Geister Killer � Nr. 28 �
W.A. Hary �
Köder in der � Geisterfalle �
Auch nachts bewegte sich Rick Masters ziemlich ...
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Geister Killer � Nr. 28 �
W.A. Hary �
Köder in der � Geisterfalle �
Auch nachts bewegte sich Rick Masters ziemlich unbesorgt auf Londons Straßen. Er war in der Vergangenheit stets erfolgreich gewesen und hatte unzählige Gegner zur Strecke gebracht. Er wußte, wie viele Feinde er hatte. Nicht nur Geister und Dämonen versuchten von Zeit zu Zeit, ihn umzubringen. Auch Schwarzmagier waren hinter ihm her. Seit einiger Zeit wußte er, daß sie eine eigene Organisation besaßen mit einem Großmeister an der Spitze. Jeder Schwarzmagier der Welt, jeder Anhänger des Bösen kam als Attentäter in Frage. Rick verging trotzdem nicht vor Angst. Einmal hatte er gute Nerven, außerdem besaß er Waffen, mit denen er bisher jede Situation gemeistert hatte. Dracula war eine wertvolle Hilfe. Der winzige Mischling hatte seinem Herrn oft das Leben gerettet. Er fühlte nämlich die Wirkung schwarzmagischer Kräfte viel früher als Menschen. Das machte sein scharfer Instinkt. Auch an diesem Abend um halb zehn Uhr benahm Rick sich nicht so, als wäre er Zielscheibe feindlicher Angriffe. Er schlenderte mit Dracula die Straße entlang und näherte sich St. Paul's Cathedral. Wenn Hazel das Abendessen bereitete, brauchte sie einige Zeit. Sie mochte es nicht, daß Rick ihr dabei zusah. Also verband der Geisterdetektiv diese Gelegenheit mit einem Spaziergang, der Dracula und ihm guttat. Nachts war die City von London weitgehend ausgestorben. Nur tagsüber drängten sich hier Menschenmassen. Rick genoß die Stille. Der Regen hatte aufgehört. Nur der Asphalt glänzte noch an einigen Stellen feucht. Sie erreichten eine dunklere Querstraße und bogen um die Ecke. Ein Mann kam ihnen entgegen. 3 �
Dracula knurrte kurz. »Ist gut, ich habe ihn gesehen«, sagte Rick lächelnd zu seinem vierbeinigen Begleiter. Dieses warnende Knurren gab Dracula immer von sich, wenn er seinen Herrn auf einen näherkommenden Menschen aufmerksam machen wollte. Gleichzeitig bedeutete es, daß diese Person nichts mit Schwarzer Magie zu tun hatte. Dann wäre Draculas Reaktion nämlich ganz anders ausgefallen. Ahnungslos ging Rick weiter. Dracula blieb an seiner Seite. Der Fremde kam näher. Im Schein einer Straßenlaterne sah Rick blonde Haare. Das Gesicht war noch sehr jung. Anfang zwanzig, schätzte Rick. Es war eben nicht besonders hell in der Straße, so daß er den jungen Mann erst im letzten Moment erkannte, als sie schon auf gleicher Höhe waren. Rick blieb stehen. Das war doch Bobby Fogerty, dachte er. Was für ein seltsamer Zufall! Vor kurzer Zeit noch hatte er mit Hazel über den jungen Fußballstar gesprochen, und nun standen sie einander gegenüber. »Entschuldigen Sie«, sagte Rick lächelnd. »Ich wollte Sie nicht aufhalten.« »Keine Ursache.« Bobby lächelte. »Es passiert mir oft, daß Leute auf der Straße stehenbleiben.« »Sie sind Bobby Fogerty, nicht wahr?« fragte Rick und musterte den athletischen jungen Mann in dem dunklen Anzug noch einmal. »Ja, allerdings.« Bobby Fogerty lächelte breiter. »Und Sie sind Rick Masters, der bekannte Detektiv, nicht wahr?« Rick trat erstaunt einen Schritt zurück. Damit hatte er nicht gerechnet. Die Zeitungen schrieben schon einmal über ihn, wenn er einen spektakulären Fall hinter sich gebracht hatte. Sie druckten auch Fotos von ihm ab. Er mochte diesen Rummel nicht und 4 �
hielt sich deshalb bei der Presse sehr zurück. Deshalb erstaunte es ihn, daß Fogerty ihn erkannte. »Ja, der bin ich«, gab Rick zu. »Das freut mich.« Bobby Fogerty streckte Rick die Hand entgegen und trat näher. »Ich wollte schon immer einmal mit Ihnen zusammentreffen.« »Interessieren Sie sich für meine Sparte?« fragte Rick und ergriff Fogertys Hand. Es passierte so schnell, daß Rick Masters ausnahmsweise zu spät reagierte. Ohne jede Vorwarnung ließ Bobby Fogerty Ricks Hand los. Seine Faust zuckte hoch und traf den Geisterdetektiv am Kinn. Und als Rick benommen zurücktaumelte, setzte Fogerty nach. Wieder kam seine Hand hoch. Eine Messerklinge blitzte. Er stach nach Ricks Brust. Die Klinge zielte auf das Herz des Geisterdetektivs. Rick war von dem Angriff so überrumpelt und von dem ersten Schlag so benommen, daß er nur eine schwache Drehung zustande brachte. Die Klinge fuhr zwischen seinem linken Arm und seinem Brustkorb durch und zerfetzte seine Lederjacke. Bobbys Faust traf Rick und drehte ihn halb um die eigene Achse. Dann war auch schon Ricks Schrecksekunde vorbei. Ein ungeheurer Zufall hatte ihm das Leben gerettet. Seine Hand schnellte vor. Er beherrschte Kampfsport, und sein Treffer hätte jeden anderen Mann gefällt. Nicht so Bobby Fogerty. Der Fußballstar ließ zwar das Messer fallen und wankte, aber er ging nicht zu Boden. Rick wollte nachschlagen, doch er brachte es nicht über sich. Auch er kannte Bobby nur als netten Blondschopf, dem niemand böse sein konnte. Es widerstrebte ihm, den jungen Mann nieder5 �
zuschlagen. Das rächte sich auf der Stelle. Fogerty tat nur so, als wäre er schwer angeschlagen. Mitten in einer taumelnden Bewegung schnellte er sich vorwärts, tauchte unter Ricks Griff durch und hob sein Messer auf. Rick kam nicht dazu, nach seinem Schulterhalfter zu greifen. Er mußte mit bloßen Händen den Angriff abwehren. Er wich blitzschnell aus, daß die Messerspitze haarscharf an seiner Hüfte vorbei rasierte. Seine Faust beschrieb einen Halbkreis und erwischte Fogerty, trieb ihn zurück und hielt ihn diesmal auf Distanz. Bobby Fogerty hatte etwas abbekommen. Er war nicht mehr so schnell. Rick wechselte den Standort. Er durfte Bobby nicht schonen, sonst ging es ihm an den Kragen. Aus den Augenwinkeln sah Rick seinen Hund. Dracula versuchte, mit gefletschten Zähnen auf Fogerty loszugehen. Trotz seiner Winzigkeit besaß Dracula eine Menge Mut. Doch er zeigte keine Schwarze Magie an. Rick ließ Fogerty keine Zeit zur Erholung. Er ging zum Angriff über, wischte mit einem Schlag das Messer aus Bobbys Hand und schlug noch einmal zu. Fogerty war hart im Nehmen. Das hatte er auf dem Fußballfeld schon oft bewiesen. Er kam nicht mehr an sein Messer heran, und er konnte Rick auch nicht mehr angreifen. Er gab aber auch nicht auf, sondern wandte sich zur Flucht. Rick kam es auf das Messer an. Bobby trug keine Handschuhe. Seine Fingerabdrücke mußten auf dem Griff und der Klinge zu finden sein. Mit seinem Taschentuch umwickelte er den Griff, hob das Messer auf und Wollte hinter Fogerty herlaufen. Er hörte jedoch nur 6 �
noch die sich hastig entfernenden Schritte seines Gegners. Rick entdeckte einen schmalen Durchgang, der zwei Häuser weiter begann. Diese Straße war für einen Überfall mit anschließender Flucht wie geschaffen. Es, hatte keinen Sinn, hinter Bobby Fogerty herzulaufen. Rick ließ das Messer in seiner Brusttasche verschwinden, streichelte Dracula, lobte ihn für seinen Mut und machte sich auf den Rückweg. Fünf Minuten später betrat er abgekämpft sein Wohnbüro. »Das Essen ist fertig«, empfing ihn Hazel bester Laune. »Mir ist der Appetit vergangen«, erwiderte Rick. »Soeben hat Bobby Fogerty versucht, mich umzubringen.« Hazel blickte ihn groß an. Dann legte sie den Kopf in den Nacken und begann schallend zu lachen. Rick hob den linken Arm und zeigte ihr die zerschnittene Jacke. Aus dem Riß sickerte auch ein wenig Blut. Jetzt lachte Hazel nicht mehr… * »Was… was ist geschehen?« fragte sie stammelnd und bemühte sich um Haltung. Hazel Kent führte nicht umsonst ihr eigenes Wirtschaftsimperium selbst. Sie verlor nicht so schnell die Nerven. »Ist es ernst? Brauchst du einen Arzt?« »Nein«, winkte Rick ab und ließ sich in einen Sessel fallen. »Hol bitte Verbandszeug aus dem Bad. Es ist nur ein Kratzet von einem Messer, sonst nichts.« »Nur ein Kratzer, sonst nichts!« Kopfschüttelnd lief Hazel ins Bad und kam mit dem Erste-Hilfe-Kasten wieder. »Wer hat dich denn nun angegriffen?« Rick zog mit ihrer Hilfe die Jacke und das Hemd aus. Der 7 �
Schnitt war wirklich nicht tief gegangen. »Bobby Fogerty«, sagte er. »Rick!« Hazel packte die Medikamente und das Verbandszeug aus. »Jetzt ist nicht der richtige Moment für Scherze.« »Es war Bobby Fogerty, Hazel«, versicherte Rick. »Mir ist nicht nach Scherzen zumute.« Hazel reinigte und verband die Wunde mit geschickten Fingern. Dabei schwieg sie. Als sie fertig war, legte Rick seine Hand unter ihr Kinn. Er küßte sie auf den Mund. »Danke«, sagte er mit einem matten Lächeln. »Ich sehe, wie es hinter deiner Stirn arbeitet. Aber es ist wirklich wahr, es war Bobby Fogerty.« Er beschrieb ihr in allen Details das Zusammentreffen. Sie hörte fassungslos zu. »Kann es denn kein Doppelgänger gewesen sein?« fragte sie zuletzt verstört. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß Bobby Fogerty… nein, ausgeschlossen!« »Das müßte schon ein Zwillingsbruder gewesen sein«, behauptete Rick. »Eine solche Ähnlichkeit kann es nicht geben.« Hazel schüttelte noch den Kopf, als Rick nach dem Telefon griff und Chefinspektor Hempshaw von Scotland Yard anrief. Der Chefinspektor war Ricks bester und ältester Freund. Außerdem arbeiteten beide oft in schwierigen Fällen zusammen. Der Chefinspektor war diesmal nicht im Yard, so daß Rick es bei ihm zu Hause versuchen mußte. Hempshaw hob nach dem dritten Klingelzeichen ab. »Hallo, Rick!« rief er erfreut. »Sie rufen mich aber spät an! Haben Sie heute das phantastische Fußballspiel gesehen? Dieser Bobby Fogerty ist ein Teufelskerl.« »Vielleicht ist er das im wahrsten Sinn des Wortes«, erwiderte Rick seufzend. »Können Sie zu mir kommen?« 8 �
»Es ist schon reichlich spät.« Der Chefinspektor zögerte. »Wie soll ich denn Ihre Bemerkung wegen des Teufelskerls verstehen, Rick? Stimmt etwas nicht?« »Kommen Sie her, dann sprechen wir weiter«, bat Rick. »Also gut, ich bin in einer Viertelstunde bei Ihnen«, erklärte Chefinspektor Hempshaw. »Jetzt haben Sie mich neugierig gemacht. Ich möchte wissen, was los ist.« »Dann beeilen Sie sich«, riet Rick und legte auf. Hazel hatte das Gespräch verfolgt, weil Rick den Telefon Verstärker eingeschaltet hatte. Sie sah ihren Freund fragend an. »Meinst du wirklich, daß Bobby Fogerty etwas mit Schwarzer Magie zu tun hat?« erkundigte sie sich. »Er ist ein Teufelskerl im wahrsten Sinn des Wortes, hast du gesagt.« Rick warf einen nachdenklichen Blick auf Dracula. »Er hat nichts angezeigt«, sagte er und deutete auf seinen Hund. »Demnach stand Fogerty in diesem Moment auch nicht unter magischem Einfluß. Deshalb bin ich auch so sicher, daß Fogerty echt und keine magische Kopie war. Aber welchen Grund sollte der Fußballstar haben, mich umzubringen? Ausgerechnet mich, einen Geisterdetektiv, der nichts mit Fußball zu tun hat?« »Das frage ich mich auch«, murmelte Hazel. In ihrer Stimme schwangen deutliche Zweifel mit. »Ich merke schon, ich werde einen schweren Stand haben«, sagte Rick seufzend. »Kein Mensch wird mir glauben.« »Doch, ich glaube dir«, versicherte Hazel rasch. »Obwohl es mir schwerfällt«, schränkte sie ein. Nun brachte Hazel endlich das sehr verspätete Abendessen. Sie hatte es eben aufgetragen, als der Chefinspektor eintraf. Daraufhin stellte sie noch ein Gedeck auf den Tisch. Rick hielt seinen Hund fest, damit Hempshaw nicht sofort gebissen wurde. Der kleine Vierbeiner haßte aus unbekannten Gründen den tierliebenden Chefinspektor. Hempshaws Hosen9 �
beine und Waden hatten schon oft Bekanntschaft mit Draculas Zähnen geschlossen. »Haben Sie da einen Verband?« fragte Hempshaw, als Ricks Hemd vorn aufklaffte. »Bobby Fogerty hat versucht, mich zu erstechen«, erklärte Rick Masters. Der vierschrötige, bullige Chefinspektor warf Rick Masters einen langen, forschenden Blick unter seinen dichten Brauen hervor zu. »Scherz oder Ernst?« fragte er endlich. »Bitterer Ernst.« Rick seufzte ausgiebig. »Hazel hat mich deshalb schon wie einen Verrückten angestarrt. Es war Fogerty.« Der Geisterdetektiv gab zum zweiten Mal ein genaue Schilderung der Vorfälle. »Jetzt erinnere ich mich an was«, flocht Rick zuletzt ein. »Als ich Bobby Fogerty abwehrte, habe ich den Knopf seiner Anzugsjacke abgerissen. Ich habe ihm außerdem das Hemd zerrissen. Und er hat einen Kratzer von meinem Fingernagel auf der Brust. Wenn Sie das überprüfen, haben Sie den Beweis, Kenneth.« Chefinspektor Kenneth Hempshaw schüttelte den Kopf. »Bei aller Freundschaft, Rick, aber diesmal verlangen Sie ein wenig zuviel. Sehen Sie das nicht ein?« »Nein«, sagte Rick heftig. »Absolut nicht. Fogerty wollte mich umbringen! Ich verlange, daß die Polizei den Fall untersucht.« »Okay!« Hempshaw hatte fertig gegessen und lehnte sich zurück. »Dann fahre ich also jetzt mit meinen Leuten zu Fogertys Haus und klingle ihn und seine Familie aus den Betten. Dann führe ich eine große Untersuchung durch. Inzwischen rückt eine Reportermeute an und fällt über mich her. Und morgen überschlagen sich die Zeitungen mit Berichten über die rüden Methoden von Scotland Yard.« »Rüde Methoden, wenn Sie einen Mordanschlag 10 �
untersuchen?« fuhr Rick auf. »Rüde Methoden, wenn es um den Liebling der Nation geht«, hielt Hempshaw ihm entgegen. »Was meinen Sie, was los ist, wenn sich herausstellt, daß wir Fogerty zu Unrecht verdächtigt haben?« »Sie verdächtigen ihn nicht zu Unrecht«, fauchte Rick, der allmählich die Nerven verlor. »Doch!« Hempshaw nickte. »Ich weiß nämlich zufällig, daß Bobby Fogerty im Moment im Statler Hotel an einer großen Feier teilnimmt. Ich weiß es deshalb so genau, weil Scotland Yard zum Schutz der Gäste einige Kriminalbeamte abgestellt hat.« Rick schüttelte den Kopf. »Das überzeugt mich noch lange nicht, Kenneth«, meinte er. »Nein, wirklich nicht. Ich weiß, was ich gesehen habe.« »Darf ich?« Hempshaw zog sich Ricks Telefon heran. Er suchte eine Nummer aus seinem Notizbuch heraus. Der Verstärker war eingeschaltet. Daher hörten Rick und Hazel, daß sich das Statler Hotel meldete. Hempshaw verlangte Sergeant Myers. Das war sein engster Mitarbeiter. Myers meldete sich fünf Minuten später. »Hören Sie«, sagte Hempshaw energisch. »Sie überwachen doch die Gesellschaft, Myers. Was tut sich dort im Moment?« »Seit über einer Stunde hält ein hohes Tier eine langweilige Ansprache«, erwiderte der Sergeant. »Die Leute schlafen bald ein.« »Kennen Sie Bobby Fogerty?« fuhr der Chefinspektor fort. »Natürlich, Sir«, antwortete Sergeant Myers deutlich verstört. »Sie selbst haben mich dazu abgestellt, Fogerty scharf zu bewachen. Sie haben mir aufgetragen, ihn keine Minute aus den Augen zu lassen, weil man bei so prominenten Leuten immer mit Anschlägen Verwirrter rechnen muß.« »Sehr gut!« Hempshaw blickte Rick an, während er weiter ins 11 �
Telefon sprach. »Und was ist mit Fogerty? Wie lange war er weg?« »Weg?« Myers fiel offenbar aus allen. Wolken. »Fogerty ist seit Beginn der Feier hier im Festsaal. Er war keine Minute draußen.« »Danke, Myers«, entgegnete der Chefinspektor. »Dann achten Sie weiterhin sehr genau auf Fogerty.« »Moment«, sagte Rick laut. Hempshaw reichte ihm den Hörer. »Sind Sie das, Mr. Masters?« fragte Sergeant Myers. »Ja«, bestätigte Rick. »Sehen Sie bitte nach, ob Fogerty an seiner dunklen Anzugsjacke alle Knöpfe hat.« »Ja… ja, Mr. Masters«, sagte der Sergeant zögernd. Er kannte sich nicht mehr aus. Drei Minuten später kam seine Stimme wieder aus dem Telefon. »Ja, der Anzug ist tadellos in Ordnung.« Rick reichte den Hörer an Hempshaw zurück und achtete nicht darauf, was der Chefinspektor noch mit seinem Sergeanten sprach. Er grübelte angestrengt, so daß er kaum merkte, wie Hempshaw sich von Hazel verabschiedete. Endlich klopfte ihm der Chefinspektor auf die Schulter. »Machen Sie sich nichts daraus, Rick«, meinte Hempshaw tröstend. »Jeder kann sich einmal irren. Das war eben nur jemand, der wie Bobby Fogerty aussah.« »Es war Bobby Fogerty«, sagte Rick hartnäckig. Hempshaw zuckte die Schultern. »Wenn Sie möchten, lasse ich eine Fahndung nach diesem Mann herausgehen.« »Nein, überflüssig«, wehrte Rick ab. »Trotzdem, vielen Dank, Kenneth.« »Ich habe für das gute Essen zu danken!« Chefinspektor Kenneth Hempshaw verließ Ricks Wohnbüro mit sichtlichen Unbehagen. Es gefiel ihm gar, nicht, daß er zum erstenmal seinem Freund überhaupt nicht helfen konnte. Aber seiner Meinung 12 �
nach hatte Rick sich, in eine Idee verrannt, die einfach nicht stimmen konnte. Das sagte auch Hazel zu dem Geisterdefektiv. »Irgend etwas stimmt da nicht, meinst du nicht auch, Rick?« »Natürlich stimmt etwas nicht.« Rick griff zu seiner Ersatzjacke. Die andere war kaputt. »Und ich werde herausfinden, was hier faul ist, Darling!« »Willst du noch einmal weggehen?« staunte Hazel. »ja«, sagte Rick, »ich fahre ins Statler Hotel und sehe mir Fogerty persönlich an.« Hazel widersprach nicht, da sie wußte, daß niemand Rick von seinen Plänen abbringen konnte. Rick sah ihrem Gesicht jedoch an, daß auch sie Hempshaws Meinung war. Er stand allein auf weiter Flur. Dennoch machte er sich auf den Weg. Er kehrte nicht mehr um. * Sergeant Myers riß die Augen auf, als Rick ihm auf die Schulter tippte. »Mr. Masters!« rief er. »Was machen Sie hier im Hotel?« »Ich will feiern, was sonst?« erklärte Rick grinsend. Myers betrachtete ihn mißtrauisch. »Da stimmt etwas nicht«, stellte er fest. »Da stimmt eine ganze Menge nicht«, entgegnete Rick. »Bringen Sie mich in den Festsaal hinein. Der Geschäftsführer hat mich abgewiesen, weil ich keinen dunklen Anzug trage.« »Kleiderzwang.« Sergeant Myers grinste und lotste Rick in den Saal. Der Manager machte ein bitterböses Gesicht, sagte jedoch nichts mehr. »Sie suchen Bobby Fogerty? Er ist drüben an der Bar.« Myers zeigte Rick den Fußballstar. Fogerty war von seinen 13 �
Mannschaftskameraden und von Mädchen umringt. Dennoch erkannte Rick in ihm auf der Stelle jenen Mann, der versucht hatte, ihn zu erstechen. »Er war seit Beginn der Feier nicht weg?« vergewisserte sich der Geisterdetektiv. »Keine Minute«, behauptete der Sergeant. »Ich wüßte es.« Rick schob sich näher heran. Bobby Fogertys Blick traf ihn. Fogerty stutzte, schob die anderen Leute beiseite und kam auf Rick zu. »Entschuldigen Sie«, sagte er freundlich lächelnd. »Ich kenne Sie nicht persönlich, aber ich habe in der Zeitung über Sie gelesen. Täusche ich mich, oder sind Sie Rick Masters, der Geisterdetektiv?« Es erinnerte Rick fatal an die Unterhaltung, die er mit Fogerty vor dem Mordanschlag geführt hatte. »Allerdings, der bin ich!« Rick deutete auf Bobbys Jackett. »Wo ist denn Ihr Knopf?« »Abgerissen!« Fogerty lachte unbekümmert. »Die Fans waren ein wenig zu stürmisch.« Rick wollte nachhaken und sich das Hemd beziehungsweise die Brust des Sportlers ansehen. Doch andere Gäste drängten sich dazwischen und schnitten Rick von Fogerty ab. Rick wandte sich um. Neben ihm stand der Sergeant mit einem so ratlosen Gesicht, daß Rick seine Geschichte noch einmal erzählte. Myers schüttelte genauso wie Hazel und der Chefinspektor den Kopf. »Ausgeschlossen«, versicherte er. »Fogerty war nicht weg!« Rick ließ sich die Feier genau beschreiben. »Demnach hat er den Anschlag während der Rede des Präsidenten verübt«, stellte Rick zuletzt fest. »Schildern Sie alles, was sich während der Rede ereignet hat.« Myers war bereit, mit Rick zusammenzuarbeiten. »Alle nah14 �
men Platz, die Rede begann«, berichtete er. »Fogerty stand noch einmal auf und verließ den Saal, betrat ihn aber unmittelbar darauf wieder und setzte sich auf seinen Platz.« »Warum war er draußen?« hakte Rick nach. Myers zuckte die Schultern. »Keine Ahnung, Mr. Masters. Dafür habe ich keine Erklärung. Die Rede schleppte sich entsetzlich dahin, und Fogerty blieb sitzen. Dann kam der Anruf von Chefinspektor Hempshaw. Ich habe mir Fogertys Jackett angesehen. Es hatte alle Knöpfe.« Der Sergeant stutzte. »Nun, sprechen Sie weiter«, verlangte Rick. »Dann war die Rede zu Ende.« Myers wurde nachdenklich. »Fogerty stand wieder auf, verließ den Saal und kam sofort wieder herein. Und seither ist er ununterbrochen hier.« »Zweimal hinausgegangen und sofort wieder hereingekommen.« Rick schüttelte den Kopf. »Ich durchschaue dieses Spiel noch nicht, aber Bobby Fogerty hat versucht, mich zu ermorden! Das steht für mich fest.« Sergeant Myers verzog das Gesicht. Er mochte Rick und kannte seine Fähigkeiten. Deshalb widersprach er nicht offen. Doch auch in seinem Gesicht standen Zweifel. Auch Rick Masters war ein Mensch mit Nerven. Meistens beherrschte er sich, aber diesmal gingen ihm die Pferde durch. Er sah plötzlich rot, drängte sich zwischen den Gästen durch und erreichte Fogerty. Der junge Fußballer blickte ihm fragend entgegen. »Was kann ich für Sie tun, Mr. Masters?« erkundigte er sich. »Möchten Sie ein Autogramm?« »Ja«, sagte Rick laut. »Ich möchte tatsächlich ein Autogramm von Ihnen. Und zwar unter Ihrem Geständnis!« Es wurde still im Saal. Die Gäste hörten atemlos zu. »Mr. Masters, nicht!« zischte Sergeant Myers dem Geisterde15 �
