Christoph Neuberger · Christian Nuernbergk Melanie Rischke (Hrsg.) Journalismus im Internet
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Christoph Neuberger · Christian Nuernbergk Melanie Rischke (Hrsg.) Journalismus im Internet
Christoph Neuberger Christian Nuernbergk Melanie Rischke (Hrsg.)
Journalismus im Internet Profession – Partizipation – Technisierung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
. 1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Barbara Emig-Roller VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-15767-2
Inhalt
Vorwort…………………………………………………………………………. 7 Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke Journalismus im Internet Zur Einführung…………………………………………………………………..9 Christoph Neuberger Internet, Journalismus und Öffentlichkeit Analyse des Medienumbruchs.………………………………………………......19 Axel Bruns Vom Gatekeeping zum Gatewatching Modelle der journalistischen Vermittlung im Internet…………………………107 Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke Eine Frage des Blickwinkels? Die Fremd- und Selbstdarstellung von Bloggern und Journalisten im öffentlichen Metadiskurs………………………………………………....... 129 Maja Malik/Armin Scholl Eine besondere Spezies Strukturen und Merkmale des Internetjournalismus Ergebnisse der repräsentativen Befragung „Journalismus in Deutschland II“….. 169 Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke Journalismus – neu vermessen Die Grundgesamtheit journalistischer Internetangebote – Methode und Ergebnisse…………………………………………………….... 197
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Inhalt
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke Crossmedialität oder Ablösung? Anbieterbefragung I: Journalismus im Übergang von den traditionellen Massenmedien ins Internet …………………………… 231 Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke Profession, Partizipation, Technik Anbieterbefragung II: Internetjournalismus im Beziehungsgeflecht …………... 269 Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke „Googleisierung“ oder neue Quellen im Netz? Anbieterbefragung III: Journalistische Recherche im Internet …………………295 Sonja Kretzschmar Journalismus to go Flexibilisierung von Raum- und Zeitbezügen durch Internet und Mobilkommunikation ……………………………………………………335 Autorenverzeichnis……………………………………………………………. 353
Vorwort Über das Thema „Journalismus im Internet“, dem dieser Band gewidmet ist, wird gegenwärtig viel geschrieben. Besonders oft geschieht dies natürlich im Journalismus und im Internet selbst. Dort kommt es zumeist auf Kürze und Geschwindigkeit an. Ein Twitter-Beitrag, der maximal 140 Zeichen lang sein darf, ist in Sekundenschnelle getippt und veröffentlicht. Dieses Buch ist genau das Gegenteil dazu: Es hat nicht nur viele Seiten, sondern auch eine lange Vorgeschichte. Vom Projektantrag bis zum Abschluss der Druckvorlage sind mittlerweile vier Jahre vergangen. Darf man sich so viel Zeit gönnen, wenn man sich mit dem Internet beschäftigt? Das Internet verführt dazu, dass Hecheln zur „Leitgeschwindigkeit“ (Geyer 2008) wird. Die Möglichkeit, unverzüglich publizieren zu können, hat eine Art Sogwirkung; sie wird unversehens zum Imperativ, dem viele Autoren im Internet bereitwillig folgen. Im Unterschied dazu zwingen die alten Medien Presse und Rundfunk noch zu einer gewissen Verzögerung, zum Sich-Zeitlassen – bis zum Redaktionsschluss. Nachdenken braucht Zeit, und viel Zeit brauchen wissenschaftliche Studien. Was aber bringt es, so könnte ein Einwand lauten, wenn sich die Wissenschaft Zeit lässt, während sich der Medienwandel beschleunigt? Bedeutet dies nicht, dass die Kommunikationswissenschaft zur historischen Wissenschaft wird, weil sie nicht Schritt hält und mit ihren Ergebnissen stets zu spät kommt – jedenfalls für jene, die praktische Konsequenzen daraus ziehen wollen? Der Eindruck trügt, dass die Reflexion über das Internet ebenso schnell vonstatten gehen muss, wie sich das Internet weiterentwickelt. Das multioptionale Internet nötigt mehr als die bisherigen Medien dazu, sich über Möglichkeiten und sinnvollen Einsatz gründlich und langfristig Gedanken zu machen. Und die basalen Prinzipien und Potenziale des Internets sind keinem so raschen Wandel unterworfen, wie es die Bewegungen an seiner Oberfläche vermuten lassen. Für hektische Reaktionen, die das Verhalten vieler Internetanbieter kennzeichnen, besteht kein Anlass – im Gegenteil: „Panik ist kein Geschäftsmodell“ (Meyer-Lucht 2009). Dass die Zeit im Forschungsprojekt „Journalismus im Internet“ nicht ungenutzt verstrichen ist, werden jene bestätigen können, die daran mitgearbeitet haben. Nele Bauer, Michael Billig, Kathrin Breer, Jan-Christoph Deißner, Eva Flecken, Meike Flöck, Stefanie Letschert, Tobias Lickes, Karolina Lossa, Benjamin Röber und Ilona Schäfer haben als studentische Hilfskräfte mit großer Sorgfalt und viel Enga-
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gement recherchiert, telefoniert, codiert und transkribiert. Den Fragebogenversand haben Judith Kessler und Julius Reimer unterstützt. Stefanie Letschert hat mit ihrem scharfen Blick für stilistische Mängel und inhaltliche Ungereimtheiten das Entstehen dieses Buches begleitet. Ihnen gilt unser Dank. Inspirierend waren viele Diskussionen in Colloquien und Seminaren am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Im thematischen Umfeld des Projekts sind zahlreiche Abschlussarbeiten entstanden, die oft zu wertvollen Einsichten geführt haben. Für die inhaltliche Anreicherung und Abrundung des Bandes haben wir Kolleginnen und Kollegen gewinnen können, die für uns Gastbeiträge geschrieben haben. Dies waren Dr. Axel Bruns, Senior Lecturer an der Creative Industries Faculty der Queensland University of Technology in Brisbane, Australien, sowie Dr. Sonja Kretzschmar, Dr. Maja Malik und PD Dr. Armin Scholl vom Münsteraner Institut. Ihnen danken wir, ebenso den 183 Redaktionsleiterinnen und -leitern, die bereit waren, unseren sehr umfangreichen Fragebogen auszufüllen. Elf Interviewpartner nahmen sich außerdem die Zeit für mündliche Leitfadeninterviews. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danken wir für die Finanzierung des Forschungsprojekts, Frau Emig-Roller vom Verlag für Sozialwissenschaften für Geduld und Vertrauen.
Münster, im Februar 2009 Christoph Neuberger
Christian Nuernbergk
Melanie Rischke
Literatur: Geyer, Christian (2008): Ist Hecheln unsere Leitgeschwindigkeit? In: faz.net. 13.02.2008. http://www.faz.net/s/Rub5 C2BFD49230B472BA96E0B2CF9FAB88C/Doc~EA4DBAEC641AE4B73AFAF97154F09A778~ATpl~Ecomm on~Scontent.html (19.02.2009). Meyer-Lucht, Robin (2009): Panik ist kein Geschäftsmodell. In: Spiegel Online. 17.02.2009. http://www.spiegel.de/ netzwelt/web/0,1518,607889,00.html (19.02.2009).
Journalismus im Internet
Zur Einführung Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
Ein Gespenst geht um im Journalismus – das Gespenst des Internets. Die Verunsicherung ist allenthalben zu spüren. Vermutlich ist es keine Übertreibung, wenn man behauptet, dass seit dem Entstehen der journalistischen Profession im 19. Jahrhundert, die mit dem Aufstieg der aktuell-universellen Massenmedien Hand in Hand ging, die Frage nach der Zukunft des Journalismus noch nie so bange gestellt worden ist. Bislang war der Journalismus jene zentrale und machtvolle Vermittlungsinstanz der aktuellen Öffentlichkeit, die als „Gatekeeper“ Publikationsentscheidungen treffen konnte und zugleich für eine flächendeckende Qualitätskontrolle sorgen sollte: Was publiziert wurde, sollte zuvor den redaktionellen Prüfprozess durchlaufen haben. Schon die beschränkte technische Verbreitungskapazität der traditionellen Massenmedien Presse und Rundfunk machte diese „Gatekeeper“Leistung notwendig. Im Internet, wo nun im Prinzip jeder mit geringem Aufwand veröffentlichen kann, ändern sich die Voraussetzungen. Die Möglichkeit, den Journalismus zu umgehen, wird von vielen als Befreiung begrüßt, im Journalismus allerdings vor allem mit Sorge betrachtet. Partizipative Angebote, besonders Weblogs, haben die Angst geweckt, dass sie die Stellung des professionellen Journalismus untergraben könnten und damit möglicherweise auch seine Fähigkeit, die für die Demokratie unerlässlichen Vermittlungsleistungen im Öffentlichkeitssystem zu erbringen, ohne dass ein Ersatz in Sicht ist. Prominente Vertreter des Mediums Zeitung wie Mathias Döpfner (2006) und Frank Schirrmacher (2007) haben in den letzten Jahren immer wieder diese Gefahr beschworen und die weitere Notwendigkeit der gedruckten Zeitung betont. Oder gelingt es dem Journalismus,
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diese Aufgaben auch im Internet zu erfüllen, wie Rupert Murdoch (2005) annimmt?1 Um darauf eine Antwort zu finden, wird in diesem Buch ein Weg gewählt, der sich von den bisher üblichen unterscheidet. Deshalb beginnt dieses Buch mit einer doppelten Verneinung: Dieses Buch hat mit dem öffentlichen Metadiskurs über das Internet zunächst einmal nichts weiter gemein als die gleichen Bezugsobjekte. Der Metadiskurs folgt der Logik des Öffentlichkeitssystems, nicht jener des Wissenschaftssystems.2 Wenn sich Journalisten, Verleger, Blogger und andere Beteiligte „in eigener Sache“ zu Wort melden, dann tun sie dies mit Verve, Eloquenz, Detailwissen und hohem Tempo, häufig angeregt durch aktuelle Ereignisse, jedoch oftmals – aus Sicht der Wissenschaft – mit vagen Begriffen, gewagten Verallgemeinerungen, riskanten Kausalannahmen, stereotypen Argumenten, scharfen Urteilen und dem Interesse, das eigene Handeln zu legitimieren. Der öffentliche Metadiskurs wird in diesem Buch also nicht fortgesetzt, sondern selbst analysiert. Er wird als Phänomen behandelt, das eingeordnet werden muss und der Erklärung bedarf: Welches Selbst- und Fremdbild zeichnen Journalisten und Blogger? Welche Funktion hat dieser Disput im Prozess der Institutionalisierung des Internets? Die Behauptungen, die im Metadiskurs über Weblogs und ihre Beziehungen zum Journalismus aufgestellt werden, werden nicht einfach für „bare Münze“ genommen, sondern in den empirischen Studien, die im Folgenden vorgestellt werden, auf ihre Triftigkeit hin überprüft. Die wissenschaftliche Beobachtung und Deutung unterscheidet sich von der Innensicht der Beteiligten, die sie deshalb nicht nur einfach imitieren und verdoppeln darf. Sie muss der wissenschaftlichen Handlungslogik folgen, um „Wissenschaft“ zu bleiben. Nur durch die Beachtung dieser Differenz kann sie andere Einsichten bieten und damit für die Praxis interessant bleiben. Gleichwohl wird hier nicht die bornierte Haltung geteilt, dass es sich die Kommunikationswissenschaft leisten kann, das gesellschaftliche Nachdenken über Öffentlichkeit, Medien und Journalismus zu ignorieren und jede Orientierung an
1 Foren, auf denen die Zukunft der Zeitung diskutiert wird, haben z. B. die New York Times (roomfordebate.blogs.nytimes.com/2009/02/10/battle-plans-for-newspapers) und Spiegel Online (spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,608375,00.html) eingerichtet. 2 Zur Differenz zwischen wissenschaftlicher Fremdbeschreibung und der Selbstbeschreibung gesellschaftlicher Teilsysteme vgl. Kieserling (2004: 54-76). Zur Differenz im vorliegenden Fall vgl. Haas (2005); Neuberger (2006). Vgl. dazu auch den Aufsatz „Eine Frage des Blickwinkels?“ in diesem Band.
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Fragen, welche die Praxis aufwirft, bereits als Unterwerfungsgeste zu deuten. Die Kommunikationswissenschaft manövriert sich selbst ins Abseits, wenn sie gesellschaftliche Problemstellungen beiseite schiebt. Und sie versäumt es, die inspirierenden Gedanken, die sich zum Internet im populären Diskurs finden, aufzugreifen und als Arbeitshypothesen in den Theorierahmen einzupassen und empirisch zu prüfen – eingedenk der Popperschen Annahme, dass nicht die Herkunft, sondern die Bewährung von Hypothesen die Wissenschaft ausmacht.3 Das zweite „Nein“: Dies ist auch kein Buch, in dem die Journalismusforschung (als ein Teilgebiet der Kommunikationswissenschaft) in den gewohnten Bahnen fortgeschrieben werden kann. Die Kategorie „Journalismus“ ist, jedenfalls in ihrem herkömmlichen Verständnis, fragwürdig geworden; danach wird er beruflich ausgeübt und ist redaktionell organisiert. Vermittlungsleistungen des Journalismussystems können aber auch anders erbracht werden – zumindest ist die Suche nach funktionalen Äquivalenten ein relevantes Anliegen der Forschung. Die Frage lautet also: Können auch Laien und Technik im Internet Vermittlungsleistungen erbringen? Oft wird diese Frage vorschnell bejaht oder verneint, ohne dass die Antworten dem komplexen Beziehungsgeflecht zwischen Profession, Partizipation und Technik gerecht werden und eine sorgfältige empirische Prüfung stattgefunden hat. Für eine gründliche Analyse muss eine andere Frage vorausgeschickt werden: Gibt es im Internet Kommunikationsprobleme, deren Bearbeitung an Vermittler delegiert wird? Und noch einen Schritt zurück: Welche Konturen hat die Öffentlichkeit im Internet? Die Journalismustheorie muss um einen öffentlichkeitstheoretischen Rahmen erweitert werden, um dem Medienumbruch gerecht zu werden und das Verhältnis zwischen Profession, Partizipation und Technik im Internet angemessen erörtern zu können. Dies ist notwendig, weil die Rollen des Kommunikators und des Rezipienten – im Unterschied zur traditionellen Massenkommunikation – den Akteuren nicht mehr fest zugewiesen sind. Durch die Möglichkeit des flexiblen Rollentauschs verwischen die Grenzen zwischen der Kommunikator- und der Rezipientenforschung. Kommunikatorforschung war bislang fast ausschließlich Forschung über professionelle Kommunikatoren (Journalismus, „Public Relations“, Werbung). Nun treten Laienkommunikatoren hinzu, die sich ebenfalls öffentlich zu Wort melden können. 3 Zum Konflikt zwischen Bloggern und Blog-Wissenschaftlern vgl. z. B. Don Alphonso (2005, 2006); Schmidt (2005); Schönberger (2008).
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Eine zweite Ergänzung der Journalismustheorie ist ein medientheoretischer Rahmen: Der professionell ausgeübte Journalismus, der bisher nur in Presse und Rundfunk beheimatet war, eignet sich das multioptionale Internet an. Nach und nach erschließt er sich das technische Potenzial des Internets. Dabei stellt sich die Frage, in welchem Maße sich der Internetjournalismus gegenüber den traditionellen Massenmedien verselbstständigt. Oder kommt es eher zu einer crossmedialen Verflechtung zwischen den alten Medien und dem neuen Medium? Zugleich ist das Internet der Anlass für eine starke Verunsicherung im professionellen Journalismus: Die Erosion der Reichweiten und der Werbeumsätze, wie sie vor allem die Tageszeitungen erleben, wäre leichter zu ertragen, wenn sich das bisherige Geschäftsmodell ins Internet übertragen ließe. Doch den Internetnutzern mangelt es an Zahlungsbereitschaft, und auch das Prinzip der Querfinanzierung durch Werbeerlöse ist infrage gestellt, da es im Internet attraktive Werbeumfelder gibt, die nicht mehr mit hohem Kostenaufwand von Redaktionen gestaltet werden müssen (wie Suchmaschinen und „User Generated Content“ in sozialen Netzwerken). Medienunternehmen geraten dadurch in ein Dilemma, das sie zu einer für den Journalismus fatalen Konsequenz veranlassen könnte: Wenn die ökonomische Zukunft des professionellen Journalismus prekär ist, könnten sie ihre Aktivitäten auf andere Geschäftsfelder verlagern, die ihnen lukrativer erscheinen. Vermutlich ist deshalb die Bedrohung für den Journalismus auf dem Werbemarkt größer als auf dem Publikumsmarkt, auf dem partizipative und technische Vermittler ihn kaum ersetzen können. Beide Perspektiven, sowohl der Übergang des Journalismus von den klassischen Medien ins Internet als auch die Beziehungen zwischen Profession, Partizipation und Technik, waren im Forschungsprojekt „Vermittlungsakteure, -strukturen und -leistungen der aktuellen Internetöffentlichkeit“, im Folgenden kurz „Journalismus im Internet“, vereint, das am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in den Jahren 2006-2008 durchgeführt und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert worden ist. Geleitet wurde es von Christoph Neuberger; wissenschaftliche Mitarbeiter des Projekts waren Christian Nuernbergk und Melanie Rischke. Der vorliegende Sammelband präsentiert die Ergebnisse des Projekts. Jedes Forschungsprojekt stößt an Grenzen und muss Dinge unerledigt lassen. Zur Abrundung des Sammelbandes ergänzen deshalb drei Aufsätze von Gastautorinnen und -autoren die Darstellung der Projektergebnisse.
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Das besondere Anliegen des Forschungsprojekts bestand darin, über die isolierte Analyse des professionellen Internetjournalismus, von Weblogs, Nutzerplattformen, Suchmaschinen und anderen Internetformaten hinaus erstmals die gesamte Dreiecksbeziehung zwischen Profession, Partizipation und Technik in seiner Vielschichtigkeit und aus verschiedenen Perspektiven in den Blick zu nehmen.4 Im Aufsatz „Internet, Journalismus und Öffentlichkeit“ wird dafür das theoretische Fundament gelegt, wobei vor allem gezeigt werden soll, wie die Journalismustheorie – wie oben bereits angedeutet – um Bezüge zur Medien- und Öffentlichkeitstheorie ergänzt werden muss, um die sich herausbildende Netzwerköffentlichkeit angemessen modellieren zu können. Aufgegriffen werden auch Überlegungen zum „Long Tail“ des Internets. Der „Gatekeeper“ als klassisches Konzept der Journalismusforschung ist der Ausgangspunkt des Beitrags von Axel Bruns. Er hat diesen Begriff zu „Gatewatching“ abgewandelt, um damit zu verdeutlichen, dass im Internet nicht mehr die Kontrolle über den Zugang zur Öffentlichkeit, sondern das Sortieren des bereits Publizierten zentral wird (vgl. Bruns 2005, 2008). An die Stelle der Bewachung der wenigen Schleusentore, die Presse und Rundfunk boten, tritt die Beobachtung dessen, was über die vielen Zugänge im Internet in die Öffentlichkeit strömt. Seine Leistung besteht nun vorrangig darin, die unterschiedlichen Perspektiven zu bündeln und so ein höheres Maß an Vielfalt als in den traditionellen Massenmedien zu ermöglichen. Bruns verdeutlicht mit Hilfe seines Modells des Nachrichtenprozesses, wie im Internet Laienkommunikatoren auf allen Stufen des redaktionellen Produktionsprozesses einbezogen werden können. Neue Formate im Internet sind oft relativ unscharf definiert. In Metadiskursen soll ihre Identität und Qualität präziser bestimmt werden. Auch über das Format „Weblog“ findet ein solcher öffentlicher Klärungsprozess statt, wobei auffällt, dass häufig der Journalismus zum Vergleich herangezogen und quasi als Kontrastfolie
4 Das Forschungsprojekt „Journalismus im Internet“ ist die Fortsetzung früherer Studien, in denen der Fokus schrittweise erweitert wurde: In den neunziger Jahren stand zunächst das Internetengagement eines einzelnen Massenmediums, nämlich das der Tageszeitung, im Mittelpunkt (vgl. Neuberger et al. 1998; Neuberger/Tonnemacher 1999; Neuberger/Tonnemacher 2003). Um die Jahrtausendwende galt das Interesse dem professionellen Internetjournalismus in seiner Gesamtheit; untersucht wurden sowohl die Ableger von Presse und Rundfunk als auch Nur-Internetangebote (vgl. Neuberger 2001, 2002). Im vorliegenden Band ist der Gegenstand noch einmal weiter gefasst: In den letzten Jahren haben sich die Möglichkeiten der Partizipation an der öffentlichen Kommunikation und deren technische Unterstützung deutlich verbessert („Web 2.0“), weshalb nun neben der professionell-journalistischen Vermittlung auch partizipative und technische Kommunikation Beachtung finden.
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verwendet wird. In einer quantitativen Inhaltsanalyse von Metatexten, die von Journalisten und Bloggern verfasst worden sind, wurde den folgenden Fragen nachgegangen: Welches Selbst- und Fremdbild zeichnen Journalisten und Blogger in ihren Beiträgen? Halten sie Weblogs für „Journalismus“? Sehen sie eine konkurrierende oder komplementäre Beziehung? Die Ergebnisse der Inhaltsanalyse werden unter dem Titel „Eine Frage des Blickwinkels?“ präsentiert. Sie lassen erkennen, dass die veröffentlichten Aussagen stark von der Beobachterperspektive abhängen. Die Auffassung, das Weblogs zum Journalismus zu zählen sind, fand sich z. B. besonders oft bei den bloggenden Journalisten, also den „Grenzgängern“ zwischen den beiden Sphären. Auch die Einschätzung der Leistungsfähigkeit war durch den Blickwinkel bestimmt: Nur-Journalisten sahen eine Überlegenheit auf der Seite des Journalismus, Nur-Blogger und bloggende Journalisten sahen Weblogs im Vorteil. Sind professionelle Internetjournalisten eine besondere Spezies? Maja Malik und Armin Scholl ziehen anhand der Resultate einer Sonderauswertung der repräsentativen Befragung „Journalismus in Deutschland II“ aus dem Jahr 2005 (vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006) einen Vergleich zwischen hauptberuflichen Internetjournalisten und der Gesamtheit der Journalisten. Deren Zahl ist mit etwas mehr als 2.000 relativ klein geblieben. Was auffällt, sind weniger die Unterschiede als die vielen Ähnlichkeiten mit den übrigen Journalisten; dies gilt auch für das Tätigkeitsprofil. Markante Unterschiede fallen indes beim Rollenverständnis auf: Internetjournalisten streben relativ häufig danach, ihr Publikum möglichst schnell zu informieren. Dagegen bemühen sie sich seltener als die Gesamtheit der Journalisten darum, „normalen Leuten eine Chance [zu] geben, ihre Meinung zu Themen von öffentlichem Interesse zum Ausdruck zu bringen“. Dieses Ergebnis überrascht: Offenbar divergieren in diesem Punkt das journalistische Rollenverständnis und die Partizipationsmöglichkeiten des Internets. Im Unterschied zur Befragung „Journalismus in Deutschland II“ war die Analyseeinheit des Projekts „Journalismus im Internet“ nicht der einzelne Journalist, sondern der journalistische Anbieter. Deshalb ergänzen sich die Befunde der beiden Studien. Wie oben bereits skizziert, bestand ein Anliegen des Projekts darin, über den professionellen Journalismus hinaus funktionale Äquivalente in den Blick zu nehmen. Dabei musste zunächst die Frage geklärt werden, was „Journalismus“ im Internet ist. Auch wenn sich professioneller, partizipativer und technisierter Journalismus in der Produktionsweise unterscheiden, werden von ihnen die gleichen Leistungen erwartet.
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Im Aufsatz „Journalismus – neu vermessen“ werden die Ergebnisse einer quantitativen Inhaltsanalyse vorgestellt, in der schrittweise diejenigen Internetangebote herausgefiltert wurden, die journalistische Merkmale besitzen. Die Prüfung hinsichtlich Autonomie, Aktualität, Periodizität und Universalität erlaubte es, „Journalismus“ unabhängig von der Produktionsweise zu identifizieren. Diese Prüfung, mit welcher der Kernbereich des Journalismus eingegrenzt werden sollte, haben nur wenige nicht-professionelle Internetangebote überstanden, nämlich 18 Weblogs, fünf Nutzerplattformen und 13 Nachrichtensuchmaschinen. Dies entspricht 7% der insgesamt 503 Angebote, die als „journalistisch“ identifiziert wurden. Die Dominanz der traditionellen Massenmedien im Kernbereich des Internetjournalismus ist ungebrochen: 77% der Angebote sind Internetableger von Presse und Rundfunk. Rund die Hälfte (53%) der journalistischen Angebote stammt allein von Tageszeitungen. Diese Eingrenzung des Journalismus im Internet war eine Vorarbeit für die Befragung journalistischer Internetanbieter, deren Befunde in drei weiteren Aufsätzen präsentiert werden. Gestützt auf die Ergebnisse der inhaltsanalytischen Erfassung der journalistischen Internetangebote, wurden 413 Redaktionen und inhaltlich Verantwortliche ermittelt. 183 der angeschriebenen Redaktionsleiter und Verantwortlichen nahmen an der Befragung im Jahr 2007 teil, was einem Rücklauf von 44% entspricht. In der Befragung wurden noch einmal journalistische Organisations- und Angebotsmerkmale erfragt, welche die inhaltsanalytische Vorauswahl bestätigt haben. Im ersten Aufsatz „Crossmedialität oder Ablösung?“ steht der Übergang des Journalismus von den traditionellen Massenmedien ins Internet im Mittelpunkt. Vergleicht man die Medientypen, dann fällt die Sonderstellung der Tageszeitungen auf: Die organisatorische Anbindung der Internetredaktionen an das gedruckte Muttermedium ist stark, und auch ihre inhaltliche Abhängigkeit ist hoch. Gefragt nach den Motiven ihres Internetengagements, lassen die Vertreter der Tagespresse eine besonders defensive Haltung erkennen, die offenbar auch berechtigt ist: Der Konkurrenzdruck des Internets ist für sie sowohl auf dem Anzeigen- als auch auf dem Publikumsmarkt relativ groß, und sie sind auch nur ausnahmsweise bereits in der Lage, kostendeckend zu arbeiten. Allerdings darf hier nicht übersehen werden, dass fast alle Tageszeitungen mit einem journalistischen Angebot im Internet vertreten sind, während z. B. von den Publikumszeitschriften nur rund 10% ein journalistisches Internetangebot besitzen. Die Befragung ergab darüber hinaus einige
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Hinweise auf die Herausbildung eines eigenständigen Internetjournalismus (Qualifikationsanforderungen, Vorbilder, Ausschöpfen des technischen Potenzials). Unter der Überschrift „Profession, Partizipation, Technik“ werden die Ergebnisse der Befragung vorgestellt, die sich auf die Beziehungen zwischen diesen Kommunikationstypen im Internet beziehen. Dabei wurde nach Indizien für die drei Beziehungsmuster Konkurrenz, Komplementarität und Integration gesucht. Aus der Sicht der Vertreter des professionellen Journalismus, die den Hauptteil der Befragten stellten, ist mit einer Konkurrenz durch Weblogs, Nutzerplattformen und Nachrichtensuchmaschinen auf dem Publikumsmarkt kaum zu rechnen. So verfügen professioneller Journalismus und Weblogs nach ihrer Auffassung über eigenständige Profile. Die Befragten sehen eher ein komplementäres Verhältnis, das darin besteht, dass wechselseitig Themen aufgegriffen und Kritik geübt wird. Darüber hinaus gibt es viele Belege für eine Integration partizipativer und technischer Elemente in den professionellen Internetjournalismus, sodass Hybridangebote entstehen. Beteiligungsmöglichkeiten der Nutzer und die Auswirkungen ihrer Mitarbeit wurden differenziert im Fragebogen erfasst. Die Möglichkeiten, sich am redaktionellen Produktionsprozess zu beteiligen und eigenständig zu publizieren, bleiben allerdings bisher noch beschränkt. Einer spezifischen Komplementärbeziehung, nämlich der journalistischen Recherche in partizipativen Angeboten (Weblogs, Wikipedia) und mit Hilfe von (Nachrichten-)Suchmaschinen, war eine Reihe von Fragen im Erhebungsinstrument gewidmet. Im Aufsatz „’Googleisierung’ oder neue Quellen im Netz?“ werden dazu die Ergebnisse präsentiert. Die Befunde der Befragung der Internetredaktionen konnten mit den Resultaten einer Befragung der Nachrichtenredaktionen von Tageszeitungen, Rundfunk und Nachrichtenagenturen (2006) gegenübergestellt werden. Dadurch war es möglich, internetnahe und -ferne Redaktionen zu vergleichen. Hier stellt sich die Frage, wie der Journalismus als „Gatewatcher“ fungiert, d. h., wie er für sein Publikum das zugleich reichhaltige und unübersichtliche Informationsangebot des Internets erschließt, auf das – als Folge der Disintermediation – das Publikum prinzipiell auch selbst Zugriff hat. Besitzen Journalisten einen Vorsprung an Kompetenz bei der Selektion und Bewertung von Internetseiten, der ihre Dienstleistung rechtfertigt? Es zeigt sich u. a., dass Weblogs zurückhaltend als Quelle Verwendung finden und ihre Eignung eher skeptisch beurteilt wird. Demgegenüber ist der Gebrauch der Internet-Enzyklopädie Wikipedia als virtuelles Nachschlagewerk im Journalismus gängige Praxis; ihre Zuverläs-
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sigkeit wird als hoch eingeschätzt.5 Unter den Suchmaschinen nimmt Google die vermutete Vorrangstellung ein. In Nachrichtenredaktionen gibt es Anzeichen für eine Verdrängung anderer Zugangswege zu Quellen („Googleisierung“). Viele Redaktionsleiter sehen allerdings einen Nachholbedarf beim kompetenten Umgang mit Suchmaschinen. In den empirischen Studien im Rahmen des Projekts „Journalismus im Internet“ wurden also verschiedene Beobachtungs- und Deutungsperspektiven gewählt: Erstens wurde der öffentliche Metadiskurs zum Verhältnis zwischen Weblogs und Journalismus inhaltsanalytisch erfasst, zweitens wurden Redaktionsleiter um ihre subjektive Einschätzung gebeten, drittens wurde versucht, sowohl inhaltsanalytisch (Erfassung der Grundgesamtheit) als auch über die Befragung Merkmale der Angebote und Anbieter zu erfassen. Der letzte Aufsatz des Bandes bietet einen Ausblick auf zwei Dimensionen des Journalismus, die bislang in der Forschung zu kurz gekommen sind: Internet und Mobilkommunikation erweitern und flexibilisieren Raum- und Zeitbezüge des Journalismus. Dass dies für Recherche, Produktion, Angebote und Rezeption gilt, kann Sonja Kretzschmar in ihrem Beitrag plausibel machen. Die globale Erreichbarkeit von Websites, der Überall- und Jederzeit-Empfang über das Handy und „On Demand“-Angebote beeinflussen den Journalismus, der bisher in einem starren, periodischen Arbeitsrhythmus und zumeist für räumlich eng begrenzte Publika produziert hat. Die Autorin zeichnet die in ersten Umrissen erkennbaren Entwicklungslinien in der Raum- und Zeitdimension nach, denen in künftigen Studien weiter nachgegangen werden müsste. Es erübrigt sich fast schon der Hinweis darauf, dass die empirischen Befunde, die in diesem Band vorgestellt werden, nur Momentaufnahmen eines Mediums sind, das sich stürmisch weiterentwickeln wird. Ob die theoretischen Überlegungen und methodischen Herangehensweisen Bestand haben werden, wird sich erweisen. Literatur: Bartsch, Matthias/Brauck, Markus/Hülsen, Isabell/Müller, Martin U. (2009): Wilhelm und der Grubenhund. In: Der Spiegel. Nr. 8 v. 16.02.2009, S. 54-56. Bildblog (2009): Wilhelm II. In: Bildblog. 11.02.2009. http://www.bildblog.de/5731/wilhelm-ii (19.02.2009). Bruns, Axel (2005): Gatewatching. Collaborative Online News Production. New York/Washington, D. C./Baltimore u. a.: Peter Lang.
5 Wie groß das Vertrauen in die Wikipedia ist und wie riskant dieses zugleich ist, wurde offensichtlich, als im Februar 2009 viele Redaktionen, darunter Bild und spiegel.de, einen falschen Vornamen des neuen Wirtschaftsministers Freiherr von und zu Guttenberg aus der Enzyklopädie übernahmen (vgl. Bildblog 2009; Bartsch et al. 2009; Spiegel Online 2009).
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Internet, Journalismus und Öffentlichkeit Analyse des Medienumbruchs Christoph Neuberger1
Das Schwierigste am Internet ist, es sich vorzustellen. Peter Glaser (1996: 118) 1 Einführung Jürgen Habermas, der wie kein Zweiter die Theorie der Öffentlichkeit bestimmt hat, hat sich nach längerer Abstinenz in den letzten Jahren wieder dem Thema „Öffentlichkeit“ zugewandt. In seiner zuletzt erschienenen Aufsatzsammlung („Ach, Europa“) skizziert er das deliberative Modell der Demokratie, demzufolge im öffentlichen Diskurs sowohl die Legitimierung als auch die Rationalisierung politischer Entscheidungen geleistet werden soll. Im Anschluss daran erkundet er die Frage, wie sich mediale Randbedingungen auf die Qualität der politischen Deliberation auswirken (vgl. Habermas 2008: 155-163). Er arbeitet zunächst die Defizite der traditionellen Massenmedien im Vergleich zur Präsenzkommunikation heraus, nämlich die Einseitigkeit der Massenkommunikation und die ungleiche Machtverteilung zugunsten der Medienorganisationen und weniger politischer Akteure. Dann wendet sich Habermas in einer kurzen Passage auch dem Internet zu: „Das World Wide Web scheint freilich mit der Internetkommunikation die Schwächen des anonymen und asymmetrischen Charakters der Massenkommunikation auszugleichen, indem es den Wiedereinzug interaktiver und deliberativer Elemente in einen unreglementierten Austausch zwischen Partnern zulässt, die virtuell, aber auf gleicher Augenhöhe miteinander kommunizieren. Tatsächlich hat ja das Internet nicht nur neugierige Surfer hervorgebracht, sondern auch die historisch versunkene Gestalt eines egalitären Publikums von schreibenden und lesenden Konversationsteilnehmern und Briefpartnern wiederbelebt.“ (ebd.: 161)
1
Für hilfreiche Vorschläge zur Verbesserung des vorliegenden Textes danke ich Dr. Sonja Kretzschmar, Christian Nuernbergk M. A. und Stefanie Letschert. – Internetadressen, auf die in diesem Aufsatz hingewiesen wird, wurden zuletzt im Januar 2009 überprüft.
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Christoph Neuberger
Dennoch bleibt Habermas skeptisch: Nur in autoritären Regimen, in denen das Internet die Zensur unterläuft, sieht er einen demokratischen Gewinn, nicht aber in liberalen Regimen; dort fördere das Internet die Fragmentierung der Öffentlichkeit: „Dieses Publikum zerfällt im virtuellen Raum in eine riesige Anzahl von zersplitterten, durch Spezialinteressen zusammengehaltenen Zufallsgruppen. Auf diese Weise scheinen die bestehenden nationalen Öffentlichkeiten eher unterminiert zu werden. Das Web liefert die Hardware für die Enträumlichung einer verdichteten und beschleunigten Kommunikation, aber von sich aus kann es der zentrifugalen Kraft nichts entgegensetzen. Vorerst fehlen im virtuellen Raum die funktionalen Äquivalente für die Öffentlichkeitsstrukturen, die die dezentralisierten Botschaften wieder auffangen, selegieren und in redigierter Form synthetisieren.“ (ebd.: 162)
Habermas vertritt also die These von der Fragmentierung der Öffentlichkeit. Was er vermisst – die „funktionalen Äquivalente für die Öffentlichkeitsstrukturen“ der traditionellen Massenmedien, sprich: den Journalismus –, hat sich aber, so die hier vertretene Gegenthese, längst auch im Internet herausgebildet und verhindert als Bindemittel den Zerfall der Öffentlichkeit. Die Fragmentierungsthese ist eine einseitige Sicht des neuen Mediums, in der von der bloßen Möglichkeit, dass jeder nach seinem Gusto kommuniziert und rezipiert, direkt und ohne sorgfältige empirische Prüfung auf den tatsächlichen Gebrauch des Mediums und den Zerfall der Öffentlichkeit geschlossen wird (vgl. Abschnitt 6). Im DFG-Projekt „Journalismus im Internet“, dessen Ergebnisse in diesem Band vorgestellt werden, stand dagegen die Frage im Mittelpunkt: Wie wandelt sich die Vermittlung aktueller Öffentlichkeit, wenn sich die medialen Randbedingungen ändern? Dabei wurde davon ausgegangen, dass es im Internet – anders, als es Habermas vermutet – nicht zum Verschwinden des Journalismus kommt, sondern ein Wandel vermittelnder Strukturen beobachtet werden kann. Dieser wird aber erst dann sichtbar, wenn die spezifischen Vermittlungsprobleme der Internetöffentlichkeit und die unterschiedlichen Varianten ihrer Bearbeitung identifiziert worden sind. Die Öffentlichkeits- und auch die Journalismustheorie müssen für eine solche Analyse die medialen Randbedingungen und deren Wandel stärker berücksichtigen, als dies bislang der Fall war (vgl. Abschnitt 5). Der gegenwärtige Medienumbruch kann in zwei Perspektiven beobachtet werden. Zum einen kann das Verhältnis zwischen den Medientypen analysiert werden: Wie unterscheidet sich das Internet von den traditionellen Massenmedien, derer sich der Journalismus bisher bedient hat? Über welche Eigenschaften verfügt das Internet als technisches Medium (vgl. Abschnitt 2) und als institutionelles Medium (vgl. Abschnitt 3)? In welcher Beziehung steht das Internet zu Presse und Rundfunk (vgl. Abschnitt 4)? Grundsätzlich lassen sich drei Beziehungstypen unterschei-
Internet, Journalismus und Öffentlichkeit
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den: Einzelmedien können gleiche Leistungen erbringen; dann stehen sie in einem Konkurrenzverhältnis. Sie können unterschiedliche Leistungen erbringen und sich dabei ergänzen (Komplementarität). Schließlich kann es auch zu einer Annäherung zwischen den Einzelmedien kommen: Zwischen ihnen lassen sich sowohl crossmediale Beziehungen (Übernahme von Inhalten und Formaten, medienübergreifende Dachmarken, integrierte Redaktionen etc.) als auch eine – die Grenzen der Einzelmedien auflösende – technische Konvergenz beobachten. Zum anderen können die Kommunikationstypen Profession, Partizipation und Technik verglichen und zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. In den traditionellen Massenmedien findet öffentliche Kommunikation fast ausschließlich professionalisiert statt; dies gilt sowohl für die vermittelnde Fremddarstellung (Journalismus) als auch für die partikulare Interessen verfolgende Selbstdarstellung („Public Relations“, Werbung). Diese professionell betriebene Kommunikation expandiert ins Internet. Daneben gewinnt im Internet die Laienkommunikation erheblich an Bedeutung, weil das neue Medium den kommunikativen Zugang zur Öffentlichkeit vereinfacht (vgl. Abschnitte 6 und 7). Diese erweiterte Partizipation erweist sich als ambivalent: Sie erfüllt zwar lang gehegte Erwartungen an die Öffentlichkeit, wirft aber auch Folgeprobleme auf (vgl. Abschnitt 8), die dazu führen, dass auch im Internet Vermittlungsleistungen erbracht werden müssen (vgl. Abschnitt 9). Das Internet ist nicht nur ein (Verbreitungs- und Speicher-)Medium, sondern auch ein Netz aus Computern, das die Mensch-zu-Mensch-Kommunikation durch Mensch-zu-Maschine-Interaktionen unterstützt und in Teilen zu ersetzen vermag. Zwischen Profession, Partizipation und Technik lassen sich ähnliche Beziehungsmuster beobachten wie zwischen den Einzelmedien (vgl. Abschnitt 10). Vermittlungsleistungen im Internet (vgl. Abschnitt 11) können – wie in Presse und Rundfunk – von professionellen Journalisten erbracht werden (vgl. Abschnitt 12). Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass partizipative (vgl. Abschnitt 13) und technische Vermittler (vgl. Abschnitt 14) zu ihnen in Konkurrenz treten. Entstehen also im Internet auch funktionale Äquivalente zum professionellen, redaktionell organisierten Journalismus? Neben dieser Identität sind zwischen Profession, Partizipation und Technik auch Komplementarität (vgl. Abschnitt 15) und Integration (vgl. Abschnitt 16) als Beziehungen möglich. In der Medien- und in der Kommunikationsperspektive können also ähnliche Beziehungsmuster beobachtet werden. Darüber hinaus sind die Phänomene, die in den beiden Perspektiven beobachtet werden, nicht unabhängig voneinander. So
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beeinflussen z. B. die ökonomischen Randbedingungen des Internets auch den professionellen Journalismus in den traditionellen Massenmedien, der unter der Abwanderung von Werbekunden ins Internet leidet, aber zugleich Angebote bereitstellt, die im Internet kostengünstig zweitverwertet werden können. In diesem Text wird das theoretische Fundament für die empirischen Untersuchungen des Projekts gelegt, deren Ergebnisse in weiteren Aufsätzen in diesem Sammelband vorgestellt werden. Hier wird der Versuch unternommen, die Grundzüge des Medienumbruchs und seiner Folgen für Journalismus und Öffentlichkeit herauszuarbeiten. Zugleich soll eine Orientierung über die vielfältige Literatur gegeben werden: Längst mangelt es nicht mehr an Publikationen zu den einzelnen Aspekten des Medienumbruchs (wie der Umfang des Literaturverzeichnisses am Ende des Aufsatzes belegen mag); eher stellt sich das Problem, ihre Menge zu bewältigen. Die Kommunikationswissenschaft hat erst damit begonnen, ihre Beobachtungsund Deutungsinstrumente neu zu justieren, die sie zuvor in der Auseinandersetzung mit den traditionellen Massenmedien entwickelt hat. Versucht man, mit dem Wandel Schritt zu halten, so kommt man nicht umhin, – neben den Arbeiten aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen – auch den unter Experten und Nutzern des Mediums geführten öffentlichen Metadiskurs über das Internet zu beachten, der schneller und sensibler auf neue Phänomene reagiert (vgl. den Aufsatz „Eine Frage des Blickwinkels?“ in diesem Band). Einige Überlegungen, die dort angestellt werden (wie z. B. über das „Web 2.0“, den „Long Tail“ des Internets oder die „Weisheit der Vielen“), werden hier als Anregungen aufgegriffen – jedoch nicht kritiklos übernommen: Sie müssen in den theoretischen Rahmen eingepasst und als Hypothesen einer empirischen Überprüfung standhalten. 2 Technisches Medium: Das multioptionale Potenzial des Internets Der Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist die Frage: Wie lässt sich das Internet als Medium charakterisieren? Differenziert man den Medienbegriff in einen technischen und einen institutionellen Aspekt,2 so ist damit die Unterscheidung zwischen dem technischen Potenzial eines Mediums und seiner selektiven Aneignung im Prozess der Institutionalisierung gemeint. In diesem Abschnitt wird zunächst das Potenzial des Internets skizziert.
2
Zum Medienbegriff und dieser Unterscheidung vgl. z. B. Winkler (2000); Burkart (2002); Hoffmann (2002); Neuberger (2005a: 73-76); Beck (2006: 12-14); Donges (2006); Mock (2006).
Internet, Journalismus und Öffentlichkeit
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In technischer Hinsicht ermöglichen Medien die Erzeugung, Vervielfältigung, Speicherung, Verbreitung und den Empfang von Mitteilungen.3 Im Vergleich zu Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen verfügt das Internet über deutlich mehr Optionen (vgl. Tab. 1). Dadurch werden begriffliche Unterscheidungen und Grenzziehungen infrage gestellt, welche die Kommunikationswissenschaft in der Auseinandersetzung mit den traditionellen Massenmedien entwickelt hat:4 x Integration von Kommunikationstypen und flexibler Rollentausch (Sozialdimension): Das Internet integriert Typen von Kommunikation, die durch die Teilnehmerzahl („one-to-one“, „one-to-many“ und „many-to-many“), die Zugänglichkeit von Mitteilungen (öffentlich und privat) sowie die Kommunikationsrichtung (ein- und zweiseitig) bestimmt sind. Sie wurden bisher vornehmlich in unterschiedliche Medien und Formaten realisiert. Der Bereich der Massenkommunikation (einseitig, öffentlich, „one-to-many“), auf den sich die Kommunikationswissenschaft bisher konzentriert hat, wird dadurch immer schwerer abgrenzbar. Das Internet vereinfacht außerdem den kommunikativen Zugang zur Öffentlichkeit: Jeder kann ohne allzu großen Aufwand Kommunikator oder Anbieter sein (Partizipation). Und es erlaubt den flexiblen Wechsel zwischen der Kommunikator- und der Rezipientenrolle (Interaktivität). Die strikte Rollenfixierung und Teilnahmebegrenzung auf der Kommunikatorseite, wie sie in den traditionellen Massenmedien herrscht, ist potenziell überwunden. Auch die Möglichkeiten der wechselseitigen Beobachtung und Orientierung sind im Internet besser als in den traditionellen Massenmedien (Transparenz).5 x Auflösen von Medien- und Angebotsgrenzen (Kanal- und Zeichendimension): Das technisch konvergente, multimediale Internet verfügt über das Kanalund Zeichenrepertoire älterer Einzelmedien (Text, Foto, Grafik, Video, Audio, Animation), wobei in den letzten Jahren das technische Potenzial und vor allem die Nutzung von Videoangeboten weiter gewachsen sind.6 Angebote traditioneller Massenmedien sind als Ausgaben und Artikel (Presse) oder als Programme und Sendungen (Rundfunk) klar voneinander getrennt. An3 4 5
6
Vgl. Boeckmann (1994: 79-89). Zur Einordnung des Internets als Medium vgl. z. B. Beck (2006: 12-31); Scherfer (2008a). Die Nutzer haben in Teilen einen besseren Überblick über die journalistischen Angebote, z. B. mit Hilfe von Nachrichtensuchmaschinen. Sie können auch erfahren, wie andere Nutzer auf bestimmte Angebote zugreifen und sie bewerten (Nutzerstatistiken, Rankings). Auch für Anbieter gibt es vielfältige Möglichkeiten der Nutzerbeobachtung und -befragung (vgl. Bermejo 2007). Vgl. Madden (2007); van Eimeren/Frees (2008a).
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Christoph Neuberger
ders im Internet, wo Angebotsgrenzen leicht überwunden werden können: Selektionshilfen wie Hyperlinks, Suchmaschinen und Aggregatoren („RSSFeed-Reader“, Nachrichtensuchmaschinen etc.) ermöglichen den gezielten Zugriff auf Informationen in einer Vielzahl von Angeboten. Herkunft und Kontext der Beiträge treten dabei tendenziell in den Hintergrund.7 Darüber hinaus sind im Internet vielfältige crossmediale Beziehungen zu traditionellen (Massen-)Medien zu beobachten. Komplementärangebote unter einer gemeinsamen Dachmarke und mit zahlreichen Querverweisen überwinden die Grenze zwischen den Einzelmedien. Im Zuge der technischen Konvergenz, wie sie etwa zwischen Fernsehen und Internet zu beobachten ist, lösen sich solche Grenzen zunehmend auf.8 x Flexibilität in der Raum- und Zeitdimension: Durch das Internet und andere digitale Medien erweitern sich die Optionen in Raum und Zeit: Informationsrecherche und -produktion lassen sich im Journalismus beschleunigen und dezentral organisieren.9 Das Internet verbindet die Stärken eines OnlineMediums (permanente und rasche Verbreitung) mit jenen eines Offline-Mediums (Speicherfähigkeit): Ältere Beiträge bleiben im Internet verfügbar; Altes kann mit Neuem verknüpft werden (Additivität). Im Internet sind Angebote außerdem global zugänglich. Für Rezipienten sind sie auf Abruf und über mobile Endgeräte zu jeder Zeit an jedem Ort verfügbar. Das Handy entwickelt sich zum mobilen „Alleskönner“, der vielfältige Kommunikationsdienste bündelt.10
7
Das Project for Excellence in Journalism (2008b) registriert einen wachsenden Anteil an horizontalen Nutzern, die über Suchmaschinen und Links gezielt und selektiv auf bestimmte Beiträge in journalistischen Angeboten zugreifen. Eine neue Stufe der Dezentralisierung wird dutch „Peer-toPeer“-Software erreicht, bei der Angebote nicht mehr zentral zum Abruf bereitgehalten, sondern auf den Rechnern vieler Nutzer zwischengespeichert werden wie beim Videoangebot „Joost“ (vgl. Reiss 2007). 8 Als aktuellen Überblick zur Konvergenz von Fernsehen und Internet vgl. Breunig (2007, 2008). Falls Flachbildschirme mit Papiereigenschaften, die dünn und biegbar sind, Marktreife erlangen sollten, so wäre auch eine technische Konvergenz zwischen Zeitung und Internet denkbar (vgl. z. B. Kremp 2008). 9 Vgl. Pawlofsky (2003). 10 Vgl. Grigorova (2007). Ein Mobiljournalismus entwickelt momentan erste Konturen (vgl. Kretzschmar 2007; Hohlfeld/Wolf 2008 sowie den Aufsatz „Journalismus to go“ in diesem Band).
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Tab. 1:
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Technisches Potenzial des Internets im Medienvergleich
Potenzial Modus
Rundfunk klassisches/r Fernsehen und Hörfunk (Programm)
Presse
Internet
Zeitung und Zeitschrift
„World Wide Web“, E-Mail, Usenet, Chat etc.
