deuts-türkisen ‚europäisen‘ Dialog erweitert, in dem tatsäli Kino und Politik über die Ethik vermielt werden. Denn die Genialität des Films liegt nit in der Handlung an si, sondern in dem komplexen historisch-moralisch-politischen Gewebe, das während des Ablaufens der Gesite gesponnen wird und dessen Gesamtkonzeption in der Tat einen drien Teil benötigt, um das ethise Gewit zu tragen, das diese Fabel um ses miteinander verotene Leben für si beansprut. Wenn Gegen die Wand als „politis“ im Sinne von Rancière deniert werden kann, da der Film beständig auf die Wahrung des Dissens hinarbeitet, was das Gewöhnlie außergewöhnli seinen lässt, dann ist Auf der anderen Seite ein frappantes Beispiel für die „l’ethique so“, d.h. der Film arbeitet auf die Versöhnung von Antagonismen und Auösung des Dissens hin, au wenn diese am Ende verzögert oder aufgesoben werden. Was wäre nun eine Interpretation in diesem Sinne? Aus der Zusammenfassung der Handlung düre klar sein, dass auf moralis-normative ‚Übersreitungen‘ (glei ob sexueller, politiser, ethniser oder religiöser Natur) Bestrafung folgt. Genauso deutli düre ebenfalls sein, dass es einen Willen zum Opfer und zur Selbstaufopferung gibt, der si als Antwort auf diese Verletzungen und Übertretungen versteht, jedo nit von den ‚Tätern‘ selbst ausgeht. Stadessen treten eine ganze Reihe von Stellvertretern, Ersatzguren und Repräsentanten auf. Der Sohn möte die Tat seines Vaters sühnen und nanzielle Unterstützung an Stelle der Muer leisten, die ihren Körper und ihre Ehre geopfert hat und die gestorben ist, ohne dass ihre Toter je von ihrem Opfer erfuhr oder dieses würdigen bzw. deren damit verbundene Lebenslüge ablehnen konnte. Gleizeitig möte si eine andere Muer dem Opfer ihrer Toter als würdig erweisen, ungeatet ob sie an die Sae, die die Geliebte ihrer Toter vertreten hat, glaubt, eine Sae, gegen deren Hintergrund die
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anderen Opfer des Films (des ‚Sohnes‘, der ‚Muer‘) wiederum fragwürdig erseinen. Entseidungen werden getroen aufgrund primärer familiärer Bindungen, aber die Familien sind unvollständig: stets fehlt eine Häle, und au die Kernfamilie ist zerrissen: Vater und Sohn, aber keine Muer; Muer und Toter, aber kein Vater; Muer und Toter ohne Begegnung oder gegenseitige Anerkennung. Ganz oensitli sind auf dieser moralis-ethisen Ebene die Symmetrien, Wiederholungen und Parallelen sorgfältig platziert und genau – fast klassis, im Sinne Hollywoods – ausgearbeitet. So bilden die Erönungs- und die Slusssequenz eine zeitlie Klammer. Sie spielen während des Bayram, eines nationalen Feier- und Fesages, der alle weltlien und religiösen Gruppen in der Türkei ungeatet ihrer Untersiede vereint. Dann ndet si zu Beginn des drien Teils, zuglei das Herzstü des Films und sein moraliser Seitelpunkt, eine Szene in der Nejat Susanne vor einem oenen Fenster (das gewissermaßen als Rahmung für Kontur und Betonung der Szene sorgt), die Prozession junger Männer erklärt, wele außen die Treppe herunter kommen: sie gedenken dem Opfer Abrahams, dessen ethiser Akt par excellence in der muslimisen Religion ebenso eine Rolle spielt wie in der jüdisen und der ristlien. Mindestens seit Sören Kierkegaard (vgl. ) ist das Opfer Abrahams in der westlien Philosophie zum cause celebre jeder Ethik-Diskussion geworden und gerade in den letzten Jahren ist die Kontroverse um die Bedeutung von Abrahams Gehorsam angesits einer unmenslien Tat – seinen Sohn Isaak zu opfern – von Philosophen wie Derrida, Badiou und Slavoj Žižek erneut aufgegrien worden. Ohne hier im Einzelnen auf diese Debae einzugehen, funktioniert der Bayram in dieser wie au in anderen Szenen als Metapher für Toleranz und Brüenslagen. Er steht für die Tugenden der laizistisen Verfassung der Türkei, für die potentiellen Gemeinsamkeiten der drei ‚Weltreligionen des Bues‘, und er plädiert für die Kompatibilität der Türkei als möglier/zukünftiger Mitgliedsstaat der EU. Gleizeitig verweist der Film auf die sehr realen Hindernisse, die dem Beitri der Türkei und deren Modernisierung im Wege stehen, wie er es au nit seut, den Saen zu zeigen, den Islamisten und die Sariah-Gesetze über die westlien Demokratien werfen. Viele andere Themen, die eng mit den S isalen von Deutsen und Türken verwoben sind, kommen zur Sprae: insbesondere die Lebensläufe der Generation, die wie Fatih Akin selbst, in den Siebzigern geboren wurden und nun in der deutsen und europäisen Öentlikeit häug als Künstler, Musiker, Intellektuelle und Akademiker zu Wort kommen. Glei zeitig deutet Akin an, dass kein einfaer Kompromiss oder volle Assimilation in Sit ist und dass bei diesem Übergang von der ersten zur
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zweiten Generation zwisen Deutsen und Türken – aber au in der Türkei, zwisen weltliem Liberalismus und der langen Erinnerung an Diskriminierung und Ungeretigkeit – ein Preis zu zahlen ist. Indem Ayten mit der Polizei kooperiert (plea bargain), um freizukommen, verrät sie ihre Kameraden in der Bewegung: eine Tat, die sier nit ohne Folgen bleiben kann. Au sind die versiedenen Opferhandlungen besonders neutestamentaris (die andere Wange hinzuhalten sta ‚Auge um Auge‘) und beruhen auf der empathisen Identikation mit dem Anderen und auf dem ristlien Prinzip der Substitution und des Stellvertreters. Wie sähe dies, müsste man fragen, aus der Perspektive des Alten Gesetzes oder des Islam aus, bzw. wie passt das zu der härteren Lektion, die die Prüfung Abrahams dur Go uns lehren soll? So wie die bange Vorwegnahme des Todes Teil und von Auf der anderen Seite in Beslag nimmt, so wartet auf den Zusauer am Ende die Androhung eines weiteren Bangens, nämli in Erwartung des drien Teils der Trilogie, der, laut Akin, si nun na Liebe und Tod mit dem Bösen in Gestalt des Teufels besäftigt. No mehr Zufälle, sisalhae Entseidungen, ethise Dilemmata und sinnlose Opfer? Eine Versärfung des Leidens und der Kompromisslosigkeit, des politisen Radikalismus und des religiösen Hasses? Hierzu erfahren wir nits, sondern bleiben am Ende von Auf der anderen Seite in gespannter Erwartungshaltung zurü. In mehrerer Hinsit ist dies ein Film ganz im Geiste von Lévinas: er gibt nit nur dem ganz Anderen, in der Gestalt der Ayten, als sie Loe das erste Mal begegnet, sondern au dem Opfer und der Substitution, also der Stellvertretung, einen sehr hohen ethisen Stellenwert. Die Personen setzen si in der Begegnung mit dem radikal Anderen dem möglien Selbstverlust aus. Sie ergreifen die Initiative – sie verlassen ihr Zuhause, ihren Job, ihr Land – quasi mit dem Ziel, eine typise Forderung Lévinas’ zu erfüllen, nämli si selbst zu nden und zu ernden, indem man eine ethise Beziehung zum Risiko und zur Unsierheit sut. Wie Lévinas in Jenseits des Seins festhält, bildet die Fähigkeit zur Substitution in diesem Prozess den Kern der Subjektivität in der ethisen Beziehung. Andererseits illustriert Auf der anderen Seite – dessen Handlung und Zwisentitel ja immer wieder auf den Tod verweist – au Rancières Kritik an solen Szenarien der Substitution und des Opfers auf einer Folie der Übermat des Todes. Indem versut wird, Politik (EU und Türkei) zu transzendieren und den Streit der Religionen und ethnis-kulturellen Differenzen dur den ethisen Akt zu überwinden (Abrahams Opfer) enden sole erlösenden Handlungen dort, wo der Tod den Endpunkt nit nur der individuellen sondern au der gesellsalien Entseidungen bildet, die dann rüwirkend dem verwirkten Leben einen Sinn geben sollen. Da beide Lesarten mögli sind, wir dies die Frage auf, ob der Film eine sole „Wende
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zur Ethik“ vollzieht, weil si Akin der Ethik Lévinas nahe fühlt und weder an eine multikulturelle Koexistenz (wie tragikomis oder si gegenseitig ergänzend diese sein mag, denkt man nomals an Akins Kurz und smerzlos) no an eine ‚politise‘ Lösung im EU-Stil mit einem verhandelten Konsens glaubt und deshalb eine weie Version der ethisen Universalismus wählt, die einer eher ristlien Haltung entsprit. Andererseits (‚auf der anderen Seite‘) seint es au plausibel, dass Akin uns eine Kritik der Ethik von Lévinas in Sinne von Rancière vorstellt, da wie bei der Komposition eines Musikstüs, na dem furiosen Tempo des ersten Satzes (Gegen die Wand), der zweite Film uns eine moderato gibt, quasi als vorbereitende Antithese für den drien und letzten Teil ist, der dann wiederum fortissimo zu spielen wäre. Sind wir auf der falsen Fährte (au das wieder ein ‚auf die andere Seite‘), wenn wir den Film als in si geslossenes Werk und ‚Aussage‘ des Autors annehmen? Au dies ließe si weiter ausbauen, und zwar im Sinne einer Politik, die i in meinem Bu European Cinema Face to Face with Hollywood (Elsaesser ) den „utopisen“ Aspekt der gegenseitigen Einmisung in die inneren Angelegenheiten des Anderen im neuen europäisen Kino genannt habe. Wenn wir uns erinnern, dass den Sühnetaten von Susanne und Nejat Aytens Kooperation mit der Polizei gegenüber steht und sie in Deutsland zwar zu Beginn weder Geld, Essen oder Zuhause hat, aber – als Mitglied einer politisen Gruppe weiblier ‚Terroristen‘ – womögli am Auau einer ‚Släfer-Zelle‘ häe beteiligt sein können, dann ist am Ende von Auf der anderen Seite nit nur in Bezug auf das Weer am Swarzen Meer Gefahr im Verzug. Man kann sließli kaum übersehen, dass Hamburg die Stadt war, in der Mohamed Aa seine konspirative Zelle unterhielt, bevor er si aufmate, sein Flugzeug in den nördlien der beiden Zwillingstürme zu steuern. Der Tod ist also au in der zukünigen Perspektive des Films no allgegenwärtig. Während jedo die deutsen und deuts-türkisen Protagonisten unter dem Vorzeien des tatsälien wie des symbolisen Todes leben, sind die Militanten (ob sie nun der PKK oder einer anderen radikalen Gruppierung angehören) voller ‚Leben‘ (im Sinne der Žižeksen Interpretation des Freudsen Todestriebs), selbst wenn es si um Selbstmordaentäter handeln sollte. Da sie si als Opfer wähnen, nehmen sie dessen srelie Mat für si in Anspru, weder ihr eigenes Leben no das der Anderen zu sonen. Sie haben die Unerbilikeit der Überzeugung und der Selbstgeretigkeit, was wiederum au die Möglikeit einer ‚ethisen Tat‘ im Stile von Antigone signalisieren könnte (Ayten als Einzeltäter, die srelie Entseidung, in banger Nat der si selbst überlassenen Seele getroen, die sie außerhalb des Gesetzes stellt, aber sie au von der Gemeinsa trennt, im Einsatz für den Kampf um ein lebens-
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wertes Leben, au wenn dies den eigenen Tod bedeutet). Man könnte jedo mit Rancière au argumentieren, dass Aytens verbissene Individualität und die tödlie Entslossenheit ihrer Kameraden nur wieder die Rüseite zur Vorderseite der „ethisen Wende“ darstellen: die nihilistise Notwendigkeit für einen andauernden Ausnahmezustand und für ein radikales ‚Außen‘ – und dies wiederum unter dem Vorzeien des Todes als einzig positivem Wert, oder einer räenden bzw. abwesenden Goheit.
Die drie Seite: die Lebendigkeit des ‚Bösen‘ Wenn man jedo, wie vorgeslagen, Auf der anderen Seite weniger als abgeslossenen Film sondern als Teil einer Trilogie betratet, tut si eine weitere Möglikeit auf. Da wir bereits wissen, dass der erste Film unter dem Zeien der „Liebe“ und der zweite unter dem des „Todes“ stand und es im drien um das „Böse“ in Gestalt des Teufels gehen wird, dann wird eine weitere Lesart der Trilogie mögli, diesmal nit mithilfe von Rancière, sondern von Alain Badiou. In einer solen Lesart wäre Gegen die Wand ein Beispiel für Badious Moment des Ereignisses. Na Badious Verständnis sleit si ein Ereignis an, überwältigt einen und ändert das Leben: „Es liegt in der Essenz des Ereignisses, dass ihm kein Zeien vorausgeht, dass es uns als eine Gnade überwältigt, wie wasam wir au sind […] der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb bei Nat.“ (Badiou , ) In Gegen die Wand ist Liebe demna ein soles Ereignis: als der männlie Held si in Sierheit wiegt, da er einen Vertrag abgeslossen hat, der die Ehe auf ihre eigentlien Dimensionen Sex, Geld und häuslie Dienste reduziert, tri ihn die Liebe, als er es am wenigsten erwartet und überhaupt nit vorbereitet ist. Aber sobald sie das getan hat, bleibt er dem Ereignis ohne Rüsit auf die Folgen (zu denen dann au ein Mord gehört) treu. Im zweiten Teil der Trilogie, also in Auf der anderen Seite, würde eine Lesart na Badiou si nit wesentli von der bislang gegebenen unterseiden: mit dem Tod sowohl als greiare Gegenwart als au als ethisen Endpunkt würde Badiou die untersiedlien Akte der Güte und des Opfers nit nur als fals verstandene Liebe aufgrund einer Überidenti kation (und somit imaginären Versmelzung) mit dem Anderen interpretieren, sondern als Form des Selbstbetrugs und der Selbsäusung, deren größter Fehler darin läge zu glauben, dass aus dem Bösen Gutes entsteht und dass ein soles Stellvertreterdasein Erlösung versprit bis hin zur Idee, dass das eigene beispielhae Leben die Welt verbessern kann: Wer nit die Möglikeit zum Widerstand, zur Opposition oder zum Dissens ergrei, glaubt er könne mit dem Sisal
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einen Handel eingehen, indem er dur die Bereitsa zum Tode dem eigenen Leben eine Bedeutung gebe. Da aber Auf der anderen Seite dur den Aufsub dieser no ausstehenden Begegnungen – zwisen Nejat und seinem Vater Ali, zwisen Nejat und Yeters Toter Ayten – am Ende alle die zukünigen Manifestationen des Lebens (im hypothetisen drien Teil der Trilogie) oen lässt, könnte man argumentieren, dass si hier eine Badiouse Wendung anbahnt, nämli die Implikationen eines weiteren Ereignisses bzw. des Verrats am politisen Ereignis und dessen Folgen (Aytens ursprünglie Entseidung für die gewalätige Revolte gegen den türkisen Staat). Sollte es diesen drien Teil tatsä li einmal geben, dann wäre logiserweise – na den bisherigen Anzeien – anzunehmen, dass es dabei um ‚Terrorismus‘ und speziell um Selbstmordaentate geht und mithin au um die Frage des ‚Bösen‘. Daraus würde si im Nahinein au eine andere Lesart für Teil eins der Trilogie – Gegen die Wand – ergeben, nämli weniger unter dem Aspekt der Liebe, sondern im Hinbli auf die Beziehung von Subjektivität, Körper, Begehren und Tod. Während in Gegen die Wand si in dem Streben na jouissance, also Genuss, als Selbsterfüllung des Subjekts dur die Erfahrung körperlier Entgrenzung manifestiert (typis dafür die Stelle im Film, als Sibel sagt, dass sie leben will, was Drogen, Tanzen und Sex heißt), geht es in letzterem Fall, bei Ayten und ihren GenossInnen, darum, den Körper auf seine Opferung in diesem Leben und auf die Freuden im nästen vorzubereiten (typis dafür ist der Selbstmord eines ‚Märtyrers‘ des Dsihad). In beiden Fällen jedo dominiert laut Badiou wiederum der Tod. Im ersten, weil das Aus-testen der körperlien Grenzen – in Bezug zur Tenologie (der Auto-Aufprall) für ihn, und in Bezug auf die starken Gefühle und Subjekt-Eekte von Sex, Rhythmus, Bewegung und Drogen bei ihr – eine Form von „experimentation of death in life“, vom Tod als Experiment im Leben, darstellt (Badiou ). Im zweiten, weil der Märtyrertod wie au das Opfer bei Marianne oder Neyat als das sinnstiende Element des Lebens gesehen wird und das Subjekt somit Bedingungen oder Suldgefühlen entkommt, die es als unerträgli erfährt – wie die Beute, die si dem Jäger in die Flinte wir. Anders formuliert, sieht Badiou das Opfer – sei es als Märtyrer für die Sae oder im Geiste der Sühne und Erlösung – als Kehrseite des Genießens, der jouissance: es ist der Name des Todestriebs, d.h. dem Wuns na Versmelzung mit dem imaginären Bild des Anderen, dem man die Kontrolle überlässt. Um ein letztes Mal auf Auf der anderen Seite zurüzukommen: Aytens Verrat – weniger der an ihren Kameraden, sondern an dem politisen Ereignis, da sie ihrer eigentlien Pit nit na kommt, ob kurdise Autonomie, Frauenrete, den strengen Islam oder wofür au immer ihre Gruppe steht, zu kämpfen – ist die Crux des ethisen Dilemmas des Films, die als swierige
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Reise vom Selbst (und Selbstsütigkeit) des Einzelnen zum ‚Wir‘ der Gemeinsa verstanden wird, zurü zur ‚Einsamkeit‘ der ethisen Entseidung, die stets nur singulär sein kann, allerdings Folgen für die Gemeinsa haben muss, um eine Ethik herzustellen, d.h. einer höheren Ordnung Genüge zu tun. Die Versuung liegt nahe, si für den drien Teil der Trilogie einen Plot auszudenken. Zum Beispiel, dass der Vater von seinem Boots-Ausug nit mehr zurü kommt, und dass Ayten den von ihr versuldeten Tod Loes dadur sühnt, dass sie für Susanne nun die Toter wäre, die Susanne verloren hat, während Susanne den Platz ihrer Muer einnehmen würde, von der Ayten (no) nit weiß, dass sie den Versu, ihre Toter zu unterstützen, mit dem Leben bezahlt hat. Dies wird ihr aber Neyat erzählen, der damit zum Freund, Bruder, Sohn – und vielleit, Geliebten wird: also ein perfektes Melodram, das perder und parodistiser weder Fassbinder no Guney häen inszenieren können. Umgekehrt: sollte es tatsäli im drien Teil zum ethisen Akt kommen, dann müsste eigentli ein no größerer Verrat begangen werden, um den ursprünglien wieder gut zu maen, also eine Mögli keit gefunden werden, wie Aytan ihre Suld an der politisen Gemeinsa zu der sie gehört, zurü zahlen kann. Dieser Logik zufolge ist also der drie Teil zuret als Erforsung des ‚Bösen‘ angekündigt. Dies also wären einige der problematis-provokanten Konsequenzen einer Lesart des Akinsen Werkes im Sinne von Rancières und Badious radikal egalitär-demokratisen Geistes, der in seiner Normativität – grenzübersreitend aber nit entgrenzend – die Ethik zurü in die politise Pit nehmen will. Sie legen die Lae ziemli ho und sind in der Tat bei meinem Versu, Kino zwisen ‚(Multi-)Kulturwissensaen‘, ‚Politik‘ und ‚Ethik‘ neu zu positionieren, strenge Lehrmeister. Wie kann man entseiden ob Aytens „Treue zum Ereignis“ (Badiou , ) oder die ihrer Gruppe nit do nur ein anderer Name für ‚Fanatismus‘ ist? Oder: was tun mit der srelien Mat, die das Opfer, sobald es vollen Opferstatus erreit hat, über si und über Andere gewinnt? Wenn wir jedo das Kino, wie Rancière es vors lägt, als große demokratis-nivellierende Kra betraten, die Handlungsmat nit nur der Kamera und den Protagonisten, nit nur dem Auge und dem Bli überlässt, sondern auf das Lebende und das Übersehene, also auf Mensen und Dinge, auf Aktuelles und Virtuelles gleiermaßen überträgt, dann seint die Idee eines fortsrilien und grenzübersreitenden Kinos, das sowohl (ethis) singulär wie (politis) normativ sein kann – kurzum, das dem Film wieder eine Öentlikeit im Sinne sowohl der Kunst als au der Politik geben kann – zumindest denkbar.
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Es würde Fatih Akins Zweifel am Multikulturalismus und seine Hinwendung zur Deterritorialisierung der Spannungen zwisen Europa und dem Islam, sein Austesten der Ethik des Opfers und seine Bemühung um eine Politik, die die Auseinandersetzung mit dem Bösen nit seut, zu dem vielleit interessantesten Projekt des zeitgenössisen europäisen Kinos maen. Ein Kino das, mit anderen Worten, nit so sehr mit dem Tod im Leben experimentiert, sondern si auf dem Weg zu einer für das europäise Kino neuen Möglikeit bendet, nämli eines Kinos der ethisen Handlungsmat (als Gegenpol und Supplement etwa, zum Action-Kino). Die inhärenten Swierigkeiten eines solen Unterfangens könnten bedeuten, dass Akin diesen drien Teil der Trilogie – von ihm angekündigt, von mir imaginiert und fantasiert – nie maen wird. Oder anders gesagt, dass dieses Projekt nun selbst derjenigen Wende zur Ethik unterliegt, derzufolge man dem Leben heute nur dann ‚geret‘ wird, wenn man akzeptiert, dass wir no in der Zeit der Dierenz und der ungleien Matverhältnisse leben und somit unsere Ethik die des unbegrenzten Aufsubs, der diérance, sein muss. Wir, Akins Zusauer, warten also, wie au Neyat am Ende, immer no auf der anderen Seite. Aus dem Englisen von Kirsten Wäter
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Ghost Sounds und die kinematographise Imagination Christian Petzolds Gespenster und Yella Petra Löer
„Wen kümmert’s, wer sprit.“ (Miel Foucault) „Jede Sue ist eine Krise.“ (Maurice Blanot)
Die Stimme als theoretises Objekt: le acousmêtre In den vergangenen Jahrzehnten hat die Stimme einen prominenten Platz sowohl in der Philosophie, in der Literaturtheorie als au in der Filmwissensa erobert (vgl. Chion ; Dolar ; Weigel ). Vor allem Jacques Derrida hat dur seine Kritik am Phonozentrismus der abendländisen Philosophie die akademise Diskussion entseidend geprägt (vgl. Derrida ). Im Gegenzug hat die Literaturtheorie die Stimme als „Pathosformel einer Sri ohne Autor“ (Weigel , ) gefeiert, während die feministise Theorie die weiblie Stimme als phantasmatise Projektion von Autorsa erkannt hat (vgl. Silverman
). Die anhaltende Faszination für die menslie Stimme verdankt si nit zuletzt der Sprengkra der mit ihr verbundenen Vorstellungen von Innerlikeit, Subjektivität und Autorsa. So hat si dem französisen Philosophen Maurice Blanot zufolge die menschliche Stimme als „Organ der subjektiven Innerlichkeit“ (Blanchot , ) von Bedeutungszwang und Repräsentation befreit, nur um „si dem idealen Wahnsinn des Rauses zu überlassen.“ (ebd., ) In diesem Zustand ist sie an kein Subjekt gebunden: Die Stimme, die wortlos sprit, ruhig, dur die Stille des Sreis, ist bestrebt, die Stimme, sei es au die innerste, von niemanden zu sein: Was sprit, wenn die Stimme sprit? Es bendet si nirgendwo, weder in der Natur no in der Kultur, sondern es äußerst si in einem Raum der Verdoppelung, des Eos und der Resonanz, in dem es nit jemand ist, sondern dieser unbekannte Raum – sein verstimmter Akkord, seine Swingung –, der wortlos sprit. (ebd.)
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Was hat es mit diesem wortlos spreenden Raum der Verdoppelung, des Eos und der Resonanz auf si? Was ist es, wenn nit die menslie Stimme, die ohne Worte sprit? Blanots Überlegungen zum „idealen Wahnsinn des Rauses“, der Stimme als Rausen, lassen an Sreie, Tierstimmen und Naturgeräuse denken, die diesen unbekannten Raum bevölkern, zum Swingen und damit erst zum Spreen bringen. Es handelt si also um einen Raum der Stimmen ohne sitbaren Körper jenseits von Innerlikeit und Bedeutungszwang, um den Eoraum einer Verdoppelung von Stimmen und Geräusen, in dem Ghost sounds, Geisterstimmen, ertönen und der erst jene Verstimmung hervorbringt, von der Blanot sprit. Im Folgenden soll untersucht werden, wie dieser akustische Raum körperloser und unsitbarer Stimmen und Geräuse von der kinematographisen Imagination Besitz ergrei, wie diese das Filmbild okkupieren – wie, mit Gilles Deleuze gesproen, die Sono-Zeien die Opto-Zeien in Verwirrung bringen und die kinematographise Imagination dominieren (vgl. Deleuze , ). Für Christian Metz ist das Kino von Anfang an imaginär aufgrund einer primären Verdoppelung, „die stets son stagefunden hat,“ wodur der Signikant „dur seine Abwesenheit anwesend“ ist (Metz , ). Nit von ungefähr wird in Metz’ psyoanalytiser Filmtheorie der Spiegel als Medium des Imaginären par excellence betratet. Gegenüber dem Filmzusauer, der „ganz Auge und ganz Ohr“ (ebd., ) den kinematographisen Signikanten konstituiert, ist dieser Spiegel jedo blind, da er niemals dessen Bild zurüwir. Anders verhält es si mit den gehörten Stimmen und Geräusen. Obwohl das Ohr wie das Auge ein Distanzsinn ist und wie dieses damit bestens Halluzinationen aufsitzt, stellt der multidirektionale Raum der Resonanz, des Eos und der Swingung eine Potenzierung des Spiegels als Reexionsmedium dar, die si – wenn überhaupt – mit den unendlien Spiegelungen eines Kaleidoskops vergleien lässt. Mary Ann Doane hat diese halluzinierende Mat der Stimme über den Raum als akustise Spiegelung verstanden (vgl. Doane ). Die akustisen Reize, die der Film aussendet, erreien den Zusauer, der ja zuglei Zuhörer ist, neben und abseits der Bilder, die er sieht. Sie adressieren und azieren ihn zuglei unterswellig und direkt, indem sie ihn in den artiziellen Resonanzraum einbegreifen, die der Kinosaal um ihn herum aufbaut. Die Stimmen und Geräuse, die dort zu hören sind, resonieren zuglei die Imagination des Filmzusauers. Das Sitbare und das Hörbare können deshalb als zwei Ebenen oder Seiten der kinematographisen Imagination verstanden werden, die dur das Weselspiel von Erseinen und Verswinden, Anwesenheit und Abwesenheit strukturiert wird. Auf diese Weise können rein optis-akustise Bilder ent-
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stehen, die Bilder sind, „ohne Metapher zu sein.“ (Deleuze , ) Christian Petzolds kurz naeinander entstandene Filme Gespenster (D ) und Yella (D ) bieten reili Anlass, die besondere Beziehung zwisen Stimmen bzw. Geräusen und Filmbildern, zwisen Akustisem und Visuellem zu diskutieren. Von Interesse werden besonders sole Situationen bzw. Szenen sein, die einen akustisen Raum saen, der die kinematographise Imagination formt und immer wieder dominiert. Petzolds Film Gespenster erzählt zwei parallele Gesiten von Verlust und Wiederholung, die beide um traumatise Erinnerungen kreisen, die ein ums andere Mal wiederkehren. Es geht einerseits um die unauörlie Sue einer Muer na ihrem verswundenen Kind und andererseits um die Sehnsut einer jungen Frau na Nähe und Zuneigung: Françoises (Marianne Basler) Toter Marie wurde am Tag vor ihrem drien Geburtstag vor einem Supermarkt gekidnappt. Die Muer kann die Ho nung nit aufgeben, dass ihre Toter no am Leben und in Berlin ist, wo das Kind vor vielen Jahren verswunden ist. Wann immer Françoise und ihr Mann Pierre (Aurélien Recoing) dorthin zurükehren, sut sie na einem Gesit oder einem Körperzeien, das ihrer Toter gehören könnte. Sie begegnet bei dieser andauernden Sue Nina (Julia Hummer), die dem Phantombild Maries ähnelt, das Françoise stets bei si trägt und das Marie als Teenager zeigt, der sie milerweile wäre. Diese simulierte Fotograe ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Geisterfotograe – als ephemeres Bild ein Pendant zu den allgegenwärtigen Ghost sounds, um die es im Folgenden gehen soll: Françoise holt sie kein einziges Mal bei ihren Begegnungen mit Nina hervor, die selbst wiederum eine traumatisierte Kindheit hinter si hat. Diese beiden miteinander versränkten, spiegelbildli angelegten Gesiten erzählt der Film brustü ha. Sie ersließen si dem Zusauer erst na und na und keineswegs vorrangig über seine Bilder, sondern vielmehr über das, was er auslässt, über die „Lüe im Aussprebaren“ (Weigel , ), die das prekäre Verhältnis des Traumas zu seiner Erzählbarkeit markiert – also weniger über das, was er (nit) zu sehen, als über das, was er (wie au immer verstimmt) zu hören gibt. Der Film beginnt in medias res, sowohl zeitli als au räumli. Die Kamera bendet si im Inneren eines fahrenden Autos. Wir sehen eine mehrspurige Trasse vor uns, Straßensilder und urbane Aritektur. Ein Mann mileren Alters lenkt den Wagen – es ist Pierre, Françoise Ehemann und Vater der vermissten Marie. Vom Vorspann an ist eine traurige Melodie zu hören, die mit den ersten Bildern des Films in eindringlien Gesang weselt. Dieser Gesang seint aus dem im Wageninneren installierten CD-Player zu kommen. Aber das lässt si nur vermuten, weil die Quelle dieser Stimme unsitbar bleibt. Die Musik stammt aus Johann Sebastian Bas Kantate I hae viel Bekümmernis
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im Herzen ().1 Es handelt si um die symphonise Erönung und die darauf folgende Arie. Zu hören sind daraus besonders zwei Liedzeilen: „Bäe von gesalznen Zähren, / Fluten rausen stets einher.“ Die letzte Zeile wird dreimal wiederholt, und jedes Mal wird der Klagegesang übertönt dur die automatise Stimme des Navigationssystems, die dem Fahrer Anweisungen erteilt. Von der ersten Einstellung des Films an, bevor au nur eine Figur ihre Stimme erhoben und ein Wort gesagt hat, werden wir mit körperlosen und unsitbaren Stimmen konfrontiert – genauer: mit te nis reproduzierten Stimmen, die einen Raum der Verdoppelung, des Eos und der Resonanz bilden. Diese Stimmen ohne Subjekt, deren Ursprung unsitbar bleibt und die zuglei den Raum des Sitbaren okkupieren, lassen si als Ghost sounds, Geisterstimmen im eingeführten Sinne besreiben. Sole aufgezei neten Stimmen von nirgendwo her, Stimmen ohne sitbare Quelle, ohne die körperlie Präsenz eines Spreers hat Miel Chion mit dem Begri akusmatis belegt. In seinem ers ienenen Bu La voix au cinéma erläutert er den Ursprung des arkanen französisen Ausdrus ‚acousmate‘ als Bezeinung für ein Geräus „that is heard without a cause or source being seen.“ (Chion , f.) Chion hat diesen Begri von dem Musikologen Pierre Saeer übernommen, der ihn seinerseits benutzt hat, um die zahlreien unsitbaren Stimmen systematis zu bestimmen, die aus Radios und Telefonen kommen, auf Sallplaen – und CDs und Sound Files, wie man milerweile ergänzen muss – aufgezeinet und gespeiert sind. Außerdem hat Chion den Neologismus acousmêtre geprägt, um die Existenz soler seinbar ursprungslosen Stimmen zu unterstreien. Immer wenn die Person, die wir hören, nit zu sehen ist, obwohl deren Stimme wie alle anderen Geräuse au aus dem Zentrum des Bildes kommt, sprit er vom Akusmatisen (vgl. ebd., , ). Es umfasst sowohl gesletsspezise als au Tierstimmen, natürlie Geräuse ebenso wie tenis aufgezeinete, Sreie und sogar gänzlie Stille. Au die unsitbare künstlie Stimme des Navigators in der Eingangsszene des Films gehört hierher. Sie lässt si mit Chion als „acousmaine“ (ebd., ) bezeinen. Das Akusmatise besitzt damit genau jene Eigensaen von Blanots Eoraum der subjektlosen Stimmen. 1
Bas Kantate führt in Form einer Motee versiedene Stimmen zusammen: Zuerst führt ein Chor in das Thema ein, dann folgt die Arie, gesungen von einer Solostimme, die die Smerzen eines leidenden Herzens in einfae Worte fasst. Der Grund des Leidens ist der Verlust des Glaubens an Go. Der Sänger beklagt, dass Go ihn vergessen hat und no nit einmal seine Klage hört. Ba hat nit nur die Musik komponiert, au die Liedtexte stammen wahrseinli von ihm. Als möglier Autor der Liedtexte wird allerdings au Salomo Fran genannt aufgrund des pietistisen Einusses auf das Liebesdue zwisen der leidenden Seele und Christus.
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Chion hat au behauptet, dass die subjektlosen Geräuse und Stimmen die Oberäe der lmisen Leinwand auf der Sue na einem Ort überqueren und allein dem Kino angehören: „sounds and voices that wander the surface of the screen, awaiting a place to aa to, belong to the cinema and to it alone.“ (ebd., ) Sole Stimmen und Geräuse ohne Körper oder Quelle im Filmbild, Stimmen, die es trotzdem bewohnen, beherrsen und vampirisieren, sind Ghost sounds par excellence (vgl. ebd., ), Formen des Akusmatisen im Sinne Chions. Diese verstimmten Geisterstimmen generieren für den Filmzusauer eine unheimlie Atmosphäre der Desorientierung. Dies gesieht zum Beispiel dur den Klagegesang in der bereits erwähnten Szene von Gespenster. In ihr swingt der traumatise Unterton der lmisen Handlung mit, ohne wirkli gedeutet werden zu können.
Die Stimme des Anderen In seinem Bu hat Chion au darauf hingewiesen, das die Präsenz einer menslien Stimme sofort eine Hierarie der Wahrnehmung etabliert (vgl. ebd., ). Genau das passiert am Anfang von Petzolds Film. Die unsitbare Gesangsstimme okkupiert nit nur den visuellen Raum, sondern die kinematographise Imagination insgesamt. Die Singstimme stülpt den bewegten Bildern einer gewöhnlien Autofahrt eine Atmosphäre unerwarteter und zuglei diuser Gefühle über – Gefühle ohne konkretes Subjekt und konkreten Sauplatz. Was dazu führt, dass si die Wahrnehmung des Filmzusauers auf diese unsitbare Stimme konzentriert. Das liegt mit Chion gesproen daran, dass die Stimme eines (unidentifizierbaren) anderen den Anderen slethin ins Spiel bringt. Und genau das begründet für ihn au die Mat des acousmêtre: Diesem unsitbaren, aber hörbaren Anderen zum Ausdru zu verhelfen.2 Drei Mal ist im Laufe des Films Bas Kantate zu hören; stets diegetis motiviert und immer bleibt ihre Quelle verborgen. Der Filmzusauer hört die Stimme nur, wenn Pierre oder Françoise Auto fahren und dabei Musik hören. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die Aufnahmen im Innern des Wagens einen klassisen Phantom Ride darstellen, die den Filmzusauer 2 Darin sließt Chion an Lacan an, der bekanntli die Stimme als Objekt des Anrufungstriebes identiziert hat, die si an den Anderen ritet und von ihm Antwort erhält: „Dank der Stimme, jenes vom Organ der Rede zurübleibenden Objekts, ist der Andere der Ort, wo es sprit.“ (Müller-Kalkus , ) Dieser Ort ist zuglei phantasmatiser Sitz des eigenen Begehrens.
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in den kinematographisen Raum hineinziehen. Das verdeutlit, dass die akusmatise zuglei eine reisende Stimme ist, wie gleifalls Chion behauptet hat: „It’s as if the voice were wandering along the surface, at once inside and outside, seeking a place to sele.“ (ebd., ) Im Film bendet si demna die akusmatise Stimme weder im Inneren no im Äußeren der kinematograsen Imagination. Im Untersied etwa zur kommentierenden Voice-over ist sie immer mit „einen Fuß im Bild“ (vgl. ebd., ). Sole wandernden Stimmen lassen si in Gespenster überall nden. Die Sreie Tonis (Sabine Timoteo) zum Beispiel, deren Gestalt von Bäumen verdet wird und deshalb kaum zu erkennen ist, unterbreen eine fast idyllis zu nennende Szene am Anfang des Films. Sie loen Nina an, die im Park Müll aufsammeln muss und bei dieser Arbeit dem Filmzusauer vorgestellt wird. Toni und Nina bilden das andere Paar des Films, das Pendant zu Pierre und Françoise, und ihre Wege werden si mehr als einmal kreuzen. Die beiden jungen Frauen benden si im weitläugen Berliner Tiergarten; rausende Bäume und singende Vögel saen eine friedlie Atmosphäre, die dur Tonis Sreie, die von zwei Männern bedrängt wird, empndli gestört wird. Mit dem Erseinen einer menslien Stimme, dem Ertönen eines wortlos spreenden Sreis hat si die gesamte Szene verändert – mit Miel Chion gesproen: „spee, shouts, sighs or whispers, the voice hieraries everything around it.“ (ebd., ) Geisterstimmen bevölkern au Petzolds nästen Film, Yella, der die Ges ite einer jungen Frau vom Augenbli ihres Todes her erzählt. Es geht dabei um einen geseiterten Lebensentwurf, der no einmal durgespielt und gespiegelt wird in der unwahrseinlien Möglikeit eines Neuanfangs. Er wird Yella (Nina Hoss), der Hauptgur des Films, für einen Moment gewährt, da sie zwisen Leben und Tod innehält und die Zeit gewissermaßen stillsteht. Der Film beginnt mit einem Bli aus einem Zugfenster – vorbeiziehende Landsa, Flussauen mit Bäumen, Brüen, die Einfahrt in einen Bahnhof sind zu sehen. Yella sitzt allein in einem Zugabteil und wirkt in si gekehrt. Kurz vor der Einfahrt des Zuges in den Bahnhof taust sie rote Bluse und swarzen Ro gegen Jeans und Pulli. Bluse und Ro wird sie den ganzen Film über bei allen gesälien Terminen tragen, und diese Kleidungsstüe trägt sie au bei dem tödlien Unfall, der si bald darauf ereignen wird. In die Stille dieser Szene, die von keiner mens lien Stimme unterbroen wird, ragt nur das typise intermiierende Raern des Zuges über die Gleisswellen, die fortgesetzten und vielfa gebroenen Sallwellen eines in hoher Geswindigkeit si bewegenden Fahrzeugs. Dieser Sound und die Fahrgeräuse des Autos, das nur wenig später und kurz vor dem tödlien Sturz in den Fluss über das grobe Paster einer Brüe raert, bilden die leit-
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motivis eingesetzten Ghost sounds dieses Films. Zuglei etablieren diese jedem Zug- bzw. Autofahrer bekannten Geräuse das Motiv der Lebensreise, die auf den unvermeidlien Tod zu steuert. Dieses Motiv ist hier auf paradoxe Weise gekoppelt an das Vergessen, das den Tod der Zeit, ihre Auebung bedeutet. Petzolds Film inszeniert diese Auebung als Zeitsleife, er entsprit einem Zeitkristall in Deleuze’ Sinne, in dem das Aktuelle und das Virtuelle si permanent überlagern und austausen: Es sind zwei „versiedenartige, aber ununterseidbare“ (Deleuze , ) Welten, die si in Yella berühren: zwei Lebensentwürfe an zwei versiedenen Orten, die letztli beide zum Seitern verurteilt sind. Was Deleuze über Antonioni gesagt hat, lässt si deshalb au auf Petzolds Film übertragen: „Für Antonioni gibt es nur ronise Krankheit; Chronos ist die Krankheit selbst.“ (ebd., ) In Yella ist es, das zeigen bereits die ersten Einstellungen, auällig nit die menslie Stimme, die zum bevorzugten Agenten des Akusmatisen wird. Hier dominieren künstli verstärkte Naturgeräuse den akustisen Raum, die mehrfa wiederholt werden und si mehr und mehr verselbständigen: Das Rausen von Wasser, das Kräzen von Krähen, das Rausen von Blättern – diese Geräuse begleiten Yella, seit sie auf wundersame Weise aus dem Fluss heraus und ans Ufer gekroen ist, in den ihr verzweifelter Ehemann Ben (Hinnerk Sönemann) den Wagen gesteuert hat, um wenn son nit im Leben, dann wenigstens im Tod mit ihr vereint zu sein. Diese Geräuse sekundieren einander und kehren im Laufe des Films immer wieder. Sie sind Boten, die der kinematographisen Imagination den Weg weisen. Erneut sind sie, ohne direkten Zusammenhang zur Handlung, bei der ersten Verhandlung zu hören, zu der Yella den Manager Philipp (Devid Striesow) begleitet. Dort fällt ihr aus Versehen ein Wasserglas zu Boden, das zerspringt. Das auslaufende Wasser evoziert als akustise Reminiszenz die traumatise Situation des tödlien Unfalls vom Anfang des Films. Au das Vogelgekräze und das Bläerrausen sind wieder zu hören. Diese Geräuse bilden einen eigenständigen akustisen Raum, der die parallelen Filmbilder in den Hintergrund rüt. Sie werden leitmotivis eingesetzt, um an die Unausweilikeit der Katastrophe zu erinnern, die si bereits am Anfang des Films ereignet hat und die Yella seltsamerweise vergessen zu haben seint. Und – das ist entseidend – sie sind nur von ihr selbst zu hören: Das Akusmatise ist in diesem Film ganz dem Raum der subjektiven Innerlikeit zugeordnet, den allein der Filmzusauer mit der Hauptgur teilt. Es entsprit damit der besonderen Zeitstruktur des Films, denn die Zeit ist, das betont Deleuze (mit Bergson), „die Innerlikeit in der wir sind und leben.“ (ebd., ) Außerdem wird dur Ludwig van Beethovens „Adagio sostenuto“ aus der Klaviersonate Nr. , op. , Nr. in Cis-Moll, bekannt unter dem Titel „Mond-
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seinsonate“ ( ), ein melanolis gefärbtes Sehnsutsmotiv eingeführt, das die kinematographise Imagination ebenfalls leitmotivis strukturiert.3 Zusammen mit dem zweiten musikalisen Wiedergänger des Films, dem Popsong „Road to Kairo“, gesungen von Julie Driscoll, önet sie einen akustisen Raum abseits der Diegesis – den Möglikeitsraum des erträumten, gleiwohl nit lebbaren Lebens. Beethovens Sonate erweitert die kinematographise Imagination um die Komponente einer Gegen- oder Traumwelt und zuglei das aktuelle Filmbild um ein virtuelles Spiegelbild. Das Adagio supplementiert die Stummheit der Geister ebenso wie es den ersten Bli vorwegnimmt, den Yella und Philipp tausen werden. Die Klaviermusik gibt ihnen eine Stimme, über die si sonst nit verfügen. Sie erklingt zum ersten Mal, als Yella im Hotelrestaurant zufällig auf den Bildsirm des Laptops eines anderen Gastes saut, Philipp, den sie kurz darauf kennen lernt. Auf ihm ist das Bild einer gigantisen, si am Meeresufer breende Welle zu sehen. Dieses Bild seint sie zu irritieren, eine unbestimmte Erinnerung zu ween. Immer wieder wird das nur wenige Takte umfassende Motiv anges lagen, zum Beispiel wenn Yella im Hotelzimmer sitzt und vergebli versut, per Telefon eine Zugverbindung zu erfragen oder als sie von einer unheimlien Begegnung mit Ben ins Hotel zurükehrt und Philipp dabei beobatet, wie er Geld von einem Kunden annimmt. Das Geld und die Sehnsut na einem anderen Leben werden auf diese Weise miteinander verkoppelt.
Der akusmatise Raum Um die Ghost sounds in ihrer Rolle für die kinematographise Imagination genauer zu arakterisieren, lohnt ein Seitenbli auf Pier Paolo Pasolinis Konzept der „freien indirekten Subjektivität“ (Pasolini ). Die dezentrierten Strukturen der lmisen Aussage in Petzolds Film stehen, so lässt si vermuten, in der Tradition von Pasolinis Kinos der Poesie und seinen Parametern der freien indirekten Subjektivität. Pasolini hat sie als Modus der lmisen Wahrnehmung und Aussage bestimmt, die nit nur die Unterseidung zwisen Subjekt und Objekt, sondern au zwisen Aussagendem und Ausgesagtem kompliziert. Er sprit immer dann von freier indirekter Subjektivität, wenn die Position und die Identität eines Spreers unklar sind. Darin ähnelt sein Konzept Chions De nition des Akusmatisen. Beispiele für diese in3
Der Klaviersonate gab Beethoven den bezei nenden Beinamen „Sonata quasi una fantasia“. Sie gehört zu seinen populärsten Kompositionen und wurde vielfa in Musik und bildender Kunst aufgegrien.
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direkte Form der Adressierung ndet Pasolini unter anderem in den Filmen Michelangelo Antonionis. Nit von ungefähr haben einige Filmkritiker Petzolds Anität zum Kino Antonionis bemerkt und zum Beispiel die Art und Weise dabei im Sinn gehabt, wie Petzold den Wind in den Bäumen oder die typisen Geräuse einer Großstadt zum indirekten Akteur einer Szene mat. Aber Gespenster erinnert darin nit nur an Antonionis Blow up (UK/I/USA
). Es gibt weitere Spuren, denen zu folgen lohnt. In Antonionis Tetralogia dei sentimenti, zu der die Filme L’avventura (Die mit der Liebe spielen, I/F ), La noe (Die Nat, I/F ), L’eclisse (Liebe , I/F ) und Il deserto rosso (Die Rote Wüste, I/F ) gehören, werden o mensenleere urbane Umgebungen gezeigt, die die Einsamkeit des modernen Subjekts unterstreien sollen. Gilles Deleuze hebt Antonionis „Behandlung von Grenzsituationen“ hervor, „die bis zu mensenleeren Landsaen und entleerten Räumen vordringt, von denen man sagen kann, sie häen die Figuren und Handlungen in si absorbiert, um nur no eine geophysikalise Bes reibung, eine abstrakte Bestandsaufnahme übrigzubehalten.“ (Deleuze , ) Diese abstrakten Seings werden jedo sehr o bevölkert von akusmatisen Geisterstimmen wie Bläerrausen oder Großstadtlärm – Geräusen, die das lmise Bild okkupieren und vampirisieren. In Filmen wie La noe oder L’eclisse wird die Einsamkeit evozierende moderne Aritektur als melodramatiser Aussagemodus verwendet und dur die unheimlien gespensterhaen Stimmen von nirgendwo verstärkt. Auch für Petzold ist die deutsche Hauptstadt ein idealer Ort für seine Ges iten über einen traumatisen Verlust, weil Berlin, ehemals weltges itlie Arena des . Jahrhunderts, mehr und mehr ein postmoderner Themenpark geworden ist. Das hat damit zu tun, dass si die Aritektur der Großstädte der westlien Welt mehr und mehr angleit; besonders großstädtise Funktionsgebäude besitzen kein individuelles Gesit und sind damit austausbar geworden. Petzold interessiert si gerade für diese gesitslosen urbanen Unorte, für das Niemandsland zwisen den touristisen Sehenswürdigkeiten. Deshalb hat er in Gespenster nit die Wahrzeien Berlins zwisen Alexanderplatz und Potsdamer Platz gelmt, sondern stadessen urbane Sauplätze, die mit Sierheit in jeder westlien Großstadt zu nden sind wie öentlie Parks, Einkaufszentren oder die wieder erkennbare Aritektur internationaler Hotelunternehmen. Für die kinematographise Imagination der Metropole als eines gesitslosen Ortes, der seine Gesite verdrängt, spielen Ghost sounds eine witige Rolle. Sie unterstreien, kommentieren oder untergraben deren visuelle Repräsentation. Ein soles Zusammenspiel von Visuellem und Akustisem, von urbaner Szenerie und Ghost sounds kann au in Gespenster beobatet
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werden, etwa in der Szene, in der Bas Kantate zum zweiten Mal zu hören ist. Wieder sehen wir eine Autofahrt; diesmal sitzen Pierre und Françoise gemeinsam im Wagen und fahren am Berliner Tiergarten entlang (und an Toni und Nina vorbei, die am Straßenrand in einem Café sitzen). Sie möte Musik hören, und wiederum ist ein symphoniser Abs ni aus Bas Kantate zu hören. Das Paar weselt nur wenige Worte miteinander, die Szene wird vollständig von der Spannung zwisen Filmbildern und Musik geprägt: ihre von hinten gelmten Köpfe, von denen jeweils nur ein Teil des Gesits zu sehen ist, die kaum merklien mimisen Bewegungen und sließli Françoises Geste, mit der sie ihren Kopf von den Worten „je suis desolée“ begleitet auf Pierres Sulter sinken lässt – diese minimalen Handlungen werden dur die leitmotivis eingesetzte Bakantate in einen akustisen Raum der Verdoppelung, der Resonanz und der Spiegelung gestellt, der die Szene in eine Atmosphäre tiefster Traurigkeit und Verzweiung taut. Die Musik überformt und dominiert hier das Visuelle auf bestimmende Weise. Sie spiegelt das Visuelle nit nur, sondern vampirisiert den visuellen Raum im Dienst der kinematographisen Imagination. Gleizeitig wird das Trauma als stets anwesendes vorgeführt, als Grundton, als verstimmter Akkord, der alle anderen Ausdrusebenen überlagert und dadur die traumatise Vergangenheit als Eo, als Nahall hervortreten lässt. Die Verbindung von Visuellem und Akustisem setzt Petzold in seinem nafolgenden Spiellm Yella fort. Die Sauplätze des Films sind zwei Städte im mieldeutsen Niemandsland, diesseits und jenseits der ehemaligen innerdeutsen Grenze: Wienberge an der Elbe und Hannover. Die Städte könnten versiedener kaum sein – eine veraltete, ruinöse Industrielandsa hier und aritektonis ho moderne Wirtsasgebäude da. Eine Verbindung zwisen diesen beiden Städten besteht allein dur Warenverkehr und Verkehrsnetze: „Es sind ja nur zwei Stunden,“ sagt Yella zu ihrem Vater, bevor sie na Hannover und damit zu einem neuen Job und einem vermeintli neuen Leben aurit. Do es kommt anders. Sie fährt mit Ben in den Tod. Als Wiedergängerin ihrer selbst besteigt sie den Zug, wo sie nit einmal der Sa ner zu bemerken seint. Als sie in Hannover aus dem stehenden Zug aussteigt, liegen bereits gefüllte Müllsäe auf den Gängen, die wie ihre Bluse rot sind. Dort wird sie abrupt in die beklemmende Enge der Aritektur von Hoteluren und in die nüterne Atmosphäre modernistis eingeriteter Chefetagen versetzt. Hauptsä li in solen unbehausten Räumen spielt si Yellas Ges ite ab. Selbst die wenigen privaten Räume, die im Film vorkommen, wirken seltsam unbewohnt. Die Tristesse des alten Ostens und die Anonymität des alten Westens stehen nebeneinander in gegenseitiger stummer Anklage. Sie unterstreien die Kulissenhaigkeit der Aritektur
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in Petzolds Film, von der si die Flussauen als romantises Gegenbild von Landsa abheben. Die idyllise Flusslandsa steht wiederum mit dem geisterhaen Bläerrausen und Vogelgekräze in trauter Verbindung. Dazu passt, dass Yella auällig bezugslos zu ihrer Umgebung ist. Sie dursreitet die Räume, ohne sie tatsäli wahrzunehmen. Darin wie in ihrem zuglei automatenhaen wie swerelosen Gang kann man einen Hinweis auf ihre Phantom-Existenz erkennen.
Die Stimme des Traumas Ein witiger Aspekt der Handlungen von Gespenster wie von Yella ist bisher übergangen worden. Während ihrer verzweifelten Sue na Marie begegnet Françoise, wie bereits erwähnt, Nina und ist einmal mehr sofort überzeugt, ihre verlorene Toter wieder gefunden zu haben. Nit nur ähnelt Nina dem Phantomfoto von Marie, das sie stets bei si trägt, sie verfügt au über die gleie Narbe an ihrem Knöel. Allerdings bezeugen sole seinbar aussagekrä ige Zeien nit unbedingt die Wahrheit, wie der Zusauer am Ende des Films erfährt. Traumata besitzen, wie Sigmund Freud in Jenseits des Lustprinzips ( ) erklärt hat, keinen xierbaren Symptomkomplex. Deshalb können sie stets ihren Ausdrusmodus ändern. Denno unterhalten besonders die unsitbaren Stimmen eine besondere Beziehung zum Trauma. Für Roland Barthes stellt der „Körper der singenden Stimme“ (Barthes , ) selbst einen Resonanzraum dar, in dem si das Symbolise ausbreiten kann. Die unsitbaren Stimmen in Gespenster bleiben denno Ghost sounds, Phantomstimmen, die auf eine traumatise Erfahrung verweisen. Denn gerade diese Stimmen ohne sitbaren Körper oder Quelle im Bild adressieren den traumatisen Hintergrund des Films in bezeinender Weise. Nit von ungefähr behauptet die Stimme einen spezisen Ort in der Traumatheorie. Dort wird sie zum „gespenstigen, unmielbaren, spreenden Zeugnis einer Wunde und eines Wissens“ und bezeugt „zuglei die Wahrheit der traumatisen Erfahrung wie die Unverfügbarkeit dieser Wahrheit.“ (Erdle , ) Wie Cathy Caruth in ihrem Buch Unclaimed Experience argumentiert hat, „it is always the story of a wound that cries out, that addresses us in the aempt to tell us of a reality or truth that is not otherwise available.“ (Caruth , ) In Petzolds Film steht das Motiv der unsitbaren Wunde stets im Zusammenhang mit den Ghost sounds, allem voran mit der unsitbaren Stimme des Sängers der Bakantate und mit all den anderen Geisterstimmen ohne sitbare Quelle. Deshalb seint es zu einfa, die Narbe an Ninas Ferse, die dem Zusauer in einer Szene des Films tatsäli gezeigt wird, mit dieser
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traumatisen Wunde zu identizieren oder die sitbare Narbe als Supplement einer inneren, unsitbar bleibenden Wunde zu betraten. Stadessen kann die Adresse der unsichtbaren Stimme gelesen werden, wie Caruth in einem anderen Zusammenhang argumentiert hat, „not as a story of the individual in relation to the events of his own past, but as the story of the way in which one’s own trauma may lead, therefore, to the encounter with another, through the very possibility and surprise of listening to another’s wound.“ (ebd., ) Insofern bewohnen, okkupieren oder vampirisieren Ghost sounds, Geisterstimmen, nit nur die kinematographise Imagination im Ganzen, sie adressieren die Filmzusauer au in einer Weise, die sie zum Teilnehmer an einer Talking cure mat. Gleizeitig erhält Ninas eigens Trauma, die leiblien Eltern nit zu kennen und bei Pegefamilien und im Heim aufgewasen zu sein, erst dur die Begegnung mit Françoise einen Ort in der Erzählung. Nit nur deshalb kann ihre Ges ite als verzerrtes Spiegelbild von Françoises Trauma betratet werden. Diese Spiegelbildlikeit, die Versränkung der beiden individuellen Ges iten von Nina und Françoise stellt ein Grundprinzip der kinematographisen Imagination aus. Dabei geht es jedo nur vordergründig um individuelle Traumata. Die politise Dimension des Films liegt genau darin, dass er das individuelle Trauma mit dem kollektiven Trauma des Verlusts von Gesite vereint. Wie Caruth herausstellt, „history is precisely the way we are implicated in each other’s traumas.“ (ebd., ) Auf diese Weise kommt das Deutsland des neuen Jahrtausends do als Ort von Gesite sowohl in Gespenster wie au in Yella ins Spiel: Nit von ungefähr rausen Städte wie Berlin, Hannover oder Wienberge bustäbli in diesen beiden Filmen vorbei und erseinen gerade in dieser Flütigkeit als Sauplatz traumatiser gesitlier Ereignisse wie als Ort von Gesitsverdrängung. Gleizeitig kompliziert in Gespenster das Paradox, eine Wunde zu hören, die Beziehung zwisen dem Sitbaren und dem Hörbaren. Dies lässt si an der drien und letzten Szene sehen, in der Bas Kantate I hae viel Bekümmernis im Herzen zu hören ist. In dieser Szene fährt Françoise allein dur das nätlie Berlin und sut, sier nit zum ersten und ebenso sier nit zu letzten Mal, den Sauplatz des traumatisen Erlebnisses auf. Während der Fahrt zu jenem Berliner Supermarkt, vor dem sie ihr Kind dur einen Moment der Unaufmerksamkeit verloren hat, ertönen wiederum die beiden Zeilen der Arie, die bereits Pierres Autofahrt in der Anfangssequenz des Films einen eindringlien akustisen Rahmen verliehen haen: „Bäe von gesalznen Zähren, / Fluten rausen stets einher.“ Diese wenigen gesungenen Worte spreen aus, was der Film kaum andeutet: Die Tränen, die dort gerade nit ießen, werden hier reili vergossen und bilden ein Eo des unaussprebaren Traumas.
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Diesmal hat si der visuelle Raum jedo deutli versoben. Der Grund des Traumas von Pierre und Françoise wird auf eine Weise ins Bild gesetzt, die vom eingeführten Darstellungsmodus eindeutig abstit. Das Soerlebnis wird für den Zusauer sitbar gemat dur die unsarfen SwarzWeiß-Bilder einer Überwaungskamera, die das Kidnapping eines Kindes zeigen. Damit weselt der ktionale Film nit nur seine Bildästhetik, sondern zuglei au sein epistemologises Register. Denn es handelt si bei den Aufnahmen einer Überwaungskamera um Bilder mit Wahrheitsanspru, um die vermeintlie Aufzei nung von Realität, die ohne jeglie authentizierende Instanz in die lmise Fiktion eingefügt wird, aber zuglei ihre prekäre Andersheit behält. Es ist swer zu entseiden, ob diese indexikalisen, Evidenz beanspruenden Videobilder innerhalb oder außerhalb der Diegesis, innerhalb oder außerhalb des lmisen Raums angesiedelt werden müssen. Sie können wie die Ghost sounds am besten im Zwisenrei der kinematographisen Imagination verortet werden. Dass die Bakantate an dieser Stelle wiederum zu hören ist, lässt si als Beleg dafür anführen. Auch in Yella werden Bilder aus einer Überwachungskamera eingefügt und damit eine andere Art der Realitätskonstruktion zitiert. Sie ist hier über einem Banksalter installiert und zei net auf, wie Yella Einzahlungen für Philipp tätigt. Einmal mehr wird die Überwaungskamera als absolutes, allwissendes Auge in Szene gesetzt. Die im Film platzierten ephemeren Bilder aus dem Innenraum einer Bank unterbreen gezielt die Endlossleife der Bildaufzei nung. Sie nehmen die Perspektive eines subjektlosen Apparateblis ein, der den Blipunkt der Filmkamera spiegelt. Diese Versiebung der Perspektive irritiert ebenso wie die Ghost sounds. Die Hauptgur des Films erseint in diesen Bildern als Wiedergängerin ihrer selbst, als unwirklie Phantom-Gestalt im Spiegelkabine ihrer visuellen Verdoppelung. In mehr als einer Hinsit lässt si Petzolds Film deshalb als Thesenlm verstehen. Er stellt ein Gedankenexperiment mit vorher bestimmtem Ausgang dar, das mit den optisen und akustisen Mieln des Films durgeführt wird. Der Film spielt die Möglikeit eines anderen, vermeintli besseren Lebens dur, das jedo in dieselben Aporien führt und ebenfalls katastrophal endet. Er ist nit umsonst angesiedelt in einem Zwisenberei zwisen Leben und Tod und handelt von Geistergespräen am Telefon und Begegnungen mit Wiedergängern im Geiste. Der Realismus des Films seint in dieser Perspektive nits anderes als ein Gedankenspiel seiner Heldin zu sein. Damit hält er zuglei der Unwirklikeit einer Gesellsa den Zerrspiegel vor, deren ökonomise Grundlagen auf Betrug und Protmaximierung beruhen. Yellas unausgesproenes Trauma ist das eines falsen Lebens, das si au in der geträumten Welt nit zu
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einem ritigen ummünzen lässt: Ihr Ausbru aus der Unvermeidlikeit der Katastrophe ist deshalb alles andere als ein Auru in ein anderes Leben. Sie begibt si vielmehr auf eine Reise, deren Stationen ihr bisheriges Leben widerspiegeln und deren Ende bereits feststeht. Yella bendet si in einer Wiederholungssleife, aus der kein Weg hinausführt – nit von ungefähr erseint sie in den Augen des Regisseurs als Beobaterin ihrer eigenen Ges ite; sie träumt und sieht si zuglei träumen. Nur als ihr eigener Doppelgänger gelingt Yella dieses Kunststü.
Resonanzen, Wiederholungen, Kreisläufe Yella reinszeniert das Trauma eines verpfuschten Lebens durch eine spiegelbildlie Wiederholung des nit gelebten Traums. Die spezise kinematographise, im engeren Sinne melodramatise Signatur des Traumas besteht in solen Verdoppelungen, Spiegelungen, Resonanzen auf visueller wie akustiser Ebene. Petzolds Film wimmelt nur so von Wiederholungen und Verdoppelungen: angefangen vom Rot von Bens wie von Philipps Auto, über die Businessanzüge der beiden Männer, bis hin zu den wiederkehrenden Naturgeräusen. Immer wieder ist das Rausen von Wasser, das Kräzen der Rabenvögel, das Rausen von Bläern zu hören. Au die Bilder der Überwaungskamera spiegeln nur eine Handlung, die vorher aus anderer Perspektive gezeigt wurde. Kein Zufall ist sier au die Symmetrie der Zahlen: Ben braut, um seine Firma vor dem Bankro zu bewahren, . Euro – exakt diese Summe bendet si in dem Briefumslag, den Yella von Philipp erhält und die sie ihm heimli sien will. Merkwürdig ist ebenfalls die zweifae Begegnung Yellas mit der Familie eines wohlhabenden Unternehmers (Burghart Klaußner) an zwei unters iedlien Orten der Handlung. Zuerst tri Yella auf den misstrauisen Bli seiner Frau (Barbara Auer), als sie dur Hannover geht, dann no einmal kurz vor Ende des Films in Dessau, als sie versut, ihren Mann zu erpressen, der si darauin umbringen wird – beide Male trägt sie das gleie bodenlange Gewand. In diesen beiden Szenen tri Yella als Eindringling, als Todesbote in Erseinung, der sie als Wiedergängerin ja au ist. Trotz der auälligen Gemeinsamkeiten der beiden Filme funktioniert Yella so ganz anders als Gespenster. Warum? Yella konzentriert si viel mehr als Gespenster auf eine einzige Figur und deren Beziehungen zu Realität und Traum, zu tatsälien und möglien Ereignissen. Alle Figuren sind hier eindeutig der Titel gebenden Heldin des Films zugeordnet, sind nur Figuren dur die Beziehung zu ihr, während in Gespenster zwei Paare zufällig und in weseln-
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den Konstellationen aufeinander treen und si au wieder aus den Augen verlieren. So gesehen erseint Yella als ein einziges Spiegelkabine. Es geht auss ließli um ihre Beziehungen zu den Männern in ihrem Leben: dem Vater, dem Ehemann, von dem sie si getrennt hat, dem Arbeitgeber, dem Partner und Geliebten und das Seitern dieser Beziehungsmöglikeiten. Alle diese emotionalen Beziehungen kreisen um die Themen Vertrauen, Liebe, Erfolg und vor allem um Geld, das oensitli ihre ökonomise Grundlage darstellt. Gefühle haben wie Geld für Yella einen Tauswert, der ebenfalls plötzlien Swankungen und Einbrüen unterworfen ist. Selbst ihr Vater drüt seine Zuneigung dadur aus, dass er ihr heimli ein Bündel von Geldnoten zustet. Ihre Beziehungen zu Ben und Philipp werden davon dominiert, Yella betratet sie als Investitionen in die eigene Zukun. Um Philipp das fehlende Geld für eine Gewinn bringende Anlage zu versaen, sret sie nit mal vor Betrug und Erpressung zurü. Diese Ökonomisierung der Liebe mat sie zu einem riskanten Spiel, an dessen Ende der Tod des Spielers steht, der einen zu hohen Einsatz gewagt hat. Bereits in Gepenster wird diese Sisalsmat des Geldes angedeutet. Nit nur bestiehlt Toni Françoise, au Pierre stet auf Wuns seiner Frau Nina einige Geldseine zu, als diese endli glaubt, in ihr ihre Muer gefunden zu haben. Geld und Zeit gehören zusammen: Zeit ist Geld und Geld ist Zeit. Dies tri nit zuletzt auf die Produktion von Filmen selbst zu. Gilles Deleuze hat deren Tausbeziehungen in seinen Ausführungen über die Zeitkristalle besrieben (vgl. Deleuze , f.). Au in Petzolds Filmen lassen si sole Kreisläufe beobaten, die si (mehr oder weniger) sließen. Yella sitzt am Ende des Films in einem Taxi, das sie an den Anfang ihrer Ges ite und ihren Tod zurübringt. Über Funk meldet si mehrfa die Taxizentrale – au diese knisternde Stimme gehört zu den Ghost sounds, die unerbili das Trauma wieder heraueswören und die Filmbilder vampirisieren: Yellas Kopf sinkt auf das Polster, sie beginnt zu weinen. Das Taxi raert über Kopfsteinpaster und die Erinnerung an den tödlien Unfall kehrt zurü. Au Gespenster weist allein son dur seine unterswellige Thematisierung traumatiser Erlebnisse eine zirkuläre Struktur auf, ist aber letztli dur seine oene Zeitperspektive weniger geslossen: Françoise und Pierre verlassen die Stadt und Nina bleibt allein zurü. In die (Todes-)Stille hinein ragen bei beiden Filmen jene Ghost sounds, die über deren gesamte Dauer einen eigenen Resonanzraum erritet haben: Bas Kantate bzw. Beethovens Sonate begleiten den jeweiligen Abspann und verlängern die kinematographise Imagination über die Filmhandlung hinaus in jenen Raum, in dem der Filmzusauer no immer sitzt und der langsam aus dem Dunkel des Kinos auaut.
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Stillstand in Bewegung Raum, Zeit und die Freiheit des Zusauers in Thomas Arlsans Der söne Tag und Angela Sanelecs Mein langsames Leben Thomas Si
In den letzten Jahren seint eine Art ‚Renaissance‘ des deutsen Films eingesetzt zu haben: Caroline Links Nirgendwo in Afrika (D ) und Florian Henel von Donnersmars Das Leben der Anderen (D ) gewannen den Oscar als „Bester fremdspraiger Film“. Zusätzli waren Oliver Hirsbiegels Der Untergang (D/I/A ) und Sophie Soll – Die letzten Tage (D ) von Marc Rothemund für diesen wohl witigsten internationalen Filmpreis nominiert. Gemeinsam ist diesen Filmen, dass sie si weniger mit der Gegenwart Deutslands auseinandersetzen, als vielmehr mit Themen aus der deutsen Gesite und dies auf eine Art und Weise, die au für ein internationales Publikum araktiv ist. Der deutse Film ist also wieder erfolgrei, au international – Jahrzehnte na der letzten ‚Renaissance‘ anlässli des „Neuen Deutsen Films“ in den er Jahren mit Regisseuren wie Rainer Werner Fassbinder, Edgar Reitz oder Alexander Kluge. Parallel zu dieser Entwilung maten jedo au einige junge deutse Filmemaer von si reden, die der so genannten „Berliner Sule“ zugeordnet werden und die in ihrer lmisen Arbeit und in ihrer Auassung von Film als Kunst wesentli radikalere Wege gehen als die Regisseure der oben erwähnten Oscar-gekrönten oder -nominierten Filme. Als Begründer dieser ‚Sule‘ werden meist Thomas Arslan, Angela Sanelec und Christian Petzold angeführt. Während der er Jahre haben sie gemeinsam an der d in Berlin studiert und später ihre ersten Filme wie etwa Das Glü meiner Swester (D , Angela Sanelec), Die innere Si erheit (D , Christian Petzold) oder Geswister – Kardesler (D , Thomas Arslan) realisiert. Milerweile werden au Filmemaer wie Christoph Hohäusler, Benjamin Heisenberg, Henner Winler oder Valeska Griseba zur Berliner Sule gezählt. Sie haben zwar nit in Berlin studiert, viele von ihnen arbeiten jedo in dieser Stadt und zahlreie ihrer Filme entstanden in und um Berlin. Dabei setzen si die Filme nit mit gesitlien Themen, sondern mit dem Hier und Jetzt, dem
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Zustand der zeitgenössisen deutsen Gesellsa auseinander. So stellt Rüdiger Susland bezügli der „Haltung“ der Filme der Berliner Sule fest: Tastend und oen nähert sie si der Jetztzeit in Deutsland und dem Lebensgefühl einer uneingestandenen Angst vor der Nähe und der Wirklikeit. Krise und Tristesse, Zukunsangst und Kälte stehen der Glüssehnsut der Mensen gegenüber. Sole Zustandsbesreibungen eines Lebens in der Krise, von Zwisenexistenzen in der Einsamkeit, werden symbolha verditet. Themen der Filme sind durweg Verhältnisse von Generationen: Familien, Freunde, Gesellsa. Hier ist der Ort, wo Politik aufseint – wer darunter große Entwürfe, Utopien gar, versteht, wird nit befriedigt. Gesellsalie Stimmungen spiegeln si atmosphäris um so deutlier in den privaten Gesiten. (Susland )
Die Werke der Berliner Sule sind also weder oen politis no beziehen sie eindeutig politis Stellung, denno swingt in ihren Themen und ihrer spezisen Art zu erzählen die Kritik an Missständen in der zeitgenössisen deutsen Gesellsa mit. Diese Kritik ist in die Darstellung seinbar alltäglier Ereignisse eingebeet: Mensen bewegen si dur Städte, Beziehungen entstehen und zerbreen, Familientreen nden sta, dramatise Höhepunkte fehlen dabei jedo meist. Susland arakterisiert diese Konzentration der Filme der Berliner Sule auf das Alltagsgesehen folgendermaßen: „Man saut den Mensen beim Leben zu. Es ist zumeist nits Besonderes oder Ungewöhnlies, was da passiert. Entseidender als das, was passiert, ist, ‚wie‘ es passiert.“ (ebd.) Dieses ‚wie‘ und die spezisen Gestaltung dieses ‚wies‘ soll anhand von Thomas Arslans Der söne Tag (D ) und Angela Sanelecs Mein langsames Leben (D ) im Folgenden näher beleutet werden. In beide Filmen stehen die von Susland angeführte Glüssehnsut, das Leben in der Krise und die Erfahrung von Einsamkeit im Mielpunkt. Sie widmen si somit den Ängsten, Konikten und Problemen, die, wie Ulri Be und Elisabeth Be-Gernsheim zeigen, eng mit Veränderungen in der modernen Gesellsa verbunden sind: Mit dem Übergang zur modernen Gesellsa kommen dann auf vielen Ebenen Entwilungen auf, die eine weitreende Individualisierung einleiten, eine Herauslösung des Mensen aus traditionell gewa senen Bindungen, Glaubenssystemen und Sozialbeziehungen. Damit verbunden sind neue Formen des Lebenslaufs, auf der sozialstrukturellen Ebene neue Mögli keiten wie Anforderungen, auf subjektiver Ebene neue Denk- und Verhaltensweisen. (Be/BeGernsheim ,
)
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Diese „Herauslösung“ hat na Be und Be Gernsheim einerseits zwar die Befreiung von Kontrollen und Zwängen zur Folge, andererseits verswinden aber au Bedingungen, die den Mensen früher Halt und Sierheit gegeben haben. Au wenn si der Lebensstandard verbessert hat, der Zugang zur Bildung erleitert wurde und daher nit mehr der „täglie Kampf ums Überleben“ (ebd.,
) die Lebensführung bestimmt, so haben si do neue Fragen ergeben: Die Folge soler sozialstruktureller Veränderungen ist, daß zum ersten Mal für breite Gruppen Fragen auommen können, die über die unmielbare Existenzsierung hinausreien. Gerade da, wo das Dasein von materiellen Zwängen einigermaßen entlastet ist, können Fragen na dem Sinn dieses Daseins, na dem Sinn des eigenen Tuns eine neue drängende Kra entfalten. Es sind die alten philosophisen Themen, jetzt in die private Lebenswelt eindringend: Wer bin i? Woher komme i? Wohin gehe i? Sie bringen neue Herausforderungen – aber au neue Formen der Belastung, ja der Überlastung. (ebd., Herv. i. O.)
Aus diesen Entwilungen ergebe si letztli „ein tiefgreifender Verlust an innerer Stabilität.“ (ebd., ) Arslans Der söne Tag und Sanelecs Mein langsames Leben thematisieren diesen Verlust an innerer Stabilität, der in ihren Filmen mit der andauernden Sue der Protagonisten na Liebe, Geborgenheit und verlässlien sozialen Bindungen einher geht. Die Darstellung dieser Sue bewegt si dabei bei beiden Filme „jenseits der gängigen Überwältigungsdramaturgien.“ (Gansera , ) Dies bedeutet, dass sowohl Arslan als au Sanelec nit na ‚klassisen Mustern‘ erzählen. Stadessen bevorzugen sie eine episodise, elliptise Erzählweise, die o keine klaren Ursaen und aus ihnen folgende Wirkungen oder zielorientiert handelnde Figuren erkennen lässt. Auf die Frage na ihrer Art und Weise, Leben im Film darzustellen, antwortet Angela Sanelec etwa in einem Interview: Die klassise Dramaturgie hat mit dem Leben überhaupt nits zu tun. Ausgangspunkt sind nit die Personen auf der Leinwand, sondern die Zusauer. Oder das, was „bewegen“ könnte. Mi interessiert eher, wie si Personen bewegen, wie Dinge aufeinander folgen, wie unerwartet das ist. Das Leben ist ja wirkli unabsehbar und i nde es sön, wenn das im Film au so ist. (zit. n. Ganz , )
Auallend an Sanelecs Äußerung ist die Betonung der Bewegung in ihren Filmen und ihre Ausritung auf den Zusauer. Au Arslan stellt in Bezug
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auf seinen Film Der söne Tag (D ) seine Vorliebe für Bewegung heraus: „Mir gefällt es zu zeigen, wie si jemand von einem Ort zum anderen bewegt. Die Wege sind keine tote Zeit.“ (zit. n. Seidel ) Dabei berüsitigt Arslan ebenfalls den Zusauer: „Beim Filmemaen stellt si immer die Frage, wie man Lebendigkeit ästhetis herstellt. Dieser künstlie Prozess funktioniert für mi nit, indem i das ‚pralle Leben‘ vor der Kamera standen lasse, sondern indem i etwas Vergleibares beim Publikum auslöse. Dabei muss man dem Zusauer einen Spielraum lassen.“ (zit. n. Hani ) Arslans und Sanelecs Ausführungen sind besonders dann verwunderli, wenn man bedenkt, dass mit den Filmen der Berliner Sule meist Stillstand, Langsamkeit, Ereignislosigkeit und fehlende Bewegung verbunden werden, nit zuletzt gerade deshalb, weil sie si konventionellen, dem Großteil der Rezipienten vertrauten Erzähl- und Gestaltungsweisen widersetzen. Dadur ergibt si aus den Filmen zweifelsohne das Potential, sowohl die Zusauer als au die Filmkritik zu provozieren und zu polarisieren. So beritet Silvia Hallensleben in ihrem Artikel mit dem bezeinenden Titel „Stillstand“: Als Sanelecs zweiter Langspiel lm „Plätze in Städten“ vor drei Jahren im Forum der Berlinale Premiere hae, kote die Stimmung im Saal aggressiv ho, als die Regisseurin si na der Vorführung den Fragen stellte. Der Vorwurf: die Filmemaerin sikaniere das Publikum. Die Tatwae: Langsamkeit. (Hallensleben )
Vordergründig betratet herrst in ihren Filmen au o Stillstand – wenn man Stillstand hier mit einer langsamen, dramaturgis spannungsarmen Erzählweise mit nur ansatzweise oen ausgetragenen Konikten gleisetzen will. Bei genauerer Betratung stellt si jedo heraus, dass genau dur diesen vordergründigen Stillstand, der „Tatwae: Langsamkeit“, intensive Bewegungen entstehen können: Sowohl auf der Leinwand als au beim Zusauer. Diesen ‚Bewegungen‘, die eng mit der Frage verbunden sind, wie die Filmemaer mit dem lmisen Raum umgehen und wele stilistisen Miel sie in ihren Filmen einsetzen, soll anhand von Sanelecs Mein langsames Leben und Arslans Der söne Tag nagegangen werden. Son die oben angeführten Zitate von Arslan und Sanelec deuten darauf hin, dass es si dabei um versiedene Arten von Bewegung handeln kann: Von der Bewegung der Figuren dur einen topographisen Raum über Bewegung im Innenleben der Figuren bis hin zur Bewegung in der Wahrnehmung des Zusauers. Die Betratung von Mein langsames Leben und Der söne Tag als exemplarise Beispiele bietet si hierbei aus mehreren Gründen an. Wie bereits erwähnt behandeln die Filme ähnlie Themenbereie, die au arakteristis für
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viele Werke der Berliner Sule sind. Des Weiteren kamen beide Filme fast zeitglei in die Kinos. Daher werden in einigen Kritiken Bezüge zwisen ihnen hergestellt. Nit zuletzt wurde au der Begri „Berliner Sule“ in Rezensionen zu diesen beiden Filme geprägt. So sreibt Merten Worthmann in seiner Bespreung von Mein langsames Leben in der Zeit: Die Liebe zur Ellipse und den Hang zum Abstandhalten teilt Angela Sanelec mit ihren Kollegen Christian Petzold und Thomas Arslan. […] Wer die Filme dieser „Berliner Sule“ sieht, kann darin einen ganz ähnlien Umgang mit Raum und Zeit bemerken. In den Bildern seint, trotz unters iedlier Kameraleute, das gleie Lit zu herrsen – eine Art nüternes, do intensives Leuten. Und au der Bli auf die eigenen Stoe ist vergleibar; aus ihm ist alle Behauptung gewien und in Beobatung verwandelt. (Worthmann a)
Worthmann betont hier also die Gemeinsamkeiten der Werke der Berliner Sule, die er vor allem an einem arakteristisen Filmstil und einer spezisen Haltung gegenüber ihren Gegenständen festmat.1
Ästhetik der Reduktion Gewisse gemeinsame Interessen und Überzeugungen der Filmemaer sind sierli nit von der Hand zu weisen, au wenn kein Manifest verfasst wurde, kein explizites Gruppenbewusstsein besteht und der Begri „Berliner Sule“ nit von den Maern selbst, sondern von der Filmkritik geprägt wurde. Susland dierenziert einige der gemeinsamen Merkmale weiter aus: „Diese Filme zeinen si dur eine Ästhetik der Reduktion aus, dur visuelle Disziplin, Nüternheit, kühle, dabei überaus sorgfältige Beobatung. Es sind o lange Einstellungen, die ihren Figuren Raum geben, Aufmerksamkeit särfen, wie von selbst für Spannung sorgen.“ (Susland ) Susland sprit damit einige Aspekte an, die im Folgenden genauer untersut werden sollen und direkt im Zusammenhang mit der Erfahrung von Stillstand und Bewegung bei der Rezeption von Mein langsames Leben und Der söne Tag ste-
1 Meist wird jedo Rainer Gansera als Urheber des Begris angeführt. In seinem etwa vier Woen na Worthmanns Kritik ersienen Artikel zu Arslans Der Söne Tag bezieht si Gansera auf die gleien Filmemaer: „Immer deutlier zei net si so etwas wie eine Berliner Sule ab, der Thomas Arslan, Angela Sanelec und Christian Petzold zugehören. Gerade jetzt, wo die drei dabei sind, ihre Eigenheiten auszuformulieren, werden au ihre Gemeinsamkeiten deutlier sitbar.“ (Gansera )
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hen: Eine Ästhetik der Reduktion, die sorgfältige Beobatung und die Särfung der Aufmerksamkeit. Dabei sind es unter anderem diese von Susland genannten gemeinsamen Merkmale, die, gepaart mit der si aus ihnen ergebenden ungewöhnlien Erzählweise, dazu beitragen, dass die Filme der Berliner Sule o als langsam, verkop oder langweilig wahrgenommen werden. Ekkehard Knörer weist jedo darauf hin, dass gerade die spezielle Ästhetik den Reiz dieser Werke ausmat und in ihr der Slüssel zu den Filmen liegt: No wonder, then, that the works of the „Berlin School“ have been called cerebral, boring or, even worse, very French. A less supercial look, however, will reveal that this is lmmaking of the most meticulous and therefore rewardingly intense and rich kind: Every single image, every gesture, every cut and every camera movement counts and every single element adds another layer of oen ambiguous meaning to what at rst sight seem simple plots and constellations. (Knörer )
Insgesamt können die Filme der Berliner Sule als Gegenentwurf zu und Abgrenzung von dominanten Strömungen in der deutsen Filmindustrie gesehen werden, die si besonders ab Mie der er Jahre formierten und die kommerzielle Vermarktbarkeit von Spiellmen in den Mielpunkt stellen (vgl. au Baute et al. o.J.). Die Filmemaer der Berliner Sule dagegen fühlen si vor allem dem Film als Kunst und als persönlies Ausdrusmiel abseits von kommerziellen Erwägungen verbunden. Sie bilden somit eine Art von „counter-cinema“, für das Marco Abel feststellt: „The lms associated with this school distinguish themselves from other post-wall German lms primarily in that they constitute the rst signicant (collective) aempt at advancing the esthetics of cinema within German narrative lmmaking since the New German Cinema […].“ (Abel , Herv. i. O.)
Die Stadt Berlin als Handlungsraum Dieser Versu, eine eigene, gewissermaßen neue Ästhetik zu entwieln, ist au in Arslans Der söne Tag zu erkennen. Der Film handelt von einem Tag im Leben der Sauspielerin Deniz, an dem sie si permanent dur Berlin bewegt. Im Laufe des Tages trennt sie si von ihrem Freund Jan, arbeitet als Synronspreerin für Eric Rohmers Conte d’été (Sommer, F ), besut ihre Muer, nimmt an einem Casting für die Hauptrolle eines Films teil, lernt den Portugiesen Diego kennen und tri ihre Swester, die auf der Durreise na Hamburg ist.
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Wie diese kurze Besreibung des Inhalts des Films bereits erkennen lässt, bedient si Arslan hier nit der Form eines ‚klassisen‘ Films. Die klassise Erzählweise besreibt etwa David Bordwell folgendermaßen: The classical Hollywood lm presents psychologically dened individuals who struggle to solve a clear-cut problem or to aain specic goals. In the course of this struggle, the characters enter into conict with others or with external circumstances. The story ends with a decisive victory or defeat, a resolution of the problem and a clear achievement or nonachievement of the goals. The principal causal agency is thus the character […]. (Bordwell , )
Dadur, dass Figuren in klassis erzählten Filmen auf Probleme und Konikte stoßen, die sie zu lösen haben, ergeben si im Allgemeinen Dynamiken, die einem Stillstand der Handlung entgegenlaufen. Bewegung auf der Ebene der Handlung bildet somit ein zentrales Merkmal dieser Filme. Diese ‚HandlungsBewegung‘ fehlt jedo in Der söne Tag. Deniz verfolgt kein klares Ziel und muss keine klar de nierten Probleme lösen. Stadessen werden episodis Stationen in Deniz’ Tagesablauf gezeigt, die die Handlung jedo nit vorantreiben, sondern ledigli ihr Verhalten in meist alltäglien Situationen zeigen. Bewegung ndet jedo eindeutig auf einer anderen Ebene sta: Deniz bewegt si dur einen topographisen Raum – die Stadt, die dabei deutli als Berlin erkennbar ist, au wenn die üblien Bilder, die für diese Stadt stehen, wie das Brandenburger Tor oder der Fernsehturm, nit im Film zu sehen sind. Arslan selbst betont den hohen Stellenwert, den diese navollziehbaren Bewegungen dur die Stadt für ihn einnimmt: Ein witiger Aspekt war die Wahl des Standortes ihrer Wohnung, weil davon ausgehend ihre Bewegungen dur die Stadt geplant werden mußten. […] Sie sollten si na der realen Topographie der Stadt riten. Es stört mi immer sehr, wenn i in manen Filmen sehe, wie das alles wahllos, oder na Kriterien des Pioresken, gemist wird. Wenn z.B. Straßen, die in völlig anderen Teilen der Stadt liegen, als benabarte behauptet werden. So etwas ist, wenn es einem auällt (und es fällt immer jemandem auf), sehr enäusend. Es ist, als wenn man darauf spekuliert häe, daß der Zusauer son nit so genau hinguen wird. Eine lieblose Art der Täusung. (zit. n. Seidl )
Dieser „topographise Realismus“ (Hering ) ist dabei jedo kein reiner Selbstzwe, vielmehr wird dur Deniz’ Bewegung dur den städtisen Raum Berlin au ihre innere Bendlikeit dargestellt. Worthmann bemerkt etwa: „Sie [Deniz, T.S.] hat immer ein Ziel und seint do zu anieren. Es
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kommt Arslan auf die Bewegung an, auf den zwanglosen Ortswesel, der weder Flut no bloßes Fortkommen ist, sondern allmähli zu einer Haltung wird, zu einem Bleiben im Auru.“ (Worthmann b) Dieses „Haltung“, dieses „Bleiben im Auru“ erzeugt eben diese Spannung, die vordergründig auf der Handlungsebene zu fehlen seint und dabei gleizeitig Deniz’ innere Unruhe zum Ausdru bringt. Für den Zusauer wird deutli, dass si Deniz na diesem „Bleiben“ sehnt, na funktionierenden zwisenmenslien Beziehungen, na Momenten der Ruhe und Geborgenheit, die sie jedo auf ihren Wegen dur die Stadt nit nden kann. Somit werden dur Deniz’ physise Bewegung dur den städtisen Raum Berlins die bereits oben angesproenen zentralen Themen der Berliner Sule verdeutlit und reektiert: Kälte, Tristesse und die Sue na Liebe in der zeitgenössisen Gesellsa. Ihre äußere Bewegung wird also gleisam in eine innere übersetzt. Dabei ist witig, dur wele Orte si Deniz im Film bewegt. Es handelt si um öentlie Räume wie Straßen, Plätze oder Wohnsiedlungen, die Deniz auf ihren Wegen dur Berlin durquert, und öentlie Verkehrsmiel, die sie benutzt. In ihrem Artikel zur urbanen Landsa in den Filmen der Berliner Sule grei Sabine Wolf auf den Begri des „Nit-Ortes“ von Marc Augé zurü, um die Handlungsorte dieser Filme zu arakterisieren. Wolf bezieht ihre Überlegungen dabei auf Braen in Städten, Stadtränder und Räume, die nit mehr eindeutig Stadt oder Land zuzuordnen sind (vgl. Wolf ). Mit Hilfe von Augés Begri lassen si aber au die Räume besreiben, die für Der söne Tag prägend sind. Na Augé „erzeugt der Nit-Ort die von Passagieren, Kunden oder Sonntagsfahrern geteilte Identität.“ (Augé , ) „Der Raum des Nit-Ortes sa keine besondere Identität und keine besondere Relation, sondern Einsamkeit und Ähnlikeit“, so Augé (ebd., ). Au die Räume, dur die und in denen si Deniz bewegt zei nen si dur Anonymität, Einsamkeit und fehlende Identität aus, bilden im gewissen Sinne also ebenfalls „Nit-Orte“. Auallend o ist Deniz in U-Bahn-Stationen, S-Bahnen oder fast mensenleeren Straßen zu sehen. An diesen Orten ist es Deniz nit mögli, Beziehungen zu anderen Mensen aufzubauen, alles bleibt ütig, unverbindli, anonym. Deniz hat ledigli die Möglikeit, ihre Umgebung zu beobaten. Somit sind es letztli au nur die Blie, mit Hilfe derer Kontakte hergestellt werden können. Die erste Kontaktaufnahme von Deniz mit Diego im öentlien Raum einer unterirdisen S-Bahn Station ndet etwa über ütig geweselte Blie sta, wobei die dabei herrsende Distanz zwisen beiden dur die sie trennenden Sienen zwisen den Bahnsteigen und die vorbeifahrende S-Bahn verstärkt wird. Selbst die privaten Räume, in denen si Deniz auält, bleiben seltsam unpersönli und steril. Zu Beginn des Films verlässt Deniz die Wohnung
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ihres Freundes Jan, nadem sie kurz Blikontakt mit dem no slafenden Jan aufgenommen hat, si dana jedo fast meanis in einer Grad Drehung von ihm abwendet und ins Leere blit, den Bli-Kontakt also quasi abbrit. Später wird sie si von Jan trennen. Son in dieser ersten Szene des Films spielen die Blie also eine zentrale Rolle. Die Wohnung Jans bleibt für den Zusauer dabei unzugängli, ein Establishing-shot, der die räumlie Situation klären würde, fehlt. Au Deniz’ eigenes Appartement verrät wenig über seine Bewohnerin: Die karge Möblierung und die weißen, fast bilderlosen Wände strahlen die gleie Anonymität aus wie die mensenleeren Straßen und U-Bahn-Stationen. Sie wirkt provisoris eingeritet, wie eine Durgangsstation. Deniz be ndet si also in ständiger Bewegung dur Räume, die dur Anonymität und Entfremdung gekennzeinet sind. Au wenn auf der Handlungsebene eigentli nits ges ieht, kommt Deniz’ innere Unruhe, ihre rastlose Sue dur ihr ständiges ‚in Bewegung sein‘ dadur deutli zum Ausdru. Arslan selbst betont, er möte den „Sauplätzen Präsenz geben, diese nit nur als Hintergrund abrufen, weil das für mi genauso witig ist wie die Erzählung selber. Das herzustellen, dur die Genauigkeit der Beobatung und nit dur große dramatise Behauptungen, das interessiert mi.“ (zit. n. Gupta ) Diese Genauigkeit der Beobatung ohne große dramatise Behauptungen ist au in den Gespräen zu erkennen, die Deniz in den Episoden zwisen ihrer Bewegung durch die Stadt führt. In ihnen wird dem Zuschauer die Möglikeit gegeben, genau zu beobaten, wie si Deniz in den gezeigten Situationen verhält, was dur den meist langsamen S ni rhythmus no unterstützt wird. Seine Aufmerksamkeit wird nit dur dramatise Handlungen abgelenkt, sondern kann si auf die Art und Weise der Begegnungen von Deniz mit ihren Mitmensen und den Inhalt der Gespräe fokussieren. Die Gespräe selbst drehen si fast aussließli um die Themen Liebe und Beziehungen, deren versiedenen Faceen aufgezeigt werden. Zusätzli wird in ihnen implizit wiederum Deniz’ innere Unruhe deutli. Beim Treffen mit ihrer Swester Leyla wird dies au explizit thematisiert. In ihrem Gesprä meint Leyla zu Deniz: „Du bist ständig auf der Sue. Versu do mal zur Ruhe zu kommen.“ Deniz kann dabei selbst nit wirkli artikulieren, na was sie eigentli genau sut. Eine Bestimmung ndet meist eher ex negativo sta und lässt Deniz’ Wünse und Vorstellungen nur erahnen. Jan gegenüber kann sie bei der Trennung nit klar ausspreen, was sie an ihm stört und was sie von ihm erwartet. Auf die Frage, warum sie si trennen sollten, antwortet sie Jan nur: „Weil i di nit mehr liebe.“ Und später: „Du verstehst wirkli gar nits. Es ist einfa vorbei.“ Für Deniz ist somit klar,
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dass Jan ihren Ansprüen an eine Beziehung nit mehr genügt, sie seint aber nit zu wissen, was sie eigentli von ihm oder einem anderen Partner erwartet. Nur ihrer Swester Leyla erzählt sie später, dass sie si von ihm getrennt hat, da er ihrer Meinung na nur um si selber kreist, nit allein sein und si nit entseiden kann. Au das Gesprä mit ihrer Muer ist vom Thema Liebe und Beziehung geprägt. Hier wird wiederum klar, was Deniz nit will, ohne dass sie ihre eigenen Vorstellungen ausdrüen könnte. Als ihre Muer von ihrer Ehe mit Deniz’ Vater erzählt, dabei betont, dass diese au nit allein auf Liebe, sondern vielmehr auf gegenseitigen Respekt beruhte und Deniz ermahnt, sie solle daher nit auf die große Liebe warten, erwidert Deniz energis: „I warte nit. Aber man muss do etwas verlangen, sonst hat es keinen Sinn.“ Was man ihrer Meinung na „verlangen muss“ bleibt jedo unklar. Als später im Gesprä ihre Muer meint, dass sie si aus Verantwortungsgefühl gegenüber ihren Kindern und ihrer Partnersa nit von ihren Mann getrennt habe, obwohl sie si o gestrien haben, antwortet Deniz darauin: „Partnersa. Was für ein srelies Wort. Das klingt so vernünig.“ Für Deniz seint daher eine Beziehung weniger auf Vernun, als vielmehr auf Gefühl zu basieren. Dieses Gefühl zu artikulieren ist sie aber nit fähig. Gegen Ende des Films tri Deniz sließli in einem Café auf eine Universitätsdozentin, die ihr die „Gesite der Liebe“ erläutert. Sie erklärt Deniz, dass unser heutiger Begri von Liebe eine Erndung des . Jahrhunderts sei und vorher Gefühle wie Liebe und Eifersut zwar vorhanden, Werte wie Sutz, Sierheit und Solidarität jedo witiger gewesen seien. „Wir haben heute viel mehr Mögli keiten, unseren Gefühlen Ausdru zu geben und sie zu verwirklien“, erklärt die Dozentin sließli, worauf Deniz erwidert: „Das ist komis. Bei mir seint das nit zu klappen. Sobald i mit jemanden zusammen bin, geht es s ief.“ Und später meint sie: „Es ist so swer über Gefühle zu reden. Immer wenn i es versue klingt es irgendwie fals. So abgedrosen. Als würde i mi ständig wiederholen.“ In diesem Gesprä kommt au am deutli sten zum Ausdru, was Deniz si eigentli zu wünsen seint, jedo nit erreien kann: „Alle trennen si und haben neue Partner. Das ist so beliebig. Müsste man nit einen einzigen lieben, und das für immer?“ Anhand dieses zufälligen Treens mit der Dozentin und Deniz’ Auassung von Liebe werden viele Gedanken von Be und Be-Gernsheim quasi in den Film übersetzt. Für sie bildet si in der modernen Gesellsa ein neues Verständnis von Liebe heraus:
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Es ist das Leitbild der zuglei romantisen und dauerhaen Liebe, die aus der engen gefühlsmäßigen Bindung zwisen zwei Personen erwäst und ihrem Leben Inhalt und Sinn gibt. Hier wird der andere zu dem, der die Welt mir bedeutet, und Sonne und Mond und sämtlie Sterne dazu. (Be/Be-Gernsheim , )
Auf ihren Wegen dur die Stadt und in den Episoden zwisen diesen Bewegungen seint Deniz ständig auf der Sue na diesem „Leitbild“ zu sein. Letztli bleibt es für sie jedo ein Ideal, das sie nit erreien kann. In den Gespräen tri sie sta auf enge gefühlsmäßige Bindungen zwisen Personen vielmehr auf die Stagnation in den zwisenmenslien Beziehungen und auf die Unmöglikeit verbindlier Liebesbeziehungen. In ihrer ständigen Sue erfährt Deniz die oben erwähnte „Überlastung“, den „Verlust an innerer Stabilität“, die dur ihre rastlose Bewegung dur anonyme, beziehungslose „Nit-Orte“ gespiegelt werden. Selbst bei ihrer Arbeit als Sauspielerin ist diese Sue na Liebe ständig präsent: Sie synronisiert Rohmers Conte d’été, in dem ebenfalls versiedene Möglikeiten der Liebe und Formen der Beziehung ausgelotet werden und die Swierigkeit thematisiert wird, si für eine zu entseiden. Und bei ihrem Casting für eine Hauptrolle in einem Film erzählt sie Maurice Pialats Film À nos amours (Auf das, was wir lieben, F ) na, bei dem eine junge Frau im Mielpunkt steht, die keine längerfristigen Liebesbeziehungen eingehen kann. Dur diese Filmzitate werden au die französisen Vorbilder deutli, auf die si Arslan in seinen Filmen immer wieder bezieht. So sreibt etwa Gansera: „Es ist oensitli, dass Thomas Arslan eine bestimmte Tradition des französisen Kinos bewundert: Bresson, Rohmer, Pialat. Seine Produktionsrma hat er na einem Bresson-Film benannt: Pipoet.“ (Gansera ) Diese Bewunderung s lägt si nit nur in Filmzitaten nieder, sondern ist au der Stilistik des Films deutli anzumerken, au wenn Arslan seine ‚Vorbilder‘ sier nit einfa ‚kopiert‘, sondern versiedene stilistise Eigen heiten dieser französisen Regisseure für seinen eigenen Film nutzbar mat. Besonders auällig ist etwa Serpil Turhans eigenwilliger Sauspielstil als Deniz. Von einigen Rezensenten wurde ihre sauspielerise Leistung hart kritisiert. So sreibt etwa Thomas Fizel: „Aber die Darstellerin Serpil Turhan spielt nur eine Sauspielerin, die eine Sauspielerin spielt – im wirklien Leben öge sie aus dem Studio. Wie auswendig gelernt sagt sie, wie au alle anderen Darsteller, ihre Sätze auf.“ (Fizel ) Au Birgi Galle geht mit Serpil Turhan hart ins Gerit: „Und ihr Gehen sieht unfrei aus, das Gesit ist um den Ausdru bemüht, den unbeobatet denkende und fühlende Gesiter haben. Diese Deniz ist eine These, vor allem um den Mund herum. Eine These von Arslan, slet gespielt von Serpil Turhan.“ (Galle ) Ihre Art, Deniz
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darzustellen, muss jedo nit unbedingt mit fehlendem sauspielerisem Können assoziiert werden, besonders wenn man Arslans Vorliebe für das französise Kino in die Beurteilung ihrer sauspielerisen Leistung mit einbezieht. Vieles erinnert dann an die Filme Bressons. Na Worthmann „bewegt si die Hauptdarstellerin Serpil Turhan wie eine Bresson-Figur von Station zu Station, leit abwesend, als ein Mens, dessen Wege kaum vom eigenen Willen abhängen.“ (Worthmann b) Au Bressons Darsteller zeinen si dur einen extrem stilisierten Sauspielstil aus. Bresson geht sogar soweit, den Begri „Sauspieler“ komple abzulehnen und dur „Modell“ zu ersetzen: „Keine Sauspieler. (Keine Sauspielerführung.) Keine Rollen. (Kein Rollenstudium.) Keine Inszenierung. Sondern die Verwendung von Modellen, aus dem Leben genommen. ! (Modelle) ansta "#!! (Sauspieler).“ (Bresson , , Herv. i. O.) Es erseint meines Eratens daher plausibel, den Sauspielstil Turhans nit als mangelnde sauspielerise Leistung abzutun, sondern vielmehr als bewusste Inszenierungsstrategie Arslans anzusehen, besonders da ihre Art zu spielen viele bereits ausgeführte Punkte unterstützt. So stellt etwa Gansera fest: „Die außerordentlie Kra des Films ist seine prägnante Stilisierung. Serpil Turhan sprit troen und nütern, der Askese der Expression entsprit eine ergreifende Intensität der inneren Bewegung.“ (Gansera ) Gerade auf dieser „inneren Bewegung“ liegt der Fokus des Films. Ihre Emotionen, ihre innere Bendlikeit werden also nit primär dur Gestik, Mimik oder Intonation ausgedrüt, sondern wie bereits dargestellt dur die lmisen Räume, in denen si Deniz bewegt, und die Gespräe, die sie führt. Rein äußerli gesehen korrespondiert der stilisierte Sauspielstil au mit Deniz’ Unfähigkeit, ihre Gefühle zu äußern. Und nit zuletzt wird dur ihre Darstellungsweise eine einfae Einfühlung des Zusauers in die Figur erswert. Die dadur entstehende Distanz kommt der Möglikeit der genauen Beobatung des Verhaltens von Deniz dur den Zusauer entgegen. Ihr Zustand und ihre Gründe, gerade so zu handeln, können nit einfa von ihrer Mimik oder ihrer Gestik abgelesen werden, vielmehr muss der Zusauer vieles selbst ers ließen, hat dadur aber die Freiheit und gleizeitig die Möglikeit, weit unter die Oberäe des Dargestellten zu dringen und eine tiefere, hinter den Bildern verborgene Bedeutung zu entslüsseln. So betont au Arslan, dass er den Zusauer nit manipulieren will, nit „glei am Naen paen, mit Bildern, die ihm sagen, was er jetzt zu denken hat.“ (zit. n. Gupta ) Nit nur beim Sauspielstil sondern au bei der Kameraarbeit sind wiederkehrende Muster und Stilisierungen in Der s öne Tag zu erkennen, die Deniz’ inneren Zustand zum Ausdru bringen. Auällig ist etwa, dass ein Muster der Kameraführung si häug im Film wiederholt: Deniz bewegt si
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auf die Kamera zu, geht an ihr vorbei bevor sie si wieder von der Kamera wegbewegt und von hinten zu sehen ist. Deniz’ Bewegung wird dabei von einem leiten Swenk der Kamera begleitet. Dieses stilistise Muster erfüllt hierbei meines Eratens versiedene Funktionen. Zum einen wird der Zusauer dur diese Art der Kameraführung in die Position eines unbeteiligten Beobaters versetzt, der Deniz bei ihren Gängen dur die Stadt zusieht, genauso wie Deniz ihre Umwelt auf der Sue na etwas beobatet, das sie nit nden kann: Einen Weg aus ihrer Isolation und eine Beziehung, in der sie ihre Erwartungen erfüllt sieht, die sie nit artikulieren kann. Zum anderen spiegelt diese wellenförmige Kamerabewegung Deniz’ Erfahrungen bezügli sozialer Beziehungen wider: Zwei Mensen nähern si an, bis zu einem Umslagpunkt, an dem sie si sehr nahe fühlen können, der von einem si Entfernen und si Auseinanderleben gefolgt wird.2 Dies hat sie etwa mit Jan erlebt und muss es au wieder mit Diego erfahren, von dem si herausstellt, dass er bereits in einer Beziehung lebt und seine Freundin am nästen Tag von einem einjährigen USA-Aufenthalt zurükehren wird. Au er wird ihre Ho nung auf eine neue, erfüllte Beziehung also nit erfüllen. Nit zuletzt wird dur dieses Muster der Kameraführung zusätzli Deniz’ Isolation von ihrer Umwelt verstärkt, da sie si jeweils dur leere öentlie Räume wie Wohngebiete oder U-Bahn Stationen bewegt, ohne dass sie von anderen Mensen umgeben wäre und diese Leere dur die Kamerabewegung für den Zusauer erfahrbar wird. Insgesamt sind in Der söne Tag also versiedene Arten von Bewegung erkennbar, die einem vordergründigen Stillstand auf der Handlungsebene entgegenarbeiten. Deniz’ Bewegungen dur den städtisen Raum spiegeln ihre innere Bewegung, die si aus ihrer rastlosen Sue na Wegen aus der Isolation und Einsamkeit, hin zu einer erfüllten Beziehung ergibt. Die dargestellten Räume strahlen dabei die Anonymität und Vereinzelung aus, die si aus der Stagnation und Bewegungslosigkeit der zwisenmenslien Beziehungen in der Gesellsa ergeben. Dur die Art und Weise der Darstellung, die eingesetzten stilistisen Miel wie episodises Erzählen, Sauspielstil oder Kameraarbeit gerät die Wahrnehmung der Zusauer in Bewegung. Gewohnte lmise Rezeptionserfahrungen werden nit bedient, wodur der Eindru von Langsamkeit, Stillstand und Langeweile entstehen kann. Ist der Zusauer jedo bereit, seine Sehgewohnheiten bewegen zu lassen, ö net si hinter den Stilisierungen ein reies Potential an Mögli keiten, 2
Interessant wäre hier au, Deniz Bewegung auf Treppen näher zu untersuen. Auällig o läu sie treppauf oder treppab im Film, was wiederum ihre Erfahrung mit Beziehungen, das ständige Auf und Ab ohne zur Ruhe zu kommen, spiegeln könnte.
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eine Gesite zu erfahren und zu ersließen, die „sleterdings hinter den Bildern“ (Rall b) liegt.