tektiv zu. Rick Masters achtete nicht darauf. Er kam immer mehr in Fahrt. »Was für ein Geständnis?« fragte Bobby Fogerty ratlos. »Wissen Sie es wirklich nicht?« Rick deutete anklagend auf den Fußballstar. »Sie sollen gestehen, daß Sie versucht haben, mich zu erstechen! Heute abend…« Er konnte nicht weitersprechen. Im Saal brach ein Tumult aus, der jedes Wort verschluckte. Die Nachricht pflanzte sich wie ein Lauffeuer fort, daß jemand ausgerechnet Bobby Fogerty eines Mordversuchs bezichtigte. Die Gäste gerieten in Aufruhr. Rick wurde von Bobbys Mannschaftskameraden umringt. Der Trainer drängte sich in den Kreis. »Haben Sie den Verstand verloren?« brüllte Jack Draxler. Auf seine Boys ließ er nichts kommen. »Sie haben wohl zu viel getrunken. Verschwinden Sie hier, sonst lernen Sie mich kennen!« Rick öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, kam jedoch nicht dazu. Jemand packte ihn hart am Arm und zog ihn aus dem Kreis der Fußballer und Schaulustigen. Ehe Rick richtig zu sich kam, hatte Sergeant Myers ihn schon in kam, hatte Sergeant Myers ihn schon in einen ruhigen Korridor gedrängt. »Lassen Sie mich los!« fauchte Rick den Sergeant an. »Hören Sie nicht?« »Doch, aber erst einmal hören Sie mir zu!« sagte Myers so schroff, daß Rick ihn weitersprechen ließ. »Sie haben vermutlich den Verstand verloren! Auch wenn es stimmen sollte, daß Fogerty auf Sie mit einem Messer losgegangen ist…« »Er war's, ich weiß es!« rief Rick verzweifelt. »Auch dann können Sie ihn nicht inmitten seiner Anhänger beschuldigen!« zischte Myers. Zum erstenmal war er richtig wü16 �
tend. »Sie wollen vermutlich einen Aufstand der Massen organisieren, oder? Überlegen Sie, bevor Sie etwas sagen.« »Er hat es getan«, sagte Rick, nun schon wesentlich leiser. »Und Schwarze Magie war auch im Spiel!« »Meinetwegen, das ist mir egal!« erklärte der Sergeant knapp. »Ich bin für die Sicherheit dieser Veranstaltung zuständig. Ich lasse nicht zu, daß Sie durch eine Unvorsichtigkeit ein Chaos auslösen. Die Leute im Saal können bezeugen, daß Bobby Fogerty die ganze Zeit hier war und Sie gar nicht angreifen konnte!« Rick zitterte vor Aufregung. »Fogerty war am Beginn und am Ende der langen Rede für einen Moment draußen im Korridor. In diesem kurzen Augenblick am Beginn der Rede wurde er durch einen magischen Doppelgänger ersetzt, der an seiner Stelle die Rede anhörte. Am Ende der Rede verließ der Doppelgänger den Saal. Der echte Fogerty nahm wieder seinen Platz ein. Als Sie bei meinem Anruf nachsahen, war Fogertys Jackett in Ordnung. Aber es war das Jackett des Doppelgängers. Jetzt fehlt ein Knopf am Jackett, denn jetzt ist es der echte Fogerty, dem ich bei dem Kampf diesen Knopf abgerissen habe.« Rick Masters kannte Sergeant Myers als sehr ruhigen, sehr bedächtigen Mann, der nie voreilige Schlüsse zog. Sergeant Myers überlegte ziemlich lange, ehe er nickte. »So könnte es rein theoretisch gewesen sein, Mr. Masters«, bestätigte er vorsichtig. »Aber meinen Sie denn nicht, daß man Sie auf einfachere Weise umbringen könnte? Wozu diese Schwierigkeit mit einem Doppelgänger? Wozu dieser Umstand mit einem so prominenten Mörder wie Bobby Fogerty? Das hätte doch jeder Schwarzmagier erledigen können, der nicht so prominent ist.« Rick nickte dem Sergeanten zu. »Ich muß Ihnen in diesem Punkt rechtgeben, Myers, wirklich! Ich verstehe es auch nicht, aber ich lege meine Hand ins Feuer, daß alles so war, wie ich es gesagt habe.« 17 �
Myers zuckte die Schultern. »Trotzdem war es ein Fehler, dort hineinzugehen und Fogerty anzuklagen.« »Ja, Sie haben recht, es war ein Fehler«, gab Rick zu. »Aber es war mir ganz einfach zuviel. Ich mußte mir Luft machen.« »Und jetzt?« forschte der Sergeant besorgt. »Machen Sie mir noch weitere Schwierigkeiten?« Rick rang sich ein gequältes Lächeln ab. »Keine Sorge, ich gehe schon!« Myers hatte noch etwas auf dem Herzen. »Sie wissen, Mr. Masters, daß Sie sich selbst keinen Gefallen getan haben. Durch diesen Skandal im Saal ist Bobby Fogertys Position gestärkt. Wir können unsere Ermittlungen bei weitem nicht mehr so unbefangen und frei durchführen, wie das ohne Ihren Auftritt möglich gewesen wäre.« Daraufhin seufzte Rick nur und zog sich zurück. Er hatte sich zu einem Fehler hinreisen lassen, den er nicht ausbügeln konnte. Es beruhigte ihn nur, daß er ganz allein die Folgen zu tragen hatte, sonst niemand. Rick machte sich niedergeschlagen auf den Heimweg. Am meisten belastete es ihn, daß er den Sinn dieser ganzen Aktion nicht durchschaute. Der Sergeant hatte schon recht. Es ergab absolut keinen Sinn, wie man es auch drehte und wendete. * Unterwegs mußte Rick an einer Ampel halten. Sein Blick fiel auf eine Telefonzelle, und in seinem Kopf formte sich eine Idee. Die Ampel schaltete auf Grün. Um diese späte Abendstunde waren kaum Autos unterwegs. Deshalb wurde Rick auch nicht angehupt. Er verpaßte die Grünphase und mußte auf die nächste warten. 18 �
Er fuhr jedoch nicht weiter, sondern überquerte nur die Kreuzung und stellte den Morgan ab. Aus dem Telefonbuch suchte der die Adresse der Familie Fogerty heraus. Es gab viele Fogertys, und der Anschluß war nicht unter Bobby registriert, aber Rick kannte den ungefähren Wohnort. Als er weiterfuhr, war er sicher, auf der richtigen Spur zu sein. Erst kurz vor dem Reihenhaus der Fogertys fiel ihm ein, daß er nur schlecht um diese späte Stunde klingeln und sich nach Bobby erkundigen konnte. Die Leute würden ihn hinauswerfen, falls sie ihn überhaupt einließen. Deshalb rief er von der nächsten Telefonzelle aus an. Offenbar warteten die Fogertys auf ihren Star, denn schon nach dem zweiten Klingeln meldete sich eine kräftige Männerstimme. Rick nannte seinen Namen. »Könnte ich bitte mit Miß Cunningham sprechen?« fragte er höflich. Er zog die Freundin des Stars vor. Bei ihr erhoffte er sich einen leichteren Stand. »Warum?« erkundigte sich sein Gesprächspartner. »Das geht nur Miß Cunningham etwas an«, versicherte Rick. Sein Ton verfehlte nicht den gewünschten Eindruck. Kurze Zeit später meldete sich die Freundin des Fußballstars. »Mein Name ist Rick Masters«, sagte der Geisterdetektiv. »Sie kennen mich vermutlich nicht, aber ich muß Sie sofort sprechen. Ich bin in zwei Minuten mit meinem Wagen vor dem Haus der Familie Fogerty. Kommen Sie bitte an meinen Wagen.« Sandra Cunningham bewies Rick, daß sie nicht auf den Mund gefallen war. »Boy, laß dir einen besseren Trick einfallen«, sagte sie. »So etwas Dummes habe ich schon lange nicht gehört.« »Bitte, hängen Sie nicht ein«, sagte Rick hastig. »Es geht um Bobby. Er ist in Gefahr.« »Das ist ein Trick!« rief sie heftig. 19 �
»Nein, kein Trick!« Rick verlegte sich aufs Bitten. »Seien Sie vernünftig! Wenn nichts unternommen wird, kommt Bobby in Teufels Küche. Zumindest geht seine Karriere kaputt.« Endlich hatte er den richtigen Ton getroffen. Sandra Cunningham wollte nicht schuld sein, daß Bobby Schwierigkeiten in seinem Beruf bekam. »Also gut, in zwei Minuten«, stimmte sie zu. Rick lief zu seinem Wagen zurück und beeilte sich. In der stillen Vorortstraße war kein Parkplatz frei. Deshalb hielt er auf der Fahrbahn. Kurz darauf öffnete sich die Haustür. Sandra Cunningham war genauso hübsch wie auf den Fotos in den Zeitungen. Vielleicht sogar noch hübscher. Sie kam allerdings nicht allein ins Freie. Drei Männer begleiteten sie. Das hätte Rick sich denken können. Bobbys Vater und seine beiden Brüder begleiteten die junge Frau. Sie blieben zu viert neben seinem offenen Sportwagen stehen und betrachteten ihn aufmerksam. Rick merkte allerdings keine Spur von Ablehnung oder gar Feindschaft. »Ich muß mit Ihnen allein sprechen, Miß Cunningham«, sagte er entschieden. Daraufhin verhandelte Sandra mit Bobbys Angehörigen. Sie zogen sich ein Stück zurück, so daß sie nichts hören konnten. Dabei hielten sie Sandra jedoch ständig unter Kontrolle, damit ihr nichts zustieß. Rick zeigte ihr seinen Ausweis. »Ich habe viele Feinde«, erklärte er leise. »Man hat schon oft versucht, mich umzubringen.« »Was hat das mit Bobby zu tun?« fragte Sandra Cunningham. »Verstehen Sie mich richtig, Mr. Masters. Es tut mir für Sie leid, aber ich bin Bobbys Freundin, nicht die Ihre!« »Okay, ich sage es Ihnen.« Rick holte tief Luft. »Aber hören Sie 20 �
mich bitte zu Ende an und unterbrechen Sie mich nicht. Ich kämpfe gegen Schwarzmagier, Geister und Dämonen. Bobby ist in den Bann des Bösen geraten. Die Mächte der Hölle haben ihn gezwungen, auf mich heute abend einen Mordanschlag auszuführen.« Sandra wollte auffahren, doch Rick hob die Hand. Sie schwieg nervös. »Bobby saß scheinbar im Festsaal des Statler Hotels«, fuhr Rick hastig fort. Er ahnte, daß er nicht mehr viel Zeit hatte. »Doch das war ein magischer Doppelgänger. Sie glauben mir nicht? Ich möchte Bobby helfen und ihn aus der Abhängigkeit zur Schwarzen Magie befreien.« Sandra schüttelte den Kopf. »Alles Blödsinn!« erklärte sie laut. »Sie spinnen.« Mr. Fogerty und seine beiden Söhne kamen langsam näher. Es wurde brenzlig. »Miß Cunningham«, sagte Rick gehetzt. »An Bobbys Jackett fehlt ein Knopf. Ich habe ihn im Kampf abgerissen. Sein Hemd ist zerfetzt. Und an der Brust habe ich ihm einen langen Kratzer zugefügt. Sie können es sich ansehen. Vielleicht wird er Ihnen sagen, das wäre im Hotel geschehen, aber dann fragen Sie sich, wieso ich es weiß. Ich war nämlich nur kurz in Begleitung eines Kriminalbeamten von Scotland Yard im Hotel. Bei der Gelegenheit konnte ich Bobbys Hemd und seine Brustverletzung nicht sehen.« »Jetzt wird es mir zu bunt!« Sandra Cunningham hatte bisher neben dem Morgan gestanden und sich zu Rick herunter gebeugt. Nun trat sie einige Schritte zurück. »Gehen wir ins Haus!« rief sie Bobbys Vater und seinen Brüdern zu. »Dieser Mann ist total verrückt. Vielleicht steht er unter Drogen oder ist betrunken. Gehen wir!« 21 �
Rick seufzte. Mutlos blickte er hinter Sandra Cunningham her. Er merkte, daß er es nur ihr zu verdanken hatte, daß die drei Männer nicht auf ihn losgingen. Sie i beruhigte Bobbys Angehörige und drängte sie in das Haus hinein. Rick ließ den Motor an und fuhr endgültig nach Hause. Er hatte sein Ziel verfehlt und sich nur noch mehr Schwierigkeiten eingehandelt. Als er nach seiner Rückkehr Hazel alles berichtete, erntete er ein Kopfschütteln. Da gab er es auf, noch irgend jemanden überzeugen zu wollen. Und er beschloß, den Fall auf sich beruhen zu lassen. * Wie wenig er seinen Vorsatz halten konnte, merkte Rick Masters am nächsten Morgen. Hazel Kent war noch bei ihm, als er sich langsam aus tiefstem Schlaf ins rauhe Leben zurückkämpfte. Der Geisterdetektiv war alles andere als ein Morgenmensch. Er haßte Aufstehen beinahe so sehr wie Schwarze Magie. Um ungestörten Schlaf zu haben, schaltete Rick abends immer seinen Anrufbeantworter ein und stellte gleichzeitig die Telefonklingel ab. Morgens nahm er dann den Anrufbeantworter mit ins Bad und kontrollierte Gespräche, die in der Zwischenzeit eingegangen waren. Da er und Hazel an diesem Sonntagmorgen erst spät aufstanden, zeigte ein Zählwerk an dem Tonbandgerät drei Anrufe an. Während Rick unter der Dusche stand und versuchte, endlich ganz wach zu werden, hörte er zuerst die Stimme von Chefinspektor Hempshaw. »Nichts für ungut, Rick«, sagte Hempshaw vom Tonband. »Aber ich halte den ganzen Fall für eine Verwechslung. Ich habe 22 �
schon alle Ermittlungen eingeleitet, um den richtigen Täter zu finden.« Rick seufzte und schloß die Augen, während die warmen Wasserstrahlen auf seine Haut prasselten. Hempshaw glaubte noch immer nicht, daß es wirklich Bobby Fogerty gewesen war. Rick nahm sich vor, keinen weiteren Versuch zu starten, den Chefinspektor umzustimmen. Der zweite Anruf war anonym. Rick merkte jedoch sehr schnell, woher der Wind wehte. »Wenn Sie noch einmal versuchen, Bobby was am Zeug zu flicken«, sagte eine derbe, offenbar verstellte Männerstimme, »kriegen Sie es mit uns zu tun! Wir mögen Bobby Fogerty und lassen nicht zu, daß ein Verrückter sich an ihn heranmacht. Merken Sie sich das!« Offenbar hatte ein Anhänger des beliebten Fußballstars heftig reagiert. Rick öffnete nicht die Augen, sondern genoß weiterhin das Wasser auf seiner Haut. Es machte ihn allerdings wieder schläfrig, anstatt ihn zu wecken. Um anonyme Anrufe kümmerte er sich gar nicht. Er bekam so viele, daß er sonst eine Menge zu tun gehabt hätte. Nun spulte das Gerät den dritten Anruf ab. »Einmal sind Sie mir entkommen, Rick Masters«, sagte eine Stimme, die Rick unter Tausenden von ähnlichen Stimmen erkannt hätte. »Beim zweiten Mal strenge ich mich noch mehr an, und dann erledige ich Sie. Und zwar für immer! Ganz gleich, wo Sie sind oder ich mich aufhalte, Masters! Ich erwische Sie. Darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort! Vielleicht sehen Sie sich im Fernsehen gerade ein Spiel an und beobachten Bobby Fogerty auf dem grünen Rasen, und wenn Sie sich umdrehen, steht der echte Bobby Fogerty hinter Ihnen und bläst Sie aus. Von jetzt an haben Sie keine ruhige Minute mehr, Masters!« Es klickte. Das Gerät hatte sich abgeschaltet… 23 �
Rick Masters öffnete die Augen. Das Wasser hatte seine Temperatur nicht verändert. Dennoch fror der Geisterdetektiv plötzlich. Mit einer heftigen Bewegung drehte er das Wasser ab, stieg aus der Brause und schlang sich ein weiches Badetuch um den Körper. Auf nackten Sohlen lief er zum Telefon und wählte die Nummer des Yards, erfuhr aber, daß Hempshaw keinen Dienst hatte. Der Chefinspektor war zeitig am Morgen nach dem Anruf bei Rick nach Hause gefahren. Dort erreichte Rick auch seinen Freund, den er aus dem Schlaf riß. Das störte den Chefinspektor jedoch gar nicht, als er hörte, worum es ging. »Ich komme sofort zu Ihnen, Rick!« rief Hempshaw. »Selbstverständlich ist das ein schlagender Beweis gegen Fogerty. Wir können eine Stimmenanalyse machen und Fogerty auf diese Weise überführen. Ich bin in einer halben Stunde bei Ihnen.« Hazel schlief noch, als Rick auflegte. Er wollte sie vorläufig nicht wecken, kehrte in das Bad zurück und spielte die Aufnahme des Anrufs noch dreimal ab. Dabei prägte er sich den Text ein und machte sich fertig. Als er das Bad verließ, kam ihm Hazel verschlafen entgegen. »Guten Morgen, Darling«, murmelte sie blinzelnd. »Ich dusche.« »Tu das!« rief Rick lächelnd. »Kenneth kommt jede Minute. Ich habe etwas mit ihm zu besprechen.« »Dann beeile ich mich lieber«, meinte Hazel. »Machst du schon das Frühstück?« Rick nickte und ging in die Küche. Erst nach ein paar Minuten fiel ihm ein, daß er den Anrufbeantworter im Bad vergessen hatte. Er klopfte, und auf seine Bitte gab Hazel ihm das Gerät heraus. 24 �
Die letzten Minuten bis zu Hempshaws Eintreffen nutzte Rick für einen kurzen Spaziergang mit Dracula. Vor dem Haus traf er auf dem Rückweg mit seinem Freund zusammen. »Ich bin gespannt«, sagte Hempshaw. »Sie werden Augen machen!« prophezeite Rick. Sie betraten das Wohnbüro. Hazel trug noch den Bademantel. »Ich bin gleich fertig«, rief sie und verschwand im Schlafzimmer, während Rick in der Küche die letzten Handgriffe tat. »Spielen Sie doch schon das Band ab«, verlangte Hempshaw. »Warten wir damit auf Hazel«, bat Rick. »Sie hat noch keine Ahnung davon.« Hempshaw bekam ebenfalls Frühstück, und fünf Minuten später konnte es losgehen. Während alle zu essen begannen, ließ Rick das Band an der richtigen Stelle anlaufen. Aus dem Lautsprecher klang nur Rauschen. Stirnrunzelnd überprüfte Rick die Einstellungen. »Verstehe ich nicht«, murmelte er. »Was ist denn?« erkundigte sich Hazel. »Was willst du uns vorspielen?« Rick antwortete nicht. Er spulte das Band zurück. Man hörte den anonymen Anruf. »Deshalb hast du doch nicht Mr. Hempshaw hergeholt«, sagte Hazel kopfschüttelnd. Rick legte den Finger auf die Lippen. Der anonyme Anruf endete. Jetzt mußte Bobby Fogertys Anruf kommen. Rauschen! Sonst nichts! Ricks Gesicht war wie versteinert. Er fühlte die fragenden Blicke auf sich gerichtet. »Hazel!« Er wandte sich in einer plötzlichen Idee an seine Freundin. »Ich hatte den Anrufbeantworter im Bad vergessen. Hast du vielleicht das Band gelöscht?« »Ich? Wieso sollte ich?« fragte Hazel verblüfft. 25 �
»Das weiß ich nicht!« Rick verlor wieder die Nerven. Er begann zu schreien. »Aber es ist gelöscht worden, und ich habe es nicht getan! Dracula kann kein Tonband löschen! Du warst die Einzige, die mit dem Gerät allein war!« »Wenn das so ist!« Hazel legte ihre Serviette auf den Tisch und stand auf. Rick kam zum Bewußtsein, daß er sich häßlich verhielt. Er zog Hazel am Arm auf ihren Stuhl zurück. »Entschuldige«, murmelte er zerknirscht. »Tut mir leid, es war nicht so gemeint. Aber vielleicht wolltest du dir das Tonband anhören und hast irrtümlich auf Aufnahme geschaltet?« »Ich habe das Gerät nicht einmal berührt«, versicherte Hazel. »Probieren Sie es doch mit Ihrer Silberkugel«, schlug der Chefinspektor vor. »Mit dieser Kugel haben Sie schon einige unhörbare Aufnahmen auf Tonband hörbar gemacht.« Rick befolgte den Rat und setzte seine weißmagische Waffe ein. Er versuchte es auch noch mit dem Schlüssel des Großmeisters, einem schwarzmagischen Instrument, das ihm bei einem Kampf gegen das Böse in die Hände gefallen war. Das Ergebnis veränderte sich nicht. Auf dem Tonband war nur Rauschen zu hören. Der Anruf von Bobby Fogerty schien nie stattgefunden zu haben. Chefinspektor Hempshaw seufzte. »Das gute Frühstück entschädigt mich für den vergeblichen Weg und den unterbrochenen Schlaf, Rick!« »Ich habe mir jedes Wort gemerkt«, versicherte Rick. »Es ist nicht das erste Mal, daß ein Anruf auf magische Weise auf diesem Tonband gelöscht wird.« Er wiederholte, was der Anrufer gesagt hatte. Hempshaw schrieb es auf. »Dieser Anruf hat meine Theorie bestätigt«, erklärte Rick. »Ein magisches Double springt für Bobby Fogerty ein, während der 26 �
echte Fogerty einen Mordanschlag auf mich ausführt.« »Warum nicht umgekehrt?« fragte Hempshaw. »Warum sollte nicht der echte Bobby Fogerty unschuldig sein, während ein magisches Double den Mordanschlag…« »Weil dann Dracula reagiert hätte«, rief Rick. Sein Hund spitzte die viel zu groß geratenen Ohren. »Er hat nicht angezeigt, daß Schwarze Magie wirkt.« Hempshaw beendete sein Frühstück. »Sie wissen, Rick«, meinte er und stand auf, »daß ich damit nicht viel anfangen kann.« Er deutete auf sein Notizbuch. »Kein Gericht der Welt wird das hier als Beweis gelten lassen.« »Das ist mir klar!« Rick machte ein finsteres Gesicht. »Die Schwarzmagier bereiten diesmal eine besonders raffinierte Falle für mich vor. Ich weiß nur noch nicht, worin sie wirklich besteht. Die Anschläge von Bobby Fogerty sind nicht die eigentliche Falle. Dazu lief der erste Anschlag zu primitiv ab.« »Er hätte dich aber beinahe erwischt«, warnte Hazel. »Das schon«, gab Rick zu. »Aber nur, weil ich überrascht wurde. Jetzt bin ich doppelt gewarnt. Ich weiß, was mich bei Fogerty erwartet. Und er selbst hat es mir telefonisch angekündigt. So leicht kann man mich also nicht mehr überrumpeln. Darum ist die Sache so rätselhaft! Es steckt mehr dahinter.« »Ich fahre jedenfalls wieder nach Hause und schlafe mich ordentlich aus«, entschied Chefinspektor Hempshaw. »Viel Glück!« Rick brachte ihn zur Tür. Er kehrte danach an den Frühstückstisch zurück, setzte sich und starrte dumpf vor sich auf den Teller. »Was hast du?« fragte Hazel zärtlich und legte ihm die Hand in den Nacken. »Was denkst du?« Rick hielt den Blick gesenkt. »Ich denke, daß Hempshaw mir nicht so recht glaubt. Er schweigt nur, weil wir schon so lange 27 �
befreundet sind. In Wirklichkeit fragt er sich ernsthaft, ob es diesen Anruf von Bobby Fogerty wirklich jemals gegeben hat.« Hazel seufzte. »Es ist auch schwer, daran zu glauben. Ich vertraue dir, Rick. Aber ich frage mich…« »Halt!« Rick winkte hastig ab. »Sprich nicht weiter«, fügte er mit einem verzerrten Lächeln hinzu. »Ich will mir wenigstens einbilden können, daß mir noch ein einziger Mensch glaubt.« Hazel widersprach nicht… * Der Sonntag schleppte sich quälend dahin. Dann wußte Rick, daß er nichts erreicht hatte. »Ich habe bis zuletzt auf Sandra Cunningham gehofft«, sagte Rick abends zu seiner Freundin. Er hatte ihr von seinem nächtlichen Besuch bei der Freundin des Fußballstars berichtet. »Aber sie hat offenbar meine Angaben nicht überprüft und zweifelt nicht an ihrem Bobby.« »Sie liebt ihn«, hielt Hazel ihm vor. »Das macht für viele Dinge blind.« »Gilt das auch für uns beide?« fragte Rick leise. »Aber sicher«, bestätigte Hazel. »Würde ich dich nicht lieben, könnte ich deine Lebensweise nicht ertragen. Immer, wenn es am schönsten wird, mußt du dringend zu einem Einsatz. Meinst du denn, eine andere Frau würde das mitmachen?« »Nein!« Rick dachte an seine früheren Freundinnen. »Nein, das macht keine mit.« »Na also, das meine ich auch.« Hazel legte ihm lächelnd die Arme um den Hals. »Zum Beispiel jetzt brauche ich schon wieder sehr viel Liebe zu dir. Ich sehe dir nämlich an, daß du einen Entschluß gefaßt hast. Und wenn du Entscheidungen fällst, bleibe ich meistens auf der Strecke!« 28 �
»Du hast recht«, gab Rick lächelnd zu. »Ich habe etwas beschlossen. Ich habe nämlich nur eine Chance, aus dieser Sache lebend herauszukommen.« »Du mußt Bobby Fogertys Verbindung zu Schwarzer Magie unterbrechen«, sagte Hazel. »Ich weiß! Ich habe nämlich auch über alles nachgedacht.« Rick nickte. »Du bist wirklich ein kluges Girl. Ich weiß, daß Bobbys Mannschaft nach Schottland ins Trainingslager fährt.« »Und du folgst ihnen«, ergänzte Hazel. »Ich wußte, daß ich wieder einmal für längere Zeit auf dich verzichten muß. Wann fährst du?« »Morgen früh«, erklärte Rick. Hazel lächelte ein wenig traurig, aber sie lächelte immerhin. »Dann haben wir noch die ganze Nacht für uns«, sagte sie leise. Sie machten sich einen schönen Abend, doch sie hatten einen ungebetenen Dritten als unsichtbaren Besucher. Bobby Fogerty… Beide wußten nicht, ob er nicht jeden Moment auftauchen und einen Anschlag ausführen könnte. Die Nacht verlief ohne Störungen, und am nächsten Morgen trennten sich ihre Wege. Hazel Kent mußte sich wieder um die Leitung ihres Unternehmens kümmern, und Rick machte sich auf den Weg nach Schottland. Spaß an dieser Fahrt hatte nur Dracula, der auf dem Nebensitz kauerte und sich hellwach alles ansah. Rick und Hazel hingegen war der Abschied sehr schwer gefallen. Beide hatten das Gefühl, daß Rick nur wenig Chancen hatte, lebend zurückzukommen. *