Sozialdimension: Teilnehmerkreis und Handlungsrepertoire aktuelle Publizität (Zahl der Rezipienten) potenzielle Publizität (Zugänglichkeit für Rezipienten) Partizipation (Beteiligungsmöglichkeit als Kommunikator und Anbieter) Richtung der Kommunikation (Wechsel der Kommunikator- und Rezipientenrolle) Kommunikator- und Rezipientenzahl Transparenz zwischen Anbietern und Nutzern Selektivität
Massenpublikum
Massenpublikum
variabel („Long Tail”)
öffentlich
öffentlich
öffentlich und privat
gering
gering
hoch
einseitig
einseitig
ein- und zweiseitig (Interaktivität)
one-to-many
one-to-many
one-to-one, one-tomany, many-to-many
gering
gering
hoch
gering
gering
hoch
Zeitdimension: Geschwindigkeit, Permanenz der Verbindung und Speicherung Verbindung zwischen Anbieter und Nutzer Verbreitungsgeschwindigkeit Aktualisierung Speicherung auf der Anbieterseite (nur OnlineMedien) Speicherung auf der Nutzerseite Vervielfältigung und Weiterbearbeitung auf der Nutzerseite Additivität (Verknüpfung alter und neuer Angebote) zeitliche Disponibilität der Nutzung Flexibilität der zweiseitigen Kommunikation (Anschlusskommunikation des Publikums)
permanent (OnlineMedium), tertiäres Medium (Sende- und Empfangsgerät)
periodisch (OfflineMedium), sekundäres Medium (Sendegerät)
permanent (OnlineMedium), tertiäres Medium (Sende- und Empfangsgerät)
hoch
gering
hoch
periodisch (innere Periodizität im Programm, selten als simultane Liveberichterstattung)
periodisch (maximal tägliches Erscheinen)
permanent
flüchtig
−
hohe Kapazität
aufwendig (Medienbruch: Video-, Audiorecorder)
aufwendig (Sammeln von Ausgaben oder Ausschnitten, Kopieren)
einfach (Download)
aufwendig
aufwendig
einfach
fehlt
fehlt
möglich
fixiert (Ausstrahlungszeitpunkt, starrer Ablauf)
disponibel (nur Rezeption)
disponibel (Abruf und Rezeption)
meist asynchron (Medienbruch: Zuschauer-, Hörerpost), selten synchron („Call In“Sendungen)
asynchron (Medienbruch: Leserbrief)
synchron (Chat, Instant Messaging), asynchron (ohne Medienbruch, Speicherung)
Christoph Neuberger
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Fortsetzung Tab. 1 Raumdimension: Reichweite und Flexibilität Reichweite räumliche Disponibilität der Nutzung
i. d. R. mittel (regional, national, international) mittel (z. T. über tragbare Geräte)
i. d. R. gering (regional, national)
hoch (global)
hoch (Ausgabe)
mittel (z. T. über Mobilkommunikation)
Zeichendimension: Wahrnehmungskanäle, Codes und Formate Wahrnehmungskanäle
Zeichensysteme (Codes)
Formate Ebenen der Angebotsstruktur
auditiver und visuelldynamischer Kanal symbolische Zeichen (gesprochenes und geschriebenes Wort), ikonische Zeichen (Grafiken, Animationen) und registrative Zeichen (Bilder, Geräusche) Video- und Audioformate
visuell-statischer Kanal
Konvergenz der Kanäle
symbolische Zeichen (Text), ikonische Zeichen (Grafiken) und registrative Zeichen (Fotos)
Konvergenz der Zeichensysteme
Textformate, Fotound Grafikformate
konvergente Formate
Beitrag, Sendung, Serie, Programm
Artikel, Ausgabe, Titel, Zeitungs- und Zeitschriftentypen
Webseite, Website
Das Internet verbindet Computer in einem technischen Netzwerk.11 Computer besitzen nach Esposito (1993: 338-340) sowohl den Charakter eines Mediums als auch den einer Maschine: Während bei Medien der Output mit dem Input identisch sein soll, verändern Maschinen den Input. Das heißt: Einerseits speichern und übertragen sie Daten als Zustände, andererseits verarbeiten sie Daten in Prozessen (vgl. Rieder 2004: 39f.). Computer zählen zu den nicht-trivialen Maschinen, die den gleichen Input unterschiedlich bearbeiten können. Darüber hinaus reagieren sie nicht nur auf Anweisungen des Nutzers (direkte Manipulation), sondern agieren auch autonom und sind lernfähig. So können sie das Nutzerverhalten beobachten und daraus Schlüsse ziehen (indirekte Manipulation) (vgl. Kuhlen 1999: 221). Software-Agenten werden so zu einem „aktiven Mediator“ (Rieder 2004: 45), für den sich die Frage stellt, ob er journalistische Arbeit substituieren kann. 3 Institutionelles Medium: Variantenreiche Aneignung des Internets Vom Potenzial eines Mediums kann nicht direkt auf seinen Gebrauch geschlossen werden. Auch dann, wenn sich technische Gestaltungsspielräume weiten wie im Internet, bleiben andere Barrieren bestehen. So ist z. B. im Internet kein „globales 11 Vgl. Ellrich (1997); Bunz (2008a).
Internet, Journalismus und Öffentlichkeit
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Dorf“ entstanden.12 Die Unterscheidung zwischen einem technischen und einem institutionellen Medienbegriff verdeutlicht, dass sich Akteure im Prozess der Institutionalisierung ein neues Medium aneignen und dabei aus seinen Verwendungsoptionen eine Auswahl treffen. Diese Selektionen verfestigen sich und werden sozial verbindlich.13 Bei neuen Techniken ist „oft nicht mehr zu entscheiden, ob die Technik auf einen ununterbrochenen Steigerungssog reagiert oder ob sie umgekehrt einen Steigerungsdruck auf die Konsumenten ausübt.“ (Schulze 2003: 106) Im ersten Fall reagiert die Technik auf eine bereits vorhandene Nachfrage. Dagegen offeriert im zweiten Fall die Technik „etwas Unerwartetes [...], dessen Möglichkeitshorizont erst noch zu erkunden ist.“ (ebd.)14 An dieser Stelle lohnt sich ein kurzer Exkurs zur Mediengeschichte: Auch das Radio, das erste elektronische Massenmedium, war zunächst ein ungeformtes Medium, dessen Gebrauchsoptionen noch unerschlossen waren. So jedenfalls nahm Bertolt Brecht das noch junge Medium Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre wahr: „Unsere Gesellschaftsordnung [...] ermöglicht es, daß Erfindungen gemacht und ausgebaut werden, die sich ihren Markt erst erobern, ihre Daseinsberechtigung erst beweisen müssen, kurz Erfindungen, die nicht bestellt sind. [...] Man hatte plötzlich die Möglichkeit, allen alles zu sagen, aber man hatte, wenn man es sich überlegte, nichts zu sagen.“ (Brecht 1992a: 552; H. i. O.)
Der Gebrauch des Mediums bliebe weit hinter seinen Möglichkeiten zurück (vgl. Brecht 1992b: 218). Die Bourgeoisie habe alleine die Technik im Blick. Es sei die Aufgabe der Künstler, die geeigneten Inhalte zu schaffen. „Ein Mann, der was zu sagen hat und keine Zuhörer findet, ist schlimm dran. Nicht schlimmer sind Zuhörer daran, die keinen finden, der ihnen etwas zu sagen hat.“ (ebd.)
Auch das Internet gehört zu jenen Medien, deren Möglichkeiten erst erschlossen werden müssen.15 Im Prozess der Institutionalisierung eines neuen technischen Me12 Vgl. Hafez (2005: 135-157). 13 Vgl. Kubicek/Schmid/Wagner (1997: 43-57). Als Überblick zu theoretischen Ansätzen, die sich mit der Aneignung neuer Medien befassen, vgl. Karnowski/von Pape/Wirth (2006); Rusch (2007). 14 Vgl. Rammert (1988: 754). Kuri (1999: 161) konstatierte im Jahr 1999 in der Computerzeitschrift „c’t“: „Momentan ist das Internet für viele User noch ein Wert an sich – es selbst ist die Anwendung, für die man sich entsprechende Zugangs-Hardware [...] besorgt. Das allein ist schon eine Weiterentwicklung gegenüber der Situation vor einigen Jahren: Da kaufte man sich einen PC, um herumzuprobieren und zu überlegen, was man damit anstellen könnte. Heute weiß man es – weil man ins Internet will. Und warum will man ins Internet?“ 15 Daniels (2002: 140-144) weist auf eine weitere Parallele zwischen Radio und Internet hin: Die durch sie bewirkten Medienumbrüche sind von einer kleinen Avantgarde von Amateuren ausgegangen. „Die Funkamateure und Netznutzer schaffen das Bewusstsein für das Potenzial einer öffentlichen, kommunikativen Funktion des Mediums. Erst durch deren richtungsweisende Modelle einer neuen Nutzung vorhandener Technologien wird das immense Potenzial der Medien Radio bzw. In-
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Christoph Neuberger
diums werden zunächst vertraute Schemata aus alten Medien übertragen. Diese Imitation erleichtert Anbietern und Nutzern die Orientierung in der neuen Umgebung. Im Laufe der Zeit entstehen eigenständige Schemata, die dem technischen Potenzial des Mediums eher gerecht werden. Auch nach der Beobachtung von Brecht agierte das Radio zunächst als „Stellvertreter“: „Als Stellvertreter des Theaters, der Oper, des Konzerts, der Vorträge, der Kaffeemusik, des lokalen Teils der Presse usw. Von Anfang an hat der Rundfunk nahezu alle bestehenden Institutionen, die irgend etwas mit der Verbreitung von Sprech- und Singbarem zu tun hatten, imitiert: es entstand ein unüberhörbares Durch- und Nebeneinander im Turmbau zu Babel.“ (Brecht 1992a: 552; H. i. O.)
Es sei an der Zeit, mahnte Brecht, sich nach einem „Lebenszweck um[zu]schauen“ (ebd.: 553; H. i. O.), und schlug Formate wie Liveübertragung, Interview, Diskussion, Hörspiel und eigens für das Medium komponierte Musik vor (vgl. Brecht 1992c: 215f.).16 Auch das Internet befindet sich in diesem Prozess der Verselbstständigung, wobei allerdings zwei Eigenschaften die Herausbildung einheitlicher und stabiler Strukturen erschweren (zum Folgenden vgl. Neuberger 2005a: 76-81): Das große technische Potenzial des Internets, d. h. seine Multioptionalität führt zu einer bislang nicht gekannten Formbarkeit eines Mediums.17 Seinem Gebrauch sind kaum Grenzen gesetzt. Dadurch entsteht ein hoher Orientierungsbedarf über seinen sinnvollen Einsatz (Kontingenzproblem). Die ständige Weiterentwicklung des Internets zwingt dazu, diesen Klärungsprozess laufend fortzusetzen. Im Internet wird also eher der Überschuss an Möglichkeiten zum Problem als deren Knappheit.18 Dadurch wird die Sinnfrage aufgeworfen: „Plötzlich geht es darum, was wir wollen, und nicht mehr darum, was die Verteilungskanäle wollen.“ (Anderson 2007: 240, H. i. O.) Der Reflexionsbedarf wächst; der technikdeterministische ternet schließlich auch von der Regierung und der Wirtschaft aufgegriffen.“ (ebd.: 144) Daniels’ pessimistische Annahme, dass das Internet (wie das Radio) völlig durch kommerzielle (bzw. öffentlich-rechtliche) Anbieter vereinnahmt wird, hat sich indes bisher nicht bewahrheitet (vgl. ebd.: 144). Die Weiterentwicklung zum Rundfunk machte das Funken von einem „Many-to-Many“- zu einem „One-to-Many“-Medium. Im „Web 2.0“ bleiben Laien Freiräume für die Übernahme der Kommunikator- und Anbieterrolle. 16 Kapeller (2002: 156) monierte bereits im Jahr 1924, dass der Hörfunk nicht nur eine „‚gesprochene Zeitung’“ sein darf. 17 Im Vergleich zu anderen technischen Innovationen kennzeichnet neue Medien, dass ihre Nutzer sie als „Tool Technologies“ im Prozess der Adoption und Implementation in hohem Maße formen können („Re-Invention“) (vgl. Rogers 1986: 121). 18 Anderson (2007: 199) sieht „mentale Fallen“, wenn das Denken in Kategorien der Angebotsknappheit (ausschließliches Streben nach Massenerfolg und Geld, Amateurhaftes als minderwertig, geringe Nutzung als Nachweis für schlechte Qualität), das im Kontext der traditionellen Massenmedien entstanden ist, auf das Internet übertragen wird.
Internet, Journalismus und Öffentlichkeit
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(Kurz-)Schluss vom Potenzial auf den Gebrauch ist im Fall des Internets noch weniger zulässig als bei anderen Medien, die über weniger Optionen verfügen und so ihre Verwendung stärker kanalisieren. Im Gegensatz zu McLuhans Diktum („Das Medium ist die Botschaft“) ist – mit Castells (2004: 388) gesprochen – „in dem neuen Mediensystem die Botschaft das Medium […]. Das heißt: Die Eigenschaften der Botschaft formen die Eigenschaften des Mediums.“19 Die Dezentralität des Internets und die Möglichkeit der Partizipation führen dazu, dass viele Akteure den Gebrauch des Mediums beeinflussen können. Dadurch entsteht ein hoher Koordinationsbedarf (Interdependenzproblem). Das Internet schafft also Bedingungen, welche für die Verfestigung seines Gebrauchs eher hinderlich sind: Je größer die Zahl der Handlungsoptionen ist, je dynamischer sich diese Optionen verändern, je größer die Zahl der Beteiligten ist, je geringer die Einflussdifferenzen zwischen ihnen sind, je weniger sie wechselseitig über ihre Intentionen informiert sind und je mehr sie einander widersprechen, desto schwerer fällt es, intentional Strukturen zu schaffen (vgl. Schimank 2000: 187, 232). Kennzeichnend für das Internet sind deshalb transintentionale Effekte (vgl. ebd.: 180188).20 Die Unsicherheit, die sich aus dem weitgehenden Fehlen einer homogenen und fixen Struktur ergibt, wird im Internet durch eine fortlaufende ad hoc-Abstimmung zwischen den Beteiligten reduziert. Dabei schafft das Internet quasi selbst Abhilfe, weil es die wechselseitige Beobachtung und die begleitende Metakommunikation vereinfacht (zum Folgenden vgl. Neuberger 2005b). Im Internet gewinnt vermutlich die Selbststeuerung via (Meta-)Öffentlichkeit gegenüber der politischen, rechtlichen und ökonomischen Fremdsteuerung an Bedeutung: Wesentliche Entscheidungen über die Verwendung des Mediums werden nicht – wie in Presse und
19 Allgemeiner gefasst, spricht Schulze (1995) von der „Entgrenzung“ der Medientechnik im „nachtechnischen Zeitalter“: Je perfekter die Technik wird, desto bedeutungsloser wird sie als Handlungsbeschränkung und desto drängender wird die Frage nach dem, was damit bezweckt werden soll (vgl. Schulze 2003: 64-67). Solche erweiterten Wahlmöglichkeiten und -zwänge sind typisch für eine Gesellschaft im Stadium der „reflexiven Modernisierung“ (vgl. Beck/Beck-Gernsheim 1994). 20 Bunz (2008a: 111) spricht vom Internet als „Medium, das konstant im Prozess seiner Definition begriffen ist“, Lovink (2008: 11) vom „Prinzip des ewigen Wandels“. McQuail (2005: 138) stellt fest, dass das Internet unterdeterminiert sei. Es besitze „separate more specialized institutional complexes of media activity“; für das gesamte Internet gebe es „no shared institutional identity“ (ebd.: 139). Diese heterogene Struktur des Internets veranlasst Beck (2006: 19) dazu, ihm den Rang eines institutionellen Mediums abzusprechen und es nur als technisches Medium zu begreifen. Dieser Auffassung wird hier nicht gefolgt, da das „Internet“ zweifellos als gesellschaftliches Konstrukt, als Medienschema existiert.
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Rundfunk – „hinter verschlossenen Türen“ von wenigen Politikern, Juristen, Managern und Redakteuren getroffen. Im Metadiskurs werden auch die Identität und Qualität von Formaten wie dem Weblog (vgl. den Aufsatz „Eine Frage des Blickwinkels?“ in diesem Band) oder auch des Internets insgesamt erörtert. Ein Beispiel für diese öffentliche Selbstthematisierung des Internets ist die Auseinandersetzung über das so genannte „Web 2.0“: O’Reilly (2005), der Schöpfer des Begriffs, wollte damit signalisieren, dass gegenüber den neunziger Jahren ein Umdenken beim Gebrauch des Mediums stattgefunden hat (vgl. Tab. 2). Damals sei noch angenommen worden, dass auch im Internet die Regeln der Massenmedien und Massenmärkte gelten. Im „Web 2.0“ soll nun das neue Medium – mit Brecht gesprochen – seinen „Lebenszweck“ finden, der ihn von anderen Medien unterscheidet. O’Reilly fasst darunter angebliche Tendenzen des Internets zusammen wie eine wachsende Dezentralität, Partizipation, Gleichheit und Vernetzung.21 Tab. 2:
Institutionalisierung des Internets im Metadiskurs: „Web 1.0“ und „Web 2.0“ (eigene Darstellung nach O’Reilly 2005)
Prinzipien
„Web 1.0“
„Web 2.0“
Zentralität – fixe Rollenverteilung und Hierarchie zwischen Leistungserbringern und -empfängern (in Politik, Wirtschaft, Öffentlichkeit etc.) – Abgrenzung gegenüber der Umwelt
Dezentralität – Rollenwechsel, Partizipation und Gleichheit – Vernetzung
Massenkommunikation, Massenwerbung, geschützte Datenbestände (Urheberrecht) Massenmarkt („Hits“) Verkauf fertig entwickelter Software für den PC isolierte Geräte
Netzwerkkommunikation, personalisierte Werbung, freie Datenbestände („Creative Commons“) Nischenmärkte („Long Tail“) „Open Source“-Programmierung, Software über das Internet als Dienstleistung vernetzte Geräte
Ebene Öffentlichkeit Markt Software Hardware
„Web 2.0“ ist eine idealisierte Vorstellung des Mediums. Im öffentlichen Metadiskurs werden oft einseitig positive oder negative Sichtweisen vertreten, werden euphorische oder apokalyptische Erwartungen an neue Medien gerichtet. Sie werden der Ambivalenz neuer Medien nicht gerecht: Im Medienwandel ist mit paradoxen Folgeproblemen der intendierten Leistungssteigerung öffentlicher Kommunikation durch neue technische Medien zu rechnen. Kommunikationsteilnehmer sind nach Luhmann (1981a: 26-28) mit mehreren Problemen konfrontiert (Verbreiten, Ver21 Vgl. Neuberger (2007c); Röttgers (2007).
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stehen, Gewinnen von Aufmerksamkeit, Erfolg), die ein erfolgreiches Kommunizieren und Rezipieren unwahrscheinlich machen. Für ihre Bewältigung stehen Medien zur Verfügung (Sprache, Verbreitungsmedien, symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien). Allerdings „verstärken sich“ die Unwahrscheinlichkeiten der Kommunikation „wechselseitig. Sie können nicht eine nach der anderen abgearbeitet und in Wahrscheinlichkeiten transformiert werden. Wenn eines der Probleme gelöst ist, wird die Lösung der anderen umso schwieriger.“ Das aber heißt: Es gibt „keinen direkten Weg zu immer besserer menschlicher Verständigung. Wenn man es darauf anlegt, steht man vielmehr vor einem Wachstumsproblem mit zunehmend diskrepanten Erfordernissen.“ (ebd.: 27)
Diese Ambivalenz neuer Medien zeigt sich auch im Fall des Internets (vgl. Abschnitte 7 und 8). 4 Beziehungen zwischen Medientypen Die Beziehungen zwischen Medientypen sind bereits relativ gründlich untersucht worden. Die Verdrängungsängste, die in den alten Medien beim Auftauchen neuer Medien herrschen, tragen dazu bei, dass die Aufmerksamkeit darauf fixiert ist.22 Die Diskussion über die Beziehungen zwischen Einzelmedien ist inzwischen über das so genannte „Rieplsche Gesetz“ hinausgelangt, das besagt, dass alte Medien durch neue Medien nicht verdrängt werden, wenn sie ihre Leistungen so verlagern, dass sie nicht mehr mit ihnen konkurrieren (zum Folgenden vgl. Neuberger 2003a: 33-56). Analysiert man die Beziehungen differenzierter, so lassen sich folgende Muster unterscheiden: Einzelmedien konkurrieren miteinander, wenn sie aus der Sicht der Nachfrager substituierbare Leistungen erbringen (Identität). Dabei ist zwischen der Konkurrenz auf dem Publikumsmarkt und dem Werbemarkt zu unterscheiden.23 Verdrängungseffekte des Internets lassen sich in Deutschland bislang besonders für die Tageszeitungen nachweisen: In den letzten Jahren haben sie nicht nur Anzeigenverluste hinnehmen müssen,24 inzwischen lässt sich auch eine Abwanderung der Zeitungsleser empirisch nachweisen.25 Für Fernsehen und Hör-
22 Vgl. z. B. Baker (2007). 23 Vgl. Dimmick (2003); Schmitt-Walter (2004). 24 Vgl. Birtel (2004); Kolo (2004a, 2004b, 2007). Im Jahr 2008 wirkten sich die nachlassende Konjunktur infolge der Finanzkrise ebenfalls negativ auf den Werbemarkt und den Journalismus aus (vgl. Hamann 2008a). 25 Vgl. Rathmann (2002); De Waal/Schönbach/Lauf (2005); Pew Research Center (2006, 2008); Kolo/Meyer-Lucht (2007). Zur Nutzung tagesaktueller Informationsquellen im Medienvergleich vgl. Köcher (2008). Zur Frage, wie die Nutzung traditioneller Massenmedien hinsichtlich einzelner Themen die Internetnutzung beeinflusst vgl. Kim (2008).
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funk ließ sich eine solche Verdrängung bei der Quantität des Konsums bisher nicht erkennen.26 Daran schließt sich die Frage an, mit welchen Strategien die Tageszeitungen27 und andere alte Medien auf die wachsende Konkurrenz aus dem Internet reagieren und wie erfolgreich sie dabei sind. Unterlegene Medien können in eine Nische ausweichen, wie es das „Rieplsche Gesetz“ empfiehlt: Komplementarität ist erreicht, wenn sich Medientypen in ihrem Leistungsprofil unterscheiden und einander aus der Nutzersicht ergänzen. Eine weitere Strategie besteht darin, ein neues Medium zu vereinnahmen, indem sich Medienunternehmen dort selbst engagieren. Crossmedialität bedeutet, dass Einzelmedien auf der Ebene der Angebote und Organisationen verknüpft sind, um sich ein- oder wechselseitig zu unterstützen. Dies kann bedeuten, dass unter einer Dachmarke (Teil-)Angebote in unterschiedlichen Medien zusammengefasst werden, die inhaltlich aufeinander abgestimmt und durch Querverweise miteinander verknüpft sind.28 Außerdem können Redaktionen nicht mehr nur für ein Medium, sondern gleichzeitig für mehrere Medien arbeiten. Schultz (2007) unterscheidet entsprechend zwischen der crossmedialen Verflechtung im Bereich der Produktion (Kooperation und Verschmelzung von Redaktionen) und der Distribution (Mehrfachverwertung und Komplementarität von Inhalten, Referenzstruktur, „Cross Promotion“, Markenfamilie). Solche crossmedialen Beziehungen mit dem Internet lassen sich in der Presse,29 im Rundfunk30 und im trimedialen Verbund31 beobachten.32 Zu den Vorreitern und Vorbildern bei der Verschmelzung von Print- und Internetredaktion zählen die britischen Zeitungen
26 Vgl. van Eimeren/Frees (2008: 342b). Zum Wettbewerbsverhältnis zwischen Fernsehen und Internet auf dem Publikumsmarkt sowie crossmedialer Nutzerlenkung vgl. Trepte/Baumann/Borges (2000); Trepte/Baumann (2004). 27 Vgl. Neuberger (2003c); Meyer (2004). 28 Eine neuere Form der crossmedialen Verknüpfung ist das „Mobile Tagging“, bei dem ein Querverweis von der Zeitung ins mobile Internet führt: Durch das Abfotografieren eines „Quick-ResponseCodes“, der in der Zeitung abgedruckt ist, gelangt der Nutzer auf eine weiterführende Internetseite (vgl. Siegert 2009). 29 Vgl. Brüggemann (2002); Borowski (2003); Glotz/Meyer-Lucht (2004); Meyer (2004); Roth (2005); Kuttner (2007); Schultz (2007); Wurff/Lauf/O’Sullivan (2007); Breyer-Mayländer (2008); Quandt (2008a, 2008b); Stark/Kraus (2008); Vogel (2008). 30 Vgl. Goldhammer/Zerdick (2002); Hack (2003); Kaumanns/Siegenheim/Knoll (2007). 31 Vgl. Loosen (2005). 32 Als Studien, in denen vergleichend das Engagement unterschiedlicher Medientypen im Internet untersucht wurde, vgl. Neuberger (2000a); Glotz/Meyer-Lucht (2004); Meyer-Lucht (2005); Engebretsen (2006); Trappel (2007).
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Daily Telegraph und The Guardian.33 Im Zuge der technischen Konvergenz verschwinden schließlich die Grenzen zwischen den Einzelmedien, etwa zwischen dem Fernsehen und dem Internet.34 5 Internet, Journalismus und Öffentlichkeit: Theoriebrüche An diese medientheoretische Einordnung des Internets schließt die folgende Frage an: Wie wandeln sich Journalismus und Öffentlichkeit, wenn sich mit dem Internet die medialen Randbedingungen ändern? Für eine Antwort müssen Medien-, Journalismus- und Öffentlichkeitstheorie in einen engeren Zusammenhang gebracht werden (zum Folgenden vgl. Neuberger 2008a: 17-20). In der Journalismus- und Öffentlichkeitstheorie werden Medien bisher weitgehend ausgeblendet.35 Gleichwohl sind die theoretischen Konstrukte der Kommunikationswissenschaft durch bestimmte Medien imprägniert: Ihre Theorien, Modelle, Begriffe und Methoden reflektieren implizit den „Status quo“ des Medienwandels. Sie ist den bislang dominierenden Massenmedien verhaftet, weil sie im 20. Jahrhundert in der Auseinandersetzung mit ihnen ihre Beobachtungs- und Deutungsinstrumente entwickelt hat. Die Medienignoranz einerseits, die implizite Orientierung an den traditionellen Massenmedien andererseits lässt sich sowohl an Öffentlichkeits- als auch an Journalismustheorien demonstrieren: In Öffentlichkeitstheorien, die eine Domäne der Soziologie und der Politikwissenschaft sind, werden die Bedingungen der traditionellen Massenmedien Presse und Rundfunk zumeist als gegeben unterstellt, ohne dass sie selbst thematisiert und als
33 Vgl. Wilby (2007); Pilarczyk (2009). In der integrierten Redaktion des Hamburger Abendblatts soll ab 2009 die Bearbeitung des Internetangebots Priorität vor der Produktion der Printausgabe besitzen (vgl. Süddeutsche Zeitung 2009). Zur mehrmedialen Produktion in Redaktionen vgl. Quinn (2005); Dupagne/Garrison (2006); Meier (2007a, 2007b); Chainon (2008); Paterson/Domingo (2008). 34 Vgl. Breunig (2007, 2008). 35 Die Medienwissenschaft, für die die namengebenden „Medien“ im Zentrum stehen, bietet allerdings kaum Anschlussmöglichkeiten, da sie zumeist auf eine systematische Empirie verzichtet. Dieses Defizit erklärt vermutlich auch den Hang, vorschnell Evidenzen zu unterstellen, einzelne Beispiele zu verallgemeinern und Veränderungen zu verabsolutieren. Sozialwissenschaftliche Ergebnisse werden in der Medienwissenschaft häufig ausgeblendet. Diese Eigenarten lassen sich auch bei der Beschäftigung mit dem Internet beobachten (als medienwissenschaftlich orientiertes Lehrbuch zur „Webwissenschaft“ vgl. Scherfer 2008b). So behauptet Reichert (2008) auf dem Umschlag seine Buches „Amateure im Netz – Selbstmanagement und Wissenstechnik im Web 2.0“: „Erstmals für den deutschsprachigen Raum untersucht dieses Buch die Medialisierung des Alltags in Online-Tagebüchern, Weblogs und Webportalen.“ Die zahlreichen empirischen Studien werden in der Arbeit konsequent ignoriert.
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variabel betrachtet werden;36 oder aber der Medienwandel wird nicht als unabhängige Variable gesehen wie bei Habermas (1990: 248-292), der nur beiläufig in seinem Buch „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ auf technische Medien verweist. In seiner gesellschaftstheoretischen Sicht wird der Strukturwandel durch politische und ökonomische Faktoren vorangetrieben. Dass z. B. die Teilnehmerzahl an öffentlicher Kommunikation und die Chance auf kommunikative Partizipation sich gegenseitig limitieren, kommt bei Habermas nicht zur Sprache. Dabei beschränken Massenmedien schon aufgrund ihres Massenpublikums die Mitsprachemöglichkeiten.37 In anderen Fällen wurde das technische Potenzial früherer „neuer“ Medien grotesk überschätzt, etwa von Brecht (1992a: 553) (genau genommen: von seinen Interpreten) und von Enzensberger (1973: 420f.): Den partizipativen Gebrauch von Radio, Fernsehen und Film sahen sie nur durch soziale Barrieren verhindert, nicht aber durch medieninhärente Barrieren. Erst in neueren soziologischen Analysen der Öffentlichkeit werden diese für die traditionellen Massenmedien38 und inzwischen auch für das Internet deutlicher herausgearbeitet.39 Auch die Systemtheorie und die von ihr stark geprägte Journalismustheorie sind unsensibel für mediale Differenzen: Nach Luhmann (1996: 10f., 33f.) kennzeichnet das System „Massenmedien“ der Gebrauch technischer Verbreitungsmedien, die keine Interaktion zwischen Sendern und Empfängern zulassen; es herrscht ein „’Interaktionsverbot’“ (Görke 2001: 57; H. i. O.). Da in systemtheoretischer Sicht Interaktion nur bei der Kommunikation unter Anwesenden für möglich gehalten wird,40 bereiten interaktive Medien Einordnungsprobleme. Darüber hinaus präferiert die Systemtheorie anonyme, indirekte und strukturierte Massenkommunikation, weil diese einen zentralen Gedanken Luhmanns stützt: Das „Absehen von Akteuren als Handlungsträgern“ ist „immer dann eine alltagsplausible Sicht der Dinge, wenn Akteure in anonymer und indirekter Kommunikation, im Unterschied zur Interaktion unter einander persönlich bekannten Anwesenden [...], nur ihre Rolle spielen und damit als bloße Betriebsmittel kommunikativer Autopoiesis konzeptualisiert werden können [...]“ (Schimank 2003: 270).
36 Vgl. z. B. Gerhards/Neidhardt (1990); Imhof (2006). 37 Auf solche medialen Differenzen ist Habermas (2006, 2008) – wie eingangs ausgeführt – erst in jüngster Zeit eingegangen. 38 Vgl. Peters (1994, 2007). 39 Vgl. Gerhards/Schäfer (2007); Rucht/Yang/Zimmermann (2008). Als Überblick zu Modellen der Öffentlichkeit vgl. Wimmer (2007). 40 Vgl. Neuberger (2007a: 42f.).
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Görke/Kohring (1996: 17-19) haben in ihrer kritischen Auseinandersetzung mit Luhmann darauf hingewiesen, dass soziale Systeme sinnhaft abzugrenzen sind, nicht technisch. Dennoch ist auch die systemtheoretische Journalismustheorie den traditionellen Massenmedien verhaftet. Die Ausgangsüberlegung bei der Verbindung zwischen Medien-, Journalismusund Öffentlichkeitstheorie muss stattdessen lauten: Technische Medien besitzen jeweils ein spezifisches Potenzial. Sie eröffnen und begrenzen ein Spektrum an Gebrauchsoptionen, wodurch sie Akteurshandeln und Strukturen im System Öffentlichkeit und dessen Leistungen prägen. Dadurch wird es denkbar, dass im Internet funktionale Äquivalente zum traditionellen Journalismus entstehen, die über andere Merkmale verfügen.41 Unter den Bedingungen der traditionellen Massenmedien Presse und Rundfunk richtet sich journalistische Kommunikation an ein passives, disperses Massenpublikum. Produziert werden die Angebote von beruflich tätigen, meist dafür ausgebildeten Journalisten, die ihr Handeln an Berufsnormen orientieren und deren Arbeit im Rahmen einer Redaktion organisiert ist. Mit diesen Merkmalen (Beruf bzw. Profession, Redaktion) ist der Begriff „Journalismus“ assoziiert, und zwar sowohl im Alltag als auch in der Wissenschaft (statt vieler vgl. Scholl 1997), ohne dass es sich dabei aber um notwendige Strukturen handelt.42 Bislang ist es in der empirischen Forschung üblich, Journalismus über diese Strukturmerkmale abzugrenzen. Dies gilt nicht zuletzt für Studien über den Internetjournalismus: Hier wurde bislang auf den Bezug zu traditionellen Massenmedien, die redaktionelle Organisation und die berufliche Ausübung geachtet.43 Deshalb verwundert es nicht weiter, dass keine großen Unterschiede zwischen dem Internetjournalismus und dem traditionellen Journalismus aufgefallen sind: Funktionale Äquivalente konnten so gar nicht erst ins Blickfeld geraten. Solche zu eng fokussierten Studien verleiten dann leicht zu dem Schluss: „Keine Spur von Revolution.“ (Schulzki-Haddouti 2004: 52) Es genügt also nicht, sich an empirisch zwar leicht fasslichen, aber kontingenten strukturellen Oberflächenmerkmalen zu orientieren. Die Identifikation des Jour-
41 Vgl. Luhmann (1970). Meyrowitz (1990) hat die Verbindung zwischen Medien- und Öffentlichkeitswandel im Fall des Fernsehens verdeutlicht. Zur aktuelle Internetöffentlichkeit vgl. Neuberger (2003b: 132f.); Neuberger (2005a: 80f.); Neuberger (2007b: 252-256). 42 Allgemein zum Wandel des Journalismus, besonders zu seiner „Entgrenzung“, vgl. Meier (2007c: 245-259); Heinonen/Luostarinen (2008). 43 Vgl. Neuberger (2000a: 310f.); Neuberger (2000b); Löffelholz et al. (2003: 477-479); Quandt (2005: 40); Quandt et al. (2006).
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nalismus muss einige Schritte früher ansetzen, als dies bisher der Fall war: Ein Grundgedanke der Systemtheorie ist dabei noch nicht konsequent umgesetzt worden, nämlich dass der Journalismus abstrakt und sinnhaft abzugrenzen ist, und zwar über seinen binären Code („aktuell“ – „nicht-aktuell“), die gesellschaftliche Funktion (gesellschaftliche Selbstbeobachtung und Synchronisation) und seine spezifischen Leistungen für andere Teilsysteme.44 Die Leistungen müssten dafür soweit konkretisiert werden, dass empirisch überprüfbar ist, wo sie erwartet und erbracht werden.45 Bevor nach funktionalen Äquivalenten gesucht werden kann, muss aber zunächst detailliert geklärt werden, wie sich die Möglichkeiten für die Herstellung von Öffentlichkeit durch das Internet wandeln. 6 Medien- und Öffentlichkeitswandel Der Medienwandel lässt sich in einem engen zeitlichen Horizont beobachten; dies ist dann der Fall, wenn nur die Diffusion und Aneignung eines einzelnen neuen Mediums in Betracht gezogen wird. Der Horizont ist dagegen weit, wenn über längere Zeiträume hinweg und medienübergreifend Phasen, Trends und Umbrüche analysiert werden.46 In diesem Abschnitt wird – im engen Horizont – der Übergang skizziert von der Öffentlichkeit, die nur im Rahmen der traditionellen Massenmedien hergestellt wird, zur Öffentlichkeit, die durch das Internet ergänzt wird.47 Das Internet ist ein Medium im Werden, bei dem analytisch scharf zwischen dem technischen Potenzial und der vorfindbaren Praxis, zwischen den Möglichkeiten und dem tatsächlichen, empirisch belegbaren Gebrauch unterschieden werden muss. Das gilt auch für die folgenden Überlegungen, in denen vor allem ein Potenzial ins Auge gefasst wird:
44 Journalistische Vermittlung via Öffentlichkeit zwischen den Trägern von Leistungs- und Publikumsrollen ist vor allem in jenen gesellschaftlichen Teilsystemen erforderlich, in denen die Leistungserbringer nur eine indirekte, anonyme Beziehung zu einer Masse von Leistungsempfängern besitzen (Wirtschaft, Politik, Öffentlichkeit) (vgl. Neuberger 2004a: 301). Zu einem allgemeinen Vermittlungsbegriff vgl. Neuberger (2008: 29f.). 45 Vgl. Neuberger (2004a: 298-303); Neuberger (2007b: 254-256). 46 Vgl. z. B. Meyrowitz (1994); Stöber (2004); Krotz (2007); Rusch (2007). Im weiten zeitlichen Horizont und gesellschaftlichen Rahmen müssten hier Parallelentwicklungen und Wechselwirkungen zwischen Technik, Öffentlichkeit, Wirtschaft und Politik nachgezeichnet werden, nämlich das Entstehen von Massenkommunikation, -markt und -demokratie (mit standardisierten Leistungen und einer starken Position der Träger von Leistungsrollen) im 19. und frühen 20. Jahrhundert (vgl. Carey 1969; Beniger 1986) sowie der aktuelle Wandel von der Massen- zur Netzwerkgesellschaft (vgl. Shapiro 1999; Castells 2004; Benkler 2006). 47 Als Überblick vgl. z. B. Castells (2004: 375-429).
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Das Internet vereinfacht den kommunikativen Zugang zur Öffentlichkeit (zum Folgenden vgl. Neuberger 2008a: 21-24). Weil dort technische, ökonomische, kognitive und rechtliche Barrieren für das Publizieren niedriger sind als in Presse und Rundfunk, kommt es – wie einst durch die Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern durch Gutenberg, die ihrerseits zur Erweiterung des rezeptiven Zugangs führte – zu einem Entwicklungsschub in der öffentlichen Kommunikation:48 Die Inklusion des Publikums erweitert sich über die Rezeption hinaus auf die Kommunikation.49 Das Öffentlichkeitssystem folgt damit einem gesamtgesellschaftlichen Trend zu mehr Partizipation und einer Verschiebung des Verhältnisses zwischen Leistungs- und Publikumsrollen, wie sie Gerhards (2001) auch in anderen gesellschaftlichen Teilsystemen beobachtet hat.50 Die Reichweite dieser Zunahme an Partizipation muss allerdings differenziert analysiert werden; auch eine vorschnelle Bewertung verbietet sich, denn es „trügt die Prophezeiung von der emanzipatorischen Kraft der neuen Medien“, wie Enzensberger (2004: 86), sich selbst
48 Vgl. Ludwig (1999: 364). 49 Die Analyse des Internets wird auch durch die Binnendifferenzierung der Kommunikationswissenschaft erschwert: Die Journalismus- und die Rezipientenforschung trennen nicht nur das Forschungsobjekt, sondern auch unterschiedliche Basistheorien. Der Journalismus wird vor allem systemtheoretisch auf der Makroebene (Journalismus als Leistungssystem der Öffentlichkeit) und Mesoebene (Redaktion), das Publikum (Rezipienten) primär akteurstheoretisch auf der Mikroebene analysiert. Bei der Analyse traditioneller Massenmedien stört diese Grenzziehung kaum, da dort die Rollen fest zugewiesen sind. Dies ändert sich jedoch im Internet, in dem ein flexibler Rollenwechsel möglich ist. Das Internet gestattet neue Rollenkombinationen und verlangt eine differenziertere Rollenanalyse (vgl. Neuberger 2008a: 25-27). Dabei sollte zumindest zwischen Rollen nach der Art des kommunikativen Handelns auf der Mikroebene (Kommunikator – Rezipient), Rollen im Kontext eines Angebots auf der Mesoebene (Anbieter – Nutzer) sowie Rollen im Kontext des Öffentlichkeitssystems auf der Makroebene unterschieden werden. Auf der Makroebene stehen sich Träger von Leistungsrollen (Journalist als Mediator) und Publikumsrollen (Rezipienten, die Gratifikationen erwarten, und Kommunikatoren, die Publizität für das Erreichen ihrer partikularen Interessen erwarten) gegenüber. Da die Trennung zwischen der Journalismus- (bzw. der Kommunikator-) sowie der Rezipientenforschung nicht mehr aufrechtzuerhalten ist, macht es Sinn, mit der Öffentlichkeitstheorie einen weiteren Rahmen zu spannen. 50 Daran schließt eine Frage an, der an anderer Stelle ausführlicher nachgegangen werden müsste: Wie wirken die durch das Internet angestoßenen Veränderungen im Öffentlichkeitssystem als Katalysator für Gesellschaftswandel? Das heißt: Wie verändert sich das Verhältnis zwischen Leistungsund Publikumsrolle in den gesellschaftlichen Teilsystemen, deren Leistungen über Massenmedien vermittelt und/oder koordiniert werden (vgl. Neuberger 2004a: 298-303; Burzan et al. 2008: 3133), wenn das Internet hinzutritt? Welcher Effekt ergibt sich für die soziale (Un-)Gleichheit? Allgemein zum Verhältnis zwischen Leistungs- und Publikumsrollen und zur Partizipation (bzw. Inklusion) des Publikums vgl. Gerhards (2001); Stichweh (2005); Burzan et al. (2008).
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korrigierend, einräumt. Die möglichen und bereits manifesten Konsequenzen erweisen sich als ambivalent (vgl. Abschnitt 8).51 Abb. 1: Aktuelle Öffentlichkeit unter den Bedingungen traditioneller Massenmedien Traditionelle Massenmedien Exklusiver Kontakt zu Quellen
Rezipient
Rezipient
Vermittlung
Public Relations u. a. Quellen
Journalismus als „Gatekeeping“
Rezipient
Passives, disperses Massenpublikum
Wie ändern sich durch den Zuwachs an Partizipation die Konturen der aktuellen Öffentlichkeit? In der Öffentlichkeit, wie sie mittels traditioneller Massenmedien hergestellt wird, hat der professionelle, redaktionell organisierte Journalismus als „Gatekeeper“ eine einflussreiche Position, weil er einerseits einen exklusiven Kontakt zu „Public Relations“ und anderen Quellen besitzt, andererseits einseitig Mitteilungen an das passive, disperse Massenpublikum verbreitet, das kaum über „Feedback“-Möglichkeiten verfügt (vgl. Abb. 1). Mit dem Internet wird das technische „Nadelöhr“ beseitigt, das Presse und Rundfunk bislang bildeten. Die Verbreitungskapazität ist nicht mehr beschränkt wie in den traditionellen Massenmedien. Publikationsentscheidungen sind kein „Nullsummenspiel“ (Anderson 2007: 138) mehr. Der Journalismus verliert im
51 Dahrendorf (1967) verweist in seiner Verteidigung des repräsentativen Systems darauf, dass die aktive Beteiligung der Bürger an der politischen Öffentlichkeit auch ein Übermaß erreichen und dysfunktional werden kann.
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Internet sein „Gatekeeper“-Monopol, das er in Presse und Rundfunk besessen hat.52 Im Prinzip kann nun jeder ohne allzu großen Aufwand publizieren, d. h. als Kommunikator in einem eigenen oder einem fremden Angebot auftreten. In Abbildung 2 wird dies durch Verbindungen zwischen allen Akteuren visualisiert, wobei die Pfeile jeweils in beide Richtungen zeigen, um die Möglichkeit des Wechsels zwischen der Kommunikator- und der Rezipientenrolle zu verdeutlichen. Die öffentliche Kommunikation kann sich dadurch von einer sozial selektiven, linearen und einseitigen zu einer partizipativen, netzartigen und interaktiven Kommunikation verändern. Für die aktuelle Öffentlichkeit im Internet bedeutet dies: x Organisationen, die mittels „Public Relations“ partikulare Interessen durchsetzen wollen, und andere Quellen des Journalismus können nun selbst als Anbieter und Kommunikatoren auftreten. Sie müssen nicht mehr zwingend den Umweg über die Redaktionen gehen, die ihre Mitteilungen prüfen und selektieren.53 Sie haben nun einen unvermittelten Zugang zu ihren Bezugsgruppen, mit denen sie sich interaktiv austauschen können. Denn auch die Bürger, Konsumenten etc. können sich direkt an Parteien, Unternehmen etc. wenden. Wie in vielen andeten Bereichen des Internets (vgl. Shapiro 1999), so kommt es also auch in der aktuellen Öffentlichkeit zu einer Disintermediation.54 x Die bisherigen Vermittler verlieren zumindest teilweise ihre Funktion, wenn Quellen und Publikum direkt miteinander in Kontakt treten können. Dies hat die Frage aufgeworfen, ob Vermittler noch notwendig sind und – wenn „ja“ – wie sich die an sie gerichteten Erwartungen ändern. x Die isolierten Glieder des dispersen Publikums der traditionellen Massenmedien können sich im Internet als Laienkommunikatoren untereinander ver52 Vgl. Weischenberg (1985: 190); Bardoel (1996: 295); Scholl/Weischenberg (1998: 263); Williams/ Carpini (2000: 61); Neuberger (2002: 41-43); Barber (2003: 42-44); Rössler (2005); Deuze (2007: 155-158). Nach den Ergebnissen einer repräsentativen Journalistenbefragung des Project for Excellence in Journalism (2008d: 10) im Jahr 2007 ist zwar die Mehrheit der Journalisten in den USA der Auffassung, dass der Journalismus seine Funktion als „Gatekeeper“ bewahren konnte, immerhin zwischen 39% (Internet) und 30% (nationale Presse) sahen aber einen Verlust dieser Rolle. 53 Ein neueres Beispiel: US-Präsident Barack Obama verringert den exklusiven Zugang der Journalisten zu Informationen aus Regierungskreisen u. a. durch seine wöchentlichen Videoansprachen, die über YouTube.com verbreitet werden (vgl. Pitzke 2009). 54 Eine solche Disintermediation findet in der Öffentlichkeit, aber auch auf Märkten statt, denn im Internet können auch Produzenten und Kunden die Händler als Intermediäre umgehen. Zur Disintermediation im Internet allgemein vgl. Gellman (1996); Shapiro (1999); für das Wirtschaftssystem vgl. Zerdick/Picot/Schrape et al. (1999: 149-151); Scott (2000); für den Medienvertrieb vgl. Lang (2001); Seufert (2004).
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netzen (Nutzerplattformen, „Blogosphäre“). Dies ist vor allem gemeint, wenn vom „Web 2.0“ die Rede ist.55 Sie können z. B. in ihrer Rolle als Konsumenten Erfahrungen und Empfehlungen austauschen.56 Darüber könnten sie auch kollaborativ journalistische Vermittlungsleistungen erbringen. x Auf der Einbahnstraße herrscht nun auch Gegenverkehr: Die Anschlusskommunikation des Publikums der Massenmedien kann öffentlich verbreitet und zurück an den Journalismus adressiert werden.57 Das Massenpublikum kann über das Internet auch gemeinsame Maßnahmen gegen Anbieter (Proteste, Boykotts, Petitionen etc.) koordinieren. Nicht nur im Wirtschaftssystem,58 sondern auch im Öffentlichkeitssystem lässt sich deshalb ein Zuwachs an „Consumer Power“ beobachten. Dieser Öffentlichkeitswandel verlangt nach einer theoretischen Neuorientierung: Das bislang am besten ausgearbeitete Modell der entstehenden Netzwerköffentlichkeit hat Yochai Benkler (2006: 212-272) in seinem Buch „The Wealth of Networks“ vorgestellt.59 Ebenfalls inspirierend sind die Ausführungen von Chris Anderson (2007) über den „Long Tail“ des Internets.
55 Dies widerspricht Annahmen über das Internet, die von seiner „Bändigung“ durch eine starke Kommerzialisierung, Verrechtlichung und technische Kontrollmöglichkeiten ausgehen: Rifkin (2000: 238-244, 299f.) erwartete kommerzielle Zugangskontrollen zu Netzwerken. Im „HackerManifest“ ist von der „Monopolisierung von geistigem Eigentum“ (Wark 2005: 32) die Rede. Zur Diskussion über das Urheberrecht und die Entfaltung von Kreativität vgl. Lessig (2006). Rushkoff (2006) nimmt dagegen an, dass nach dem Platzen der „Dotcom“-Blase ein „Neuanfang“ (ebd.: 99) im „Web 2.0“ stattfindet, der weniger durch kommerzielle Interessen als vielmehr durch die Selbstorganisation der Nutzer bestimmt ist. 56 Vgl. Anderson (2007: 117f.). 57 Vgl. Bresch (2004). 58 Vgl. Rezabaksh/Bornemann/Hansen/Schrader (2006); Baringhorst et al. (2007). 59 Friedland/Hove/Rochas (2006), die Benkler folgen, vergleichen System- und Netzwerkanalyse der Öffentlichkeit. Zur Netzwerköffentlichkeit vgl. auch Bieber (2002); Grunwald et al. (2006); Niesyto (2008: 31-43).