Der Park als „Zwisenraum“ Neben den oben angeführten anonymen öentlien Räumen, in denen sta Bewegung Stagnation in den zwisenmens lien Beziehungen herrst, fällt jedo ein Raum aus diesem Rahmen heraus: Der Park. Es ist auällig, dass si gerade im Park in Der söne Tag jene wenigen Episoden abspielen, in denen si etwas in der Beziehung von Deniz zu ihren Mitmensen verändert, also Bewegung in die stagnierenden Verhältnisse kommt. So ndet die endgültige Trennung Deniz’ von Jan im parkähnlien Naherholungsgebiet des Slatensees in Berlin sta. Jan fordert Deniz sogar dazu auf, zum Slatensee zu fahren. Sein einfaes „Lass uns zum See fahren“ deutet darauf hin, dass es si um einen für beide vertrauten und für ihre Beziehung witigen Ort handelt, den Namen des Sees zu nennen ist nit notwendig. Letztli ndet hier aber keine Versöhnung, sondern die endgültige Trennung sta: Bewegung ist in ihre stagnierende Beziehung geraten. Die exponierte Stellung dieser Sequenz am See wird zusätzli dadur betont, dass Arslan nur an dieser Stelle, als Deniz allein zur S-Bahn-Station zurüläu, nit-diegetise Musik in Form eines kurzen Klavierstüs einsetzt. Ebenso ist markant, dass die erste nähere Begegnung zwisen Deniz und Diego im Tiergarten in Berlin sta ndet und nit in der U-Bahn oder dem Wohngebiet, wo sie si bereits vorher über den Weg gelaufen sind, jedo nit ins Gesprä miteinander kamen. Ihrem Treen im Park geht bezeinenderweise eine lange Sequenz in öentlien Verkehrsmieln voraus, in der sie ständig den Blikontakt zueinander suen und si gegenseitig zu folgen seinen, bis beide am Tiergarten aus der S-Bahn aussteigen und Diego plötzli verswunden ist. Als Deniz auf einer Brüe auf Diego zu warten seint, taut dieser unvermielt auf. Deniz erste Worte zu Diego sind: „Hast Du di verstet?“ Diese Äußerung ist hier nit nur wörtli zu verstehen, sondern drüt au Deniz’ Ho nung aus, bei ihrer Sue endli auf eine Beziehung zu treen, die ihren Vorstellungen entsprit. Gemeinsam laufen sie dur den Park und spreen darüber, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienen und wo sie wohnen. Sie versuen si näher kennen zu lernen. Ansließend führen sie ihr Gesprä an einer Balustrade lehnend fort. Dabei verändern sie mehrfa ihre Position: Diego sut die Nähe zu Deniz, wobei sie si ihm immer wieder dur leite Bewegungen ihres Körpers entzieht. Sie bleibt vorsitig, obwohl es oenkundig ist, dass Diego ihr sympathis ist.
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Sie spreen über das Verreisen und Deniz antwortet Diego auf die Frage, ob sie son einmal in seiner Heimatstadt Lissabon war: „Hört si blöd an, aber i verreise nit gern.“ Im Kontext des Films ist diese Äußerung von Deniz besonders interessant, bewegt sie si do die ganze Zeit wie eine Reisende dur Berlin. Ihre Abneigung gegen das Verreisen bringt hier wiederum ihren Wuns zum Ausdru, zur Ruhe zu kommen und das zu nden, na dem sie auf der Sue ist: Liebe, Geborgenheit und eine funktionierende Beziehung. Bezei nend ist dabei au, dass Diegos erste Worte zu Deniz sind: „Heute Miag date i du würdest verreisen. […] Du haest deine Reisetase dabei.“ Die Begegnung endet so abrupt wie sie begonnen hat als Deniz aureen muss, um ihre Swester Leyla zu treen. Beide sind si jedo im Park etwas näher gekommen und verabreden si für ein weiteres Treen am Abend. Deniz seint Honungen in diese neue Bekanntsa zu setzen. Ihrer Swester beritet Deniz später: „I habe ihn auf der Straße kennen gelernt. Das ist mir vorher no nie passiert. Aber bei ihm war’s so, als würde i ihn son länger kennen.“ Auf die Frage Leylas, ob sie si mit Diego nit wieder irren wird, meint sie: „I weiß nit. Ist nur so ein Gefühl“ und betont, dass es nit o vorkommt, dass man jemanden kennen lernt, der einen interessiert. Der Park seint demna eine besondere Stellung in Der s öne Tag zu haben. Er fungiert hier als eine Art „Zwisenraum“, der Merkmale des urbanen und ländlien Raums in si vereint, in dem si also quasi beide Räume überlappen. Im Park, in dem Deniz und Diego aufeinander treen, sind dur die grünen Bäume, die Seen und die zwitsernden Vögel deutli Spuren des Ländlien zu erkennen. Glei zeitig bleibt der städtise Raum jedo spürbar: Die Geräus kulisse der Autos und der Stadt sind leise im Hintergrund hörbar und breite, teilweise asphaltierte Wege führen dur den Park, die einer unberührten ländlien Natur entgegen stehen. Ähnlies gilt für den Slatensee als Trennungsort von Jan und Deniz. In der ländlien Gegend mit Wald und ruhigen See ist im Hintergrund die S-Bahn leise vernehmbar. Im „Zwisenraum“ des Parks sind also einerseits die urbanen „Nit-Orte“ mit ihrer Anonymität, Unruhe und Identitätslosigkeit präsent, die andererseits aber dur ländlie Merkmale überlagert werden. Diese ländlien Merkmale deuten jene „traditionellen Bindungen“ an, die in der vormodernen Gesellsa no vorhanden waren, und zu denen Be und Be-Gernsheim etwa „Familienwirtsa und Dorfgemeinsa, Heimat und Religion“ zählen. (Be/ Be-Gernsheim ,
) Insbesondere die „Dorfgemeinsa“ weist darauf hin, dass für diese traditionellen Bindungen eher das Land als die Stadt steht. Insgesamt ergibt si im Zwisenraum des Parks das Potential, eingefahrene Wege zu verlassen, neue „Denk- und Verhaltensweisen“ (Be/Be-Gernsheim ,
) zu entwieln, die in der modernen Gesellsa notwendig sind,
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um mit dem „Verlust an innerer Stabilität“ (ebd., ) und den si als neue Herausforderungen ergebenden Fragen „Wer bin i? Woher komme i? Wohin gehe i?“ (ebd.,
, Herv. i. O.) umgehen zu können. Es geht also nit um eine Rükehr zu diesen traditionellen Bindungen der vormodernen Gesellsa, sondern darum, adäquate Lebensweisen zu nden, die die si verändernden Bedingungen berüsitigen und integrieren. Im „Zwisenraum“ des Parks werden zum einen die Spannungen und Probleme, die si aus dem Verlust der „inneren Stabilität“ ergeben, besonders spürbar, andererseits kann in ihm die Stagnation im Leben und in den zwisenmenslien Beziehungen der Figuren in Bewegung geraten und si ein Neuanfang entwieln – wie etwa die neue, spontane Bekanntsa von Deniz und Diego. Der Park als Ort, an dem Beziehungen in Bewegung geraten, spielt aber nit nur in Der s öne Tag eine witige Rolle. Au in Angela Sanelecs Mein langsames Leben nden entseidende Wendepunkte in den Beziehungen zwisen den Figuren in einem Park sta. Mein langsames Leben erzählt die Gesite eines Sommers von Valerie, die zur Untermiete bei Marie, deren Mann Alexander und deren gemeinsamer Toter Clara wohnt. Valerie beginnt eine Beziehung mit Maries gesiedenem Bruder Thomas. Marie und Alexander benden si in einer Ehekrise: Alexander hat eine Aäre mit einer anderen Frau und Marie lässt ihr zweites gemeinsames Kind abtreiben. Clara hat eine Babysierin, die -jährige Maria, die kurz vor der Hozeit mit ihrem Freund Josef steht. Als Valerie bei Maria nafragt, ob es nit ungewöhnli sei, mit zu heiraten, antwortet sie: „Lieber glei. Später mat man’s nit mehr. I will jung heiraten. Nit mit oder .“ Maria seint si sier zu sein, dass sie den ritigen Partner für ihr Leben gefunden hat, au wenn sie no sehr jung ist. Marias Hozeit, die einen witiger Sri in ihrem Leben und ein Einsni in ihrer Beziehung zu ihrem Freund Josef darstellt, ndet wiederum in einem Park sta, dem Volkspark Friedrishain in Berlin. Aber nit nur in Marias Beziehung, au in Maries und Alexanders Ehe ereignet si ein witiger Wendepunkt, der im gleien Park dem Zusauer mitgeteilt wird. Na der Hozeit Marias, zu der sie eingeladen waren, laufen Thomas, Marie, Valerie und Alexander dur den Park. Bei diesem Spaziergang erzählt Marie ihrem Bruder Thomas, dass Alexander ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau hat. Auf die Frage von Thomas an Marie, warum sie abgetrieben habe, die er ihr ebenfalls bei ihrem Gang dur den Park stellt, antwortet Marie: „Irgendwie wollte i nit, dass si was verändert.“ Ihre Beziehung zu Alexander wird si jedo grundlegend verändern, Marie kann dies nit mehr aualten. Wie son in Der söne Tag ist au in Mein langsames Leben der Park als Zwisenraum erkennbar. Während sie dur Grünäen an Bäumen vorbei dur den Park laufen, sind im Hintergrund deutli Geräuse der Stadt zu
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hören. Und wiederum nden im Park Neuanfänge sta, geraten Beziehungen in Bewegung: im positiven Sinne dur die Hozeit von Maria und Josef, und im zumindest für Marie negativen Sinne, indem deutli wird, dass ihre Ehe mit Alexander am Seitern ist, si ihr Wuns na einer heilen, funktionierenden Beziehung nit erfüllen lässt und sie lernen muss, mit dieser Situation, mit diesem unfreiwilligen Neuanfang umzugehen. Die Szene im Park wird zusätzlich durch die Kamera hervorgehoben. Sanelecs Film besteht fast aussließli aus statisen Kameraeinstellungen. Der Spaziergang dur den Park wird jedo dur eine lange, gleimäßige Kamerafahrt begleitet, die die Figuren aus der Distanz beobatet und einen signikanten Kontrast zu den sonst statisen Einstellungen erzeugt. Knörer besreibt diese Fahrt folgendermaßen: Das Verhältnis von Kamera als Beobater und Figuren als Beobateten ist dramatisch gelockert durch das Auseinanderfallen von Kamera- und Figurenbewegung in jeweilige Eigentempi: die Kamera behält ihre glei mäßige Geswindigkeit bei – was dazu führt, dass die Figuren gelegentli aus dem Bild-Rahmen geraten, zurü fallen und dann wieder ins Bild zurü kehren. (Knörer o. J.)
Diese Kamerafahrt unterstützt somit den Eindru, dass in diesem Moment alles in Bewegung und Veränderung zu sein seint, verstärkt dur die von Knörer erwähnten Eigentempi der Figuren- und Kamerabewegung. Die Distanz, die die Kamera zum Gesehen hält, versetzt dabei den Zusauer in die Position des unsitbaren Beobaters, der die Figuren in der Ferne vorbeilaufen sieht. Seine Rezeptionsgewohnheiten werden jedo au herausgefordert. Zum einen, da, wie von Knörer besrieben, die Personen gelegentli aus dem Bild geraten und ihren Dialog dabei denno weiterführen, was bei einer konventionellen, dem Zusauer vertrauten Bildkomposition nit der Fall wäre, zum anderen ist der Ton so gestaltet, dass trotz der Entfernung der Figuren zur Kamera ihre Gespräe ungewöhnli klar hörbar sind, als würde man gleisam dit neben ihnen im Park laufen.
Der fragmentierte Raum Sole Kamerafahrten bilden in Sanelecs Film jedo die Ausnahme. Mein langsames Leben wird insgesamt vielmehr von statisen Einstellungen dominiert. Diese statisen Einstellungen weisen dabei häug eine auällige Bildkomposition auf: Die Kadrierung dur den gewählten Bildauss ni wird
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dur eine weitere Rahmung im Bild begleitet, etwa dur Fenster oder Türen, die im Vorder- oder Hintergrund erkennbar sind. Glei in der ersten Szene des Films tri eine sole zweifae Rahmung auf. Valerie tri ihre Freundin Sophie in einem Café, wobei ein Fenster im Hintergrund beide zusätzli rahmt. Besonders häug ist dieses si wiederholende Muster der Bildkomposition jedo in Maries Wohnung zu erkennen. So ist die erste Einstellung an diesem Ort dur eine vielfae Rahmung im Bild gekennzeinet. Valerie und Thomas unterhalten si auf dem Balkon bei oener Tür, während Marie si im Inneren im Wohnzimmer bendet. Eine Rahmung ndet hier sowohl im Vordergrund als au im Hintergrund sta. Links im Vordergrund ist die Wohnzimmertür zu erkennen, die das Bli feld einsränkt und hinter der Marie sitzt, die im Ansni no sitbar ist. Im Hintergrund werden Valerie und Thomas vertikal dur die Balkontür gerahmt und voneinander getrennt, wobei si Thomas zusätzli hinter der Fensterseibe bendet, während Valerie an der oenen Tür steht. Ferner wird das Bild dur das Balkongeländer horizontal weiter gerahmt. Der Raum wird dur diese vielfaen Rahmungen in der Bildkomposition quasi fragmentiert. Ähnli verhält es si in weiteren Szenen in der Wohnung Maries: Alexander blit dur die Tür in des Kinderzimmer auf die slafende Clara, wobei er vertikal dur den Türsto, der im Dunklen liegt, gerahmt wird, horizontal wird der Raum dur Sprossen einer Glastür im hellen Hintergrund weiter fragmentiert. Au die Blie in die Küe werden immer wieder dur eine Glastür mit Sprossen im Vordergrund eingesränkt, die wiederum eine vertikale und horizontale Rahmung ergeben, etwa bei einem Gesprä Maries mit ihrem Mann Alexander am Abend in der Küe oder als Valerie, Maria und Clara in der Küe „Mens Ärgere Di nit“ spielen und über Maries bevorstehende Hozeit spreen. Diese vielfältigen Rahmungen haben mehrere Funktionen. Durch den fragmentierten Raum werden die einzelnen Figuren voneinander abgetrennt. Obwohl sie gemeinsam im Bild erseinen, wirken sie so seltsam isoliert und vereinzelt, die Beziehung zwisen den Personen wird somit gleisam wie der Raum fragmentiert. Dur diese spezielle Bildkomposition entsteht in Maries Wohnung au der Eindru der Besränkung, des Eingesperrtseins der Bewohner. Marie häe ihre Wohnung gerne als eine Art heilen Rüzugsort, als Ort ihrer Familie und ihrer Erinnerungen. Für sie nimmt sie also einen witigen Stellenwert in ihrem Leben ein. Thomas erwidert etwa auf Valeries Frage, wie lange Marie son hier wohne: „Son ewig. Sie wird hier au nit mehr ausziehen, glaube i. Sie ist hier Muer geworden und wird wahrseinli no Großmuer hier.“ Als Marie Alexander auf die Mögli keit ansprit, die Wohnung zu kaufen, meint Alexander „Dann könntest Du Di ja no besser einigeln“, worauf Marie antwortet: „Einigeln, ja. I liebe Igel. Die sind
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süß.“ Gleizeitig wird aber deutli, unter anderem dur den fragmentierten Raum, dass die Wohnung den von Marie gewünsten Zwe nit mehr erfüllen kann. Ihre Beziehung zu Alexander ist in einer tiefen Krise, sie ist bereits genauso fragmentiert wie der Raum der Wohnung, es herrst o nur no Spra losigkeit und Distanz zwisen ihnen. Diese Distanz und Entfremdung der Bewohner untereinander wird dabei au für den Zusauer dur die zahlreien Rahmungen in der Bildgestaltung erfahrbar gemat. Zusätzli wird der Bli des Rezipienten dur die Rahmungen eingesränkt und gelenkt, was ihn wiederum in die Rolle eines unsitbaren, unbeteiligten Beobaters von außen versetzt, ihm dabei aber gleizeitig die Möglikeit erönet, unterstützt dur den langsamen Snirhythmus, si im Raum genau umzusehen und ihn auf eine neue, spezielle Art und Weise wahrzunehmen. Somit wird au hier wieder die Wahrnehmung des Zusauers in Bewegung versetzt und herausgefordert. Diese Erfahrung des Fragmentarisen bleibt jedo nit auf Maries Wohnung besränkt. Rainer Rother verortet sie au im Gesamtkontext des Films und betont dabei gleizeitig das fehlende „zu Hause“ der Figuren: Die Komposition der Bilder formt auf ihre Art die Erfahrung des Fragmentarisen. Selten integriert die Kamera von Reinhold Vors neider die Figuren in eine Umwelt. Au dann bleibt Fremdheit, handelt es si um kaum identizierbare Passanten in Berlins neuer Mie. Die meisten Einstellungen aber betonen den Auss ni, die Bilder sind oen na allen Seiten. Wo diese Figuren si treen, wo sie wohnen, da sind sie nit zu Hause. (Rother )
Dieses Fragmentarise im Leben der Figuren kommt nit nur in der Bildkomposition zum Ausdru, sondern au dur Sanelecs Erzählweise, die dur Ellipsen und Sprünge im Raum und in der Zeit gekennzeinet ist. Sanelec setzt si also in Mein langsames Leben ebenso wie Arslan von der klassisen Dramaturgie ab und präsentiert keine Handlung, die auf klaren Kausalkeen und am Ende eindeutig gelösten Problemen oder Fragen beruhen würde. Erzählt werden die Ereignisse von ses Monaten, ein Sommer, den Valerie größtenteils in Berlin erlebt. Dass dabei einzelne Zeiträume übersprungen werden, ist an si nits Ungewöhnlies, jedo gesieht dies bei Sanelec häug sehr abrupt und unerwartet. In einem Interview meint sie hierzu: „Es gibt da beispielsweise eine Einstellung, die lange steht und in der nits passiert. Und dann folgt eine Einstellung, die drei Woen später spielt. Es gibt einen Stillstand und dann einen Sprung, was meinem Gefühl von Zeit mehr entsprit als kontinuierlies Erzählen.“ (zit. n. Knoben ) Dur diese „Sprünge“
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kommt wiederum Bewegung in den Stillstand und sie ermöglien, die Zeit auf eine ganz neue Art zu erfahren. Do nit nur in der Zeit, au zwisen den Orten wird o abrupt und unvermielt gesprungen. Am markantesten ist dafür wohl Thomas’ Reise na Paris, um dort ein Interview zu führen. Dieser örtlie Sprung na Paris wird vorher nit thematisiert oder dem Zusauer vermielt. Für ihn ist der plötzlie Ortswesel zunäst nur zu erahnen. Na einer Szene in der Friedristraße in Berlin ist Thomas plötzli vor einem Kino mit einem jungen Paar zu sehen, das si auf Französis unterhält. Dass si der Handlungsort na Frankrei verlagert hat, ist hier zunäst allenfalls an dem grünen, blinkenden Kreuz im Hintergrund zu erkennen, das in Frankrei Apotheken kennzei net. Erst in einer folgenden Szene, in der Thomas von einem erhöhten Aussitspunkt aus auf das Panorama der Stadt blit, wird klar, wo er si zu benden seint, nämli in Paris. Genauso abrupt kehrt die Handlung na Berlin zurü, wo Thomas in einem Bahnhof seinem Kollegen erzählt, dass sein Interview nit erfolgrei war. Aber nit nur beim Ort, au für die Handlung ergibt si hier ein Sprung beziehungsweise eine Leerstelle. Schanelec lässt vollkommen offen, wen Thomas in Paris interviewt hat und aus welem Grund er dieses Interview führen wollte. Das Interview selbst ist nit einmal zu sehen, sondern nur naträgli zu hören, als Thomas seinem Kollegen die Aufnahme vorspielt, in der der Interviewpartner aber au nur beteuert, dass er nits mehr zu sagen habe. Au die Beziehungskrise zwisen Marie und Alexander wird nit direkt gezeigt und in der Handlung oen ausgetragen, sondern nur angedeutet, etwa dadur, dass sie si in der Küe sweigend gegenübersitzen, si also ebenfalls nits mehr zu sagen haben. Alexanders Aäre mit einer anderen Frau, die die Krise auf die Spitze treibt, wird ledigli dur Maries Unterhaltung mit Thomas im Park kommuniziert, also nit unmielbar dargestellt oder im Gesprä zwisen Marie und Alexander thematisiert. Worthmann bes reibt die Erfahrung, die dur dieses elliptise, fragmentaris Erzählen entsteht: „Was man nit sieht, aber spürt, sind die Auslassungen. Ein S ni trennt Woen, man mal Monate. Die Augenblie größter Aufregung werden ausgespart. Man bekommt nur ihren Vorsein zu sehen oder ihre Nawirkungen.“ (Worthmann a) Gerade dieses „nit sehen“ und dafür spüren, erahnen, imaginieren nimmt eine witige Stellung in Mein langsames Leben ein. Diese Auslassungen nden dabei nit nur auf der Handlungsebene sta, sondern sind au mit einem „nit zeigen“ und einer unkonventionellen Montagetenik verbunden. Als etwa die Babysierin Maria mit Clara allein ist, will sie Musik hören und biet Maria, dazu zu tanzen. Als Musik wünst sie si den „Erlkönig“. Trotzt der Skepsis von Maria,
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dass man zu diesem Lied nit tanzen könne, willigt sie sließli ein. Gezeigt wird dann jedo in einer statisen Einstellung nur Clara, ein Gegensuss, in dem Maria beim Tanzen zu sehen wäre, wird dem Zusauer verwehrt. Er muss si selbständig vorstellen, was im O passiert: Wir wünsen uns, sie zu sehen, aber stadessen aktivieren wir unsere wir [sic!] Vorstellungskra und ernden unseren eigenen Tanz. Diese andere Eroberung eines psy isen und imaginären Raums jenseits der Bilder und Töne mat das Wunder von Angela Sanelecs Filmen aus, die so unseinbar, so still, so streng komponiert seinen und do so gewaltig sind. (Rall a)
Ein Beispiel dafür, wie gewaltig gerade das „Nicht-Zeigen“ ist, stellt auch Sanelecs Inszenierung des kranken und sterbenden Vaters von Valerie dar. Während des Sommers fährt Valerie zu ihrem Bruder Ben an ihren Geburtsort am Bodensee, da sie von ihm die Narit erhalten hat, dass ihr Vater im Sterben liegt. Als sie ihn im Krankenhaus besut, ist er nie klar im Bild zu sehen. Das Krankenzimmer wird von außen gelmt, Sophie nimmt auf einem Krankenhausbe Platz, während ihr Vater in einem Stuhl daneben sitzt. Er wird jedo von der Glasseibe des Fensters verdet, in der si ein Baum spiegelt. Nur eine Geste, mit der si der Vater mit der Hand an den Kopf fasst, ist erkennbar. Daher ist die Imagination des Zusauers gefragt, wodur ein sehr intensives Erleben dieser Szene entstehen kann, was au Sanelec betont: „Es geht nit darum, dass man Valerie sieht, wie sie ihren Vater sterben sieht. Es geht darum, dass der Zusauer es empndet. Was die Sauspieler empnden, ist völlig gleigültig. Es geht nit darum, dass ein alter Mann toll spielt, dass er sterben wird. Man muss erreien, dass der Zusauer damit konfrontiert wird.“ (zit. n. Ganz , ) Diese Konfrontation kann gerade dur das Nit-Zeigen, dur das Andeuten wesentli wirkungsvoller erreit werden, als dur eine oene Darstellung. Letztli muss Valerie lernen, mit dem Tod ihres Vaters umzugehen. Der Fokus in Sanelecs Film liegt insgesamt auf familiären Beziehungen und der Frage, wie Mensen in den Midreißigern mit ihnen umgehen. Das Thema ‚Familie‘ ist im Film also ständig präsent: Marie, die gerne weiterhin ein geregeltes Familienleben im Rüzugsort ihrer Wohnung führen will, was ihr jedo nit gelingt, Valerie, die bei ihrer Reise zu ihrem sterbenden Vater auf ihren Bruder Ben tri, von dem sie si aber eigentli bereits seit Jahren entfernt hat, Thomas, der ebenfalls am letzten Rest seiner gesiedenen Ehe festhalten will, den er im gemeinsamen Haus sieht, dass er nit verkaufen will. Be und Be-Gernsheim weisen auf die potentielle Bedeutung von Familie in der modernen Gesellsa hin:
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Thomas Si Es ist die einsetzende Isolierung und Sinnentleerung, die der Sehnsut na Familie Aurieb gibt: Die Familie als Heimat, um die „innere Heimatlosigkeit“ erträgli zu maen, als „Hafen“ in einer fremd gewordenen und unwirtlien Welt. […] Je mehr die traditionellen Bindungen an Bedeutung verlieren, desto mehr werden die unmielbar nahen Personen witig für das Bewußtsein und Selbstbewußtsein des Mensen, für seinen inneren Platz in der Welt, ja für sein körperlies und seelises Wohlbenden. (Be/Be-Gernsheim , )
In Sanelecs Mein langsames Leben wird die Sue na dem „inneren Platz in der Welt“, na dem „seelisen Wohlbenden“ zum Ausdru gebrat. Die „innere Heimatlosigkeit“, die „Isolierung und Sinnentleerung“, die von den meisten Figuren des Films erfahren wird, kann jedo nit dur familiäre Bindungen oder dur „unmielbar nahe Personen“ kompensiert werden. Sie sind in der Form, in der sie zur Kompensation der gefühlten Leere notwendig wären, nit mehr existent. So treen etwa Thomas und Valerie bei einem Spaziergang zufällig auf Thomas’ Bekannte Linda. Sie beklagt si über die Rüsitslosigkeit ihre Swester, die mit ihrem Ehemann na ihrer Rükehr aus Afrika bei ihr eingezogen ist, da sie keine eigene Wohnung haben. Seitdem fühlt Linda si in ihrer eigenen Wohnung nit mehr wohl, da sie nit mehr „allein“ sein kann. Später meint sie jedo: „Muerseelenallein kommst du dir vor bei so einer Familie“ und ordnet ihre Erfahrung mit ihrer Swester in einen größeren Kontext ein: „Das Leben funktioniert so nit. Lauter Egoisten und man selber der größte.“ Au Valeries Beziehung zu ihrem Vater wird am Ende des Films nomals arakterisiert. Als sie von dessen Beerdigung zurü kehrt, beritet sie in einer Voice-Over über ihre Erlebnisse beim Begräbnis: „Es waren sowieso nur sehr wenige Leute da. Und er war ja au nit mehr da. I hae den Eindru, er war son lange weg.“ Dabei pinnt sie ein Foto an die Wand, auf dem sie als Kind mit ihrem Vater zu sehen ist. In beiden Szenen kommt die Transformation familiärer Beziehungen in der zeitgenössisen Gesellsa zum Ausdru: Gefühlte Einsamkeit und Bindungslosigkeit löst die familiäre Gemeinsa immer mehr ab. Denno geht es wiederum nicht darum, zu den engen „traditionellen Bindungen“ zurü zukehren. Besonders in den Äußerungen Lindas, wie au in vielen anderen Szenen des Films, seinen vielmehr die Widersprüe und die Ambivalenz auf, die si aus dem Leben in der modernen Gesellsa ergeben und mit denen es umzugehen heißt: Allein sein wollen, seine Freiheit genießen können, si aber gleizeitig nit allein fühlen wollen; unter Egoismus und fehlender Geborgenheit zu leiden und glei zeitig selbst egoistis zu handeln. Sanelec zeigt letztli keinen Weg auf, mit diesen Widersprüen und Ambivalenzen zu leben. Auf Seiten des Zusauers entsteht jedo die
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Mögli keit, sie anhand des Films klarer zu erkennen und sie damit au bewusster zu reektieren. Sowohl in Arslans Der s öne Tag als au in Sanelecs Mein langsames Leben steht also die Frage der Stellung zwisenmenslier Beziehungen in der zeitgenössisen Gesellsa im Mielpunkt, jedo werden untersiedlie Faceen beleutet. Arslan behandelt die Frage na der Möglikeit der Liebe und verlässlien Partnersa in seinem Film, dagegen konzentriert si Sanelec mehr auf den Umgang mit familiären Beziehungen. Gemeinsam ist dabei beiden Filmemaern, dass sie si einer konventionellen Erzählweise widersetzen, si einer „Ästhetik der Reduktion“ bedienen und die Sehgewohnheiten der Zusauer herausfordern. Dass dadur nur vordergründig ein Stillstand entsteht, in dem bei einer genaueren Betratung intensive Bewegungen versiedenster Art enthalten sind, sollte mit diesem Artikel aufgezeigt werden: Von rein physisen Bewegungen dur den Raum über innere Bewegungen, die in den Figuren sta nden, bis hin zu Bewegungen in der Wahrnehmung des Zusauers und in seiner Imagination. Gerade diese neue Wahrnehmung, der neue Bli auf Altvertrautes stellt eines der zentralen Charakteristika der Filme der Berliner Sule dar. Bereits Kracauer sah darin eine der Möglikeiten, die Filme bieten: Der Weg führt zum Unvertrauten im Vertrauten. Wie o sehen wir nit Aufnahmen von Straßeneen, Gebäuden und Landsaen, mit denen wir unser Leben lang bekannt waren; wir erkennen sie natürli wieder, und do ist es, als empngen wir ganz frise Eindrüe, die aus dem Abgrund der Nähe aufsteigen. (Kracauer , )
Diesem „Unvertrauten im Vertrauten“ sind au die Filme der Berliner Sule auf der Spur: Wie die Beispiele Der söne Tag und Mein Langsames Leben zeigen, seinen hinter den alltäglien, vertrauten Vorgängen die Probleme auf, die si in der zeitgenössisen deutsen Gesellsa ergeben, und die Susland mit „Krise und Tristesse, Zukunsangst und Kälte“, die der „der Glüssehnsut der Mensen gegenüber“ stehen, arakterisiert hat. (Susland ) Mit Hilfe ihrer speziellen ästhetisen Strategien, ihrer formalen Radikalität, können die besproenen Filme den Zusauern gesellsalie Missstände näher bringen, ohne einfae Lösungsvorsläge aufzuzeigen, ihnen den ‚Bli hinter die Bilder‘ anbieten, dur den die Widersprüe und Ambivalenzen des Lebens in der modernen Gesellsa klarer erkennbar werden. Gerade darin liegt das ‚politise‘ Potential der Filme der Berliner Sule. Der Zusauer soll dabei nit manipuliert werden, vielmehr bleibt er seiner Freiheit der in Bewegung geratenen Wahrnehmung überlassen, hat die Mögli keit, selbst
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Thomas Si
zu beobaten, eigene Slüsse und Konsequenzen zu ziehen. Voraussetzung hierfür ist jedo, dass der Zusauer es au versteht, diese Freiheit zu erdulden und für si nutzbar zu maen.
Literatur Abel, Marco ( ) Intensifying Life: The Cinema of the „Berlin School“. (Stand: . . ). Augé, Marc ( ) Orte und Nit-Orte. Vorüberlegungen zu einer Ethnologie der Einsamkeit. Frankfurt/M.: S. Fiser. Baute, Miael/Knörer, Ekkehard/Pantenburg, Volker/Pethke, Stefan/Rothöhler, Simon (o.J.) „Berliner Sule“ – Eine Collage. (Stand: . . ). Be, Ulri/Be-Gernsheim Elisabeth ( ) Das ganz normale Chaos der Liebe. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Bordwell, David ( ) Narration in the Fiction Film. Madison, Wisconsin: University of Wisconsin Press. Bresson, Robert ( ) Notizen zum Kinematographen. Berlin: Alexander Verlag. Fizel, Thomas ( ) Derridada und Lacancan: Arslans „Der söne Tag“. In: Die Welt v. . . . Galle, Birgi ( ) Die siere Berlin-Nummer. „Der söne Tag“ von Thomas Arslan. In: Berliner Zeitung v. . . . Gansera, Rainer ( ) Glüs-Pipoet. Thomas Arslans traumhaer Film „Der söne Tag“. In: Süddeutse Zeitung v. ./ .. . Gansera, Rainer ( ) Das Kino braut Stilbewusstsein. In: epd Film, H. , S. –. Ganz, Antonia ( ) Interview: Angela Sanelec. In: Revolver, H. , S. – . Gupta, Susanne ( ) Berliner Schule. Nouvelle Vague allemande. Bestandsaufnahme deutser Film: hier und jetzt. (Stand: . . ). Hallensleben, Silvia ( ) Stillstand. Leben in der Dehnungsfuge: Angela Sanelec mat umstriene Filme – dabei saut sie nur genau hin. In: Der Tagesspiegel v. . . . Hani, Julian ( ) „Man hat kein Anret, geliebt zu werden.“ Angela Sanelec und Thomas Arslan über das pralle Leben, die „Berliner Sule“ und das Nadenken im Kino. In: Der Tagesspiegel v. . . . Hering, Tobias ( ) Irgendwo muss das Leben ja standen. Drei neue Berlin-Filme spielen in einer Stadt, die keine Garantie mehr bietet für ein geteiltes Lebensgefühl. In: Freitag v. .. . (Stand: . . ). Knoben, Martina ( ) Das Gesit des Todes. Ein Gesprä mit der Filmemaerin Angela Sanelec zu ihrem Film „Mein langsames Leben“. In: Süddeutse Zeitung v. . . . Knörer, Ekkehard ( ) LONGSHOTS: Luminous Days. Notes on the New German Cinema. In: Vertigo, Vol , No , Spring/Summer . (Stand: . . ). Knörer, Ekkehard (o.J.) Angela Sanelec: Mein langsames Leben. (Stand: . . ). Kracauer, Siegried ( ) Theorie des Films. Die Erreung der äußeren Wirklikeit. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Stillstand in Bewegung
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Rall, Veronika ( a) Die andere Seite der Sitbarkeit. Vom Leben jenseits der short cuts: Angela Sanelecs Film „Mein langsames Leben“. In: Frankfurter Rundsau v. . . . Rall, Veronika ( b) Mit leitem Gepä unterwegs. In: Frankfurter Rundsau v. . . . Rother, Rainer ( ) Besser nit in die Zukun sauen. Angela Sanelecs „Mein langsames Leben“. In: Die Welt v. . . . Seidl, Gabriela ( ) Interview mit Thomas Arslan. (Stand: . . ). Susland, Rüdiger ( ) Langsames Leben, söne Tage. Annäherungen an die „Berliner Sule“. In: Film-Dienst, H. , S. – . (Stand: . . ). Wolf, Sabine ( ) Die urbane Landsa in den Filmen der Berliner Sule. In: Cinema, H. , S. – . Worthmann, Merten ( a) Mit Vorsit genießen. In: Die Zeit v. . . . (Stand: . . ). Worthmann, Merten ( b) Immer auf dem Sprung. Thomas Arslan zieht dur Berlin: „Der söne Tag“. In: Die Zeit v. . . .
Fiktionale Authentizität und die Unterklausel im Zusauervertrag Zum lmisen Realismus in Henner Winlers Klassenfahrt Guido Kirsten
Als Henner Winlers Film Klassenfahrt (D/PL ) bei seinem Erseinen von der Filmkritik gewürdigt wurde, war von „neuer Salikeit“ die Rede (Senk , ), einer „fast son dokumentaris[en] ‚Wahrheit‘“ (Koll , ) und dem authentisen Sauspiel der Laiendarsteller (vgl. Keelhake ). Nur wenige Filme seien „so nah an ihrem Thema […] wie dieser“, der Regisseur „beweise ein feines Gespür für die Details und Umstände“ (Peters ). Und so wurde Klassenfahrt in Zusammenhang zu einigen deutsen Filmen der so genannten Berliner Sule und anderen Filmen mit ähnlier Ästhetik gestellt.1 Als „stilistise Konstanten“ dieser neuen Bewegung wurden dabei ausgemat: der „weitgehende Verzit auf äußere Dramatik, die Dominanz des Bildes vor dem Wort, das mitunter quälende Sit- und Spürbarmaen vergehender Zeit, wobei in den besten Beispielen die dokumentaris intendierte Genauigkeit der Beobatung dur erzählerise Verditung und unaufdringlie Metaphorik auf die Ebene von Kunst erhoben wird.“ (Senk , ) Alle hier genannten Besonderheiten weisen auf ein ästhetises Programm hin, das der Tradition des lmisen Realismus verpitet ist. Bemerkenswert ist jedo, dass gerade die Terminologie des Realismus in den Kritiken zu Klassenfahrt meistens vermieden wird.2 Stadessen wird von Authentizität, Wirkli keitsnähe und Quasi-Dokumentarismus gesproen. Das Tabu der Realismus-Vokabel hängt mit seiner verworrenen und widersprülien Tradition ebenso zusammen wie mit der Tatsae, dass die Frage, ob ein Film 1
Vor allem in Frankrei, wo eine Reihe von FilmemaerInnen als „Nouvelle Vague Allemande“ rezipiert wurden (Hurst ; Lequeret ; vgl. Kräher ). Diese Gruppe umfasst den harten Kern der Berliner Sule (Christian Petzold, Thomas Arslan, Angela Sanelec) sowie dessen Peripherie (Ulri Köhler, Valeska Griseba, Christoph Ho häusler, Henner Winler, Maria Speth), daneben aber au andere Filmemaer wie Jan Krüger oder Hans-Christian S mid. Zu den Filmen von Thomas Arslan und Angela Sanelec vergleie au den Aufsatz von Thomas Si in diesem Band. 2 Eine witige Ausnahme stellt Christoph Hohäusler ( ) dar, der Klassenfahrt ausdrüli einer „neuen realistisen Sule“ zure net.
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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„realistis“ ist oder nit, als diuses Bewertungskriterium alltäglier Filmrezeption in der Filmtheorie milerweile desavouiert ist.3 So ist ein bedauerlies Ungleigewit entstanden: Auf der einen Seite bietet die Filmgesite eine interessante (wenn au diskontinuierli verlaufende und swer denierbare) realistise Tradition von der „Neuen Salikeit“ im Weimarer Kino über den Poetisen Realismus im Frankrei der er, den italienisen Neorealismus, die British New Wave und den tseisen Realismus der er Jahre. Au lassen si diverse Tendenzen in der zeitgenössisen Filmkunst beobaten, die im Versu eines objektivierten lmisen Zugris auf Auss nie der sozialen Wirkli keit konvergieren und so an die genannte Tradition nit nur ans ließen, sondern diese an Konsequenz o überbieten (nit nur im europäisen Autorenkino, sondern au in Chinas Sester Generation und im aktuellen Independent lm der USA). Auf der anderen Seite steht eine Filmkritik und -theorie, die si des Realismusbegris keus enthält4 – oder den Realismus nur auf der Ebene des lmisen Mediums als ontologise Leitdierenz zu anderen künstlerisen Medien diskutiert.5
Probleme der Realismustheorie und der semiopragmatise Ansatz Diese lmtheoretisen Probleme hängen nit zuletzt mit dem swierigen Erbe des Begris zusammen. Spätestens seit André Bazin („Es gibt nit einen, sondern viele Realismen“, Bazin , ) kann als bekannt gelten, dass es im Kino untersiedlie Ausformungen realistisen Erzählens gibt, die si nit ohne weiteres auf einen Nenner bringen lassen. Zwar sind versiedentli Versue unternommen worden, einzelne (nationale) Sulen oder Traditionen realistiser Filmästhetik anhand eines Merkmalkatalogs zu ersließen (vgl. Bazin a,b; Hill ; Langkjær ; Casei ). Für den lmisen Realismus insgesamt düre ein soles Unternehmen jedo no eher zum Seitern verurteilt sein als ähnli angelegte Versue bezügli Genre-Korpora. Das Fazit von Jörg Sweinitz, die Sue na Grundmustern und festen Grenzen für lmise Genres beruhe auf einem „gründlien Missverständnis“ 3 Vgl. etwa Bordwell/Thompson ( , f., f.), die wiederholt dafür plädieren, die Mise en scène eines Films nit an Kriterien des Realismus zu messen. 4 Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet Sco ( ), der im aktuellen US-Independentlm einen „Neo-neo realism“ sieht; vgl. dazu die Kritik von David Bordwell ( ). 5 Etwa im Ans luss an André Bazin ( a,b) und Peter Wollen ( ) als indexikalise Verbindung zwisen dem lmisen Bild und seinem Gegenstand oder unter Hinweis auf den besonderen Realitätseindru des lmisen Bildes (vgl. Mioe ; Metz ).
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(Sweinitz , ), lässt si auf ähnlie Unternehmungen zum lmisen Realismus übertragen (au wenn man von diesem nit als von einem Genre im herkömmlien Sinne sprit). Erswerend kommt no hinzu, dass ein „lebendiges Genrebewusstsein“ hier kaum verankert seint – was wiederum damit zusammenhängt, dass Realismus (im Sinne einer eigenen Filmästhetik) nie Teil einer kulturindustriellen Institution und damit einer standardisierten Massenproduktion war wie etwa der klassise Genrelm. Zwar muss es trotz der genannten Einsränkungen nit sinnlos sein, auf einige wiederkehrende Charakteristika hinzuweisen, die zum Verständnis der realistisen Ästhetik duraus etwas beitragen können (vgl. Kirsten b). Dabei sollte jedo berüsitigt werden, dass die genannten Merkmale weder einzeln no gemeinsam Denitionskriterien bieten können, sondern allenfalls Anhaltspunkte, die eine realistise Lesart der entspreenden Filme nahelegen – ohne sie aber festlegen zu können. Mit einer solen Überlegung begibt man si in die Nähe des pragma-semiotisen Ansatzes von Roger Odin, der von versiedenen kognitiven Aneignungsmöglikeiten (‚Lesarten‘) lmiser Texte ausgeht, die er anhand der für sie konstitutiven Prozesse dierenziert. So hat Odin beispielsweise bezügli der Unterseidung von ktionalem und dokumentarisem Film dafür plädiert, zunäst nit die Art der Filme zu dierenzieren, sondern vielmehr eine ‚dokumentarisierende‘ von einer ‚ktionalisierenden‘ Lektüre abzugrenzen.6 Das entseidende Kriterium ist dabei, ob die ZusauerInnen den Ausgangspunkt der lmisen Äußerung („Enunziator“) als real oder als ktiv annehmen. Es kommt also nit auf die Etheit oder Wahrheit des Dargestellten an, sondern auf die angenommene Wirklikeit des vermeintlien Ursprungs der Darstellung. Während bei der dokumentarisen Lektüre eine Art Garant konstruiert wird, der im Zweifelsfall zur Salage zu befragen wäre (sei es der Regisseur, der Kameramann, der Kommentator oder eine abstraktere Kategorie wie das reale Dekor eines Films), wird bei der ktionalisierenden Lektüre auf die Konstruktion eines Ursprungs-Is dur den Leser verzitet: Der Film seint si dann wie von selbst zu erzählen (vgl. Odin , ). Au wäre bei als ktional konstruierten Filmtexten die Unterstellung von Täusungsabsiten oder das Anlegen von Wahrheitskriterien unsinnig. Witig ist für Odin, dass si die Lektüremodi nit nur auf die Filme besränken müssen, für die sie von vornherein angemessen seinen. So kann au ein dokumentaris intendierter Film ktionalisierend gelesen werden und umgekehrt ein Spiellm Gegenstand einer dokumentarisierenden Lek6 Als weitere Lektüremodi werden genannt: der ‚spektakuläre‘, der ‚energetise‘, der ‚private‘, der ‚argumentative‘, der ‚künstlerise‘ und der ‚ästhetise‘ Modus. Vgl. Wul , .
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türe werden (wenn er beispielsweise als Dokument einer bestimmten (lm-) historisen Ära analysiert wird). Filme können die jeweiligen Lektüremodi nur mehr oder weniger gut initiieren oder bloieren.
Die ‚Unterklausel im Vertrag‘ Analog zu dieser Theorie Odins möte i vors lagen, von einer spezisen ‚realistisen‘ Lektüre zu spreen, die si als Modikation des ktionalisierenden Modus konzeptualisieren lässt. Im realistisen Regime wird gewissermaßen eine Unterklausel in den Vertrag zwisen Film und Zusauerin aufgenommen: Zwar werden au beim Betraten eines realistisen Spiellms – insofern er als Fiktion erkannt und rezipiert wird –, die Prozesse ausgeführt, die laut Roger Odin typis für den ktionalisierenden Lektüremodus sind. So wird erstens eine ktionale Welt (‚Diegese‘) aufgebaut; zweitens werden die Bilder und Töne des Films in die Form einer Erzählung gebrat; driens lässt man si auf die Erzählung ihrem zeitlien Ablauf entspreend kognitiv und aektiv ein, d.h. man swingt im Rhythmus der Erzählung mit; und viertens wird die Ursprungsinstanz der Erzählung als ktiv konstruiert (vgl. Odin , –).7 Dies gesieht jedo mit der witigen Besonderheit, dass in der realistisen Lektüre die Diegese des Films nit mehr nur den Eigenheiten der Gesite oder des Genres entspreend, sondern homolog zu den Vorstellungen von der Wirklikeit konstruiert wird.8 Konstitutiv für die realistise Lektüre ist also der Abglei der ktionalen Welt des Films mit dem (mediatisierten oder aus der unmielbaren Lebenswelt stammenden) Wissen der ZusauerInnen von realen sozialen Milieus. Diese Homologie wird auf allen vier Ebenen des Diegese-Modells von Hans-Jürgen Wul ( ) konstruiert: a)
Auf der Ebene der physikalisen Gesetze – als ZusauerInnen erwarten wir also nur Ereignisse, die den bekannten Naturgesetzen nit widerspreen. Dies ist nit selbstverständli, wenn man an Science-Fiction, Mären-, Fantasy- oder Horrorlme denkt, in denen diese Gesetze permanent gebroen werden, ohne dass dies als Störung der innerlmi-
7 Odin selbst unterseidet fünf versiedene Prozesse (vgl. Odin , f., siehe au Wul , ); die letzten beiden sind in meiner Rekonstruktion in einem Punkt zusammenfasst. 8 Zu einer Theorie der lmisen Diegese, die diese nit als gegeben annimmt, sondern als Ergebnis von Konstruktions- und Interpretationsprozessen seitens der Zusauer, vgl. Hartmann .
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b)
c)
d)
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sen Wahrseinlikeit wahrgenommen würde. Für die realistise Lektüre stellen sole Brüe Bloaden dar, die die Lesart ersweren. (Denno ist es prinzipiell mögli, au ‚phantastise‘ Filme auf die alltäglie Sozialwelt zu beziehen und entspreende Homologien zu konstruieren. Die Filme legen sole Lesarten nur nit unbedingt nahe.) Der Ebene der Wahrnehmung – wir erwarten keine spirituelle, halluzinatorise oder andersartig deutli verzerrte Wahrnehmung dur die Figuren. Umgekehrt erwarten wir, dass alles, was der Film zu sehen und zu hören gibt, prinzipiell au von den die Diegese bevölkernden Figuren wahrgenommen werden kann. Die Wahrnehmungswelt und die Empndungsintensitäten der Figuren werden also als jenen der ZusauerInnen entspreend konstruiert. Der Ebene der sozialen Tatsaen – wir erwarten, dass si die Figuren unseren sozialen Institutionen entspreend verhalten – oder im Fall der Devianz den bekannten Sanktionen ausgesetzt sind. Als Sozialwelt ist die Diegese ein Raum intersubjektiv anerkannter Regeln und Normen, die im Fall der realistisen Lektüre mit den aus der Alltagswelt bekannten übereinstimmen. Wie in der wirklien sozialen Welt sind dabei au versiedene Institutionen, Rollen und Milieus voneinander dierenziert und bilden entspreend strukturell dierenzierte Normativitäten aus. Au diese werden jedo als mit jenen der tatsälien Welt übereinstimmend angenommen. Und auf der Ebene der Moral – wir legen an die Figuren ähnlie moralise Maßstäbe an wie an unsere Mitmensen. Au dies ist weniger selbstverständli als es auf den ersten Bli wirkt. Tatsäli haben wir es nämli in den meisten Fällen von klassisen Unterhaltungslmen mit stark modizierten moralisen Ansprüen zu tun, wo etwa die Tötungen von Personen nit moralis tabuisiert sind (so im Western, Horrorlm, Actionthriller, etc.). Ein in realistisem Kontext rezipierter Mord ist vergleisweise unwahrseinli und emotional ersüernder (au wenn natürli dessen ktiver Charakter gewahrt bleibt). Entspreend wirkt au der Todesfall in Klassenfahrt, trotz seiner beiläugen Inszenierung, realer und bedeutsamer als hunderte Tote in Actionlmen.
Diese ‚Unterklausel im Vertrag‘ und die Modulation der Zusauererwartung im realistisen Regime hat drei eng miteinander zusammenhängende Konsequenzen: Erstens besteht einer der Haupteekte der Filmrezeption jetzt nit mehr nur im emotionalen Mitswingen mit der Ges ite (für Odin eines der Merkmale der ktionalisierenden Lektüre, vgl. Odin , .), sondern in
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einem imaginären (Pseudo-)Wiedererkennen von Figuren und Handlungen anhand von dierenzierten Stereotypen, die im Alltag und im Umgang mit nitktionalen Medien gewonnen wurden (vgl. Bazin ). Dieses Wiedererkennen kann als lustvoll oder unangenehm erlebt werden, jedenfalls stellt si der Eindru ein, dass man die Figuren des Films kennt oder kennen könnte – aus der U-Bahn, der eigenen WG oder den eigenen klisierten und wiederum medial tradierten Vorstellungen von bestimmten sozialen Milieus. Zweitens werden die Aussagen über die Realität zwar nit im genauen Wortsinn für wahr (oder wenigstens wahrheitsfähig) gehalten, wie dies im dokumentarisen Film der Fall ist, aber do direkter auf die Realität bezogen als bei anderen Spiellmen. Es wird davon ausgegangen, dass der realistise Film in gewisser Weise zu der sozialen Realität, die er porträtiert, Stellung beziehen kann (und sei diese Stellungnahme au ‚zurü haltend‘, ‚neutral‘, ‚objektiv‘ etc.). In diesem Sinne s reibt Margrit Tröhler in Anspielung auf Searles Theorie der Fiktionalität, dass paradoxerweise au sole Filme, die als ktional, jedo realistis verstanden werden, „assertive Aussagen über die aktuelle Wirkli keit maen, ohne jedo im juristisen Sinne reensaspitig zu sein.“ (Tröhler , ) Dies ist wahrseinli au der Grund, weshalb als realistis rezipierten Filmen eher sozialkritise Intentionen zugesrieben werden. Driens vers ieben si damit die Bewertungskriterien – während üblierweise die Wahrseinlikeit des Verhaltens der Figuren zugunsten der narrativen Funktion in den Hintergrund tri, verkehrt si hier dieses Verhältnis und es erseint unangemessen, wenn Figuren nur den Notwendigkeiten der Dramaturgie entspreend handeln. Der Film wird dann als weniger gelungen eratet, weil er an seinem eigenen realistisen Anspru gemessen wird, den er nit einhält – und damit na anderen Kriterien beurteilt wird, als dies üblierweise (z.B. bei den meisten Genre- und Kunstlmen) der Fall ist. Narrative Elemente, die nur dem Fortgang der Story dienen und vor dem Hintergrund der Diegese nit hinreiend motiviert sind, also nit plausibel wirken, sind im realistisen Regime tabu. Eine Frage, die si an diese Überlegungen zum ktional-realistisen Lektüremodus ansließen könnte, wäre, dur wele Miel und Markierungen Filme zu erkennen geben, dass sie im Sinne dieser Unterklausel im Zusauervertrag zu verstehen sind. Anders gefragt: Wie erzeugen Spiellme den Eindru von Realismus und ktionaler Authentizität?
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Klassenfahrt als realistiser Film Der Film Klassenfahrt, der oenbar als besonders authentis empfunden wurde, bietet Ansauungsmaterial zu diesen Fragen. Ein genauer Bli auf die Art seiner narrativen Konstruktion und den Einsatz lmiser Miel kann dazu beitragen, den von ihm erzeugten ktionalen Authentieeindru besser zu verstehen. Die Erzählperspektive von Klassenfahrt lässt si als die eines ‚limitierten Objektivismus‘ bezeinen. Objektiv ist sie, da nit aus der subjektiven Warte einer einzelnen Figur die Ereignisse gesildert werden (es gibt weder subjektive Bilder, no Töne, au keine sonstigen Verzerrungen der Wahrnehmung oder Erinnerungen/Träume etc.). Der Erlebenshorizont ist nit an eine Figur gebunden, vielmehr wirkt der Film null-fokalisiert.9 Zwar ist Ronny als Protagonist erkennbar und stellenweise dient er au klar als Fokalisator wenn wir als Zusauer seine Erlebensperspektive teilen. Dies gilt insbesondere für die Point-of-View-Einstellungen dur die wir mit Ronnys Bli Isas Flirt mit Marek erleben. So wird auf subtile Weise ein Eifersutsmotiv suggeriert, ohne dass es oen ausgesproen werden müsste. Mane Erzählstränge entziehen si jedo seines Wissens- und Erlebnishorizontes (z.B. der Moment als Isa und Martina die beiden Polen kennenlernen, die ihnen CDs verkaufen wollen und sie in den ‚Club Paradise‘ einladen). Glei zeitig ist die narrative Instanz nit ‚allwissend‘, sondern vielmehr in ihrem Kenntnisstand ganz oenbar ‚limitiert‘. So erfahren wir kaum etwas über die Motivlage der Figuren, nits über ihre Vergangenheit und nur wenig über ihre Gedanken und Gefühle. Dies widersprit dem üblien Vorgehen in klassisen Filmnarrationen, die die Ziele und Emotionen oenlegen, um die Handlungen – besonders die der Protagonisten – leit navollziehbar zu maen. Dieser Erzählhaltung des limitierten Objektivismus arbeitet au die „anthropomorphe Kamera“ (Brinmann ) zu. Diese zeinet si dadur aus, dass sie eine optise Perspektive imitiert, die mensenähnli ist. Zwar geht dies in Klassenfahrt nit so weit, wie etwa bei Luc und Jean-Pierre Dardenne, die aussließli eine Handkamera einsetzen, die dur snelle, den Figuren folgenden Bewegungen deutli als sole gekennzeinet ist. In Klassenfahrt weseln si Handkamera-Einstellungen mit Stativaufnahmen ab; verzitet wurde jedo auf Fahrten und andere virtuose (te nomorphe) Kamerabewegungen. Der Aufnahmewinkel orientiert si an der üblien Augen höhe und entsprit insofern dem limitierten, semianthropomorphen Objektivismus der 9 Zur Theorie der Fokalisierung vgl. Genette , ff., ff.; bezogen auf den Film Sweinitz .
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Abbildung 1
Erzählinstanz. Einzig die tableauartigen und kontemplativen Slusseinstellungen weien von diesem Präsentationsmodus ab. Der Film beginnt mit einer Verkeung von Motiven, die an die Überlegungen von Peter Wuss zu „perzeptionsgeleiteten Strukturen“, die zu „Topikreihen“ kombiniert werden, erinnert (vgl. Wuss ; , .). Anders als konzeptund stereotypengeleitete Strukturen, die Kausalkeen bzw. Storysemata bilden, handelt es si bei den Topikreihen um eine loerere Art der Verknüpfung von wiederkehrenden Motiven. Die Narration entsteht nit über den kausalen Zusammenhang von einzelnen Handlungen (für Bordwell [ ] ein Denitionskriterium klassisen lmisen Erzählens). Vielmehr geben versiedene, semantis jedo ähnli gelagerte Ereignisse oder Bildmotive Auskun über eine Situation.10 Im Fall von Klassenfahrt wird der Protagonist Ronny am Anfang des Films über mehrere Einstellungen und Sequenzen hinweg als Außenseiter und Einzelgänger gekennzei net: Na einer aus dem 10 „Indem die Aufmerksamkeit des Zusauers die homologen Formbeziehungen, die si im Handlungsfeld abzei nen, fokussiert, stellt si aufgrund dieser zielgeriteten kognitiven Aktivität ein Sinnzusammenhang zwisen Ereignissen her. Das hier benannte Verknüpfungsprinzip ist dann nit mehr auf kausale Beziehungen zwisen den Begebenheiten einer Gesite angewiesen. Bindungsgesetz und Kohärenz des Gesehens ergeben si vielmehr aus der intratextuellen Wiederholung der Topiks und der beim Zusauer erzeugten Disposition zur Semantisierung des Reizmaterials, was zur Ausbildung latenter Erwartungen bzw. swaer Hypothesen gegenüber dem Fortgang der Handlung führt.“ (Wuss , ) Für eine Diskussion des Zusammenhangs von Topikreihen und Realismus vgl. Tröhler , .
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Abbildung 2
fahrenden Bus gelmten Einstellung der vorüberziehenden Landsa, mit der der Film beginnt, sehen wir ihn in Großaufnahme nadenkli aus dem Fenster guen (Abb. ; die erste Einstellung kann ihm retrospektiv als Point-ofView-Einstellung zugesrieben werden). Während die anderen si unterhalten, Zeel austausen und si von ihrem ersten Kuss erzählen, bleibt Ronny stiller Beobater, der nit einbezogen wird (au die folgenden Einstellungen können als Point-of-View-Shots aus seiner Sit verstanden werden). Die näste Sequenz beginnt mit einer Totale des heruntergekommenen Hotels, in dem die Klasse untergebrat ist. Eine ans ließende Halbtotale auf die auf dem Balkon stehenden Süler (Abb. ) verdeutlit Ronnys Isolation: Nadem zuerst Steven und Martina miteinander irtend gezeigt werden, swenkt die Kamera na rets auf zwei Typen, die aushandeln, wer Bier holen muss und sließli weiter auf Ronny, der allein auf der reten Seite des Balkons steht (Abb. ). Während am Anfang das Miel der Großaufnahme die Figur isoliert hat, zeigt ihn hier die laterale Kamerabewegung als von den Mielsülern distanziert. Verstärkt wird dieser Eindru unmielbar dadur, dass die anderen hineingehen und die Türen s ließen, so dass si Ronny allein und – nun au im ganz wörtlien Sinn – ausges lossen auf dem Balkon bendet. Als er dann ein oene Tür ndet und wieder hereinkommt, hört er, wie die anderen über ihn spreen und laen. Er verlässt darauin das Hotel, obwohl der Klassenlehrer das Abendbrot ankündigt. Die nästen Einstellungen zeigen ihn allein am Strand unter regnerisem Himmel: Tristesse totale (Abb. ).
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Abbildung 3
Das Einzelgängermotiv, die von Ronny zum Teil au selbst gewählte Absonderung, ist damit in den ersten fünf Filmminuten, die den ersten Tag der Klassenfahrt denotieren, hinreiend etabliert. Im weiteren Verlauf kann der Film auf dieses Motiv immer wieder zurügreifen, etwa wenn Ronny allein am Frühstüstis oder beim Abendbrot sitzt oder gegen si selbst Tistennis spielt. In diesen ersten Minuten hat Ronny kaum ein Wort gesproen, au die restlie Filmzeit hindur bleibt er wortkarg. Seine o leit gebeugte Körperhaltung, der Ritung Boden geneigte Bli, die Frisur und der Oberlippenaum, seine Kleidung (der fast ironis wirkende Spru „Free Spirit’s Party Place“ auf seiner Jae) arakterisieren die Figur auf nonverbale Weise. Wie au seine Mitsüler lässt er si nur aufgrund dieser Äußerli keiten und der Art, wie und über was gesproen wird, einem ostdeutsen Untersitsmilieu zuordnen. (Wie wir später erfahren, kommen die Süler von einer Berliner Haupt- oder Realsule.) Unter funktionalen Gesitspunkten wirkt die Narration von Klassenfahrt hybrid: Einstellungen und Sequenzen, deren Handlungen in klassiser Weise vom Gesamtzwe überdeterminiert sind, weseln si mit solen ab, die keiner klaren narrativen Funktion zuzuordnen sind. Ein Beispiel für eine klassise funktionale Überdeterminierung bietet etwa die son erwähnte kurze Szene vom Anfang des Films, in der Isa und Martina zwei polnise Jungen kennenlernen, die CDs verkaufen. Zwar handelt es si von der immanenten Ebene der Gesite aus betratet um eine oenbar zufällige Begegnung. Dramaturgis erfüllt diese Szene aber glei
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Abbildung 4
mehrere Funktionen: Im Sinne einer klassisen Expositionen werden hier Informationen sowohl zum Handlungsort (Polen) als au zum Herkunsort der Sulklasse (Berlin) geliefert. Au werden diese Orte über ein bekanntes Klisee, nämli dass in Polen billig CDs zu kaufen sind (so die Erwartungshaltung der Mäden), zueinander in Beziehung gesetzt und damit die wechselseitig aneinander geknüpften Vorstellungen veranschaulicht: Die Mäden hoen, hier billig an CDs zu kommen, während die Verkäufer in ihnen Touristinnen und damit in erster Linie möglie Geldquellen sehen.11 Außerdem weisen die beiden Jungen in der Szene aber au auf den ‚Club Paradise‘ hin, in den sie später gemeinsam gehen und in dem Isa und Ronny Marek kennenlernen werden. Insofern besitzt die kurze unseinbare Szene au eine witige kausale Funktion in der Handlungskee der Filmgesite. Andere Szenen seinen stärker für si selbst zu stehen und fangen quasidokumentaris einfae Momente des Lebens ein. Sie lassen si im Sinn von Roland Barthes ( ) als ‚Wirklikeitseekte‘ verstehen: als ‚funktionslose Details‘, die die Realitätsnähe der Diegese erhöhen (vgl. Kirsten a). In Klassenfahrt wurden diese Momente o dur Gruppenimprovisationen umgesetzt.
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Ähnlie asymmetrise Kongurationen sind später in einer Kneipenszene zu beobaten, in der si die Jungen nit ohne sexistise Untertöne mit den polnisen Barfrauen amüsieren wollen. Dass es bei dieser Art von deuts-polnisem Verhältnis nit bleiben muss, ist im weiteren Filmverlauf anhand der Annäherung von Marek und Isa zu sehen. Vgl. zu Klassenfahrt im Kontext der deuts-polnisen Filmbeziehungen au den Aufsatz von Randall Halle in diesem Band.
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Viele der Darsteller wurden von Henner Winler von der Straße gecastet. Es handelt si um Jugendlie, die oenbar tatsäli aus dem Milieu kommen, das sie verkörpern. Dadur, dass si ihre Situation als Gruppe beim Dreh in Polen außerdem mit der Situation einer Klassenfahrt vergleien ließ, entwielte si au eine ähnlie Gruppendynamik.12 In manen Sequenzen lässt si das gut erkennen, etwa bei den Trinkspielen, oder beim BreakdanceContest. Diese Szenen haben keine direkte dramaturgise Funktion – sie sind weder Teil der Kausalkee, no erläutern sie die Situation oder geben Einbli in die Motivationen der Figuren. Ihr Zustandekommen als semi-improvisierte Szenen bedeutet, dass es si hier um eine dreistellige Relation von (.) prolmiser Welt (.) Diegese (.) almiser Wirklikeit handelt, wobei die Ebenen in einem Ähnlikeits- oder Entspreungsverhältnis zueinander stehen. Auf der Ebene der prolmisen Welt handelt es si um die Laiendarsteller, die ihre oenbar tatsäli vorhandenen Breakdance-Skills vor der Kamera vorführen. Auf der diegetisen Ebene werden diese Moves von den Figuren aus Spaß oder Langeweile oder um den Mäden zur imponieren während einer Party ausgeführt. Der Bezug zur almisen Welt ist etwas abstrakter. Hier lässt si das Entspreungsverhältnis im Sinne Etienne Souriaus folgendermaßen fassen: Wenn man von realistisen Filmen sprit, will man logiserweise damit ausdrüen, dass diese ein genaues Bild des almisen Universums geben, besser no: dass sie ihm auf ehrlie und getreue Weise Ausdru verleihen. (Souriau , )
Ganz im Sinne des oben vorgestellten Modells einer realistisen Lektüre ist hier die Diegese so angelegt, dass sie als der wirklien Welt Ausdru gebend verstanden werden kann. In diesem Sinne denotiert die Breakdanceszene auf ostentative Weise eine Handlung, die in einer solen oder ähnlien Situation in der normalen Welt passieren könnte. Sie entsprit damit einem ‚Regime der Wahrseinlikeit‘, dem „neuen Wahrseinlien“ von dem bei Barthes ( , ) die Rede ist. So entsteht der Eindru des quasi-dokumentarisen Charakters dieser Einstellungen und der Eekt ‚ktionaler Authentizität‘. Die 12
Henner Winler im Interview auf der französisen DVD-Ausgabe: „Bei Klassenfahrt zum Beispiel haben wir viel mehr Situationen gehabt, die nit komple durgesrieben waren. Weil die Situationen au einfaer waren [im Verglei zu seinem zweiten Spiellm Lucy, G.K.]. Da waren vielmehr Leute, die miteinander interagiert haben und natürli ist zwisen denen au ein ähnlies Gefühl entstanden – die sind ja au weggefahren –, ein vergleibares Gefühl beim Dreh wie bei einer Klassenfahrt. Und dadur konnten wir o au einfa eine Gruppensituation erklären und dann hat die funktioniert.“ Vgl. au Winler im Gesprä mit Ho häusler , f.
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Figuren und die Handlung werden zwar ktional (als imaginär und ngiert) verstanden, darüber hinaus aber mit dem Ansein der Lebensnähe ausgestattet. Die genannten Merkmale der Narration (der limitierte Objektivismus der Erzählinstanz, die anthropormorphe Kamera, die loerere Verknüpfungen von Einzelhandlungen zu Topikreihen, die ‚Wirklikeitseekte‘ und Improvisationen) tragen zu diesem Eekt bei. Klassenfahrt lässt si also insofern als ‚realistiser Film‘ qualizieren, als seine narrativen Charakteristika eine Lektüre anleiten, die der oben besriebenen Unterklausel im Zusauervertrag entsprit. Zwar wäre es au mögli, bei der Wahrnehmung dieses Films auf andere Dinge zu fokussieren, aber unter rein ästhetisen, empathisen oder spannungsbezogenen Aspekten wirkt der Film weniger ergiebig.13 Dur die Art seiner Erzählung markiert si Klassenfahrt selbst als ‚realistiser‘ Filmtext, der eine Lektüre anleitet, die auf die Homologie zwisen Film- und Realwelt abzielt und den Film entspreenden Qualitätskriterien bezügli der Ritigkeit und Genauigkeit seiner Beobatung aussetzt.14 Die besriebenen Charakteristika nden si in ähnlier Form nit nur in Henner Winlers zweitem Spiellm Lucy (D ), sondern au in einer Reihe anderer zeitgenössiser deutser Filme. Zu denken ist neben vielen anderen besonders an die Filme der Berliner Sule und ihres Umfelds (Maren Ades Alle Anderen [D ] wäre ein gutes Beispiel), aber au an Andreas Dresen, HansChristian Smid und Robert Thalheims Am Ende kommen Touristen (D ).15 Gemeinsam ist diesen Filmen neben einer anti-eskapistisen Grundhaltung die Zurühaltung in der Bewertung ihrer Figuren und Themen. Wenn diese Filme im oben genannten Sinn ‚assertive Aussagen‘ treen, so sind diese besreibender, nit bewertender Art. Sie sammeln Symptome einer bestimmten Verfasstheit der Gesellsa und können in diesem Sinn als „Versu, den Kapitalismus darzustellen“ (Seeßlen ) bezeinet werden. Aber mit Diagnosen 13
Tatsäli wird der Film, wenn er mit der Standardzusauererwartung des ktionalisierenden Lektüremodus betratet wird, o als ausgesproen „langweilig“ empfunden. Das liegt daran, dass er kaum Spannung oder Empathie generierende Miel einsetzt. Die rein ktionalisierende Lektüre, bei der ein emotionales Mitswingen („vibrer au rythme des événements racontés“, Odin , ) im Vordergrund steht, erweist si so als unangemessen. 14 Na dem Gesagten sollte klar sein, dass die Rede von der „Ritigkeit und Genauigkeit der Beobatung“ nur metaphoriser Art sein kann, da es si ja nit um Beobatung und Wiedergabe von etwas Vorgefundenem handelt, sondern vielmehr um die Konstruktion einer (wirklikeitsnahen) Fiktion. Bei Ausdrüen dieser Art, die fester Bestandteil des lmkritisen Vokabular sind, handelt es si ja son um Artefakte des realistisen Lektüremodus. 15 Zu Andreas Dresen vergleie das Werkstagesprä und die Aufsätze von Laura McGee und Andy Räder in diesem Band. Zu Am Ende kommen Touristen siehe au den Aufsatz von Tobias Ebbret in diesem Band.
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(in Form von Suldzuweisungen oder Lösungsvorslägen) halten si diese Filme zurü. Au werden keine Probleme gewälzt, die auf den Agenden politiser Institutionen wieder auauen könnten. Die Filme verstehen si nit als Stiwortgeber politiser Diskurse, sondern unterlaufen diese dur die Detailtreue ihrer Beobatungen. So ist Klassenfahrt nit blind gegenüber einem gewissen Chauvinismus und latenten Rassismus in der A itüde der deutsen Süler gegenüber den polnisen GastgeberInnen. Daneben gibt es jedo au einfae und alltäglie Begegnungen und Unterhaltungen, bei denen die zufällige Zugehörigkeit zu vers iedenen Nationen und Gesletern keine nennenswerte Rolle spielt. Großthesenhaes zum Komplex der deuts-polnisen Beziehung lässt si daraus jedenfalls kaum destillieren. Au diese reservierte, aber detailgetreue und einfühlsame Haltung, die keine false Nähe behauptet und keinen Sentimentalitäten und Moralismen Raum bietet, gehört wesentli zum realistisen Regime von Klassenfahrt. Das Sisal der Figuren, ihre sehr realen, aber kaum diskursivierbaren und politisierbaren Probleme, die desillusionierende Klassenlage der gesellsalien Untersit, der sie entstammen, die verhinderten Beziehungen und verhinderten Ausspraen mögen den ZusauerInnen nahe gehen. Aber aufgedrängt werden sie ihnen nit.
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Der Kinderlm: Themen und Tendenzen Claudia Wegener
Der Kinderlm ist in Deutsland seit einigen Jahren besonders populär. Unter den zwanzig erfolgrei sten Kino lmen des Jahres , gemessen an den Besuerzahlen, fanden si insgesamt fünf Filme, die als Kinderlm ausgewiesen waren. Neben US-amerikanisen Animationslmen wie Madagascar (USA , Eric Danell/Tom McGrath) mit beinahe fünf Millionen Besuern und Wall-E (USA , Andrew Stanton) mit mehr als drei Millionen Besuern, war au die deutse Produktion DWK – Die wilden Kerle: Hinter dem Horizont (D , Joaim Massanek) unter den besten fünf platziert und erreite mehr als , Millionen Zusauerinnen und Zusauer. Im Jahr zuvor sahen mehr als , Millionen Zusauer Die Wilden Kerle (D , Joaim Massanek), womit der Film zu den zehn erfolgreisten Produktionen des Jahres zählte. Neben dem steten Erfolg der DWK-Reihen fanden si untersiedlie deutse Produktionen wie Der kleine Eisbär (D , Piet De Ryer/Thilo Rothkir ), Hui Buh, das Slossgespenst (D , Sebastian Niemann), Free Mäden (D , Ute Wieland), Sommer (D , Mike Marzuk), Die wilden Hühner und die Liebe (D , Vivian Naefe) oder Die drei ??? – Das Geheimnis der Geisterinsel (D , Florian Baxmeyer) unter den erfolgreisten vierzig Kinolmen des jeweiligen Jahres. Angesits jüngster Zahlen zum Kinobesu ist davon auszugehen, dass si der Kinderlm au weiterhin als populäres Genre behauptet. Die neue Erfolgsserie des Kinderlms, sowohl nationaler als au internationaler Produktionen, wird aufgrund der hohen Besuerzahlen in untersiedlien Kontexten proklamiert (vgl. Völer ). Die wissensalie Auseinandersetzung mit Filmen, die si vornehmli an Kinder riten und für diese produziert werden, ist jedo na wie vor randständig (vgl. Krämer ). Neuere Publikationen zei nen die Entwilung des Kinderlms na und maen deutli, dass diese mit dem jeweiligen Bild von Kindheit in Zusammenhang steht, wie es in einer je spezisen Gesellsa unter ihren historisen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten konstituiert ist (vgl. Säfer/Wegener ). Kinderlme nehmen ein Bild von Kindheit auf und spiegeln dieses in ihren Produktionen, andererseits zei nen sie ein Bild des Aufwasens, das in der Lage ist, Vorstellungen von Kindheit mit zu prägen und Maßstäbe für einen Umgang mit Heranwasenden zu setzen. Sließli bieten sie ihrem Publikum eine Möglikeit, si mit den besonderen Heraus-
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Claudia Wegener
forderungen des Aufwasens auseinanderzusetzen und dabei Perspektiven zu reektieren, die imaginär spielerises Ausprobieren jenseits des alltägli verpitenden Handelns erlauben. Ein eben soles ist in versiedenen Absnien der Kindheit von Bedeutung. In der frühen Kindheit bis zum Sulalter geht es darum, Eigenständigkeit zu entwieln, si von erwasenen Bezugspersonen emotional lösen zu können, selbständig Freundsaen zu sließen und den Mut aufzubringen, einen eigenen Standpunkt zu vertreten. In der späten Kindheit, die ungefähr mit dem . Lebensjahr beginnt, stehen Heranwasende erstmals in ihrem Leben vor der Herausforderung, Identitätsprojekte zu entwieln, in denen die eigene Biographie prospektiv zu entwerfen ist. In einer Gesellsa, die Lebenswege nit vorgibt, sondern unter dem Slagwort der Optionenvielfalt in die Verantwortung des Einzelnen legt (vgl. Be ), sind der Zwang zur Selbstverwirkliung einerseits und die Möglikeit zur Selbstverwirkliung andererseits zwei Seiten derselben Medaille. Dem Kinderlm der Gegenwart kommt damit in mehrfaer Hinsit eine Herausforderung zu, die darin besteht, an die Erlebnis- und Alltagswelt eines in der Regel eher unerfahrenen Kinopublikums anzuknüpfen, dieses zu unterhalten, aber au konstruktiv zu irritieren – ohne zu ängstigen oder zu stark zu verunsiern. Darüber hinaus kann er Orientierung und Anregung in einer Welt geben, in der si selbst Erwasene stets neu entwerfen müssen und mitunter au Kindern keine Lösungswege mehr anbieten können. Entspreend können Filme Kindern Verlässli keit bieten, indem bekannte Figuren ihre Probleme am Ende bewältigen. Sie regen zum Nadenken an, indem neue Perspektiven aufgezeigt und Lösungswege zur Diskussion gestellt werden und saen Entlastung, wenn das Kino dur phantastise Welten zu einem zwefreien Raum des Erlebens und Vergnügens wird, in dem Kinder für eine kurze Zeit von den Anforderungen ihres Alltags befreit sind.
Kindheit und Film Das Thema Kindheit prägt den gesellsalien Diskurs gegenwärtig in herausragender Weise. Umgekehrt ist festzustellen, dass die gesellsalien und politisen Debaen über Kindheit ein Bild dieser Lebensspanne zeinen, das sie nit als zwefreie Phase darstellt, sondern an zahlreie Entwürfe, Anforderungen und Herausforderungen bindet, die mit dem Aufwasen in unserer Gesellsa verbunden sind. Dieses Bild zeigt si in gesellsaspolitisen Maßnahmen, transportiert wird es aber au über und dur die Medien und s ließli ndet si ein soles Bild in Filmen, die si an Kinder riten
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(vgl. Säfer/Wegener ). Die Medien nehmen Kindheitsbilder einerseits auf, andererseits tragen sie dazu bei, Vorstellungen von Kindheit zu entwerfen, die in den versiedenen Sozialisationsinstanzen aufgegrien werden und in Prozesse von Erziehung und Bildung einießen. Ein Bli in die Medien und aktuelle Veröentliungen zum Thema zeigt vielfältige Diskursstränge, die mit Kindsein verbunden sind. Das Deutse Jugendinstitut verweist in einer Publikation aus dem Jahr (DJI ) auf die herausragende Bedeutung des Themas und entwir Kindheit in untersiedlien Szenarien, in denen si Aufwasen konstituiert. Damit verbunden ist die Ambivalenz von kindliem Eigensinn und gesellsalier Vereinnahmung, die Frage, ob Kindheit als Sonraum zu sehen ist, in dem si das Kind gemäß seiner eigenen Interessen und Bedürfnisse zwefrei entfalten soll oder nit vielmehr als grundlegende Entwilungsphase, in der es Heranwasende frühzeitig optimal zu fördern und zu bilden gilt. Der Dru auf Kinder in unserer Gesellsa wäst. Dur eine sinkende Geburtenrate verbunden mit einer gestiegenen Lebenserwartung der Gesamtbevölkerung werden Kinder omals als seltenes und umso wertvolleres Gut der Gesellsa deniert. Frühzeitig müssen si die Jüngsten den Erwartungen einer Leistungs- und Wissensgesellsa stellen – die Honungen, die in die jeweils näste Generation gesetzt werden, sind groß (vgl. Gaiser/Rother ). Aber nit nur die Erwartungen an Kindheit sind einem Wandel unterworfen, au die Lebensformen, in denen Aufwasen standet, ändern si. Prozesse der Individualisierung und Pluralisierung von Lebensformen generieren neue Familienstrukturen. Patworkfamilien und nit-ehelie Lebensgemeinsaen bieten Kindern ebenso einen Hort des Aufwasens wie gleiges letlie Beziehungsformationen und Ein-Eltern-Familien. Familienformen haben si ausdierenziert und dieses zeigt si au in den Filmproduktionen für Heranwa sende. Bereits im Jahr setzte Arend Agthe mit seinem milerweile zum Klassiker avancierten Film Flussfahrt mit Huhn den Topos der allein erziehenden Muer. Robert lebt gemeinsam mit seiner Muer und dem Großvater, die Vaterrolle bleibt unbesetzt. In zahlreien aktuellen Kino-Produktionen nden si Kinder wie Karo (Karo und der liebe Go [A , Danielle Proskar]), Sproe (Die wilden Hühner [D / / , Vivian Naefe]) oder Hannes (Vorstadtkrokodile [D , Christian Dier]), die mit alleinerziehenden Elterteilen leben. Au wenn pluralisierte Lebensformen Eingang in den Kinderlm gefunden haben, stehen die für Kinder damit verbundenen Herausforderungen in der Regel aber kaum im Mielpunkt. Mit Bli auf entspreende Filmproduktionen stellt Homann fest:
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Claudia Wegener Angesits einer steigenden Seidungsrate ist das Sujet Trennungskinder sehr zeitgemäß, aber natürli au immer heikel in der Abhandlung. Als Fakt jedenfalls kommen Seidungskinder in fast allen Filmen ganz selbstverständli vor, nur die Problematik wird nit ausdrüli thematisiert. (Homann , )
Ausnahmen stellen Filme wie Der Mistkerl (D , Andrea Katzenberger) dar, in dem die -jährige Pauline ihrer unglü li verliebten Muer hil, den ehemaligen Freund zurü zu gewinnen. Mit der selbst initiierten Beziehung allerdings kann si Pauline ansließend nur swer arrangieren. Aufgrund seiner Festivalpräsenz erfuhr Der Mistkerl eine Auswertung im Kino; mit Kopien allerdings war diese nur auf wenige Zusauer ausgeritet (vgl. Völer ). Auf ein breites Publikum ist die Verhandlung kindlier Problemlagen in postmodernen Gesellsaen oenbar nit angelegt. Dur die Heterogenisierung von Lebensformen konstituieren si für Kinder untersiedlie Erfahrungsräume und Lebenswelten diversizieren si. So ist Kindheit heute au multikulturelle Kindheit. In der Altersgruppe der - bis -Jährigen leben zu Prozent Kinder mit Migrationshintergrund, bei den - bis -Jährigen sind es Prozent. Damit beziehen si Erfahrungen von Multikulturalität in unserer Zeit vor allem auf kindlie Lebenswelten. Kinder im Klein- und Grundsulalter erleben Multikulturalität als besondere Vielfalt, die heute integraler Bestandteil des Kinderlebens in Deutsland ist (vgl. Thiessen , ). Ein integraler Bestandteil der gegenwärtigen Kinderlmkultur ist das Topos allerdings nit. Internationale Produktionen fallen hier auf und setzten für das Thema Maßstäbe. In Ki it like Be ham (UK/D/USA , Gurinder Chadha) zeigen si die Probleme, die Jess als Migrantin der zweiten Generation mit ihren traditionsbewussten Eltern hat. Während die Eltern an den indisen Traditionen festhalten, strebt die in England aufgewasene Toter na Integration. Trotz aller Widerstände sa sie es, ihren Traum vom Fußballspielen zu verwirklien. Der Film mist erzählerise Elemente aus der englisen und der indisen Kultur und verbindet untersiedlie Genre wie den Sportlm, Coming-of-Age-Filme und Musikclips. Primär nden si die britise Komödie und der Bollywood-Film in ihm wieder (vgl. Saeer ). Ki it like Beham erhielt eine Altersfreigabe ab Jahren und erreite im Kinojahr mehr als . Zusauer. Auf ähnli ansprusvolle und erfolgreie nationale Kinderlmproduktionen für unter -Jährige können hiesige Institutionen der Filmbildung gegenwärtig nit zurügreifen (vgl. KJF ). Twele vermerkt in seiner Abhandlung über Zeitströme im Kinderlm: „Sieht man si die weitere Entwilung dieses Topos an, bleibt nit allzu viel Ho nung.“ (Twele , ) Produktionen wie Paulas Geheimnis (D , Gernot Krää) oder Peter Kahanes Neuverlmung des Romans Die
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rote Zora (D/S ) knüpfen zwar im weitesten Sinne an das Thema an, eine dierenzierte Auseinandersetzung mit Multikulturalität ist allerdings nit ihr Anliegen (vgl. ebd.). Den Anforderungen postmoderner Entwi lungen geret zu werden, ist für den Kinderlm oenbar ein heikles Unterfangen.
Was ist ein Kinder lm? Die wissensalie Auseinandersetzung mit Kinderlmen führt zu der Frage, was unter einem solen überhaupt zu verstehen ist. Filme, in denen Kinder Hauptrollen spielen, müssen nit zwangsläug au Kinderlme sein. Barg setzt si mit der Darstellung von Kindern in Filmen für Erwasene auseinander und verweist auf zahlreie Filme, in denen Kinder zwar eine tragende Rolle spielen, die für ein junges Publikum tatsäli aber ungeeignet sind. Exemplaris kann auf das Kind als Medium verwiesen werden, wie es si in vielen Horrorlmen ndet, in denen das übersinnli begabte Kind in der Lage ist, mit Außerirdisen, Fabelwesen und Verstorbenen in Kontakt zu treten: So erinnern gerade in Filmgenres, die mit dem Übernatürlien erzähleris umgehen, die Kinderguren die Erwasenen stets an die möglien Potentiale anderer Wahrnehmungsebenen, sei es die Telepathie oder die Welt der Geister und Toten. Diese Begegnung mit einer anderen Welt jenseits des „gesunden Mensenverstands“ über Kinder als geistige Vermiler und Medium fasziniert viele Erwasene und begründet ihre Angstlust beim Betraten von Horrorlmen und Psyothrillern, in denen Kinder zentrale Rollen spielen. Die enormen Publikumserfolge und Einspielergebnisse, die Filme wie „Shining“ oder „The Sixth Sense“ haben, sind daher nit verwunderli. (Barg , )
Ein kindlier Protagonist allein taugt zur Konstitution des Genres ganz oensitli nit. Fragt man Kinder selbst na ihren Erwartungen an einen Film so zeigt si, dass au aus ihrer Sit ein ähnlies Alter der Protagonisten keine grundlegende Voraussetzung für die Akzeptanz und das Gefallen von Filmproduktionen ist (vgl. Wegener et al. ). Vielmehr sind es die Themen, die einen Film als Kinderlm auszei nen, eine altersgerete Dramaturgie, eine für Kinder navollziehbare Perspektive auf das Gesehen und ein Held, der Eigensaen, Bedürfnisse und Probleme verkörpert, in denen si Heranwasende wiedernden. Der Kinderlm kann damit grundsätzli als MetaGenre verstanden werden. Genre fassen Filme na gemeinsamen typisen Merkmalen zusammen (vgl. Mikos ). Sie bedienen die Erwartungen des Publikums mit Bli auf bestimmte Konventionen und Standards und geben
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den Produzenten einen Rahmen vor, der dur die Zusauererwartungen ebenso bestimmt ist wie dur die Summe der Filme, dur die si ein Genre im gesellsalien Diskurs deniert. Den Erwartungen der Zusauer entsprit der Kinderlm insofern, als dass er an das Weltwissen von Kindern ansließt, ihre handlungsleitenden Themen aufnimmt und umsetzt. Er entsprit ihren Vorstellungen, indem er an die narrativen Kompetenzen von Kindern anknüp und berüsitigt, dass sole im Prozess der (Medien)Sozialisation erst erworben und weiter entwielt werden. Driens erfüllt der Kinderlm die Erwartungen des Publikums, indem er lmise Stilmiel den kognitiven Voraussetzungen der jungen Zielgruppe entspreend verwendet. Vor allem für jüngere Kinder ist es eine Herausforderung, Kameraperspektiven, Montagen und Einstellungsgrößen in ihren lmspezisen Bedeutungen zu entslüsseln. Ihr dierenzierter Einsatz steht dem Filmverstehen von Kindern mitunter entgegen. Erst dur Medienerfahrungen lernen sie, sole lmisen Darstellungsweisen zu verstehen, aber au mit dem Fortgang ihrer kognitiven Entwilung können sie eine komplexe Dramaturgie immer besser navollziehen (vgl. Nieding/Ohler ). Der Kinderlm kann insofern als ein Genre verstanden werden, als dass er den hier skizzierten Erwartungen entsprit. Zu einem Meta-Genre aber ist er geworden, da er heute vielfältige Muster des Erzählens und der Darstellung impliziert, die dem klassisen Genrekino entstammen. Kinderlme sind au Genrelme. Es nden si Komödien und Krimis für Kinder, Abenteuergesiten, Mären und Dramen, Action-Kino und Horrorlme. Damit klassiziert der Kinderlm Erwartungen mit Bli auf die kognitiven und emotionalen Kompetenzen der besonderen Zielgruppe, er lässt andererseits aber Raum für die Umsetzung vielfältigster narrativer und dramaturgiser Konzepte. Den Kinderlm allein als Genre zu verstehen, würde den Bli auf eben diese Vielfalt versließen und den Filmen, die als sole klassiziert werden, in ihrem Reitum und ihrer Vielgestaltigkeit kaum geret werden.
Zur Ausdierenzierung eines Meta-Genres und seiner Zielgruppe Die Etablierung des Begries Kinderlm fand ihren Ursprung vor mehr als zwanzig Jahren. Inzwisen erfährt der Kinderlm eine Ausdierenzierung, die vor allem au einer dierenzierteren Wahrnehmung der Zielgruppen gesuldet ist. Kleinkinder und Vorsüler werden ebenso angesproen wie Kinder im Übergang zum Teenageralter. Die Filme des Family Entertainments sind generationenübergreifend konzipiert und zielen ebenso auf Kinder und deren Eltern wie au auf Jugendlie als Publikum.
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Kindergartenkinder und Vorsüler Die Altersspanne der Kindheit ist groß. Nimmt man Kinder als Mediennutzer ernst und wir einen Bli auf die Daten der Publikumsforsung, so können Kinder bereits in einem Alter von drei bis vier Jahren zum Publikum der Medien und damit au des Kinos gezählt werden. In diesem Alter sind nit nur Büer und das Fernsehen in die kindlie Alltagswelt integriert, au der erste Kinobesu ndet mehrheitli zwisen dem vierten und dem fünen Lebensjahr sta (vgl. Medienpädagogiser Forsungsverbund Südwest ). Vor allem Animationslme riten si an Kindergarten- und Vorsulkinder und nehmen damit ein Publikum ab vier Jahren in den Bli. Beispielha kann auf aktuelle Produktionen wie Der Mondbär – das große Kinoabenteuer (D , Miael Maurus/Thomas Bodenstein), Kleiner Dodo (D , Thilo Rothkir/Ute von Münow-Pohl), Mullewapp – Das große Kinoabenteuer der Freunde (D/I/F , Tony Loeser/Jesper Møller) oder Jasper und das Limonadenkomplo (D/F , Eart Fingberg/Kay Delventhal) verwiesen werden. Die Filme s ließen an grundlegende Entwi lungsthemen an, wie sie für jüngere Kinder relevant sind: Freundsaen sließen, Angst überwinden und dabei Abenteuer erleben. Au wenn die Zahl soler Filme, die kindgerete Unterhaltung für Erstkinogänger bieten, no gering ist, hat der Kinder- und Animationslm hier eine Lüe entdet und Filme für jüngere Kinder milerweile zur Marke entwielt (vgl. Witz , ). Bezei nend für die Ansprae der jüngsten Kinogänger ist die Wahl von Figuren, die das Zielpublikum kennt. Der Trend, erfolgreie Bilderbüer für die Leinwand aufzubereiten, besteht seit mehr als zwanzig Jahren. Er begann mit Janos, gefolgt von Produktionen wie Käpt’n Blaubär (D , Hayo Freitag), Peerson und Findus (S/D , Albert Hanan Kaminski) oder Lauras Stern (D , Piet De Ryker/Thilo Rothkir). Jasper der Pinguin war Kindern und deren Eltern zunäst aus der „Sendung mit der Maus“ (WDR) bekannt und wurde später als eigenständige Serie im Kinderkanal ausgestrahlt. Der WDR produzierte insgesamt Folgen mit einer Länge von Minuten für den internationalen Markt. Dur umfangreie Lizenzprodukte wie DVDs, Büer und Sto iere war die Figur eingeführt, bevor der Kinolm auf die Leinwand kam. Eine ähnlie Entwilung zeigte si bei der Kinoproduktion Der kleine Eisbär (D , Piet De Ryker/ Thilo Rothkir): Im Jahr ersienen die Gesiten von Hans de Beer in Buform, folgten regelmäßige Aurie in der „Sendung mit der Maus“, Einzelausstrahlungen in der ARD und dem Kinderkanal KIKA slossen si an, bevor der Kinolm im Jahr gezeigt wurde. Mit mehr als , Millionen Zusauern konnte si die Co-Produktion von Cartoon-Film und Warner Bros unter den zwanzig erfolgreisten Produktionen des Jahres behaupten und
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bestätigte das Konzept aus marktwirtsalier Sit. Weitere erfolgreie Produktionen für die jüngsten Kinobesuer sließen an Serienguren aus der Welt des Kinderkanals an und halten si an Literaturvorlagen, indem erfolgreie Bilderbüer für die Leinwand adaptiert werden. Dieses gilt au für den aktuellen Kinolm Mullewapp, der an die Figuren aus den erfolgreien Kinderbüern von Helme Heime ansließt, au wenn die Handlung für den Film neu erdat wurde (vgl. Lukasz-Aden/Strobel ). Die skizzierte Entwilung des Kinderlms zeigt, dass Produktionen jenseits eingeführter Marken kaum eine Chance auf eine kommerzielle Auswertung haben. Sie führt zu Filmen, die handwerkli professionell, kalkulierbar erfolgrei und unterhaltend sind und auf dem internationalen Markt bestehen können, die in der Regel aber auf Milieuzei nungen verziten und damit sozial und kulturell beliebig bleiben. Dass Markenbildung und -verwertung nit nur im Spiellmberei funktionieren, zeigt der jüngste Kinder-Dokumentarlm Willi und die Wunder dieser Welt (D , Arne Sinnwell). Reporter Willi Weitzel ist dem jungen Publikum bereits aus dem Fernsehen bekannt. Seit dem Jahr führt er dur die Sendung „Willi will’s wissen“, die vom Bayrisen Rundfunk produziert und im Kinderkanal regelmäßig ausgestrahlt wird. Das Wissensmagazin gehört zu einer Reihe neuerer Formate, die mit dem Anspru antreten, Kindern unters iedlier Altersgruppen Wissen alltagsnah zu vermieln. Sie s ließen an langjährig erfolgreie Konzepte an und treen na Ansit der verantwortlien Redakteure auf den Zeitgeist, indem sie Orientierung anbieten und Bildung in Aussit stellen (vgl. Wegener/Bauer/Lobba ). Im Jahr ers ien der Film zur Sendung „Willi will’s wissen“ und damit die erste Umsetzung des Bildungsfernsehens für die Kinoleinwand. Reporter Weitzel zieht mit dem Rusa um die Welt und zeigt Kindern den australisen Dsungel, die kanadise Arktis, Tokio und die Sahara. Bislang konnte der Film mehr als . Zusauer erreien (vgl. FFA ). Für seinen Erfolg düre neben der Popularität von Weitzel au die crossmediale Vermarktung der Produktion verantwortli zei nen. So war die Filmproduktion Thema der Fernsehsendung, au begleitende DVDReihen befassen si mit dem Making of und verweisen so auf den Film. Dass es Regisseur Sinnwell bei Willi und die Wunder dieser Welt nit allein darum geht, dokumentarisen Ansprüen geret zu werden, zeigt die Umsetzung. Der mit dokumentarisen Mieln inszenierte Abenteuerlm (vgl. Stileo ) sließt an die Rezeptionsbedürfnisse und -kompetenzen von Kindergartenkindern und Vorsülern an. Kleinere Episoden sind oensitli gesrieben, der Film bedient si zahlreier Spannungs- und Unterhaltungselemente und damit der Dramaturgie eines Spiellms (vgl. Webersinke ). In eben dieser Misform sieht Webersinke au die Zukun des Kinderdokumentarlms
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als ein Hybrid, der si „bewusst sowohl ktionaler als au non-ktionaler Inszenierungsstrategien bedient und diese herausstellt.“ (ebd., )
Coming-of-Age-Filme Die obere Grenze der Kindheit kann mit dem Eintri in die Pubertät und damit bei einem Alter von zwölf bis dreizehn Jahren angelegt werden. Au diese Altersgruppe, für die der Übergang vom Stadium der Kindheit in das Erwasenenalter die zentrale Entwilungsaufgabe ist, sut und ndet ihre Perspektiven und ihre Lebenssituation in Filmen, in denen der Weg in die Welt der Erwasenen, verbunden mit seinen Herausforderungen, Problemen und Möglikeiten, nagezeinet wird. Mit der Bezeinung Coming-of-Age ist eben solen Filmen ein Name gegeben, die die Sit der späten Kindheit einnehmen und den Übergang in das Erwasenenalter thematisieren. Na Winkler ( ) waren kennzeinende Themen des Coming-of-Age-Films lange Zeit das sexuelle Erwaen, die Auehnung gegen Autoritäten und die Identitätsndung, die im Stadium des Übergangs zentral wird. Heute ist es au die Herausforderung, Orientierung in einer von Pluralisierung und Individualisierung geprägten Gesellsa zu nden – die Frage und Sue na Werten ersetzt die Rebellion gegen selbige. Zahlreie deutse Filme setzten si in den vergangenen Jahren mit eben diesen Themen auseinander. Die entstandenen Produktionen zeigen in ansprusvoller, keineswegs immer gefälliger, aber unterhaltender Weise – der neuen Ära des deutsen Films entspreend – die Gefühle, mit denen Erwasenwerden verbunden ist (vgl. Maciuszek ). Beispiele hierfür sind Filme wie Fi ende Fise (D , Almut Geo), Mondseinkinder (D , Manuela Stae), Blöde Mütze! (D , Johannes Smid) oder Max Minsky und i (D , Anna Justice). In allen Filmen geht es um die erste Liebe, um die vorsitige Lösung und Annäherung, verbunden mit Zweifel, Ho nung und der Herausforderung, zwisenmenslie Beziehungen jenseits elterlier Anforderungen und Maßstäbe unter den Bedingungen der modernen Gesellsa aufzunehmen und zu verhandeln. Coming-of-Age-Filme, die ihre Ges iten realitätsnah aus der Perspektive Heranwasender erzählen, zeigen Jugendlie in unters iedlien Situationen, in denen es darum geht, si mit gesellsalien Erwartungen auseinanderzusetzen, eine eigene Rolle zu nden und einen Standpunkt zu behaupten, mitunter au entgegen den Konventionen und den Erwartungen, die vor allem dur die Eltern gesetzt sind. Im Gegensatz zu den populären Literaturverlmungen für jüngere Kinder aber haben es sole Filme swer, ein großes Kinopublikum zu erreien. Erfolge erzielen sie auf Festivals, Filmpreise
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zollen ihnen Anerkennung, nur selten aber eine große Zusauerzahl. Der Film Die Blindgänger (D ) ist hier ein viel zitiertes Beispiel (vgl. Völer ). Helmut Dziuba srieb das Drehbu gemeinsam mit Regisseur Bernd Sahling1 und entwarf eine einfühlsame und sensible Gesite über das Leben zweier Mäden, die eine Blindensule besuen. Es geht um den Wuns, Musik zu maen, si mit den Gefühlen der ersten Liebe auseinanderzusetzen, es geht um die Teilnahme der Sülerband an einem Webewerb, um Freundsa und den Alltag zweier Teenager, die blind sind. Dass die Protagonistinnen nit nur sauspielern, sondern tatsäli ohne Augenlit leben, verleiht dem Film eine besondere Authentizität. Ihre Ausstrahlung und ihr Können lassen den Zusauer an ihrer musikalisen Begabung teilhaben. Der Film paart ernsthae Auseinandersetzung mit Lebensfreude, Sensibilität mit Humor, das Alltäglie mit dem Besonderen. Die Produktion wurde mit zahlreien renommierten Preisen ausgezei net, im Kino hingegen waren es ledigli . Zusauer, die si den Film im Startjahr ansahen (vgl. Völer ). Entspreend sreibt Völer über den Coming-of-Age-Film: Die in diesem Segment des Kinderlms in den beiden letzten Jahren im Kino gestarteten Produktionen lassen si fast an einer Hand abzählen. Kinderlme im, nennen wir es Arthouse-Berei, sind vom Aussterben bedroht. Die ernsthae lmise Auseinandersetzung mit der Welt aus Kindersit ndet nur sporadis sta. (ebd., )
Damit ist der Coming-of-Age-Film nit mit dem Teen-Film glei zusetzen, der vielfa analysiert und wissensali diskutiert ist, sondern ledigli als ein Teilsegment dessen zu verstehen. Der Teen- oder Jugendlm zeinet si primär dur seine klare Zielgruppenorientierung aus (vgl. Wiedemann , ). Er zielt auf ein junges Publikum, auf Teenager und junge Erwasene gleiermaßen, stellt junge Protagonisten in den Vordergrund und sließt an vielfältigste Interessen der - bis -Jährigen an. Zahlreie Sub-Kategorien sind beim Teen-Film herausgearbeitet worden, zu denen nit nur CollegeComedy und Teen-Horror zählen. Das Grundthema des Coming-of-Age-Films hingegen ist klar de niert. Im Vordergrund steht das „Übers reiten einer Entwicklungsschwelle zwischen Jugend und Erwachsensein.“ (Maciuszek , ) Damit ist es vor allem das Moment der Identitätssue und - ndung an der Grenze zwisen Kindheit und Jugendalter gemeint, das für den Coming-of-Age-Film kennzeinend ist. 1
Zu Bernd Sahling und der Problematik von Kinderlmen, die nit etablierten Vorlagen folgen, vgl. au das Werkstagesprä mit Andreas Dresen in diesem Band.
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Family Entertainment In der Vermarktung des Kinderlms gilt es aus Sit von Verleih und Vertrieb ein möglist großes Publikum zu erreien. Allein die Ansprae von Kindern aber sränkt die Zielgruppe ein. Eine starke Ausdierenzierung na Altersgruppen ist im kommerziellen Betrieb swierig, sie bleibt omals der kulturellen Filmarbeit und Festivals vorbehalten. Entspreend hat si au im nationalen kommerziellen Berei seit den er Jahren der Begri Family Entertainment etabliert. Dur die Ansprae von Kindern und ihren Eltern, Großeltern, Geswistern und Teenagern werden hier untersiedlie Generationen gleizeitig in den Bli genommen. Ob das Label alten Wein in neue Släue füllt und der Kinderlm slit umetikeiert wird, oder ob hier tatsäli andere Filme entstehen, die untersiedlie Publika anspreen und zusammenbringen, ist eine Frage, die diskutiert wird. International ist das Label seit den er Jahren eingeführt. So wird der Disney-Konzern seit diesem Jahrzehnt unmielbar mit „ildren’s and family entertainment“ assoziiert (vgl. Krämer ). Dieses gesieht laut Krämer in einem solen Ausmaß, […] that the company managed the rare feat of having its brand name become largely synonymous with the product categories to which its output belonged. Just as ‚Kleenex‘ could be used as a synonym for paper handkerchiefs, ‚Disney‘ stood in for all manner of children’s and family fare. (ebd.,
)
Au gegenwärtig sind es vor allem Animationslme, die das Family Entertainment-Label sowohl national als au international dominieren. Im MetaGenre des Kinderlms sind sie am ehesten in der Lage, dur die Ansprae weiterer Altersgruppen Blobuster-Format zu gewinnen (vgl. ebd.). In den Jahren von bis gingen die großen internationalen Konzerne jährli mit durs nili fünf Animationslmen an den Start, seit hat si die Zahl verdoppelt (vgl. ebd.). Au wenn Disney den Animationslmmarkt international dominiert, konnten si weitere Konzerne wie Warner Bros, Sony, Paramount und Dreamworks Animation in diesem Segment etablieren. Die aufwendigen Produktionen sind im Kino überaus erfolgrei – im Jahr elen im US-amerikanisen Kinomarkt allein Prozent des Karten-Umsatzes dem Animationslm zu (vgl. ebd.). Au im neuen Jahrtausend erzielten Animationslme Besuerrekorde. Unter den zehn erfolgreisten Kinolmen des Jahres in Deutsland nden si mit Madagascar , Wall-E und Kung Fu Panda (USA , Mark Osborne/John Stevenson) drei Animationslme im Family-Entertainment-Sektor, gleies gilt für das Jahr , in dem Ratatouille (USA , Brad Bird/Jan Pinkava), The Simpsons Movie (Die Simpsons – der Film,
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USA , David Silverman) und Shrek the Third (Shrek der Drie, USA , Chris Miller/Raman Hui) zu den zehn erfolgreisten Filmen zählten. Saut man si US-amerikanise Produktionen an, die als Family Entertainment tatsäli große Zusauerzahlen erreien, so sind auf den ersten Bli unters iedlie Merkmale für das Label konstitutiv. Sie sind für alle Altersgruppen navollziehbar und verständli. Selbst jüngere Kinder können der Handlung folgen, au wenn sie nit alle Aspekte und Handlungsstränge im Detail navollziehen. Ausglei wird hier dur die Opulenz der Bilder gesaen, die in ihrer intensiven Farbgebung son jüngeren Kindern als Aufmerksamkeitsreiz dienen. Im Agieren der Protagonisten, in deren Wünsen und Zielen lassen si handlungsleitende Themen ausmaen, die für Kinder relevant sind. So geht es immer wieder darum, Freundsaen zu sließen und Teil einer Gemeinsa zu sein. Es geht darum, die Trennung von Freunden und Familienmitgliedern auszuhalten und einen Weg zu nden, diese zu überwinden. Anerkennung und soziale Identität aber sind au für Erwasene wesentlie Themen, die im Family Entertainment viels itig verhandelt werden. Die Wahl eines Gefährten kann aus kindlier Sit als Sue na einem wahren Freund verstanden werden, Erwasene können hier die Sue na einem Lebenspartner interpretieren. Dass das Thema Liebe angesproen, aber fern jeglier erotiser Handlung inszeniert wird, zeigt eine kindgemäße Umsetzung. So möten vor allem jüngere Kinder na eigenen Aussagen in Kinolmen keine erotisen Handlungen sehen (vgl. Wegener et al. ). Mit den Figuren des Family Entertainments können si Kinder und Erwa sene gleiermaßen identi zieren. In der Regel sind es Tiere, die mit menslien Eigensaen gezei net sind. Sie repräsentieren untersiedlie Charaktere, die au für Kinder ans lussfähig sind. Neben dem Verlässlien und dem Fürsorglien ist es omals der Tollpatsige, dem Kinder in besonderer Weise Sympathie zollen – insbesondere dann, wenn es si um einen erwasenen Protagonisten handelt, der die von Kindern üblierweise wahrgenommene Überlegenheit der Älteren konterkariert. Die Tierguren ween in besonderer Weise das Interesse jüngerer Kinder, die ob ihrer no animistisen Weltsit dazu neigen, unbelebten Gegenständen, vor allem aber Tieren, ein Bewusstsein zuzuspreen und sie in ihrer Phantasie als Gefährten zu imaginieren (vgl. Rogge ). Erwasene können si hingegen mit den jeweiligen repräsentierten sozialen Rollen identizieren, die häug im Familienkontext gezei net sind. Wenn si Mammut Manni (Ice Age: Dawn of the Dinosaurs [Ice Age – Die Dinosaurier sind los, USA , Carlos Saldanha/Mike Thurmeier]) mit seiner Rolle als werdender Vater auseinandersetzen muss und Faultier Sid die vermeintlien Probleme eines allein erziehenden Elternteils durlebt, sließt der Film an das Weltwissen eines erwasenen Publikums
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an. Für Erwasene sind die Blobuster au insofern araktiv, als dass hier keine eigene Kinderwelt als Abgrenzung zur Welt der Erwa senen konstituiert wird. Zudem ergibt si für ältere Zusauer ein Mehrwert aus den zahlreien intertextuellen Verweisen, die si in den Filmen üblierweise nden und die nit auf Kinderlme rekurrieren. S ließli ist es die konstitutive und dierenzierte Einbindung komiser Elemente, die das Family Entertainment auszeinet. Während ältere Zusauer gefallen am Sprawitz und der Situationskomik nden, treen vor allem die Slapsti-Elemente den Gesma der Kinder. Nimmt man die aufgezeigten Merkmale als kennzeinend für das Label, so sind es primär internationale Produktionen, in denen si die Charakteristika des Family Entertainments widerspiegeln. Im deutsen Kino kann hier auf die Bully-Herbig-Produktionen verwiesen werden, die vor allem dur komise Elemente untersiedlie Zielgruppen vereinen. Mit Wii und die starken Männer sließt Herbig explizit an eine Kindergur an und bestätigt die Ausritung am Family Entertainment.
Slussbetratungen Kindheit ist kein zeitloses und naturgegebenes Phänomen, sondern an die jeweiligen Bedingungen einer Gesellsa gebunden. Aus ihren Normen und Wertvorstellungen, aber au aus ihren sozioökonomisen Bedingungen formieren si Ansprüe und Erwartungen an Kinder, aber au Bilder von Kindheit, die den Diskurs prägen. Diese spiegeln si in den versiedenen Sozialisationsinstanzen, in gesellsaspolitisen Maßnahmen, in untersiedlier Weise aber au in Filmen wider, die Kinder einerseits darstellen, die si andererseits an Kinder wenden, um Aufwasen zu begleiten, zu unterstützen und ihnen freili au Spaß und Vergnügen zu bereiten. Kinderlme sind ein integraler Bestandteil von Kinderkultur. Den Lebenswelten, Kompetenzen und Erwartungen Heranwasender unter den aktuellen Bedingungen von Gesellsa geret zu werden ist eine Herausforderung, der si der Kinderlm au künig zu stellen haben wird.