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Im Trainingscamp galten strenge Regeln. Jack Draxler kannte keinen Spaß, wenn es um die Kondition seiner Boys ging. »Kein Alkohol, keine Mädchen, viel Schlaf«, erklärte er. »Wer keine Disziplin zeigt, war die längste Zeit Mitglied im Verein!« Die Fußballer kannten seine Art und nannten seine Worte »Theaterdonner«. Sie kümmerten sich nicht weiter darum und ließen ihren Jack Draxler toben. Er hielt ihnen lange Vorträge, wieso sie schlechte Spieler wären. Dann erklärte er ihnen, daß er sie zu guten Spielern machen werde. »Wer das nicht will, soll es gleich sagen!« rief Jack Draxler mit der Freundlichkeit einer gereizten Kobra. »Der fliegt dann nämlich auf der Stelle hinaus!« Natürlich schwiegen die Spieler und bemühten sich, das Grinsen zu unterdrücken. »So, ab in die Betten, damit ihr morgen früh ausgeschlafen seid, wenn ihr zum erstenmal in eurem Leben arbeiten werdet!« ordnete Draxler an. »Ich werde selbst überwachen, daß mir keiner von euch Unsinn macht.« Jetzt grinsten sie ganz offen und verließen den Speisesaal, in dem diese Besprechung stattgefunden hatte. »Wie geht es eigentlich deiner Verletzung?« erkundigte sich Joe Duncan, einer der Spieler, bei Bobby Fogerty. »Es geht«, murmelte Bobby unangenehm berührt. »Hoffentlich macht Draxler deshalb nicht zu viel Theater. Ich spüre fast nichts mehr davon.« »Woher hast du überhaupt diesen tiefen Hautriß?« fragte Joe Duncan. »Das ist nicht beim letzten Spiel passiert?« »Doch, natürlich«, behauptete Bobby. »Du bist nicht so hart gefoult worden.« Joe beobachtete seinen Kameraden aufmerksam. »Woher hast du den Riß?« »Selbstverständlich bin ich gefoult worden«, behauptete Bob30 �
by. »Der Schiedsrichter hat es nicht bemerkt. Darum habe ich kein Aufhebens darum gemacht.« »Aber wir waren hinterher unter den Duschen, und ich habe bei dir keinen Riß an der Brust gesehen«, fuhr Joe Duncan hartnäckig fort. »Hast du mich denn so aufmerksam angestarrt?« fragte Bobby Fogerty gereizt. »Nein, das nicht…«, gab Duncan zu. »Na also, dann hast du die Verletzung übersehen!« trumpfte Bobby auf. Joe Duncan wollte ihm entgegenhalten, daß man einen so tiefen und heftig blutenden Riß gar nicht übersehen konnte. Er verzichtete jedoch darauf. Zum erstenmal erlebte er Bobby Fogerty abweisend und schroff. Dieser neue Zug an seinem Kameraden verblüffte ihn so, daß er schwieg. Als die Spieler sich auf die Schlafräume verteilten, kam der Hausmeister des Trainingscamps. »Mr. Fogerty! Mr. Fogerty!« rief er. »Telefon.« Er lächelte dazu und kniff ein Auge zu. »Ihre Freundin«, fügte er vielsagend hinzu. Bobby lief ans Telefon, das in der Eingangshalle stand. »Ja, Sandra?« rief er. »Bobby!« Sandra Cunninghams Stimme war klar und deutlich zu hören. »Wie geht es dir?« »Sehr gut«, antwortete er. »Vermißt du mich?« »Und ob!« Sandra legte eine kleine Pause ein. »Ist Draxler wirklich so streng mit euch?« »Noch viel strenger«, erwiderte Bobby lachend. »Du hättest vorhin seine Ansprache hören sollen.« Sandra räusperte sich. »Ich bin in dem Dorf, neben dem euer Trainingscamp liegt«, gestand sie. »Was?« Bobby verschlug es die Sprache. 31 �
»Ich bin dir gefolgt, Darling. Ich konnte nicht ohne dich sein!« Sandra sagte es mit merkwürdig belegter Stimme. Es klang eigentlich gar nicht nach einer Liebeserklärung. »Ich habe es ohne dich in London nicht ausgehalten.« »Du meine Güte!« flüsterte Bobby. »Ich habe mich in dem einzigen Gasthof im Ort eingemietet«, fuhr Sandra fort. »Komm her! Ich sehne mich nach dir.« »Sandra«, Bobby dämpfte seine Stimme noch mehr. »Weißt du, was Draxler mit mir macht, wenn er mich dabei erwischt? Er schickt mich nach London zurück. Das muß er tun, sonst gehorcht die Mannschaft nicht mehr. Er hat es uns allen angedroht, und er darf bei mir keine Ausnahme machen.« »Darling, komm zu mir!« flehte Sandra. Bobby seufzte. Er sann hin und her, wie er es anstellen könnte. Endlich willigte er ein. »Also gut. Ich werde versuchen, zu dir zu gelangen«, sagte er leise. »Ich weiß noch nicht, wie lange es dauern wird, aber ich komme.« Nach diesem Gespräch tat er, als wäre gar nichts gewesen. Er ging in sein Zimmer. Wie alle Spieler hatte auch er ein Einzelzimmer. Das erleichterte sein Unternehmen. Nach einer halben Stunde öffnete er lautlos das Fenster, kletterte auf die Brüstung und sprang auf den Rasen. Sein Zimmer lag im Hochparterre. Er würde keine Schwierigkeiten haben, später auf demselben Weg zurückzukehren. Dem Hausmeister und einigen Hilfskräften im Trainingscamp gehörten Fahrräder, die unverschlossen neben dem Hauptgebäude standen. Bobby lieh sich eines aus und fuhr in das nahegelegene Dorf. Er hatte sich nicht einmal den langen und schwer auszusprechenden Namen gemerkt. Schließlich war das auch völlig unwichtig. Man hatte ihn mit einem Bus hergebracht und würde 32 �
ihn auch wieder wegbringen. Er hatte gemeint, selbst nichts unternehmen zu müssen. Durch Sandras Anwesenheit im Dorf änderte sich alles. Bobby war froh, daß er wenigstens wußte, in welcher Richtung er dieses Dorf zu suchen hatte. Er sah Lichter vor sich, hielt darauf zu und erreichte die Hauptstraße. Da es nur eine einzige asphaltierte Straße und einen einzigen Gasthof gab, brauchte Bobby nicht lange zu suchen. Das einstöckige Gebäude war um diese Uhrzeit schon dunkel. Der Fußballstar fuhr an die Rückseite heran, und nun merkte er, auf welches Abenteuer er sich eingelassen hatte. Die Vordertür war verschlossen. Wenn er klingelte und die Wirtsleute an den Eingang kamen, wurde er erkannt. Es würde sich wie ein Lauffeuer herumsprechen, daß Bobby Fogerty im Dorf war. Da Sandra sich aber nirgends zeigte, blieb Bobby nichts anderes übrig, als sich einen anderen Weg zu suchen. Er entdeckte einen ebenerdigen Anbau, kletterte auf dessen Dach und schob sich an die Hausmauer heran. Ein Fenster stand offen. Bobby atmete auf, als er dahinter einen Korridor entdeckte, der nur von einer einzigen schwachen Lampe erhellt wurde. Mit einem gewandten Klimmzug schwang Bobby sich über das Fensterbrett und sah sich in dem Gebäude um. Und dann wußte er nicht, was er machen sollte. Sandra zeigte sich nicht. Hatte sie nicht damit gerechnet, daß er so schnell kommen würde? Was sollte er bloß tun? Jeden Moment konnte sein Trainer im Camp entdecken, daß er nicht da war. Eine Tür Öffnete sich einen Spalt. Im Zimmer dahinter war es 33 �
dunkel. Bobby hörte nur ein leises Zischen, dann seinen Namen. Auf Zehenspitzen lief er zu der Tür, schob sich hindurch und betrat das dunkle Zimmer. Hinter ihm schloß sich die Tür. Zwei Hände legten sich wie eiserne Klammern an seine Arme, daß er sich nicht bewegen konnte. »Stillstehen!« zischte eine Stimme in sein Ohr. »Bleib stehen.« Alles in Bobby Fogerty verkrampfte sich. Er war kein Feigling. Aber diese Stimme aus dem Dunkel war für ihn doch zuviel. Er leistete keinen Widerstand. * Rick Masters führte Bobby Fogerty zu dem Bett und drückte ihn darauf nieder. Es war so dunkel im Zimmer, daß Fogerty nichts sehen konnte. »Machen Sie Licht«, sagte Rick Masters gedämpft. Gleich darauf flammte die Deckenbeleuchtung auf. Bobby Fogerty zuckte zusammen. Seine Augen weiteten sich. »Sandra?« rief er fassungslos und starrte seine Freundin an, die neben der Tür stand, die Hand noch am Lichtschalter. »Was bedeutet das?« Sein Blick wanderte zu dem Mann, der ihn überwältigt und auf das Bett gedrückt hatte. Er runzelte die Stirn. »Ich kenne Sie«, sagte Bobby. »Sind Sie nicht der Privatdetektiv Rick Masters? Natürlich! Sie waren in London im Statler Hotel und haben diesen Unsinn behauptet, ich hätte Sie angegriffen. Was soll das alles?« Er wollte aufspringen, doch Rick drückte ihn auf das Bett zurück. »Hören Sie mir erst zu«, sagte der Geisterdetektiv ernst. »Ich will Ihnen helfen.« 34 �
»Unsinn!« fuhr Bobby auf. Er sprang wieder hoch, und diesmal gelang es Rick nicht, ihn zu bändigen. Bobby war jung und völlig durchtrainiert. Er besaß Kraft und Kondition. Die hatte Rick Masters auch, doch der Geisterdetektiv wollte es auf keinen Kampf ankommen lassen. »Nehmen Sie Vernunft an«, sagte Rick warnend. »Ihre Freundin hat sich überzeugen lassen. Sie sollten Sandra vertrauen.« Das stoppte Bobby, der bereits neben der Tür stand. Der Fußballstar drehte sich langsam um und wandte sich an seine Freundin. »Ist das wahr, Sandra?« fragte er leise. »Machst du mit Mr. Masters wirklich gemeinsame Sache?« »Ja«, bestätigte Sandra. »Bobby, ich habe Angst!« Sie gab ihre Zurückhaltung auf, schlang ihm die Arme um den Hals und preßte sich zitternd an ihn. »Was ist denn?« fragte Bobby bestürzt. »Darling, sag doch! Was ist geschehen?« »Ich kann es Ihnen erklären«, mischte Rick sich ein. »Setzen wir uns und sprechen wir wie vernünftige Menschen miteinander.« Bobby setzte sich. Sein Widerstand war zusammengebrochen. Rick Masters schilderte ihm nun den Mordanschlag in der Londoner City und erklärte die Theorie mit dem magischen Doppelgänger. Um das verständlich zu machen, mußte Rick auch Beispiele aus seiner Praxis bringen und überhaupt erläutern, was ein Geisterdetektiv war. »Sehen Sie, Mr. Fogerty«, fuhr Rick fort, »ich habe mit Miß Cunningham in London gesprochen und sie auf die Verletzung an Ihrer Brust aufmerksam gemacht. Miß Cunningham glaubte mir zwar erst nicht, aber sie sah noch in der Nacht vor Ihrer Abfahrt die Wunde. Sie haben behauptet…« »Du hast gesagt, Bobby«, mischte sich Sandra ein, »daß es eine Verletzung von dem Spiel war. Aber als du nach dem letzten 35 �
Spiel in London nach Hause kamst, hattest du keine Verletzung. Erst in der Nacht nach der Feier im Statler Hotel habe ich bei dir diesen tiefen Riß an der Brust gesehen.« Bobby Fogerty knetete nervös seine Hände. »Vorhin hat mich Joe Duncan auf die Verletzung angesprochen«, sagte er stockend. »Ich sagte, das wäre von dem Spiel in London, aber auch er behauptete, da wäre ich nicht verletzt worden. Ich kann mich aber ganz deutlich an diesen Zwischenfall mit einem anderen Spieler erinnern.« »Nein, Bobby«, erwiderte Rick eindringlich. »Sie glauben, daß es so war. In Wirklichkeit haben Sie die Verletzung von mir.« Bobby Fogerty sah Rick Masters entsetzt an. »Meinen Sie denn, ich werde verrückt?« flüsterte er. »Nein!« Rick schüttelte den Kopf, »Keine Angst. Das ist nicht die eigentliche Gefahr. Es geht darum, daß Schwarzmagier sich Ihrer Person bedienen. Sie wurden auf mich angesetzt.« »Warum gerade ich?« rief Bobby aus. »Ich will keiner Fliege etwas antun. Warum hat man ausgerechnet mich ausgesucht?« »Ich weiß es nicht«, gab Rick zu. »Ich werde es herausfinden, verlassen Sie sich darauf.« »Er wird dir helfen, Bobby, er kann es!« versicherte auch Sandra. »Nachdem ich die Verletzung gesehen hatte, habe ich Mr. Masters doch noch einmal angerufen. Er war schon reisefertig und wollte dir folgen.« »Ich habe Sandra gebeten«, fiel Rick ein, »Ihnen ebenfalls zu folgen. Meinetwegen hätten Sie das Trainingscamp bestimmt nicht verlassen, um hierher zu kommen.« Bobby saß eine Weile still. Endlich zuckte er die Schultern. »Und jetzt?« fragte er leise. »Ich werde einige Experimente mit Ihnen durchführen«, sagte Rick. »Sie brauchen keine Angst zu haben. Es besteht für Sie keine Gefahr. Legen Sie sich auf das Bett.« 36 �
Bobby tat es, hatte aber einen Einwand. »Ich muß ins Camp zurück, Mr. Masters! Ich habe nicht unbeschränkt Zeit.« »Es dauert nicht lange«, tröstete ihn Rick. »Entspannen Sie sich und denken Sie an nichts.« »Leicht gesagt«, murmelte Fogerty. Rick holte aus seinem Schulterhalfter die Silberkugel hervor, seine mächtige weißmagische Waffe. Damit strich er über Fogertys Stirn, seinen Nacken, seine Hände und seine Brust. Es stellte sich kein Erfolg ein. »Holen Sie bitte meinen Hund, Sandra«, sagte Rick, während er die Silberkugel wieder verschwinden ließ. »Dies hier ist das Zimmer Ihrer Freundin«, erklärte Rick dem Fußballer, während Sandra den Raum verließ. »Ich habe das Zimmer daneben gemietet.« Gleich darauf öffnete sich die Tür, und ein kleiner Mischlingshund fegte herein. Bei seinem Anblick zuckte Bobby Fogerty zusammen. »Haben Sie Angst vor Hunden?« fragte Rick lächelnd. »Nein, überhaupt nicht«, versicherte Fogerty. »Ich hatte nur einen Moment lang das Gefühl, diesen Hund zu kennen. Seine großen Ohren sind sehr charakteristisch.« »Dracula so heißt er war dabei, als Sie mich in der City von London überfielen«, sagte Rick. Der Geisterdetektiv beschnüffelte kurz Bobbys Hand, ließ sich kraulen und streicheln und rollte sich schließlich friedlich neben Fogerty zusammen, um zu schlafen. »Bringen Sie Dracula wieder in mein Zimmer«, bat Rick, und wartete, bis Sandra mit dem Hund draußen war. Erst jetzt holte er den Schlüssel des Großmeisters hervor. Rick faßte den ungefähr zwanzig Zentimeter langen Schlüssel an beiden Enden an und blickte in Fogertys Gesicht. Dabei konzentrierte er sich auf den Fußballstar. 37 �
Der Schlüssel des Großmeisters konnte Kontakte zu Schwarzmagiern, Geistern und Dämonen herstellen. Er verriet auch, ob eine Person in Zusammenhang mit Schwarzer Magie stand. Zuletzt schützte er seinen Träger auch vor Angriffen von Schwarzmagiern, weil normalerweise nur Anhänger des Bösen einen solchen Schlüssel besaßen. Sie sollten vor irrtümlichen Angriffen von Gesinnungsgenossen bewahrt werden. Bei Bobby Fogerty versagte auch dieses Instrument. »Ich kann nichts feststellen«, sagte Rick, als Sandra zurückgekehrt war. »Es ist mir ein Rätsel.« »Das bedeutet, daß Sie sich geirrt haben, Mr. Masters?« fragte Sandra erfreut. »Ich muß Sie enttäuschen, ich habe trotzdem recht«, behauptete der Geisterdetektiv. »Die Gegenseite hat diesmal nur so raffiniert gearbeitet, daß ich nicht hinter ihre Methoden komme.« »Ich muß gehen«, entschied Bobby. »Ich mache Ihnen aber einen Vorschlag, Mr. Masters! Kommen Sie morgen nachmittag ins Trainingscamp. Dort machen wir weiter. Einverstanden?« »Wenn Ihr Trainer nichts dagegen hat, bin ich einverstanden«, stimmte Rick zu. »Ich spreche mit Jack Draxler«, versicherte Bobby. Er stand auf, küßte Sandra und verschwand auf demselben Weg, auf dem er gekommen war. »Glauben Sie wirklich, daß man ihm zum Mörder machen will?« fragte Sandra nervös, während sie gemeinsam mit Rick hinter dem Fußballer herblickte. »Ja, das glaube ich«, bestätigte Rick. »Und glauben Sie, daß Sie ihm helfen können?« fuhr Sandra mit erstickter Stimme fort. »Ich hoffe es.« Rick seufzte. »Ich hoffe auch, daß ich selbst diesen Fall überleben werde. Denn vergessen Sie bitte nicht, Miß Cunningham, daß der Anschlag gegen mich zielt. Ich soll ster38 �
ben!« Sandra nickte. »Sie haben recht, ich habe nur an Bobby und mich gedacht. Ja, hoffentlich überstehen Sie es!« »Danke.« Rick legte ihr lächelnd die Hand auf die Schulter. »Bobby kann sich zu dieser Freundin gratulieren.« Seufzend wandte Sandra Cunningham sich von dem Fenster ab. Bobby war nicht mehr zu sehen. Sie schloß sich in ihrem Zimmer ein. Rick ging noch nicht schlafen. Er hatte noch etwas zu erledigen. * Obwohl Rick Masters auf Übersinnliches spezialisiert war, mußte er die meisten seiner Fälle wie ganz gewöhnliche Kriminalfälle angehen. Bei Bobby Fogerty war es genauso. Der junge Mann hatte versucht, ihm umzubringen. Das war nicht nachzuweisen. Rick war überzeugt, daß eine schwarzmagische Macht dahintersteckte. Doch um an diese Macht heranzukommen, mußte er grundlegende Ermittlungen anstellen. Er brachte Dracula nach einem letzten Spaziergang in sein Zimmer und machte sich allein auf den Weg. Sein Ziel war das Trainingscamp. Rick benutzte genau wie Bobby Fogerty ein Fahrrad, weil es lautlos war. Das Trainingscamp lag in einer einsamen Gegend. Ein Auto wäre sofort bemerkt worden. Der Geisterdetektiv hatte sich bereits unmittelbar nach seiner Ankunft ein Rad gemietet. Nun fuhr er ohne Licht zielstrebig aus dem Dorf hinaus und näherte sich auf Schleichwegen dem Camp. Seine Überlegung war simpel. Bobby Fogerty war kein 39 �
Schwarzmagier, sonst hätte er auf die Silberkugel reagiert. Er hätte geschrien und getobt und sich dagegen gewehrt. Und er hätte durch den Kontakt mit der Silberkugel seine schwarzmagischen Fähigkeiten verloren. Auch der Schlüssel des Großmeisters hatte nichts ergeben. Er hätte aber unbedingt anzeigen müssen, daß Bobby unter schwarzmagischem Einfluß stand. Dies war also auch nicht der Fall. Aber auch unmittelbar während des Mordanschlages hatte Bobby keine magische Ausstrahlung besessen, sonst hätte Dracula es angezeigt. Rick hatte nur noch eine einzige Erklärung. Man hatte Bobby eine zweite Persönlichkeit eingepflanzt, die gelegentlich seine Schritte steuerte. Bobby wußte nichts davon, und nach außen hin war es nicht zu erkennen. Sogar Ricks wirkungsvolle Instrumente und Waffen versagten. Um diese zweite eingepflanzte Persönlichkeit zu erhalten, mußte sie bestimmt von Zeit zu Zeit erneuert werden. Eine derartige Verbindung konnte nicht besonders stabil sein. Also vermutete Rick, daß sich ein Schwarzmagier in Bobbys Nähe aufhielt. Es war nun Ricks Aufgabe, diese Person zu entlarven. Dann würde sich das Problem Bobby Fogerty von selbst lösen. Früher oder später mußte Bobby dann diese zweite Persönlichkeit abstreifen. Der Geisterdetektiv versprach sich von der üblichen Methode des Beschattens eine ganze Menge. Er mußte beobachten, um Anhaltspunkte zu bekommen. Das war langwierig und nicht besonders interessant, aber eine andere Möglichkeit hatte er im Moment nicht. Er lehnte das Fahrrad am Zaun des Camps gegen einen Baum und betrat das Grundstück. Es wurde nicht bewacht, was Rick ein wenig überraschte. In der heutigen Zeit gab es überall Wäch40 �
ter. Hier im hohen Norden Schottlands hielt man sie offenbar für überflüssig. Es sollte ihm nur recht sein. Je weniger Schwierigkeiten er bekam, desto leichter konnte er den Schwarzmagier entdecken. Lautlos näherte sich der Geisterdetektiv dem Gebäudekomplex. Alle Fenster waren dunkel. Erst als Rick um eine Ecke bog, sah er ein erleuchtetes Fenster. Das brauchte nun nichts zu sagen haben, aber Rick wollte sehen, was dort vor sich ging. Das Fenster lag im Hochparterre. Ein breites Sims erleichterte es Rick, nach oben zu steigen. Da das Fenster nicht ganz geschlossen war, sah Rick nicht nur, was in dem Zimmer passierte. Er verstand auch jedes Wort. »Und du willst mir nicht verraten, wo du warst?« fragte Jack Draxler, der Trainer. »Nein«, erwiderte Bobby trotzig. »Ich habe es schon zehnmal erklärt. Ich hatte einen besonderen Grund, aber das hat nichts mit meiner Arbeit in der Mannschaft zu tun.« »Okay, Bobby!« Draxler wurde wütend. »Dann werde ich dir sagen, wie es war. Du bist ins Dorf gefahren. Das kannst du nicht abstreiten, weil ich dich gesehen habe. Und dort hast du deine Freundin besucht.« »Die ist in London«, murmelte Bobby. »Sie ist hier und hat sich im Gasthof ein Zimmer genommen.« Jack Draxler baute sich vor dem Spieler auf, der auf seinem Bett saß. Er stemmte die Fäuste in die Hüften. »Ich war im Dorf und habe nachgefragt. Wenn Sandra dir schon nachreist, sollte sie wenigstens einen anderen Namen benutzen. Also gut, weiter im Text. Du warst bei deinem Mädchen. Meinetwegen! Ich habe es euch verboten, und du hast dich nicht daran gehalten. Das ist die eine Sache. Aber wieso bist du so verstört zurückgekommen, als wäre der Teufel hinter dir her? Ich habe dein Gesicht gesehen, 41 �
Bobby! Und da hast du noch nicht gewußt, daß ich dein Fehlen bemerkt habe. Los, komm schon, mein Junge! Rück mit der Sprache heraus. Mit dir stimmt doch etwas nicht. Du kannst mir vertrauen. Ich habe meinen Boys immer geholfen, ganz gleich, worum es sich dreht!« Rick hielt den Atem an. Für einen Moment sah es so aus, als würde Bobby Fogerty plaudern und sein Geheimnis verraten. Fogerty schien zu Draxler wirklich ein gutes Verhältnis zu haben. Doch im nächsten Moment straffte sich Bobby. Er schüttelte den Kopf. »Sie können mich nach Hause schicken, Mr. Draxler, aber von mir erfahren Sie nichts!« erwiderte er scharf. Dieser Ton paßte gar nicht zu ihm. Bobby war wie verwandelt. Ricks Herz schlug einen Trommelwirbel. Er hielt sich zum Eingreifen bereit. Wenn er sich nicht täuschte, stand Bobby jetzt wieder unter fremdem Einfluß. Seine zweite, eingepflanzte Persönlichkeit übernahm das Kommando. Gespannt wartete der Geisterdetektiv auf Draxlers Antwort, erfuhr sie jedoch nicht mehr. Ein greller Blitz blendete ihn plötzlich in der Dunkelheit der Nacht. Er sah auf einmal nur schemenhaft, was sich in dem Zimmer tat. Zwei Personen kamen ans Fenster. Rick wandte den Kopf. Er wollte sehen, woher der Blitz gekommen war, doch vor seinen Augen stand als Nachwirkung der Blendung eine grelle Scheibe. Und dann blitzte es schon wieder von unten, und Rick begriff, daß es sich um das Blitzlicht eines Fotoapparates handelte. Doch das half ihm auch nicht weiter. Er wurde noch mehr geblendet und mußte die Augen schließen, hörte wütende Schreie, wurde durch die geschlossenen Augen hindurch von neuen Blitzen ge42 �
troffen, sah überhaupt nichts mehr, klammerte sich an dem Sims fest, erhielt einen heftigen Stoß und stürzte in die Tiefe. Er prallte schwer auf. Und dann riß bei ihm der Faden. * Als Rick Masters die Augen aufschlug, wurde er von hellem Schein geblendet. »Nein!« schrie er auf. Er war noch nicht ganz bei sich und glaubte, auf dem Sims zu stehen. Er erwartete jeden Moment den Stoß, der ihn in die Tiefe befördern würde. »Ganz ruhig, Rick, ganz ruhig«, sagte eine weiche Frauenstimme. Zwei Hände legten sich auf seine Schultern und drückten ihn zurück. »Ihnen kann nichts mehr passieren. Bleiben Sie liegen!« Er rührte sich nicht. Allmählich begriff er, was passiert war. Unten vor dem Trainingsgebäude hatte ein Fotoreporter gewartet und Rick durch das Blitzlicht geblendet. Bobby Fogerty hatte das Fenster aufgerissen und Rick in die Tiefe gestoßen. Jetzt lag der Geisterdetektiv in seinem Zimmer des Gasthofs auf dem Bett. Dracula lag neben ihm und leckte ihm die Hand. Leise stöhnend streichelte Rick den Hund. Die Blendung vorhin war die Deckenlampe gewesen. Sandra Cunningham kümmerte sich um ihn. Das war der Stand der Dinge. »Mein Kopf«, murmelte Rick ächzend. »Bin ich mit dem Kopf aufgeschlagen?« »Nein, Sie hatten unwahrscheinliches Glück, Rick«, erwiderte Sandra Cunningham. »Sie sind auf einem Rasenstück gelandet – mit Ihrem verlängerten Rücken zuerst. Ihr Kopf ist trotzdem noch ziemlich unsanft mit dem Rasen in Berührung gekommen.« 43 �
»Woher wissen Sie das?« fragte der Geisterdetektiv benommen. »Sie waren nicht dabei.« »Bobby und Mr. Draxler haben Sie hergebracht und auf Ihr Bett gelegt«, erklärte Sandra. »Die beiden waren fürchterlich wütend auf Sie!« »Und der Reporter?« erkundigte sich Rick. »Der heißt Warren Miles und arbeitet als freier Reporter für keine bestimmte Zeitung.« Rick setzte sich auf und verzog schmerzlich das Gesicht. »Ja, jetzt fühle ich, womit ich aufgeprallt bin«, gab er zu. »Hat Bobby restlos den Verstand verloren? Das Fenstersims lag zwar im Halbstock, aber er hätte mich umbringen können.« Rick verstummte. Der letzte Schleier löste sich von seiner Erinnerung. Nun wußte er auch wieder, daß Bobby Fogerty sich vor diesem Zwischenfall offensichtlich gewandelt hatte. »Ich habe Bobby nicht wiedererkannt, als er Sie zusammen mit Jack Draxler hierher brachte«, erklärte Sandra Cunningham. »Es war erschreckend. So wütend habe ich ihn noch nie gesehen. Ich habe verlangt, daß sich der Vereinsarzt um Sie kümmert. Mr. Draxler ließ sich von mir überreden, aber Bobby hat es abgelehnt.« »Seit wann hört Draxler auf die Befehle eines Spielers?« fragte Rick und tastete nach seinen Zigaretten. Er schob sich eine zwischen die Lippen. Sandra gab ihm mit einem unglücklichen Lächeln Feuer. »Draxler hat sich nie um die Meinung anderer Leute gekümmert«, erwiderte sie. »Schon gar nicht um die Ansichten seiner Spieler. Und er hat von niemandem Befehle entgegengenommen. Glauben Sie mir, Rick, ich begreife nichts mehr.« »Aber Sie glauben mir?« fragte Rick hoffnungsvoll. Sandra nickte. »Jetzt noch mehr als vorher. Was können wir tun?« 44 �
Rick rauchte in Ruhe seine Zigarette zu Ende. Es ging ihm jetzt besser. »Ich muß weitermachen«, sagte er endlich, als führe er ein Selbstgespräch. »Ich muß diese Bestie entlarven…« »Bestie?« fragte Sandra atemlos. »Sprechen Sie von Bobby, Rick?« »Nein, keine Angst. Ich meinte die Person, die alles eingefädelt hat«, beruhigte Rick das Mädchen. »Heute nacht kann ich nichts mehr unternehmen. Ich werde mich ausruhen. Gute Nacht, Sandra, und vielen Dank für alles.« »Schlafen Sie gut, Rick«, wünschte sie ihm und verließ sein Zimmer. Rick kraulte seinen Hund zwischen den Ohren. »Ich habe keine besonders gute Figur gemacht, fürchte ich«, meinte er leise. »Wärst du dabeigewesen, du hättest diesen Reporter ins Bein gebissen. Ich wäre rechtzeitig gewarnt worden, er hätte nicht fotografieren können, und ich wäre nicht geblendet worden.« Dracula rollte sich auf den Rücken und ließ sich auch am Bauch kraulen. Rick wollte aufstehen, sich ausziehen und von den Spuren seines Fenstersturzes reinigen. Als er jedoch das nächste Mal die Augen aufschlug, war es heller Morgen. Sonnenschein flutete in das Zimmer. Die Deckenlampe brannte noch, und Dracula schlief neben seinem vollständig angezogenen Herrn. Ächzend ging Rick unter die Dusche, zog sich um und frühstückte. Sandra Cunningham ließ sich nicht blicken. Auf Ricks Fragen erklärte die Wirtin: »Miß Cunningham ist abgereist, Mr. Masters. Schon heute ganz zeitig am Morgen.« »Sollen Sie mir nichts bestellen?« fragte Rick überrascht. Die Wirtin schüttelte den Kopf. »Nein! Miß Cunningham hat sogar extra gesagt, daß sie keine 45 �
Adresse hinterläßt, damit Sie ihr nicht folgen können.« Rick vergaß vor Überraschung zu antworten. Er blickte stumm hinter der Wirtin her und zermarterte sich vergeblich den Kopf, was wohl mit Sandra geschehen war. Am Vormittag versuchte er, im Trainingscamp mit Bobby Fogerty zu sprechen. Der Verein hatte jedoch Wärter aufmarschieren lassen, die Rick schroff abwiesen. Jack Draxler kam vor das Gebäude und erklärte Rick, er habe hier nichts verloren. Erst als Rick darauf bestand, mit Bobby zu sprechen, kam der junge Fußballer vor die Tür. »Lassen Sie mich endlich in Ruhe!« schrie Bobby Fogerty. »Ich habe Angst vor irren Typen wie Ihnen. Verschwinden Sie!« Die Wächter nahmen eine drohende Haltung ein. Da wußte Rick, daß er verloren hatte. * Als ihm seine Besucherin angekündigt wurde, stand Chefinspektor Hempshaw auf und ging an die Tür seines Büros. Das geschah nur sehr selten. Er hatte keine geschliffene, höflich polierte Art. Meistens blieb er sogar hinter seinem Schreibtisch sitzen, wenn jemand kam. Nur selten stand er auf. Die besondere Auszeichnung galt Hazel Kent, die fast nie in den Yard kam. Privat traf sie gelegentlich mit dem Chefinspektor zusammen. Mit seinem Beruf hatte sie jedoch nichts zu tun. »Mrs. Kent!« Der Chefinspektor begrüßte die junge, attraktive und elegante Witwe mit sichtlicher Freude. »Sie besuchen mich viel zu selten.« »Ich besuche Sie viel zu oft, Mr. Hempshaw«, erwiderte Hazel mit einem charmanten Lächeln. 46 �
Hempshaw machte ein betroffenes Gesicht. »Das hört sich nicht sehr schmeichelhaft für mich an.« »O doch, Mr. Hempshaw«, sagte Hazel lachend. »Es war nämlich keineswegs gegen Sie persönlich gerichtet. Denken Sie jedoch einmal zurück. Ich komme nur in Ihr Büro, wenn es ernste Probleme gibt.« »Das ist richtig«, bestätigte der Chefinspektor und rückte ihr den unbequemen, harten Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch zurecht. »Nehmen Sie Platz und schütten Sie mir Ihr Herz aus.« Hazel setzte sich, aber sie schüttete ihr Herz nicht aus. Sie blieb stets zurückhaltend und verschlossen. Dennoch kam sie sofort auf den Kern des Problems zu sprechen. »Haben Sie die Zeitungen gelesen?« fragte sie. Hempshaw nickte. »Sie meinen die großen Artikel und die Fotos über das Trainingscamp in Schottland.« Er seufzte. »Die Sache nimmt unangenehme Formen an.« »Ich habe vergeblich versucht, Rick in Schottland ausfindig zu machen«, berichtete Hazel. »Ich habe in allen in Frage kommenden Hotels in der Nähe des Camps angerufen. In einem Gasthof hatte ich endlich Glück, aber Rick war schon wieder abgereist.« »Was soll denn das bedeuten?« Der Chefinspektor beugte sich überrascht vor. »Hat Rick sich nicht mit Ihnen in Verbindung gesetzt, Mrs. Kent?« Hazel schüttelte den Kopf. »Er sagte vor seiner Abfahrt, er wolle nach Schottland. Er müsse Bobby Fogerty im Auge behalten. Danach hat er nicht mehr angerufen.« »Meinen Sie, er ist in Schwierigkeiten?« forschte der Chefinspektor besorgt. »Ich glaube eher, er nimmt es uns übel, daß wir ihm seine Geschichte nicht glauben«, antwortete Hazel ehrlich. »Seine Geschichte ist aber auch zu abenteuerlich. Der Chefinspektor war sichtlich ratlos. »Oder glauben Sie, daß alles so 47 �
stimmt, wie Rick es erzählt?« »Nein«, sagte Hazel hart. Jetzt sprang Hempshaw vor Überraschung sogar auf und begann einen unruhigen Marsch durch sein Büro. »Es ist das erste Mal, daß Sie offen anderer Meinung als Rick sind«, sagte er nach einer Weile. »Sie haben mich falsch verstanden«, schränkte Hazel ein. Um ihren Mund spielte ein schwaches Lächeln. »Mr. Hempshaw, ich glaube jedes Wort, das Rick erzählt. Dennoch bin ich überzeugt, daß nicht alles den Tatsachen entspricht. Ich bin überzeugt, daß die Gegenseite Rick etwas vorspiegelt.« Hempshaws Überraschung legte sich. »Ach so«, meinte er leise. Er setzte sich auch wieder. »Nun ja, das hört sich vernünftig an. Keiner von uns kann sich vorstellen, daß der sympathische Held einer Nation ausgerechnet Rick an den Kragen will.« »Ich bin nun bei Ihnen«, kam Hazel auf den Kernpunkt zu sprechen, »damit Sie Rick aktiv unterstützen. Es darf nicht so weit kommen, daß er ganz allein und hilflos dasteht.« »Er war immer ein Einzelgänger, der seine Fälle am liebsten allein gelöst hat«, wandte der Chefinspektor ein. »Richtig«, stimmte Hazel ihm zu. »Vielleicht lachen Sie mich aus, Mr. Hempshaw, aber diesmal habe ich das Gefühl, daß Rick Hilfe braucht. Er verstrickt sich in etwas, das er nicht durchschaut und aus dem es für ihn keinen Ausweg gibt. Sie müssen ihm helfen.« »Können Sie mir nicht einen exakteren Tip geben, Mrs. Kent?« bat der Chefinspektor. »Nein, leider nicht. Eine Frau fühlt, wenn ein Mann Hilfe braucht. Es mag abgedroschen klingen, aber so ist es. Und jetzt braucht Rick uns alle.« Der Chefinspektor breitete die Arme aus. »An mir soll es nicht liegen. Wo könnte ich ansetzen?« 48 �
Hazel stand auf und streckte ihm die Hand entgegen. »Ich weiß es nicht, aber lassen Sie Rick nicht im Stich«, sagte sie. »Wenn ich etwas erfahre, teile ich es Ihnen mit. Nur im Moment bin ich ratlos.« »Ich tue mein Bestes«, versicherte der Chefinspektor. »Sie hören bestimmt bald von mir. Zuerst muß ich herausfinden, wo Rick steckt. Dann kann ich etwas unternehmen.« Hazel war nicht wesentlich erleichtert, als sie den Yard verließ. Sie hatte nun wenigstens das Gefühl, etwas unternommen zu haben. Und das war in der gegenwärtigen Situation schon eine ganze Menge. Es war noch zeitig am Tag. Deshalb fuhr sie in ihr Büro, ließ sich von dem Expreßlift in die oberste Etage des Kent-Hochhauses katapultieren und betrat den Vorraum zu ihrem Büro. Mrs. Penning saß an der Schreibmaschine und blickte auf, als ihre Chefin eintrat. Aber noch jemand war anwesend. Er saß in einem jener Sessel, die für wartende Besucher vorgesehen waren, und streckte die Beine lang von sich. »Rick!« rief Hazel und blieb wie versteinert stehen. Im nächsten Augenblick lief sie ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen. Mrs. Penning wandte sich diskret ab. * Nach der ersten Begrüßung mußte Rick berichten. »Ich habe mich zurückgezogen«, schloß er seine Erzählung. »Weil ich nicht mehr an Bobby Fogerty herankam. Sie haben ihn hermetisch abgeschirmt. Was sollte ich noch in Schottland?« Hazel sah ihn betroffen an. »Seit wann gibst du auf?« fragte sie verstört. »Das ist sonst nicht deine Art.« »Ich weiß, wann ich nichts mehr erreiche«, entgegnete Rick. 49 �
»Und jetzt ist es soweit.« »Aber…«, wandte Hazel ein. »Keine Sorge, es geht weiter«, sagte Rick bitter. »Ich halte vorläufig still, weil ich an Fogerty nicht herankomme. Aber er wird an mich herankommen.« »Du meinst, er wird es noch einmal versuchen?« rief Hazel erschrocken. »Er wird es auf jeden Fall tun!« Rick sprang auf, schob die Hände in die Hosentaschen und trat an das Fenster, von dem aus er die ganze Londoner City mit der St. Paul's Cathedral überblicken konnte. »Es ist Fogertys Aufgabe, mich umzubringen. Fogerty selbst hat es mir angekündigt. Er wird wiederkommen und es probieren, verlaß dich darauf. Er wird es so lange versuchen, bis er Erfolg hat.« vollen Einfluß befreist«, wandte Hazel ein. »Oder das!« Rick nickte. Er warf einen langen Blick auf Dracula. »Ich fahre jetzt nach Hause und arbeite auf, was bei mir liegengeblieben ist. Alte Post, Rechnungen, Briefe. Ich werde auch einige Bücher lesen, die ich schon lange studieren wollte.« Hazel wurde blaß. »Mit anderen Worten«, flüsterte sie, »du willst dich als Köder für Bobby Fogerty anbieten?« Rick drehte sich nicht um, als er nickte. »Hast du einen anderen Vorschlag?« fragte er. »Rick, das ist zu gefährlich!« rief Hazel aufgeregt. »Hast du einen anderen Vorschlag?« wiederholte er. »Nein, aber…« Hazel verstummte, weil sie einsah, daß er recht hatte. »Na also«, sagte Rick. Er kam zu Hazel und küßte sie. »Bis bald, Darling. Vorläufig können wir uns nicht sehen. Du darfst nicht auch in Gefahr geraten.« Sie griff nach zusammengefalteten Zeitungen auf ihrem 50 �
Schreibtisch. »Hast du die Artikel über dich gelesen?« fragte sie. Ricks Augen wurden groß. »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst«, gab er zu. Hazel zeigte ihm lange Berichte, die sich mit einem unbekannten Irren beschäftigten, der Bobby Fogerty bedrohte. »Warren Miles«, sagte Rick und deutete auf den Namen des Reporters, von dem der Artikel stammte. »Das hätte ich mir denken können.« Die Fotos zeigten Rick Masters und Bobby Fogerty am Fenster des Trainingscamps. »Die Bilder sind so, daß man dich für den Angreifer hält«, sagte Hazel bedrückt. »Es sieht so aus, als wolltest du Bobby Fogerty erwürgen.« »Ja, die Bilder verfälschen die Wahrheit«, versicherte Rick. »Man sieht nicht, daß Bobby mich in die Tiefe stößt und ich mich an ihm festklammern möchte.« »Der Artikel ist bösartig geschrieben«, fuhr Hazel fort. »Es wird jetzt bestimmt eine Menge Leute geben, die auf dich sehr wütend sind. Sei froh, daß dieser Warren Miles deinen Namen nicht kennt.« Rick machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich habe genug Probleme am Hals«, sagte er schroff. »Ich kann mich nicht auch noch mit Reportern herumschlagen. Ich melde mich wieder bei dir, Darling! Ruf mich an!« »Das werde ich tun«, versprach Hazel. »Hast du schon den Chefinspektor gesprochen?« »Nein!« Rick winkte ab. »In diesem Fall will ich Kenneth nicht belästigen. Er glaubt meine Geschichte nicht. Wie sollte er auch. Nein, ich werde es allein durchstehen!« Hazel verabschiedete sich von ihm mit einem langen Kuß. Sie ließ ihn ungern gehen, sah jedoch ein, daß es sein mußte. Als sie sicher war, daß Rick das oberste Stockwerk des Kent51 �
Hochhauses verlassen hatte, griff sie zum Telefon. Sie ließ sich mit Chefinspektor Hempshaw verbinden. »Rick will den Köder in der Geisterfalle spielen«, sagte sie und schilderte mit knappen Worten, worum es ging. Hempshaw erklärte ihr, wie er sich seine Hilfe vorstellte. Hazel war damit zufrieden. Dennoch war sie nicht beruhigt, als sie auflegte. Dazu war die Gefahr viel zu groß, in die Rick sich freiwillig begab. * Bobby Fogertys Mannschaft bestritt das erste Spiel nach dem Trainingscamp in Leeds. Das Fernsehen war wieder dabei. Trotz der Direktübertragung waren die Ränge des Stadions bis auf den letzten Platz gefüllt. Auf dem grünen Rasen herrschte die gleiche Hochstimmung wie unter den Zuschauern. Alle freuten sich auf Bobby Fogertys Auftritt. Das Spiel stand bis kurz vor Schluß null zu null. Langsam breitete sich Unmut auf den Rängen aus, als Bobby Fogerty einen Eckball in ein unhaltbares Tor verwandelte. Der Unmut schlug in brodelnde Begeisterung um. Das Stadion kochte fast über, und die Ordnungskräfte rings um das Spielfeld hatten alle Mühe, die Fans im Zaum zu halten. Der Spielstand änderte sich in den letzten Minuten nicht mehr. Bobby Fogerty war wieder einmal der gefeierte Held des Tages. In den Umkleidekabinen fiel Jack Draxler ihm beinahe um den Hals. Er hielt sich nur im letzten Moment zurück. »Zur Strafe für deine Extratour in Schottland sollte ich dich eigentlich in die Wüste schicken«, sagte der Trainer mit vorgetäuschtem Ärger. »Aber für dieses eine Tor will ich dir ausnahmsweise noch einmal verzeihen!« Bobby Fogerty grinste seinen Kameraden zu. Alle wußten, wie 52 �
sie die Worte des Trainers zu nehmen hatten. Draxler blieb seiner Rolle als grimmiger Tyrann treu. »Warum hast du es denn heute so eilig?« fragte Joe Duncan seinen Kameraden. »Wartet sie schon auf dich? Hast du in jeder Stadt eine Braut?« Bobby zog sich hastig um. »Sie wartet wirklich auf mich«, gab er zu. »Aber es ist Sandra.« »Ist sie nach Leeds gefahren?« staunte Joe Duncan. »Mann, mit dem Mädchen hast du Glück. Um die kann man dich beneiden.« »Ja, um Sandra kannst du mich auch beneiden«, erwiderte Bobby stolz. »Sie ist ein prächtiges Mädchen.« Er ließ sich auf keine Gespräche mehr ein und lehnte auch eine Feier mit den Kameraden ab. »Ich bin mit Sandra in einem Lokal ganz in der Nähe verabredet. Tut mir leid, Freunde!« Winkend verließ Bobby die Räume für die Fußballer. Auch diesmal suchte er einen Nebenausgang, um den Menschenmengen zu entkommen. Durch das Fenster eines Korridors entdeckte er Jack Draxler. Der Trainer hatte das Gebäude schon verlassen und nahm die Straße, in der Sandra auf Bobby wartete. Nach dem Spiel hatte heftiger Regen eingesetzt. Der Wolkenbruch ließ jetzt nach. Trotzdem fiel es nicht auf, daß Bobby sich eine Schirmmütze tief ins Gesicht zog. Auf diese Weise blieb er unerkannt, als er auf den freien Platz vor dem Stadion trat. Gruppen von Fans zogen singend und fahnenschwenkend durch die Straßen. Autos fuhren hupend in wilden Kurven über den Vorplatz. Bobby lächelte still vor sich hin. Es gefiel ihm, daß Fußball die Leute so aufmöbelte. Sie konnten ein wenig gute Laune vertragen. 53 �
Er ging mit raschen Schritten den gleichen Weg, den Jack Draxler vorhin genommen hatte. Dabei achtete er nur wenig auf seine Umgebung. Er hielt den Kopf gesenkt, damit die Leute ihn nicht erkannten. Das Lokal, in dem Sandra auf ihn wartete, lag am Ende der Straße. Von einem Fenster der Teestube aus konnte man die ganze Straße überblicken. Sandra hatte sich einen günstigen Platz gesucht. Sie sah Bobby von weitem kommen. Da sie wußte, daß er nicht mit ihr hierbleiben, sondern ins Hotel fahren wollte, bezahlte sie. Schon wollte sie aufstehen und ihm entgegengehen, als Bobby plötzlich stehenblieb. Er wandte den Kopf und blickte offenbar überrascht in einen Hauseingang. Sandra spannte sich. Sie fühlte, daß dort draußen etwas unprogrammgemäß verlief. Vorhin hatte sie auch Jack Draxler gesehen, der ebenfalls auf die Teestube zugegangen war. Durch die kassierende Serviererin war sie abgelenkt worden. Nun konnte sie Draxler nicht mehr entdecken. Stand der Trainer in diesem Hauseingang, um mit Bobby zu sprechen? Weshalb sollte das heimlich geschehen? Bobby schien die Verabredung vergessen zu haben. Er ging mit hängenden Armen auf den Hauseingang zu und blieb unmittelbar davor stehen. Das wurde Sandra Cunningham zu viel. Sie war eine tatkräftige junge Frau, die nicht einfach alles teilnahmslos an sich vorbeiziehen ließ. Sie wollte nun wissen, was Bobbys sonderbares Benehmen bedeutete und wer dort auf ihren Freund wartete. Sie verließ überstürzt die Teestube und hastete die Straße entlang. Außer ihr und Bobby hielt sich niemand in der Nähe auf. Die Fans nahmen andere, Wege. Die Absätze ihrer Schuhe verursachten ein hartes Stakkato auf 54 �
dem altmodischen Pflaster des Bürgersteiges. Es war weit zu hören. Sandra war noch ungefähr zehn Meter von ihrem Freund entfernt, der wie benommen vor dem Hauseingang stand, als ein leichter Ruck durch Bobbys Körper ging. Er richtete sich verwirrt auf. Sandra kümmerte sich nicht um Bobby, sondern schob ihn beiseite und sprang in den Hauseingang. Drinnen hörte sie hastige Schritte. Es war sehr dunkel, da es sich um ein altes Haus mit kleinen Fenstern handelte. Bis sie den Schalter für die Treppenbeleuchtung fand, waren die Schritte schon verstummt. Trotzdem versuchte sie ihr Glück. Sie hastete in den Korridor, an dessen Ende die Treppe begann. »Sandra, was tust du hier?« rief Bobby hinter ihr her. Sie ließ sich nicht aufhalten. Als sie die Treppe erreichte, wußte sie, daß sie zu spät kam. Der Unbekannte war nicht nach oben geflohen. Unmittelbar neben der Treppe gab es eine Tür, die auf den Hinterhof führte. Sandra erblickte Mülltonnen, dann eine hüfthohe Mauer und dahinter ein Gewirr von niedrigen Mauern, Sträuchern und ineinander verschachtelten Hinterhöfen und Gärten. Der Mann war entkommen. »Sandra!« Bobby packte sie am Arm und zog sie behutsam zu sich herum. »Was tust du hier?« »Dasselbe könnte ich dich fragen«, erwiderte sie gereizt. Er zuckte die Schultern. »Ich war zu der Teestube unterwegs, Darling. Doch plötzlich habe ich gesehen, wie du in dieses Haus gelaufen bist. Was tust du hier?« »Das hast du mich jetzt dreimal gefragt!« schrie sie ihn an. »Fällt dir nichts anderes ein?« »Ich will es eben wissen!« fuhr er sie an. »Es ist doch mehr als 55 �
merkwürdig, daß meine Freundin versucht, sich vor mir in einem fremden Haus zu verstecken.« Betroffen wich Sandra einen Schritt zurück. »Du weißt wirklich nicht, was passiert ist, nicht wahr?« fragte sie bestürzt. »Du kannst dich nicht daran erinnern, daß du auf dem Weg zu mir stehen geblieben bist. Du hast wie ein Schlafwandler vor diesem Haus verharrt. Als ich hierher kam, lief jemand weg. Ich habe ihn nicht mehr gesehen, aber gehört.« Bobby griff sich an die Schläfen. Für Sekunden wurde sein Blick glasig, doch endlich schüttelte er heftig den Kopf. »Nein, du hast dir nur etwas eingebildet!« behauptete er. »Komm, gehen wir. Ich habe mich auf das Wiedersehen mit dir gefreut. Ich lasse es mir nicht von einem so unbedeutenden Zwischenfall zerstören.« Sandra Cunningham war nicht davon überzeugt, daß es wirklich nur ein harmloser Zwischenfall war. Sie sprach jedoch nicht mehr darüber. Statt dessen dachte sie an Rick Masters und seine Warnungen. Sie hatte ihm nach den Vorfällen in Schottland nicht mehr geglaubt. Nach einer zweiten Aussprache mit Bobby hatte sie angenommen, Rick Masters wollte sich nur wichtig machen, um seinen Ruhm aufzupolieren. Doch nun stellte sich alles in einem anderen Licht dar. Diesen Abend mit Bobby konnte sie nicht genießen. Daß er dennoch glaubte, sie wäre restlos glücklich, lag an ihrem schauspielerischen Talent. Denn eines hatte Sandra erkannt. Bobby hatte keine Ahnung, was vor sich ging. Deshalb würde er es auch nicht glauben, nicht einmal, wenn sie selbst es ihm sagte. Deshalb durfte er auch nicht ahnen, daß sie Verdacht geschöpft hatte. Auf keinen Fall durfte er sich in dieser Lage von ihr trennen. Das wäre nicht nur für ihn selbst vernichtend gewesen. 56 �
Noch hatte Sandra sich zu keinem Entschluß durchgerungen, als der Verlauf der Ereignisse ihr die Entscheidung aus der Hand nahm. Es geschah etwas, womit sie nicht mehr gerechnet hatte. * Rick Masters hatte noch nie so viele Briefe geschrieben wie jetzt. Das war gut, weil er sich nun endlich bei all jenen Leuten meldete, denen er schon lange einen Brief versprochen hatte. Es war andererseits nicht gut, weil er in seinem aktuellen Fall nicht vorankam. Er erwartete in jeder Minute einen Mordanschlag, und das kostete Nerven. Rick merkte, daß er irgendwann keine Kraft mehr haben würde. Es mußte eine Entscheidung geben, bevor dieser Zeitpunkt gekommen war. Denn war Rick erst einmal am Ende, würde Bobby Fogerty mit ihm leichtes Spiel haben. War es das, was die Schwarzmagier wollten? Hatte der Großmeister der Schwarzmagier, der Anführer aller Anhänger des Bösen, diesen Plan erstellt? Rick wußte es nicht, aber er mußte handeln. Das stand fest. Ein Blick in die aktuellen Tageszeitungen genügte. Nach einer kurzen Verabschiedung von Hazel machte Rick Masters sich auf den Weg nach Leeds. In Leeds angekommen, mietete Rick sich in demselben Hotel wie Bobby Fogerty ein. Den Namen des Hauses kannte er ebenfalls aus der Zeitung. Als er sich an der Rezeption eintragen sollte, zögerte er einen Moment, gab aber seinen richtigen Namen an. Dann ging er auf sein Zimmer, dachte jedoch nicht an Schlaf. Dracula bekam einen bequemen Sessel zugewiesen und rollte 57 �
sich darauf zusammen. Aus Kissen und Kleidungsstücken formte Rick eine Gestalt, legte sie in das Bett und deckte sie zu. Dann löschte er das Licht, schob einen Sessel in den toten Winkel hinter der Tür und bezog Posten. Rick hatte sich vorgenommen, wach zu bleiben. Es fiel ihm nicht leicht. Mehrmals nickte er ein und schrak jedesmal von irgendeinem Geräusch hoch. Es war schon weit nach Mitternacht, als er endlich jenes Geräusch hörte, auf das er die ganze Zeit wartete. Von draußen schob sich ein Schlüssel in das Schloß. Es klickte, dann schwang die Tür auf. Als sie leise knarrte, erstarben alle anderen Geräusche. Der Eindringling wartete offenbar ab, ob Rick wach geworden war. Erst nach einigen Sekunden öffnete sich die Tür ganz. Im Korridor brannte die Nachtbeleuchtung. Ihr Schein reichte aus, daß Rick Bobby Fogerty erkannte. Ziemlich unvorsichtig, dachte Rick. Fogerty mußte wissen, daß Rick ihm auf der Spur war. Fogerty schloß die Tür und schlich auf das Bett zu. Rick hielt schon seine Silberkugel in der Hand. Er hätte auch seine Pistole einsetzen können, doch dann hätte er Bobby Fogerty womöglich verletzt. Das wollte er unter allen Umständen vermeiden. Der junge Mann handelte nicht aus freien Stücken! Neben dem Bett blieb Bobby stehen. Für ihn sah es so aus, als würde Rick unter der Decke liegen. Es war so dunkel im Zimmer, daß Rick nur Umrisse erkannte. Dracula verhielt sich still, ein Beweis für seine Intelligenz. Der Hund wußte, daß sein Herr wachte. Deshalb war es nicht nötig, Rick zu warnen. Auch diesmal spürte Dracula keine schwarzmagische Ausstrahlung, sonst hätte er trotzdem Laut gegeben. 58 �
Rick umklammerte die Silberkugel. Wenn etwas half, war sie es. Drüben am Bett gab es ein dumpfes Geräusch. Im selben Moment kniff Rick die Augen zusammen und drückte den Lichtschalter, neben dem er seinen Sessel postiert hatte. Im Gegensatz zu Bobby Fogerty wurde Rick nicht geblendet. Deshalb sah er, daß Fogerty seine Hände um den Hals der Stoffigur preßte. »Sie können mich so nicht erwürgen, Bobby«, sagte Rick leise. Schon beim Aufflammen des Lichts war der Fußballstar zusammengezuckt, aber wie betäubt stehengeblieben. Beim Klang von Ricks Stimme wirbelte er herum. Da stand Rick bereits hinter ihm und versuchte, ihm die Silberkugel gegen die Stirn zu drücken. Rick hatte keine Ahnung, ob es diesmal funktionieren würde. Er hatte aber auch keine Gelegenheit, es auszuprobieren. Mit unglaublicher Gewandtheit entwischte ihm Bobby Fogerty. Der Fußballer ließ sich einfach fallen, rollte zur Seite, schnellte wieder hoch und rannte zur Tür. Er war so schnell, daß Rick ihn nicht einholte. Fogerty beging einen Fehler, der Rick in der gleichen Situation nicht unterlaufen wäre. Er schlug die Tür nicht zu. Das Öffnen hätte Rick wertvolle Sekunden gekostet. So aber war Rick unmittelbar hinter ihm, als er auf den Korridor stürmte und den Weg zu seinem eigenen Zimmer einschlug. Mit der Silberkugel in der hocherhobenen Hand, hetzte Rick hinter dem Sklaven des Bösen her, um ihn endlich von dem unseligen Bann zu befreien. An der Biegung des Korridors war die Flucht des Fußballers zu Ende. Bobby Fogerty stolperte, stürzte und rutschte bis an die Wand. Dort blieb er benommen liegen und hob abwehrend die Hände. 59 �
Rick erreichte ihn und beugte sich zu ihm herunter. Die Silberkugel hielt der Geisterdetektiv noch in der Hand. Bevor er Bobby damit berühren konnte, blitzte es seitlich auf. Eine ganze Reihe von Blitzen folgte, und zu spät merkte Rick, was los war. Genau wie vor dem Trainingscamp hatte auch hier ein Reporter gewartet. Rick fuhr herum. Diesmal war er gewarnt. Er kniff die Augen zu und ließ sich nicht blenden. Deshalb sah er einen großen dunkelhaarigen Mann, der mit mehreren Kameras behängt war. Er setzte soeben einen Apparat mit Blitzlicht ab. Dunkle Augen starrten Rick erschrocken entgegen. »Tun Sie mir nichts, um Himmels willen!« rief der Mann und wandte sich zur Flucht. Rick murmelte etwas, das für niemandes Ohren bestimmt war und einen Seemann zum Erblassen gebracht hätte. Er hatte Wichtigeres zu tun, als sich mit einem Reporter herumzuärgern. Als er sich wieder Bobby Fogerty zuwenden wollte, war dieser verschwunden. Verblüfft blickte Rick in die Ecke des Korridors, in der Bobby eben noch gelegen hatte. Das gab es doch nicht. Wie hatte Bobby so schnell verschwinden können? Rick war völlig allein im nächtlichen Hotelkorridor. Es herrschte tiefe Stille. Sein Kampf mit Bobby hatte kein Geräusch verursacht. Niemand war aufgewacht. Rick war fest entschlossen, die Angelegenheit auf der Stelle ins reine zu bringen. Er kannte Bobbys Zimmernummer. Fogerty hatte sich genau wie er im Gästebuch eingetragen. Rick klopfte und machte sich auf einen Kampf gefaßt. Schritte näherten sich von innen. Die Tür ging auf. »Sie?« fragte Rick erstaunt. 60 �
»Sie?« fragte Sandra Cunningham im selben Moment. Mehr konnten sie nicht miteinander sprechen. Der Aufzug hielt auf der Etage. Die Türen öffneten sich, und mehrere Uniformierte stürmten auf Rick zu. Ehe der Geisterdetektiv etwas erklären konnte, hatten die Polizisten ihn festgenommen. Bobby Fogerty stand neben der Gruppe. »Das ist er!« rief Bobby. »Das ist der Mann, der mich ständig verfolgt!« Rick wollte die Situation klären, aber die Polizisten brachten ihn auf schnellstem Weg nach unten. Und wieder murmelte der Geisterdetektiv etwas, das er sonst nicht einmal dachte. * Diese Nacht hielt für Rick Masters noch mehr Überraschungen bereit. Er richtete sich darauf ein, zur Wache gebracht zu werden und bis zum Morgen in einer Zelle zu bleiben. Vor dem Hotel näherte sich den Polizisten in Uniform ein Mann in Zivil. Er zeigte seinen Ausweis, und Rick schnappte das Wort »Scotland Yard« auf. Der Yardmann verhandelte kurz mit dem Streifenführer. Die Polizisten gaben Rick daraufhin frei. »Ich bin Sergeant Leroy«, stellte sich der Londoner Beamte bei Rick vor. »Sie kennen mich nicht, aber ich Sie. Kommen Sie, Mr. Masters, gehen wir hinein.« Die Hotelbar hatte schon geschlossen. Sie setzten sich in eine Ecke der Halle, wo sie ungestört waren. »Chefinspektor Hempshaw hat mich von London aus hinter Ihnen hergeschickt«, erklärte Sergeant Leroy. »Wollen Sie mir nicht erzählen, was geschehen ist?« »Hatten Sie den Auftrag, mich zu bewachen oder zu überwa61 �
chen?« fragte Rick bissig. »Das ist ein feiner Unterschied.« »Bewachen«, antwortete Leroy lächelnd. »Ich bin Ihr Beschützer.« »Wieso waren Sie dann nicht zur Stelle, als Fogerty in mein Zimmer eindrang?« forschte Rick gereizt. »Vor ungefähr zehn Minuten sah ich einen Mann im Hotel herumschleichen«, gab Leroy an. »Ich wollte ihn verfolgen, aber vor dem Haus schüttelte er mich ab. Als ich wieder nach oben wollte, trafen auch schon meine Kollegen von der Polizei Leeds ein.« »Hatte der Verdächtige einen Fotoapparat?« wollte Rick wissen. »Ich habe nur eine umfangreiche schwarze Schultertasche gesehen«, gab der Sergeant an. »Es könnte eine Fototasche gewesen sein.« »Ich erinnere mich an diese Tasche«, sagte Rick. »Das war ein Reporter.« Er schilderte Sergeant Leroy, was sich zugetragen hatte. Leroy war offenbar ein guter Schauspieler. Er ließ sich nicht anmerken, was er von Ricks Geschichte hielt. Der Geisterdetektiv war jedoch ein noch besserer Menschenkenner. Sergeant Leroy glaubte ihm nicht. »Ich werde dem Chefinspektor Bericht erstatten.« Leroy deutete auf die Telefonkabine der Hotelhalle. »Er hat es mir ausdrücklich befohlen.« »Tun Sie das«, erwiderte Rick. »Erledigen Sie es jetzt gleich, oder haben Sie noch Fragen an mich?« »Ich telefoniere sofort«, entschied der Sergeant. »Chefinspektor Hempshaw hat mir ausdrücklich aufgetragen, ihn auf der Stelle zu informieren. Es ist besser, sich an seine Anweisungen zu halten.« »Ich weiß«, sagte Rick lächelnd, »Ich kenne ihn recht gut.« Rick blickte dem Sergeanten nach, als dieser zu der Telefonka62 �
bine ging. Er hätte sich auf den Schreck und den Ärger von vorhin gern einen Schluck Whisky gegönnt, doch die Bar war geschlossen. Es gab im Moment keine Möglichkeit, an Whisky heranzukommen. Rick trank sehr wenig. Er schätzte Alkohol nur zu besonderen Gelegenheiten. Zu oft hatte er schon erlebt, welches Unheil übermäßiger Konsum von Alkohol anrichten konnte. Doch in dieser Nacht wollte er einen Schluck trinken. An der Rezeption war im Moment niemand. Der Nachtportier hatte sich in einen angrenzenden Raum zurückgezogen. Rick merkte in einem Korridor, der von der Halle wegführte, eine Bewegung. Vielleicht war das ein Angehöriger des Hotelpersonals, der Rick aushelfen konnte. Der Geisterdetektiv wartete nicht auf Sergeant Leroy. Er lief in den Korridor und sah eben noch, daß jemand am Ende um eine Ecke bog. In einem normalen Hotel hätte Rick sich nicht weiter darum gekümmert. Hier aber war alles verdächtig. Er wollte wissen, wer um diese Zeit durch das Haus schlich. Auf Zehenspitzen rannte Rick hinter dem Unbekannten her. Es war ein Mann, so viel hatte er schon festgestellt. Mehr hatte er jedoch in der Eile nicht erkannt. Fast lautlos erreichte Rick das Ende des Korridors und spähte um die Ecke. Von der anderen Seite tat es der von Rick Verfolgte genauso. Sie standen einander sekundenlang vorgeneigt und sichtlich überrascht gegenüber. »So, Sie sind das also«, sagte Rick und trat um die Ecke. »Fotoreporter, nicht wahr? Wie heißen Sie?« Er erinnerte sich an den Reporter in Schottland. »Vielleicht Warren Miles?« »Erraten, Mr. Masters.« Warren Miles hatte dunkle Haare und dunkle Augen. Sie besaß keine besonderen Kennzeichen. Es 63 �
wäre Rick schwergefallen, ihn genau zu beschreiben. Der Mann wirkte völlig durchschnittlich. »Was tun Sie hier?« fragte Rick und verschränkte die Arme. Er betrachtete mißtrauisch die verschiedenen Kameras und die große schwarze Bereitschaftstasche. »Sind Sie hinter mir her?« »Keineswegs.« Warren Miles verzog sein breites Gesicht noch mehr und grinste. »Ich bin ständig hinter Bobby Fogerty her. Der Junge ist nicht mit Gold aufzuwiegen. Alle Zeitungen reißen mir Bildberichte über ihn aus den Händen. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie beliebt er ist.« »Doch, das weiß ich«, erklärte Rick gereizt. »Das ist aber kein Grund, mich so reinzulegen. Sie wissen genau, daß Sie einen falschen Bericht über Schottland geliefert haben.« »Aber, Mr. Masters!« Warren Miles schüttelte den Kopf. Sein Grinsen verbreiterte sich noch mehr. »Glauben Sie denn, die Leute wollen über ihren Liebling Bobby etwas Schlechtes lesen? Niemals! Bobby ist ein Held, und Helden tun nichts Unrechtes!« »Sie verfälschen die Wahrheit und behindern damit die Ermittlungen der Polizei!« warf Rick ihm vor. »Große Worte!« Miles machte eine wegwerfende Handbewegung. »Jeder sieht zu, wie er überlebt. Ich tue es auf meine Weise, in dem ich Zeitungen Sensationen liefere. So einfach ist das. Haben Sie etwas dagegen?« »Ja«, sagte Rick hart. »Ich habe sehr viel dagegen, wenn diese Sensationen nicht der Wahrheit entsprechen und auf meinem Rücken ausgetragen werden. Merken Sie sich das, Mr. Miles!« Der Reporter lehnte sich gegen die Korridorwand, verschränkte nun ebenfalls die Arme und grinste herausfordernd. »Wollen Sie mir etwas verbieten, Mr. Masters?« Rick Masters sah ein, daß er nichts ausrichten konnte. Miles saß auf dem längeren Ast. »Mit Leuten wie Ihnen vergeude ich nicht meine Zeit«, sagte 64 �
Rick und zuckte die Schultern. »Ich warne Sie. Sollten Sie sich auch nur eine Blöße geben, kommt Sie das teuer zu stehen. Ich werde nicht zögern, Sie wegen Verleumdung zu verklagen.« »Tun Sie das, mein Freund, tun Sie das«, sagte Warren Miles gleichgültig. »Sie jagen mir keine Angst ein. Ich bin bisher immer noch gut weggekommen. Und ich sehe keinen Grund, wieso das jetzt anders sein sollte.« »Abwarten«, sagte Rick und wandte sich ab. Wütend kehrte er in die Halle zurück. Sergeant Leroy beendete soeben sein Telefongespräch. Er sah Rick entgegen, als dieser die Halle betrat. »Hatten Sie wieder Schwierigkeiten, Mr. Masters?« erkundigte sich der Sergeant. »Nicht der Rede wert«, winkte Rick ab. »Dieser Warren Miles, der Fotoreporter, treibt sich erneut im Hotel herum. Er hat vermutlich schon eine neue Sensation im Kasten. Er hat vorhin bei dem Kampf mit Bobby Fogerty fotografiert. Ich weiß jetzt bereits, wie er die Story aufziehen wird. Es soll mich nicht weiter stören.« In diesem Punkt täuschte sich Rick. Es sollte ihn sehr bald ganz gewaltig stören. Vorläufig glaubte er aber noch, sich nicht um Warren Miles und seine halbwahren Geschichten kümmern zu müssen. »Der Chefinspektor macht sich große Sorgen um Sie, Mr. Masters«, berichtete Sergeant Leroy. »Er läßt anfragen, ob er etwas für Sie tun kann. Wenn ja, sollen Sie es ihn wissen lassen.« »Danke.« Rick zuckte die Schultern. »Ich wüßte nicht, was er tun könnte. Trotzdem lasse ich mich bedanken. Sagen Sie es ihm, wenn Sie wieder mit ihm sprechen!« Sergeant Leroy nickte. Er begleitete Rick in dessen Zimmer und überzeugte sich, daß dem Geisterdetektiv in seinen eigenen vier Wänden im Moment keine Gefahr drohte. 65 �
Rick beobachtete die Tätigkeit des jungen Yardbeamten mit einem freundlichen, aber doch auch nachsichtigen Lächeln. Er wußte nämlich auf eigener Erfahrung, wie überflüssig und sinnlos die Maßnahmen des Sergeanten letztlich waren. Wenn die Mächte des Bösen etwas unternehmen wollten, halfen übliche Schutzvorrichtungen nicht. Magie überwand Türschlösser genauso wie Alarmanlagen. Das hatte sich in der Vergangenheit mehrfach erwiesen. Endlich war Rick in seinem Zimmer allein. Er spielte noch mit dem Gedanken, Hazel anzurufen, doch sie schlief sicher schon. Also verzichtete er auch darauf, streckte sich in dem Sessel neben der Tür aus und versuchte, wenigstens einige Stunden in dieser unbequemen Haltung zu schlafen. Nach einiger Zeit gelang es ihm, in Halbdämmer zu fallen. In diesem Zustand nahm er allerdings noch alles wahr, was um ihn herum passierte. Erst nach einer vollen Stunde schlief Rick richtig ein. Davon merkte er natürlich nichts mehr. * Zum Frühstück ging Rick Masters am nächsten Morgen mit schmerzenden Knochen hinunter. Nicht einmal die Dusche hatte die Nachwirkungen der Nacht in dem Sessel aufgehoben. Es gab nur wenige Gäste, die zur selben Zeit wie der Geisterdetektiv frühstückten. Sergeant Leroy gehörte zu ihnen, doch Rick und er grüßten einander nur durch freundliches Kopfnicken. Jeder saß an einem eigenen Tisch. Rick achtete nicht weiter auf die Leute, die draußen an dem Frühstücksraum vorbeigingen. Er war nicht nur müde, sondern auch mutlos. Pausenlos zermarterte er sein Gehirn nach einer Lösung, die allen weiterhalf. 66 �
Daher blickte er überrascht auf, als plötzlich jemand an seinem Tisch stehenblieb. »Darf ich mich setzen, Rick?« fragte Sandra Cunningham. »Bitte!« Er lächelte erleichtert. »Sie sprechen mich doch noch so freundlich an?« »Ich lasse mich nicht von Zeitungsartikeln beeinflussen«, sagte sie achselzuckend. »Ich wußte gar nicht, daß Sie in Leeds sind.« »Ich habe meine Probleme noch nicht gelöst«, erwiderte Rick. »Und die Probleme Ihres Freundes sind ebenfalls ungelöst, wenn ich Sie daran erinnern darf.« »Das ist gar nicht nötig, Rick«, erwiderte sie leise. »Ich hätte Sie heute im Laufe des Tages ohnedies in London angerufen. Da Sie hier sind, ist alles noch viel einfacher.« »Noch eine Frage«, warf Rick ein. »Sie haben letzte Nacht nichts von dem Kampf bemerkt? Bobby hat wieder versucht, mich zu töten!« »Um Himmels willen«, murmelte Sandra und erbleichte. »Nein! Ich habe tief geschlafen, bis Sie mich weckten.« Rick schilderte ihr in knappen Worten, was sich ereignet hatte. Sandra fiel aus allen Wolken. Anschließend berichtete sie von ihrem Zusammentreffen am Vortag mit ihrem Freund. Sie schilderte auch das seltsame Verhalten des Fußballstars und seine Gedächtnislücke. »Ich glaube Ihnen jetzt vollkommen, Rick«, versicherte Sandra Cunningham. »Die Frage ist nur, ob ich Ihnen auch helfen kann.« »Nicht direkt«, gab Rick zu, »aber Sie können die Augen offenhalten. Wenn Sie etwas bemerken, verständigen Sie mich oder wenden sich an Chefinspektor Hempshaw von Scotland Yard. Und dann denken Sie darüber nach, wer dieser Unbekannte gewesen sein könnte, der Bobby auf der Straße anhielt und zu dem Hauseingang lockte.« 67 �
»Ich habe keine Ahnung«, versicherte Sandra. »Aber ich werde genau aufpassen.« »Wo ist Bobby jetzt?« »Im Stadion«, erwiderte sie. »Seine Mannschaft hat heute vormittag Training.« »Das sehe ich mir an«, entschied Rick. »Ach ja, noch etwas! Der Mann dort drüben gehört zu Scotland Yard. Machen Sie sich keine Sorgen, wenn er in meiner Nähe auftaucht. Ich habe eine Leibwache bekommen.« »Ich begleite Sie ins Stadion«, bot Sandra an, doch Rick lehnte dankend ab. »Das könnte zu Streit zwischen Ihnen und Bobby führen, und Sie müssen in seiner Nähe bleiben«, meinte er. »Jemand muß schließlich auf ihn aufpassen.« »Okay, ich fahre voraus«, entschied Sandra. »Es tut mir leid, daß ich Ihnen nicht besser helfen kann, Rick.« »Sie waren mir schon eine große Hilfe, Sandra«, versicherte der Geisterdetektiv. »Ich weiß zwar, was ich erlebt habe. Aber langsam wurde es für mich nervenzermürbend, daß mir niemand geglaubt hat. Alle waren davon überzeugt, daß ich mir nur etwas einbilde. Und nun glauben ausgerechnet Sie mir! Bobbys Freundin! Das ist für mich im Moment mehr wert als alles andere.« Sandra stand auf. Sie lächelte auf Rick herunter, und der Geisterdetektiv dachte, was für ein hübsches Mädchen sie doch war. »Bobby hat mit Ihnen eine gute Wahl getroffen«, sagte er. »Danke, Rick!« Sandra wandte sich dem Ausgang zu, und Rick beendete sein Frühstück. Wieder bekam er Gesellschaft. »Gibt es Neuigkeiten, Mr. Masters?« erkundigte sich Sergeant Leroy, der vor dem Tisch stehenblieb. »Nein, Sergeant«, erwiderte Rick. »Ich bin nach wie vor davon überzeuget, daß Fogerty es auf mich abgesehen hat. Aber darauf 68 �
kommt es im Moment nicht an. Sie sollen nur aufpassen, daß mir nichts passiert, nicht wahr?« Leroy nickte. »Das ist mein Auftrag, Mr. Masters.« »Okay, viel Vergnügen«, wünschte Rick und stand auf. »Für einen einzelnen Mann eine verdammt harte Aufgabe. Ich habe es nämlich nicht mit gewöhnlichen Gegnern zu tun. Meine Feinde halten sich nicht an die Spielregeln wie die Polizei.« Leroy war sichtlich verwirrt, als Rick das Frühstückszimmer verließ und mit Dracula vor das Hotel trat. Automatisch warf der Geisterdetektiv einen Blick in die Runde, ob sich irgendwo ein möglicher Gegner zeigte. Die Straße vor dem Hotel bot jedoch ein friedliches Bild. Rick ging zu seinem Morgan. Dracula gab sich ganz unbeschwert. Der Tag schien gut zu verlaufen. Doch schon an der nächsten Straßenkreuzung änderte sich das Bild. Zeitungsverkäufer liefen mit einem Extrablatt einer Lokalzeitung über die Straße. Rick kaufte die Zeitung und handelte pich einen bestürzten Blick des Verkäufers ein. Er betrachtete die erste Seite und verstand schlagartig den Zeitungsmann. Die ganze erste Seite wurde von einer Schlagzeile und einem Foto eingenommen. In riesigen Lettern schrie es Rick entgegen. UNSER BOBBY IN GEFAHR! Und das Bild zeigte Rick Masters, der sich über den am Boden kauernden Bobby Fogerty beugte. Die rechte Faust hielt er scheinbar zum Schlag erhoben. In Wirklichkeit hatte er darin die Silberkugel verborgen. Aber das sah man nicht auf diesem Bild. Es wirkte alles sehr bedrohlich. Wer nicht selbst dabei gewesen war, hielt Rick Masters für den Angreifer. Bobbys entsetztes Gesicht verstärkte diesen Eindruck. 69 �
Hinter Rick ertönten Autohupen. Der Geisterdetektiv rammte den Gang hinein und fuhr mit durchdrehenden Reifen an. Ganz automatisch steuerte er den Morgan die Strecke zum Stadion. Er richtete sich nach den Schildern, ohne sie richtig zu sehen. In seinem Kopf drehte sich alles. Er überlegte, ob er gerichtlich gegen Warren Miles vorgehen konnte. Warren Miles wußte, daß seine Fotos alles ins Gegenteil verkehrten. Er wußte, daß er Rick Masters fälschlich als Schläger hinstellte, während in Wirklichkeit Bobby Fogerty der Angreifer war. Fast im selben Moment erkannte Rick, wie wenig Sinn ein solcher Schritt hätte. Es gab keine Zeugen, und die Fotos sprachen für sich. Bobby Fogerty hätte nicht zugegeben, daß er auf Rick einen Mordanschlag ausgeführt hatte. Und Warren Miles würde selbstverständlich auch nichts gestehen, sonst hätte er seine eigenen Fotos als Lügen hingestellt. Es war ein Teufelskreis. Rick mußte sich diese Fotos gefallen lassen, um nicht alles noch schlimmer zu machen. Er hielt an der nächsten Telefonzelle und rief in London den Yard an. Chefinspektor Hempshaw war nicht im Haus. »Kann ich Ihnen helfen, Mr. Masters?« fragte Sergeant Myers, bei dem der Anruf landete. »Nein, eigentlich nicht«, antwortete Rick zögernd. »Nein, danke, ich melde mich bei Gelegenheit wieder.« Er legte auf und setzte sich an das Steuer seines Wagens. Er fuhr nicht gleich ab, sondern fragte sich, warum er überhaupt den Yard angerufen hatte. Die Antwort war niederschmetternd. Rick hatte sich gar keine konkrete Hilfe von seinem Freund Hempshaw erhofft. Er wußte nämlich, daß auch dem Chefinspektor die Hände gebunden waren. Er hatte sich nur einfach bei jemandem aussprechen wollen. So weit war es gekommen, daß Rick nichts mehr unternehmen 70 �
konnte! Wie sollte das bloß weitergehen? War es vielleicht das erklärte Ziel seiner Gegenseite, Rick gar nicht umzubringen, sondern seine Nervenkraft zu zerstören? Auf dem restlichen Weg zum Stadion kam Rick immer mehr zu der Überzeugung, daß es sich um einen Nervenkrieg handelte. Und die Gegenseite war auf der Erfolgsstraße. Rick merkte, daß er nicht mehr lange durchhalten konnte. Vor dem Stadion erwartete ihn allerdings eine noch schlimmere Überraschung. Der riesige Parkplatz vor dem Stadion war fast leer. Nur in einer Ecke parkten einige Autos. Rick stellte den Morgan ab und stieg mit Dracula aus. Der Hund tobte über den großen freien Platz, bevor er zu seinem Herrn zurückkehrte. Rick achtete nicht besonders auf die Leute, die sich vor dem Haupteingang des Stadions aufhielten. Er dachte, sie wären Autogrammjäger oder Fußballbegeisterte, die einen Blick auf ihr Idole werfen wollten. Er kam näher. Die Leute kümmerten sich nicht um ihn, bis einer von ihnen einen lauten Schrei ausstieß. »Das ist er!« rief ein untersetzter, etwa vierzigjähriger Mann. »Das ist der Kerl!« Rick bezog die Worte gar nicht auf sich. Doch die Menge drängte näher heran. Die Leute kreisten ihn langsam ein. Rick sah sich einem Wall von wütenden Leuten gegenüber. Er blickte in finstere Gesichter. »Das ist der Kerl«, rief ein Mann, der vorhin schon die Menge angestachelt hatte. »Er will unserem Bobby an den Kragen!« In diesem Moment fiel es Rick wie Schuppen von den Augen. Nun endlich verstand er den Plan der Gegenseite. Nun wußte er auch, weshalb die Schwarzmagier einen so prominenten 71 �
Sportler wie Bobby Fogerty gegen Rick eingesetzt hatten! Warren Miles hatte mit seinen Fotos der Gegenseite direkt in die Hände gearbeitet. Alle Anhänger von Bobby Fogerty betrachteten Rick nun als ihren Feind und wollten ihr Idol vor dem angeblichen verrückten Angreifer schützen. »Laßt mich in Ruhe!« rief Rick, als die Leute auf Reichweite heran waren. »Ich habe keinem Menschen etwas getan!« »So! Nichts getan?« schrie eine junge Frau und schwenkte die Rick schon bekannte Zeitung vor seiner Nase. »Und was ist das hier?« »Das Foto ist eine Fälschung!« rief Rick verzweifelt. Die Wahrheit konnte er nicht erklären. Es hätte zu lange gedauert, und niemand hätte ihm auch nur ein Wort geglaubt. »Eine Fälschung?« Das war wieder der Mann von vorhin. »Das reden Sie uns ein, Mister. Wir sind nicht so dumm, daß wir alles glauben!« »Doch das tun Sie!« fuhr Rick ihn an. »Sie glauben, was Sie auf einem Foto sehen!« »Fotos lügen nicht!« rief ein anderer Mann empört. »Noch nie etwas von Fotomontagen gehört?« Rick geriet allmählich ins Schwitzen. Die Menge schien entschlossen zu sein, ihn nicht laufen zu lassen. »Wir beschützen Bobby!« erklärte eine stämmige Vierzigerin und drängte sich zwischen den anderen nach vorn. Sie streckte Rick anklagend die rechte Hand entgegen. »Leute wie Sie haben schon viel Unheil über die Welt gebracht. Man muß etwas gegen Sie unternehmen!« Rick nahm es den Leuten nicht übel. Sie wußten es nicht besser. Sie konnten sich nicht vorstellen, daß in einer Zeitung ein gefälschtes Foto erschien. Noch viel weniger hätten sie geglaubt, daß Fogerty unter magischem Zwang einen Mordanschlag begangen hatte. 72 �
Aus ihrer Sicht handelten sie wirklich nur zum Schutz ihres Lieblings. Dennoch wurde es Rick zuviel, als ihn die ersten Schläge trafen. Die Leute versuchten, ihn zu Boden zu reißen. »Hört auf! Seid ihr verrückt geworden?« schrie Rick. »Laßt mich in Frieden!« Die Menge hörte nicht auf ihn. Einer steckte den anderen an, und jeder wollte etwas zum Schutz Bobby Fogertys tun. Zuerst beschränkte sich Rick darauf, Schläge abzuwehren. Dann stieß er die Angreifer zurück, hielt aber seine Kräfte im Zaum. Als er endlich alle Schranken fallen ließ und um sich treten und schlagen wollte, war es zu spät. Hageldicht fielen die Schläge, so daß Rick sich kaum noch bewegen konnte. Er sah keine andere Möglichkeit mehr. Seine Hand fuhr an das Schulterhalfter. Als er die Pistole zog, wichen die vordersten Angreifer erschrocken zurück. Die weiter hinten Stehenden drängten jedoch nach. Rick Masters richtete die Pistole gegen einen nahestehenden Baum, zielte sorgfältig und drückte ab. Die Kugel verletzte niemanden und fuhr in den Baumstamm. Es wäre zu gefährlich gewesen, frei in die Luft zu schießen. Irgendwo wäre die Kugel wieder auf die Erde heruntergekommen und hätte möglicherweise einen Unbeteiligten getroffen. Die Wirkung war verblüffend. Schreiend stoben die eben noch so mutigen Angreifer auseinander. Rick lag Sekunden später ganz allein auf dem Platz. Er sah einen Mann auf sich zulaufen, der schon von fern mit beiden Armen winkte. »Nicht schießen, Mr. Masters!« rief Sergeant Leroy. »Ich bin es! Nicht schießen!« Rick ersetzte die abgefeuerte Kugel und schob die Pistole wü73 �
tend ins Schulterhalfter zurück. Dann erst stand er langsam auf und klopfte den Staub aus seinen Kleidern. »Sie kommen aber sehr frühzeitig, Sergeant«, sagte er bissig. »Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätten mich diese übereifrigen Fans glatt umbringen können!« »Tut mir leid, ich wurde aufgehalten«, entschuldigte sich der Sergeant. »Ein Autofahrer hat mir die Bahn so rücksichtslos geschnitten, daß ich mit meinem Dienstwagen an einem Laternenpfahl gelandet bin. Zum Glück war der Schaden nur gering. Ich konnte weiterfahren.« Rick sah ein, daß der Sergeant nichts dafür konnte. Er wurde sehr nachdenklich. »Das sieht mir alles nach einem gut eingefädelten Plan aus«, sagte er. »Die Menschenmenge vor dem Stadion, Ihr rücksichtsloser Autofahrer…« »Meinen Sie nicht, daß Sie Gespenster sehen, Mr. Masters?« hielt Leroy ihm entgegen. Rick Masters wandte sich achselzuckend ab. Er hob seinen Hund auf den Arm und ging auf das Stadiontor zu. Er sah keinen Sinn darin, dem jungen Sergeanten Unterricht in raffinierten Plänen von Schwarzmagiern zu geben. Leroy wußte nicht einmal, was Schwarzmagier waren! Am Stadiontor schließlich mußte Rick die nächste und vorläufig letzte Niederlage einstecken. Er wurde von Angehörigen einer privaten Leibwächterfirma zurückgewiesen. Daran konnte nicht einmal Sergeant Leroy etwas ändern. »Das Stadion ist Privatbesitz«, erklärte Leroy dem Geisterdetektiv. »Ohne richterliche Genehmigung kann ich nichts unternehmen. Tut mir leid.« Rick verzichtete auf eine Antwort. Er drehte sich um und stieg in seinen Morgan. Als er abfuhr, wußte er, daß er nicht mehr lange durchhalten 74 �
konnte. Wenn es nicht bald eine Entscheidung gab, ging der Sieg an seine Feinde. * Hazel Kent blätterte stumm den Stapel Zeitungen durch, den Mrs. Penning für sie besorgt und vorbereitet hatte. Die Artikel, die Hazel interessierten, waren angestrichen. Als Mrs. Penning eine halbe Stunde später das Büro ihrer Chefin betrat, fand sie diese in tiefes Nachdenken versunken. »Sieht nicht gut aus, nicht wahr?« meinte die langjährige Sekretärin der erfolgreichen Unternehmerin. »Nein, allerdings nicht«, stimmte Hazel ihr zu. »Sie haben doch auch die Berichte gelesen. Was schlagen Sie vor? Haben Sie eine Idee, was ich machen könnte?« »Sie selbst gar nichts«, entgegnete ihre Mitarbeiterin entschieden. »Diese Angelegenheit ist für eine einzelne Person viel zu gefährlich. Was unternimmt Scotland Yard?« »Chefinspektor Hempshaw hat zu Ricks Schutz einen Mann abgestellt, der Rick pausenlos beobachtet.« Hazel schüttelte den Kopf. »Das ist zu wenig, aber Hempshaw sind eben die Hände gebunden.« »Dann müssen Sie allerdings etwas unternehmen«, meinte Mrs. Penning energisch. »Ich habe von einer neuen, sehr guten Firma in London gehört, die Bodyguards vermietet.« Hazel klopfte mit ihren langen Fingernägeln einen nervösen Rhythmus auf die Tischplatte. »Das ist keine schlechte Idee«, meinte sie. »Vielleicht sollte ich das wirklich machen. Suchen Sie mir die Nummer heraus?« Eine Stunde später verhandelte sie mit, dem Chef der Bewacherfirma persönlich. Sie zeigte ihm die Zeitungsartikel, die sie zu diesem Schritt veranlaßten. 75 �
»Mr. Masters wird als verrückter Attentäter dargestellt, der Bobby Fogerty an den Kragen will«, erklärte sie. »Hier ist schon wieder ein Extrablatt. Es zeigt die Prügelszenen vor dem Stadion in Leeds. Mr. Masters wurde von Bobby Fogertys Fans angegriffen und niedergeschlagen.« »Ein heikler Auftrag«, meinte Mr. Chancey, der Chef der Bewacherfirma. »Wenn es um Fogerty geht, verstehen die Leute keinen Spaß. Ich will Ihnen nicht verschweigen, daß sich auch unter meinen Männern Fans von Fogerty befinden.« »Das soll doch nicht etwa bedeuten, daß Sie Mr. Masters nicht beschützen wollen!« fuhr Hazel auf. »Selbstverständlich stelle ich ihm eine Leibwache«, versicherte Mr. Chancey. »Das ist schließlich mein Geschäft. Ich wollte Sie nur auf die Schwierigkeiten hinweisen.« »Danke, die kenne ich selbst«, erwiderte Hazel frostig. »Dann sind wir uns einig. Die Rechnung geht an mich.« Mr. Chancey versicherte, sein Bestes zu geben. Hazel Kent war zufrieden. Da es sich um ein neues Unternehmen handelte, war sie sicher, gute Arbeit für ihr Geld zu bekommen. Mr. Chancey mußte sich erst einen Namen schaffen. Wenn Hazel Kent im Spiel war, bot sich ihm eine einmalige Chance. In Wirtschaftskreisen kannte sie jeder. Trotz dieser Maßnahmen rief Hazel im Yard an und sprach mit dem Chefinspektor. Hempshaw versicherte ihr, daß er sich ebenfalls große Sorgen um Rick machte. »Ich habe mittlerweile mehr Leute zu seinem Schutz abgestellt«, erwiderte er auf Hazels Frage. »Es gibt leider eine Schwierigkeit.« »Und die wäre?« forschte Hazel bang. Hempshaw räusperte sich. »Rick ist spurlos verschwunden!« »Was soll das bedeuten?« fragte Hazel bestürzt. »Genau, was ich sage.« Hempshaw seufzte abgrundtief. »Ich 76 �
habe die gesamte Polizei von Leeds in Alarmbereitschaft versetzt. Rick ist wie vom Erdboden verschwunden. Meine Kollegen in Leeds haben weder Rick, noch Dracula, noch den Morgan aufgetrieben.« Hazel starrte wie betäubt auf das Telefon. Sie mußte diese Nachricht erst verdauen. »Okay, danke«, murmelte sie nach einer Weile und legte auf. Sie traf eine rasche Entscheidung und setzte sich mit Mr. Chancey in Verbindung. In seinem Büro sprach sie nur mit einer Sekretärin. »Mr. Chancey ist nach Leeds unterwegs«, erklärte die Angestellte der Bodyguard-Firma. »Wenn Sie wollen, kann ich eine Funkstrecke herstellen.« »Ich will, und zwar sehr schnell!« erwiderte Hazel nervös. Es dauerte noch einige Minuten, bis sie endlich Mr. Chancey in der Leitung hatte. Sie erklärte ihm die neue Lage. »Fahren Sie trotzdem weiter!« ordnete sie an. »Ich erweitere Ihren Auftrag. Jetzt müssen Sie Mr. Masters erst finden, bevor Sie ihn beschützen können.« »Wir werden auch das schaffen«, versicherte Mr. Chancey. Hazel hoffte, daß er sich und seine Leute nicht überschätzte. Sie schaltete das Sprechgerät ein und rief Mrs. Penning, die sich sofort meldete. »Ich fahre…«, sagte Hazel und wollte »nach Hause« hinzufügen. »Kommen Sie herein«, änderte sie ihre Worte ab. Mrs. Penning betrat das Büro ihrer Chefin und blieb abwartend stehen. »Mrs. Penning«, sagte Hazel, während ihr Blick durch die Panoramascheiben in den wolkenlosen Himmel über London schweiften. »Angenommen, Sie verlieben sich in einen Mann, der aber eine Freundin hat. Sie wollen diesen Mann mit allen Mitteln für sich gewinnen. Was werden Sie tun?« 77 �
»Da brauche ich nicht lange nachzudenken«, erwiderte Mrs. Penning prompt. »Ich werde versuchen, die beiden auseinander zu bringen, um mir den Mann zu angeln.« »Sehr gut!« Hazels Gesicht zeigte keine Regung, während sie weitersprach. »Nun drehen wir das Ganze um. Es gibt einen Mann, der eine Freundin hat. Sie sind aber nicht in diesen Kerl verliebt, sondern Sie wissen, daß er Sie umbringen will. Sie sehen keine andere Möglichkeit, als sich diesem Mann als Köder anzubieten und ihn in eine Falle zu locken. Was werden Sie tun?« Auch jetzt überlegte Mrs. Penning nicht lange. Sie war eine perfekte Chefsekretärin, die auf alles schlagfertig antwortete. »Ich suche die Bekanntschaft meines möglichen Mörders«, erwiderte sie wie aus der Pistole geschossen. »Und wenn das nichts hilft?« fragte Hazel weiter. »Wenn er auf diesen Köder nicht anbeißt oder Sie aus einem anderen Grund Ihr Ziel nicht erreichen? Was tun Sie dann?« Diesmal dachte Mrs. Penning einige Sekunden nach. »Ich mache mich an seine Freundin heran und versuche, sie von den Mordplänen ihres Freundes zu überzeugen. Ich werde sie zu meiner Verbündeten machen, wenn ich das kann.« »Ausgezeichnet«, Hazel nickte ihrer Sekretärin strahlend zu. »Jetzt suchen Sie mir bitte heraus, wo sich Bobby Fogertys Mannschaft gegenwärtig aufhält und wohin sie als nächstes fahren wird. Und dann suchen Sie mir die Telefonnummer von Bobby Fogertys Familie und von seiner Freundin Sandra Cunningham heraus. Ich will auch die Adressen. Und das alles am besten schon gestern!« Mrs. Penning hatte sich Notizen gemacht. Nun hastete sie in ihren Arbeitsraum, um die gewünschten Auskünfte einzuziehen. Sie murrte nicht, obwohl sie längst Feierabend hatte. Mrs. Kent war bei der Bezahlung von Überstunden so großzügig, daß es 78 �
keinen Grund zum Murren gab. Mrs. Penning konnte sich keine bessere Chefin wünschen und vorstellen. Schon zehn Minuten später lagen die gewünschten Auskünfte vor Hazel Kent auf dem Schreibtisch. Sie veranlaßten Hazel, alle ihre Pläne umzustoßen und noch einmal telefonisch mit Chefinspektor Hempshaw und über Funk mit Mr. Chancey zu sprechen. Anschließend machte sie sich auf den Weg. Nun wußte sie endlich, wie sie dran war. Und das erfüllte sie gleichzeitig mit Freude und Entsetzen! * Beim ersten Klingeln an seiner Tür zuckte Rick Masters heftig zusammen. Er. rechnete zwar immer mit Besuch, doch nun überraschte ihn das Signal doch. Rick legte seinem Hund die Hand auf die Schnauze. Das war für Dracula das Zeichen, sich absolut ruhig zu verhalten. Der kleine Mischling verstand seinen Herrn und gab auch keinen Laut von sich, als an der Tür Sturm geklingelt wurde. Allerdings wurde Rick mit der Zeit das rhythmische Klingeln zu viel. Er sprang auf und lief auf Zehenspitzen in den Vorraum. Mit zusammengebissenen Zähnen hielt er sich zurück. Er hätte am liebsten die Tür aufgerissen und den Störenfried angeschrien, doch das durfte er nicht. Rick hätte damit seinen ganzen Plan verdorben… Wer immer so stürmisch Einlaß verlangte, ließ sich nicht entmutigen. Nach zehn Minuten war Rick soweit, daß ihm alles egal wurde. Er hatte mittels Spiegeln und anderer Hilfsmittel eine Möglichkeit geschaffen, den Korridor vor seiner Wohnung zu kontrollieren. Wer draußen stand, merkte nichts davon. Rick warf einen Blick durch das Überwachungsgerät und 79 �
seufzte. »Das hätte ich mir denken können«, murmelte er. Er dämpfte jedoch seine Stimme so weit, daß ihn Hazel vor der Tür nicht hören konnte. Sie klingelte weiter, bis Rick davon überzeugt war, sie werde sich nicht abweisen lassen. Sie würde so lange klingeln, bis sie etwas erreichte. Mit anderen Worten, sie wußte, daß Rick hier war. Mit einer Verwünschung auf den Lippen schloß Rick die Tür auf und ließ Hazel wortlos eintreten. »Du meine Güte«, sagte sie gespielt hoheitsvoll. »Wird man hier aber herzlich begrüßt.« Erst jetzt streckte Rick ihr die Arme entgegen. »Ich wollte dich nicht mit hineinziehen«, sagte er leise. »Warum hältst du dich nicht daran?« »Weil ich dich liebe«, erwiderte Hazel. Sie wollte es energisch sagen, doch ihre Stimme wurde weich, als er sie an sich zog. »Ist das so schwer zu verstehen?« Sie feierten stumm Wiedersehen. Hazel war glücklich, daß Rick sich sichtlich über das Wiedersehen freute. Und Rick war froh, daß sie sich um ihn Sorgen machte und zu ihm stand. »Setz dich«, forderte er sie auf. »Ich bringe uns Drinks. Wie hast du herausgefunden, daß ich wieder in London bin?« »Bobby Fogertys Mannschaft spielt morgen in London«, erklärte sie. »Der Rest war einfach. Hempshaw suchte dich wie die berühmte Stecknadel im Heuhaufen. Die gesamte Polizei von Leeds konnte dich nicht auftreiben. Also, wo solltest du schon sein? In der Nähe von Bobby Fogerty. Mrs. Penning hat für mich herausgefunden, wo Bobby spielen wird.« »Sehr scharfsinnig.« Rick lächelte ein wenig schmerzlich. »Trotzdem wäre es mir lieber, du hättest mich nicht gefunden. Warum, meinst du wohl, habe ich mich bei niemandem gemel80 �
det? Ich habe Sergeant Leroy in Leeds abgehängt. Kenneth hatte ihn mir auf die Fersen geheftet. Ich habe Kenneth nicht verständigt. Und ich wollte nicht, daß du zu mir kommst.« »Das bedeutet«, folgerte Hazel, »daß du zur Schlußrunde ansetzt. Du kannst dich vor mir nicht verstellen.« »Das versuche ich schon lange nicht mehr«, gab Rick lächelnd zu. »Es hat keinen Sinn.« »Aber du hast versucht, dich vor mir zu verstecken, und das hat auch keinen Sinn!« Hazel winkte ab, als Rick etwas einwenden wollte. »Ich weiß, ich weiß! Ich darf nicht in Gefahr geraten! Ich habe dir schon oft erläutert, wie ich darüber denke. Wir gehören zusammen. Ich lasse dich nicht allein!« Diesmal biß Hazel auf Granit. Sie setzte bei Rick praktisch immer ihren Willen durch. In diesem einen Fall ließ der Geisterdetektiv nicht mit sich sprechen. »Kommt gar nicht in Frage, daß du in meiner Nähe bleibst«, entschied Rick. »Ich lasse nicht mit mir handeln. Okay, du hast erfahren, daß ich wieder in London bin. Du weißt auch, daß ich Bobby Fogerty und die hinter ihm stehenden Schwarzmagier zur Endrunde herausfordere. Aber du wirst nicht dabeisein.« »Dann komme ich vor Sorge um dich um!« rief Hazel. Ihre Verzweiflung war nur teilweise gespielt. »Das kann ich nicht ändern!« Rick deutete auf ihr Glas. »Bitte, trink aus und geh. Es ist mir lieber, du machst dir Sorgen, als daß du meinen Feinden in die Hände fällst.« Hazel zwang die härtesten Verhandlungspartner der freien Wirtschaft in die Knie. Bei allen diesen Geschäften hatte sie jedoch auch gelernt, eine Niederlage einzustecken. Sie erkannte, wann sie geschlagen war. »Also gut«, sagte sie seufzend. »Wie du willst.« Rick hätte eigentlich mißtrauisch werden sollen, daß sie sich auf einmal fügte. Denn bei aller Einsicht besaß Hazel noch eine 81 �
Eigenschaft. Auch wenn sie geschlagen war, gab sie nicht auf. Der Geisterdetektiv war froh, daß Hazel scheinbar Vernunft annahm. »Ich melde mich bei dir, sobald alles vorbei ist«, versprach Rick bei der Verabschiedung. Hazel nickte stumm. Sie hatte Tränen in den Augen. Das war nicht gespielt. Sie machte sich wirklich schreckliche Sorgen um Rick. Kaum saß sie in ihrem Rolls Royce, als sie ihren Plan in die Tat umsetzte. Ihr Gesicht nahm einen entschlossenen Ausdruck an. Nicht umsonst hatte sie Rick verschwiegen, daß sie eine ganze Bodyguard-Truppe auf seine Spur gesetzt, hatte. Mr. Chancey und seine Leute waren inzwischen auf dem Rückweg nach London und mußten bald eintreffen. Hazels nächstes Ziel war auch schon klar. Sie erreichte es eine halbe Stunde nach der Aussprache mit Rick Masters. Hazel wußte, daß sie ein großes Risiko einging. Rick war ihr jedoch jedes Risiko auf der Welt wert. * Nachdem Hazel Kent ihn wieder verlassen hatte, erhielt Rick einen Anruf von Chefinspektor Hempshaw. »Ich habe mich anfangs von Ihrem Anrufbeantworter täuschen lassen«, sagte der Chefinspektor ein wenig verärgert. »Ich dachte tatsächlich, Sie wären nicht in London. Warum haben Sie sich denn nicht bei mir gemeldet?« Wieder erklärte Rick geduldig, daß er niemanden in die Schlußrunde hineinziehen wollte. »Ich dachte«, wandte der Chefinspektor ein, »wir wären Freunde, Rick?« »Warum ist es so schwer, jemandem etwas klarzumachen?« 82 �
fragte Rick seufzend. »Ich kann es nicht zulassen, daß gerade meine Freunde in derartige Vorgänge verstrickt werden. Die Gefahren sind einfach zu groß.« »Wir haben uns bei unseren gemeinsamen Unternehmungen nie von Gefahren abhalten lassen«, erinnerte ihn Hempshaw. »Das stimmt, aber hier haben wir es mit Gefahren zu tun, die ich noch gar nicht richtig einschätzen kann. Kenneth, überlassen Sie es mir! Die Anschläge sind auf mich gerichtet. Ich werde sie auch für immer abstellen.« »Nun gut«, meinte der Chefinspektor zögernd. »Wenn Sie darauf bestehen, kann ich Sie nicht zwingen, meine Hilfe anzunehmen. Hoffentlich wissen Sie, was Sie tun.« »Das hoffe ich auch«, sagte Rick mit Galgenhumor. »Halten Sie mir den Daumen.« »Ich halte Ihnen jede Menge Daumen«, versprach Hempshaw. »Melden Sie sich möglichst bald bei mir!« Rick hatte endlich auch diese Hürde übersprungen. Es wäre ihm lieber gewesen, seine Freunde hätten gar nichts von seiner Anwesenheit in London geahnt. Er traute nämlich ihren Versprechungen, sich aus allem herauszuhalten, nicht ganz. Dennoch ließ er sich von seinen Vorbereitungen nicht abhalten. Als er sicher war, daß ihn niemand mehr stören würde, schickte er Dracula auf das Sofa. Von dort rührte sich der Hund nicht freiwillig weg. Dann setzte Rick sich in seinen bequemsten Sessel, in dem er sich am besten entspannen konnte. Er nahm den Schlüssel des Großmeisters zur Hand. Er hatte dieses Instrument schon einmal in diesem Fall eingesetzt. Dabei hatte er nicht den geringsten Erfolg gehabt. Diesmal versuchte er etwas anderes. Vor ihm auf dem Tisch lagen ungefähr zwei Dutzend Fotos. Ein Dutzend stammte aus Tageszeitungen. Das andere Dutzend 83 �
hatte Rick selbst geschossen. Er hatte sich in Leeds einen Sofortbildapparat besorgt und die wesentlichen Stationen von Bobbys Aufenthalt im Bild festgehalten. Nun legte er den Schlüssel des Großmeisters auf ein Bild nach dem anderen. Er hoffte, auf diese Weise Aufschlüsse zu erhalten, was wirklich geschehen war. Die Fotos aus den Zeitungen hatte Warren Miles geschossen. Sie zeigten Rick und Fogerty im Hotel, als Rick den Fußballer mit der Silberkugel zurückgedrängt hatte. Ein anderes Bild war entstanden, als die Fans auf Rick losgegangen waren. Ein Bild zeigte nur Bobby, auf anderen waren Bobby und seine Mannschaftskameraden sowie sein Trainer zu sehen. Bei keinem dieser Bilder entstand eine geistige Verbindung, die Rick in irgendeiner Form weitergebracht hätte. Der Schlüssel des Großmeisters schien nicht mehr zu funktionieren. Dann kam Rick zu den selbstgemachten Aufnahmen. Endlich bewies der Schlüssel, daß er doch ein wirksames Instrument war. Rick begann mit dem Foto, auf dem die gesamte Fußballmannschaft mitsamt dem Trainer zu sehen war. Sofort spürte er starke Ausstrahlungen des Bösen. Es ließ sich aber nicht genau feststellen, von wem sie ausging. Nicht viel mehr Klarheit brachten andere Bilder, die Bobby zusammen mit Kameraden zeigten. Immer fühlte Rick, daß unter diesen Personen das Böse herrschte, ohne sich auf eine einzelne Person festlegen zu können. Vielleicht kam die schwarzmagische Ausstrahlung von Bobby Fogerty, vielleicht von mehreren Männern. So erging es dem Geisterdetektiv auch bei einem Foto von Bobby Fogerty und seinem Trainer Jack Draxler. Dann hatte Rick Masters zwei Fotos, die er noch nicht mit dem Schlüssel des Großmeisters untersucht hatte. Sie waren in seinen 84 �
Augen die wichtigsten. Er hatte das Haus im Bild festgehalten, in dem eine geheimnisvolle Person auf Bobby Fogerty gewartet hatte. Dabei verließ er sich auf Sandra Cunninghams Aussage. Das zweite Foto hatte Rick heimlich von Warren Miles geschossen. Der Reporter hatte sich in Ricks Augen verdächtig gemacht. Es ging nicht mit rechten Dingen zu, daß Miles Bildberichte zusammenstellte, in denen er Rick als gefährlichen Attentäter zeigte. Das war nicht nur Geldgier. Rick begann mit dem Foto, das einen Ausschnitt der Straße in Leeds zeigte. Dort war Bobby Fogerty mit jenem Schwarzmagier zusammengetroffen, der ihn gegen Rick hetzte. Nun entfaltete der Schlüssel des Großmeisters seine volle Wirkung. Je länger Rick das Bild ansah, desto unwirklicher wurde seine Umgebung. Plötzlich war er nicht mehr in seinem Wohnbüro, sondern stand scheinbar auf der Straße in Leeds. Es war eine Vision, aber sie war so echt, daß Rick erschrocken einem näher kommenden Auto ausweichen wollte. Erst als es sich kurz vor ihm in Nichts auflöste, beruhigte er sich und konzentrierte sich auf das verdächtige Haus. Der Schlüssel des Großmeisters übertraf Ricks Erwartungen. Der Geisterdetektiv entdeckte in seiner Vision auf einmal Bobby Fogerty, der in Richtung Teestube ging. Bobby blieb vor dem Haus stehen, als er einen leisen Ruf hörte. Jemand hatte seinen Namen genannt. Während Fogerty regungslos vor dem Hauseingang stand, verließ Sandra Cunningham die Teestube und lief zu ihrem Freund. Aus dem dunklen Hauseingang heraus wurde Bobby mit schwarzmagischen Impulsen überschwemmt. Ein Helfer des Bösen pumpte den Fußballer sozusagen mit Mordgedanken auf. Immer wieder hämmerte eine lautlose Stimme Bobby ein, daß Rick Masters sein größter Feind war, den er unbedingt beseiti85 �
gen mußte. So weit funktionierte der Schlüssel perfekt, doch allmählich stellte sich bei Rick Enttäuschung ein. Er hatte gehofft, der Schlüssel würde ihm den Schwarzmagier zeigen, und insgeheim tippte Rick auf Warren Miles. Die Person im Hauseingang blieb jedoch verborgen. Nun war Sandra Cunningham bei Bobby. Rick beobachtete alles genauso, wie es sich wirklich in Leeds abgespielt hatte. Sandra drängte sich an Bobby vorbei in das Haus und wollte den Schwarzmagier verfolgen. Er war jedoch bereits durch den Hinterhof entkommen. Als Sandra Cunningham auf die Straße trat, war auch Ricks Vision zu Ende. Das war eine herbe Enttäuschung. Rick hatte schon wieder eine Niederlage eingesteckt. Eine allerletzte Hoffnung hatte Rick noch. Er legte den Schlüssel des Großmeisters auf das Foto von Warren Miles. Er richtete sich kerzengerade auf, als ihm heftige schwarzmagische Impulse entgegenströmten. Dank des Schlüssels verstand Rick, was diese Impulse besagten. Rick Masters sollte sterben! Immer wieder sandte Warren Miles diesen Befehl aus. Nun war alles sonnenklar. Warren Miles hatte Bobby Fogerty dank seiner schwarzmagischen Fähigkeiten auf Mord an Rick Masters programmiert. Rick hätte Chefinspektor Hempshaw dieses Experiment vorführen können. Es hätte allerdings nichts eingebracht. Zwar wäre es Rick gelungen, den Chefinspektor restlos zu überzeugen, aber Hempshaw wären die Hände gebunden gewesen. Aufgrund einer Vision konnte der Chefinspektor niemanden verhaften. Deshalb blieb es dabei. Rick mußte Köder spielen. 86 �
Er tat es auf einfache und drastische Weise. Er rief Bobby Fogerty an, der wieder bei seinen Eltern wohnte, und nannte dem Fußballer seine Adresse. »Und warum sagen Sie mir, wo Sie wohnen?« fragte Fogerty überrascht. »Soll ich etwas für Sie tun?« »Das könnte man sagen, ja«, bestätigte Rick. »Warten Sie es ab. Vorläufig genügt es mir, daß Sie wissen, wo Sie mich finden. Man weiß nie, wozu man einen Privatdetektiv eines Tages benötigt.« »Sie machen Schleichwerbung«, meinte Bobby Fogerty lachend. »Mir soll es recht sein. Ich bin nicht nachtragend. Ich werde bei Gelegenheit an Sie denken.« »Ich freue mich, daß Sie es so aufnehmen.« Rick räusperte sich. »Wenn Sie wollen, werde ich Ihnen jederzeit helfen. Kommen Sie Tag oder Nacht zu mir. Meine Wohnung steht Ihnen offen.« »Sehr gut, vielen Dank!« Bobby hatte es eilig. »Ich muß zum Training! Bis bald, Mr. Masters!« »Bis bald«, sagte Rick zweideutig. Die Ausrede, Bobby müsse zum Training, erschien dem Geisterdetektiv fadenscheinig. Sollte wirklich so spät am Abend Training angesetzt sein? Möglich war es immerhin. Rick hatte sich inzwischen so gut informiert, daß er wußte, wo Fogertys Mannschaft trainierte. Es war eine Sporthalle im Stadtteil Norting Hill, der erst vor kurzem unruhige Nächte erlebt hatte. Inzwischen hatte sich dort die Lage entspannt. Trotzdem beschloß Rick, Dracula lieber zu Hause zu lassen. Er wollte seinen Hund keinen unnötigen Gefahren aussetzen. Rick beeilte sich, zu diesem Trainingscamp zu gelangen. Der Aufenthalt in London stellte nur eine zweitägige Unterbrechung der drei Wochen dauernden Tour durch das ganze Land dar. Rick wollte es hier in seiner Heimatstadt hinter sich bringen. Er hatte keine Lust mehr zu warten. Diese ständige Unsicherheit 87 �
verbrauchte seine Nervenkraft. Lieber ein Ende mit Schrecken, dachte er und erkannte erschrocken, daß er ausnahmsweise nicht an seinen Erfolg glaubte. Das war ein schlechtes Zeichen, da er sich auf seine Vorahnungen verlassen konnte! Diesmal plagte ihn die Vorahnung, daß ihm die Gegenseite eine gigantische Falle gestellt hatte, die er noch nicht einmal in Umrissen vor sich sah. Er tappte blindlings hinein! * Hazel Kent verzichtete häufig auf die Dienste ihres Chauffeurs. Es bereitete ihr Vergnügen, ihren Rolls Royce selbst zu steuern. Meistens entspannte sie sich dabei von einem harten Arbeitstag. So war es auch an diesem Abend. Allein machte sie sich auf den Weg in den Stadtteil Leyton. Dort wohnte Sandra Cunningham. Sandra war zu Hause, wie Hazel vorher durch einen kurzen Anruf festgestellt hatte. Die junge Frau erwartete Hazel an der Wohnungstür. Hazel Kent stieg die restlichen Stufen hinauf und blieb vor Sandra stehen. »Eine ganz schöne Kletterpartie bis zu Ihnen hinauf«, sagte Hazel lächelnd. »Fünf Stockwerke ohne Aufzug.« »Dafür sind die Mieten niedrig, und das ist vorläufig für mich noch wichtig«, antwortete Sandra Cunningham. Sie musterte ihre elegante Besucherin mit sichtlichem Mißtrauen, entspannte sich aber sehr rasch. Die beiden Frauen sahen sich sekundenlang in die Augen, dann herrschte zwischen ihnen stillschweigendes Einverständnis. Sie waren einander sympathisch. »Kommen Sie herein, Mrs. Kent«, forderte Sandra ihren Gast 88 �
auf. »Setzen Sie sich.« »Nett haben Sie es hier«, stellte Hazel fest. Die Wohnung war klein, aber mit hübschen Gegenständen vom Flohmarkt eingerichtet. Vasen und Bilder waren geschmackvoll verteilt. Auf einer Couch lagen bunte Kissen verstreut. »Wenn Bobby und ich heiraten, komme ich endlich aus diesem Haus heraus«, sagte Sandra seufzend. »Meine Eltern leben auf dem Land. Ich bin nach London gekommen, um etwas zu erleben. Ich wollte selbständig sein. Jetzt sehne ich mich danach, nicht mehr allein zu sein. Ich glaube, ich bin nie zufrieden.« »Sie sind sehr jung«, meinte Hazel Kent. »Das erklärt Ihre Unruhe.« »Mag sein!« Sandra brachte auf Hazels Wunsch Mineralwasser. Sie prosteten einander zu. »Sie sind nicht gekommen, um sich mit mir über meine Zukunftspläne zu unterhalten.« »Zum Teil auch deshalb«, behauptete Hazel. »Der eigentliche Grund aber ist Rick Masters. Sie kennen ihn.« Sandra Cunningham nickte. »Ich weiß, daß Sie mit ihm befreundet sind, Mrs. Kent. Sollten Sie eifersüchtig sein, kann ich Sie beruhigen.« »Nein, das ist es wirklich nicht.« Hazel lächelte. »Sie schätzen mich falsch ein. Grund zur Eifersucht wäre schon vorhanden. Sie sind ein sehr attraktives Mädchen. Aber darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf. Mir geht es ausschließlich um Ricks Sicherheit. Ich weiß, daß er in Schottland mit Ihnen zusammengetroffen ist. Leider hat er mir nicht erzählt, was sich hinterher genau abgespielt hat. Konnten Sie ihm helfen? Es muß Ihnen doch auch daran gelegen sein, daß dieser Fall restlos geklärt wird. Bevor Mr. Masters Ihren Freund nicht von dem unseligen Einfluß der Schwarzmagier befreit hat, findet Bobby Fogerty keine Ruhe.« »Ja, ich weiß.« Ein Schatten zog über Sandras Gesicht. »Ich habe Mr. Masters geholfen, wo ich nur konnte. Ich fürchte nur, 89 �
daß es nicht viel war.« Rick war in diesem Fall nicht gerade mitteilsam gewesen. Hazel hatte bisher wenig erfahren. Nun erzählte Sandra zum erstenmal Einzelheiten. Vor allem der Zwischenfall in Leeds interessierte Hazel Kent. »Sie konnten nicht feststellen, wer Bobby in dem Hausflur aufgelauert hat?« fragte Hazel enttäuscht. »Glauben Sie, ich würde das verschweigen?« fragte Sandra gereizt. »Niemals! Ich will Bobby genauso helfen, wie Sie Mr. Masters helfen möchten.« »Okay, ich habe schon verstanden«, sagte Hazel beruhigend. »Nun gut, ich glaube und vertraue Ihnen. Darum habe ich jetzt eine Bitte. Ich möchte Mr. Masters ohne sein Wissen unterstützen. Können Sie mich zu Ihrem Freund bringen?« »Zu Bobby?« fragte Sandra überrascht. »Ich wollte mich nach dem Training mit ihm treffen.« »Bringen Sie mich doch jetzt gleich zu ihm«, bat Hazel. »Ich könnte ihm beim Training zusehen.« Sie verschwieg, daß sie auch Rick in Bobby Fogertys Nähe vermutete. Rick bot sich bestimmt als Köder an. Und es war nicht Ricks Art, zu Hause herumzusitzen und abzuwarten. Er ging stets nach vom. »In Ordnung«, entschied Sandra. »Ich bringe Sie hin.« »Und Sie bekommen deshalb keine Schwierigkeiten mit Ihrem Freund?« vergewisserte sich Hazel. »Bobby freut sich höchstens, wenn ich ihm zusehe«, erklärte Sandra Cunningham mit unüberhörbarem Stolz. »Er liebt mich schließlich.« Bisher hatte Hazel sich einen guten Ausgang in Ricks Interesse gewünscht. Nun hoffte sie, daß vor allem auch Bobby Fogerty gut über die Runden kam, allein schon Sandras wegen. Sie verließen die Wohnung und stiegen in Hazels silbergrauen 90 �
Rolls Royce. Sandra lotste Hazel nach Norting Hill. Am Ziel angekommen, erkannte Hazel Kent, daß sie von ganz falschen Voraussetzungen ausgegangen war. Als sie nämlich sah, was mit Training wirklich gemeint war, stieg ein fürchterlicher Verdacht in ihr auf. In Umrissen erkannte sie die Falle, die Rick drohte. Sie durchschaute den Plan der Schwarzmagier. Sie mußte Rick dringend warnen, denn wenn sie sich nicht täuschte, kam er von allein nicht auf die gleiche Idee. Dafür dachte er zu geradlinig. Hazel setzte alle Hebel in Bewegung, um eine Verbindung zu Rick zu bekommen. Es klappte jedoch nicht. Sie alarmierte Scotland Yard und Mr. Chancey, und doch wurde sie das Gefühl nicht los, daß Rick bereits hilflos in der Falle saß, ohne es selbst zu wissen. * Obwohl Rick Masters zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung von Hazels Überlegungen hatte, dachte er wie sie. Als er vor dem sogenannten Trainingscenter im Stadtteil Norting Hill eintraf, erkannte er die besonderen Gefahren. In einem Punkt stimmte jedoch Hazels Vermutung. Rick kam nicht auf die Idee, daß dieses Trainingscenter die eigentliche Falle war, die ihm die Schwarzmagier stellten. Rick parkte seinen Morgan zwei Straßenzüge von dem Center entfernt. Es war unwahrscheinlich, daß jemand seinen Morgan erkannte. Das Auto war jedoch so ungewöhnlich und auffällig, daß Rick lieber kein Risiko einging. Das Trainingscenter war das örtliche Sportcenter. Vielleicht hatten die Zeitungen nicht richtig informiert. Oder Rick hatte nicht genau gelesen. Es handelte sich jedenfalls nicht um eine 91 �
Anlage, die ausschließlich Bobby Fogertys Verein zur Verfügung stand. Es war vielmehr eine Ansammlung von verschiedenen Gebäuden mit Gymnastiksälen, Duschanlagen, Umkleidekabinen, Hallenschwimmbädern sowie einer Sportanlage im Freien und einem Fußballplatz. Und genau dort spielte soeben Bobby Fogerty mit seiner Mannschaft gegen eine Auswahl der Bezirksjugend. Es handelte sich nicht um Krafttraining oder Gymnastik für die Fußballer, sondern um ein Trainingsspiel. Daß Fogertys Mannschaft gegen die örtliche Jugend antrat, war für den Verein eine unbezahlbare Reklame. Die Presse war so zahlreich vertreten, als handelte es sich um einen Staatsbesuch. Die Blitzlichter flammten fast pausenlos auf. Rick Masters kaufte sich eine Eintrittskarte und mischte sich unter die Zuschauer. Dieses Stadion war nicht mit den großen Fußballanlagen überall im Land zu vergleichen. Es faßte viel weniger Zuschauer. Dennoch befanden sich eine Menge Leute hier, vor allem Jugendliche. Sie blickten gebannt auf das Spielfeld. Wenn Bobby Fogerty einen guten Schuß lieferte, jubelten die Zuschauer. Stürmte er, feuerten sie ihn an. Auch die Kameras der Reporter waren hauptsächlich auf Fogerty gerichtet. Genau das war die Gefahr, der Rick sich voll bewußt wurde. Falls er vor aller Augen in einen Kampf mit Bobby Fogerty verwickelt wurde, hatte er alle Zuschauer gegen sich. Eine innere Stimme sagte dem Geisterdetektiv, daß er sich lieber zurückziehen sollte. Es wäre klüger gewesen, auf eine andere, harmlosere Gelegenheit zu warten oder sich in dem Wohnbüro zu verschanzen, bis Fogerty den nächsten Angriff startete. Dagegen wehrte sich Ricks Tatkraft. Er wollte nichts auf die lange Bank schieben. 92 �
Eine Weile beobachtete er das Spiel. Es war noch die erste Halbzeit, »Bobby hält sich bewußt zurück«, sagte ein junger Mann, der neben Rick stand, zu seiner Freundin. »Der könnte unsere Leute in Grund und Boden schießen, daß sie zwanzig zu null verlieren.« »Oder nicht höher«, fügte seine Freundin hinzu. Rick ging weiter. Die Stimmung auf dem Platz war eindeutig. Die jungen Leute hier verehrten ihren Bobby Fogerty. Unauffällig schob sich der Geisterdetektiv an jene Tür heran, durch die Fogerty und seine Kameraden in der Pause verschwinden würden. Dort bezog er Posten, um sich später Fogerty zu zeigen. Vielleicht ließ sich die Angelegenheit beschleunigen, wenn er Fogertys zweite, eingepflanzte Persönlichkeit reizte. Nach einer Weile entdeckte Rick Masters einen Bekannten unter den Fotografen am Spielfeldrand. Warren Miles fotografierte pausenlos die Spieler. Um den Geisterdetektiv kümmerte er sich nicht. Bestimmt hatte er Rick nicht entdeckt. Rick machte noch eine Beobachtung. Auf den Rängen standen mehrere Männer, die er als Polizisten in Zivil einschätzte. Er hatte dafür ein gutes Auge. Nach einigen Minuten betraten mehrere Männer die Zuschauertribünen, die sich auch nicht besonders für das Spiel interessierten. Sie blickten sich aufmerksam nach allen Seiten um, als suchten sie jemanden. Rick stand hinter einer Säule, so daß ihn weder die Polizisten, noch die zuletzt eingetroffenen Männer entdeckten. »Kennst du den?« hörte er schräg hinter sich eine jugendliche Stimme fragen. »Ja, der kommt mir bekannt vor«, sagte ein anderer Junge. Rick verkrampfte sich, blieb aber ruhig stehen. Er sah die beiden Sprecher nicht. Dennoch fühlte er, daß sie ihn meinten. 93 �
Ein böser Verdacht stieg in ihm auf. In diesem Stadion waren glühende Verehrer von Bobby Fogerty versammelt. Sie alle hatten die Berichte über den angeblich verrückten Privatdetektiv Rick Masters gelesen, der Bobby Fogerty nach stellte und ihn umbringen wollte. Sie hatten auch die Fotos gesehen. »He, Masters«, rief einer der Jungen. Rick reagierte nicht. Er wandte nicht einmal den Kopf und tat, als wäre er ganz in das Spiel vertieft. Sein Blick suchte und fand Warren Miles. Der Fotoreporter hielt seine Kameras auf die Spieler gerichtet. »Mister, sehen Sie mich gefälligst an, wenn ich mit Ihnen spreche!« sagte eine gereizte Jungenstimme. Rick fühlte eine kräftige Hand auf der Schulter. Jemand versuchte, ihn zur Seite zu drehen. Eine Auseinandersetzung war nicht mehr abzuwenden. »Was ist los?« fragte Rick. Angriff war die beste Verteidigung. »Ich will mir das Spiel ansehen. Laßt mich in Ruhe.« Dabei musterte er die drei jungen Männer neben sich mit scharfen Blicken. Sie ließen sich vorerst von seinem entschiedenen Ton einschüchtern und wichen ein paar Schritte zurück. Dennoch war das Unheil nicht aufzuhalten. »Das ist er!« rief der größte Junge, der ungefähr siebzehn sein mochte. »Natürlich, das ist der Verrückte, der Bobby killen will.« Seine beiden Freunde stimmten in die Beschuldigungen ein. Der Ruf pflanzte sich unter den Umstehenden wie ein Lauffeuer fort. Im Nu sah Rick Masters sich von feindseligen Anhängern des Fußballstars umringt. Noch ging keiner auf ihn los, aber es genügte ein einziger zündender Funke, damit die Menge sich auf ihn stürzte. »He, willst du Bobby an den Kragen?« schrie jemand aus den hinteren Rängen. »Bist du deshalb hergekommen?« 94 �
Unruhe breitete sich rasend schnell aus. Die Spieler wurden aufmerksam. Der Schiedsrichter pfiff ab. Rick besaß die Fähigkeit, zahlreiche Einzelheiten im selben Moment in sich aufzunehmen. Die Polizisten in Zivil hoben Funkgeräte an die Lippen. Die zuletzt eingetroffenen, hart wirkenden Männer arbeiteten sich durch die Menge der Zuschauer in Ricks Richtung vor. Dabei war nicht klar, ob sie für oder gegen ihn waren. Jedenfalls wurden sie von den aufgeregten Jugendlichen behindert und aufgehalten. Und dann entdeckte Rick Masters auch noch Hazel! Sie saß auf der anderen Seite des Spielfeldes zusammen mit Sandra Cunningham in der ersten Reihe, sprang jetzt auf und versuchte, quer über das Spielfeld zu Rick zu laufen. Ordner hielten sie zurück. Und dann sah Rick Bobby Fogerty. Der junge Fußballer stand mit hängenden Armen und glasigem Blick auf dem Spielfeld und starrte zu Rick, als würde er seine Umgebung nicht richtig sehen. Da erst erkannte Rick Masters, worin die eigentliche Falle bestand. Er verwünschte den teuflischen Plan der Schwarzmagier. Jetzt blieb ihm nur noch die Flucht. Die Tür, die zu den Umkleidekabinen führte! Alle anderen Wege waren ihm versperrt! Rick spannte sich innerlich, um die Tür mit einem Sprung zu erreichen. Er mußte seinen Gegnern zuvorkommen. Dann sah er Warren Miles. Der Fotoreporter hob grinsend eine Kamera ans Auge. Er wollte Ricks Ende unter den Fäusten der wütenden Jugendlichen fotografieren. Und dann schnellte Rick sich los! * 95 �
Mit jeder Minute, in der sie Rick nicht sah, wurde Hazel Kent nervöser. Sandra schüttelte den Kopf. »Wieso sind Sie überhaupt so sicher, daß Rick hier ist?« fragte sie. Hazel registrierte nur nebenbei, daß Sandra Cunningham von »Rick« und nicht von »Mr. Masters« sprach. Für Eifersucht war jetzt nicht die richtige Zeit. »Ich kenne ihn«, erwiderte Hazel. »Er packt den Stier bei den Hörnern. Das hat er schließlich auch in Schottland und in Leeds versucht.« Sandra zuckte die Schultern. »Ich rede Ihnen nicht drein«, meinte sie. »Also gut, sehen wir uns nach Rick um. Falls wir ihn vor der Halbzeit nicht entdecken, bringe ich Sie zu Bobby. Ich habe es Ihnen versprochen. Ich glaube zwar nicht, daß Sie bei ihm etwas erreichen, Mrs. Kent, aber wir können es trotzdem versuchen. Wie Sie Rick helfen wollen, so denke ich an Bobby.« »Ja, ja«, murmelte Hazel. Sie war nicht ganz bei der Sache. Auf der anderen Seite des Stadions entstand Unruhe. Dort drüben lag der Zugang zu den Umkleidekabinen der Sportler. Es kam zu einem richtigen Tumult. Das Spiel wurde unterbrochen. »Da ist Rick!« rief Hazel, schnellte von ihrem Platz hoch und kletterte über die Absperrung. Es handelte sich nur um einen niedrigen Zaun. Das Sportcenter war nicht so abgesichert wie die großen Fußballarenen, in denen das Publikum durch hohe Gitterstäbe zurückgehalten wurde. »Mrs. Kent, kommen Sie zu mir!« rief Sandra Cunningham hinter Hazel her. Ein Ordner fing Hazel Kent ab, als sie quer über den Rasen laufen wollte. Vergeblich versuchte Hazel, den Mann abzuwehren. 96 �
Sandra bereinigte die Lage. Sie packte Hazel und zog sie mit sich am Spielfeldrand entlang. Der Ordner ließ die beiden Frauen gehen. »Ich muß zu Rick!« rief Hazel heftig. »Ich bringe Sie ja zu ihm«, erwiderte Sandra. »Aber wir kommen nicht quer über das Spielfeld. Ich kenne einen anderen Weg!« Sandra lief voraus. Sie brauchte Hazel nicht mehr zu halten. Hazel hatte eingesehen, daß sie sich besser nach Sandra richtete. Drüben bei dem Durchgang zu den Kabinen tobte Aufruhr, aber Rick schien in Sicherheit zu sein. Die Jugendlichen trommelten mit Fäusten gegen das verschlossene Tor und riefen Drohungen. Offenbar war Rick hinter der Tür vorläufig gerettet. Sandras Weg führte am Stadioneingang vorbei. Und dort traf Hazel mit einem Mann zusammen, der sie mit großer Erleichterung aufhielt. »Mrs. Kent!« rief Sergeant Myers, Hempshaws engster Mitarbeiter. »Können Sie mir verraten, was hier los ist? Auf Befehl von Chefinspektor Hempshaw habe ich Mr. Master beschattet. Was will er hier?« »Er bietet sich als Köder für Fogerty an!« Hazel sah sich um. »Haben Sie Verstärkung angefordert?« »Ja«, bestätigte der Sergeant. »Unsere Leute greifen aber nur ein, wenn es unbedingt notwendig wird. Wir wollen Tumulte vermeiden.« »Das ist gut«, meinte Hazel aufatmend. »Genau das wollen nämlich Ricks Feinde. Sie versuchen, die Zuschauer dieses Spiels gegen Rick so aufzuputschen, daß er es nicht überlebt. Bestellen Sie dem Chefinspektor, er soll seine Leute aufhalten. Ich habe für Rick eine private Schutztruppe engagiert.« Es stellte sich heraus, daß Sergeant Myers die Männer schon entdeckt hatte. 97 �
»Ich sorge hier draußen dafür, daß kein Chaos entsteht«, versprach der Sergeant. »Und wir bringen Mr. Masters auf einem Schleichweg aus dem Trainingscenter«, sagte Sandra Cunningham. »Los, Mrs. Kent, wir müssen in den Kabinentrakt.« Wieder übernahm sie die Führung, und jetzt merkte Hazel, daß Sandra sich hier wirklich gut auskannte. Auf dem Umweg über ein Hallenbad und dessen Duschräume gelangten sie in die Duschräume der Fußballer. Sandra deutete auf eine Tür, legte den Zeigefinger an die Lippen und nickte Hazel aufmunternd zu. Hazel Kent öffnete die Tür und spähte auf den dahinterliegenden Korridor. Die Tür knarrte. In einer Nische stand ein Mann. Er zuckte heftig zusammen und wirbelte zu Hazel herum. Hazel Kent atmete tief auf. * »Hazel!« flüsterte Rick hektisch und verließ die schützende Nische. »Wie kommst du hierher?« Sandra verließ hinter Hazel die Duschräume. Somit war eine Erklärung überflüssig. »Sie müssen schnellstens verschwinden, Rick«, sagte Sandra hastig. »Unter den Zuschauern gibt es genug Leute, die ebenfalls Schleichwege in den Kabinentrakt kennen.« »Sergeant Myers ist draußen«, gab Hazel an. »Er hält die Polizisten vor dem Trainingscenter in Bereitschaft zurück, damit es zu keinem Aufruhr kommt.« »Ich bleibe hier«, sagte Rick zu Hazels Entsetzen. »Das geht nicht, Rick!« rief Sandra erschrocken. »Die Menge 98 �
wird eindringen und Sie lynchen. Sie haben keine Ahnung, wie sehr die Stimmung zu Bobbys Gunsten aufgeheizt ist.« Rick nickte. »Eben deshalb darf ich nicht fliehen. Jetzt ist mir nämlich klar, was meine Feinde wollen. Sie haben Bobby gezwungen, auf mich Anschläge durchzuführen. Hätten diese Anschläge geklappt, wäre es meinen Feinden nur recht gewesen. Sie haben aber von Anfang an mit Mißerfolgen gerechnet.« »Wozu dann Bobby gegen Sie schicken?« fragte Sandra kopfschüttelnd. »Das verstehe ich nicht.« »Die Schwarzmagier und ihr Großmeister haben meine Reaktion richtig vorausgesehen. Ich habe Bobby verfolgt und mit ihm gekämpft. Warren Miles hat mit seinen Fotos dafür gesorgt, daß Bobbys Fans angeheizt werden und mich für einen Attentäter halten.« Vor den Toren der Umkleidekabine ertönten wütende Schreie. Die Menge wollte den vermeintlichen Attentäter in die Finger bekommen. »Der Tumult da draußen ist die Folge«, sagte Rick gedämpft. »Was Bobby nicht gelungen ist, sollen seine Fans erledigen, und die Schwarzmagier würden triumphieren.« »Dann müssen Sie erst recht verschwinden, damit die Leute Sie nicht lynchen, Rick!« Sandra wollte den Geisterdetektiv zu einer Seitentür führen. »Nein, jetzt begreife ich«, sagte Hazel. Sie lächelte Rick tapfer zu. »Ich ahne, was du planst, Rick, ich habe Mr. Chancey und seine Schutztruppe engagiert.« »Ich habe schon von Chancey gehört«, erwiderte Rick und zuckte kaum merklich zusammen, als harte Schläge gegen das Tor ertönten. »Lauf, Hazel, und bring Chancey und seine Leute zu mir. Sie sollen mich gegen die aufgebrachten Leute abschirmen. Und sag Sergeant Myers, daß er die Polizei nach Möglichkeit aus allem heraushalten soll!« 99 �
Hazel nickte. Sie kehrte auf demselben Weg ins Stadion zurück, auf dem sie gekommen war. Vor dem Zugang zu den Kabinen tobte die aufgebrachte Menge. Einige besonders kräftige Männer versuchten, das Tor aufzusprengen. Hazel suchte Bobby Fogerty. Beide Mannschaften standen ratlos auf dem Spielfeld herum. Bobby war jedoch nicht bei ihnen. Auch Warren Miles war nicht mehr zu sehen. Sie richtete Sergeant Myers die Botschaft des Geisterdetektivs aus und sprach mit Mr. Chancey. Er rief seine Leute zusammen, immerhin ein Dutzend hervorragend ausgebildeter Männer. Hazel schickte sie zu Rick in die Umkleidekabinen. »Mrs. Kent!« ertönte hinter ihr eine rauhe Stimme. »Was geht hier vor sich?« Hazel Kent drehte sich rasch um. »Gut, daß Sie hier sind, Mr. Hempshaw«, sagte sie erleichtert. »Gehen wir zu Rick. Unterwegs erzähle ich es Ihnen.« Hempshaw schloß sich ihr an. Seine erste Frage ergab sich aus seinem. Beruf. »Warum soll ich die Polizisten da draußen nicht einsetzen?« fragte er. Hazel legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. »Weil die Polizei nur im Moment den Tumult schlichten könnte. Rick aber will den Leuten zeigen, wer die wahren Schuldigen sind, und das muß er allein machen. Kommen Sie, ehe es zu spät ist!« Als sie die Gebäude betraten, ertönte ein dumpfer Krach. Das Tor zu den Umkleidekabinen war zusammengebrochen. Die wütende Menge stürmte das Gebäude. *
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Rick Masters war froh, daß er Dracula nicht mitgenommen hatte. Bei diesem Gedränge in den Kabinen wäre der Hund sicherlich getreten worden. Mr. Chancey stellte Rick kurz seine Männer vor. »Eines sage ich Ihnen aber sofort, Mr. Masters«, erklärte der Chef der Truppe. »Ich werde nicht dulden, daß unter unserem Schutz ungesetzliche Handlungen begangen werden.« »Sehr gut«, sagte Rick mit einem nervösen Lächeln. »Das würde ich auch nicht dulden.« Mr. Chancey war verwirrt. Es störte Rick nicht. Er sagte den Männern, was sie zu tun hatten. Gleich darauf war kein einziger von Mr. Chanceys Männern zu sehen. Rick blieb zusammen mit Sandra Cunningham in dem größten Raum des Umkleidetraktes. Sandra hatte sich in eine Ecke gesetzt, während Rick in der Mitte des Raumes stand und zu der Tür blickte, durch die jeder eintreten mußte, der vom Spielfeld kam. Ein Spiegel an der Wand zeigte ihm gleichzeitig, was hinter ihm vor sich ging. Schon zwei Minuten später betrat Bobby Fogerty den Raum. Er blieb abrupt stehen, als er Rick erblickte. Dann sah er Sandra, die sich an ihre Vereinbarung mit Rick hielt und in der Ecke sitzenblieb. »Was soll das?« fragte Bobby gereizt. »Was machen Sie mit Sandra, Masters?« »Nichts«, antwortete der Geisterdetektiv ruhig. »Das sehen Sie doch!« Bobby kam mit schleichenden Bewegungen näher. Rick merkte, daß das zweite Ich die Kontrolle über Bobby gewann. »Lassen Sie Sandra in Ruhe, oder…«, drohte er. »Bobby«, sagte Rick ernst. »Sie werden sofort von den Einflüssen der Schwarzen Magie befreit, wenn Sie diese Einflüsse erkennen. Jemand hat Ihnen eine zweite Persönlichkeit aufge101 �
zwungen, so daß…« Bobby ließ ihn nicht aussprechen. Mit einem wahren Panthersatz warf er sich auf Rick. Seine Hände stießen nach Ricks Hals. Die Finger waren gespreizt. Bobby Fogerty wollte den Geisterdetektiv erwürgen. Doch Rick hatte alle Vorteile auf seiner Seite. Er hatte sich als Köder angeboten, und deshalb hatte er auch bestimmt, wie die Sache weiterlief. Bobby stieß mit ihm zusammen, doch Rick wehrte sich nicht. Er ließ sich im selben Moment fallen. Bobby stürzte über Rick hinweg, prallte auf den Boden und kam gewandt sofort wieder auf die Beine. Es war zu spät. Sandra wußte, was passieren würde. Deshalb blieb sie sitzen, als Rick ihren Freund packte und zu Boden drückte. Rick zog Bobbys Arme auf den Rücken. Handschellen klickten. Bobby war wehrlos, gab aber noch nicht auf. Er trat und schlug um sich, soweit es die Fesseln erlaubten. Erst als Rick seine Silberkugel hervorholte und sie gegen die Stirn des Fußballers drückte, beruhigte sich Bobby Fogerty. Sandra stand auf und öffnete die hintere Tür des Raumes. Sechs Mann von Mr. Chanceys Schutzgarde traten ein. Wortlos zogen sie den verstörten Bobby Fogerty vom Boden hoch und führten ihn aus dem Raum. Rick atmete erst einmal auf. Der Anfang seines Planes hatte schon geklappt. Es war ihm nicht entgangen, daß es inzwischen vor diesem Aufenthaltsraum einen heftigen Wortwechsel gegeben hatte. Jetzt trat Rick auf den Korridor hinaus. Dort drängten die übrigen sechs Mann von Mr. Chancey den Fotoreporter Warren Miles zurück. »Ich habe ein Recht, Fotos zu schießen!« erregte sich Miles. »Ich 102 �
bin Reporter! Sie dürfen mich nicht abweisen!« »Mr. Miles!« Rick trat lächelnd auf jenen Mann zu, den er für einen Schwarzmagier hielt. Nach Ricks Überzeugung war Miles von seinem Großmeister beauftragt worden, dieses schmutzige Spiel aufzuziehen. »Haben Sie Beschwerden, Mr. Miles?« Warren Miles funkelte Rick wütend an. »Haben Sie diese Gorillas engagiert?« schrie er den Geisterdetektiv an. »Was wollen Sie denn?« Rick deutete auf den Aufenthaltsraum. »Hier hinein? Bitte, niemand hindert Sie!« Verabredungsgemäß traten die sechs Leibwächter zur Seite. Warren Miles sah sie mißtrauisch an. Ihm kam das alles verdächtig vor, doch dann ging er an den Leibwächtern und an Rick vorbei in den Raum. Der Geisterdetektiv hielt den Atem an. Hoffentlich, dachte er, spielte Sandra Cunningham ihre Rolle gut! »Wo ist Bobby Fogerty?« rief Miles, als er sah, daß sich außer Sandra niemand im Raum aufhielt. »Was haben Sie mit ihm gemacht, Mr. Masters?« »Ich?« tat der Geisterdetektiv erstaunt. »Gar nichts! Mr. Fogerty ging durch den Raum. Er sagte zu Miß Cunningham, daß er sich nur rasch umzieht.« »Wir wollen wegfahren«, erklärte Sandra. »Bobby und ich! Wir haben diesen häßlichen Rummel satt. Wir fahren für ein paar Tage aufs Land zu Verwandten, bevor er wieder spielen muß.« Rick merkte, wie es hinter der Stirn des Reporters arbeitete. Wenn Warren Miles tatsächlich jener Schwarzmagier war, den Rick in ihm vermutete, mußte er jetzt annehmen, daß seine Pläne gescheitert waren. Er hatte offenbar Bobby den Befehl erteilt, Rick jetzt anzugreifen, um den Fans die letzten Hemmungen zu nehmen. Für die Anhänger des Fußballs hätte es so ausgesehen, als hätte Rick ihren Bobby Fogerty angegriffen. Sandra machte ihre Sache ausgezeichnet. »So, ich gehe jetzt«, 103 �
sagte sie gleichmütig. »Bobby wartet schon auf mich. Bis bald!« Sie verließ den Aufenthaltsraum durch den hinteren Ausgang. Warren Miles warf Rick einen verschleierten Blick zu. Hinter der gespielten Gleichgültigkeit des Reporters fühlte Rick den unbändigen Haß des Schwarzmagiers. Wortlos drehte Miles sich um und hastete aus dem Raum. In diesem Moment brach die Menge das Tor zu den Kabinen auf. Es klappte, als habe Rick auch dabei Regie geführt. Die Fans stürmten. Sechs Leibwächter waren genug, um sie von Rick fernzuhalten, es sei denn, sie überraschten den Detektiv dabei, wie er ihren geliebten Bobby Fogerty angriff! Bobby Fogerty aber stand nicht zur Verfügung! Warren Miles mußte glauben, daß sein Einfluß auf Fogerty versagt hatte. Er mußte nun etwas tun, um Rick in den Augen der anstürmenden Fans als gefährlichen Attentäter abzustempeln. Auf einen Wink des Geisterdetektivs verschwanden die sechs Mann durch die Hintertür. Er war allein im Raum. In seinem Magen breitete sich ein flaues Gefühl aus, als er die Schreie der Menge hörte. Die Fans durchsuchten die einzelnen Räume und zertrümmerten dabei eine Menge Möbelstücke. Sie waren so aufgeputscht, daß Rick einen schweren Stand haben würde, auch wenn seine Leibwächter eingriffen. Hätte die Menge ihn jedoch im Kampf mit Bobby gefunden, wäre er verloren gewesen! Genau das war die Falle! Die Tür flog auf, aber nicht die erwartete Menschenmenge drängte herein, sondern Bobby Fogerty betrat den Raum. In seiner Hand blitzte ein Dolch. Mit einem wilden Schrei sprang er Rick Masters an. Der Dolch zielte auf Ricks Herz. Der Geisterdetektiv hatte keine Wahl. Er schlug kurz und hart zu. Bobby Fogerty taumelte benommen und versuchte, trotzdem 104 �
nach Rick zu stechen. Auch jetzt hatte Rick keine andere Wahl, als ihm den Dolch aus der Hand zu winden. In diesem Moment drangen die Fans ein. Bevor jemand sie abwehren konnten, waren mindestens zwei Dutzend in dem großen Aufenthaltsraum. Alle waren mit irgendeinem Gegenstand bewaffnet. Als sie Rick und Bobby Fogerty erblickten, schrien sie auf. Für sie sah es so aus, als würde Rick Masters mit einem Dolch auf ihren Liebling losgehen. Bobby Fogerty ließ sich zu allem Überfluß auch noch mit einem Hilfeschrei fallen. »Halt, stehenbleiben!« schrie ein Mann hinter Rick. Die Leibwächter des Mr. Chancey strömten durch die Hintertür in den Raum und stellten sich der Menge der Fans entgegen. Trotzdem war die Lage lebensgefährlich. Die aufgebrachten Fans wollten die Leibwächter einfach überrennen und sich auf Rick stürzen, um Bobby Fogerty zu befreien. Dazu kam es nicht. Rick hielt den zusammengebrochenen Bobby fest, als die inzwischen auf etwa sechzig Personen angewachsene Menschenmenge ein zweites Mal aufschrie. Die Vordersten wichen zurück. Die Fäuste sanken herunter. Ohne daß Rick sich umdrehte, wußte er, was geschehen war. Er selbst hatte es vorher so angeordnet. Ungläubig starrten die Fans auf Bobby Fogerty, den zwei Leibwächter zwischen sich hereinführten. Seine Hände wären noch immer mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt. Rick wandte etwas den Kopf. Hinter dieser Gruppe betraten auch Hazel Kent, Sandra Cunningham, Chefinspektor Hempshaw und Sergeant Myers den Raum. »Man hat euch alle belogen und betrogen«, sagte Rick mit lau105 �
ter Stimme. »Jemand hat euch vorgetäuscht, ich wollte Bobby Fogerty umbringen!« Rick schüttelte den wie Bobby Fogerty aussehenden Mann, den er zwischen seinen Fäusten hielt. »Dieser Mann hier hat das getan! Paßt auf!« Mit einer blitzschnellen Bewegung holte er seine Silberkugel aus dem Schulterhalfter. Ein kurzer Druck mit der Silberkugel in den Nacken des Doppelgängers genügte. Der Mann bäumte sich auf. Im nächsten Moment veränderte sich sein Aussehen. Aus Bobby Fogerty wurde Warren Miles, der Fotoreporter. Niemand sagte ein Wort. Alle waren viel zu verstört und erschüttert. Die Leute im Saal waren Fußballanhänger, keine Spezialisten für Schwarze Magie. Sie hatten keine Ahnung, was hier wirklich geschehen war. Rick Masters ließ Warren Miles nicht los. »Das war ein Fehler, Miles«, sagte er leise. »Sie dachten, wenn der echte Bobby Fogerty nicht für einen Angriff zur Verfügung steht, müssen Sie seine Rolle übernehmen. Sie dachten, Bobby hätte sich nicht richtig verhalten und mich vorhin nicht angegriffen. Ich kann Sie beruhigen. Ihre Schwarzmagischen Fähigkeiten haben ausgereicht. Er hat mich angegriffen, aber ich war schneller als er. Ich habe mich als Köder angeboten!« Warren Miles sah ein, daß er verspielt hatte. »Der Großmeister hat mich vor Ihnen gewarnt, Masters!« zischte er. »Er hat Sie als listenreich und raffiniert beschrieben! Ich hätte wissen müssen, daß Sie nicht blindlings in die Falle laufen.« »Ich lege auf Komplimente aus dem Mund eines Schwarzmagiers keinen Wert«, erwiderte Rick eisig. Er wandte sich an den echten Bobby Fogerty, der mit wachsendem Erstaunen zugehört hatte. »Bobby! Begreifen Sie endlich, daß dieser Mann Sie in seine Gewalt gezogen hat? Erinnern Sie sich daran, daß er Sie zu den Anschlägen auf mich gezwungen hat?« 106 �
Bobby Fogertys Augen weiteten sich. Er betrachtete Warren Miles, und in seinem Gesicht zuckte es. »Jetzt erinnere ich mich«, sagte Bobby leise. »Ich wollte nach dem Spiel in London mit meinem Motorrad wegfahren. Dieser Mann hier trat auf mich zu, und dann hatte ich das Gefühl, in einen bodenlosen Abgrund zu stürzen. Noch ein zweites Mal bin ich ihm begegnet. Das war nach dem Spiel in Leeds. Ich war zu Sandra unterwegs. Sie wartete in einer Teestube auf mich. Dieser Mann aber hat mir in einem Hauseingang aufgelauert. Als ich in seine Augen sah, war mir wieder, als würde ich in einen bodenlosen Abgrund stürzen.« »Ausgezeichnet«, sagte Rick zufrieden. »Bobby! Sie haben die Wahrheit erkannt. Von jetzt an sind Sie von allen schwarzmagischen Einflüssen befreit. Sie können ganz beruhigt sein.« Warren Miles hatte jedoch noch einen Trick auf Lager. »Bobby Fogerty!« zischte er. Aus seinen Augen traf den jungen Fußballer ein flammender Blick, aber diesmal griff Rick Masters ein. Rick hielt noch die weißmagische Silberkugel zwischen den Fingern. Er ließ sie vor den Augen des Magiers aufblitzen. Der magisch-hypnotische Blick prallte gegen die Silberkugel, die sich sofort zwischen Ricks Fingern erwähnte. Die Silberkugel neutralisierte und vernichtete alle schwarzmagischen Kräfte. Warren Miles schrie auf, taumelte und mußte von zwei Leibwächtern von Chanceys Firma gestützt werden. »Was ist mit ihm, Rick?« fragte Chefinspektor Hempshaw und deutete auf Warren Miles. Rick lächelte erleichtert. »Er hat seine schwarzmagischen Fähigkeiten verloren, Kenneth«, sagte er zufrieden. »Sie können ihn jetzt mitnehmen.« Hempshaw und Sergeant Myers kümmerten sich um Warren 107 �
Miles und trieben die sehr still gewordenen Fußballfans aus den Umkleideräumen zurück ins Stadion. Niemand verlangte mehr Ricks Kopf. Rick holte einen kleinen flachen Schlüssel aus der Tasche und schloß Bobby Fogertys Handschellen auf. »Danke, Mr. Masters!« Bobby streckte Rick lächelnd die Hand entgegen. »Ich weiß jetzt, daß Sie mir geholfen haben. Es tut mir leid, daß ich Sie angegriffen…« »Schon gut, Bobby!« Rick schüttelte seine Hand. Er nickte auch Sandra zu. »Bobby, Ihre Freundin hat etwas von ein paar erholsamen Tagen auf dem Land gesagt. Sie beide sollten wirklich nach diesem Schrecken ausspannen.« »Gute Idee!« Bobby legte strahlend seinen Arm um Sandra und hatte es plötzlich sehr eilig. Hazel Kent schickte die Leibwächter weg. Sie hakte sich bei Rick ein und verließ mit ihm das Trainingscenter. »Das wäre überstanden«, sagte sie leise. »Was machen wir beide in den nächsten Tagen, Darling?« Rick folgte Bobby Fogertys Beispiel und legte seinen Arm um Hazels Schultern. »Es wird uns schon etwas einfallen«, sagte er glücklich lächelnd. »Ich bin mit allem einverstanden.« »Ich verspreche dir, daß ich mir keine Fußballübertragung mehr ansehe«, meinte Hazel. »Warum nicht?« Rick lachte befreit auf. »So lange du nicht wieder für einen Starspieler schwärmst, kannst du es ruhig tun!« Hazel hob die Augenbrauen. »Warum sollte ich nicht für einen Spieler schwärmen?« fragte sie gespielt naiv. »Wenn er gut aussieht…« »Darling!« rief Rick. »Ich warne dich, ich bin noch immer sehr eifersüchtig.« »Das ist gut«, sagte Hazel zufrieden. »Das wollte ich nur wis108 �
sen.« Sie zog Rick ein wenig auf, doch er revanchierte sich auf der Stelle. »Ich beneide Bobby Fogerty«, sagte er mit einem listigen Grinsen. »Verreist dieser Glückspilz doch mit Sandra Cunningham.« Hazel gab ihm eine temperamentvolle Antwort, und es war gut, daß sich niemand in der Nähe aufhielt. Lachend verließen sie schließlich das Trainingscenter, das für Rick beinahe zu einer tödlichen Falle geworden wäre. ENDE
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