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Abb. 2: Aktuelle Öffentlichkeit unter den Bedingungen des Internets Selbstorganisierte Laienkommunikation („Web 2.0“)
Internet Disinterm
Nutzer
Nutzer
Vermittlung Anschlusskommunikation des Publikums
ediation
Public Relations u. a. Quellen … als Kommunikatoren und Anbieter
Nutzer … als Kommunikatoren und Anbieter
7 Die dritte Dimension: Integrierte Netzwerköffentlichkeit und „Long Tail“ Mit dem Internet erhält die Öffentlichkeit quasi eine dritte Dimension; sie kann nicht mehr nur zweidimensional betrachten werden (wie in Abb. 1 und Abb. 2), sondern erweitert sich „nach unten“, also in der Vertikalen: Während in der traditionellen Massenkommunikation professionelle Vermittler große Öffentlichkeiten mit einer Vielzahl von Rezipienten herstellen, integriert das Internet große und kleine Öffentlichkeiten. Die allgemeinen Überlegungen, die Anderson (2007) zum „Long Tail“, dem „langen Schwanz“ des Internets, d. h. zur verlängerten Angebotsund Nachfragekurve angestellt hat, werden hier aufgegriffen und im Folgenden vom Wirtschafts- auf das Öffentlichkeitssystem übertragen, wobei auch hier der Vorbehalt gilt: Es wird ein Potenzial des Internets beschrieben; es muss der empirische Nachweis geführt werden, dass es ausgeschöpft wird und ob sich die vermuteten Konsequenzen ergeben. Anderson unterscheidet drei zentrale „Wirkmechanismen“ (ebd.: 67) für das Entstehen des „Long Tail“:
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x Die Produktionstechnik für die Gestaltung von Medienangeboten, z. B. zur Aufzeichnung und Bearbeitung von Video- und Audio-Angeboten, erreicht eine weite Verbreitung.60 x „Long Tail“-Aggregatoren vereinfachen den Vertrieb und das Veröffentlichen im Internet (Plattformen für Laienpublikationen). Das Internet senkt Transaktionskosten und kann so die Vielfalt des Angebots erweitern, weil auch Produkte mit geringer Nachfrage rentabel angeboten werden können. x Durch diese beiden Mechanismen steigt die Angebotsvielfalt. „Long Tail“Filter erleichtern Nutzern das Auffinden und Bewerten von Angeboten (Suchmaschinen, Ratingsysteme etc.). Informationen haben als Güter zwei Besonderheiten: Als digitale Güter können sie über das Internet vertrieben werden,61 zugleich kann durch Meta-Informationen über sie orientiert werden. In der Öffentlichkeit ist die Kurve deshalb besonders lang gestreckt, weil Laienkommunikatoren oft kein kommerzielles Interesse verfolgen. Dadurch verliert die Geldökonomie tendenziell an Bedeutung. Im Gegenzug wird die Aufmerksamkeitsökonomie wichtiger, soweit Laien (nur) nach Aufmerksamkeit und Anerkennung, also nach Prominenz und Reputation streben.62 Viele Laien haben es allerdings auch nicht auf eine Reichweitenmaximierung abgesehen, sondern besitzen andere Motive, etwa die Kontaktpflege mit dem Freundeskreis oder die Suche nach Gleichgesinnten.63 Die oft vertretene Auffassung, dass im Internet aufgrund der Angebotsfülle eine fragmentierte Öffentlichkeit entsteht,64 muss im Lichte der Überlegungen über den
60 Die Digitalisierung hat zur Miniaturisierung, höheren Kompatibilität, einfacheren Bedienbarkeit, Verbilligung und so zur weiten Verbreitung der Technik geführt. Laien verfügen nicht nur über einen PC mit Internetanschluss, sondern auch über mobile Techniken für Foto-, Film- und Tonaufzeichnungen, die sie in Weblogs, Videoblogs und Podcasts oder auf Plattformen wie YouTube.de und flickr.com selbst publizieren können. Heute verfügt ein großer Teil der Bevölkerung über die Produktions- und Verbreitungstechnik für multimediale Angebote (vgl. Neuberger 2007e). 61 Vgl. Zerdick/Picot/Schrape et al. (1999: 148f.). 62 Vgl. Anderson (2007: 75, 87). Allerdings verdrängt im Internet die Aufmerksamkeits- nicht die Geldökonomie (als Kritik dieser Annahme vgl. Neuberger 2001: 224-227). Im Internet bildet sich eine eigenständige Prominenz heraus, deren Existenz in journalistischen Beiträgen und Ranglisten bestätigt und verstärkt wird (vgl. z. B. Ewalt 2007; Patalong 2009). Zur Aufmerksamkeitsökonomie vgl. besonders Franck (1998); zur Übertragung auf das Öffentlichkeitssystem vgl. Neuberger (2001: 218-224). Praktische Ratschläge für erfolgreiches Bloggen geben z. B. Manjoo (2008); The Huffington Post (2008). 63 Vgl. Neuberger/Nuernbergk/Rischke (2007: 102f.). 64 Vgl. z. B. Holtz-Bacha (1997); Barber (2003: 44f.); Sunstein (2007); Habermas (2008: 162).
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„Long Tail“ als zweifelhaft beurteilt werden.65 Zumindest in dieser Perspektive dürfte eher das Gegenteil der Fall sein: Das Internet ermöglicht eine integrierte Öffentlichkeit, weil es die unterschiedlichen Ebenen von Öffentlichkeit in einem Medium vereint und sie damit durchlässiger und vernetzbar macht.66 Die Annahme einer Fragmentierung beruht wenigstens zum Teil auf einer Art optischer Täuschung: Im Internet wird (vor allem für die dafür bislang „blinde“ Kommunikationswissenschaft) sichtbar, dass es jenseits der massenmedialen Öffentlichkeit auch bisher schon kleine, thematisch spezialisierte Öffentlichkeiten gegeben hat, die durch Medien mit geringer Reichweite (z. B. Flugblatt, Plakat) und als spontane oder organisierte Präsenzöffentlichkeiten67 (z. B. Versammlung, Vortrag, Demons-
65 Die Fragmentierungsthese besagt Folgendes (vgl. Marr 2002: 512f.): Die Vielzahl der Angebote, die das Internet ermöglicht, kann mit einer inhaltlichen Vielfalt gleichgesetzt werden. Die spezialisierten Angebote fördern eine spezialisierte Nutzung (vgl. Tewksbury 2005): Jeder sucht und findet nur noch das, was ihn interessiert, oder Rezipienten werden sogar zur Ausbildung spezieller Interessen angeregt. Die Folge: Interessengruppen kapseln sich voneinander ab, die gemeinsame Agenda, d. h. die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf gesellschaftlich relevante Themen, geht verloren. Diese Schlüsse sind bisher in dieser Eindeutigkeit nicht empirisch abgesichert (vgl. Rußmann 2007). Quiring/Rauscher (2007: 353-356) verweisen darauf, dass Rezipienten nur in begrenztem Umfang ein individualisiertes Angebot erwarten. Individualisierte Angebote setzen sich außerdem aus gleichen „Versatzstücken“ zusammen. Auch Rössler (1997: 93f.) argumentiert, dass Rezipienten neben spezialisierten Angeboten auch Massenmedien nutzen, weil die „Orientierung in der sozialen Umwelt als ein individualpsychologisches Grundbedürfnis“ (ebd.: 93) wirksam ist, z. B. deshalb, um einen gemeinsamen Gesprächsstoff zu haben. Auch die Gleichsetzung einer Vielzahl von Angeboten mit einer thematischen Differenzierung ist unzulässig (vgl. Rössler 2000: 170). So greifen z. B. viele Weblogs aktuelle Themen des professionellen Journalismus auf (vgl. Neuberger/Nuernbergk/Rischke 2007: 106, 108; Sifry 2007). Umgekehrt nutzen professionelle Journalisten das Internet zur Recherche. Dies führt zu einer Homogenisierung der Themen, die gleichwohl unterschiedlich behandelt werden dürften. Dadurch könnte die Vielfalt der Informationen und Meinungen zu einem Thema wachsen. Ob eine größere Zahl der Themen, Informationen und Meinungen auf der Inputseite des Öffentlichkeitssystems die Kapazität der diskursiven Bearbeitung überlastet (vgl. Abschnitt 8), ob sich Akteure nach ihren Präferenzen abkapseln oder vernetzen und wie journalistisch-vermittelnd eingegriffen wird (vgl. Dahlberg 2007: 839f.) und werden kann (vgl. Abschnitt 9), sind allesamt empirisch zu klärende Fragen. 66 Zur Unterscheidung von Ebenen der Öffentlichkeit nach ihrer Teilnehmerzahl, dem Grad ihrer Strukturiertheit (spontan, organisiert) und der Art der Kommunikation (Präsenz-, Medienkommunikation) vgl. Gerhards/Neidhardt (1990: 19-26); Habermas (1992: 452). Als Ebenen- bzw. Sphärenmodelle des Internets vgl. Höflich (2003: 80-82); Schweiger/Weihermüller (2008: 545f.). Der Zugang zu bestimmten Ebenen der Öffentlichkeit korrespondiert weitgehend mit den Akteurstypen im politischen System, die sich auf einer Achse anordnen lassen, die vom Zentrum (Parlament, Regierung, Verwaltung, Rechtswesen), in dem der Zugang zu den Massenmedien relativ leicht fällt, bis zur (inneren und äußeren) Peripherie reicht (vgl. Habermas 1992: 430; Bieber 2002). 67 Vgl. Gerhards (1992).
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tration) hergestellt wurden.68 Der Eindruck eines Zerfalls der Öffentlichkeit entsteht fälschlich dann, wenn die Angebots- und Nutzungsvielfalt der dezentralen Internetkommunikation lediglich mit der zentralen Massenkommunikation verglichen wird, die sich wegen der Knappheit ihrer Vermittlungskapazität auf reichweitenstarke, massenkompatible Angebote konzentrieren muss.69 Abb. 3: Fragmentierte Öffentlichkeit der traditionellen Massenmedien
Reichweite (Zahl der Nachfrager = Rezipienten)
allgemeine Medienöffentlichkeit
Nachfragekurve der Öffentlichkeit
Fragmentierte Öffentlichkeit in den traditionellen Massenmedien: Medien-, Format- und Angebotsbrüche als Zugangsbarrieren
Journalismus als Gatekeeper spezielle Medienöffentlichkeiten (sachlich, räumlich, sozial) Präsenzöffentlichkeiten, nicht-öffentliche Gruppen- und Individualkommunikation
Rangfolge der Anbieter/Kommunikatoren nach Reichweite
Im Internet können Medien-, Format- und Angebotsbrüche gekittet werden, die bisher die Weiterverbreitung von Informationen behindert haben (vgl. Abb. 3). Reichweitenveränderungen können sich stetig innerhalb eines Mediums, Formats oder gar Angebots vollziehen, ohne dass „Gatekeeper“ an den „Bruchstellen“ den Durchlass kontrollieren (vgl. Abb. 4). So ist das Format „Weblog“70 sowohl für 68 Eine Ausnahme bildet Hickethier (2000), der die umgekehrte Sorge diskutiert, nämlich dass mit „der Schaffung gemeinsamer technischer Standards durch die Digitalisierung“ die bereits bestehende „Vielfalt der medialen Öffentlichkeiten verloren zu gehen“ (ebd.: 280) droht. 69 D. h., die integrative Kraft der traditionellen Massenmedien resultiert auch aus einem technischen Mangel – die Kehrseite ist ein Defizit an Vielfalt. 70 Vgl. Schmidt (2006); Katzenbach (2008). Das Entstehen solcher universell verwendbarer Formate bestätigt die Vermutung von Castells (2004: 424f.), dass sich im konvergenten Medium Internet
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geringe als auch für hohe Nutzerzahlen geeignet. Auf Nutzerplattformen wie YouTube.de ist die Reichweite der einzelnen Beiträge sehr unterschiedlich und kann sich stufenlos verändern. Sie wird durch Ranglisten beeinflusst, welche die Nutzung, Kommentierung und Bewertung durch andere Nutzer transparent machen. Diese Selbststeuerung der Nutzer tritt an die Stelle jener Zugangskontrolle, die bisher journalistische „Gatekeeper“ – zumindest für das Erreichen größerer Publika – monopolartig ausüben konnten. Auch die Vernetzung von Angeboten unterschiedlicher Reichweite ist im Internet barrierefrei möglich. Abb. 4: Integrierte Öffentlichkeit im Internet
Reichweite (Zahl der Nachfrager = Nutzer)
Nachfragekurve der Öffentlichkeit
Integrierte Öffentlichkeit im Internet: Beseitigung der Medien-, Format- und Angebotsbrüche, Zugang zum „Long Tail“ über Suchmaschinen, Nutzerplattformen etc.
Long Tail
Rangfolge der Anbieter/Kommunikatoren nach Reichweite
Die extreme Ungleichverteilung der Aufmerksamkeit bleibt zwar im Wesentlichen erhalten: Nur sehr wenige Anbieter („A-List“-Blogs etc.) erreichen ein großes Publikum.71 Dennoch kommt es vermutlich zu einer Nivellierung: Die Nachfragekurve wird etwas flacher, d. h., kleine Anbieter haben durchschnittlich bessere Chancen,
ein gemeinsames kognitives Raster für zuvor auf verschiedene Medien und Formate verteilte Angebote herausbildet. 71 Vgl. Neuberger/Nuernbergk/Rischke (2007: 108f.).
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Aufmerksamkeit zu erringen.72 Schwach oder gar nicht organisierte Akteure an der Peripherie des politischen Systems könnten durch eine „wirksame Vernetzung“ (Bieber 2002: 119) mehr Einfluss auf die Meinungsbildung gewinnen. Es erscheint plausibel, dass auch die Dynamik in der Angebots- und Nachfragekurve wächst, wobei hier viele Fragen noch unbeantwortet sind: Unter welchen Umständen gewinnen Themen, Informationen, Meinungen breite Aufmerksamkeit, wenn nicht mehr Redaktionen nach standardisierten, professionellen Selektionskriterien darüber entscheiden? Über welche verzweigten Pfade verlaufen Themenkarrieren,73 die Diffusion von Informationen, Prozesse der Skandalisierung74 und Meinungsbildung im Internet? Welche Internetangebote fungieren als reichweitenstarke und vielfach vernetzte Knotenpunkte („Hubs“) und Multiplikatoren („Long Tail“-Filter)?75 Wie gelingt der Sprung in die traditionellen Massenmedien? Was sind die Voraussetzungen für den Erwerb von Prominenz und Reputation im Internet?76 Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Reichweitenerfolg einerseits, der Professionalisierung und Kommerzialisierung andererseits? Führt also die „Erfolgsbahn“ mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Anpassung an traditionelle Muster massenmedialer Kommunikation?77 Setzt sich bessere Qualität eher durch? Sind erfolgreiche Angebote besser auf den Geschmack der Nutzer abgestimmt? Wächst durch das Internet generell die kulturelle Vielfalt, wenn nicht mehr – wie in der „Ära der Blockbuster“ (Anderson 2007: 230) – alleine ökonomisches Kalkül und Reichweitenmaximierung die Produktion und Auswahl leiten? Beeinflusst die Vergrößerung der Angebotsvielfalt die Vielfalt der Nachfrage, wie Anderson vermutet, wird also das Interesse an Nischenprodukten geweckt, weil die Nutzer feststellen, dass „ihr Geschmack viel individueller ist, als Werbung und Marketing ihnen vorgaukeln“ (ebd.: 66; vgl. ebd.: 27)? Und wächst dadurch die Gesamtnachfrage?
72 Vgl. Anderson (2007: 62, 157f.). Zur empirischen Prüfung und Kritik vgl. Elberse (2005). 73 Vgl. Cornfield et al. (2005); Schiffer (2006); Song (2007). 74 Zu Fällen, in denen Bloggern in Deutschland eine Skandalisierung gelungen ist, vgl. z. B. Fischer (2006); Rademaker (2008); Knoke (2009). 75 Diese Funktion wird z. B. den so genannten „A-List“-Blogs zugeschrieben (vgl. Drezner/Farrell 2004: 12f.; Herring et al. 2005; Haller 2007). 76 Vgl. Gugel/Wehn (2006). 77 Vgl. Haller (2007). Hier lassen sich Parallelen zur Professionalisierung und Kommerzialisierung der Alternativpresse vermuten, wie sie z. B. Flieger (1992) für die taz nachgezeichnet hat. Donsbach (2008) unterscheidet im Journalismus drei Traditionen: Die subjektive, individuelle Tradition, die als Frühform in der Phase der Durchsetzung der Pressefreiheit dominierte, erlebt offenbar eine Renaissance in der Haltung vieler Blogger (vgl. ebd.: 160). Dagegen entsprechen die wirtschaftliche Tradition (Arbeitnehmer) und das Verständnis des Journalismus als „gesellschaftliche Dienstleistung“ (Profession) eher dem gegenwärtigen Zustand des Journalismus.
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Anderson stellt dazu Vermutungen an, die als Hypothesen aufgegriffen und überprüft werden können: „Der Long Tail bewirkt in erster Linie, dass sich der Geschmack in Richtung Nischen verlagert. Da wir mit dem, was wir dort finden, möglicherweise zufriedener sind, konsumieren wir vielleicht mehr davon.“ (ebd.: 161) Das Publikum kann eher eigenen Präferenzen folgen, wenn es sich nicht mehr mit einer begrenzten Vorauswahl begnügen muss: „Die Rolle des Filters verändert sich bei Long-Tail-Märkten, sie sind nicht mehr Türsteher, sondern Ratgeber. Anstatt Geschmack vorherzusagen, wird er von nachträglichen Filtern wie Google gemessen. Anstatt die Konsumenten in vorab festgelegte demografische und psychografische Kategorien zu zwängen, behandeln nachträgliche Filter wie etwa die Kundenempfehlungen bei Netflix den Verbraucher als Individuum, dessen Vorlieben und Abneigungen sich an seinem Verhalten ablesen lassen.“ (ebd.: 145; H. i. O.)
Weil ein Vorabfilter fehlt, schwankt die Qualität im „Long Tail“ stark. Der Durchschnitt in der Qualität sinkt, die Menge an „Müll“ nimmt zu, je weiter man dem „Long Tail“ nach rechts folgt: „Doch bei guten Filtern spielt der Long Tail keine Rolle. Diamanten kann man überall finden.“ (ebd.: 139) Solche Filter ermöglichen es nicht nur, Qualitätsunterschiede zu erkennen, sondern auch die Vielfalt des Angebots zu überblicken. Dadurch verliert die Massenkultur („Hits“, „Stars“, „Bestseller“, „Blockbuster“) an Bedeutung zu Gunsten von Nischenkulturen, die leichter zugänglich werden. Nutzer können sich an der ganzen Vielfalt des Angebots bedienen. Tendenziell sinkt dadurch ihre Loyalität zu einem Anbieter, so vermutet Rushkoff (2006: 118f.). Ob es zu einem Rückzug in einzelne Nischen kommt oder ob die Vielfalt der Nischen genutzt wird, ist eine Frage, die es ebenfalls empirisch zu prüfen gilt. Benkler (2006) kommt zu ähnlichen Schlüssen wie Anderson. Er setzt sich mit zwei gegenläufigen Argumentationslinien kritisch auseinander, welche sich gegen naive Demokratisierungs-Hoffnungen im Zusammenhang mit dem Internet richten (vgl. ebd.: 214, 233-239): Der „Babel-Einwand“ („Babel objection“) aus den neunziger Jahren besagt, dass es durch die Informationsfülle im Internet zur Fragmentierung des Diskurses, zur Polarisierung und zum Verlust der politischen Gemeinschaft kommen wird. Gegenläufig dazu sind die Argumente der „zweiten Generation“, nach denen es im Internet zu einer ökonomischen Konzentration im Bereich der Infrastruktur und ebenso zu einer Konzentration der Aufmerksamkeit auf wenige Angebote kommen wird, weshalb der Unterschied zwischen dem Internet und den traditionellen Massenmedien letztlich nicht groß sein wird. Benkler dagegen behauptet, dass es zu einer Ordnung im Internet kommt, „that is not too concentrated and not too chaotic, but rather, if not ‚just right,’ at least structures a
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networked public sphere more attractive than the mass-media-dominated public sphere.” (ebd.: 239) Die ökonomische Konzentration im Bereich der Infrastruktur des Internets hält Benkler für wenig besorgniserregend, solange die offene Architektur des Internets und die geringen Kosten für den Computer gesichert sind (vgl. ebd.: 240). Relevanter seien dagegen die Konzentration der Aufmerksamkeit und die Herausbildung einer Hierarchie infolge der „Informationsflut“. Zwar bilde sich im Internet eine ungleiche Aufmerksamkeitsverteilung entsprechend dem „Power Law“ heraus, allerdings sei eine Kritik nach dem Motto, jeder müsse gleiche Beachtung finden, naiv: „The correct baseline is the one-way structure of the commercial mass media. The normatively relevant descriptive questions are whether the networked public sphere provides broader intake, participatory filtering, and relatively incorruptible platforms for creating public salience.” (ebd.: 247)
Zur Erklärung beschreibt er, gestützt auf empirische Ergebnisse von Netzwerkanalysen, die Topologie einer integrierten Netzwerkstruktur des „World Wide Web“ und im Besonderen der „Blogosphäre“: Auf der Mikroebene, d. h. im „Long Tail“ entstehen Angebotscluster, die nach Themen und Interessen homogen sind. Darüber, auf der Makroebene, bildet sich eine kleine Zahl vielfach verlinkter Knotenpunkte heraus („major ‚backbone’ sites“ [ebd.: 249]). Weil es eine Vielzahl redundanter Pfade gibt, können diese zentralen Knoten aber nicht den Informationsfluss im Internet kontrollieren (vgl. ebd.: 254). Insgesamt ergibt sich so ein selbstorganisiertes, kooperatives und vielstufiges „system of intake, filtering, and synthesis“ (ebd.: 254), an dem weitaus mehr Kommunikatoren beteiligt sind als in den traditionellen Massenmedien. Es gibt also Mechanismen, die einer Fragmentierung der Öffentlichkeit entgegenwirken: „While there is enormous diversity on the Internet, there are also mechanisms and practices that generate a common set of themes, concerns, and public knowledge around which a public sphere can emerge. Any given site is likely to be within a very small number of clicks away from a site that is visible from a very large number of other sites, and these form a backbone of common materials, observations, and concerns. All the findings of power law distribution of linking, clustering, and the presence of a strongly connected core, as well as the linking culture and ‘see for yourself,’ oppose the fragmentation prediction. Users self-organize to filter the universe of information that is generated in the network.” (ebd.: 256)
Dass sich politisch Gleichgesinnte im Internet eher zusammenschließen, soll nicht gegen diese Vorstellung sprechen: Diese kleinen Cluster können als Foren verstanden werden, in denen die Beteiligten zunächst ihre gemeinsame Position erarbeiten, bevor sie diese in einer größere Öffentlichkeit vertreten, in der sie auch auf Gegen-
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positionen stoßen (vgl. ebd.: 256f.). Im Unterschied zu den kommerziellen Massenmedien orientiert sich die Netzwerköffentlichkeit nicht am „kleinsten gemeinsamen Nenner“, sondern produziert eine enorme Vielfalt, weil die Kommunikatoren zumeist intrinsisch motiviert sind (vgl. ebd.: 259).78 Unter Berufung auf Benkler (2006) und Anderson (2005) lassen sich also die Grundzüge einer integrierten Netzwerköffentlichkeit beschreiben, in der ein vielfältiger Input partizipativ bearbeitet und soweit reduziert wird, dass eine gemeinsame Themenagenda entsteht. Zwischen Vielfalt (i. S. v. Partizipation, Fragmentierung und „Long Tail“) und Einheit (i. S. v. Massenattraktivität, Aufmerksamkeitsfokussierung, Konsensfindung und hoher Reichweite) besteht demnach kein prinzipieller Widerspruch. Beides ist in der Netzwerköffentlichkeit (im Unterschied zur Öffentlichkeit der traditionellen Massenmedien) möglich und erwünscht, nämlich auf verschiedenen Ebenen der Öffentlichkeit und in unterschiedlichen Phasen des deliberativen Öffentlichkeitsprozesses (vgl. Tab. 3). Die Integration der Ebenen und Phasen muss vielfältig und mehrstufig erfolgen, wobei in Richtung der höheren Ebenen und späteren Phasen die Vielfalt der Informationen und Zahl der vermittelnden Instanzen abnimmt. Diese schrittweise Reduktion, Fokussierung und Kanalisierung ist aber – im Unterschied zum einheitlich strengen „Gatekeeper“-Regime der traditionellen Massenmedien – nicht zentralisiert und quasi endgültig: An die Stelle harter Selektionsentscheidungen tritt die empfehlende Orientierung und revidierbare Auswahl; diesen Unterschied bringt Bruns (2005) mit seiner Unterscheidung von „Gatekeeping“ und „Gatewatching“ auf den Punkt. Nicht-gewählte Alternativen bleiben im Internet erhalten und sichtbar. In dieser Flexibilität, Offenheit und Revidierbarkeit liegt die Besonderheit des Internets, die – falls Themen, Informationen und Meinungen aus dem Internet durch journalistische Recherche in die traditionellen Massenmedien gelangen – um das „Gatekeeping“ von Presse und Rundfunk ergänzt werden können. Die Stärken der traditionellen Massenmedien liegen bisher (noch) in der großen Reichweite, ihrer Beachtung durch Funktionseliten sowie dem hohen Maß an Autorität und Vertrauen, das zumindest die Qualitätsmedien besitzen. Diese Merkmale sind aber nicht exklusiv den alten Medien vorbehalten.79 78 Benkler (2006: 261-266) bestreitet auch, dass eine Netzwerköffentlichkeit nicht in der Lage sein soll, die „Watchdog“-Funktion der traditionellen Massenmedien zu übernehmen und politisch oder ökonomisch Mächtigen durch Recherche, Themensetzung und Mobilisierung kritisch entgegenzutreten; allerdings vermag er diese Fähigkeit nur exemplarisch zu belegen. 79 Habermas (2008: 163-167) beschreibt neuerdings ein Arenenmodell der politischen Kommunikation mit drei Ebenen (Zivilgesellschaft, politische Öffentlichkeit der Massenkommunikation, politi-
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Damit ist das Potenzial des Internets zur Schaffung einer integrierten Netzwerköffentlichkeit vorläufig skizziert. An welchen Stellen im Internet eine solche Verbindung von Vielfalt und Einheit existiert, bedarf der sorgfältigen empirischen Prüfung. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie sich die Integration von Vielfalt und Einheit durch journalistische Vermittlung optimieren lässt. 8 Kommunikationsprobleme: Ambivalenz der Partizipation Eine andere Möglichkeit der Annäherung an die Ambivalenz des Internets sind die individuell zu bewältigenden Folgeprobleme, mit denen Kommunikatoren und Rezipienten im Internet konfrontiert sind: die quantitative und qualitative Überforderung der Rezipienten sowie – als Kehrseite – die Schwierigkeit von Kommunikatoren, Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit zu gewinnen (zum Folgenden vgl. Neuberger 2008b: 49-55). Die teilnehmeroffene Kommunikation im Internet besitzt ein inhärentes Problem der begrenzten Aufmerksamkeits- und Verarbeitungskapazität.80 Durch den erweiterten kommunikativen Zugang sehen sich Rezipienten mit einer Überfülle an Informationen konfrontiert. Weil sich jeder öffentlich zu Wort melden kann, schwillt die „Informationsflut” weiter an;81 außerdem vereinfacht das Internet den Zugang zu Informationen. Damit verschärft es das „Überlast-Syndrom“ (Merten 1994: 155) ganz erheblich. Außerdem führt die Disintermediation im Internet dazu, dass Rezipienten keine flächendeckende Qualitätssicherung mehr unterstellen können („Informationsmüll“), wie sie in Presse und sches System). Er trennt darin zwischen Arenen mit unterschiedlichen Funktionen „an verschiedenen Orten“, die „verschiedene Grade der Publizität“ (ebd.: 165) besitzen. Die Verlagerung der „’zivilgesellschaftlichen Alltagskommunikation’ in ‚veranstalteten’ und informellen Öffentlichkeiten“ (ebd.: 164) ins Internet, wodurch eine bessere Vernetzung untereinander und mit der journalistisch vermittelten Massenkommunikation in einem Medium, nämlich dem Internet, möglich wird, gerät bei ihm nicht in den Blick. Er sieht nur die Notwendigkeit, das Internet mit alten Medien zu verbinden: Um eine Verselbstständigung und Wirkungslosigkeit der „virtuellen Welt“ zu vermeiden, fordert er eine „Verankerung der computergestützten Kommunikation in Vorgängen außerhalb der virtuellen Welt“. Als Beispiel nennt er „jene news groups, die sich um einzelne Presseorgane und deren Veröffentlichungen kristallisieren“ (ebd.: 162; H. i. O.). Dass die Integration der Massenkommunikation und der interaktiven Kommunikation zwischen den Bürgern („Long Tail“) auch innerhalb des Internets stattfinden kann, erörtert er nicht. Damit verharrt Habermas (1990: 105f.) bei der Vorstellung einer notwendigen Spaltung, wie er sie in seinem Buch „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ für das 18. Jahrhundert beobachtet hat, als die verstreuten, kleinen Präsenzöffentlichkeiten (Kaffeehauspublikum) durch moralische Wochenschriften integriert wurden. Die Position, dass nur traditionelle Medien, besonders die Qualitätszeitungen, eine gesellschaftliche Führungsrolle übernehmen können, ist eine Position, die vor allem von Vertretern der Zeitungen selbst eingenommen wird (vgl. z. B. Döpfner 2006; Schirrmacher 2007). 80 Aus Sicht der Aufmerksamkeitsökonomie vgl. Neuberger (2001). 81 Vgl. Lyman/Varian (2003); Gantz (2007).
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Rundfunk durch Redaktionen gewährleistet wird. Unternehmen und andere Organisationen müssen, wenn sie „Public Relations“ betreiben, nicht mehr den Umweg über die Redaktionen gehen, sondern haben einen direkten Zugang zu ihrem Publikum, welches nun selbst erkennen muss, ob es mit neutraler oder von Interessen gelenkter Information zu tun hat.82 Die Rezipienten haben im Netz zwar einen ungefilterten Zugriff auf zahlreiche Informationsquellen; damit wird aber auch die Sortier- und Interpretationsleistung auf sie abgewälzt. Nun herrscht nicht mehr Knappheit an technischer Verbreitungskapazität, sondern Knappheit an Zeit und Kompetenz der Rezipienten.83 Rezipienten sind nur in geringem Maße fähig84 und daran interessiert, die gesamte Fülle der Informationen aktiv zu nutzen.85 Dadurch schwindet auch für Kommunikatoren die Chance, Aufmerksamkeit zu gewinnen und „Feedback“ von anderen Teilnehmern zu erhalten. Aufmerksamkeit im Internet ist nicht nach dem Gießkannen-Prinzip gleich, sondern extrem ungleich verteilt. Auch Glaubwürdigkeit lässt sich in flüchtigen, punktuellen Kontakten nur schwer erwerben. Nach der „Critical Mass Theory“ braucht ein neues Medium zur „One-toOne“-Kommunikation (wie Telefon oder E-Mail) eine Mindestzahl an Teilnehmern, um sich universell zu verbreiten. Ohne zentrale Produktion und Verteilung von Angeboten ist jeder von der Teilnahmebereitschaft anderer abhängig. Eine steigende Teilnehmerzahl erhöht den Nutzen für alle Teilnehmer, weil immer mehr Partner erreichbar sind. Je später man einsteigt, desto größer ist der individuelle Nutzen. Ab einer bestimmten Teilnehmerzahl ist die „kritische Masse“ erreicht und der Durchbruch gelungen.86 Auch in der „Many-to-Many“-Kommunikation des Internets ist ein Minimum an Beteiligten erforderlich. Zusätzlich ist eine Maximalzahl der Kommunikatoren zu berücksichtigen: Die Chance, als Kommunikator alle Teilnehmer zu erreichen und Resonanz in Form von Anschlusskommunikation auszulösen, sinkt, je größer die Gesamtzahl der Kommunikatoren ist.87 82 Zur Schleichwerbung im Internet vgl. z. B. Neises (2005); Schindler (2007); Mrazek (2008). Im Fall des „viralen Marketing“ werden Nutzer mobilisiert, um Werbebotschaften im sozialen Netzwerk weiterzuleiten (vgl. Klappholz 2008). 83 Vgl. Franck (1998: 51); Rötzer (1998: 63). 84 Vgl. van Eimeren/Gerhard/Frees (2001: 387). 85 Vgl. Schönbach (1997). 86 Vgl. Markus (1987); Morris/Ogan (1996: 45f.). Ökonomisch betrachtet, handelt es sich hier um Netzeffektgüter mit einem originären Produktnutzen und einem derivaten Nutzen, der von den anderen Nutzern abhängt (vgl. Sennewald 1998: 13). 87 Vgl. Peters (1994: 52).
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Publikationen in den traditionellen Massenmedien erlauben nach Luhmann (1981b: 313) die Unterstellbarkeit von Wissen: Man kann voraussetzen, dass das in Zeitung oder Fernsehen Veröffentlichte allgemein bekannt ist; oder es fällt zumindest unangenehm auf, wenn man nicht auf dem Laufenden ist. Diese Unterstellung ist – angesichts der Vielzahl der um Aufmerksamkeit konkurrierenden Angebote – im Internet nicht mehr möglich. Der bloße Vorgang des Veröffentlichens reicht nicht mehr aus, um eine große Zahl an Rezipienten zu gewinnen. Noch geringer ist die Chance, Resonanz auszulösen. Gerade das Internet weckt aber die Erwartung auf Anschlusskommunikation, weil es interaktive Kommunikation zumindest technisch vereinfacht. So ist das Publizieren im Internet für viele Kommunikatoren mit einer doppelten Enttäuschung verknüpft: Sie werden nicht rezipiert, und niemand reagiert auf sie. Andererseits gibt es Fälle, in denen soviel Anschlusskommunikation ausgelöst wird, dass der Adressat damit überfordert ist, alle Rückmeldungen zu lesen und zu beantworten. Dies ist ein weiterer Grund, weshalb interaktive Kommunikation scheitern kann. Wegen dieser Aufmerksamkeits- und Verarbeitungsgrenze ist „Many-to-Many“-Kommunikation am ehesten in kleinen Gruppen, in „elektronischen Gemeinschaften“ realisierbar, die sich entweder im „Long Tail“ bilden oder die – ähnlich einer Talkshow im Fernsehen – einen geschlossenen Kreis bilden, der von einem passiven Massenpublikum beobachtet werden kann.88 Partizipation und Interaktion (zwei Begriffe, zwischen denen oft nicht sorgfältig unterschieden wird) stehen also tendenziell in einem Spannungsverhältnis: Im Internet kann zwar jeder publizieren, doch je größer die Zahl derjenigen ist, welche diese Option nutzen, desto geringer ist die Chance auf tatsächliche Rezeption, Resonanz und Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung. Die Gleichheit im Diskurs, aber auch andere Anforderungen an den Diskursverlauf (vgl. Tab. 3) sind am ehesten im kleinen Rahmen für wenige Privilegierte realisierbar – wie in der
88 Vgl. Höflich (1995); Höflich (1997: 90-92). Zu den hier entstehenden sozialen Formen vgl. Stegbauer (2005). Empirische Indizien für diese Obergrenze liefern Netzwerkanalysen der Verlinkung zwischen Weblogs. Sie zeigen, dass auch in der „Blogosphäre“ das „Power Law“ gilt: Viele Weblogs verweisen auf wenige prominente, so genannte „A-List“-Blogs, die aber nur selten zurücklinken. „AList“-Blogger verlinken sich vorwiegend untereinander und dann auch wechselseitig (vgl. Drezner/Farrell 2004: 7-12; Haas 2005: 391; Herring et al. 2005: 6f.; Rutigliano 2005). Die Beziehung zwischen den einfachen und den prominenten Weblogs ist also einseitig – wie in der Massenkommunikation: Viele richten ihre Aufmerksamkeit auf wenige Kommunikatoren, die kein „offenes Ohr“ für die Masse der Blogger haben. Eine Erklärung für diese Einseitigkeit liegt darin, dass jene, die viele Leser haben, Barrieren aufbauen müssen, um die Flut an Rückmeldungen abzuwehren, weil sie nicht in der Lage wären, auf jeden Kommentar oder Link zu reagieren (vgl. Rutigliano 2005). Einige „A-List“-Blogger lassen nicht einmal die Kommentierung ihrer Beiträge zu.
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bürgerlichen Öffentlichkeit des 18. Jahrhunderts, die Habermas (1990) analysiert hat. Tab. 3:
Liberales und deliberatives Öffentlichkeitsmodell89 Liberale Öffentlichkeit
Deliberative Öffentlichkeit
1. Kommunikative Zugänglichkeit (Input): Wer soll kommunizieren? Worüber soll kommuniziert werden? Beteiligung von Akteuren nicht nur aus Repräsentation, bzw. „Spiegel“ der dem „Zentrum“, sondern auch aus der vorhandenen Akteurs- und Meinungs„Peripherie“, besonders zivilgesellvielfalt schaftliche Sprecher soziale Zugänglichkeit individuelle Akteure (Bürger) oder kollektive Akteure als Repräsentanten bürgernahe kollektive Akteure der der Bürger Zivilgesellschaft Offenheit für alle Themen und Offenheit für alle Themen und sachliche Zugänglichkeit Beiträge, besonders für die „AllgeBeiträge meinheit“ relevante Themen 2. Kommunikationsverlauf (Throughput): Wie soll kommuniziert werden? Kommunikation soll diskursiv ablaufen, d. h., (1) Mitteilungen sollen mit Begründungen versehen werden, (2) (respektvoll) aufeinander bezogen und (3) auf hohem Rationalitätsniveau kaum spezifiziert (Wahrung (Berücksichtigung entgegengesetzter Diskursivität hinreichenden Respekts vor anderen Interessen und Werte in der eigenen Akteuren) Argumentation) sein sowie (4) gleiche Beteiligungschancen bieten (Publizieren, Rezipieren, Anschlusskommunikation). 3. Ziel (Output): Welche Ergebnisse sollen erreicht und weitergegeben werden? Orientierung
kaum spezifiziert (Transparenz über vorhandene Meinungsvielfalt, Abbruch bei Nicht-Konsensfähigkeit)
argumentativ erzielte(r) Konsens oder Mehrheitsmeinung durch zwanglose Überzeugung, Legitimität der Entscheidung
Unter dem Gesichtspunkt der sozialen (Un-)Gleichheit stellt sich darüber hinaus die Frage, inwiefern die rezeptiven und kommunikativen Probleme und ihre Bewältigung bestimmte Akteure bevorteilt oder benachteiligt. Während dies für die Seite der Rezeption unter dem Stichwort „Digital Divide“ bereits gründlich erforscht wurde,90 ist die Seite der Kommunikation, auf der ebenfalls selektive Zugangsbarrieren existieren, noch kaum fundiert untersucht worden: Wer kann das Wort 89 Vgl. Gerhards (1997: 3-12); Gerhards/Neidhardt/Rucht (1998: 26-38); Habermas (1990: 97f.); Habermas (1992: 370f.); Weßler (1999: 232); Peters (2002: 23-25). Zu den methodologischen Problemen der empirischen Messung und Erklärung vgl. Dahlberg (2004). 90 Vgl. z. B. Marr (2005); Zillien (2006).
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ergreifen und Resonanz auslösen? Wer kann Prozesse der öffentlichen Thematisierung und Meinungsbildung beeinflussen?91 Abschließend sei auf einen weiteren Aspekt der Netzwerköffentlichkeit eingegangen: Für den einzelnen Akteur sind – im Vergleich zu den hochgradig strukturierten und von wenigen Akteuren gesteuerten traditionellen Massenmedien – die Wirkungen eigener Kommunikationsbeiträge und die Thematisierung durch andere Kommunikatoren im offenen und globalen Netzmedium Internet schwerer antizipierbar und erkennbar.92 Dies veranlasst Unternehmen und andere Organisationen zu einer systematischen Beobachtung der Internetöffentlichkeit.93 Besonders schwer fällt es Laien, die Folgen ihres öffentlichen Handelns zu kalkulieren. Ihre Kommunikation fand bisher vor allem in privatem Kontext oder in kleinen Öffentlichkeiten statt, in denen der Kreis der Zuhörer oder Mitleser gut überschaubar war. Als natürliche Schwellen dienten – neben der normativen und technischen Abschirmung der Privatsphäre94 – die geringe Reichweite und Flüchtigkeit der Präsenzkommunikation und der eingesetzten Medien. Sie verhinderten einen Kontrollverlust über die Verbreitung mit nicht-intendierten Effekten. Im Internet steigt gleichwohl die Bereitschaft zur Preisgabe persönlicher Informationen („Self Disclosure“), motiviert z. B. dadurch, dass dies in sozialen Netzwerken eine notwendige Voraussetzung ist, Kontakte knüpfen und pflegen zu können.95 9 Vermittlungsleistungen in der Internetöffentlichkeit Das Internet bietet also auf der einen Seite viele Optionen für die Gestaltung von Angeboten, die weit über das hinausreichen, was traditionelle Massenmedien offerieren (vgl. Abschnitte 6 und 7). Auf der anderen Seite wirft die erweiterte Partizipation Folgeprobleme für Kommunikatoren und Rezipienten auf (vgl. Abschnitt 8). Diese Diagnose leitet zu folgender Frage über: Wer schöpft das Potenzial des Internets sinnvoll aus, wer bearbeitet die Kommunikationsprobleme? Werden diese Aufgaben auch im Internet an darauf spezialisierte Mediatoren delegiert?
91 Die Kompetenz und Bereitschaft zur kommunikativen Teilnahme sind unterschiedlich verteilt, woraus sich ebenfalls Effekte für die soziale (Un-)Gleichheit ergeben können. Kommt es z. B. im politischen Bereich zu einer Mobilisierung der bisher Unbeteiligten oder nur zu einer Verstärkung der Aktivitäten der schon zuvor politisch Engagierten (vgl. Strandberg 2008: 72f.)? 92 Vgl. Friedland/Hove/Rojas (2006: 8f.). 93 Vgl. Rademaker (2008). 94 Vgl. Rössler (2001). 95 Vgl. Boyd/Ellison (2008: 221f.); Reinecke/Trepte (2008). Allgemein zum Schutz der Privatsphäre und zum Datenschutz im Internet vgl. Palfrey/Gasser (2008: 45-136).
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Hier wird die These vertreten, dass – trotz der Möglichkeit der Disintermediation – Mediatoren auch im Internet nicht überflüssig werden und es stattdessen zu einer Re-Mediation kommt.96 Die Vermittler müssen dafür die – im vorherigen Abschnitt dargestellten – Vermittlungsprobleme aufgreifen und bearbeiten. Welche Vermittlungsleistungen sind es konkret, die im Internet im Bereich der aktuellen Information erwartet werden (vgl. Abb. 5)? Abb. 5: Vermittlungsleistungen in der aktuellen Internetöffentlichkeit Internet Nutzer „Gatewatching“ im Internet: Orientierung und Vernetzung
Nutzer
Public Relations u. a. Quellen
Vermittlung Organisation und Moderation von öffentlicher Laienkommunikation
Nutzer Public Relations u. a. Quellen
„Gatekeeping“ außerhalb des Internets
Diese Frage muss beantwortet werden, bevor man sich auf die Suche nach jenen Akteuren machen kann, die sie erbringen. Ingesamt lassen sich drei Bereiche unterscheiden: Erstens ist im Internet statt eines „Gatekeeping“, bei dem es um Entscheidungen über die Publikation oder Nicht-Publikation von Informationen geht, ein „Gatewatching“ erforderlich, eine Bezeichnung, die Bruns (2005: 11-19) eingeführt hat (vgl. seinen Aufsatz „Vom Gatekeeping zum Gatewatching“ in diesem Band). An96 Vgl. Shapiro (1999: 187-196); Brown/Duguid (2000: 28); Hargittai (2000); Blumler/Coleman (2001: 16-21). Die Alternative besteht nach Barber (2003: 42) nicht zwischen nicht-mediatisierter und manipulierter Information, sondern zwischen illegitimer und legitimer Manipulation.
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gesichts der enormen Quantität an Angeboten und der fehlenden flächendeckenden redaktionellen Qualitätsprüfung wird die nachträgliche Selektion, Prüfung und Vernetzung des im Internet bereits Publizierten zu einer wichtigen Leistung.97 „Gatewatcher“ beobachten also das, was schon veröffentlicht ist (dies wird in Abbildung 5 durch die gestrichelten Linien symbolisiert). Dabei können Vermittler das integrative Potenzial des Internets zur Entfaltung bringen, wenn sie „Brücken schlagen“ zwischen unterschiedlichen nationalen und kulturellen Räumen,98 zwischen Angeboten mit verschiedener politischer Haltung99 und thematischer Spezialisierung. Dem „Gatewatching“ ist auch die Vernetzung zwischen reichweitenstarken Angeboten und dem „Long Tail“ des Internets zuzurechnen, zwischen Mainstream-Medien und Weblogs durch Eliteblogs.100 In Meta-Angeboten, die mit den Beiträgen extern verlinkt sind, könnten z. B. Debatten über politische Themen quer durch das Internet verfolgt werden. Durch Hinweise auf ausgewählte Postings in kleinen Weblogs könnten einzelne, nicht-organisierte Bürger mit ihren spontanen Äußerungen oder bislang wenig beachtete Interessengruppen stärker an Thematisierungs- und Meinungsbildungsprozessen beteiligt werden, als dies bisher der Fall war.101 97 Vgl. Kuhlen (1999: 171-197); Shapiro (1999: 133-141, 188-192); Hartley (2000: 43f.); Anderson (2007: 145, 270f.); Bivens (2007: 120-122). „Gatewatching“ leisten nicht nur Suchmaschinen. Partizipatives „Gatewatching” geschieht in „Social Bookmarking”-Angeboten (reddit.com, digg.com, del.icio.us). Auch im professionellen Journalismus werden in Meta-Kolumnen sorgfältig ausgewählte „Fundstücke“ aus dem Internet vorgestellt (vgl. Staun 2008). Beispiele dafür finden sich in netzeitung.de („Blogblick“), sueddeutsche.de bzw. der Süddeutschen Zeitung („Internetvideo der Woche“, „Nachrichten aus dem Netz“, „Netz-Depeschen“, „Die besten Foren“), perlentaucher.de („Presseschauen“) und telepolis.de („Videoschau“). Einen internationalen Überblick geben z. B. signandsight.com und eurotopics.net. Neben der positiven Selektion des Relevanten, wie sie im Journalismus üblich ist, wird im Internet auch die negative Selektion, d. h. das Blockieren unerwünschter Seiten, zu einer Dienstleistung, z. B. für Eltern, die ihre Kinder schützen wollen (vgl. Verhulst 2002). 98 Dies leisten so genannte „Bridgebloggers“ (vgl. Zuckerman 2008), globale Nachrichten-Aggregatoren (globalvoicesonline.org, wnmedia.com), Migranten-Weblogs mit transnationaler Orientierung, die Nachrichtenthemen kommentieren und auch selbst in den Medien zitiert werden (vgl. Bauer 2008: 109f.), sowie redaktionelle Partnerschaften zwischen Medienanbietern. So kooperiert Spiegel Online mit einer Reihe ausländischer Medien (spiegel.de/international). 99 Vgl. Dahlberg (2007: 839f.); Hargittai/Gallo/Kane (2008). Reese et al. (2007: 256) kommen zu dem Ergebnis, dass in den USA prominente politische Weblogs ihnen politisch nahestehende andere Weblogs bei der Verlinkung bevorzugen; gleichwohl verweisen sie auch zu einem hohen Anteil auf unparteiliche (professionell-journalistische) Angebote. Diese Vernetzung in der „Blogosphäre“ ist über Meta-Angebote auch für Internetnutzer beobachtbar (presidentialwatch08.com, blogopole. fr). 100 Vgl. Nip (2006: 227-230). 101 Habermas (1990: 43; H. i. O.) hat die Bedeutung von „spontanen, nicht-vermachteten Kommunikationsströmen einer nicht auf Beschlußfassung, sondern auf Entdeckung und Problemlösung pro-
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Der Journalismus ist auch nicht mehr darauf beschränkt, nur selbst Informationen zu produzieren oder auf Informationen aus anderen Quellen zu verweisen, sondern kann zweitens auch geeignete Randbedingungen für Kommunikation schaffen, indem Redaktionen auf der eigenen Website Laienkommunikation ermöglichen, organisieren und moderieren (zum Folgenden vgl. Neuberger 2006a). Dass der Journalismus Bürger in die öffentliche Kommunikation einbeziehen soll, ist in den USA schon längere Zeit eine Forderung des „Public Journalism“.102 Um die deliberative Qualität zu fördern (vgl. Tab. 3), die im Internet oft unbefriedigend ist,103 könnten Redaktionen langfristige Diskurse zu zentralen gesellschaftlichen Themen anstoßen, an denen Politiker, Interessenvertreter, Experten und vor allem das Publikum teilnehmen. Im Internet lassen sich die Stärken von Presse und Rundfunk, von Leitartikel und Talkshow kombinieren: die Sachlichkeit und Rationalität des geschriebenen Wortes mit der Interaktivität des Mediums und dem persönlichen Eindruck der Diskutanten, die im Bewegtbild zu sehen sind. Im Unterschied zu Presse und Rundfunk herrschen im Internet weder Zeitdruck noch Platzmangel.104 Bisher finden sich nur wenige Ansätze für solche langfristigen Intergrammierten, in diesem Sinne nicht-organisierten Öffentlichkeit“ betont, die auf einer prinzipiellen Offenheit des öffentlichen Raumes beruht. Der Ausgangspunkt der öffentlichen Meinungsbildungsprozesse soll in der gesellschaftlichen Peripherie liegen (vgl. Habermas 1992: 429-439). Vor diesem Hintergrund überrascht die Skepsis, die Habermas (2008: 161-163) der erweiterten Partizipation im Internet entgegenbringt. 102 Vgl. Gillmor (2004); Forster (2006); Nip (2006). Allerdings ist die Möglichkeit für den Journalismus, in den traditionellen Massenmedien als „Diskursübermittler“ (Häussler 2006: 312) zu agieren, sehr beschränkt (vgl. Neuberger 2007d: 155f.). Im deutschsprachigen Raum hat frühzeitig Fabris (1981: 204) Journalisten in der Rolle als „Kommunikationshelfer“ beschrieben. Ihn inspirierten die Partizipationsmöglichkeiten der neuen Medien der achtziger Jahre. Zuletzt hat Brosda (2008: 210215) das Konzept eines diskursiven Journalismus vorgelegt und verschiedene Optionen herausgearbeitet, wie der Journalismus ungleich verteilte Kommunikationschancen korrigieren kann (ohne dabei allerdings im Besonderen auf das Internet einzugehen). 103 Für empirische Befunde zur deliberativen Qualität von Diskursen im Internet vgl. Edwards (2002); Gerhards/Schäfer (2007); Wright/Street (2007); Rucht/Yang/Zimmermann (2008); Strandberg (2008); in den traditionellen Massenmedien vgl. Gerhards (1997); Gerhards/Neidhardt/Rucht (1998); Weßler (1999); Häussler (2006). Gerhards/Schäfer (2007) und Rucht/Yang/Zimmermann (2008) finden kaum Hinweise auf eine höhere deliberative Qualität im deutschsprachigen Internet. Sie betrachten dafür allerdings das Internet nur pauschal und differenzieren nicht nach dem Typ des Anbieters, Kommunikators und Formats sowie nach der Exklusivität (oder Mehrfachverwertung) von Informationen im Internet. Der Vergleich beschränkt sich auf die Qualitätspresse. Damit bleiben außerhalb des Internets journalistische Angebote von tendenziell geringerer Qualität und andere Typen der Kommunikationen (professionelle Selbstdarstellung, Laienkommunikation) zu den untersuchten Themen unberücksichtigt. 104 Folgendes Szenario ist denkbar: Internetdiskurse könnten sich nach einem zuvor aufgestellten Zeitplan über Tage oder Wochen erstrecken. Mehrere Diskussionsrunden wären Teilaspekten des Themas gewidmet. Sie könnten mit Eingangsstatements der Diskutanten als Videos beginnen und
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netdiskurse,105 und auch die Ausformung der Moderatorenrolle steckt noch in den Anfängen.106 Diese Moderator- und Navigatorrolle des Internetjournalismus lässt sich Habermas (2006: 4) entgegenhalten, wenn er feststellt: „Der begrüßenswerte Zuwachs an Egalitarismus, den uns das Internet beschert, wird mit der Dezentrierung der Zugänge zu unredigierten Beiträgen bezahlt. In diesem Medium verlieren die Beiträge von Intellektuellen die Kraft, einen Fokus zu bilden.“
Der Journalismus kann die Aufmerksamkeit fokussieren, die Qualität der Nutzerbeiträge durch seine Moderationen positiv beeinflussen und für die Vernetzung zwischen den Beiträgen sorgen. Damit würde sich die Internetöffentlichkeit einem Zustand annähern, wie ihn Habermas (1990) für das Verhältnis zwischen Kaffeehauspublikum und Massenmedien im 18. Jahrhundert beschrieben hat.107 Vor allem in den moralischen Wochenschriften waren „die Momente noch beisammen, die später auseinandertreten“: Sie waren „Teil der Kaffeehausdiskussionen unmitdann schriftlich weitergeführt werden. Registrierte Nutzer kämen – in einer vergleichbaren Rolle wie das Studiopublikum – zu Wort oder könnten in großer Zahl über Argumente und Forderungen abstimmen. Teilnehmer müssten sich registrieren und könnten bei Regelverstößen ausgeschlossen werden. Ein Moderator würde den Ablauf strukturieren: Er führt in das Thema ein, liefert Basiswissen und fehlende Zusatzinformationen, stellt Zusammenhänge her, erfragt Begründungen und resümiert. Das Internet eignet sich in besonderem Maße für eine übersichtliche Präsentation solcher Diskurse, für die explizite Bezugnahme und Kontextuierung: durch die Archivierung von Beiträgen, ihre sortierte und additive Darstellung sowie die Vernetzung durch Hyperlinks, z. B. auf externe Quellen. 105 Beispiele sind die Projekte „1000 Fragen“ (1000fragen.de) und „Die Gesellschafter“ (diegesellschaf ter.de) der „Aktion Mensch“, „Dropping Knowledge“ (droppingknowledge.org), die Multikulturalismus-Debatte in „Perlentaucher“ (perlentaucher.de/artikel/3642.html) und der „Lesesaal“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (lesesaal.faz.net). Einen direkten Kontakt zwischen Bürgern und Abgeordneten stellt abgeordnetenwatch.de her. 106 Edwards (2002) unterscheidet beim Management von politischen Internetdiskussionen zwischen der Strategie (Zieldefinition aus Sicht der Bürger und der politischen Organisationen, Gewinnen von Unterstützung, Festlegung des Themenbereichs, Einfluss auf politische Entscheidungen), den Randbedingungen (Bereitstellung von Technik und Informationen, Anwerben von Teilnehmern, Moderator) und dem Prozess, d. h. der eigentlichen Moderation (Zielsetzung, Agenda, Zeitplan, Definition und Durchsetzung von Diskussionsregeln, Diskussionsleitung, Aufforderung zur Teilnahme) (vgl. auch Edwards 2006; Wright/Street 2007: 856f.). 107 Schönhagen (1995) hat die rege Mitarbeit der Zeitungsleser im späten 18. und 19. Jahrhundert untersucht, die besonders in den Heimatzeitungen nachweisbar ist. In der Rubrik „Sprechsaal“ und in anderen Teilen der Zeitung wurden ihre Beiträge („Eingesandtes“) abgedruckt (vgl. ebd.: 122-125). Zu Feder griffen vor allem Lehrer und Geistliche, daneben auch Heimatdichter und -schriftsteller, Beamte und Träger öffentlicher Ämter (vgl. ebd.: 129f.). Hier zeigt sich eine durch Status und Kompetenz (Alphabetisierung) bedingte ungleiche Partizipation. Die Journalisten sahen sich selbst in einer unparteilichen „Gesprächsleiterrolle“ (ebd.: 140). Die Partizipation in diesen Zeitungen war offensichtlich möglich, weil die Leserzahl niedrig war, sich die Berichterstattung auf „relativ kleine, überschaubare Lebensräume“ (ebd.: 117) bezog und die Qualitätsanforderungen noch nicht zu hoch waren.