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Amphibiser Film versus transmediale Erzählung Zu den komplexen Weselbeziehungen von Film und Fernsehen Lothar Mikos
Das Verhältnis von Film und Fernsehen ist immer wieder Gegenstand öentlier Debaen, vor allem im Vorfeld der Verlängerung des Film-FernsehenAbkommens. Im Jahr gab es eine he ige Diskussion, die si an einem Beitrag des Regisseurs Volker Slöndor in der Süddeutsen Zeitung entzündete (vgl. Slöndor ). Der Oscar-Gewinner spra si darin für eine Trennung von Film und Fernsehen aus. Mis formen wie der so genannte „amphibise Film“ würden das Kino ruinieren, da man si nit auf eine Kinoqualität bei der Produktion einlassen könne, sondern alles dem Fernsehen angepasst werden müsse. Dur diese Art von Film verändere si au die Vorstellung von Kinolm, der immer beliebiger werde. Au ökonomise Kritik wurde angeführt. S löndor argumentierte, dass man für die doppelte Länge nit mehr Budget bekommen würde und so als Regisseur „zum Sludern gezwungen“ sei. Als Beispiel führte er neben der Verlmung des Romans Die Päpstin (D/GB/I/ES , Sönke Wortmann), die er damals gerade für die Produktionsgesellsa Constantin vorbereitete, no zwei weitere Produktionen dieser Firma an, Der Untergang (D , Oliver Hirsbiegel) und Der Baader Meinhof Komplex (D/F/CR , Uli Edel). Die Päpstin sollte sowohl im Kino laufen als au als Zweiteiler im Fernsehen gezeigt werden. Das Unternehmen Constantin realisierte das Projekt darauin ohne Slöndor. Der Produzent Günter Rohrba, der in den er Jahren den Begri des amphibisen Films aufgeworfen hae, antwortete dem Regisseur eine Woe später an gleier Stelle. Sein Beitrag begann mit den Worten: In weler Welt lebt Volker Slöndor eigentli, wenn er heute für eine Trennung von Film und Fernsehen plädiert? Ausgerenet er, der do einer Generation von Filmemaern angehört, die es ohne das Fernsehen vermutli gar nit gäbe. Der sogenannte Neue Deutse Film der Seziger und Siebziger – Fassbinder, Wenders, Kluge und eben au Slöndor – fand vor allem im Fernsehen sta, dass ihn im wesentlien au nanziert hat. (Rohrba )
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_9, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Rohrba argumentiert weiter, dass si das Fernsehen spätestens in den er Jahren vom Kino emanzipiert habe, mit seinen eigenen Autoren, Produzenten und Regisseuren. Aus der Sit letzterer sei das Kino immer no die „Wunswelt“, das Fernsehen sei jedo die Wirklikeit. Sließli stellt er fest: „Wenn der deutse Kinolm überleben will, muss er si der Wahrheit beugen, dass die große Zeit des Kinos oensitli vorbei ist. Filme existieren heute an vielen Orten und in mehreren Aggregatzuständen.“ (ebd.) Die Auseinandersetzungen mit ihren Pro- und Contra-Argumenten einer Trennung von Film und Fernsehen grei einige Aspekte auf, die das spannungsvolle Weselverhältnis dieser beiden Medien in Deutsland bestimmen. Sie können oenbar nit ohne-, aber au nit so ritig miteinander. In der Diskussion sind es vor allem ökonomise Gründe, die für ein enges Verhältnis der beiden Medien genannt werden. Kurz: Ohne die Subventionierung dur das Fernsehen könne der Film in Deutsland nit überleben. Für die Trennung von Film und Fernsehen spreen si in der Regel Künstler aus, die – um mit der Wortwahl von Rohrba zu spreen – die Wunswelt des Kinos nit gern mit der Wirklikeit des Fernsehens vertausen wollen. Ästhetise Argumente werden dagegen selten ins Feld geführt. So könnte man beklagen, dass es in Deuts land nur wenige Kinolme gibt, die si an einer Ästhetik des Films orientieren. Fernsehästhetik seint au für das deutse Kino normal geworden zu sein. Film und Fernsehen sollten si jedo nit zum Verweseln ähnli sehen, sondern si komplementär zueinander verhalten. Das seint besonders in Zeiten der Konvergenz vers iedener Medien, die dur die Digitalisierung vorangetrieben wird, immer bedeutsamer zu werden. Im Folgenden soll zunäst auf die Grundlagen des „amphibisen Films“ eingegangen und gezeigt werden, dass der so genannte Neue Deutse Film größtenteils ein Neues Deutses Fernsehen war. Ansließend werden die wesentlien Aspekte der Konvergenz diskutiert, zu der unter anderem au Formen des transmedialen Erzählens gehören, sowie Aspekte der Hybridisierung. Dabei werden sowohl ökonomise als au ästhetise Aspekte berüsitigt. Sließli wird vor diesem Hintergrund no auf den Film Der Baader Meinhof Komplex eingegangen, um an diesem Beispiel zu diskutieren, wie si das Amphibise, das Hybride und das Transmediale auf das aktuelle deutse Kino zu Beginn des . Jahrhunderts auswirken.
Amphibiser Film und Neues Deutses Fernsehen Der Begri „amphibiser Film“ geht auf Günter Rohrba zurü. Im Mai ersien von ihm im Pressedienst epd Kire und Rundfunk ein entspreender
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Essay über das „Subventionskino TV“, in dem er für diese Art von Filmen plädierte (vgl. Rohrba ). Ausgehend von seinen Erfahrungen bei der BBC in England silderte er die untersiedlien Situationen in der Bundesrepublik und dem Inselstaat. Während si dort aus der Tradition des Dramas im Hörfunk das Fernsehspiel in Abgrenzung zum Spiellm entwielt hae, el die Etablierung des Fernsehspiels in der Bundesrepublik in die Zeit des Niedergangs des Kinos und des Spiellms. „Wer jetzt über Zielsetzungen des Fernsehspiels nadate, mußte den Spiellm nit als etwas begreifen, von dem es si abzusetzen galt. Im Gegenteil: Hier war ein großes intellektuelles Potential, das seine ökonomise Basis verloren hae. Das Fernsehen braute nur zuzugreifen.“ (ebd., ) Allerdings war das neue Medium für die Filmemaer eher die zweite Wahl, wenn es darum ging ein neues Filmprojekt zu realisieren. Do ohne die nanziellen Miel des Fernsehens ging kaum no etwas im bundesdeutsen Film. Bereits bei der Novellierung des Filmfördergesetzes im Jahr wurde eine Projektlmförderung eingeführt (vgl. Castendyk , ), bei der u.a. in angemessener Weise Projekte bedat werden sollten, die au zur Ausstrahlung im Fernsehen vorgesehen waren. Eine weitergehende Regelung war allerdings von Alexander Kluge verhindert worden. Im Referentenentwurf für diese Gesetzesnovelle war no eine Fernsehabgabe vorgesehen, „wona die Sender für jeden ausgestrahlten Spiellm . DM häen zahlen müssen.“ (ebd., ) Oenbar sollten die guten Beziehungen der Autorenlmer zu den öentli-retlien Rundfunkanstalten nit gefährdet werden. Stadessen einigte man si im Jahr als Kompromiss auf das erste Film-FernsehAbkommen zwisen der ARD, dem ZDF und der Filmförderanstalt (FFA), das ein Gesamtvolumen von , Mio. DM für fünf Jahre vorsah. „Jährli stellen die Fernsehsender , Mio. DM für Koproduktionsvorhaben, , Mio. DM pro Jahr als Zususs für Projektförderungsmaßnahmen und , Mio. DM pro Jahr für sonstige Förderungen projektgebunden zur Verfügung.“ (ebd.) Die Sender unterstützten damit zwar einerseits den deutsen Film, andererseits sierten sie si damit aber au garantierte Lizenzzahlungen. Denn für die
, Mio. DM bekamen sie einen nit zu untersätzenden Gegenwert: die Fernsehrete an den koproduzierten Filmen. Damit waren die Sender als witige Koproduzenten für den bundesdeutsen Kinolm etabliert. Dur die neue Projektförderung und das Film-Fernsehabkommen änderte si die Art der geförderten Filme: „Anstelle von Genrelmen, Komödien und sog. Aulärungslmen erfuhren zunehmend ansprusvollere Produktionen wie Die verlorene Ehre der Katharina Blum, Lina Braake, Der amerikanise Freund und Moritz, lieber Moritz eine Förderung.“ (ebd., ) Der deutse Autorenlm, der dann als Neuer Deutser Film auf Festivals und in Kritikerkreisen zu Weltruhm gelangte,
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protierte maßgebli von dieser Änderung der institutionellen Rahmenbedingungen und der stärkeren Rolle des Fernsehens – eine Zweehe war geboren (vgl. Hiethier , f.). Die so geförderten Produktionen waren dur die Fernsehgelder ökonomis abgesiert, da sie ihre Produktionskosten in der Regel nit an der Kinokasse einspielen konnten. Kommerziell erfolgrei waren die wenigsten der bundesdeutsen Autorenlme. In seinem „Plädoyer für den amphibisen Film“ widmete si Günter Rohrba genau dieser Situation und spra si – aus der Sit des Fernsehmaers – gegen die Subventionierung des Kinos dur das Fernsehen aus. Wenn denn nit nur das Geld, sondern au no die Ideen für die Spiellme aus den Fernsehredaktionen kämen, dann wäre der Weg zum totalen Subventionskino nicht mehr weit, „in dem nicht nur die Produktion, sondern auch die Verteilung von der Allgemeinheit getragen werden müßte.“ (Rohrba , ) Diese Vorstellung habe etwas Beängstigendes für ihn, bekannte Rohrba. Allerdings hob er au die Abhängigkeit des Fernsehens vom Spiellm hervor: „Ein Fernsehprogramm, das auf die Ausstrahlung von Spiellmen verziten würde, erlie einen eminenten Araktivitätsverlust.“ (ebd.) Da Spiellme au nit dur Fernsehspiele ersetzt werden könnten, plädierte Rohrba für die „amphibisen“ Formen – für Filme, die sowohl im Kino als au im Fernsehen ausgewertet werden könnten. Die Konsequenzen sind bekannt: Es entstanden Zwierlme, die weder ret ins Kino no ins Fernsehen passten. Ästhetis orientierten si die Koproduktionen am Fernsehen, au wenn sie in der Erstverwertung im Kino gezeigt wurden. Einer der Gründe lag darin, dass die Autorenlmer des Neuen Deutsen Films mit ästhetisen Mieln des Fernsehens experimentierten. Die klassisen Erzählweisen und Formen des Kinospiellms sollten überwunden werden, z.B. dur eine „Auäerung der Dramaturgien“ wie es bei Alexander Kluge heißt (zit. n. Seunemann , ). Darunter wurde eine Aufweichung des klassischen -MinutenFormats verstanden. Außerdem wurde für eine Emanzipation des Tons plädiert (vgl. ebd., f.). Ein ästhetises Miel des Dokumentarlms, der Kommentar, wurde nun für den Spiellm genutzt. Ebenso sollten die Dialoge nit nur der Handlung dienen, sondern eine eigenständige Ebene der Reexion bilden. John Ellis hat auf die untersiedlie Ästhetik des Zusammenspiels von Bild und Ton hingewiesen (vgl. Ellis , .). Während im Kino der Ton dem Bild untergeordnet ist, verhält es si Ellis zufolge beim Fernsehen umgekehrt, denn der Ton hat dort eine zentralere Rolle inne, ist er do das Element, an dem si die Bedeutungsbildung festmat. Diese besondere Rolle des Tons lässt si insbesondere in den Filmen Rainer Werner Fassbinders beobaten, für den der Tonsni witiger als der Bildsni war. Im Neuen Deutsen Film werden vor allem Dialoge und Kommentare zu zentralen Elementen der Repräsentation,
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lmis und bildästhetis mat si eher eine Anspruslosigkeit breit – von wenigen Ausnahmen abgesehen. Daher ist es umso verwunderlier, dass die unter dem ästhetisen Regime des Fernsehens hergestellten Spiellme der deutsen Autorenlmer überhaupt als Kino wahrgenommen wurden, und au wahrgenommen werden wollten. Obwohl si die Autorenlmer der Fernsehästhetik bedienten und ökonomis vom Fernsehen abhängig waren, verstanden sie si als Kinoregisseure. Vor allem die Erstverwertung der Filme im Kino trug dazu bei, dass sie ins öentlie Bewusstsein als Kinospiellme Eingang fanden (vgl. Hiethier , .). Außerdem waren die Autorenlmer bestrebt, die Beteiligung des Fernsehens zu versweigen. Ihre Anerkennung bekamen sie auf den internationalen Filmfestivals. Dadur konnten sie si im Glamour des Kinos sonnen. Der so genannte Neue Deutse Film muss vor diesem Hintergrund eigentli als Neues Deutses Fernsehen klassiziert werden, au wenn er eine eigentümlie Zwierstellung einnahm. Knut Hiethier hat zu Ret darauf hingewiesen, dass eine „amphibise“ Anpassung der Filme weder an den Kino- no an den Fernsehkontext stagefunden habe (vgl. ebd., ). Weder ästhetis no ökonomis konnte si so eine eigenständige Filmindustrie in der Bundesrepublik Deuts land ausbilden. Das Fernsehen dominierte die ästhetisen Formen und die ökonomisen Bedingungen der Filmproduktion. In gewissem Sinn kann der „amphibise Film“ somit als ein frühes Produkt der ästhetisen und ökonomisen Konvergenz von Film und Fernsehen betratet werden.
Medienkonvergenz und transmediales Erzählen Die Entwilung digitaler und mobiler Medien hat seit Ende des . Jahrhunderts neue Mögli keiten entstehen lassen, audiovisuelle Angebote auf vers iedenen medialen Plaformen zu verbreiten, um so das Publikum über versiedene Nutzungsformen einzubinden. Dabei ist am Beispiel von Film und Fernsehen zu beobaten, dass die Grenzen zwisen untersiedlien Medien- und Kommunikationsanwendungen immer mehr verswimmen (vgl. Hasebrink , ). Diese Grenzen verswimmen sowohl in te niser, ökonomiser, inhaltlier und ästhetiser Hinsit als au mit Bli auf die Nutzung von Medienangeboten. Mensen handeln in „konvergierenden Medienumgebungen“ (Hasebrink u.a. , ). In ökonomiser Hinsit kann Konvergenz deniert werden als „a means of extending the commercial range of any particular lm or entertainment product through ist connection with other oulets, the ultimate goal being that of the same branded content played out across multiple media.“ (Keane , ) Auf der Seite der Mediennutzer
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kommt dem das Bedürfnis entgegen, beliebte Inhalte auf versiedenen Medienplaformen zu suen. Das gilt oenbar besonders für Angebote, die der Unterhaltung dienen, wie Henry Jenkins bemerkt: „By convergence, I mean the ow of content across multiple media platforms, the cooperation between multiple media industries, and the migratory behavior of media audiences who will go almost anywhere in sear of the kinds of entertainment experiences they want.“ (Jenkins , ) Die Verbindung zwisen den Angeboten und der Mediennutzung wird dur eine Ästhetik transmedialen Erzählens hergestellt. In den einzelnen Medien wird der Inhalt ästhetis untersiedli auereitet (vgl. ebd., .): „Narrative und ästhetise Querverweise fördern dabei eine hohe Markenloyalität auf Seiten der Nutzer- und Rezipientengruppen.“ (Mikos/Ei ner/ Prommer/Wedel , ) Die Ges ite im Kopf der Zusauer entsteht dann nit mehr allein über einen Film, sondern au über die versiedenen Angebote, die si um einen Film gruppieren. Trailer im Kino, Fernsehen, Internet und in mobilen Endgeräten, Fanseiten, Merandising-Artikel, Comics, Computerspiele, Büer, Filmkritiken und Presseberite formen die aktuelle Rezeption vor. In diesem Sinn kann bei all diesen Ausprägungen auf versiedenen Plaformen in Bezug auf einen einzelnen Film von „prägurativem Material“ gesproen werden (vgl. Biltereyst/Math{s/Meers ). Auf ästhetiser Ebene lässt si bei konvergenten Medienprodukten eine Auösung der Grenzen zwisen versiedenen Genres einerseits und zwisen Fiktion und Dokumentation andererseits beobaten. Als frühes Beispiel mag hier der Erfolg eines Thrillers wie The Blair Wit Project (USA , Daniel Myric/Eduardo Sánez) dienen. Das Internet spielte dabei eine wesentlie Rolle, denn dort wurde ein Rahmenplot erzählt, der den Film selbst in einen anderen Zusammenhang stellte (vgl. S reier/Navarra/Groeben , f.). Der ktionale Film wurde in einen dokumentarisen Kontext gestellt, indem auf der Internetseite bereits die Gesite der drei Studenten erzählt wurde, die si auf den Weg maten, um in Maryland einen Film über die legendäre Blair-Hexe zu drehen. Das im Film zu sehende Material wurde als Zusammens ni des von den Studenten aufgenommenen Videomaterials angepriesen. Die Ästhetik des Films versut mit grobkörnigen Aufnahmen, die mit einer verwaelnden Handkamera gemat wurden, einen Eindru von Authentizität zu erzeugen, der dem Publikum dur den Realismus der Repräsentation Angst einjagt (vgl. Smith , ). Dieser Eindru von Realismus und Authentizität wird dur die Internetseite verstärkt. Neben diesem Zusammenwa sen vers iedener Medienformen zeigen si seit dem Ende des . Jahrhunderts au textimmanente Tendenzen zur Auösung von Genregrenzen und zur Verwisung der Grenzen von Fiktion
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und Dokumentation. Diese Entwilungen werden au mit dem Begri der Hybridisierung bezeinet (vgl. Mikos , .). Neben dem postmodernen Film Ende der er Jahre zeigt si dies besonders deutli im Fernsehen, einerseits in den Formaten des so genannten Reality TV,1 andererseits in der Inszenierung von historisen Ereignissen in dramatisen Erzählformen (vgl. Ebbret ). Riard Kilborn unterseidet zwisen additiven und integrativen Formen der Hybridität: Während si additive Formen vor allem in Magazinsendungen im Fernsehen finden, bei denen die verschiedenen Genreeinüsse sitbar werden, nehmen integrative Formen die vers iedenen Genreelemente in si auf und verbinden sie zu neuen Formen wie in den Reality Shows (Kilborn , ). Während in dem Fernsehspiel Todesspiel (D , Heinri Breloer) dokumentarise Bilder mit ktionalen Spielhandlungen und Interviews verknüp wurden, also versiedene Genreelemente additiv zusammengefügt wurden, haben neuere ktionale Bearbeitungen von historisen Ereignissen vor allem im Fernsehen zu integrativen Formen geführt, z.B. der TV-Film Dresden (D , Roland Suso Riter). Es ist das Genre des Dokudramas entstanden, in dem si das Bedürfnis na Information über historise Ereignisse mit dem Bedürfnis na einem Verständnis dur eine Erzählung bzw. einem Erlebnis zweiter Ordnung verbindet (vgl. Paget , ). Tobias Ebbret stellt dazu fest, dass die Kombination von dokumentarisen und ktionalen Modi der Repräsentation auf das Bedürfnis des Publikums tri, ihr eigenes Verständnis von Gesite dur historise Evidenz bestätigt zu sehen (vgl. Ebbret , ). Zuglei geht das Dokudrama dur die Fiktionalisierung der Ereignisse über eine Dokumentation hinaus, indem es si des Realitätseindrus des ktionalen Kinos bedient. Auf diese Weise macht das Genre den Zuschauern ein doppeltes Angebot: „Docudrama argues with the seriousness of documentary to the extent that it draws upon direct, motivated resemblances to its actual materials. As ctions, docudramas oer powerful, a ractive persuasive arguments about actual subjects, depicting people, places, actions, and events that exist or have existed.“ (Lipkin , ) Im Dokudrama zeigt si, dass es um eine Interpretation von historisen Ereignissen geht, die si aus dem diskursiven Feld bedient, das si um das Ereignis herum gebildet hat. So konzentriert si der Film JFK (USA ) von Oliver Stone auf die Ermilungen na dem Mord an US-Präsident John F. Kennedy und grei die kursierenden Verswörungstheorien dazu auf. Er stellt damit ganz im Sinne der Adaptionstheorie eine „(Re-)
1 Vgl. zum Reality TV exemplaris: Hill ; Kilborn ; Mikos/Feise/Herzog/Prommer/ Veihl .
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Interpretation“ der historisen Ereignisse unter Rekurs auf das außerlmise diskursive Feld dar.
Der Baader Meinhof Komplex – amphibiser Film und Medienkonvergenz Als am . September der Film Der Baader Meinhof Komplex in die deutsen Kinos kam, wurde er von öentlien Diskussionen begleitet. Die mediale Aufmerksamkeit war letztli größer als der Erfolg an den Kinokassen. Bereits seit den er Jahren haen si immer wieder Filmemaer mit dem deutsen Terrorismus auseinandergesetzt, vor allem die Aktivitäten der Rote Armee Fraktion (RAF) und deren Protagonisten standen im Mielpunkt dieser Art der lmisen Bearbeitung deutser Gesite.2 Produzent Bernd Eiinger und seine Constantin Film haen die Rete an dem erstmals ers ienenen Bu Der Baader Meinhof Komplex von Stefan Aust, damals no Mitarbeiter des Norddeutsen Rundfunks, erworben (vgl. Aust ).3 Bereits für Reinhard Haus Film Stammheim (BRD ), der im Erseinungsjahr den Goldenen Bären bei den Berliner Filmfestspielen gewann, hae Stefan Aust das Drehbu gesrieben und si dabei auf die Reeren zu seinem Bu gestützt. Das Drehbu zu Der Baader Meinhof Komplex wurde von Bernd Ei inger in Zusammenarbeit mit Regisseur Uli Edel verfasst. Stefan Aust stand diesem Team beratend zur Seite. Relativ ungewöhnli an dem Film ist zunäst, dass eine Produktionsrma die Filmrete an einem Sabu gekau hat, in dem historise Ereignisse ges ildert werden. Aus der Buvorlage musste dann eine Filmerzählung entwielt werden, denn es sollte ein Drama werden und kein Dokumentarlm. Wele Gesite aber wird in dem Film erzählt? Wie setzt er die historisen Ereignisse in Szene? Wie kann er ein Gesehen dramatisieren, das in fast allen Einzelheiten öentli bekannt ist? Neben dem Bu von Stefan Aust gibt es eine ganze Reihe von Publikationen, die nit nur die Gesehnisse aus der Sit der Täter oder aus der Sit der Opfer darstellen, sondern die si au umfangrei an die Interpretation des deutsen Terrorismus in der Gestalt der RAF gemat haben. Exemplaris sei hier auf das von Wolfgang 2 Vgl. zur Darstellung der RAF und des deutsen Terrorismus in Film und Fernsehen: Hiethier , sowie die Beiträge von Jörn Ahrens, Claudia Breger, Anne-Kathrin Griese und Wolfgang Kabatek und Kirsten Möller in: Stephan/Tae ; ferner: Bergmann ; Kreimeier ; Reus ; Uka . 3 Zum Start des Films ist eine erweiterte Auage im gleien Verlag ersienen.
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Kraushaar herausgegebene mehr als -seitige Werk Die RAF und der linke Terrorismus verwiesen (vgl. Kraushaar a). Au literaris ist das Thema bereits umfassend bearbeitet worden (vgl. Tremel ), ebenso wie im Film. Der Baader Meinhof Komplex als Film muss si einerseits gegen das mit der RAF vorhandene Bildgedätnis behaupten und andererseits aus der Adaption eines Sabues einen dramatisen Sto entwieln. Filmise Adaptionen von literarisen Stoen stellen in der Regel eine „(Re-)Interpretation und (Re-) Kreation“ dar (Huteon , ). Davon ist im vorliegenden Fall allerdings nits zu spüren, denn Der Baader Meinhof Komplex setzt auf eine weitgehend ronologise Darstellung der Ereignisse, wie sie au im Bu von Stefan Aust gesildert werden. Dem Film geht es um historise Genauigkeit, um Authentizität, au wenn diese dramatis zu gestalten ist. Das zeigt si in der Aussta ung, die si bei der Gestaltung der Szenerie originalgetreu an das überlieferte Bildmaterial der Ereignisse hält, und bei der Kameraarbeit, die versut, die dem kulturellen Gedätnis zugeführten historisen Bildmaterialien nazustellen. Sie kann nit anders, als si auf die Ikonographie der RAF zu beziehen. Der Film tri als mediales Produkt in ein bereits vorhandenes Diskursfeld RAF ein und muss si innerhalb der (historisen) medialen Auereitung des Stoes positionieren. Er wird damit Teil einer konvergenten Medienwelt, in der Formen transmedialen Erzählens eine immer größere Bedeutung erlangen, und in der die Grenzen zwisen Fiktion und Dokumentation tendenziell aufgehoben werden. Ein „amphibiser Film“ wie Der Baader Meinhof Komplex kann weder als Kinolm no als Fernsehzweiteiler allein bestehen, sondern er kann si nur im Zusammenhang mit dem prägurativen Wissen der Zusauer entfalten. Film und Fernsehzweiteiler müssen versuen, si im diskursiven Feld der RAF als Marke zu etablieren. Zuglei müssen sie eine gewisse Markenloyalität zur medialen Konstruktion des RAF-Terrorismus in Deutsland, wesentli gestützt auf die Sitweise von Stefan Aust und sein gleinamiges Bu, aufweisen. Der Baader Meinhof Komplex reiht si damit nit nur in die medialen Konstruktionen der RAF in den er Jahren (vgl. Balz ), sondern au in den „Mythos RAF“ ein, der seit den er Jahren medial geprägt wurde (vgl. Kraushaar b). Im Kontext der Medienkonvergenz werden Filme als medienübergreifende Marken etabliert, die si auf das „prägurative Material“ beziehen müssen. Im Fall des vorliegenden Films ist dieses Material sehr umfangrei. Der Film selbst kann nit mehr darauf vertrauen, die Interpretationshoheit für die Erzählung RAF-Terrorismus bzw. Baader-Meinhof-Komplex zu haben.
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Der Baader Meinhof Komplex – ktionale Doku ohne Drama Obwohl Der Baader Meinhof Komplex als Spiellm angekündigt wurde, verfolgt er im Gegensatz zu Filmen wie JFK denno keine eindeutige ktionale Strategie (vgl. Mikos , .). Ledigli Kameraarbeit, Inszenierung von Action und Einsatz von Musik können einer ktionalen Strategie zugeordnet werden. Die Ausstaung orientiert si am vorhanden Bildgedätnis der RAF, die Träger der Handlung, die Figuren, bleiben jedo hart an der dokumentarisen Vorlage, ebenso die Narration, die si nit traut, aus der Chronologie der historisen Ereignisse auszubreen. Damit verspielt der Film alle Möglikeiten der oben erwähnten doppelten Adressierung der Zusauer, die Dokudramen leisten können. Der Film von Bernd Eiinger und Uli Edel leistet eine (Re-)Interpretation und (Re-)Kreation ledigli auf lmästhetiser Ebene, die Narration orientiert si am Sabu von Stefan Aust, angereiert dur Details, die aus anderen Publikationen zur RAF bekannt sind. Zu Beginn, den Szenen am Strand auf Sylt, wird zunäst die Familie des Verlegers Klaus Rainer Röhl, seine Frau Ulrike Meinhof und deren Kinder, in den Mielpunkt gerüt. Auf der ansließenden Party der Hamburger großbürgerlien Kreise darf dann Ulrike Meinhof ihre Kolumne zum Besu des Sahs von Persien in Deuts land verlesen. Dana zeigt der Film die Anti-Sah-Demonstration bis hin zur Ersießung von Benno Ohnesorg dur einen Polizisten. Die Szenen von der Demonstration in Berlin wiederum verfolgt Familie Ensslin daheim vor dem Bildsirm, ebenso wie die Au rie von Ulrike Meinhof in Talkshows, in denen sie die Ereignisse kommentiert. Ansließend ist zu sehen, wie Meinhof zusammen mit ihren Kindern die ehelie Villa verlässt. Unmielbar dana rüt die drie Hauptgur in den Bli. Andreas Baader wird im Kreise von anderen jungen Männern beim Basteln von Bomben gezeigt. Ans ließend sind die Frankfurter Kauaus-Brände zu sehen, gefolgt von der Verhaung von Baader und Ensslin. Dana verlässt der Film seine ktionale Inszenierung, indem dokumentarise Bilder vom Vietnam-Krieg eingebaut werden, die im Fernsehen zu sehen sind. Wieder ktiv inszeniert ist der Vietnam-Kongress in Berlin und das Aentat auf Rudi Dutske, gefolgt von den Springer-Protesten. Anhand dokumentariser Szenen, die ebenfalls im TV laufen, wird nun der (Begründungs-)Zusammenhang für die
er Bewegung gebrat (Bilder von Prag und Paris
, von Riard Nixon und Martin Luther King), der zuglei die frühen Aktionen der Terroristen Baader und Ensslin in diesen Kontext einordnet. Es wird no eine Weile dauern, bis der Film zu einer der Slüsselszenen der Ges ite der RAF kommt, dem Sprung von Ulrike Meinhof aus dem Fenster eines Gebäudes der Berliner Freien Universität bei der Befreiungsak-
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tion für Andreas Baader, dem so genannten „Sprung in den Untergrund“, der letztli zum bewaneten Kampf führt. Bereits in diesen ersten Szenen von Der Baader Meinhof Komplex wird deutli, dass si der Film nit entseiden kann, ob er eine ktionale Gesite anhand von handelnden Figuren, die eine Narration vorantreiben, erzählen will, oder ob er ledigli ein mit ktionalen Mieln inszeniertes Bild der realen Ereignisse nazeinen will. Bis zu den na dem Vorbild von Actionlmen inszenierten Bildern von der Anti-Sah-Demonstration wird dem Publikum die Gesite einer politisen Journalistin zwisen großbürgerlier Familie und revolutionärer Aitude gezeigt. Zwar wird Meinhof in diesen ersten Sequenzen au als Person vorgestellt, do bleibt die Inszenierung für einen ktionalen Film sehr kühl. Eine Emotionalisierung ndet nit sta. Dadur entsteht eine Distanz zwisen der Filmgur Meinhof und dem Publikum. Die Filmgur Ensslin wird als Person erst gar nit eingeführt, sondern ledigli dur den Disput mit ihrem Vater arakterisiert. Sie wird den ganzen Film über dem Zusauer nit näher gebrat. Ihre Handlungen werden nit verständli, au wenn sie zumindest wie in der Auseinandersetzung mit Ulrike Meinhof im Stammheimer Gefängnis für den Zusauer navollziehbar sind – aber nit, weil die Handlungen der Filmgur Ensslin aus dem Plot des Films heraus motiviert wären, sondern weil es dem Film in einigen, wenigen Szenen gelingt, ein „empathises Feld“ aufzubauen (vgl. Wul , ). Die Figur Baader wird ledigli dur die Aktion des Bombenbastelns eingeführt. Der Film vertraut bei der Einführung der drei zentralen Figuren ganz auf das prägurative Wissen der Zusauer. Dies wird no deutlier bei den Figuren, die nit im Zentrum der historisen Ereignisse stehen. Vor allem die von Jan Josef Liefers gespielte Figur des Peter Homann, Geliebter von Ulrike Meinhof in der Berliner Zeit, dessen Rolle als Außenseiter bei den Konikten im Palästinenserlager sehr deutli wird, wird überhaupt nit eingeführt. Sie taut ebenso plötzli auf wie sie au wieder verswindet, ohne dass ihre Motive und ihr Charakter deutli würden. Bei der Szene im Palästinenserlager dient sie ledigli als Folie, um die Brutalität von Baader und Ensslin zu verdeutlien. Das entfremdete Verhältnis zu Meinhof, die in dem Ausbildungslager ebenfalls für den Tod von Homann stimmt, obwohl er no ein paar Monate zuvor ihr Geliebter war, wird dagegen kaum thematisiert.4 Au hier verfehlt der Film eine ktionalisierende und emotionalisierende Strategie, die den Zusauern die Figuren näher bringen würde. Stadessen bleibt er bei einer mit 4
Zu den realen Ereignissen im Palästinenserlager, wo Baader, Ensslin und der Anwalt Horst Mahler ein so genanntes Volksgerit gegen Homann inszenieren, weil sie ihn loswerden wollen, vgl. Peters , .
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der Kamera inszenierten quasi dokumentarisen Lektüre der realen historisen Ereignisse. Die Zentrierung der beobatenden Perspektive auf die drei Figuren Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof – später rüt dann no Brigie Mohnhaupt na – entsprit einerseits der historisen Mythenbildung um diese realen Personen. Sie galten als die Leitguren der so genannten ersten Generation der RAF. Mit ihnen ist jedo die Gesite der RAF nit zu Ende, au nit zu Ende erzählt. Aber davor drüt si der Film, denn er endet mit den Selbstmorden im Stammheimer Gefängnis und der Ersießung von Hanns Martin Sleyer. Immerhin räumt er mit den von Wolfgang Kraushaar identizierten drei Mythen der RAF auf: dem Mythos vom bewaneten Kampf, dem Mythos von der Isolationsfolter und dem Mythos von den Gefangenen-Morden in Stammheim (vgl. Kraushaar b, .). Der Mythos vom bewaneten Kampf wird als selbstbezogene Brutalität entlarvt, der Mythos von der Isolationsfolter dur die Darstellung der Kommunikationsstrukturen der Gruppe im Gefängnis. Der Mythos von den Gefangenen-Morden wird dur eine Aussage von Brigie Mohnhaupt entkräet. Die Gruppe um Mohnhaupt empfängt die Narit vom Tod der Stammheimer Hälinge in Bagdad. Betroenheit und Trauer, Wut und Verzweiung maen si breit. Mohnhaupt ergrei das Wort: „Könnt ihr die Stammheimer wirkli nur als Opfer sehen? Das war eine Aktion, habt ihr verstanden, eine Aktion!“ (zit. n. Peters , ) Der Selbstmord wird als eine gezielte Aktion gewertet, um der so genannten Politik der RAF einen Dienst zu erweisen und sie voranzubringen. Au am Ende bleibt der Film so dit an den Fakten der historisen Ereignisse, verlässt seinen beobatenden Modus nit. Es gibt – abgesehen von der Kamera an si – keine lminterne Erzählinstanz in Der Baader Meinhof Komplex. Die historisen Ereignisse erzählen si gewissermaßen selbst, indem der Plot und die Bilder des Films auf den außerlmisen Diskurs über die RAF verweisen, der allerdings zumindest in den er und er Jahren wesentli au von ktionalen Filmen mit geprägt wurde. Klaus Kreimeier stellt dazu fest: Die Tatsae, dass die mediale Auseinandersetzung mit dem linken Terrorismus, zunäst jedenfalls, im Kino stafand und mit der ktionalen Filmerzählung eine klassise, literaris im Roman und im Drama verankerte Narrationsform besetzte, steht somit quer zum Medienwandel, der die er und er Jahre bestimmte und gerade in diesen beiden Dekaden das Fernsehen als gesellsalies Leitmedium durgesetzt hat. (Kreimeier , )
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Der Baader Meinhof Komplex orientiert si genau in die andere Ritung, indem er im Modus eines ktionalen Filmes eine Art Re-Enactment der historisen Ereignisse leistet, und si dabei um eine Authentizität bemüht, die si an das Bild- und Wortgedätnis des RAF-Diskurses anlehnt. Allein die Entseidung, die Ereignisse in ronologiser Reihenfolge zu erzählen, deutet darauf hin. Damit arbeitet der Film einerseits gegen die Mythenbildung an, derer er si aber in den originalgetreuen Bildern zuglei bedient. In diesem Sinne verwaltet er das ikonograse Erbe der RAF. Dies zeigt si au in der Zentrierung auf die zentralen Figuren der RAF. Au hier bedient er einen Mythos, gegen den er zuglei aninszeniert – aber eben nit mit letzter Konsequenz. Gerade die Figurenzentrierung häe es ermöglit, konsequenter gegen den RAF-Mythos anzuinszenieren. Dazu häen aber die Figuren Baader, Ensslin und Meinhof (und später Mohnhaupt) stärker ktionalisiert werden müssen. Damit ist nit gemeint, dass diese Figuren im Film über das Maß der historisen Ereignisse hinaus häen agieren sollen, sondern dass sie mit den Eigensaen von ktionalen Figuren ausgestaet worden wären, einer lminternen Biograe, die ihre Handlungsmotive navollziehbar mat, und einem psyologisen Realismus, der ihre inneren Konikte stärker oenlegt. Hier bleibt der Film unentslossen. Zwar wird auf die Beziehung der drei Protagonisten zueinander eingegangen, das aber nur, um in der Stammheimer Zeit die Entfremdung Ulrike Meinhofs von der Gruppe zu inszenieren, die von den anderen isoliert wird und si selbst immer mehr zurü zieht. Eine emotionalisierende Erzählung häe stärker auf die (psyologisen) Gründe der Beziehung von Baader und Ensslin sowie auf die Entwilung von Ulrike Meinhof eingehen müssen. Zwar wird Meinhof zusammen mit ihren Kindern eingeführt, die sie au aus der ehelien Villa mitnimmt, do im Verlauf des Plots gehen sie einfa verloren. Kurz bevor Meinhof den Sprung in den Untergrund wagt, sagt sie no: „I könnte meine Kinder nie verlassen.“ Warum sie es dann do tut, bleibt im Dunkeln, denn im Zusammenhang mit der Filmgur Meinhof tauen die Kinder nit mehr auf. Man sieht no, wie sie über die Grenze gebrat werden, und wie sie von einem Mann (Stefan Aust – der Buautor der Vorlage als ktionale Figur im Film) aus Sizilien abgeholt werden. Ansonsten werden die Kinder no zweimal in Gespräen erwähnt. Als die zunehmende Verzweiung von Meinhof in Stammheim inszeniert wird, spielen ihre Kinder keine Rolle mehr. Gerade hier häe si angeboten, der emotionalen Navollziehbarkeit der Figur zuliebe, das Thema Kinder no einmal aufzugreifen. Das Kind von Ensslin wird ledigli in den ersten Szenen gezeigt, spielt dana aber überhaupt keine Rolle mehr, ebenso wenig wie der Vater des Kindes, Bernward Vesper. Die Filmguren seinen über jeden (menslien) Zweifel erhaben zu sein, eine
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innere Tiefe ist ihnen fremd – nit nur in Bezug auf das eigene familiäre Umfeld, sondern au in Bezug auf ihren Werdegang als Terroristen. Sie bleiben distanziert, die Zusauer können keine Beziehung zu ihnen auauen, außer einer distanziert beobatenden. So entwielt si weder ein persönlies no ein politises Drama. Bevor Der Baader Meinhof Komplex in die Kinos kam, srieb Charloe Klonk über den „Bildterrorismus“ der RAF: Es gibt einige Bilder aus der Zeit der RAF, die den Terrorismus der siebziger Jahre weit über seine gesitlie und politise Bedeutung hinaus lebendig gehalten haben. Dazu gehören jene, die damals von unglaublier Wirkungsmat waren, do heute eher befremden, wie die Fotos des toten Holger Meins oder der gefangenen Ulrike Meinhof. (Klonk , )
Der Film benutzt diese Bilder und kontextualisiert sie in einem ktionalen Rahmen, um si selbst Authentizität zu beseinigen. Damit nimmt er ihnen jedo nits von der Befremdlikeit. Im Prinzip bedient der Film die Saulust, no angeregt dur die actionreie Inszenierung der Szenen, in denen Ansläge verübt werden (besonders der Überfall auf das Auto von Sleyer wird mit allen Mieln der Actionkunst dargestellt). Damit bietet er si, wie bereits die Bilder- und Medienpolitik der RAF, als Projektionsäe an. Die RAF ist für das Massenpublikum in den er Jahren über weite Streen die bevorzugte Projektionsleinwand gewesen. Auf der einen Seite wurden Neugierde, Lust und Voyeurismus gesürt und auf der anderen Angst, Neid und Abseu. (Kraushaar b, )
Insofern grei der Film nit nur auf die außerlmisen Texte der er Jahre zurü, sondern bedient au die Stimmungen der damaligen Zeit – die ebenso wie mane Bilder heute befremdli wirken. Der Baader Meinhof Komplex ist abgesehen von den actionreien Bildern der Gewalaten, die dur eine formale Dynamik gekennzei net sind, ein Film, der aus der aktuellen Zeit fällt, weil er si in den er Jahren verliert. Er paktiert einerseits mit dem Mythos, indem er die Bilder der damaligen Zeit wieder lebendig werden lässt, andererseits traut er si nit die lmisen Stärken einer nit-ronologisen Dramaturgie, einer psyologisen Inszenierung der Figuren und einer Inszenierung, die das Gesehen für das Publikum au emotional navollziehbar mat, auszuspielen. Die mangelnde Emotionalisierung kann als Authentisierungsstrategie gesehen werden, die si in die originalgetreue Ablmung der Bildges ite der RAF einpasst.
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Do zuglei werden gerade die Möglikeiten, die in der Fiktionalisierung des Dokudramas steen, versenkt. Sta einer hodramatisen Gesite, in der die Zusauer die Handlungskeen und die Motive der Figuren aus der lmisen Erzählung heraus verstehen können, wird eine distanziert beobatende Lektüre angeboten, die darauf setzt, dass der Zusauer die Gesite ja sowieso son kennt. Um die zahlreien Lüen des Filmplots zu füllen, ist das Publikum auf präguratives Wissen angewiesen, das es an den Film herantragen muss. Ist dieses Wissen nit vorhanden, weil z.B. jüngere Zusauer nit mit der im Film herauesworenen Atmosphäre der er Jahre vertraut sind und wenig über die RAF und ihre Protagonisten wissen, bildet si in der Rezeption s nell das Gefühl von Langeweile aus, weil sie zwar dem Plot folgen, aber daraus keine Gesite maen können. Ist das Wissen vorhanden, stellt si bei Zusauern, die an den historisen Ereignissen als Beobater beteiligt waren und persönlie Erfahrungen mit der Zeit des RAF-Terrorismus in der Bundesrepublik verbinden, ebenfalls snell Langeweile ein, weil sie die Gesite der RAF in wesentlien Zügen kennen, und der Plot des Films dieser Gesite nits Neues hinzuzufügen weiß. Der Baader Meinhof Komplex bleibt in seinem selbstgesaenen Widerspru zwisen ktionalisierender Inszenierung in den Actionszenen und historiser Genauigkeit in Dialogen, Aussta ung und Bildern gefangen. In diesem Sinne kann er als singulärer Film nit bestehen.
Slussbemerkungen Am Beispiel von Der Baader Meinhof Komplex ließ si einerseits zeigen, wele Anforderungen an transmediales Erzählen in einer konvergenten Medienwelt gestellt werden, und andererseits wurde klar, dass die Tradition des „amphibisen Films“ ungebroen ist, au wenn si inzwisen lmise Ästhetiken in die Fernsehtradition dieser Filme einges lien haben. In der Folge des Film-Fernseh-Abkommens hat das Fernsehen den deutsen Film, vor allem den Autorenlm der er und er Jahre, ästhetis und ökonomis dominiert. Au wenn dies als eine frühe Form der Konvergenz gesehen werden mag, hat diese Dominanz nit nur zu Mis formen geführt, sondern dem deutsen Film weitgehend das spezis Filmise ausgetrieben. Dadur verhalf der „amphibise Film“ einerseits dem US-amerikanisen Kino zur Dominanz auf dem deutsen Kinomarkt und ermöglite dem Fernsehen neben dem Fernsehspiel und -lm mit einer weiteren Variante der Programmproduktion seine Programme zu füllen. Zuglei ließ er die Autorenlmer in dem Glauben, großes Kino hergestellt zu haben. Diese Traditionslinien wurden
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erst mit einer neuen Generation junger Filmemaer aufgebroen, die si wieder stärker auf die Kra der Bilder und der lmisen Auösung von Szenen verließen. Sie stellten das Bild wieder in den Mielpunkt und ließen den Ton gewissermaßen in die zweite Reihe treten. Aus Kopino wurde wieder Kino für Kopf und Bau. Vor dem Hintergrund der Entstehung des „amphibisen Films“ und der ästhetisen Orientierung am Fernsehen der bundesdeutsen Autorenlmer stellt si die Frage, was Volker Slöndor in seinem Artikel für die Süddeuts e Zeitung wohl mit dem Begri „Kinoqualität“ gemeint haben mag (vgl. Slöndor ). Die gesamte Debae erseint im Lit der aktuellen Diskussion über die ästhetise Konvergenz der Medien und Formen transmedialen Erzählens eher antiquiert. Transmediales Erzählen meint dabei nit nur eine Verwirkliung des gleien Stoes in versiedenen Medien, z.B. lmise Adaptionen literariser Stoe, die dann in einem intermedialen Verhältnis stehen, sondern die eigenständige Erzählung eines Stoes über mehrere mediale Plaformen hinweg, die auf ein additives Verstehen zielen – die Bedeutung si also erst aus der Gesamtsau ergibt. Transmediales Erzählen funktioniert umso besser, wenn die beteiligten Medien ihren ästhetisen Eigenwert betonen, denn nur damit sind au untersiedlie Verspreen hinsitli des Rezeptionserlebens und der Bedeutungsbildung verbunden. Jede einzelne Ausprägung einer Gesite auf den versiedenen medialen Plaformen fügt der Gesamtgesite als kultureller Marke einen eigenen, neuen Aspekt hinzu und entwielt damit in ästhetiser Hinsit eine Dierenzqualität. Nit die Vermisung von ästhetisen Merkmalen wie im „amphibisen Film“ ist darum das Gebot der Stunde in der konvergenten Medienwelt, sondern die Betonung der ästhetisen Eigenständigkeit im Kontext transmedialen Erzählens.
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Grenzen und Übergänge im deutschen Gegenwartskino
Begegnungen und Unterbreungen Europäise Gedätnisräume in Romuald Karmakars Land der Vernitung und Robert Thalheims Am Ende kommen Touristen Tobias Ebbret
Die letzten Tage in Hitlers Bunker, der aufrete Kampf Sophie Solls, pubertäres Treiben auf der Napola, Frauenprotest in der Rosenstraße: die nationalsozialistise Vergangenheit seint ein unbegrenztes Gesitenreservoir für das deutse Gegenwartskino zu bieten und nit zuletzt darum sind historise Stoe zu einem zentralen Standortfaktor für die deutse Filmwirtsa geworden. Nit nur deutse Produzenten und Regisseure folgen diesem Trend. In den Filmproduktionsstäen in Potsdam Babelsberg entstanden au Kulissen für Stauenbergs Verswörung gegen Hitler, für den Kampf eines polnisen Juden ums Überleben und für amerikanis-jüdise Naz{äger, womit Deutsland zum kreativen Betätigungsfeld für namhae internationale Regisseure wie Brian Singer, Roman Polanski oder Quentin Tarantino wurde.
Filmise Gesits ktionen Von einem Erinnerungsboom wurde bereits vielfa gesproen und vielleit lassen si die zahlreien Kinoproduktionen und die Flut von Gesitssendungen im Fernsehen mit einer neuen Sehnsut na Gesite im . Jahrhundert erklären, mit einem nostalgis begründeten Bedürfnis na Herkun in einem zunehmend dur Unsierheiten und Risiken arakterisierten Zeitalter (vgl. König , ). Ledigli die internationalen Produktionen zeigen dabei mitunter au die andere Seite dieses Zeitalters, spieleris wie Tarantinos Inglourious Basterds (USA/D ) oder ernsthaer wie Polanskis The Pianist (Der Pianist, F/PL/D/UK ): Die transnationalen Begegnungen, die selten koniktfrei au daran erinnern, dass die nationalsozialistisen Verbreen ein transnationales Ereignis waren, das die Welt, Europa und die si darin zusammenndenden Nationen bis heute vor fortdauernde Herausforderungen
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_10, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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stellt (vgl. Sznaider ,
).1 Die meisten deutsen Filme über die Gesite des Nationalsozialismus hingegen bleiben in einem nationalen Bezugsrahmen steen. Sie verbinden die nostalgise Sehnsut na einer belastungs- und störungsfreien Herkun, in der ‚die Nazis‘ zu ‚den Anderen‘ der deutsen Gesite werden, mit dem lmisen Prinzip der Authentizitätsktion. Sie behaupten, die Vergangenheit so zu zeigen wie sie war, dabei imitieren sie zumeist Moden und Stile der Zeit oder die Ästhetik vorgängiger Filme zu diesem Thema. Und genau daraus generieren sie den Eindru von Authentizität für ihr Publikum, das eine Vergangenheit anblit, die authentis erseint, weil sie bereits Bekanntes wiederholt und nit verstört, sondern Beunruhigendes in abgeslossene Gesitsktionen bannt. Für sole lmisen Ges its ktionen sind Familienges iten konstitutiv. Diese werden jedo nit im Modus des Generationenkonikts erzählt, sondern folgen dem Prinzip der Harmonisierung. Erinnerungslüen werden gefüllt, die eigene Familie als Gegenprinzip zum Nationalsozialismus positioniert. Dies ist eng verbunden mit einer nostalgisen Wendung zur Vergangenheit, die dur narrative Sließungen und eine imitative Ästhetik arakterisiert ist. Au ikonise Bilder aus dem visuellen Gedätnis an die Shoah, die Ermordung der europäisen Juden, werden dabei nagebildet und aus ihrem historisen Kontext abgelöst. Diese Formen lassen si an zahlreien Beispielen beobaten. So isoliert Der Untergang (D , Oliver Hirsbiegel) Ikonen der Vernitung (wie Leienberge oder willkürlie Ersießungen von Unsuldigen) und fügt sie zur Illustration von an deutsen Soldaten oder der Zivilbevölkerung begangenen Kriegsverbreen in seine Filmhandlung ein. Ähnli adaptiert Das Wunder von Bern (D , Sönke Wortmann) eine dur verwaelte Kamerabilder eingeführte kanonisierte Traumaästhetik für die Darstellung eines Kriegsheimkehrers und übersreibt lmhistorise Vorbilder wie den Trümmerlm oder frühere allegorise Bearbeitungen der Nakriegszeit wie Die Ehe der Maria Braun (BRD , Rainer Werner Fassbinder). Indem die vorangegangenen Versue der Auseinandersetzung mit Faszination, Verführung und Vernitung im Drien Rei auf diese Weise beliehen und übersrieben werden, vollziehen die neueren Gesitsktionen den gesellsalien Perspektivwesel vom Eingedenken der Vernitung zum Reden über deutse Opfer na. 1
Vgl. zu den transnationalen Perspektiven in The Pianist beispielsweise den Beitrag von Randall Halle in diesem Band. Halle geht in seinem Aufsatz genauer auf die deuts-polnisen Filmbeziehungen ein, in deren Rahmen si au die vorliegenden Ausführungen positionieren lassen. Allgemein zur transnationalen Verortung des deutsen Gegenwartskinos vgl. Halle .
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In der letzten Zeit haben aber au einige deutse Produktionen diesen nationalen Rahmen verlassen und si dem Erzählen grenzübersreitender Begegnungen und den Nawirkungen der nationalsozialistisen Verbreen in der europäisen Gegenwart zugewandt. Robert Thalheim erzählt in seinem Spiellm Am Ende kommen Touristen (D ) die Gesite des deutsen Zivildienstleistenden Sven, der eher aus Zufall in den polnisen Ort O|wi}cim kommt, wo er in der an die Gedenkstäe Auswitz angeslossenen Jugendbegegnungsstäe arbeitet. Im Vordergrund steht nit die Vergangenheit, sondern die deuts-polnise Gegenwart, gespiegelt im Verhältnis des jungen Deutsen zu der Polin Ania, die deutse Reisegruppen dur die Gedenkstäe führt und davon träumt, der Enge ihrer von der Vergangenheit gezei neten Heimatstadt zu entkommen, sowie in der komplizierten Beziehung Svens zu dem polnisen Überlebenden Krzeminski, der si zunehmend als Fremdkörper in der neuen Gedenkkultur fühlt. Au den Filmemaer Romuald Karmakar zieht es in seinem Dokumentarlm Land der Vernitung (D ) über die deuts-polnise Grenze. Ursprüngli als Reereprojekt für einen Spiellm gedat, besut er die in Polen gelegenen Orte der Vernitung, sut dort na sitbaren und unsitbaren Spuren der Vergangenheit und begegnet Mensen, die an und mit diesen Orten leben oder diese aus untersiedlien Gründen und mit untersiedlien Erinnerungen besuen. Beide Filmemaer bewegen si in der Gegenwart, zeigen aber gleizeitig eine unerlöste Vergangenheit, die si in einer Ästhetik der Brüe, Dissonanzen und Konikte spiegelt, die zumeist abseits der sitbaren Gedätnisorte und jenseits der bekannten Gesitsbilder Erfahrungsräume für die Zusauer erö nen. Sie zeigen Reisende beim Übersreiten nationaler, spralier und generationeller Grenzen und verdeutlien untersiedlie Standpunkte und Perspektiven auf die Gegenwart und die Vergangenheit. Beide Filme fügen si damit einerseits in die zunehmend stärker ins Bewusstsein rüenden transnationalen Formationen des europäisen Gedätnisses ein und entziehen si dabei gleizeitig dem Versu, die europäisen Gedätnisräume und bis heute „gegenläugen Gedätnisse“ (Diner ) zu homogenisieren und zu einer das neue Europa fundierenden Gesite zu maen. In weler Weise Am Ende kommen Touristen und Land der Vernitung den vorherrsenden Tendenzen europäiser Gedätniskonstitutionen entspreen oder diese unterlaufen, soll im Folgenden diskutiert werden, nadem die Bedeutung der Erinnerung an die Shoah und den Zweiten Weltkrieg für ein neues, fundierendes, europäises Gedätnis skizziert worden ist.
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Europäise Gedätnisräume Bis heute sind sowohl die Idee Europas als au Europas Realität auf das engste mit den Sreen des zwanzigsten Jahrhundert verbunden. Denn diese leben in den nationalen Erinnerungen fort, die gleizeitig fundamental trennende sind. Dies gilt besonders für den Osten Europas, au Polen, dem Handlungsort der hier zu untersuenden Filme, dessen Abspaltung dur die ideologise Teilung des Kalten Krieges au zu einer Neutralisierung der gegenläugen Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg geführt hat, die nun wieder an die Oberäe drängen (vgl. Diner , ): Erinnerungen an Souveränitätsverluste (wie im Fall von Tseien), an Souveränitätsgewinne (wie im Fall der baltisen Länder), an nationale Opfersa (wie im Fall Polens), an Kollaboration (wie im Fall zahlreier ost- und westeuropäiser Gesellsaen), an Heldentum (wie im sowjetisen und später russisen Gedätnis), an Vernitung (im jüdis-israelisen aber au im polnisen Gedätnis), an nationale Niederlagen, territoriale Verluste und Teilung (wie im Fall Deutslands). Es ist daher nit verwunderli, dass der Versu, das heutige Europa in seiner Vieldeutigkeit, man könnte au sagen Widersprülikeit, zu bestimmen, immer wieder Bezüge zur Vergangenheit, insbesondere zu den nationalsozialistisen Verbreen erönet. Der Vergangenheit wird damit eine gesitspolitis fundierende Funktion für die Gegenwart zugesrieben, womit die gegenläugen nationalen Gedätnisse erneut in einem ‚europäisen Gedätnis‘ neutralisiert werden: „Die versiedenen Gedätnisebenen mit ihren untersiedlien Perspektiven, Inhalten und Akzenten werden zugunsten eines einheitlien Fixpunktes der Erinnerung nivelliert.“ (König , ) Denn erst als eine sole transformierte Ges ite, die die Untersiede der „immer ganz spezise[n], unverweselbare[n] Erinnerungen, die si in den europäisen Ländern […] mit der Zeit des Nationalsozialismus verbinden“ (ebd., ) nivelliert hat, kann die Vergangenheit Identität stiend werden. Do historis gesehen wurden sehr untersiedlie Konsequenzen aus dem Zweiten Weltkrieg und der Shoah gezogen. Und au der Versu, ein europäises Gedätnis zu konstituieren, müsste diese gegenläugen Erinnerungen zunäst zur Kenntnis nehmen, ohne sie einseitig aufzulösen. Vielleit kann dabei mehr no als die Politik der Film als ästhetises Konstrukt eine den gegenläugen Erinnerungen entspreende Perspektivierung ermöglien. Gerade der Film ist in besonderer Weise fähig, mit Hilfe der Montage und den daraus resultierenden dramaturgisen Mögli keiten untersiedli e Perspektiven miteinander in Beziehung zu setzen, diese zu kontrastieren oder Standpunkte einzunehmen, die si vom eigenen unterseiden. Er besitzt das Vermögen etwas vorzustellen, um, gleisam wie
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eine veräußerte Vorstellungskra, etwas gegenwärtig und präsent zu maen, das abwesend ist. Hannah Arendt hat diese Position als den „betratenden Standpunkt des Zusauers“ besrieben: „Von dem Sauspiel in Anspru genommen, bende i mi außerhalb seiner, habe i den Standpunkt, der meine tatsälie Existenz mit all ihren nebensälien, zufälligen Bedingungen bestimmt, aufgegeben.“ (Arendt , ) Diese Position ermöglit die Übernahme einer Perspektive, die nit die eigene ist. Der Film kann so nit nur eine Perspektive auf die Gesite einnehmen, sondern viele Perspektiven zeigen und auf diese Weise den Bli auf die Gesite erweitern. In solen grenzübersreitenden Begegnungen von Figuren untersiedlier Herkun innerhalb der lmisen Erzählungen sowie in der Begegnung der Zusauer mit ihnen unbekannten Lebenswelten und ihren Konikten kann auf diese Weise etwas entstehen, was der Historiker Dan Diner als Möglikeit des Abgleiens versiedener nationaler Gedätnisse besreibt. Dieses Abgleien versiedener Perspektiven folgt „den si zunehmend abzeinenden Prozeduren von Beziehungsgesiten der jeweiligen Kollektive.“ (Diner , ) Ein Film wie Am Ende kommen Touristen übersetzt diese „Beziehungsgesiten“ in konkrete transnationale Begegnungen, in deren zwisenmenslien Beziehungskonikten si au die Erinnerungskonikte spiegeln. Er zeigt die keineswegs koniktfrei verlaufende Annäherung von Sven, dem deutsen Zivildienstleistenden, und Krzeminski, der das Lager Auswitz selbst erlebt und überlebt hat, sowie die sließli seiternde Annäherung zwisen Sven und der Polin Ania. Darüber hinaus ersließt der Film aber au einen milerweile überdeterminierten Symbolort, das Gelände des Vernitungslagers Auswitz, aus einer veränderten Perspektive, die Resultat einer na ermögliten „Wiederkehr historiser Räume“ ist (ebd., ). Diesen früher politis und geogras abgetrennten und nun wiederkehrenden Räumen begegnet nit nur Sven, sondern mit ihm au der Zusauer des Films. In diesem Sinne kann Am Ende kommen Touristen als transnationaler Film gesehen werden, in dem die Übersreitung von nationalen Grenzen selbst eine zentrale Handlungsgur wird.
Perspektivwesel und transnationale Begegnungen Für das Kino lassen si versiedene Ebenen von möglier Transnationalität unterseiden. Zum einen die Produktion der Filme, die in Finanzierung oder Herstellung grenzübers reitend ausgeritet ist. Auf einer zweiten Ebene können Filme aber au transnationale Konikte und Ges iten thematisieren und ästhetis reektieren. Das kann au ganz allgemein das Thema
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Reisen oder die Figur des Reisenden und des Touristen mit einsließen. Zentral ist au die Arbeit mit Sprae und Kommunikation. Die Figuren weseln o zwisen vers iedenen Spraen und bekommen so die Fähigkeit der Grenzübersreitung, stehen aber gleizeitig o der Gefahr gegenüber, ausgeslossen zu werden oder verloren zu gehen. Auf diese Weise bezieht si das Konzept auf eine Übersreitung oder Transgression nationaler Grenzen, nit jedo auf deren dauerhae Überwindung (vgl. Jahn-Sudmann , ). Transnationale Filme können die Zusauer also anregen, si mit anderen kulturellen Perspektiven auseinander zu setzen. Wie Wolfgang Wels bemerkt, geht es dabei aber nit um das einfae (und die Dierenz festsreibende) Verständnis für ‚fremde‘ Kulturen, sondern um eine generelle Fähigkeit zur Begegnung und zur Auseinandersetzung mit Fremdheit (vgl. Wels ). In diesem Sinne kann ein soles grenzübersreitendes Kino zu einer kosmopolitisen Auseinandersetzung mit anderen nationalen oder kulturellen Positionen anregen, die dazu beiträgt, die eigene Unsierheit in der Welt und mit der Welt bewusst und aushaltbar zu maen. Diese Überlegungen zur transnationalen Perspektive von Filmen erinnert an das Modell des kosmopolitisen Europas, das der Soziologe Ulri Be ebenfalls unter Bezug auf die fortdauernden Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg und die Shoah als ein „Europa der Dierenz“ besrieben hat (Be ). Dieses Europa der Dierenz könnte, duraus im Sinne der grenzübersreitenden Perspektivisierung in Am Ende kommen Touristen, eine kritise Alternative zu einer die gegenläugen Gedätnisse harmonisierenden europäisen Gesitspolitik darstellen. Do obwohl Be einen „grenzübersreitenden Perspektivwesel“ einfordert, mit dem der „Horror der Judenvernitung, die nationalen Kriege und Vertreibungen“ in einem „si neu ö nenden Erinnerungsraum Europa“ betratet werden sollen, droht au dieses Projekt einer „Europäisierung der Perspektiven“ sließli zu einer universalistisen Nivellierung der gegenläugen Erinnerungen im Bild einer „europäisen Katastrophe“ zu tendieren (ebd.). „Vorerst“, so Helmut König, „bestehe die witigste Leistung darin, die vielen konkurrierenden, widersprü lien, antagonistisen Erinnerungen an die Gewaltgesite des . Jahrhunderts überhaupt erst einmal zur Kenntnis zu nehmen und der Versuung zu widerstehen, sie zugunsten einer Homogenisierung des Gesitsbildes glei wieder zurüzudrängen.“ (König , f.) Bes Idee einer „Europäisierung der Perspektiven“ sließt dieses Anerkennen gegenläuger Erinnerungen nit notwendig mit ein. Dies zeigt si beispielsweise in der problematisen Parallelisierung von Shoah und Moderne, die Be und Edgar Grande in ihrer gesitspolitisen Fundierung des kosmopolitischen Europas betonen. Darin wird „die kosmopolitische
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Erinnerung an den Holocaust“ zu einem „Mahnmal an die allgegenwärtige Modernisierung der Barbarei.“ (Be/Grande , ) Die Verlust- und Entfremdungserfahrungen der Moderne, wie ihre inneren Destruktionskräe, werden mit der Erfahrung der Shoah vers molzen. Diese wird zum Sinnbild der Selbstdestruktion der Moderne. Dahinter verswindet nit nur das konkrete Handeln der Täter, sondern au die Spezik der Verbreen. Denn diese waren nit die Vollendung der Selbstdestruktion, sondern Folge eines im modernen Antisemitismus verwurzelten Hasses auf die Moderne selbst. Dieses negative Moment des Brus lösen Be und Grande in einer prospektiven Erinnerungsbewegung auf, indem Europa zum „in seiner Ges ite verwurzelte[n], mit seiner Ges ite breende[n] und die Kra dafür aus seiner Gesite gewinnende[n], selbstkritise[n] Experimentaleuropa“ wird (ebd., Herv. i. O.). Die Vergangenheit wird zur Produktivkra der europäisen Einigung. Dafür muss die Gegenläugkeit der Erinnerungen überwunden werden, um einen „gemeinsamen Bezugshorizont des Erinnerns“ zu saen (ebd., ). Obwohl die Autoren betonen, dass die „Europäisierung der Gesitsperspektiven“ die nationalgesitlien Perspektiven nit ersetze, sondern erweitere, ndet die Gegenläugkeit und Koniktförmigkeit der Erinnerungen als eigentlier Anstoß einer fortdauernden und nit absließbaren Auseinandersetzung in diesem Modell keinen Platz. Dies korrespondiert mit einem Grundprinzip, das Be und Grande für den Prozess der Europäisierung als notwendig anführen, dem „Sowohl-als-Au-Prinzip“ (ebd., ), das die koniktförmige Auseinandersetzung zugunsten eines „Empire des Konsenses“ (ebd., , Herv. i. O.) ersetze. So entstehe „ein versöhntes Europa, das mit seiner kriegerisen Ges ite brit, ja gerade aus diesem gewollten Ges itsbru eine kosmopolitise Dynamik gewinnt und speist.“ (ebd., ). Im „Sowohl-als-Au-Prinzip“ drohen die Gegenläugkeiten und Widersprüe aber harmonisiert und in eine sinnstiende und fundierende Vergangenheitserzählung transformiert zu werden, die die Spezik der jeweiligen Perspektiven in ihrem glei förmigen Zusammenspiel nit mehr wahrnehmen und damit au keine Bewertung und keine Positionierung gegenüber der Vergangenheit mehr ermöglien kann. Dem wäre das „‚Seite-an-Seite‘-Prinzip“ von Siegfried Kracauer entgegenzustellen. Dieser versut ebenfalls die „Entweder-OderEntseidungen“ und deren „Aussließli keit“ zu überwinden (Kracauer , ). Sein Prinzip erstret si aber gleizeitig auf die „Beziehungen zwisen dem Zeitlosen und dem Zeitlien sowie auf die zwisen dem Allgemeinen und dem Besonderen“ (ebd., ), bezieht also die Dierenz der historisen Erfahrung und deren Spezik mit ein. Kracauers Vorstellung einer reexiven Gesitssreibung ermöglit also das Erkennen von Besonderheiten innerhalb einer vorherrsenden „Tendenz zur Pluralisierung“, die Dan
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Diner für das europäise Gesitsbewusstsein besreibt (Diner , ). Dies wäre eine Vorraussetzung für eine auf „historisen Unterseidungen“ basierende Urteilskra (ebd., f.). Der Soziologe Natan Sznaider hat in seinem Essay Gedätnisraum Europa daher versut, die Idee eines kosmopolitisen Europas aus jüdiser Perspektive weiterzuentwieln. Damit perspektivisiert er die sowohl historise wie au epistemologise Spannung zwisen Partikularismus und Universalismus, die si nit zu einer Seite hin auösen lässt: Die jüdise Erfahrung stellt si quer zu der Vision einer von Europa ausgehenden kosmopolitisen Welt – und das nit zuletzt deshalb, weil diese Erfahrung in der kosmopolitisen Spannung zwisen Universalismus und Partikularismus angesiedelt ist. Die Nationalsozialisten versuten, diese Erfahrung zu verniten – und andere totalitäre Regime verneinten sie ebenso. Wir müssen also lernen, Kosmopolitismus nit nur als Idee, sondern au aus der konkreten Gesite der konkreten Erfahrung und Erinnerung konkreter Mensen heraus zu verstehen. (Sznaider , )
In dieser Spannung zwisen Universalismus und Partikularismus liegt für Sznaider die kosmopolitise Dimension begründet. Sta einer Position der Ambivalenz, die in Gefahr geraten kann, dur die postulierte Pluralisierung in Relativierung abzugleiten, liegt diesem Ansatz das Bewusstsein von und die Anerkennung der Anders- und Besonderheit zugrunde. Es ist dies ein Denken in Brüen. Darum au bekommt die erinnerungspolitise Dimension in diesem Konzept sol zentrale Bedeutung. Gesite nämli eignet si na Auswitz weder zur retrospektiven Fundierung, no kann sie brulos als prospektiver Aurag dienen. Damit gerät die Multiperspektivität der europäisen Erinnerungspolitik in eine Zwimühle, wenn sie nit au die Untersiedlikeit und Unversöhnlikeit der Perspektiven reektiert. Dieses erinnerungspolitise Paradigma wendet si also gleiermaßen gegen die entkontextualisierende Universalisierung (bzw. relativierende Europäisierung) der Shoah wie au gegen ihre sinnstiende Einpassung in Nationalgesiten. Das kosmopolitische Europa kann weder als antagonistisch zum nationalen (und nationalsozialistisen/fas istisen) Europa gedat werden (vgl. ebd., ) no hat der Terror der „Vergangenheit eine Sule für Sensibilität – was o damit ausgedrüt wird, dass man die ritigen Lehren aus der Vergangenheit gezogen hat – gesaen.“ (ebd., ) Nur dur die ganz praktise Integration der partikularen Perspektiven, dur die kritise Auseinandersetzung mit der Gesite, kann somit verhindert werden, dass die Erinnerung an den Holocaust zum Mahnmal erstarrt. Erst eine sole Per-
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spektivisierung der Vergangenheit ermöglit es, jene Kontinuitäten und Brüe na zuzei nen, die von der ges itslosen Ges itspolitik Europas verstellt werden. Bevor i wieder auf Am Ende kommen Touristen zu spreen komme und die Darstellung von Begegnungen und Unterbreungen im Film und seiner ästhetisen Form im Hinbli auf die Auseinandersetzung mit der Gegenwart der europäisen Vergangenheit untersuen werde, wende i mi zunäst Romuald Karmakars Dokumentarlm Land der Vernitung zu, um dessen lmise Auseinandersetzung mit historisen Orten und seinen Umgang mit versiedenen Perspektiven auf die Vergangenheit zu diskutieren.
(Be-)suen und Beobaten Romuald Karmakar vereinigt bereits versiedene Perspektiven in seiner eigenen Biograe. Als Sohn einer französisen Muer und eines iranisen Vaters wus er in Deutsland und Grieenland auf und absolvierte seinen Militärdienst in der französisen Armee. Seine Spiel- und Dokumentarlme besäftigen si vielfa mit Ereignissen der deutsen und europäisen Gesite. Für seinen Dokumentarlm Warheads (F/D ) spra er mit französisen Fremdenlegionären und Söldnern bei den Balkankriegen, reiste unter anderem in ein Söldnercamp in Mississippi und an die Front in Kroatien. In seinem Spiellm Manila (D ) zeigt er deutse Touristen im Flughafen der philippinisen Hauptstadt. In Land der Vernitung bereist er Tatorte der nationalsozialistisen Verbreen in Polen.2 Dieser Film ist ein raues Dokument. Karmakar nennt ihn einen „Making-Before-Film“ (zit. n. Gansera , ). Entstanden ist er während der Reeren zu einem Spiellmprojekt über das Hamburger Polizeibataillon , das / im Rahmen der „Aktion Reinhardt“ Masseners ießungen von Juden in Polen durgeführt hat. Die Kamera wird vom Filmemaer selbst bedient. Sie begleitet ihn auf einer Spurensue, die keiner Dramaturgie zu folgen seint. Immer tiefer fräst sie si in die Landsaen hinein, die Vernitungsstäen, Gräber und Orte unvorstellbarer Verbreen bergen. Do sie sut nit na Symbolen, na ausdrustarken Bildern, na Metonymien der Vernitung. Diese Kamera bewegt si mitunter wie ein Tourist dur das Land. Sie tut dies in einer „Art Mimesis des unbedaren Besuers.“ (Köppen , ) Sie beobatet Mensen, Einwohner kleiner Städte, Anwohner und Mitarbeiter von Gedenkstäen, Touristen. Der Bli 2 Zu Karmakars Hintergrund und zur Einordnung von Land der Vernitung in sein lmises Werk vgl. bspw. Ebbret und Möller .
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der Kamera vereint versiedene Perspektiven und weselt zwisen diesen kontinuierli hin und her. Karmakar nimmt dabei eine dreifae Position ein. Er ist gleizeitig Filmemaer, Historiker und Tourist. Und in allen drei Positionen ist er Beobater und Zusauer. Hannah Arendt hat für den Akt des Verstehens der Position des Zusauers eine zentrale Bedeutung eingeräumt, und dies um so mehr, wenn es um das Verstehen der Vergangenheit geht. In „Understanding and Politics“ deniert Arendt Verstehen als „unending activity by which, in constant change and variation, we come to terms with and reconcile ourselves to reality, that is, try to be at home in the world.“ (Arendt , ) Nur der Zusauer kann einen Standpunkt einnehmen, von dem aus er das Ganze sehen kann, während der Handelnde (der Akteur oder au der Sauspieler) als Teilnehmer seine Rolle spielen muss. Die Position des Betraters ist hingegen gekennzeinet dur Nit-Teilnahme und Uninteressiertheit (vgl. Arendt , ). Sie ähnelt dem Vorgehen eines Historikers, denn na Siegfried Kracauer ist das Verstehen ein „Verlangen, das allem Gesitssreiben zugrunde liegt.“ (Kracauer , ) Es hängt ab von den Fähigkeiten des Historikers, „die an eine Anlage zum Reektieren und an das Gesi zur passiven Beobatung gebunden sind.“ (ebd., ) Und genau darin ist die Einstellung des Historikers au der „Einstellung des Photographen“ verwandt, der „weniger dem ausdrusvollen Künstler gleit, als dem phantasiebegabten Leser.“ (ebd.,
) Au Karmakar geht es nit um Ausdru, sondern um die Evozierung historiser Vorstellungskra mit Hilfe der Kamera. Er sut Begegnungen, erforst und sammelt. Er registriert die Topographie der Orte, die er aufsut: ehemalige Vernitungslager und Orte des verswundenen jüdisen Lebens in Polen. Und er zei net die Erinnerungen der Mensen auf, mit denen er sprit bzw. die vor seiner Kamera zu erzählen beginnen. Auf diese Weise kreiert er Vorstellungsräume für die Zusauer, die si zwisen den Bildern und hinter den Worten erö nen. So entsteht ein Film, der dur vielfältige Begegnungen mit Orten und mit Mensen strukturiert ist und dabei immer wieder an Grenzen stößt: Grenzen der Kommunikation und Grenzen der Vorstellung. So wird Unsitbares sitbar, werden Spuren aus den Tiefensiten des Vergessens freigelegt. Dies gesieht jedo nit in Form eines aktiven Erinnerns, sondern eher aus der Position eines passiven Beobatens heraus, das immer wieder unterbroen wird dur Momente, in denen mit Hilfe lmiser Verfahren die Vergangenheit in die Gegenwart der Spurensue einbrit, si beispielsweise plötzli über die Wälder Polens die Stimme Heinri Himmlers legt oder bei einer Fahrt dur einen kleinen Ort ein Berit über Massenersießungen dur deutse Polizeieinheiten zu hören ist.
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Diese Struktur und die untersiedlien Perspektiven werden bereits in den ersten Begegnungen deutli, die der Film zeigt. Zunäst begegnen wir einem konkreten Ort, dem Vernitungslager Majdanek. Karmakar sreitet den Zaun des Lagers ab, zählt dabei seine Srie. Mehr als eine Viertelstunde sehen wir nur den verwaeltet vorbeiziehenden Staeldrahtzaun, begleiten den Regisseur auf seinem Weg entlang des Zauns und werden konfrontiert mit der Dimension des Lagers. In einer der nästen Einstellungen bewegt er si dann wie ein Tourist mit seiner Kamera über das Lagergelände, das heute eine Gedenkstäe ist. Er lmt die ehemaligen Gaskammern und nimmt israelise Touristen auf, die Majdanek besuen und an einem Sarkophag stehen, in dem die Gebeine von Ermordeten gesammelt wurden. Der Reiseleiter erklärt, Juden düren hier nit ihr Totengebet spreen, denn es wäre nit sier, ob si nit au die Knoen von Nitjuden in diesem Sarg befänden. Von Ferne erklingt die „Hatikwa“, die heutige israelise Nationalhymne, als Karmakar mit seiner Kamera die Stufen zum zentralen Mahnmahl der Gedenkstäe hinaufgeht. So stellt si die Frage, wo eigentli der Ort für jüdise Erinnerungen in diesem „Land der Vernitung“ ist und wo diese ihren Platz im europäisen Gedätnis haben. Die drie Begegnung: ein jähriger Pole erzählt vom Gheo in Radzy~. Karmakar tri ihn zufällig als er mit einem Übersetzer, mit dem er Französis sprit, dur den Ort geht. Der Übersetzer fragt die Mensen am Straßenrand auf Polnis, do die anderen Einwohner wissen nits vom jüdisen Leben in ihrem Ort. Nur der alte Mann kann si erinnern. Er erinnert si, dass die Synagoge abgerissen wurde. Ein Pole sei dabei umgekommen. In seinen Erinnerungen haben die Juden no einen Platz, genauso wie jener Pole, von dem wir nit wissen, warum er bei dem Abriss starb. Das Gesprä ist ein Gesprä der Wiederholungen, der Missverständnisse und Fehlübersetzungen. Gerade dadur erfahren wir nit nur etwas über die Vergangenheit des kleinen Ortes Radzy~, sondern au über die Gegenwart und über den Stellenwert, den die Vergangenheit im gegenwärtigen Gedätnis einnimmt. Karmakar fragt, wann die Juden des Ortes deportiert wurden, do der Übersetzer übersetzt wie sie deportiert wurden. Dann fragt er: „Waren sie mit Juden befreundet.“ Der alte Mann erklärt, er sei nit ritig befreundet gewesen. Man ging zur Sule, unterhielt si, wie Kinder das eben so täten. Ein Frau ru auf Polnis dazwisen: „Sag, sie haen Gesäe.“ Persönlie Erinnerungen und tradierte ant{üdise Vorurteile stoßen aufeinander. Der Übersetzer wiederum verändert die Antwort des Mannes, als er sie Karmakar ins Französise übersetzt: „Er hae jemanden, der so was wie ein Freund war.“
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Als Vertreter der jungen Generation betont der Übersetzer für den internationalen Gast die polnis-jüdise Symbiose. Karmakar fragt weiter: „Hat er versut, das S isal der Juden zu verfolgen?“ Der alte Mann antwortet. Und er sprit über etwas, das erst in den letzten Jahren einen Platz im polnisen Gedätnis gefunden hat: „Es gab nur wenige. Sie starben au no zur Zeit unserer Kommunisten. I war no jung. Man hat nit darüber nagedat, was mit ihnen passiert ist.“ Und trotzdem erzählt er weiter von einer Ers ießung dur Deutse auf der anderen Straßenseite und von der Denunziation eines Juden dur seinen polnisen Nabarn. Na dieser Begegnung verfolgen wir eine Autofahrt dur einen Wald. Es regnet. Unauörli zieht der Seibenwiser über die Windsutzseibe. Na den Orten der Vernitung, der entorteten jüdisen und der polnisen Erinnerung, begegnen wir nun den Tätern, der ‚deutsen‘ Perspektive. Geisterha legt si die Stimme Heinri Himmlers über die Bilder des Waldes. Er sprit zu Generälen der Wehrmat. Eine entkörperlite Stimme, die vom Krieg sprit, von den Bombenangrien auf deutse Städte und von der ‚sweren Aufgabe‘, die ‚Judenfrage‘ zu lösen, ‚kompromisslos‘ zu lösen, um zu verhindern, dass ‚heute kleine und morgen groß gewordene jüdise Räer‘ das Leben seiner Kinder und Enkel bedrohten. Die Vernitung als Reungstat für zukünige Generationen.
Polyphone Gedätnisse Anders als die Mensen vor der Kamera spreen die entkörperliten Stimmen der Täter aus der Vergangenheit. Die anderen erzählen über die Vergangenheit. In Englis, Französis, Deuts, Polnis und Hebräis kommunizieren sie selbst dort miteinander, wo sie si nit verstehen. So au in einer Szene, die Karmakar in dem Ort Turobin aufgenommen hat. Dort gab es einen großen jüdisen Friedhof. Heute sind nur Felder zu sehen. Die Deutsen haben die Grabsteine herausgerissen und Straßen damit gepastert. Hier gab es mal mehr Juden als Polen, beritet ein junger Mann auf Polnis. Er hae Aufsrien darüber. Er versut Karmakar davon erzählen, do dieser versteht ihn nit. „Ah, wir verstehen uns nit“, sagt der junge Pole. Eine alte Frau kommt hinzu. Sie zeigt vor der Kamera die heute unsitbaren Grenzen des Friedhofgeländes und erzählt von einem gestohlenen Zaun, der bis vor einigen Jahren das Gelände umsloss. Die Frau beritet von Israelis, die einmal den Ort besuten, an dem der Friedhof war. Und dann wendet sie si zu dem Filmemaer: „Und woher
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kommen sie? Kommt ihre Familie aus Turobin?“ „Er versteht nicht“, sagt der junge Mann. „No. I don’t understand“, antwortet Karmakar. Dann fällt dem jungen Polen etwas ein. Er fragt: „Family?“. „No, no family“, antwortet Karmakar. Die alte Frau beritet weiter vom jüdisen Friedhof und seinen Ausmaßen. Und immer wieder kommt sie auf den gestohlenen Zaun zurü. Am Ende fragt sie Karmakar: „Wie lebt man bei eu in Israel. Ist es da jetzt ruhig?“ Wer sonst sollte si für einen verswundenen Friedhof in Polen interessieren, außer jüdise Israelis? Karmakar fragt na: „Israel? Me? No.“ Die Frau erzählt no, dass die große Synagoge des Ortes später verkau wurde, als die Juden von Turobin son abgeholt und ermordet worden waren. Sie sei dann abgerissen und eine Sweinezut erritet worden, aber die laufe nit so gut. Mehr könne sie nit beriten. Als sie geht, dreht sie si no einmal um: „Wollt ihr das wieder einzäunen?“, ist ihre letzte Frage. Diese Gesite und Gesiten realisieren si erst im Nahinein, nit nur für den Zusauer, sondern au für den Filmemaer. Erst der fertige Film mat dur die Übersetzungen und Untertitel das Erzählte verstehbar, entwielt naträgli ein Gesprä. Im Drehprozess beobatet Karmakar nur, lässt die Mensen vor seiner Kamera miteinander kommunizieren, zeigt die Orte, die ihre Ges ite verbergen: Felder, Wälder, kleine Ortsaen. Orte mit einer Vergangenheit, die aber immer no lebendig ist in den Erinnerungen der Mensen, die hier leben. Karmakar und seine Kamera sind Auslöser dieser Erinnerungsprozesse, au wenn der Filmemaer selbst nur wenig versteht. Dieser Dialog ist ein Gesprä, das aus Missverständnissen und aus Kommunikationsbloaden besteht. Und genau darum erzählt si dur diese ge- und unterbroenen Gespräe, die Karmakar in Polen führt, soviel, nit nur über die Vergangenheit, das jüdise Leben in und mit Polen und das Sisal der Juden, sondern au über die Gegenwart, die alte und die junge Generation und darüber, wie präsent die Erinnerungen und wie wenig sitbar dabei gleizeitig die Spuren der Verbreen sind. Manuel Köppen hat darauf aufmerksam gemat, dass Karmakar den Bli konsequent fremd stellt, „indem er von jegliem Vorwissen zu abstrahieren seint.“ (Köppen , ) Au die Verständigungsprobleme werden zum dramaturgisen Miel, um „Fremdheitsphänomene gegenüber ges itlier Ferne zu inszenieren.“ (ebd.) Karmakar unterläu dabei die gängigen Inszenierungen. Er sammelt Beobatungen, nit Zeugnisse. Er dokumentiert Auseinandersetzungen, zeigt Mensen, die die Jahre der deutsen Besatzung erlebten und Jüngere, die versuen, zwisen dem Filmemaer und den Älteren zu vermieln. Er zeigt Interesse und Desinteresse an der Vergangenheit, Wissen und Nitwissen und er kommuniziert damit Perspektiven auf die polnise, die deutse, die jüdise und die europäise Gesite jenseits
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der Diskurse über das Gedätnis Europas. Das tri au auf die Orte zu, die er nit als Gedätnissorte, sondern als Räume mit einer Gegenwart besut. Was man fühlt, wenn man direkt neben einem ehemaligen Vernitungslager wohne, möte Karmakar von einer Polin wissen, deren Haus unmielbar neben dem Lagergelände von Sobibor liegt. Wir stehen in ihrer Küe. Ihr Sohn versut zu übersetzen, dabei interessiert er si nit besonders für die Ges ite. „Darüber habe i no nit nagedat“, sagt die Frau beim Gesirrspülen in die Kamera. „I wohne einfa hier. Nits Besonderes. I sehe einfa wie viele Mensen herkommen und diesen Ort besuen. Erst dann wird einem klar, was das für ein Ort ist. Dass hier so viele Mensen umgekommen sind.“ Die Kamera swenkt dur die Küe, zu ihren Söhnen. „Das mat einen traurig, nit? Sole Orte. I stamme au aus so einem Ort. Von einer Lagerstadt in die andere.“ Alltag. Eine Perspektive jenseits der Erinnerungsarithmetik. „Erinnerungslandsaen“, sreibt Köppen, „sind besetztes Terrain au hinsitli der daran geknüpen Erinnerungsdiskurse. Wer si an sole Orte erinnern darf, bleibt Teil der Erinnerungspolitik. […] Karmakar hingegen bleibt Beobater im Status des Neutralen. Genealogis weder von der Täter-, no der Opferseite aziert, registriert er staunend, dass sein Interesse an den Orten der Vernitung beständig Nafragen na seiner do vermutli israelisen Herkun hervorru. Sein Anspru, das ‚Land der Vernitung‘ neu zu erkunden, mutet vielleit gerade deshalb provokant an: außerhalb weselseitiger Betroenheiten eine Perspektive zu erproben, die zudem ästhetis auf die Dekomposition vorgängiger Muster setzt.“ (ebd.,
f.) Gerade weil er in dieser Position des Beobaters verbleibt, kann er die Vielstimmigkeit der Gedätnisse registrieren und die vielfa mit Bedeutungen überlagerten Gedätnisorte aus anderer Perspektive zeigen. Dabei werden die Begegnungen mit den Mensen, die an den gesitsträtigen Orten leben, und die Sue na den unsitbaren Spuren des Vergangenen immer wieder von den entkörperliten Stimmen der Täter unterbroen. Damit sa der Film keinen homogenen Gedätnisraum, sondern bleibt eine oene Spurensue in der europäisen Gesite und Gegenwart.
Gegenläuge Gedätnisse In Am Ende kommen Touristen geht es hingegen nit um das, was allgemein mit dem Begri Holocaust umsrieben wird. Weder visualisiert der Film – obwohl er am historisen Ort der Verbreen, in Auswitz, spielt – im Sinne historiser Rekonstruktion die Situation in den Konzentrations- und Ver-
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nitungslagern, no zeigt er dezidiert die spezis jüdise Perspektive auf diese Ges ite, die Verfolgung, das Leiden und die Ermordung jener, die von den Nationalsozialisten als ‚Gegenrasse‘ imaginiert und deren vollständige Vernitung das vorderste Ziel der nationalsozialistisen Politik gewesen war. Krzeminski, der Überlebende des Lagers Auswitz im Film, ist kein Jude, au wenn vielleit einige Zusauer ihn als solen gesehen haben mögen. Seine Gesite ist vielmehr dem Sisal jener polnisen Hälinge naempfunden, die den Befehl bekamen, nahe des polnisen Ortes O|wi}cim das Lager auf- und später zu einem Vernitungslager auszubauen, in dem dann ab vor allem Juden, die die Nazis unter immensem logistisem Aufwand aus ganz Europa in das Lager transportierten, fabrikmäßig ermordet wurden. Auswitz ist heute zu einem Kristallisationspunkt für die Gesite der Shoah, für die Ges ite des Zweiten Weltkriegs überhaupt geworden, zu einem universellen Gedätnisort, symbolis aufgeladen und mit einer besonderen emotionalen Dimension, die si aber nit nur in einem nationalen Rahmen erfassen und besreiben lässt: Im kollektiven Gedätnis hat Auswitz im Laufe der letzten Jahrzehnte einen immer zentraleren Platz eingenommen. Ein Prozess der Universalisierung hat si vollzogen, in Folge dessen Auswitz zur Signatur des . Jahrhunderts erhoben wurde. Ihm wurde der Rang eines absolut Bösen zuerkannt, und es hat si als negatives Gedätniszeien in das kollektive Gedätnis und Bewusstsein na haltig eingegraben. Aber dieser Prozess der Universalisierung ging mit einem Prozess der Dierenzierung und der spezisen Aneignung einher, der dazu geführt hat, dass jedes Land und jede Kultur eine andere Wahrnehmung von Auswitz hat und es mit anderen Assoziationen verbindet. Auswitz ist nit nur ein europäiser, ja ein universeller Erinnerungsort, sondern au gleizeitig ein jüdiser, ein polniser, ein ungariser, ein deutser, ein französiser, ein italieniser, ein niederländiser, ein amerikaniser Erinnerungsort – mit einer jeweils anders strukturierten Bedeutung. (François , )
Die Gesite verbindet und sie trennt. Das lässt si am transnationalen Gedätnisort Auswitz besonders gut beobaten, etwa anhand der Debaen um das Aufstellen von Kreuzen im Gedenken an polnise Katholiken, in den Diskussionen über das Tragen israeliser Fahnen, am Beispiel der verweigerten Drehgenehmigung für den amerikanisen Film Sindler’s List (Sindlers Liste, USA , Steven Spielberg) oder in den Irritationen über junge deutse Besuer im Jahr , die das Gelände in Trikots der deutsen Fußballnationalmannsa besuten.
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Besonders deutse, polnise und jüdise Perspektiven stoßen hier aufeinander. Für das polnise Gedätnis ist die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg, der mit dem deutsen Überfall auf Polen begann, konstitutiv. Rund , Millionen polnise Staatsbürger verloren ihr Leben, davon Millionen Juden. Ungeheure kulturelle und materielle Verluste, die Versiebung der Staatsgrenzen und der Verlust der Souveränität waren zu beklagen, genauso wie physise und psyise Spätfolgen der Besatzungszeit innerhalb der Bevölkerung und die fast vollständige Ermordung der polnisen Intelligenz (vgl. Dmitrów , ). Dies äußerte si na dem Krieg im polnis-deutsen Verhältnis besonders „in antideutsen Phobien und Stereotypen“, die duraus au eine „Reaktion auf die Politik der Bundesrepublik Deutsland und die Einstellung der westdeutsen Gesellsa waren“, die si lange weigerte, die neue polnise Westgrenze anzuerkennen (vgl. ebd., ). Do dann war in den er Jahren, no bevor diese Anerkennung von Willy Brandt zunäst symbolis, später au politis vollzogen wurde, gerade Auswitz der Ort, an dem die Verständigung zwisen Polen und Deutsen über ihre geteilte Gesite begann. Im deutsen Gedätnis nahmen zunäst weder der Vernitungskrieg no die Ermordung der Juden einen zentralen Platz ein. Konserviert blieben jedo die Erinnerungen an den ‚deutsen Osten‘, die heute, wie Dan Diner bemerkt, zwar nit mehr „zu Grenzrevisionen Anlaß geben. Zu einer Revision der Gedätnisgrenzen in den jeweiligen Beziehungsgesiten der an jenen Vorgängen beteiligten Kollektive werden sie [aber] allemal beitragen.“ (Diner , ) Au das polnise und das jüdise Gedätnis vom Zweiten Weltkrieg ist ein gegenläuges. Vor dem Krieg war Polen ein Land, in dem untersiedliste ethnise Gruppen zusammenlebten, es war au ein bedeutsamer Ort jüdisen Lebens. Na dem Krieg wurde Polen ein jüdiser Friedhof: Die ethnisen Gedätnisse der Polen und der Juden haben in der Vergangenheit son immer untersiedlie Pfade eingeslagen. Für ethnise Polen war der Zweite Weltkrieg der Krieg, in dem Millionen nit-jüdiser Polen von den Nazis ermordet und weitere Millionen Polen von den Sowjets versleppt und ermordet wurden. Der Warsauer Aufstand war nit der Aufstand des jüdisen Gheos von , sondern den Aufstand von , bei dem hunderausende Polen ihren Tod fanden. Polen und Juden haen trotz gemeinsamer polniser Staatsbürgersa jeweils einen anderen Krieg erlebt. (Sznaider , )
Die Ortsnamen der Vernitung Majdanek, Bezec und Treblinka sind polnise Namen und na Ende des Krieges wurden aus den Lagern heimkehrende polnise Juden wieder Opfer antisemitiser Gewalt, wie zum Beispiel in
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Kielce, dieses Mal ausgeübt von Polen. Erst Jahre später, am . Juli , als Polens Präsident Aleksander Kwasniewski in Jedwabne, wo am . Juli Juden von ihren polnisen Nabarn getötet worden waren, der Ermordeten gedate, fanden diese Gedätnisse zusammen. Robert Thalheim löst si in Am Ende kommen Touristen zunäst von diesen gegenläugen Gedätnissen, von den Traumata, die die Orte der Vernitung no immer umgeben und von den gegenläugen Positionen, wie mit ihrem Erbe umgegangen werden soll. Sein Film handelt nit von Auswitz, sondern von O|wi}cim, jener polnisen Stadt, neben der die Lager Auswitz, Auswitz-Birkenau und Monowitz erritet worden waren. Thalheim ist es witig, den gegenwärtigen Ortsnamen zu nennen. Er war selbst Anfang der er Jahre na seinem Abitur als Zivildienstleistender na O|wi}cim gekommen, um in der Jugendbegegnungsstäe zu arbeiten. Darum wollte er au nit von der Vergangenheit, sondern von der Gegenwart beriten und „eine alltäglie Gesite an diesem Ort“ erzählen (Ljubic ). Anke Westphal besreibt dieses Vorhaben: „Robert Thalheims neuer Spiellm Am Ende kommen Touristen erzählt von der ungeheuren Swierigkeit, an so einem Ort zu bestehen – der Regisseur versweigt nit, dass dies die Alten, Überlebenden ebenso betri wie die Jungen, Nageborenen.“ (Westphal ) Nit nur der deutse Zivildienstleistende Sven hat Swierigkeiten, einen Zugang zu diesem Ort zu nden, dessen Gesite irgendwie nits mit ihm zu tun zu haben seint, au wenn er Deutser ist. Er sieht O|wi}cim als einen Ort, der ihm fremd ist, zumindest viel fremder als das niederländise Amsterdam, wo er eigentli seinen Zivildienst ableisten wollte. Au Ania, die in O|wi}cim geboren ist, kann hier nit bestehen. Sie sprit ießend Deuts und führt deutse Gruppen über das Lagergelände. Sie ist aufgewasen mit diesem Ort, do sie möte dort weg. Weg von ihrem Bruder, für den sie si verantwortli fühlt und der gerade seine Anstellung in dem von einer deutsen Firma übernommenen lokalen Chemiewerk verloren hat, und weg aus der Stadt, deren Name weltweit dur ihre s re lie Vergangenheit bekannt ist. Am Ende des Films geht sie na Brüssel. Europa ist ganz konkret ihr Flutpunkt. Und sließli der alte Herr Krzeminski: seit Jahren beritet er Jugendlien über seine Erfahrungen im Lager. Er war als junger Mann von den Deutsen verhaet worden, hat das Lager wohl seit seinen Anfängen miterlebt, hat hunderausende von Mensen gesehen, die zumeist unmielbar na ihrer Ankun in den Gaskammern ermordet wurden. Krzeminski kann das Lager nit verlassen. Es gibt für ihn keinen anderen Ort, als dort, in einem Haus direkt neben dem Gelände. Er hat das Museum mit aufgebaut, hat si um die Reparatur der Koer gekümmert, in denen die ankommenden Juden
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aus allen Ländern Europas ihre witigsten Habseligkeiten mitbraten, die ihnen dann genommen und später ‚ins Rei‘ transportiert wurden, um damit no etwas länger die reibungslose Vernitungsmasinerie zu nanzieren. Nun ist Stanisaw Krzeminski alt. Er fühlt si überüssig. Die Mitarbeiter des Arivs sagen, er mae die Koer kapu, an seinen Erinnerungen vom Lager hat kaum jemand Interesse, nur als ‚Zeitzeuge‘, als Demonstrationsobjekt, wird er no gebraut. Und au mit dem jungen Deutsen, der ihn nun betreuen soll, kann er zunäst wenig anfangen. Thalheim beritet: Früher waren die Zeitzeugen das Zentrum der Begegnung mit diesem Ort. Heute sind die wenigen, die no leben, sehr alt. Vor fünf Jahren stellte die moderne Museumsleitung, die ein wirkli gutes pädagogises Konzept hat, die Frage, ob ein ehemaliger Gefangener ohne pädagogise oder historise Ausbildung überhaupt Gruppen dur das Lager führen sollte. Das ist tragis: Die eigentlien Zeugen geraten ins Abseits und sind nit mehr die besten Vermiler ihrer eigenen Gesite. (zit. n. Swiert )
In seinem Film zeigt Thalheim beides. Er verdeutlit wie Krzeminski im modernen Gedenkbetrieb überüssig wird, und er vermielt die swierige Annäherung zwisen dem jungen Deutsen und dem polnisen Überlebenden; eine Annäherung, die mit den Grenzen nationaler und individueller Erfahrung umgehen und die Spannung zwisen den versiedenen Generationen aushalten muss. „I wollte einen Deutsen an dem Ort zeigen. Und helfe mir selbst ein wenig mit Svens Bli auf Krzeminski, weil i au nit ganz in diesen Mann hineinsauen kann“, so Thalheim (zit. n. ebd.).
Abwesenheiten und Unterbreungen Die Begegnungen, zwisen Sven und Ania und zwisen Sven und Krzeminski, strukturieren den Film. Do eigentli erzählt Thalheim dabei gar keine Gesite. Vielmehr erzählt er Episoden, die zwisen Stadt und Lager, zwisen Alltag und Erinnerung hin und her pendeln. Der Film erönet ganz unvermielt mit Svens Ankun in O|wi}cim und eigentli ist Svens Gesite au no nit zu Ende, wenn die Kamera sließli abblendet und der Abspann beginnt. So löst si Thalheim son von der Erzählstruktur seines Films her von den narrativen Sließungen der lmisen Gesitsktionen und bevorzugt stadessen eine oene Form, die dem episodisen Erzählen europäiser Autorenlmer, in Ost wie West, ähnelt. Daher ist es wohl au kein Zufall, dass Thalheim als ein Vorbild neben polnisen Regisseuren wie
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Roman Polanski, Krzysztof Kieslowski und Andrzej Wajda au den Franzosen Alain Resnais angibt. Do er bezieht si dabei nit, was vielleit thematis nahe liegen würde, auf Resnais’ Dokumentaressay über Auswitz Nuit et Brouillard (Nat und Nebel, F ), sondern auf seinen späteren Film Hiroshima mon amour (F/J ). Tatsäli lassen si Parallelen erkennen (vgl. Gansera ). Resnais erzählt ein historises Trauma im Rahmen einer Liebesgesite, so wie au Sven und Ania si über die gegenläugen Gedätnisse hinweg einander annähern, ohne am Ende des Films tatsäli zusammen kommen zu können. Au Resnais wählt dafür eine episodise Form und er zeigt Grenzübersreitungen, indem er die Begegnung eines japanisen Mannes und einer französisen Frau ins Zentrum der Handlung rüt. Der Filmwissensaler Peter Wuss hat gerade im Hinbli auf die episodisen Erzählformen ost- wie westeuropäiser Autorenlmer ein Analysemodell entwielt, das na der Generierung von Bedeutung jenseits der manifesten und sitbaren Erzählung fragt. Neben solen konzeptuell geleiteten Strukturen, die kausal verknüpe Handlungskeen begründen, interessiert si Wuss dabei für Elemente der Filmerzählung, die der Zusauer nit bewusst erlebt, sondern „die bei der Rezeption im Berei des Vorbewußten verbleiben oder auf Grund von Gewöhnung eher beiläug und wieder nahezu unbewußt wahrgenommen werden.“ (Wuss , ) Zum Verständnis dafür, wie si Am Ende kommen Touristen im Hinbli auf das europäise Gedätnis positioniert, ist Wuss’ Konzept von enormer Bedeutung, denn neben und hinter jenen Alltagsbegegnungen werden erst dur sole vorbewusst oder beiläug wahrgenommenen Motivkeen sowohl die emotional wirksame Struktur der Brüe und Unterbreungen, die den Film durzieht, als au die nit manifest thematisierte Gesite der Shoah als spezis jüdisen Perspektive auf die Orte Auswitz/O|wi}cim erkennbar.3 Neben den konzeptgeleiteten Strukturen unterseidet Wuss perzeptionsund stereotypengeleitete Strukturen, die die Filmwahrnehmung strukturieren. Perzeptionsgeleitete Strukturen nden si vor allem in Filmen mit oenen Erzählformen (vgl. ebd., ) und basieren auf „mehrfaer intratextuelle[r] Wiederholung ähnlier Reizkongurationen.“ (ebd., ) Innerhalb der Filmhandlung entsteht also eine „Reihe von Topiks, von verditeten Sinnbeziehungen, die au narrativ wirksam sind.“ (ebd., , Herv. i. O.) Diese Topiks werden
3 Peter Wuss hat sein Analysemodell detailliert in seiner Untersuung Filmanalyse und Psyologie (Wuss ) dargelegt. Im Folgenden beziehe i mi jedo hauptsäli auf die komprimierte Darstellung seines Ansatzes in dem Aufsatz „Der Rote Faden der Filmgesiten“, der in der Zeitsri montage/av veröentlit wurde (Wuss ).
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zunäst nit bewusst wahrgenommen, do dur die mehrfae Wiederholung ähnlier Merkmale sukzessive wirksam und bewusster. In Am Ende kommen Touristen bilden Unterbreungen eine sole Reihe von Topiks, die wiederholt sowohl auf der formalen Ebene als au in den Verhaltensweisen der Figuren au reten. Dazu trägt eine elliptise Montage bei, in der Szenen kurz vor ihrem erwarteten Ende abgebroen werden und so harte und unvermielte Übergänge entstehen. Teilweise werden au kurze Teile aus längeren Einstellungen herausgesnien, um diese Ästhetik von Unterbreungen zu betonen. Auf der Handlungsebene treten zu diesen formalen Brüen weitere Unterbreungen hinzu. Dazu zählt beispielsweise die Weigerung der Arivmitarbeiter, Krzeminski neue Koer zur Reparatur zur Verfügung zu stellen. Die Werksta, in der wir den alten Mann zuvor mit den Koern gesehen haben, ist nun leer. Am Witigsten aber ist in diesem Zusammenhang die Szene, die eine Gedenkveranstaltung in dem Ort Monowitz zeigt, an dem deutse Auszubildende des lokalen Chemiewerkes ein Mahnmal erritet haben. Diese Gedenkveranstaltung ist in mehrfaer Hinsit in ihrer Struktur von Unterbreungen durzogen und verbindet diese explizit mit der Gedenkkultur. Es kann davon ausgegangen werden, dass die bisher ledigli hintergründig wahrgenommene Motivkee, die kaum merkbare Verunsierungen, Störungen und Irritationen bei den Zusauern verursat hat, in dieser Szene stärker ins Aufmerksamkeitsfeld der Betrater gerät. Die Szene beginnt bereits mit einer Irritation, die jedo zunäst ein Moment von Stabilität und Harmonie sa. Wir benden uns im Auto auf der Fahrt zur Gedenkfeier, ein Motiv, das den Film strukturiert. Do bisher haben wir immer Krzeminski allein auf der Rübank gesehen, während aus dem Radio Lieder aus Suberts Swanengesang zu hören sind.4 Nun aber sehen wir 4 Krzeminski fordert Sven wiederholt auf, diese Lieder zu spielen. Dadur entsteht eine widersprülie Atmosphäre, die die Konikte des Films mehrfa spiegelt. Einerseits bilden die musikalis untermalten Fahrten dur die polnise Landsa meditative Ruhepole, die zu der elliptisen Montage ein Gegengewit bilden. Andererseits wirken die deutsspraigen Lieder verstörend und deplaziert, vor allem weil der Überlebende, der im Lager unter den Deutsen zu leiden hae, darauf insistiert, sie hören zu wollen. Gerd Bayer hat außerdem auf die impliziten Bedeutungen der Liedauswahl hingewiesen. Zu hören ist das Lied „Abs ied“ aus dem Zyklus mit einer vieldeutigen Textzeile: „Jetzt nimm do den letzten, den seidenden Gruß. / Du hast mi wohl niemals so traurig gesehen“, die im Verlauf des Films in ein Weselverhältnis mit Krzeminskis Erfahrungen an der Rampe von Auswitz tri, wo er die Gepä stüe der Deportierten in Empfang nahm. Bayer weist glei zeitig darauf hin, dass der Text von „Abs ied“ von dem Lyriker Ludwig Rellstab stammt, der für seine antisemitisen Angrie auf die Opern von Giacomo Meyerbeer bekannt ist (vgl. Bayer , ). Ferner verbindet si die Textzeile „du muntre, du fröhlie Stadt“ au mit dem Ort O|wi}cim: „The song thus directly talks about the question of how
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nit nur Krzeminski, sondern au Ania. Beide sitzen läelnd auf der Rübank. Das Bild verdeutlit die erfolgreie Annäherung der versiedenen Perspektiven, im zunehmenden Verständnis von Sven für den mitunter unfreundlien Krzeminski und in der beginnenden Liebesbeziehung zwisen Sven und Ania, deren letztendlies Seitern die Ästhetik der Unterbreungen in der folgenden Sequenz aber bereits motivis andeutet, beispielsweise dur das unvermielte Einsetzen von Regen, der als Störungsmotiv die TopikReihe komple iert, und das abrupte Ende der Musik, wenn die Autotüren aufgehen. Die Gedenkoskeln, die im Fortgang der Szene bei der Begrüßung und Vorstellung ausgetaust werden, werden dur die elliptise Montage unterstrien. Sie verstärkt zusammen mit der sprunghaen und handgeführten Kamera au den Eindru von Hektik und von unerfreulier Piterfüllung, die diesem Akt des Erinnerns zugrunde liegt, weler hauptsäli an einer öentlien Geste und nit an einer Auseinandersetzung mit den Erinnerungen an Auswitz und Monowitz interessiert ist. Als Krzeminski zu spreen beginnt, bleibt die Kamera zum ersten Mal seit der Ankun in Monowitz ruhig. Während sie vorher aus der Hand geführt wurde, nimmt sie nun beobatend aus statiser Position an Krzeminskis Erzählung teil. Dieser beritet über die Selektionen und die Entseidung der -Ärzte über Leben und Tod. Dann ist Ania zu sehen, die für die polnisen Honoratioren Krzeminskis Berit übersetzt. Zu hören sind das Eo der polnisen Übersetzung und das Plätsern des Regens; Töne und Stimmen, die Krzeminskis Berit stören und dem Zusauer Aufmerksamkeit und Bereitsa zum Zuhören abverlangen. Die Kamera strei die Zuhörer. Krzeminski beritet vom gelangweilten Bli der Ärzte, den er o bei den Selektionen beobaten konnte. Darauin fokussiert die Kamera die neben Krzeminski stehende deutse Werksvertreterin. Au ihr Bli wirkt gelangweilt, unbeteiligt, unberührt von den Erinnerungen des polnisen Überlebenden. Ein Windstoß unterbrit den Fluss von Krzeminskis Rede. Do er fährt fort: „Es war ihnen [den -Ärzten, T.E.] unangenehm uns überhaupt anzusauen.“ Nun tri die Werksvertreterin auf Krzeminski zu und versut seine Rede zu unterbreen. Au ihr seint es unangenehm zu sein, dem Zeugnis beizuwohnen. Do Krzeminski versut si durzusetzen: „Wir wurden nur bewertet na unserer Verwertbarkeit.“ Dana unterbrit ihn die Werksvertreterin endgültig. Au in diesem Gedenkritual wird Krzeminski na seiner Verwertbarkeit beurteilt. Nit seine Erinnerungen, sondern seine Funktion als Zeitzeuge sind von Interesse. Dieses Gedenken ist kein Dialog, sondern eine O|wi}cim can ever be anything like a ‚normal‘ town, and by implication of how the memory connected to it can nd its place in the everyday life of its citizens and visitors.“ (ebd., )
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Demonstration, kein Verstehenwollen, sondern ein Gedenken im Dienste von wirtsalien und politisen Interessen. Krzeminski wird abgesoben. Er swankt und au die Kamera swankt mit ihm, als sie ihn in den Bli nimmt. Mehr Interesse als Krzeminskis Erinnerungen bringen die Politiker und Wirtsasvertreter dem Gruppenfoto, der bleibenden Manifestation der Erinnerungsgeste, entgegen. Krzeminski wird hin und her dirigiert und wieder kommt es zu einer Unterbreung. Er reißt si los, stellt si abseits, das Foto wird ohne den Zeugen gemat. „I hae den Eindru, dass sein Vortrag an Wirkung verloren hat“, bemerkt die Werksvertreterin später gegenüber Sven. „Was soll er denn für eine Wirkung haben“, fragt dieser. „Es geht do darum, dass er ein bissen erzählt.“ Das öentlie Gedenken, der Versu, eine harmonise, glae und widersprusfreie europäise Vergangenheit zu konstruieren, braut Wirkung, Gesten, Manifestationen. Erzählung, Subjektivität, Versöhnungsverweigerung und Brüe stören dabei. Dur Thalheims Ästhetik der Unterbreungen wird diese ozielle Gedenkkultur, die auf Ritualen und Manifestationen beruht, kritisiert. Denn diese Form des transnationalen Gedenkens, wie sie in dem Film prototypis dargestellt wird, ndet nit zu einer Form der gegenseitigen Anerkennung, die auf dem Prinzip des Zuhörens, Verstehenwollens und der Akzeptanz versiedener Perspektiven beruht. Dieses Prinzip des Verstehens demonstriert Am Ende kommen Touristen stadessen am Beispiel von Sven. Zu Beginn des Films ist Auswitz für Sven ein fremder Ort. Die bekannten Erinnerungszeien, das Lagertor und der Staeldrahtzaun sind zu Ikonen geworden. Sie demonstrieren, aber sie erzählen nit. Sven ndet keinen Zugang zu dem Ort und seiner Gesite, au weil er si bisher nit dafür interessiert hat. Darum kann er au keinen Zugang zu dem unfreundlien alten Krzeminski nden und Verständnis für dessen abwertende Kommentare über die Deutsen entwieln. Thalheim stellt die Gedenkstäe als etwas dar, was den Zugang zur Gesite des Ortes eher verstellt, weil sie die Bilder und Eindrüe liefert, die die Besuer und au die Zusauer seines Films bereits kennen. Daher ging es ihm darum „Bilder zu nden, die er selbst in Auswitz hae und die nit versuen, die Gesite zurüzuholen, wie es so o in Fernsehdokumentationen gesieht.“ (Ljubic ) Dazu verfremdet er den Bli auf die bekannten ikonisen Motive. Zu Beginn fahren wir mit Sven im Taxi auf das Lagertor zu. Do kurz davor biegen wir ab und nähern uns dem Gedenkort von hinten. Der Parkplatz der Gedenkstäe wird zum Ort der ersten Begegnung. Später sehen wir Sven und Ania auf ihren Rädern am Lagerzaun vorbeifahren. Do dieser zieht mit den Watürmen und dem Staeldraht wie beiläug am Bildrand vorbei. Er ist zwar präsent, wird aber nit ins Zentrum gerüt.
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So zitiert Thalheim „die Sobilder nur von ferne. Und er widersetzt si der eekthaserisen Nainszenierung von NS-Gesite, wie sie in Kino und Fernsehen derzeit so lustvoll betrieben wird.“ (Finger ) Svens Bli und seine Perspektive verändern si sließli an einem anderen Ort. Es ist ein Ort, an dem es nits zu sehen gibt. Gerade darum bringt er Sven die Bedeutung und die Dimension der Verbreen zu Bewusstsein. Als er mit Ania das erste Mal Monowitz besut, wo die Nazis ein berütigtes Sklavenarbeitslager für das deutse Chemieunternehmen I.G. Farben erriteten, beginnt Sven zu verstehen. Dies passiert an einem Ort, in dem heute nur kleine Reihenhäuser zu sehen sind, grüne Wiesen und blühende Gärten, in dem also gerade die Abwesenheit von Spuren den Charakter der Verbreen verdeutlit, über deren Ausmaß ihm Ania bei ihrer Fahrradtour dur den Ort beritet. Er unterbrit die Fahrt, steigt ab, sut na Zeien und Spuren, die es hier nit gibt: Hier wird ein Mens nit allein im politisen Sinn mündig. Es gibt in diesem Film keine einzige Rüblende – es geht ja um den heutigen Ort des Erinnerns, um die Gegenwart und deren Umgang mit der Vergangenheit. Mündig, so sagt dieser Film, wird man dur Erfahrungen und eigene Entseidungen. (Westphal )
So sind es hier gerade die abwesenden Zeien, die zur Erinnerung nötigen, der fremd gestellte Bli auf die ikonisen Bilder, die eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ermöglien und die Brüe und Unterbreungen, die gegenläuge Gedätnisse erst wahrnehmbar maen.
Unterbroene Wege Diesen Gedanken möte i in einem erneuten Rügri auf Wuss’ Analysemodell der Filmwahrnehmung unterstreien und dabei der Frage nagehen, welen Platz in Am Ende kommen Touristen die jüdise Erinnerung an die Shoah hat. Denn Juden kommen in diesem Film nit vor. Er sei, so Thalheim, au selbst mitunter unsier gewesen, ob man einen Film über Auswitz maen könne, in dem die jüdisen Opfer nit erwähnt werden (vgl. Smitz ). Legen wir dem Film aber die bisher analysierte Struktur der Abwesenheiten und Unterbreungen zugrunde, dann bekommt die Erinnerung an die jüdise Katastrophe gerade in ihrer Abwesenheit einen zentralen Platz. Au wenn sie si nit in der Handlung manifest darstellt, die si auf die Begegnungen zwisen Deutsen und Polen untersiedlier Generationen
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konzentriert, wird diese jüdise Perspektive do wirksam und versränkt si sließli mit der transnationalen Figuration des Films. Dabei kann erneut die Analyse verborgener und nur beiläug wahrgenommener Strukturen in der Textur des Films helfen. Thalheim hat selbst einen Hinweis darauf gegeben, welen Platz die jüdise Erinnerung in seinem Film einnimmt. Bei der Vorführung von Am Ende kommen Touristen in Israel erklärte er, in seinem Film „kämen Juden als Chiren vor, über ihre Koer, die sie bei der Ankun haben abgeben müssen und die von einer der Hauptguren [dem polnisen Überlebenden Krzeminski, T.E.] repariert werden.“ (ebd.) Tatsä li sind diese Koer im Film ein zentrales Motiv, und Juden kommen dabei nit nur als Andeutung, als Chiren, vor, sondern die Koer verweisen auf konkrete Mensen, mit konkreten Erfahrungen und Gesiten, die der Film zwar nit erzählt, die aber dur die auf die Koer gesriebenen Namen der Deportierten visuell duraus präsent sind und die si so au in den dur Unterbreungen, Auslassungen und Gegenläugkeiten strukturierten Erinnerungsdiskurs des Films einsreiben (vgl. Bayer , ). Die Koer der Deportierten sind dur vielfältige Wiederholungen zu Metonymien der Vernitung geworden. Als sole werden sie au in Auswitz ausgestellt und von Sven in einer Szene betratet: als Berge von letzten Spuren ermordeter Mensen, deren Lebenswege gewalätig und für immer unterbroen wurden. Als sole Metonymien der Vernitung könnte man das Koermotiv au als lmises Stereotyp besreiben, das in zahlreien Dokumentationen und Spiellmen über die Shoah auaut und diese symbolise Bedeutung kommuniziert. Na Wuss ist im lmisen Stereotyp die „Formgestalt längst zeienha geworden.“ (Wuss , ) Mit seiner Hilfe können komplexe Erzähleinheiten oder kulturelle wie gesitlie Zusammenhänge komprimiert werden. „Der Zusauer hat gleisam Erwartungen, wenn er sol einem Formengut aus zweiter Hand wiederbegegnet.“ (ebd., ) Diese Erwartungen und Bedeutungen bleiben aber zumeist vorbewusst, weil die stereotypen Motive eher beiläug aufgenommen werden. Im Gegensatz zu den Topik-Reihen in den perzeptionsgeleiteten Strukturen folgen sole stereotypengeleiteten Strukturen nit der intratextuellen Wiederholung innerhalb eines Films, sondern stellen intertextuelle Beziehungen zu anderen Filmen her. In Am Ende kommen Touristen beziehen si diese intertextuellen Verweise auf jene Filme, die die Deportation und Ermordung der Juden in den Vernitungslagern zeigen. Auf dieses Zeigen kann Thalheim in seinem Film also verziten, denn die Zusauer aktivieren selbst diese Erinnerungen an vorgängige Darstellungen in Spiellmen wie Sindler’s List oder in entspreenden Dokumentar lmen über Auswitz. Nun stellen die Koer in Am
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Ende kommen Touristen aber nit nur einen intertextuellen Verweis dar, sondern begründen au eine intratextuelle Reihe. Sie fungieren also zusätzli als eine Topik-Reihe. Zunäst begegnet Sven den Koern in der Ausstellung der Gedenkstäe, dann tauen sie in einer Szene wieder auf, in der deutse Jugendlie ihre witigsten Eindrüe vom Besu der Gedenkstäe auf Karten sreiben sollen. Sließli begründen die Koer die Beziehung zwisen Sven und Krzeminski, weil sie für Krzeminski zum Lebenszwe geworden sind und Sven ihm die Koer aus der Konservierungsabteilung besa, au no, als die dortigen Mitarbeiter si weigern, Krzeminski weitere Koer zur Verfügung zu stellen. Seine Methoden häen ausgedient, so die professionellen Restaurateure. Sie übersehen dabei, was diese Koer für Krzeminski bedeuten und was dieser Sven und dem Zusauer erst ganz am Ende des Films preisgibt: Krzeminski erfüllt mit dem Reparieren der Koer eine Verpitung gegenüber den Toten, gegenüber den ermordeten Juden, von denen er das Gepä an der Rampe entgegen nahm, und von denen heute nur no die verblassenden Namen auf den zerbrelien Gepästüen zeugen. Krzeminski versut so au seine eigene brüige „Biograe zu reparieren und der Tatsae, dass er der Vernitung entronnen ist, Sinn zu verleihen.“ (Finger ) Gerade in diesem Akt versränkt er sein Überleben mit der Erinnerung an die ermordeten Juden und gibt somit diesen einen Platz in der Gegenwart, indem er stellvertretend für sie zeugt. Do die Koer mit den jüdisen Namen sind nit die einzigen in diesem Film. Glei zu Beginn, bei der Ankun in O|wi}cim, müht si Sven damit ab, seinen eigenen Koer aus dem Zug zu hieven. Au dieses Bild könnten wir im Sinne eines lmisen Stereotyps deuten. Der Koer wird zum Symbol des Reisens und ru damit das transnationale Bedeutungsfeld des Films auf. Au dieses Motiv wird im Fortgang der Filmhandlung mehrfa wiederholt. In der nästen Szene hat ein polniser Taxifahrer Swierigkeiten das swere Gepästü in den Koerraum zu heben. Sven muss den Koer beim Umzug aus seiner Unterkun bei Krzeminski in der Gedenkstäe in Anias Wohnung in der Stadt erneut mitsleppen. Als er am Ende deren Wohnung und damit au die Perspektive einer Beziehung mit ihr verlässt, steht der Koer trennend zwisen beiden und sließli rollt Sven das Gepä wieder zum Bahnhof. Dort sitzt er wartend auf seinem Koer und nimmt ihn sließli wieder mit, als er si entsließt, mit einem deutsen Lehrer und dessen Sülern wieder in die Gedenkstäe zurüzukehren. Im Bus erzählt ihm der Lehrer von „Zivilisation“, „Kultur“, dem Umgang mit diesem „dunklen Kapitel unserer Gesite“ und „masineller Tötung“, von Verantwortung und Bewunderung für Svens Engagement. Er folgt damit dem formelhaen Diskurs der Gedätnispolitik, mit der die Vergangenheit verstellt wird. Dies bildet den Kontrast zu Svens neuer, konkreter Begegnung mit dem Ort und den hier
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lebenden und den hier ermordeten Mensen. Von diesem Ende her gesehen verbinden si die beiden an das Koermotiv geknüpen Topik-Reihen: die in Krzeminskis Koern auewahrte und ausgedrüte verlorene Erinnerung an die ermordeten Juden und die transnationalen Bewegungen und Begegnungen, die Svens Koer verdeutlit. Dieser erhält dur diese Verbindung no eine weitere Bedeutungssit: er symbolisiert das Gepä der eigenen und geteilten Vergangenheit, das jeder von uns trägt und das eine fortdauernde Auseinandersetzung herausfordert.
Gedätnisorte und Erinnerungsgrenzen Auf der Fahrt dur Monowitz, als si Svens Bli auf die Gesite zu ändern beginnt, als ihm gerade dort, wo es nits zu sehen gibt, die Bedeutung der Vergangenheit bewusst wird, stößt er auf eine Stelle, die von einem rotweißen Plastikband gekennzei net wird. Hier, so der deutse Zivildienstleistende, werde wohl bald das Mahnmal stehen, das die deutsen Auszubildenden des nahen Chemiewerks erriten. Au Romuald Karmakar stößt auf ein soles rotweißes Plastikband. Es markiert auf der Baustelle der heutigen Gedenkstäe in Bezec den Ort der Massengräber, an dem nit gegraben werden soll. Das Band verdeutlit die Grenze zwisen der nit sitbaren und do präsenten Vergangenheit und unserer Gegenwart (vgl. Ebbret , f.). Es zeigt eine Grenze, die mit bloßem Auge nit zu sehen ist. Dabei mat es gleizeitig deutli, wie die Gesite der Vernitung gleisam eingelassen ist in die europäise Gegenwart. Si mit dieser Gesite zu konfrontieren, sie zu sehen und zu verstehen, das zeigen sowohl Land der Vernitung als au Am Ende kommen Touristen. So untersiedli beide Filme au in ihrer Form und in ihrem Gegenstand sind, ähneln sie si do in der Unabgeslossenheit dieser Konfrontation. Sie folgen einer Ästhetik der Brüe und der Perspektiverweiterung mit dem Bewusstsein, dass nur ein smales Band die Vergangenheit von der Gegenwart trennt. So bleiben ihre lmisen Gedätnisräume Teil eines „unabsließbaren Prozess[es]“ (Frei , ), Baustellen der europäisen Gesite.
Begegnungen und Unterbreungen
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Die deuts-polnise Interzone Kino als transnationaler Apparat in der Europäisen Union Randall Halle
Im neuen Europa leisten Filme weit mehr als nur die Erzählung (nationaler) Ges iten. Sie entstehen milerweile fast immer im Kontext transnationaler Netzwerke von Fördergeldern, Institutionen, Filmwoen, Filmfestivals, staatlien, öentlien und privaten Institutionen. Filmemaer und Kulturpolitiker arbeiten so gemeinsam an einem erweiterten Konzept von Kino, das neue kulturelle Räume saen soll. Diese Tendenz kann man beispielsweise an der Filmförderung von Eurimages verfolgen. Eurimages wurde als Filmförderungsfonds des Europarats gegründet, der damit das besondere Potenzial von Filmen würdigte, eine gemeinsame Identität für das vereinte Europa zu stien. Der Fonds erhielt die Aufgabe, die Herausbildung einer europäisen kulturellen Identität dur internationale Koproduktionen im Berei des Films zu unterstützen. Im Gegensatz zur Gesamtorientierung der damaligen Europäisen Gemeinsa (EG), die no stark auf wirtsalie Kooperation und weniger auf politise Einheit konzentriert war, war die Arbeit von Eurimages relativ fortsrili, da in die Gremien der europäisen Filmförderung beispielsweise bereits Vertreter aus osteuropäisen Staaten aufgenommen wurden, bevor es zur Osterweiterung der Europäisen Union kam. Eurimages wus bis weiter an und umfasst milerweile Vertreter aus Mitgliedsstaaten, die von Irland bis na Russland und von Norwegen bis in die Türkei reien. Auf diese Weise blieb diese europäise Filmförderungsinstitution dem Gedanken einer Vernetzung der Kinokultur au über die aktuellen Grenzen der Europäisen Union hinaus treu. Obwohl es nit leit ist, auf Grundlage der vers iedenen kulturellen Hintergründe und Interessen der Mitgliedsstaaten eine gemeinsame Identität aufzubauen, war eine sole Integrationsarbeit na der jahrelangen Trennung dur den Kalten Krieg dringend notwendig. Der Fonds wurde dazu mit zwei Aurägen ausgestaet: einem kulturellen und einem wirtsalien. Erstens sollten lmisch Arbeiten gefördert werden, „which reect the multiple facets of a European society whose common roots are evidence of a single culture.“1 1
Vgl. (Stand: . . ).
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_11, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Zweitens sollte mit dem Fonds das ansprusvolle europäise Autorenkino unterstützt werden, damit si dieses besser gegen die internationale Konkurrenz dursetzen könne. Dadur wurde deutli, dass das Kino, obwohl es wirtsalien Interessen unterworfen ist, als Kunstform angesehen und verbreitet werden soll. Diese beiden Auräge sollen dur internationale Zusammenarbeit bei Koproduktionen erfüllt werden, wobei mindestens zwei Mitgliedsländer von Eurimages an der Arbeit beteiligt sein müssen. Die Folge dieser Förderungspolitik waren und sind Spiellme und Dokumentarlme, die nationale Grenzen übersreiten und damit gleizeitig ein größeres Publikum anspreen sollen. Zusätzli werden Finanzierungsmiel für den Filmvertrieb und die Vorführung bereitgestellt, um die europaweite Verbreitung der Filme zu gewährleisten. Diese Finanzierung sa zusätzli neue Verleihkanäle, damit die mit Hilfe von Eurimage hergestellten Filme grenzübersreitend in den Kinos gezeigt werden können.
Transnationale Experimente Frühe Beispiele von erfolgrei geförderten Koproduktionen mit deutser Beteiligung waren beispielsweise Europa (DK/S/F/D/CH , Lars von Trier), Homo Faber (F/D/G/UK , Volker Slöndor) oder House of the Spirits (Das Geisterhaus, P/DK/D/USA , Bille August). Alle diese Filme weisen eine komplexe und mehrsträngig erzählte Handlung auf, die meist vers iedene, außergewöhnlie Sauplätze und Orte miteinander verbindet. Sie befassen si mit politisen, wirtsalien und kulturellen Umwälzungen in Aufbruszeiten, kommentieren diese kritis und vermieln entspreende universelle Werte. Von der herkömmlien, national orientierten Filmarbeit der versiedenen neuen Wellen aus den er und er Jahren sind diese Filme jedo relativ weit entfernt. Maner Filmsaender fragte si daher, ob es in Deutsland beziehungsweise in anderen europäisen Ländern überhaupt no eine nationale Filmpolitik gibt, die genuin eigene kulturelle Interessen verfolgt (vgl. Hopf ; Halle ). Nit zuletzt deshalb wurden die im europäisen Kontext hergestellten Filme o absätzig als ‚Euro-pudding‘ bezeinet, da ihnen, so die Kritik, das national oder kulturell Spezise einzelner Länder beziehungsweise konkrete lokale Bezüge fehlen würden. Denno handelte es si, gemessen an der Zusauerzahlen, um erfolgreie Produktionen. House of the Spirits sahen in Deuts land mehr als Millionen Zusauer in einer Zeit, in der deutse Filme im Durs ni ledigli eine Marktbeteili-
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gung unter % erreiten. House of the Spirits bewährte si damit au gegen viele Hollywoodlme und landete auf Platz at in der Zusauerstatistik.2 Die Filme können also als Beispiele für ein transnationales Experiment in seiner Anfangsphase betratet werden. Ihre Darstellungsformen veränderten si dabei ständig. So ritete si das Experiment unabhängig von Erfolg oder Misserfolg der Produktionen immer wieder neu aus. Ende der er Jahre wurden beispielsweise die ‚Euro-puddings‘ zunehmend von nationalen Filmen mit lokalen Bezügen abgelöst, die nun als adäquater Ausdru transnationaler Filmkultur verstanden wurden (vgl. Halle , ). Anfang des . Jahrhunderts verlagerten si die Swerpunkte wieder neu. Nun dominierten Heritage-Filme mit übergreifenden Erzählungen oder ein Cinema of European Values die Produktion. Das Experiment geht jedo weiter, wie im Folgenden dargelegt werden soll. Wenn wir Kino als transnationales Experiment besreiben, können wir uns nit nur auf die Betratung der Bilder auf der Leinwand besränken. Wir müssen uns au mit dem Kino als ‚Apparat‘, im weitesten Sinne, besäigen (vgl. Tinsobin ). Zum Apparat gehören neben den eigentlien Filmen au Aspekte der Vorproduktion wie das Drehbu und entspreende Stoentwilung oder Förderungsentseidungen, Aspekte der Dreharbeiten wie Ort und Zusammenstellung der Filmcrews, die Post-Produktion, der Verleih, der Ort und die Art der Vorführung, beispielsweise im Kino oder auf Festivals, die au Auswirkungen auf die Rezeption der Filme und ihre Wirkung auf die versiedenen Kinoöentlikeiten haben. Das bewegte Bild auf der Leinwand ist damit nur ein Teil eines transnational beeinussten Dispositivs.3 Das Kino bringt auf diese Weise eine Vielzahl von Produktivkräen zusammen, die über die Projektionen auf den europäisen Leinwänden hinausgehen. Im Zeitalter der Globalisierung ist das Kino zu einer zentralen Institution für die Bildung sozialer und kommunikativer Netzwerke geworden. Und wenn David Harvey Zeit-Raum Kompression als ein grundsätzlies Phänomen der Globalisierung besprit, gewinnt dieser abstrakte Begri an Exaktheit, wenn man ihn am Beispiel des Kinos diskutiert (vgl. Harvey ; Halle , ). Kino kann ein materieller Ort und zuglei eine Verortung von und für die Mensen sein. Es ermöglit die Überwindung von topographisen Barrieren und baut neue Raumkonstellationen auf. Als Projektionsäe leistet das Kino aber au Öentlikeitsarbeit; so können andere Formen von Gemeinsaen jenseits 2 Informationen über die erfolgreisten internationalen Filme können unter <www.a.de>, Marktdaten, Filmhitlisten abgerufen werden (Stand: . . ). 3 Für weiterführende Lektüre zum Apparat siehe au Winkler ( ), Rosen ( ), Baudry ( ; ) und Comolli ( ).
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der Nationalgemeinsa imaginiert werden. Genau diese Eigensaen des Apparats Kino gerieten in Europa nun ins Zentrum der Aufmerksamkeit.
Transnationale Orientierung im deutsen Kino Ganz allgemein gesproen gehe i in diesem Aufsatz der Frage na, was es bedeutet, Kino auf diese Weise als einen transnationalen Apparat zu betraten. Transnational wird dabei im strengsten Sinne verstanden und steht nit gleibedeutend für international. Das bedeutet, wo der Begri inter-national auf ein Zusammensein oder Nebeneinander von versiedenen Nationen zielt, besreibt der Begri trans-national ein Verhältnis, das si jenseits oder sogar quer zum Nationalstaat und zum dominanten Nationalgedanken positioniert und mitunter sogar eine Überwindung oder Auebung des Nationalstaates und seiner Zuständigkeiten andeutet (vgl. Halle ). Unter der Leitung von Eurimages wurden die Produktion und der Vertrieb der Filme, die ästhetisen Implikationen des Mediums und wirtsalie Faktoren gebündelt, um auf diese Weise ein integratives, transnationales Kino und au eine entspreende Ästhetik zu befördern. Ein soles bewusstes Hinwirken auf eine Auebung von nationalen Grenzen und auf die Sti ung einer gemeinsamen Identität ndet man derzeit nur im Rahmen Europas. Während Hollywoods Filmwirtsa global ausgeritet ist und universell zu verstehende Gesiten an ein in versiedenen Nationalkulturen beheimatetes weltweites Publikum distribuiert, ist das europäise Kino transnational, in dem Sinne, dass es die Übersreitung und perspektivise Auebung von nationalstaatlien Grenzen sowohl in der Produktion als au in seinen Gesiten spiegelt. Im Zeitalter der Globalisierung, im Zeitalter freier Märkte und der dazugehörenden freien Bewegungen von Gütern und Dienstleistungen, gibt es nirgendwo anders eine ähnlie Bestrebung na politiser und kultureller Vereinigung. Und daher ist es kaum verwunderli, dass Eurimages nit der einzige Fonds ist, der sole Ziele verfolgt. So nden si in Europa eine Fülle von Förderungsanstalten, die nit nur auf der überstaatlien, europäisen Ebene sondern au staatli, regional und lokal organisiert sind und si dabei gleizeitig dem transnationalen Gedanken verpitet fühlen. Darum ist es au kein Widerspru sondern eine Vorraussetzung, dass wir uns, wenn wir von transnationalem Kino reden, weiter mit nationalen Filmindustrien befassen. Der deutse Film ist ein besonders ansaulies Beispiel für transnationale Entwilungen, weil si dort die Grundlagen von Film- und Medienproduktion im Verlauf des letzten Jahrzehnts massiv verändert haben. Anfang der er Jahre, zur Zeit der deutsen und europäisen Vereinigung,
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erlebte die deutse Filmindustrie eine Krise. Im Land mit den umfangreisten Filmsubventionen fehlte das Publikum. Im Verlauf der er Jahre wurde dann das gesamte System reformiert. Unter Voraussetzungen, die si von denen in anderen europäisen Ländern stark untersieden, verabsiedete si die deutse Filmindustrie von ihrem alten Fördersystem und entwielte si in Ritung einer publikums- und gewinnorientierten Filmförderung.4 Die neuen Medienboards und Filmförderanstalten, die nun überall im Lande gegründet wurden, sind markante Bespiele für diese Umstrukturierung. Es kam zu Joint Ventures von öentlien und privaten Interessen, Produzenten wurden ausgebildet und Produktionsrmen gegründet, um neue Arten von Filmen auf einen wasenden Unterhaltungsmarkt zu bringen.5 Der deutse Film, der bis dahin dur den Neuen Deutsen Film der er Jahre den Ruf eines ansprusvollen Arthouse-Kinos genoss, (er)fand neue, ‚leitere‘ Erzählformen. Vor allem Komödien wie Abgesminkt (D , Katja von Garnier) oder Der bewegte Mann (D , Sönke Wortmann) kamen im Rahmen dieser ‚Komödienwelle‘ in die Kinos (vgl. Halle ). Diese Neuorientierung der Industrie ging einher mit einer erkennbaren Wendung na außen: Man orientierte si in Ritung Europa und Hollywood. Die deutse Filmindustrie wurde also an das neu entstehende europäise System angekoppelt. Die umstrukturierte Filmförderung, die si auf Ebene der Bundesländer entwielte, die (neuen) Produktionsrmen und Vermarktungsagenturen, Drehbuautoren und Postproduktions-Teams nahmen die aktuellen Entwilungen in einem transnational verstandenen Kontext wahr und riteten si dana aus. Seitdem ist Deuts land das Land, das si am häugsten an Koproduktionen beteiligt: sowohl innerhalb als au außerhalb Europas. Wenn man die EU als Vorreiter und Vorbild aller transnationalen Organisationen betratet, sind Deutsland und die deutse Film- und Medienindustrie der Ort, an dem si die Entwilungen und Konikte dur innovatives Handeln am deutlisten widerspiegeln. Relevant für die Untersuung des transnationalen Apparats Kino ist aber, dass, obwohl si in den er Jahren die Filmpolitik neu ausritete und stärker transnational engagierte, die lmpolitisen Entseidungen nit voll4
Aufgrund von fehlenden Importbes ränkungen, eine Auage na Ende des Zweiten Weltkrieges, konnte die Bundesrepublik ihren Markt nit in gleier Weise sützen wie beispielsweise Frankrei. Auf der anderen Seite hae die Bundesrepublik aber eine größere Filmindustrie als kleinere Länder wie die Niederlande, Portugal oder die skandinavisen Länder. Ferner gab es keine traditionelle Verzahnung mit Hollywood, wie dies beispielsweise in England der Fall war. 5 Vgl. zu den aktuellen Entwi lungen in der Filmförderung au den Aufsatz von Anke Zwirner in diesem Band.
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kommen bestimmen konnten, was tatsäli die Leinwände erreite. In der Filmindustrie treen lmpolitise immer au auf lmwirtsalie Prämissen. Daher darf nit vernalässigt werden, dass mit der transnationalen Orientierung der Filmpolitik eine deutlie Ausritung der Filmproduktion auf eine wirtsali rentable Unterhaltungsindustrie einherging, was bedeutet, dass die Berüsitigung des potentiellen Publikums einen witigen Faktor im Produktionsprozess darstellte. Da es kein europäises Publikum gab, keine Zusauermassen die si in erster Linie als Europäer verstanden, wurde der Möglikeit einer transnationalen Ästhetik daher snell aus lmwirtsalier Sit Grenzen gesetzt. Daraus ergeben si zwei Konsequenzen: (.) Nit alles, was auf die Leinwand kommt und in einem transnationalen Apparat produziert wurde, kann als beispielha für eine transnationale Ästhetik gelten. Es handelt si zunäst vor allem um den Versu innerhalb eines lmpolitisen Experiments transnational Filme herzustellen. In diesem zählt das, was, gemessen an den Zusauerzahlen, Erfolg hat und damit die weitere Ritung vorgibt. (.) Wenn die EU auf eine wirtsalie, politise und kulturelle transnationale Einigung zielt, bedeutet das nit, dass dies dur eine gleizeitige und äendeende Parallelentwilung im Berei der Kultur erreit wird. Der kulturelle Ausdru gründet si vielmehr auf historis gewasene Beziehungen und etablierte Kontakte. Die transnationale europäise Entwilung ndet daher nit hauptsäli auf einer gesamteuropäisen Ebene sta, sondern in kleineren Interzonen. Beispielsweise galten Deutsland und Frankrei als Motor der EU und nit Spanien und Grieenland.
Interzonen Als Interzone bes reibe i den Raum eines kon iktgeladenen kommunikativen Handelns, der dur die Übersreitung oder Auebung von Grenzen entsteht. Sol ein Ort entfaltet si dur Verkehr, Kontakt, Interaktion, Umgestaltung und lebendige Vielfalt. Es handelt si dabei um das Gegenteil von Appadurais „Ethnoscape“ ( ). Die stärkere räumlie Akzentuierung dur den Begri Interzone ist notwendig, weil die transnationale Organisation der EU keine äendeende Negierung der Nationalstaaten verfolgt, sondern neue transnationale Räume ermöglit, die si neben und zwisen den etablierten Nationalstaaten bilden. Der Nationalstaat existiert so weiter, aufgehoben in andern Beziehungen und neuen politisen Systemen. Zwisen den Nabarländern Deutsland und Polen entsteht beispielsweise seit der Wende, angespornt dur den polnisen Beitri zur EU im Jahr , langsam
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eine sole kulturelle Interzone. Die Interzone als Raumbezei nung kann an konkrete transnationale Ortsaen gebunden werden. Beispielsweise deniert eine Bürgerinitiative, die si als Plaform für die Vereinigung von Subice und Frankfurt an der Oder versteht, ihren Bezugsraum als ‚Subfurt‘. Diese Initiative setzt si damit für eine Vernetzung der beiden Städte in den Bereien Bildung, Kultur, Soziales, Wirtsa, Wissensa und Umwelt ein. No viel deutlier als in einem konkreten geograsen Raum kann eine Interzone in einem medialen Raum entstehen, der nit an einen bestimmten Ort gebunden ist. Beispielha dafür ist das Kino. So war zu bemerken, dass zwisen und , kurz vor dem Beitri Polens zur EU, witige lmgesitlie Entwilungen stagefunden haben. Diese Jahre kennzeinen den Durbru für eine gemeinsame deuts-polnise Filmarbeit, die si in fünf Projekten besonders deutli niedergeslagen hat: Halbe Treppe (D , Andreas Dresen), Klassenfahrt (D/PL , Henner Winler), Der Pianist (F/D/UK/PL , Roman Polanski), Liter (D , HansChristian Smid), und Milwald (D/PL , Christoph Hohäusler). In zahlreien Debaen waren in den Jahren zuvor die angespannten Beziehungen zwisen Polen und Deutsland thematisiert worden. Diese Debaen haen mitunter Ängste und Argwohn auf beiden Seiten gesürt. Dass es in dieser Zeit aber au zu den angeführten deuts-polnisen Koproduktionen gekommen ist, kann als lmiser Beleg für die Existenz einer Interzone zwisen beiden Ländern angeführt werden (vgl. Halle ). Diese Kooperation geht weiter. hat das Medienboard Berlin-Brandenburg, zusammen mit dem Polnis en Filminstitut und der Mieldeutsen Medienförderung den deuts-polnisen CoDevelopment Fonds (DPCF) gegründet. Deutsland als das europäise Land, in dem die meisten Koproduktionen entstehen, verbindet si mit Polen, einem Land, das, obwohl es einmal als Motor der Kinoproduktion in Osteuropa galt, heute o unter einer Unternanzierung eigener Filmproduktionen leidet. Der DPCF hat dieses Verhältnis ein wenig ausgleien können. Aber no witiger für unsere Analyse ist es, dass die Zusammenarbeit unter transnationalen Prämissen vorangetrieben wird. Auf der Website des DPCF heißt es: Deutsland und Polen teilen eine gemeinsame Vergangenheit und ein gemeinsames lmkulturelles Erbe. Mit dem Deuts-Polnisen Co-Development-Fonds (DPCF) sorgen die beiden regionalen deutsen Filmförderungen MDM (Mieldeutse Medienförderung) und Medienboard Berlin-Brandenburg zusammen mit dem Polnisen Filminstitut für eine verstärkte Kooperation zwisen polnisen Produzenten und Produzenten aus den Regionen der beiden deutsen Förderungen. Der Fonds unterstützt dabei gezielt die Entwilung vielverspreender
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Randall Halle Filmstoe, die für ein Publikum auf beiden Seiten der deuts-polnisen Grenze, aber au für ein europaweites Publikum araktiv sind.6
Dafür stellt der DPCF jährli Fördergelder in einer Höhe von . € bereit. In der Koproduktionslandsa ist der DPCF einzigartig. Diese Filmpolitik fördert nit nur Filme sondern au ein neues Gesits- und Kulturverständnis. Natürli handelt es si hier um keine einfae Beziehung, die nationale Spannungen überspringt und eine (false) transnationale Harmonie bewirkt, sondern eher um eine neue, weiterhin mit Spannungen und Konikten beladene Interzone. Aber rübliend hae au die Beziehung Deutslands zu Frankrei einmal einen ähnlien Charakter. Gerade dur ihre Neuheit und die mit ihr verbundene Spannungen gewinnt die polnis-deutse Interzone an Bedeutung. Auf diese Weise können wir die transnationale Zusammenarbeit beider Länder als positives Beispiel für den gegenseitigen Abbau der generellen historis und politis bedingten Spannungen zwisen dem ‚alten‘ und dem ‚neuen‘ Europa sehen. Um die exponierte Stellung des bereits benannten Durbrusjahres zu unterstreien, werde i im Folgenden zunä st die Implikationen der deuts-polnisen Filmgesite näher beleuten. Dana werden drei Tendenzen der darauf folgenden Produktionen anhand von Beispielen aufgezeigt: eine gesitsorientierte, eine projizierende und eine dokumentarise Ritung. Diese drei Tendenzen verdeutlien die Umrisse der deuts-polnisen Interzone.
Deuts-polnise (Film-) Gesite Jürgen Habermas und Benedict Anderson haben die Bedeutung der Drukultur als medialer Apparat der aufsteigenden Nationalbewegung im . Jahrhundert besrieben (vgl. Habermas ; Anderson ). Dem ist hinzufügen, dass der Reisgedanke vor dem . Jahrhundert untersiedlie Fassungen des Vielvölkerstaats beinhaltete, während der auommende Nationalstaat zentralisierende homogenisierende Tendenzen versäre. Minoritäre Spragruppen, andere Ethnien, oder andere Völker im Territorium wurden als bremsende Minderheit, wenn nit sogar als Gefahr für den einheitlien Nationalstaat aufgefasst. Die jahrhundertealte Normalität des Neben- und Miteinanderlebens wurde zunehmend missbilligt. Im zweiten deutsen Rei begann eine 6 Vgl. (Stand: . . ), Herv. i. O.
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Germanisierungspolitik in den Ostgebieten, die dann im Drien Rei auf brutalste Weise fortgesetzt wurde. Diese Germanisierungspolitik entwielte si besonders snell dur die bereits angeführte nationale Drukultur, mit deren Hilfe ein feindlies Polenbild voll mit Stereotypen verbreitet werden konnte.7 Au die neu entstehende Filmtenologie fand in Ostpreußen snelle Verbreitung, aber eher als Ergänzung der vorhandenen Medien und als Teil der Germanisierungspolitik. Bolesaw Matuszewski ( – ), Angestellter der Brüder Lumiere, nahm bereits Filmdokumente von Warsau und dem polnisen Volksleben auf dem Lande auf. Ein Aulühen des polnisen (und des jiddisen) Films konnte jedo erst na dem Ersten Weltkrieg in der neuen polnisen Republik sta nden. Trotz nationalistiser Ausprägung waren au in dieser Zeit die deutse und die polnise Filmindustrie eng verbunden. Die polnise Sauspielerin Pola Negri hae keine Swierigkeiten, in Deutsland zum Weltstar zu werden. Der Zweite Weltkrieg hae jedo verheerende Folgen für die Filmindustrie beider Länder. In der Nakriegszeit war eine Zusammenarbeit nur mühsam mögli und wurde snell eingestellt. Lars Johe ( ) argumentiert, dass in den er Jahren, in der Zeit des Na kriegskinobooms, auf beiden Seiten der Oder Kino eher als Projektionsäe für die nationale (Selbst-) Imagination diente. In beiden Teilen von Deutsland war der östlie Nabar grundsätzli nit auf der Leinwand zu sehen, im polnisen Film jenseits der Grenze kamen die Deutsen jedo des Öeren vor. Es handelte si dabei hauptsäli um historise Figuren, vor allem aus der Nazizeit. Die Deutsen galten als Sreensbild und erinnerten an das nationale Trauma des Überfalls und der Besetzung während des Krieges. In beiden Teilen Deutslands begründeten hingegen die Erfahrungen von Vertreibung aus und der Verlust von Gebieten im Osten Europas das eigene nationale Trauma. Der Begri „deutser Osten“ wurde na dem Zweiten Weltkrieg de facto von einer Besreibung deutser Kolonialpolitik zu einem Begri einer mitunter revanistis ausgeriteten Erinnerungspolitik. Die Erinnerung an die Vertreibung aus dem Osten oder Flut aus der DDR führte in der BRD zu einem Verständnis, in dem der Osten als Heimatbegri par excellence diente, als ‚verlorene Heimat‘. Im ersten großen bundesdeutsen
7 Gustav Freytags Roman Soll und Haben ([ ] ), der als nationales Epos verstanden wurde und ein Bestseller der deutschen Hochkultur bis in die er Jahre war, ist nur ein auallendes aber kein singuläres Beispiel. Darin werden die Polen, durch die Augen des deutschen Protagonisten Anton Wolfahrt, als ein dreckiges, ökonomisch rückständiges und anarchisches Volk gezeichnet, deren marginale Ausprägungen von ‚Kultur‘ ausschließlich von den höher stehenden Deutschen implementiert worden seien.
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Heimatlm Grün ist die Heide (BRD , Hans Deppe) kamen Vertriebene nit nur am Rande vor, sondern nahmen in der Darstellung von heimatlien Gebräuen und völkiser Gemeinsa eine zentrale Rolle in der Handlung ein (vgl. King ). Kirsten Kopp führt weitere Heimatlme an, in denen Vertriebene oder der deutse Osten eine zentrale Rolle spielen: Filme wie I denke o an Piroska (BRD , Kurt Homann), Der Förster vom Silberwald (A/BRD , Alfons Stummer), Das Mäden Marion (BRD , Wolfgang Slief), Waldwinter: Glo en in der Heimat (BRD , Wolfgang Liebeneiner) und Wenn die Heide blüht (BRD , Hans Deppe) (Kopp , ) zielten dabei auf eine Integration der Vertriebenen in die Bundesrepublik (vgl. ebd., ). In diesen Filmen lebte die Heimat weniger als geograser Ort, denn als Gemeinsa fort. Wie Gregor Thum erklärt, fungierte „ein romantisierter ‚deutser Osten‘ als eine Projektionsäe für die bundesrepublikanisen Sehnsüte na Stabilität und Tradition.“ (Thum , ) An anderer Stelle verdeutlit er wie Bilder der Einzigartigkeit der Landsa und eine romantisierte Vorstellung der Natur im Osten entstanden (vgl. Thum , ). Die Vorstellungen von einem wirtsali unentwielten und rüständigen Land lösten si so immer weiter von der Realität im Osten und gingen von Erinnerungsbildern in Fantasiebilder über. Sie boten Momente einer Gemeinsa in einer si s nell modernisierenden westdeutsen Gesellsa. Gleizeitig aber dienten sie au als eine Abgrenzung von Polen und der Ausgrenzung der gemeinsamen deuts-polnisen Kulturgesite. In den westdeutsen Filmen der Nakriegszeit kamen die USA, Frankrei, England, Italien, Spanien und au Japan als Sauplätze und Ortsaen von kulturellen Gemeinsamkeiten weitaus häuger vor als Polen. Die ostdeutse Filmgesite untersied si trotz sozialistiser Brudersa nit wesentli von dieser Tendenz. Die Vertreibung konnte oziell nit angesproen werden und die Gesite von Ostpreußen wurde generell ignoriert. Für die DEFA war Der Slüssel (DDR , Egon Günther) eine große Ausnahme. Der Film erzählt von der Reise eines ostdeutsen Paares na Polen. Der unkonventionelle Stil des Films vermist dabei episodises Erzählen und den Einsatz von Dokumentarmaterial und zeigt, wie die beiden Protagonisten mit polnisen Figuren interagieren. Dabei werden au bisher tabuisierte politise und soziale Themen angesproen. Mit dem Aufstieg von Solidarnosc verswand Polen Anfang der er dann wieder aus dem oziellen Kulturleben der DDR und der Film wurde verboten.
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Ko-produktionen als Annäherung Na der Wende wurde Deutsland snell Polens witigster Handelspartner. Wirtsali hing Polens Zukun damit zunehmend von Deutsland ab. Do der lmise Bli auf Deuts land war na wie vor eher auf die Vergangenheit geritet. Auf der anderen Seite der Oder herrste zunäst slitweg Stille; es gab so gut wie keine lmise Auseinandersetzung mit dem Nabarland Polen im deutsen Film. Dur Krzysztof Kieslowskis Trilogie Trois Coleurs: Bleu, Blanc, Rouge (F/PL/CH – ) etablierte si zunäst eine rege polnis-französise kulturelle Interzone, die si dur transnationale Grenzübersreitung auszeinete. Obwohl Deutsland genau zwisen beiden Ländern liegt, entwielte si jedo keine vergleibare deuts-polnise Kooperation. An diesem Punkt setzt die dur die Arbeit des DPCF beförderte bedeutsame deuts-polnise Zusammenarbeit in den Jahren und an, die das Sweigen über den Nabarn im Filmberei durbra. Der DPCF mate nit nur dur seine nanzielle Unterstützung viele deuts-polnise Filmprojekte erst mögli, sondern stieß au eine Neuausritung der Filmpolitik an. Koproduzieren bedeutet nämli nit immer, dass ein Projekt gleiberetigt entwielt wird. Wenn man die wenigen bisherigen deutspolnisen Koproduktionen wie Nina Grosses Feuerreiter (F/A/D/PL ), Jan Sües Absied – Brets letzter Sommer (D/PL ), Agnieszka Hollands Julies Reise (D/CA/PL/USA ),Volker Slöndors Der Unhold (D/F/UK/PL ) oder Strajk (Strajk – Die Heldin von Danzig, D/PL ) heranzieht, ist festzustellen, dass meistens das eine oder das andere Koproduktionsland ledigli die Rolle des Finanzierungspartners inne hat. Daher geht es dem DPCF nadrüli um Co-Development und nit um Koproduktion. Denn wie bereits angemerkt ist die Voraussetzung für die Förderung von Filmprojekten aus dem DPCF, gemeinsam Stoe zu entwieln, die „ein Publikum auf beiden Seiten der deuts-polnisen Grenze, aber au […] ein europaweites Publikum“ anspreen. Weitere Bedingungen für einen Antrag sind mindestens zwei Produzenten, von denen einer aus Polen und einer aus dem Zuständigkeitsberei der Mieldeutsen Medienförderung oder des Medienboards Berlin-Brandenburg stammen muss. Deshalb werden vor allem Drehbüer gefördert, also Arbeiten, die von Anfang an darauf abzielen, neue transnationale Beziehungen und Gesiten zu erzählen. Somit ist eine deutlie Neuorientierung der deutspolnisen Filmpolitik aufgrund der Arbeit des DPCF zu erkennen.
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Historien lm: Vergangenheitsorientiert oder vergangenheitsbezogen Die meisten polnisen Filme über Deutsland oder über die Deutsen sind Historienlme und spielen im Drien Rei. Ewa Mazierska interpretiert diese Filme im Kontext einer übergreifenden Tendenz zu Heritage Filmen im europäisen Kino, die auf nationalen Gesiten und Mythen auauen und in großzügigen Kulissen eine nostalgise Atmosphäre saen (vgl. Mazierska a). Die Deutsen übernehmen in diesen Filmen zumeist die Rolle von Besatzern und Kriegsverbreern. Innerhalb dieses Genres nden si bestimmte nationale Darstellungsmuster: Handlungsmotive werden dur nationale Zugehörigkeit bedingt. In Kriegs- und Besatzungslmen wie in Andrzej Wajdas Katyn (Das Massaker von Katyn, PL ) fungiert die nationale Identität als Antrieb bestimmter Handlungsweisen. Deutse (und Russen) verhalten si bösartig, während Polen edel und moralis leiden. In Bezug auf die Historienlme der postkommunistisen Ära besreibt Mazierska daher die polnisen Filmlandsaen als bevölkert von edlen Riern und stillen Prinzessinnen, deren Darstellungsweise fremden- und frauenfeindlie Tendenzen unterstützt (vgl. ebd.). An der deutsen-polnisen Grenze lassen si so ohne Zweifel Gesiten nationaler Konikte ansiedeln. Soziologen und Historiker wie Anthony Smith ( ), Dan Diner ( ), Daniel Levy und Natan Sznaider ( ) haben festgestellt, dass Erinnerungen an Nationalkonikte besonders im Zeitalter der Globalisierung witiger werden, weil sie homogenisierende und nivellierende Tendenzen befördern und dazu dienen, Nationalstaaten und nationale Kollektive zu stabilisieren. Bei der wissensalien Aufwertung nationaler Paradigmen wird aber o vergessen, dass derartige Argumente für Vielfalt sta Nivellierung einst gegen den Nationalstaat und den Nationalgedanken geäußert wurden und au heute no von Vertretern von Bundesstaaten und Regionen vorgetragen werden. Homogenisierende Tendenzen sind in Nationalstaaten stark vorhanden. Wenn der Nationalstaat als Bollwerk gegen eine vermeintlie Nivellierung der globalen Kultur aufgestellt wird, wird aber übersehen, dass neue transnationale Formen au eigene Heterogenität anbieten können. Das Transnationale kann eine neue Art der Veretung und damit eine Ergänzung des Nationalen bedeuten, indem sta einer nationalen Abgrenzung ein kulturelles Nebeneinander als erwünster Zustand angestrebt wird. Heterogenität und Homogenität sind nie statise Zustände eines ‚entweder/ oder‘. Wir sollen nit fragen, ob Nationalismus oder Transnationalismus mehr Stabilität fördern, sondern anhand dieses Diskurses versuen zu beantworten, was man zu stabilisieren versut. Es mag swierig sein, eine neue Gesitssreibung zu entwieln, die si nit auf nationale Konikte konzentriert, oder die nationale Konikte neu formuliert und damit aktualisiert, aber es ist
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nit unmögli. Die Tendenz zur gesitlien Absoung bestätigt daher au, dass andere Darstellungsarten mögli sind. Für Historiker resultiert daraus ein Ges itsverständnis, das eher vergangenheitsorientiert als vergangenheitsbezogen ist. Beispielha dafür sind die Arbeiten von Historikern wie Norman Davies und Roger Moorhouse ( ) oder Gregor Thum ( ), die Grenzstädte wie Wrocaw/Breslau als Beispiel einer produktiven, aber verlorengegangenen Veretung untersuen. Krieg, Vertreibung und die Vers iebung von Grenzen im Namen von nationalen Interessen werden nit mehr aussließli unter der Perspektive von Homogenisierung betratet, vielmehr beginnt man im nationalen Paradigma den Sutz der Vielfalt zu erkennen. Dies zeigt si au in Filmen, die die Gräuel und das Leiden des Zweiten Weltkriegs zeigen, si dabei aber nit auf eine Einordnung na nationalen Zugehörigkeiten bes ränken. Agnieszka Hollands Film Europa Europa (Hitlerjunge Salomon, D/F/PL ) kann dazu als Beispiel herangezogen werden. Er erzählt die Ges ite von Sally Perel, dessen Eltern aus Russland na Deutsland emigriert sind und der si auf der Flut vor den Nazis dur Polen und Russland eine ‚arise‘ Identität zuretlegt mit der er als Süler einer Hitlerjugendsule den Krieg überlebt. Der Film wurde kurz na dem Zusammenbreen des Warsauer Paktes als europäise Koproduktion gedreht. Man kann aber au Robert Glinskis mutige Grass-Verlmung Unkenrufe (D/PL ) erwähnen. Darin lernt ein in Danzig geborener und in Westdeutsland lebender Professor bei einem Besu in Gdansk eine in Vilnius geborene polnise Restauratorin kennen, worauf beide besließen, eine polnis-litauis-deutse Friedhofsgesellsa zu gründen, die der jeweiligen Vertriebenen gedenkt. Diese Arbeiten bieten eine eher universal mens lie Sit auf die Vergangenheit. Sole Filme sind witig, nit nur für Polen und Deutsland, sondern für das gesamte Europa. Die Fähigkeit, si eine gemeinsame Vergangenheit vorzustellen, ist Grundvorrausetzung für die Zukun einer Gemeinsa. Denn nit das Verhältnis zwisen Polen und Deutsland, sondern die europäise Vergangenheit insgesamt ist eher mit dem Gedenken an nationale Konikte beladen. Vielleicht am wichtigsten aus den Reihen der Historienfilme ist darum Roman Polanskis Der Pianist. Der Film grei die Gesite des jüdis-polnisen Pianisten Wadysaw Szpilman und seines Überlebenskampfes während der deutsen Besatzung auf. Der Pianist erzählt wie Szpilman dem Warsauer Gheo entkam und dur den polnisen Widerstand verstet und versorgt wurde. Im Verste wird er Zeuge des Warsauer Aufstandes von und übersteht die darauf folgende Vernitung und Zerstörung der Stadt. Für meine
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Analyse des Films ist aufslussrei, dass Der Pianist eine deuts-polnisfranzösis-englise Koproduktion ist. An der Finanzierung waren u.a. die Filmförderungsanstalt, Filmboard Berlin-Brandenburg, Film- und Fernsehfonds-Bayern, Canal+, R.P. Productions und Telewizja Polska beteiligt. Er gilt zwar als polniser Film und wurde in Polen und Deutsland au so rezipiert, allerdings trug das Studio Babelsberg die Hauptverantwortung für die Produktion und obwohl die Gesite in Polen angesiedelt ist, fanden die Dreharbeiten hauptsäli in Deutsland sta. Besonders markant sind die ikonisen Bilder der zerstörten Stadt Warsau, Szenen die in einer alten russisen Kaserne in Brandenburg aufgenommen wurden. So wird der ‚polnise‘ Film Der Pianist von der Perspektive des transnationalen Apparats aus gesehen au gleizeitig zu einem ‚deutsen‘ Film. Der Film gewann zahlreie Filmpreise und insgesamt drei Oscars. Trotzdem regte si au Kritik, vor allem in Polen. Ewa Mazierska und Andrzej Pitrus werfen dem Film einen kliseehaen Umgang mit dem Holocaust vor (vgl. Mazierska b; Pitrus ). Die Filmwissensalerin Robin Ostow interpretiert den Film jedo als weiteres Zeien einer neuen und kontroversen Ritung in der polnisen Gesitssreibung; bezei nend dafür, meint Ostow, ist die Darstellung eines gemeinsamen katholisen und jüdisen Widerstands gegen die Besatzung (vgl. Ostow , ). Au die kurze Sequenz, in der Szpilman von dem Wehrmatsozier Wilm Hosenfeld gereet wurde, ist nit weniger bedeutsam. Sie brit die üblien Darstellungsmuster auf und verdeutlit die vergangenheitsbezogene Ges itsdeutung. Die Thematisierung von deutsem Widerstand und no dazu von einem Ozier in Uniform mat klar, dass gute oder slete Handlungen nit in nationalen Kategorien zu unterseiden sind. Sowohl Juden als au Katholiken leiden unter den Nazis; die Verfolgung der Polen dur die Deutsen lässt si au nit allein daraus erklären, dass sie Deutse waren, sondern liegt in einer spezisen Ideologie begründet. In den Figuren, die Szpilman reen, seint hingegen Geretigkeit als allgemeine mens lie Eigensa auf, au in dem Wehrmatso zier Hosenfeld. So zeigt si eine dierenziertere Vergangenheitsorientierung, die nationale Darstellungsmuster aureen kann. Dur diese Momente entsteht ein transnationaler Bli, der aber nit von allen als soler verstanden und für gut befunden wird. Polanskis Film stellt keinen Absied von ethisen Fragen des Holocausts dar. Allerdings zeigen si in Der Pianist im Verglei zu einem vergangenheitsorientierten Bli, der die Gegenwart stabilisieren will, Ansätze einer Gesitsdarstellung, die eine Zukunsperspektive erönet. Für die transnationale Vereinigung ist eine sole Gesitsüberwindung wegweisend, d.h. sole Filme entwieln Erzählmuster, die nit national abgrenzend sondern transnational integrierend sind.
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Spiel lm als Projektionsäe Die Erkenntnis der DPCF, dass die Partner in einer Koproduktion meistens nit gleiberetigt an der Entwilung eines Films beteiligt sind, liefert einfae aber relevante Kriterien für eine Bewertung des transnationalen Potenzials eines Films. Er sollte in seiner ästhetisen Qualität oder Gesite über die Tatsae internationaler Koproduktion hinaus eine Perspektive aufweisen, die nationale Grenzen und Kategorisierung na ethnisen Zusreibungen übersreitet. Ein Film wie Der Pianist mag ein neues Gesitsverständnis erzeugen, aber er verbleibt auf der einer Seite der (nationalen) Grenze. In den Durbrusjahren bis entstehen jedo au Filme wie Liter, Klassenfahrt und Milwald, in denen die Handlung zwar eng mit Deutsland verknüp ist, insgesamt geogras jedo größtenteils na Polen verlagert wird. Im Hinbli auf das Potenzial soler Filme stellt si vor allem eine Frage: Maen sole Reiselme entfernte Orte ledigli bekannt und vielleit sogar vertraut für das Publikum oder bieten sie dem Zusauer au die Möglikeit, si selbst neu zu verorten? Führen ihn die Filme also in ein transnationales Bezugssystem ein? Im Fall von Klassenfahrt oder Milwald bleiben die Polen beispielsweise eher Nebenfiguren in Geschichten, die sich eigentlich mit innerdeutschen Konikten besäigen. Die Sulklasse, die in Klassenfahrt eine Reise an die polnise Ostseeküste unternimmt, bleibt abgesehen von einigen kurzen Begegnungen mit polnisen Jugendlien meistens im Bus oder im Hotel unter si, und diejenigen, die si trauen, do den polnisen Badeort und seine Einwohner besser kennen zu lernen, erleben eine Katastrophe, nadem der Süler Ronny, eifersütig auf den Polen Marek, diesen zu einer Mutprobe herausfordert, von der Marek nit zurükehrt.8 Allerdings gewährt der Film viele Einsiten in das Leben von jugendlien Saisonarbeitern und zeigt, was hinter den Kulissen eines polnisen Badeortes abläu. Aber niemals bekommt man das Gefühl, dass die Süler ein neues Zuhause im Steiner Ha gefunden haben oder nden könnten. Als Gegenbeispiel könnte Kleinruppin Forever (D , Carsten Fiebeler) angeführt werden, ein Unterhaltungslm, der von einer Klassenfahrt Mie der er Jahre in die DDR erzählt. Im Grunde genommen relativ realitätsfern imaginiert der Film, was passiert wäre, wenn ein Süler der Klasse zurügelassen worden wäre und si in dem anderen Land häe zuretnden müssen. Wie übli im Genre des Klassenfahrtlms entwielt si die zunäst problematise und unsympathise Hauptgur
8
Vgl. zu Klassenfahrt au den Aufsatz von Guido Kirsten in diesem Band.
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dur die Reise zu einem anständigen Erwasenen. Dur den Verglei dieser eigentli sehr untersiedlien Filme wird deutli, dass Winlers Film vor allem deshalb in Polen angesiedelt wurde, um das Gefühl deutser Teenager herauszuarbeiten, von ihrer Lebenswelt entfremdet zu sein. In Klassenfahrt liegt der Fokus also von vornherein nit auf dem Zusammentreen mit einer unbekannten Umwelt, sondern es werden letztli Probleme des alltäglien Lebens in Deutsland verhandelt. Die Polen und die Mensen im Badeort bilden dabei ledigli eine Hintergrundkulisse. Bei Milwald handelt es si um eine der wenigen Koproduktionen na der Wende. Er wurde vom Film- und Fernsehfonds Bayern und der Mieldeutsen Medienförderung unterstützt und unter Beteiligung der polnisen Produktionsrma Filmcontract Ltd. hergestellt. Trotz dieser Verortung im transnationalen Apparat wird Polen in diesem Film als Bedrohung gezeigt. Die überforderte Silvia setzt ihre Stieinder in einem polnisen Wald auf der anderen Seite der Grenze aus. Sie kehrt na Hause zurü und meldet die Kinder als vermisst. Weder der Polizei no ihrem Mann erzählt sie, was wirkli passiert ist. Im Wald treen die Kinder auf einen Handlungsreisenden, den Polen Kubak, der si beim Vater der Kinder meldet und versut, von ihm ein Lösegeld für die Rügabe der Kinder zu erpressen. Am Ende ist Silvia tot, Kubak praktis von den Kindern vergiet und die beiden Kinder verlaufen si immer tiefer im Irrwald Polens. Die kühlen, distanzierten Aufnahmen ähneln Winlers Film und in ähnlier Weise dient Polen als Ort für die Symbolisierung von Entfremdung. Mit der Anspielung auf das Mären „Hänsel und Gretel“ und die Verweise auf das Motiv des romantis-unheimlien Waldes bewegt si Ho häusler eher in der Tradition des deutsen Nakriegskinos und stellt Polen als unentwieltes und rüständiges Fantasieland dar. Anders als Klassenfahrt verzitet Milwald auf Ansiten polniser Ortsaen und Einsiten in das Leben vor Ort. Stadessen werden gängige Klisees bemüht: katholise Rituale, heruntergekommene Ortsaen oder die ‚polnise Wirtsa‘.9 Die Handlung häe im Prinzip au in Deutsland oder in vielen anderen Grenzgebieten spielen können, aber Ho häusler zielt mit der Verortung im deuts-polnisen Grenzland auf einen minimalistisen Eekt märenhaer Unheimlikeit. Daher wurde die Handlung nit zufällig in Polen und 9 Mit diesem Begri wird herabsetzend die vermeintlie Unfähigkeit der Polen besrieben, ihr Land wirtsali zu entwieln, wobei damit die bewusste Abhängigkeit, in der die Region und die Mensen von den vers iedenen deutsen und russisen Herrsern gehalten wurde, in völkise oder nationale Kategorien und in rassistise Stereotypen übersetzt wird.
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eben nit in Frankrei, Dänemark, oder der Sweiz angesiedelt; Polen spielt als Projektionsäe von Ängsten eine prägende Rolle. Während der romantisierte ‚deutse Osten‘ in der Nakriegszeit eine Projektionsäe für die bundesrepublikanisen Sehnsüte na Stabilität und Tradition bot, fungiert Osteuropa in Filmen der Nawendezeit eher als Projektionsäe für Gefühle der Bedrohung und des Selbstverlusts. Sole Filme erö nen den deutsen Zusauern kaum die Möglikeit, si transnational neu zu verorten. Polnisen Zusauern wiederum dienen sie eher der Bestätigung von gängigen Vorurteilen über die Wahrnehmung von Polen in Deutsland. Milwalds Status als Koproduktion unterstreit sehr deutli den Untersied zum Co-Development, das ja das eigentlie Ziel der Initiative der DPCF war. Der ersienene Film Am Ende kommen Touristen (D , Robert Thalheim) zeigt jedo, dass es bei diesem eingesränkten Bli auf Polen nit geblieben ist. In Am Ende kommen Touristen basieren die Hauptkonikte, die die Handlung vorantreiben, sehr deutli auf den heterogenen Beziehungen zwisen deutsen und polnisen Figuren.10
Dokumentarise Grenzübers reitungen Bereits vor sind einige ausgezei nete deuts-polnise Dokumentarlme entstanden. Zu nennen wären beispielsweise Fotoamator (Der Fotograf, PL/F/D , Dariusz Jablonski), …Verzeihung, i lebe (D/PL , Andrzej Klamt), Jutro idziemy do kina (Morgen gehen wir ins Kino, PL , Micha Kwieci~ski), oder Po-Lin. Okruchy pamici (Po-Lin: Krümel der Erinnerung, PL/D , Jolanta Dylewska), die alle die Ges ite der deutsen Besatzung während des Zweiten Weltkrieges und den Holocaust behandeln. Die darin vorherrsende Aufarbeitung des (zumeist jüdisen) Lebens in Polen und der Überlebenskampf in der Zeit der nationalsozialistisen Besatzung verortet sie als vergangenheitsbezogene Dokumentarlme. Andere Arbeiten wie Andreas Voigts Grenzland – Eine Reise (D ), Helke Misselwitz’ Fremde Oder (Obca Odra, D ) und Volker Koepps Dokumentar lme über die Ges ite deuts-osteuropäiser Grenzregionen wurden zwar nit als Koproduktionen realisiert, aber verdeutlien denno die intensive Besäftigung mit der deuts-polnisen Interzone. Koepps Filme Flussfahrt in Ostpreußen (D ), Kuris e Nehrung (D ), U ermark (D ), Pommerland (D ), Saenland – Reise na Masuren (D ), Söhne (D ) und Memel-
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Vgl. zu Am Ende kommen Touristen den Beitrag von Tobias Ebbret in diesem Band.
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land (D ) verdeutlien eine langjährige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der Gegenwart des ehemaligen deutsen Ostens. An diesen lmisen Aufarbeitungen fällt insbesondere Koepps unvoreingenommene Arbeitsweise auf. Dadur nähert er si seinen intensiven Ges iten an, die die Komplexität der Region aufnehmen und angemessen darstellen. Söhne, zum Beispiel, beginnt und endet mit einer Aufnahme von fünf Brüdern aus der Kriegskindergeneration, die versuen einen Kastanienbaum auf dem ehemaligen Familiengut abzumessen. Sie halten si an ihren Händen und können so den riesigen Baumstamm umsließen. Das Bild gewinnt im Verlauf des Filmes no an zusätzlier Bedeutung, wenn deutli wird, dass es si ursprüngli um vier Brüder gehandelt hae, die Muer jedo in den Wirren der Nakriegszeit aus Versehen einen anderen, ‚fremden‘ ‚Sohn‘ aus einem polnisen Kinderheim na Deutsland holte. Erst spät entdete die Familie, dass ein Bruder no immer in Polen lebt. Sie nahmen Kontakt zu ihm auf und bauten na der Wende eine neue Familie zu fün auf. Der Film verdeutlit, dass sie tatsä li nur zu fün ‚komple‘ sind, sonst häen sie den Baum niemals umsließen können. So verditet si die historise Komplexität der Interzone in diesem Bild der fünf Brüder, die den Kastanienbaum auf dem ehemaligen Familiengut in Polen ‚umarmen‘. Dokumentarlme über die deuts-polnise Gegenwart nden si jedo kaum. Hans-Christian S mids Die wundersame Welt der Waskra (D ) ist son allein darum bemerkenswert. Der Film ist eine Art materielle Anthropologie, die materieller Kultur, menslien Bedürfnissen, Arbeits- und Konsumverhältnissen dur das Erforsen von Waren und Gütern nageht. Die wundersame Welt der Waskra kann duraus au als Fortsetzung von Smids Arbeit an seinem früheren Spiellm Liter betratet werden. Lichter ist ein komplexer Episodenfilm gedreht von einem Nachwenderegisseur, dessen Filme sich gleich von Anfang an von den Arbeiten der allgemeinen Unterhaltungsindustrie abhoben. Die Handlung spielt an der deuts-polnisen Grenze in Frankfurt/Subice und folgt dur ganz untersiedlie Handlungsstränge dem Leben versiedener Figuren auf beiden Seiten der Oder. Der Film könnte au als ‚Lokallm‘ bezei net werden, in dem der Ort Frankfurt/Subice die zentrale Rolle spielt. Dabei handelt es si nit um einen touristisen Ort mit söner Landsa und niedlien Stadteen, sondern um einen Knotenpunkt in einem globalen Wirtsassystem, in dem mane seitern und wenige Erfolg haben. Bei der Arbeit an Liter baute Smid eine enge Beziehung zu Bogumi Godfrejów auf, der nit nur die Kamera für den Film führte, sondern zusammen mit S mid au die Drehorte für den Film ausgesut und dem deutsen Regisseur damit die polnise Seite der Oder erönet hae. Smid betont, dass der Film ohne die
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Zusammenarbeit mit Godfrejów nie seine Komplexität erreit häe. Und es ist unzweifelha, dass Liter ausgezei nete Bilder vom Leben an der deutspolnisen Grenze vermielt.11 Na den Dreharbeiten für Liter arbeiteten Smid und Godfrejów au bei weiteren Projekten zusammen. Mit Die wundersame Welt der Waskra kehrten die beiden dann wieder zur deuts-polnisen Grenze zurü, dieses Mal, um einen Dokumentarlm über das Leben in dieser Region zu drehen. Deuts land ist Polens witigster Handelspartner, ein Verhältnis, das si bereits kurz na der Wende entwielte. Es ist bekannt, dass deutse Firmen in die polnise Wirtsa investierten und viele Firmen sogar ihre Produktion na Polen verlegt haben. Güter, Dienstleister und Personen überqueren ständig die Oder. Das erklärt vielleit au, warum Smid und Godfrejów si mit der Grenzregion und nit mit den blühenden Wirtsaszentren Warsau und Krakau besäigt haben. Die wundersame Welt der Waskra porträtiert zunäst die Firma FliegelTextilservice, die tägli die Wäse von Berliner Luxus-Hotels über die Grenze na Gry no fährt. Dort wird sie rund um die Uhr, sieben Tage die Woe, ohne Unterbreung gewasen und wieder na Berlin zurütransportiert. Der Film stellt damit eine komplexe Beziehung dar, indem er den Bli auf etwas ritet, über das normalerweise nit viel nagedat wird. Aber die Kamera nimmt nit nur die Wäse und ihre Wege in den Bli, sondern beobatet au die Mensen die hier arbeiten. Indem der Film so die Mensen und die menslien Beziehung hinter den ökonomisen Prozessen sitbar mat, unterläu er au den von Marx beobateten Fetisarakter der Waren. Nit diese ‚bewegen‘ si zirkulär und permanent zwisen den beiden Nabarländern, sondern die Mensen und ihre Sisale hinter diesen seinbar anonymen Prozessen sind es, die die Interzone bevölkern und ihren (menslien) Reitum ausmaen.
Die kognitive Kartierung der Interzone Fredric Jameson ( ) hat behauptet, dass die Komplexität des Phänomens Globalisierung es nit mehr mögli mat, dass die Mensen, ihre Umgebung bewusst erfassen und verstehen können. Einige Überlegungen von Lukács weiterentwielnd folgert er daraus, dass die frühere Funktion von Kunst, eine kognitive Kartierung (cognitive mapping) der Welt für die Rezipienten zu er11
Für die weitere Einordnung von Liter als Beispiel für lmise Ansiten der deutspolnisen Grenzregion vgl. Halle .
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möglien, innerhalb dieser Komplexität von Zeit und (globalisiertem) Raum überhaupt nit mehr mögli sei. Dieser Behauptung ist zu widerspreen. Die Filme, die hier diskutiert wurden, zeigen Tendenzen einer Neuorientierung des Zusauers auf. Natürli ist es nit die einzige und sier nit die witigste Funktion von Romanen, Filmen und Kunst, eine sole Kartierung der ökonomisen und gesellsalien Verhältnisse zu erstellen. Aber es gibt do immer wieder Kunstwerke, die es mögli maen, dass Mensen über verdinglite Verhältnisse hinaus eine neue Einsit in ihre gesellsalie Verortung gewinnen. Eine sole Wahrnehmungsorientierung leistet Die wundersame Welt der Waskra, genauso wie Der Pianist eine neue Ges itsorientierung zu erkennen gibt. Die neuen Spiellme und die Förderritlinien der DPCF zeigen au, dass weitere Filmexperimente zu erwarten sind, in denen ein erweiterter deuts-polniser Horizont inszeniert wird. Das ist genau das Potential des Apparats Kino als Teil von Globalisierungsprozessen. Das bewegte Bild und der montierte Film zeigen Beziehungen auf, die keinem individuellen Auge zugängli wären. Sie malen Landsaen und Beziehungen aus, die vorher nit vorstellbar waren. Diese Wahrnehmungs(neu)orientierung erweitert die Fähigkeiten der Zusauer, si in ihren wirtsalien und kulturellen Verhältnissen zuret zu nden. Das Kino ermöglit damit dem Zusauer, bewusst in seiner Interzone zu verkehren.
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Andreas Dresens Natgestalten Wendepunkt in der Entwilung einer künstlerisen Handsri Laura G. McGee
Andreas Dresen ist heute als ein ausgesproen kreativer Filmemaer bekannt, der sowohl bei Dokumentarlmen (Herr Wimann von der CDU [D ]) als au bei Spiellmen Regie führte. Seine Spiellme basieren auf literarisen Vorlagen (Willenbro [D ]), Drehbüern von drien (Die Polizistin [D ], Sommer vorm Balkon [D ], Whisky mit Wodka [D ]) oder selbst entwielten Stoen (Natgestalten [D ]). Eine für ihn typise Form des Arbeitens besteht darin, seinen Darstellern nur geringe Vorgaben zu maen und ihnen Raum für Improvisation zu lassen (z.B. in Halbe Treppe [ ]) oder ledigli einen groben „Szenenfahrplan“ (vgl. Wolke -Pressehe ) zu entwerfen, um möglist viele Elemente des Films gemeinsam mit den Darstellern und dem Team vor Ort entwieln zu können. Betratet man seine zwisen und produzierten Filme, kann man folgende Entwilungen feststellen: eine Zunahme ästhetisen und methodisen Experimentierens, einen stärkeren Input seines seit langem zusammenarbeitenden Teams und eine verstärkte künstlerise Risikobereitsa. Im Verlauf dieses Entwilungsprozesses ist eine für Dresen typise künstlerise Handsri entstanden. Einen besonderen Platz in diesem Prozess nimmt der Stadtlm Natgestalten ein. Der vorliegende Beitrag untersut diesen Film im Hinbli auf Veränderungen in Dresens Arbeitsweise, die zu jener wirkli keitsnahen sozialen Authentizität führte, die seine künstlerise Hands ri seit Natgestalten bis heute prägt.1 1 Die Autorin dankt Prof. Dr. Dieter Wiedemann, Präsident der Ho sule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ho sulbibliothek für ihre Unterstützung während der Arbeit an diesem Beitrag sowie Dr. Stephan Böenförde und Dr. Kirsten Harjes für die Ratsläge zur deutsen Fassung. Dank gebührt au der Western Kentuy University, die der Autorin / ein Forsungsjahr gewährte, um über die Filme von Andreas Dresen zu sreiben. Der vorliegende Beitrag basiert auf einem no nit abgeslossenen Bumanuskript.
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_12, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Hintergründe zur Entstehung der Filmidee und der Filmguren Natgestalten ist Dresens erster Kinolm seit Stilles Land (D ), seinem Abslusslm für die Hosule für Film und Fernsehen.2 Natgestalten entstand na einer Serie von Fernsehproduktionen, von denen einige einen na haltigen Erfolg erzielten, insbesondere Mein unbekannter Ehemann (D ), der wiederholt im Fernsehen gezeigt worden ist, und Raus aus der Haut (D ), der von der DEFA Film Library in Massauses als DVD international vermarktet wird. Filmproduzent Peter Rommel, der bis heute nit nur Dresens Filme produziert (etwa Wolke [D ] oder Whisky mit Wodka), sondern ihm seit Natgestalten au wiederholt starke kreative Impulse gegeben hat,3 war son früh auf seine Arbeit aufmerksam geworden. besute er für einen Filmverleih die Dokumentarlmwoe in Leipzig, bei der Dresens Studentenlm Jenseits von Klein Wanzleben (DDR ) in einer Parallelveranstaltung zum Festival gezeigt wurde. Rommel beeindrute vor allem die Verbindung von Humor und Gesellsaskritik – ein Element, das na wie vor für Dresens Filme arakteristis ist: In der Erinnerung war das für mi eine Vorführung, bei der si Inhalt und Gesellsa skritik, also der Standpunkt zur DDR-Wirkli keit, zur Entwilungshilfe, nur über das Bild, also über die visuelle Darstellung, erfahren ließ. Enorm clever fand i dabei, dass daraus Humor entstand – dass man über das Laen eine Erfahrung maen konnte und dass etwas über gesellsalie Zustände gezeigt wurde. (Rommel )
Rommel stellte darauin den Kontakt zu dem Produzenten Wolfgang Pfeier her, mit dessen Hilfe Dresen Stilles Land realisieren konnte. Wie kam es nun zu dem Film Natgestalten? Eigentli war der Film die Folge der gemeinsamen Arbeit von Rommel und Dresen mit der Drehbuautorin Laila Stieler 2 Während der Abnahme von So snell es geht na Istanbul ( ) an der Ho sule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ waren Dresens Professoren so beeindrut, dass sie ihm anboten, den Film als Diplomlm zu behandeln und Dresen auf dieser Grundlage einen vorzeitigen Absluss zu ermöglien. Dresen lehnte jedo ab, um mit Stilles Land im Jahr seinen ersten Film in Spiellmlänge zu vollenden, solange er no Student an der HFF war (vgl. Dresen ). 3 Dresens jahrelange Zusammenarbeit mit Mensen wie Rommel ist arakteristis für seine Regietätigkeit und versa ihm sieren Boden für eine söpferise Risikobereitsa. Rommel hat einen kleinen Auri in einer Nebenrolle in Natgestalten: Er verkau als Barkeeper in einem Untergrund-Te no-Club der Figur Joen eine Tüte Chips.
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an einem Filmprojekt, das auf den autobiographisen Aufzei nungen der früheren Polizistin Annegret Held basieren sollte, die
unter dem Titel Meine Natgestalten: Tagebu einer Polizistin publiziert worden waren. Do dieser Sto wurde sließli zur Grundlage und zum Auslöser von zwei versiedenen Filmen. Na einigen Überlegungen entsied man, dass Stieler die Arbeit an einem Drehbu fortsetzen sollte, das später zur Grundlage des Fernsehlms Die Polizistin wurde und si eng an Helds Erfahrungen anlehnte; Dresen hingegen entwielte an Helds Aufzeinungen anknüpfend das Drehbu zu Natgestalten. Rommel besreibt die Entseidung zugunsten zweier Filme – und damit für die Entstehung von Natgestalten – folgendermaßen: Wir wollten für Form und Inhalt einen radikaleren Ansatz konzipieren. Wir haben na mehr Authentizität gesut in den Gesiten. Wir wollten so nah wie mögli an der Wirklikeit von Berlin in dieser Zeit sein. Deswegen war es notwendig, dass Andy selber angefangen hat, diese Ges iten zu entwieln. (Rommel )
Während der Überlegungen zur Umsetzung von Anne Helds Ges ite in ein Drehbu, das als Grundlage zu Die Polizistin dienen sollte, interessierte Dresen si mehr und mehr für die Figuren um die Polizistin herum – für die Randexistenzen der Gesellsa, und so begann er mit der Arbeit an einem eigenen Drehbu.4 Das komplexe Geet der drei Parallelgesiten, das Dresen während seiner sesjährigen Arbeit an dem Skript für Natgestalten entworfen hat, enthält nur no wenig von Helds Erzählung. So wird beispielsweise in einem Satz in dem Bu von einer obda losen Person erzählt, der jemand einen -Mark-Sein in ihren Beer gestet hat und die erkennen muss, dass es gar nit einfa ist, si mit dem Geld einen neen Abend zu maen. Dieses ist der Ausgangspunkt der Hanna-und-Victor-Gesite im Film. Einer der ersten Handlungsstränge, die Dresen für Natgestalten entwielte, war die Gesite des kleinen Jungen Feliz aus Angola, der mit dem Flugzeug in Berlin landet und auf den glülosen Peske tri. Die Gesite basiert auf Dresens Reeren zu einem Dokumentarlm über Kinderheime – möglierweise zu Kuuskinder [D ]. Er erfuhr damals, dass sehr viele Kinder aus Entwilungsländern von ihren Eltern in der Honung auf eine bessere Zukun ohne Begleitung na Berlin ges it werden, und dass es eigens für diese Kinder ein Heim in Berlin gab (vgl. Dresen ). Seine Filmgur Feliz ist eines dieser Kinder. In einem Interview aus dem Jahr erklärt 4
Vgl. dazu au das Werkstagesprä mit Andreas Dresen in diesem Band.
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Dresen: „I fand es spannend, einen dem Erfolg na hetzenden Mensen wie Peske auf so ein Kind treen zu lassen.“ (Köhler ) Für die Figur der drogenabhängigen Prostituierten Pa y, Teil des Paares Pay und Joen, ließ si Dresen höstwahrseinli von der Ausreißerin Fanny inspirieren, der Protagonistin seiner Fernseh-Dokumentation Kuuskinder. Vermutli gehen au die Punks, die Peskes Auto stehlen, auf Dresens Erfahrungen im Milieu des „Kuuskinds“ Fanny zurü.
Die Gesite Natgestalten spielt im Berlin der Nawendezeit. Allerdings handelt es si dabei weniger um einen Berlin- als vielmehr um einen Großstadtlm: Denn obwohl die Stadt für alle, die Berlin kennen, identizierbar ist, vermeidet es der Film do zuglei, die bekannten Wahrzeien der Hauptstadt zu zeigen. Die Handlung erstret si vom Flughafen Tegel im Nordwesten über Kreuzberg im Zentrum bis Hellersdorf im Osten der Hauptstadt. Aber es ist nit jene sonst so o thematisierte Trennung zwisen Ost und West, die Natgestalten interessant mat, sondern das breite Spektrum von Randexistenzen und Marginalisierten und ihr Agieren in dieser einen Nat. Die Handlung ist von den drei genannten sehr untersiedlien Figurenpaaren bestimmt und ähnelt dem Auau der Figurenkonstellation aus Robert Altmans Short Cuts (USA ). Aber au Amores Perros (M ) von Alejandro Gonzales Iñárritu oder Crash (L.A. Crash, USA/D ) von Paul Haggis verwenden ähnlie ineinander verotene Erzählstrukturen. Während das Leben, das die Figuren in Natgestalten führen, manen Zusauern fremd vorkommen mag, erseinen die zentralen Gefühle, Bedürfnisse und Wünse, das Gefühl des Ausgeslossenseins und die Sue na Liebe und Sutz, die sie antreiben, sehr vertraut. So bringt Natgestalten den Zusauern die Erfahrungen jener Gesellsassiten näher, die ihnen vermutli größtenteils unvertraut sind, und stellt dabei gleizeitig ihre Vorstellungen von Obdalosen, Fremden und anderen Außenseitern in Frage. Mit der Anfangssequenz legt der Film seinen Swerpunkt auf die unteren Ebenen der Gesellsa: Die erste Einstellung zeigt einen nätlien regennassen Berliner Bürgersteig, auf dem die obdalose Hanna mit ihrem Hund sitzt und auf ein paar Grosen von Passanten ho. Kurzzeitig von einem einiegenden Flugzeug abgelenkt, das den Papst zu einem Besu na Berlin bringt, blit sie wieder na vorn und entdet den -Mark-Sein, den jemand in ihren Beer geworfen hat. Dieses geradezu wundersame Gesehen leitet für sie und ihren Freund Victor eine stundenlange Odyssee ein, immer
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auf der Sue na einer anderen Bleibe als jene selbst gezimmerte Hüe in einem Wälden an den Gleisen, in der sie normalerweise hausen. Beide hoen, dass dieser Geldsegen, zusammen mit Victors Einkünen aus dem Verkauf von Obdalosenzeitungen, es ihnen ermöglit, ein warmes Plätzen, eine heiße Duse und saubere Bewäse in einem Hotelzimmer zu nden – zumindest für eine Nat. Die auszehrende Herbergssue erseint fast biblis, und man ist versut zu glauben, dass sie den Segen des die Stadt besuenden Heiligen Vaters erhalten müssten, do stadessen ist dessen Anwesenheit eher ein Hindernis für die beiden, da es wegen des hohen Besus in der Stadt keine freien Hotelzimmer mehr gibt. Zusätzli ersweren ihnen weitere Hindernisse die Sue na einer mensenwürdigen Unterkun: Geldmangel, ein erbärmlies Erseinungsbild sowie die fehlende Heiratsurkunde (im ristlien Hospiz). Beim drien Anlauf, nadem sie bereits eine erheblie Stree in Berlin zu Fuß, mit Taxi und U-Bahn zurügelegt haben – inklusive eines unfreiwilligen Aufenthaltes auf der Polizeiwae –, nden sie endli einen Ort, wo man sie aufnimmt. Aber in der Pension wird Hanna der Moment der Wärme dur eine kalte Duse verdorben, und Victor ist trotz der Vorfreude auf die lang ersehnte Liebesnat bereits eingeslafen, bevor Hanna es ins Be sa. Am folgenden Morgen werden beide dur Bohren und Hämmern von Bauarbeitern gewet, die vor ihrem Fenster auf einem Gerüst bei der Arbeit sind. In Wiederholung der Erönungssequenz und zur Verdeutliung von Hannas Perspektive sieht man nur die Füße der Arbeiter. Mit einem unfreundlien Telefonanruf mat sie die Pensionsbetreiberin sließli darauf aufmerksam, dass die beiden verslafen und das Frühstü versäumt haben und unverzügli das Zimmer räumen sollen. Ausgere net in diesem Moment der Unruhe und des Unerwünstseins lieben si Hanna und Victor hingebungsvoll und stürmis. Die Wirkungskra der Gesiten in Natgestalten beruht auf der Ambivalenz der Charaktere. Diese tri besonders deutli in der Figur der Hanna zutage. Hanna ist nit nur ein rein passives Opfer. Sie trägt dur ihre aggressive und raue Persönlikeit selbst zu den Swierigkeiten bei, die ihr widerfahren. Zwar sleppt sie wenig materielles Gepä dur ihr Leben, do dafür sind ihre Begegnungen mit anderen stark vom emotionalen Gepä ihrer Vergangenheit bestimmt. Beispiele sind etwa ihr Ausrasten in der U-Bahn, als die Kontrolleure ihren Fahrausweis verlangen, oder auf dem Polizeirevier, als der Polizist die Existenz einer Toter erwähnt, deren Sorgeret Hanna entzogen worden ist. Es ist die Anhäufung von Erniedrigungen im Laufe ihres Lebens, auf die Hanna reagiert – no mehr als auf das Gesehen in den einzelnen Situationen in der Filmgegenwart. Jeder der Mensen, dem sie begegnet, mat nur seine Arbeit – beispielsweise der Taxifahrer, der wegen sleter Erfah-
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rungen no vor der Fahrt bezahlt werden will, oder die Frau im ristlien Hospiz, die für ein Paar ohne Trausein das letzte Zimmer do nit freigeben darf. In dieser brutalen Welt der Knappheit sind sowohl Hannas Perspektive als au die ihres jeweiligen Gegenübers bis zu einem gewissen Grad navollziehbar, und das mat die Figuren und ihre Probleme interessant. Wie Dresen an anderer Stelle sagte, sind es die versteten Wahrheiten, „the truths in-between,“ die ihn besäigen, nit die oensitlien „simple truth[s].“ (Kagel ,
) Hannas Partner Victor ist ihr geduldiger Gegenpart – solange, bis sie irgendwann den Bogen überspannt und ihm der Kragen platzt. „Warum musst Du immer alle Leute angreifen?“, sreit er verzweifelt, nadem sie das Zimmer in dem ristlien Hospiz fast bekommen häen, wäre Hanna nur in der Lage gewesen, si zu beherrsen. In der darauolgenden Szene, die auf einer Brüe im nätlien Regen spielt, wendet si das Verhältnis des Paares: Hanna grei Victor an, er erwidert ihre Aaen, prügelt sie, bis sie beinahe bewusstlos ist und lässt sie dann auf der Straße liegen. Minuten später wandert der -Mark-Sein von ihr zu ihm – und sie nden eine Unterkun für die Nat. Der -Mark-Sein ist das verbindende Motiv zwisen der Gesite von Hanna und Victor und der des jungen Landwirts Joen, der mit der drogenabhängigen Prostituierten Pa y die Nat verbringt. Joen ist mit dem Zug aus einem Ort nördli von Berlin gekommen. Er hat ein Bündel -MarkSeine bei si, um es für Sex auszugeben. Ihm selbst ist es kaum mögli, über dieses Bedürfnis zu spreen, wie in dem Dialog zwisen ihm und einem Taxifahrer zu Beginn der Gesite deutli gemat wird. Dieser Taxifahrer stellt si später als das Bindeglied zwisen allen drei Paaren heraus. Joen ist das spriwörtlie „Landei“ slethin, was zu einem Kulturclash mit den abgehärteten Stadtbewohnern führt. Im Verlauf der Nat mat er der minderjährigen Prostituierten Pa y romantise Anträge, während ihr eiskaltes Herz seine naiven und ihr gegenüber wohlwollenden Avancen abwiegelt. Erst in der letzten Szene zwisen ihr und Joen zeigt sie ein wenig Mitgefühl und stet ihm einen -Mark-Sein zurü in sein Portemonnaie, nadem sie ihm den ganzen Rest bereits gestohlen hae. So endet Joens Aufenthalt in Berlin, wie er begann, mit einem Diebstahl, denn bereits bei seiner Ankun auf dem Bahnhof wurde ihm seine Tase entrissen. Der zurügelassene Sein deutet aber denno eine Veränderung an. Au diese Begegnung hat Spuren hinterlassen und die Figuren und ihr Handeln verändert. Ein -Mark-Sein weselt au in der Gesite des kleinen Feliz aus Angola („Felix“ bedeutet „der Glülie“, an einer Stelle im Film au „der Talisman“ genannt) und des gehetzten Gesäsmannes Peske den Besitzer. Besser als jedes andere der drei Figurenpaare sind es Feliz und Peske, die die Menslikeit und Honung repräsentieren, die Dresen im Verlauf des Filmes
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immer wieder herausarbeitet. Obwohl Feliz sehr jung ist, hat seine Familie ihn na Deutsland gesit. Der unglüselige Peske, der si wiederholt als Rassist zu erkennen gibt, besuldigt Feliz zunäst, ihn bestohlen zu haben. Als dieses Missverständnis geklärt ist, nimmt er das Kind eher widerwillig unter seine Fiie und slägt si bei dem Versu, Feliz seinem Empfänger Ricardo zu überbringen, die Nat um die Ohren. Ein „running gag“ sind Pes kes Versue, si mit einigen Broen Spanis mit dem Jungen zu verständigen, der zum einen eigentli Portugiesis sprit und zum anderen stumm bleibt bis zum letzten Moment, in dem er beim Absied ein herzzerreißendes „Vielen Dank“ radebret. In so ziemli allem, was Pes ke unternimmt, ist er ein Versager („Pes ke“ wie „Pe“), der nur dann gewinnt, wenn er tut, was er eigentli nit will: ne zu dem kleinen Jungen zu sein. Vor einer Kneipe in Kreuzberg wird Peskes Auto von denselben Punks gestohlen, die Joen zuvor am Bahnhof die Tase entrissen haen und die Hanna na dem Streit mit Victor von der Straße ziehen werden. Auf der Polizeiwae mat ein Polizist (gespielt von Axel Prahl in einer seiner ersten Filmrollen) Peske nur wenig Honung, dass der Wagen wieder auauen wird, denn: „Der Papst ist in der Stadt.“ Peske selbst stellt gegen Ende des Films fest: „I bin und bleibe eine Null“ – und trotzdem verändert si das Leben beider dadur, dass er si um Feliz kümmert. Als Peske Ricardo sließli am Telefon erreit und klar wird, dass dieser Feliz am kommenden Morgen in Empfang nehmen wird, umarmt Feliz Peske spontan – eine Geste, die Peske sitbar peinli und ihm neu ist. Die untersiedlien Stränge der drei Gesiten spielen an untersiedlien Plätzen in Berlin, ohne dass es zwisen den Paaren – Hanna und Victor, Joen und Pay, Peske und Feliz – jemals zu einem direkten Kontakt kommt. Die Nebenguren allerdings, etwa der Obdalose namens Zombie, der Taxifahrer, der im Laufe des Films mit allen drei Paaren zu tun hat oder die Punkergang, verbinden die drei parallelen Handlungsstränge. Außerdem ist der Film so strukturiert, dass die einzelnen Szenen dur gemeinsame Elemente – gleie Transportmiel (Taxi, Krankenwagen) oder Aktionsformen (Eintreten in einen Raum, Verlassen eines Raumes, Telefonieren etc.) – verknüp werden und so ein erzählerises Kontinuum entsteht. Dass derselbe Taxifahrer mindestens einen Partner der drei Paare – manmal sogar beide – fährt, gibt dem Zusauer das Gefühl, diese Großstadt Berlin sei do ein Dorf. Weiterhin verursat der ‚unmöglie Zufall‘, dass dieselben Punks, die von Joen ein paar Euro bekommen, au die bewusstlose Hanna von der Straße holen und Peskes Auto stehlen, einen Verfremdungseekt, der der sonst sehr wirklikeitsnahen Ästhetik widersprit und den Zusauer daran erinnert, dass hier eine Gesite erzählt wird.
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Alle drei Figurenpaare sind indirekt von den Auswirkungen des Papstbesues in der Stadt betroen, entweder vermielt dur Nariten in Radio oder Fernsehen oder dur Bemerkungen der Gesprä spartner (über die Verkehrsprobleme, über ausgebute Hotels, Demonstrationen in der Stadt oder Behinderungen der Polizeiarbeit). Jeder der Erzählstränge ndet seinen Höhepunkt in einer Sutzzone – Hanna und Victor in der Absteige, Pay und Joen in der WG, Feliz und Peske in Peskes Wohnung – wo Bilder vom Papstbesu im Hintergrund im Fernsehen zu sehen sind. Keine der Figuren senkt jedo der Papstberiterstaung Aufmerksamkeit, denno sind sie direkt oder indirekt vom Papstbesu betroen: als Porträt im ristlien Hospiz, das Hanna und Victor als Unverheiratete kein Zimmer vermietet; aus dem O dient die Papstmesse als Geräuskulisse für Joens poetise Landwirtsasbetratung, während Pa y darüber eins lä; und Feliz zappt dur die Papstmesse zu einer Pornoshow. Ledigli Whiskas, Hannas Hund, seint die Papstmesse zu verfolgen und brit in tiefes Gähnen aus. Es ist ein Merkmal von Dresens früheren und au seinen späteren Filmen, Autoritäten in Frage zu stellen. Ein Beispiel aus Dresens Filmsaen vor Natgestalten ist etwa sein Studentenlm Was jeder muss … (DDR
), in dem die Notwendigkeit der Wehrpit in der DDR und die Gestaltung der Wehrzeit dur die Militärführung (fern von der Familie, au zu Feiertagen, au für einen jungen Vater) in Frage gestellt werden. Bemerkenswert in diesem Kontext sind weiterhin der Fernsehlm Das andere Leben des Herrn Kreins (D ), in dem ein Spitzel das Objekt seiner Spionage besut, nadem seine Aufgaben und demzufolge au seine Bedeutung für den Staat na einem Regimewesel nitig geworden sind, sowie der Fernsehlm Raus aus der Haut, in dem zwei junge Mensen feststellen, dass ihr Suldirektor do nit der Bösewit ist, für den sie ihn gehalten haen, worauin ihr eindeutig vorgeprägtes Weltbild ein wenig aurit. Mit Natgestalten setzt eine Wende ein. Dresens Kritik ritet si nun weniger auf bestimmte Personen oder Einritungen und mehr auf gesellsalie Strukturen allgemein. In Natgestalten steht der Papst für den Anspru der Gesellsa (Deutsland zu Beginn des . Jahrhunderts) mensli zu sein, sogar barmherzig – au oder vor allem ihren swästen Mitgliedern gegenüber. Der Papst bendet si zwar in der Stadt, aber Dresen stellt ihn nur indirekt und deshalb als sehr entfernt dar – als Fotoporträt, Fernsehbild, oder als Ursae von Verkehrsstaus, und seine Messe ist nur im Hintergrund als Geräuskulisse wahrnehmbar. Für die Protagonisten sind der Papst und die von ihm verkörperten Werte eine Illusion. Dresen spitzt seine Kritik ironis zu, beispielsweise dur das Gähnen des Hundes, das einzige Wesen, das die Messe mit Aufmerksamkeit verfolgt. Dresens Gesellsaskritik wird humorvoll ausgedrüt, niemals belehrend. Es geht ihm nit um das
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Christlie, sondern um das allgemein Menslie. Als spätere Beispiele für die Weiterentwilung dieser Tendenz stehen Die Polizistin, angelegt im Milieu des sozial benateiligten Lüen-Klein in Rosto, sowie Sommer vorm Balkon, der die Probleme von Katrin, einer arbeitslosen, alleinerziehenden Muer im Prenzlauer Berg darstellt.
Methoden und Ästhetik Natgestalten markiert einen witigen Sri in Dresens Filmsaen, da er hier zum ersten Mal mit einer Reihe von Teniken und Ansätzen experimentiert, die für diesen, aber au für spätere Filme ausgesproen ertragrei werden sollten. In einem unveröentliten Interview aus dem Jahr besreibt Dresen Natgestalten als „ein[en] innere[n] Befreiungsslag“ und setzt den Film an den Anfang einer Art Trilogie der Entwilung seines Filmsaens, die – so erzählte er – über Die Polizistin sließli mit Halbe Treppe ihre Vollendung und ihren Endpunkt fand (Dresen ). Aus heutiger Perspektive kann man Wolke duraus als vierten Film in dieser Entwilung sehen. Im folgenden Abs ni skizziere i die Genese dieser Entwilung, die mit Natgestalten beginnt und si über die „Trilogie“ sowie Dresens letzte Filme fortsetzt. Somit entsteht ein ronologiser Bogen von Dresens Zeit an der Filmhosule bis zu seinen Filmen der letzten Zeit – ein Zeitraum von zwanzig Jahren mit einem Swerpunkt auf den Jahren bis , in denen eine Bewegung hin zu einem „befreiten Film“ zu erkennen ist, deren Höhepunkt bisher Wolke bildet. Dresen hat wiederholt die besondere Bedeutung seiner Ausbildung an der Hosule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ betont, die mit einem anderthalbjährigen Dokumentarlmstudium begann, dessen Gegenstand das Erzählen existierender Gesiten war (vgl. Vahabzadeh ).5 Die Ausbildung an der Filmhosule vermielte ihm die Grundlagen des Filmhandwerks. Diese ermögliten ihm, in der Zeit na seinem Spiellmdebüt Stilles Land bis zu seinem ersten Kinoerfolg Natgestalten Projekte fürs Fernsehen erfolgrei dur zuführen. Damit sae er den Sprung in die Filmproduktionsbedingungen der Zeit na der Wende – in den Dsungel, wie HFF-Absolvent Andreas Kleinert es formulierte und Dresen später bestätigte (Dresen – , ). In den neunziger Jahren sind unter Dresens Regie eine Reihe inhaltli sehr interessanter Produktionen realisiert worden, darunter die zwei oben erwähn-
5
Vgl. au das Werkstagesprä mit Andreas Dresen in diesem Band.
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ten Produktionen aus den Jahren und , aber au der wiederholt im Fernsehen ausgestrahlte Mein unbekannter Ehemann und eine Folge von Polizeiruf : Der Taus (D ). Denno war die Zeit gekommen, das Eigene stärker herauszuarbeiten. Zwar hae ihm das „konventionelle erzählerise Filmhandwerk an der Babelsberger Filmho sule“ sehr gut gedient, aber, wie er über die Zeit resümierend bemerkte, „gab es niemand[en], der sagte, das kannst du, so jetzt gibt es au einen anderen Weg für di, also diese Provokation fehlte – ästhetis und inhaltli.“ (Dresen ) Mit dem Projekt Natgestalten kam für Dresen ein Wendepunkt: I hae bei meinen ersten Produktionen bis Natgestalten immer das Gefühl, dass i mir was suldig bleibe, dass i nit mutig genug bin, dass die Filme – um das bildli zu formulieren – ein bissen an Krüen gehen, und i ja damit au. Mir fehlte der Mut, das Tor zum Rei der Freiheit aufzustoßen, […] dass man au den Drehprozess mehr als kreativen Prozess begrei, wo man nit nur Dinge umsetzt, die man si vorher am Sreibtis ausgedat hat, sondern wo ganz was anderes passiert. Mit Natgestalten war ein Projekt da, das fast zwangha eine neue ästhetise Form verlangte. (Dresen )
In Interviews ist Dresen o gefragt worden, ob er mit Natgestalten eine Art DOGMA-Eekt erzielen wollte.6 Dresen wies jedo den Bezug seines Films zur DOGMA-Bewegung zurück und erklärte immer wieder, er habe von dem DOGMA-Manifest erst erfahren, als er bereits mit dem Material am Sneidetis saß (vgl. Hallberg/Wewerka , ). Jeder Film sei ein gesaffenes, gestelltes Werk, selbst DOGMA-Filme, wie Dresen betont. Was er jedo mit den Vertretern von DOGMA teile, sei der Antrieb, eine Gesite aus der Seele heraus zu erzählen (vgl. ebd., ). Um dieses zu erreien, wi Dresen von der sehr klassisen Ausbildung an der Filmhosule ab, na der man versut, alle Aspekte eines Filmes im Voraus zu planen: Mein Go: warum maen wir eigentli immer nur das, was wir uns vorher ausgedat haben? Wo bleibt die Kreativität am Drehort? Wo bleibt das, was Sauspieler einbringen können, und all das, was zufällig entsteht? […] I sute na einer Möglikeit, die Sauspieler zu befreien – befreie i sie, befreie
6 Hier wird auf das Manifest Dogme von Lars von Trier und Thomas Vinterberg aus dem Jahr Bezug genommen. Darin steht ein sogenanntes „Keus heitsgelübde“ für das Filmemaen in zehn Punkten. Unter den ersten dänisen DOGMA-Filmen waren Vinterbergs Das Fest und von Triers Idioten, beide aus dem Jahr .
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i au mi als Regisseur. Dadur lasse i eine größere Oenheit zu, so dass au andere Leute den Prozess beeinussen können. (zit. n. ebd., f.)
Ansta einem von außen auferlegten Dogma zu folgen, fand Dresen es witiger, seinen eigenen Weg zu gehen und zuglei für Impulse von einem kreativen Team oen zu bleiben. Dies kann teilweise au als seine Reaktion auf die Beziehungskomödien der er Jahre gesehen werden; es ist zuglei ein Sri auf seinem Weg hin zum eigenen Stil. sagte Dresen: Seit Jahren son werden die Produktionen immer glaer, immer konfektionierter, um jetzt auf künstlie Art aufgeraut zu werden und diesen Look verpasst zu kriegen, weil das eben gerade modern ist. […] Dogma möte Kreativität freisetzen und kein einfaes Naäen. Man kann nur versuen, seinen eigenen, originären Weg zu nden. (ebd., )
Es war vor allem Dresens Wuns, das Straßenleben Berlins so wirklikeitsnah wie mögli auf die Leinwand zu bringen, der eine radikal neue Herangehensweise erforderte. Sriweise önete si Dresen bei den Dreharbeiten zu Natgestalten für das, was aus der kreativen Teamarbeit und aus der Improvisation mit den Sauspielern entstand. Er legte es auf Unvorhergesehenes geradezu an, indem er Laiensauspieler mit professionellen Sauspielern arbeiten ließ; er hielt es für notwendig, das Team zu reduzieren, um spontaner auf das Vorgefundene reagieren zu können – alles Innovationen, die mit Natgestalten begannen und in darauolgenden Filmen der Trilogie no stärkeren Einuss nahmen, bis Dresen si mit Halbe Treppe gänzli vom Drehbu befreite und nur no mit einer Idee und Figurenbiographien als Ausgangspunkte arbeitete (Dresen ).7 Für Wolke reduzierte er Vorlage und Team no weiter, was er seinen Äußerungen im Sommer zufolge – nur ein Jahr na Ende der Arbeit an Halbe Treppe – selbst nit für mögli gehalten häe. Dresens ursprünglie Herangehensweise an Natgestalten war eine traditionelle, von der er si aber im Verlauf der Arbeit zu lösen begann. Er hae das Drehbu über mehrere Jahre gesrieben und betonte, eine ganz besondere Beziehung zu dem Sto entwielt zu haben (vgl. Dresen ). Er und sein Kameramann Andreas Höfer haen ein Storyboard ausgearbeitet, in dem jede Einstellung im Voraus geplant war. Als si Höfer allerdings mit seiner mmKamera frei zu bewegen begann, um auf die Notwendigkeiten der jeweiligen Filmsituation zu reagieren, ließ si Dresen zunehmend von seinen Intuitionen
7
Zu Halbe Treppe vergleie au den Artikel von Andy Räder in diesem Band.
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leiten und gab den Darstellern mehr Freiraum zu agieren. Sowohl Rommel als au Dresen führen eine Szene auf der Polizeiwae als den entseidenden Wendepunkt an, an dem die Bedeutung der Improvisation oenbar wurde (vgl. Dresen ; Rommel ). In dieser Szene nimmt ein Polizist, gespielt von Axel Prahl, Hannas Personalien auf, nadem sie in einen Streit mit U-BahnKontrolleuren geraten war. Das Team spielte die Szene zunäst genau so, wie sie im Drehbu festgelegt war; dann hae Dresen die Idee, die Darsteller jene Momente improvisieren zu lassen, die dieser Szene häen vorausgehen können. Das Ergebnis besaß eine Lebhaigkeit, von der Dresen überzeugt war, dass sie über das Drehbu hinausging, und so önete er si in der Folge zunehmend für Improvisationen als eine möglie Arbeitsweise während des Drehprozesses (vgl. Dresen ). In der Form, in der die Szene sließli na dem S ni in den Film aufgenommen wurde, beziehen si einige Elemente auf das Drehbu, andere basieren auf improvisiertem Material. Dresen hat in Interviews o die Improvisationsarbeit des Sauspielers Miael Gwisdek als eine Bereierung für die Figur Pes ke und für den Film besrieben. Im Verlauf der Filmarbeiten fügte Gwisdek seinen Texten viel Eigenes hinzu und mate damit den griesgrämigen, immer latent rassistisen Peske lebendiger. So gehen auf Gwisdeks Improvisationen Sätze zurü wie „Bei eu in Afrika ist au nit immer aufgeräumt“ (im Moment, als er Feliz in seine Wohnung bringt) oder „Go sei Dank! Keine Polen!“ (als er erfährt, dass sein Wagen von einer Gruppe Berliner Punks gestohlen worden ist). Gwisdek bekam auf der Berlinale den Silbernen Bären für seine Rolle in dem Film. Eine andere Form der Improvisationsarbeit mit seinen Darstellern, von der Dresen si mehr Realitätsnähe verspra, wurde in der Anfangsszene des Stundenhotels mit Joen und Pa y ausprobiert: Während Dresen und die Darstellerin Susanne Bormann (Pa y), damals gerade im zwölen Suljahr, den Ort mehrfa besuten, um die Atmosphäre aufzunehmen (ein etes Berliner Stundenhotel inklusive der tatsälien Inhaberin), brate Dresen den Sauspieler Oliver Bäßler (Joen) ganz bewusst erst mit Beginn der Dreharbeiten an den Ort. So betreten sowohl der Darsteller als au die dargestellte Figur erst im Moment des Drehs der Einstellung zum ersten Mal den ihnen fremden Raum – was erhebli zur Überzeugungskra von Bäßlers Reaktion auf die kalte und sterile Atmosphäre beiträgt. Rommel nannte später den Sri Dresens, si Ungeplantem zu önen, einen Quantensprung in dessen Filmsaen (vgl. Rommel ). Um bei den Dreharbeiten zu Natgestalten mehr Raum für Improvisation zu saen, baute man für einige Szenen Grundlitäen und lmte von der Sulter, damit si die Sauspieler etwas freier bewegen konnten. Dur die langjährige Arbeit mit Kameramann Andreas Höfer entstand eine Basis,
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die Dresen den Mut gab, von Vorgeplantem abzulassen und si der kreativen Arbeit seines Teams zu önen (Dresen ). Der Übergang zu mehr Improvisation wurde bei den Dreharbeiten zu Die Polizistin etwa ein Jahr später no deutlier. Als Beispiel besreibt Dresen eine Szene, in der eine Prostituierte auf der Polizeiwae dursut wird. Obwohl es ein Drehbu gab, ließ Dresen die Szene improvisieren. Das daraus Entstandene gab der Szene ein viel größeres Gewit (Dresen ). Der Kameramann von Die Polizistin, Miael Hammon – ein „Spezialist für den Rissswenk“, wie Dresen sagt – nahm die improvisierten Szenen besonders eektiv auf, ohne detaillierte Abspraen mit dem Regisseur (ebd.). So begann Dresen anders zu lmen, um mehr Raum für die Improvisation zu saen. Dresens Vorstellung bezügli der Besetzung für Natgestalten brate ihn in einen Konikt mit den potentiellen Filmverleihern, die meist bekannte Darsteller bevorzugen, um den Film besser vermarkten zu können. Dresen staete seinen Film jedo mit einer Misung aus bekannten Filmsauspielern (wie Gwisdek), weniger bekannten Theatersauspielern (Bäßler und zu jenem Zeitpunkt Prahl), Laiensauspielern (etwa dem obdalosen „Zombie“ oder dem obdalosen Zeitungsverkäufer, die beide dem Berliner „Raentheater“ angehören) und Personen aus dem jeweiligen Milieu aus (wie den beiden Neonazis im Aufzug in einem Hellersdorfer Wohnhaus, den Punks oder der Stundenhotelbetreiberin). Mitglieder des Teams erseinen in kleineren Rollen, etwa die Kostümbildnerin Grit Krosse als Besitzerin eines Imbissstandes oder Dresen selbst, der in einer Statistenrolle als Flughafenangestellter erseint. Dresen erkannte au die Produktivität der Dynamik, die entsteht, wenn ein professioneller Sauspieler und ein Laiensauspieler aufeinander treen: „In solen Szenen muss es einen Sauspieler geben, der die Szene führt und die Form reinbringt, die der Laie dur seine Lebendigkeit unterläu.“ (Tielba ) Au Angehörige des jeweiligen Milieus einzusließen erweist si häug als Vorteil. So ist Dresen der Meinung, dass sie o die angemessenere Sprae verwenden als das Drehbu und dass dies so zur Realitätsnähe beiträgt. Dies stellt natürli au eine besondere Herausforderung dar: Die Punks wurden erst in den Film aufgenommen, nadem sie si na mehrfaem Einbestellen als zuverlässig erwiesen haen; das Mitglied der Theaterkompanie „Raentheater“, das mit Peske in der Kreuzberger Kneipe sprit, war ein ehemaliger Alkoholiker, der natürli keinen Tropfen Alkohol während des Drehs anrühren dure. Die Frage na der Besetzung seiner Filme mit weniger bekannten Sauspielern stellte si erneut bei Die Polizistin, wie Dresen in dem Werkstagesprä in diesem Band beritet. Für diesen Film kam aus seiner Sit keine Besetzung mit Stars in Frage, und er bestand darauf, den Film frei na seinen Vorstellungen zu besetzen.