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telbar“ (ebd.: 105). Als Beispiel führt er den britischen „Tatler“ an. Als er 1709 erstmals erschien (vgl. ebd.: 105), gab es bereits so viele Kaffeehäuser und Kaffeehausbesucher, dass „der Zusammenhang dieser tausendfachen Zirkel nur noch durch eine Zeitung [sic!] gewahrt werden konnte. Gleichzeitig ist die neue Zeitschrift so innig mit dem Kaffeehausleben verwoben, daß man es selbst aus den einzelnen Nummern geradezu hat rekonstruieren können. Die Zeitungsartikel werden vom Kaffeehauspublikum nicht nur zum Gegenstand ihrer Diskussion gemacht, sondern als deren Bestandteil begriffen; das zeigt die Flut von Zeitschriften [sic! vermutlich: Zuschriften, C.N.], aus der die Herausgeber wöchentlich eine Auswahl abdrucken.“ (ebd.: 105f.)
Auch die häufig gewählte Dialogform der Artikel verweist auf diesen Zusammenhang (vgl. ebd.: 106). „Dieselbe Diskussion wird, in ein anderes Medium übertragen, fortgesetzt, um über die Lektüre wieder ins ursprüngliche Medium der Konversation einzugehen.“ (ebd.: 106) Später verselbstständigten sich die Massenmedien gegenüber der Kommunikation ihrer Leser.108 Im Internet sind beide Kommunikationstypen – „Many-to-Many“- und „One-to-Many“-Kommunikation – vereint und können sogar ohne Medienbruch zueinander in Beziehung gesetzt werden. Zwischen partizipativen Angeboten im „Long Tail“ und professionell-journalistischen Angeboten, die sich an ein Massenpublikum richten,109 könnte sich eine ähnliche Symbiose entwickeln, wie sie einst zwischen dem Kaffeehauspublikum und den moralischen Wochenschriften bestanden haben soll. Drittens ist das „Gatekeeping“ außerhalb des Internets nach wie vor von entscheidender Bedeutung: Journalistisch relevante Informationen im Internet dürften überwiegend aus den klassischen Medien stammen. Die ungünstigen Refinanzierungsmöglichkeiten machen es wenig wahrscheinlich, dass reine Internetanbieter Redaktionen unterhalten können, die in der Lage sind, exklusive Informationen zu recherchieren (vgl. den Aufsatz „Crossmedialität oder Ablösung?“ in diesem Band). Die bisherigen Überlegungen konzentrierten sich auf die Partizipations- und Interaktionsmöglichkeiten des Internets und die sich daraus ergebenden Leistungserwartungen an journalistische Vermittler. Daneben müssen aber auch die weiteren Potenziale des Internets in den Blick genommen werden, die dem Journalismus 108 „[A]nstelle der literarischen Öffentlichkeit tritt der pseudo-öffentliche oder scheinprivate Bereich des Kulturkonsums.“ (Habermas 1990: 248) Das öffentliche Räsonnement verschwindet, die Öffentlichkeit wird entpolitisiert und kommerzialisiert (vgl. ebd.: 248-274). Nur am Rande taucht bei Habermas die mediale Bedingtheit dieser Entwicklung auf: Die Massenpresse erweiterte einerseits den rezeptiven Zugang zur Öffentlichkeit. Andererseits machte sie eine Kommerzialisierung und Professionalisierung der Nachrichtenproduktion und -verbreitung notwendig (vgl. ebd.: 257-266). 109 Rasmussen (2008: 78f.) unterscheidet analog zwischen einer repräsentativen, partizipativen Dimension und einer präsentierenden, massenmedialen Dimension der Öffentlichkeit im Internet.
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neue Entfaltungsmöglichkeiten bieten wie die Multimedialität, Vernetzung, permanente Aktualisierung, Archivierung und Additivität von Informationen (vgl. Tab.1). Das multioptionale Internet eröffnet dem Journalismus in mehrfacher Hinsicht die Gelegenheit, sich in entgegengesetzte Richtungen weiterzuentwickeln: Zeitlich sind Verlangsamung110 und Beschleunigung, räumlich Globalisierung und Lokalisierung möglich. In der sozialen Dimension sind Massenangebote und individualisierte Angebote, Einseitigkeit und Interaktivität denkbar. Hier ist empirisch zu klären, wie der Journalismus von diesen Möglichkeiten Gebrauch macht und welche er vernachlässigt, welche Formate sich dafür herausbilden und wie sich die Qualität des Journalismus verändert. 10 Beziehungsdreieck: Profession, Partizipation, Technik Die sich nun anschließende Frage lautet: Welche Akteure erbringen die hier skizzierten Vermittlungsleistungen?111 Ist dazu nur der traditionelle Journalismus in der Lage, d. h., sind Profession und Redaktion dafür notwendige strukturelle Voraussetzungen? Oder gibt es funktionale Äquivalente im Internet? Als Alternativen kommen partizipative und technisierte Kommunikationsformate infrage, die – falls sie identische, d. h. substituierbare Leistungen aus Sicht der Nachfrager erbringen – mit dem Journalismus in Konkurrenz treten. Allerdings sollte nicht vorschnell eine solche Konkurrenzbeziehung angenommen werden. Die Beziehungen im Dreieck mit den Ecken „Profession“, „Partizipation“ und „Technik“ (vgl. Abb. 6) können prinzipiell drei Ausprägungen besitzen: Neben einer Identität sind auch Komplementarität und Integration als Beziehung denkbar.112 Im Folgenden werden die drei Beziehungstypen beschrieben und in ihrer Bedeutung umrissen.
110 Der Journalismus kann zu einer Art kollektivem Gedächtnis werden, wenn er aktuelle Informationen mit Archivinformationen vernetzt (Additivität). Ein Beispiel für eine Anwendung ist das „Obameter“, das die Zeitung St. Petersburg Times im Rahmen ihres Angebots politifact.com eingerichtet hat, um das Einlösen der Wahlversprechen des US-Präsidenten Barack Obama fortlaufend zu prüfen (politifact.com/truth-o-meter/promises). Ein anderes Beispiel sind die Politikerdossiers von abgeordnetenwatch.de, in denen Antworten auf Bürgerfragen und das Abstimmungsverhalten dokumentiert sind. Die interne und externe Verlinkung bietet die Möglichkeit der Kontextuierung aktueller Informationen, wobei hier nach einer Studie des Project for Excellence in Journalism (2007a) noch ein Schwachpunkt des Internetjournalismus liegt. Zur Entstehung eines „Online Feature Journalism“ vgl. Steensen (2009). 111 Vgl. Rössler (2005: 197-199); Neuberger (2007b: 260-263). 112 Vgl. Neuberger/Nuernbergk/Rischke (2007: 109f.).
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Abb. 6: Beziehungen zwischen Kommunikationstypen im Internet
Profession
Partizipation Beziehungsdimensionen Identität (= Konkurrenz) Komplementarität Integration
Technik
11 Identität und Konkurrenz: Funktionale Äquivalente zum Journalismus? Bilden sich unter den Bedingungen des Internets neben dem professionell-redaktionellen Journalismus zwei neue Typen der Vermittlung öffentlicher Kommunikation heraus?113 Darüber können hier nur einige vorläufige Vermutungen angestellt werden. Ein Vergleich der Leistungsfähigkeit von Vermittlungstypen kann nach Phasen114 und Erwartungen von Akteuren115 differenziert werden, wobei in Tabelle 4 hypothetische oder fragliche Unterschiede zwischen professioneller, partizipativer und technischer Vermittlung dargestellt werden. Notwendig ist eine sorgfältige empirische Prüfung darüber, inwieweit durch Partizipation und Technik Vermitt113 Vgl. Kuhlen (1999: 187-195). 114 Neidhardt (1994: 22-28) unterscheidet Leistungen, die eine Nähe zum journalistischen Produktionsprozess besitzen: Beobachtung („Input“: Erzeugen von Transparenz durch das Recherchieren und Auswählen von Informationen und Meinungen), Validierung („Throughput“: kritische, argumentative Prüfung von Informationen und Meinungen) und Orientierung („Output“: Weitergabe von Orientierungsdaten über die Relevanz von Problemen und die Akzeptanz von Lösungen an gesellschaftliche Akteure). 115 Zu den Erwartungen der Träger von Leistungs- und Publikumsrollen in gesellschaftlichen Teilsystemen an den Journalismus als Leistungssystem der Öffentlichkeit vgl. Neuberger (2004a: 300-302).
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lungsleistungen erbracht werden. Diese Prüfung sollte sowohl in einer objektiven als auch einer subjektiven Perspektive geschehen: x Für eine objektive Prüfung müssen Indikatoren für journalistische Identität und Qualität definiert werden, die unabhängig von bestimmten Produktionsstrukturen sind und sich primär auf das Angebot beziehen, das inhaltsanalytisch erfasst wird. Die Identität lässt sich über die Merkmale „Aktualität“, „Universalität“, „Periodizität“, „Autonomie“ und „Publizität“ bestimmen (vgl. den Aufsatz „Journalismus – neu vermessen“ in diesem Band). Darüber hinaus ist die Qualität der Vermittlungsleistungen zu messen. Orientiert man sich an journalistischen Normen, sind dafür die Themenselektion (Relevanz, d. h. Aktualität, Nachrichtenwert) und -bearbeitung (Richtigkeit, Vielfalt, Verständlichkeit, Attraktivität, Analysetiefe, Sachkompetenz), die thematische Breite des Angebots (Universalität), seine Unabhängigkeit, Überarbeitungshäufigkeit und zeitliche Aktualität geeignete Indikatoren. Neben diesen allgemeinen Qualitätskriterien wäre medienspezifisch der Gebrauch der Möglichkeiten des Internets zu prüfen (vgl. Tab. 1),116 z. B. für Partizipation und Interaktivität. Dafür lassen sich Kriterien von den Ansprüchen des liberalen und des deliberativen Öffentlichkeitsmodells ableiten (vgl. Tab. 3). x Die Prüfung von Identität und Qualität darf sich nicht darauf beschränken, die Beachtung normativer Vorgaben inhaltsanalytisch zu messen. Darüber hinaus ist die subjektive Sicht der Nutzer und Anbieter zu berücksichtigen: Inwieweit fühlen sich Nutzer im Internet quantitativ und qualitativ überfordert? Wie groß ist ihre Nachfrage nach Leistungen von Vermittlern im Internet? Welche konkreten Erwartungen richten sich an sie? Wie beurteilen Nutzer die Leistungen von professionellen, partizipativen und technischen Vermittlern? Können aus ihrer Sicht Laienkommunikatoren und Technik den professionellen Journalismus ersetzen? Dazu liegen bislang lediglich einige vergleichende Studien vor, die sich vor allem mit der Glaubwürdigkeit profes-
116 Theoretisch ausgearbeitete Konzepte für die Qualitätsdefinition und -messung liegen für Partizipation und Interaktivität, aber nicht für andere Potenziale vor (wie Multimedialität, permanente Aktualisierung und Additivität). Zur Definition, Sicherung und Messung von Qualität im professionellen Internetjournalismus vgl. Neuberger (2003b: 133-135); Neuberger (2004b). Das Project for Excellence in Journalism (2007a) hat 2006/2007 in einem breit angelegten Qualitätsvergleich 38 journalistische Websites untersucht, darunter zehn Nur-Internetangebote und vier Weblogs, und dabei das Vorhandensein einer Vielzahl von Angebotsmerkmalen erfasst. Allerdings ist die Validität solcher Häufigkeitsauszählungen von Merkmalen für die Bestimmung von Qualität beschränkt.
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sioneller und partizipativer Anbieter befassen.117 Aus Sicht der Anbieter ist zu klären, welche Identität und Qualität sie sich selbst und anderen Anbietern zuschreiben (vgl. den Aufsatz „Profession, Partizipation, Technik“ in diesem Band). Solche Selbst- und Fremdbilder werden auch im öffentlichen Metadiskurs über das Internet entworfen (vgl. den Aufsatz „Eine Frage des Blickwinkels?“ in diesem Band). So bemüht sich der Journalismus durch öffentliche Kritik um Abgrenzung gegenüber neuen Kommunikatoren im Internet (wie Bloggern), die mit ihm konkurrieren könnten.118 Und er reagiert auf die wahrgenommene Konkurrenz durch Veränderungen des eigenen Angebots.119 In den folgenden Abschnitten werden die drei Vermittlungstypen diskutiert. Dafür werden auch (soweit vorhanden) empirische Studien herangezogen.
117 Im Überblick vgl. Neuberger/Nuernbergk/Rischke (2007: 107). Als Qualitätsvergleich vgl. Trepte/Reinecke/Behr (2008). 118 Vgl. Lowrey (2006); Carlson (2007). 119 Vgl. Lowrey/Mackay (2008).
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Vermittlungsakteure, -strukturen und -leistungen der aktuellen Internetöffentlichkeit Professionelle Vermittlung
Partizipative Vermittlung
Technisierte Vermittlung
Vermittlungsakteure und –strukturen
Angebotsformate und -produktion
Redaktionen (Organisation) mit beruflich tätigen Journalisten als Mitgliedern; Ansätze eines professionellen Individualjournalismus im Internet
Individualformate (Weblogs, Videoblogs, Podcasts), Kollektivformate (kollaborative Nutzerplattformen)
Größe der Nutzerschaft
Massenpublika
eher kleine Nutzerschaft
Nutzerkompetenzen (Rollen)
Rezipient, punktuell als Kommunikator
Rezipient, Kommunikator, Mediator
Grad der Interaktivität
Anbieter – Nutzer: gering
Nutzer – Nutzer: hoch
algorithmisch gesteuerte Erfassung, Selektion und Gewichtung (Nachrichtensuchmaschinen) Größe der Nutzerschaft variabel Rezipient (Eingabe der Suchanfrage als Selektionsvorgang) fehlt (Mensch-zu-Maschine-Beziehung)
Vermittlungsleistungen (hypothetisch/fraglich) journalistische Berufsnormen Beobachtung: Sammeln von Informationen (Input)
meistens hohe Akzeptanz und Beachtung kontinuierlicher und systematisch selektierter Input, teilweise selbst recherchiert
Validierung: Verarbeiten von Informationen (Throughput)
professionelle redaktionsinterne Prüfung vor der Veröffentlichung
Orientierung: Weitergabe von Informationen (Output)
hohe Reichweite
Erfüllen der Erwartungen von Leistungsempfängern
Publikumsorientierung der Journalisten ist fraglich
Erfüllen der Erwartungen von Leistungserbringern
starker Einfluss auf den redaktionellen Teil durch „Public Relations” und die Abhängigkeit von Werbeerlösen
Akzeptanz und Beachtung fraglich
Akzeptanz und Beachtung fraglich
punktuelle Recherche, vor allem im Internet
breite Metaorientierung über das Internet
öffentliche, wechselseitige Prüfung in internen und externen („Blogosphäre“) Netzwerken; Kontinuität, Kompetenz und Neutralität sind fraglich
automatisierte Selektion und Gewichtung über wenig valide Relevanzindikatoren (Syntax und Vernetzung von Dokumenten)
thematisch spezifisch, geringe Reichweite, Verstärkung durch professionelle Vermittlung (Recherchequelle) eher hoch durch Partizipation der Nutzer als Kommunikatoren und Mediatoren Einfluss fraglich („verdeckte“ Beteiligung, Werbung in partizipativen Angeboten)
geringe Reichweite (bezogen auf die einzelne Anfrage), Verstärkung durch professionelle Vermittlung (Recherchehilfe) geringe Publikumsorientierung starker Einfluss über externe („Seitenoptimierung“) und interne Manipulation („Paid Placements“)
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12 Professionelle Vermittlung? Wie anpassungsfähig ist der professionelle Journalismus im Internet? Ist er in der Lage, die spezifischen Vermittlungsprobleme im Internet zu identifizieren und zu bearbeiten? Lassen sich diese Leistungen refinanzieren? Die journalistische Aneignung des Internets,120 d. h. die berufliche Institutionalisierung eines eigenständigen Internetjournalismus lässt sich an speziellen Ausbildungswegen,121 Lehrbüchern,122 Kodizes,123 Berufsorganisationen124 und Preisen125 ablesen.126 Nach und nach bilden sich Normen und Qualitätsmaßstäbe, die den besonderen Gegebenheiten des Internets angepasst sind.127 Regulierungsbedarf besteht z. B. bei der Trennung von redaktionellem Angebot und Werbung128 sowie hinsichtlich der Möglichkeit der permanenten Aktualisierung.129
120 Einen auch wissenschaftlich fundierten Überblick über die aktuelle Situation des professionellen Internetjournalismus in den USA geben der Bericht „State of the News Media 2008“ (vgl. Project for Excellence 2008a, 2008b) und ein Themenheft der Nieman Reports (2008) (vgl. auch Patalong 2007). Vergleichbare Überblicksdarstellungen für die Lage in Deutschland existieren nicht. Das wissenschaftliche Gutachten im Anhang des Kommunikations- und Medienberichts 2008 der Bundesregierung geht nur allgemein in einem Kapitel auf „digitale interaktive Medien“ ein (vgl. HansBredow-Institut 2008: 113-144). Eher aus Praxissicht geben Range/Schweins (2007) einen Überblick. 121 Als Übersicht: medienstudienfuehrer.de. 122 Vgl. z. B. Heijnk (2002); Meier (2003); Spielkamp (2003); Hooffacker (2004); Perrin/Kessler (2005); Briggs (2007). 123 Der Deutsche Presserat (2008) nimmt seit 01.01.2009 auch Beschwerden über journalistische Beiträge im Internet (Telemedien) entgegen. 124 Vgl. Mrazek (2002). Beispiele: Online News Association (journalists.org), Online Publishers Association (online-publishers.org). 125 Beispiele: Grimme Online Award (grimme-online-award.de), Online Journalism Awards (journalists.org/?page=aboutoja), BOBs – Best Of The Blogs (thebobs.com). Ab 2009 werden auch reine Internetangebote bei der Verleihung der Pulitzer-Preise berücksichtigt (vgl. Gissler 2008). 126 Zahlreiche Websites thematisieren und vernetzen den Internetjournalismus im Medium selbst. Deutschsprachige Beispiele: blog.journalismus-darmstadt.de, elektrischer-reporter.de, immateri blog.de, jonet.org, netzjournalismus.de, netzthemen.de, onlinejournalismus.de. Englischsprachige Beispiele: cyberjournalist.net, digitaljournalist.org, j-learning.org, journalism.co.uk, mnstate.edu/ gunarat/ijr/, newmediamusings.com, ojr.org, onlinejournalismblog.com. Einen Überblick verschafft das Linkverzeichnis: medienwissen.uni-muenster.de. 127 Vgl. Neuberger (2002a, 2004b); Pavlik (2005); Bivens (2008). Die Auffassungen darüber, ob das Internet die Beachtung journalistischer Standards stärkt oder schwächt, waren im Jahr 2007 geteilt. Das ergab eine repräsentative Journalistenbefragung des Project for Excellence in Journalism (2008d: 3, 11) in den USA. Die Bewertung einzelner Normen ergab u. a., dass einerseits die Transparenz steigt, andererseits die Zeit für die Recherche und Faktenprüfung abnimmt. 128 Vgl. Neuberger (2002b); Mrazek (2008). 129 Vgl. Bivens (2008: 122-124).
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Der professionelle Internetjournalismus ist immer noch fast ausschließlich in den Medienorganisationen von Presse und Rundfunk zu finden.130 Nur-Internetanbieter sind hier noch kaum anzutreffen (wie netzeitung.de). Die reichweitenstärksten journalistischen Internetanbieter sind klassische Medienmarken; das gilt für Deutschland,131 aber auch für andere Länder wie die USA.132 Traditionelle Massenmedien, die ins Internet expandieren, haben u. a. den Vorteil, dass sie bereits über bekannte Marken und eine Redaktion verfügen und deshalb crossmedial operieren können, also z. B. redaktionelle Angebote mehrfachverwerten und „Cross Promotion“ betreiben können.133 Infolge der Disintermediation im Internet treffen sie allerdings auf zahlreiche neue Wettbewerber auf dem Publikums- und Werbemarkt. Die ökonomischen Randbedingungen des Journalismus im Internet sind deshalb prekär: Die Querfinanzierung eines professionellen Journalismus durch Werbeerlöse ist prinzipiell infrage gestellt, weil es im Internet eine Vielzahl neuer Werbeumfelder gibt, die für die Werbetreibenden Vorteile gegenüber traditionellen Massenmedien als Werbeträger bieten und ohne ein mit hohen Kosten produziertes redaktionelles Umfeld auskommen (Suchmaschinen, „User Generated Content“).134 Darüber hinaus herrscht im Internet eine Art „Gratismentalität“, d. h. eine geringe Bereitschaft, für die Nutzung von Angeboten zu bezahlen, wie viele gescheiterte Versuche, ein Gebührenmodell einzuführen, belegen.135 Deshalb lauten wichtige Fragen: Wie kann der professionelle Journalismus die Qualität seiner Angebote, d. h. seinen Mehrwert für Nutzer sichtbar machen, um deren Zahlungsbereitschaft zu wecken? Welche alternativen Erlösquellen bestehen?136 Doch nicht nur die Ökonomie behindert die journalistische Erschließung des Internets.137 Auch eine von Furcht geprägte defensive Haltung138 sowie ein Mangel
130 Private Rundfunkanbieter halten sich im Bereich der journalistischen Internetangebote allerdings zurück. Die privaten Fernsehsender setzen eher auf soziale Netzwerke und Unterhaltungsangebote (vgl. Lüke 2009). 131 Die reichweitenstärksten journalistischen Internetangebote waren im Jahr 2008 nach den Erhebungen von Bitkom (vgl. dpa 2009) und der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung („internet facts 2008-III“, vgl. AGOF 2008: 5) übereinstimmend spiegel.de, bild.de und chip.de. Die ACTA 2008 (vgl. Köcher 2008) führt spiegel.de und bild.de vor stern.de auf den ersten drei Plätzen. 132 Vgl. Project for Excellence in Journalism (2008b). 133 Vgl. Neuberger (2003a: 69-76). 134 Vgl. Project for Excellence in Journalism (2008a, 2008d). 135 Als Überblick vgl. Neuberger (2003c: 194-205). 136 Zur aktuellen Diskussion über neue Geschäftsmodelle vgl. z. B. Hamann (2008b); Schweitzer (2008); Staun (2008); Stöcker (2009). 137 Das von Friedman (2006: 160-172) beschriebene Phänomen des „Outsourcing“ von Dienstleistungen in andere Kontinente mit Hilfe des Internets lässt sich mittlerweile auch im Journalismus beob-
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an Kreativität und Experimentierfreude139 werden von Beobachtern moniert. Die Multioptionalität des Mediums und seine laufende Weiterentwicklung erfordern ein systematisches Innovationsmanagement, das in den traditionellen Medienorganisationen noch kaum entwickelt ist.140 Deuze (2006) spricht von einem „Liquid Journalism“, der sich künftig an rasch wechselnde Umwelterwartungen anpassen muss. Der Bericht „The State of the News Media 2008“ (vgl. Project for Excellence in Journalism 2008a) kritisiert die langsame Reaktion des professionellen Journalismus in den USA; einige der interessantesten Experimente würden außerhalb des Journalismus stattfinden. Dieser habe nicht frühzeitig erkannt, dass er vor neuen Aufgaben steht, d. h., dass auch die Orientierung über das Internet („Gatewatching“) und die Beteiligung der Bürger dazu zählen. Erst jetzt hätten die traditionellen Massenmedien die Zeichen der Zeit erkannt und begonnen, dem Internet einen höheren Stellenwert einzuräumen und innovativer zu agieren.141 So würden die Redaktionen beginnen, die Mauern niederzureißen, die ihre Angebote bisher umgeben haben: „One major shift in mainstream news Web sites in 2007 was in breaking down the ‚walled garden’, which allowed linking to outside organizations or stories both on their home pages and even more so inside stories. With the idea that a new role of journalism is to guide poeple to the information they want, and that people are going to get to these other places anyway, many mainstream news Webs sites are consciously choosing to help sending people elsewhere.“ (Project for Excellence in Journalism 2008b)
Insgesamt ergibt sich also eine gemischte Bilanz für den professionellen Journalismus: Technisch bietet ihm das Internet viele neue Möglichkeiten, ökonomisch untergräbt es seine bisherige Existenzgrundlage. Die Frage nach der richtigen Strategie, ist auch Gegenstand des Metadiskurses unter Journalisten. Darin wird häufig Kritik an der geringen Qualität des Internetjournalismus, der fehlenden Investiachten: Die lokale Internetzeitung PasadenaNow.com in den USA wird von freien Journalisten in Indien geschrieben (vgl. Buchmann 2008). 138 Vgl. Boczkowski (2004); Nguyen (2008); Kunelius/Ruusunoksa (2008). 139 Vgl. z. B. Riefler (2008); Niggemeier (2008a). Erforderlich sind auch Projektionen für den gesellschaftlich wünschenswerten Gebrauch des multioptionalen Mediums (vgl. Neuberger 2007f). Solche vermisst man besonders in der Diskussion über die Grenzen der Betätigung des öffentlichrechtlichen Rundfunks im Internet. In diese Richtung zielt die Studie von Deißner (2008). 140 Vgl. Boczkowski (2004); Endert (2006: 196f.); Schnell (2008); Wood Adams (2008). Allgemein zum Innovationsmanagement in Medienunternehmen vgl. Habann (2003). Als allgemeine Anforderung im „flexiblen Kapitalismus“ vgl. Sennett (1998: 64-66). 141 „The news industry now appears to be taking to new technology in earnest. Sites are evolving quickly and, in a new development, the mainstream media are now among the more experimental players.” (Project for Excellence in Journalism 2008b) Nach einer repräsentativen Befragung zählte 2007 (im Vergleich zu 2004) ein wachsender Teil der Journalisten in den USA die Aneignung des Web zu den Stärken der Presse (vgl. Project for Excellence in Journalism 2008d: 16).
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tionsbereitschaft der Verlage und an dem Versuch geäußert, „Klickzahlen“ um jeden Preis zu steigern.142 Zum professionellen Internetjournalismus in Deutschland liegen bislang – neben einer Vielzahl kleinerer Studien – eine repräsentative Journalistenbefragung (vgl. Löffelholz/Quandt/Hanitzsch/Altmeppen 2003) und eine Redaktionsbefragung als Vollerhebung (vgl. Neuberger 2000a, 2002a) vor. Hier ist die Transparenz über die Anbieter vergleichsweise hoch, und es lassen sich die traditionellen Fragen und Kategorien der Journalismusforschung anwenden. Fallstudien über einzelne Angebote und Anbieter waren der Ermittlung von Strategien143 und den Tätigkeitsprofilen von Internetjournalisten144 gewidmet. Die Forschung über den professionellen Internetjournalismus hat sich bislang vor allem in den Bahnen der Forschung über den traditionellen Journalismus bewegt. Neue Potenziale des Mediums und deren Erschließung wie Interaktivität145 und Multimedialität geraten erst allmählich in den Blick. 13 Partizipative Vermittlung? Tapscott/Williams (2007) beschreiben in ihrem Buch „Wikinomics“ eine neue Art des Produzierens, die sie als „Peer Production“ bezeichnen: „Nennen wir sie ‚Massenkooperationswaffen’. Neue, kostengünstige Infrastrukturmöglichkeiten für Kooperationen – von kostenloser Internet-Telefonie über Open-Source-Software bis zu globalen Outsourcing-Plattformen – erlauben es Abertausenden von Einzelpersonen und Kleinunternehmern, gemeinsam zu produzieren, Märkte zu erschließen und die Konsumenten in einer Weise zu erfreuen, wie es in der Vergangenheit nur große Konzerne konnten. […] Die aktuellen Turbulenzen in der Medien- und Unterhaltungsindustrie vermitteln einen ersten Eindruck, wie die Massenkooperation in der Wirtschaft alles auf den Kopf stellt. In dieser einstigen Bastion der ‚Professionalität’ teilen sich heute diplomierte Wissensproduzenten die Bühne mit ‚Amateurschöpfern’, die alles komplett umgestalten, was sie anfassen. Zig Millionen Menschen lassen andere an ihren Nachrichten, Informationen und Ansichten teilhaben in der Blogosphäre, einem selbst organisierten Netzwerk von mehr als 50 Millionen Websites mit persönlichen Mitteilungen, die jeden Tag im Sekundenrhythmus aktualisiert werden.“ (ebd.: 11)
Diese in euphorischem Ton vorgetragene Vision einer neuen Produktionsweise wirft die Frage auf, ob auch eine Vielzahl von Laienkommunikatoren den professionellen Journalismus ersetzen kann. Bei der partizipativen Vermittlung handelt es
142 Vgl. z. B. Niggemeier (2004, 2008c, 2008d); Bunz (2008b); Segler (2008); Stöcker (2008a). In der Serie „Zeitenwechsel – Die Zukunft des Journalismus” beschäftigt sich die Süddeutsche Zeitung seit Anfang 2008 ausführlich mit dem Umbruch im Journalismus (sueddeutsche.de/kultur/ special/1/152613). 143 Vgl. Brüggemann (2002); Loosen (2005); Meyer-Lucht (2005); Trappel (2007). 144 Vgl. Quandt (2005). 145 Vgl. Schwarzhaupt (2004); Robinson (2007); Büffel (2008); Chung (2008); Thurman (2008).
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sich um ein sehr heterogenes Phänomen, für das es keine einheitliche Bezeichnung gibt.146 Gemeinsam ist diesem „partizipativen Journalismus“147 der Anspruch, dass sich daran im Prinzip jeder Bürger beteiligen kann. Gemeint sind damit sowohl Nutzerplattformen zu journalistischen Themen148 als auch Individualformate wie Weblogs, Videoblogs und Podcasts, die in der Regel nur von einer Person betrieben werden, aber untereinander eng vernetzt sind („Blogosphäre“). In einer Inhaltsanalyse des Project for Excellence in Journalism (2008c) wurden solche Websites dem „Citizen Journalism“ zugerechnet, die von Nicht-Journalisten betrieben werden, bei denen eine Interaktion mit den Besuchern stattfindet und Bürger selbst den Inhalt gestalten können, und zwar solche Bürger, die nicht zugleich die Betreiber des Angebots sind.149 Als Anbieter treten in Deutschland Bürgernetzvereine150 und andere gemeinnützige Organisationen auf (wie im Fall von abgeordneten watch.de). In partizipativen Angeboten sollen durch Suchhilfen und Bewertungssysteme das Quantitäts- und das Qualitätsproblem gelöst werden. Beispiele dafür lassen sich im Bereich der Nachrichten- und Wissensvermittlung (de.wikipedia.org) sowie der Unterhaltung finden (auf Videoplattformen wie YouTube.de).151 NachrichtenPlattformen verfügen über Mechanismen der Qualitätssicherung, durch die zumeist die traditionellen journalistischen Normen erfüllt werden sollen.152 Während im 146 Gebräuchlich sind Bezeichnungen wie „Participatory Journalism“, „Grassroots Journalism“, „Citizen Journalism“, „Public Journalism“, „Interactive Journalism“, „Open Source Journalism“ und „Peer-to-Peer Journalism“ (vgl. Neuberger 2006a: 69f.). Zur Begriffsklärung vgl. Nip (2006 : 216218); Engesser (2008a). 147 Vgl. Lasica (2003); Bruns (2005); Nip (2006: 217f.). 148 Vgl. Rölver/Alpar (2008). Beispiele für partizipative Nachrichten-Plattformen: englischsprachige Fälle: digg.com, english.ohmynews.com, global-report.com, globalvoicesonline.org, guerrilla news.com, indymedia.org, newassignment.net, nowpublic.com, plastic.com, reddit.com. Videos: nocommenttv.com. Deutschsprachige Fälle: readers-edition.de, shortnews.de, tausendreporter.de, webnews.de, de.wikinews.org, plebstv.com, zoomer.de. Sport: netzathleten.de, Lokales: myheimat. de. Videos: center.tv: Heimatreporter (koeln.center.tv/cms/index.php?id=45), watchberlin.de, hamburg1video.de. 149 Die Inhaltsanalyse von 64 partizipativen Websites (25 Nachrichten-Sites, 39 Weblogs) ergab allerdings, dass die Beteiligungsmöglichkeiten der Nutzer häufig eingeschränkt sind (vgl. Project for Excellence in Journalism 2008c: 1). So gestatteten nur 40% der Nachrichten-Sites die Publikation von Artikeln und 20% das Hochladen von Fotos durch die Nutzer. 150 Vgl. Wisser (2003). 151 In Internetangeboten werden oft unterschiedliche Vermittlungsleistungen gebündelt, z. B. auf Musikwebsites, auf denen – teils gratis, teils gegen Gebühr – Musikdateien heruntergeladen sowie Informationen und Kommentare über Titel und Interpreten gelesen werden können, die sowohl von Redakteuren als auch von Nutzern stammen (vgl. Laurenz 2006). 152 Ausdrücklich auf journalistische Normen hingewiesen wird z. B. in den „Richtlinien zur Newseinlieferung“ in shortnews.de (shortnews.de/hilfe.cfm?section=richtlinien) und in den „Journalisti-
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traditionellen Journalismus die Qualitätssicherung weitgehend eine interne Angelegenheit von Profession und Redaktion sind, werden im „partizipativen Journalismus“ Informationen und Meinungen erst nach der Publikation öffentlich von den Nutzern geprüft.153 Auch in der „Blogosphäre“ gibt es – allerdings weniger formalisiert – eine wechselseitige Kritik und Kontrolle. Partizipative Formate setzen nicht nur auf die Aktivitäten der Nutzer, sondern technisieren einzelne Vermittlungsprozesse, welche die Koordination der Nutzer untereinander unterstützen („Tagging“, Suchmaschinen, Ranglisten über Nutzungshäufigkeit und Bewertung etc.). Durch den „partizipativen Journalismus“ wird die Notwendigkeit des Journalismus als Profession154 und auch der Redaktion als Organisation155 infrage gestellt. Einige Autoren halten den „partizipativen Journalismus“ für genauso leistungsfähig wie den professionellen Journalismus.156 Hier ist jedoch erhebliche Skepsis angebracht,157 auch wenn eine gründliche inhaltsanalytische Qualitätsmessung noch aussteht: Eine zeitlich kontinuierliche, thematisch universelle und in weiten Teilen selbst recherchierte Berichterstattung, bei der bereits vor der Veröffentlichung sämtliche Informationen gründlich geprüft worden sind, kann bisher nur der professionelle, redaktionell organisierte Journalismus sicherstellen. Die auf Freiwilligkeit und Offenheit basierende Produktion von Beiträgen und ihre nur nachträgli-
sche[n] Grundsätze[n]“ in de.wikinews.org (de.wikinews.org/wiki/Wikinews:Journalistische_ Grunds%C3%A4tze). Zum Nachrichtenverständnis der Mitglieder des englischsprachigen Wikinews-Angebots vgl. McIntosh (2008). 153 Vgl. Bowman/Willis (2003: 12). 154 Die Professions- und Berufskategorie (vgl. Engels 2002) reichen deshalb auch für die Beobachtung des Internets nicht mehr aus. Besser geeignet sind Kategorien, welche die Entgrenzung von „Arbeit“ und „Leben“ erfassen wie „Arbeitskraftunternehmer“ und „arbeitender Kunde“ (vgl. Voß/Rieder 2006: 152-175). 155 Vgl. Rühl (1989). Jarren (2008: 330f.) beharrt auf der Notwendigkeit einer formalen (intersystemischen) Organisation für das Erbringen von Vermittlungsleistungen (Selektion und Institutionalisierung von Themen, Bereitstellungsqualität, Erwartungssicherheit). Anbietern im Internet spricht er fast völlig die Fähigkeit ab, solche Leistungen zu erbringen. „Interessante Spezialfälle“ (ebd.: 343) sieht er nur in Internetablegern traditioneller Massenmedien wie Spiegel Online, wobei er auch hier anzweifelt, dass deren Bereitstellungsqualität (wegen der permanenten, kurzfristigen Aktualisierung) ausreichend ist. Eine stärkere Differenzierung im heterogenen Medium Internet sowie ein Offenhalten der Frage bis zu einer gründlichen empirischen Prüfung denkbarer funktionaler Äquivalente scheint hier ratsam. 156 Anderson (2007: 82) behauptet, dass „Blogs zusammen genommen den Massenmedien mindestens ebenbürtig“ sind. Der Blogger Don Alphonso (2004: 26) vertritt die Auffassung, dass Weblogs „der Sargnagel für die professionellen Medien im Internet werden“ können, und führt „ein Dutzend gute Gründe“ an, „warum die Weblogs für die Profis tödlich werden können“. Zur Kritik seiner Argumente vgl. Neuberger (2006b). 157 Vgl. kritisch z. B. Lemann (2006); Lowrey (2006); Lovink (2008: 33-78); Keen (2008: 56-67); Schönbach (2008).
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che Prüfung nach oft unklaren, kaum standardisierten Maßstäben dürften erhebliche Qualitätsschwankungen und eine große Qualitätsunsicherheit der Nutzer über das Dargebotene zur Folge haben.158 Für eine kollaborative Leistungserstellung durch Laien sind die Bedingungen im Journalismus außerdem ungünstiger als in anderen Bereichen: Schon der Zeitdruck in der tagesaktuellen Berichterstattung lässt kaum die Möglichkeit, Nachrichten nicht nur zu sammeln und zu präsentieren, sondern auch noch ausnahmslos zu prüfen. Im Unterschied zur Internet-Enzyklopädie Wikipedia (de.wikipedia.org), wo Beiträge zu Stichwörtern über Monate und Jahre hinweg bearbeitet und verbessert werden können, verlieren journalistische Beiträge sehr schnell an Relevanz. Auch die Aggregation der verstreut publizierten Beiträge zu einem leserfreundlichen Gesamtangebot, das die wichtigen Themenbereiche abdeckt, ist bisher schwer zu realisieren. Statt mit einer Publikumsorientierung ist eher mit einem hohen Maß an Selbstbezüglichkeit zu rechnen. Partizipative Nachrichtenaggregatoren bestehen vermutlich bislang im Wesentlichen noch aus Kurzverweisen auf professionelljournalistische Beiträge. D. h., ein „Großteil der wirklichen Nachrichten in Blogs [wird] bei genau den Nachrichtenmedien geklaut (oder aggregiert), die sie ersetzen wollen“ (Keen 2008: 62). Der Anteil der Exklusivinformationen mit Nachrichtenwert dürfte, auch bei den prominenten Weblogs, gering sein.159 Konkurrenzfähig sind Laienangebote noch am ehesten in „Special Interest“-Bereichen, in denen Sachwissen eine große Rolle spielt,160 und bei Hintergrundthemen mit längerfristiger Bedeutung. Auch die Fähigkeit, punktuell bei überraschenden Negativereignissen schneller Augenzeugenberichte übermitteln zu können, macht partizipative Angebote insgesamt noch nicht konkurrenzfähig.161 Dies sind empirisch zu überprüfende Hypothesen.162 Ebenso sollte getestet werden, wie Mechanismen der Koordination und der Qualitätssicherung für kolla-
158 Zur Qualität von Weblogs in Anbieter- und Nutzersicht vgl. Beck (2008); Trepte/Reinecke/Behr (2008); zu Wikinews vgl. Thorsen (2008). 159 Vgl. Project for Excellence in Journalism (2006); Reese et al. (2007: 247-249); Reich (2008). 160 Hier stellt sich die Frage, in welchen Sparten das Fach- und Sachwissen der Laienkommunikatoren ausreicht, um mit professionellen Journalisten zu konkurrieren. Als bedroht gelten vor allem Popmusik-Kritiker (vgl. Gross 2007; Kämmerlings 2007). 161 Vgl. z. B. Stöcker (2008b). 162 Das Project for Excellence in Journalism (2007b) hat im Jahr 2007 in einer Untersuchungswoche drei partizipative Nachrichten-Plattformen (reddit.com, digg.com, del.icio.us) mit den professionellen Nachrichtenangeboten in unterschiedlichen Medien verglichen und kam zu dem Ergebnis, dass sie sich bei der Themen- und Quellenwahl deutlich unterscheiden und ergänzen, statt zu konkurrieren. Die Themenwahl der partizipativen Angebote war vielfältiger, fragmentierter und flüch-
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borative Laienkommunikation optimiert werden können: Wie müssen Registrierung, gegenseitige Bewertung und Sanktionierung reguliert sein, damit eine hohe Angebotsqualität erreicht wird, z. B. die Richtigkeit der Informationen gewährleistet werden kann?163 Wie können dabei das Verfolgen partikularer Interessen und Manipulationen ausgeschaltet werden? Wie kann die angebliche „Weisheit der Vielen“ (vgl. Surowiecki 2005) zur Geltung gebracht werden, die O’Reilly (2005) der „Blogosphäre“ in seiner Analyse des „Web 2.0“ zuschreibt?164 Die genannten Fragen wurden bisher vor allem im Hinblick auf die InternetEnzyklopädie Wikipedia diskutiert und untersucht,165 aber noch nicht für den „partizipativen Journalismus“ auf Nutzerplattformen. Auch Studien über Wikipedia beschränken sich auf die Qualität des Outputs und lassen noch weitgehend unberücksichtigt, unter welchen Bedingungen hohe oder niedrige Qualität zustande kommen. Zwar lässt sich leicht damit argumentieren, dass Amateuren – auch im Kollektiv – das Fachwissen und das Rollenverständnis ausgebildeter Jour-
tiger. Der wichtigste Themenbereich war „Technik und Wissenschaft“, die wichtigste Quelle waren Weblogs. 163 Zur Konkretisierung von Regeln zur Sicherung der Objektivität aus der Sicht des „Kritischen Rationalismus“ im Journalismus vgl. Neuberger (1996: 153-184); zur Wikipedia vgl. Niemann (2006). Als Forschungsüberblick zu kollaborativer Interaktion (allerdings ohne Bezüge zum Internet) vgl. Lewis (2006). 164 Der öffentliche Metadiskurs über die „Weisheit der Vielen“ im Internet steht noch am Anfang. Surowiecki (2005), der das gleichnamige Buch verfasst hat, liefert wenige Anhaltspunkte für die Qualitätssicherung in der Informationsproduktion. Auch das Internet behandelt er nur marginal. Er diskutiert z. B. den Markt, die Demokratie sowie das Zusammenspiel von individuellem Streben nach Reputation und der kollektiven Anerkennung von Hypothesen im Wissenschaftssystem als Mechanismen der kollektiven Koordination. Lanier (2006a) hat unter der Überschrift „Digitaler Maoismus“ die These von der „Weisheit der Vielen“ kritisiert, ohne dabei jedoch auf Surowiecki einzugehen. Er warnt vor dem Glauben, dass ein Kollektiv stets dem Individuum überlegen sei und das Web „wie ein überirdisches Orakel“ (ebd.) zu uns spricht. Er rät dazu, die Bedingungen zu untersuchen, unter denen ein Kollektiv zu einem besseren Ergebnis gelangt. Eine Voraussetzung für kollektive Weisheit sei ein „System der Qualitätskontrolle […], das sich in hohem Maße auf Individuen stützt“ (ebd.). Es müsse Mechanismen wie demokratische Wahlen oder den Markt geben, um die kollektive Intelligenz zur Geltung zu bringen (vgl. Lanier 2006b). Hier unterscheidet er sich kaum von Surowiecki. Sanger (2007) verteidigt das Expertentum gegen die Auffassung der Mehrheit, die Meritokratie gegen den Egalitarismus, soweit es um kognitive Probleme geht (und ist sich dabei mit Surowiecki einig). Sanger kritisiert die Mitglieder der Wikipedia, die Egalität dem Expertentum vorziehen würden. Eine polemische Kritik des „Web 2.0“ und der Vorstellung, dass Amateure im Kollektiv Experten und professionellen Journalisten überlegen sind, stammt von Keen (2008), der in seinem Buch „Die Stunde der Stümper“ („The Cult of the Amateur“) Surowiecki ebenfalls nicht erwähnt. Über die bekannten englischsprachigen Beiträge zur Diskussion gelangen Friebe/Ramge (2008) kaum hinaus. 165 Vgl. z. B. Wirth/Brändle (2006); Pentzold (2007); Stegbauer/Bauer (2008). Zur Verbraucherplattform ciao.com vgl. von Palubitzki (2004).