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Bei den Dreharbeiten zu Natgestalten sowie später zu Die Polizistin wurde Dresen mit Situationen konfrontiert, in denen er Vorgefundenes gern in stärkerem Maße eingebaut häe. Der kreative Prozess vor Ort beinhaltete nit nur die Improvisation, sondern au die Verwendung von vorgefundenem Material und Personal. Teilweise bereute er es sehr, mit einem detailliert ausgearbeiteten Drehbu zu arbeiten. Grund dafür war, dass mit einem Aufwand an Te nik und Personal gedreht werden musste, der notwendigerweise die spontane Reaktion auf das Umfeld aussloss. Bei den Dreharbeiten zu Natgestalten war ihm dies son aufgefallen, als Regen in einer Szene aufgrund der Parallelstruktur der Gesiten Regen au an einem anderen Ort erforderte, oder als bei den häugen Natdrehs mehr Statisten eingesetzt werden mussten, wie für die Szenen am Flughafen Tegel oder auf der Polizeiwae (Dresen ). Bei den Dreharbeiten zu einer Szene in Die Polizistin im Foyer einer Bank störte ihn diese Einengung erneut. Als der Drehstab an dem Abend am Drehort eintraf, hielt si dort eine Gruppe Jugendlier auf, die Dresen sehr gern mit aufgenommen häe. Aber als sein Team endli drehbereit war, haen si die Jugendlien bereits entfernt. So entstand die Idee, si zunehmend von einem im Detail ausgearbeiteten Drehbu zu befreien, um somit mit einem kleineren Team auszukommen und exibler zu sein. Er zog aus der Arbeit an Die Polizistin den logisen Sluss, kein Drehbu haben zu dürfen (Dresen ). Den Film Halbe Treppe produzierte er mit einem Team von sieben Personen (Kamera, Ton, Regie, Produktionsleiter, S ni, Ausstaung, sowie Kostüm und Aufnahmeleitung in einer Person), und ritete si nit na einem Drehbu. Stadessen waren die Grundidee, der Ort, eine kurze Skizze der Handlung und die Biographien der vier Hauptguren auf etwa siebzehn Seiten festgehalten worden (Dresen ). Die Dialoge wurden im Wesentlien improvisiert. Reale Orte, Mensen und sogar Gesehnisse aus dem Leben der Sauspieler wurden eingebunden. In der intensiven Zusammenarbeit von Regisseur, Team und Sauspielern vor Ort konnte dadur etwas Eigenes und Kollaboratives entwielt werden. Indem er oen für Impulse von anderen blieb, hoe Dresen eine no größere Authentizität zu erreien, als er sie im Voraus planen konnte. Diesen Ansatz führte er mit Wolke fort. So sprit Dresen in den „Produktionsnotizen“ zu Wolke nit von einem Drehbu, sondern von einem „dramaturgisen Gerüst für die Gesite.“ (Wolke -Pressehe ) Aufgabe der vier Co-Autoren war es, „die Figuren genau zuretzulegen, eine Struktur für die Story zu nden, szenise Ideen zu sammeln und alles in eine erzählerise Ordnung zu bringen. Die Sauspieler wurden dann in den Stoentwilungsprozess einbezogen, und gemeinsam wurden umfangreie Biographien der Filmaraktere erarbeitet, um einen Rahmen für die improvisierten Dialoge zu steen.
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In seinem Bemühen um Authentizität unternahm Dresen bei Natgestalten weitere Srie, die ihn zuglei weiter von den DOGMA-Anhängern entfernten. Zum einen gab er dem mm-Film einen grobkörnigeren Charakter, zum anderen manipulierte er einige Teile des Films in einer Bleibadüberbrüung, um die Farbsäigung zu reduzieren. Damit wird gerade in den Natszenen die Breite der Farben deutli eingesränkt: Die Blautöne werden hervorgehoben, Grün- und Grautöne werden kräiger, und die Hell-Dunkel-Kontraste treten stärker hervor. Dresen erklärte seine Motivation für diesen Sri folgendermaßen: „Manmal muss man eben Wege gehen, die zunäst zu seinbaren Verfremdungen führen oder künstlerise Eingrie verlangen, um im Endeekt eine größere Authentizität zu erreien.“ (Hallberg/Wewerka , f.) Im Ergebnis stit Rot als Symbol der Honung – etwa im Rot der Rose, die Joen Pay überreit, oder im roten Irokesenkamm der Punkerin – deutli hervor. Einige Szenen sind bewusst überbelitet, um ihnen eine für den Betrater smerzhae Grellheit zu geben, etwa in der Szene des Tagesanbrus in Peskes Wohnung oder in dem Moment, als Pay und Joen am Morgen die WG verlassen. Diese Ästhetik untermalt die Spannung jeder Situation und steht in einem deutlien Kontrast zu der relativen Friedlikeit, die am Ende des Abends davor sließli erreit worden war. Der großstädtise Tagesablauf beginnt somit au optis von Neuem.
Natgestalten zehn Jahre später Einen Film ohne Käufer oder Verleiher zu maen, wie Dresen es hier getan hat, ist von einem Kritiker als „Kamikaze-Unternehmen“ bezei net worden (vgl. Hasselhorst ). Dresen erinnert si, dass die meisten Verleiher das Projekt abgelehnt haben, nadem sie erfahren haen, dass nur wenige bekannte Sauspieler beteiligt waren und dass der Film gesellsaskritis sein werde. Aber Dresen wollte, nadem er ses Jahre an dem Film gearbeitet hae, si nit selbst untreu werden und keine Zugeständnisse an den Massenges ma maen (vgl. ebd.). Er realisierte das Projekt auf Millimeter und hielt, von seinem Produzenten Rommel unterstützt, an seinen künstlerisen Vorstellungen fest – trotz der swierigen Finanzierung und der Extrakosten, die dur die Improvisationen im Rahmen der Dreharbeiten entstanden waren. Für Rommel war es eine Extremsituation: „Es war das Ende für mi. Es war mein erster eigenentwielter Film, und i wusste, das wird mein letzter sein.“ (Rommel ) Beide – Rommel und Dresen – setzten darauf, dass sie in der Lage sein könnten, den Film auf der Berlinale zu verkaufen. Unterstützt wurden sie vom Filmboard Berlin-Brandenburg und vier Fernsehsendern – ORB,
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MDR, SFB und Arte –, die einen Beitrag zu dem Drei-Millionen-Budget leisteten. Aber erst nadem der Film oziell zur Berlinale zugelassen worden war, zeigten si potentielle Verleiher interessiert. Rommel lehnte nun bis zur Berlinale-Vorführung am . Februar im Zoo-Palast jedes Angebot ab (vgl. Rommel ). Na der enthusiastisen Reaktion auf dem Festival und der Nominierung für einen goldenen Bären fand der Film binnen fünf Tagen einen Verleiher. Natgestalten lief im Sommer in den Kinos an und hae seine Fernsehpremiere am . Mai im Kulturkanal Arte. Das Presseeo war landesweit überwiegend positiv. Internationale Filmmagazine, etwa Variety, erklärten zu einem guten Jahr für das deutse Kino und slossen Dresen in die Gruppe der vielverspreenden deutsen Regisseure ein, unter ihnen Max Färberbö, Andreas Kleinert und Tom Tykwer (vgl. Foreman ). Einige Kritiker, wie z.B. Ulri von Thüna, bemerkten zwar, dass mehrsträngiges Erzählen im Film nit neu sei, zeigten si aber begeistert von Dresens Umsetzung. Thüna bezeinete Natgestalten als „hervorragend gelungen. […] Wir sehen Mensen, die wir gerne kennen lernen mögen. […] Die Dialoge stimmen, die Figuren stimmen, die Konikte stimmen. Ein Wunder.“ (Thüna ). Ralf Senk erklärte in Film und Fernsehen, dass gerade die Gegensätze, die man in Berlin nde, diesen Film so interessant maten, die „Größe und Kleinlikeit, Dre und Glamour, Stolz und Mief. Berlin ist die Summe seiner Bewohner, nit reduzierbar auf irgendein snelles, bequemes Slagwort.“ (Senk , ) Es sind gerade diese Gegensätze und Extreme in Berlin, die Dresen interessiert haben, weil für ihn die Probleme der Stadt die Probleme der gesamten Gesellsa repräsentieren. Dresen äuerte si dazu: Man muss son etwas krä iger gebaut sein, um hier zu überleben. Für mi ist die Stadt ein Bild für die Welt, in der wir leben. […] I würde mir wünsen, dass man wirkli gut, wie es den Leuten geht in diesem Land, in allen Siten. […] Unsere Gesellsa hier in Deutsland ist nit gerade die gereteste. Wir leben in einer Zeit immenser sozialer Spannungen. (Lauterba )
Dabei sind es jedo nit nur die gesellsalien, sondern au die wirtsalien Probleme, die Dresen interessieren. Seine Kritik, die er in einem Interview aus dem Jahr ausdrüt, klingt wie eine Reaktion auf die Finanzkrise der letzten Zeit und ist zutreender denn je: Die sozialen Spannungen in der Gesellsa werden immer größer, die Sere zwisen Arm und Rei kla auseinander. Da lohnt es si, genau hinzusauen. Man kann nit immer nur diejenigen zeigen, denen es gut geht – die Spe-
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zies der Gewinner in Bankhäusern oder Chefetagen. Wir haben vier Millionen Arbeitslose, das sollte man nit vergessen. (Köhler )
In den zehn Jahren seit dem Erseinen von Natgestalten hat Dresen wiederholt soziale Themen in seinen Filmen aufgegrien und dabei zuglei eine neue Ästhetik und neue Methoden entwielt. Das Studium des Filmkunstwerks und des sozialistisen Realismus an der Hosule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ diente als sierer Boden, von dem aus Dresen seinen eigenen Weg nden konnte. Aus seinen Erfahrungen als Regisseur s loss er, dass es für das Erzählen von bestimmten Ges iten besonders produktiv sein kann, wenn man nit versut, alles im Voraus zu planen, sondern si dem Zufall, der Improvisation, dem Vorgefundenen und der Mitarbeit von Teammitgliedern und Besetzung ö net. Bedeutend für die Überzeugungskra dieser Filmgesiten ist weniger, was man si vorher ausgedat hat, sondern wie man erzählt und was aus der gemeinsamen Arbeit im Team und vor Ort entsteht. Dabei bleibt der Regisseur als Knotenpunkt des kreativen Prozesses unentbehrli. In einem von mir geführten Interview mit Dresen im Jahr hielt es der Regisseur nit für mögli, die Entwilung zum befreiten Film, die mit Natgestalten angefangen hae, weiter zu führen. Damals sagte er über Halbe Treppe: „Damit ist der Weg au denitiv zu Ende gegangen, und i kann den au nit mehr weiter gehen. Es ist ein Endpunkt, denn i kann das Team weder no weiter verkleinern, no kann i mehr maen als das Drehbu weglassen.“ (Dresen ) Mit dem sehr erfolgreien Wolke hat er si selbst übertroen. Man kann nur gespannt sein auf den nästen Film von Andreas Dresen.
Literatur Dresen, Andreas ( ) Gesprä mit der Autorin am . . . Unveröentlit. Dresen, Andreas ( ) Audiokommentar des Regisseurs. Natgestalten DVD. Kinowelt Home Entertainment. Dresen, Andreas ( ) Gesprä mit der Autorin am . . . Unveröentlit. Dresen, Andreas ( ) Selbstauskun (Werkstagesprä) am . . . Berlin: Kino Babylon Mie. Dresen, Andreas ( – ) Vom Zoo in den Dsungel. Ostdeutse Filmkultur Jahre na dem Mauerfall. In: German Studies Association Newsleer, Vol. XXXIV, No., Winter, S. – Foreman, Liza ( ) Teuton helmers boost b.o. In: Variety v. . . . Hallberg, Jana/Wewerka, Alexander ( ) Zwisen Impuls und Korse. Andreas Dresen im Gesprä. In: Jana Hallberg/Alexander Wewerka (Hg.) Dogma : Zwisen Kontrolle und Chaos. Berlin: Alexander Verlag, S. –.
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Hasselhorst, Christa ( ) Verleih für gestrandete Gestalten gesut. Der Film des Potsdamers Andreas Dresen wird zwar hogelobt – aber wer zeigt ihn? In: Die Welt v. . . . Held, Annegret (
) Meine Natgestalten: Tagebu einer Polizistin. Frankfurt/M.: Eiborn. Jäger, Heidi ( ) Haben si ihre Seele bewahrt. „Natgestalten“ von Andreas Dresen startet mit Kopien. In: Atlas , S. . Kagel, Martin/Kagel, Laura Tate ( ) „I am interested in the truths in-between, not the simple truth“: Conversation with the German Director Andreas Dresen. In: dies. (Hg.) The Meaning of Culture. German Studies in the st Century. Hannover: Wehrhahn Verlag, S. –. Köhler, Margret ( ) Es lohnt si, genau hinzusauen… Ein Gesprä mit Andreas Dresen. In: Kinofenster + . Lauterba, Alexandra ( ) Ist Berlin für Sie eine gefährlie Stadt, Herr Dresen? Interview mit Andreas Dresen. In: Der Tagesspiegel v. . . . Rommel, Peter ( ) Gesprä mit der Autorin am . . . Unveröentlit. Senk, Ralf ( ) Berlin aus der „Raen“-Perspektive. „Natgestalten“ – ein Film von Andreas Dresen. In: Film und Fernsehen, H. /, S. –. Thüna, Ulri von ( ) Natgestalten. In: epd-Film, H. , S. . Tielba, Rainer ( ) Wenn Sauspieler plötzli Pommes verkaufen – Realistiser Honungsträger: Der Filmemaer Andreas Dresen. In: Die Welt v. . . . Vahabzadeh, Susan ( ) Der Geru des Stundenhotels. Reality Now: Ein Gesprä mit dem Berliner Regisseur Andreas Dresen zu „Natgestalten“. In: Süddeutse Zeitung v. . . . „Wolke “ ( ) Pressehe. Senator Film.
Auührung einer gewöhnlien Gesite Zum Performativen in Andreas Dresens Halbe Treppe Andy Räder
Knapp eine halbe Million Zusauer haben Andreas Dresens Halbe Treppe (D ) im Kino gesehen. Sowohl beim Publikum als au bei der Filmkritik erntete er einhelliges Lob und gewann zahlreie Preise bei nationalen und internationalen Festivals. Erstaunt über das außergewöhnlie Wirkungspotential des Films fragt Jan Sulz-Ojala in seiner Rezension zur Urauührung: „Wie kommt man zu einer so gewöhnlien Gesite, bei der dem Zusauer […] die Lu wegbleibt vor lauter Leben?“ ( ) In seiner Antwort führt SulzOjala als eine Erklärung die Inszenierungsstrategie Dresens an, vor allem die bewusste Einsränkung der Produktionsbedingungen: kleines Team, kein Drehbu, Einheitslohn für alle am Film Beteiligten, Dreh mit einer digitalen Handkamera und Improvisation von Handlung und Dialogen. Dresen selbst besrieb die Regeln für den Filmdreh in einem Interview mit Christina Nord folgendermaßen: „Es gab ein Arbeitskonzept, das festlegte, wie das Team strukturiert ist und wie man die Dreharbeiten auaut. Außerdem gab es eine Vorgabe für die Biografien der vier Figuren und einen losen Plot: […] Dialoge oder konkretere szenise Vorgaben haen wir nit, wir haben sie im Verlauf der Dreharbeiten gemeinsam entwielt.“ (zit. n. Nord ) Hierauf beruhte die Arbeitsweise während des gesamten Produktionsprozesses. Einen möglien Erklärungsansatz für die starke Wirkung des Films sehen einige Kritiker in diesem Regelwerk per se: Das Aufstellen bestimmter Regeln vor und während des lmisen Prozesses bildet einerseits eine Einsränkung, andererseits entsteht in dem engen Rahmen ein hohes Maß an Kreativität. Die si daraus ableitenden authentisen und wirkli keitsnahen Aspekte von Andreas Dresens Inszenierung sind unter anderem darauf zurüzuführen.1 Ohne Zweifel führt der Regisseur die Figuren in seinen Filmen mit feinem Gespür dur deren alltäglie Lebenswelt und ermöglit dem Zusauer miels ihrer minuziösen Zeinung eine Art ‚kritises Miterleben‘ der dargestellten Situationen. In Dresens Filmen spielt dieses Erleben und Mitfühlen eine
1
Vgl. hierzu Swartz ; Göler ; Susland ; Friedri .
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_13, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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besondere Rolle. Dur seine spezielle Art der Inszenierung, die eng mit dem Entstehungsprozess des Films verbunden ist, liefert er dem Zusauer zahlreie Ansatzpunkte, die Handlung und die dargestellten Figuren auf eine für Dresens Filme typise Art zu erfahren. Do lässt si die Wirkung von Halbe Treppe allein vor dem Hintergrund bestimmter Rahmenbedingungen bei den Dreharbeiten erklären? Und wie wirkt si dieser gemeinsame Erlebnis- bzw. Erfahrungsraum, der während des Filmdrehs entsteht, auf die Zusauer aus? Was die „gewöhnlie Gesite“ von Halbe Treppe für den Zusauer in besonderer Weise erleb- und erfahrbar mat, ersließt si nit aussließli dur die lmise Darstellung oder Inszenierung. In gewissem Sinne – und dies ist die Grundlage der folgenden Überlegungen – seint zur Bestimmung des Filmerlebens eine Perspektivänderung erforderli, die performative Aspekte einbezieht und den Übergang vom Werk zum Ereignis bzw. zur Aufführung arakterisiert. Vor dem Hintergrund der Deutung des Films als Auührung werden die performativen Elemente in Halbe Treppe sowohl unter dem Aspekt des Entstehungsprozesses als au des Wahrnehmungsprozesses gewinnbringend bestimmt. Demna ist eine ergänzende Betratung der dem Medium eigenen Performativität, wele auf die Ereignishaigkeit des Filmdrehs sowie der (Wieder-)Auührung im Kinosaal verweist, unumgängli. Bevor dieser Ansatz ausführli diskutiert werden kann, bedarf es einer genaueren Bestimmung des Performativitätsbegries im Kontext der Spra-, Kultur- und Medienwissensa.
Zum Verhältnis von Performativität und Film In den letzten Jahrzehnten wurde der Begri der Performativität in den vers iedensten sprawissensalien und kulturtheoretisen Kontexten eingeführt. Seit den er Jahren führten o ungenaue Bestimmungen und Verwendungen des Begris in den jeweiligen Anwendungsgebieten zu einer Verallgemeinerung und Neu-Auslegung desselben, was eine exakte Denition erhebli erswert. Andrea Seier kritisiert, dass dur diese untersiedlien Deutungen ein sehr weit gefasstes Verständnis von Performativität entstanden ist. Performativität wird daher omals als Synonym für Begrie wie Inszenierung, Repräsentation und Auührung verwendet (vgl. Seier , ). Au die genaue Abgrenzung der Begrie Performativität und Performanz (performance) seint problematis. Eine Performance besreibt na Mieke Bal die Auührung eines Werkes bzw. einer Handlung (vgl. Bal , ). Hinsitli des Theaters meint Performance eine Art der Auührung, die nit explizit etwas darstellt, sondern ein besonderes Raum- und Zeiterleben hervorru, das wie-
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derum auf den gegenwärtigen Moment der Darbietung verweist. Eine genaue Abgrenzung zwisen Performance und Performativitätsbegri funktioniert hingegen nur unter Einbeziehung der sprawissensalien Theorie von John L. Austin und ihrer kulturtheoretisen Anwendung na Judith Butler. Daher sollen beide an dieser Stelle kurz besrieben werden. Der Begri des Performativen wurde zunäst von John L. Austin als spraphilosophiser Ansatz etabliert. In den er-Jahren besrieb er in der Vorlesungsreihe „How to Do Things with Words“ performative Äußerungen als „(Spre-)Handlungen […], die selbstreferentiell und wirkli keitskonstituierend sind und als sole aufgrund vor allem institutioneller und sozialer Bedingungen glüen oder missglüen können.“ (zit. n. Fiser-Lite a, ) Er erkannte erstmals, dass spralie Äußerungen nit nur Dinge besreiben oder Tatsaen behaupten können, sondern dass si im Spreakt au Handlungen vollziehen. Dies gesieht beispielsweise wenn jemand bei der Taufe eines Sies die Worte sprit: „I name this ship the Queen Elizabeth“ (Austin , ) oder der Bräutigam vor dem Standesbeamten sagt: „I do“ (ebd.). Die Auührung des Spre-Aktes erhält somit die Bedeutung eines sozialen Aktes (vgl. Fiser-Lite a, ). Während sich Austin ausschließlich auf Sprechhandlungen bezieht, gebraut die Literatur- und Kulturwissensalerin Judith Butler den Begri des Performativen in ihrem Aufsatz „Performative Acts and Gender Constitution: An Essay in Phenomenology and Feminist Theory“ in Bezug auf körperlier Akte (vgl. Butler ). Performative Handlungen sind laut Butler Prozesse von Verkörperung (embodiment), die wiederum Identitäten und Gender konstituieren (vgl. ebd., ). Butler vergleit diese Art der Darstellung, in der Gender konstituiert wird, mit Theaterauührungen, in denen Sauspieler Identitäten inszenieren und sie innerhalb vorgegebener Anweisungen des Regisseurs in Szene setzen: „In other words, the acts by whi gender is constituted bear similarities to performative acts within theatrical contexts.“ (ebd., ) Sie bezeinet diese Eekte als performative Akte stilisierter Reproduktion in wiederholbaren Auührungssituationen (vgl. ebd., .). Diese Perspektivversiebung des Performativen dur Butlers Lesart legt eine Analogie zum Film nahe. Denn anhand des Spannungsfeldes zwisen inszeniertem Ereignis und Rezeption, dem in-Szene-gesetzten Wahrnehmbar- und Erfahrbarmaen, lassen si möglie Ansätze zur Bestimmung des Wirkungspotentials einer Filminszenierung und -auührung auf den Zusauer nazeinen. Einerseits ist das Nadenken über die Körperkonstruktionen, die na Butler Gesleteridentitäten konstituieren, ebenso auf die Darsteller im Film anwendbar, denn in der Aufführungssituation vor der Kamera kreieren Sauspieler Rollenidentitäten, die auf die Zusauer wirken (vgl. Butler , f.). Andererseits ist ihre Feststel-
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lung, dass Performativität kein einmaliger Akt sei, sondern immer wieder eine Wiederholung von Normen, au auf die reproduzierte Auührungssituation im Kinosaal übertragbar (vgl. ebd., ). Diese grundsätzlien Überlegungen Butlers dienen als Ausgangspunkt der Analyse von Halbe Treppe. Sowohl bei Austin als au bei Butler realisieren si performative Handlungen in Auührungen (vgl. Fiser-Lite a, ). Dies meint, dass si ein Kunstwerk in der gemeinsamen Interaktion zwisen Akteur und Zusauer gegenwärtig ereignet. Au das Medium Film bedarf einer Auührungssituation. Es ritet si als performativer Akt direkt an ein Publikum und ru einen Wahrnehmungsakt im Zusauer hervor. Jedo unterseidet si hier die Aufnahme der Au ührung von der Wiedergabe derselben. Anders als beispielsweise in der performativen Situation im Theater sind Produktion und Rezeption beim Film räumli und zeitli getrennt. Im Folgenden soll der Film deshalb als performativer Prozess verstanden werden, bei dem zwisen einer inszenierten Auührungssituation während des Filmdrehs und der performativen (Wieder)Auührung im Kinosaal untersieden werden muss. Bei beiden entsteht ein Wirkungspotential, einerseits für die Inszenierung, andererseits für den Zusauer, das im Folgenden am Beispiel von Andreas Dresens Halbe Treppe herausgearbeitet wird. Das Performative kann beispielsweise dur die körperlie Präsenz der Sauspieler im Moment der Darstellung während der Filmaufnahme entstehen. Miels einer Reproduktion der Auührungssituation wird diese Sauspielerpräsenz sowie deren Einmaligkeit und Unmielbarkeit dur eine zeitli verzögerte Wiedergabe und Rezeption im Kinosaal simuliert. Somit entsteht eine Illusion von Gegenwärtigkeit, die eine leiblie Präsenz von Akteuren und Zusauern zur Sa ung einer performativen Situation entbehrli erseinen lässt.2 Daraus folgt, dass eine Analyse der performativen Elemente eines Spiellms die bereits besriebene Unterseidung zwisen Entstehungs- und Wahrnehmungsprozess erfordert. Te nise Medien wie der Film können Präsenz nie gänzli hervorbringen. Sie erzeugen lediglich den Schein der Gegenwärtigkeit, so genannte Präsenz-Eekte (vgl. ebd., .). Weil der Präsenzbegri immer die leiblie Anwesenheit der Darsteller und das Vorhandensein von Gegenständen im Auührungsraum voraussetzt, bedarf es für eine gelungene Inszenierung bestimmter Verfahren, die bei der lmisen Reproduktion ein Verspreen von Gegenwärtigkeit abgeben. Diese können jedo „die Diotomie von Sein und Sein [nit vollständig, A.R.] außer Kra“ setzen, so Fiser-Lite (ebd., ). Dur die performative Illusion einer wirklien Leiblikeit von 2 Zur medientheoretisen Perspektive des Verhältnisses von Performance und Gegenwärtigkeit vgl. Auslander .
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Sauspielern auf der Leinwand können beim Zusauer starke Reaktionen hervorgerufen werden. Hierbei ist eine Vers iebung der Figurenwahrnehmung von aussließli ktiven Bedeutungsträgern zu einer Betonung ihrer Körperlikeit, wele die Auührungen mitkonstituiert, maßgebli. Mit der Zursaustellung der eigenen Leiblikeit ersaen die Darsteller ihre Figuren mit ihrem unmielbaren Körper. „Die Körperlikeit des Sauspielers wird in diesem Sinne als ein Wirkpotential hervorgebrat, aus dem duraus au neue Bedeutungen entstehen können“, so Fiser-Lite (ebd., ). In diesem Prozess wirkt der Sauspieler mit seinen körperlien Eigensaen wie Gestalt, Gesit, Haltung, Mimik und Gestik sowie mit Merkmalen wie Kleidung oder Frisur auf den Zusauer und löst bei ihm bestimmte Reaktionen aus. In einer Analyse der performativen Elemente in Filmen geht es also weniger um eine hermeneutise Deutung, als vielmehr um die Erfahrungen, die das Kunstwerk beim Zusauer hervorrufen kann (vgl. ebd., ). Die Idee des Performativen kann dabei Erklärungsansätze liefern, die nit die Zeien- und Symbolhaigkeit von Filmen und deren Semiotik in den Mielpunkt stellen, sondern das Verhältnis zwisen dem Ereignis und seiner Wahrnehmung neu akzentuieren (vgl. Krämer , ). Für die Analyse von Andreas Dresens Halbe Treppe stellt si demzufolge die Frage, wele Entfaltungskra in dem Spannungsverhältnis zwisen dem liegt, was der Regisseur respektive das gesamte Filmteam kreieren und dem, was dur den Betrater wahrgenommen wird. Die bisher skizzierten Überlegungen zum Performativen im Hinbli auf das Medium Film sollen nun für die Analyse von Andreas Dresens Halbe Treppe nutzbar gemat werden.
Performative Inszenierungsstrategien in Andreas Dresens Halbe Treppe Für die Untersuung der performativen Elemente in Andreas Dresens Film Halbe Treppe ist eine genaue Betratung des spezisen Regelwerks, das für die Produktion aufgestellt wurde, unabdingbar. Denn erst diese Rahmenbedingungen ermöglien den Navollzug dieser speziellen Auührungssituation vor der Kamera. An diese Betratung sließen si die Fragen an, inwieweit performative Elemente während der Dreharbeiten naweisbar sind, etwa anhand der für Dresen typisen Art der Inszenierung miels Improvisation an Originalsauplätzen, die eine besondere Nähe zu den Figuren suggeriert, oder dur seine spezise Verwendung der Handkamera. Absließend soll untersut werden, inwieweit ausgehend von der Entstehungssituation beim Dreh mit ihren performativen Elementen Rüslüsse auf die Wirkung beim Zusauer gezogen werden können.
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Die Idee zu Halbe Treppe entstand während der Dreharbeiten zu Natgestalten (D , Andreas Dresen). Kollidierte der Versu einer konsequent improvisierten Arbeit mit Sauspielern hier no mit der Größe der Filmproduktion, so wollte der Regisseur bei seinem neuen Projekt mit einem kleinen Team arbeiten, nanziell unabhängig sein und den Film von einer Grundidee ausgehend und entspreend den Bedingungen vor Ort in einem kollektiven Drehprozess realisieren. Folgende Rahmenbedingungen wurden dabei festgelegt: kleines Team bestehend aus Personen, kein Drehbu, Aufnahmen mit einer digitalen Handkamera an Originalsauplätzen, keine Hierarien während der Produktion, die Dialoge werden auf Grundlage vorgegebener Biograen der vier Hauptguren improvisiert und die Gesite gemeinsam fortgesrieben. Dur das Preisgeld, das Dresen für die Auszei nung von Natgestalten mit dem Deutsen Filmpreis in Silber erhalten hae, sowie dur Referenzmiel standen dem Produzenten Peter Rommel , Millionen DM zur Verfügung. Eine gewisse nanzielle Unabhängigkeit war daher gewährleistet und nahm den Dru von der Filmproduktion (vgl. Nikitin/Baumgarten , ). Diese Rahmenbedingen führten während des Filmdrehs dazu, dass Andreas Dresen nit eine dur das Drehbu vorgegebene Filmwelt besreibt, bestehend aus Handlung, Dialogen, Sauplätzen und Figuren, sondern sie in der ütigen Auührungssituation während des Drehs hervorbringt und konstituiert. In diesem Sinne ist der Produktionsprozess von Halbe Treppe performativ. Erst dur sein Regelwerk sowie Dresens Arbeitsweise wird der Film im Moment seiner aufgezeineten Auührung ersaen. Dem Produktionsprozess von Halbe Treppe ging voraus, dass man si zuerst auf die Besetzung des Films und den Handlungsort Frankfurt (Oder) festlegte. Mit den zum Zeitpunkt der Dreharbeiten weniger bekannten Sauspielern Axel Prahl, Ste Kühnert, Gabriela Maria Smeide und Thorsten Merten arbeitete Dresen bereits mehrfa zusammen.3 Ebenso unbekannt war die Stadt an der deuts-polnisen Grenze. Weiterhin dienten allein real existierende Orte und Räume als Sauplätze. Keine einzige Kulisse wurde für Halbe Treppe künstli im Studio erritet. Für die Innenaufnahmen wurden Arbeits- und Wohnräume gewählt, die zwar für die Filmaufnahmen ausgestaltet wurden, jedo auf eine alltäglie Nutzung dur die Figuren verweisen. Das Filmteam mietete daher eine Neu- und eine Altbauwohnung an und ritete sie den Figuren entspreend ein. Die Szenenbildnerin fügte zwar vereinzelte Details hinzu, die ursprünglie Nutzungsbestimmung der Räume als Wohnort bleibt aber für die Akteure und über das Kameraauge au für den Zusauer weiterhin
3
Vgl. au das Werksagesprä mit Andreas Dresen in diesem Band.
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erfahr- und erlebbar. Sowohl für die Sauspieler als au für das Publikum verstärkt si dadur der performative Charakter der Räume. Des Weiteren sind die Bewegungsmöglikeiten der Darsteller und der Kamera im Gegensatz zu einem in einem Studio gebauten Set mehr vom Ort abhängig und gegebenenfalls mit Einsränkungen verbunden (vgl. Fiser-Lite a,
.). Im performativen Raum der improvisierten Auührung sind demzufolge die möglien Wege der Darsteller festgelegt. Dies bestimmt wiederum, wele Wahrnehmungsmöglikeiten dem Publikum erönet werden. Der Zusauer nimmt dabei den Platz der Kamera ein. In klassisen Filmproduktionen sind die räumlien Möglikeiten dur die te nisen Auauten wie Kulissen, Lit, Ton und statise Kamera ebenfalls einges ränkt. Do das Filmset ist weniger unmielbar und spontan begehbar wie in einer improvisierten Drehsituation in realen und alltägli genutzten Orten. Miael Hammon, Kameramann bei Halbe Treppe, agierte in den einzelnen Szenen meist als ‚füner‘ Sauspieler und reagierte ledigli auf das Gesehen vor der Kamera (vgl. Dunker , ). Dieses Nit-Eingreifen-Können dur wenig detaillierte Informationen über die spontanen Bewegungsabläufe und die improvisierten Dialoge zeigt si dur die zahlreien Reißswenks oder das leite Naziehen der Särfeeinstellungen bei sleten Litverhältnissen, beispielsweise zu Beginn des Films als Kathrin und Chris na einem gemeinsamen Dia-Abend mit ihren Freunden na Hause fahren. In einem Werkstagesprä beritet Hammon zusätzli von vielen Unsärfen im Filmmaterial, die im Sni jedo überwiegend entfernt wurden (vgl. Nikitin/Baumgarten , ). Aufgrund dieser te nisen, auf das spezis für den Film aufgestellte Regelwerk zurüzuführenden Swierigkeiten, suggeriert die Kameraarbeit in Halbe Treppe das Ablmen einer Spielsituation. Gleizeitig authentiziert sie dadur jedo den performativen Charakter des Gesehens. Denn ohne die Anwesenheit der Kamera gäbe es diese Auührungssituation nit. „I kam mir manmal son vor wie ein Aufzeiner eines Events“, sagte Kameramann Miael Hammon in diesem Zusammenhang in einem Interview (zit. n. ebd., ). Ferner verweist eine performative Lesart der Bildkomposition in Halbe Treppe auf Judith Butlers Ansatz, dass die Kamera zum Instrument der Ermätigung des lmisen Gesehens wird und somit zur Konstitution der abgelmten Figuren und Handlung beiträgt (vgl. Butler , f.).4 Anhand einer stark emotionalen Szene lässt sich die Kameraarbeit beispielha besreiben: Uwe (Axel Prahl) begegnet seiner Ehefrau Ellen (Ste 4 Butler bezieht si in ihrer Analyse jedo auf den Dokumentarlm Paris is Burning (USA , Jennie Livingston) im Kontext der Gender Studies.
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Kühnert) im Hausur und versut sie in seiner Verzweiung zurü zugewinnen. In der Vorbereitung der Aufnahme spra Andreas Dresen zuerst mit den Darstellern, ansließend mit dem Kameramann Miael Hammon, der darauin wiederum mit den Sauspielern redete. „Wir versuten […] in den Vorgespräen klarzumaen, was wir transportieren wollen. In Drehsituationen beispielsweise, in denen es um Emotionen geht, kann man keinen Kaltstart maen und sofort drehen“, so Hammon (zit. n. Nikitin/Baumgarten , ). Die knapp dreiminütige Szene wird nur dur wenige S nie unterbroen, die wiederum meist als verstete S nie konzipiert sind. „Wir haben o […] einfa in den Reißswenk gesnien und daran einen ähnlien Swenk von der nästen Einstellung montiert“, so Jörg Hausild zur Montage (zit. n. ebd., ). Miels abrupter Swenks und einiger Unsärfen wird eine dokumentarise Kamera angedeutet, die unvorbereitet seint. Sie konzentriert si auf eine der Figuren und kann den Dialogen nit immer folgen. Entseidende Sätze von Uwe oder Ellen sind o nur im O zu hören. Die oene Bildkomposition – die Kamera kann si jederzeit den Figuren zuoder abwenden – verweist auf die Auührungssituation sowohl im Moment der Filmaufnahme als au in der späteren Rezeption des Zusauers. Einzig in den eingebauten Interviewszenen konnte Miael Hammon die Bildkomposition der Einstellungen vorbereiten. Andreas Dresen befragt die vier Figuren aus dem O und lässt sie ihre Gedanken besreiben, wobei die Sauspieler trotz der dokumentaris wirkenden Inszenierung innerhalb ihrer Filmrollen agieren. Die Interviewten blien dabei zum Gespräspartner außerhalb des Filmbilds. Anfangs waren die einzelnen Szenen nur für die Sauspieler als Ergänzung zu der Arbeit an den Figuren gedat. Dresen ents ied si jedo während der Postproduktion am S neidetis neun Interviews für den fertigen Film zu verwenden. Neben se s Befragungen der Hauptguren wurden drei weitere Interviews mit Randguren hinzugefügt. Sie sollten die Gesite allgemeingültiger maen und vertiefen (vgl. ebd., ). Anhand der Fragen verswimmen die Grenzen zwisen Fiktion und Realität und ein Weiterleben der Figuren außerhalb der lmisen Grenzen wird semenha skizziert. So erzählt beispielsweise Katrin (Gabriela Maria Smeide) in einem Interview zu Beginn des Films von ihrem Traum, die Welt zu entdeen. Sie wollte als Kind Pilotin werden und andere Länder sehen. Do dann kamen Studium, Beruf und Familie dazwisen. In dieser kleinen Interviewszene stellt die Sauspielerin eine Verbindung zur Vergangenheit ihrer Rolle her. Der Zusauer erhält einen authentisen, fast dokumentarisen Eindru vom Leben der Filmgur und fühlt si als unmielbarer Teilnehmer der aufgeführten Befragung.
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Neben der dokumentarisen Kameraarbeit trägt ein weiteres Miel zum performativen Charakter des Films bei: das Prinzip der Improvisation. Das freie Spiel der Darsteller wird vor der Kamera und für das mitgedate Kinopublikum aufgeführt. Andreas Dresen bezog während der gesamten Zeit das komplee Team in den Entstehungsprozess des Films mit ein. Alle Beteiligten waren daher für drei Monate an einem Ort untergebrat. „Denn das gemeinsame Leben gehörte bei diesem Vorgehen für mi zu den unverzitbaren Voraussetzungen“, so Andreas Dresen in einem Werkstagesprä (zit. n. ebd., ). Die Darsteller erhielten zu Beginn sieben Seiten Drehbuskizzen, in denen die Grundkonstellation des Films besrieben wurde: zwei Paare, die si auseinander gelebt haben. Zwei von ihnen betrügen ihre Partner und die Aäre wird entdet. Die fehlenden szenisen Vorgaben und Dialoge wurden von den Sauspielern vor und während der Spielsituation eingebrat. Zuerst erarbeiteten sie si ihre eigene Rolle, besäigten si mit dem sozialen Umfeld der Figuren, lebten in den jeweiligen Wohnungen oder gingen deren Tätigkeiten na. Ansließend verständigten sie si in Gespräen und Diskussionen über ihr Verhältnis zueinander und entwielten gemeinsam die Gesite (vgl. ebd., ). Au wurden für den Dreh zur Betonung der Authentizität aussließli Laiendarsteller als Komparsen eingesetzt oder aber, wie im Fall der Imbissbude, Originalkundsa einbezogen. Die Dialoge und Bewegungsabläufe im gesamten Film waren größtenteils nit abgesproen. Jeder Take wurde improvisiert und erzielte damit ein hohes Maß an Einzigartigkeit. Denno drehte Dresen meist zwei bis drei Takes, um für den S ni eine größere Auswahl zur Verfügung zu haben. Einzelne Aufnahmen haen eine Länge von bis zu Minuten. So kam es zu über Stunden Material, das in drei Monaten am Sneidetis von Jörg Hausild und Andreas Dresen montiert wurde (vgl. Hammersmidt , S. ). Bei der Improvisation ist die spralie Performanz von großer Bedeutung. Die improvisierten Dialoge steigern die Authentizität des Gezeigten und erzeugen ein Gefühl von Unmielbarkeit. Da jedo nit alles im improvisierten Spiel der Darsteller sprali erfasst wird, muss die physise Kommunikation, die Verletzlikeit des Körpers sowie die Oenheit gegenüber dem Partner in das gemeinsame Spiel einbezogen werden (vgl. Dell, ). Das intensive körperlie Spiel bietet einerseits Kommunikationsangebote für die Darsteller während der Improvisation und trägt somit zur Fortsetzung der Interaktion bei, andererseits erönet es einen Austaus zwisen Akteur und Zusauer über die spralie Ebene hinaus. Die von Christopher Dell angestellte Überlegung, dass der Improvisierende sozusagen „selbst immer Teil des Gesehens [ist], ein performativer Teilhabender“ (ebd., ), muss hierbei um das Publikum, das ebenfalls an der körperlien Kommunikation und Interaktion teilnimmt,
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ergänzt werden. Denn das improvisierte Spiel der Darsteller sut na dem bislang nit Gesagten und dem bisher nit Gezeigten. Mit der dadur erzeugten Illusion von Gegenwärtigkeit und Wahrha igkeit verneint die Improvisation Formen der Inszenierung, was wiederum zu einer authentisen Wahrnehmung des Gesehens beim Zusauer führt. Am deutli sten zeigt si das Wirkungspotential der Improvisation in Halbe Treppe im zweiten und gleizeitig letzten gemeinsamen Aufeinandertreen aller Figuren. Hier vermieln si die jeweiligen Motivkonikte der einzelnen Handlungsträger entweder anhand improvisierter Dialoge oder der Körpersprae. Uwe organisiert eine Viereraussprae mit Kaee und Kuen. Er ist Initiator und Leiter der Unterredung, was nit seinem bisherigen Figurenprol entsprit. Das neue Paar will das Treen nit und reagiert sowohl sprali als au körperli ablehnend auf Uwes Kommunikationsangebote. Katrin erseint während der gesamten Szene abwesend, sagt nits und hebt kaum den Bli (vgl. Nikitin/Baumgarten , ). Miels Improvisation wird hier die Trennung der früheren Paarbeziehungen aufgeführt. Dresen inszeniert diese Szene als zentralen Moment des Handelns und Entseidens. Für Uwe und Katrin hat die Neuorientierung bereits begonnen. Chris und Ellen steht sie erst no bevor. Dur das Ereignis der Improvisation in dieser zentralen Szene werden die performativen Körper der Figuren zur Projektionsäe für das Spiel der beteiligten Darsteller und ermöglien dem teilhabenden Zusauer weitere Beziehungs- und Identikationsangebote innerhalb der aufgeführten Handlung. Als Regisseur zeigt Andreas Dresen in seinen Filmen omals mehrere Protagonisten gleiberetigt nebeneinander. Die Gesite von Halbe Treppe wird getragen von den vier zentralen Figuren Uwe, Ellen, Chris und Katrin. In jeder Szene des Spiellms ist mindestens eine der vier Hauptguren präsent. Nebenguren treten nur vereinzelt auf. Die sehr umfangreien Vorbespreungen bei der Erarbeitung der Rollen sowie die Einbeziehung eigener Lebenserfahrungen bei der Entwilung der Charaktere gehören zu den Authentizitätsstrategien des Filmkollektivs um Andreas Dresen. In der Wirklikeitskonstitution der ktiven Charaktere liegt eine der Voraussetzungen für eine gelungene performative Auührungssituation. Erst wenn die Darsteller wahrhaig erseinen, entsteht eine realistis wirkende Illusion einer gegenwärtigen Teilnahme des Publikums am Handlungsgesehen. Genau das gelingt Dresen in dem besproenen Fall dur die Improvisation und eine oen angelegte Rollenentwilung der an den Szenen beteiligten Sauspieler auf einzigartige Weise. Die Wirkung der Darsteller in Halbe Treppe wird nit dur Zeienhaftigkeit ihrer Figuren oder miels eines sauspielerisen Verfahrens für den Zuschauer erleb- und erfahrbar. In Anlehnung an eine performative Neu-
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bestimmung des Verhältnisses zwisen Sauspieler und Rolle stellt Erika Fiser-Lite fest, dass der Darsteller nit seinen Körper einer Rollengur leihe und in diesem Sinne etwas Geistiges verkörpere – nämli vorgegebene Bedeutungen –, sondern dass er den „Geist“ in seinem Leib zur Erseinung bringe (vgl. Fiser-Lite b, ). Sie lenkt damit die Aufmerksamkeit auf die Körperli keit des Sauspielers, die si beispielsweise in der Verletzli keit während des Spiels besonders emotionaler Szenen, in der Sue na den ritigen Worten, der ausgelieferten Körperhaltung oder der Gewalt gegen Mensen und Gegenstände zeigen kann. In diesen performativen Spielsituationen etablieren die Darsteller ihre Figuren. Sie maen die sinnli sitbaren Aribute der Auührung für den Zusauer erlebbar. In Halbe Treppe gelingt die performative Ersaung der Figur nur über den gesamten Zeitraum einer Filmszene. Die Fokussierung auf einzelne Einstellungen oder Spreakte könnte die Wirkung der Körperlikeit einer Figur innerhalb einer Auührungssituation nur ungenügend besreiben. Zur Präzisierung dieser Aussage soll hier ein Beispiel angeführt werden: Als Chris von einer Wohnungsbesitigung mit Ellen na Hause kommt und seine Frau Katrin beim Ausräumen des gemeinsamen Zimmers überrast, zeigt si die Verletzlikeit Katrins in ihrer körperlien Abwehrhaltung. Zunäst ritet si ihre Wut aussließli gegen Gegenstände. Sie weit den Blien und Gespräsangeboten ihres Ehemannes aus, versut das gemeinsame Be in ein anderes Zimmer zu tragen und kann der ständigen Konfrontation letztendli nit mehr standhalten. Ihre Körperhaltung we selt zwisen aufretem und gebütem Gang, ihre Intonation variiert und entspreend der Kommunikationsangebote ihres Sauspielpartners verändern si Gestik und Mimik. Der Zusauer nimmt den Akteur also in der Au ührung seiner Körperli keit über den gesamten Zeitraum der über vier Minuten langen Szene wahr. Beim Dreh konnten so bis zu -minütige Plansequenzen entstehen, die für den fertigen Film im Sni verkürzt werden mussten. In diesen sehr langen Auührungssituationen vor der Kamera ähnelt der performative Akt der Darstellung dem improvisierten Bühnenspiel, in welem die Auührung kontinuierli abläu und selten unterbroen wird. Sowohl Andreas Dresen als au alle Hauptdarsteller verfügen über mehrjährige Bühnenerfahrungen und kennen das Improvisationstheater aus der eigenen Theaterarbeit. So beritet etwa Ste Kühnert in einem Werkstagesprä: „Vieles erinnerte an Theaterproben, dieses Gefühl si an die Szenen herantasten zu können.“ (zit. n. Nikitin/ Baumgarten , ) Diese und weitere theaterarakteristise Erfahrungen kamen bei Halbe Treppe zum Tragen. Zur Unterstützung der wirkli keitskonstituierenden Wirkung der Figuren bereiteten die Sauspieler die improvisierten Spielsituationen während
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des Filmdrehs miels Vorort-Reeren im Arbeitsumfeld und Wohnmilieu vor. So wurde Axel Prahl vom tatsälien Imbissbesitzer angelernt und half ihm vor Drehbeginn tägli bei der Arbeit. Kostümbildnerin Sabine Greunig verwies im Interview auf die direkte Vorbildfunktion der realen Person: „Er in seinem Rollkragenpulli und diesem Zipperteil, das ist ja einfa wunderbar, irgendwie übriggeblieben aus dem er Jahre-Osten.“ (zit. n. ebd., ) Darüber hinaus helfen, wie bereits erwähnt, die Laiendarsteller im Imbiss, den Protagonisten Uwe als ktiven Besitzer zu authentizieren. Im gemeinsamen Spiel Axel Prahls mit dem Originalbesitzer, der als Kollege au ri, sowie dur die realen Gäste der Imbissstube erseint die ktive Rolle des Sauspielers wahrhaig. Die außerlmise Realität der Laiendarsteller verbindet si mit der Rolle des Sauspielers und geht in sein performatives Spiel ein, was wiederum den Eindru des Teilhabens an der Wirklikeit erzeugt. Die Grenzen zwisen Fiktion und Realität sind hierbei ießend. Der performative Charakter in Halbe Treppe speist si jedo nit nur aus dem während des Drehs entwielten Verhältnis der Figuren zueinander, sondern au aus deren späterer Repräsentation auf der Leinwand, wodur spezielle Beziehungs- und Identikationsangebote entstehen können. Nafolgend soll die Au ührungssituation des Films im Kinosaal, in der si das Erleben und Erfahren der performativen Inszenierung miels einer Interaktion zwisen Akteuren und Zusauern vollzieht, genauer beleutet werden. Vor dem Hintergrund der bereits besriebenen performativen Elemente im Rahmen der Entstehung des Films stellt si nun die Frage, inwieweit diese si auf die (Wieder-)Auührung im Kino auswirken beziehungsweise wele performativen Elemente in dieser spezisen Rezeptionssituation aureten.
Zur performativen (Wieder-)Auührungssituation im Kino Film als Medium ist na Gertrud Ko aufgrund seiner tenisen Voraussetzungen an den Vorführapparat gebunden. Seine performative Auührung ist damit festgelegt (vgl. Ko , ). Jedo lassen si untersiedlie Positionen in der Bestimmung des Performativen während der (Wieder-)Aufführung einnehmen. Einerseits kann der Ereignisarakter einer Darbietung betont werden, die nur in der gegenwärtigen und ütigen Auührung zum Ausdru kommt. Diese Art der Deutung lehnt die Reproduktion des aufgeführten Ereignisses jedo grundsätzli ab und verweist auf die Notwendigkeit einer direkten Kommunikation zwisen Akteur und Zusauer. Erika Fiser-Lite hat dies in ihrer Ästhetik des Performativen exemplaris an Beispielen aus der zeitgenössisen Kunst herausgearbeitet (vgl. Fiser-Lite
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a). Performative Elemente des Films wurden dabei kaum berüsitigt. Andererseits, und diese Perspektive möte i bei der Analyse der Rezeption und Wahrnehmung des Films Halbe Treppe nutzen, sind Live-Au ührungen, wie z.B. ein improvisierter Filmdreh, und deren mediale Repräsentation na Philip Auslander au immer aufeinander bezogen (vgl. Auslander ). Demna wird das ursprünglie Ereignis erst dur die mitgedate (Wieder-) Auührung vor einem Publikum vollständig (vgl. Sumaer , ). Vor dem Hintergrund dieser Position kann eine Annäherung an das Wirkungspotenzial von Andreas Dresen Halbe Treppe gelingen. Denn bei der Rezeption des Films erzeugen vers iedene Inszenierungsstrategien, die nit zuletzt aufgrund der eingesränkten Rahmenbedingungen entstehen, die Illusion eines Live-Ereignisses, an dem der Kinozusauer unmielbar teilnimmt. Die Flütigkeit einer gegenwärtigen Auührungssituation und eine vermeintli körperlie Präsenz der Darsteller werden suggeriert. Do es bleibt die Frage, wie si diese Gegenwärtigkeit einer aufgezeineten Spielsituation und die Anwesenheit der Körper der Sauspieler über inszenatorise Gestaltungsmiel auf der Leinwand künstleris herstellen lassen und wie dies zu dem Eekt des Eindrus der unmielbaren Teilnahme auf Seiten der Zusauer führen kann. In Halbe Treppe kommt der reproduktiven Kamera in Bezug auf die Zusauerwahrnehmung eine besondere Bedeutung zu. Die kontinuierlien Nahaufnahmen der menslien Körper und das In-Szene-Setzen einzelner Körperteile insbesondere des Gesits tragen dazu bei, dass das Publikum eine Nähe zu den Figuren aufbauen kann, welche die räumliche und zeitlie Distanz zwisen Au ührung und (Wieder-)Au ührung überwindet. Charakteristis für Andreas Dresens Inszenierung von großen emotionalen Momenten ist ein gemeinsames Innehalten von Darsteller und Kamera. Dies zeigt si in Halbe Treppe beispielsweise wenn Ellen von ihrem ersten Treen mit Chris na Hause zurükehrt und im Slafzimmer auf Uwe wartet. In diesem Moment ist die Kamera auf den versteinert wirkenden Gesitsausdru von Ste Kühnert fokussiert. Au in den emotionalsten Szenen des Films – als Katrin das neue Paar in der Badewanne entdet, während Ellens Beite der Aäre oder wenn Uwe seine Frau zur Rede stellt – zei net eine für kurze Zeit erstarrte Handkamera fast unbeweglie Gesiter auf. Diese Nahaufnahmen des zurügenommenen mimisen und gestisen Ausdrus der Sauspieler bezeinet Jens Eder als „Unterspielen“ (Eder , ). Knut Hiethier verweist in diesem Zusammenhang auf die historise Herkun des Begris, der im naturalistisen Theater des späten . Jahrhunderts seinen Ursprung hat. Angewendet auf den Film sei das sogenannte „Unterspielen“, also die Darstellung großer Emotionen dur die Reduktion des bewegten Ausdrus, sogar als „Ausdrusideal“ zu verstehen (Hiethier , ).
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Im Sinne einer performativen Deutung wird die Körperli keit dur diese Tenik in den entspreenden Szenen lmis derart in Szene gesetzt, dass si der Sein einer physis-psy isen Gegenwärtigkeit der Figuren in der Zusauerwahrnehmung einstellt. In dieser performativen Darstellung wird der Bli des Kamera- und Zusauerauges auf den Ereignisarakter der Auührung gelenkt. Diese eindringlien Einstellungen wirken nit als Figurenbesreibung. Sie verweisen dur die Länge der Aufnahmen vielmehr auf den Moment der jeweiligen Au ührung während des Filmdrehs und ermöglien dem Zusauer im Kino ein Raum- und Zeiterlebnis, das identis mit dem der Sauspieler zu sein seint. Obwohl diese konstruierte Gegenwärtigkeit miels Reproduktion der Aufführungssituation vor Publikum beliebig o wiederholt werden kann, ist sie nit automatis eine Eigensa des lmisen Bildes. Erst dur Dresens inszenatorisen Einsatz der besriebenen Gegenwärtigkeits- und Präsenzeekte entsteht eine wirklikeitskonstituierende Spielsituation, in der das Erleben und Erfahren der Auührung bei der Rezeption im Kino im Mielpunkt steht (vgl. Fiser-Lite a, ). Ein weiteres Charakteristikum zur Hervorhebung der ütigen Au ührungssituation ist das Fehlen von Drehbu und Storyboard. Miels der bereits besriebenen Improvisation der Dialoge, dem Dreh an Originalsauplätzen sowie dem Einsatz von Laiendarstellern wirken die Szenen unverfälst und unmielbar. Jedo kommt diese Inszenierungsstrategie bei Andreas Dresen nit ohne ein umfangreies publizistises Beiwerk aus, wenn ein entspreendes Filmerleben auf Seiten der Zusauer erreit werden soll. Bereits zur Premiere des Films während der Internationalen Filmfestspiele Berlin ersien eine Vielzahl von Interviews, in denen das Filmteam und insbesondere Andreas Dresen wiederholt auf die besonderen Rahmenbedingungen während des Drehs verwies. Na dem oziellen Filmstart und im Zuge der DVD-Veröentliung erweiterte si das Angebot an zusätzlien Erläuterungen zum Film um weitere Interviews, ein Making Of, einen Audiokommentar, unveröentlite Szenen und ein Werkstagesprä. Dieses umfangreie und ergänzende Angebot zum „reinen“ Filmerleben bestimmt die Wahrnehmung des Zusauers von Halbe Treppe au jenseits des Ursprungsmediums. Im Sinne der Erfahrung einer performativen (Wieder-)Au ührung im Kinosaal ist es für die Zusauer wesentli, einzelne Aspekte der Produktionsbedingungen zu kennen. Dresen verweist damit direkt auf den inszenatorisen Charakter seiner Filmauührung. Gleizeitig grenzt er si von klassisen Filminszenierungen mit Drehbu, Storyboard, festen Kamerapositionen oder großem Team ab. Er lenkt den Bli des Zusauers auf den Kern seiner Filmarbeit an Halbe Treppe: die Inszenierung einer Auührungssituation, die sowohl
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während der Entstehung als au dur die Wahrnehmung zum performativen Ereignis wird. Der Zusauer wird somit zum Beobater, Teilnehmer und Mitwirkenden des etwas anderen Filmerlebens. Wie die Analyse im Hinbli auf das Performative in Halbe Treppe gezeigt hat, lässt si Andreas Dresens Film nit auss ließli über die bewusste Einsränkung der Produktionsbedingungen und anhand inhaltlier, narrativer und ästhetiser Ebenen der Filmanalyse erklären. Die Rahmenbedingungen während des Filmdrehs und Dresens Inszenierungsstrategien sind ledigli Ausgangspunkt für eine Neubestimmung des Spannungsverhältnisses von Akteuren und Zusauern, das performativ gedeutet werden kann. Es hat si gezeigt, dass der Begri des Performativen genau dort sein Potential entfaltet, wo er in der Filmanalyse an den Prozess der Au ührung gebunden wird. Dies gilt sowohl für die improvisierte Spielsituation vor der Kamera als au für die (Wieder-)Auührung im Kinosaal, wobei Akteure und Betrater in das Weselverhältnis von Ereignis und Wahrnehmung einbezogen werden. In Halbe Treppe kann der Filmdreh dur das improvisierte Spiel, die unmielbare Kameraarbeit, eine Betonung der Körperlikeit sowie die Figurenkonstruktion als aufgeführtes Ereignis rezipiert werden. Andreas Dresen kreiert dur den inszenatorisen Einsatz von Authentizitäts- und Präsenzeekten eine wirklikeitskonstituierende Au ührungssituation im Kinosaal, in der das Erfahren und Erleben des Filmgesehens im Mielpunkt steht. In der Inszenierung eines gemeinsamen, performativen Erfahrungs- und Erlebnisraumes liegt das große Wirkungspotential von Andreas Dresens Spiel lm Halbe Treppe begründet.
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Au nur ein Kreativwirtsasstandort Zur Gesitsvermilung in und rund um Stefan Ruzowitzkys Die Fälser Drehli Robnik
Ist Die Fälscher ein deutscher Film oder handelt es sich nicht vielmehr um einen österreiisen Film? Sein Regisseur, Stefan Ruzowitzky, lebt in Wien und hat in den letzten Jahren immer wieder deutse Produktionen wie au Koproduktionen mit deutsen und österreiisen Partnern realisiert. Der Hauptdarsteller Karl Markovics ist Österreier, die anderen prominenten Sauspieler sind Deutse: August Diehl, Devid Striesow, August Zirner, Marie Bäumer. Produziert wurde Die Fälser (A/D ) von der Wiener Aiholzer Film und der Hamburger Magnolia Filmproduktion in Koproduktion mit Babelsberg Film, dem ZDF und dem österreiisen ORF; hinzu kamen Bundes- und Landesfördermiel aus Deutsland und Österrei. In Hinbli auf die Frage, ob Die Fäls er ein deutser oder ein österreiiser Film sei, sind nit so sehr sole Antworten relevant, die in Saen Film-Verortung Klärung bringen, sondern vielmehr was in der Frage selbst impliziert ist und zu welen weiteren Fragen sie führt. Deshalb – und nit nur aus dem pragmatisen Interesse, einen ‚Ö-Film‘ in einem Band über deutses Kino solide zu platzieren – steht die Frage, ob deuts oder österreiis, hier als Auakt und entfaltet ihre Bezüge im Fall von Die Fälser innerhalb zweier Kontexte: Der eine heißt ‚Holocaust‘, der andere ‚Oscar‘.1 Die Fälser erzählt von der Geldfälsungsaktion – im Konzentrationslager Sasenhausen, organisiert von der , ausgeführt von jüdisen Hälingen, die als spezialisierte Faarbeiter vergleisweise privilegiert untergebrat und verpegt waren. Wem soll somit im Kontext ‚Holocaust‘ Urhebersa zugeordnet, wie soll Tätersa formuliert werden? Die Rede von ‚den Deutsen‘ als Täter 1
Ein hier nahe liegendes, aber anderswo zu erörterndes Thema ist der austropatriotise Diskurs der Vereinnahmung eines Films bei glei zeitiger Ausblendung seines Themas und Gesitsbezugs, wie er Anfang rund um die Oscar-Würdigung des gebürtigen Österreiers Christoph Waltz für seine Rolle in Quentin Tarantinos Inglourious Basterds (USA/D ) geführt wurde.
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_14, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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hat den Vorteil, den Bezug der Massenverbreen zu einer Massenerfahrung aufret zu halten und ihn nit dur Eingrenzung auf ‚die ‘ oder ‚die Nazis‘ zu kappen. Die Formulierung hat den Nateil, dass sie einem österreiisen Unsuldsideologem in die Hände spielt, denn unterhalb staatstragender Äußerungsniveaus bleibt hartnäig die austropatriotise ‚Opferthese‘ in Umlauf, der zufolge Verbreen an Juden und anderen Bevölkerungen Sae der ‚Deutsen‘ und die Österreier ‚Hitlers erste Opfer‘ waren. Die Frage, ob Die Fälser das Werk von Österreiern zeigt, wurde öentli weit weniger diskutiert als jene, ob er das Werk von Österreiern ist. Anlässli seiner Urauührung bei der Berlinale verwiesen etwa ZDF-Reportagen auf den Anteil des eigenen Senders an der Finanzierung des Films, während im ORF-Fernsehen die alte Sorge kurz aufgekot wurde, ‚die Deutsen‘ würden in ihrer Präpotenz gegenüber dem kleineren Nabarn einmal mehr österreiises Kino für si reklamieren. In diesem Kontext brate die Verleihung des Oscars für den besten fremdspraigen Film am . Februar Klarheit. Indem Hollywood Die Fälser als foreign movie deklarierte und auszei nete, wurde der Film aus österreiiser Sit zum einheimisen Film, da dieser Award an den Regisseur bzw. dessen Herkunsland vergeben wird, also an Austria, entgegengenommen von Stefan Ruzowitzky, unter reger Anteilnahme österreiiser Medien. Dur die einjährige Verzögerung zwisen Festivaldebüt bzw. Kinostart des Films im Februar/März und seiner Oscar-Würdigung im Februar verlief die österreiise Medienrezeption von Die Fälser, ebenso wie seine Kinoauswertung in Österrei, in zwei Phasen. Im Verhältnis zur mageren Zahl von . Zusauern na der Erstauswertung konnte ein Jahr später, im Gefolge der Oscar-Verleihung und insbesondere im Rahmen der Aktion „Kino mat Sule“, eine Versiebenfaung der Zusauerzahl erzielt werden. Die zwei Rezeptionsphasen lassen si zu einem Bild sematisieren, dem zufolge Die Fäls er im ersten Dur lauf seiterte, im zweiten jedo erfolgrei war. Betratet man das Register der Diskursivierung des Films im Rahmen österreiiser Medienöentlikeiten und fragt man na den Kriterien für Erfolg und Misserfolg von Die Fäls er, dann zeigen si aufslussreie Gemeinsamkeiten, Untersiede und Versiebungen. Bei seinem Festivaldebüt und seinem Kinostart Anfang sah die Filmkritik – verstanden als beurteilende, cineastis versierte Expertise im Medium des Printjournalismus – Ruzowitzkys Film skeptis. Dies kommt in zwei Artikeln des in Wien und Berlin tätigen Filmpublizisten Bert Rebhandl zum Ausdru, die in der eng mit dem Kinokulturbiotop Wien verbundenen Tageszeitung Der Standard ersienen waren. Im Slusssatz seiner Rezension von Die Fälser sreibt Rebhandl:
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[A]n manen Stellen könnte man an eine MTV-Version von Sindlers Liste denken, dann au wieder an Filme […] aus den Fünfziger- und Sezigerjahren, als man si über die Darstellung der Konzentrationslager no keine großen Gedanken mate. Diese Unbekümmertheit ist au Ruzowitzky eigen. Er orientiert si mit D F"#@ an einer altmodisen Form des europäisen Kinos, die eigentli son historis zu sein sien, die aber hier no einmal mit neuen te nisen Finessen auf Vordermann gebrat wird. (Rebhandl a)
Die hier eingesetzte argumentative Figur der Kritik an einer Haltung der Unbekümmertheit, die si um die Anerkennung von Ges ite drüt, war bereits in Rebhandls Besprechung von Die Fälscher nach dessen Uraufführung bei der Berlinale sinnwirksam geworden; dort hieß es, ebenfalls im Slusssatz: „[V]on Beginn an [steht] fest, dass es eine Art Happyend gibt. Wenn man allerdings im Gesit von Sorowits liest, wird man feststellen, dass diese Gesite au an einem leitlebigen Mann nit spurlos vorüber geht.“ (Rebhandl b) In der Wissenslogik dieses Diskurses wird die Vorstellung eines unbekümmerten bzw. leitlebigen Mannes sowohl auf den Regisseur Ruzowitzky als au auf dessen Hauptgur, den Berliner Fälserkönig Salomon Sorowits, bezogen, der als Slüsselarbeitskra des Pfund- und Dollarnoten-Fälsungsprojekts im Lager Sasenhausen versut, seine Rolle als Trister und Pragmatiker des Überlebens beizubehalten und dur Kooperation mit der sein Leben (und das von Mithälingen) zu reen. In der Wahrnehmung beider, des Regisseurs und seiner Figur, geht es jeweils um Ges ite, die seitens des Unbekümmert-Leitlebigen nit anerkannt wird, und do zur Hintertür wieder hereinkommt und manifest wird: einmal die Gesite als Wirklikeit der NS-Massenvernitung, die im Gesit von Sorowits, so sehr er au diese Wirklikeit möglist nit an si heranlassen will, ihre Spuren hinterlässt, das andere Mal die Gesite der lmisen Inszenierungen der NS-Massenvernitung und deren milerweile erreiter Grad an Reektiertheit, eine Gesite, der si zu stellen Ruzowitzky verweigert, indem er einen gedankenlosen Film mit Happyend über ein Konzentrationslager mat, mit dem unintendierten Resultat, dass dieser Film historis überholt anmutet. Hinzu kommt, dass in Rebhandls impliziter Engführung beide, Ruzowitzky und Sorowits, bei ihrem jeweiligen Nit-Anerkennen historiser Wirklikeit auf ihre „tenisen Finessen“ rekurrieren, Finessen des Filmhandwerks respektive Finessen des Fälserhandwerks. Man könnte sagen, dass dieser Film einen Fall von wechselseitiger Abbildung von Filmemachen und Fälschen darstellt, also der Abbildung der kulturellen Produktion im Produkt, in der lmisen Fiktion – wobei der lm-
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publizistisen Kritik die Rolle des Aufweisens der jeweils unterslagenen gesitlien Gewordenheit von Film und Fälsung zukommt. Betraten wir nun die Rezeption von Die Fälser in der Fernsehberiterstaung des ORF, so zeigt si ein vergleibarer Diskurs: Ausagiert wird eine hermeneutise Poetik der skeptisen Rüführung von Filmbildern auf eine Herkun, mit der sie si nit konfrontieren wollen. Auf der Folie dieses Vergleis treten die Untersiede des mit diesem Wissen Gewollten hervor. In der während der Berlinale live von ebendiesem Festival gesendeten Ausgabe des ORF-Natmagazins Tre punkt Kultur diskutierte Moderatorin Patricia Pawli i am . Februar mit dem Produzenten Veit Heiduska (Wega Film Vienna), sowie mit Josef Aiholzer und Karl Markovics, dem Wiener Koproduzenten bzw. dem Sorowits-Darsteller von Die Fälser. Die Moderatorin verfolgte dabei eine wahrheitspoetise Fragestrategie, die den Film auf eine Herkunsgesite im Rahmen einer kulturökonomisen Interessensdisposition zurüführen sollte: Mit Verweis auf zwei US-Filme im Berlinale-Webewerb,2 die si wie Die Fälser „mit Nakriegsdeutsland befassen, mit der Kriegszeit“, fragte Pawlii, ob dies Zufall sei oder einem Trend entspräe. Auf Heidus kas Antwort, amerikanisen Analysen zufolge wäre alle sieben Jahre einer neuen lmkonsumierenden Generation der Zweite Weltkrieg auf neue Art nahezubringen, resümierte sie lakonis: „Das heißt: reines Kalkül und in dem Sinn kein Trend.“ Als Aiholzer einwendete, es gebe keinen Trend, vielmehr „haben wir eine Gesite am Hals, die ist ja no nit abgearbeitet, in Österrei no weniger als in Deutsland“, spitzte Pawlii unbeirrt die Frage zu: „Hat’s vielleit au damit zu tun, dass – Stiwort: Filmförderung – es au einfaer ist, für sole Themen eine Förderung zu bekommen? Ist es das, was Sie vielleit si au gedat haben?“ So einfa sei es nit, meinte Ai holzer, man müsse als Produzent begeistert agieren, das habe mit Kalkül nits zu tun. In der Folge besrieb Markovics seine Bedenken beim Zugang zum Fälser-Drehbu und zu seiner Rolle, indem er die „Hypothek“ einer „Ges ite“ ins Treen führte, „an deren Ende, um es jetzt mal kalt als Zahl auszuspreen, ses Millionen ermordete Juden stehen; da hab i also wirkli enorme Skrupel, zu sagen: Lässt du di auf eine Gesite, die fast mainstreamartig daherkommt – kann man das maen, lässt du di da drauf ein?“ Markovics’ weitere Ausführungen setzten dazu an, die Debae zu verlagern, hin zu einer in Saen Holocaust-Inszenierung vertrauten Konstellation: die Unhintergehbarkeit der „kalten Zahl“ der Ermordeten, auf die etwa Lanzmanns Sobibor (F ) insistiert, versus die 2 Gemeint waren Robert De Niros The Good Shepherd und Steven Soderberghs The Good German (beide USA ).
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Mainstream-Pragmatik von Regisseur Ruzowitzky, der, in den Worten seines Hauptdarstellers, den Holocaust als „Vehikel“ verwende, um „Mensen in Extremsituationen“ zu zeigen. Die ORF-Moderatorin nahm jedo den vorherigen Gespräsfaden wieder auf und setzte na: „Es gibt einen Teil unserer Gesite, der ist übererzählt. Das ist diese Nazizeit, ja? Und deswegen au die Frage an Sie: Ist das trotzdem aber eben no für den Film so ein witiges Thema, au über die nästen Jahre hinaus? Oder wird’s jetzt irgendwann au gut sein?“ Au in der ORF-Fernsehdiskussion herrst also ein skeptis-kritiser Diskurs, der Die Fälser keineswegs als Erfolg betratet, sondern vielmehr hinter dem Wahrheitsanspru, den das Sinnangebot des Films formuliert, eine verborgene Herkunsgesite aufspürt, die es dur spitzndige Reexion hervorzukehren gilt. Hier enden allerdings die wissenspoetisen Gemeinsamkeiten zwischen Rebhandls Rezensionen und der ORF-Diskussion: In letzterer wird gewissermaßen die Rede des Zeitungskritikers vom Hauptdarsteller des Films paraphrasiert, der mit Bli auf das Problem des lmisen Umgangs mit dem Holocaust seine eigenen Skrupel der Unbekümmertheit seines Regisseurs gegenüberstellt. Die diskurslogise Rahmung allerdings besorgt Pawliis insistierendes Nafragen: Dem Filmprojekt wird unterstellt, es verdanke si dem Kalkül, man komme leiter an öentlie Fördermiel heran mit „Nakriegsdeutsland“ oder „Kriegszeit“ oder „Nazizeit“ oder „solen Themen“. Diese Chiren stehen hier für das seitens der Moderatorin unbenannt bleibende Thema des Films, von dem suggeriert wird, es sei gewissermaßen eine siere Bank. Warum es das ist? Wenn am anderen Ende der Wahrheit oenbarenden Rede die slussstrirhetorise Frage steht, ob es „jetzt irgendwann au gut sein“ werde, eine rhetorise Frage au insofern, als deren Antwort mit der Behauptung, die „Nazizeit“ sei „übererzählt“, son vorweggenommen wurde, dann ist zwisen der Rüführung, der Reduktion, des Films auf snöde Protgier und der Geste des „Genug!“ etwas impliziert, als Auslassung eingefaltet, das unswer ergänzt werden kann: das sekundärantisemitise Ressentiment gegen die Vorstellung endlosen Protierens von einem Thema, dem gegenüber oenbar eine leit kalkulierbare, aber fragwürdige – weil vielleit zwanghae? – Bereitsa zur Aussü ung von Filmförderungsmillionen besteht. Gut ein Jahr später trat Die Fälser in seinen zweiten Zyklus der Verwertung wie au der Bewertung ein. Vermielt über Hollywood, über die Verleihung des Oscars für den besten fremdspraigen Film, hae si da einiges versoben: Der Film galt nun als Erfolg, und im Rahmen der Feststellung dieses Erfolgs spielte die Rede von Geld, zumal Filmförderungsgeldern, keineswegs mehr die Rolle eines decouvrierenden Aufweises. Der Name Ruzo-
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witzky wurde zu einer der weltmarktgängigen Marken des österreiisen Kinos ernannt (neben Ulri Seidl und Miael Haneke) und Die Fälser als Modellbeispiel eines international konkurrenz- und exportfähigen österreiisen Spiellms inthronisiert. Von diesem müsse ein Signal an die Regierung zur Verbesserung der Situation der österreiisen Kinoindustrie ausgehen, vor allem dur Erhöhung der Filminvestitionen im Kulturhaushalt. Bei der Evaluierung des Films spielte neuerli die Kontrastbildung zwisen dem bloß Konventionellen und der Hinterlassung von Spuren von Gesite in Gesitern eine Rolle – allerdings nit im Rahmen der lmkritisen Frage na Inszenierungen des Holocaust, sondern der reformpädagogisen Frage na der Rolle von Spiellm bei der Gesitsvermilung in den Sulen. Über den Einsatz von Die Fälscher im Rahmen der Aktion „Kino macht Sule“3 beritete das ORF-Fernsehen in der Naritensendung Wien heute am . April . Zu Bildern von im Votivkino (einer Wiener Arthouse-Spielstäe) versammelten Sülerinnen und Sülern im Pubertätsalter etablierte die Voice-over-Stimme in dem Beitrag zunäst das Kontrastsema der Abweiung vom Hergebraten: „Es ist der etwas andere Beginn einer Sulwoe: Montag Vormiag im Kino. Zur Vorführung des Oscar-Films Die Fälser: die wahre und beklemmende Ges ite um eine Geldfälserwerksta im KZ Sasenhausen.“ Daran slossen ein kurzer Filmaussni, in dem Sorowits Dollar-Blüten zur Prüfung vorlegt, und Interviews mit Sulkindern an. „Das war sehr interessant, an manen Stellen aber au grausam“, sagte einer. „Und das war ziemli traurig, wie der eine ersossen wurde, also, das war sehr emotional“, sagte eine andere, und die Lehrerin fasste es zusammen: „Sie werden sehr ruhig, man regt sie zum Nadenken an, sie realisieren dann au, was wirkli stagefunden hat.“ Dass die Gesite also oenbar ablesbare Spuren und lange Gesiter bei den sonst oenbar Lauten und Leitlebigen hinterlassen hat, verdankt si dem Einsatz eines Spiellms bei einem gelungenen Dressurakt der Kinder-Ruhigstellung. Was aber hat wirkli stagefunden und wurde realisiert? Auf die vielen Fragen der Sulkinder an den Regisseur, von denen im Beitrag die Rede war, setzte dessen Montage als einzige Antwort Ruzowitzkys entgegen: „Also, das erste und witigste: Die ham alle überlebt!“ Dass die Ges ite des Holocaust anstelle umfassender Vernitung in dem ORF-Beitrag nun von der Totalität des Überlebens zu künden sien, mag daran liegen, dass es gar nit um Gesite ging. Den „Gesitsunterrit in paenden Bildern, sta dem Lehrer ein Oscar-Preisträger, der bereitwillig 3 Die Aktion ritete si an Mielsulklassen in den Fäern Deuts, Gesite und Medienerziehung und stellte etwa au historiograses Unterritsmaterial auf der Website und als PDF auf der DVD-Edition des Films zur Verfügung.
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alle Fragen beantwortet“, von dem die Voice-over swärmte, kommentierte ein Süler seufzend im Interview: „Das war… a, ziemli aufregend. Der beste Tag, den i bis jetzt erlebt hab!“ Worauf die Voice-over resümmierte: „So kann das Kino Sule maen.“ Jedo: In diesem Sule-Maen, um die Metapher beim Wort zu nehmen, seint Kino ledigli als Beispiel, zumal Erfolgsmodell, seiner selbst zu fungieren, indem es das tut, was es oenbar gut kann, nämli Jugendlie ruhigstellen, sie dabei aber aufregen und ihnen gute Tage versaen. Dass es der Fernseh-Diskursivierung von Die Fälser um eine Vorstellung von Kino im Zeien eines Selbstbezugs geglüter Identität ging, um eine Geste der Selbstbeglüwünsung (und nit um Gesitsvermilung dur Spiellme im Unterrit), das brate die nonsensical formulierte Abmoderation des Beitrags auf den Punkt: „Nit nur ein Oscar, sondern ein Oscar-Preisträger zum Anfassen sozusagen: Das ist wahre Größe.“ Auf der Höhe dieses Verdikts war der Verspreer nur konsequent, der dem Moderator glei darauf unterlief, als er die bei den Sulvorführungen jeweils zum Anfassen Anwesenden auistete: Anstelle des Sasenhausen-Überlebenden Adolf Burger, auf dessen Erlebnisberit „Des Teufels Werksta“ Ruzowitzkys Skript beruht, nannte der Wien heute-Moderator „den eten Fälser Rudolf Burger“ als einen der geladenen Zeitzeugen. Womit unversehens – oder nur um dem in diesem Kontext bei aller Evakuierung von Gesite do pikant klingenden Vornamen Adolf zu vermeiden – als Zeitzeuge in Saen Holocaust ein konservativer Wiener Philosoph genannt war: Rudolf Burger hae einige Jahre zuvor in seiner Bildungsbürgervariante von Slussstriforderung öffentlikeitswirksam seinem Ekel angesits der „Irrtümer der Gedenkpolitik“ im Umgang mit den NS-Verbreen Ausdru verliehen; wobei er diese Verbreen aus welen Motiven au immer mit „um des Friedens willen“ zu vergessenden Bürgerkriegen und Königsmorden gleigesetzt und daraus ein „Plädoyer für das Vergessen“ abgeleitet hae (Burger ). Die Provokation eines allfälligen Vergessensgebots war in der Fernsehberiterstaung über die Sulunterritsnutzung von Die Fälser nit nötig, weil diese Film und Kino von vornherein als ein selbstbezügli geslossenes System zu verstehen gab, in dem Referenz auf ein Außen namens Gesite nit vorgesehen ist. So beritete die Miagsausgabe der Naritensendung Zeit im Bild ebenfalls am . April über den Einsatz von Ruzowitzkys Film bei „Kino mat Sule“ und über die von Kultur- und Bildungsministerin Claudia Smied zeitgeret bereitgestellte „Sondermillion“ für Filminvestitionen. Der Beitrag wurde mit dieser Voice-over eingeleitet: „Film mat Sule: Das Votivkino heute Morgen – hier wird nit die Sulbank, sondern der Kinosessel gedrüt. Zeitges ite mit Oscar-prämierter Kunst: Stefan Ruzowitzky hautnah und seine Fälser als Sulbeispiel für gelungene Film-
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vermilung.“ Es ging also gar nit um Gesitsvermilung im Medium des Kinos, sondern eben darum, dass Film si selbst gelungen vermielt. Film vermielte si dem zufolge in Form von Die Fälser als zu pegender Kreativwirtsasstandort und – angesits der Dauerkrise von Bildungspraktiken und -institutionen – als Alternative zur konventionellen Wissensvermilung der Sule, als gegenüber dem bloßen Sulbankdrüen authentiser Primärort intensiver Erfahrung. Das Thema von Ruzowitzkys Film, der Holocaust, blieb in diesem medialen Bild eingeklammert bis an die Grenze zur Ausblendung. Diesen Solipsismus eines reinen Selbstbezugs von Film, der von Kultur- und Wissensökonomie sprit, um vom Massenmord zu sweigen, muss man allerdings au beim Wort nehmen: Im Binnengefüge des Films seiner Inszenierung folgend, gilt es zu zeigen, wo die hinausbeförderte Gesite als ausgeblendetes Außen wiedereintri. Bis jetzt war ja hier nur die Rede von etwas, das man in Anschluss an Thomas Elsaesser ( ) als Akte des Beziehens von „speaking positions“ bezeinen könnte, die ein Film einzunehmen erlaubt. Elsaessers Konzept – formuliert anhand der Rolle von Filmen über Holocaust und Nationalsozialismus im Rahmen von public history – läu darauf hinaus, dass eine Position öentlien Spreens, das si auf einen Film beru, nie restlos in Übereinstimmung gebrat werden kann mit „subject positions“, die dieser Film seinen Zusauern zuweist; diese o prekären, widersprülien Positionierungen erö nen andere Spielräume der Selbst-Imagination, der eigendynamisen Einbezogenheit und der Anteilnahme im Register des Aektiven als jene öffentlien Spreakte, die einen Film als gründende Referenz eines Wissens, eines Urteils setzen. Wenden wir uns also dem zu, was – wie oben dargelegt – dur Kritik, Talk, Reportage, Festivals, Awards und Suleinsatz zum Spreen gebrat wurde, also dem Film Die Fäls er. Da zeigt si: Ruzowitzkys Film geht in den Deutungsmatansprüen, die gelungenen Wissenstransfer und Kreativwirtsasstandortprobleme als Themen forcieren, nit auf, sondern legt es nahe, andere Fragen zu stellen, und zwar son deshalb und umso mehr, weil der Film genau diese Themen in seine Inszenierung und Perspektivierung des Holocaust integriert und in irritierender Weise ausstellt. Man muss Die Fälser nit groß allegorisieren, um im Fälserhandwerk das Filmemaen verbildlit zu sehen – beides ist Präzisionsarbeit an reproduktionste nis denierten Bildern, die im Alltagsmassenumlauf überzeugend aussehen und si gut anfühlen müssen – oder um zu sehen, wie uns aus seinen Bildern eben jene Kategorien der Wert- und Wissensbildung entgegenstarren, na denen der Film in seinem (ihm sozusagen seitens Hollywood zuerkannten) Herkunsland evaluiert wird. Denn Die Fälser erzählt ja eben au von einer kleinen
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Industrie, die si – wie die notoris darbende Ö-Filmindustrie – abmüht, ein exporauglies Produkt herzustellen, das in möglist hoher Zahl von Kopien auf Weltmärkten zirkuliert und Vergleien standhält; der im Dialog des Films mythis aufgeladene Dollar antizipiert jenes andere amerikanise Etheitszertikat, dessen Name ähnli klingt, den Oscar. Es geht hier aber weniger um quasi-allegoris im Film verbildlite ökonomise Saverhalte als um Wahrnehmungs- und Erfahrungsweisen. Wenn, wie dargelegt, der medienöentlie Diskurs zu Ruzowitzkys Oscar- und Suleinsatz-Erfolg den Holocaust implizit hält bis an die Grenze seiner Ausblendung, dann gesieht dies anhand eines Films, „der seine Gesite vor einem weitgehend ausgeblendeten Hintergrund erzählt“, so Miael Pekler ( ) in seiner Rezension. Die Ausblendung des Hintergrundes und dass diese ein Problem wird, ist die poetise Ultima Ratio des Films; Die Fälser handelt von Versuen (seitens der gegenüber den Geldfälsern im abgesoeten Werksta-Trakt innerhalb des Lagers Sasenhausen), den Vollzug des Massenmordes auszublenden und zu verhindern, dass ein si denno bildendes Wissen um diesen Vollzug artikuliert, aektiv und verhaltensleitend wird. Wie einige andere Spiellme über den Holocaust generiert Die Fälser nit einfa Wissen, indem er zeigt, sondern appelliert an ein anderswo, in anderen bildungs- und medienkulturellen Kontexten und Gedätnissen gebildetes Vorwissen. Das betri etwa die Szene, in der einer der aus anderen Konzentrationslagern na Sasenhausen verlegten Arbeiter si in paniser Angst weigert, die Dusanlage im Werksta-Trakt zu betreten, weil er ‚weiß‘, was wir ‚wissen‘ – wissen müssen und als Wissen bekräigen müssen, damit die Szene emotionalen Sinn mat. (Au die notorise ‚Dusszene‘ in Sindler’s List [Sindlers Liste, USA , Steven Spielberg] implizierte, in ihrer Eigensa als Inszenierung/Modulation empndender Wahrnehmung, ein Vorwissen des Publikums davon, dass die Gaskammern als Dusräume tarnte. So wurde der Gestus zugespitzt, Anblie des Überlebens in ihrer Ausnahmshaigkeit gegenüber der Norm der Vernitung herauszustellen.) Ein beiläugeres Beispiel bietet die Szene, in weler der Fälsungsprojektleiter Sorowits zur Bespreung zu si na Hause kommen lässt und ihm Kaee serviert, worauf die Frau des -Oziers meint, sie wünste, „gewisse Kreise an der amerikanisen Ostküste“ könnten das jetzt sehen, wie zuvorkommend Juden in Deutsland behandelt würden, entgegen all der „Gräuelpropaganda, die über die Lager verbreitet wird.“ Die Rede von „gewissen Kreisen an der Ostküste“ und deren verleumderiser Fehlwahrnehmung hiesiger Saverhalte wurde in Österrei während der Waldheim-Kontroverse zum unguten geügelten Wort; mit u.a. dieser Anspielung versute die ristlisoziale ÖVP, Kritik an der Art, wie ihr / wahlkämpfender Bundespräsidentsaskandidat seine
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Wehrmats- und Reiter-SA-Vergangenheit bagatellisierte, als Kampagne des World Jewish Congress darzustellen und so ein patriotises Diskussionsverbot antisemitis zu untermalen. Als Film, der die Ausblendung des Holocaust einblendet, ähnelt Die Fäls er ein Stü weit solen Holocaust-Spiellmen, die kleine Momente der Reung aus der Totalität der Vernitung als abhängig von gelebten Fiktionen gezeigt haben: Re ung als abhängig von Vortäusungen und Fälsungen, die Leben reen oder verlängern, indem sie Ho nung geben. Wesentlies Unterseidungskriterium ist allerdings, wer die Fälsung, die Leben(swillen) ermöglit, inszeniert. In Die Fälser ist dies eben nit wie in Jakob der Lügner (DDR/CR , Frank Beyer) ein polniser Gheobewohner, der vorgibt, er höre im Radio Nariten von der baldigen Befreiung dur die Rote Armee; nit ein deutser Industrieller, der es gesehen lässt und allmähli dur gewitzte Vortäusungen mithil, dass seine Fabrik in einem Milieu der Vernitung dur Arbeit zu einem wundersamen Ort wird, an dem „niemand stirbt“, wie es in Sindler’s List heißt; nit wie in La vita e bella (Das Leben ist sön, I , Roberto Benigni) ein um das Ausagieren seiner Wunsträume nie verlegender jüdiser Vater, der seinem mit ihm im KZ hungernden kleinen Sohn keine andere Wahl lässt, als das Leben im Lager als sön und als Spiel um einen Hauptgewinn zu empnden; und nit wie in Train de vie (Zug des Lebens, F/B/NL/IL/RO , Radu Mihaileanu) eine jüdise Gemeinde, die ihre Flut als Deportation tarnt, ein Akt vorgetäuster Selbstmisshandlung, der si slussendli als Wunstraum erweist. In Die Fälser ist es die den Massenmord vollziehende Institution selbst, die dessen Ausblendung inszeniert und erzwingt, ist es die , die die im ‚Lager im Lager‘ isolierten jüdisen Faarbeiter zwingt, den rund um sie ablaufenden Massenmord zu ignorieren, zu verleugnen, zu fälsen und diese Fälsung zu leben. An der Fiktion der glülien Ausnahme tri hier nit ihre Rolle als reendes Anderes der mörderisen Wirklikeit hervor, sondern ihre Eingebundenheit in diese Wirklikeit. Ruzowitzky selbst agiert als ein Spreer, der si auf den Film Die Fälser beru, wenn er im Interview folgenden Verglei anstellt: „Wie lebt es si in All-inclusive-Hotels in der Drien Welt, wenn Meter weiter die Kinder verhungern?“ Das Statement stand am Ende eines Artikels in der österreiisen Tageszeitung Kurier, der unter dem Titel „Ein Ferienlager mien in der Hölle“ von der Berlinale-Urauührung von Die Fälser beritete (Franz ). Dieser Titel und Ruzowitzkys Drie Welt-Hotel-Verglei, der in der Medienrezeption des Films häug zu lesen ist, seinen mit Adolf Burgers rübliender Selbstbesreibung (etwa in der Fernsehdokumentation Die eten Fälser, A ) zu korrespondieren, er sei als Mitglied des Sasenhausener Fälserkommandos
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ein „Toter auf Urlaub“ gewesen. Do der Akzent der Urlaubs-Metaphern versiebt si: vom zeitweiligen Aufsub der sieren Ermordung bei Burger hin zum bei Ruzowitzky betonten moralisen Problem, das aus dem Wissen der Abgesoeten davon, dass es denen außerhalb der Enklave unendli viel sleter geht, resultiert. Dieser Verglei ist in augenfälliger Weise sief, und nit zuletzt verfehlt das Vergleisbild des spreenden Regisseurs das weit komplexere Bild seines Films, die auf vertratere Weise involvierte Subjektposition, die seine Inszenierung einer Perspektive auf den Holocaust anbietet. Nit nur ist eine abgesoete Fälserwerksta in einem KZ kein Ferienlager. Es ist au nit so, dass Gäste von All-inclusive-Hotels in der „Drien Welt“ gezwungen sind, in einem ausgefeilten Planszenario und mit verbissener Arbeit einen howertigen Beitrag zur Verlängerung von Leid, Elend und Unret um sie herum zu leisten. Vor allem sind Hotelgäste nit unter Todesdrohung bzw. unter Androhung, aus der Hotel-Enklave ausgeslossen und den Unterernährten und Gesundenen um sie herum zugeführt zu werden, zur Kooperation mit einem Hotel-Management angehalten, das an der Ermordung der rund ums Hotel Lebenden arbeitet. Gegenüber dem verbalen Vergleisbild des Regisseurs als Spreer läu das Gesitsbild der Inszenierung von Die Fälser auf einen gegenwartsbezogenen Verglei hinaus, der zwar ebenfalls sief liegt, aber die Beziehung zwisen den Wissenden und den außerhalb der Enklave zum Tod bestimmten Unsitbaren (und, so wie etwa die zu Tode gequälten ‚Suhläufer‘ im Hof nebenan, o Hörbaren) komplexer und problematiser zeinet. Ähnli wie im Fall der aus der jüngeren österrei isen Vergangenheit vertrauten Wendung von „gewissen Kreisen an der Ostküste“ gibt es in Die Fälser wiederkehrende Redeweisen und Kommunikationsmuster, die implizites Vorwissen und Sinn zusetzendes Wiedererkennen seitens des Publikums bespielen. Gemeint sind Redeweisen und Praktiken des Leiters des -Fälsungsprojekts in Sasenhausen, die ret unverhohlen dem rhetorisen Repertoire einer uns in jüngerer Zeit geläugen motivationspsyologisen Betriebsführung entnommen sind: die Anrede als „Mitarbeiter“, der Appell an projektorientierten Teamgeist, das Operieren mit Anreizen und Gratikationen, vom Bunten Abend bis zum Ping-Pong-Tis. Gespielt wird der Projektleiter von Devid Striesow, der si als bubenhaes Grinsegesit der New Economy im deutsen Kino der Nullerjahre etabliert hat, mit Rollen als Risikokapitalist ohne etes Geld in Liter (D , Hans-Christian Smid) und in Yella (D , Christian Petzold), der wie Die Fälser auf der Berlinale präsentiert wurde. Die Fälserwerksta der Mitarbeiter wiederum ist als Produktionsstandort einer Wissens- und Kreativökonomie gezeinet, an dem eine eigenlogis kommunizierende Experten-Subkultur Innovations-
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potenziale ihres aektintensiven Wissens in projektorientiertem Teamwork zur Geltung bringt: Es geht um Einfallsreitum beim Fälsen, ums Erspüren des ritigen Papiers, um Einfühlungswissen gegenüber der Art, wie Engländer mit ihren Pfund-Noten umgehen (die Nadellöer im Papier). Es ist die Gesitsperspektive einer gegenwärtigen postfordistisen Arbeitswelt, deren nahegelegte Subjektposition im Bild der Zuviel-Wissenden in der Lager-Enklave irritiert wird. Es geht nit um ein Verhältnis zwisen Hotelgästen und Verhungernden um sie herum, sondern um Kreativarbeiter – Werbefotografen, Graker, Graveure, Künstler und Fälser –, um hoqualizierte Arbeitskräe, für die Leistungsdru und Kooperationszwang der Drohung entspringen, sie könnten jederzeit das S isal der Masse der Unqualizierten und Überüssigen um sie herum teilen müssen. Diese Nähe der Fälser zu den außerhalb ihrer Enklave Einges lossenen, ihr Wissen, wie wenig ihren Zustand von dem der anderen trennt, ist ambivalent. Es kann söpferise Aktivität erzwingen, die über bloße Gefügigkeit hinausgeht, tendiert jedo au dazu, si in Aektion (als Empndung und Routinenbru) und widerständige Handlungsorientierung zu verwandeln; davon erzählt der im Film auf Sorowits und den kommunistisen Druer zugespitzte Konikt um die adäquate Strategie – quasi kurzfristig kalkulierende Nahsit versus langfristig relektierende Fernsit, also: Kooperation mit der , um die Leben der Fälser vorübergehend zu reen, versus Sabotage, die den Krieg verkürzt, aber Repressalien seitens der heraueswört. Die Art, wie Die Fäls er in seiner Ges itsvermi lung etwas festhält, was gegenwärtige Subjektpositionen irritiert – was rezipierende Subjektivität als irritierte einritet –, eine Irritation, die si aus der ‚Einblendung der Ausblendung‘ ergibt, das läu, sematis gesagt, darauf hinaus, dass das Bild der Fälserwerksta im Konzentrationslager als Allegorie eines umzäunten Sengen-Europa der Qualizierten und Motivierten unter Auss ließungsdru erseint: Wer gilt als S lüsselarbeitskra und darf rein bzw. bleiben – und wer wird als gegenüber verwertbaren Fähigkeiten und Identitätsdispositionen ‚anteillos‘ eingestu, dequaliziert, kriminalisiert und an den Außengrenzen der Zone relativen Wohlstands eingelagert? Dieses Bild ließe si duraus no konturieren dur einige Gedankenlinien aus gegenwärtigen postmarxistisen politisen (oder do postpolitisen?) Theorien mit einigem Pop-Appeal: die Idee der Multitude, die laut Miael Hardt und Antonio Negri als wissensökonomises Proletariat des Postfordismus gerade dur ihre Fähigkeit zur informellen Kommunikation und zur aektiven, auf die Erzeugung von Empndung zielenden Arbeit dazu befähigt ist, der Totalität des Empire von innen heraus – gänzli subsumiert, aber potenziell in Dauerkonfrontation – Widerstand zu leisten, die Idee also der Kreativen als
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paradigmatise Resistenzkra; oder Giorgio Agambens metaphorise bzw. metaphysise Erweiterung des Begris „Lager“, die NS-Verfolgungspolitik und -Konzentrationslager mit rechtsfreien bzw. ausnahmezustandshaften (Zeit-)Räumen der Einsperrung von Flütlingen in Lagern in eins setzt; oder die aus Postfordismuskritik wie au aus Lagerbegris-Universalisierung gespeiste Analogsetzung der Prekarität illegalisierter Wirtsasmigranten mit der Prekarität von sozialvorsorgli und dienstretli wenig abgesierten Kreativarbeitern und I-AGs. Wie gesagt: Au dieser Verglei ist sief. Aber die bis in die Unhaltbarkeit der Analogie forcierte Vergleislogik der inszenierten Perspektive ermöglit es, zu benennen, wo der Verglei s ief wird. Die Frage ist, inwieweit die Inszenierung des Holocaust in Die Fälser wahrnehmbar und denkbar mat (oder eben ausblendet), was diesen Massenmord von Kriegsverbreen, ethnisen Säuberungen, rassistiser Entretung oder postkolonial versuldetem Massenelend unterseidet: der antisemitise Vernitungsrassismus als Projekt und das Ausmaß, in dem dieses Projekt, diese Intention eigenlogis und nit funktionalistis (auf die Radikalisierung von Ezienzlogik in der Produktivmaung einer Bevölkerung) reduzierbar ist. Das Moment der antisemitisen Vernitungsintention als Kernbestand von NS-Politik: In der Gesitsinszenierung von Die Fälser ist es überlagert – zunäst dur die Einladung an ein Publikum als adressierte Subjekte, die unbequeme Position derer zu teilen, die viel gewusst und zuwenig getan haben. Dies fügt si in ein (etwa Guido Knopps ZDF-Dokumentationen dominierendes) mediales Bild von Nationalsozialismus, in dem Gewolltes und wissentli Getanes zugunsten von Nit-Gewusstem und Unterlassenem in den Hintergrund rüt. Dazu kommt die Verwerfung von Überlebenswillen als Opportunismus. Der zur Sabotage drängende Druer, auf dessen Erlebnisberit aus Sasenhausen Ruzowitzkys Skript beruht, nennt Sorowits „Du kleine Hure“. Er bezieht diese Smähung darauf, dass Sorowits Arbeitsanforderungen der bereitwillig erfüllt, si dem Leiter der Fälsungsoperation mitunter au unterwürg andient. Sorowits tut dies letztli deshalb, weil er nit bereit ist, die Verkürzung des Lebens von Hä lingen in der Werksta (darunter au seines) zugunsten einer höheren Zielsetzung, eben eines Beitrags zur Verkürzung des Krieges dur Sabotage, in Kauf zu nehmen. Das ist einer der Momente, in dem Die Fälser kritis gewendet die Frage der Käuikeit aufwir (und die Lohn-Aektarbeit in einem sexistisen Diskurs abwertet). Diese Kritik, die in der postfordismus-satirisen Perspektive des Films ihren Sinn mat, stößt jedo an eine Grenze: Die Grenze ist dort, wo – wie Doron Rabinovici in einem Referat zu Claude Lanzmans Filmgesprä mit dem Wiener/Theresienstädter ‚Judenältesten‘ Benjamin Murmelstein ange-
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merkt hat (Österrei ises Filmmuseum, . Oktober ) – es nit um jenen Widerstand geht, der si der Gewalt eines Unrets unter Einsatz des Lebens und in Verfolgung eines gereten Ziels entgegenstellt, sondern darum, dass in der Konfrontation mit einer umgesetzten Absit zur Ausro ung das slite Organisieren des Weiterlebens von Juden selbst ein ultimativer Widerstandsakt ist. Daran anknüpfend: Die Fälser zeigt die -Leute in ihrem Verhalten gegenüber den KZ-Insassen als davon motiviert, was Dan Diner „negative Sekundärtugenden“ nennt – „Opportunismus und Karrieredenken, unter Umständen au Gewinnsut und manerlei notoris[e] Gemeinheit.“ (Diner , ) Aber es gibt au Momente, in denen der Film die quasi intentionalistis zeigt, also in Ausübung einer Gewaltabsit und einem sie antreibenden antisemitisen Ressentiment, die si spezis gegen die Juden riten; das sind Dialogpassagen, in denen -Leute in Sasenhausen und zuvor son im Lager Mauthausen jüdisen Hälingen vorhalten, ihresgleien könne si’s immer riten, mae eben alles zu Geld, fürte wie die Made um ihren Spe, etc. Dies sind aber letztli genau jene Eigensaen, die der leitende -Ozier des Fälsungsprojekts verkörpert, zuerst in seiner pragmatisen, an keine (Ablehnungs-)Haltung gebundenen Ezienzorientierung, mit Herannahen des Kriegsendes au in seinem blanken Opportunismus. Vermielt über ihn und sein feistes Grinsen zeigt Die Fälser die Nazis als jene, die mit Lüge und Verführung agieren, die si’s riten, alles zu Geld maen und konspirieren, um den Organismus der produktiven Wirtsa eines anderen Volkes zu unterminieren (um es im Jargon antisemitiser oder heutzutage au ‚Heusreen‘-paniser Stigmatisierungsrhetorik zu formulieren). Dieses Zurüfallenlassen antisemitiser Stereotype auf jene, die sie als Stigma politis einsetzen, ist ambivalent: Wenn es das Partikularisierende des Stigmas angrei, indem es das, was dieses herausstellt, universalisiert (also das Si’s-Riten), dann gesieht dies hier um den Preis einer Auösung im Satirisen; anstelle der Unterseidung von Opfern und Tätern, Verfolgern und Verfolgten (und von Herrsa und Widerstand) bietet si gegen Ende ein Panorama von Opportunismus und Käuikeit als allgemein-menslie Makel. Und: Wenn Die Fälser jene Wahrheitspoetik, die hinter allem das Geld und die Gier dana als Movens entdet und dies als große Einsit verkau, einmal mehr ins Werk setzt – jenen Diskurs, der zuviel Anteil hat an Sitbarkeits- und Aussageeekten jenes Globalisierungs- und Kapitalismusbashing, das heute ökonomistisen Alarmismus und Ressentiment mit politiser Kritik verweselt –, dann nimmt si die (oben erörterte) Unterstellung der ORF-Fernsehdiskussionsleiterin, der Film sei der leiteren Ergaerung von Förderungsgeldern wegen gemat worden, fast wie ein Eo dazu aus.
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Do bevor diese Eo-Figur auf eine allzu nahtlose Sließung, auf eine Abgleiung der öentlien speaking position mit der inszenierten subject position, hinausläu – ein Zusatz, vielmehr zwei: Erstens zieht si der thematise Zusammenhang von Nationalsozialismus, Widerstand und Käuikeit bzw. Opportunismus dur alle groß budgetierten Regiearbeiten Ruzowitzkys. Diese Konstellation zeinet si bei Ruzowitzky in der genannten Perspektivierung von historiser und sozialer Erfahrung aus der Gegenwart postfordistiser Wissens- und Kreativökonomien heraus ab. Es geht um Ökonomien, in denen Empnden produziert und soziales Leben inszeniert wird, um Arbeit, die durdrungen ist von kommunikativem Know-How und von Einfühlungswissen, um aektive Arbeit, für die Gesundheitsdienste und EntertainmentIndustrien als paradigmatis gelten (vgl. Hardt/Negri , ). Für Wissensarbeitende im Gesundheitsberei erfolgt die Konfrontation mit dem Nationalsozialismus im Zeien der Käu i keit in Ruzowitzkys Anatomie-Filmen: In diesen Slasher-Thrillern müssen karriere- und innovationsorientierte junge Mediziner-Eliten si auf smerzlie, o verkörperte Weise herauswinden aus der entfesselten instrumentellen Vernun und den alles durdringenden Mainationen der so genannten „Anti-Hippokraten“. Dieser von Ruzowitzky erfundene Name bezeinet in Anatomie (D ) und Anatomie (D ) einen karrieristisen Mediziner-Geheimbund, dessen Tradition hemmungsloser Forsung unter Misshandlung von Mensen u.a. auf mörderise Experimente von -Ärzten zurügeht und der si unter dem Wahlspru „Ma das Mabare!“ der Eugenik neuer Herrenrassen widmet. Wie weit geht das Maen des Mabaren? Wie weit geht die Käui keit? Involviert und verstrit sie alle? In Ruzowitzkys im Zweiten Weltkrieg spielender Kommando-Klamoe All the Queen’s Men – Die Männer ihrer Majestät (D/A/H/USA ), die si der Wissensarbeit von Entertainern widmet, ist entseidend, dass alles mabar ist und alle involvierbar sind: soll ein britises Kommando in eine Berliner Geheimfabrik eindringen, in der nur Frauen arbeiten; also müssen die Agenten in Frauenkleidung agieren, dienen swule Natclub-Performer und Drag Queens als deren Trainer und Coaes, fungiert der von NS-Verfolgung bedrohte Berliner swule Party-Underground als Bündnispartner vor Ort. Dabei handelt es si um eine Opfergruppe der NS-Verfolgung (wie au von na fortgesetzter Strafverfolgung) und zuglei um eine Kultur, die heute allmähli zur Avantgarde postfordistisen Lifestyle-Konsums umgewertet ist. Ruzowitzky inszeniert sie als ein Produktionsmilieu, das dem Kampf gegen die Nazis kra seiner Devianz kostbares Aektwissen und exibel-normalistise Kreativität beim Fälsen sozialer Identitäten zur Verfügung stellt. Hier erseint nun die Universalität der Käuikeit als Chance, die arithmetis
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denierte Gleiheit eines Marktes, zumal Arbeitsmarktes, der na Leistung bewertet und jede Abweiung als Innovationspotenzial zu integrieren imstande ist, als Alternative zu rassistisen und stigmatisierenden Ausgrenzungen. Kommen wir zum Ende, vielmehr zu zweien: Sindler’s List hat am Ende besworen, dass sehr viel mabar ist und dass – um einen S lüsselsatz aus Spielbergs zeitglei entstandenem Jurassic Park (USA ) zu zitieren – „das Leben immer einen Weg ndet“, selbst no der drohenden Ausro ung zu widerstehen, und zwar deshalb, weil alle käui sind, in zweierlei Sinn: -Leute können gekau werden, und ihre jüdisen Opfer können gekau werden. In Sindler’s List interveniert in die Beziehung zwisen der NS-Politik der Vernitung und dem jüdisen Leben, das ihr ausgesetzt ist, ein Dries: das Geld, das keinen Hass kennt, das von S indler, dem glamourösen Fabrikant als selbsterklärten Meister der „presentation“, verkörperte Entertainment-Kapital, das repräsentiert, das fälst (dequalizierte jüdise Leben als unverzitbare Arbeitskräe deklariert) – und zählt. Spielberg „has dared to ‚count‘ and ‚reon‘ the Sindler Jews not against those that perished but by the number of their descendants“ (Elsaesser , ): Die Logik der Zahl und der Repräsentation mündet in die Re nungen und Stellvertretungen in den Friedhofsbildern und Sriinserts des Epilogs von Sindler’s List. Gegenüber ses Millionen ermordeten Juden sind . gereete ‚Sindler-Juden‘ fast nits, aber die Zahl ihrer heutigen Nakommen ist höher als die Zahl der Juden, die ‚heute‘ ( ) in Polen leben. Die Fälser endet mit einer beseideneren, vielmehr: ostentativ nit aufgehenden Renung (und ohne die Spielbergse Anrufung eines Kino-messianis gewendeten Post-Vitalismus): Die Klammer der Nakriegsrüblende mit Salomon Sorowits in Monte Carlo sließt si damit, dass er in einem exzessiven Ausagieren von survivor’s guilt all sein Falsgeld absitli im Casino verspielt und dann am Strand der jungen Lebedame (au sie eine „kleine Hure“) aus der Exposition wiederbegegnet. Sie sprit ihn auf seine Verluste an: „Du hast s letes Glü gehabt. So viel Geld… so viel Geld…“ – „Wir können uns neues maen“, erwidert der Fälserkönig, seine Stimme bereits im O einer Totalen, in der die beiden tanzen; eine der vielen Tango-Szenen des Films, die nun allerdings ohne Musik abläu. Anstelle von Musik nennt die Voice-over des kommunistisen Druers no einmal die historisen Fakten und kalten Zahlen der „größte[n] Geldfälsungsaktion aller Zeiten“; die Stimme zählt und vergleit: den Geldwert der gefälsten Pfundnoten, dessen vierfaen Wert im Verhältnis zu den britisen Währungsreserven, die dur den Widerstand der Hälinge gering gebliebene Dollarproduktion. Dieses Ende lässt den einen Fälser tanzend sehen und den anderen spreend hören, zeigt einen tonlosen Tango vor der Unermesslikeit des Meeres und
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blendet das Bild ab, als die wehmütige Musik einsetzt. „Wir können uns neues maen“: Die Rede ist davon, dass Geld nagemat – dur Repräsentation reproduziert und gefälst – werden kann. In seiner Abwesenheit unabweisbar eingeblendet ist hier, was das Gesagte ausblendet: dass es nit irgendwann au gut sein wird, dass die Renung der Repräsentation nit ganz aufgeht, so wie Bild und Ton (wie Körper beim Tango4) auf Abstand zueinander bleiben, und die verlorenen Leben der Ermordeten nit nagemat werden können. Dank für Hinweise an Siegfried Mal und Renée Winter.
Literatur Burger, Rudolf ( ) Die Irrtümer der Gedenkpolitik. Wider die Rede von der „Verdrängung der Nazizeit“ – Ein Plädoyer für das Vergessen. In: Der Standard v. ./ . . . Diner, Dan ( ) Über Sulddiskurse und andere Narrative. Epistemologises zum Holocaust. In: Gertrud Ko (Hg.) Brulinien. Tendenzen der Holocaustforsung. Köln/ Weimar/Wien: Böhlau, S. – . Elsaesser, Thomas ( ) Subject positions, speaking positions: From Holocaust, Our Hitler, and Heimat to Shoah and Sindler’s List. In: Vivian Soba (Hg.) The Persistence of History. Cinema, Television, and the Modern Event. New York/London: Routledge, S. – . Franz, Veronika ( ) Ein Ferienlager mien in der Hölle. In: Kurier v. . . . Hardt, Michael/Negri, Antonio ( ) Empire. Die neue Weltordnung. Frankfurt/M.: Campus. Pekler, Miael ( ) Wo ist der Hintergrund? In: Falter , . Rebhandl, Bert ( a) Ein moraliser Zweikampf. In: Der Standard v. . . . Rebhandl, Bert ( b) Der Pakt eines Leitlebigen. Farce und Todesdrama: Stefan Ruzowitzkys Die Fälser auf der Berlinale. In: Der Standard v. ./. . .
4 Wollte man der sinngenerierenden Spur des Tango über große Distanz folgen, würde dies vielleit na Argentinien, zum Flutort von Eimann und anderen NS-Mördern führen.
Die DDR aus der Perspektive einer jungen Generation Erkundungsreisen und Grenzerfahrungen zwisen Träumen und Realität in deutsen Filmen seit 2005 Mariana Ivanova
Eine bessere Welt erträumen, eine Vergangenheit in Bildern erinnern Gegen Ende des Films Good Bye Lenin (D , Wolfgang Beer) verkündet der vermeintlie DDR-Kosmonaut Sigmund Jähn vom Fernsehsirm aus seine Zukunsvision einer bereits son lange nit mehr existierenden DDR. In diesem ktiven Staat hieße es „auf den Anderen zuzugehen, mit dem Anderen zu leben, nit nur von der besseren Welt zu träumen, sondern sie wahr zu maen“. Au wenn dieses Ideal der DDR-Auaujahre heute anaronistis erseinen mag, ist es Jahre na der Wende in der deutsen Öentlikeit weiterhin präsent. Wie Inge Stephan und Alexandra Tae in der Einleitung zu NaBilder der Wende ausführen, werden seit den er Jahren Träume vom neuen Anfang, von einer neuen Heimat sowie einer neuen „gesamtdeutsen“ Identität von den Medien genährt (vgl. Stephan/Tae , .).1 Man denke nur an den Massen- und Touristenappeal von zahlreien Foto-Ausstellungen zum zwanzigsten Jubiläum des Mauerfalls, die unter unvergessenen Slogans laufen, wie etwa „Wir waren so frei“ (Filmmuseum am Potsdamer Platz), „Wir sind das Volk!“ (Magazin zur Berliner Open-Air Ausstellung), oder die aktuelle, von der DEFA-Stiung und Progress-Film-Verleih organisierte Veranstaltungsreihe „ Jahre Mauerfall: Geteilte Vergangenheit, gemeinsame Gesite.“2 Gerade der letzte Veranstaltungstitel signalisiert, dass die Vorstellung einer gemeinsamen Zukunft eine Aufarbeitung der Vergangenheit im geteilten 1
Besonders interessant im Hinbli auf den Traum von einer neuen Heimat ist der zweite Teil des Bandes: Kolonialfantasien & ‚Heimat‘-Konstruktionen (Stephan/Tae , – ). Die Publikation liefert au einen Einbli in Reaktionen auf die Wende und den Wiedervereinigungsdiskurs, nit nur in den Medien, sondern au in no selten besproenen Werken der Kunst, des Films und der Literatur na . 2 Mehr Information dazu im Internet: , und (Stand: . . ).
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_15, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Deutsland voraussetzt. Diese Aufarbeitung wiederum basiert auf einem seit zwanzig Jahren gesuten gesellsalien Konsens, der nit zuletzt au dur lmise Werke hergestellt werden soll. Für die Historikerin und Publizistin Susan Sontag prägt ein soler Konsens das, was als „Erinnerung“ im nationalen Kontext verstanden wird. Der Rübli auf das Vergangene, behauptet sie, bedeute „kein Erinnern, sondern ein si einigen“ („not a remembering, but a stipulating“, Sontag , ) auf etwas, was erinnert werden soll und was post factum dur Bilder als Gesite konstruiert und in Bildariven dokumentiert und auewahrt wird. In Regarding the Pain of Others schreibt sie: All memory is individual, unreproducible – it dies with each person. What is called collective memory is not a remembering but a stipulating: that this is important, and this is the story about how it happened, with the pictures that lock the story in our minds. (ebd.)
Sontags These über die Konstituierung der Gesite dur einen Konsens über Bilder tri besonders für die deutse Wende als mediales Ereignis zu, sowie für die Darstellung der DDR im Film und Fernsehen seit . Dabei berührt die Historikerin unweigerli die son immer heikle Frage, inwieweit Erinnerung als kollektiv gelten kann, wenn sie eigentli aus individuellen Erfahrungen, Wahrnehmungen und Ansiten konstituiert wird.3 Aus Sontags Behandlung der Gedätniskonstruktion geht au hervor, dass die Erinnerung innerhalb einer Gemeinsa nur dur eine Auswahl bestimmter Bilder und gewisser Darstellungsweisen von Erfahrungen mögli wird; also dur die Einigung darüber, wele Bilder bevorzugt werden sollen und wele marginalisiert. 3 Vergleie mit Dells Anlehnung an den Erinnerungsbegri des Kulturhistorikers Jan Assmann in seiner Diskussion vom Bild der DDR im gesamtdeutsen Kino (Dell , f.). Meines Eratens eignet si Sontags Auassung vom „kollektiven Gedätnis“ als mediales Konstrukt besser für eine Analyse der Funktion von Nawendelmen in der Konstruktion eines DDR-Bildes. Au wenn Dell, ausgehend von Assmanns These, „die soziale Konstruktion einer Vergangenheit“ einräumt, vertri er immer no die Meinung, dass die Gruppe als sole ein Selbstbild von si entwir und dass „jede Korrektur am Selbstentwurf die Existenz der Gruppe in Frage stellen würde.“ (ebd.) Dieser statise Begri des Selbstbildes innerhalb einer Gruppe seint mir im Kontext deuts-deutser Gesite weniger geeignet und tragfähig. Das kreierte (Selbst-)Bild einer Gruppe (in diesem Falle ehemaliger DDRBürger untersiedlier Generationen) wie au ihre Darstellung im Medienraum (dur Bilder und Filme na der Wende) sind, wie i hier mit Beispielen belege, ständig im Wandel. Dadur ändern si die Wahrnehmung der Vergangenheit und die Erinnerung an das Vergangene, vor allem weil diese generationsspezis neu bewertet oder interpretiert werden.
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Der gesellsalie Konsens, der im Sinne Sontags als Filter funktioniert, der nur gewisse Erfahrungen gelten lässt, wird au kritisiert, insofern er beispielsweise Film als kritise Instanz entsär. Der Filmhistoriker Eric Rentsler, der „Konsens“ im Untersied zu Sontag eher im Sinne einer Verweigerung politiser Diskussionen versteht, bedient si des Begris des „cinema of consensus“ für das (gesamt-) deutse Kino der er Jahre. Rents ler setzt si mit Nawende-Filmen von Regisseuren wie Doris Dörrie, Dominik Graf, Detlef Bu, Sönke Wortmann u.a. auseinander, die ihm zufolge ein Kino der Massenablenkung befürworten: „They want the cinema to be a site of mass diversion, not a moral institution or a political forum“, führt Rentsler aus, nadem er diese Regisseure mit Autorenlmern wie Rainer Werner Fassbinder und Alexander Kluge verglien hat, „Quite emphatically, the most prominent directors of the post-wall era aim to please, whi is to say that they solitcit a new German consensus.“ (Rents ler , ) In Rentslers Diskussion der Entpolitisierung des deutsen Films na der Wende und dur seine Kritik an den populistisen Intentionen der oben erwähnten Filmemaer, die si von der Generation gesellsaskritiser Regisseure des Neuen Deutsen Films abgrenzen, bleiben Filme ehemaliger DEFA-Regisseure (z.B. Egon Günther, Heiner Carow, Frank Beyer oder Peter Kahane), die als Reaktion auf die Wende entstanden sind, weitgehend unberüsitigt.4 Der von „the most prominent“ Regisseuren gesute Konsens besteht für Rentsler darin, Publikumserwartungen zufrieden zu stellen (meistens mit Komödien und anspruslosen Unterhaltungslmen) und somit die neue Gesellsa unkritis zu repräsentieren und zu zelebrieren ansta zweifellos vorhandene Probleme zu thematisieren oder herrsende Zustände zu hinterfragen. Ob dabei eine gesamtdeutse Identität überhaupt entstehen kann, bleibt nit nur für ihn fragwürdig, sondern au für Zusauer, die mit Wendelmen einer Generation von DEFA-Regisseuren, die aus Rents lers Diskussion ausgeslossen bleiben, vertraut sind. Die Rolle, die diese Filme für unser Verständnis der Nawendelme spielen, gilt es hier zu erläutern, da die DEFA-Regisseure, wie später ausgeführt wird, si mit innerdeutsen Problemen und der Erinnerung an die DDR als ein totalitäres Regime besäigen. Au Thomas Elsaesser weist darauf hin, dass deutse Filme na der Wende o dem Regionalen und innerdeutsen Fragen verpitet bleiben, 4 Vgl. hierzu Senk , Clarke b und Berghahn , die eine andere Perspektive auf das deutse Kino der frühen er anbieten. Filme ehemaliger DEFA Regisseure, die si in den ern mit der Wende besäigen, sind, unter anderem, Egon Günthers Stein (D ), Heiner Carows Die Verfehlung (D ), Frank Beyers Fernsehproduktion Nikolaikire (D ) etc.
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die meist mit der Wende und deren Konsequenzen verbunden sind. Trotz ihres Massenappeals innerhalb Deutschlands ergeben sich jedoch aus der Konzentration auf die deuts-deutsen Verhältnisse na der Wende Probleme für den deutsen Film auf dem internationalen Markt (vgl. Elsaesser , ). Diese Probleme werden Elsaesser zufolge zusätzli no dadur verstärkt, dass viele der Filme einem swer exportierbaren Genre angehören: der europäisen Komödie (vgl. ebd., ). Was zu diesem Zeitpunkt, an dem Elsaesser s reibt und der zeitli vor dem internationalen Erfolg von Sonnenallee (D , Leander Haußmann) und Good Bye Lenin! (D ,Wolfgang Beer) liegt, unbeatet blieb, ist das Potential der Komödie, als populäres Genre Persönlies aus einem ironisierenden Bliwinkel anzuspreen. Und wenn die deutse Komödie na der Wende außerdem Phänomene wie „the former GDR as a ‚nostalgic‘ media construction“ (Elsaesser , ) für ein Nawende-Publikum simpliziert darstellt, kann si die Kombination aus „Komödie im europäisen Stil“ und „Rübli auf die DDR“ au im Ausland bewähren, wie etwa im Fall von Sonnenallee oder Good Bye Lenin!.5 Der Erfolg von Komödien über die ehemalige DDR im Ausland mag mit einer allgemein herrsenden „Apotheose im Kult des Spaßes“ der späten er erklärt werden (Hake , ; vgl. au Senk , ). Allerdings ist ihre Popularität in Deutsland, wie die Filmhistorikerin Sabine Hake erläutert, auf die Versöhnung der „Wünse des Einzelnen mit der gesellsalien Wirklikeit“ (Hake , ) zurüzuführen, und zwar über mehrere Generationen hinweg (vgl. au Allan , ). Mit anderen Worten weisen die DDR-Sozialkomödien neben dem Mangel an kritiser Substanz (vgl. Senk , ) ein Identikationspotential auf, weles für das Kino- und Fernsehpublikum aus der ehemaligen DDR in der Art neu war und dem westdeutsen Publikum einen Zugang zu Erfahrungen mit einem wenig bekannten Land ermöglite.6 Die persönlien Erfahrungen und die heiter-loere Perspektive einer jüngeren Generation in diesen Komödien zwingen zudem nit zu Abre nung mit dem totalitären System oder zur Sue na absoluten Wahrheiten, sondern erlauben vielmehr die unbelastete Konstruktion einer imaginären DDR.
5 Seán Allan ( ) liefert eine aufslussreie Diskussion dieser beiden Komödien im Kontext der Ostalgie-Welle. Er behauptet, dass Sonnenallee und Good Bye Lenin! in der Tat zu einer willkommenen Normalisierung des deuts-deutsen Verhältnisses beitragen und untermauert seine Argumentation mit weiteren Beispielen aus deutsen Komödien der er Jahre. 6 Zur mangelnden Komödien-Tradition der DEFA und der Popularität von Komödien unter Ostdeutsen na der Wende vgl. Berghahn , .
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Subjektiver Bli , persönlie Gesiten Um no einmal auf Good Bye Lenin! zurüzukommen: Die Vorstellung des Protagonisten Alex von der DDR als „ein Land, das es in Wirklikeit nie so gegeben hat, das in meiner Erinnerung immer mit meiner Muer verbunden sein wird“ bildet nit nur die Kernaussage einer konsensfähigen Komödie, die das Interesse an Ostdeutsland international ankurbelte. Dur diese Vorstellung wird au die subjektive Natur der DDR-Darstellung in Bildern generell und konkret im Film thematisiert. Sowohl die frühen Wendelme (Egon Günthers Stein [D ], Heiner Carows Verfehlung [D ], Andreas Kleinerts Verlorene Lands a [D ] u.a.) als au die Sozialkomödien in den er Jahren7 (Peter Timms Go Trabi, Go [D ], Detlef Bus Wir können au anders [D ], Leander Haußmanns Sonnenalle [D ], Sebastian Petersons Helden wie wir [D ] u.a.) skizzieren auallend o persönlie Gesiten, in denen si die großen politisen Ereignisse auf individuelle Beziehungen und den Alltag auswirken. Gefühle wie Melanolie und Sehnsut na dem Vergangenen, Wut über das Verpasste und Angst vor dem Unbekannten, sowie Zusammengehören und Verlassensein werden in den Wendelmen und den Sozialkomödien in unters iedlien Graden ausgelöst. Während die Wendelme vor allem traumatise Erfahrungen des Einzelnen betonen (vgl. Köppen , .), liegt die Leistung der Sozialkomödien darin, „dass sie im gemeinsamen Laen eine Einheit stiende Funktion wahrnehmen.“ (Visser , f.) Dur die Darstellung von einzelnen Erfahrungen, die ein gemeinsames Bild der DDR konstruieren, entsteht im deutsen Film seit eine Art Bildariv in Susan Sontags Sinne, weles Erinnerungen und Vorstellungen über die DDR generationsspezis organisiert und auewahrt. Im Folgenden wird also versut, der DDR-Darstellungen im deutsen Film na auf die Spur zu kommen und den Wandel der Sit auf die DDR besonders in Filmen, die na entstanden sind, aufzuzeigen und zu dierenzieren. Vor dem Hintergrund der frühen Wendelme und Sozialkomödien werden hier drei Filme besproen, die dur die Perspektive jüngerer Mensen geprägt sind, die zwar in der DDR aufgewasen sind, ihr Leben aber im vereinten Deutsland auauen. Dabei ist von Interesse, wie die DDR von einer neuen Generation (vertreten dur jüngere Protagonisten) als Grenzberei zwisen Nawende-Realität, Erinnerung und Traum inszeniert wird.
7
Zum Begri der Sozialkomödien, siehe u.a. Anthonya Vissers Beitrag „Sozialkomödien als Umgang mit der DDR vor und na “ ( , .). Siehe dazu au ihre Bespreung der so genannten „Wende-Komödien“ (vgl. ebd., .).
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Um diesen Wandel zu verdeutlien ist es notwendig, zunäst die Hauptmerkmale der frühen Wendelme, die die Abre nung mit der Vergangenheit, den Protest und die Verwunderung über die Veränderungen zum Inhalt haben,8 sowie die der Sozialkomödien mit ihrem ironisierenden Gestus kurz zu skizzieren. Darauf auauend werden drei na entstandene Filme diskutiert, die zwar ebenso ganz persönlie Gesiten erzählen, diese jedo nutzen, um eine Distanz zur ‚großen Gesite‘ zu erzeugen, und nit um Erklärungs- oder Konsensmuster für die Vergangenheit des vereinigten Deutschlands zu erschaffen. Gemeint sind Andreas Dresens Sommer vorm Balkon (D ), Christian Petzolds Yella (D ) und Christian Swoows Novemberkind (D ). In diesen Filmen wird die DDR von den Protagonisten unwillig erinnert; die DDR-Vergangenheit sut junge Frauen aus dem Osten heim, während diese in der neuen Wirklikeit Fuß zu fassen versuen. Die Betratung der Filme geht dabei von folgenden Fragen aus: Wo kommt die Erinnerung an die DDR im Leben dieser jungen Frauen zum Vorsein, au wenn die Verbindung zur Vergangenheit nit immer oensitli ist? Wie wird sie konkret visuell und lmis umgesetzt? Wele Perspektive auf die DDR wird so vermielt? Wele Rolle spielen diese persönlien Gesiten der drei Frauen für die Konstruktion eines DDR-Bildes?
Von der Wende-Frustration in frühen Wende lmen zur WendeFaszination in Sozialkomödien Nehmen wir also den frühen Wende lm als Ausgangpunkt um später zu zeigen, wie Sommer vorm Balkon, Yella und Novemberkind an die subjektive Erzählperspektive von damals anknüpfen, die Vergangenheit aber trotzdem anders bewerten. Wie aus Manuel Köppens ( ) und Ralf Senks ( ) Untersuungen hervorgeht, besä igen si die Filme der Jahre bis meistens mit Gesiten über Einzel- und Grenzgänger, Außenseiter und ‚sräge Vögel‘, Regimekritiker und Kämpfer gegen das Regime. Sie thematisieren Selbst- und Enäusungen, Wende-Frustrationen, unerfüllte Träume und die Flut in eine imaginäre Welt, wie diejenige, die der vermeintlie
8 Vgl. mit Köppens Klassikation von drei Gruppen im Wendelm: Filme, „die abrenen mit der DDR-Vergangenheit“ meistens von ehemaligen DEFA-Regisseuren; Filme, „mit denen si der Anspru auf einen drien Weg artikulierte“, d.h. Filme von Außenseitern; und driens, Filme einer jungen Generation von Regisseuren, deren Debüts na der Wende herauskamen, d.h. „Filme, die weder abre neten, no protestierten, sondern mit Staunen, Wehmut und Zweifel die Zeien der Zeit betrateten.“ (Köppen , )
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Sigmund Jähn in Good Bye Lenin! ausmalt. So entsteht in diesen Filmen ein simpliziertes Erklärungsmuster für komplexe Probleme: Desillusionierung und traumatise Erfahrungen werden auf die Normen und Zwänge einer totalitären Gesellsa oder eines repressiven Staatsmeanismus projiziert, sodass das Individuum als Opfer des Systems erseint und das Private dem Politisen unterworfen wird. Die DDR wird meistens als ein Regime erinnert, das nur dur Unterdrüung der persönlien Freiheiten funktionieren konnte.9 Um dies zu demonstrieren, soll hier kurz eine Auswahl soler Filme vor Augen geführt werden. Egon Günthers Stein (D ) erzählt die Ges ite eines älteren Künstlers (Rolf Ludwig), der si na dem Prager Frühling
resigniert in seine Villa zurüzieht und zwisen Traum und Wirklikeit dahinvegetiert. Au na seiner Rü kehr na Berlin ndet er mien im Trubel der Ereignisse von aus seiner imaginären Welt nit mehr heraus, will seine Verhaftung nit wahrnehmen und verliert si sließli in einer Vergangenheit, die nit die seine ist: in die der römisen Katakomben. In Heiner Carows Verfehlung (D ) kämp eine ostdeutse Putzfrau mileren Alters (gespielt von Angelica Domröse) gegen den staatlien Apparat für ihre Liebe zu einem westdeutsen Hafenarbeiter. Das Sujet wird zusätzli dur ein persönlies Detail kompliziert und dramatisiert, indem der Bürgermeister die Liebe der Frau für si beansprut. Ähnli wie in Margarethe von Troas Mauerdrama Das Verspre en (D ) thematisiert Carow die andauernden Versue des Einzelnen, si von Normen und Ideologien zu befreien und sließli seinen Zusammenbru samt Träumen und Erinnerungen unter der Last der politisen Mas inerie – ein Motiv, das son früher in Peter Kahanes Die Aritekten (D ) verwendet wird. Darüber hinaus besäigt si Andreas Kleinert in Verlorene Lands a (D ) mit einem Politiker um die fünfzig (Roland Säfer), der eine Reise aus Westdeutsland in den Osten unternimmt. Elias kehrt an seinen Geburtsort zurü, wo er seit dem Mauerbau nit gewesen ist. Dort wird er mit unruhigen Erinnerungen und den Gespenstern der Vergangenheit konfrontiert. In seiner wiederum imaginären Realität kann er si mit den längst verstorbenen Eltern nomals ausspreen, ihren Tod miterleben und bewältigen. Zwei Zeitebenen konkurrieren somit in diesem Film miteinander, ohne dass der Zusauer sie klar auseinander halten könnte – die der Erinnerung und die der erlebten Gegenwart. Die frühen Wendelme erzielen, wie bereits Köppen festgestellt hat (vgl. Köppen , ), keinen Konsens, sondern spiegeln Irritationen und Fra-
9
Vgl. Hakes Kritik zu diesem Punkt, , ; siehe au Berghahns Diskussion, , .
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gen wider, die si aus den Lebenserfahrungen einer älteren Generation (die der ehemaligen DEFA-Regisseure oder westdeutser Autorenlmer wie von Trotta) ergeben. Die meisten dieser Regisseure erzählen Geschichten über Frustration und Matlosigkeit, was o auf die Auösung der staatlien DEFA Filmstudios im Jahre zurügeführt wird, sowie auf die begrenzten Chancen für einen neuen beruien Start dana.10 Daher sind au, so Köppens These, die bevorzugten Themen dieser Filme Abrenung, Rae und Trauma (vgl. Köppen , ; vgl. au Senk , ). Unter den oben erwähnten Regisseuren verdient jedo Andreas Kleinert, der zusammen mit Andreas Dresen und Christian Petzold einer jüngeren Generation angehört, besondere Aufmerksamkeit. Sowohl Verlorene Lands a (D ) als au sein späterer Film Neben der Zeit (D ) greifen die Themen der Wiedervereinigung und der DDR-Vergangenheit aus einer viel dierenzierter Perspektive als die der ehemaligen DEFA-Regisseuren auf. Wie i später genauer ausführen werde weist Kleinerts Herangehensweise an diese Themen viele Gemeinsamkeiten mit Dresens, Petzolds und sogar Swoows Filmen auf: erstens, auf der Erzählebene, dur das Thematisierten von heiklen Fragen der deuts-russisen Gesite;11 zweitens, auf der visuellen Ebene, dur die Darstellungsweise mit ruhigen, langen Einstellungen (Neben der Zeit) und driens dur die Sprünge zwisen zwei Zeitebenen (Verlorene Landsa). Wie Andreas Kleinert gehören Andreas Dresen und Christian Petzold einer Generation von Regisseuren an, die ihre ersten Filme Mie der er Jahre gedreht haben, während Christian Swoow eine jüngere Generation von Filmemaern vertri, die ihre Debüts erst na hergestellt haben. Andreas Dresen wurde in Gera, Ostdeutsland, geboren und absolvierte die Hosule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Vor seinem Studium war er Regie-Assistent bei der DEFA und verfolgt seit seinem Studienabsluss, der mit der Wende zusammenel, eigene Regieprojekte. Christian Petzold wurde in Hilden, Westdeutsland, geboren und hat seine Kindheit zwisen West und Ost verbrat, was ihn auf die DDR neugie10
Berghahn bietet eine ausführlie Diskussion zum Problem (vgl. Berghahn , – ). Der DEFA-Drehbuautor Wolfgang Kohlhaase erzählt in einem Interview über seine Erfahrung als Autor na der Wende Folgendes: „I hae immer ein Angebot dabei, während mane meiner Regie führenden DEFA-Kollegen mit ihren Projekten in einer Welt gerieten, die sie nit kannten. Das, was sie erzählen wollten, war in diesem Moment nit wirkli kinotaugli – au der Osten interessierte si vorübergehend nit für seine Vergangenheit. Die DDR war ein kleineres Feld, aber i hae immer eine Vorstellung, warum i eine Gesite erzählen wollte.“ (Arnold , ) 11 Siehe hierzu au meine Ausführungen weiter unten über die intertextuellen Bezüge zwisen Kleinerts und Swoows Filmen.
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rig gemat hat.12 Später hat er Theaterwissensa an der Freien Universität in Berlin studiert und na seinem Absluss au ein Regiestudium an der Deutsen Film- und Fernsehakademie Berlin (d) absolviert. Christian Swoow (geb. in Bergen, damals DDR, aufgewasen in Ostberlin und Leipzig) hat im Jahr ein Studium der Filmregie an der Filmakademie Baden Würemberg aufgenommen, das er ses Jahre später erfolgrei absloss. Seinen Diplomlm, Novemberkind, hat er in enger Zusammenarbeit mit seiner Muer, der Regisseurin und Autorin Heide Swoow gedreht, die bis zu ihrem Umzug in die BRD in der DDR arbeitete. In seiner Bespreung der Wendelme dieser neuen Generation von Regisseuren (vertreten dur Andreas Dresens Stilles Land [D ] und Andreas Kleinerts Verlorene Landsa ) stellt Köppen einen Gestus der Verwunderung und der Melanolie im Rübli auf die DDR heraus (vgl. Köppen , ). Wenn man aber annimmt, dass unter diesen Regisseuren eine Art Generationswesel stagefunden hat, au im Hinbli auf ihre Perspektive auf die DDR, muss man ihre Filme zusammen mit denen der ‚Konsenssuer‘ betraten. Als Konsenssuer in Rentslers Sinne können etwa Autoren von Sozialkomödien wie Leander Haußmann (geb. , Sonnenallee, Herr Lehmann [D ] und NVA [D ]), sein Drehbuautor Thomas Brussig (geb. , Sonnenallee, Helden wie wir [D , Sebastian Peterson] und NVA) oder Wolfgang Beer (geb. , Good Bye Lenin!) gesehen werden. Diese Filme, wie Visser am Ende ihrer Diskussion der Sozialkomödien feststellt, saen eine Realität, „in der eine konkret erfahrene DDR-Vergangenheit aufgehoben ist, zu der au Träume, Wünse usw. gehören.“ (Visser , ; vgl. au Allan , .) In Sozialkomödien wie Sonnenallee und Good Bye Lenin! spielt das Persönlie eine witige Rolle, um eine ironisierende Perspektive zu saen. Die jungen Protagonisten erzählen von ihrem Alltag in der DDR, von ihrer Kindheit, ihrer Familie oder ihrem Freundeskreis. Wie in den frühen Wendelmen entstehen die Konikte außerhalb der Privatsphäre – dur die Polizei, die zu überlisten ist, dur die Änderung des Regimes über Nat, oder dur Wessis, die ostdeutse Städte als Touristen besitigen. Der Einzelne muss si durs Leben lavieren, Lüge und Betrug stehen auf der Tagesordnung und wirken dabei sogar amüsierend und geretfertigt. Die Protagonisten sind junge, aufgewe-
12 In seinem Aufsatz „Dahin, wo alles aurit“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom . Mai sreibt er: „Beide [die Eltern Petzolds, M.I.] sind, kurz bevor die Mauer gebaut wurde, weggegangen, weil sie im Osten keine Zukun für si sahen. […] Sie fühlten Genugtuung, si für die ritige Seite entsieden zu haben, und obwohl sie immer unfassbares Heimweh na dem Osten behielten, haben sie diese Genugtuung au gezeigt, wenn wir im Sommer in der DDR Urlaub maten.“
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te Mensen, mit denen si eine junge Generation von Zusauern leit identizieren kann, besonders wenn sie si an die DDR aus ihrer Kindheit erinnert. Diese Identikation wird dur die Musik, die Kostüme und die Farbenqualität in beiden Komödien ermöglit. In Sonnenallee werden etwa DDR-Slager wie Nina Hagens Du hast den Farb lm vergessen ( ), Ro-Songs der DDR-Band „Die Puhdys“ wie Geh zu ihr ( , ein Zitat aus Heiner Carows Die Legende von Paul und Paula [DDR ]), wie au Hit-Songs aus den er Jahren, wie zum Beispiel Nits bleibt für die Ewigkeit ( ) der Punk-Gruppe „Die Toten Hosen“ eingesetzt. Die Kostüme in Good Bye, Lenin! von Aenne Plaumann gestaltet, betonen den Untersied von Design, Stoen und Snien vor und na der Wende. Au die intensive Farbenqualität beider Filme unterminiert Klisees über die DDR als ‚graues Land‘ (vgl. au Allan , .). Sließli fordern diese Sozialkomödien den Zusauer heraus, si gewisser Vorurteile und Missverständnisse in Ost- und Westdeutsland na bewusst zu werden, sowie si einer neuen Realität der Nawendezeit ohne Suldgefühle und Moralisierung zu nähern, womit die hinterfragende Perspektive der früheren Wendelmen quasi ad absurdum geführt wird.
Grauer Alltag, bunte Kleider und Erinnerungen an eine ‚Zeit der Gefühle‘ Au Sommer vorm Balkon übernimmt den Gestus der Sozialkomödien, zumindest was den Einsatz von alltäglien Details und Slagermusik betri, um einen Kontrast zwisen einer vergangenen ‚Zeit der Gefühle‘ und der neuen Zeit steigender Arbeitslosigkeit im Berlin des Jahres herzustellen.13 Die Slagermusik, führt Dresen aus, sehe er weniger als „atmosphärise[n] Spannungsträger“, sondern eher als Miel „zum Transportieren vom ‚Traum von einer anderen Welt‘.“ (Gerle , ) Diese Welt wird, im Untersied zu anderen Nawendekomödien, nit automatis als ‚besser‘ dargestellt und in einer unwiederbringlien Vergangenheit situiert. Vielmehr lässt Dresens oenes Erzählverfahren den persönlien Gesiten seiner Nebenguren Spielraum, was dem Zusauer o unerwartet realistis wirkende Einblie ins Berliner Leben na der Wende erlaubt. So gelingt es dem Film, den Übertreibungseekt und den ironisierenden Bli der Nawendekomödien zu 13
In Sommer vorm Balkon setzt Dresen Slagermusik aus den er Jahren ein, z.B. Lieder der bekannten Berliner S lager-Sängerin Marianne Rosenberg („Er gehört zu mir“), von Nana Mouskouri („Guten Morgen, Sonnensein“), Costa Cordalis („Anita“), Sindy & Bert („Immer wieder Sonntags“) und anderen. Mehr zu Dresens Konzept und den Gebrau von Musik in seinen Filmen in Gerle .
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vermeiden – au indem er auf empathise Art und Weise die Alltagsrealität zweier Generationen (die der - bis -Jährigen und die der -Jährigen) einfängt und nebeneinander darstellt. Dur den Einsatz einer Handkamera und mm Film bemüht si Dresen neben der realistisen Zeinung der Alltagssituationen au um einen lmisen Tribut an den Berliner Prenzlauer Berg, so wie es ihn einmal gab und wie er vielleit no in den Köpfen maner Ost-Berliner der älteren Generation existiert. Die Komödie (in der Presse au als „Sozialdrama“ klassiziert) ist vor allem deshalb signikant, weil sie motivis verditet, was andere Sozialkomödien der Nawendezeit nur andeuten: die DDR wird generationsspezis untersiedli wahrgenommen und erinnert. Und sie wird manmal in Gesiten anderer erinnert, Zeitzeugen, die aus ihren Erfahrungen eine neue Perspektive auf die DDR gewinnen. Daraus entstehen zwei versiedenen Welten, die im Film nit aufeinander prallen, sondern nebeneinander existieren. Die erste ist die Welt einer älteren Generation, die in der Nakriegszeit aufgewasen ist. Ihre Lebenswelt wird dur Melanolie und das Bedürfnis na Geborgenheit bestimmt. Das Verhaet sein in einer erinnerten Welt (ihrer Jugend in der DDR) verleiht ihrer Existenz in der Gegenwart Sinn. Die andere Lebenswelt wird dur Emanzipation von alten Normen, dur bunte Kleider und Durhaltewillen geprägt. Sie gehört zu einer neuen Generation, die zwar in der DDR aufgewa sen ist, ihre Träume aber in einem neuen Deutsland ausleben will. Allerdings fehlen hier die Abrenung mit der Vergangenheit oder der Wende-Frust der frühen Wendelme. Sommer vorm Balkon wird stattdessen aus der persönlichen Perspektive zweier Freundinnen erzählt, Nike und Katrin, die si trotz Jobknappheit in Berlin über Wasser zu halten versuen. Katrin (Inka Friedri) ist Wahlberlinerin, die na der Wende aus Freiburg na Berlin kam. Außerdem ist sie Hobbymalerin, die si ausgerenet für „ostmäßige“ Häuser „so wie sie sind“ interessiert. Und da na der Wende keiner ihre Leidensa so ritig teilt, bewirbt sie si als Dekorateurin bei großen Einkaufshäusern, immer wieder ohne Erfolg. Ihre Freundin Nike (Nadja Uhl) ist eine ete Ostberlinerin, jung, ke und voller Energie. Sie pegt ältere Mensen im Prenzlauer Berg, die ihr Gesiten aus ihrer Vergangenheit erzählen, zum Beispiel über ihre Lieben, Lieder und Lieblingsbüer und ein ‚anderes‘ Leben, das von Berlins pulsierendem Nawenderhythmus längst überholt worden ist. Beide Freundinnen trinken und träumen abends auf Nikes Balkon, bis eines Tages die alltäglie Idylle gestört wird: Katrin wird si bewusst, dass sie alkoholabhängig ist und unfähig einen Job zu nden, während Nike die Vorwürfe ihres Freundes, dem Lastwagenfahrer Ronald (Andreas Smidt), nit mehr aushält. Na einer
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‚Reise zu si selbst‘, auf der Entzugsstation beziehungsweise im Lastwagen des Freundes, sehen beide jungen Frauen die Probleme klarer. Das Ende dieser Sommerkomödie bleibt trotzdem oen, wobei der Zusauer hoen darf, dass zumindest die Freundsa beider Frauen weiter bestehen wird. Der ozielle Kinostart von Sommer vorm Balkon war im Januar , aber der Film lief son im November auf dem Festival des osteuropäisen Films in Cobus. Der Bezug zum osteuropäisen Film ist in Sommer vorm Balkon dur seine poetis-realistise Filmästhetik, die an das tseise und polnise Kino der er Jahre erinnert, deutli erkennbar. Außerdem dreht si Dresens Film um alltäglie Fragen und Themen, die immer son das Werk des geübten und bekannten DEFA-Drehbuautors, Wolfgang Kohlhaase, bestimmt haben, der au das Bu zu Sommer vorm Balkon verfasst hat. Daher au die Ähnli keiten der Gesite mit Kohlhaases Berlin-Filmen Berlin – E e Sönhauser (DDR , Gerhard Klein) und Solo Sunny (DDR , Konrad Wolf). Wie in diesen beiden Filmen wird auch in Dresens Film der Anspruch auf eine Darstellung des Lebens ‚im jetzt‘ erhoben. Anders als in den DEFAProduktionen oder etwa in den frühen Wendefilmen scheitert hier jedoch das Glüsverspreen nit an den Grenzen der Gesellsa. Au wenn Dresens Mentor, der DEFA-Regisseur Günter Reis, in Sommer vorm Balkon einen „Übergang vom Sozialstaat zum Individualstaat“ (Sylvester ) sieht, sind Gesellsaskritik und moralisierende Haltung weitgehend nit präsent. Abwesend sind au Nikes Erinnerungen an eine DDR, in der sie lang genug gelebt hat. Gleizeitig gehören Nike und ihre Freundin Katrin irgendwie au nit ritig zur bunten und lauten Prenzlauer-Berg-Szene: ihnen geht das persönlie Glü aus dem Weg, sie kommen mit Swierigkeiten und Einsamkeit nit klar und üten si darum auf ihren Balkon. Während die Kamera alte und renovierte Häuser mit ihren Balkons, Fenstern und Treppenhäusern zeigt,14 betri sie kein einziges Brun-Café, kei14
Das visuelle Motiv der Treppenhäuser und Berliner Fassaden erinnert erstaunli genau an Bertolt Brets und Slatan Dudows proletarisen Film Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt? aus dem Jahr . In seiner Darstellung des Lebens in Berlin seint Dresens Ges ite an diesen Film tatsäli o anzuknüpfen. Parallelen ndet man sowohl auf der visuellen als au auf der Plotebene. Au Dudow und Bret stellen den Alltag durs nilier Berliner in einer Zeit der Jobknappheit dar. Au ihre Filmerzählung dreht si um eine Protagonistin, Anni, die ihre Familie allein versorgen muss, ihre Beziehung zu einem passiven Kerl nit mehr aushält und sie sließli beendet. Auf der visuellen Ebene kann man die für Bret und Dudows Film typisen Nahaufnahmen von Radfahrerbeinen bei Dresen wieder entdeen, ähnli wie die son erwähnten Szenen im Treppenhaus. Das Motiv der Frauenfreundsa, die als einziger Ausweg aus den Problemen des Alltags gesehen wird,
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nen elitären Live-Music-Club in dem seit der Wende hip gewordenen Kiez. Eigentli erinnern die Ekneipe, wo Spielautomaten summen und russiser Wodka ausgesenkt wird, und au die beseidene Apotheke gegenüber von Nikes Balkon an einen Prenzlauer Berg, der bereits vor vorhanden war. In den Straßen Berlins und in den älteren Häusern, in denen Nike jeden Tag die Treppen hogeht, spiegeln si die von Katrin gemalten Bilder wider. Der hippe Prenzlauer Berg seint in Dresens Film nit von sportli-s ien ‚Neu-Berlinern‘ aus dem Westen bewohnt zu sein, sondern von älteren Mensen mit faltigen Gesitern.15 Die Gesiten dieser Mensen, die im Film Oskar und Helene genant werden, ihre Wünse und Träume stehen im Kontrast zu Nikes und Katrins Welt – einer Welt des Wartens und der bisher missglüten Beziehungen. Nit nur Oskar, der Nike in den DDR-Kleidern seiner verstorbenen Frau sehen will, oder Helene, die russise Lieder auf ihrem Akkordeon spielt und si gerne triviale Liebesromane vorlesen lässt, au Nikes neuer Freund Ronald swärmt von anderen Zeiten: „Früher war do anders, früher hat si jeder geküsst.“ Als ob Liebe ein Topos von „früher“ geworden ist, quasi zur Reminiszenz an eine Vergangenheit, die nur in solen Erinnerungen weiter lebt. Und als ob Nikes Balkon – ein Topos der Träume – zu einem utopisen Raum wird, in den die Vorstellungen über und Wünse an eine nie eingetretene Zukun hineinprojizieren werden. Man kann spekulieren inwieweit Oskars, Helenes und Ronalds Erinnerungen und Seufzer als eine ‚Melanolie na dem Osten‘ verstanden werden sollen. Ihre Stimmung und Sehnsut na der Vergangenheit wird aber von Nike und Katrin eindeutig nit geteilt. Was in der letzten Szene der Versöhnung vor Katrins Tür demonstriert wird, ist die Unwilligkeit si umzudrehen und si daran zu erinnern, was sief gegangen ist. Beide Frauen trauern nit einer Vergangenheit na, die niemals die ihre war, oder ihrer Jugend, die nie sön war (Nike ist als Waisenheimkind aufgewasen). Ihnen ist klar, dass sie in der Vergangenheit keine Lösung für die Probleme nden werden, die hier und jetzt anstehen. taut au son in Kuhle Wampe auf: Annis und Gerdas Freundsa ist wie bei Nike und Katrin die einzige Beziehung, die si bis zum Ende des Films bewährt. 15 Au Kerstin Deer erkennt in ihrer Rezension des Films im Tagesspiegel die visuellen Motive aus Kohlhaases DEFA-Filmen, sowie den Prenzlauer Berg der DDR mit seinen Bewohnern: „ ‚Sommer vorm Balkon‘ hat vor allem den Berlin-Bli des Drehbuautors Wolfgang Kohlhaase. Der hat son in den fünfziger Jahren das Skript zu den legendären Defa-BerlinFilmen […] ges rieben. Und später zu Konrad Wolfs ‚Solo Sunny‘, dem DDR-PrenzlauerBerg-Film slethin. Dresen kann die ‚Solo Sunny‘-Dialoge no immer fast auswendig, viele Motive kehren jetzt wieder. Der Bli über die Däer, der Bli aus den Häusern der Dänenstraße über die S-Bahn-Slut. Und die alten Mensen. In der DDR gehörten die vielen allein lebenden alten Frauen zum Prenzlauer Berg.“ (Deer )
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Die einfühlend-realistise Filmdramaturgie verwendet also keine simplizierten oder eindeutigen Erklärungsmuster und bleibt auf das Durhängen, Durbeißen, Dur kommen beider Freundinnen xiert. Die persönlien Konikte und Widersprüe werden nie von politisen Verhältnissen oder Zwängen provoziert und gesteuert, aber au nit dur eine Geste der Versöhnung ausgeglien, trotz der Prise Solidarität aus den alten DEFA-Filmen.16 Stadessen, so könnte man es sehen, ndet eine Art Anpassung und ein si Abnden mit dem Leben sta. Es muss weitergehen und nit zurü in die Erinnerungen.
Lebende Tote und gespenstise Landsaen Von der Anpassung an eine neue Wirklikeit sowie dem Wuns weiter zu leben handelt au Yella, Christian Petzolds auf der Berlinale gefeiertes Drama. Bereits der Auakt des Films mat deutli, wie weiter erzählt werden wird: Petzold orientiert si an der alltäglien Wirkli keit, an Detail und Routine, gleizeitig erinnert er aber au explizit an eine traumatise Vergangenheit in Ostdeuts land unmielbar na der Wende. Dies äußert si unter anderem dadur, dass einerseits Yellas Erfahrungen mit der kapitalistisen Welt des Westens eindringli dargestellt werden, andererseits aber son von Beginn des Films an ihre zum Seitern verurteilte Existenz in der ehemaligen DDR immer wieder thematisiert wird. In diesem Sinne nimmt Yella nit nur ronologis gesehen eine Mielposition zwisen Sommer vorm Balkon, in dem die Erinnerung an die DDR-Vergangenheit eher implizit enthalten ist, und Novemberkind, der si ganz der Aufdeung von vergangenen Ereignissen widmet, ein. Wie in Dresens und Swoows Filmen wird au in Yella aus der einengend subjektiven Perspektive einer jungen Frau erzählt. Dramaturgis konzentriert si Petzold auf einen zentralen Handlungsstrang. Dagegen entwielt er auf der Ebene der Figuren eine stark individualisierte Perspektive, die Yellas Bewegungen in Raum und Zeit folgt. Die Gesite ist um einen verzweifelten Flutversu aufgebaut, der sowohl in der physisen als au in der seeli16
In einem Interview für Film-Dienst sprit Dresen darüber „wie es kleine Momente von Solidarität und von Wärme geben kann, die uns hinwegtragen über die nä ste Verzweiflung.“ (Köhler , ) Sein Film will aber letztendli nit das Verspreen erfüllen, dass die Zukun beider Frauen besser wird. Ihre Ges ite dreht si sozusagen im Kreis und so stehen sie am Ende wieder dort, wo sie am Anfang zu sehen waren – Katrin ohne Job und Nike ohne Freund. Dass die beiden trotzdem wieder etwas aus dem Leben dazugelernt haben, garantiert nit, dass „die näste Verzweiung“ nit um die näste Berliner Ee lauert.
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sen Welt Yellas standet: zum einen aus dem Osten, zum anderen aus einer geseiterten gespenstisen Realität. Das Ende des Films legt es nahe, dass Yella eigentli bei dem Sturz des Autos von der Brüe ums Leben gekommen ist, der größte Teil der Handlung also als eine möglie Zukun in ihrer Imagination gesehen werden kann, die si kurz vor ihrem Tod vor ihrem inneren Auge abspielt. In einem gewissen Sinne vollzieht si diese Flut daher rüwärts, zurü in eine erträumte Zukun, die längst nit mehr mögli wäre. Der Kern der Gesite wurzelt in der traumatisen Beziehung Yellas zu ihrem Heimatort in der ehemaligen DDR und zu ihrer geseiterten Ehe; aus beiden wird ein Ausweg gesut, letztli jedo nit gefunden. Um sowohl den Flutversu als au die Unmöglikeit dieses Unterfangens darzustellen, werden die Grenzen zwisen Traum und Realität in einer für Petzolds Stil typise Weise verwist. Denno wird das Element des Alltäglien beibehalten, in das stets irritierende Momente wie Geräuse, Gedätnisbilder oder Visionen unerwartet einbreen. Wie viele andere junge Frauen aus Wienberge träumt au Yella (Nina Hoss) na der Wende von einer Karriere und einer besseren Zukun im Westen.17 Sie will nit nur die ostdeutse Provinz hinter si lassen, sondern au den zudringlien Ex-Mann. Am Morgen vor ihrer Abreise versut er Yella zum Bleiben zu überreden, und da ihm dies nit gelingt, lenkt er sein Auto absitli samt Frau von einer Brüe in die Elbe. Wie aus einem Albtraum erwat Yella am Ufer und begibt si auf die Reise na Hannover. Bald entpuppt si die Welt des kapitalistisen Westens als ein Spiel, in dem man vieles gewinnen und leit wieder verlieren kann: Geld, Job, Haus und Familie. Der Gewinn für Yella heißt Philipp (Devid Striesow), ein Private-Equity-Experte, mit dem die -Jährige, die „Bilanzen lesen kann“, von Ort zu Ort fährt und Gesäe abwielt. Der Spieler nimmt sie mit in seine Welt des Venture Kapitals, später bezieht er sie au in seine privaten Pläne und Träume mit ein. So glaubt Yella angekommen zu sein, diesmal „auf der ritigen Seite“ des Flusses. Do immer wieder wird sie von Gespenstern der Vergangenheit in Form von seltsamen Bildern und düsteren Tönen der Erinnerung eingeholt. So erseinen ihr wiederholt ihr Ex-Mann Ben oder Bilder von den letzen Augenblien bevor das von der Brüe stürzende Auto auf dem Wasser aufprallt. Diese
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Wienberge an der Elbe, zwisen Berlin und Hamburg, ist eine ehemalige DDR-Industriestadt. Son in den er Jahren und während DDR-Zeiten wird dort Singers Nähmasinenbetrieb angesiedelt. Na der Wende werden die Fabriken bis auf eine Reparaturwerkstadt der Deutsen Bahn geslossen. Seit sei die Einwohnerzahl um ein Driel gesrump, da so viele, meistens jüngere Frauen, den Ort verlassen. Die Arbeitslosigkeit liege oziell bei %. Vgl. Petzold .
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Erseinungen sind meist begleitet von Rabengesrei und dem Rausen des Windes in den Bäumen. Immer wieder versut sie si zu vergewissern, dass ihre Erinnerungen und Visionen nur eine Selbsäusung sind, dass sie si in ihrem neuen Leben so gut wie es geht anpassen sollte, au wenn dies sogar andere Mensen in den Tod treiben könnte. Sließli ersrit Yella wie in einem Albtraum vor der Erkenntnis, zu welem Mensen sie in dieser Welt geworden ist und gleitet auf ihrer Rüreise na Wienberge in eine längst verlassene Realität hinein, die tatsäli realer als ihr Leben in Hannover ist. Das Drehbu für den Film verfasste Petzold kurz na dem Mauerfall. Ursprüngli hae er geplant, den Weggang einer jungen Frau aus der ehemaligen DDR in die Bankmetropole Frankfurt am Main unter dem Zeien der Kolonialisierung des Ostens dur den Westen zu zeigen. Kritik an der privaten wie beruien Diskriminierung, die mane Ostdeutse in den alten Bundesländern erfahren haben, ging als zentrales Motiv in sein Filmprojekt aus dem Jahr ein. Mehr als fünfzehn Jahre später besute Petzold Wienberge und srieb das Drehbu um. Die Reise in den Westen und der Autounfall am Anfang des Films sind au immer no als Ausgangspunkte relevant, nur seine Protagonistin „ist jetzt viel selbstbestimmter, viel weniger abhängig, als sie in meinem ersten Drehbu war“, bemerkt Petzold ( ). Was hat den Regisseur zu dieser Änderung bewogen? Was motiviert ihn, einen Rollentaus zwisen Ossis und Wessis, zwisen Aktiven und Passiven darzustellen? Wäre Yella je aus ihrem Albtraum erwat, wenn ihr nit das Gespenst des Selbstmörders ersienen wäre, der aufgrund ihres Erpressungsversus keinen anderen Ausweg als den Tod sah? Und wie gelingt es Petzold, den ständigen Wesel zwisen Albtraum, Wunsvorstellung und Realität in seinem Film umzusetzen? Eine Annäherung an die Entstehungsgesite des Films sowie eine Analyse einiger Elemente der Filmerzählung könnten Antworten auf diese Fragen versaen. Der Film ist als eine Art ‚Gegenstü‘ zu Petzolds Toter Mann (D ) konzipiert, in dem eine Westdeutse in den Osten reist, um si an einem son verurteilten und gefangenen Täter für den Mord an ihrer Swester zu räen. Nit nur der Name der Protagonistin aus Toter Mann, Leyla, wird als Anagramm zu Yella umgekrempelt, sondern au deren Gesite: Yella reist diesmal als Ostdeutse in die Industriemetropole Hannover, weiß genau was sie sut, verliebt si und erpresst, bevor sie ‚aufwat‘, einen Westdeutsen, der dur ihre Erpressung in den Selbstmord getrieben wird. Daraus wird ein Film Noir, an den Petzold sowohl in Toter Mann als au in Yella deutli erkennbare Anleihen mat. Bei Yella stehen aber weniger die kriminellen Handlungen im Vorderrund als vielmehr eine ernüternde Ges ite aus der Welt der Spieler, die ostdeutse und westdeutse Lebensweisen aufeinander prallen
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lässt. Dieses neue Element der Nawende-Drehbu fassung wurde wahrseinli von Harun Farois Arbeit inspiriert, der als Petzolds Mentor wie in fast allen Filmen au hier an der Dramaturgie mitarbeitete. Faroi drehte Nit ohne Risiko, einen Dokumentarlm, in dem er die Private-Equity-Welt kritis darstellt, mit all ihrem Fajargon und Feilsen, den Provokationen und Täusungen. Diese Salikeit der Business World konfrontiert Petzold auf der Plotebene mit düsteren Untertönen, die an Elemente aus Filmen wie Herk Harveys Carnival of Souls (Tanz der toten Seelen, USA ) oder Alfred Hitcos Marnie (USA ) erinnern. Beide Filme problematisieren unter anderem das Erwaen zum Leben na dem Tode.18 Filmdramaturgis bewegt si Yella an der Grenze zwisen Film Noir und Psyodrama, wobei stilisierte Landsaen und wiederkehrende Symbole als Snistellen fungieren, die Traum und Realität, Erinnerung und Gegenwart miteinander verbinden. Auf diese Weise wird das Leitmotiv des Films oenbar: Reise als Grenzübersreitung von Traum und Realität, Vergangenheit und Gegenwart, Leben und Tod. Das Verwisen dieser Grenzen versut Petzold visuell dur einen Mix versiedener stilistiser Miel zu gestalten. Petzold bedient si häug einer subjektiven Kameraführung, die den Wesel Yellas zwisen der Realität im Westen, den Erinnerungen an die Vergangenheit und ihren Visionen erleitert. Dabei wird ein extensiver Gebrau von Nah- und Großaufnahmen, die die Bedeutung einzelner Gegenstände akzentuieren, zum Auslöser für den Sprung auf eine andere Ebene. So wird etwa ein Glas Wasser, das Yella während der ersten gesälien Verhandlung umstößt, in Großaufnahme gezeigt, die zusätzli mit Rabengesrei und Windrausen auf der Tonebene verbunden wird. Au wenn diese Geräuse im Film häug wiederkehren, da Yella sie vom Augenbli des Ertrinkens erinnert, wirken sie an dieser Stelle jedo vollkommen irreal, weil sie im geslossenen Büroraum, in dem die Verhandlung sta ndet, nit vernehmbar sein könnten. Dur diese Kombination von akzentuierter Großaufnahme und stilisierter Tonebene kann in diesem Moment ein kurzer Wesel zwisen der Realität der BusinessWelt und den (alb)traumhaen Erinnerungen Yellas angedeutet werden. Wiederholungen, die sowohl die Wiederkehr einer erinnerten als au die Beswörung einer erträumten Realität markieren, nden nit nur auf der Tonebene sta; vielmehr werden ganze Szenen in ähnlien Konstellationen mehrfa durgespielt und variiert. Die ähnlie Gestaltung von gesälien Gespräen, die dem gleien Sema folgen, mat deutli, dass das Spiel, auf das si Yella eingelassen hat, dur Täusung und (Selbst-)Betrug 18 Vgl. Petzolds Interview in Der Tagesspiegel (Peitz ), wie au die Filmrezension in der Frankfurter Rundsau (Kothensulte ) und in der Neuen Zürier Zeitung (Swartz ).
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funktioniert. Jede Seite versut dur Trisereien ihre wahren Absiten zu versleiern; besonders die von der Finanzspritze abhängigen Manager wollen dadur ihrem Albtraum von der Insolvenz entkommen. Au Philipp spielt nit mit oenen Karten und lässt si bei jedem Gesprä besteen, damit er mit dem ergaunerten Geld seinen Lebenstraum verwirklien kann: den Einstieg in ein Gesä, das ihm lukrativ erseint und seine Unabhängigkeit von der jetzigen Firma garantieren würde. Philipp, Yella und die Manager seinen im Traum von einem nanziell gesierten Leben gefangen zu sein. Petzold lässt Täusung und Betrug demna für Yella zur Lebensnotwendigkeit werden, wenn sie si in der Welt des Westens, ihrer neuen Realität, zuretnden will. Dass diese Realität Yellas keine stabile ist, sondern vielmehr eine albtraumha poröse, dursetzt von Erinnerungen und Visionen, wird an vielen Stellen des Films deutli. So fungieren etwa sowohl Landsaen, die als Grenzberei zwisen Erinnerung und Traum gesehen werden können, als au die wiederkehrenden Symbole im Film nit nur als Träger der Handlung, sondern sind dabei häug glei zeitig Auslöser von Yellas Erinnerungen und Visionen. Zusätzli haben die Landsa sdarstellungen no eine weitere Funktion. Ausgeblutete Kleinstädte im Osten und verlassene Industriegelände im Westen werden hier wie in keinem anderen der drei besproenen Filme als Randbereie des wiedervereinigten Deutslands zu Topoi der Tristesse und des Stillstands, der Lähmung und der Lethargie metaphoris aufgeladen. Die Topograe der DDR, angesiedelt in der Wienberge-Szenerie, wird aus leeren Straßen, grauen Fassaden, Wäseleinen und in die Ferne führenden Bahns ienen zusammengesetzt. Au das Ufer der Elbe wird zum ‚Ufer der Erinnerung‘ ansta zum ‚Ufer des Vergessens‘, wohin Yella immer wieder gezwungen wird zurü zukehren, wenn ihre Erinnerungen dur das Rabengesrei oder dur das Wehen des Windes ausgelöst werden. Während ihrer letzten Reise mit Philipp kommt Yella no einmal ans Ufer der Elbe, steigt na dem Streit mit ihm aus dem Auto, läu dur grüne Felder und träumt si na Hause. Diese Sehnsut zur Rü kehr wird ihr von dem ihr folgenden Philipp wieder so vehement verweigert, wie einmal ihr Mann Ben ihr verbot wegzugehen. Die Szene in den Feldern spiegelt somit die vertraute Ausweglosigkeit vom Anfang des Films wider und bringt seine Gesite auf den Punkt: Yellas Wirkli keit bleibt zwisen Lügen und Betrug, Täusung und Träumen gefangen. Au ihr Versu, den Gesäsmann zu erpressen, kann im Kontext ihrer Unfähigkeit aus dem Traum zu erwaen verstanden werden. Yella soll ersreen und zwar nit mehr vor Ben, vor Philipp oder den restlien Männern in der Welt des Venture-Kapitals, sie soll si bewusst werden, dass sie selbst ein Teil davon werden und genau wie sie handeln und andere rüsitslos für ihre
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Zwee missbrauen könnte. Dann kann sie – wie Nike und Katrin – auf der ‚Reise zu si selbst‘ etwas erfahren für ‚heute‘ und ‚jetzt‘, und nit nur über die Vergangenheit. Anders als Nike und Katrin in Sommer vorm Balkon, die si an die sehr pragmatisen Herausforderungen des Alltags anpassen sollen, muss Yella si einer üssigen Grenze zwisen Vergangenheit und Gegenwart, Wahrheit und Trug anpassen.
Erkundungsreisen und problematise Gesitssreibung Wie in Yella wird Wasser in Novemberkind als ein Medium der Rükehr-zu-si und des Si-bewusst-Werdens über eine Vergangenheit, d.h. der Verwandlung und zuglei der Reexion eingesetzt. Wie Yella über einen Sturz ins Wasser in ihre erträumte Realität eingestiegen ist, wird nun Inga, die Protagonistin von Novemberkind, dur das Motiv des Wassers der Lüge über ihre ertrunkene Mutter auf die Spur kommen und si auf den Weg zu einer Vergangenheit maen, die nit die ihre ist. Die Wasserbilder führen Yella au immer wieder aus dem Traum heraus, indem sie auf ihren Tod hinweisen, sie zu Selbstreexion bringen und sließli auf den Weg zurü na Wienberge führen. Wasser und Unfall, Lüge und Täusung bilden motivis eine Brüe von Yella zum letzten Film, der hier zu bespreen ist: Christian Swoows Misung aus Drama und Roadmovie Novemberkind. Ingas Gesite spielt zwisen Ostsee und Bodensee. Sie ist in einem kleinen me lenburgisen Dorf namens Malow geboren und bei ihren Großeltern aufgewasen. Ihr ganzes Leben hat Inga ohne Erinnerung an ihre Muer Anne (Anna Maria Mühe) gelebt und nur die Gesite ihres Todes erzählt bekommen: „Bei einem Badeunfall in der Ostsee ertrunken.“ Eines Tages tri aus Konstanz am Bodensee der Literaturprofessor Robert („der Mann, der aus dem Nebel kam“) ein und liefert Inga (Anna Maria Mühe) eine neue Version ihrer Familiengesite: ihre Muer Anne lebt und hat bei ihm studiert. Nadem sie alle, die ihre Muer gekannt haben, na Annes Vergangenheit ausfragt hat, weiß Inga nun, dass ihre Muer mit dem russisen Deserteur Juri (Jevgen{ Sitoin) in den Westen geütet ist. Zusammen mit Robert (Ulri Mahes), der sie und ihre Biographie eigentli als Inspiration für seinen neuen Roman ausnutzen will, begibt si Inga in den Westen auf die Sue na ihrer Muer. Sri für Sri sammelt sie Fetzen aus Annes Lebensgesite: Episoden einer fremden Vergangenheit, die in Rüblenden langsam Gestalt annehmen. Auf ihrer Sue ndet Inga Juri, ihren im Westen als Arzt erfolgrei gewordenen Vater Alexander (Thorsten Merten) und sließli Annes Grab am Bodensee. Inga hat die Wahrheit über ihre Muer
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herausgefunden. Am Ende senkt ihr Robert sließli Annes Tagebüer, die sie im Zug sitzend in eine neue Gesite umsreiben will. In Novemberkind entwielt Swoow mehrere parallele Handlungsstränge, wobei dur Rüblenden die Zeitebenen der Gegenwart und die der erinnerten Siten der Jahre , und ineinander versatelt werden. Obwohl diese Handlungsführung aus lmdramaturgiser Sit viel komplexer als die in Sommer vorm Balkon oder Yella erseint, weist Ingas Gesite au einige Ähnli keiten mit der von Nike, Katrin oder Yella auf. Wie in Dresens Film wird au hier eine fremde Vergangenheit erinnert, wobei die Impulse dieser Erinnerung dur die Erzählungen anderer von außen kommen. Zeitsprünge und Rüblenden wie in Yellas Traumerzählung dienen hier nit nur einer Versleierung der jeweiligen Perspektive, sondern au der Aufdeung von Meanismen des Lügengeets. Das Motiv der Reise, das son in Yella die Handlung bestimmt hae, wird diesmal als eine Erkundungsreise zurü in die unerlebte und unerinnerte Vergangenheit der Muer realisiert. Die Reise als eine Metapher für die Sue na der eigenen Herkun spielt eine zentrale Rolle für die Konstitution von Ingas neuer Biographie, die si dur die Existenz einer bisher unbekannten Muer verändert hat. Die fremden Erinnerungen an Anne, ihr Leben in der DDR vor der Republikut und an ihr ansließendes Leben im Westen werden in neun Rüblenden dargestellt. Sie setzen immer dann ein, wenn eine Episode aus Annes Leben aus der Perspektive eines Befragten erzählt wird. Diese erinnerten Brustüe der Vergangenheit werden von Ingas Großeltern, Annes Freundin Kerstin, Juri, Robert und Alexander geliefert. Sie werden von Ingas Gesite dur die Art des Sauspiels, eine extrem subjektive Kameraführung, Farbgebung und Bildqualität abgegrenzt, au wenn Anna-Maria Mühe beide Figuren, die der Toter und die der Muer, spielt. Ansta si auf die verbalen Zeugnisse der Erzählenden zu besränken, liefert Swoow also dem Zusauer inszenierte Wirkli keitsauss nie, gelmt in ORWOColor, dem in der DDR gebräulien Filmmaterial, wobei im Zuge des gewollt dokumentarisen Eekts die Farben so künstli und die Auösung so verswommen wirken, dass eine Unsierheit darüber entsteht, ob die Bilder Ingas Einbildungskra entstammen oder einer Zeit, die als längst vergangenen kodiert werden soll. Swoows Diplomlm an der Filmakademie Baden-Würemberg wurde zum ersten Mal im Januar auf dem Max-Ophüls-Festival gezeigt, wo er den Jury-Preis gewann. Er wurde später mit dem DEFA-Förderpreis ausgezeinet und lief als Abslusslm auf dem Filmfestival Cobus . Swoow, der selbst in der DDR geboren ist und dessen Muer als erfolgreie Autorin und Regisseurin beim Rundfunk der DDR gearbeitet hat, äußert auf der
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oziellen Webseite des Films den Anspru, au autobiograse Elemente in die Gesite mit einbezogen zu haben: I wollte einen Film maen, mit dem i mi selber auf eine Sue begeben kann. Mit dem i mir und anderen Fragen stellen kann, die au wehtun oder wütend maen. Will i mit einer Lüge leben, wenn do alles ganz gut funktioniert oder stadessen die Wahrheit einfordern, au wenn damit S merz und Enäusung verbunden sind? Es ist die Frage na dem ritigen Leben im Falsen.19
Die universalisierende Haltung Swoows wird au dur intertextuelle Bezüge, zum Beispiel zu Andreas Kleinerts Wendelm Neben der Zeit, motiviert.20 Die erzählte und erinnerte Gesite Annes, die wegen Juri eine Flut aus der DDR wagt und darauin nie damit zuret kommt, dass ihre Eltern sie aufgrund dieser Republikut ablehnen, knüp auällig an Kleinerts Plot an.21 Ähnli wie das Motiv des Mordes in Neben der Zeit, das dur aufgestaute Emotionen in der Vergangenheit motiviert wird, erseint das Motiv des Todes in Yella und in Novemberkind als sinnstiend für eine Reise in die Vergangenheit oder in die Welt der verdrängten Gefühle und Erinnerungen. Der Tod der Muer, der immer als selbstverständli angenommen wurde, wird dur Roberts Ankun und zudringlie Bemerkungen hinterfragt und somit wird Inga dazu gebrat, Naforsungen über die Muer anzustellen. Annes Gesite, die Inga wie ein Puzzle für si selbst ordnen will, ist wiederum
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Vgl. (Stand: . . ). Die Beziehung zwisen den beiden Filmen wird, soweit mir bekannt, von Swoow nit explizit erwähnt, sie wurde bisher in der Forsung au nit hergestellt und wird trotzdem auf der Plotebene auällig. Das gilt vor allem für die Konstellation der Personen und die Figuren der beiden Russen, sowie das Motiv des Deserteurs. Au wenn Swoow den Film zu der Zeit, als Novemberkind gedreht wurde, nit gekannt haben sollte, könnte si eine weitere Analyse der Darstellung von Russen bzw. der Beziehungen zwisen Ostdeutsen und russisen Soldaten im Nawendelm für die Diskussion von Tendenzen im Nawendelm als aufslussrei erweisen. 21 In Kleinerts Neben der Zeit spielt die Ges ite der jungen Sophie (ähnli wie in Yella und in Novemberkind) in einem kleinen ostdeutsen Ort, in dem seit der Wende und Wiedervereinigung alles nur no trostloser wirkt. Sophie ist Anfang zwanzig und lebt mit ihrer Muer und ihrem Bruder in Zurügezogenheit, ohne si viel für die Außenwelt zu interessieren, also „neben der Zeit“. Eines Tages begegnet sie einem russisen Soldaten, Sergej, der si in einer verlassenen Kaserne verstet. Als Sophie si in ihn verliebt und ihn in ihre Familie aufnimmt, setzt sie eine Katastrophe in Gang. Aufgestaute Emotionen und unterdrüte Suldgefühle breen in Sophies Bruder und Muer auf und führen sließli zur Ermordung des Soldaten. 20
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nit automatis in den historisen Diskurs einer Vergangenheitsbewältigung einzuordnen, sondern bleibt eine persönlie, individuelle Gesite, die Inga am Ende des Filmes im Zug aufsreiben will.22 Sierli sind die Motive Nebel und Verklärung, Novemberzeit (als historises Moment der Wende) und ostdeutser Tristesse au deswegen präsent, um Ingas Gesite in einen weiteren deutsen Kontext zu setzen. Trotzdem lehnt sie es ab, dass Robert ihre Gesite aufsreibt und veröentlit, was dieser letztendli au als einen Raub ihrer Identität und ihrer Biographie sehen würde. Seine Krise als Sristeller, der über deuts-deutse Gesite sreiben will, aber nit weiß, wo er ansetzen soll, weist au auf eine Krise der Gesitssreibung hin. Ebenso wie Robert na einem neuen Ansatzpunkt für seinen Roman sut stellt si für die Gesitssreibung die Frage, wie herrsende Klisees über die DDR, Republikut und Verrat thematisiert und vermieden werden können. Am deutlisten wird dies, als Inga am Ende der Reise Roberts Papierfetzen mit Übersrien wie „Verdrängung,“ „Suld,“ „Identität“ und „Heimat“ entdet. Für die Filmhandlung bleiben diese Slagwörter ebenso wie im öentlien Diskurs Deutslands na der Wende als leere Worte in der Lu hängen. Am Ende des Films, nach einem Besuch auf dem Konstanzer Friedhof, sließt Inga diese Reise in die Erinnerungen anderer und die Gesite einer unbekannten Muer für si ab: „Es ist eigentli so, wie es immer war, meine Muer ist gestorben, nur dass das Grab in Konstanz ist.“ Diese Aussage erinnert an Alex’ Worte aus Good Bye Lenin. Die DDR soll so bleiben, d.h. an die Erinnerung seiner Muer gebunden, um „so wie sie war“ und glaubwürdig zu sein. Am Grabstein liest Inga die Anfangszeile aus dem Gedit ihrer Muer „Keiner lehrt mi zu vergessen…“ Au die -Jährige will die Vergangenheit nit vergessen, au wenn ihre Erkundungsreise nun abgeslossen ist und au wenn aus ihrer Biographie kein Roman eines Konstanzer Literaturprofessors wird. Stadessen wird die Gesite der Muer für Inga in ihrer eigenen, individuellen Version erhalten und erinnert bleiben. In der letzten Szene des Films kehrt Inga nach Malchow zurück und geht – wie Yella in Wienberge – no einmal an bekannten Straßen und Een vorbei. Morgen früh will sie mit dem ersten Zug wegfahren. Davor begegnet sie
22 Das geht vor allem aus einem Gesprä zwisen Robert und Inga hervor. Robert erwähnt die Ges ite seines Vaters, der während des Zweiten Weltkriegs ein „hohes Tier bei der Wehrmat“ war (zit. n. Swoow/Swoow , ). Anseinend will Robert zwisen seinem Versu mit der Vergangenheit seines Vaters zuret zu kommen und Ingas Sue na der Gesite ihrer Muer eine Brüe slagen. In ihrem letzten Gesprä lehnt Inga aber eine sole universalisierende Verbindung der beiden Gesiten ab.
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no ihre Freundin Ste bei der Chorprobe, gerade als „Kein söner Land in dieser Zeit / Als hier das unsre weit und breit“ gesungen wird. „Wohin denn?“ fragt Ste erstaunt. „Weiß nit, irgendwohin“, antwortet Inga. Die letzte Einstellung zeigt sie im Zugabteil, die Tagebüer ihrer Muer durbläernd und etwas auf ein leeres Bla Papier sreibend. Es bleibt fragli, ob die Erinnerungsbilder, die Nike von ihren Patienten in der Form von Liebesgesiten aus einer vergessenen Zeit hört, die Yella als Visionen einer unheimlien Landsa und einer unerwünsten Beziehung sieht, oder die Inga als Puzzleteile einer unerlebten Vergangenheit der unbekannten Muer als Ersatz für das Lügengeet der Großeltern zusammen basteln soll, einen bisher lange gesuten Konsens darüber, wie die DDR und ihre Gesite zu bewerten sind, ermöglien. Aus den hier behandelten Filmen geht hervor, dass die Grenzen zwisen Realität und Traum oder zwisen eigenen und fremden Erinnerungen verwist werden, was eine Gesitssreibung erlaubt, die nit an Konzepte wie ‚kollektive Identität‘, ‚Heimat‘ oder ‚gemeinsame Vergangenheit‘ gebunden bleibt, sondern der individuellen Perspektive Vorrang gibt. Die individuellen Perspektiven von Nike und Katrin, Yella und Inga auf eine DDR vor und na der Wende, in die sie si selbst nit zurüdenken wollen, formen kein einheitlies Bildariv der Erinnerung im Sinne Sontags und bieten keine Formel, mit der eine kollektive Einigung über die Vergangenheit erreit werden kann. Sie thematisieren aber Fragen, die von den frühen Wendelmen und späteren Sozialkomödien in Bezug auf die DDR no nit gestellt worden waren. Es wird gefragt, wessen Vergangenheit erzählt wird und wie das gesieht. Es werden Landsaen und keine Staatsstrukturen repräsentiert, private Beziehungen und Konikte von Mensen und keine hierarisen Verhältnisse zwisen dem Individuum und einem anonymen politisen Regime. In diesem Sinne wird au kein Konsens über die Vergangenheit gesut, sondern der Versu unternommen, individuelle Gesiten von universalisierenden Diskursen abzukoppeln.
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Mariana Ivanova
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Kontexte und Perspektiven des deutschen Gegenwartskinos
Der deutse Kinolm: Publikum und Image Elizabeth Prommer, Anna Jurzik, Philipp Lang, Paula Syniawa
„Das deuts e Kino, was ist das eigentli? Ist es eine widerspenstige Haarlo e? Ein bissen Puderstaub? Und eine Rose im Meeressaum? Es ist ein Boot unter Wasser und ein Si auf dem Tro enen.“
So beginnt der auf der Berlinale uraufgeführte Dokumentarlm Auge in Auge (D / ) von Miael Althen und Hans Helmut Prinzler. Die Regisseure führen uns auf eine Zeitreise dur das deutse Kino und versuen, gemeinsam mit bekannten Größen des deutsen Kinos, dessen Vielfalt und gleizeitiger Einzigartigkeit auf die Spur zu kommen. Das Zitat besreibt poetis die zentrale Fragestellung der vorliegenden Studie: Gibt es so etwas wie ein Image des deutsen Kinolms, und wenn ja, wodur wird es geprägt? Verbindet das Publikum no immer die o mals als trist und swer verdauli gesoltenen Autorenlme der er Jahre mit dem deutsen Kino oder sind es milerweile eher die Erfolgskomödien eines Miael Bully Herbig oder Til Sweiger, die als ‚typis deutse‘ Filme angesehen werden? Fest steht, dass der deutse Kinolm zuletzt sowohl an den Kinokassen als au bei den Kritikern zunehmend Anerkennung fand – au international, wie der weltweite Erfolg von Das Leben der Anderen (D ) von Florian Henel von Donnersmar bewies. An der Kinokasse zeigt si aktuell ein deutlier Aufswung des deutsen Films. Im ersten Halbjahr erreiten deutse Kinoproduktionen einen Marktanteil von %, wie die Filmförderanstalt Anfang August vermeldete.1 Das Kinopublikum sah Filme wie Der Vorleser (USA/D , Stephen Daldry: , Mio. Besuer) Männersae (D , Gernot Roll: , Mio. Besuer), Operation Walküre – Das Stauenberg Aentat (USA/D , Bryan Singer: , Mio. Besuer) und Hexe Lilli – Der Dra e und das magis e Bu (D/A/S/I , Stefan Ruzowitzky: , Mio. Besuer), die alle zu den deutsen Besuermillionären zählen.
1 Vgl.
?NL=DL&uid=m> (Stand: . . )
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_16, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
286
Elizabeth Prommer, Anna Jurzik, Philipp Lang, Paula Syniawa
Der Marktanteil der deutsen Kinoproduktionen swankte in den letzten Jahren na den Meldungen der SPIO (Spitzenverband der deutsen Filmwirtsa)2 zwisen % im Jahr und % ( ) des Gesamtumsatzes, dursnili erreite der deutse Film einen Marktanteil von %. In den letzten drei Jahren konnte eine kontinuierlie Steigerung des Marktanteils festgestellt werden (vgl. SPIO Jahrbu ). Die Filmförderanstalt und die SPIO re nen dabei sowohl Produktionen von deutsen Firmen als au internationale Koproduktionen zu den deutsen Kinolmen (vgl. FFA , ).
Abbildung 1
Marktanteil deutser Kinolme am Gesamtumsatz na der Spitzenorganisation der Filmwirtsa (SPIO )
Kaum ein Kulturpublikum wurde in den letzten Jahren so umfassend erforst wie das Kinopublikum. Es ist bekannt, wer wann ins Kino geht, aus welen Gründen und mit wem – dies dokumentieren die jährlien Analysen der Filmförderungsanstalt (FFA). Die Analysen der FFA zeigen au, dass es kein einheitlies und homogenes Kinopublikum gibt. Vielmehr gibt es viele ‚Publika‘ bzw. viele Zielgruppen, die in untersiedlie Filme gehen (vgl. Glogner a,b,c; Prommer ). So lässt si an den regelmäßigen Untersuungen der Filmförderungsanstalt ablesen, wie untersiedli das Publikum versie2 Diese Zahlen der SPIO unterseiden si leit von denen der FFA. Die Zahlen der SPIO fallen niedriger aus, da die FFA den Anteil an den verkauen Kinokarten erhebt und die SPIO den tatsälien Umsatz misst. So liegen die Marktanteilszahlen bezogen auf Umsatz na SPIO niedriger, da US-Produktionen im Dursni einen höheren Eintrispreis verlangen können als deutse Produktionen (vgl. SPIO Jahrbüer).
Der deutse Kinolm: Publikum und Image
287
dener Filme zusammengesetzt ist. Den deutsen Kinolm Die Welle (D , Dennis Gansel) sahen beispielsweise überproportional viele junge Mensen. Während % seiner Besuer unter Jahre alt waren, zog Doris Dörries Kirsblüten – hanami (D ) zu drei Vierteln (%) Besuer über Jahre an (vgl. FFA b, ). Über -Jährige haben also einen anderen Filmgesma als unter -Jährige und au ihre Motive für den Kinobesu sind andere als die der jüngeren Generation.3 So wie die Filmvorlieben der Generationen voneinander abweien, ist au davon auszugehen, dass die Besuer deutser Filme si von den Kinobesuern internationaler Produktionen unterseiden und vor allem, dass die jeweiligen Besuergruppen eine andere Vorstellung von deutsen Kinolmen haben.
Besuer deutser Kino lme: die Soziodemographie Seit geben die regelmäßigen Untersuungen der Filmförderungsanstalt genau Aufsluss über soziodemographise Strukturdaten von Kinogängern wie Geslet, Alter, Beruf, Wohnortgröße, Filmbesu und Filmgesma (vgl. Neermann , ; FFA – ). Für deutse Kinoproduktionen weist die FFA erst seit gesonderte Analysen über die Publikumsstruktur aus (vgl. FFA ). Für die Jahre davor existieren ledigli die Daten der SPIO über die Marktanteile des deutsen Films. So können wir erst ab Vergleie zwisen dem Kinopublikum internationaler Produktionen und den Besuern deutser Produktionen erstellen (vgl. FFA ). Das Kinopublikum unterliegt seit den er Jahren einem grundlegenden Wandel: Bis in die er Jahre war es überwiegend jugendli, männli, in der Ausbildung bendli und ledig (vgl. Henseler , ), seit den er Jahren alterte es jedo kontinuierli. Während der Anteil der unter -Jährigen am Kinopublikum im Jahr bei % lag, also fast vier von fünf Besuern unter Jahre alt waren, so srumpe diese Altersgruppe bis auf etwa die Häle und mat seit nur no % des Publikums aus. Vor allem die Gruppe der - bis -Jährigen stellt einen immer kleineren Anteil der Kinobesuer. Im Gegenzug steigt der Anteil der über -Jährigen kontinuierli an. Vor allem die Altersgruppe der über -jährigen Kinobesuer hat si in den letzten Jahren mehr als verdoppelt (von % im Jahr auf % im Jahr 3 Siehe dazu die Untersuungen von Prommer ( a), Prommer/Mikos ( ) und Keil et al. ( ).
288
Elizabeth Prommer, Anna Jurzik, Philipp Lang, Paula Syniawa
). Abbildung veransaulit diese kontinuierlie Vers iebung der Altersgruppen.
Abbildung 2
Soziodemographise Entwilung des Kinopublikums (FFA , )
Begründen lassen si diese Entwilungen teilweise dur die Versiebung in der Alterspyramide. So wird die Gruppe der unter -Jährigen in der Bevölkerung immer kleiner, während der Anteil der über -Jährigen wäst. Diese über -Jährigen sind glei zeitig eine immer aktiver werdende Generation. Marketingexperten nennen sie gerne „Best-Ager“ oder „Silverliner“. Diese Bezei nungen verdeutlien das Aktive und Unternehmungslustige sowie die Kaura dieser Generation. Diese neue ältere Generation unterseidet si von ihren Vorgängern au dadur, dass sie ins Kino geht, während si unter ihren Altersgenossen vor Jahren nur wenige regelmäßige Kinogänger befanden. Die Kinobesuer werden dadur zwar insgesamt etwas älter, denno gehen junge Mensen bezogen auf ihren Anteil an der Bevölkerung immer no überproportional häug ins Kino. So maen die - bis -Jährigen nur % der Bevölkerung aus, stellen aber % des Kinopublikums. Umgekehrt bilden die über -Jährigen ein Driel der Bevölkerung, aber nur % der Kinobesuer kommt aus ihrer Altersgruppe. Abbildung veransaulit diesen Befund.
Der deutse Kinolm: Publikum und Image
Abbildung 3
289
Soziodemographiser Verglei: Kinopublikum vs. Bevölkerung (FFA und Media Analyse na FDW )
Betratet man nun die untersiedlien Altersgruppen konkret im Hinbli auf deutse Produktionen, so lässt si feststellen, dass unter den Besuern deutser Kinoproduktionen deutli mehr ältere Kinobesuer sind als unter den Besuern nit-deutser Produktionen, die im Folgenden internationale Produktionen genannt werden. % der Besuer deutser Filme sind über
Jahre alt, diese Gruppe ist damit mehr als doppelt so groß wie im Kinopublikum internationaler Produktionen. Im Jahr waren die Besuer deutser Kinoproduktionen im Durs ni Jahre alt und damit Jahre älter als die Besuer der internationalen Produktionen mit Jahren (vgl. FFA , ). Das Publikum deutser Kinolme ist jedo bezügli des Alters je na Film sehr untersiedli zusammengesetzt. So ist über die Häle des Publikums der Filme Alles auf Zuer (D , Dani Levy) oder Das Leben der Anderen älter als Jahre. Das Publikum von Zwerge – Männer allein im Wald (D , Sven Unterwaldt) oder Keinohrhasen (D , Til Sweiger) ist dagegen deutli jünger.
290
Elizabeth Prommer, Anna Jurzik, Philipp Lang, Paula Syniawa
Abbildung 4
Soziodemographiser Verglei: Alter Publikum deutser Filme und internationaler Filme (FFA )
Abbildung 5
Altersverteilung ausgewählter deutser Kinolme (FFA – )
Die Besuer deutser Produktionen und die Besuer internationaler Produktionen unterseiden si insgesamt am deutlisten in ihrer Altersstruktur, während si die Publika in vielen anderen Aspekten ähneln. So sind die Besuer deutser Kinolme wie au die Besuer internationaler Produktionen jeweils zur Häle Frauen und Männer. Die meisten Kinobesuer sowohl deutser (
%) als au internationaler ( %) Filme leben in Städten unter
Der deutse Kinolm: Publikum und Image
291
. Einwohnern. Sie alle gehen am häugsten in Kinos mit vielen Sälen und nutzen hierfür die gleien Woentage. Wie alle Kinobesuer sind au die Besuer deutser Produktionen besser gebildet und arbeiten meist als Angestellte. Im Jahr maen die Kinobesuer, die seltener als dreimal im Jahr ins Kino gehen, % der Kinobesuer aus. Kinobesuer, die mindestens alle zwei Monate ins Kino gehen, bilden dagegen nur % des Kinopublikums. Besuer deutser Kinoproduktionen gehören überproportional zu den seltenen Kinobesuern, sie gehen größtenteils ein bis dreimal im Jahr ins Kino, nur ein geringer Anteil dagegen alle zwei Monate (vgl. FFA , ). Besuer deutser Kinolme gehen außerdem häug aus anderen Gründen ins Kino als diejenigen, die internationale Produktionen sehen. Für Besuer deutser Filme stehen Thema und Story eines Films sowie der Aspekt, dass der Film ein aktuelles Gesprästhema ist, stärker im Vordergrund als für die Besuer internationaler Produktionen.
Abbildung 6
Grund der Filmauswahl : Publikum deutser Filme und internationaler Filme (FFA )
Außerdem wählen Besuer deutser Produktionen die Filme au anders aus. Für sie spielt die Mundpropaganda, also die positive Empfehlung von Freunden und Bekannten, eine deutli größere Rolle als für Besuer internationaler Produktionen, zusätzli lesen sie häuger die Filmkritiken in Zeitungen.
292
Abbildung 7
Elizabeth Prommer, Anna Jurzik, Philipp Lang, Paula Syniawa
Informationsquellen : Publikum deutser Filme und internationaler Filme (FFA )
Zusammenfassend lässt si feststellen, dass das Publikum deutser Filme im Verhältnis zum Gesamtpublikum älter ist und vor allem auf Grund von Kritiken und Empfehlungen von Freunden bestimmte Filme besut, mit denen dann au über die Filme gesproen wird. Diese Filme interessieren das Publikum hauptsäli wegen ihres Themas. Auf der Grundlage dieser Daten von FFA und SPIO können zwar Aussagen über die soziodemographise Zusammensetzung und grundsätzlie Vorlieben des Publikums deutser Filme getroen werden, allerdings lassen si daraus keinerlei Aussagen über ein bestimmtes Image des deutsen Films ableiten.
Das Image des deutsen Kino lms Die FFA veröentlite im Februar eine Studie mit dem Titel Der „deutse Film“ unter der Lupe – Akzeptanz – Image – Stärken und Swäen (FFA b). Durgeführt wurde die Studie von der Gesellsa für Konsumforsung (GfK). Sie basiert auf einer Stiprobe von . repräsentativ ausgewählten Personen ab Jahren, die zum Thema „Deutser Kinolm“ befragt wurden. Der Befragungszeitraum erstret si dabei von September bis Oktober . Die Befragung fand sowohl telefonis als au online sta. Die Studie zeigt sehr deutli, dass das o beklagte ‚slete Image‘ des deutsen Kinolms gar nit existiert. Auf die Frage, wie gerne die Befragten Filme aus vorgegebenen Herkunsländern sehen, stimmten % sowohl für
Der deutse Kinolm: Publikum und Image
293
amerikanise Produktionen als au für deutse Produktionen. Hier war also kein Untersied zu erkennen. Das Herkunsland ist für nur % der befragten Kinogänger4 überhaupt ausslaggebend für die Auswahl eines Films, viel witiger sind hier das Thema/die Story des Films (%) und die Sauspieler ( %). Trotz des ausgewogenen Verhältnisses der Vorlieben für deutse und amerikanise Produktionen fällt bei der oenen Frage na den Assoziationen zum deutsen Kinolm auf, dass mehr negative als positive Nennungen anzutreen sind. Bei den negativen Assoziationen steen besonders die Besreibungen, deutse Filme seien zu „ernst/dramatis“ und verfügten über einen „sleten Humor“ ins Auge. Außerdem wurden „slete SauspielerInnen“ sehr häug mit dem deutsen Film in Verbindung gebrat. Ingesamt haben % der Befragten eine negative Einstellung zu der Qualität deutser Kinolme, während % dem deutsen Film positiv gegenüber stehen. Dies zeigt, dass der deutse Film oensitli zumindest kein eindeutig sletes Image besitzt. Die große Anzahl an negativen Assoziationen in der Studie lässt jedo darauf sließen, dass das Image des deutsen Films einer intensiveren Untersuung bedarf. Die witigsten Fragen, die es dabei zu klären gilt, sind folgende: Wele konkreten Vorstellungen herrsen beim Kinopublikum über den deutsen Film vor und wie bewertet es diesen? Wer sind die Anhänger des deutsen Kinolms, wer lehnt ihn ab? Um diese Fragen zu beantworten, wurde von einem Projekeam5 des Studiengangs Medienwissensa an der Hosule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ eine Studie in Berlin und Potsdam durgeführt. Im Frühsommer wurden Kinobesuer in zufällig ausgewählten Multiplex- und Arthouse-Kinos befragt. Alter und Geslet der Befragten wurden dur eine Quotenstiprobe an die soziodemographise Struktur des Kinopublikums in Anlehnung an die Untersuungen der FFA angeglien. Zunäst wurden die Teilnehmer der Untersuung gebeten, auf einer Fünferskala von „sehr gern“ bis „gar nit gern“ anzugeben, wie gerne sie si deutse Filme im Kino ansehen. Dabei gab knapp die Häle ( %) aller Befragten an, dass sie gerne oder sehr gerne deutse Filme im Kino sehen. Ein gutes Driel (%) mag deutse Filme „teils/teils“ und % aller Befragten mögen deutse
4 Kinogänger (Def. na FFA): Personen, die mindestens ein Mal im Jahr (Jan–Aug) im Kino waren. 5 Projekeam: Anne Ballsmieter, Arne Brüs, Donika Deneva, Anna Jurzik, Philipp Lang, Julia Mehnert, Heino Neumann, Dr. Elizabeth Prommer, Andy Räder, Franziska Roßland, Paula Syniawa
294
Elizabeth Prommer, Anna Jurzik, Philipp Lang, Paula Syniawa
Filme „weniger gerne“ oder „gar nit gern“. Insofern ist nur ein Fünel aller Befragten dem deutsen Kinolm gegenüber generell negativ eingestellt. Im Folgenden werden diejenigen Befragten ( %), die angaben, deutse Filme gerne oder sehr gern im Kino zu sehen, als „Anhänger“ des deutsen Kinolms bezei net und diejenigen, die deutse Filme weniger gern oder gar nit gerne mögen, als „Ablehner“. Mit einem Frauenanteil von % sind die Anhänger des deutsen Kinolms leit überwiegend weibli. Entspreend der eingangs erläuterten Daten der FFA ndet si unter den Anhängern außerdem ein etwas höherer Anteil von Mensen über Jahren ( % im Verglei zu % bei den Ablehnern). Diese Untersiede zeigen si au im Altersdursni: Die Anhänger des deutsen Kinolms sind fast Jahre älter als die Ablehner.6 Die Gruppe der Ablehner des deutsen Kinolms zei net si dagegen dur einen größeren Anteil männlier Befragter ( %) aus. Außerdem dominiert unter ihnen mit % (im Verglei zu % bei den Anhängern) die Altersgruppe der - bis -Jährigen. In Bezug auf Bildungsabsluss und Berufstätigkeit ergeben si keine signikanten Untersiede. Deutsche Filme im Kino Mag dt. Filme
Geschlecht
Alter
Gesamt
Abbildung 8
Gesamt
Weiblich
57 %
56 %
Mag keine dt. Filme 43 %
Männlich
43 %
44 %
56 %
46 %
Gesamt
Mittel
54 %
100 %
100 %
100 %
100 %
12–19
17 %
20 %
18 %
18 %
20–24
13 %
113 %
8%
12 %
25–29
19 %
20 %
30 %
22 %
30–39
21 %
20 %
18 %
20 %
40–49
15 %
13 %
16 %
14 %
50plus
16 %
13 %
9%
100 %
100 %
100 %
14 % 100 %
Soziodemographie der Anhänger und Ablehner des deutsen Kinolmes (Geslet und Alter). Befragte in % (N= )
6 Dies ist ein geringerer Untersied als die Jahre, die die FFA in ihrer Untersuung ausweist (vgl. FFA , ). Zu beaten sind hier die untersiedlien Fragestellungen und vor allem Art der Kategorisierung des Publikums.
Der deutse Kinolm: Publikum und Image
295
Untersiede im Hinbli auf die Bewertung des deutsen Kinolms lassen si au anhand des Befragungsortes feststellen. Unter denjenigen, die in einem Arthouse-Kino befragt wurden, gibt es einen größeren Anteil derer, die deutse Filme positiv bewerten. % der Arthouse-Kino-Besuer sieht gerne oder sehr gern deutse Filme im Kino und nur % weniger gern oder ungern. Im Verglei dazu sind es bei den Multiplex-Besuern nur %, die dem deutsen Film gegenüber positiv eingestellt sind, und immerhin %, die ihn nit mögen.
Lustige Liebeslme
Deutsche Filme im Kino Mag dt. Mittel Mag keine Filme dt. Filme 47 % 43 % 45 %
Gesamt 45 %
Tragische Liebeslme
37 %
30 %
30 %
33 %
Kriegslme/Antikriegslme
24 %
16 %
37 %
24 %
Filme mit vielen Kampfszenen
26 %
18 %
40 %
26 %
Filme mit Endzeitszenarien
22 %
21 %
31 %
24 %
Filme mit politischen Themen
47 %
36 %
44 %
43 %
Filme mit historischen Themen
45 %
35 %
40 %
41 %
Filme mit vielen Witzen
52 %
49 %
43 %
49 %
Filme mit vielen Spezialeffekten
40 %
40 %
44 %
41 %
Filme, die in der Zukunft spielen
34 %
35 %
53 %
38 %
Filme mit/oder/über Tiere
22 %
13 %
10 %
17 %
Filme, die in fremden Ländern spielen
51 %
39 %
37 %
44 %
Filme mit viel Erotik
26 %
20 %
19 %
23 %
Filme mit hohem Gruselfaktor
26 %
32 %
32 %
29 %
Filme mit ernsthaften Themen
73 %
65 %
55 %
67 %
Zeichentricklme/Animationslme
37 %
33 %
47 %
38 %
Abbildung 9
Thematise Vorlieben der Anhänger und Ablehner des deutsen Kinolmes. Befragte in % (N= ) Antwortmöglikeiten werden anhand einer -stelligen Skala beurteilt (von „sehr häug“ bis „gar nit“, hier „sehr häug“ und „häug“ zusammengefasst)
Anhänger und Ablehner des deutsen Kinolms unterseiden si weiterhin au hinsitli ihrer grundsätzlien Film- und Genrevorlieben. Konkret dana befragt, wele Themen und Filmarten sie bei der Auswahl eines Kinolms bevorzugen, nennen Anhänger am häugsten „Filme mit ernsthaen
296
Elizabeth Prommer, Anna Jurzik, Philipp Lang, Paula Syniawa
Themen“ (%), „Filme, die in fremden Ländern spielen“ (%), „Filme mit politisen Themen“ (%) und „Filme mit historisen Themen“ (%). Allerdings werden ebenso „Filme mit vielen Witzen“ (%) und „Lustige Liebeslme“ (%) genannt. Auällig bei den thematisen Vorlieben der Ablehner ist vor allem, dass diese vergleisweise häuger „Filme mit vielen Kampfszenen“ ( %), „Filme, die in der Zukun spielen“ (%) und „Zeientri- und Animationslme“ mit % nennen. Obwohl si die allgemeinen Genrepräferenzen von Anhängern und Ablehnern des deutsen Films nit ganz eindeutig zuordnen lassen, ist do deutli festzustellen, dass die Vorlieben der Ablehner si vor allem auf Genres beziehen, die in Deutsland nur sehr selten oder gar nit produziert werden. Denno ist aus den vorgestellten Ergebnissen der Befragung erkennbar, dass sowohl die Anhänger als au die Ablehner des deutsen Kinolms einen sehr vielfältigen Filmgesma haben und si beide Gruppen ausgesproen heterogen zusammensetzen. Betratet man die Kriterien, die im Allgemeinen für die Entseidung, einen Film im Kino zu sehen, eine Rolle spielen, so zeigt si, dass diejenigen Befragten, die deutse Filme gerne oder sehr gerne im Kino sehen, diese keineswegs nur deshalb mögen, weil sie aus Deutsland kommen, sondern oensitli deren Qualitäten sätzen. Mag dt. Filme
Mittel
Regisseur
23 %
24 %
Mag keine dt. Filme 29 %
Thema/Story
93 %
93 %
83 %
25 % 91 %
Schauspieler
58 %
59 %
62 %
59 %
Herkunftsland
13 %
18 %
22 %
16 %
Abbildung 10
Entseidungskriterien bei der Filmauswahl von Anhängern und Ablehnern des deutsen Kinolms. Befragte in % (N= ) Antwortmöglikeiten werden anhand einer -stelligen Skala beurteilt (von „sehr witig“ bis „unwitig“, hier „sehr witig“ und „witig“ zusammengefasst)
In der Tat geben die Anhänger des deutsen Films mit % von allen Befragten am seltensten an, dass ihnen das Herkunsland bei der Entseidung, einen Film im Kino zu sehen, witig oder sehr witig ist. Für die Ablehner deutser Filme seint das Herkunsland dagegen häuger eine Rolle zu spielen. Immerhin % derjenigen, die deutse Filme weniger gern oder gar nit gern im Kino sehen, legen bei der Filmauswahl Wert darauf, woher ein
Der deutse Kinolm: Publikum und Image
297
Film kommt. Die Tatsae, dass im Verglei dazu den Anhängern des deutsen Films das Thema und die Story mit % häuger witig ist als den Ablehnern mit nur %, lässt die Interpretation zu, dass inhaltlie Aspekte in der Wahrnehmung des Publikums eher eine Stärke des deutsen Films sind als ein Kritikpunkt.
Was ist ein typis deutser Film? Um si ein konkreteres Bild davon maen zu können, wele Produktionen mit dem deutsen Film in Verbindung gebrat werden, wurden die Befragten gebeten, einen typis deutsen Kinolm zu nennen und diesen einer bestimmten Filmart oder einem bestimmten Genre zuzuordnen. In beiden Fällen wurde bewusst die Form einer oenen Fragestellung gewählt, um ein möglist breites und unvoreingenommenes Spektrum an Antwortmöglikeiten zu gewährleisten. Diese Antworten wurden ansließend kategorisiert, woraus si sieben Kategorien von Filmen ergaben, die von den Befragten als typis deutse Filme genannt werden. Die am meisten genannten Filme gehören mit % der Nennungen zur Gruppe „Ansprusvolle Publikumserfolge“. Diese Kategorie bezieht si auf Filme wie Sonnenallee (D , Leander Haußmann), Good bye, Lenin! (D , Wolfgang Beer), Crazy (D , Hans-Christian Smid), Die Welle, Lola rennt (D , Tom Tykwer), Alles auf Zu er und Sommer vorm Balkon (D , Andreas Dresen). Hier wurden Filme zusammengefasst, die trotz ihres künstlerisen oder gesellsaskritisen Ansprus auf ein breites Publikum zielen. Weiterhin kennzei nend für diese Gruppe von Filmen ist, dass sie au in Mainstream- bzw. Multiplexkinos gespielt werden. Die Befragten haen diesen Filmen sowohl Aribute wie „Drama“ und „gesellsaskritis“ als au „Unterhaltung“ und „Komödie“ zugeordnet. In der Kategorie „Beziehungskomödie“, unter die % der von den Befragten als typis deuts genannten Filme elen, wurden sowohl die unter diesem Label bekannten Filme aus den er Jahren wie Der bewegte Mann (D , Sönke Wortmann) als au aktuelle Liebeskomödien wie Keinohrhasen zusammengefasst. Die Befragten haen den Filmen selbst Begrie wie „Liebeskomödie“ und „Unterhaltung“ zugeordnet und diese damit eindeutig als lustig und unterhaltsam besrieben. Die Kategorie „Comedy“, unter die % der genannten Filme fallen, beinhaltet aussließli Mainstream-Komödien wie (T)raumsi Surprise (D , Miael Bully Herbig), Der Wixxer (D , Tobi Baumann) oder Der Suh des Manitu (D , Miael Bully Herbig). Sließli wurden no die Kategorien „Gesite“ mit % der Nennungen mit Filmen
298
Elizabeth Prommer, Anna Jurzik, Philipp Lang, Paula Syniawa
wie Der Untergang (D/I/A , Oliver Hirsbiegel), Das Leben der Anderen und „Klassiker“ wie Die Bletrommel (BRD/F/PL/YU , Volker Slöndor) und Das Boot (BRD , Wolfgang Petersen) mit % der Nennungen gebildet. Mit knapp % wurden Filme, die unter „Arthouse“ zusammengefasst wurden, eher selten genannt. Zu dieser Kategorie wurden eindeutig Programmkino-orientierte Filme wie z.B. Filme der „Berliner Sule“ oder Titel wie Halbe Treppe (D , Andreas Dresen) und Gegen die Wand (D/T , Fatih Akin) gezählt. Genre
Häugkeit
Keine Angabe Beziehungskomödie Comedy/Comedians Anspruchsvolle Publikumserfolge Arthouse Geschichte Klassiker Sonstige Nein, kein typischer Film Gesamt
Abbildung 11
47 44 18 73 15 26 20 3 149 395
Prozentanteil 12 % 11 % 5% 19 % 4% 7% 5% 1% 38 % 100 %
Typis deutse Filme. Häugkeiten und Prozentanteile. Oene Frage: Gibt es einen typis deutsen Film, wenn ja – weler? Aueilung in Kategorien.
Auallend ist, dass der größte Teil der Befragten keinen typis deutsen Filmtitel nennen kann. % der Befragten beantworteten die Frage mit „nein, es gibt keinen typis deutsen Film“. Es zeigt si außerdem, dass es weder die ganz großen kommerziellen Komödienerfolge no die von Kritikern gelobten und im Ausland teils preisgekrönten Gesitsdramen wie Das Leben der Anderen sind, die das dursnilie Publikum als typis deutse Filme bezeinet, sondern eher eben jene der Kategorie „ansprusvolle Publikumserfolge“, die zwisen Kritiker- und Publikumserfolg liegen bzw. diese miteinander vereinen. Da laut FFA neben dem Thema bzw. der Story ein weiteres witiges Kriterium des Publikums für die Auswahl eines Kinolms die Sauspieler sind, sollte weiterhin erhoben werden, wele Sauspieler das Publikum mit deutsen Produktionen in Verbindung bringt, also wer das Gesit des deutsen Films ist. Die Antwort fällt relativ eindeutig aus: Knapp % der Befragten nennen Til Sweiger als typis deutsen Sauspieler. Er wird damit mit
Der deutse Kinolm: Publikum und Image
299
bemerkenswertem Abstand vor Jürgen Vogel (%), Moritz Bleibtreu ( %) und Katja Riemann (%) am häugsten genannt. Die folgende Tabelle veransaulit die Auswertung. Weiterhin sollten die Befragten angeben, ob sie die als typis deuts empfundenen Sauspieler mögen oder ablehnen. Hier zeigt si, dass die typis deutsen Sauspieler au zu einem überwiegenden Teil gemot werden. Til Sweiger wird von drei Viertel derer, die ihn als typis deutsen Sauspieler bezeinen, au gesätzt. Typisch deutsche Schauspieler nach Gruppen Name Til Schweiger Etablierte Publikumslieblinge (z.B.Vogel, Bleibtreu, Riemann, Potente) Charakterdarsteller (z.B. Elsner, Prahl)
Gesamt
Gemocht
24 %
74 %
Nicht gemocht 26 %
26 %
73 %
27 %
8%
Jungschauspieler (z.B. Brühl, Schilling, Lara)
4%
Stars von früher (z.B. Rühmann)
3%
Sonstige
2%
Gibt keinen typ. dt. Schauspieler
Abbildung 12
21 %
97 % zu geringe Nennung 100 % zu geringe Nennung –
3% – – – –
Typis deutse Sauspieler na Gruppen. Befragte in %. Oene Frage: Wele/r Sauspieler/In ist für Sie typis für den deutsen Film? Aueilung in Kategorien.