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nalisten fehlt,166 gleichwohl verweist der Anspruch, mit dem Journalismus zu konkurrieren, darauf, dass der fachliche Vorsprung der nicht voll entwickelten Profession167 als einholbar eingeschätzt wird. Partizipativ-journalistische Websites werden zwar oft nicht-kommerziell betrieben, gleichwohl stellt sich auch hier die Frage nach der Refinanzierung. Der Bericht „The State of the News Media 2008“ (vgl. Project for Excellence in Journalism 2008b) verweist auf eine Reihe von Fällen, in denen gemeinnützige Stiftungen solche Angebote fördern. Grundsätzlich ist bei partizipativen Angeboten vor Pauschalurteilen zu warnen: Empirische Studien über Weblogs zeigen, dass der Mehrzahl der Angebote journalistische Merkmale fehlen;168 Blogger besitzen nur selten eine journalistische Motivation und orientieren sich auch nur zum Teil an professionellen Normen.169 Selbst bei prominenten politischen Weblogs in den USA ließ sich mehrfach eine stark parteiliche Haltung nachweisen.170 Das Weblog ist ein universelles Format, das für nahezu jede Art öffentlicher Kommunikation und von jedem Akteur verwendet werden kann; so zählen auch professionelle Journalisten zu den Bloggern.171 14 Technische Vermittlung? Im Internet werden Sammel-, Selektions- und Bewertungsleistungen von Suchmaschinen und anderen technischen Aggregatoren erbracht.172 Weischenberg (1985: 187) diskutierte schon früh die Frage, ob der Journalismus zukünftig durch technische Rationalisierung substituiert werden könnte. Seine damalige Empfehlung: Journalisten müssten ihre „Unberechenbarkeit“ durch kreative und intellektuelle Leistungen steigern, um der Ersetzung standardisierter, programmierbarer Arbeit durch Technik zu entgehen.173 Wie berechtigt ist die Erwartung, dass Suchmaschinen Gleiches leisten wie der Journalismus? Dass dies kein bloß von außen herangetragener Anspruch ist, belegt 166 Vgl. Keen (2008: 57). 167 Vgl. Kepplinger/Vohl (1976). 168 Als Forschungsüberblick vgl. Neuberger/Nuernbergk/Rischke (2007). Die Technorati-Studie „The State of the Blogosphere 2008” belegt dies für die behandelten Themen und Erfolgsparameter der Blogger (vgl. Technorati 2008). 169 Vgl. Armborst (2006: 162-182); Lenhart/Fox (2006: 11); Knight (2008: 122). 170 Vgl. Reese et al. (2007: 252-256); Sweetser (2007); Baum/Groeling (2008). 171 Als Weblog-Typologie vgl. Domingo/Heinonen (2008). Exemplarisch zum professionell-journalistischen Selbstverständnis eines Bloggers vgl. Sullivan (2009). 172 Vgl. Kuhlen (1999); Brown/Duguid (2000: 35-62). 173 Vgl. Giesecke (2002: 289f.). In den neunziger Jahren beherrschte vor allem die Vision einer personalisierten Zeitung („Daily Me“) die Diskussion (vgl. z. B. Negroponte 1995: 190).
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der Brief, den die beiden Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page im Vorfeld des Börsengangs der Suchmaschine an die künftigen Aktionäre richteten. Darin sahen sie das Unternehmen in einer gesellschaftlichen Verantwortung und definierten den Qualitätsanspruch von Google mit Kriterien wie Relevanz, Nützlichkeit und Objektivität. Ausdrücklich zogen sie dabei eine Parallele zwischen der Suchmaschine und den Zeitungen: „Don’t be evil. We believe strongly that in the long term, we will be better served – as shareholders and in all other ways – by a company that does good things for the world even if we forgo some short term gains. This is an important aspect of our culture and is broadly shared within the company. Google users trust our systems to help them with important decisions: medical, financial and many others. Our search results are the best we know how to produce. They are unbiased and objective, and we do not accept payment for them or for inclusion or more frequent updating. We also display advertising, which we work hard to make relevant, and we label it clearly. This is similar to a newspaper, where the advertisements are clear and the articles are not influenced by the advertisers’ payments. We believe it is important for everyone to have access to the best information and research, not only to the information people pay for you to see.“ (Page/Brin 2004: H. i. O.)
Eine Nähe zur journalistischen Vermittlung wird besonders bei Nachrichtensuchmaschinen gesehen, die algorithmisch gesteuert eine Vielzahl journalistischer Quellen auswerten und Meldungen nach ihrer Relevanz sortieren, ohne jedoch eigene Nachrichten beizusteuern.174 Zwar sind die Rankingkriterien geheim, weil aber die redaktionelle Nachrichtenauswahl simuliert werden soll, lässt sich der Output an journalistischen Standards messen. Google News wurden viele Schwächen attestiert.175 So wird der Nachrichtensuchmaschine vorgeworfen, wenige Quellen zu bevorzugen. Ihr soll es also nur begrenzt gelingen, die Quellenvielfalt im Internet zu erschließen. Für die Konzentration auf wenige Quellen, und zwar besonders auf große Medien, lassen sich inhaltsanalytische Belege anführen.176 Außerdem wurde bemängelt, dass Nachrichtensuchmaschinen nicht nur auf seriöse journalistische 174 Vgl. Neuberger (2005d: 7-10). Beispiele für Nachrichtensuchmaschinen: de.news.yahoo.com, news.google.de, scouty.de, wikio.de. 175 Folgende Kritikpunkte werden weiterhin genannt (vgl. Mrazek 2004; Krüger 2004; Schink 2005; Welker 2005): Angeblich bevorzugt Google News solche Meldungen, die häufig im Netz vorkommen, wobei die Häufigkeit nicht unbedingt mit ihrer Relevanz korrelieren muss. Präferiert würden in Google News auch zeitlich aktuellere Beiträge, was dazu führen soll, dass nicht jene Anbieter, die eine Meldung selbst recherchiert und zunächst exklusiv verbreitet haben, an erster Stelle platziert sind, sondern Nachzügler, die diese übernommen haben. Im Vergleich zu professionell-journalistischen Websites dauert es oft sehr lange, bis wichtige Meldungen auftauchen. Außerdem fiel Beobachtern im US-Wahlkampf 2004 eine politische Schräglage zugunsten konservativer Positionen auf, was aber – so verteidigte sich Google – dem Meinungsbild im Internet entsprochen habe, das von Google News lediglich gespiegelt wird. 176 Vgl. Digital Deliverance (2004); Flacke (2005: 88-91); Schröder/Kralemann (2005); Machill/Beiler/Zenker (2008: 303-305).
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Quellen verweisen, sondern auch auf PR-Mitteilungen. Machill/Beiler/Zenker (2008: 312) ermittelten bei sechs Nachrichtensuchmaschinen aber lediglich einen Anteil von 3% für PR-Beiträge. Tiefergehende Inhaltsanalysen ihrer Qualität, auch im Vergleich zu professionell-journalistischen Angeboten, liegen für Nachrichtensuchmaschinen und universelle Suchmaschinen noch kaum vor.177 Ebenso ist empirisch unzureichend geklärt, wie groß ihr Einfluss auf die Aufmerksamkeitslenkung von Internetnutzern ist. Bislang wurden Suchhandlungen weder präzise definiert, noch empirisch in allen Varianten erfasst.178 Und es ist umstritten, ob ein Regulierungsbedarf besteht.179 Auf dem Werbemarkt stehen Suchmaschinen in Konkurrenz zu Medienunternehmen. Google gilt als „effizienteste Long-Tail-Werbemaschine […], die es jemals auf diesem Planeten gegeben hat“ (Anderson 2007: 255).180 Die Suchmaschine erzielt Erlöse durch Werbung (AdSense), die passend zu Suchanfragen eingeblendet wird, und durch Werbung auf Partner-Sites (AdWords), die auf das Textumfeld abgestimmt sind und für die Provisionen gezahlt werden. Da die Versteigerung von Suchwörtern automatisiert geschieht und die Werbenden selbst die Schaltung von Anzeigen vornehmen und optimieren können, werden auch Werbemittler substituiert. „Wegen des Selbstbedienungsmodells, der Leistungskontrolle, der geringen Einstiegskosten und der Möglichkeit, die eigenen Anzeigen ständig umzuändern 177 Nach einer Inhaltsanalyse englischsprachiger Nachrichtensuchmaschinen des Project for Excellence in Journalism (2008b) bezogen im Jahr 2007 Yahoo News (98%) und AOL News (90%) ihre Nachrichten fast ausschließlich von Nachrichtenagenturen, Google News dagegen nur zu 17% (andere Nachrichtenangebote: 82%) (vgl. auch Flacke 2005). Zur Qualitätsmessung bei universellen Suchmaschinen vgl. Neuberger (2003d: 360-364). In einem Vergleich der Qualität von zehn deutschsprachigen Suchmaschinen wurden bei den Sucheingaben fünf typische Informationsbedürfnisse (Fakten, komplexes Thema, aktuelles Thema, Handlungsempfehlung, Finden einer Website) für zwei Themenfelder und drei Kompetenzniveaus von Internetnutzern simuliert (vgl. ebd.). Die ersten zwanzig Trefferseiten wurden inhaltsanalytisch ausgewertet, wobei geprüft wurde, ob vorab als relevante definierte Informationen auf den Seiten zu finden waren. Wie anfällig Suchmaschinen für externe Manipulationsversuche mit „optimierten“ Webseiten sind, wurde in einem Feldexperiment getestet (vgl. Neuberger/Karzauninkat 2003). In einem achtmonatigen Test von neun deutschen Suchmaschinen wurden sieben verschiedene Optimierungsverfahren auf eigens dafür geschaffenen Websites eingesetzt. Parameter der Erfolgsmessung waren die Aufnahme einer Seite in den Suchmaschinen-Index, das Ranking, also die Höhe der Platzierung in der Ergebnisliste, sowie die Crawlingtiefe, d. h., wie viel vom Inhalt einer Webseite im Index der Suchmaschine erfasst wurde. 178 Die Suche im Internet dürfte häufig weitaus komplexer verlaufen als die bislang in der Kommunikationswissenschaft untersuchte Selektion von Angeboten der Massenmedien (als Laborstudie zur Suchmaschinen-Nutzung vgl. Wirth et al. 2007). Neben Suchmaschinen wäre in Studien auch der Gebrauch weiterer Suchhilfen im Internet zu berücksichtigen („Social Bookmarking“, Hyperlinks, persönliche Bookmarks im Browser, Domainnamen-System etc.). 179 Vgl. Schulz/Held/Laudien (2005). 180 Vgl. Battelle (2005); van Couvering (2007); Kaumanns/Siegenheim (2008).
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und zu verbessern, strömen die Werbekunden in Scharen auf diesen neuen Marktplatz.“ (ebd.: 257) Die Abwanderung von Werbekunden ins Internet, die sich bei Tageszeitungen beobachten lässt, dürfte so durch Suchmaschinen mitverursacht sein. Die Grenze zwischen technisch gestützter und menschlicher Vermittlung im Öffentlichkeitssystem ist variabel: Neben dem Sammeln, Selektieren und Aggregieren von Beiträgen (wie in Google News) sind Computer mittlerweile – wie beim Informationsdienst Thomson Financial181 – auch in der Lage, standardisierte Meldungen zu verfassen. Die Grenze ist bislang dort erreicht, wo Verstehen notwendig ist, z. B. beim Bezeichnen von Bildinhalten.182 Es bleibt die Frage, ob „Künstliche Intelligenz“ künftig weitergehende Aufgaben des Journalismus übernehmen kann. 15 Komplementarität: Laien als Quelle, Publikum und Kritiker Insgesamt plausibler erscheint die Vorstellung, dass Laienkommunikatoren wie Blogger und Teilnehmer auf partizipativen Nachrichten-Plattformen Komplementärrollen zum professionellen Journalisten einnehmen. Bowman/Willis (2003: 12) haben frühzeitig verdeutlicht, wie Blogger als Quelle und Rezipienten fungieren können (vgl. Abb. 7).183 x Redaktionen recherchieren in Weblogs und anderen partizipativen Angeboten. Von dort übernehmen sie Themen, Informationen, Meinungen und Bildmaterial.184 Hier stellt sich besonders die Frage nach dem Einfluss, den z. B. Weblogs darüber auf die Themen- und Framesetzung185 sowie die Meinungsbildung gewinnen. x Umgekehrt greifen aber auch Blogger journalistische Themen, Informationen und Meinungen auf. In Weblogs findet die Anschlusskommunikation des Publikums statt; sie sind ein Resonanzraum der Massenmedien.186 Dort wird öffentlich und damit folgenreicher, was bisher nur im kleinen Kreis, z. B. in der Familie, unter Freunden oder am Arbeitsplatz, besprochen werden konnte. Johnson (2006: 175) weist auf „’Para-Sites’“ hin, die sich „an traditionel-
181 Vgl. Bittner (2006). 182 Vgl. Thompson (2007). Zur Entwicklung des „semantischen Web“ vgl. Borland (2007). 183 Im Überblick vgl. Neuberger/Nuernbergk/Rischke (2007: 109f.); Bivens (2008); Messner/Watson DiStaso (2008). 184 Vgl. Friedman (2006: 152); Hatcher/Itzek/Schröter (2007). 185 Vgl. Cornfield et al. (2005); Schiffer (2006); Song (2007); Zhou/Moy (2007). 186 Zur Resonanz in Weblogs vgl. Reese et al. (2007); Messner/Watson DiStaso (2008). Zur kreativen Weiterverarbeitung von Internetangeboten durch Nutzer vgl. Palfrey/Gasser (2008: 137-145).
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len Medien festsaugen“. Auf einer solchen Site bilde sich eine „Art Interpretationsgemeinschaft“, z. B. zu Fernsehserien, die helfen, die komplexer werdenden anderen Medien zu verstehen. Durch die wechselseitige Bezugnahme von Journalismus und Weblogs entsteht eine Art Kreislauf (vgl. Messner/Watson DiStaso 2008: 459). Genau genommen muss im Schaubild von Bowman/Willis ein zweiter Kreislauf ergänzt werden: Wenn Blogger und Journalisten sich nämlich gegenseitig zum Thema machen und aneinander Kritik üben, findet zusätzlich auf der Metaebene Kommunikation zwischen ihnen statt: x Das Phänomen „Weblog“ ist häufig Gegenstand der journalistischen Berichterstattung (vgl. den Aufsatz „Eine Frage des Blickwinkels?“ in diesem Band). x So genannte „Watchblogs“ (wie bildblog.de) haben sich auf die kritische Auseinandersetzung mit dem Journalismus spezialisiert.187 Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Websites, auf denen sich das Publikum mit Angeboten der Massenmedien öffentlich kritisch befasst.188 Durch die wechselseitige Kritik können Blogger und Journalisten zur Qualitätssteigerung beitragen, und sie können durch Empfehlungen die Aufmerksamkeit auf lesenswerte Beiträge in Weblogs oder im Journalismus lenken.
187 Vgl. Mrazek (2006); Fengler (2007, 2008); Mayer et al. (2008); Schönherr (2008). 188 Vgl. Bresch (2004).
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Abb. 7: Das aus professioneller und partizipativer Kommunikation bestehende Ökosystem des Internets (Abbildung von Bowman/Willis 2003: 12)
Auch das Verhältnis zwischen Journalismus und Nachrichtensuchmaschinen kann als komplementär beschrieben werden: Journalisten recherchieren mit ihrer Hilfe, betreiben Monitoring über die Themenwahl im Tagesverlauf und beobachten darüber ihre Konkurrenten (vgl. den Aufsatz „’Googleisierung’ oder neue Quellen im Netz?“ in diesem Band). Nachrichtensuchmaschinen ihrerseits aggregieren den Inhalt einer Vielzahl journalistischer Websites und leiten diesen „Traffic“ zu. Der Bericht „The State of the News Media 2008“ (vgl. Project for Excellence in Journalism 2008b) registriert eine Veränderung hinsichtlich des Informationszugang: Immer mehr Nutzer gelangen horizontal über Suchmaschinen und Links auf Websites, anstatt sich als regelmäßige Nutzer, ausgehend von der Homepage, vertikal in die Tiefe vorzuarbeiten. Diese indirekten, punktuellen Nutzer seien in geringerem Maße zahlungsbereit, erhöhten aber die Zugriffszahlen.
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16 Integration Profession, Partizipation und Technik schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern können einander in Hybridangeboten auch durchdringen. Dies geschieht etwa im Fall der Nutzerbeteiligung am professionellen Journalismus (als Forschungsüberblick vgl. Bruns 2005, 2008a; Neuberger 2006a).189 Es lassen sich drei Typen der Beteiligung unterscheiden:190 x Der traditionellen Rolle des Leserbriefschreibers entspricht es, wenn es dem Publikum gestattet ist, zu Beiträgen der Redaktion Stellung zu nehmen; dies kann z. B. in einem Forum oder Blog eines Journalisten (vgl. Domingo/Heinonen 2008: 10f.) geschehen. Hier übernimmt die Redaktion die Organisation und Moderation der Anschlusskommunikation ihres Publikums. Sie kann sowohl auf der Objektebene (Beiträge zu vorgegebenen Themen) als auch auf der Metaebene (Bewertung der Leistung von Redakteuren und anderen Nutzern) stattfinden.191 So gibt es auf journalistischen Websites z. B. interne Kritikerblogs.192 Redaktionen können die Resonanz, die sie mit ihren Beiträgen auslösen, ignorieren (und nur als Teil der „Public Relations“ betrachten) oder die Anregungen ihrer Leser aufgreifen. Daraus kann sich eine fruchtbare Interaktion zwischen Redaktion und Publikum ergeben.193
189 Vgl. Hujanen/Pietikäinen (2004); Domingo et al. (2008). 190 Die hier verwendeten Typen der Partizipation bzw. Inklusion des Publikums finden z. T. ihre Entsprechung in den Ausgleichs- und Überbrückungsmechanismen zwischen Publikums- und Leistungsrollen (sekundäre Leistungsrollen, Kritik und Publikumsorganisation), die Stichweh (2005: 32-41) unterscheidet (vgl. Burzan et al. 2008: 30f.). 191 Ein Beispiel für die wechselseitige Bewertung von Nutzern sind die „Debatten“ der Financial Times Deutschland (ftd.de/debatte): Nutzer, die besonders viele gute Noten sammeln, steigen in der mehrstufigen User-Hierarchie vom „Starter“ zum „VIP“ auf. Die Bewertungen der VIPs sind am einflussreichsten. Neue Nutzer dürfen erst dann fremde Beiträge bewerten, wenn sie selbst hundert Beiträge verfasst haben. Auf sueddeutsche.de können die Nutzer ebenfalls ihre Kommentare wechselseitig bewerten (suedcafe.sueddeutsche.de). Die Redaktion fordert die Nutzer außerdem dazu auf, über den Button „Petzen“ Regelverstöße mitzuteilen. Über die Kritik einzelner Beiträge hinaus kann das Publikum auch an der Weiterentwicklung eines Angebots beteiligt werden. So forderte das Videoblog Ehrensenf im Januar 2009 seine Nutzer zur Abstimmung und Diskussion über die künftige Gestaltung des Angebots auf (ehrensenf.de/linktipps/aktuelle-umfrage). 192 Vgl. Wied/Schmidt (2008). Neben der expliziten Angebotskritik („voice“) können Redaktionen auch das Nutzerverhalten auf den Websites beobachten („exit“) und ihr Angebot danach optimieren. Durch die Erfassung von „Klickraten“ erlangen sie eine größere Transparenz über die Nutzung, als dies in Presse und Rundfunk möglich ist (vgl. Seibold 2002). Zur Kritik an der Orientierung an Abrufzahlen vgl. Shiver (2007); Polke-Majewski (2008). 193 Eine marginale Resonanz auf politische Redaktionsblogs ermittelten Dailey/Demo/Spillman (2008).
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x Die Integration reicht noch einen Schritt weiter, falls die Redaktion ihrem Publikum institutionalisierte Gelegenheiten zur Mitwirkung an der professionellen Leistungserstellung gibt.194 Hier wechseln die Nutzer von der Publikumsrolle in eine Rolle, die sich als Mischung aus Leistungs- und Publikumsrolle („Prosumer“, sekundäre Leistungsrolle) beschreiben lässt. Diese Mitarbeit lässt sich nach den Phasen des redaktionellen Produktionsprozesses differenzieren. Abbildung 8 ist eine vereinfachte Darstellung dieses Prozesses. Die Nutzer können prinzipiell in jeder Phase eingebunden sein.195 Als „Leserreporter“ sind sie z. B. an der Recherche beteiligt.196 x Ein dritter Typ der Nutzerbeteiligung besteht darin, Nutzern Freiräume für die Publikation eigener Beiträge zu geben, z. B. in einem eigenen Weblog, ohne dass dabei ein Zusammenhang zum redaktionellen Angebot bestehen muss und journalistische Themen behandelt werden müssen.197 In der Literatur finden sich mittlerweile Vorschläge für eine Systematisierung der Nutzerbeteiligung in verschiedenen Phasen der journalistischen Produktion und unterschiedliche Grade der professionellen Steuerung der Nutzerbeteiligung.198 Bisher ist die Nutzerbeteiligung auf journalistischen Websites noch ein Experimentierfeld, auf dem viele Versuche gescheitert sind. Die Herausforderung besteht einerseits darin, die Nutzer zum Schreiben zu motivieren, andererseits die Qualität
194 Die Einbeziehung von Laien in die Leistungserstellung von Unternehmen über das Internet wird unter den Stichworten „Prosumption“ (vgl. Ritzer 2008) bzw. „Produsage“ (vgl. Bruns 2008b) und „Crowdsourcing“ diskutiert (vgl. Howe 2006, 2007, 2008; Stöcker 2006). Für Beispiele aus dem Bereich der Werbung vgl. Kolbrück (2007). Als allgemeiner Überblick vgl. Voß/Rieder (2006). 195 Für Beispiele vgl. Outing (2005). Wie diese Beteiligung an der redaktionellen Produktion aussehen kann, hat die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung demonstriert: Anfang 2007 ließ sie z. B. Artikel über das Rauchverbot und das „Web 2.0“ zunächst in ihrem Internetangebot diskutieren, bevor die endgültige Version, versehen mit Leseranmerkungen, gedruckt wurde. Allerdings wurde das Experiment nach wenigen Versuchen abgebrochen. Der Seattle Post Intelligencer bittet seine Leser, auf einem „Virtual Editorial Board“ (blog.seattlepi.nwsource.com/veb) zu den Kommentarthemen, die die Redaktion für die Printausgabe ins Auge gefasst haben, Stellung zu nehmen. Der Verfasser des Kommentars erhält auf diesem Weg Anregungen, kann seine Position überdenken und Argumente ergänzen (vgl. Stöcker 2005). Das Wisconsin State Journal (madison.com/wsj) lässt die Internetnutzer darüber abstimmen, welches Thema am darauffolgenden Tag auf der Titelseite des Blattes behandelt werden soll (vgl. Patalong 2006). 196 Vgl. Neuberger (2007e); Schlächter (2008). „Leserreporter“ gehen mit ihren Kameras auf „Prominentenpirsch“ oder schießen Zufallsaufnahmen von Unglücksfällen. Ihre Fotos finden nicht nur in der aktuellen Berichterstattung Verwendung, sondern auch in Fotogalerien und Foto-Communities wie Focus Online Live (live.focus.de) und augenzeuge.de (Stern). 197 Vgl. Domingo/Heinonen (2008: 9); Kopp/Schönhagen (2008); Örnebring (2008). 198 Vgl. Deuze (2003); Lasica (2003); Bruns (2005: 119-140); Outing (2005); Nip (2006); Engesser (2008b: 113-115).
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ihrer Beiträge durch Regulierung und Moderation zu sichern.199 Dafür müssen geeignete partizipative Formate entwickelt werden. Andererseits müssen Journalisten auch ihr Rollenverständnis ändern, die Berührungsängste überwinden und ihre Leser als Mitschreibende akzeptieren.200 Unter den Bedingungen von Presse und Rundfunk konnten sie sich bislang in die Redaktion zurückziehen und den Kontakt zum Publikum auf ein Minimum beschränken, der durch die Medienforschung201 und Leserbriefe202 hergestellt wurde. Welche Motive veranlassen den professionellen Journalismus, die Beteiligung der Nutzer zuzulassen? Werden dem Publikum mehr Mitsprachemöglichkeiten eingeräumt, um seine Partizipationserwartungen zu befriedigen und ihm mehr Einfluss zu geben? Oder wird die Emanzipation der Bürger unterlaufen, weil ihre Beteiligung vor allem der langfristigen Bindung und ökonomischen Auswertung der Beziehung dienen soll203 und weil außerdem Nutzer zu „arbeitenden Kunden“ umfunktioniert werden sollen, die mit ihren Beiträgen zur Kosteneinsparung und Qualitätsverbesserung beitragen?204
199 Vgl. Neuberger (2006a); Hermida/Thurman (2008). Als Erfahrungsberichte vgl. z. B. Mrazek (2003); Loller (2007); Hofmann (2008); Niggemeier (2008b). Das Jugendmagazin jetzt.de der Süddeutschen Zeitung zeigt sich besonders einfallsreich, wenn es darum geht, die Nutzer zur Mitarbeit und zu hochwertigen Beiträgen anzuspornen (vgl. Heidbüchel 2007). Im Jahr 2006 schrieb die Redaktion z. B. einen Essaywettbewerb zum Thema „Macht Freiheit einsam?“ aus (jetzt.sueddeutsche.de/texte/liste/l/11087), in einem anderen Wettbewerb vergab sie fünf Blog-Stipendien. 200 Die repräsentative Journalistenbefragung „Journalismus in Deutschland II“ (vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006) kam im Jahr 2005 zu dem überraschenden Ergebnis, dass im Medienvergleich Internetjournalisten das Rollenverständnis „normalen Leuten eine Chance geben, ihre Meinung zu Themen von öffentlichem Interesse zum Ausdruck zu bringen“ durchschnittlich als weniger wichtig ansehen als ihre Kollegen von Zeitung, Fernsehen und Hörfunk (vgl. ebd.: 280). Sie sagten überdies seltener als die Vertreter der genannten Medien, dass sie in der Lage seien, dieses Vorhaben umzusetzen (vgl. ebd.: 281). Auch der Einfluss des Publikums im Onlinebereich wurde im Durchschnitt als geringer eingeschätzt als bei Zeitung, Zeitschrift, Fernsehen und Hörfunk (vgl. ebd.: 294). Dagegen sagten Internetjournalisten relativ oft, dass sie Reaktionen des Publikums erhalten (vgl. ebd.: 291). 201 Vgl. Hohlfeld (2003). 202 Vgl. Heupel (2007); Mlitz (2008). 203 Rifkin (2000: 136) verweist auf die grundsätzliche Ambivalenz des Internets, das einerseits eine größere „Macht der Verbraucher“ ermöglicht, andererseits aber auch den Unternehmen mehr Kontrolle gibt. Die Bildung von Communitys soll zur stärkeren und längerfristigen Bindung der Nutzer beitragen, so Rifkin (vgl. ebd.: 146f.). Es komme zum „Übergang von diskreten, in Raum und Zeit begrenzten Markttransaktionen zu warenförmig gewordenen Beziehungen, die sich zeitlich unbegrenzt ausdehnen“ (ebd.: 131). Menschliche Beziehungen werden zur Ware, es kommt zur „Absorption der Privatsphäre durch den Markt“ (ebd.: 151). Zur Bildung von „Customer Webs“ im Internet vgl. Zerdick et al. (1999: 182, 185). 204 Vgl. Howe (2007).
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82 Abb. 8: Phasen des redaktionellen Produktionsprozesses205
Kommentieren/ Interpretieren
Flussdiagramm Journalismus
Thematisieren
Recherchieren
Prüfen
Selektieren
Beobachten von Ereignissen, Auswerten von Quellen
Aggregieren
passiv
aktiv
Input
Präsentieren
Verbreiten Output
Public Relations, Nachrichtenagenturen
Rezipieren, Anschlusskommunikation
Führen z. B. die unbezahlten oder geringfügig honorierten Fotos von „Leserreportern“ zur Reduzierung der Kosten?206 Gefährden sie die Arbeit professioneller Fotojournalisten, wie Gillmor (2006) vermutet, weil den Amateuren, die massenhaft mit Digitalkameras unterwegs sind, eher Zufallsaufnahmen gelingen als den Profis?207 Oder verursachen die Leserfotos eher einen Mehraufwand in den Redaktionen, weil die große Zahl der Einreichungen sorgfältig auf Nachrichtenwert, Authentizität und rechtliche Unbedenklichkeit geprüft werden muss? Den generellen Verdacht einer ökonomischen „Ausbeutung“ von Konsu-
205 Analytisch unterschieden wird hier zwischen einem aktiven und einem passiven Zugang von Informationen in die Redaktion. Beim aktiven Zugang muss zunächst ein Thema für relevant erklärt werden, bevor (weitere) Informationen dazu recherchiert werden. Bei der Selektion werden das Themas und die bereits vorliegenden Informationen zugleich nach ihrer Relevanz bewertet. Nach der Überprüfung der Informationen auf Richtigkeit können die Fakten durch Kommentierung und Interpretation weiter aufbereitet werden. Nach dem Verfassen der einzelnen Artikel (Präsentieren) werden diese zu einem Gesamtangebot aggregiert und schließlich über ein technisches Medium verbreitet. 206 Vgl. z. B. Schulzki-Haddouti (2006); Spaeth (2006); Jung (2007). 207 Zum Gebrauch von Miniatur-Videokameras im „Citizen Journalism“ vgl. Severson (2008).
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mentenaktivitäten im Internet äußern Voß/Rieder (2006) und Ritzer (2008). Hier stellt sich auch die Frage nach der subjektiven Sicht und den Motiven der Laienkommunikatoren: Fühlen sie sich instrumentalisiert? Bloggende Redakteure können den Kontakt zu ihren Lesern intensivieren, wenn sie täglich ihre persönliche Sicht der Dinge schildern, die „Geschichten hinter der Geschichte“ erzählen, sich der Kritik des Publikums stellen oder von ihm Anregungen erhalten.208 Verbreitet sind auch Internettagebücher von Auslandskorrespondenten. Neben der Integration von Profession und Partizipation lässt sich auch die Verschmelzung von Profession und Technik sowie von Partizipation und Technik beobachten. Technische Anwendungen können die Produktion und Präsentation journalistischer Angebote vereinfachen und verbessern. Automatisch erstellte Verweise auf inhaltlich verwandte Beiträge („Tagging“) und Nutzungs-Ranglisten schaffen Orientierung. Auch Weblogs und Nutzerplattformen profitieren von solchen Anwendungen. 17 Fazit Dieser Beitrag soll vor allem dafür sensibilisieren, dass sich Beschreibung und Bewertung der Öffentlichkeit im Internet nicht auf eine einfache Formel bringen lassen: Weder lässt sich direkt vom Potenzial des Mediums auf seinen Gebrauch schließen, noch ergeben sich Konsequenzen, die nur in eine Richtung weisen. Dafür sind die Möglichkeiten des Mediums zu vielfältig, und die Zahl der gestaltenden Akteure ist zu groß. Über die Aufforderung zur Differenzierung und weitergehenden wissenschaftlichen Analyse hinaus sollte damit auch der praktische Gestaltungsspielraum deutlich gemacht werden, den das Internet bietet: Im Journalismus sollte strategischer verfahren werden, wenn es darum geht, Kommunikationsprobleme, die sich in der Netzwerköffentlichkeit ergeben, zu identifizieren und Vermittlungspotenziale zu erschließen. So hängt auch die Antwort auf die Frage, ob und in welchen Dimensionen es zu einer Fragmentierung oder Integration von Öffentlichkeit im Internet kommt, entscheidend davon ab, wie Vermittler das Integrationspotenzial ausschöpfen. Dieses Potenzial reicht weiter als das aller anderen verfügbaren Medien, weil das Internet in der Lage ist, Medien-, Format- und Angebotsbrüche zu kitten. Dies noch nicht ausreichend erkannt zu haben, liegt vermutlich an einem „blinden Fleck“ der Kommunikationswissenschaft, für die bisher
208 Vgl. Singer (2005, 2008); Chung et al. 2007; Carlson (2008); Domingo/Heinonen (2008: 9-11).
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die Gleichung galt: „Öffentlichkeit = Massenkommunikation = publizistische Bedeutung“. Die in der Auseinandersetzung mit Presse und Rundfunk entwickelten Beobachtungs- und Deutungsinstrumente des Faches lassen übersehen, dass die kleinen Öffentlichkeiten im „Long Tail“ eine Vorgeschichte haben: Was bisher auf viele Medien verteilt war, ist im Internet vereint und vernetzbar, wobei das Internet auch Präsenzkommunikation mediatisiert. Für eine verfeinerte wissenschaftliche Analyse ist es notwendig, den Medienumbruch in zwei Perspektiven zu betrachten: Einerseits sollte – wie es häufig bereits geschieht – das Verhältnis zwischen den Medientypen analysiert werden, andererseits aber auch das Verhältnis zwischen den Kommunikationstypen Profession, Partizipation und Technik. Beide Perspektiven sind miteinander verschränkt: Im Internet gewinnen die Partizipation des Publikums und die Technisierung menschlicher Kommunikation an Bedeutung. Gleichwohl existiert auch dort professionell betriebene öffentliche Kommunikation. Diese Verschränkung macht es notwendig, Journalismus-, Öffentlichkeits- und Medientheorie zu integrieren. Darüber hinaus wurden in diesem Beitrag theoretische Teilstücke, die in der Debatte über das Internet auftauchen, aufgegriffen und zu einem Modell der Internetöffentlichkeit zusammengefügt (Partizipation, Disintermediation, „Long Tail“, Aufmerksamkeitsökonomie, Fragmentierung vs. Integration von Öffentlichkeit, Netzwerk, kollaborative Qualitätssicherung). Daraus hat sich ergeben, dass einerseits auch im Internet spezifische Vermittlungsleistungen erforderlich sind, andererseits diese aber nicht mehr nur von professionellen, redaktionell organisierten Vermittlern erbracht werden müssen, sondern dass prinzipiell auch funktionale Äquivalente dafür, nämlich partizipative und technische Vermittlung möglich sind. Funktionale Äquivalente werden erst dann erkennbar, wenn mit einem abstrakten Vermittlungsbegriff gearbeitet wird. Es greift zu kurz, wenn nur nach dem vertrauten Erscheinungsbild des Journalismus im Internet Ausschau gehalten oder sogar von vornherein die Möglichkeit von Vermittlungsleistungen im Internet ausgeschlossen wird, wie dies bei Jarren (2008) und Habermas (2008) der Fall ist. Gleichwohl ist auch vor der vorschnellen Annahme zu warnen, dass der professionelle Journalismus im Internet verdrängt wird. In der Dreiecksbeziehung zwischen Profession, Partizipation und Technik überwie-
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gen vermutlich die komplementären und integrativen Effekte gegenüber der Konkurrenzbeziehung.209 Die empirischen Studien, die in diesem Band folgen, liefern Hinweise für beide Perspektiven. Dabei lag der Schwerpunkt auf der Anbieter- und Angebotsseite. Das Forschungsprojekt „Journalismus im Internet“ zeigt, dass jenseits des professionellen Journalismus kaum Angebote existieren, die den strengen Prüfkriterien für „Journalismus“ gerecht werden. Wichtiger als Konkurrenz- sind gegenwärtig Komplementärbeziehungen. Hier ergab sich im Projekt insofern eine Beschränkung, als diese Beziehungen nur aus einer Richtung, nämlich aus jener des Journalismus beobachtet werden konnten. x In Folgestudien müssten auch nicht-journalistische Anbieter berücksichtigt werden, um die Komplementärleistungen „Quelle“ und „Anschlusskommunikation“ auch aus deren Sicht zu erfassen. x Weiterhin mangelt es an Fallstudien über Angebote professioneller, partizipativer und technischer Vermittler. Hier müssten Strukturen der Qualitätssicherung und die Qualität der Angebote selbst noch eingehender im Vergleich untersucht werden. x Ebenfalls weitgehend unerschlossen sind die Diffusion von Themen, Informationen und Meinungen sowie die Karrieren einzelner Anbieter und Kommunikatoren in der Netzwerköffentlichkeit des Internets, in der multilaterale und dynamische Beziehungen netzwerk- und inhaltsanalytisch erforscht werden müssten.210 x Schließlich müssten Deutungen, Erwartungen und Handeln der Nutzer untersucht werden: Welche Angebote werden als „journalistisch“ wahrgenommen? Welche spezifischen Merkmale und Qualitäten werden einzelnen Angeboten zugewiesen? Wie groß ist die Unsicherheit bei der Bewertung? Wie ändern sich die Suche und die Rezeption von aktuellen Informationen?211
209 Ähnliche Phänomene, wie sie hier für die vermittelnde Fremddarstellung in der Internetöffentlichkeit beschrieben wurden, können auch im Bereich der professionellen Selbstdarstellung von Organisationen (d. h. in „Public Relations“ und Werbung) registriert werden. 210 Zur Netzwerkanalyse in der Journalismusforschung vgl. Quandt (2007). 211 Erfolgt der Zugang zu journalistischen Beiträgen eher horizontal (über Suchmaschinen etc.)? Wie hoch ist das Ausmaß der zufälligen Rezeption aktueller Informationen? Geschieht die Information über ein Thema vielfältiger?
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Vom Gatekeeping zum Gatewatching
Modelle der journalistischen Vermittlung im Internet Axel Bruns
Traditionelle journalistische Praktiken der Inhaltserstellung und -vermittlung lassen sich in Presse und Rundfunk in erster Linie durch den Prozess des Gatekeeping charakterisieren. Im Internet findet sich jedoch zunehmend ein anderer Ansatz, der in Analogie zu dem traditionellen Begriff als Gatewatching beschrieben werden kann. In diesem Text werden die Besonderheiten des Gatewatchings herausgearbeitet, vor allem die multiperspektivische Form der Berichterstattung. Außerdem werden die wichtigsten Implikationen der Bewegung vom Gatekeeping zum Gatewatching im Nachrichtenjournalismus analysiert.1 1 Gatekeeping Im einfachsten Sinne des Wortes beschreibt Gatekeeping ein Regime der Kontrolle darüber, welche Inhalte aus den Produktionsprozessen in Druck- und Funkmedien an die Öffentlichkeit gelangen. Die Kontrolleure dieser Medien (Journalisten, Redakteure, Inhaber) bewachen die Schleusen (also die Gates), durch die Inhalte an die Leser- oder Zuschauerschaft gelangen. In vielen Medien erscheinen solche Kontrollen notwendig und unvermeidbar: Zeitungen und Nachrichtensendungen haben nur eine beschränkte Menge an Seitenraum oder Sendezeit zur Verfügung, um ihre Leser und Zuschauer über die wichtigsten Tagesereignisse zu informieren. Prozeduren müssen daher angewandt werden, die aus der Fülle der Tagesereignisse diejenigen auswählen, die vielleicht nicht gerade als „all the news that’s fit to print“ 1 Dieser Aufsatz ist die Übersetzung von Auszügen der Kapitel 2, 6, und 8 in meinem Buch „Gatewatching: Collaborative Online News Production“ (New York: Peter Lang, 2005). Übersetzung dieser Auszüge durch den Autor, mit freundlicher Genehmigung des Verlages.
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beschrieben werden können (um das berühmte Motto der New York Times zu zitieren), aber doch wenigstens all die Nachrichten umfassen, die Journalisten und Redakteure als am meisten relevant für die vorgestellten Kunden ihres Mediums einschätzen. Zusätzlich gibt es in den meisten Gatekeeping-Prozessen auch – mehr oder weniger explizit definierte – Beschränkungen, die den Nachrichtenproduktionsprozess beeinflussen. Solche Beschränkungen ergeben sich zum Beispiel aus organisatorischen Strukturen wie etwa der Einteilung journalistischer Aktivitäten in Ressorts (Politik, Wirtschaft, Sport usw.), aus journalistischen Rechercheroutinen (der Berichterstattung von Regierungspressekonferenzen, Gerichtsverhandlungen und Massenereignissen) oder aus den Notwendigkeiten des täglichen Betriebs (zum Beispiel die beschränkte Zeit, die für weitergehende Recherchen in komplexen Themenbereichen zur Verfügung steht). Darüber hinaus haben verschiedene Nachrichtenorganisationen auch Hausregeln, die bestimmen, welche Ereignisse erfasst oder ignoriert werden müssen, weil sie Implikationen für die politischen oder kommerziellen Interessen des Medienanbieters nach sich ziehen. „All the news that’s fit to print“ sind daher an jedem beliebigen Tag auch ganz einfach alle die Nachrichten, die zu erfassen die Journalisten fähig oder willens waren. In Nachrichtenorganisationen werden zunächst zwei Tore durch Gatekeeping kontrolliert (vgl. Abb. 1): eines an der Eingangsstufe, durch das Neuigkeiten und Informationen in den Nachrichtenproduktionsprozess eingelassen werden, und eines an der Ausgangsstufe, durch das Nachrichten in die Medien entlassen werden.2 Es existiert jedoch ein großer qualitativer Unterschied zwischen den Motiven, die das Gatekeeping an beiden Stufen steuern: Während Gatekeeping an der Ausgangsstufe gewöhnlich stattfindet, um Kunden mit Informationen zu bedienen, die diese als verständlich und wichtig ansehen, wird Gatekeeping an der Eingangsstufe mehr durch die Routinen sowie die politischen und kommerziellen Agenden individueller Journalisten und ihrer Arbeitgeber gelenkt.
2 Dies impliziert jedoch keinen vollständig linearen Prozess von der Quelle zum fertigen Bericht. Ich stimme hier Herbert Gans zu, der dies wie folgt formuliert: „[A]lthough the notion that journalists transmit information from sources to audiences suggests a linear process, in reality the process is circular, complicated further by a large number of feedback loops. […] In effect, then, sources, journalists, and audiences coexist in a system, although it is closer to being a tug of war than a functionally interrelated organism.” (Gans 1980: 80f.) Für die augenblickliche Diskussion ist ein Fokus auf die Eingangs- und Ausgangsstufen der Nachrichtenproduktion und darüber hinaus auf die Antwortstufe nützlich, ohne den Prozess übermäßig zu simplifizieren.
Vom Gatekeeping zum Gatewatching
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Gans (1980: 276) schreibt: „[T]hrough various forms of anticipatory avoidance, journalists are restrained from straying into subjects and ideas that could generate pressure, even if their own inclinations, as professionals or individuals, do not often encourage them to stray in the first place.“
Zusätzlich zu diesen beiden recht offensichtlichen Stufen des Gatekeeping ist es uns außerdem möglich, eine dritte Form des Gatekeeping zu identifizieren, die einige Zeit nach der Publikation des ursprünglichen Berichts stattfindet: ein Gatekeeping auf der Antwortstufe, das die Reaktion der Leser, Hörer oder Zuschauer betrifft. In Zeitungen manifestiert sich dieses Gatekeeping in der Selektion der Briefe an die Redaktion, die zur Veröffentlichung ausgewählt oder zurückgewiesen werden. Im Hörfunk und Fernsehen werden solche Tore noch stärker kontrolliert. Selbst dort, wo Beteiligung aktiv gesucht wird (in Talkshows oder „Call in“-Sendungen), kontrollieren die Moderatoren oder Produzenten die Redemöglichkeiten für Zuhörer und Zuschauer äußerst eng. Abb. 1: Der traditionelle Nachrichtenprozess mit seinen drei Gatekeeping-Stufen3
EINGANG
AUSGANG
ANTWORT
Erfassung nur durch professionelle Journalisten
geschlossene Hierarchie in der Redaktion
Selektion von Briefen / Anrufen vor Veröffentlichung
traditioneller Nachrichtenprozess Das Internet funktioniert jedoch anders als die Druck- oder Funkmedien. Im Ergebnis können nun alle drei Tore, die von Nachrichtenorganisationen bewacht werden, umgangen werden. Im Internet sind Bandbreitenbeschränkungen für die Produzenten irrelevant geworden. Zugleich macht es der erweiterte Zugang zu den Mitteln der Medienproduktion sehr viel mehr Nutzern möglich, Produzent und Herausgeber von Medieninhalten zu werden. Dies bedeutet, dass rein technische Motive für Gatekeeping an der Ausgangsstufe (die Notwendigkeit, Seitenraum oder Sendezeit zu sparen) nicht länger relevant sind. Gleichzeitig wird außerdem das 3 Alle Abbildungen sind übernommen aus Bruns (2005).
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Gatekeeping an der Eingangsstufe ineffektiv, da die Informationen, die von einer Nachrichtenorganisation zurückgewiesen werden, nun vielleicht von einem anderen in der wachsenden Schar der Herausgeber akzeptiert werden oder am Nachrichtenursprung direkt abrufbar gemacht werden, ohne überhaupt in den eigentlichen journalistischen Prozess eingeschleust zu werden. Zusätzlich wird es schließlich auch möglich, dass Leserreaktionen reichlich Raum erhalten, ohne dass dadurch die herausgehobene Stellung des ursprünglichen Berichts gefährdet wird. Diese Unmenge an Nachrichten und Nachrichtenkanälen hat jedoch ihren Preis: Das Web bietet einen stetig wachsenden Reichtum an Informationen, ohne zugleich die Möglichkeit zu bieten, ein striktes Gatekeeping-Regime im Sinne traditioneller Modelle aus Druck- oder Funkmedien aufzubauen (vgl. Nunberg 1996: 126). Dies ist nicht von vorneherein als negative Entwicklung zu betrachten, da Gatekeeper in ihrer Auswahl oft höchst willkürlich sind und mitunter nicht vorurteilsfrei oder nicht hinreichend qualifiziert entscheiden. Es ist allerdings nur ein schwacher Trost für Nutzer, die von einer Informationsflut überwältigt werden, dass die Abwesenheit der Gatekeeper auch bedeutet, dass ihnen zumindest deshalb keine schlechte Auswahl geboten wird. Gatekeeper haben oft eine nützliche Funktion: „[T]he value of the gatekeeper is not diminished by the fact that readers now can get all the junk that used to wind up on the metal spike; on the contrary, it is bolstered by the reader’s realization of just how much junk is out there.” (Singer 1997: 80) Levinson stimmt Singer darin zu, dass das Ende des Gatekeepings noch nicht gekommen sei: „[Many] apparently have come to crave the ministrations of our gatekeepers, much as some prisoners love to love their jailors.“ (Levinson 1999: 125) Nach seiner Auffassung wird das Gatekeeping auch neue Medien wie des Internet überleben (vgl. ebd.). Selbst im Web bleibt also das Gatekeeping ein nützliches, wenn auch in seiner traditionellen Form vielleicht unpraktisches Modell dafür, wie aus der Gesamtmenge aller Neuigkeiten jene Nachrichten ausgewählt werden können, die für eine bestimmte Leserschaft am wichtigsten sind. Viele Websites haben nun Lösungen für dieses Problem entwickelt, die mehr oder weniger direkt auf das GatekeepingModell aufbauen. Hartley meint daher, dass Journalismus am Anfang des neuen Jahrtausends in eine Phase eingetreten ist, in der „editing became more important for the profession than newsgathering. So much material was available directly to readers and consumers that mere provision of news (newly gathered knowledge) was no longer enough to justify the undertaking. […] The public utility and commercial future of journalism depended more than ever on choosing, editing and customizing existing information for different customers.” (Hartley 2003: 82f.)
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2 Jenseits des traditionellen Gatekeepings 2.1 Bibliothekare statt Schleusenwärter
Im Internet bleiben die beiden Hauptstufen der Nachrichtenproduktion äußerst wichtig: die Eingangs- und Ausgangsstufe. An der Ausgangsstufe, auf der Nachrichten und Informationen zu einem mehr oder weniger abgeschlossenen Bericht verarbeitet und veröffentlicht werden, mögen noch einige Reste des GatekeepingRegimes zurückbleiben. Die Rolle der Journalisten und Redakteure als Schleusenwärter hat hier weiterhin einige nützliche Aspekte. An der Eingangsstufe ist das Gatekeeping am stärksten bedroht: Im Web hat jeder die Möglichkeit, Herausgeber zu werden. Daher ist es online für die meisten, wenn nicht für alle berichtenswerten Neuigkeiten möglich, als Rohinformationen an die Öffentlichkeit zu gelangen. Dies bedeutet, dass sich Nachrichtenorganisationen strikte Gatekeeping-Praktiken an der Eingangsstufe nicht länger leisten können: Nachrichtennutzer mit Zugang zu solchen Rohinformationen können durch den Vergleich nun mit Leichtigkeit die Gründe für das Gatekeeping durchschauen – ganz gleich, ob es sich dabei um kommerzielle oder politische Motive handelt, um journalistische Routinen oder einfach um ein Defizit an Mühe oder Ressourcen. Die Möglichkeit des Vergleichs zwischen Rohinformationen und journalistischer Interpretation durch den direkten Zugang zu Nachrichtenquellen im Web liefert Journalismus-Kritikern noch mehr Belege für ihre Beschwerden.4 Falls Smith Recht hat, dass die Rolle des Gatekeepers an der Ausgangsstufe die eines „crucial guardian of knowledge“ (Smith 1980: xiii) ist, dann sollte an der Eingangsstufe eine möglichst große Zahl an Informations- und Wissensquellen ausgewertet werden. Welche Auswahl auch immer an der Ausgangsstufe getroffen wird: Sie ist beeinträchtigt, wenn die Berichte, die diese zweite Stufe passieren, von vorneherein schon auf unvollständigen und nicht repräsentativen Informationen basieren, die das erste Gatekeeping-Tor passiert haben. Anders ausgedrückt: „[T]he issue is what facts should become news. Even empirically determinable facts do not arise out of thin air but are fashioned out of concepts and specific empirical methods.” (Gans 1980: 306; H. i. O.) Die Lösung besteht daher darin, das erste Eingangstor einer so großen Menge von Informatio4 Gleichzeitig sollte darauf hingewiesen werden, dass die Situation in Deutschland vielleicht noch deutlich positiver ist als im angelsächsischen Raum. Nachkriegsdeutschland hat aus historischen Gründen eine starke öffentlich-rechtliche Rundfunktradition und eine recht vielfältige und unabhängige Printmedienlandschaft. Deren Existenz ist jedoch alles andere als selbstverständlich und sollte gegen kommerzielle und politische Interessen verteidigt werden.