Eine möglie Erklärung für die auallend häuge Nennung von Til Sweiger kann in seiner medialen Präsenz zur Zeit der Befragung liegen. Die Umfrage wurde im Sommer durgeführt und damit nur wenige Monate na der Verleihung des Deutsen Filmpreises.7 Til Sweiger war im Vorfeld aus der deutsen Filmakademie ausgetreten, da diese seinen Film in der Vorauswahl zum Deutsen Filmpreis nit berüsitigt hae, obwohl Keinohrhasen mit . . Zusauern der erfolgreiste Film im deutsen Kino war und so insgesamt zu den erfolgreisten deutsen Filmen überhaupt zählt (vgl. FFA b). Keinohrhasen wird auf die Frage na einem typis deutsen Film als einzelner Filmtitel am häugsten von den Befragten genannt. Au die oben bereits besriebene Kategorie der „Beziehungskomödie“ wird von Filmen dominiert, in denen Til Sweiger mitspielt oder die er gar mitproduziert hat (z.B. Keinohrhasen, Der bewegte Mann, Der Eisbär [D , Til Sweiger] 7
Im Internet unter: (Stand: . . ).
300
Elizabeth Prommer, Anna Jurzik, Philipp Lang, Paula Syniawa
und Wo ist Fred? [D , Anno Saul]). Dieser Zusammenhang zwisen Til Sweiger und den „Beziehungskomödien“ wird au bestätigt, wenn man Til Sweiger als den typis deutsen Sauspieler mit den bereits besriebenen Genregruppen der typis deutsen Filme in Verbindung bringt. Fast die Häle aller Befragten, die eine Beziehungskomödie als typis deutsen Film genannt hat (knapp %), hat gleizeitig Til Sweiger als typis deutsen Sauspieler angegeben. Aber bereits in einer Untersuung aus dem Jahr erwies si Til Sweiger als der beliebteste deutse Sauspieler (vgl. Prommer b). Somit dominiert er den deutsen Film seit über Jahren.
Eigensaen des deutsen Kino lms Um ein dierenzierteres Bild vom vorherrsenden Image des deutsen Films erarbeiten zu können, wurden die Teilnehmer der Untersuung zunäst gefragt, ob sie glauben, dass der deutse Film einen eher guten oder eher sleten Ruf hat. Hierbei zeigt si erneut ein heterogenes Bild. Ungefähr jeweils ein Driel der Befragten ist der Meinung, der deutse Filme habe einen guten, sleten oder keinen Ruf. Obwohl geringfügig mehr Befragte glauben, dass der deutse Film einen guten Ruf hat, ist der Anteil derer, die die Frage na dem Ruf nit eindeutig beantworten können, beziehungsweise glauben, dass ein Ruf des deutsen Filmes gar nit existiert, eindeutig am größten. In einem weiteren S ri wurde den Befragten eine Auswahl an Eigensaen präsentiert, die sie dem deutsen Film zuordnen sollten. Aus der vorhandenen Liste mit Eigensaen konnten die Befragten beliebig viele Eigensaen auswählen, die für sie auf den deutsen Film zutreen. Dabei wurde eine Liste von sowohl positiven als au negativen Eigensaen erstellt, von denen die Befragten jeweils diejenigen ankreuzen sollten, die sie als zutreend empnden. Um die Befragten nit in eine bestimmte Ritung zu lenken, war der Anteil der positiven und der negativen bzw. der neutralen Eigensaen ausgewogen. Das Interesse lag hierbei hauptsäli darin zu erfahren, ob es bestimmte Eigensaen gibt, die explizit mit dem deutsen Film in Verbindung gebrat werden. Die folgende Tabelle veransaulit die witigsten Ergebnisse:
Der deutse Kinolm: Publikum und Image Eigenschaften Gesellschaftskritisch Nachdenklich Realistisch Intellektuell Banal Lustig Traurig Leicht verdaulich Schwere Kost Optimistisch Pessimistisch Lange Einstellungen Schnelle Schnitte Glanzvolle Bilder Trostlose Bilder Grau Bunt Visuell stark Breites Publikum Begrenztes Publikum Langweilig Gute Unterhaltung Aktuell Phantasievoll Modern Innovativ Dialoglastig Altbacken
Abbildung 13
Alle Befragte in % 50 46 40 31 18 37 13 21 16 15 16 19 8 8 11 12 12 12 19 41 26 34 20 18 19 12 24 12
Anhänger des deutschen Films in % 61 63 51 37 12 51 13 18 15 19 17 16 8 10 7 10 17 16 25 42 7 49 26 27 29 16 17 3
301 Ablehner des deutschen Films in % 21 21 17 16 29 10 9 21 23 4 16 21 8 4 22 13 3 5 4 44 64 9 3 6 5 31 19
Eigensaen des deutsen Kinolms na Anhängern und Ablehnern. Befragte in % (N= )
Die von der Häle der Befragten dem deutsen Film am häugsten zugesriebene Eigensa ist „gesellsaskritis“. Eine ähnli hohe Nennung erreien mit % bzw. % die Eigensaen „nadenkli“ und „realistis“. Zusätzli ist die Anzahl derjenigen Befragten, die den deutsen Film als „intellektuell“ bezeinen (%), fast doppelt so ho wie die Anzahl derer, die ihn „banal“ nden.
302
Elizabeth Prommer, Anna Jurzik, Philipp Lang, Paula Syniawa
So eindeutig fallen die Dierenzen jedo nit immer aus. Au wenn es na den oben genannten Ergebnissen zunä st so aussieht, als zei ne si ein Bild des „gesellsaskritisen“, „realistisen“, „nadenklien“ und „intellektuellen“ Films ab, wird der deutse Film aber au von % aller Befragten als „lustig“ bezeinet. Im Gegensatz dazu nden ihn nur % „traurig“. Außerdem ist der Wert derer, die den deutsen Film als „leit verdauli“ bezei nen mit % leit höher als der derer, die ihn als „swere Kost“ bezei nen. Sprit das für eine humorvolle Gesellsaskritik oder handelt es si hier etwa um zwei versiedene Bilder des deutsen Films? Für letztere Vermutung sprit, dass viele der übrigen genannten Adjektive im Widerspru zueinander stehen und somit davon ausgegangen werden kann, dass si die Angaben jeweils auf vers iedene Filme beziehen. Dieser These wird im Folgenden no weiter nagegangen. Insgesamt wird der deutse Film also gleiermaßen als „optimistis“ und als „pessimistis“ bezeinet. Bezüge auf die visuelle Ästhetik nden relativ selten sta. Das einzige visuelle Merkmal, das häuger genannt wurde, sind „lange Einstellungen“ ( %) im Verglei zu „snellen Snien“ ( %). Als „glanzvoll“ werden die Bilder des deutsen Films ebenfalls nur von % bezei net, do au die „trostlosen Bilder“ seinen mit % kein allgemeingültiges Merkmal zu sein. Dementspreend wird der deutse Film weder als besonders „grau“ no als besonders „bunt“ eingesätzt (beide %). Insgesamt bezeinen nur % der Befragten den deutsen Film als „visuell stark“. Aus diesen insgesamt sehr niedrigen und si widerspreenden Nennungen lässt si s ließen, dass der deutse Film, unabhängig davon, in wele Ritung er thematis geht, keinen hervorsteenden, arakteristisen Look besitzt und visuelle Aspekte in Bezug auf den deutsen Film in der Wahrnehmung der Befragten eine untergeordnete Rolle spielen. Eindeutigere Aussläge in eine Ritung treten bei der Einsätzung des Publikums des deutsen Films auf: Während nur % glauben, dass der deutse Film ein „breites Publikum“ ansprit, gehen % davon aus, dass er eher für ein „begrenztes Publikum“ gemat ist. Dabei nden immerhin % den deutsen Film „langweilig“ und % bezeinen ihn als „gute Unterhaltung“. Damit überwiegt eindeutig die positive Einsätzung im Hinbli auf den Unterhaltungswert des deutsen Films. Denno: Betratet man die Häugkeiten der genannten Eigensaen, entsteht wiederum der Verdacht, dass hier nicht das eine Image einer bestimmten und allgemeingültigen Form des deutsen Kinolms besrieben wird, sondern dass si die Nennungen vielmehr auf versiedene Arten von Filmen beziehen. Dieser Eindru verstärkt si, wenn man die in den voran-
Der deutse Kinolm: Publikum und Image
303
gegangenen Kapiteln erläuterten, als typis deutse Filme und als typis deutse Sauspieler genannten Beispiele betratet. Ein großer Teil der Befragten nennt keinen typis deutsen Film und keinen typis deutsen Sauspieler. Au dies sprit dafür, dass es kein eindeutiges Image des deutsen Films gibt. In den zuges riebenen Eigensaen unterseiden si die Anhänger des deutsen Films jedo deutli von dessen Ablehnern. Nur die Einsätzung, dass der deutse Film ein „begrenztes Publikum“ erreit, teilt ein Großteil aller Befragten (%) unabhängig von ihrer Haltung zum deutsen Film. Während die Anhänger des deutsen Films jedo vor allem die au insgesamt am häugsten genannten Eigensaen „gesellsaskritis“ ( %), „nadenkli“ ( %) und „realistis“ (%) hervorheben, sind diese Werte bei den Ablehnern wesentli geringer. Unter ihnen sehen nur % den deutsen Film als „gesellsaskritis“, % als „nadenkli“ und sogar nur % als „realistis“. Weitere Eigensaen, die von den Anhängern des deutsen Kinolms signikant häuger genannt werden als von den Ablehnern oder jenen, die ihm neutral gegenüber stehen, sind „intellektuell“, „aktuell“, „optimistis“, „phantasievoll“, „visuell stark“, „modern“ und „innovativ“. Ebendiese Eigensaen, wele die Anhänger des deutsen Films sätzen, werden von den Ablehnern vermisst. Sie weisen dem deutsen Film hingegen viel häuger die Adjektive „langweilig“ ( %), „dialoglastig“ (%), „banal“ ( %) und „altbaen ( %) und mit „trostlosen Bildern“ (%) zu. Dies seinen demzufolge Kritikpunkte am deutsen Film zu sein. Ein gravierender Untersied ist jedo au im Hinbli darauf zu erkennen, wie lustig der deutse Film eingesätzt wird. Während % der Anhänger den deutsen Film als „lustig“ bezeinen, stimmen dem nur % der Ablehner des deutsen Films zu. Das Image des deutsen Films ist demna bei denjenigen, die ihm persönli positiv gegenüber stehen, ambivalent: Zum einen sind es seriöse und ernsthae Aribute, die ihm zugesrieben werden, zum anderen wird aber au sein unterhaltender Charakter thematisiert. Bei den Befragten, die eine ablehnende Haltung gegenüber dem deutsen Kinolm haben, steht dagegen die als trist und swer wahrgenommene Ausritung deutser Filme im Vordergrund. Besonders die ambivalente Einsätzung des deutsen Kinolms dur dessen Anhänger legt wiederum die Vermutung nahe, dass si das Image des deutsen Films auf zwei untersiedlie Arten von Filmen bezieht: Zum einen auf „gesellsaskritise“, „realistise“ und „nadenklie“ Filme und zum anderen auf „lustige“ Filme.
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Elizabeth Prommer, Anna Jurzik, Philipp Lang, Paula Syniawa
Um den Kritikpunkten des Publikums am deutsen Film näher auf den Grund zu gehen, wurden die Befragten weiterhin gebeten anzugeben, was si am deutsen Film ändern müsste, um ihn für sie araktiver zu maen. Betratet man diese Verbesserungsvorsläge unter Berüsitigung des Vergleis der ausdrülien Anhänger und Ablehner des deutsen Kinolms, so ergibt si folgendes Bild: Deutsche Filme im Kino
Gar nichts
Mag dt. Filme
Mittel
31 %
10 %
Mag keine dt. Filme 4%
Gesamt 18 %
Bessere Schauspieler
14 %
16 %
45 %
21 %
Emotionaler
10 %
15 %
12 %
12 %
Lustiger
16 %
24 %
21 %
19 %
Abwechslungsreicher
29 %
43 %
44 %
37 %
Mehr Action
15 %
24 %
36 %
22 %
Tiefsinniger
16 %
18 %
27 %
19 %
Innovativer
16 %
24 %
30 %
21 %
Spannender
25 %
35 %
49 %
34 %
Mehr Spezialeffekte
12 %
22 %
27 %
19 %
2%
2%
8%
3%
Mehr Liebe Interessantere Bilder
16 %
27 %
30 %
23 %
Globalere Themen
11 %
22 %
25 %
17 %
8%
10 %
10 %
9%
Gewagter
21 %
41 %
39 %
32 %
Mehr Werbung
10 %
7%
5%
8%
1%
1%
6%
2%
Glamouröser
Egal
Abbildung 14
Wünse an den deutsen Film aus Sit der Anhänger und Ablehner des deutsen Kinolms. Befragte in % (N= ) Antwortmöglikeiten, Mehrfaantworten mögli.
Die Anhänger des deutsen Kinos sind erwartungsgemäß die zufriedenste Gruppe der Zusauer. Auf die Frage „Was müsste si am deutsen Kinolm ändern, um ihn a raktiver zu maen?“ antwortete ein gutes Driel (%) von ihnen „Gar nits. Er ist gut so, wie er ist.“ Diese Antwort stellt damit die häugste Nennung der Anhänger des deutsen Kinolms dar. Alle anderen
Der deutse Kinolm: Publikum und Image
305
Verbesserungsvors läge bzw. Wünse wurden dementspreend seltener von ihnen genannt. Aufs lussreier sind dagegen die Vors läge derjenigen, die deutse Filme an der Kinokasse ablehnen. Die Ablehner wünsen si deutli häuger „bessere Sauspieler“ (% im Verglei zu % bei Anhängern des deutsen Films), „abweslungsreiere Filme“ (% im Verglei zu %), „mehr Action“ ( % im Verglei zu %), „spannendere“ ( % im Verglei zu %) und „gewagtere“ Filme ( % im Verglei zu %). Dies sind demna die Aspekte, die die Ablehner des deutsen Films an ihm vermissen. Glei zeitig können sie als Potential für zukün ige Produktionen gesehen werden, um au den Teil des Kinopublikums zu erreien, der bisher ungern deutse Kinolme sieht. Die vorliegende Studie befasst si mit der Frage na dem Image des deutsen Kinolms. Dur die Analyse mehrer Aspekte, wie soziodemograse Gegebenheiten, Gründe für einen Kinobesu, Genrepräferenzen und Informationsquellen hat si gezeigt, dass es das eine Image des deutsen Kinolms nit gibt. Vielmehr ergeben si aus den vorliegenden Untersuungen zwei untersiedlie Bilder des deutsen Kinolms, die vor allem dur zwei Gruppen von Filmen geprägt werden: Zum einen von den „ansprusvollen Publikumserfolgen“ und zum anderen von den „Beziehungskomödien“. Damit sind die als swer verdauli bezei neten Autorenlme der er Jahre oensitli aus den Köpfen des deutsen Kinopublikums verswunden und saen Platz für ein neues, ambivalenteres Bild des deutsen Kinolms. Dies zeigt si besonders bei den Anhängern des deutsen Kinolms, die diesen mit den Aributen „gesellsaskritis“, „nadenkli“, „realistis“, aber au als „lustig“, „unterhaltsam“ und „leit verdauli“ besreiben. Außerdem ist diese Gruppe von Zusauern am zufriedensten mit dem aktuellen deutsen Kinolm. Au die Ablehner des deutsen Kinolms sreiben diesem die oben besriebenen Aribute zu, ergänzen diese aber um Begrie wie „langweilig“, „dialoglastig“ und „banal“. Zusätzli wünsen sie si für den deutsen Film, dass er „abweslungsreier“, „spannender“ und „gewagter“ wird.
Viele Images, viele Publika? Hier stellt si nun die Frage, wodur diese Ambivalenz des deutsen Kinolms entsteht. Aufs luss darüber versprit die Frage na einem typis deutsen Kinolm.
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Die Untersuung der genannten Filme ergab, dass jeweils gut ein Driel der Anhänger keinen typis deutsen Film benennen konnte. Die am häugsten angeführten Filme gehören zu der Genregruppe der „ansprusvollen Publikumserfolge“ oder der „Beziehungskomödien“, was die oben genannten Eigensaen des deutsen Kinolms bestätigt: die Gesellsaskritik und Nadenkli keit ndet si in den „anspru svollen Publikumserfolgen“, „Beziehungskomödien“ können als „lustig“ und „leit verdauli“ gesehen werden. Damit bestätig si erneut, dass es zwei Images des deutsen Kinolms gibt, die si anseinend aus versiedenen Filmangeboten speisen. Ein weiterer Erklärungsansatz ergibt si aus den untersiedlien Quellen, die die Aufmerksamkeit auf den deutsen Kinolm lenken. Um festzustellen, ob die Quelle, aus der die Befragten ihre Informationen über den deutsen Kinolm beziehen bzw. dur die sie auf ihn aufmerksam werden, einen Einuss auf das von ihnen wahrgenommene Image hat, wurden sie ebenfalls gebeten anzugeben, wodur sie auf deutse Filme aufmerksam werden. Gleit man diese Quellen der Aufmerksamkeit mit den dem deutsen Film zugesriebenen Eigensaen ab, so fällt auf, dass das Interesse an einem Film bei Befragten, die den deutsen Kinolm als „nadenkli“ und „gesellsaskritis“ besreiben, hauptsäli dur Printmedien und dur Auszeinungen und Preise für das entspreende Werk gewet wird. Diejenigen, die dem deutsen Kinolm Aribute wie „lustig“ und „unterhaltsam“ zusreiben, informieren si hauptsäli dur TV-Werbung und Trailer. Dies lässt den S luss zu, dass bereits in den Medien ein unters iedlies Bild des deutsen Films vermielt wird. Sließli zählen Nutzer der Printmedien den deutsen Film zum „gesellsaskritisen“ „gehobenen Mainstream“ und Nutzer der audiovisuellen Medien ordnen ihn eher in die Kategorie der „unterhaltsamen Beziehungskomödie“ ein. Absließend lässt si also sagen, dass es das Image des deutsen Kinolms nit gibt. Fast die Häle unserer Befragten konnten mit dem deutsen Kinolm keinen bestimmten Filmtitel oder kein bestimmtes Filmgenre verbinden, was den Sluss nahe legt, dass si viele eines Images des deutsen Films überhaupt nit bewusst sind. Die andere Häle legt ein ambivalentes Bild des deutsen Filmes dar. Diese Images werden hauptsäli dur die untersiedlien Filmvorlieben und das breit gefäerte Filmangebot, aber au dur die untersiedlien Informationsmedien beeinusst. Während Printmedien das Image des „gesellsaskritisen“ und „nadenklien“ deutsen Films prägen, zeinen Werbung und Beriterstaung im Fernsehen eher ein Bild des „lustigen“, unterhaltsamen deutsen Films. So wie es oensitli zwei Images des deutsen Kinolms gibt, so unterseidet si au sein Publikum. Das eine Publikum gibt es nit. Insgesamt
Der deutse Kinolm: Publikum und Image
307
ist das Publikum des deutsen Films zwar älter als das von internationaler Produktionen, jedo muss au hinsitli der Alterstruktur eine Unterseidung zwisen den Besuern der „ansprusvollen Publikumserfolge“ wie Good bye Lenin! oder Sommer vorm Balkon auf der einen Seite und Besuern von „Beziehungskomödien“ wie beispielsweise Keinohrhasen auf der anderen Seite getroen werden. Die einen sind deutli jünger als die anderen, wie Abbildung zeigte. Am beliebtesten waren bei den Befragten Filme, die unter die Kategorie des „ansprusvollen Publikumserfolgs“ fallen. Diese Filme haben durs nili ein älteres Publikum. Damit ist der deutse Kinolm gut gewappnet für die Zukun. Denn ein Aspekt prägt die aktuelle Diskussion um die Zukun des Kinos wesentli: Die Debae um die Auswirkungen des demograsen Wandels. Es ist davon auszugehen, dass der Anteil der unter -Jährigen an der Bevölkerung weiter srumpfen und der Anteil der über -Jährigen weiter ansteigen wird. Für die Zusammensetzung des Kinopublikums folgt daraus, dass es weniger junge und mehr ältere Kinobesuer geben wird. Wie die Ausführungen gezeigt haben, haben die untersiedlien Altersgruppen unters iedlie Filmvorlieben. Deutse Kinoproduktionen wie Kirsblüten – Hanami und Alles auf Zu er werden vor allem von älteren Kinobesuern gesehen. Hier sind die Filmproduzenten gefragt, die der si veränderten Publikumsstruktur geret werden müssen. Die Generation plus bevorzugt ansprusvolle Dramen und vor allem deutse Filme und diese müssen dementspreend produziert werden. Aber au das jugendlie und junge Publikum darf nit verna lässigt werden, da hier die zukün igen Cineasten und potentiellen Fans des deutsen Kinos heranwasen. Damit das Si „Deutses Kino“ nit do einmal auf dem Troenen sitzt, muss au ihnen ein entspreendes Filmangebot gemat werden.
Literatur FDW Werbung im Kino e.V. ( ) Kinobesuer in der MA . (Stand: . . ). FFA ( – ) Der Kinobesuer bis : Strukturen und Entwilungen auf der Basis des GfK-Panels. Berlin. (als PDF-Dokument abzurufen unter ). FFA ( b): Der „deutse Film“ unter der Lupe. Akzeptanz – Image – Stärken und Swäen. Februar . Berlin. (Stand: . . ). FFA ( b) Auswertung der Top -Filmtitel des Jahres na soziodemogra sen sowie kinou. lmspezi sen Informationen auf Basis des GfK Panels. Berlin Mai . (Stand: . . ).
308
Elizabeth Prommer, Anna Jurzik, Philipp Lang, Paula Syniawa
Glogner, Patri ( a) Altersspezise Umgehensweisen mit Filmen. Teilergebnisse einer empirisen Untersuung zur kultursoziologisen Dierenzierung von Kinobesuern. In: Renate Müller/Patri Glogner/Stefanie Rhein/Jens Heim (Hg.) Wozu Jugendlie Musik und Medien gebrauen: jugendlie Identität und musikalise und mediale Gesmasbildung. Weinheim: Juventa Verlag, S. –. Glogner, Patri ( b) Filmpublika und lmbezogener Nonkonformismus. Ausgewählte Ergebnisse einer Befragung von Kinobesuern. In: tv diskurs, H. , S. – . Glogner, Patri ( c) Sozial-ästhetise Umgehensweisen mit Filmen. Ausgewählte Ergebnisse einer empirisen Untersuung von Kinobesuern. In: Werner Heinris/ Armin Klein (Hg.): Deutses Jahrbu für Kulturmanagement . Band . Baden-Baden: Nomos Verlag, S. –. Henseler, Stephanie ( ) Soziologie des Kinopublikums. Eine sozialempirise Studie unter besonderer Berüsitigung der Stadt Köln. Frankfurt/M.: Lang. Keil, Klaus/Milke, Felicitas/Homann, Dagmar ( ) Demogra e und Filmwirtsa. Studie zum demogra sen Wandel und seinen Auswirkungen auf Kinopublikum und Filminhalte in Deutsland. Berlin: Vistas. Neermann, Gerhard ( ) Multiplexe verändern Kinomarktstrukturen. In: Media Perspektiven, H. , S. –
. Neermann, Gerhard ( ) Kinobesu: Demographis bedingte Rügänge und neue Zusauergruppen. In: Media Perspektiven, H. , S. –. Prommer, Elizabeth ( a) Kinobesu im Lebenslauf. Eine historise und medienbiographise Studie. Konstanz: UVK. Prommer, Elizabeth ( b) Sauspieler-Ranking . Unveröentlite Studie für Prommer Media Consulting. Münen . Prommer, Elizabeth ( ) Das Kinopublikum im Wandel: Forsungsstand, historiser Rübli und Ausbli. In: Patri Glogner/Patri Föhl (Hg.) Das Kulturpublikum: Fragestellungen und Befunde der empirisen Forsung. Wiesbaden: VS Verlag, S. – . Prommer, Elizabeth/Mikos, Lothar ( ) The „Taste of Age“. Movie aendance and the Baby-Boomers. Unveröentlites Vortragsmanuskript von der Konferenz: „The Glow in their Eyes.“ Global perspectives on lm cultures, lm exhibition and cinemagoing. In Ghent, Belgien, Dezember . SPIO Spitzenorganisation der deutsen Filmwirtsa ( .) Filmstatistises Jahrbu ( .). Baden-Baden: Nomos.
Innovation und Wirtsalikeit Die Situation von Nawuslmemaern und die Bedeutung der Filmförderung für das deutse Gegenwartskino Anke Zwirner
Gegenwärtig erlebt das deutse Kino eine Renaissance: dabei erhalten nit nur die nationalen Mainstream-Filme Zuspru von den eigenen Zusauern, sondern au herausragende Arthouse-Produktionen werden vom Publikum beatet; außerdem zeigen deutse Filmemaer auf internationalen Festivals immer mehr Präsenz und gewinnen Preise. Viele junge Talente haben gerade in der letzten Zeit mit ihren Filmen für Aufmerksamkeit gesorgt: Emily Atef mit Das Fremde in mir (D ), Maren Ade mit Alle Anderen (D ), Joen Alexander Freydank mit dem Kurzlm Spielzeugland (D ), das Regieduo Carsten Ludwig und Jan-Christoph Glaser mit
/ – Fairplay war Gestern (D ) sowie Maximilian Erlenwein mit Swerkra (D ) – um nur einige Titel zu nennen. Dies ist einerseits die Folge einer Vielzahl von talentierten jungen Filmsaffenden und einer sehr guten Ausbildungssituation für zukünige Filmemaer, andererseits resultiert der Erfolg aus der vielfältigen Finanzierungs- und Förderstruktur, die Deutsland zu bieten hat. Denn ohne Filmförderung häe wohl kaum einer der oben genannten Filme den Weg auf die Leinwand gefunden. Erst dur eine sole konzentrierte und ambitionierte Filmförderung wird die Vielfältigkeit des Filmsaens in Deutsland, also das Nebeneinander von wirtsali sehr erfolgreien Mainstream-Produktionen und kleinen, ansprusvollen Filmkunstperlen, ermöglit. Ziel dieses Artikels ist es, die Bedeutung der Filmförderung und der Ausbildungssituation für das junge Filmsaen in Deuts land vorzustellen. Hierfür werden im Folgenden die Entwilung des Filmmarktes, die Situation der Produktionsunternehmen und die Bedeutung der Filmförderung für die Herstellung von Kinolmen dargestellt, um absließend einen Ausbli auf neue Herausforderungen zu geben.
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_17, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
310
Anke Zwirner
Die Entwi lung des Filmmarktes in Deuts land Die Zahl der Urauührungen deutser Kinolme ist in den letzten zehn Jahren kontinuierli angestiegen. Wurden im Jahr insgesamt Langlme in deutsen Kinos gezeigt, so hat si diese Anzahl bis zum Jahre mit uraufgeführten Filmen in abendfüllender Länge mehr als verdoppelt. Erstaufgeführte deutsche Langlme 1998 bis 2009 Int. Koproduktionen mit dt. Beteiligung
Anteil Koprod. an Spiellmen in %1
Dokumentarlme
42
10
19,2
18
74
44
30
40,5
14
75
47
28
37,3
19
107
83
57
26
31,3
24
117
84
39
45
53,6
33
2003
107
80
54
26
32,5
27
2004
121
87
60
27
31
34
2005
146
103
60
43
41,7
43
2006
174
122
77
45
36,8
52
2007
174
129
78
51
39,5
45
2008
185
125
68
57
45,6
60
2009
216
144
67
77
53,5
72
Jahr
Langlme gesamt
Spiellme gesamt
1998
70
52
1999
88
2000
94
2001 2002
davon rein national
1 Hier ist der Anteil der internationalen Koproduktionen innerhalb aller Spiel lme gemeint. Angaben: vgl. FFA Info, / bis /.
Glei zeitig konnte in diesem Zeitraum bei eher rü läugen Gesamtbesuerzahlen ein ständiger Anstieg des Marktanteils von deutsen Filmen verzeinet werden:
Innovation und Wirtsalikeit
Angaben: vgl. FFA Info /, .
Angaben: vgl. FFA Info /, .
311
312
Anke Zwirner
Dieser rasante Zuwas resultiert neben der Zunahme von Qualität und Quantität der hiesigen Produktionen au aus einer ständig steigenden Anzahl von Produktionsrmen. Arbeiteten gemäß SPIO (Spitzenorganisation der Filmwirtsa) im Jahre insgesamt steuerpitige Firmen im Gesäsberei „Film- und Videoherstellung“, waren es bereits Firmen, im Jahre son
Firmen und sogar
(vgl. SPIO , ; SPIO , ). Der Großteil der in den letzten Jahren uraufgeführten deutsen Spiellme wurde von Firmen produziert, die pro Jahr nit mehr als einen Film herstellten.1 Bei einer Gesamtzahl von Kinosälen im Jahr in Deutsland (vgl. FFA Info / , ) sind die meisten dieser Filme mit einer sehr geringen Anzahl von Kopien gestartet. % der Langlme wurden mit weniger als Kopien uraufgeführt, % mit weniger als Kopien, nur % mit bis zu Kopien, % mit bis zu Kopien und % mit bis zu Kopien. Ledigli Filme starteten mit mehr als Kopien (vgl. SPIO , ). Aufgrund dieser Marktdaten ist ersitli, wie groß das Risiko für jede einzelne Produktionsrma ist, einen Film herzustellen und auf diesem so breit aufgefäerten Markt ausreiend Präsenz zu zeigen, um dem Film seinen Weg zum Publikum zu ebnen. Die Entwilung der Marktdaten zeigt aber au, dass trotz stagnierender Gesamtbesuerzahlen die Anzahl der deutsen Filme enorm zugenommen hat und die Akzeptanz der nationalen Filme beim hiesigen Publikum gestiegen ist. So zeinet si ein vielfältiges Filmsaen ab. Die Konkurrenz der einzelnen Filme untereinander hat dadur jedo deutli zugenommen und fordert somit von den Produzenten eine no stärkere unternehmerise Verantwortung. Von den Filmen, die in diesen Jahren uraufgeführt wurden, konnten nur wenige ihre Herstellungskosten wieder einspielen und einen Gewinn erzielen. Dur die zunehmende Anzahl von Filmen ist es au viel swieriger geworden, dur die Herstellung von Filmen – vor allem von Arthouse-Filmen, die zwar ihren künstlerisen Wert besitzen und ihren Platz auf Festivals nden, allerdings o keine ertragreie Auswertung garantieren können – au das Unternehmen zu nanzieren und selber davon leben zu können.
1
Von den im Jahre uraufgeführten Filmen wurden , % von Firmen gedreht, die nur einen Film in diesem Jahr produzierten, ledigli , % wurden von Firmen mit einem Output von zwei Filmen hergestellt, ,% von Firmen mit drei Filmen, ,% mit vier Filmen und ,% von Firmen mit mehr als vier Filmen (vgl. SPIO , ).
Innovation und Wirtsalikeit
313
Die Rolle der Filmförderung bei der Finanzierung von Kinolmwerken Die Herstellung von Kinolmen wird bekanntli nit auss ließli aus Eigenmieln der Produktionsrmen nanziert; für jeden einzelnen Film gilt es, eine sinnvolle Finanzierungsstruktur zu gestalten. Diese enthält neben eigenem Kapital der Produzenten oder anderer an der Finanzierung beteiligter Unternehmen meist Miel aus einer Zusammenarbeit mit einem Fernsehsender und/oder dem Vorlizenzverkauf, einer möglien Verleih-/Vertriebsgarantie und in der Regel bedingt rüzahlbarer Darlehen oder Zusüsse einer oder mehrerer Filmförderungsinstitutionen. Die witigsten Förderinstitutionen in Deuts land mit der Angabe der jeweiligen Fördervolumen sind: Förderung
Fördervolumen 2006 (in Mio. Euro)
Fördervolumen 2007 (in Mio. Euro)
Fördervolumen 2008 (in Mio. Euro)
Fördervolumen 2009 (in Mio. Euro)
FFA (Filmförderungsanstalt)
76,30
76,98
78,56
71,70
BKM (Der Beauftragte für Kultur und Medien)
32,76
FFF (FilmFernsehFonds Bayern)
23,39
27,35
26,92
27,59
Filmstiftung NRW
34,55
34,96
35,67
35,76
Medienboard Berlin-Brandenburg
26,06
29,75
29,26
28,88
FFHH FilmFörderung Hamburg (bis 2006) bzw. FFHSH FilmFörderung Hamburg-Schleswig Holstein (seit 2007)
7,18
10,83
10,34
12,4
MFG, Filmförderung BadenWürttemberg
8,38
8,47
8,32
11,15
17,66
16,49
14,22
10,50
11,61
307,40
306,41
MDM, Mitteldeutsche Medienförderung (Sachsen, SachsenAnhalt und Thüringen) nordmedia (Niedersachsen) Summe
13,9
7,46 229,98
92,22 (inkl. DFFF)
10,57 1
308,52
92,92 (inkl. DFFF)
93,10 (inkl. DFFF)
Die geringen Abweiungen der Gesamtsumme aller Förderungen sind von der FFA so übernommen worden und können nit erklärt werden. Angaben: vgl. FFA Info /; /; /, jeweils f.
314
Anke Zwirner
Bei der Betratung der Förderinstitutionen muss untersieden werden zwisen bundesweiter Förderung – wie die der FFA und des BKM – und den regionalen Förderungen der Bundesländer. Die Filmförderungsanstalt (FFA) erhält ihre Miel hauptsäli aus Abgaben der Kino- und Videowirtsa, sowie aus Mieln der Fernsehanstalten und verwendet neben der direkten Projekt- und Verleihförderung einen Großteil ihrer Förderung für Referenzmielförderung, auf die Produktionsrmen für ihr nästes Filmvorhaben Anspru haben, wenn sie mit vorherigen Filmen auf Festivals und/oder im Kino erfolgrei waren. Die Fördermiel des Beau ragten für Kultur und Medien (BKM) hingegen speisen si aussließli aus Mieln des Bundes. Aus den Mieln des BKM ist einerseits eine direkte Förderung mögli, wele si auf die Unterstützung von künstleris herausragenden Produktionen und Nawusprojekten konzentriert. Andererseits stellt der BKM den im Januar neu eingeführten Deutsen Filmförderfonds (DFFF) zur Verfügung, dessen Miel operativ von der FFA vergeben werden. Der DFFF hat ein jährlies Volumen von Mio. Euro und ist eine automatise Förderung, die Spiellmprojekten mit mehr als Mio. Euro Budget sowie Dokumentarlmprojekten mit einem Budget von mindestens . Euro bis zu % der in Deutsland anfallenden Kosten erstaet. Die Länderförderungen hingegen werden aus Mieln der jeweiligen Bundesländer und einzelner TV-Sender nanziert. Hier gilt es zu beaten, dass sie einen Regionaleekt fordern, der mindestens zwisen und % der geförderten Summe betragen muss, d.h. dass mindestens jeder Euro, der von der jeweiligen Länderförderung vergeben wird, au in diesem Bundesland bzw. diesen Bundesländern ausgegeben werden muss. In der Regel werden die Fördermiel der Länder und der FFA als bedingt – d.h. im Erfolgsfall – rü zahlbare Darlehen gewährt und müssen aus den Erlösen der Auswertung na der Rüführung des Eigenanteils des Produzenten getilgt werden. Die Gelder des BKM werden meist als Zusüsse vergeben.
Die Ausbildungssituation für Filmsaende in Deuts land Parallel zu der zunehmenden Anzahl uraufgeführter Filme hat au das Antragsvolumen einzelner Förderungsinstitutionen immens zugenommen. So konnte das Medienboard Berlin-Brandenburg eine Steigerung von
Anträgen im Jahr auf Anträge verzeinen (vgl. Medienboard , ). Dies ist auch eine Folge des, in den letzten Jahren enorm gewachsenen, Ausbildungsmarktes für Filmsaende in Deutsland. Gab es in den er
Innovation und Wirtsalikeit
315
Jahren no einige wenige Ausbildungsbetriebe für Filmsaende in Deutsland, ist in den letzten zehn Jahren ein regelreter Markt für die Ausbildung entstanden. Auf der einen Seite gibt es die im internationalen Verbund der Filmhosulen CILECT verzei neten ‚klassisen Filmhosulen‘:2
Deutse Film- und Fernsehakademie in Berlin (d), Filmakademie Ludwigsburg, Hamburg Media Sool (HMS), Hosule für Fernsehen und Film in Münen (HFF), Hosule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg (HFF), Internationale Filmsule (ifs), Kunsthosule für Medien Köln (KHM).
Auf der anderen Seite bieten weitere Ausbildungsinstitutionen milerweile spezielle Baelor-, Master- und Diplomstudiengänge in Filmherstellung und Medienmanagement an, wie z.B. die DEKRA Medienakademie in Berlin, die FH Bielefeld, die FH Köln, die FH Wilhelmshaven, die FH Idstein, die FH Wiesbaden, die FH Mi weida, die macromedia Fa hosule für Medien, die TU Ilmenau, die WAM Werbe- und Medienakademie Marquardt oder die Universität Siegen – um nur einige zu nennen. Bei unzähligen Weiterbildungsseminaren, Auaustudiengängen und weiteren öentlien und privaten Ausbildungsanbietern kann Wissen über untersiedlie Bereie des Filmsaens erworben und ein entspreendes Zertikat erlangt werden. Gleizeitig bieten viele medienwissensalie, betriebswirtsalie und au juristise Institute renommierter Universitäten und Fa hosulen ein Studium mit dem Swerpunkt und der Zielritung „Medien“ an. Alle diese zum Teil mit hohen Kosten verbundenen Ausbildungen erönen ihren Studierenden die potenzielle Grundlage für die Tätigkeit im Filmgesä. Dazu kommen no zahlreie Quereinsteiger. Dem Film- und Fernsehmarkt mangelt es somit nit an gut ausgebildeten Nawuskräen. Diese vielen jungen, neuen Talente drängen auf den Filmmarkt und versuen mit Hilfe von milerweile günstig gewordener Tenik, engagiertem Personal und mit Unterstützung der Filmförderung ihre Filme zu realisieren. Dies hat aber langfristig eine Übersäigung des Marktes zur Folge und daraus resultierend die Gefahr der gegenseitigen ‚Kannibalisierung‘ einzelner Projekte. 2 Weitere Informationen über CILECT und die Filmsulen, die dort Mitglied sind, nden si unter: (Stand: . . )
316
Anke Zwirner
Wenn in die Betratung der Entwilung des Kinomarktes und der Produktionslandsa au die der Ausbildungsinstitutionen einbezogen wird, stellt si also die Frage, wie neben den bereits etablierten Filmemaern diese vielen jungen und gut ausgebildeten Nawuskräe ihren Weg in die Filmwirtsa nden sollen. So hat si etwa der nationale Kinomarkt hinsitli der Abspielmöglikeiten von Arthouse-Produktionen sehr stark eingesränkt. Die Kinoleinwände in Deutsland benden si vermehrt in großen Multiplexen, in denen vornehmli Mainstream-Filme präsentiert werden, die in großer Kopienzahl starten. Dass die meisten deutsen Filme jedo mit sehr geringer Kopienzahl in den kleinen Arthouse-Sälen gezeigt werden, erleitert die Situation also nit. Sie mat die Abhängigkeit dieser Filme und der Firmen, die sie produzieren, von der Filmförderung und den Fernsehsendern nur no stärker spürbar. Innerhalb dieser Entwicklungen hat sich bei vielen nationalen Produktionsunternehmen ein beretigtes Sierheitsdenken durgesetzt, denn wenn die Möglikeit besteht, ‚Low Budget Produktionen‘ mit Unterstützung von TV-Sendern und Filmförderung im nationalen Markt zu nanzieren, ohne dass dadur Produktionsunternehmen gefährdet werden, warum sollten dann Risiken eingegangen werden, weitere Finanzmiel zu akquirieren, Eigenkapital einzusetzen oder sogar an eine internationale Koproduktion zu denken? Vor allem den vielen kleinen Produktionsunternehmen fehlt aber das Kapital, o mals au das unternehmerise Denken und das Selbstverständnis, für einen bestimmten Markt zu produzieren, als Voraussetzung dafür, si von einem immer wieder herrsenden Subventionsgedanken zu lösen. Nit nur die Einführung des Deutsen Filmförderfonds und die Entwilung der einzelnen Förderungen zeigen, dass wirtsalies Handeln und publikumswirksames Produzieren zunehmend unterstützt werden. Langfristig gesehen setzt diese Maßnahme unternehmerises Denken der Produzenten, Risikobereitsa und Oenheit für Internationalisierung voraus. Inzwisen wird aber die Herstellung der meisten Filme innerhalb der hosubventionierten Filmwirtsa Deutslands von kleinen Produktionsunternehmen realisiert, die ihr Team omals weit unter tarii festgelegten Mindestlöhnen bezahlen müssen und ihre Filme wissentli ohne jeglie Gewinnerwartung produzieren. Dadur entstehen milerweile so viele Filme, dass diese gegenseitig immer mehr konkurrieren. Hier muss bereits während der Ausbildung sowie auf Seiten der Filmemaer, der Medienpolitik, den Rundfunkanstalten und den Förderinstitutionen ein Umdenken standen. Eine nationale Filmwirtsa kann nit dur Ausbeutung ihrer witigsten Stärke – den Kreativen – gesunden; daher sollten die zur Verfügung stehenden Unterstützungen no gezielter und gebündelter an eine geringere
Innovation und Wirtsalikeit
317
Anzahl von ausgewählten Filmen vergeben werden. Damit wird der Webewerb zwisen den einzelnen Produktionen gewiss no härter werden, do ein innovatives und wirtsalies Filmdenken mit Bli auf das jeweilige Publikum für jeden einzelnen Film kann nur auf diese Weise die notwendigen Kräe seitens der Förderung, der Sender und des Marktes bündeln. Das omals no herrsende Subventionsdenken sollte si so in ein unternehmerises Denken transformieren, das si weder ökonomisen no künstlerisen Ideen und Innovationen versperrt. Au künstlerises Saen hat einen Marktwert und eine Existenzberetigung. Neben dem Glauben an das eigene Filmprojekt und seine künstlerise Umsetzung ist für die Qualität des Projektes eine professionelle, unternehmerise Arbeitsweise und Kooperation also unabdingbar. Langfristig gesehen wird eine reine Empfängermentalität seitern, sei es im etablierten Filmgesä oder im Nawu sberei. Dur setzen werden si hingegen die leidensalien Kämpfer, die kreativ und gleizeitig unternehmeris denkenden Produzenten und Filmemaer, die oen sind für neue Ideen, Erzähl- und Finanzierungsformen im In- und Ausland und selbstverantwortli, teamfähig, risikobereit und zielstrebig handeln. Sie werden sier die nötigen Mitstreiter nden, um au weiterhin qualitativ howertige und künstleris ansprusvolle Projekte für ihr Publikum zu realisieren.
Literatur FFA Info / – / , abruar unter: (Stand: . . ). Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH ( ) Tätigkeitsberit , abruar unter: (Stand: . . ) SPIO Spitzenorganisation der Filmwirtsa e.V. ( ) Filmstatistises Jahrbu . Baden-Baden: Nomos. SPIO Spitzenorganisation der Filmwirtsa e.V. ( ) Filmstatistises Jahrbu . Baden-Baden: Nomos.
Die weltweite kulturelle Filmarbeit des Goethe-Instituts und deren Bedeutung für die internationale Wahrnehmung des deutsen Films Tobias Mosig
Neben der Wirtsas- und Sierheitspolitik spielt die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik eine witige Rolle für die Wahrnehmung Deutslands in der Welt. Die versiedenen Milerorganisationen des Auswärtigen Amtes, die im Au rag der Bundesregierung mit der selbständigen Wahrnehmung kulturpolitiser Aufgaben im Ausland betraut sind, erfüllen dur ihre vielfältigen Aktivitäten im Berei der kulturellen Programmarbeit entseidende kulturpolitise Zielsetzungen. Das Goethe-Institut als größte dieser Organisationen gilt hierbei als „Flaggs i der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik“1. Es wurde gegründet und ist heute als weltweit tätiges Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutsland in Ländern mit einem Netzwerk aus Instituten, Verbindungsbüros und etwa . Mitarbeitern vertreten – davon mit Instituten in Deutsland (vgl. Goethe-Institut a, ). Zu den zentralen Aufgaben des Goethe-Instituts gehören die Förderung und Vermilung der deutsen Sprae, die Pege der internationalen kulturellen 1
Der damalige Bundesaußenminister Deutslands, Dr. Frank-Walter Steinmeier, anlässli der Erö nung des neuen Goethe-Instituts in Nowosibirsk am . . (vgl. Stand: . . ). Weitere deutse Milerorganisationen sind die Alexander von Humboldt-Sti ung (AvH), der Deutse Akademise Austausdienst (DAAD), das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa), der Pädagogise Austausdienst (PAD), das Deutse Aräologise Institut (DAI), die Kultursti ung des Bundes (KSB), das Haus der Kulturen der Welt (HKW) oder die Deutse UNESCO-Kommission (DUK). Das weltweite Netz, mit dem auswärtige Kultur- und Bildungspolitik für Deutsland im Ausland betrieben wurde, garantierten u.a. folgende Organisationen: Botschaften, Generalkonsulate, Konsulate und Ständige Vertretungen; GoetheInstitute inklusive Außenstellen; deutse Auslandssulen; DAAD-Außenstellen, DAAD-Informationszentren sowie DAAD-Lektorate; von Deuts land staatli geförderte Kulturgesellsaen; entsandte Faberater der Zentralstelle für das Auslandssulwesen und des Goethe-Instituts; deutse (geistes-)wissensalie oder historise Institute sowie Abteilungen und Außenstellen des Deutsen Aräologisen Instituts. Vgl. Auswärtiges Amt , .
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_18, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Tobias Mosig
Zusammenarbeit dur die Veranstaltung von Kulturprogrammen – meist in Kooperation mit ausländisen Partnern – sowie die Vermilung eines umfassenden und zeitgemäßen Deutslandbildes dur Informationen über das kulturelle, gesellsalie und politise Leben in Deutsland (vgl. Auswärtiges Amt , ). Zudem fördert die kulturelle Programmarbeit die kurzfristige wie au längerfristige Vernetzung deutser Kunst- und Kultursaender mit denen anderer Nationen. Es ist jedo in Deutsland kaum bekannt, dass si das Goethe-Institut neben seinen zahlreien Aktivitäten in den Bereien Literatur, Theater, Tanz, bildende Kunst und Musik bereits seit über Jahren als kultureller Botsaer kontinuierli für die weltweite Verbreitung des deutsen Films engagiert und auf fast allen Kontinenten deutsspraige Filmfestivals initiiert oder koorganisiert. Von den vielen Kultursparten des Instituts ist der Film die präsenteste Kunstform im Ausland: fast Prozent aller Veranstaltungen nden im Filmberei sta.2 Da das weltweit populäre Medium Film nit zuletzt aufgrund seiner vorteilhaen Verbreitungsmöglikeiten zur ansaulien und überzeugenden Vermilung eines aktuellen wie modernen Deutslandbildes besonders gut geeignet ist, erfreuen si die Filmveranstaltungen der Goethe-Institute bei einem breiten und speziell jungen Publikum rund um den Erdball wasender Beliebtheit. In den letzten Jahren wurden im Dursni etwa
, deutse Filme pro Tag bei Veranstaltungen von Goethe-Instituten, diplomatisen Auslandsvertretungen oder kulturellen Partnerorganisationen gezeigt. Dies entsprit . Filmvorführungen pro Jahr, mit denen etwa zwei Millionen Zusauer jährli erreit werden.3 Die Filmkunst ist im Übrigen au eine Kunstgaung, die ein großes und internationales Vermarktungs- und Exportpotenzial besitzt. Die Ziele einer kulturellen und wirtsalien Förderung des deutsen Films in der Welt sind jedo nit immer vollständig miteinander vereinbar bzw. voneinander zu trennen. Der folgende Beitrag veransaulit speziell die Bedeutung der kulturellen Filmarbeit des Goethe-Instituts für die internationale Wahrnehmung und Präsenz des deutsen Films im Ausland. Die Filmarbeit des Goethe-Instituts wird hauptsä li von zwei Säulen getragen. Eine der Säulen bildet das abweslungsreie Repertoire von etwa
aktuell einsetzbaren Filmtiteln4, für die das Goethe-Institut von den jewei-
2
Vgl. Interne Statistiken des Goethe-Instituts auf Basis der Evaluations-So ware Stat-In. Vgl. Website des Goethe-Instituts, (Stand: . . ). 4 Im August umfasste der aktive Einzelfilmbestand des Goethe-Instituts konkret Filmtitel im mm-Format, Filme im mm-Format, Filme auf DVD sowie Filme im VHS-Format (Vgl. Online-Filmkatalog des Goethe-Instituts: 3
Die weltweite kulturelle Filmarbeit des Goethe-Instituts
321
ligen Reteinhabern die Lizenzen für den nit-kommerziellen und nitexklusiven5 Einsatz der Filme im Ausland erworben hat. Die zweite Säule sind die über auf Filmarbeit spezialisierten Programmmitarbeiter der jeweiligen Auslandsinstitute: die Filmbeauragten.6 Abhängig von den strukturellen Gegebenheiten sind sie an ihren Standorten sowohl für die Filmarbeit als au für die Betreuung der institutseigenen Filmarive zuständig. Als Bindeglied zur lokalen Filmszene und den relevanten Institutionen des Gastlandes sind ihre falien Kompetenzen und lmisen Kenntnisse für den Erfolg der Goethe-Filmarbeit von entseidender Bedeutung. Versiedene thematise Programmbausteine geben den Filmbeauragten vor Ort zahlreie kreative Möglikeiten, aus dem vorhandenen aktuellen wie historisen Filmrepertoire araktive und speziell auf das jeweilige Land und dessen Kultur zugesnittene Filmprogramme zu gestalten. Dies gesieht meist in Zusammenarbeit mit örtlien Partnern aus der Filmszene des Gastlandes, wie z.B. Filmhosulen, Nitregierungsorganisationen, Filmfestivals oder Kinematheken. Dabei kommen nit nur qualitativ howertige Spiel- und Dokumentarlme zum Einsatz, sondern au herausragende Fernsehproduktionen, Animations-, Kurz- und Experimentallme oder au experimentelle Musikclips. Begleitend zu Einzelvorführungen, thematisen Filmreihen oder Retrospektiven geben Regisseure und Sauspieler der vorgeführten Filme in speziellen Rahmenprogrammen und Publikumsgespräen dem interessierten Publikum einen konkreten Einbli in die Filmpraxis und ihren Erfahrungssatz. Dabei wird versut, die gezeigten Filme in eine kulturelle Verbindung und einen künstlerisen Zusammenhang mit dem jeweiligen Land zu bringen. Hier kommt ein witiges Prinzip des Goethe-Instituts zur Geltung: der interkulturelle Dialog und die Zusammenarbeit zwisen deutsen Kunst- bzw. Filmsaenden mit denen des jeweiligen Gastlandes.
, Stand: . . ). Seit werden sämtlie Filme nur no im mm- und DVD-Format konfektioniert, die lizenzretli verfügbaren mm-Filmbestände werden seitdem sukzessive auf das digitale Medium DVD überführt. Im VHS-Format liegen nur no Restbestände älterer Produktionen vor. 5 Von den Auswertungsreten eines Films, wie z.B. dem hier relevanten Ret zur öentlien Vorführung, können wiederum nit-exklusive (= nit-aussließlie) oder exklusive (= auss ließlie) Nutzungsrete vergeben werden. Nit-exklusiv bedeutet in diesem konkreten Fall, dass der Weltvertrieb oder Filmproduzent als Reteinhaber das Ret zur nit-kommerziellen Filmvorführung sowohl an das Goethe-Institut als au glei zeitig an weitere Veranstalter vergeben kann. 6 Eine Auistung sämtlier Filmbeauragter ndet si auf der Website des Goethe-Instituts unter: (Stand: . . ).
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Tobias Mosig
Dur gemeinsam veranstaltete Filmseminare und Workshops werden Erfahrungen ausgetaust, zusätzli wird grundlegendes Filmwissen vermielt und damit auf na haltige Weise das gegenseitige Verständnis für die Filmkultur des Landes und das Medium Film gefördert. Zudem gelingt es dadur meist au längerfristig, internationale lmise Netzwerke aufzubauen. Miels Filmpräsentationen lernen die Zusauer im jeweiligen Land deutse Filme kennen und erfahren mehr über die Sprae, die Kultur, die Gesite, die Mensen und somit über die Lebenswirklikeit in Deutsland. So kann au über ‚normale Sprakurse‘ hinaus die Kenntnis der deutsen Sprae sowie das kulturelle Interesse an Deutsland vermielt und gefördert werden. Dur Filmau ührungen gelingt es wirkungsvoll und mit geringem (nanziellem wie organisatorisem) Aufwand, Mensen versiedenster Kulturen emotional anzuspreen, miteinander in Beziehung zu bringen und intellektuell herauszufordern. Zur kulturpolitisen Vermilung ist dieses Medium daher besonders gut geeignet. Vor allem dur die Einführung des DVD-Formats und den dadur möglien erweiterten Einsatz von Untertitel-Sprafassungen gelang es, weltweit neue und größere Zielgruppen zu erreien.
Verbindung von Filmerbe und aktuellen deutsen Produktionen Prinzipielles Ziel und markantester Aspekt der kulturellen Filmarbeit des Goethe-Instituts ist es, den deutsen Film in seiner ganzen Vielfalt, in allen Genres, Perioden und Ga ungen sowie seiner ganzen Bandbreite herausragender Künstler und Thematiken weltweit darzustellen und zu vermieln. Das Bemühen liegt darin, neue Produktionen mit dem lmisen Erbe zu verbinden. Daher umfasst das „Goethe-Portfolio“ mehr als Jahre deutser Filmgesite in all ihren Faceen: von lmhistorisen Stummlmklassikern (Fritz Lang, Friedri Wilhelm Murnau, Ernst Lubits) über Autorenlme des Neuen Deutsen Films der er und er Jahre (Alexander Kluge, Volker Slöndor, Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog) bis zu Klassikern des DEFA-Filmerbes.7 Ein besonderes Augenmerk gilt jedo den immer stärker nagefragten zeitgenössisen deutsen Gegenwartslmen.8 So erzielten
7 Ausführlie Bestandslisten aller Filme des Goethe-Instituts nden si in Mosig b, –. 8 Na Entstehungsdatum verteilen si die Swerpunkte der Filmarbeit prozentual wie folgt: aktueller Gegenwartslm: %, Stummlme der er und er Jahre: %, Neuer Deutser Film: % und Spiellme der er und er Jahre: %. Vgl. Website des GoetheInstituts unter: (Stand: . . ).
Die weltweite kulturelle Filmarbeit des Goethe-Instituts
323
die meisten Einsatzorte im Jahr die mm-Kopien folgender aktueller Spiellme: Yella (D , Christian Petzold), Am Ende kommen Touristen (D , Robert Thalheim), Auf der anderen Seite (D/T/I , Fatih Akin), Wer früher stirbt ist länger tot (D , Marcus Hausham Rosenmüller) und Emmas Glü (D , Sven Taddien). Zu den beliebtesten Dokumentarlmen gehörten Full Metal Village (D , Sung-Hyung Cho) und Prinzessinnenbad (D , Beina Blümner) (vgl. Goethe-Institut b, ). Da die künstlerise Qualität, das wirtsalie Potenzial und die internationale Marktfähigkeit deutser Produktionen in den letzten Jahren markant gestiegen sind – dokumentiert dur zahlreie Auszei nungen auf internationalen Filmfestivals – wus mit seiner künstlerisen Wertsätzung au das weltweite öentlie wie mediale Interesse am deutsen Film. Dur die zunehmende Zusauerresonanz gewann die internationale Filmarbeit des Goethe-Instituts in dieser Zeit somit weiter an Bedeutung. Das Goethe-Institut ist permanent und global mit seiner Filmarbeit dur seine Dependancen vertreten und daher mit der Filmbrane und den Netzwerken des jeweiligen Landes sehr gut vertraut. Das Besondere an der kulturellen Filmarbeit ist demna ihre Kontinuität und Nahaltigkeit. Sie hält den deutsen Film seit Jahrzehnten im Ausland im Gesprä und sorgt für seine dauerhae und weltweite Präsenz. Dies gesieht unabhängig vom internationalen kommerziellen Erfolg oder Misserfolg, da die kulturelle Programmarbeit aufgrund ihrer ökonomisen Eigenständigkeit ‚wirtsali krisensiere‘ Kulturarbeit ist. Sie orientiert si an ausgewählten Zielgruppen, nit am Massenpublikum. Dies gilt vor allem für die Regionen mit einem funktionierenden lmwirtsalien Distributionsnetz. De nierte Zielgruppe in den Gastländern sind junge, an Deutsland, seiner Kultur und der deutsen Sprae interessierte Einheimise, Süler und Studenten sowie kulturpolitise Multiplikatoren. Eine genaue Zielgruppendenition ist jedo nur auf Grundlage einer realistisen und individuellen Bewertung direkt vor Ort mögli. Entseidend für den Erfolg der Programmarbeit ist das vorhandene Interesse an deutser Kultur am jeweiligen Standort, weles die GoetheInstitute innerhalb ihrer materiellen, nanziellen und personellen Grenzen zu befriedigen versuen. Kulturelle Filmarbeit verbindet die Präsentation von Filmen mit Gespräen, begleitenden Einführungen und Hintergrunddiskussionen. Filme werden also nit nur unkommentiert vorgeführt, sondern dur entspreende Begleitveranstaltungen, Rahmenprogramme oder Seminare au inhaltli reektiert. Bei diesen Veranstaltungen arbeiten renommierte deutse Filmkritiker oder Filmemaer (wie z.B. Regisseure und Drehbuautoren) mit dem Publikum. Sie stellen die gezeigten Filme aus Deutsland in einen the-
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Tobias Mosig
matisen Zusammenhang zu der Filmkunst und Kultur des Gastlandes. Mit Hilfe der Durführung vergleiender Filmreihen, dem Austaus und der Begegnung von Filmsaenden beider Länder in gemeinsamen Seminaren entsteht der erwünste interkulturelle Dialog. Als aktuelles Beispiel ist in diesem Zusammenhang der Besu des deutsen Regisseurs Andreas Dresen im August beim Santiago Festival Internacional de Cine SANFIC erwähnenswert, bei dem das Goethe-Institut Santiago de Chile eine Retrospektive mit ses Filmen von Andreas Dresen organisierte, darunter au die lateinamerikanise Premiere seines neuesten Films Whisky mit Wodka (D ). Zur Präsentation seines Films Wolke (D ) veranstaltete das Goethe-Institut einen Workshop mit Dresen, der gleizeitig au Jurymitglied des SANFICFestivals war. Mit Unterstützung desselben Goethe-Instituts präsentierte drei Jahre zuvor der deutse Dokumentarlm- und Theaterregisseur Andres Veiel im Rahmen eines Theaterfestivals in Santiago de Chile seine beiden Filme Die Spielwütigen (D ) und Der Ki (D ). Das Goethe-Institut initiierte eine spanisspraige Adaption seines gleinamigen Theaterstüs Der Ki. Im Zusammenhang mit den Filmvorführungen haen die Zusauer im Rahmen eines entspreenden Workshops Gelegenheit, si mit Veiel über seine Filme auszutausen.9 Darüber hinaus unterstützen die Goethe-Institute die im gesellsalidemokratisen Umbru bendlien Transformationsländer. Sie helfen diesen Ländern beim Auau lmiser Netzwerke, einer eigenen Festival- und Filmkultur und ihrem Ansluss an die internationale Filmwelt. Dur mobile Kinokonzepte – wie dem Filmbus in Jakarta oder dem Filmzug in Rabat – werden deutse Filme au an entfernte oder swer zugänglie Orte gebrat (sofern dies kulturpolitis sinnvoll erseint und vom Gastland gewünst ist). Sie werden dort gezeigt, wo die Zusauer sind, die man erreien will – bis hin zu Bürgerkriegsländern oder Krisenregionen. Inzwisen gibt es ein Netz von Filmariven, die auf ses Kontinenten verteilt an ausgewählten Goethe-Instituten angesiedelt sind. Diese garantieren die weltweite Versorgung und permanente Verfügbarkeit sowohl aktueller als au historiser deutser Filme jenseits von Metropolen und Ballungsräumen. Infolgedessen konnten die hohen Transportkosten für Filmkopien reduziert sowie glei zeitig die Reiweite der Filmeinsätze immens erhöht werden. Jedes dieser Filmarive verfügt in der Regel über bis Filmtitel und verzeinet im Dursni zwisen und Filmausleihen pro Jahr (vgl. Goethe-Institut b, ). 9 Vgl. Veranstaltungsariv der Website des Goethe-Instituts Santiago de Chile unter: hp:// www.goethe.de/ins/cl/sao/acv/ m/ /deindex.htm>, bzw. unter: (Stand: . . ).
Die weltweite kulturelle Filmarbeit des Goethe-Instituts
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Filmkultur sta wirtsalier Vermarktung Bei den Filmpräsentationen der Goethe-Institute steht nit das reine Filmprodukt im Vordergrund, sondern der si daraus ergebende Austaus ästhetiser, gesellsalier oder politiser Positionen im Filmsaen und der damit einhergehende interkulturelle Dialog. Im Gegensatz zu den weltweit agierenden Akteuren der deutsen Filmwirtsa (Weltvertriebe bzw. German Films) spielt der lmwirtsalie Aspekt bei der kulturellen Filmarbeit des Goethe-Instituts eine untergeordnete Rolle. Die kulturelle Filmarbeit tri nit in Konkurrenz zur kommerziellen Auswertung, sondern „sie ergänzt die kommerzielle, geht ihr voraus oder ersetzt sie.“ (Goethe-Institut , ) Besonders in den lmwirtsali (no) unterentwielten Regionen, in denen deutse Filme sonst nit vertreten wären (wie Afrika, Südostasien), sind die Goethe-Institute mitunter die einzigen ‚Vermiler‘ deutser Filmproduktionen. Damit können sie tendenziell einem eventuellen späteren Einstieg des gewerblien Filmexports einen frutbaren Boden bereiten. In diesem Zusammenhang sollte daher die perspektivise Langzeitwirkung der kulturellen Filmarbeit für die längerfristige Entwilung eines Filmmarktes betont werden. In den für den lmwirtsalien Export deutser Filme relevanten außereuropäisen Territorien (wie Japan, Korea, Nordamerika, Australien) können die kulturell motivierten Filmpräsentationen der Goethe-Institute für den Filmmarkt als ‚nit-kommerzielle Plaformen‘ dienen, aus der ansließend eine kommerzielle Auswertung resultieren kann. Au die Filmmärkte der Zukun können dur die kontinuierlie Goethe-Filmarbeit auf eine spätere kommerzielle Auswertung vorbereitet werden. Die möglierweise zum Teil exportfördernden Auswirkungen der kulturell motivierten Filmveranstaltungen, wie z.B. das konkrete Interesse von anwesenden Branenvertretern des Gastlandes an vorgestellten Filmen, sind als positiver Begleitumstand dieser Aktivitäten zu sehen, da sie kein vorrangiges Ziel der kulturellen Filmarbeit sind. Für die internationale Wahrnehmung des deutsen Films engagiert si ebenfalls die auf weltweites Filmmarketing spezialisierte PR-Agentur German Films Service + Marketing GmbH mit Sitz in Münen. German Films ist das „nationale Informations- und Beratungszentrum für die internationale Verbreitung deutser Filme“10 und soll die Akzeptanz, den Bekanntheitsgrad und speziell die Export- und Vermarktungsmöglikeiten des deutsen Films verbessern. Dabei liegt es in der Natur der Sae, dass si German Films – im Gegensatz zum Goethe-Institut – neben der mielfristigen Ersließung ex10
Vgl. Website von German Films unter: (Stand: . . ).
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Tobias Mosig
pandierender Märkte (wie Osteuropa und Asien) vorrangig auf gegenwärtige, lmwirtsali relevante Märkte konzentriert, in denen der deutse Film unmielbare kommerzielle Verkaufsancen besitzt (z.B. Europa) oder dies in naher Zukun erfolgrei forciert werden kann.11 Das Goethe-Institut dierenziert dagegen in seiner kulturellen Filmarbeit nit zwisen gegenwärtigen und zukünigen Märkten, da es keine ökonomisen Zielsetzungen verfolgt. Obwohl beide Institutionen den deutsen Film mit jeweils untersiedlien Zielsetzungen und Interessen in aller Welt bewerben, unterstützen sie si gegenseitig bei ihren zahlreien Filmaktivitäten. Während es in der Vergangenheit aufgrund der Interdependenzen zwisen ‚kommerzieller Auswertung‘ und ‚kultureller Bewerbung‘ deutser Filme im Rahmen der Filmaktivitäten beider Institutionen zu gelegentlien Arbeitsübersneidungen kam, hat si das Spektrum der konstruktiven und frutbaren Zusammenarbeit inzwisen erhebli verbreitert. Um die Art und Weise einer weltweiten Zusammenarbeit zwisen dem Goethe-Institut und German Films au vertragli zu formalisieren, ist nunmehr die Verabsiedung einer entspreenden Kooperationsvereinbarung geplant. Ein konkretes Beispiel für die Zusammenarbeit von German Films und der Goethe-Institute im Ausland sind etwa Festivals, die dem deutsen Film gewidmet sind. Auf fast allen Kontinenten der Erde haben Goethe-Institute in der Vergangenheit eigene Filmfestivals für deutse bzw. deutsspra ige Filme initiiert, die si im Laufe der Zeit zum Teil zu renommierten Festivals entwielt haben. Die bekanntesten sind Berlin & Beyond in San Francisco, das Audi Festival of German Films in Australien, das Max!-Festival des deutsen Films in Hongkong, das Festival Horizonte in Tokio, das Festival des deutsen Kinos in St. Petersburg, Der Film in Prag, Sehenswert in Budapest oder Film | Neu in Washington.12 Da es si bei diesen Veranstaltungen einerseits um bedeutende Publikumsfestivals und andererseits um branenrelevante Au ührungen handelt, werden sie meist von German Films unterstützt – sei es logistis, nanziell oder au beides. In den Slüsselstädten der internationalen Filmindustrie (wie Paris, Moskau, Madrid, Sto holm, Buenos Aires, Tokio und London) veranstaltet und nanziert wiederum German Films federführend seit eigene Festivals of German Films, bei denen alljährli – je na Standort und Größe – etwa fünf bis fünfzehn aktuelle deutse Filmproduktionen präsentiert werden. Diese meist einwöigen Veranstaltungen sind ein wesentlier Bestandteil der Auslandsarbeit von German Films in lmwirtsali rele11
Detaillierte Welt- und Europakarten mit sämtlien Tätigkeitsbereien und Festivalstandorten von German Films siehe Mosig b, –. 12 Vgl. hierzu Mosig a.
Die weltweite kulturelle Filmarbeit des Goethe-Instituts
327
vanten Märkten. Deren Organisation wird in der Regel kontinuierli, jedo in untersiedliem Umfang dur die ortsansässigen Goethe-Institute und besonders dur deren Filmbeauragte unterstützt – sei es personell, ideell, logistis (z.B. dur die Inansprunahme vorhandener Infrastrukturen, die Nutzung von Adressverteilern und Kontakten vor Ort etc.) oder bisweilen au nanziell. Das Festivalprogramm wird dabei vom Goethe-Institut dur ergänzende Filmvorführungen zumeist au inhaltli bereiert. Die konkrete Programmierung der präsentierten Spiel-, Dokumentar-, Fernseh- und Kurzlme erfolgt im Regelfall in weselseitiger Abstimmung mit allen beteiligten Partnern. Eine mit Filmexperten des jeweiligen Landes besetzte unabhängige Jury sut die Beiträge aus einer vorgegebenen Liste mit etwa bis Filmen aus, wele vorher in Absprae mit den zuständigen Weltvertrieben erstellt wurde. Aus der Perspektive von German Films erfolgt die Präsentation der Filme also primär in Hinbli auf ihr standortabhängiges Marktpotenzial. Das Goethe-Institut beteiligt si zumeist ergänzend – und ohne kommerziellen Hintergrund – mit thematis passenden Retrospektiven, Stummlmklassikern oder Dokumentarlmen am Programm. Das Publikum der Festivals of German Films setzt si nit nur aus Fabesuern der ansässigen Filmbrane, sondern au aus einheimisen Filminteressierten des jeweiligen Gastlandes zusammen. Deren Mobilisierung ist also ein entseidender Bestandteil dieser Festivals. Diese wird standortabhängig sowohl von German Films als au dur das ansässige Goethe-Institut übernommen. Diese Veranstaltungen verknüpfen auf ideale Weise die Zielsetzungen der kulturellen Filmarbeit mit den Belangen einer kommerziellen Bewerbung aktueller Filmproduktionen aus Deutsland und stellen damit eine eektive und optimale Verbindung der Interessen beider Akteure hinsitli der Außenrepräsentanz des deutsen Films im Ausland dar.13 Die Filmbeauragten der Goethe-Institute dienen German Films außerdem und vor allem in denjenigen Ländern als hilfreie Ansprepartner, in denen German Films (no) nit mit eigenen Mitarbeitern vertreten ist, wie z.B. bei Fragen zu kleineren Festivals oder zu möglien Veranstaltungskooperationen.
13
Eine ausführlie Bes reibung der Festivals of German Films mit einer exemplarisen Untersuung dieser Veranstaltungen an den Standorten Paris, Australien, Moskau und St. Petersburg ndet si in Mosig b, – .
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Kooperation mit weiteren Akteuren Aus der erwähnten Zusammenarbeit des Goethe-Instituts mit lokalen Filmpartnern und branennahen Institutionen erwasen zudem jährli bis zu Beteiligungen an renommierten nationalen oder internationalen Filmfestivals in fast allen Ländern der Welt. Hierbei beraten die Goethe-Institute inhaltli-kuratoris zu Fragen der Auswahl deutser bzw. deutsspraiger Filme, gestalten deutse Swerpunkte oder thematise Programmfenster mit deutsen Filmbeiträgen und laden je na Finanzlage au Autoren, Regisseure oder Sauspieler aus Deutsland zu den Festivalvorführungen ein. Seit unterstützt das Goethe-Institut au die Internationalen Filmfestspiele Berlin (Berlinale) und den darin integrierten World Cinema Fund (WCF) mit . Euro als strategisen Kooperationspartner. Der WCF fördert Filmprojekte und Filmemaer der Swerpunktregionen Lateinamerika, Afrika sowie Zentral- und Südostasien, vernetzt sie mit deutsen (Ko-)Produzenten und unterstützt so als Förderprogramm für Produktion und Distribution von Filmen den Umgang mit kultureller Vielfalt. Im Gegenzug können die geförderten Produktionen ansließend nit-kommerziell im Rahmen der GoetheFilmarbeit an allen Instituten eingesetzt werden. Bereits seit seiner Gründung organisiert der WCF im Rahmen internationaler Filmfestivals und in Zusammenarbeit mit ortsansässigen Goethe-Instituten so genannte „World Cinema Fund-Spotlights“, um Filmemaern und Produzenten des jeweiligen Landes dieses Förderprogramm vorzustellen. Dabei werden ausgewählte geförderte Filme gezeigt und vereinzelt Workshops und Case Studies zu diesen Filmen veranstaltet.
Der „Faberei 34: Film, Fernsehen, Hörfunk“ des Goethe-Instituts Während die praktise Filmarbeit direkt vor Ort im Rahmen der kulturellen Programmaktivitäten des jeweiligen Auslandsinstituts sta ndet, werden die inhaltli-strukturellen Grundlagen der kulturellen Filmarbeit in der Mün ner Zentrale des Goethe-Instituts und dort speziell im zuständigen „Faberei : Film, Fernsehen, Hörfunk“ erarbeitet. Unter der Ägide des amtierenden Leiters Dr. Christian Lüe engagieren si in diesem zentralen Faberei derzeit Mitarbeiter für die inhaltlien, logistisen und tenisen Grundsatzfragen der Goethe-Filmarbeit und erfüllen somit vorrangig eine qualitätssiernde Steuerungs- und Beratungsfunktion für die Institute im Ausland. Im Zuge der abgeslossenen Dezentralisierung und Regionalisierung der Goethe-Institute arbeiten die derzeit Regionen des welt-
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weiten Goethe-Netzwerks in budgetärer Eigenverantwortung und bestimmen die thematisen Swerpunkte und Ziele ihrer kulturellen Programmarbeit weitgehend selbst. Im Münner Filmberei werden sämtlie Informationen zu aktuellen Filmen sowie zur deutsen Filmszene gebündelt und für die Programmabteilungen im Ausland auereitet, Einzelanfragen aus aller Welt beantwortet, Filmpakete und thematise Filmreihen zusammengestellt und sämtlie Medien für ihren weltweiten Einsatz mit versiedenen Sprafassungen ausgestaet. Hier erfolgt au der Ankauf der zeitli meist auf fünf bis sieben Jahre limitierten Filmlizenzrete. Jährli werden – budget- und angebotsabhängig – die nit-kommerziellen Lizenzrete von maximal Spielund Dokumentarlmen entweder direkt von dem zuständigen Weltvertrieb oder dem jeweiligen Filmproduzenten erworben. Zu den jüngsten Filmankäufen zählen die Filme Im Winter ein Jahr (D , Caroline Link), Krabat (D , Marco Kreuzpaintner), Jeriow (D , Christian Petzold), Sturm (D/DK/NL , Hans-Christian S mid) und Whisky mit Wodka (D , Andreas Dresen) (vgl. Goethe-Institut c). Anhand der Filmkopiebestellungen, der Filmarivanfragen sowie persönlier Berite einzelner Filmbeauragter erhält der zentrale Filmberei des Goethe-Instituts regelmäßig Rümeldungen zur Akzeptanz und Nafrage der angekauen Filme. Die Untertitelung der mm-Filmkopien erfolgt in der Regel jeweils in Englis, Französis und Spanis. Die DVD-Versionen enthalten darüber hinaus meist italienise, portugiesise, russise, indonesise, japanise, inesise und arabise Untertitel. Für das sprali-inhaltlie Verständnis und ihren sinnvollen Einsatz im Ausland – vor allem im deutsen Spraunterrit – enthalten die Filme in der Regel zusätzli deutse Untertitel. Die Verwendung synronisierter Filme wird vermieden. Aus budgetären Gründen wurden die jährlien Miel des Münner Filmbereis auf derzeit zwei Millionen Euro reduziert und damit der Spielraum für aktuelle Neuankäufe und die notwendige Konfektionierung (tenise und gestalterise Herstellung, Ausstaung, Untertitelung) der Filme im Verglei zu den Vorjahren erhebli einges ränkt. Um die Aussta ungs- und Herstellungskosten für Filmkopien und DVDs markant senken zu können, sollen längerfristige Partnersaen und Kooperationen mit öentlien Institutionen (wie der Bundeszentrale für politise Bildung, der Kulturstiung des Bundes, dem Institut für Auslandsbeziehungen) und privatwirtsalien Partnern (wie dem DVD-Label absolut MEDIEN, der Edition Filmmuseum oder dem nit-gewerblien Medienvertrieb Ma hias Film) weiter verstärkt werden (vgl. Goethe-Institut b, ).
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Im Fernsehberei engagiert si das Goethe-Institut „insbesondere für Qualitätsfernsehen“14 – wie z.B. mittels Kooperationen mit der jährlichen Fernsehmesse INPUT, dem Adolf-Grimme-Preis sowie dur die Zusammenstellung von deutsen Kinder- und Jugendprogrammen für den Jugendfernsehpreis Prix Jeunesse. Zudem werden ästhetis herausragende und für die Zwee der kulturellen Programmarbeit weltweit einsetzbare Fernsehlme angekau. Nur im Ausnahmefall beteiligte si der Filmberei bisher mit Koproduktionen an der direkten Realisierung von (meist dokumentarisen) Filmprojekten. Im derzeit no unterrepräsentierten Hörfunkberei bestehen bereits erste Kooperationen – wie aktuell mit der Deutsen Welle – die no weiter ausgebaut werden sollen. Da die Filmvermilung bereits bei Kindern und Jugendlien eine entseidende Rolle spielt, zählen die Filmvorführungen im Rahmen der weltweiten sulisen Bildungsarbeit vor allem im Deuts- und Kulturunterrit an ausländisen Sulen und Universitäten zu einem witigen Tätigkeitsfeld der Filmarbeit. An dieser Stelle muss die aktuelle Partnersulinitiative „Sulen: Partner der Zukun“ (PASCH) des Auswärtigen Amtes genannt werden, deren Ziel es ist, bis ein weltumspannendes Netzwerk von . Partnersulen Deutslands aufzubauen. Als zentraler Akteur dieser Initiative wählt das Goethe-Institut Sulen für das Netzwerk aus (vgl. Goethe-Institut a, ). Weltweit wird die Zielgruppe der Deuts lernenden derzeit auf Millionen gesätzt. Mit seinem internationalen medienpädagogischen Engagement hat der Filmberei au sein Kinder- und Jugendlmrepertoire erweitert. Die dabei gezeigten Medien werden für ihren Einsatz im Bildungsberei mit speziellem didaktisem Zusatzmaterial versehen. Darunter zählen Kurz & Gut mat Sule mit einer Zusammenstellung von neun Kurzlmen für Kinder, das Filmpaket Junge Helden mit Dokumentarlmen aus europäisen Ländern sowie × Emil und die Detektive mit dem Verglei dreier Berliner Kinderkulturen ( , , ) anhand versiedener Verlmungen des Eri Kästner-Romans. Des Weiteren führte der Filmberei in Zusammenarbeit mit der Sti ung „Erinnerung, Verantwortung und Zukun“ bisher drei europaweit ausgesriebene thematise Kurzlmwebewerbe dur, wie Gesten der Versöhnung, Alle Mensen sind frei und glei… sowie den aktuellen Webewerb zum Thema Grenzübersreitungen.
14 Vgl. Interview mit dem Leiter des Bereis , Dr. Christian Lüe, im Intranet des GoetheInstituts unter: (Stand: . . ).
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Bei der Realisierung von Filmveranstaltungen, Empfängen und Präsentationen deutser Filme im Ausland besteht au mit einigen regionalen Filmförderungen Deuts lands – insbesondere mit dem FilmFernsehFonds Bayern, der Filmsti ung NRW, der baden-würembergisen MFG sowie der norddeutsen nordmedia – seit vielen Jahren eine intensive Zusammenarbeit. Diese reit von der Veranstaltung gemeinsamer Filmwoen über bilaterale Koproduktionstreen, bei denen Filmproduzenten des jeweiligen Landes die versiedenen Filmfördermodelle Deutslands erläutert werden, bis hin zur logistisen und nanziellen Unterstützung einzelner GoetheFilmveranstaltungen.
Der Filmbeirat als beratendes Gremium Wie jeder künstlerise Faberei des Goethe-Instituts verfügt au der „Berei : Film, Fernsehen, Hörfunk“ über einen Fabeirat. Dieser Filmbeirat ist mit ho karätigen Experten der deutsen Film- und Medienlandsa besetzt. Mitglied des Beirates können dabei sowohl Filmemaer, Autoren oder Filmkritiker als au Vertreter der deutsen Filmindustrie, deutser Fernsehanstalten oder lmrelevanter Institutionen Deutslands sein.15 Der GoetheFilmberei slägt na Rüsprae mit dem Vorstand dem Präsidium des Goethe-Instituts einzelne Kandidaten vor, die au dur weitere Vorsläge des Präsidiums sowie der Mitgliederversammlung des Goethe-Instituts ergänzt werden können. Letztendli bendet das Präsidium über die Aufnahme neuer Beiräte. Der Filmbeirat wird für einen Zeitraum von drei Jahren gewählt, dieser kann einmalig verlängert werden. Die Mitglieder des Goethe-Filmbeirates treen si im Regelfall zweimal jährli zu Sitzungsterminen. Bisweilen kommunizieren einzelne Beiratsmitglieder au außerhalb dieser Termine hinsitli der Belange ihrer Mitgliedsa. Gelegentli besuen Beiratsmitglieder au Goethe-Institute im Ausland, um damit den notwendigen Kontakt und persönlien Austaus mit den örtlien Filmbeau ragten sierzustellen. Die Funktion des Filmbeirates besteht darin, dur inhaltlie Anregungen und fa lie Vors läge zur Qualitätssierung der weltweiten Filmarbeit beizutragen und den zentralen Filmberei mit seiner lmisen Kompetenz und Sakenntnis bei der Auswahl der jährlien Filmneuankäufe und Lizenzverlängerungen des Filmrepertoires zu beraten. Da alljährli eine Vielzahl 15
Eine Auistung sämtlier Mitglieder des Beirates Film, Fernsehen, Hörfunk des GoetheInstituts ndet si auf der Website des Goethe-Instituts unter: (Stand: . . ).
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neuer Produktionen für einen Lizenzankauf in Frage kommen, die nanziellen Miel des Filmbereis für Neuankäufe jedo sehr begrenzt sind, bilden die Hinweise des Beirats eine unverzitbare Empfehlungsgrundlage, um die Transparenz und Navollziehbarkeit der nalen Ankaufsentseidungen au aus der Sit der deutsen Filmbrane zu gewährleisten. Die Auswahl der Filme erfolgt dabei hauptsäli na lmästhetisen und inhaltlien Kriterien, jedo nit na kommerziellen. Zu den witigsten Auswahlkriterien gehören neben der künstleris herausragenden Qualität au die weltweite Einsetzbarkeit und Relevanz eines Films. Diese werden im Konsensverfahren mit dem Filmbeirat und dem Urteil der einzelnen Filmbeau ragten an den Goethe-Instituten im Ausland ermielt. Für die weltweite Goethe-Filmarbeit sind somit nur Filme interessant, die sowohl in Europa als au in Asien oder Afrika einsetzbar sind. Die Sehgewohnheiten und Interessen anderer Kulturen werden bei der Entseidungsndung bezügli der Filmauswahl berüsitigt. Die Kenntnis hierüber basiert dabei auf den langjährigen Erfahrungswerten der zumeist einheimisen Ortskräe an den jeweiligen Goethe-Instituten im Ausland, die dort als Filmbeauragte tätig sind. Zudem spielt die zeitlie Beständigkeit des Filmthemas eine entseidende Rolle. Er sollte dauerha bzw. no in fünf Jahren bedeutsam sein und entspreende künstlerise Perspektiven aufzeigen. Um thematis und gesellsali witige Filme so snell wie mögli na ihrer Ankaufsentseidung zum Einsatz bringen zu können, wird au auf die S nelligkeit der Auswahl, den zeitnahen Lizenzankauf sowie die ansließende zügige tenise Ausstaung geatet. Vor jeder Filmbeiratssitzung erhalten sämtlie Beiratsmitglieder vom Münner Filmberei vorbereitete Vorslagslisten mit aktuell in Frage kommenden Filmtiteln sowie Ansitsexemplare der Filme, über deren Ankauf während der Beiratssitzung diskutiert wird. Den Vorslagslisten des „Fabereis : Film, Fernsehen, Hörfunk“ für die nalen Ankaufsentseidungen des Filmbeirates geht eine Umfrage unter denjenigen Goethe-Mitarbeitern – vornehmli den Filmbeau ragten – voraus, die si regelmäßig auf Deutslands witigsten Filmfestivals (in Saarbrüen, Berlin, Münen, Oberhausen, Hof, Leipzig) einen Überbli über die neuesten deutsen Filmproduktionen versaen. Das dierenzierte Votum der Filmbeauragten ist für die Vorauswahl zum Ankauf aktueller Filme von ausslaggebender Bedeutung, da sie als zuständige Spezialisten vor Ort die Einsatzmöglikeiten der Filme bzw. thematiser Filmreihen in Bezug auf die Filmkultur ihres Landes und dessen Sehgewohnheiten am besten einsätzen können. Finale Entseidungsgrundlage für den Filmbeirat sind die priorisierten Filme der Filmbeauragten (vgl. Goethe-Institut a, ). Dies betri ebenso die Entseidungen über Lizenzverlängerungen aus dem bestehenden
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Filmrepertoire, da die limitierte Lizenzzeit jedes Films zyklis abläu und die nanziellen Miel des Filmbereis keine unbefristeten, systematisen Verlängerungen der Filmlizenzen zulassen. Dabei kommt es bei der Abstimmung zur nalen Filmauswahl unter den Beiratsmitgliedern jedo nit immer zu einem einstimmigen Votum. Bei der Lizenzverlängerung einzelner Filme spielt deren konkrete Nafrage an den Auslandsinstituten eine entseidende Rolle. Die grundsätzlien Beiratsvoten, die bereits beim Ersterwerb der entspreenden Filmlizenzen eingeholt wurden, werden dabei nur in witigen Einzelfällen nomals eingehender thematisiert. Im Rahmen der oben genannten Festivals nden begleitend zu den Filmsitungen intensive Filmseminare für die Filmbeauragten sta, in denen über die im Festival gesiteten Filme und ihre konkreten Einsatzmögli keiten diskutiert wird. Neben ausführlien Gespräen mit Regisseuren zu ihren neuesten Produktionen dienen diese Seminare primär als lmretlie und produktionste nise Weiterbildungsmaßnahme sowie als Möglikeit für kollegialen Wissenstransfer. Auf diese Weise garantieren sie einen weltweiten Erfahrungsaustaus zum deutsen Film und zur Goethe-Filmarbeit. Neben den Empfehlungen zu Filmneuankäufen werden dur den Filmbeirat au inhaltlie Vorsläge zur Strategie der Filmarbeit oder zu thematisretrospektivisen Filmreihen beraten und verabsiedet. Dazu zählten bisher z.B. Empfehlungen zur Stärkung des Kinderlmrepertoires, eine Filmreihe zum Thema „Migration“ (mit Filmen von Fatih Akin, Thomas Arslan und Ayse Polat), Filmreihen zum Werk von Alexander Kluge, den Dokumentarlmen von Werner Herzog sowie zur Gesite des deutsen Animationslms. Der Erfolg bzw. die Wirkung der kulturellen Filmarbeit kann in der Regel erst na einem längeren Zeitraum und nur bedingt anhand der reinen Zuschauerzahlen gemessen werden. Die Nachhaltigkeit und das Multiplikationspotenzial kultureller Filmworkshops können demna wissensali nur swer belegt oder empiris nagewiesen werden. Da die kulturellen Filmaktivitäten des Goethe-Instituts nit mit den zeitlien Auswertungszyklen des gewerblien Kinoverleihs deutser Filme im Ausland identis sind, sondern si aus lizenzretlien Gründen meist daran ans ließen, werden diese Filme au über den Zeitraum der kommerziellen Filmtheaterpräsenz hinaus einem kulturinteressierten Publikum angeboten.
Globales Netzwerk als Stärke Die Stärke des Goethe-Instituts liegt vor allem darin, dass es über ein globales Netzwerk verfügt. Zur kommerziellen Stärkung des deutsen Films kann es
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seine Kompetenz vor Ort, seine Kontakte und sein lmises Netzwerk für exportfördernde Maßnahmen anbieten. Diese Aktivitäten gehen zwar über die Kernaufgaben einer kulturellen Milertätigkeit hinaus, können aber bei entspreenden Voraussetzungen duraus wahrgenommen werden. Das in der Vergangenheit vereinzelt seitens der Filmwirtsa geäußerte Argument, die kulturelle Filmarbeit könnte die Verkaufsancen deutser Filme ins Ausland behindern bzw. die Anzahl der potenziellen Kinobesuer im Ausland minimieren, tri wohl nur sehr eingesränkt zu: Einige Teile der Welt (die arabisen Länder, der größte Teil Afrikas und große Teile Asiens) werden von der deutsen Filmexportindustrie aufgrund mangelnder lmökonomiser Strukturen oder suboptimaler Verkaufsancen lmkommerziell nit abgedet. In diesen Territorien tri das Goethe-Institut dafür umso stärker bzw. mitunter sogar als alleiniger ‚deutser Filmakteur‘ auf. Hier ist der kulturelle Ansatz zum Teil sogar von Vorteil, da es einige Filme gibt, die aufgrund ihres hohen Ansprus oder speziellen Inhalts einer gewissen thematisen Vorbereitung oder nafolgenden Diskussion bedürfen. Dies könnte ein gewerblier Filmverleiher son allein aus strukturellen Gründen nit in diesem Umfang und der Qualität eines Kulturinstituts leisten. Die weltweite kulturelle Filmarbeit des Goethe-Instituts und die damit erreiten Zusauer sind ein immaterieller Gewinn für die internationale Wahrnehmung, das Ansehen und das Interesse am deutsen Film im Ausland. Diese dur langjährige kontinuierlie und repertoire- wie genreübergreifende kulturelle Filmarbeit gewasene Beatung ist die notwendige Grundlage für das Exportpotenzial und die Verkaufsancen deutser Filme. Im übertragenen Sinne lässt si sagen, dass miels der Filmarbeit des GoetheInstituts eine kontinuierlie Präsenz deutser Filme garantiert wird, die der wirtsali immer witiger werdenden Auslandsauswertung in lmwirtsali relevanten Ländern als Nährboden dienen und daher als grundsätzlie wie lmtitelunabhängige Basisarbeit für spätere kommerzielle Erfolge bezeinet werden kann. Aus lizenzretlien Gründen besitzt das Goethe-Institut meist nur sehr eingesränkte Möglikeiten, einen Film weltweit zu verbreiten. Da die Filmlizenzrete ledigli nit-exklusiv und nit-kommerziell vergeben werden, ist eine Lizenzübertragung an weitere ‚nit-kulturelle Veranstalter‘ nit vorgesehen. Die zahlreien und vielfältigen Filmaktivitäten des Goethe-Instituts können daher aussließli als ankierende und unterstützende Maßnahmen der Arbeit der lmwirtsalien Akteure aufgefasst werden. Deren marktwirtsalies und von ökonomisen Interessen geprägtes internationales Engagement kann und will das Goethe-Institut mit seiner kulturellen Filmarbeit nit ersetzen.
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Da die jährlie Filmauswahl aus Budgetgründen sehr sorgfältig getroen werden muss, können tatsäli nur die lmästhetisen Höhepunkte eines Jahres berüsitigt werden. Das Goethe-Institut kann jedo denjenigen ausgewählten (zumeist Arthouse-)Filmen – speziell künstleris howertigen, aber kommerziell bedingt erfolgreien Filmen, die keinen eigenen Weltvertrieb nden konnten – eine witige Basis zur na haltigen Wahrnehmung im Ausland bieten. Der Swerpunkt liegt hierbei primär auf der weltweiten kulturellen Präsenz und nit auf der kommerziellen Auswertung. Das GoetheInstitut bietet diesen Filmen mitunter die einzige Möglikeit, außerhalb von internationalen Filmfestivals eine Zusauerwahrnehmung zu erhalten und kann damit bisweilen au kommerzielle Verkäufe bewirken. Für kleinere Filmproduktionsrmen besitzt somit au die ‚nit-gewerblie Auswertung‘ ihrer Filme dur das Goethe-Institut eine große kulturelle wie zum Teil au wirtsalie Bedeutung. Die Filmarbeit des Goethe-Instituts fördert und ergänzt also das Marketing und die weltweite lmwirtsalie Auswertung deutser Filme. Witige Voraussetzung hierfür ist, dass die kommerzielle Verwertungsstrategie der Weltvertriebe berü sitigt wird, entspreende Abspraen eingehalten sowie laufende Exportverhandlungen nit beeinträtigt werden und somit der lmwirtsalie Auswertungszyklus der Filmexporteure nit behindert wird. Das Resultat aller – kommerzieller wie kultureller – Aktivitäten läu auf das gleie Ziel hinaus: die internationale Aufmerksamkeit für den deutsen Film zu stärken. In ihrer Funktion als kultureller Botsaer des deutsen Films in aller Welt ist als bedeutendes Alleinstellungsmerkmal der Filmaktivitäten des Goethe-Instituts besonders die dauerhae wie au marktübergreifende Präsenz deutsen Filmsaens hervorzuheben. Damit trägt das Goethe-Institut entseidend zur internationalen Wahrnehmung des deutsen Films bei und vermielt mit der zwedienlien Präsentation aktueller wie au historiser Filme witiges lmises Wissen über die Filmkultur unseres Landes.
Literatur Auswärtiges Amt, Berlin – Kultur- und Kommunikationsabteilung (Hg.) ( ) . Berit der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik /. (Stand: . . ). Goethe-Institut e.V. Münen – Berei (Hg.) ( ) Internes Tätigkeits- und Aufgabenprol des Fabereies Film, Fernsehen, Hörfunk des Goethe-Instituts.
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Tobias Mosig
Goethe-Institut e.V. Münen – Berei (Hg.) ( a) Interne Unterlagen zur Sitzung des Beirats Film, Fernsehen, Hörfunk vom . . in Münen. Goethe-Institut e.V. Münen – Berei (Hg.) ( b) Interne Unterlagen zur Sitzung des Beirats Film, Fernsehen, Hörfunk vom .. in Berlin. Goethe-Institut e.V. Münen – Zentrale (Hg.) ( a) Jahrbu / . (Stand: . . ). Goethe-Institut e.V. Münen – Berei (Hg.) ( b) Interne Unterlagen zur Sitzung des Beirats Film, Fernsehen, Hörfunk vom . . in Münen. Goethe-Institut e.V. Münen – Berei (Hg.) ( c) Interne Filmproduktionsliste des Bereis des Goethe-Instituts vom . . . Mosig, Tobias ( a) Botsaer des deutsen Films – Die Filmarbeit der Goethe-Institute. In: Deutsland – Magazin des Auswärtigen Amtes Nr. / , Dezember/Januar, S. –. Mosig, Tobias ( b) Goethe-Institut e.V.: Weltvertrieb für deutse Filme? – Das Goethe-Institut als kultureller Botsaer des deutsen Films im Ausland und dessen aktuelle Zusammenarbeit mit German Films und den deutsen Weltvertrieben. Berlin: VISTAS.
Der jüngste deutse Film auf Festivals Alfred Holighaus
Vor gut zehn Jahren, Mie Ende der Neunziger, war die internationale Filmwelt no in Ordnung. Sie hae si auf eine künstlerise Existenz unter Aussluss des deutsen Films eingestellt. Und der deutse Film selbst hat zu diesem Zeitpunkt darunter kaum gelien. Für die internationale Filmwelt hae er son genug geleistet – besonders vor im Weimarer Kino, dann im freiwilligen und vor allem unfreiwilligen Exil. Und dann no mal zwisen und , als der deutse Film von der internationalen Filmwelt erneut weltweit wahrgenommen, verehrt und geehrt wurde. Seine künstlerise Existenz fand zwar zu dieser Zeit nit unter Aussluss des deutsen Publikums sta, aber daran war eher das Fernsehen suld als das Kino. Denn im Fernsehen und mit dessen tatkräiger Unterstützung wurde die künstlerise Existenzgrundlage geboten. Mie Ende der Neunziger war aber trotzdem viel los im deutsen Film. Deutse Produktionen mit mehreren Millionen Zusauern waren an der Tagesordnung und füllten die Leinwände. Jenseits der Grenzen des bekanntli zu dieser Zeit son deutli vergrößerten Landes nahm das jedo niemand zur Kenntnis, weder im wirtsalien Webewerb des alltäglien Kinogesäs no in den Webewerben der großen internationalen Filmfestivals. Inhaltli war dies vielleit au gar nit nötig, denn die Filme waren ho budgetierte Experimente für eine eigenständig funktionierende Filmindustrie, die si aus einer Misung aus der Adaption bekannter Marken und populärer Themen speisen wollte und für eine gewisse Zeit au konnte. Sie hießen Der bewegte Mann (D , Sönke Wortmann) oder Kleines Arslo (D , Miael Saak, Veit Vollmer), Werner – Das muss Kesseln! (D , Udo Beissel, Miael Saak) oder Kno in’ on Heaven’s Door (D , Thomas Jahn), Stadtgesprä (D , Rainer Kaufmann) und Rossini, oder die mörderise Frage, wer mit wem slief (D , Helmut Dietl). Im Mai des Jahres feierten die zahlrei anwesenden Vertreter der deutsen Filmbrane auf dem Filmfestival von Cannes. Sie feierten aber keinen Preis im Webewerb. Und sie feierten au keine internationalen Verkäufe im größten Filmmarkt der Welt. Sie feierten auf fremdem Terrain und ganz unter si einen sensationellen Marktanteil im eigenen Land. Prozent im ersten Quartal. Das taugte zum Standbein daheim. Das Spielbein auf internationalem Terrain lahmte jedo bis dahin no. Im
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_19, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Webewerb von Cannes war übrigens ein deutser Regisseur vertreten: Wim Wenders mit seiner internationalen Koproduktion The End of Violence (Am Ende der Gewalt, USA/D/F ) mit Bill Pulmann und Andie MacDowell in Los Angeles angesiedelt und gedreht. Das war der Regelfall. Großes deutses Kino fand in Cannes seit Mie der atziger Jahre – also na den letzten Triumphen von Volker Slöndor (Die Bletrommel, BRD/F ) und Wim Wenders (Paris, Texas, BRD/F ) nit mehr sta. Eine Ausnahme, die die Regel bestätigte – au weil sie niemand wirkli wahr nahm, gesweige denn überhaupt begri – war Bernhard Wiis solitäres Meisterwerk Das Spinnennetz (BRD ), der in Cannes verloren ging. Erst wurde in der deutsen Brane die Rü kehr der deutsen Filmkunst in den Webewerb des Festivals mit der größten Weltgeltung gefeiert – wie genau fünfzig Jahre zuvor das „Wunder von Bern“. Elf dürre Jahre na der letzten Webewerbsnominierung für einen lupenreinen deutsen Film, nämli – wie häe es anders sein sollen – In weiter Ferne, so nah! (D ) von Wim Wenders läutete die Titel gebende Ankündigung des Endes der feen Jahre genau diese ein – zumindest, was die Zukun des deutsen Films in Cannes betraf: Hans Weingartners Die feen Jahre sind vorbei (D/A ) bra auf, was die deutsen Filmemaer allmähli als Bann empfunden haen. Dieser war zu diesem Zeitpunkt in Berlin son längst gebroen. Mie Ende der Neunziger, ebenfalls in dem Paradigmen weselnden Jahr , fanden deutse Filme, die si auf der Höhe der Zeit befanden und künstleris originell, politis aufmerksam und international interessant waren, in kleinen Srien wieder zurü zur Berlinale, jenem Festival, dessen Verhältnis zum deutsen Film (und vice versa) fast zwei Jahrzehnte lang, gelinde gesagt, belastet war, zumindest, was den Webewerb betraf. Das Leben ist eine Baustelle (D ) von Wolfgang Beer, eine luzide Bestandsaufnahme des physisen und psyisen Zustands der ganz neuen alten Bundeshauptstadt, zeigte, dass si das deutse Kino auf dem Weg zu neuer Vielfalt befand. Dieser Prozess ist seitdem nit mehr abgebroen. Und das hae erheblie Konsequenzen für die Perspektive des deutsen Kinos im internationalen Festivalgesehen. ging Wolfgang Beers Team-Kollege (X-Filme Creative Pool) Tom Tykwer mit seinem Welterfolg Lola rennt (D ) in den Webewerb von Venedig. Und setzten glei zwei deutse Filme, die untersiedlier kaum häen sein können, im Hauptprogramm der Berlinale den oben besriebenen Trend fort: Natgestalten (D ) von Andreas Dresen und Aimée & Jaguar (D ) von Max Färberbö. Seit ist die Beatung und Präsentation der künstlerisen und inhaltlien Vielfalt des deutsen Films auf den Internationalen Filmfestspielen von
Der jüngste deutse Film auf Festivals
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Berlin selbst auferlegte und freudvoll gepegte Pit der Programm-Maer. Zu Beginn seiner Amtszeit bekannte si der neue Festival-Direktor Dieter Kossli immer wieder zu dieser Programmatik. In einem Interview mit dem Filmforum brate er diese folgendermaßen auf den Punkt: Was ist mit dem deutsen Film? Nun ist es ja so, i kann ja keine deutsen Filme ernden. Das einzige, was i maen kann, ist, möglist genau informiert zu sein über die deutse Filmszene und möglist gute Kontakte zu haben mit allen Regisseuren und allen Institutionen, die am deutsen Film beteiligt sind. Dadur wird automatis etwas entstehen, was eine größere Beteiligung des deutsen Films ergibt, und das sollte personell au mit Alfred Holighaus erreit werden, der ja nun au son seit sieben Jahren die Szene bestens kennt. (Dis , )
Der Plan ging bekanntli auf. Der auf den guten Erfahrungen mit der Entwilung des deutsen Films in den besriebenen Jahren basierende Glaube an eine stabile Zukun manifestierte si im Programm der Berlinale forthin folgendermaßen: Regelmäßige Präsenz international webewerbsfähiger deutser Filme mit untersiedlier künstleriser und formaler Konsistenz in competition. Die konsequente Fortsetzung der Programmpolitik in den Sektionen Panorama und Forum, in denen besondere deutse Filme versiedenster Größenordnung und künstleriser Provenienz son immer ihren Platz haen. Und die Gründung einer neuen Sektion als Plaform für den deutsen Nawus, für Formen und Formate, die anderswo rein organisatoris keinen Platz nden konnten – und als lebendigen Beweis für die vom Festival als Teil seines neuen Selbstverständnisses vertretene These, dass der deutse Film in auälliger Kontinuität Neuigkeiten zu bieten hat. Die Bes reibung des Programms in den Festival-eigenen Medien lautet darum: Die Perspektive Deuts es Kino will neugierig maen auf neue inhaltlie und stilistise Trends im deutsen Film. Die Sektion lädt zu einer Entdeungsreise dur die deutse Filmlandsa ein. Sie zeigt das Unerwartete und Aktuelle, wagt eine Aussit auf das zukünige Prol des deutsen Kinos. […] Die stärkere Einbindung des deutsen Films in die Berlinale war eines der Kernanliegen von Dieter Kossli bei seinem Amtsantri als Festival-Direktor im Jahr . Mit der Perspektive Deutses Kino hat er erstmals eine eigene Sektion gesaen, die si für dieses Anliegen engagiert […].1 1
Vgl. (Stand: . . )
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Die praktisen Ergebnisse sind bekannt. Die Reihe Perspektive Deutses Kino hat zum einen im Programm der Berlinale für eine weitere Araktion für ein junges, interessiertes Publikum aus Berlin gesorgt – mit deutlien internationalen Auswirkungen (namentli Einladung vieler Perspektive-Beiträge zu Filmfestivals auf der ganzen Welt). Sie bietet zum anderen der Generation von Filmemaern, die im Alltag des Kinos naturgemäß no nit reüssieren kann, frühzeitig – aber nit zu früh! – eine Plaform für eine öentlie Präsentation ihrer Arbeiten und zum Diskurs darüber. Für den Webewerb gehen die Auswirkungen der besriebenen Festivalpolitik natürli no viel weiter. Deutse Filme im Hauptprogramm eines der witigsten und größten internationalen Filmfestivals, weles nun einmal in Berlin standet, sind eine Selbstverständlikeit. Son Woen vor Festivalbeginn spekulieren die großen Zeitungen öentli über möglie Kandidaten für milerweile zwei bis drei Produktionen, die die Konkurrenz mit den internationalen Kollegen nit seuen müssen. Es gab Jahre, wo deutse Filme zu den Höhepunkten des Programms gehörten. Und es gelingt dem Festival eigentli jedes Jahr, die öentlien Beobater mit Filmen zu überrasen, die in den genannten Spekulationen nit vorkamen. Das Festival muss einfa besser informiert sein als die Presse. Das weiß man au in Cannes, Venedig, Toronto und Hongkong. Es muss keinen Kausalzusammenhang geben zwisen der Hausse des deutsen Films in Berlin und dem Bemühen anderer Festivals, deutse Produktionen früher und genauer anzusauen als no im letzten Jahrzehnt des letzten Jahrtausends. Aber man kann diesen Zusammenhang gerne einmal denken.
Literatur Dis, Hans-Günther ( ) Bli zurü in Erwartung. Der neue Festivalleiter Dieter Kossli im Interview. In: Filmforum, H. , S. –.
Wege zum Film – Filmemacher im Gespräch
„Ein bissen Kunst ohne Risiko geht nit …“ Werkstagesprä mit Andreas Dresen an der HFF „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg Andreas Dresen
Am . . fand an der Hosule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ ein Werksagesprä mit Andreas Dresen sta. Auszüge aus diesem Gesprä sind im folgenden Kapitel dokumentiert. Andreas Dresen absolvierte an der HFF „Konrad Wolf“ sein Regiestudium und debütierte na einigen vielbeateten Kurzlmen, die während seiner Studienzeit entstanden, mit seinem ersten langen Spiellm Stilles Land (D ). Milerweile zählt er zu den erfolgreisten deutsen Regisseuren und wurde vielfa ausgezeinet, zuletzt mit dem Deutsen Filmpreis für seinen Film Wolke (D ). Na Arbeiten für das Fernsehen und am Theater folgte Natgestalten, Dresens zweiter Kinolm. entstand mit einem kleinen Team dur gemeinsame Improvisation ohne ausgearbeitetes Script Halbe Treppe, realisierte er Sommer vorm Balkon na einem Drehbu des renommierten Autors Wolfgang Kohlhaase.
Herr Dresen, der Start eines jungen Filmemaers, eines Absolventen einer Filmhosule ins Berufsleben ist ja meistens nit ganz einfa. Bei ihnen el dieser Start zusätzli mit dem Ende der DDR zusammen. Wie haben sie diese Zeit direkt na dem Hosulabsluss erlebt? Auf wele Probleme sind sie gestoßen? Andreas Dresen: Als i mit meinem Studium an dieser Sule angefangen habe, kam gerade ein neuer Rektor hierher, Lothar Bisky. Er hat die Sule seinerzeit ziemli umgekrempelt, ganz na den damaligen Slagworten ‚Glasnost‘ und ‚Perestroika‘, sie na innen und außen geönet. I hae hier also eine ret gute Zeit und habe au viele gute Beziehungen mit ins Berufsleben genommen. Gerade das ist es, was man an einer Sule gesenkt bekommt, dass man auf Gleigesinnte tri, mit denen man unter Umständen dann dur das gesamte Berufsleben läu. I arbeite bis heute mit vielen ehemaligen Kommilitonen zusammen.
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_20, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Wie Sie son angedeutet haben war dur die Wende für mi der Sri aus der Sule heraus no heiger als üblierweise. Normalerweise hat man ja son Angst vor dem berühmten Debütlm. Wenn der dann irgendwann kommt, sagt man si: Oh Go, das ist jetzt die große Bewährungsprobe. Die Verantwortung türmt si wie ein Berg vor einem auf. Man denkt si: So, jetzt hast du die Chance, das Geld kriegst du vielleit nur einmal zusammen, jetzt darfst du auf keinen Fall was fals maen. Jetzt muss alles klappen, dann darfst du vielleit no mal ran. Das ist die eine Angst vor dem Debütlm. Die andere Angst aber entstand dadur, dass es si bei mir, ähnli wie bei meinen anderen Kommilitonen, tatsäli um eine besondere Situation handelte, da dieser Übergang ins Berufsleben bei uns mit der Wende zusammenel. Die gesamte Arbeitssituation krempelte si damals komple um. Man muss vielleit hinzufügen, dass das Filmstudium in der DDR auf einem Delegierungsprinzip basierte. In der DDR mate man sein Volontariat bei einem lmproduzierenden Betrieb, dem Dokumentarlmstudio, dem Fernsehen, dem DEFA-Spiellmstudio und wenn es ganz slimm kam dem Armeelmstudio. Von dort wurde man dann, wenn man es sae, zum Studium delegiert. I kam vom DEFA-Spiellmstudio, hae hier anderthalb Jahre Volontariat gemat, bei Günther Reis assistiert und wurde zum Studium delegiert. Das hieß, man studierte mit der Option, dass man na dem Studium mit einer Festanstellung zu dem jeweiligen Betrieb zurügeht. Dann bra nit nur das Land, sondern au das DEFASpiellmstudio zusammen. Es löste si in seine Bestandteile auf und damit au meine söne Festanstellung auf Lebenszeit – und i fand mi auf diesem vielgerühmten freien Markt wieder. I musste mi erst mal umsauen, wie das überhaupt geht. Es gibt in diesem Beruf natürli für nits eine Garantie und man hat mit sehr vielen Unwägbarkeiten zu kämpfen. Bei mir kam aber das Quänten Glü dazu, das man sierli au braut. I hae an der Sule ein paar Studentenlme gemat, die duraus bemerkt wurden. Und mit einem davon, So snell es geht na Istanbul (D ), wurde i ins Forum der Berlinale eingeladen. Das war . Na der Vorführung spra mi der Produzent Wolfgang Pfeier an. Und der sagte, pass mal auf, kann i dir irgendwie helfen, deinen ersten Film zu maen, komm do mal bei mir vorbei, dann reden wir drüber. Das ist natürli eine Frage, die man si von einem Produzenten wünst. Zu diesem Zeitpunkt kam sie ganz besonders gelegen, da i ja gerade ohne beruie Perspektive dastand. Kurz na der Berlinale, so im März, bin i dann mit meiner damaligen Kommilitonin Laila Stieler – sie hat während des Studiums die Dramaturgie für meine Filme gemat und wir haben au zusammen ges rieben – zu
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Wolfgang Pfeier ins Büro gegangen. Wir saßen ihm dort also gegenüber und er sagte: Na, was wollt ihr denn maen? Wenn man damals mit der Option studierte, zur DEFA zu gehen, dann gab es dort Dramaturgengruppen, die die Stoentwilungen maten und einem quasi fertige oder halbentwielte Stoe anboten. Man hae deswegen nit unbedingt – i jedenfalls nit – das fertige Drehbu in der Sublade, um es auf den Tis zu legen und zu sagen: Das ist hier mein Debüt, meine Vision. Auf seine Frage saßen wir daher ein bissen ratlos da. Und i habe dann gemeint, na, vielleit ist es ganz sön, wenn man bei seinem ersten Film von etwas erzählt, was nit so ganz weit weg von den eigenen Erfahrungen ist. Uns stete damals der Umbru, die Wendezeit, ganz tief in den Knoen. Das haen wir ja gerade erst erlebt, das war für uns sehr beeindruend gewesen. Und wir daten, es wäre interessant, darüber zu erzählen, aber nit so, wie es üblierweise son im Fernsehen gemat wurde, indem man auf eine peinlie Art die Ereignisse nabildete, die alle von den Dokumenten sehr wohl und besser kannten. Und insofern haben wir vorgeslagen, man könnte die Wendeereignisse aus der Sit des Ensembles eines kleinen Theaters erzählen. Das war mehr aus dem Moment heraus geboren, denn damals kursierten kuriose Anekdoten über Wendeereignisse an kleinen Theatern. In Neustrelitz war zum Beispiel in der Zeit ein Intendant engagiert worden, der aus New York kam. Das fanden alle ganz toll, dann stellte si aber heraus, dass er in New York irgendeine Hinterhof-Company geleitet hat. Der hae überhaupt keine Ahnung davon, wie man einen ritigen Theaterbetrieb führt. Alle maten si mehr oder weniger darüber lustig und spraen nur no von „New Strelitz“. Und so gab es eine ganze Reihe von Wendegesiten, die mit Theaterbetrieben zusammenhingen. Wir daten, das wäre vielleit ganz sön, diese Wendezeit nit in Leipzig oder Berlin zu erzählen, sondern in einer kleinen Stadt, in einem kleinen Theater. Wolfgang Pfeier fand die Idee gut. Darauin sind wir zu zweit losgefahren, haben uns an kleinen Theatern rumgetrieben und Ges iten gesammelt. In sehr kurzer Zeit – das waren damals Woen – haben wir die erste Fassung des Drehbus gesrieben. Und der Film, Stilles Land, wurde tatsäli gemat, damals mit Rüenwind für mi. Für ältere Kollegen, die länger bei der DEFA gearbeitet haen, war es eine swere Zeit. Die Produzenten wollten von denen ungereterweise nits wissen, da sind viele talentierte Leute auf der Stree geblieben. I dagegen kam aus dem Osten, war gut ausgebildeter Absolvent der HFF Babelsberg und nit ‚DEFA-belastet‘. Solen Leuten wollte man eine Chance geben. Nur deswegen habe i Stilles Land zusammen mit Wolfgang Pfeier überhaupt relativ snell nanziert gekriegt. Der Film hae kein gigantises Budget, , Millionen Mark, also heute . Euro für einen Kinolm, mm, aber für damalige Verhält-
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nisse do ganz gut. Stilles Land ist ein großes Ensemble-Stü, da haben alle für sehr wenig Geld gearbeitet, wie das natürli bei einem Debüt meistens übli ist. Aber wir konnten sehr snell diesen ersten Film drehen. Und der hat mi dann au bekannt gemat mit diesem ganzen Förderdsungel, den es hier gibt. Der Film wurde, glaube i, aus at versiedenen Geldquellen nanziert. Alle teilen si das Risiko, weil keiner si so ritig traut. So ist es im Grunde genommen bis heute au geblieben. Man mat eine Misnanzierung aus allen möglien Quellen.
Wie war das, diesem Förderdsungel gegenüberzustehen? Nimmt das System in Deutsland mit den ganzen Fördereinritungen und Ritlinien vielen jungen Filmemaern vielleit o den Mut, eigene Projekte zu realisieren? Na ja, i habe mir darüber nit so einen Kopf gemat. Das passierte halt. Wolfgang Pfeier hat zum Beispiel gesagt, wir müssen no in MelenburgVorpommern einreien. I habe mi gefragt: Wieso das denn? Die haen damals gerade eine Filmförderung eingeritet, heute kriegt man da fast kein Geld mehr. Aber damals hieß es, wir drehen da, dann müssen wir au da einreien. Er kannte si in dem Förderdsungel ganz gut aus. Und wir haben dann tatsäli – i glaube, i habe das nie wieder gesa – aus Melenburg-Vorpommern Geld bekommen. Per se halte i das Fördersystem für irrsinnig kompliziert, weil es mit sehr viel Bürokratie verbunden ist und von daher au mit sehr viel Unsinn. Aber im Grunde genommen ist es do normal, dass man mit seinem Projekt zu den Geldgebern hingeht und sie überzeugen muss. Ein Film ist nun mal teuer. Er kostet vielleit eine Million Euro oder zwei, manmal no mehr. Wer soll dieses Geld selber haben? Also muss man si Geld von anderen Leuten holen und hoen, dass die einem vertrauen. Man muss sie überzeugen. Das gehört zu unserer Arbeit ein Stü weit dazu. Darüber darf man nit jammern. Wenn man in die Brae geht, sollte man si darüber im Klaren sein, dass ein Film enorme Herstellungskosten verursat. Dann ist eben teilweise mühselige Überzeugungsarbeit notwendig, um an das Geld für das Projekt zu kommen.
Und wie ist das mit dem Fernsehen? Sie haben dann ja au erst mal Arbeiten fürs Fernsehen gemat. Au darüber wird ja o geklagt, dass man in Deutsland am Tropf des Fernsehens hängt. I habe den Eindru, sie haben diese Trennung von Fernsehen und Kino nit so mitgemat. Was waren ihre Erfahrungen mit der Institution Fernsehen bei ihren nästen Produktionen?
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Es gibt son eine unselige Allianz zwisen Kino und Fernsehlm. Man kann ja im Prinzip kaum no einen Kinolm ohne Fernsehbeteiligung produzieren. Da sitzen dann in den Abnahmen vier oder fünf, manmal ses Redakteure drin, die eigentli in der Produktion gar nits gemat haben. I lerne die in den Abnahmen zum Teil überhaupt erst kennen. Die reden einem zwar nit vehement in das rein, was man mat, aber man mal kann es son penetrant werden und abstruse Diskussionen geben. Aber es ist eben leider nötig, dass bei den meisten Kinolmen in Deutsland das Fernsehen ziemli stark beteiligt ist. I habe aber au große Unterstützung dur das Fernsehen erfahren, ganz besonders am Anfang meiner Karriere. Es gibt ja diverse Fernsehsender, die Debütreihen nanzieren, am bekanntesten ist vielleit das „Kleine Fernsehspiel“ beim ZDF. I hae damals mit dem SWR und dessen Reihe „Debüt im Drien“ zu tun, eine sehr gute Adresse, wie i fand. Jedes Jahr wurden vom SWR ses Debütlme mitnanziert, unter anderem au Stilles Land. Der SWR legte dann eine Reihe auf, die nannte si „Debüt spezial“. Die haen erkannt, was au heute no so ist, dass es häug nämli swieriger ist, den zweiten Film zu maen als den ersten. Meinen zweiter Langlm, Mein unbekannter Ehemann (D ), konnte i für diese Reihe maen, vollnanziert vom SWR und ARTE. Es war, glaube i, der Film, bei dem i die meisten Fehler gemat habe, die man als Regisseur überhaupt maen kann. Gemessen an den Zusauerzahlen war es aber eigentli mein erfolgreister Film. An einem Miwoabend hae der Film plötzli über Millionen Zusauer, da elen alle vom Stuhl, i au. Vom Filmisen her fand i Mein unbekannter Ehemann nit so berausend, er wurde aber dauernd wiederholt. Das einzig Söne an den Wiederholungen war, dass i bei zwar sletem Regiehonorar einen Wiederholungsvertrag hae, was es heute gar nit mehr gibt. Und als das Ding dann immer wieder lief hat mi das et über wirtsalie Krisenzeiten gereet.
Ihre Filme de en ja eine große Bandbreite ab und sie verwenden au versiedene Arbeitsweisen beim Drehen. An der HFF haben sie unter anderem eine Dokumentar lmausbildung absolviert, später haben sie au am Theater gearbeitet. Inwieweit hat das ihre Arbeitsweise beeinusst? Natürli ist es so, dass letztendli alles, was man tut und was man erlebt einen au beeinusst. Für mi war in der Ausbildung hier an der HFF eine sehr spannende Erfahrung, dass man seinerzeit no die ersten anderthalb Jahre des Studiums – i muss es wirkli so sagen, weil i mi damals tie-
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ris darüber geärgert habe – gezwungen wurde, dokumentaris zu arbeiten. I kam ja vom DEFA-Spiellmstudio, wollte also lernen, wie man Spiellme mat, mit Sauspielern arbeitet. An der Sule hieß es dann aber: Ihr geht jetzt zu den Werktätigen und lmt da. I date, oh, nee. I hae darauf et keine Lust und habe mi au gewehrt, aber ohne Erfolg. Im Na hinein, muss i sagen, bin i eigentli für diese anderthalb Jahre sehr dankbar. Es stete natürli der Gedanke dahinter, dass man sagte, ehe ihr eu hinter den S reibtis setzt und selber die Welt er ndet, gut sie eu do erst mal an. Und so sind wir dann losgezogen und haben in der Alu-Hüe in Obersöneweide ein Arbeiterporträt gedreht. Später habe i dann über einen NVA-Soldaten eine längere Dokumentarlmübung gemat. Das war eine sehr spannende Erfahrung, weil man natürli im Dokumentarisen aus den Dingen, die man vorndet, die eigene lmise Welt kreieren muss, und das ist etwas sehr Aufregendes. Und das hat mi insofern bis heute geprägt, als dass i zum einen immer wieder mal gerne Dokumentarlme gemat habe, zum anderen aber au vieles in meine Arbeitsweise für die Spiellmprojekte übernommen habe. Im Grunde genommen gehe i für jedes Spiellmprojekt vorher reerieren. Und da habe i sehr söne Dinge gesenkt bekommen, so Saen, die man si häug am Sreibtis gar nit ausdenken kann. Für die Reere zu Die Polizistin (D ) sind Laila Stieler und i zum Beispiel in Rosto, wo der Film spielt, mit Polizisten ein paar Tage auf Streife mitgefahren. I habe dann den einen Polizisten gefragt: Und was habt ihr hier so für Fälle? Und da sagt der: A, viel is hier eigentli ni los, Vadder, Mudder, Bratpfanne. Das kann man si einfa nit ausdenken. Das hat Laila natürli sofort ins Drehbu gesrieben. Für Sommer vorm Balkon habe i die Sauspielerin Nadja Uhl für ein paar Woen in die Altenpege zur Reere gesit. Einmal kam sie und erzählte: I war heute mit einer Pegerin unterwegs, da war eine ganz alte Frau mit einem ganz zerknierten Gesit und die hat eine Faltencreme benutzt. Dann hat sie si so das Gesit eingecremt und hat gesagt: A, wenn mein Gesit do no so gla wäre wie mein Ars. Das ist ja ein wunderbarer Satz. Den habe i dann wiederum meinem Drehbuautor Wolfgang Kohlhaase erzählt und ihn gefragt, ob wir ihn nit no einbauen können. Und dann sagte Wolfgang, der ja au einen sönen Muerwitz hat: Aber nur wenn Nike dann au erwidert: Dann haste deinen Ars aber lange nit gesehen! So ist das in den Film gekommen. Es ist eine super Pointe und die hat uns im Prinzip die Reere gesenkt. Und insofern muss i sagen, dass mi diese dokumentare Grundlagenausbildung son sehr beeinusst hat. Was die Arbeit mit den Sauspielern betri war die Theaterarbeit sehr witig für mi. Es war eine ganz wunderbare Erfahrung zu merken, wie i
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Sauspielern vertrauen kann. Beim Film ist man ja do immer sehr getrieben dur den aktuellen Dreh. Man hat einen großen Apparat im Rüen und muss das Pensum irgendwie fertig kriegen. Beim Theater ist man zweimal vier Stunden am Tag nur mit Sauspielern alleine. Man kann alles Möglie ausprobieren, kann Szenen umsortieren, anders maen und hat für diesen Arbeitsprozess ses bis at Woen Zeit. Am Sluss muss man den Sauspielern komple vertrauen. Sie maen dann die Vorstellung, und zwar live, und da muss man sie als Regisseur hoentli in die Lage versetzt haben, da mutig rauszugehen und loszuspielen. I glaube, i häe diese ganzen Improvisationsgesiten in meinen Filmen nie gemat, wenn i nit vorher am Theater gearbeitet häe. Das hat mi gelehrt, Sauspielern zu vertrauen. Und das lehrt einen au, genau zu besreiben, weil es ein witiger Bestandteil der Arbeit als Regisseur ist, Sauspielern zu besreiben, was man gesehen hat. Und darüber hinaus zu reektieren, was man gerne sehen würde, wie man da hinkommt. I merke o, wenn i ein Seminar gebe, dass es daran ganz doll hapert, am genauen Besreiben von Vorgängen, von Haltungen. Das führt dann o zu Missverständnissen zwisen Sauspiel und Regie. Und das kann man bei der szenisen Arbeit mit Sauspielern am Theater extrem gut lernen. I habe von den Sauspielern beim Theater sehr viel bekommen, und deswegen date i, es wäre eigentli spannend, mal diesen Arbeitsprozess vom Theater ins Filmise zu übersetzen. Das war eigentli der Ausgangspunkt für die Improvisationsarbeit.
Es gibt ja beides bei ihnen, Improvisieren mit den Sauspielern und die Arbeit mit dem Drehbu. Wele Rolle spielt das Drehbu für sie? Und wie unterseidet si die improvisatorise Herangehensweise von der Arbeit mit einem Drehbu? Das kann i eigentli in der Kürze der Zeit gar nit so ohne weiteres beantworten. Zu besreiben, wie man einen Film wie Halbe Treppe miels Improvisation entwielt, ist extrem komplex. Also i mae beides. I arbeite sehr gerne mit Autoren wie Wolfgang Kohlhaase oder Laila Stieler zusammen, das ist eine lange gewasene Partnersa. I freue mi dann immer, wenn i ein sönes Drehbu habe, das fertig gesrieben ist mit guten Dialogen. I mae dann einfa meine Arbeit als Regisseur gerne. Und wenn man improvisierend rangeht, wie bei Wolke oder Halbe Treppe, ist das eine völlig andere Art, Filme herzustellen. Also mit einfaen Worten gesagt ist die Umsetzung eines Drehbus der Versu, die Welt zu ersaen na der Vision des Drehbuautors, dessen Worte als Regisseur zu interpretieren. Das löst
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natürli einen beträtlien te nisen Aufwand aus. Bei Natgestalten hae i ja son mit der Improvisation begonnen. I weiß genau, dass i mir dann bei meinem nästen Film, Die Polizistin, gewünst hae, das müsste alles no viel spontaner sein. I hae immer das Gefühl, hinter der Kamera ist es interessanter als vor der Kamera. Nur leider, die Kamera rumzudrehen, das ging nit so ohne weiteres mit Mann im Rüen. Und darüber habe i mi geärgert. Damals sagte der Produktionsleiter Peter Hartwig: Na pass mal auf, wenn da ein Drehbu ist, wo drinsteht, Nat, außen, Regen, dann muss i eben die Feuerwehren holen und dann müssen wir Stative auauen und so weiter. I muss das ja vorbereiten, damit das, was da im Drehbu gesrieben steht, standen kann. Und da habe i gesagt: Dann lassen wir das Drehbu eben weg. Eigentli war das mehr eine Trotzbehauptung, aber es war, wenn man so will, die Geburtsstunde des Projektes Halbe Treppe. Da haben wir es genauso gemat. Das ist der umgekehrte Weg, also man ersa nit die Welt na einem vorgegebenen Text, sondern man geht an einen Ort mit einer vorher gesaenen kleinen, minimalen Konstellation. Bei Halbe Treppe war es so, dass wir gesagt haben, wir nehmen das minimalste Team, was für einen Spiellm mögli ist. Wir kamen auf sieben. Also keine Assistenten, nits, jeder mat alles. Einheitsgage für alle. Wir haen vier Sauspieler und uns vorgenommen, wir maen eine Beziehungsgesite. Ein paar Saen haen wir uns son vorher ausgedat, aber die hingen von dem Drehort ab, Frankfurt an der Oder. Und dann gut man, was man vor Ort antri und baut daraus die Szenen. Also man nimmt si nit Dinge vor, die man dann mühsam herstellen muss, sondern man saut, was man bekommt. Wir haben da zum Beispiel diese Imbissbude gefunden, und daten uns, da könnte eine der Figuren arbeiten. Die war aber ganz real. Das war eine ete Imbissbude. Und da haben wir dann Axel Prahl reingestellt zum Würste braten. Er hat dort erst einmal zwei Woen gearbeitet bevor wir angefangen haben zu drehen, au wenn wir nit da waren. Wir sind von Zeit zu Zeit mit der Kamera hin, wie so ein Dokumentarlmteam, und haben ihn dabei beobatet. Zu dem Zeitpunkt wussten wir no nit mal ritig, wie die Gesite im Detail gehen wird. Aber wir haben natürli darüber, dass Axel dort gearbeitet hat, au Elemente der Gesite gefunden. Man bekommt Dinge, und die nimmt man und benutzt sie. Nit wie sonst, wo man mit Mühe alles herstellt. Dazu muss man sehr oen sein und si auf die Saen einlassen. Das ist eine kleine Abenteuerreise mit ungewissem Ausgang. Truaut hat mal gesagt, Improvisation ist, wenn man die Vorbereitung nit merkt. Das stimmt. Dieses Improvisieren ist ja au eine Legende. Es ist ja nit so, dass man an den Drehort geht und es passiert alles von selbst. Wir haben uns son sehr intensiv darauf vorbereitet, aber das wäre
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jetzt ein längerer Vortrag, um die ganze Entstehungsgesite eines Filmes aufzurollen wie Halbe Treppe oder Wolke .
Was an ihren Filmen au ällt sind die ganz speziellen Figuren. Obwohl es ganz untersiedlie Charaktere sind, strahlen sie immer eine gewisse Wärme und Menslikeit aus, die überhaupt nit korrespondiert mit irgendeiner Form von moraliser Perfektion oder Vollkommenheit. Wie entstehen sole Figuren? Hat das au etwas mit diesem In-die-Lebenswelten-Hineingehen zu tun? I glaube, das hat was mit der eigenen Weltsit zu tun, wie man Mensen überhaupt sieht. Mir ist eigentli jede Form von Zynismus oder Verätlikeit anderen Leuten gegenüber fremd. Und i arbeite so au nit. Also i arbeite im Allgemeinen in einer sehr entspannten, demokratisen und freundsalien Atmosphäre – i bemühe mi jedenfalls darum, Mitarbeiter mögen mir widerspreen. I bin kein Regisseur, der mit Terror operiert. I nde es gut, wenn die Leute aus dem Team si trauen, Dinge einzubringen. Das spiegelt si dann letztendli au in der Haltung den Figuren gegenüber wider. Mi interessieren eindimensionale Gestalten nit. Für mi sind Mensen nit gut oder böse, sondern meistens wie im Leben au, mal benimmt man si wie ein kleines Arslo und mal ist man plötzli zu erstaunlien Dingen in der Lage, au anderen gegenüber. Dann gibt es Momente – das kennt sier au jeder –, wo man plötzli über si hinaus wasen kann. Und genau das interessiert mi eigentli, dass Leute si ambivalent durs Leben bewegen. Wenn sie das auf der Leinwand tun, dann habe i au sofort das Gefühl, die sind wie i, und i kann mir von deren Erfahrungen vielleit ein Stüen absneiden. Im Kino ist das ja sön bequem wenn da Mensen sind, die si bewegen wie i au und dur Situationen laufen, die i zum Glü nit erleben muss. I bin zum Beispiel nit sarf darauf, auf einem Ozeandampfer unterzugehen. Aber sole Extremsituationen sind ja sehr interessant, weil man da eine Menge lernen kann über menslie Verhaltensweisen. Unter diesem Gesitspunkt nde i es au interessant, Filme über die DDR zu maen. Unter zugespitzten politisen Verhältnissen stellen si bestimmte menslie Eigensaen unter Umständen klarer und prägnanter dar, als in einer allgemeinen demokratisen Atmosphäre. Anhand von DDR-Gesiten lässt si zum Beispiel sierli sehr gut über Verrat und Opportunismus erzählen, oder au über das si Durlavieren in kritisen Situationen. Mir fällt dazu eine Gesite ein, die i sehr interessant nde, was DDRGesite betri. Mein Vater ging na der Biermann Ausbürgerung in den er Jahren in den Westen und wurde dort Theaterintendant in Frankfurt
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am Main. Er hae aber no einen DDR-Pass da die DDR si nit die Blöße geben wollte, dass so viele Künstler das Land verlassen. Also gab man denen einen Pass mit einem Dauervisum, sie lebten aber im Grunde genommen im Westen. Mein Vater musste alle zwei Jahre zum Kulturminister der DDR und diesen Pass verlängern lassen. Er ist aber immer sehr ungern gekommen, weil er Angst hae, dass man ihn nit wieder ausreisen lässt. Anfang der er Jahre, zur Zeit der Horüstung und des NATO-Doppelbeslusses, fanden jede Menge Diskussionen in der Friedensbewegung sta, unter anderem au in der Paulskire in Frankfurt am Main. Mein Vater als Intendant des dortigen Theaters nahm daran natürli au teil. Kurz dana kam er zum Kulturminister der DDR. Und der Kulturminister sagte: Herr Dresen, Sie haben da an der Diskussion in der Paulskire teilgenommen und Saen gegen die DDR gesagt. Er hat also meinen Vater zusammengesissen, aber während er das tat, sob er ihm einen Spitzelberit über den Tis rüber, wo in klaren Namen drinstand, wer da in Frankfurt in der Paulskire über ihn beritet hat. Und immerhin – er war der Kulturminister! Ganz oensitli hat er für die Mikrofone, die in seinem Raum installiert waren, die Standpauke gehalten und in Wirklikeit meinem Vater zu Verstehen gegeben: Pass mal auf, hier sind ein paar Leute, die da auf di aufpassen. Dana hat er gesagt: Haben wir uns verstanden, und hat das Papier dann wieder weggenommen. Das besreibt eigentli relativ gut das ambivalente Verhalten von vielen Leuten, nit nur in der DDR, sondern au jetzt. Also da gibt es ganz viele Grauzonen, wo si ein Minister plötzli nit so verhält wie es ein Minister tun sollte, sondern ganz anders. Deswegen habe i mi über die Darstellung dieses Ministers in Das Leben der Anderen (D , Florian Henel von Donnersmar) so geärgert. Das ist das typise Funktionärsklisee, der will eine Sauspielerin vögeln und instrumentalisiert die Stasi dafür. Sierli mag es so was au gegeben haben, aber sole Figuren interessieren mi nit. Mi würde dieser Minister interessieren, wenn er oensitli in der Klemme stet, weil er selber einen Widerspru zwisen seinem eigenen Verhalten und dem System spürt, für das er als Minister arbeitet, aber gegen das er au ganz oensitli starke Einwände hat. In einem kritisen Moment muss er si dann irgendwie verhalten. So was nde i interessant. Und da werden für mi Gesiten und Figuren interessant.
Wie kommen sie zu Ihren Gesiten und was ist ihr Ausgangspunkt? Das ist natürli ganz untersiedli. Manmal werden sie mir angeboten. Wolfgang Kohlhaase hat mir Sommer vorm Balkon und jetzt au den neuen Film
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Whisky mit Wodka (D ) angeboten. Das sind seine Gesiten und seine Ideen, die entwielt man dann gemeinsam weiter und mat ein Drehbu daraus. Und ansonsten geht es man mal lange und verworrene Wege. Bei Wolke war es so, dass mi seit Jahren dieses Thema „Älterwerden, Sexualität, Liebesfähigkeit bei älteren Mensen“ interessiert und verfolgt hat. I habe mi total geärgert, weil i date, mein Go, warum dürfen ältere Leute nit mal ritige Leidensaen zeigen auf der Leinwand. Warum können die das nit leben? Warum muss das alles immer so auf so eine peinlie Art verklemmt sein? Und das war der Ausgangspunkt, wo i dann meinem Produzenten, Peter Rommel, gesagt habe, mi kotzt das an, wollen wir nit mal was darüber maen? Und im Gesprä merkt man dann, der andere fängt au Feuer – son ist das Projekt geboren. Und um zu vermeiden, dass es ein sentimentaler, wei gezei neter Film wird, haben wir beslossen, das als ein Ro’n’Roll-Projekt zu maen, ohne Bu und ohne lange Stoentwilung. Wir stürzen uns da rein mit ein paar Sauspielern, die wir mögen und guen mal, was wir da zustande kriegen. Wenn man so snell arbeitet, kriegen die Projekte einen gewissen Verve, die sind meistens nit so teuer, man kann si mehr trauen. Bei anderen Projekten sieht es ganz anders aus. Es gibt also keine Formel. I sue jetzt grade wieder einen neuen Sto. Volker Slöndor hat mir mal an anderer Stelle gesagt, man braut nit auf einen Film warten, der kommt zu einem. Und das stimmt. Genauso ist es. Das ist ja wie Verlieben. Es nützt ja au nits, die Straße langzugehen und zu sagen, i will mi heute aber unbedingt verlieben. Dann passiert es no lange nit. Wenn man so ganz doll sut, ist es meist ganz ergebnislos. Das kommt von selbst. Manmal wäst es über Jahre und manmal ist es ganz plötzli da, und man sagt, ja, das ist es.
Um was geht es in ihrem neuen Film Whisky mit Wodka? Das ist ein Drehbu, das Wolfgang Kohlhaase gesrieben hat. Das hat au eine ganz lange Genesis. Eigentli basiert es auf einer Begebenheit aus der Filmgesite, und zwar aus dem DEFA-Studio. Dort wurde Ende der er Jahre ein Film gedreht, der hieß Schlösser und Katen (DDR ) von Kurt Maetzig. Der junge Frank Beyer war damals Regieassistent. Bei diesem Film gab es den seltsamen Fall, dass der Hauptdarsteller dieses Films, Raimund Seler, ein sehr guter Sauspieler aber Alkoholiker war, der dann beim Drehen einen ziemlichen Zusammenbruch erlitt, woraufhin Kurt Maetzig als Regisseur besloss, dem wird er jetzt mal eine Lehre erteilen. Er stellte ihm einen zweiten Sauspieler an die Seite, der den Film parallel mitdrehte.
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Also eine Doppelbesetzung im Kino. Sehr ungewöhnli. Sie haben Raimund Seler dann zwei Woen lang nur aus pädagogisen Gründen gecovert. Das ging relativ friedli ab, aber diese Episode der Filmges ite hat si wiederum Frank Beyer sehr gut gemerkt und auf einem Spaziergang Wolfgang Kohlhaase davon erzählt und gesagt: Mens, wäre das nit mal eine söne Ausgangssituation für einen Spiellm? Wolfgang hat si dann rangesetzt und tatsäli einen Spiellm gesrieben der zwar nit historis ist, sondern in der Gegenwart spielt, aber der als Grundeinfall tatsä li Frank Beyers Erzählung hat: Ein Sauspieler mit einem Alkoholproblem fällt aus und wird von einem zweiten Kollegen während der Dreharbeiten gecovert. Bei uns ist das so, dass ein historiser Film an der Ostseeküste gedreht wird. Der Hauptdarsteller, bei uns gespielt von Henry Hüben, smeißt einen Drehtag und ihm wird dann ein etwas jüngerer Kollege an die Seite gestellt, der ihn im Grunde genommen unter Dru setzen soll. Und das passiert in gewisser Weise au, aber es ist keine einfae Duellgesite. Das häe mi jetzt au nit wirkli interessiert, sondern das, was Wolfgang Kohlhaase daraus mat, ist eigentli ein Gruppenbild von Leuten, die si mit mehr oder weniger großen Lügen und mit ihrem mehr oder weniger großen Opportunismus durs Leben lavieren. Er mat eigentli ein Ensemblestü daraus und zeigt, wie dieser Drehstab – und damit sozusagen die Gesellsa – mit so einer Situation, mit Konkurrenz, mit Älterwerden, mit Einsamkeit umgeht. Das war für mi sehr interessant. Oberä li betratet handelt es si um eine Tragikomödie. Wenn man si den Film aber genau ansieht, ist es ein ret düsterer Film, weil er ganz sön in die Abgründe der Leute gut. Das sieht man bloß nit auf den ersten Bli, da kommt Whisky mit Wodka sehr viel opulenter und unterhaltsamer daher als beispielsweise Wolke . Das ist ähnli wie bei Sommer vorm Balkon, der ja au erst mal ein Gesellsaspanorama zu geben versut, aber ebenfalls tiefer reingeht. Und das ist etwas, was Wolfgang Kohlhaase ganz besonders gut kann. Das hat natürli au mit seiner großen Lebenserfahrung zu tun und einer gewissen Weisheit, die si dann bei manen Leuten – jedenfalls bei ihm kann i das sagen – einstellt.
Sie haben vor kurzem angesits des . Jahrestags des Mauerfalls in einem Artikel in der „Zeit“ darauf hingewiesen, was für eine geringe Rolle das lmise Erbe der DDR für die gegenwärtige Filmproduktion, für die Filmgesiten, für das Filmemaen spielt. Wele Bedeutung hat das DEFA-Erbe für sie? Woher kam diese do sehr klare Kritik daran, dass dieser Teil der deutsen Filmgesite vergessen wird? Sind ihre Filme au eine Art Auseinandersetzung mit diesem Erbe?
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Also i würde nit sagen, dass es ein direktes Erbe ist. Aber natürli ist die DEFA-Filmges ite oder das osteuropäise Kino für mi eine witige Erfahrungsquelle gewesen. Viele Filme, die i als Jugendlier gesehen habe, als i das Kino für mi entdet habe, waren sierli prägend für mi. Das waren jetzt nit nur die DEFA-Filme, sondern au sowjetise Filme der Tauweer-Periode, wie von Rjasanow, von Alexander Mia, von Suksin, die heute völlig zu Unret vergessen sind. Bekannt ist leider immer nur Tarkowski. Es gibt eine ganze Reihe sehr bemerkenswerter sowjetiser Filmemaer, die für mi sehr prägend waren, au in Ihrem Mensenbild. Und mi ärgert dann häug ein verengter Bli auf diese Filme. Das war dann au der Anlass für mi, das mal aufzusreiben. Zum einen wurde na der Wende mit einigen Kollegen des DEFA-Spiellmstudios sehr ungeret umgegangen. Man hat sie zu Unret aus einem o sehr bemerkenswerten Berufsleben rausgekit. Zum anderen stellt si dann plötzli jemand wie Volker Slöndor hin und sagt, die DEFA-Filme waren alle furtbar. Das war natürli no ein zusätzlies Ärgernis. Sierli hat er das nit so ernst gemeint, wie es dann später interpretiert wurde, aber es war der Tropfen, der das Fass dann zum Überlaufen brate. Au diese Sule hat son dreimal versut, den Namen „Konrad Wolf“ loszuwerden, was i nit wirkli verstehen kann. Bisher ist das nit gelungen und wird hoentli au nit passieren. Das wäre au wirkli sehr idiotis, weil das nun mal ein Regisseur ist, der sehr bemerkenswerte Filme hergestellt hat. Also das ist so ein gesitsverengter Umgang mit Filmgesite, der mi dann manmal frustriert. Ansonsten sind die DEFA und der osteuropäise Film ein Teil meiner lmgesitlien Erfahrung, ähnli wie der Neorealismus, das Cinéma Vérité oder bestimmte Strömungen in der Filmgesite, die mi halt immer interessiert haben. Die haben mi sierli genauso geprägt wie das osteuropäise Kino. Und man sollte dazu sagen, dass wir in der DDR ja duraus die westlie Filmkultur sehr aufmerksam wahrgenommen haben. Das hae natürli was damit zu tun, dass man in diesem engen Land lebte und irgendwie seinen Horizont erweitern wollte und da ist natürli das Kino ein guter Ort. Wenn man andere Länder son nit physis erfahren kann, kann man im Kino zumindest im übertragenen Sinne auf Reisen gehen. Und das haben wir gerne gemat. Es liefen ja au viele witige Filme in der DDR im Kino, und die nit liefen, die konnte man si im Westfernsehen ansehen.
Wenn sie jetzt zurüblien auf den Weg, den Sie als Filmemaer gegangen sind, wie sehr ist dieser Weg der geworden, den sie damals gehen wollten na ihrem Studium?
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Sie sind ja do einer der bekannteren Regisseure ihrer Generation. Was ist aus ihren damaligen Kommilitonen geworden, die vielleit nit so bekannt geworden sind wie sie? Das ist swer. I habe zu einigen no Kontakt, aber wir waren in der Regieklasse nur zehn Leute, zwei davon waren ausländise Studenten. Sieben von den zehn sind tatsä li no im Filmberei tätig. Mane kamen ja au vom Dokumentarlm oder vom Fernsehen und arbeiten dort au wieder. Es sind ja nit alle angetreten, um später Kinolme zu maen. Einer arbeitet bei Spiegel-TV, der wollte immer Dokumentarlm maen, das mat er jetzt fürs Fernsehen. Mein Kommilitone Bernd Sahling mat Kinderlme. Es ist unglaubli swer, selbst gesriebene Kinderlme zu nanzieren, meistens werden nur erfolgreie Jugendbüer adaptiert. Wir kennen ja alle die Filme, die gerade so erfolgrei sind, Hexe Lilli (D/I/A , Stefan Ruzowitzky) und so. Meistens sind es Buvorlagen, die verlmt werden, aber er versut, mit Originalstoen eine Finanzierung zu bekommen. Er hat es bisher einmal gesa, einen Kinospiellm für Kinder zu maen und hat dann au glei den deutsen Filmpreis in Gold dafür gekriegt. Das hat mi riesig gefreut. Es war sein Debüt. Aber trotzdem hat er es deswegen nit leiter. Es ist irrsinnig swer, si in diesem Berei durzusetzen. Die meisten slagen si irgendwie dur. I habe das ja au versut. Mein Debütlm, das war ja kein Erfolg, der wurde vielleit künstleris in der Brane beatet, aber den Film haben im Kino . Leute gesehen, der ist mit Kopien gestartet. Wir haben mit dem Film zwei Preise gekriegt und das war sön. Dana konnte i ein paar Jahre beim Fernsehen meinen Beruf ausüben. Und dann kam Natgestalten, das war ein Film, an den hae i sieben Jahre lang gesrieben und ihn gemeinsam mit Peter Rommel entwielt. Das war für mi ein Film, wo i die ganze Ästhetik, die i unter anderem au hier an der Sule gelernt hae, das Handwerk, zwar nit über Bord geworfen, aber mit einem Slag verändert habe. Dieses Filmstudium, das war ja damals handwerkli sehr solide und das hil einem duraus au, die ersten Jahre beim Fernsehen oder in anderen Produktionszusammenhängen überhaupt zu überstehen. I fühlte mi duraus dur das Studium in die Lage versetzt, in Drehtagen einen Fernsehlm zu drehen, was man nit untersätzen sollte. Trotzdem hae i das Gefühl na fünf, ses Jahren, dass i mit meiner eigenen Arbeit überhaupt nit zufrieden war. I fand meine Filme zu brav, zu vorhersehbar, zu wenig überrasend. I erfülle beim Drehen nur das, was vorher alle son gewusst haben. I wollte aber den Drehprozess wieder als etwas lebendiges kennen lernen, wo man duraus au den Kurs ändern kann, weil einem etwas Besonderes widerfährt mit den Sauspielern, mit den Mitarbeitern im Team. Bei Natgestalten haben wir angefangen, mit
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Hand kamera zu arbeiten. I habe die Szenen nit mehr vorher aufgelöst, sondern mi auf das eingelassen, was die Sauspieler am Drehort gemat haben. Wir haben versut, sehr lebendig mit der ganzen Situation umzugehen, was ein großer Kraakt war. Probiert so was bloß während des Studiums aus! Das ist et furtbar, das später erst zu maen, das kostet einen die doppelte Kra. Das war mein erster Kinolm seit sieben Jahren. Man braut dann et viel Mut in so einer Situation. Jetzt hat man das nun endli wieder gesa, für das Kino zu arbeiten, und nun haue i au glei alles in die Waagsale und verzite auf die üblie Herangehensweise. I bringe das ganze Team, mi und die Produktionsrma au no in eine Krise, weil die Arbeitsweise so ungewöhnli ist. Der Film hat uns alle an die Grenze getrieben. Das war au eine Erfahrung, was die Brane für Abgründe bereithält. Als i Natgestalten gemat habe, habe i meine beiden Gagen, Bu und Regie, zurügestellt. Die waren in der Produktion drin. Wir haen die Arbeitsweise mit Improvisieren, mit Durdrehen in einem Take, den Sauspielern vertrauen von den Kosten her untersätzt und das Budget überzogen, alles in allem um . Mark. Das ist bei einem Budget von drei Millionen Mark jetzt nit die Welt, aber es ist viel. Peter Rommel musste dafür Sulden maen. Im Grunde genommen waren wir beide pleite, als der Film fertig war. Mit dem Ergebnis, dass niemand den Film haben wollte und wir keinen Verleih fanden. Die sagten alle, das will keiner sehen. Dann lud uns aber die Berlinale in den Webewerb ein. Das war unsere einzige Chance. Die Vorführung war zum Glü grandios und ein Riesenerfolg. Am nästen Tag kamen all die Verleiher, die den Film vorher abgelehnt haen, wieder zurü. Und plötzli haen sie eine Idee, wie sie ihn ins Kino bringen können. Ein paar Woen später kriegte i meine beiden Gagen auf einmal. I war fassungslos. Peter Rommel war seine Sulden los, es wendete si mit einem S lag wieder alles. I habe das ein paar Mal erlebt. Bei der Berlinale hat man ja immer diese alberne RoteTeppi-Nummer, da latst man dann rüber, wir waren total pleite, wir waren wirkli tief verzweifelt. Und die Leute, die da am Rand stehen, die müssen immer den Eindru haben, die haben es gesa! Es ist ein total absurder Vorgang. Daher kommt mein tiefes großes Misstrauen gegenüber roten Teppien jeglier Art. Man weiß nit wirkli, wie es den Leuten da drauf geht. Jetzt ist es eine relativ glülie Situation. Mit den Jahren hat si eine gewisse Stabilität eingestellt. Es ist swierig, gerade für Filmproduktionen eine wirtsalie Unabhängigkeit hinzukriegen. Es ist dadur leiter geworden, dass die letzten Filme au alle erfolgrei im Kino gelaufen sind. Aber i weiß au ganz genau, dass das na einem oder zwei Flops au wieder ganz anders ist. Da muss man si keinen Illusionen hingeben.
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I bin also mit der beruien Situation, dass i von meiner Arbeit überhaupt leben kann, zufrieden. I meine, das Wirtsalie sollte man nit untersätzen. Irgendwann merkt ihr das. Man steht dann auf einmal da und glotzt in seinen leeren Kühlsrank. Das ist ja kein profanes Problem, das ist ein existenzielles. Und deswegen habe i versiedene Standbeine. Das war au einer der Gründe, warum i angefangen habe, am Theater zu arbeiten. I date, gut, die Filmbrane ist so wankelmütig, es kann nit saden, au zum Theater zu gehen und si da eine Lobby aufzubauen. Wenn es im Film nit gut läu, dann gibt es no andere Bereie, auf die kann i dann ausweien. Man sollte nit zu sehr auf einen Berei setzen, das mat abhängig. I habe au immer versut, meine Unkosten möglist niedrig zu halten. I wohne zum Beispiel in einer relativ preiswerten Mietwohnung in Potsdam, das ist für mi hilfrei. Man setzt si dadur weniger Zwängen aus. Eine Zeit lang, als i damals auf Natgestalten zulief, war die Frage, wovon i meine Miete bezahlen soll, duraus ein Problem. Und dann kommen plötzli lukrative Serienangebote. Und da, das weiß i, kann man wirkli viel Geld verdienen, aber i habe das nit gemat.
Weil es nit zu ihrem Weg passte? Ja, nit weil i es grundsätzli slet nde, Serien zu maen, aber i wusste von anderen Kollegen, wie die Konditionen sind, unter denen da gearbeitet wird und dass man da unter sehr vielen Zwängen operiert. Und i wollte ja grade nit unter Zwängen arbeiten. I fühlte mi im Kinoberei wohler, man produziert da do ein kleines bissen freier. Es gibt mehrere Finanziers und das sützt einen zumindest etwas vor dem übergroßen Einuss von einzelnen, wenn man si mit seinem Produzenten gut versteht. Da hat niemand die Majorität und kann sagen, so, du mast das so oder i zwinge di zu der Besetzung oder zu der und der künstlerisen Entseidung. Weil die Finanzierung breiter gestreut ist, kann man si da meistens besser dursetzen. Und i war damals auf der Sue na Unabhängigkeit und nit na dem Gegenteil.
Wie sieht es denn mit der Besetzung und künstlerisen Entseidungen aus? Stand es ihnen bei Wolke zum Beispiel frei zu sagen, i mae den Film mit Usi Werner und Horst Westphal, den ja westli der Elbe kaum jemand kennt. Bestehen die Produzenten da nit o auf zugkräigere Namen?
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Das ist rein theoretis so. Aber nit in der Konstellation, in der i arbeite. Peter Rommel würde als Produzent nie mit so einer Idee ankommen. Bei Wolke war es von vornherein eine ganz bewusste Entseidung, dass wir auf keinen Fall bekannte Namen haben wollen, weil man dann den Figuren mehr glaubt. I habe häug das Gefühl, dass die Sauspieler der Figur ein bissen im Weg stehen, wenn sie zu berühmt werden, dass man dann den Sauspieler XY sieht, der jetzt mal den Rentner Sowieso spielt. Und dann hat man eben immer das Gefühl, der spielt. Man glaubt die Gesite nit mehr so. Und es wäre milerweile au swierig, mit Axel Prahl na Frankfurt an der Oder an die Imbissbude zu fahren. Der ist inzwisen dur den Tatort so bekannt geworden, dass i ihn in der Form nit mehr besetzen kann. Das ist für mi au duraus ein Problem, wenn die Sauspieler zu bekannt werden. Axel habe i kennen gelernt, als er Sauspieler am Grips-Theater war. I bin damals für Natgestalten ans Grips-Theater gegangen, weil mir jemand gesagte hae, da gibt es ein Stü „Café Mie“, da geht es au um Berlin und Szene und Drogensütige. I sah dann nit nur ein gutes Stü und eine interessante Au ührung – nit dieses überambitionierte Regietheater, was mir man mal et auf den Zünder geht, wenn man in Berlin ins Theater geht –, sondern i sah au ein handfestes Theater, das einfa die Realität dieser Stadt abbildete. Außerdem fand i das Ensemble vom Sauspielerisen her total bemerkenswert. Axel spielte an diesem Abend zum Beispiel vier versiedene Figuren. I habe den fast gar nit wiedererkannt. Wenn i den Programmzeel nit gehabt häe, häe i nit gewusst, dass es derselbe Sauspieler ist. Und i date mir, warum kennt man von denen eigentli keinen und habe für Natgestalten viele besetzt. In dem Film spielt also das halbe Grips-Theater mit. Einer davon war Axel. Wir haen zwei Drehtage zusammen bei Natgestalten und da date i son, mit dem möte i mal eine Hauptrolle drehen. Dann kam der Film Die Polizistin, da wollte i ihn und Gabi Smeide besetzen, mit dem Ergebnis, dass der Sender, der WDR, mir sagte, nee, die kennt ja keiner. Sie haben mir eine Liste gesit mit zehn, fünfzehn Namen von Sauspielern, die sie si so vorstellen konnten. Das waren natürli die üblien Verdätigen, dazu hae i keine Lust. Dann ging es hin und her. I habe dreimal mit Axel und Gabi Probeaufnahmen maen müssen. Am Sluss habe i dann gesagt, gut, wenn ihr das nit wollt, dann mat den Film alleine. Darauin ist der Sender eingeswenkt, und i habe die beiden besetzt. Axel ist milerweile der Tatort-Kommissar des WDR, jetzt mögen sie si an diese Episode nit mehr so gerne erinnern.
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Würden sie unseren Studenten also empfehlen, in der Ritung mehr Mut zu haben, mehr Kreuz zu zeigen und au mal Drehbüer auf den Tis zu knallen? I glaube son, aber man muss um das Risiko wissen. Also im ungünstigsten Fall mat man den Film dann nit. I wusste das bei Die Polizistin. I habe um den Film alles in allem rund ses Jahre gekämp. Und man weiß, in dem Moment, wo man das Bu hinlegt, kann es duraus sein, dass das Projekt weg ist. Also man sollte das nit taktis maen. Man muss das dann wirkli maen. Es ist ein hohes Risiko. Bei mir ist es zum Glü nie sief gegangen, aber man zot son. I nde, ein bissen Kunst ohne Risiko geht nit. Also wenn man auf ‚Nummer sier‘ gehen will, sollte man lieber nit Filme maen. Mit jedem Film geht man auf eine neue Reise. Und das heißt im Grunde genommen au, man kann Seitern. Und das Seitern, mein Go, das ist ein Teil des Lebens. Da sammelt man ja au Erfahrungen. Es gibt dieses söne Wort von Bee: Einmal versut, einmal geseitert, einerlei. Wieder versuen, wieder Seitern, besser Seitern. Das nde i sehr sön, weil das au etwas für den Beruf besreibt.
Sole Reisen in die Welt des Films unternimmt man ja nit allein, sondern zusammen mit anderen Mensen, zum Beispiel dem Produzenten. Wie sieht für sie das Verhältnis zwisen Produzent und Regisseur aus? I nde es gut, si verantwortli zu verhalten. Dass ein Regisseur nit sagt, i möte jetzt morgen hier zehn weiße Elefanten über die Straße laufen sehen. Man muss die Saen ein kleines bissen planbar maen. Auf der anderen Seite sollte der Produzent im Umkehrsluss verstehen, was der künstlerise Grundgedanke eines Filmes ist und si au dementspreend verhalten. Und deswegen arbeite i gerne mit Peter Rommel zusammen, weil, wir wissen das voneinander. I würde nie leitfertig mit dem Budget eines Filmes umgehen, dafür übernehme i viel zu viel Verantwortung für das Geld fremder Leute. I möte es gut maen. I möte die Leute nit enäusen. Und Peter versut mir au zu helfen, künstleris im ritigen Fahrwasser zu bleiben. Und das ist für mi das Entseidende, was ein gutes Verhältnis zwisen Produzent und Regisseur ausmat.
Wele Rolle spielt für sie eigentli ihr Publikum? Wele Rolle spielt der Zusauer, wenn sie Filme maen?
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I freue mi, wenn die Leute da reingehen. Ist do logis. Das heißt aber nit, dass i jetzt permanent mit der Wurst na der Speseite s meiße. Also es gibt ja so viele Leute, die einem immer erklären, was die Zusauer angebli sehen wollen. Wenn man davon ausgeht, häe ein Film wie Wolke nie gemat werden dürfen. Das geht ja eigentli überhaupt nit: ältere Mensen, unbekannte Sauspieler, kein Happyend, Handkamera, keine Filmmusik, räudige Videobilder. Also wie soll denn so was im Kino funktionieren? Das sprit gegen alle Marketing-Überlegungen. Und trotzdem wollten wir den Film maen. Wir haben niemals damit gere net, dass da fast . Leute reingehen. Man fängt ja immer an, wenn der Film rauskommt, Ween abzusließen. I habe gesagt, maximal . Besuer. Und da waren wir glaube i na der zweiten Woe. Das war phänomenal. Die Zusauer merken, ob man sie ernst nimmt. Nit in jedem Fall, manmal funktioniert es au nit. Es gibt genug söne Filme, in die keiner reingeht. Es ist au immer von vielen anderen Dingen abhängig. Aber letztendli bin i ja am Drehort wenn man so will der erste Zusauer. I versue so zu erzählen, dass man duraus ein unterhaltsames Vergnügen haben kann. I gehe nit ins Kino, um mi zu langweilen. I will da was erleben. Da möte i nit dauernd auf die Uhr guen müssen, sondern i möte mitgenommen werden. Und so versue i au zu erzählen, aber nit so, dass i mir ständig sage, jetzt will i die Zusauer zu dem und dem verführen. Es ist au kein Prozess der Anpassung an das Publikum. I versue beim Erzählen der Gesiten aber sehr wohl ernst zu nehmen, dass da später Leute sitzen werden, die in einem dunklen Raum, nur mit dem Film alleine, einen vergnüglien Abend verbringen sollen. Oder zumindest einen interessanten Abend.
Ihre Filme sind ja häu g eher sparsam im Musikeinsatz und beinhalten o viele Songs. Wele Rolle spielt die Musik in ihren Filmen? Ist klassise Filmmusik eher etwas, das sie ablehnen? Also das hat si bei mir in den letzten Jahren sehr verändert. In den er Jahren habe i o mit komponierten Musiken gearbeitet, milerweile eher selten. Wolke hat gar keine Filmmusik, Die Polizistin au nit. Manmal nde i es als Regisseur ganz hilfrei, si mal wieder puristis rü zubesinnen und zu guen, wie mae i das eigentli, eine Ges ite so minimalistis zu erzählen. Manmal wird die Musik ja au nur als Hilfsmiel benutzt, um zum Beispiel kleine rhythmise Swäen zu überkien. So sollte es natürli nit sein. Für mi hat es si in den letzten Jahren so entwielt, dass i gerne mit son fertigen Stüen gearbeitet habe. Selbst
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bei Sommer vorm Balkon, der sehr viel Musik hat, sind das alles Titel, die nit für den Film komponiert wurden. Die gab es son. Bei Halbe Treppe war es so, dass die „ Hippies“ zwar Musik komponiert haben, aber nit für die fertigen Bilder, sondern sie waren vor Ort und haben si das alles angegut. I habe sie dann teilweise gebeten, kleine Konzerte zu maen. Sie haben dann auf dem Truparkplatz gespielt mit ihrer ganzen Truppe oder in dem Imbiss ein Konzert gemat, aber nur so für si, um ein Gefühl zu kriegen für den Ort. Ansließend fuhren sie na Berlin zurü und spielten irgendwele Songs ein, mit dem Mikro über die Stuhllehne gehängt. Die haben sie uns dann auf CD gesit. Und das ist im Prinzip die Musik, mit der wir später gearbeitet haben. I habe dann versut zu guen, wo passt denn das jetzt rein. Aber es war nit so, dass sie im klassisen Sinne eine Szene gekriegt und darauf dann die Musik komponiert haben. Bei mir hat si da tatsä li eine leite Skepsis gegenüber klassiser Filmmusik eingestellt, weil i es o so empnde, dass die Musik si dann nit unabhängig genug verhält. I habe o das Gefühl, dass die Komponisten der Intention des Regisseurs zu sehr folgen. Bei sleter Filmmusik – im Fernsehen fällt das o auf – wird so gearbeitet: Es soll traurig sein und dann wird in die Mollakkorde gegrien. Das ist mir zu eindimensional. Deswegen hil es, wenn i mi aus einem Reservoir an fertigen Stüen bediene und versue, damit was zu maen. Dann kriegt man o was ret Lebendiges hin. Oder die Musik verhält si auf eine merkwürdige Art sperrig zu der Szene, das nde i dann interessant. So was ist sehr swer mit einem Komponisten herzustellen. Bei Whisky mit Wodka haben wir zum Beispiel mit Jazz-Standards aus den er, er Jahren gearbeitet. Das war total interessant, was diese Musik plötzli mit den Bildern mat, die bringt da eine ganz eigene Stilistik rein. Und so entstehen die meisten Saen in letzter Zeit mit fertigen Stüen, aber das heißt nicht, dass ich nicht auch mit einem Komponisten arbeiten würde. Es ist nur sehr swer, da was zu maen, was wirkli eigenständig ist. Da müsste man eine Methode entwieln, wo der Komponist unabhängig vom Filmdreh eigene Saen mat. I habe no nit die ritige Idee. Aber es müsste etwas sein, was der Musik eine gewisse Unabhängigkeit ermöglit.
Gibt es no eine Idee, die sie im Hinterkopf haben oder eine Ahnung von einem Ziel, wo sie vielleit ankommen wollen? Ja sier. I würde wahnsinnig gerne mal einen Kinderlm maen. I nde, es gibt viel zu wenig gute Filme für Kinder. Aber das bietet mir keiner an. Stoffe bekommt man immer nur na dem Muster des letzten Filmes angeboten,
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der gerade ein Erfolg war. Als i in den er Jahren viel zum Thema DDR gemat habe, kriegte i immer DDR-Stoe angeboten. Nadem i Natgestalten gedreht hae waren es jahrelang Sozialdramen, die in Plaenbausiedlungen spielten. Also man muss si da immer wieder selbst draus befreien, sonst wird das nits. Und ein Kinderlm wäre eine Sae, die i sehr gerne maen würde. I würde au gerne mal einen Thriller drehen, wenn i einen guten Sto häe. Mi interessiert das als Genre. Und i ersree mi immer sehr gerne im Kino. I konnte mi nur einmal bei Willenbro (D ) ein bissen in dieser Ritung ausprobieren. In dem Film gibt es eine Thrillersequenz, die mir extrem viel Spaß gemat hat, weil man da als Regisseur wirkli alle Register ziehen muss. I würde aber au gerne no mal eine DDR-Gesite drehen. I habe zwar in den er Jahren damit aufgehört, aber milerweile könnte man es ja wieder versuen. Aber da müsste i einen Sto nden, mit dem man der Sae etwas wirkli Neues abgewinnen kann.
Wege zum Film: Positionen deutser Filmemaer zum zeitgenössisen Kino Ein Gesprä an der HFF „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg Sylke Enders, Florian Gärtner, Ann-Kristin Reyels, Henner Winler
Am . Juli fand an der Hosule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg ein Podiumsgesprä mit zwei Regisseurinnen und zwei Regisseuren sta, die über versiedene Filmhosulen oder als Autodidakt ihren Weg zum Film gefunden haben. In den vergangenen Jahren sind sie mit ganz untersiedlien Filmen an die Öentlikeit getreten. Gemeinsam diskutierten sie ihre Erfahrungen als Regisseurinnen und Regisseure in Deutsland. Im Zentrum standen dabei die vers iedenen Wege, die man von der Ausbildung bis zur Realisierung eigener Ideen zurülegt. Dabei wurden au die generellen Möglikeiten und Probleme des Filmsaens in Deutsland thematisiert. Das Gesprä wird im Folgenden dokumentiert.
Wie kommt man eigentli dazu, Filmemaerin bzw. Filmemaer zu werden und wele Rolle spielt dabei die Ausbildung an einer Filmhosule? Henner Win ler: I habe an der HfG in Oenba angefangen zu studieren. Eigentli hae i mi für Malerei beworben, bin dann aber na dem ersten Semester in die Filmklasse geweselt und habe in diesem Fa mein Vordiplom gemat. Dann bin i na Hamburg an die HfBK gekommen und dort ins Hauptstudium eingestiegen. An der Kunsthosule waren die Filmklassen ähnli wie die Malereiklassen organisiert. Wir haben uns einmal in der Woe getroen und jeder hat gezeigt, was er gemat hat. Dann hat man darüber gesproen und in der nästen Woe wieder. Im Verglei zu den Studenten hier haben wir damals alle sehr lange studiert und nebenher no irgendwo im Filmberei gearbeitet. I war als Kamera-Assistent und als Drehbuautor tätig. Daher hae i eine Anbindung an die Brane. Mein Weg zum ersten Langlm verlief lustigerweise über die HFF. Ein Film, den i
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3_21, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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an der HfBK gemat habe, wurde auf dem Sehsüte-Festival1 gezeigt. Und dana hat mi ein Redakteur vom „Kleinen Fernsehspiel“ angesproen und gefragt, ob i gerne was Längeres maen würde. So kam der Kontakt zu Christian Cloos zustande, mit dem i dann meinen ersten Langlm gemat habe. Und dann au den zweiten. Sylke Enders: Zu unserer Zeit an der d, das hat si heute ein wenig geändert, kam man sehr snell in Kontakt mit Redakteuren und Produzenten. Der Direktor der d, Reinhard Hau, war gerade bei solen Terminen immer präsent und vermote es sehr gut, süterne Studenten mit süternen Redakteuren zusammen zu bringen. Das war für mi sehr vorteilha. Dadur kam mein erster Kontakt zum WDR zustande, der für mi bis heute von großer Bedeutung ist. Florian Gärtner: I bin Super- -Autodidakt. I habe relativ früh angefangen, auf Super- Filme zu drehen, ritig lange Filme mit Ton und Dialog. Auf Super- kann man eigentli alles lernen, was lmästhetis witig ist. Wie man einen Film gut auöst, das kann man si au mit einfasten Mieln aneignen. Das waren einfa tolle Bedingungen, die i damals hae. Wir hatten alle Freiheiten. Keiner hat uns reingeredet. Wir waren jung und naiv. Und i sage immer zu Leuten, die am Anfang stehen, mat einfa, genießt das, freut eu, weil es so gut nie wieder wird. I komme aus einer kleineren Stadt, Marburg, da konnte i einfa ein Theater mieten und meine Filme öentli vorführen. Und i hae das Glü, dass aus Marburg au eine Frau kam, die beim „Kleinen Fernsehspiel“ angefangen hae und meine Filme kannte. Das war Claudia Tronnier. Sie ist jetzt Chen vom „Kleinen Fernsehspiel“ beim ZDF und mit ihr habe i meine ersten professionellen Filme gemat. Von Marburg bin i dann na Berlin gegangen, um Medienwissensa zu studieren, was mi eigentli wenig interessiert hat, parallel habe i aber weiter meine eigenen Filmprojekte verfolgt und mein erstes „Kleines Fernsehspiel“ gedreht. Das war . Das nannte si „Kameralm“. Man bekam . Mark und konnte damit maen, was man wollte. Beim „Kleinen Fernsehspiel“ hae i dann im Gegensatz zu unseren Super- -Filmen plötzli ein großes Team vor mir und Leute, die Aufnahmeleiter hießen, wo i keine Ahnung hae, was die eigentli maen. Da sind Filmstudenten, wenn sie fertig studiert haben, in einer anderen Position. Mit dem „Kleinen Fernsehspiel“ habe i drei Filme gemat. Das ist meine Filmhosule gewesen, da habe 1 Sehsüte ist ein internationales Studentenlmfestival, das jedes Jahr von den Studierenden des Studiengangs Medienwissensa der HFF Potsdam organisiert wird.
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i gelernt, wie man im Team arbeitet. I konnte au Dinge ausprobieren wie in meinen zweiten Film, dessen Drehbu über ein halbes Jahr gemeinsam mit jugendlien Laiendarstellern entwielt und dann im Sommer gedreht wurde. Das wäre heute in dieser Form, glaube i, nit mehr mögli. Mein letzter Film für das „Kleine Fernsehspiel“ war Draenland (D ). Der war au relativ erfolgrei. Die Quintessenz ist, dass das „Kleine Fernsehspiel“ eine tolle Filmhosule für mi war, um mi da zu entwieln, mi zu nden und au ein Publikum im Fernsehen und auf Festivals zu haben, wo die Filme gezeigt wurden. Dana war es dann swierig. I hae eine ziemlie Durststree, während der i vier Jahre lang nit gedreht, aber sehr viele Projekte entwielt habe. I wollte weg von dieser ernst-nadenkli-melanolisen ArthouseEe, die i da im „Kleinen Fernsehspiel“ ausleben konnte. I wollte kommerzielle Saen maen. Aus denen ist zum großen Teil nits geworden. Aber i habe Drehbüer gesrieben, und das hat mi nanziert. Vier Jahre später konnte i dann zwei von den Büern, die i gesrieben habe, realisieren. Eines davon war Sex Up – Jungs haben’s au nit leit (D ), eine ritige Teenie-Sex-Komödie mit Onanier- und Furzwitzen. Das ist ein Herzblutprojekt von mir gewesen. Der Film war als Kinolm geplant, ist aber an der Finanzierung geseitert und dann für Pro entstanden. I bin wahnsinnig stolz auf diesen Film, au wenn i mi da bei vielen Leuten in die Nesseln setze. Die Dreharbeiten waren bisher meine glüliste Filmerfahrung. Die Filme, die i gemat habe, waren immer sole, die i au maen wollte. I konnte es mir leisten, au Saen abzusagen, die wirkli furtbar waren. Ob i nun die Filmhosule vermisse? – Ja. Die meisten Filmleute, die i kenne, sind an Filmhosulen gewesen. I bin bei der d abgelehnt worden. Na meinem ersten „Kleinen Fernsehspiel“ habe i mi da beworben und bin relativ arrogant aufgetreten. I habe gedat, die nehmen mi ja sowieso. Und damit bin i voll auf die Nase geogen. Was i vermisse, sind die Kontakte, die meine Freunde haben, die auf einer Filmhosule waren. I habe einige Leute auf Festivals kennen gelernt. Da habe i versut, etwas von diesen Filmemaer-Kontakten nazuholen. Ann-Kristin Reyels: Das war wirkli etwas, das mir die HFF gebrat hat. Mit den meisten Leuten, mit denen i an der Hosule meine Kurzlme und au meinen Abslusslm gemat habe, werde i au die nästen Projekte realisieren. I habe zum Beispiel ein sehr enges Verhältnis zu meiner Cuerin, Halina Daugird, die im gleien Jahrgang wie i studiert hat. Mit ihr habe i alle meine Filme gemat. Genauso wie mit meinem Kameramann Florian Foest. Mit ihm werde i au weiter arbeiten. Das ist natürli ein
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großes Gesenk, zwei so witige Mensen von der Sule mitzunehmen neben all den Dingen, die man dort lernen konnte oder wofür man Zeit hae. Dur die vielen Praktika und meine Arbeit als Kameraassistentin blieb vor der Sule wenig Zeit dafür, eigene Projekte zu realisieren und si darüber mit anderen auseinander zu setzen. Da war es ein witiger Sri für mi zu sagen, dass i von diesen Assistenzen weg und auf die Filmsule möte. Für mi gehört die Zeit davor trotzdem mit zu meiner Ausbildung. I habe in der Zeit als Assistentin vor der HFF wahnsinnig viel gelernt. Das hat mi in meiner Arbeit stark beeinusst.
O wird gesagt, der zweite Film sei viel swieriger zu realisieren als der erste. Während man beim ersten Lang lm oder Diplom lm o unter guten Bedingungen arbeitet, fällt man dann in ein Lo. Wie war das für eu, den nästen Sri zu maen, gerade in Bezug auf Fördermöglikeiten? Ann-Kristin Reyels: I habe immer abgestrien, dass i Sorge habe vor dem zweiten Film, weil i date, man muss eben einfa den nästen maen. Jagdhunde war auf der Berlinale. Das ging alles wahnsinnig s nell. Wir haben innerhalb eines Jahres das Bu gesrieben und uns vorgenommen, Anfang zu drehen, damit alle damit ihr Diplom maen können. Das haben wir au gesa. I habe dana relativ s nell was Neues angefangen. Leider ist das Projekt dann na einem Jahr geplatzt. Jetzt ist und hoentli drehen wir nästes Jahr im Mai. I habe ein neues Projekt angefangen, mit zwei Autorinnen die ebenfalls von der HFF kommen, Katrin Milhahn und Antonia Rothe. Wir entwieln das Bu gemeinsam und arbeiten mit Wüstelm und dem „Kleinen Fernsehspiel“ zusammen. I glaube eigentli ist der Sri gar nit so swer. Es ist viel eher persönli swierig. Es ist son etwas anderes, ohne die Sule im Rüen einen Film zu maen, ohne Professorinnen wie Helke Misselwitz, die immer fragt, wie es so geht. Sylke Enders: Mein zweiter Film Hab’ mi lieb! (D ) war eigentli vor dem ersten geplant und au annanziert, beide sind im Grunde genommen zeitglei hergestellt worden. Hab’ mi lieb! wurde drei Monate, nadem i die Dreharbeiten zu Kroko (D ) beendet hae, gedreht. Kroko war so eine Art Sonderprojekt, no vor dem Studienabsluss. Demna hat si diese Frage des zweiten Films für mi gar nit gestellt. Dana begann eine lange Durststree, um Mondkalb (D ) zustande zu bringen. Der Produzent hae extreme Swierigkeiten mit der Finanzierung.
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Die Zeiten haben si, glaube i, verändert. Es ist swerer geworden für uns alle. Der Kuen ist klein. Es gibt einige wenige Leute, die alle zwei Jahre einen Film maen können. Die anderen müssen si retzeitig umsehen. Das tri natürli besonders auf Absolventen zu. Und dann beginnen die Probleme, weil man einen Stempel bekommt. Der meine mag heißen: ‚Sozialdrama-Tante‘. Natürli ist das extrem verkürzt. Aber so sind nun mal die Wahrnehmungen, und man kann si au nit wirkli dagegen wehren. Aber im Grunde genommen muss man vielleit dagegen steuern, dass man so ein Etike bekommt. Es ist swierig, weil man ja überleben muss und weil man in diesem Leben no ein paar Träume umsetzen und gleizeitig au arbeiten möte wie ein Handwerker. Darum sollte man sehr früh signalisieren, dass man Versiedenes kann. In meinem Fall ist es so, dass i die ganzen Jahre gesrieben habe. Jetzt habe i genug Drehbüer hier liegen, die si son gegenseitig Konkurrenz maen, da ja nur bestimmte Sender für einen zuständig sind. Dort gibt es sehr klare Vorstellungen davon, wer der Protegé ist oder der Mentor. Natürli sind au nur bestimmte Sender für bestimmte Stoe oen, und alle haben derzeit nanzielle Probleme. Dadur sind sie au vorsitiger geworden. Damit heißt es umzugehen. Manmal habe i den Eindru, wir müssten, ähnli wie in den er Jahren mit dem Melodram, au unsere ‚Gesiten‘ in andere Verpaungen hüllen, um den Zusauer nur irgendwie dazu zu verführen, sie au sehen zu wollen, beziehungsweise son vorher den Verleiher zu überzeugen, dass er sie überhaupt zeigen will.
Wie geht man damit um, dass man einerseits eine Art Handwerker ist und gerne arbeiten möte und muss, andererseits si aber au als Künstler versteht, der bestimmte Saen ausprobieren möte? Henner Win ler: I glaube, das Problem mit den Subladen, das Sylke benannt hat, besteht. Man hört immer wieder von Produzenten und Redakteuren, der erste Film sei gut gewesen, aber kann der au was anderes? Gleizeitig wird verlangt, dass man si nit wiederholt, sondern fortentwielt. Aber eben nit zuviel, weil dann die Angst groß ist, ein Projekt könnte in den Sand gesetzt werden. I glaube, dass es gerade in der Ausbildung sehr witig ist, viel zu experimentieren und Versiedenes gemat zu haben, um vorzuweisen, dass man sehr untersiedli arbeiten kann, au um dieser Subladengefahr etwas zu entgehen.
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Ann-Kristin Reyels: Das glaube i au. I häe mir im Na hinein gewünst, i häe mehr ausprobiert und no ein wenig experimentiert. I bin ziemli gradlinig dur das Studium dur, und das tut mir ein bissen leid. Natürli kann man immer kleine Kurzlme maen, aber i muss au von irgendwas leben, und das ist, muss i sagen, nit so leit in dem Beruf, trotz der Förderungen, die man bekommt, was ganz herrli ist. Aber i würde wahnsinnig gerne mit meinem eigentlien Beruf als Regisseurin Geld verdienen und nit nur mit Sreiben. Mir hat mein gradliniges Studium den langen Abslusslm besert. Das häe natürli au genauso gut nit klappen können. I häe dann zwar mit dem Drehbu meinen Absluss maen können, aber nit mit dem fertigen Film. Irgendwie ist es au witig, si auf eine Sae zu konzentrieren. Henner Win ler: I glaube, man kann da gar nit taktis drangehen. Man muss das maen, wozu man Lust hat. Wenn kurze Filme einen mehr begeistern, dann muss man kurze Filme maen. Und wenn man an einem langen Film arbeiten will, dann arbeitet man an einem langen Film. I habe zum Beispiel während meines Studiums keinen langen Film gedreht, und das hat dann trotzdem na dem Studium funktioniert. Das Witige ist, dass man das, was man mat, mit Herzblut mat. Florian Gärtner: Also i mag Genrekino gern, i mag au kommerzielles Kino gern. Es ist sehr hilfrei, wenn man fürs Fernsehen arbeiten will, wenn man diese kommerziellen Formate au mag und einen Zugang dazu hat, in einem Genrerahmen zu erzählen, wie in meinem Fall das der „Teenie-SexKomödie“. I wollte so was mal maen, um aus dem alten Muster auszubreen: Lange Einstellungen, wenig Dialog, viele Totalen. I wollte was anderes ausprobieren, weil i wusste, dass i so was au mag. I wollte die Genreerwartungen erfüllen und gleizeitig persönlie Dinge erzählen. So geht es in dem Film au um Selbstbewusstsein, Coming-of-age, zum Teil um Comingout. Das habe i alles unterbringen können in diesem Genreformat. Und ähnli war es au bei den anderen Projekten. Zu Sex up habe i no ein Sequel gemat. I wollte mal sehen, wie das funktioniert. Wie bedient man das, was die Leute aus dem ersten Teil moten, und bringt gleizeitig was Neues rein. Damit bin i auf die Nase geogen. Das war die Sexkomödie mit der niedrigsten Einsaltquote aller Zeiten bei Pro. Damals jedenfalls. Heute würden sie davon träumen, so eine Quote zu haben.
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Henner Win ler: Eine Sae würde i hierzu gerne fragen. Wie war die Arbeit mit Pro? Man hört immer, man habe dort viel weniger Mitspraeret als beim „Kleinen Fernsehspiel“, dass sehr viel vorgegeben wird und die Redakteure und Produzenten viel mehr Mat haben. Aber so wie du das erzählst, war das bei dir eine andere Erfahrung. Florian Gärtner: I hae das Gefühl, wir ziehen am gleien Strang. Wir wollten alle eine Teenie-Komödie maen, die den Markt bedient, wo die Leute einsalten, und die armant und lustig ist. Man muss dazu sagen, dass Pro erst spät dazukam: Wir haben die Gesite über zwei Jahre mit der deutsen Columbia, mit Andrea Willson zusammen entwielt. Das war et traumha, dass wir so lange Zeit haen, um ein Drehbu zu entwieln, das habe i so au nie wieder erlebt. I habe zusammen mit Jakob Hilpert gesrieben, der von der d kommt. Und mit einem Drehbu, das son sehr weit war, sind wir zu Pro gegangen. Die haben nur gesagt: Boah, was für ein tolles Drehbu! So ein tolles Drehbu haben wir son lange nit mehr gelesen. Dadur war von vornherein ein großes Vertrauen da. Henner Win ler: Aber musstest du mal was durboxen gegen Produzenten und Redakteure oder herrste da immer Konsens? Florian Gärtner: Bei Pro musste i nits durboxen. Bei dem letzten Film, beim Feuersi (D ), bin i das erste Mal wirkli auf große Probleme gestoßen, aber nit in der Zusammenarbeit mit der Redaktion, sondern mit dem Produzenten. Der vertrat eine Art Fernsehen, das niemanden fordert und keinem Angst mat. Der Film basiert auf der gleinamigen Novelle von Siegfried Lenz. I wollte einen Film maen, der dieser Novelle entsprit, der verstört, der untergründig arbeitet, der subtil ist. Das hat der Produzent nit verstanden: Der sagte immer, i solle „nit soviel Kunst“ maen. Dabei ging es au um Gewaltdarstellung. In dieser Novelle sterben drei Leute ziemli brutal, aber im Film sollte keine Gewalt vorkommen. Darüber haen wir immer wieder Diskussionen: wie viel Blut jetzt nun zu sehen ist, mal mehr, mal weniger. Wir haben s ließli eine Art Kompromiss gefunden. Er hat si letztendli dann do auf meine Art zu erzählen eingelassen. Jetzt ist es ein Thriller, sehr ruhig, sehr atmosphäris erzählt, in dem si die Spannung langsam auaut. So, wie au Lenz sreibt.
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Wele Rolle spielt der Zugang zum Publikum für eu? Wie witig ist es eine Erzählhaltung zu nden, dur die viele Leute einen Zugang zu euren Filmen nden können? Die Frage stellt si do vermutli gerade bei swierigeren Stoen. Sylke Enders: Du mast die Filme nit allein. Du bist son im Vorfeld mit versiedenen Sitweisen konfrontiert, die ja au mit untersiedlien Lebenshaltungen zu tun haben. Und insofern hast du von Beginn an ein Korrektiv. Der erste Freund, dem du dein Drehbu gibst, der vielleit gar nit aus dem Filmgesä ist, reagiert bereits. Aber trotzdem weiß niemand genau, wie das mit dem Zugang ist. Nur, weil viele Leute in ein Kino gehen, heißt das no lange nit, dass sie einen Zugang zum Film haen, den sie gesehen haben. Und was ist mit den zehntausend, die vielleit einen Zugang zu einem eher swierigen Film haben? Will man die negieren? Deswegen muss man das ein bissen dierenzierter betraten. Es ist sehr swer, klare Kriterien für den Zugang des Publikums zu nden. Aber i nde es bedenkli, wenn bestimmte lmise Erzählmiel, wie beispielsweise die Ellipse, von Redakteuren mit einem Bann belegt werden, weil sie das Publikum angebli nit versteht. Die galt mal als künstlerises Miel. Henner Win ler: Das Publikumargument ist ja häug das Argument, das gegen einen benutzt wird. Glei zeitig weiß aber keiner so ritig, was die Zusauer absret und was nit. I mae mir, ehrli gesagt, sehr wenig Gedanken darüber. I mae mir Gedanken über Leute, die i kenne: was die wohl denken und ob i mi na her für meinen Film sämen werde oder nit. Aber i kann nit an eine abstrakte Zusauerzahl denken, ob das jetzt . Leute oder . Leute interessiert. Ann-Kristin Reyels: I mae mir au gar keine Gedanken darüber, wie viele Leute in meine Filme reingehen. Bei meinem neuen Projekt habe i son öer gehört, wer si das wohl anguen soll. Aber milerweile versließe i da einfa meine Ohren und versue mir, soweit wie mögli, die Saen aus der Kritik rauszupien, die produktiv sind. Sole Argumente wie dass das keiner sehen will nde i aber überhaupt nit produktiv. Dann braut man gar nit erst anzufangen. Sylke Enders: Ehrli gesagt könnte i jetzt nit behaupten, dass i nit selbst zuweilen einer Sere oder Zensur unterlegen bin oder etwa nit von der Meinung eines Produzenten zum Beispiel zu beeinussen wäre. Und so erlebe i es o, dass i vielleit erst mit einem gewissen Trotz oder Widerwillen an Überarbeitungen herangehe, dann aber mitunter zu Kompromissen
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komme, von denen i am Ende au überzeugt bin. Dur die Reibung ist man gezwungen, mit si ins Gerit zu gehen und no mal alles genau zu überdenken, au die möglie Haltung eines Zusauers, was einen duraus weiterbringen kann, jedenfalls mi. Florian Gärtner: I denke sehr wohl an die Zusauer. Bereits im frühesten Stadium, weil i den Wuns habe, etwas zu erzählen. Und i will au verstanden werden. I möte eine Lebenserfahrung teilen, die i gemat habe. Das ist mein Ziel. Und dazu muss i meine Gedanken formulieren und klar ausdrüen. Das hat nits mit Kompromissen zu tun, sondern eher mit Kommunikation. Wo es dann problematis wird, ist, wenn Fragen kommen wie: Wen interessiert das außer dir? Wie viele Leute wollen wir damit erreien? Denn es ist do duraus so, dass ein Film wie KeinOhrHasen (D , Till Sweiger), außer in den Geldbeuteln der Beteiligten, bei den meisten Mensen keinen bleibenden Eindru hinterlässt, während andere Filme, die vielleit nit von so vielen Leuten gesehen werden, sehr tief gehen. I möte Mensen auf eine tiefere Art berühren als das Gros der Unterhaltung. Dazu habe i bestimmte Miel und dafür muss i au immer wieder kämpfen, weil das von den Verantwortlien o nit verstanden wird. I glaube aber, die Zusauer sind gar nit so doof, wie immer gedat wird. Henner Win ler: Aber genau das kommt ja o als Argument, dass man die Saen dümmer maen muss als man es eigentli vorhat, weil das Publikum es sonst angebli nit versteht. Das Argument ist ja o dieses: Au die Oma auf dem Dorf muss es verstehen. Deswegen erkläre es no mal. Dann fängt man an, Saen zu erzählen, die man selber nit mehr sehen will. I glaube, dass die ganze Publikumsdiskussion dazu führen kann, dass die Filme einfa sleter und primitiver werden.
Gibt es eigentli no irgendwo Nisen, wo man jenseits dieser Marktfragen Dinge ausprobieren kann? Kommt man auf die Idee und sagt, jetzt will i mal einen ganz kleinen Film maen oder experimentell werden? Florian Gärtner: Das sage i mir die ganze Zeit. Heutzutage geht das snell, Digitalkamera, Freunde zusammen und dann maen wir mal was und laden das auf den Re ner. I habe jetzt Saen von mir auf „YouTube“ gestellt. Das ist ein Format, wo man si vielleit ausprobieren kann und au ein Publikum ndet. Aber es erfordert trotzdem große Energie, si dahinter zu
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klemmen. Die habe i heute einfa nit mehr so wie früher. Au die Sorge und die Angst, wie i meinen Lebensunterhalt nanziere, sind einfa sehr präsent. Vor allem im Moment. Sylke Enders: I nde, das ist ein Muss. Wir haben zu zweit einen Film nanziert. Der ist bis heute no nit fertiggestellt. Er ist Minuten lang und seit geraumer Zeit in der Phase der Misung, die son so lange dauert, da sie ohne Kosten vollbrat wird. Und i nde, wenn man so was mal gemat hat, hil das, die Zeit zu überstehen, in der man nit drehen kann. Weil man weiß, in der Not wird man es wieder tun und versuen, seinen Film selbst zu nanzieren. Henner Win ler: Romuald Karmakar ist beispielsweise jemand, der so was mat, der seinbar immer am Arbeiten ist. I wünse mir das au manmal und versue es au immer wieder, aber mir fällt es sehr swer, mi voll auf ein Projekt zu konzentrieren, wenn i nit weiß, ob es jemals irgendwo gezeigt wird. I glaube, die Regisseure, die es saen, parallel zum Spiellm au no eine experimentelle oder dokumentarise Form bedienen zu können, haben es viel einfaer, wirkli kontinuierli zu arbeiten.
Muss man si eine bestimmte Position erarbeiten, um wirkli die Dinge realisieren zu können, die man im Kopf hat? Und sind vielleit au bekannte S auspieler hilfrei dabei? Florian Gärtner: I sitze hier und beneide die anderen darum, dass sie Kinolme gemat haben, dass ihre Saen im Kino gelaufen sind und die Aufmerksamkeit der Presse kriegen. I glaube, es ist son sehr witig, dass der Name irgendwo in den Köpfen verankert ist. Mir erseint die Alltagsrealität im Fernsehen so: der Regisseur ist nit witig. Visionen? Wen interessiert das? Witig ist, wer spielt die Hauptrolle. Dann wird gesaut, was war der letzte Film. Und darauf wird man festgelegt. Nadem i diese Teenie-Sexkomödie gemat hae, kriegte i weitere Angebote, Teenie-Sexkomödien zu maen. Eines slimmer als das andere. Dann habe i einen Film mit einer alten Frau gemat und prompt kriege i ein Angebot für einen Film über einen alten Mann. I hae geho, dass i jetzt na dem Feuersi ein paar Thriller angeboten bekomme, aber da kam no mal was über einen alten Mann. Dem kann man si einfa nit entziehen, das ist einfa wahnsinnig stark.
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I glaube, es ist witig, dass man mit Sauspielern kann. Wenn man einen Sauspieler an seiner Seite hat, der eine gewisse Mat hat, der au einen Anspru hat und gerne söne, interessante Saen maen möte, dann kann man relativ viel erreien. Das habe i jetzt beim Feuersi erlebt. Da hae i Axel Milberg und Jan Fedder, die waren beide auf meiner Seite und haben viel mögli gemat. Ann-Kristin Reyels: Bei Jagdhunde hat wahrseinli die Besetzung von Josef Hader entsieden, dass wir den Film maen konnten. Er hae zugesagt, no bevor wir irgendeine Förderung haen. Es ist son interessant, was die Wahl von Sauspielern mit den Filmen mat, oder zumindest mit der Vermarktung. Unser Film ist jetzt auf DVD ersienen und wird als Josef-Hader-Film vermarktet, was der Film nit ist, weil er einfa nit die Hauptrolle spielt. Sylke Enders: Manmal ist es sogar sinnvoll, dass man si einen bekannteren Sauspieler holt und dazu eine Laie, die befruten si ja immer so sön. Der eine färbt auf den anderen ab. Siehe: Gegen die Wand (D/T , Fatih Akin). Es wird immer mehr dana gefragt, wer spielt. Aber das ist swierig, weil man ja au neue Gesiter entdeen will. Na her sind sie alle froh, wenn sie da sind. Aber bis dahin?
Hat das au etwas mit dem Selbstverständnis des deutsen Films zu tun? Verortet ihr eu überhaupt in einem solen nationalen kinematogra sen Rahmen? Oder gibt es heute eher so was wie ein europäis es Kino als dessen Teil ihr eu seht? Sylke Enders: Wir reden zwar über das europäise Kino und das gibt es au und man fühlt si dem zugehörig, aber die meisten guten Saen haben trotzdem immer was mit den eigenen Wurzeln zu tun. Kino ist nit losgelöst von dem Kontext, in dem es entsteht. Aber i mag eben au das dänise und das swedise Kino. Und so etwas in der Art würde i mir au für uns wünsen. Europäise Koproduzenten spielen für uns ja eine immer größere Rolle. Das heißt aber nit, dass wir vorab Gesiten im losgelösten Raum entwerfen, die in allen beteiligten Ländern funktionieren können. Im Gegenteil! Henner Win ler: Um no mal aufs deutse Kino zu kommen: i nde es swierig, mi nur darin zu sehen, weil wir in einer globalisierten Welt leben. Wir sehen Filme aus Japan, aus Hongkong, aus Südamerika, die einen beeinussen. Und auf der anderen Seite gibt es die Leute, mit denen man di-
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rekt befreundet ist und die einen beeinussen. Das ist dann bei mir eher der Berliner Kreis. Was habe i jetzt mit irgendeinem Regisseur, der aus Münen kommt und Komödien mat, mehr gemeinsam als mit einem, der von wo ganz anders herkommt und si für die gleien Filme, die gleien Probleme oder Themen interessiert wie i? Ann-Kristin Reyels: I wüsste au nit, wohin i mi zählen soll, wo i dazu gehöre. Was i bei den „Berliner Sule“-Regisseuren toll nde ist, dass si ein Kreis von Leuten gebildet hat, bei dem es einen Austaus gibt. So einen Austaus gibt es selten zwisen Regisseuren. Das ist aber etwas sehr Wertvolles, unabhängig davon, ob Journalisten sagen, das ist jetzt „Berliner Sule“ und der und die und die gehören dazu. I kann überhaupt nit sagen, ob i mi einem italienisen Regisseur oder Regisseurin näher fühle als irgendeinem deutsen. Florian Gärtner: I habe da ein gespaltenes Verhältnis dazu, weil i lange Jahre in England aufgewasen bin und zur englisen Kultur, au zum angelsäsisen Theater, starke Beziehungen habe. Daher swingen au bei mir die Vorurteile, die über die deutse Kunst, deutses Theater und deutsen Film existieren, bis zu einem gewissen Grad mit, weil das in Deutsland so verkop und theoretis ist, was ja eigentli gar nit der Fall ist. Was i in Deuts land vermisse, ist Genre-Kino in Ritung Fantasy oder Horror. I vermisse das besonders, weil es si dabei um eine Tradition handelt, die eigentli aus Deutsland kommt und die stark mit der deutsen Gesite zu tun hat, aber vollkommen verswunden ist. Im Fernsehen geht so was gar nit. Allenfalls als slimmste Abklatse von Hollywood-Filmen. Das nde i sehr traurig. Das sind Traditionen, die i gerne wieder beleben möte, wozu i au mehrere Versue gestartet habe. Es gibt in den USA diese Fernsehserie True Blood (USA , Alan Ball), in der es um Vampire geht, die i ganz grandios nde. Wie da mit Vampiren umgegangen wird, auf einem sozialrealistisen Level, mit Humor, so was würde i wahnsinnig gerne maen. Aber da bin i in Deutsland bisher auf taube Ohren gestoßen. Insofern fühle i mi als so halbgespaltener Deutser.
Du hast gerade von Traditionen im deutsen Film gesproen. Spielt für eu au der Bezug zur Filmgesite eine Rolle? Haben eu frühere Filme auf eurem Weg geprägt?
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Florian Gärtner: Als i mi vorgestellt habe, habe i erwähnt, dass i Medienwissensa an der Freien Universität Berlin studiert habe. Das habe i sehr abfällig gesagt, aber gerade bereue i das, denn i habe dort au viel Sönes erlebt. Das Tolle war, dass i ganz viele Filme sehen konnte, auf die i sonst vielleit nit gestoßen wäre. I denke, das ist an einer Filmhosule ähnli, dass man Klassiker gut. Für mi war in Berlin au das „Kino Arsenal“ immer sehr witig. Da war i früher sehr o, um Filme im Kino sehen zu können, die für mi prägend waren. Da fanden si Elemente, die i ritiggehend versut habe zu kopieren, zu klauen. Früher habe i viele Filme nagespielt. Einmal habe i sogar mit meinen Freunden eine Szene Einstellung für Einstellung nagestellt. Ohne sole Vorbilder kann man nit existieren. Obwohl i merke, dass mein Interesse jetzt nagelassen hat. Inzwisen bin i sneller gelangweilt von älteren Filmen und mir fehlt öers die Geduld. Sylke Enders: Mir geht es genau umgekehrt. I tummle mi gerne in den ern und bin überhaupt nit gelangweilt. Oder aktuelle Fernsehserien, die verblüen mi total. Sobald man diese Satzkiste Film ö net, merkt man, dass das Fahrrad nit neu erfunden werden kann. Dann fällt au so eine Arroganz ab. I nde es frevelha, wenn junge Studenten Film studieren und zu Fellinis ½ (I/F ) sagen: Muss das sein? – Das kapiere i nit. Wo ist die Neugierde? Vielleit fehlt dann au bei den Dozenten die Leidensa, die eigentli übertragen werden sollte. Von all den Vorbildern protierte son so maner kommerzielle Filmemaer. Es ist do toll zu entdeen, welen Einuss ein Fellini auf einen Blobuster hat, der so einige Zitate aufweist. Henner Win ler: Für mi war Filme sehen überhaupt die Grundlage, Filme zu maen. Aber i nde es normal, wenn man si als Filmstudent dann au davon distanziert und Fellini slet ndet, weil man si damit au von einem Konsens abheben will. Aber wenn man älter wird, merkt man, was man da hat. Sylke Enders: Vielleit kann i dieses Wort „slet“ swer ertragen und wünste mir, der Filmstudent würde beginnen, si von solen Kategorien wie ritig-fals-slet-gut in der Auseinandersetzung mit den Filmen zu verabsieden, sließli will man selbst au nit mit sol kläglien einsilbigen Urteilen konfrontiert werden. Henner Win ler: Das stimmt. Aber i glaube au, dass es relativ normal ist, dass man als Student erst mal gegen vieles einen Widerstand entwielt,
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um si selber überhaupt zu nden. Das ist au eine Abwehrhaltung, und eine gewisse Arroganz gönne i au Regiestudenten. I glaube, manmal kommt dann die Weisheit später. Ann-Kristin Reyels: Es gibt viele Filme, die mi zu bestimmten Zeiten und au immer mal wieder aufs Neue extrem beweget haben. Ein Film, der mir gerade ganz spontan einfällt und den i wirkli großartig nde, ist Badlands (USA ) von Terence Mali. I halte die Filmgesite für extrem witig. I nde sogar, dass man das no häuger maen sollte, als wir das in der Sule gemat haben.
Autorinnen und Autoren
Tobias Ebbret, Filmwissensaler, Promotion an der Freien Universität Berlin, von – wissensalier Mitarbeiter für Film- und Mediengeschichte an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg, seit November Postdoktorand im Graduiertenkolleg „Mediale Historiographien“ und wissensa lier Mitarbeiter an der Bauhaus-Universität Weimar. Veröffentlichungen zu medialen Geschichtsdarstellungen, insbesondere der lmisen Repräsentation von Holocaust und Nationalsozialismus. Mitherausgeber von „DDR – Erinnern, Vergessen. Das visuelle Gedätnis des Dokumentarlms“ (zus. m. H. Ho mann und J. Sweinitz, Marburg, ) und Autor von „Bilder hinter den Worten. Über Romuald Karmakar“ (Berlin, ). Thomas Elsaesser ist Professor Emeritus an der Fakultät Medien und Kultur der Universität von Amsterdam und seit Gastprofessor an der Yale University. Neuere Buveröentliungen u.a.: „European Cinema: Face to Face with Hollywood“ (Amsterdam, ), „Terror und Trauma: über die Gewalt des Vergangenen in der BRD“ (Berlin, ), „Filmtheorie: zur Einführung“ (mit Malte Hagener, Hamburg, ) und „Hollywood Heute“ (Berlin, ). Sylke Enders ist in Brandenburg geboren und studierte von bis zunäst Soziologie, hat dann ihr Studium an der Film- und Fernsehakademie in Berlin (d) absolviert. Ihr Kinodebüt Kroko ers ien . Der zweite lange Kinolm Hab’ mi lieb! ist in die Kinos gekommen. veröentlite sie das Drama Mondkalb und inszenierte den Kurzlm Sieage im Rahmen des Episodenlms Deutsland , der auf der Berlinale uraufgeführt wurde. Florian Gärtner, geboren
in Korba-Walde, hat son zu Sulzeiten als Super- -Autodidakt begonnen Filme zu drehen. Studium der Anglistik und Medienwissensa in Marburg und Berlin, hat Theater gemat, neben vielen Film- und Fernsehproduktionen au Kinodrehbüer gesrieben. Eine Auswahl seiner Filme: Draenland von , Sex up – Jungs haben’s au nit leit von und zuletzt Das Feuersi von .
T. Schick, T. Ebbrecht (Hrsg.), Kino in Bewegung, DOI 10.1007/978-3-531-92804-3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Autorinnen und Autoren
Randall Halle ist Klaus W. Jonas Professor of German Film and Cultural Studies an der University of Pisburgh. Er hat zahlreie Aufsätze und Beiträge zum deutsen Film unter transnationaler Perspektive veröentlit. Zuletzt ist von ihm die Monograe „German Film aer Germany. Toward a Transnational Aesthetic“ (Urbana/Chicago, ) ersienen. Alfred Holighaus ist Gesäsführer der Deutsen Filmakademie e.V. Von Juni bis Februar war er Leiter der Abteilung „German Relations“ bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin und der Berlinale-Sektion „Perspektive Deutses Kino“. Darüber hinaus ist er als freier Produzent und Autor tätig und war Mitglied zahlreier Film- und Fernsehjurys, u.a. für den Adolf-Grimme Preis, den Max-Ophüls-Preis und den Babelsberger Medienpreis. Er ist Herausgeber von „Der Filmkanon – Filme, die Sie kennen müssen“ (Berlin, ). Mariana Ivanova, M.A., lehrt deutse Sprae und Kultur an der Universität von Texas in Austin, wo sie zur Zeit ihre Dissertation über lmise Beziehungen zwisen DEFA und osteuropäisen Filmstudios sreibt. Ihre bisherige Forsung wurde vom DAAD, der DEFA-Sti ung, dem Kulturministerium Bayern, dem bulgarisen Filmariv und dur mehrere Stipendien der Universitäten in Augsburg und in Austin gefördert. Sie ist Autorin von Aufsätzen über die Rezeption der Mauer in Filmen von bis und über die Zusammenarbeit von Konrad Wolf und Angel Wagenstein. Vorsitzende des Graduate Student Caucus bei der German Studies Association in den USA. Anna Jurzik, geb. , studierte angewandte Medienwirtsa an der Hosule Miweida (B.A.) und Medienwissensa: Analyse, Ästhetik, Publikum an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in PotsdamBabelsberg. Sie war Mitorganisatorin des Internationalen Studentenlmfestivals sehsüte und sloss ihr Studium (M.A.) mit einer Untersuung über „Abslusslme deutser Filmhosulen und Filmfestivals“ ab. Guido Kirsten, M.A. Filmwissensa an der FU Berlin, von – wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt „Zurück zur Leinwand“ an der Friedri-S iller-Universität Jena. Seit Oktober Mitarbeiter im NCCR Mediality: Medienwandel – Medienwesel – Medienwissen der Universität Züri mit einem Dissertationsprojekt zur Theorie und Ges ite des filmischen Realismus. Publikationen u.a.: „It’s evolution theory, baby. Vorüberlegungen zu einer evolutionstheoretisen Filmhistoriographie“ (in: Medien – Texte – Kontexte. Hg. v. Stephanie Großmann & Peter Klimczak. Marburg, ); „Die Liebe zum Detail. Bazin und der ‚Wirkli keitseekt‘
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im Film“ (in: montage AV ,, ). Seit Mitherausgeber der Zeitsri montage AV. Philipp Lang, geb. , studierte Medien- und Kulturwissensa an der Heinri-Heine-Universität Düsseldorf und Medienwissensa: Analyse, Ästhetik, Publikum an der Hosule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg. Er war Mitorganisator des Internationalen Studentenlmfestivals sehsüte und sloss sein Studium (M.A.) mit einer Untersuung zu „Filmfestivals und Publikumsinteressen“ ab. Petra Lö er ist Universitätsassistentin am Institut für Theater-, Film- und Medienwissensa der Universität Wien und forst zur Diskurs- und Mediengesite der Zerstreuung, über Mimik und Gestik im Film sowie zur Aräologie der Moderne. Veröentliungen (Auswahl): „Medientheorien
– . Texte und Kommentare“ (mit Albert Kümmel, Frankfurt a.M., ); „Aektbilder. Eine Mediengesite der Mimik“ (Bielefeld, ); „Gesiter des Films“ (mit Joanna Bar, Bielefeld, ); „Swindel, Hysterie, Zerstreuung. Zur Aräologie massenmedialer Wirkungen“ (in: Trancemedien und Neue Medien um , Hg. v. Marcus Hahn & Erhard Sü pelz. Bielefeld, ); „Lit, Spur, Messung. Kritik des fotograsen Bildes“ (in: Bild/Kritik. Hg. v. Bernhard Dotzler. Berlin, ). Laura G. McGee, Dr. phil., Germanistin, lehrt als Associate Professor an der Western Kentuy University in Bowling Green (USA) und ist derzeit Fabereisleiterin für moderne Fremdspraen. Forsungsswerpunkt: Filme von Absolventen und Absolventinnen der HFF „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg. Veröentlichungen dazu in: „Colloquia Germanica“ (/ ); „German as a Foreign Language“ (/ ); Wendy Evere & Axel Goodbody (Hg.) „Revisiting Space: Space and Place in European Cinema“ (Oxford, ); „Film History“ (/ ); „German Studies Review“ (/ ). Zurzeit arbeitet sie über das Filmsaen von Andreas Dresen. Lothar Mikos, Professor für Fernsehwissensa an der Hosule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg und gesäsführender Direktor des Eri-Pommer-Instituts für Medienret, Medienwirtsa und Medienforsung. Forsungsswerpunkte: Medienkonvergenz; Lokale Formatadaptionen im globalen Fernsehmarkt; Globaler Sport/Medien-Komplex; Mediale Gewaltdarstellungen; Internationales Kinderfernsehen; Medien und gesellsalier sowie sozialer Wandel; Medien und Alltagskultur; Populärkultur und Cultural Studies; Qualitative Methoden der Medienforsung. Pu-
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blikationen u.a.: „Film- und Fernsehanalyse“ (. überarbeitete und erweiterte Auage, Konstanz, ); „Innovation im Fernsehen am Beispiel von QuizshowFormaten“ (mit S. Armbruster, Konstanz, ) Tobias Mosig, ist Diplom-Film- und Fernsehwirtschaftler (Absolvent der HFF „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg im Studiengang Film- und Fernsehproduktion). In der Abs lussarbeit seines Filmstudiums mit dem Titel „Goethe-Institut e.V.: Weltvertrieb für deutse Filme? – Das Goethe-Institut als kultureller Botsaer des deutsen Films im Ausland und dessen aktuelle Zusammenarbeit mit German Films und den deutsen Weltvertrieben“ (Berlin, ) untersute er erstmals die weltweiten kulturellen Filmaktivitäten des Goethe-Instituts. Diese Diplomarbeit wurde in der S rienreihe des Eri Pommer Instituts veröentlit und mit dem „Förderpreis Auswärtige Kulturpolitik“ der Alexander Rave-Sti ung des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) in Stugart ausgezeinet. Elizabeth Anna Prommer, Dr. phil.; geboren in Palo Alto, Calif., USA; aufgewasen in Münen. Arbeits-, Publikations- und Forsungsswerpunkte: Publikums- und Rezeptionsforsung mit dem Swerpunkt audiovisuelle Medien (Kino, Fernsehen und Internet), Methoden der empirisen Sozialforsung, Filmmarkt und Filmmarketing. Studium in Los Angeles, Münen und Leipzig. Derzeit Vertretungsprofessorin an der Universität Hamburg für Methoden der Medien- und Kommunikationsforsung. Unterritete zuvor Kommunikations- und Medienwissensa sowie Medienforsung an der Hosule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg. Lehrtätigkeiten an der Universität Münen, der Filmhosule Münen und Vertretungsprofessuren an der Universität der Künste in Berlin. Zusätzli zur Wissensa: seit Gründung einer Beratungsrma für Publikumsforsung, spezialisiert auf den Kinomarkt. Kunden sind Spiellmproduzenten und Filmverleiher. Versiedene Vortragstätigkeiten für die Medienpraxis, wie den Verband der Arthaus-Kinos EU oder der europäisen Organisation der Arthaus-Filmverleiher. Andy Räder, Jg. , Studium der Gesite, Anglistik/Amerikanistik und Medienwissensa an der Universität Potsdam und der Hosule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg; davor wissensalier Mitarbeiter an der Universität Potsdam; seit Projektmitarbeiter an der HFF „Konrad Wolf“. Forsungsswerpunkte: Deutse Filmgesite, DEFA-Film, DDR-Gesite, Weimarer Kino, Kindheit und Film.
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Ann-Kristin Reyels, in Leipzig geboren, von bis versiedene Praktika und Assistenzen bei Film- und Fernsehproduktionen, Regiestudium an der Hosule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in PotsdamBabelsberg, wo sie ihren Abslusslm Jagdhunde hergestellt hat, mit dem sie sehr erfolgrei auf der Berlinale debütierte. Drehli Robnik, Filmwissensaler, Promotion an der Universität Amsterdam, Autor von: „Film ohne Grund. Filmtheorie, Postpolitik und Dissens bei Jacques Rancière“ (Wien, ); „Ges itsästhetik und Aektpolitik. Stauenberg und der . Juli im Film – “ (Wien, ); Key Researer des FWFProjekts „Gesitlikeit des Films anhand von Hollywoods (Re-)Visionen des Zweiten Weltkriegs“ (Ludwig Boltzmann-Inst. für Gesite und Gesellsa, – ); weitere Forsungsgebiete: Theoretise Zugänge zu Film und Politik, Nationalsozialismus im Kino und Fernsehen, Horror- und Kriegslm; Lehre: Universität Wien, J. W. Goethe-Univ. Frankfurt/M., Masaryk-Univ. Brno; „lebt“ in Wien-Erdberg. Thomas Si , Studium der Theater- und Medienwissensa in Erlangen und Wien. Lehrau räge am Institut für Theater- und Medienwissensa der Universität Erlangen-Nürnberg. Wissensalier Mitarbeiter für den Berei Film- und Medienges ite an der Hosule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg. Promotionsprojekt zum Thema emotionales Erleben von Spiellmen. Zusammen mit Tobias Ebbret hat er „Emotion – Empathie – Figur: Spielformen der Filmwahrnehmung“ (Berlin, ) herausgegeben. Paula Syniawa, geb. in Berlin, studierte Kommunikationswissensa und Literaturwissensa an der Universität Erfurt (B.A.) und Medienwissensa: Analyse, Ästhetik, Publikum (M.A.) an der Hosule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg. Sie war Mitorganisatorin des Internationalen Studentenlmfestivals sehsüte und arbeitet als Drehbulektorin. Ihr Studium an der HFF sloss sie mit einer Untersuung zu den Prolen deutser Filmfestivals ab. Miael Wedel, Dr., Professor für Mediengesite im digitalen Zeitalter an der Hosule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg. Ausgewählte Publikationen: „Die Spur dur den Spiegel. Der Film in der Kultur der Moderne“ (hrsg. mit M. Hagener & J. N. Smidt, Berlin, ); „Der deutse Musiklm. Aräologie eines Genres – “ (Münen, ); „Die ‚Herr der Ringe‘-Trilogie. Araktion und Faszination eines populärkultu-
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rellen Phänomens“ (mit L. Mikos, S. Ei ner & E. Prommer, Konstanz, ); „Konrad Wolf – Werk und Wirkung“ (hrsg. mit Elke S ieber, Berlin, ); „Filmgesite als Krisengesite. Snie und Spuren dur den deutsen Film“ (Bielefeld, ). Claudia Wegener, Professorin für AV-Medienwissenschaft an der Hochsule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ Potsdam Babelsberg. Stellvertretende Vorsitzende im Kuratorium des Kinder- und Jugendlmzentrums in Deutschland. Arbeitsschwerpunkte: Kinder- und Jugendmedienkultur, Medienrezeption und -aneignung, Sozialisationsforsung, qualitative Forsungsmethoden. Publikationen in Auswahl: „Kindheit und Film. Gesite, Gegenwart und Perspektiven des Kinderlms in Deutsland“ (hrsg. mit Horst Säfer, Konstanz, ); „Handbu Mediensozialisation“ (hrsg. mit Ralf Vollbret, Wiesbaden ); „Kinder, Kunst und Kino. Grundlagen zur Filmbildung aus der Filmpraxis“ (hrsg. mit Dieter Wiedemann, Münen, ). Dieter Wiedemann ist Präsident der Hosule für Film und Fernsehen (HFF) „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg. Bis war er Direktor des Instituts für Medienforsung und ansließend Gründungsbeauragter des Studiengangs AV-Medienwissensa der HFF. Dort wurde er zum Professor berufen. Publikationen zu kunst- und mediensoziologisen Themen, zu Fragen der Kunst- und Medienwirkungsforsung, zu Kinderlm und -fernsehen, zur Medienpädagogik sowie zur Aufarbeitung und kritisen Wertung des DEFAFilmerbes und des Kinderfernsehens der DDR. Henner Win ler, geboren in Hünfeld, studierte „Visuelle Kommunikation und Film“, zunäst an der Hosule für Gestaltung, Oenba und dann bis an der Hosule für Bildende Künste in Hamburg, wo er sein Diplom erworben hat und seitdem als freier Autor und Regisseur tätig ist. bis arbeitete er als künstleriser Mitarbeiter an der Hosule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg. Zu seinen Filmen zählen Klassenfahrt von und Lucy von . Anke Zwirner ist seit März Referentin für den Berei Nawusförderung bei der Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH. Außerdem ist sie Jurorin des Businessplanwebewerbs der Landesbanken Berlin und Brandenburg und beendete im Sommer ihre Dissertation zum Thema Filmnanzierung und Filmförderung in Deuts land aus Sit junger Produktionsunternehmen. Von bis war sie künstleris-wissensalie Mitarbeiterin im Studiengang Film- und Fernsehproduktion der Hosule für Film und
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Fernsehen „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg. Weiterhin arbeitete sie als Produktionssekretärin, Produktionsassistentin, Aufnahme- und Produktionsleiterin bei nationalen und internationalen Film- und Fernsehprojekten (u.a. für Ziegler Film, CCC-Filmkunst, Eikon Film, TiMe Film, Provobis).