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nen zu öffnen wie nur möglich und praktikabel. Daher ist es vielleicht sinnvoller, an der Eingangsstufe anstelle von „Bibliothekaren“ von „Schleusenwärtern“ zu sprechen: Journalistische Gatekeeper reduzieren die Menge an Material, welches das Tor passiert, um so den Notwendigkeiten der Medienorganisation zu entsprechen, für die sie arbeiten. Dagegen verfolgen Bibliothekare (die selbst nicht Produzenten und Herausgeber sind) im Idealfall die weitest mögliche Erfassung ihres Fachgebietes, um Bibliotheksbenutzer zu unterstützen. Sie versuchen nicht, den Zugang der Nutzer zu den in der Bibliothek vorhandenen Werken oder auch außerhalb der Bibliothek einzuschränken. Bibliothekare sind auch häufig auf ein Feld spezialisiert und zählen selbst zu den Informationssuchern in ihrem Feld. Die Bibliothekare, die wir im Internet kennenlernen, sind meist ähnlich beteiligt: Sie unterstützen die Sache derer, die Informationen suchen, und nicht die Sache derjenigen, die Nachrichten veröffentlichen oder kontrollieren. Diese „bibliothekarische“ Position steht in deutlichem Kontrast zu dem traditionellen Ideal des „objektiven“, „unparteiischen“, und „interessenlosen“ GatekeeperJournalisten. Wie McQuail zeigt, ruft im Journalismus „the normal standard of impartiality [...] for balance in the choice and use of sources, so as to reflect different points of view, and also neutrality in the presentation of news – separating facts from opinion, avoiding value judgements or emotive language or pictures.” (McQuail 1994: 255)
Wie aber schon erwähnt, ist dieses Ideal selbst (mit wenigen Ausnahmen) gewöhnlich genau dieses geblieben: ein Ideal. In elektronischen Medien, die nur eine beschränkte Zahl von Kanälen bieten, ist dies ein Grund zur Besorgnis, aber im Internet, in dem es keine Beschränkung der Zahl parallel operierender Publikationen gibt, muss dies nicht unbedingt negativ beurteilt werden. Stattdessen kann hier eine breite und sehr vielfältige Menge spezifischer Nutzer bedient werden – zur gleichen Zeit und zu jeder Zeit. In der Tat haben Journalismusforscher wie Herbert Gans seit langer Zeit eine breite, multiperspektivische Form der Berichterstattung gefordert. 2.2 Gatewatchers
Der Übergang vom „Leser“ zum „Benutzer“ ist in der Beschreibung der Internet„Bibliothekare“ und ihrer Rezipienten wichtig: Auch wenn noch bleibt, was Levinson als „our continuing need for centers“ beschreibt, so verhalte es sich doch so, dass „humans want to both lead and be led. […] The rise of electronic media in general and digital personal computers in particular, has accentuated and focused [the desire] to make our own decisions, rather than be spoon-fed by central au-
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thority.” (Levinson 1999: 91) Bibliothekare passen in dieses Bild: Sie assistieren, statt zu führen. Die Beteiligung der Nutzer geht jedoch weiter: Die Internet-„Bibliothekare“, die hier beschrieben werden, verlassen sich auch beim Finden und Auswerten verfügbarer Informationen direkt auf die Hilfe ihrer Nutzer. Im vielkanaligen Bereich des World Wide Web kann kein Informationssucher darauf hoffen, alles relevante Material zu finden. Daher rekrutieren sie ihre gesamte Nutzergemeinschaft als Mitsucher (dies ist vergleichbar mit dem Open-Source-Software-Modell, bei dem die Nutzergemeinschaft in den Entwicklungsprozess eingebunden ist). Diese Beteiligung der Nutzer an der Eingangsstufe ist daher der erste Schritt zu einer vollständig kollaborativen Internet-Nachrichtenproduktion. Darüber hinaus ist es auch wichtig, auf die Form der Rohinformationen hinzuweisen, die solche Suchergemeinschaften identifizieren und auswerten: Bei diesen Materialien handelt es sich zumeist um Informationen, die im World Wide Web oder in anderen Medien veröffentlicht worden sind. Anders ausgedrückt, hat das Material, mit dem sie arbeiten, schon selbst die Ausgangsstufe anderer Herausgeber passiert (ganz gleich, ob dies nun traditionelle Medienorgane waren oder Institutionen, die Informationen über sich selbst im Web veröffentlichen). Was solche kollaborativen Suchergemeinschaften praktizieren, ist daher die Beobachtung der Ausgangstore einer weitest möglichen Menge traditioneller und nicht-traditioneller Publizisten mit dem Ziel, diese Informationen als Rohmaterial in eigenen Berichten zu verwerten. Es ist daher angemessen, ihre Arbeit als Gatewatching zu beschreiben: Statt einer Bewachung der eigenen Eingangs- und Ausgangstore, die auf eine Beschränkung des Informationsflusses abzielt (also Gatekeeping im konventionellen Sinne), beschreibt Gatewatching die Beobachtung der Ausgangstore von externen Nachrichten- und anderen Quellen mit der Absicht, wichtiges Material zu identifizieren, sobald es verfügbar wird. In der Praxis wird solches Gatewatching meist im Rahmen kollaborativer Nachrichten-Websites möglich gemacht, die es Nutzern erlauben, Berichte über und Links zu neuem Material im Web einzusenden. Die von Nutzern eingesandten Berichte werden dann mehr oder weniger kritisch durch eine Gruppe von Redakteuren oder die weitere Nutzergemeinschaft ausgewertet, oder ohne weitere Auswertung direkt auf der Website veröffentlicht. Gatewatching kann auf allen Stufen des Modells stattfinden (Abb. 2): x Einerseits kann Gatewatching gewissermaßen als eine Vorstufe der Eingangsstufe vorgeschaltet werden – hier unterliegen dann die eingeschickten Infor-
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mationssucher-Berichte noch immer einem Gatekeeping-Regime an der Eingangsstufe und werden nach dem Passieren dieser Stufe von Hausjournalisten weiter aufbereitet. x Andererseits kann die Gatewatchingstufe jedoch auch die konventionelle Selektion von Neuigkeiten an der Eingangsstufe komplett ersetzen. Dies ist besonders dort der Fall, wo wenige oder keine Hausjournalisten zur Verfügung stehen und wo daher ankommende Berichte direkt und unverändert zur Veröffentlichung an die Ausgangsstufe weitergeleitet werden. x Zudem kann eine weitere Form von Gatewatching an der Ausgangs- und Antwortstufe stattfinden (auch als eine interne Form von Gatewatching, in der im Endeffekt die Tore der eigenen Publikation beobachtet werden). Diese Praktiken können unabhängig voneinander existieren. Eine Website wie z. B. Slashdot zeigt, dass es denkbar ist, dass eine Publikation vor oder an der Eingangsstufe Gatewatching praktiziert, jedoch an der Ausgangsstufe eine vereinfachte Form von Gatekeeping beibehält. Abb. 2: Stufen des Nachrichtenprozesses, der für die Nutzer geöffnet und um eine Gatewatching-Stufe ergänzt ist GATEWATCHING
EINGANG
AUSGANG
ANTWORT
Gatewatching von Nachrichtenquellen für alle Nutzer offen
Einsendung von Gatewatchberichten für alle Nutzer offen
Sofortige Publikation oder kollaborative Berichtbearbeitung
Diskussion und Kommentar für alle Nutzer offen
Gatewatcher-Nachrichtenprozess
Der Begriff Gatewatcher ist nützlicher als der des „Gatekeepers“ oder des „Bibliothekars“: Gatewatcher beobachten, welches Material verfügbar und interessant ist, und identifizieren nützliche neue Informationen mit der Absicht, dieses Material in strukturierte und aktuelle Berichte einfließen zu lassen. Im Vergleich zu traditionellen Prozessen wird der Internetredakteur zum Unterstützer statt zum „Türdrachen“, da der „process of filtration is severed from the classic editorial mandate“ (Levinson 1999: 130). Oder in der hier benutzten Terminologie: Eingangs-, Ausgangs- und Antwortstufen des Gatekeepings werden voneinander abgekoppelt.
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Ein weiterer wichtiger Aspekt dieses Modells ist, dass die Nachrichten-Websites, die auf Gatewatching basieren, sich oft weniger mit der Publikation kompletter, fertiger Berichte beschäftigen (also mit der Veröffentlichung im eigentlichen Sinne) als vielmehr mit dem Hinweisen auf Neuigkeiten, die in anderen Informationsquellen neu verfügbar sind (also mit dem „Öffentlichmachen“ oder genauer dem „Öffentlicher-Machen“ solcher Informationen). Ihre Nachrichten haben deshalb oft die Form von Kurzmeldungen oder von Übersichten, die in Linkform Hinweise auf eine Reihe solcher Neuigkeiten kombinieren und deren Relevanz diskutieren, die verschiedene Ansichten zur Bewertung eines Ereignisses bündeln oder die Verbindungen zu anderen, verwandten Themen knüpfen. Meist besitzen GatewatcherSites auch Diskussions- und Kommentarfunktionen, welche es Nutzern sofort ermöglichen, weiteres Material und Links zu Nachrichten hinzuzufügen und damit die Gatewatching-Arbeit auf der Antwortstufe weiterzuführen. 2.3 Warum beobachten?
Anhänger traditioneller journalistischer Nachrichtenproduktionsprozesse mögen kollaborativ produzierende Publikationen dafür kritisieren, dass sie außerhalb der „offiziellen“ Institutionen existieren, die für Nutzer Sinn machen und Wissen schaffen. Als Teilantwort auf dieses Bedenken schlägt Nunberg vor, dass „[audiences] should read Web documents […] not as information but as intelligence, which requires an explicit warrant of one form or another“ (Nunberg 1997: 127f.). Dies ist jedoch eine allzu defensive Antwort, denn das Gatekeeping traditioneller Nachrichtenorganisationen ist im Hinblick auf Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit durchaus zweifelhaft – besonders im Falle der Zeitungen, die in vielen Ländern fast völlig von kommerziellen Interessen gelenkt und in erster Linie durch Anzeigen und nicht durch Leser finanziert werden. Im Web haben Nutzer angesichts einer Überzahl verfügbarer Informationskanäle die freie Wahl, auf welche der selbsternannten Informationsquellen und Nachrichtenpublikationen sie sich verlassen wollen. Mitte der neunziger Jahre sagte Kolb voraus: „[I]n the forest of information and opinion, filled with murmunring voices, we will rely on filters: editors and points of view and digests that we feel we can trust. […] Such guides will multiply and compete with each other; soon metadigests and metajournals will appear.“ (Kolb 1996: 19)
Genau dieser Fall ist nun eingetreten. Levinson ist zuversichtlich, dass dies hilft, unter Nutzern das Verständnis der Welt zu verbessern:
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„Again, there are no guarantees that information we may find on a Web page is truthful – any more than there are guarantees that the information presented to us by the gatekept media of newspapers and television is true. But […] unless every single Web page on a given subject is tainted with the same misinformation, we are likely sooner or later in our extensive browsings on the Web to come across information that exposes the deceptive myth.” (Levinson 1999: 163)
Durch die Vielzahl der Wahlmöglichkeiten mag das Web auch in bedeutsamer Weise zu einer Aushöhlung existierender medieninstitutioneller Hegemonien beitragen: Eine solche Opposition „is more likely to succeed in conditions of hypertextuality than in the print culture, if only because hypertext makes is easier to expose the contradictions and power moves in such texts, and the multiply constructed positions from which they might be read.“ (Snyder 1996: 77)
Darüber hinaus können die Nachrichten-Websites, die auf unabhängiges kollaboratives Gatewatching aufbauen, ihren Nutzern genauso oder noch nützlicher erscheinen als die Sites der Mediengiganten oder der schon lang bekannten OfflineNachrichtenorgane, solange genügend Arbeit in die Erstellung solcher Gatewatchersites eingeflossen ist. Wenn die redaktionellen Methoden an der Ausgangsstufe denen an der Eingangsstufe entsprechen, sind Gatewatcher-Nachrichtensites in der Lage, durch ihre kollaborativen und offenen Prozesse eine Vielzahl an Perspektiven abzudecken, zu verbinden und zu kontrastieren und dadurch letztlich eine bessere Repräsentation verschiedener Meinungen zu jedem Thema zu erreichen, als dies traditionelle Nachrichtenorganisationen können. Das Web als elektronischer Text, der beständig im Wandel und Entstehen ist, lässt sich als „associative“, „cumulative“, „multi-linear“ und „unstable“ (Snyder 1996: 60) beschreiben. Genau diese Offenheit und Instabilität, die neue Strukturen befördert, ermöglicht den Rezipienten, am kollaborativen Gatewatching-Prozess teilzunehmen. Levinson meint daher: „[W]e should […] expect the media to be fundamentally altered in their gatekeeping by the vast publication possibilities of the Web – for these possibilities break the technological and economic bottlenecks of print on paper (and broadcasting on the airwaves), and thus knock the props out from under the media’s rationale for gatekeeping.” (Levinson 1996: 128)
Gatewatching, nicht Gatekeeping stiftet im Internet Nutzen.
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3 Partizipativer Journalismus und multiperspektivische Nachrichten Die Teilnahme von Nutzern als Gatewatcher an oder vor der Eingangsstufe ist bereits erwähnt worden. Ebenso wurde schon deutlich gemacht, dass auf den meisten kollaborativ produzierenden Websites auch die Möglichkeit besteht, zusätzliche Informationen, Ansichten, Kommentare und Links an der Antwortstufe nach der Veröffentlichung des ersten Berichts hinzuzufügen. Alle Nutzer solcher Websites sind daher sowohl potentielle Benutzer (im engen Sinne als Informationsrezipienten) als auch potentielle Produzenten. In der Praxis werden die Unterschiede zwischen Produzenten und Konsumenten im Internet mehr und mehr verwischt. Während Alvin Toffler schon vor Beginn des Internetzeitalters seinen berühmten Begriff „Prosumer“ (oder „Prosument“ als deutsche Übersetzung) eingeführt hat, ist es im heutigen Kontext richtiger, den übermäßig kommerziellen Unterton dieses Neologismus zu vermeiden, da wenige Nutzer kommerziellen Gewinn aus ihrer Beteiligung ziehen. Eine bessere Alternative, welche die Benutzer/Produzent-Hybridität herausstellt, ist daher der Begriff „Produser“ (vgl. Bruns 2008). In einer Reihe von Gatewatcher-Websites wird zusätzlich zur Ersetzung der Eingangsstufe durch eine Gatewatchingstufe auch die redaktionelle Kontrolle an der Ausgangsstufe mehr oder weniger komplett in die Hände der Nutzer gelegt. Je mehr solcher Sites ihre Gatekeeping-Praktiken auch an dieser Ausgangsstufe lockern, desto mehr können sie als Produzenten von „Open News“ in Analogie zu den Prozessen der Open-Source-Softwareproduktion beschrieben werden. Selbst wenn an dieser späteren Stufe des Produktions- und Publikationsprozesses die Präsenz von Redakteuren beibehalten wird, erlaubt uns die kollaborative Natur des Gatewatchings an den anderen beiden Stufen, Gatewatching schon als eine Form von partizipativem Journalismus zu beschreiben. Dieser partizipative Journalismus sollte nicht mit der Bewegung des „Public Journalism“ oder „Civic Journalism“ in den USA verwechselt werden. Solcher Journalismus sieht besonders Zeitungen und ihre Websites als Instrument für die Schaffung einer neuen „bürgerlichen Gemeinschaft“ an, in der Lösungen für aktuelle Probleme durch konstruktive Debatten gefunden werden sollen, die auf Zeitungsseiten durch Redakteure und Journalisten moderiert und geführt werden. Platon und Deuze bemerken dazu: „The notion of ‚us and them’ is still used to describe the difference between journalists and citizens. […] The public journalist is, in other words, still the gate-keeper.“ (Platon/Deuze 2003: 340) Partizipativer Journalismus hingegen ändert die Prozesse der Informationserfassung fundamental. So sagt Cliff Wood, einer der Redakteure der Technologienach-
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richten-Website Slashdot, die vollständig auf Nutzer als Informationsversorger angewiesen ist: „[I]f you take the users away from MSNBC you still have the news. If you take the users from Slashdot, you have a whole lot of nothing.“ (Zitat in Chan 2002: 2. Kapitel) Dies kann als der Wood-Test für Nutzerpartizipation angesehen werden: Würden die Nachrichten auf einer Website grundsätzlich anders aussehen, wenn Nutzer nicht an der Erfassung der Informationen teilnehmen würden? Für die meisten Gatewatcher-Websites ist die Antwort auf diese Frage ein klares „Ja“. 3.1 Von der Partizipation zur Perspektivenvielfalt
Die Gatewatching-Idee ist nicht ohne Vorläufer: Der bekannte Journalismusforscher Herbert Gans kann als eine Art Schutzheiliger angesehen werden (auch wenn wenige Teilnehmer des Gatewatchings mit Gans’ Werk vertraut sein mögen). Schon in den späten Siebzigern drückte Gans seine schweren Bedenken gegenüber der Fähigkeit oder dem Willen der (US-amerikanischen) Hauptnachrichtensendungen aus, eine breite Vielfalt der gesellschaftlichen Meinungen zu den Nachrichten abzudecken. Gans’ Bedenken betrafen also vor allem die Eingangsstufe des journalistischen Prozesses: „[I]deally, then, the news should be omniperspectival; it should present and represent all perspectives in and on America. This idea, however, is unachievable, for it is only another way of saying that all questions are right. It is possible to suggest, however, that the news, and the news media, be multiperspectival, presenting and representing as many perspectives as possible – and at the very least, more than today.” (Gans 1980: 312f.)
Gans’ Problem dabei war, sich vorzustellen, wie eine solche multiperspektivische Berichterstattung im Amerika der späten siebziger Jahre zu realisieren wäre. Heute ist es nicht schwer, ihre Prinzipien im Modus Operandi der Gatewatcher-Websites zu erkennen. Aber zu Gans’ Zeit erschienen die Hindernisse im Mediensystem bei der Einführung multiperspektivischer Berichterstattung als fast unüberwindlich. Gans entwickelte schließlich ein zweiteiliges („two-tier”) Medienmodell, in dem traditionelle „central (or first-tier) media would be complemented by a second tier of pre-exisiting and new national media, each reporting on news to specific, fairly homogeneous audiences“ (ebd.: 318). Multiperspektivische Berichterstattung würde in diesem Modell vor allem in der zweiten Reihe stattfinden, in der Nachrichtenorganisationen aus Kostengründen klein sein müssten (vgl. ebd.: 318). „They would devote themselves primarily to reanalyzing and reinterpreting news gathered by the central media – and the wire services – for their audiences, adding their own commentary and backing these up with as much original reporting, particularly to support bottom-up, representative, and service news as would be financially feasible.” (ebd.: 318)
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Es fällt nicht allzu schwer, dieses Modell als ziemlich treffende Voraussage des Systems aus Mainstream- und alternativen Medien anzusehen, welches heute existiert. Alternative Medien – besonders diejenigen, die online arbeiten und am Gatewatching beteiligt sind – konzentrieren sich in der Tat häufig auf die Neuanalyse und -interpretation von Mainstream-Berichten, eine Vorgehensweise, die Bowman und Willis als „annotative reporting“ beschreiben: „[A]dding to, or suplementing, the information in a given story ist the goal of many participants who believe that a particular point of view, angle or piece of information is missing from coverage in the mainstream media.“ (ebd.: 34f.)
Gleichzeitig bedeutet ihre Fähigkeit, elektronische Netzwerke und billige digitale Geräte zur Nachrichtenproduktion und -distribution zu benutzen, aber auch, dass Netze wie Indymedia und seine Nachfolger nun eine große Menge an eigenen multiperspektivischen Nachrichteninhalten anbieten können, ohne dafür große finanzielle Opfer bringen zu müssen. Aus der Sicht traditioneller Journalisten sind solche Nachrichtenorganisationen in der Tat klein, da sie wenige oder keine Journalisten einstellen. Zur gleichen Zeit jedoch haben sie die Schar ihrer Journalisten aber auch bis zu einem Punkt erweitert, an dem potentiell die gesamte Nutzergemeinschaft als Gatewatcher an verschiedenen Stufen des Prozesses mitarbeitet – gemäß dem Slogan von Indymedia: „Everyone is a witness. Everyone is a journalist. Everyone has a story.“ (Brisbane Independent Media Center o. J.) Man kann argumentieren, dass Gans’ zweiter Bereich der Nachrichtenmedien besonders gut in einem Onlinekontext platziert wäre, und zwar nicht nur aus finanziellen Überlegungen: Multiperspektivische Nachrichten scheinen schlecht zu den traditionellen „One-to-Many“-Modellen des Presse- und Rundfunkjournalismus zu passen, da diese Medien sich beinahe grundsätzlich auf die Anwesenheit von Journalisten oder Redakteuren verlassen, die aus der Unzahl möglicher Perspektiven diejenigen selektieren, die der verfügbaren Sendezeit oder dem vorhandenen Seitenraum angemessen sind, was notwendigerweise das Spektrum der Perspektiven beschränkt, das abgedeckt werden kann. Auf der anderen Seite – auch wenn es keine Garantie dafür gibt, dass es so benutzt wird – erscheint das „Manyto-Many“-Medium Internet für die Repräsentation eines breiten Spektrums von Ansichten, Ideen und individuellen Geschichten viel besser geeignet. Darüber hinaus erwarten und fordern die Netzbenutzer zumindest derzeit wirklich interaktive Elemente, die es ihnen möglich machen, nicht nur das verfügbare Material beliebig abzurufen, sondern auch direkt mit solchen Inhalten zu arbeiten und eigenes Material hinzuzufügen. In den Siebzigern war es für Gans selbstverständlich unmöglich, die Existenz eines so flexiblen und offenen Mediums vorherzusehen.
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Heute dagegen sind multiperspektivische Nachrichten auf kollaborativen Websites selbstverständlich geworden. Darüber hinaus verwirklichen solche Websites auch in höherem Maße die Verheißungen des „Public Journalism“, als sie dieser selbst bislang zu realisieren vermochte. 3.2 Andere Modelle
Allerdings ist hier kein Automatismus am Werke, der unausweichlich zum Entstehen multiperspektivischer Berichterstattung und eines partizipativen Journalismus führt. Solche Berichterstattung hängt nicht nur davon ab, dass Nutzer teilnehmen, sondern auch davon, welche Nutzer teilnehmen – anders ausgedrückt, hängt multiperspektivischer Journalismus davon ab, dass partizipierende Nutzer eine Vielfalt an Perspektiven repräsentieren. Wo diese Bedingung nicht gegeben ist, kann partizipativer Journalismus sogar zu einer Beschränkung verfügbarer Perspektiven führen: Die Gruppendynamik innerhalb der Gemeinschaft mag dazu führen, dass die Informationen, die durch Gatewatching erfasst werden, nur eine etablierte Mehrheitsansicht widerspiegeln und dass gegenläufige Ansichten entweder als irrelevant ignoriert oder durch die Selbstzensur einzelner Teilnehmer unterdrückt werden. In solchen Fällen mag die Präsenz von Redakteuren an der Ausgangsstufe sogar willkommen sein, da sie in der Lage wären, den Mehrheitsansichten gezielt kritische Perspektiven beizugesellen. Zum Beispiel befürchtet der Slashdot-Redakteur Rob Malda, dass eine völlig unredigierte Slashdot-Version zu einer reinen „Bitch at Microsoft“-Website versanden könnte (vgl. Malda 2003). Solche warnenden Bemerkungen sind jedoch nicht dazu angetan, den Wert des Gatewatchings als eine Form der Informationserfassung für Nachrichten-Websites infrage zu stellen. Viele partizipative Nachrichten-Websites praktizieren heute das Gatewatching an der Eingangsstufe, und viele nutzen es auch in unterschiedlichen Varianten an der Ausgangs- und Antwortstufe und produzieren so multiperspektivische Nachrichten. Was sind die Bedingungen für Perspektivenvielfalt? Kann multiperspektivische, partizipative Berichterstattung dadurch ermutigt und kultiviert werden, dass ein spezifisches technologisches, soziales oder intellektuelles Umfeld geschaffen wird? Hängt sie von der Befassung mit bestimmten Themenkreisen oder von einer Unterstützung durch spezielle Teilnehmergruppen ab? Oder sind solche Entwicklungen ganz einfach eine Frage des Zufalls?
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4 Prozesskonfigurationen in Bürgerjournalismus-Websites Die Konfiguration der Nachrichtenflüsse in den verschiedenen Gatewatcher-Websites, die heute oft unter dem Begriff „Bürgerjournalismus“ zusammengefasst werden, spielt sicherlich eine wichtige Rolle – ganz egal, ob solche Konfigurationen von Anfang an geplant waren oder ob sie langsam und organisch aus den Erfahrungen erwachsen sind. Websites wie Slashdot, Indymedia, OhmyNews und die wichtigsten politischen Blogs dienen nur als herausragende Beispiele, die in ein Kontinuum mehr oder weniger „offener“ interaktiver und kollaborativer Nachrichtenformen eingeordnet werden können. Lasica meint: „Everyone knows what audience participation means, but when does that translate into journalism?” (Lasica 2003b) Dies ist vielleicht die grundlegende Frage, aber es ist dennoch zunächst wichtig, Partizipationsformen in Nachrichten-Websites zu studieren, bevor wir uns der Frage widmen, ob diese „Journalismus“ sind. „Interaktivität“ platziert Nutzer im Zentrum des kommunikativen Prozesses, statt sie als relativ passive Rezipienten vorgefertigter Inhalte zu positionieren. Rushkoff (2003: 39) schreibt: „[I]nteractivity reduces our dependence on fixed narratives while giving us the tools and courage to develop narratives together.“ 4.1 Interaktion und Partizipation im P2P-Journalismus
Anderson, Dardenne und Killenberg glauben, dass die neuen „tools of communication in the hands of a communication-savvy public have altered our dated concept of communication. It has changed from sender-focused selection and transmission of messages, controlled by traditional mass media including newspapers, to a liberating, spontaneous, interactive, public-oriented, and public-coauthored network of nearly limitless news and information venues.“ (Anderson/Dardenne/Killenberg 1997: 103)
Das Potential für öffentliche Partizipation im Produktions- und Publikationsprozess war ein Antrieb für die bereits erwähnten Entwicklungen. Es gab den Bedarf für eine Form, die die Werkzeuge der Kommunikation wirklich in die Hände der Öffentlichkeit legt. Rushkoff sieht sehr bedeutende Konsequenzen für eine solche Entwicklung: „[W]e are heading not towards a toppling of the democratic, parliamentary or legislative processes, but towards their reinvention in a new, participatory context. In a sense, the people are becoming a new breed of wonk5, capable of engaging with government and power structures in an entirely new fashion.” (Rushkoff 2003: 63f.)
5 Rushkoffs Originalbegriff „wonk“ ließe sich nur unzureichend als „Wissensträger“ übersetzen. Im Englischen bezeichnet man zum Beispiel Leute, die die politischen Programme bestimmter Parteien
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Ob eine solche Hoffnung wirklich berechtigt ist, wird sich noch zeigen müssen. Zunächst ist es erst einmal wichtig, zu untersuchen, wie weit direkte, unkontrollierte Nutzer-zu-Nutzer-Interaktion (oder anders ausgedrückt: „Peer-to-Peer“-Interaktion, abgekürzt „P2P“) möglich ist. Es scheint daher nützlich zu sein, Gatewatcher- und „Open News“-Websites als eine Form von „Peer-to-Peer“-Websites zu klassifizieren. Vielleicht ist sogar ein Begriff wie „P2P-Journalismus“ angebracht. Allgemein aufgefasst, fußen P2P-Publikationen auf Systemen für eine verteilte Produktion, Redaktion und Qualitätskontrolle von Nachrichten. Daran ist wichtig, dass der zentrale Server dennoch einen hohen Grad unkontrollierter, direkter Partizipation und Interaktion zwischen „Gleichen“ erlaubt. Verwendet man eine soziale (statt technologische) Definition von „Peer-to-Peer“, ist es dieser Grad der Interaktivität, der die „P2P-ness“ eines Publikationssystems bestimmt. Für eine weitgehend uneingeschränkte Interaktivität ist es notwendig, dass sich Redakteure und andere mächtige Vermittler aus dem Publikationsprozess soweit wie möglich heraushalten oder dass sie an dem Prozess dort, wo sie beteiligt sind, in der Rolle als „einfache Nutzer“ und „Gleiche unter Gleichen“ teilnehmen statt als „WebsiteBetreiber“. Die Auflösung formaler Rollen führt jedoch nicht automatisch zu einer Gleichheit unter den Teilnehmern. Wenn sie noch als Betreiber zu erkennen sind, werden selbst Betreiber, die als „einfache Nutzer“ teilnehmen, noch immer einen größeren Einfluss ausüben können als andere Teilnehmer. Außerdem ist im Internetkontext die Wichtigkeit einzelner Teilnehmer für den Kommunikationsprozess natürlich auch durch die Häufigkeit und Qualität ihrer Beiträge bedingt (und Systeme wie die Karmapunkte in Slashdot basieren auf diesem Umstand), sodass die Gleichheit „einfacher Nutzer“ in einer Internetpublikation auch davon abhängt, wie weit kleine Gruppen zentraler Teilnehmer noch immer in der Lage sind, die Debatte zu kontrollieren. Allgemein hängt daher die Gleichheit nicht nur von den explizit vergebenen Rollen der Teilnehmer ab (als Website-Betreiber, Redakteur, Beitragsautor, Nutzer), sondern auch von ihrem impliziten Status (als häufiger Beitragsautor, gelegentlicher Teilnehmer oder „Lurker“, als anerkannter Experte, verständnisvoller Kommentator, provokativer Quertreiber oder irrelevanter Störer). Und natürlich sind solche unterschiedlichen Rollen auch für die Fortführung der P2P-Interaktion nützlich. Was P2P-Publikationen einschränken würde, wäre eine Situation, in der bis zum letzten Komma kennen, als „policy wonks“. Hier spielt die Bedeutung eines nahezu überinformierten „Geek“ mit hinein.
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solche Rollen im Publikationssystem vorgegeben sind oder – mit anderen Worten – wo es Teilnehmern unmöglich gemacht würde, ihren Status zu ändern, weil sie nicht Teil einer existierenden Nutzerclique sind. 4.2 Klassifikationskriterien für P2P-Publikationen
Im Lichte der vorangegangen Diskussion ist es nun möglich, eine Zahl von Kriterien für die Klassifikation von Internetpublikationen zu benennen. Diese Kriterien sind: 1. Partizipation an der Eingangsstufe: Inwieweit sind Nutzer in der Lage, Material in den Nachrichtenproduktionsprozess einfließen zu lassen? 2. Partizipation an der Ausgangsstufe: Inwieweit sind Nutzer in der Lage, Beiträge, die veröffentlicht werden sollen, zu redigieren oder anderweitig zu bearbeiten? 3. Partizipation an der Antwortstufe: Inwieweit sind Nutzer in der Lage, Beiträge zu kommentieren, zu erweitern, zu filtern oder zu bearbeiten, nachdem diese veröffentlicht worden sind? 4. Zentralität des Gatewatchings: Inwieweit ist eine Website darauf fokussiert, eigene Nachrichten oder Kommentare zu Berichten zu veröffentlichen, die Resultat von Gatewatching sind? 5. Feste Rollen: Inwieweit sind spezifische Rollen (Redakteur, Nutzer, NurLeser) im Produktionsprozess vorgegeben? 6. Nutzermobilität: Inwieweit können Teilnehmer durch die Häufigkeit und Qualität ihrer Beiträge an Status gewinnen oder verlieren? 7. Zentralisierung der Organisation: Inwieweit ist der technologische und institutionelle Aufbau, der der Website zugrunde liegt, zentralisiert (Server, Mitarbeiterteams)?
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Abb. 3: Übersicht über das Kontinuum der Nachrichten-Websites, klassifiziert nach den hier vorgestellten Kriterien 5
4
3
1
Partizipation an der Ausgangsstufe 2
1
Partizipation an der Antwortstufe 2
1
Gatewatching 2
1
Feste Rollen 2
1
Nutzermobilität 2
1
Zentralisierung 2
1
konventionelle Homepages
individuelle Blogs (z.B. jill/txt) Gruppenblogs (z.B. Crooked Timber)
Blog-Netzwerk-Kanäle (z.B. Reddit) Metablogs (z.B. Technorati)
Open-News-Bearbeitung (z.B. Wikinews) Open News ohne Aufsicht (z.B. Indymedia)
Open News mit Nutzeraufsicht (z.B. Kuro5hin) Open News mit Redakteur (z.B. OhmyNews) Gatewatching unter Aufsicht (z.B. Slashdot)
geschlossenes Gatewatching (z.B. MediaChannel)
Blogs
kollaborative Nachrichtensites
Multinutzerblogs
Open News
konventionelle Nachrichtensites
0
Partizipation an der Eingangsstufe 2
0
5
4
3
0
5
4
3
0
5
4
3
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4
3
0
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4
3
0
5
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Mit diesen Kriterien ist es möglich, Internetpublikationen zu klassifizieren (vgl. Abb. 3).6 In der dargestellten Übersicht verdeutlicht der Linienverlauf die Stärke der Ausprägung bestimmter Merkmale von Websites. Nicht alle Beispiele sind explizit Nachrichten-Websites oder „partizipative“ Publikationen. Die Einbe-ziehung weiterer Formen macht es möglich, das Umfeld des Kontinuums der P2PPublikationen im Internet sichtbar zu machen. Die Darstellung zeigt, dass die Tendenz, auf die redaktionelle Kontrolle zu verzichten, an der Eingangsstufe ausgeprägter ist als an der Ausgangs- oder Antwortstufe. Dies ist wenig überraschend: Eingangskontrollen können gelockert werden, ohne dass unbedingt das endgültig veröffentlichte Resultat großartig beeinflusst werden müsste, solange die Ausgangskontrollen beibehalten werden. Der einzige direkte Effekt einer Lockerung an der Eingangsstufe ist ein Wachstum der Menge an Nachrichtenmaterial, das veröffentlicht werden könnte. Ein solcher Zuwachs mag für so manche Nachrichtenorganisation und so manchen Journalisten nützlich sein. Die Einschätzung des Blogger-Journalisten Dan Gillmor: „[M]y readers know more than I do“ (zitiert nach: ONA 2001), kann hier als Beispiel dienen. Es überrascht auch nicht sonderlich, dass eine strikte Definition fester Teilnehmerrollen (in Kategorien wie Redakteur, Nutzer und Nur-Leser) sich fast direkt umgekehrt proportional zur Nutzermobilität verhält: Wo wenig getan wird, um Nutzern Partizipationsmöglichkeiten als „Produser“ zu bieten, ist es ihnen natürlich verwehrt, einen anderen Status zu erreichen. Damit verbunden ist auch der Grad der organisatorischen Zentralisierung der hier untersuchten NachrichtenWebsites: Je zentralisierter eine Website ist, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass sie einen hohen Grad an Rollenmobilität bietet. Eine technologische Zentralisierung impliziert vermutlich die Präsenz einer kleinen Gruppe von Teilnehmern, welche die Technologie kontrollieren und dadurch andere Teilnehmer ausschließen. Dies wirft ein bedeutendes Problem auf, ganz besonders für Netzwerke zentralisierter Websites wie zum Beispiel das Indymedia-Netzwerk. Vielleicht am interessantesten ist das Gatewatching in den Zwischenregionen dieses Kontinuums: zwischen zentralisierten Websites und dezentralisierten Netz6 Die Übersicht wurde 2004/05 im Rahmen einer qualitativen Untersuchung einer gemischten Auswahl von Open-News-Angeboten und verwandten Websites erstellt (für eine ausführliche Darstellung vgl. Bruns 2005). Darin eingeschlossen waren Nachrichten-Websites wie Slashdot, Indymedia, Kuro5hin, Plastic und MediaChannel sowie individuelle bzw. Gruppen-Blogs, BlogAggregatoren und Blog-Suchmaschinen wie Technorati, Blogdex, und Daypop. Hier dargestellt ist eine Bewertung der Angebote in Bezug auf die eingeführten Kriterien. Dabei ist weniger die exakte Bewertung einzelner Websites wichtig als vielmehr das Kontinuum verschiedener Bürgerjournalismusmodelle, das durch den Vergleich sichtbar wird.
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werken, zwischen offenen und geschlossenen partizipativen Modellen. Dass Gatewatching hier am wichtigsten ist, hat in beiden Fällen seinen Sinn: Wo Websites nur beschränkt für Nutzerpartizipation offen stehen, ist es die den sonstigen Betrieb am wenigsten störende Option, Nutzer als Gatewatcher an oder vor der Eingangsstufe teilnehmen zu lassen (anstatt zum Beispiel als Mitredakteure an der Ausgangsstufe). Die Logik ist hier, dass – unabhängig von der Qualität des von Nutzern beigetragenen Materials – deren Partizipation der Website nicht schadet, da Qualitätskontrollen noch immer an der Ausgangsstufe vorgenommen werden können. Ab und an mögen Nutzer in der Tat Material einsenden, das andernfalls den professionellen Mitarbeitern entgangen wäre. Genauso brauchen von einem technologischen Standpunkt aus halbdezentralisierte Websites ihre Gatewatcher-Teilnehmer ganz besonders: Vollständig dezentralisierte Netzwerke (zum Beispiel in der Blogosphäre) können zumeist auf eine Gruppe von Teilnehmern bauen, die groß genug ist, um eine ausreichende Menge an Originalmaterial zu produzieren, sodass sie nur einen beschränkten Bedarf an Gatewatchern haben, wohingegen vollständig zentralisierte Websites eventuell zu stark entweder von professionellen Journalisten oder von individuellen Amateuren kontrolliert werden, als dass sie erfolgreich mit Gatewatcher-Material arbeiten könnten. Hier muss allerdings auch bemerkt werden, dass nur die Zentralität von Gatewatching-Praktiken für den Betrieb der Websites gemessen worden ist: Gatewatching bleibt auch in vollständig offenen Nachrichten-Websites wichtig, obwohl solche Sites das Erstellen eigener Berichte im Anschluss an die erste GatewatchingStufe herausheben und daher für dieses Kriterium nur einen niedrigen Wert erreichen. Für sie ist Gatewatching eine wichtige Stufe, aber nur Mittel zum Zweck – nicht Daseinszweck an sich. 5 Symbiosen zwischen industriellem und partizipativem Journalismus Schlussendlich zeigt das obige Kontinuum auch, wie eine für beide Seiten, d. h. die Journalismusindustrie und ihr partizipatives Gegenstück, positive Kooperation aussehen kann. Die Verwirklichung einer solchen nützlichen Symbiose hängt vor allem von einer mehr kooperativen, weniger kompetitiven Einstellung von Seiten der Mainstream-Nachrichtenorganisationen ab. Erforderlich dafür ist „acceptance of and adaption to […] the communal ethos of websites“ (Carroll 2004). „[I]nstead of looking at blogging and traditional journalism as rivals for readers’ eyeballs, we should recognize that we’re entering an era in which they complement each other, intersect with each other, play off one another. The transparency of blogging has contributed to news organi-
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zations becoming a bit more accessible and interactive, although newsrooms still have a long, long way to go.” (Lasica 2003a: 73)
Zusätzlich zu dieser komplementären Verbindung, die mit der von Gans vorgeschlagenen zweiteiligen Medienstruktur hochgradig kompatibel ist, verweist die Idee einer symbiotischen Verbindung zwischen traditionellen Nachrichtenorganisationen und kollaborativen Nachrichten-Websites erneut auf das Bild eines Ökosystems, zu dem auch der Begriff „Blogosphäre“ passt. Bowman und Willis meinen, dass sich dieses Ökosystem sehr viel weiter, nämlich über die Blogosphäre hinaus bis in den Mainstream hinein erstreckt: „[W]hat is emerging is a new media ecosystem […], where online communities discuss and extend the stories created by mainstream media. These communities also produce participatory journalism, grassroots reporting, annotative reporting, commentary and fact-checking, which the mainstream media feed upon, developing them as a pool of tips, sources and story ideas. (Bowman/Willis 2003: 13)
Am Ende scheint es daher unwahrscheinlich, dass einer der spezifischen Punkte auf diesem Kontinuum in absehbarer Zeit verschwinden wird. Stattdessen ist es eher wahrscheinlich, dass die Beziehungen zwischen der journalistischen Profession und den alternativen Praktiken, zwischen dem, was als „Mainstream“- und als „Nischen“-Nachrichtenpublikation eingestuft wird, noch vielfältiger wird. Rosenberg meint sogar, dass die Frage, ob Nachrichtenblogs und andere kollaborative Nachrichten-Websites den traditionellen Journalismus „zur Strecke bringen“ („kill off“) werden, selbst aus der Mottenkiste altmodischer journalistischer Modelle der Berichterstattung stammt: „[T]he debate is stupidly reductive – an inevitable byproduct of […] the traditional media’s insistent habit of framing all change in terms of a ‚who wins and who loses?’ calculus. The rise of blogs is not a zero-sum game. Increasingly, in fact, the Internet is turning into a symbiotic ecosystem – in which the different parts feed off one another and the whole thing grows.” (Rosenberg 2002)
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Axel Bruns
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Eine Frage des Blickwinkels?
Die Fremd- und Selbstdarstellung von Bloggern und Journalisten im öffentlichen Metadiskurs Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
Profiblogs? Profimedien? Willkommen in der Grauzone. Don Alphonso (2005), Blogbar
1 Formatbildung und Metadiskurs im Internet In diesem Aufsatz wird der Frage nachgegangen, wie das Verhältnis zwischen Weblogs und Journalismus öffentlich dargestellt wird: Wie beschreiben und bewerten Blogger und Journalisten sich selbst und ihr jeweiliges Gegenüber? Welche Fremdund Selbstbilder zeichnen sie? Im Folgenden geht es also um die publizierten Beiträge beteiligter Beobachter. Diese Perspektive unterscheidet sich sowohl von der subjektiven Sichtweise von Bloggern und Journalisten in ihrer Gesamtheit als auch von Ergebnissen wissenschaftlicher Untersuchungen der Beziehung (vgl. Neuberger/Nuernbergk/Rischke 2007). Der Weblog-Diskurs ist also eine dritte Perspektive. Sie zu untersuchen, ist deshalb wichtig, weil die öffentliche Thematisierung die Einstellungen der Rezipienten und ihr Handeln prägen kann. Über Rückkopplungen kann sie sowohl die „Blogosphäre“ als auch den Journalismus beeinflussen, z. B. dadurch, dass der Diskurs zum Blogschreiben und -lesen motiviert oder die Glaubwürdigkeit von Weblogs und Journalismus bestimmt. Formate wie das Weblog sind das Ergebnis der Institutionalisierung eines neuen Mediums (zum Folgenden vgl. Neuberger 2005a: 74-76). Ein technisches Medium legt seinen Gebrauch, also den Ablauf der Kommunikation nicht fest, sondern schränkt nur die Möglichkeiten seiner Verwendung ein. Deshalb muss zwischen dem technischen Potenzial eines Mediums das mal mehr, mal weniger Optionen
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eröffnet und seinem selektiven Gebrauch unterschieden werden. Die Möglichkeiten eines Mediums sind vor allem in der Frühphase sichtbar, in der mit der noch ungeregelten Technik experimentiert wird. Im Prozess der Institutionalisierung wandelt sich das technische Medium in ein institutionelles Medium.1 Formate (bzw. Medienschemata, Gattungen, Genres, Angebotstypen) sind „sozial verfestigte und formalisierte Muster kommunikativer Handlungen“ (Günthner/Knoblauch 1994: 702). Mit ihrer Hilfe wird der Umgang mit Medienangeboten routinisiert und intersubjektiv abgestimmt. Formate steuern die (Erwartungs-) Erwartungen zwischen Anbietern und Nutzern (vgl. Schmidt/Weischenberg 1994: 218f.); sie entlasten sowohl die Produktion als auch die Rezeption. 2 „Medienschemata“, so bezeichnet sie Schmidt (1994: 172f.), besitzen eine kognitive und eine kommunikative Seite: Akteure verfügen über Schemawissen, das sie im Laufe der Sozialisation erworben haben; in der Kommunikation selbst werden Schemabezeichnungen verwendet. Schemabezeichnungen signalisieren den Rezipienten metakommunikativ, welches Schemawissen er aktivieren muss, um ein Medienangebot „richtig“, d. h. im Sinne des Kommunikators zu interpretieren. Schemata dienen nicht nur in kognitiver Hinsicht der Orientierung, sondern legen auch in evaluativer Hinsicht allgemeine Ansprüche an das Format fest: Sie definieren sowohl die Identität eines Formats („Was ist ein Weblog“?) als auch die Qualität, die von ihm erwartet wird („Was ist gutes, was ist schlechtes Bloggen?“). Das Internet verfügt allerdings über zwei Eigenschaften, welche die Herausbildung von Formaten erschweren und eine metakommunikative Abstimmung zwischen den an der Kommunikation Beteiligten notwendig machen (zum Folgenden vgl. Neuberger 2005a: 76-81): Seine Multioptionalität und Dezentralität sind für die Verfestigung von Formaten hinderlich. Der Mangel an Orientierung macht Missverständnisse, Täuschungen und Fehlprognosen wahr-
1 „Die Entwicklung einer neuen Technik zu einem sozialen Medium erfordert [...] den Aufbau sozialer Regelsysteme und Instanzen, durch die die Verwendungsweisen eines technischen Artefakts in einem bestimmten kommunikativen Kontext definiert werden.“ (Kubicek/Schmid/Wagner 1997: 26) Ansätze zur Diffusion und Aneignung neuer Medien werden im Überblick dargestellt bei Karnowski/von Pape/Wirth (2006). 2 „Wenn jedes einzelne Medienangebot von Grund auf und in allen Aspekten jeweils neu erfaßt, benannt und in Zusammenhänge eingeordnet werden müßte, wäre unser Bewußtsein ebenso wie die gesellschaftliche Kommunikation überfordert. Kann man einzelne Medienangebote dagegen schon im Rahmen einer bestimmten Vorerwartung, im Rahmen eines allgemeinen Einordnungsschemas wahrnehmen, dann erspart das sonst höchst aufwendige Bewußtseins- und Kommunikationsarbeit.“ (Schmidt/Weischenberg 1994: 217)
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scheinlicher. Die vielen übertriebenen Hoffnungen und Befürchtungen, die das Internet geweckt hat, zeugen davon. Da Kommunikationsabläufe in weiten Teilen des Internets kaum vorstrukturiert sind, müssen sie im Einzelfall immer wieder ausdrücklich thematisiert und abgestimmt werden. Das Internet schafft hier allerdings selbst Abhilfe: Die Möglichkeit der kommunikativen Partizipation vereinfacht die mitlaufende Metakommunikation. Dies erklärt den hohen Stellenwert, den die Selbstthematisierung des Internets im Internet besitzt. Die öffentliche Thematisierung des Medium ist Teil seiner Institutionalisierung (vgl. zum Folgenden: Neuberger 2005b). Hier werden die Möglichkeiten des noch wenig erprobten Mediums Internet erwogen, Erwartungen formuliert, Erfahrungen ausgetauscht, Fälle des innovativen Gebrauchs bekannt gemacht, neue Phänomene auf den Begriff gebracht, Formate definiert sowie ihre Stärken und Schwächen erörtert. Ein besonderer Rang kommt darin einzelnen Schlüsselereignissen (vgl. Geyer 2004) und Schlüsseltexten zu, den Manifesten und Thesenkatalogen, die Pioniere oder Vordenker des Internets verfasst haben (vgl. Neuberger 2005b: 77-79). 2 Das Format „Weblog“ und der Metadiskurs über Weblogs Das Weblog ist ein Format, das wie andere Internetformate („Community“, „Portal“, „Podcast“ etc.) im Hinblick auf Identität und Qualität nur relativ vage bestimmt ist. Der Grad der Konsentierung, Formalisierung und Normierung ist hier eher gering (verglichen mit den Formaten in Rundfunk und Presse) (vgl. Brandl 2002: 14-38).3 In wissenschaftlichen Texten wird dieser Punkt oft vernachlässigt. Hier besteht die Neigung, Bezeichnungen aus der Praxis mehr Präzision und Konsens zu unterstellen, als sie tatsächlich besitzen. Formate und ihre Genese sind bisher nur selten zum Gegenstand empirischer Forschung geworden (vgl. Neuberger 2005a: 78f.).4
3 Über die Definition eines Formats können Konsens oder Dissens herrschen. Formate können formalisiert (in Hand- und Lehrbüchern wie z. B. die journalistischen Darstellungsformen) und normiert sein (in Kodizes und Gesetzen wie z. B. die Regeln des Nachrichtenjournalismus). 4 Formate im Internet wurden in Befragungen von Anbietern, Nutzern und Experten (vgl. Brandl 2002; Dillon/Gushrowski 2000; zu Weblogs vgl. Neuberger 2005a), quantitativen Inhaltsanalysen des öffentlichen Metadiskurses (zu Weblogs vgl. Sommerhäuser 2004; Savova 2005) und der Angebote selbst (zu Weblogs vgl. Herring/Scheidt/Bonus/Wright 2004) sowie in qualitativen Genreanalysen (vgl. Dillon/Gushrowski 2000; Eriksen/Ihlström 2000; zu Weblogs vgl. Miller/Sheperd 2004) untersucht. Inwieweit sich national eigenständige Weblog-Kulturen herausgebildet haben, ist in international vergleichenden Studien noch kaum erhellt worden (vgl. Schlobinski/Siever 2005).
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Wie hoch die Übereinstimmung bei der Zuweisung von Definitionsmerkmalen ist, wurde im Jahr 2003 in einer nicht-repräsentativen Befragung von Anbietern thematischer Weblogs untersucht. Die Blogger sollten offen die drei wichtigsten Merkmale eines Weblogs nennen (vgl. Neuberger 2005a: 83). Das meistgenannte Merkmal war die (häufige, regelmäßige, schnelle) Aktualisierung (65%, n=133 Befragte). Die Behandlung privater Themen und die subjektive Perspektive sowie die Einbettung von Links war für annähernd die Hälfte (jeweils 49%) eines der drei wichtigsten Merkmale. Weniger als ein Viertel der befragten Blogger (23%) gab die chronologische Sortierung der Beiträge an. Darüber hinaus wurden viele weitere Merkmale genannt. Der Eindruck, dass die Einigkeit über die Weblog-Definition gering ist, wurde dadurch bestätigt, dass nur 30% (n=135) der Blogger die Bezeichnung „Weblog“ für „eindeutig“ hielten. Fast die Hälfte (47%) nannte sie „nicht ganz eindeutig“, und immerhin knapp ein Viertel (23%) bewertete die Bezeichnung als „mehrdeutig“. Versuche, das Bloggen durch einen Kodex zu normieren, sind bislang ohne größeren Erfolg geblieben (vgl. z. B. Beckedahl 2007; Beck 2008). Allerdings werden Verstöße gegen verbreitete Normen öffentlicher Kommunikation (Plagiate, Schleichwerbung etc.) im Metadiskurs durchaus registriert und beanstandet (vgl. z. B. Rötzer 2006a, 2006b; Schindler 2007). Preise und Ranglisten tragen ebenfalls zur Klärung der Qualitätsmaßstäbe bei.5 In der repräsentativen Befragung von Lenhart/Fox (2006: 11) gaben in den USA 2005/2006 viele Blogger die Auskunft, sich an journalistische Normen zu halten. So sagte jeweils rund ein Drittel (35%), häufig Fakten zu überprüfen und auf Originalquellen durch Links zu verweisen. 11% korrigierten oft nachträglich Fehler. Rund ein Drittel (34%) der befragten Blogger definierte sich selbst als „Journalist“. Auch Armborst (2006: 162-182) stellte in seiner nicht-repräsentativen Befragung deutschsprachiger Blogger 2005 eine verbreitete Akzeptanz journalistischer Normen fest. Erklärt werden kann dies u. a. damit, dass viele Blogger selbst jour5 In einigen Fällen ließ sich eine Professionalisierung von Weblogs beobachten, die zu einer Annäherung an den Journalismus führt. Beispiele dafür stammen zumeist aus den USA (vgl. Haller 2007). Als Anzeichen für eine Professionalisierung des Bloggens in Deutschland kann gelten, dass auch hier bekannte Blogger neuerdings im Kontext der Websites traditioneller Massenmedien produzieren: Don Alphonso schreibt seit Januar 2009 das Blog „Stützen der Gesellschaft“ für faz.net (faz-community.faz.net/blogs/stuetzen/default.aspx). Mario Sixtus veröffentlicht sein Videoblog Elektrischer Reporter seit 2008 auf der Website des ZDF (elektrischerreporter.zdf.de/ZDFde/ inhalt/17/0,1872,7402225,00.html). Durch die Versteigerung seines Weblogs Basic Thinking auf eBay hat Robert Basic im Januar 2009 den Marktwert des populärsten deutschen Weblogs ermittelt. Das Blog wurde für 46.902 Euro verkauft (vgl. Tagesspiegel 2009).
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nalistische Erfahrungen besitzen, also mit den Standards des Berufs vertraut sind (vgl. Neuberger 2005: 88; Armborst 2006: 157f.). Gleichwohl hielt die Mehrheit der deutschen Internetnutzer nach der repräsentativen ARD/ZDF-Online-Studie 2008 Weblogs nicht für glaubwürdig („weniger“: 56%, „gar nicht“: 15%) (vgl. Fisch/Gscheidle 2008: 360).6 Auch Formate besitzen einen Lebenszyklus: In der (Selbst-)Beobachtung wird versucht, ihre „Geburtsstunde“ zu rekonstruieren und einen „Erfinder“ namhaft zu machen. Jørn Barger soll das Wort „Weblog“ im Jahr 1997 eingeführt haben (zur Frühgeschichte vgl. Blood 2002). Oft gehen – wie auch im Falle des Weblogs – neue Formate aus alten hervor, deren Merkmale und Namen sie übernehmen und weiterentwickeln („Logbuch“, „Tagebuch“) (vgl. Himmer 2003; McNeill 2003). Die Dynamik des Internets führt rasch zur Ausdifferenzierung von Subformaten (vgl. Bruns/Jacobs 2006) und auch zum Bedeutungsverlust, falls neue Formate die Funktion übernehmen. Auch das Format „Weblog“ könnte nach den Ergebnissen der repräsentativen ARD/ZDF-Online-Studie bereits seinen Zenit überschritten haben (vgl. Fisch/Gscheidle 2006: 436; Gscheidle/Fisch 2007: 400; Fisch/Gscheidle 2008: 358):7 Eine zumindest seltene (rezeptive und/oder kommunikative) Nutzung von Weblogs wurde im Jahr 2006 von 7% der befragten User (ab 14 Jahren) angegeben, im Jahr 2007 von 11%, im Jahr 2008 aber nur noch von 6%. Andere Web 2.0-Formate wie Wikipedia (60%), Videoportale (51%), private Netzwerke und Communitys (25%) sowie Fotocommunitys (23%) erreichten 2008 längst eine deutlich höhere Nutzung als Weblogs (vgl. Köcher 2008). Den Rückgang der Weblog-Nutzung erklären Fisch/Gscheidle (2008: 363) damit, dass Communitys „zahlreiche Funktionsüberschneidungen zu den Weblogs“ besitzen: Auch sie erfüllten den Wunsch, sich zu präsentieren und zu vernetzen, seien aber komfortabler und umfassten auch noch weitere Funktionen. Weblogs waren in den letzten Jahren Gegenstand eines breiten Diskurses. Die Suche nach Identität und Qualitätsmaßstäben ist unter Bloggern weit verbreitet.8 6 Weitere Studien zur Glaubwürdigkeit im Überblick bei Neuberger/Nuernbergk/Rischke (2007: 107). 7 Darüber hinaus wurde im Jahr 2008 registriert, dass die Verlinkungsdichte der meistverlinkten deutschen Weblogs tendenziell abnimmt (vgl. Basic 2008; Graff 2008). Hier wurde u. a. eine Abwanderung zum Microblogging-Dienst Twitter vermutet. Die Rolle von Twitter als journalistisch relevantes Angebot wurde aus Anlass der Terroranschläge in Mumbai 2008 jedoch eher kritisch gesehen (vgl. Stöcker 2008). 8 Erstaunlich oft haben sich Blogger auch des Mediums „Buch“ für die Dokumentation ihrer Weblogtexte und die Analyse des Weblog-Phänomens bedient (vgl. z. B. Don Alphonso/Kai Pahl 2004; Trippi 2004; Reynolds 2006; Scoble/Israel 2006).
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Häufig wurden Vergleiche zwischen dem Format „Weblog“ und älteren, vertrauten Formaten gezogen, in erster Linie mit dem Journalismus. Diese Vergleiche dienen der Einordnung des Phänomens „Weblog“. Referenzpunkte des Diskurses bilden außerdem Schlüsselereignisse, die in der „Blogosphäre“, aber auch darüber hinaus im Internet und in den klassischen Massenmedien Resonanz gefunden haben. Sie haben die äußeren Anlässe geliefert, um über allgemeine Fragen des Bloggens zu diskutieren. x Zu diesen Schlüsselereignissen zählen Fälle, in denen es Bloggern gelungen ist, Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Medien zu skandalisieren und dadurch ihren Einfluss zu demonstrieren. Diese Fälle sind in die „Blog-Folklore“ (Sixtus 2005: 159) eingegangen und werden häufig nacherzählt. Dazu gehören in Deutschland der „Fall Jamba“, in dessen Mittelpunkt die zweifelhaften Verkaufspraktiken des Handy-Klingelton-Vertreibers Jamba standen (vgl. Fischer 2006), und der „Fall Transparency International Deutschland“ (vgl. Basic 2006). Anlass war hier der Versuch der Organisation, WeblogBerichte über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Mitarbeiterin zu unterdrücken. x Andere Schlüsselereignisse waren überraschende Negativereignisse, bei denen Weblogs oft schneller, detaillierter und authentischer als klassische Medien berichten konnten. Beispiele dafür sind die Terroranschläge am 11. September 2001, der Irakkrieg im Jahr 2003, über die „Warblogs“ berichteten,9 die Tsunami-Katastrophe Ende 200410 sowie im Jahr 2005 die Bombenanschläge in London (vgl. Neue Zürcher Zeitung 2005) und die Überschwemmung von New Orleans (vgl. Patalong 2005; Will 2005). Inzwischen scheint es zur Normalität geworden zu sein, dass im Fall von Kriegen, Konflikten und Katastrophen Weblogs Berichte und Bilder „aus erster Hand“ liefern. Bei diesen Schlüsselereignissen gelang der Sprung von Themen aus der „Blogosphäre“ in die klassischen Massenmedien (vgl. Rademaker 2008). Weblogs dienten hier den Redaktionen nicht nur als Quelle, sondern ihre Aktivitäten veranlassten auch zur Beschäftigung mit dem Format „Weblog“ in Metatexten. Mit ihrer höheren Reichweite dürften Presse und Rundfunk die Vorstellungen über Weblogs immer noch in weiten Teilen der Bevölkerung prägen – vor allem natürlich unter jenen, die über keine unmittelbaren Erfahrungen mit ihnen verfügen.
9 Vgl. Neuberger/Eiglmeier/Sommerhäuser (2005); Wall (2005). 10 Vgl. Gelinsky (2005); Hellweg (2005); Staun (2005).
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Obwohl sich auch die traditionellen Massenmedien oft mit Weblogs beschäftigen, ist ihr Bekanntheitsgrad erstaunlich gering geblieben. Die Bedeutung des Weblog-Phänomens wird dadurch stark relativiert, dass auch im Jahr 2008 noch drei Viertel (76%) der Internetnutzer ab 14 Jahren sagten, sie wüssten nicht, was ein Weblog ist (vgl. Fisch/Gscheidle 2008: 360). Selbst unter den 14- bis 19-Jährigen lag der Anteil jener, denen Weblogs unbekannt waren, bei 73%. 3 Weblogs und Journalismus – ein gespanntes Verhältnis Metadiskurse leisten nicht nur einen Beitrag zur Orientierung und Formatbildung. Sie sind zugleich Austragungsort von Konflikten: Mit Journalisten und Bloggern stoßen Repräsentanten der alten und der neuen „Medienwelt“ aufeinander, die um die Deutungshoheit ringen und ihre jeweiligen Interessen verfolgen. Der Journalismus ist dabei nicht nur Verteidiger des „Status quo“, der das Überleben von Presse und Rundfunk sichern will, sondern expandiert selbst ins Internet und versucht, die professionelle, am Markt orientierte Produktion und Verbreitung aktueller Informationen dorthin zu übertragen (vgl. Nguyen 2008). Eine zweite Konfliktlinie verläuft also zwischen professioneller (redaktionell organisierter, hoch standardisierter) Berichterstattung einerseits und partizipativer (vernetzter, gering standardisierter) Kommunikation andererseits. Der professionelle Journalismus versucht durch öffentliche Kritik, seine Standards zu verteidigen und die Konkurrenz der Weblogs abzuwehren (vgl. Lowrey 2006; Carlson 2007). Wie ändern sich generell die Voraussetzungen für Journalismuskritik im Internet? Die öffentliche Artikulation von Kritik am Journalismus, die nicht aus dem Journalismus selbst stammt, hatte es in der Vergangenheit schwer, denn es war – zumindest in den aktuellen Massenmedien Presse und Rundfunk – der Journalismus, der sie als Zielscheibe der Kritik auch unterdrücken konnte. Als „Gatekeeper“, der den Zugang zur Öffentlichkeit reguliert, konnte der Journalismus selbst darüber entscheiden, was er an Kritik zuließ. Dies gilt für Detailkritik, wie sie z. B. in Leserbriefen geäußert wird, aber auch für jene Kritik, die auf den Journalismus als Ganzes abzielt, die also pauschal das System und die Journalisten als Kollektiv treffen will. Sie fand wenig Resonanz, weil die Journalisten an der Bestandssicherung ihrer Profession ein gemeinsames Interesse besitzen (vgl. Malik 2008: 440f.).11 Zwar äußern auch Journalisten ihre Besorgnis 11 Solche aufs Ganze zielende Kritik am Journalismus stammt oft von Wissenschaftlern, und zwar nicht nur von Kommunikationswissenschaftlern (Schelsky, Postman, Bourdieu, Sloterdijk etc.), und von Schriftstellern (Kraus, Hesse, Enzensberger, Böll, Handke, Walser etc.). Sie verfügen mit dem Medi-
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über allgemeine Fehlentwicklungen und Missstände im Journalismus, dies geschieht aber eher in der beruflichen Fachöffentlichkeit und nur ausnahmsweise vor dem eigenen Publikum (etwa dann, wenn von der eigenen redaktionellen Verantwortung abgelenkt werden soll [vgl. ebd.: 443]).12 Journalistische Selbstkritik ist also zumeist partielle Kritik an einzelnen Produkten, Redaktionen oder an Teilbereichen des Journalismus. Außerdem bleibt sie durch „Beißhemmungen“ gegenüber Berufskollegen begrenzt.13 Im Internet entgleitet dem Journalismus die Kontrolle über die JournalismusKritik: Die Anschlusskommunikation des Publikums findet nun zum Teil öffentlich statt. Die Resonanz auf die Angebote der Massenmedien wird auf speziellen Websites angeregt und gebündelt (vgl. Bresch 2004). Darüber hinaus sind journalismuskritische Websites entstanden, auf denen sich Experten und Interessenvertreter, aber auch Journalisten zu Wort melden (vgl. Fengler 2008). Das bekannteste Beispiel für ein solches „Watchblog“ ist in Deutschland das Bildblog (vgl. Mayer et al. 2008; Schönherr 2008). Doch nicht nur „Watchblogs“, sondern auch viele andere Weblogs befassen sich zumindest punktuell kritisch mit dem Journalismus. Dass Journalisten empfindlich auf diese Kritik aus dem Internet reagieren, hat vermutlich einerseits mit ihrem traditionellen Rollenverständnis zu tun: Sie sind keinen Widerspruch gewohnt, wenn sie vor ihr Publikum treten. Andererseits hat ihre „Dünnhäutigkeit“ sicherlich auch mit der gegenwärtigen Verunsicherung der Profession zu tun, für die das Internet mitverantwortlich ist. Wenn der Wettbewerbsdruck steigt, wächst vermutlich auch die Neigung, für das eigene Haus, das eigene Medium und die eigene Profession Stellung zu nehmen und Kritik abzuwehren.
um Buch auch noch über eine alternative Publikationsmöglichkeit. Es gab also auch schon in der Vergangenheit für Journalismuskritik „Schlupflöcher“ in die Öffentlichkeit, die der Journalismus nicht kontrollieren konnte. Eine Analyse des Metadiskurses über den Journalismus, die über den Medienjournalismus hinausgeht, steht noch aus. 12 Qualitätsmedien scheinen die Strategie zu verfolgen, durch die kritische Auseinandersetzung mit dem (übrigen) Journalismus und dem Internet (vgl. Stegers 2008: 49) sich selbst als „Leuchtturm“ zu positionieren und das Qualitätsbewusstsein ihres Publikums zu schärfen. Als Motiv kann hier die langfristige Sicherung des eigenen Markterfolgs vermutet werden. Hinweise dafür finden sich z. B. in der Süddeutschen Zeitung, die in Serien journalistische Vorbilder vorgestellt hat (vgl. Jakobs/Langenbucher 2004) und sich mit der Zukunft des Journalismus befasst (vgl. SZ 2008). 13 In der journalistischen Journalismuskritik werden schon wegen der Aktualitätsorientierung eher nur Teilaspekte thematisiert. Die Kritik wird zwar durch die ökonomische Konkurrenz angeregt, die allerdings auch dazu führen kann, dass der Journalismus für Eigeninteressen der Medienunternehmen instrumentalisiert wird (vgl. Engels 2005a: 106-109; Engels 2005b: 422-426; Malik 2005: 45f.; Malik 2008: 438-444).
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Bevor die Ergebnisse einer systematischen Inhaltsanalyse des Weblog-Journalismus-Diskurses vorgestellt werden, sollen im folgenden Exkurs zunächst exemplarisch Äußerungen wiedergegeben werden. Exkurs: Chronik eines Beziehungsproblems – was Blogger und Journalisten übereinander schreiben Kaum ein anderes Thema erhitzt im deutschen Internet so sehr die Gemüter wie die Beziehung zwischen Bloggern und Journalisten. Diese Chronik dokumentiert einige der herausragenden Konfliktanlässe. Sie erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit oder auf eine systematische Auswahl der Fälle und der dazu zitierten Belege (im Unterschied zu der im Folgenden dargestellten Inhaltsanalyse).14 Provokant vorgetragene Negativurteile über Weblogs von Seiten der Journalisten (vgl. als Überblick: Mrazek 2007) haben immer wieder zu heftiger Gegenwehr unter Bloggern geführt. Vor allem publizistische Irrelevanz, Qualitätsmängel und unfaires Verhalten wurden den Weblogs zum Vorwurf gemacht: Mathias Müller von Blumencron, damals Spiegel Online-Chefredakteur, sagte 2004 in einem Interview mit Onlinejournalismus.de, dass „99 Prozent der Blogs einfach nur Müll oder zumindest journalistisch einfach nicht relevant sind. Es handelt sich um eine interessante Entwicklung, die aber den Journalismus nicht grundsätzlich verändern wird.“ (zitiert nach: Mrazek 2004) Nach dem Urteil von Thomas Leif (2006), TV-Chefreporter des SWR, handelt es sich bei Bloggern „oft um selbstverliebte Egozentriker, die ihren Mitteilungsdrang befriedigen wollen. Das ist legitim, aber keine journalistische Haltung. Viele Blogs sind gespickt mit Anfeindungen, Unterstellungen und systematischer Provokation. Es werden beispielsweise bewusst andere niedergemacht, ohne dass der Blogger jemals persönlich mit ihnen in Kontakt getreten ist. Dadurch lenkt er jedoch Aufmerksamkeit auf sich selbst und genießt den Hype, der um ihn herum entsteht.“ Nicht zitierfähige Bewertungen von Weblogs sind von den Journalisten Hans-Ulrich Jörges (Stern) (vgl. Sixtus 2007) und Hajo Schumacher (vgl. Mrazek 2007: 11) überliefert. Vor allem die Qualitätspresse kommentiert regelmäßig das Geschehen in der „Blogosphäre“. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) pflegt „ein zwiespältiges Verhältnis zum Netz“ (Stegers 2008: 49): Die „Ritter der Schwafelrunde“ betitelte Alex Rühle (2006) im Februar 2006 seine Kritik am „mystischen Erlösungsgerede“ über das Internet: „[D]er narzisstische Glaube vieler Blogger, schon im Moment ihrer Blogeröffnung eine kritische politische Gegenöffentlichkeit zu sein, die implizite Behauptung, das Medium selbst sei Garant für bestechend unabhängige Qualität und ritterliches Tun, kann ermüden.“ Im April 2007 legte Martin Schoeb (2007) in einem SZ-Bericht über die Berliner Tagung re:publica nach, in dem er die Abgeschlossenheit der Weblog-Prominenz kritisierte: „Das obere Bloggerhundert will anscheinend alles selbst machen, alles wissen, alles können, aber mit niemandem außerhalb des Gemeinwesens etwas zu tun haben.“ Auch Simon Feldmer (2007) vertrat im Mai 2007 in der Süddeutschen die Auffassung, dass Blogger mit ihren Fragen vor allem um sich selbst kreisen: „Meist bieten die Antworten einen meinungsstarken Abgesang auf klassische Medienangebote, vor allem auf Printtitel wie Zeitungen und Magazine. Das eigene Tun wird hingegen gerne zur neuen Kulturtechnik hochgeschrieben. Äußert sich ein Autor einer Zeitung vermeintlich unqualifiziert über das Bloggen, bricht schon kurz nach dem Frühstückskaffee ein digitales Unwetter los. Dann wird zurechtgerückt, verbessert und wieder über das Bloggen an sich gebloggt.“
14 Das Geschehen in der deutschen „Blogosphäre“ wird in der Metatext-Kolumne „Blogblick“ der Netzeitung (netzeitung.de/medien/blogblick) gut zusammengefasst.
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Johannes Boie (2007) beschrieb die deutsche „Blogosphäre“ im August 2007 in der SZ ebenfalls als geschlossenen Zirkel ohne größere gesellschaftliche Relevanz. Dessen Beteiligte seien in einem „dauerhaften Clinch“: „Der andauernden Selbstzerfleischung liegt etwas Trauriges inne, denn Weblogs haben großes Potential.“ Die Versuche, das Bloggen durch Werbeerlöse zu professionalisieren, würden „kritisch beäugt“. Blogger hielten in ihren Kommentaren gegen und bestritten ihre Irrelevanz (vgl. Heinen 2007). Noch einmal wurde die Auffassung von der „Selbstreflexion als Daseinszweck“ im Juni 2008 von Niklas Hofmann (2008) in der SZ vertreten. Im Dezember 2007 schrieb der SZ-Internetredakteur Dominik Graff (2007) als Aufmacher der Wochenend-Beilage eine Polemik unter der Überschrift „Web 0.0“, die mit der Unterzeile versehen war: „Das Internet verkommt zu einem Debattierklub von Anonymen, Ahnungslosen und Denunzianten. Ein Plädoyer für eine Wissensgesellschaft mit Verantwortung.“ Gegen die Idealisierung des partizipativen Internets setzte Graff die These: „Sie zerfleddern – wie es gerne auch wir Zeitungsmenschen tun – jedes Thema. Sie tun dies aber oft anonym und noch öfter von keiner Sachkenntnis getrübt. Sie zetteln Debattenquickies an, pöbeln nach Gutsherrenart und rauschen dann zeternd weiter. Sie erschaffen wenig und machen vieles runter. Diese Diskutanten des Netzes sind der Diskurstod, getrieben von der Lust an Entrüstung.“ (ebd.) Auch hier waren die Reaktionen quasi vorprogrammiert (vgl. Stegers 2008). „Wo seid ihr?“ fragte Harald Staun (2007) im Mai 2007 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS): „Es wäre an der Zeit, dass sich im langen Schwanz der deutschen Blogs auch Partikularinteressen jenseits von Alltag und Technik einnisten; dass sich ein paar Blogger finden, die sich nicht nur an Kochrezepten und Youtube abarbeiten, sondern an abseitigen Themen wie dem Klimawandel, dem Theater, der SPD oder der deutschen Außenpolitik.“ Zu einem Rundumschlag gegen Weblogs („Lauter Blogwarte“) holte Richard Wagner (2008) im November 2008 in der FAS aus: „Beim Blick in die unendlichen Räume des Netzes macht einen das Gewimmel von bloß Gemeintem, Halbgarem, von Pöbeleien, Befindlichkeitstiraden und geistigen Feuchtgebieten grausen.“ Im Juli 2008 befasste sich der Spiegel unter der Überschrift „Die Beta-Blogger“ mit der angeblich geringen publizistischen Relevanz deutscher Weblogs und verwies auf Kritik aus den eigenen Reihen. Eröffnet wurde der Beitrag mit dem scharfen Urteil: „Deutsche Online-Schreiber haben ein Problem entdeckt: sich selbst. Im Vergleich zu ihren US-Kollegen fehlt es ihnen an Macht und Bedeutung, um die öffentliche Debatte mitzubestimmen. Die meisten sind unpolitisch und rechthaberisch, selbstbezogen und unprofessionell.“ (Brauck/Hornig/Hülsen 2008) In der FAS (vgl. Niggemeier 2006; Albrecht/von Rauchhaupt/Reinecke), SZ (vgl. von Gehlen 2006) und Zeit (vgl. von Randow 2006, 2007) erschienen aber auch wohlmeinende Beiträge, in denen den Lesern das „Web 2.0“ erklärt werden sollte. Eher selten waren Rundfunkbeiträge Stein des Anstoßes. Für Widerspruch sorgte im Januar 2005 ein Beitrag im Sat.1-Wissenschaftsmagazin Planetopia über Weblogs, in dem sich die dafür interviewten Blogger in ein schlechtes Licht gerückt sahen (vgl. Krempl 2005). Blogger reagieren aber nicht nur auf journalistische Beiträge, in denen sie sich falsch dargestellt fühlen. In der Fülle der Weblogbeiträge zum Verhältnis zwischen Weblogs und Journalismus finden sich auch Texte, in denen prominente Blogger versuchen, allgemeine Thesen über die Beziehung aufzustellen: Don Alphonso (2004: 26) nannte „ein Dutzend gute Gründe, warum die Weblogs für die Profis tödlich werden können“, warum Weblogs „der Sargnagel für die professionellen Medien im Internet“ werden könnten. Zahlreiche weitere Beiträge Don Alphonsos zum Thema finden sich im Weblog Blogbar. Jörg Kantel (2006), der das Weblog Schockwellenreiter schreibt, stellte „5 Thesen zu einem Mißverständnis“ auf, deren erste lautet: „Weblogs und Journalismus haben nichts miteinander zu tun.“ Sehr früh befasste sich Jochen Wegner (2002), Chefredakteur von Focus Online und Blogger, in einem Text mit der Überschrift „Die wilde Ehe des Journalismus“ mit der Beziehung. Besondere Aufmerksamkeit erhielten Versuche von Redaktionen, selbst in der „Blogosphäre“ Fuß zu fassen, wie sie z. B. die Redaktionen der Zeit und der SZ unternommen haben (vgl. Mrazek
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2007: 13). Im Januar 2008 traf die Kritik Jens Jessen, den Feuilletonchef der Wochenzeitung Die Zeit, der in einem Videoblog die Gewalttat jugendlicher Ausländer gegen einen deutschen Rentner in der Münchener U-Bahn zum Anlass nahm, einen Kommentar über deutsche Spießer und die Intoleranz gegenüber Ausländern in die Kamera zu sprechen. Neben der heftigen inhaltlichen Ablehnung des Kommentars (vgl. Jessen 2008; Knipphals 2008; Schneeberger 2008) richtete sich die Kritik auch gegen Jessens unbeholfenen Rollenwechsel vom „Leitartikler“ zum Blogger (vgl. Posener 2008) und seinen wenig professionellen Auftritt vor der Kamera (vgl. Brauck 2008). Zwischen Bloggern und Journalisten verläuft keine klare Trennlinie: Unter den bloggenden Journalisten gibt es akzeptierte „Grenzgänger“, die eher die Sache der Blogger vertreten, etwa die freien Journalisten Stefan Niggemeier (2007) (Bildblog, Stefan-Niggemeier.de) und Mario Sixtus (Sixtus.net, Elektrischer Reporter) oder der Handelsblatt-Redakteur Thomas Knüwer (Indiskretion Ehrensache). Einen heftigen Schlagabtausch lieferten sich im Dezember 2008 innerhalb der Redaktion, aber öffentlich die beiden Handelsblatt-Mitarbeiter Thomas Knüwer und Sönke Iwersen – der eine vertrat die Seite des Internets, der andere jene des Druckmediums (vgl. Knüwer 2008). Sensibel reagierten Blogger, wenn Redaktionen die Publikationsmöglichkeiten ihrer Nutzer oder auch der eigenen Mitarbeiter einschränkten. Dies war z. B. der Fall, als im August 2007 ein Weblog-Beitrag von Alan Posener gelöscht wurde, in dem der Redakteur der Welt am Sonntag den Bild-Chefredakteur Kai Diekmann kritisiert hatte (vgl. Feldmer 2007; NZZ Online 2007). Der Konflikt wird nicht nur in Blogs, auf den journalistischen Websites oder in Beiträgen von Presse und Rundfunk ausgetragen, sondern auch im Rahmen von Podiumsdiskussionen. Eine Diskussionsrunde wurde z. B. im Januar 2008 vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV) in Berlin organisiert (vgl. Schröder 2008), nachdem der DJV-Vorsitzende Michael Konken gefordert hatte, im Online-Journalismus den „Müll von Qualität“ zu trennen, und Weblogs als „Tummelplatz von Menschen“ bezeichnet hatte, „die zu feige sind, ihre Meinung frei und unter ihrem Namen zu veröffentlichen“ (zitiert nach: Rüther 2008). Hier stellt sich generell die Frage, inwieweit die öffentlichen Äußerungen von Bloggern und Journalisten repräsentativ für die Positionen in den beiden Gruppen sind. Offenbar gibt es einen kleinen Kreis prominenter Blogger, der sich häufig zu dieser Frage zu Wort meldet, der um Interviews gebeten wird, auf Podien auftritt und deshalb oft in den Medien zitiert und auch porträtiert wird (vgl. Thiel 2008; Weichert/Zabel 2009). Auch „sachfremde“ Motive können im Weblog-Diskurs nicht ausgeschlossen werden: Für beide Seiten gilt, dass sich den Protagonisten Profilierungs- und damit auch Karrierechancen eröffnen. Stellungnahmen der Journalisten könnten auch durch Konkurrenzangst, so wird zumindest häufiger vermutet (vgl. Mrazek 2007: 11; Sixtus 2007), und persönliche Kränkung veranlasst sein. Aufgebauscht wird die Gefahr aus der „Blogosphäre“ in den Medien auch aus einem anderen Grund: Wie Rudolph (2007) zeigen konnte, versuchen „Change Agents“ durch ihre öffentlichen Äußerungen, Unternehmen davon zu überzeugen, dass sie präventive Maßnahmen gegen Weblogs ergreifen müssten, die sie ihnen zugleich als Dienstleistungen offerieren. Diese Anmerkungen zu Inhalten, Struktur und Akteuren des Weblog-Diskurses müssen an dieser Stelle vorläufig bleiben. Sie sollten aber in jedem Fall dazu bewegen, klar zwischen Aussagen des Weblog-Diskurses und „belastbaren“ Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung zu unterscheiden (vgl. Neuberger 2006). Aussagen aus dem Weblog-Diskurs sollten nicht ohne kritische Prüfung und Einordnung in den wissenschaftlichen Kontext übernommen werden, auch wenn dort unbestreitbar originelle Arbeitshypothesen und wichtige Detailinformationen zu finden sind. Literatur: Albrecht, Jörg/von Rauchhaupt, Ulf/Reincke, Jochen (2007): Wie viel Weisheit steckt im Web 2.0? In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Nr. 4 v. 28.01.2007, S. 61-63. Boie, Johannes (2007): Weit abgeschlagen. In. Süddeutsche Zeitung. Nr. 184 v. 11./12.08.2007, S. 15. Brauck, Markus (2008): Ende der Unschuld. Internet. In: Der Spiegel. Nr. 4 v. 21.01.2008, S. 146.
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Brauck, Markus/Hornig, Frank/Hülsen, Isabell (2008): Die Beta-Blogger. In: Der Spiegel. Nr. 31 v. 21.07.2008. http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,567038,00.html (07.08.2008). Don Alphonso (2004): Ein Dutzend Gründe, warum Blogs den Journalismus im Internet aufmischen werden. In: Don Alphonso/Kai Pahl (Hrsg.): Blogs! Text und Form im Internet. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf, S. 2343. Feldmer, Simon (2007): Immer schön im Bild bleiben. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 122 v. 30.05.2007, S. 19. Graff, Bernd (2007): Web 0.0. In: Süddeutsche Zeitung. Beilage „Süddeutsche Zeitung Wochenende“. Nr. 283 v. 08./09.12.2007, S. I. Heinen, Stephan (2007): „Aber wir sind doch gar nicht so doof!“ In: Netzeitung. 14.08.2007. http://www.netzeitung.de/medien/blogblick/711337.html (15.08.2007). Hofmann, Niklas (2008): „Draußen“ ist kein Thema. Nachrichten aus dem Netz (54). In: sued-deutsche.de. 01.06.2008. http://www.sueddeutsche.de/kultur/136/302132/text/ (11.08.2008). Jessen, Jens (2008): Erschrocken. In: Zeit online. 15.01.2008. http://images.zeit.de/text/online/ 2008/03/intoleranzantwort (21.01.2008). Kantel, Jörg (2006): Weblogs und Journalismus: 5 Thesen zu einem Mißverständnis. In: Schockwellenreiter. 10.9.2006. http://www.schockwellenreiter.de/gems/5thesen.pdf (12.2.2007). Knipphals, Dirk (2008): Mit Hate Mails verbündet. In: taz.de. 19.01.2008. http://www.taz.de/1/ leben/medien/artikel/1/mit-hate-mails-verbuendet/ (21.01. 2008). Knüwer, Thomas (2008): Weil der Journalist sich ändern muss. In: Indiskretion Ehrensache. 01.12.2008. http://blog.handelsblatt.de/indiskretion/eintrag.php?id=1981 (08.12.2008). Krempl, Stefan (2005): Planetopia vom Bloggerhype überfordert. In: Der Spindoktor. 18.01.2005. http://www.spindoktor.de/2005/01/planetopia-vom-bloggerhype-berfordert.html (27.01.2005). Leif, Thomas (2006): „Blogger sind oft selbstverliebte Egozentriker“. In: Spiegel Online. 03.02.2008. http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,398523,00.html (03.02.2006). Mrazek, Thomas (2007): Fingerübungen. In: journalist. H. 7, S. 10-13. Neuberger, Christoph (2006): „Weblogs = Journalismus“? Kritik einer populären These. In: Diemand, Vanessa/Mangold, Michael/Weibel, Peter (Hrsg.): Weblogs, Podcasting und Videojournalismus. Neue Medien zwischen demokratischen und ökonomischen Potenzialen. Heidelberg: dpunkt, S. 107-135. Niggemeier, Stefan (2006): Das Publikum an der Macht. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Nr. 4 v. 29.01.2006, S. 29. Niggemeier, Stefan (2007): Wir und die sind wir. In: die tageszeitung. Nr. 8462 v. 22./23.12.2007, S. 19. NZZ Online (2007): Der Preis der Lohntüte. In: NZZ Online. 31.08.2007. http://www.nzz.ch/ 2007/05/18/em/articleF6PLR.html (31.08.2007). Posener, Alan (2008): Jens Jessen und die Freiheit der Blogosphäre. In: Apocalypso. Welt online. 19.01.2008. http://debatte.welt.de/weblogs/148/apocalypso/56632/ (21.01.2008). Rudolph, Dominik (2007): Wie man Unternehmen zum Bloggen bringt. Die Diffusion der Gattung „Corporate Blog“ als Innovation. Unveröff. Magisterarbeit, Kommunikationswissenschaft, Universität Münster. Rühle, Alex (2006): Die Ritter der Schwafelrunde. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 28 v. 03.02.2006, S. 13. Rüther, Tobias (2008): Die Front gibt es nicht. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 10 v. 12.01.2008, S. 33. Schneeberger, Ruth (2008): Wenn sie losgelassen. In: sueddeutsche.de. 21.01.2008. http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/559/153169/ (20.08.2008). Schoeb, Martin (2007): Holzmichl. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 90 v. 18.04.2007, S. 44. Schröder, Burkhard (2008): Die heilige Einfalt der Holzmedien. In: Telepolis. 13.01.2008. http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27054/1.html (14.01.2008). Sixtus, Mario (2007): Die Angstbeißer. In: medium magazin. H. 8/9, S. 55. Staun, Harald (2007): Wo seid ihr? In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. 05.05.2007. http://www. faz.net/s/Rub475F682E3FC24868A8A5276D4FB916D7/Doc~EB86D394356EA414D9E66635E93787C2D~AT pl~Ecommon~Scontent.html (16.11.2008). Stegers, Fiete (2008): Reflex statt Reflexion. In: journalist. H. 2, S. 48f.
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4 Forschungsfrage, Auswahlverfahren und Untersuchungsmaterial In einer quantitativen Inhaltsanalyse wurde folgende generelle Forschungsfrage untersucht: Wie thematisieren Journalisten und Blogger sich selbst und wechselseitig in der Öffentlichkeit? Das heißt: Welches Selbst- und Fremdbild zeichnen sie in ihren Beiträgen? Bei den ausgewählten Metatexten handelt es sich um Texte, die von Bloggern oder Journalisten verfasst wurden. Vor allem die Auswahl von Texten aus Weblogs, die nur schwer nach Reputation oder Reichweite differenzierbar sind, erforderte eine gute Begründung. Die Textauswahl orientierte sich an Erfahrungen, die seit 2002 am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster gesammelt worden sind.15 Die Auswahl der Texte wurde zunächst zeitlich beschränkt: Berücksichtigt wurden Beiträge von Januar 2001 bis Juni 2006. Savova (2005: 60) konnte vor 2001 keine Texte identifizieren, die sich mit dem Verhältnis von Weblogs und Journalismus beschäftigten. Eine Recherche in der Pressedatenbank LexisNexis bestätigte dieses Ergebnis. Der Zeitraum von fünfeinhalb Jahren deckt somit auch die Anfänge des Diskurses ab. Medial beschränkte sich die Auswahl auf Metatexte aus dem Internet und aus der Presse. Im Bereich des Journalismus wurden sowohl Fachmedien als auch universelle Angebote einbezogen, von denen bekannt war, dass sie das Thema häufiger 15 In einem zweisemestrigen Projektseminar (2002/2003) wurden Metatexte zur Erforschung verschiedener Internetformate analysiert (vgl. Neuberger 2005a). Fruchtbar waren auch die Magisterarbeiten von Sommerhäuser (2004) und Savova (2005). Gegenüber diesen Vorstudien wurde zum einen eine spezielle Blogsuchmaschine für die Textauswahl eingesetzt, zum anderen erforderte das Untersuchungsdesign eine breiter angelegte, aufwendigere Suchstrategie.
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aufgegriffen hatten. Rundfunkbeiträge wurden nicht ausgewertet (wegen des schlechten Zugangs zu den Archiven), ebenso wenig wissenschaftliche Texte (wegen ihrer geringen Relevanz für den Weblog-Diskurs). Untersucht wurden insgesamt 183 journalistische Beiträge aus Spiegel, Spiegel Online, Netzeitung, Journalist, Onlinejournalismus.de und Telepolis. Die Texte wurden durch Recherchen in den Archiven dieser Angebote mit Hilfe bestimmter Suchwörter ermittelt.16 Die Beiträge aus Weblogs wurden in einem mehrstufigen Verfahren ausgewählt. Zwischen elf Suchmaschinen, die gezielt Weblogs erfassen und durchsuchen (Technorati, Google Blogsearch, Blogpulse etc.),17 wurde zunächst auf der Basis mehrerer Suchanfragen im Juni 2006 ein Leistungsvergleich durchgeführt. Die Gesamtzahl der Treffer zu den einzelnen Suchwörtern wurde verglichen und die Qualität der Ergebnislisten stichprobenhaft überprüft. Als Blogsuchmaschine wurde schließlich Technorati ausgewählt. Technorati produzierte bei deutschsprachigen Suchwortanfragen die meisten Einzeltreffer. Nach der Auswahl einer Blogsuchmaschine wurden Suchanfragen gestellt und die Trefferlisten verschiedener Wortpaare (z. B. „Journalismus Blogosphäre“) in eine gemeinsame Rangordnung überführt. Gesucht wurden Texte, die sich mit dem Verhältnis von Weblogs und Journalismus beschäftigen. Durch die Verwendung mehrerer Wortpaare sollte die sprachliche Varianz bei der Behandlung des Themas berücksichtigt werden. Das Ranking diente der Identifikation relevanter Weblogs, wobei es darauf ankam, mit wie vielen Einzeltexten ein Weblog in den Trefferlisten vertreten war. Ein Posting, das in mehreren Listen auftauchte, wurde bei der Bildung der Rangordnung nur einmal für das betroffene Weblog gewertet. Das aus den Trefferlisten gebildete Ranking enthielt 287 Weblogs mit 855 relevanten Postings.18 Dabei war die Verteilung sehr ungleich: Wenige Weblogs veröffentlichten sehr viele Beiträge zu den Suchwortkombinationen.
16 Bei der Suche in Archiven journalistischer Angebote und in Weblogs wurden identische Suchanfragen gestellt (z. B. „Journalismus Weblogs“, „Journalismus Blogs“, „Journalismus Blogosphäre“). Die Listen wurden um Dubletten bereinigt. 17 Einen empirisch fundierten, informationswissenschaftlichen Überblick zu Funktionen und Leistung von Blogsuchmaschinen geben Thelwall/Hasler (2007). 18 Die manuell vorgenomme Bereinigung musste kleinschrittig erfolgen: Technorati zeigte je Suchwortkombination zunächst nur 20 Treffer auf einer Bildschirmseite an. Sobald die jeweils nächsten Treffer angefordert wurden, also die nachfolgenden Ergebnisse 21-40, wurde die Suchanfrage erneut berechnet. Dadurch kam es insbesondere bei längeren Trefferlisten zu unerwarteten Verschiebungen einzelner Ergebnisse, die dann innerhalb einer Suchwortkombination plötzlich mehrfach auftauchten. Trotz dieser Problematik wurden alle Suchwortlisten vollständig, d. h. bis zum letzten Einzeltreffer durchgesehen.
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Die folgenden fünf Weblogs mit den meisten Treffern wurden weiter analysiert: Blogbar (blogbar.de), PR-Blogger (prblogger.de), Netzjournalist (netzjournalist.twoday.net), Schockwellenreiter (schockwellenreiter.de) und Dienstraum (dienstraum.com).19 Die Postings zum Verhältnis von Weblogs und Journalismus wurden über Anfragen für diese Weblogs selbst ermittelt.20 Kommentare und Trackbacks, die direkt an die untersuchten Postings anschlossen, wurden bei der Auswahl nicht berücksichtigt. Auf diese Weise konnten 474 Metatexte in den fünf ausgewählten Blogs ermittelt werden. Das Untersuchungsmaterial in den journalistischen Angeboten und den Weblogs umfasste damit insgesamt 657 Beiträge, die in einem weiteren Schritt einer Relevanzprüfung unterzogen wurden: Nur solche Artikel und Postings, die sich erkennbar im Schwerpunkt mit dem Verhältnis von Weblogs und Journalismus beschäftigten, wurden vollständig codiert. 231 Beiträge (35%) verblieben, in denen sich der Autor in über der Hälfte des Textumfangs mit dem gesuchten Thema auseinandersetzte. Die Analyseeinheit war nicht der gesamte Text, sondern jeder einzelne Aussageträger innerhalb eines Textes, wobei neben den zitierten Aussageträgern auch der Autor des Textes als Aussageträger erfasst wurde. So ließen sich in der Auswertung die Perspektiven von Aussageträgern in unterschiedlichen Rollen und Publikationskontexten unterscheiden. Insgesamt wurden 545 Aussageträger erfasst. Die Codierung von Aussageträgern erwies sich als komplex: Der gleiche Aussageträger kann innerhalb eines Textes mit mehreren Aussagen auftauchen, die sich unter Umständen widersprechen und gegeneinander abgewogen werden müssen. Das sechsköpfige Codierteam wurde über mehrere Wochen hinweg geschult und mit den Co-
19 Das Weblog der Journalismus-Studiengänge an der Hochschule Darmstadt (blog.journalismusdarmstadt.de) wurde im zweiten Auswahlschritt nicht mehr berücksichtigt, da das Angebot zu wissenschaftsnah ist. Ein Teil der Beiträge, die zunächst zur Auswahl des Angebots über die Trefferlisten der Suchmaschine Technorati geführt hatten, erwies sich zudem als irrelevant, da das Suchwort „Blogosphäre“ über eine ständige Kategorie in der Navigationsleiste abgedeckt wurde und nicht über den zu prüfenden Inhalt der Texte. Das im Trefferlisten-Ranking an Platz 6 gelistete „Medienweblog“ Dienstraum von Michael Genova (dienstraum.com) rückte für das Weblog der Hochschule Darmstadt nach. Die interne Prüfung ergab hier, dass im Vergleich wesentlich mehr relevante Beiträge vorlagen. 20 Nicht alle Weblogs verfügten über eine eigene interne Suchfunktion. In diesen Fällen wurden die Suchwortkombinationen, die auch bei der Suche in den journalistischen Archiven verwendet wurden, über Google abgefragt. Dort können Ergebnisse nur für eine Domain angefordert werden.
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dierregeln vertraut gemacht.21 Das Codebuch enthielt zu allen relevanten Variablen neben den Definitionen Beispiele, die als Entscheidungshilfe dienten. 5 Untersuchungsdimensionen Das Codebuch umfasste mehrere Forschungsdimensionen, die entsprechend der möglichen Beziehungen zwischen Weblogs und Journalismus entwickelt wurden: x Pauschale Aussagen zu Identität und Qualität (vgl. Abschnitt 6.3): Sind Weblogs für die Aussageträger allgemein (eine neue/andere Art von) Journalismus? Schreiben sie ihnen pauschal eine bessere Leistung zu als dem Journalismus? x Spezifische Aussagen zu Identität und Qualität (vgl. Abschnitt 6.4): Einen großen Teil der Codierung machten spezifische Merkmale und ihre Bewertung durch die Aussageträger aus. Wurde beispielsweise das Merkmal „Subjektivität“ in einem Text angesprochen, so wurde zunächst festgehalten, ob es sich dabei um eine isolierte Einzelbetrachtung des Journalismus bzw. der Weblogs handelt oder um einen Vergleich zwischen beiden unter diesem spezifischen Gesichtspunkt. Lag eine Einzelbetrachtung vor, wurde vermerkt, in welchem Grad das Merkmal (vollständig/teilweise/nicht) vom Aussageträger zugeschrieben wurde und ob der Aussageträger dieses (Nicht-)Vorhandensein eines Merkmals explizit positiv oder negativ bewertet hat. Darüber hinaus wurde bei zitierten Aussageträgern festgehalten, ob der Autor dessen Beschreibungen und Bewertungen ausdrücklich teilte oder ablehnte. x Vergleich (vgl. Abschnitt 6.4): Wurde von den Codierern festgestellt, dass es sich um einen Vergleich handelt, wurde hier codiert, ob nach Einschätzung des Aussageträgers Weblogs oder Journalismus das Merkmal „Subjektivität“ mehr, in gleichem Maße oder weniger besitzen. Auch bei einem Vergleich 21 Vor dem Beginn der Codierung wurde die Intercoderreliabilität zu den inhaltlichen und den formalen Variablen im Paarvergleich nach Holsti ermittelt. Die Intercoderreliabilität wurde nach Abschluss der Codierung erneut geprüft. Die Werte für inhaltliche Variablen schwankten vor der Codierung in den Variablengruppen zwischen 0,79 (Vergleichsdimension, Dimension Identität) und 0,98 (Ereignisdimension). Nach Abschluss der Codierung wurden in denselben Gruppen Werte von 0,84 (Vergleichsdimension, Dimension Identität) und 0,99 (Ereignisdimension) erzielt. Die Auswertungen beziehen sich auf zehn mögliche Paarungen; die Aussagen jedes zugrunde liegenden Aussageträgers wurden durch fünf teilnehmende Codierer überprüft. Sechs Texte mit elf Aussageträgern wurden analysiert. Das Codebuch umfasste 108 auswertungsrelevante Variablen. Weitere 48 Variablen, mit denen die explizite Zustimmung oder Ablehnung des Autors hinsichtlich bestimmter Aussagen der zitierten Aussageträger erfasst wurde. In den Texten des Samples tauchten solche Bewertungen nicht auf (sie waren auch im gesamten Material nur sehr selten zu finden), weshalb dafür kein Wert ausgewiesen werden kann.
Eine Frage des Blickwinkels?
145
wurde geprüft, ob der Aussageträger eine Eigenschaft für gut oder schlecht befand und ob ihm der Autor, falls die Aussage zitiert wurde, bei der Beschreibung und der Bewertung zustimmte oder nicht (was allerdings nur sehr selten vorkam). x Konkurrierende oder komplementäre Beziehung (vgl. Abschnitt 6.5): In dieser Dimension wurden die möglichen Beziehungen zwischen Weblogs und Journalismus analysiert: Stehen sie in einer Konkurrenz- oder Komplementärbeziehung? Die Beziehungen wurden differenziert aus der Perspektive des Journalismus und aus jener der Weblogs erfasst. So wurde z. B. festgehalten, ob nach Auffassung der Aussageträger Journalismus Themen, Meinungen, Fakten und Interpretationen aus Weblogs übernimmt oder ob dies umgekehrt der Fall ist, also ob Weblogs sich beim Journalismus bedienen. x Schlüsselereignisse (vgl. Abschnitt 6.6): In dieser Dimension wurde erhoben, ob bestimmte Schlüsselereignisse, die einen Bezug zum Verhältnis von Journalismus und Weblogs haben, angesprochen wurden. x Kooperation und Integration (vgl. Abschnitt 6.7): Die letzte Dimension umfasste Variablen zu Kooperationen zwischen Bloggern und journalistischen Anbietern und zu Weblogs, die von Journalisten betrieben werden. 6 Ergebnisse Im Folgenden werden die Befunde der Metatextanalyse nach den Erhebungsdimensionen vorgestellt. Dabei wird zuweilen auch auf ausgewählte Aussageträger verwiesen, die besonders häufig zitiert wurden oder als Autoren fungierten. 6.1 Charakteristika der ausgewählten Texte
Insgesamt befassten sich die Autoren von 231 Texten in mehr als der Hälfte des Umfangs mit dem Verhältnis zwischen Weblogs und Journalismus. Davon stammten 161 Texte aus Weblogs (70%). Der Publikationsort der 70 weiteren Beiträge (30%) waren journalistische Angebote. 37 Beiträge (16%) wurden in den drei universell-journalistischen Angeboten veröffentlicht (Spiegel,22 Spiegel Online, Netzeitung.de).
22 In nur drei Fällen berichtete der Spiegel im Untersuchungszeitraum über Weblogs. Für die Inhaltsanalyse relevant war lediglich ein Beitrag aus der gedruckten Ausgabe, weil er sich in über der Hälfte des Umfangs mit Weblogs und ihrem Verhältnis zum Journalismus auseinandersetzte (vgl. Tab. 1). Dieser Artikel mit dem Titel „Tägliche Ration Wahnsinn“ erschien in der Ausgabe vom 10. Januar 2005; Anlass war der Tsunami in Südostasien.
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
146 Tab. 1:
Angebote, deren Beiträge zum Verhältnis von Weblogs und Journalismus untersucht wurden (n=231, Inhaltsanalyse von Metatexten, 2001-2006) Angebot/Anbieter
Typ
abs.
in %
Blogbar (Don Alphonso u. a.)
Weblog
77
33,3
PR-Blogger (Klaus Eck)
Weblog
43
18,6
Dienstraum (Michael Genova)
Weblog
26
11,3
Journalismus
24
10,4
Telepolis.de
Journalismus
20
8,7
Spiegel Online
Journalismus
12
5,2
Journalist
Journalismus
9
3,9
Der Schockwellenreiter (Jörg Kantel)
Weblog
9
3,9
Netzjournalist (Thomas Mrazek)
Weblog
6
2,6
Onlinejournalismus.de
Journalismus
4
1,7
Spiegel
Journalismus
1
0,4
Netzeitung.de
Der Rest der Beiträge erschien in den fachspezifischen Angeboten, die sich vorrangig mit dem Internet und dem Journalismus befassen. Nur zehn der untersuchten Beiträge wurden ausschließlich in gedruckter Form veröffentlicht (4%). Die meisten Beiträge erschienen im Angebot Blogbar, einem Gruppenblog, für das u. a. Rainer Meyer (alias Don Alphonso) schreibt. Don Alphonso (abs. 54 Postings) steht an der Spitze der erfassten Autoren; er hat alleine 23% der untersuchten Texte veröffentlicht. Weitere Autoren mit mehreren Beiträgen sind Klaus Eck (43), Michael Genova (26), Kai Pahl (15), Ben Schwan (12), Jörg Kantel (9), Thomas Mrazek (8), Florian Rötzer (5), Frank Patalong (4) und Peter Schink (4). Auf diese Autoren entfielen zusammen fast vier Fünftel der untersuchten Beiträge (78%). Für jeden Autor wurde die Autorenrolle erfasst. In Texten, in denen keine Angabe über die berufliche Tätigkeit des Autors gemacht wurde, wurde diese nachträglich recherchiert. Sofern ein Autor im eigenen Weblog schrieb, wurde er als Blogger erfasst; war er zugleich beruflich für journalistische Medien tätig, wurde er als journalistischer Blogger geführt. Knapp die Hälfte der untersuchten Texte wurde von reinen Bloggern verfasst (abs. 104, 45%). Bloggende Journalisten (bzw. journalistisch tätige Blogger) wurden für 86 Texte (37%) als Autor ermittelt. Journalisten, die selbst kein Blog betreiben oder in einem Blog veröffentlichen, berichteten in 37 Fällen (16%) über das Verhältnis zwischen Weblogs und Journalismus. In vier Fällen (2%) war der Autorenname nicht angegeben.
Eine Frage des Blickwinkels?
147
Abb. 1: Anzahl relevanter Beiträge je Quartal innerhalb des Untersuchungszeitraums (abs. Häufigkeiten, n=231, Inhaltsanalyse von Metatexten, 2001-2006) 35 32
32
30 27 25 22
23 21
20 17 15 12 10 10 7
7 5
5
3 1
0
1
0
1
2
6
2 0
0
1Q 2Q 3Q 4Q 1Q 2Q 3Q 4Q 1Q 2Q 3Q 4Q 1Q 2Q 3Q 4Q 1Q 2Q 3Q 4Q 1Q 2Q 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Das Veröffentlichungsdatum wurde erhoben, um Veränderungen im Zeitablauf nachvollziehen zu können. Die Hälfte der untersuchten Texte wurde zwischen dem Beginn des Untersuchungszeitraums (der erste Beitrag erschien im März 2001) und Februar 2005 publiziert. Die übrigen Texte folgten in dem relativ kurzen Zeitabschnitt bis zum Ende des Untersuchungszeitraums im Juni 2006 (vgl. Abb. 1). Die meisten Einzeltexte erschienen im ersten Quartal der Jahre 2005 und 2006 (jeweils 32). Im Laufe der Zeit nimmt die Zahl der pro Jahr publizierten Texte zu. Im Jahr 2005, dem letzten vollständig erfassten Jahr, wurden allein zwei Fünftel (40%) der Texte veröffentlicht. Das Interesse klingt also keineswegs ab, obwohl Weblogs mittlerweile den Reiz des Neuen verloren haben dürften. 6.2 Aussageträger
Insgesamt wurden 545 relevante Aussageträger in den Texten identifiziert.23 Neben den 231 Autoren der Texte wurden 314 zitierte Aussageträger registriert. Direkte Zitate und Aussagen im Konjunktiv wurden den zitierten Aussageträgern zugeordnet, alle anderen Aussagen dem Autor. Wenn Zitate nicht einem bestimmten Aus23 Sofern im weiteren Verlauf des Ergebnisberichts nicht auf spezielle Teilgesamtheiten hingewiesen wird, beziehen sich Prozentangaben stets auf die Grundgesamtheit aller erfassten Aussageträger (n=545).
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
148
sageträger zugeschrieben werden konnten, also wenn z. B. nur pauschal von „Politikern“ oder „Stimmen aus der Wirtschaft“ die Rede war, fanden diese Aussagen keine Beachtung. Unter den insgesamt 545 Aussageträgern befanden sich zumeist namentlich genannte Einzelpersonen (abs. 475, 87%); in 39 weiteren Fällen handelte es sich um nicht-wissenschaftliche Publikationsorgane (7%). Tab. 2:
Die häufigsten Aussageträger in den analysierten Texten (abs. Häufigkeiten, n=545, Inhaltsanalyse von Metatexten, 2001-2006) Aussageträger
abs.
in %
Don Alphonso
60
Eck, Klaus
44
8,1
Genova, Michael
26
4,8
Pahl, Kai
15
2,8
Müller von Blumencron, Mathias
12
2,2
Schwan, Ben
12
2,2
Kantel, Jörg
10
1,8
Gillmor, Dan
8
1,5
Mrazek, Thomas
8
1,5
Neuberger, Christoph
7
1,3
Sixtus, Mario
7
1,3
336
61,7
sonstige Aussageträger
11,0
In den Texten kamen nicht nur Journalisten und Blogger zu Wort, sondern auch Wissenschaftler, sonstige Kommunikatoren und nicht-natürliche Personen (z. B. Publikationsorgane, die mit einer bestimmten Aussage in Verbindung gebracht wurden).24 Am häufigsten wurden Aussagen von Bloggern wiedergegeben (abs. 164, 30%). In etwas mehr als einem Viertel (150, 28%) der Fälle kamen bloggende Journalisten zu Wort und in einem Fünftel (113, 21%) Journalisten ohne Weblog. Fast die Hälfte (48%) der Aussageträger im Metadiskurs waren also Journalisten. Umgekehrt betrachtet: Journalistische Blogger und Nur-Blogger machten 58% der Aussageträger aus. 118 Aussageträger (22%) ließen sich keiner der genannten Gruppen zuordnen, da sie weder als Blogger noch als Journalisten identifiziert werden konnten: In 11% (abs. 57) der Fälle handelte es sich bei den Aussageträgern um nicht-natürliche Personen. In 7% (38) der Fälle wurden Wis24 Bei der Datenbereinigung wurden Aussageträger überprüft, bei denen die Rolle zunächst uneinheitlich codiert worden war. Um die Aussageträger eindeutig einer Rolle zuzuordnen, wurde eine Personenrecherche durchgeführt.
Eine Frage des Blickwinkels?
149
senschaftleraussagen wiedergegeben. Sonstige Kommunikatoren wie Politiker, behördliche Vertreter etc. wurden in 16 Fällen erfasst (3%). Unklar blieb die Zuordnung in sieben Fällen (1%). Betrachtet man die Namen der Aussageträger, so zeigt sich, dass Don Alphonso am häufigsten als Aussageträger erfasst wurde, was sich größtenteils auf seine Rolle als Autor vieler Texte zurückführen lässt. In nur sechs von 60 Fällen wurde Don Alphonso zitiert. Die elf aufgeführten Personen in Tabelle 2 stellen 38% aller in den Texten erfassten Aussageträger. Die Mehrheit der Aussageträger tauchte nur einmal auf. Mathias Müller von Blumencron, Dan Gillmor, Christoph Neuberger und Mario Sixtus sind in der Liste führend vertreten, obwohl sie in keinem Fall selbst als Autor eines Textes auftraten. Sixtus (2005) und Gillmor (2004) haben gleichwohl zahlreiche Publikationen zum Thema vorgelegt. 6.3 Pauschale Zuschreibung einer journalistischen Identität
Handelt es sich bei Weblogs um „Journalismus“? 140 Aussageträger (26%) erläuterten, in welchem Maße Weblogs „Journalismus“ sind (vgl. Tab. 3). Eine knappe Mehrheit dieser Aussageträger vertrat die Auffassung, dass nur ein Teil der Weblogs zum Journalismus zu zählen ist (56%). Rund ein Viertel (27%) sagte uneingeschränkt, dass alle Weblogs Journalismus sind, bekräftigte also die Gültigkeit der Gleichung „Weblogs = Journalismus“ (vgl. Neuberger 2006). Im Metadiskurs überwog also die Einschätzung, dass ein Teil der Weblogs eine journalistische Identität besitzt. Nur eine Minderheit von 16% lehnte diese Auffassung völlig ab. Inwieweit divergieren in diesem Punkt die Einschätzungen der unterschiedlichen Typen von Aussageträgern? Nur 7% der bloggenden Journalisten lehnten generell die Vorstellung ab, dass es sich bei Weblogs um Journalismus handelt. Es sind also diese „Grenzgänger“ zwischen „Blogosphäre“ und Journalismus, die Weblogs eher eine journalistische Identität zuschreiben, als dies reine Blogger und nichtbloggende Journalisten tun; von diesen wies jeweils rund ein Fünftel die Annahme ganz zurück.
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
150 Tab. 3:
Anteil ausgewählter Aussageträgertypen, die bestimmte Aussagen zur journalistischen Identität von Weblogs gemacht haben (Angabe in %, Inhaltsanalyse von Metatexten, 2001-2006)
Aussagen zur Identität (Cramer-V=0,120)
Journalisten
Blogger
bloggende Journalisten
alle Aussageträger (n=140)
(n=42)
(n=37)
(n=30)
Alle Weblogs sind Journalismus
23,8
27,0
26,7
27,1
Ein Teil der Weblogs sind Journalismus Weblogs sind generell kein Journalismus, sie haben nichts miteinander zu tun
54,8
54,1
66,7
56,4
21,4
18,9
6,7
16,4
(n=18)
(n=16)
(n=15)
(n=64)
55,6
75,0
66,7
62,5
33,3
25,0
33,3
34,4
11,1
0,0
0,0
3,1
(Cramer-V=0,207)
Weblogs sind eine neue/andere Art von Journalismus Weblogs sind zum Teil eine neue/andere Art von Journalismus Weblogs sind keine neue/andere Art von Journalismus (Cramer-V=0,371)**
(n=22)
(n=17)
(n=23)
(n=75)
Weblogs erbringen bessere Leistungen
27,3
52,9
82,6
49,3
Weblogs erbringen gleiche Leistungen
13,6
23,5
4,3
18,7
Weblogs erbringen schlechtere Leistungen
59,1
23,5
13,0
32,0
***p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Die Assoziationsmaße beziehen sich nur auf die drei ausgewählten Aussageträgertypen.
Zwischen dem Publikationsort und den Aussagen zur journalistischen Identität besteht ein Zusammenhang (Cramer-V=0,315, p<0,01): Während Statements, die dazu in Weblogs erfasst wurden (n=72), zu 28% besagten, dass Weblogs generell kein Journalismus sind, war dies in journalistischen Angeboten (n=68) nur in 4% der Fälle die Aussage. In Weblogs wurde die Annahme einer journalistischen Identität des Formats also eher abgelehnt.25 Die oben bereits beschriebene Gruppe der am häufigsten erfassten Aussageträger (vgl. Tab. 2) beurteilte die journalistische Identität von Weblogs ebenfalls etwas zurückhaltender als die übrigen Aussageträger (Cramer-V=0,232, p<0,05). Während Aussageträger aus der letztgenannten Gruppe zu über einem Drittel (35%, n=89) alle Weblogs für Journalismus hielten, waren dies bei den prominenten Aussageträgern nur 14% (n=51).
25 Auch hinsichtlich der Universalität zeigt die Auswertung signifikante Unterschiede (CramerV=0,231, p<0,05): In fachspezifischen Angeboten wurde häufiger die Aussage getroffen (21%, n=103), dass Weblogs generell kein Journalismus sind, als in universellen Medien (3%, n=37).
Eine Frage des Blickwinkels?
151
Im Metadiskurs überwog also insgesamt die Einschätzung, dass ein Teil der Weblogs „Journalismus“ darstellt. Offen erfasst wurde die nähere Qualifizierung dieses Anteils: 15 Aussageträger stellten explizit fest, dass der überwiegende Teil der Weblogs nicht dem Journalismus zuzurechnen sei. Zwölf Aussageträger beschrieben den Journalismus in Weblogs als Amateur- oder Laienjournalismus, zehn Aussageträger als Form des alternativen Journalismus. Eine Neuartigkeit des Journalismus in Weblogs stellten fast zwei Drittel der Aussageträger (63%) fest, die sich zu diesem Aspekt äußerten (vgl. Tab. 3). Der Journalismus in Weblogs scheint als anders empfunden zu werden als der traditionelle Journalismus. Werden andere Vergleichsgegenstände als der Journalismus für die Einordnung von Weblogs verwendet? Besonders häufig wurde der Vergleich mit Tagebüchern gezogen (abs. 34). Auch der wenig schmeichelhafte Vergleich zu „Müll, Abfall, Wühltisch, Klowände“ wurde in neun Fällen angesprochen. Seltener gezogen wurden Vergleiche mit der Literatur (4) und – angesichts der Debatte über „Corporate blogs“ vielleicht nicht verwunderlich – zu „Marketing/PR/Propaganda“ (4). Fünf Aussageträger beschrieben Weblogs als eine Form von Gegenöffentlichkeit. Dass der Journalismus das bevorzugte Vergleichsobjekt für Weblogs ist, ist damit zwar nicht stichhaltig nachgewiesen, da nur solche Beiträge ausgewählt wurden, in denen das Verhältnis zwischen Weblogs und Journalismus erörtert wurde. Gleichwohl dürfte die Kritik von Lovink (zitiert nach: Gross 2007) zutreffend sein, dass fast ausschließlich der Journalismus zum Bezugspunkt des Diskurses gemacht wird, was der Vielfalt des Bloggens nicht gerecht wird. Wie werden die Leistungen von Weblogs und Journalismus im Vergleich beurteilt? Insgesamt sagten 49% der erfassten Aussageträger, dass Weblogs bessere Leistungen erbringen, 32% gaben an, dass ihre Leistungen schlechter sind, und 19% gingen von gleichen Leistungen aus (vgl. Tab. 3). Hier zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen den Aussageträgertypen: Bloggende Journalisten sagten zu 83%, dass sie die Leistungen von Weblogs für besser halten als die Leistungen des Journalismus, womit sie auch eine kritische Haltung gegenüber ihrer eigenen Profession zum Ausdruck bringen. Bei den übrigen Journalisten war die Wahrnehmung mehrheitlich umgekehrt: 59% hielten die Weblog-Leistungen für schlechter. Die Unterschiede sind signifikant (p<0,01), es existiert ein mittlerer Zusammenhang (Cramer-V=0,371). Zwei prominente Aussageträger legten sich in diesem Punkt eindeutig fest: Während Mathias Müller von Blumencron (Spiegel Online) allein viermal mit der
152
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
Aussage zitiert wurde, dass Weblogs schlechtere Leistungen erbringen als der Journalismus, fand sich die gegenteilige Ansicht in neun Fällen bei Don Alphonso (vgl. dazu Don Alphonso 2004). 6.4 Spezifische Merkmale von Weblogs und Journalismus
In dieser Untersuchungsdimension wurde die Zuschreibung spezifischer Merkmale erfasst. Bei den 17 untersuchten Merkmalen handelt es sich teils um allgemeine journalistische Qualitätskriterien (vgl. Neuberger 2004), teils um internetspezifische Angebotsmerkmale (z. B. Verlinkung, Beteiligungsmöglichkeiten für Nutzer). Zusätzlich wurden weitere Merkmale offen erfasst. Insgesamt äußerten sich 336 Aussageträger zu mindestens einem der vorgegebenen Merkmale (62%). Diese Aussageträger machten insgesamt 803 merkmalsbezogene Aussagen. Die Häufigkeit, mit der die Merkmale erwähnt wurden, ist in Tabelle 4 dargestellt. Besonders oft genannt wurden die Subjektivität und persönliche Perspektive des Autors (abs. 91), die Richtigkeit/Glaubwürdigkeit der Informationen (90), die Diskussion und Kommentierung von Themen und Ereignissen (86), die Reichweite (74) und die Partizipationsmöglichkeiten der Nutzer (72).26
26 Innerhalb dieser Dimension wurde auch überprüft, ob Autoren zitierten Aussageträgern in ihrem Text zustimmten oder widersprachen. Gegenläufige Argumente wurden überwiegend ohne direkten Bezug zu einem zitierten Aussageträger vorgetragen. Insgesamt wurden unter den 803 spezifischen Aussagen zu Identität und Qualität nur acht zitierte Behauptungen identifiziert, die ausdrücklich vom Autor abgelehnt wurden. In 19 weiteren Fällen stimmte der Autor zu. Sehr selten bezogen sich die Autoren auf konkrete Wertungen der Aussageträger: In lediglich zwei Fällen widersprachen sie Bewertungen von Aussageträgern.
Eine Frage des Blickwinkels?
Tab. 4:
153
Anzahl der Aussageträger, die dem Journalismus oder den Weblogs ein bestimmtes Merkmal zuschreiben (abs. Häufigkeiten, Inhaltsanalyse von Metatexten, 2001-2006)
Merkmal Diskussion und Kommentierung von Themen und Ereignissen (n=86) Subjektivität und persönliche Perspektive des Autors (n=91) hohe Reichweite (n=70) Beteiligungsmöglichkeiten der Nutzer (Partizipation) (n=72) Verlinkung untereinander (n=59) Richtigkeit/Glaubwürdigkeit der Informationen (n=83) journalistische Relevanz der Informationen (n=52)
in Bezug auf Weblogs
in Bezug auf Journalismus
im Vergleich
84
0
2
76
5
10
65
1
4
62
1
9
55
0
4
52
21
10
41
6
5
zeitliche Aktualität (n=44)
31
4
9
Vielfalt und Exklusivität (n=43)
31
5
7
Alltagsthemen (n=32)
31
0
1
Neutralität/Unabhängigkeit (n=40)
26
5
9
Unterhaltungswert (n=25)
20
3
2
Kontinuität der Berichterstattung (n=21)
20
0
1
Tiefe der Themenbehandlung (n=28)
16
9
3
Parteilichkeit (n=20)
13
4
3
Servicethemen (n=12)
12
0
0
2
4
6
Objektivität (n=12)
Unterschieden wurde zwischen Aussagen, in denen nur eine Einzelbetrachtung stattfand (abs. 706, 88%), also Weblogs oder Journalismus separat in den Blick genommen wurden, und solchen Aussagen, die einen Vergleich zwischen Weblogs und Journalismus enthielten (97, 12%). Vergleiche wurden in nennenswerter Anzahl lediglich bei den Merkmalen Subjektivität, Richtigkeit/Glaubwürdigkeit, Neutralität/Unabhängigkeit sowie zeitliche Aktualität gezogen. Hier vermerkten beispielsweise alle Aussageträger, die sich dazu äußerten, dass Weblogs subjektiver als Journalismus sind (n=10). Gleiches gilt für die zeitliche Aktualität, die immer den Blogs zugeschrieben wurde (n=9). Etwas weniger eindeutig zugunsten der Blogs fielen die Vergleiche zur Neutralität (7 von 9 Aussagen) und Richtigkeit (5 von 10 Aussagen) aus. Dennoch schneiden Weblogs im ausdrücklichen Vergleich mit dem Journalismus überwiegend positiv ab.
154
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
Welche Befunde ergab die Analyse der Einzelbetrachtung? Bei Weblogs wurde in 637 Fällen das Vorhandensein spezifischer Merkmale erörtert (79%), beim Journalismus war dies dagegen nur 69-mal der Fall (9%). Dieser deutliche Unterschied lässt sich sicher damit erklären, dass eher das Neuartige beschrieben und eingeordnet werden muss. Da der Großteil der Äußerungen eine Einzelbetrachtung von Weblogs ist, beschränkt sich darauf die weitere Darstellung. Für jedes Merkmal wurde erfasst, in welchem Maße dieses nach Auffassung des Aussageträgers vorhanden ist (generell vorhanden/teilweise vorhanden27/nicht vorhanden). Weiter wurde erhoben, ob das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein eines Merkmals explizit positiv oder negativ bewertet wurde. Eindeutige Wertungen der Aussageträger tauchten jedoch nur selten auf. Insgesamt wurden zu den 706 Aussagen, die Einzelbetrachtungen enthielten, lediglich 71 Aussagen erfasst, die das (Nicht-)Vorhandensein eines Merkmals eindeutig bewerteten (10%).28 In Tabelle 5 sind die Aussagen erfasst, mit denen das Vorhandensein von Merkmalen spezifiziert wurde (n=637). Eine deutliche Mehrheit der Aussageträger sah die gegenseitige Verlinkung als typisches Merkmal von Weblogs. Lediglich ein Viertel schränkte ein, dass diese Verlinkung nur auf einen Teil der Angebote zutrifft. Auch Parteilichkeit, Subjektivität/persönliche Perspektive, Beteiligungsmöglichkeiten sowie Diskussion/Kommentierung sind Merkmale, die Weblogs überwiegend pauschal zugeschrieben wurden.
27 Wenn „teilweise vorhanden“ codiert wurde, wurden im Text häufig nur einige Weblogs erwähnt, denen ein Merkmal zugesprochen wurde. 28 In Bezug auf Einzelbetrachtungen von Weblogs wurden insgesamt 56 Wertungen erfasst. Explizit positiv bewertet wurden vor allem das Merkmal „Verlinkung untereinander“ (abs. 5) und das Merkmal „Beteiligungsmöglichkeiten der Nutzer“ (3). Diese Aussageträger gingen davon aus, dass die beiden genannten Merkmale pauschal auf alle Weblogs zutreffen. Ein überwiegend negativer Anteil an Wertungen zeigt sich hingegen, wenn man nur die Aussagen betrachtet, in denen die Merkmale lediglich einem Teil der Weblogs zugeschrieben wurden. Insgesamt stehen dann 21 negative Wertungen zehn positiven gegenüber. So bewerteten allein fünf Aussageträger explizit negativ, dass das Merkmal „Richtigkeit/Glaubwürdigkeit der Informationen“ nur auf einen Teil der Weblogs zutrifft. In Bezug auf Einzelbetrachtungen des Journalismus (deren Anteil insgesamt geringer war) wurden nur 15 Wertungen erfasst. Diese fielen bis auf eine Ausnahme immer negativ aus. Allein fünf Aussageträger kritisierten explizit, dass das Merkmal „Tiefe der Themenbehandlung“ nur auf einen Teil des Journalismus zutrifft.
Eine Frage des Blickwinkels?
Tab. 5:
155
Anteil der Aussageträger, die den Weblogs ein bestimmtes Merkmal zuschreiben (Angabe in %, Inhaltsanalyse von Metatexten, 2001-2006)
Verlinkung untereinander (n=55)
74,5
teilweise vorhanden 25,5
Parteilichkeit (n=13) Subjektivität und persönliche Perspektive des Autors (n=76) Beteiligungsmöglichkeiten der Nutzer (Partizipation) (n=62) Diskussion und Kommentierung von Themen und Ereignissen (n=84) zeitliche Aktualität (n=31)
61,5
38,5
-
57,9
40,8
1,3
56,5
43,5
-
54,8
45,2
-
Merkmal in Bezug auf Weblogs
vorhanden
nicht vorhanden -
35,5
64,5
Vielfalt und Exklusivität (n=31)
32,3
67,7
-
Unterhaltungswert (n=20)
25,0
65,0
10,0
Kontinuität der Berichterstattung (n=20)
25,0
75,0
-
hohe Reichweite (n=65)
24,6
66,2
9,2
Alltagsthemen (n=31)
22,6
77,4
-
Neutralität/Unabhängigkeit (n=26)
19,2
69,2
11,5
Tiefe der Themenbehandlung (n=16)
18,8
43,8
37,5
Servicethemen (n=12)
16,7
83,3
-
Richtigkeit/Glaubwürdigkeit der Informationen (n=52)
15,4
61,5
23,1
journalistische Relevanz der Informationen (n=41)
14,6
53,7
31,7
-
-
100
Objektivität (n=2)
Bei typisch journalistischen Merkmalen (Objektivität, Relevanz, Richtigkeit/ Glaubwürdigkeit, Tiefe der Themenbehandlung) wurde die Existenz bei Weblogs relativ oft ausdrücklich verneint.29
29 Offen erfasst wurden zusätzliche Merkmale und sonstige Eigenschaften von Weblogs, die nicht im Codebuch vorgesehen waren. Insgesamt wurden bei 231 Aussageträgern Aussagen zu zusätzlichen Merkmalen oder Eigenschaften identifiziert. In 13 Fällen wurde Weblogs zugeschrieben, dass sie Medienkritik üben und die Besprechung von Medieninhalten leisten. Ebenso viele Aussagen wurden zur Qualität des Schreibens verzeichnet: Sie wurde als schlecht, unverständlich oder unordentlich charakterisiert. Zwölf Aussagen wiesen auf die Unabhängigkeit und Unkontrollierbarkeit der Weblogs hin. In weiteren elf Aussagen fand sich der Hinweis, dass Blogger sich gegenseitig korrigieren. Achtmal wurde festgestellt, dass Weblogs individuell betrachtet werden müssen und keine Gemeinsamkeiten besitzen. Unterteilt man die offen erfassten Eigenschaften von Weblogs nach einer erkennbaren Bewertungsrichtung, so zeigt sich, dass insgesamt öfter positive als negative Zuschreibungen gemacht wurden: 90 Aussagen (63%) von 143 stellten eher positive Eigenschaften dar.
156
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
6.5 Konkurrierende oder komplementäre Beziehung?
Wie wird im Metadiskurs die Beziehung zwischen Weblogs und Journalismus charakterisiert? Herrscht zwischen ihnen Konkurrenz? Oder stehen beide Seiten in einer komplementären Beziehung? In 315 Fällen (58%) wurde eine solche Beziehung angesprochen. Dabei gingen 75 Aussageträger auf die Frage ein, ob Weblogs und Journalismus miteinander konkurrieren (14%). Von diesen sagten 60% explizit, dass dies der Fall sei. In 40% der Fälle wurde eine Konkurrenz negiert. In Tabelle 6 sind die Beziehungen zwischen Weblogs und Journalismus aus Sicht von Bloggern, Journalisten und bloggenden Journalisten dargestellt. Hier zeigt sich, dass besonders jene Journalisten, die nicht selber bloggen, zu fast drei Vierteln eine Konkurrenzbeziehung feststellten. Offenbart sich hier die Furcht vor einem möglichen Kontrahenten? Die Unterschiede zwischen den Aussageträgern sind allerdings nicht signifikant. Vergleicht man nur die Einschätzungen jener Aussageträger, die sowohl Stellung zur Konkurrenz als auch zu den Leistungen genommen haben (n=21), zeigt sich ein klarer Zusammenhang: Aussageträger, die sagten, dass Konkurrenz herrscht, haben zu 87% auch angegeben, dass Weblogs bessere Leistungen erbringen. Dagegen gingen 67% der Aussageträger, die meinten, dass keine Konkurrenz besteht, davon aus, dass Weblogs schlechtere Leistungen erbringen (Cramer-V=0,693, p<0,01). 86 Aussageträger (16%) äußerten sich zu der Frage, ob Weblogs den Journalismus kritisieren und so eine Art Watchdog-Funktion übernehmen. Die Mehrheit (58%) sagte hier, dass dies nur auf Teile der Weblogs zutrifft. 16% sahen darin eine generelle Eigenschaft von Weblogs. Ordnet man die Aussageträger, die hier Angaben machten, nach der Rolle der jeweiligen Textautoren, so lassen sich signifikante Unterschiede erkennen (Cramer-V=0,363, p<0,05): In Texten die von Bloggern veröffentlicht wurden, vertraten 62% (n=29) der Aussageträger die Ansicht, dass alle Weblogs den Journalismus kritisieren. In den Texten von Journalisten geschah dies dagegen nur in etwas mehr als einem Viertel (27%, n=11) der Fälle, in den Texten bloggender Journalisten in 30% (n=44) der Fälle. Beide Gruppen favorisierten eher die Einschätzung, dass dies nur teilweise der Fall ist. In Weblog-Texten wurde eine kritische Haltung gegenüber dem Journalismus also für weiter verbreitet gehalten als in journalistischen Texten.
Eine Frage des Blickwinkels?
Tab. 6:
157
Anteil ausgewählter Aussageträgertypen, die Aussagen zur Beziehung zwischen Weblogs und Journalismus gemacht haben (Angabe in %, Inhaltsanalyse von Metatexten, 2001-2006)
Aussagen zur Beziehung (Cramer-V=0,150)
Weblogs konkurrieren mit dem Journalismus Es besteht keine Konkurrenz zwischen Journalismus und Weblogs (Cramer-V=0,191)
Journalisten
Blogger
bloggende Journalisten
alle Aussageträger (n=75)
(n=15)
(n=15)
(n=27)
73,3
53,3
63,0
60,0
26,7
46,7
37,0
40,0
(n=18)
(n=16)
(n=40)
(n=86)
Weblogs kritisieren den Journalismus Weblogs kritisieren teilweise den Journalismus
38,9 61,1
56,3 43,8
32,5 67,5
41,9 58,1
(Cramer-V=0,105)
(n=4)
(n=10)
(n=10)
(n=29)
Journalismus kritisiert Weblogs Journalismus kritisiert teilweise Weblogs
25,0 75,0
30,0 70,0
20,0 80,0
27,6 72,4
(Cramer-V=0,406)
(n=6)
(n=4)
(n=12)
(n=26)
16,7
75,0
33,3
42,3
83,3
25,0
66,7
57,7
(n=12)
(n=10)
(n=20)
(n=49)
25,0
30,0
30,0
28,6
75,0
70,0
70,0
69,4
0
0
0
2,0
(n=7)
(n=29)
(n=16)
(n=59)
57,1
44,8
56,3
54,2
42,9
55,2
43,8
45,8
(n=1)
(n=6)
(n=4)
(n=11)
0
33,3
25,0
27,3
100
66,7
75,0
72,7
(n=2)
(n=8)
(n=5)
(n=17)
50,0
50,0
60,0
58,8
50,0
50,0
40,0
41,2
Weblogs übernehmen Themen, Meinungen, Fakten und Interpretationen aus dem Journalismus Weblogs übernehmen Themen, Meinungen, Fakten und Interpretationen teilweise aus dem Journalismus (Cramer-V=0,050)
Journalismus übernimmt Themen, Meinungen, Fakten und Interpretationen aus Weblogs Journalismus übernimmt teilweise Themen, Meinungen, Fakten und Interpretationen aus Weblogs Journalismus übernimmt keine Themen, Meinungen, Fakten und Interpretationen aus Weblogs (Cramer-V=0,116)
Journalismus berichtet über Weblogs als Phänomen/Gegenstand Journalismus berichtet teilweise über Weblogs als Phänomen/Gegenstand (Cramer-V=0,212)
Journalismus orientiert Rezipienten über Weblogs Journalismus orientiert Rezipienten teilweise über Weblogs (Cramer-V=0,094)
Weblogs orientieren Rezipienten über den Journalismus Weblogs orientieren Rezipienten teilweise über den Journalismus
158
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
Fortsetzung Tab. 6 (Cramer-V=0,320)
(n=3)
(n=5)
(n=8)
(n=18)
0
20,0
0
11,1
100
80,0
87,5
83,3
0
0
12,5
5,6
(n=5)
(n=8)
Journalismus lenkt die Aufmerksamkeit auf Weblogs Journalismus lenkt die Aufmerksamkeit teilweise auf Weblogs Journalismus lenkt keine Aufmerksamkeit auf Weblogs (Phi=0,258)
(n=2)
Weblogs lenken die Aufmerksamkeit auf journalistische Angebote Weblogs lenken die Aufmerksamkeit teilweise auf journalistische Angebote
0
-
20,0
12,5
100
-
80,0
87,5
***p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Die Assoziationsmaße beziehen sich nur auf die drei ausgewählten Aussageträgertypen. Bei den Beziehungsvarianten wurde jeweils erhoben, ob diese aus Sicht der Aussageträger vollständig/teilweise/nicht zutreffen. Ausgewiesen sind jeweils nur jene Ausprägungen, für die mindestens ein Fall codiert wurde.
Welche Komplementärbeziehungen werden in den Texten angesprochen? 26 Aussagen wurden zur Übernahme von Themen, Meinungen, Fakten und Interpretationen durch Weblogs aus dem Journalismus erfasst. Übernahmen in der umgekehrten Richtung wurden in 49 Fällen erwähnt (vgl. Tab. 6). Blogger bestätigen häufiger, dass sie Informationen aus dem Journalismus übernehmen, als dass dies umgekehrt passiert. Beim Journalismus gelingt nach den erfassten Aussagen eine Übernahme von Informationen aus Weblogs etwas häufiger nur teilweise. Die in Tabelle 6 untersuchten Aussageträgertypen zeigen im Rahmen ihrer Aussagen zu den aufgeführten Beziehungen jedoch keine statistisch signifikanten Unterschiede. 59 Aussageträger gaben an, dass der Journalismus zumindest teilweise über Weblogs als Phänomen berichtet. Eine Orientierung der Rezipienten über Weblogs wurde dabei von den Aussageträgern nur sehr selten konstatiert, in der Summe geschah dies lediglich in elf Fällen. Ebenfalls nur selten fanden sich Aussagen dazu, inwieweit sich Weblogs oder Journalismus gegenseitig Aufmerksamkeit verschaffen. Offen erfasst wurden die Folgen, die aus der Beziehung zwischen Weblogs und Journalismus für den Journalismus resultieren. Insgesamt wurden dazu 103 Aussagen erfasst, darunter die folgenden Aussagen: Eine Verdrängungsgefahr oder ein drohender Machtverlust für den Journalismus wurde von 24 Aussageträgern vermutet. Sieben Aussageträger verneinten dagegen eine solche Gefährdung für den Journalismus. In 15 Fällen wurde ein positiver Einfluss auf die Qualität des Journalismus konstatiert. 15 weitere Aussageträger sahen Weblogs generell als eine Chance oder Hilfe für den Journalismus. So würde die Verlinkung in Weblogs dazu beitragen, die Reichweite journalistischer Angebote zu steigern. Mit einer Integration des Formats ließen sich zudem Leser binden oder das eigene Image
Eine Frage des Blickwinkels?
159
verbessern. Viermal wurde die Aussage codiert, dass Weblogs zu einem Negativimage und Ansehensverlust des Journalismus führen könnten. Insgesamt wurden eher positive als negative Folgen genannt. Und welche Folgen resultieren aus der Beziehung für die Weblogs? Dazu wurden 37 Aussagen registriert. Mehr als zweimal genannt wurden allerdings nur vier Aussagen: In fünf Fällen fand sich die Aussage, dass Weblogs als Quelle ausgenutzt werden: Weblogs würden als billige „Contentmaschine“ angesehen; die Rechte der Blogger würden nicht ausreichend respektiert. Diese Aussagen stammten alle aus dem Angebot Blogbar. In fünf Fällen wurde angegeben, dass Weblogs durch den Journalismus mehr Aufmerksamkeit erhalten. Andererseits habe der Journalismus auch dazu beigetragen, das Image von Weblogs zu verschlechtern (abs. 4). Die vierte, häufiger erfasste Aussage betraf fünf Fälle, in denen nur pauschal angegeben wurde, dass sich Weblogs und Journalismus sinnvoll oder synergetisch ergänzen. Ausgewählte Zitate zum Verhältnis von Weblogs und Journalismus aus den untersuchten Beiträgen (Inhaltsanalyse von Metatexten, 2001-2006) Aussagen über Weblogs und Blogger „Der Blogger stellt seine eigene Person in den Vordergrund. Es handelt sich oft um selbstverliebte Egozentriker, die ihren Mitteilungsdrang befriedigen wollen. Das ist legitim, aber keine journalistische Haltung.“ Thomas Leif, 2006, SWR-Chefreporter [Text 15007] „Wenn klassische Journalisten sich so verhalten wie Blogger, sieht es düster für den Journalismus in Deutschland aus.“ Mathias Müller von Blumencron, 2005, damals Chefredakteur Spiegel Online [Text 31002] „Zum einen stellen die Blogs eine aktualisierte Form der Internet-Utopie insgesamt dar. Jeder kann, jeder darf – und es kostet fast nichts. […] Doch die Medien werden aufmerksam, die Kommerzialisierung ist nur noch eine Frage der Zeit, weil die wirklich werbefreien und kostenlosen Communities auf Selbstausbeutung beruhen, und die ersten Aktiven denken an den Abbruch der Zelte. Die Karawane wird also weiterziehen. Die nächste Oase lockt schon.“ Marcus Hammerschmitt, 2002, freier Journalist (Telepolis u. a.), Autor und Blogger (concord.antville.org) [Text 17025] „Ich finde, dass Weblogs zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Die Leute machen kaum Nachrichten, sondern reagieren und zeigen nur auf sie. Dafür habe ich keine Zeit. Ich gehe tatsächlich raus, um die News zu finden und darüber zu schreiben – auf die gute alte Art.“ Robert X. Cringely, 2003, US-amerikanischer Technikjournalist (PBS, New York Times u. a.), Autor und Blogger (pbs.org/cringely) [Text 15046] „Blogs stellen etliche metaphorische Fallen auf, in die man blind hereintappen kann. Sie sind chronologisch gegliederte Journale also liegt es nahe, sie mit Tagebüchern zu vergleichen. Sie enthalten oft News und Klatsch, also bietet sich das Gleichsetzen mit Web-Magazinen an. Nur eben kleiner. Mini-Journale? Mikro-Journalismus? Das Problem an all diesen Analogien: Es sind Analogien. Sie sind auf den ersten Blick zutreffend, beschreiben aber nur einen kleinen Teil der Wahrheit.“ Mario Sixtus, 2005, freier Journalist (Handelsblatt u. a.) und Blogger (sixtus.net) [Text 31019]
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Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
„Sie führen Tagebuch, geben Insiderwissen weiter, decken Skandale auf, durchforsten bis zum Morgengrauen das Internet: Die ‚Blogger’ mischen Chatting und Poesie mit Journalismus und Politik. Ihr Medium könnte das Medium werden.“ Katharina Borchert, 2004, Bloggerin (lyssaslounge.de) und damals freie Journalistin [Text 41017] Aussagen über die Beziehung zwischen Weblogs und Journalismus „Was ist Qualität? Die Grundlage für Qualität im Journalismus ist die Recherche, von der wir alle aber wissen, dass sie beim Bloggen eher selten vorkommt. Blogger schreiben meistens nicht über Themen, die sie sich erst erarbeiten müssen, sondern kommentieren Fakten, Behauptungen und Ereignisse, von denen sie meinen, sie beurteilen zu können. Sprich, das, was bei einem guten, selbst erarbeiteten drei Viertel der Arbeit ausmacht, findet in Blogs meist nicht statt. Es liegt mir fern davon, das zu kritisieren – die meisten Beiträge in Print, Internet, TV und Hörfunk sind miserabel recherchiert, beruhen je nach Thema zu 50-80% auf PR, sind oft von Praktis oder alkoholkranken Frustis mit Existenzangst zusammengeschmiert, und der Aktualitätsdruck tut sein Übriges dazu, dass die Journalisten gern auf Vorgekautes zurückgreifen. Sei es nun, dass sie Geschichten klauen und etwas umschreiben, sei es, dass sie noch nicht mal das Thema erfassen. Auf einen brillianten Leyendecker auf Seite Eins der Süddeutschen kommen 50, 100 Typen, die schlecht geschlafen haben, das Thema nicht leiden können […]. Journalismus ist ein Beruf wie jeder andere im Bereich Gebäudereinigung, mit dem kleinen Unterschied, dass man hier Ungelernte unbeaufsichtigt an die Meinungsbildung der Bevölkerung ranlässt, und sie dafür auch noch mit Privilegien ausstattet.“ Don Alphonso, 2005, Blogger (blogbar.de), Autor und freier Journalist [Text 41029] „Bei vielen Journalisten, die für ihre Medien bloggen habe ich das Gefühl, dass sie das nicht für sich und ihr Vergnügen bloggen, sondern für ihren Chef, quasi ‚lost in practical contraints’.“ Felix Schwenzel, 2006, Blogger (wirres.net) [Text 17006] „Doch in der Blogosphäre gelingt es den professionellen Informationsanbietern nur selten, sich und ihre Medien zu etablieren. Rasch verlieren die Journalisten die Lust, suchen fast schon verzweifelt nach Themen, schreiben lieblos oder verkrampfen.“ Thomas Mrazek, 2005, freier Journalist und Blogger (netzjournalist.twoday.net) [Text 17006] „Journalismus wird nur für die wenigsten Blogs die ‚raison d’être’ sein. Blogs funktionieren aber auch als journalistisches Medium, indem sie Messages, Nachrichten, Informationen transportieren. Die Wirkung kann z. B. zu Katastrophenzeiten nicht mehr negiert werden […] In diesem Sinn bricht die Blogosphäre die alten Strukturen der Medien auf. Gewollt oder ungewollt.“ Kai Pahl, 2004, Blogger (kaipahl.de/dogfood) und Autor [Text 41076] „Weblogs sind das Beste was dem Journalismus seit seiner Erfindung passiert ist – nur wollen das die meisten Journalisten nicht zugeben. […] Blogger sind im Prinzip Bürger mit Druckpressen. Das gibt ihnen ihre neue Macht.“ Jeff Jarvis, 2004, US-amerikanischer Journalist und Blogger (buzzmachine.com) [Text 15023]
6.6 Bedeutung einzelner Ereignisse und Angebote
Welche Ereignisse hatten in der kurzen Geschichte der „Blogosphäre“ eine besondere Bedeutung? Insgesamt wiesen 98 Aussageträger (18%) konkret auf Schlüsselereignisse hin. Am häufigsten wurden die US-Präsidentschaftswahlen 2004 genannt (abs. 21); hier wurde z. B. die Akkreditierung von Bloggern als Parteitagsberichterstatter erwähnt. Auch die Affäre um den CBS-Anchorman Dan Rather wurde öfters angesprochen (13), dessen falsche Aussagen über Präsident Bushs Militärzeit
Eine Frage des Blickwinkels?
161
von Bloggern widerlegt wurden. In weiteren 14 Fällen wurde auf die Augenzeugenberichte über den Tsunami verwiesen. Auch im Zusammenhang mit dem Hurricane Katrina haben Weblogs eine Rolle gespielt (6). Einen Deutschlandbezug besitzt der „Fall Jamba“ (12). Die Diskussion um die Werbekampagne „Du bist Deutschland!“, deren Claim bereits in der Zeit des Nationalsozialismus verwendet wurde, ist dagegen nur in zwei Fällen erwähnt worden. Welche Weblogs wurden im Metadiskurs als „wichtig“ (nach Prominenz und Reputation) eingestuft (vgl. Tab. 7)? Mit 21 Nennungen lag das Bildblog mit großem Vorsprung an der Spitze. Zwölf weitere Weblogs wurden mindestens zweimal erwähnt. Welche Weblogs wurden in den Metatexten ausdrücklich als „nicht-journalistisch“ klassifiziert? Ein solcher Hinweis fand sich nur selten: Aus Deutschland wurde das Angebot Politically Incorrect genannt (abs. 2) (vgl. Müller 2008), für die USA das Angebot Fark (3), dessen Betreiber Drew Curtis ein Buch darüber veröffentlicht hat, wie traditionelle Medien aus „Schrott“ Nachrichten machen (vgl. Curtis 2007). Angebote, die dagegen als „journalistisch“ ausgezeichnet wurden, waren häufiger das Bildblog (abs. 7) und die Huffington Post (3). Tab. 7:
Weblogs/Blogger, die in den Metatexten als wichtig eingeschätzt wurden (abs. Häufigkeiten, Inhaltsanalyse von Metatexten, 2001-2006)
Weblog/Blogger Bildblog (Niggemeier/Schultheis)
in % (von 79 Nennungen)
abs.
in % (von 52 Fällen)
21
26,6
40,4%
IT&W (Majo)
5
6,3
9,6%
Where is Raed (Salam Pax)
4
5,1
7,7%
Lautgeben (Schäfers/Beckedahl)
4
5,1
7,7%
Instapundit (Glenn Reynolds)
3
3,8
5,8%
Wirres (Felix Schwenzel)
3
3,8
5,8%
Indiskretion Ehrensache (Thomas Knüwer)
3
3,8
5,8%
Wonkette (Ana Marie Cox)
2
2,5
3,8%
Rebellen ohne Markt (Don Alphonso u. a.)
2
2,5
3,8%
Spreeblick (Johnny Haeusler u. a.)
2
2,5
3,8%
Blogbar (Don Alphonso u. a.)
2
2,5
3,8%
Kevin Sites (Kevin Sites)
2
2,5
3,8%
Lummaland (Nico Lumma) sonstige Weblogs (einmalige Nennung)
2
2,5
3,8%
24
30,4
46,2%
Insgesamt äußerten sich 52 Aussageträger zu Weblogs, die sie als wichtig einschätzten. Einige Aussageträger nannten dabei in den untersuchten Fällen mehrere Weblogs, so dass die Prozentwerte sowohl für die Anzahl der Nennungen als auch für die Anzahl der Fälle ausgewiesen werden.
162
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
6.7 Kooperation und Integration
Aussagen zu Kooperation (abs. 27) und Integration (61) wurden in den Metatexten ausschließlich offen erfasst. Nur vier Weblogs, die in den Kontext eines journalistischen Angebots integriert sind, wurden öfter als zweimal erwähnt: die Weblogs, die auf der Website des Handelsblatts geschrieben werden (abs. 6), das Blog von tagesschau.de (5) sowie die Blogs auf Zeit Online und Stern.de (je 3). 22 Aussagen entfielen auf sonstige Weblogs. Differenziert man die hierzu insgesamt erfassten Aussagen nach ihren Aussageträgern (n=81), so zeigt sich, dass am häufigsten Don Alphonso (abs. 18), Klaus Eck (6), Kai Pahl (5) und Thomas Mrazek (5) zu Wort kamen. Der Großteil ihrer Äußerungen geschah in Postings, die sie als Autoren ihrer Weblogs veröffentlichten. Vergleichsweise häufig wurden Aussagen in Texten bloggender Journalisten erfasst (47%). Reine Blogger (28%) und nichtbloggende Journalisten äußerten sich dagegen etwas seltener zu Kooperations- oder Integrationsaspekten. In vier Fällen wurden pauschale Vermutungen über Kooperationen angestellt: So würden traditionelle Medien Weblogs integrieren, um wilder und unterhaltsamer zu wirken. Journalisten bloggten vor allem, um dem Trend nicht hinterherzuhinken. Auch der mögliche Abdruck in Zeitungen wurde als Kooperationsmotiv für Blogger genannt. In elf Aussagen wurden Kooperationen von Bloggern mit journalistischen Medienanbietern im Internet thematisiert. Blogger ohne journalistischen Hintergrund sprachen Kooperationen dabei überhaupt nicht an. In fünf Fällen wurden Medienkooperationen amerikanischer Blogger erwähnt; in vier Fällen handelte es sich um deutsche Beispiele.30 Insgesamt wurden 61 Aussagen über Weblogs erfasst, die von Journalisten im Kontext eines Angebots ihres Arbeitgebers betrieben wurden oder unabhängig davon. 23 Aussageträger äußerten sich wertend über einzelne Weblogs. Zum Teil Teil beinhalteten diese Wertungen beißende Kritik. So sprach Don Alphonso den „Blog-Knalltüten“ von Zeit, Stern, Tagesspiegel und SZ die Fähigkeit zum Bloggen ab. Don Alphonso äußerte sich in vergleichbarer Hinsicht insgesamt neunmal. In 19 von 23 Fällen handelte es sich bei den Urhebern wertender Aussagen um bloggende Journalisten. In 16 der 61 Fälle wurden Journalisten, die bloggen, nament-
30 Dabei wurden die Blogversuche der „politischen B-Prominenz“ bei Focus beschrieben, die Kooperation von Ehrensenf und Spiegel Online, die Einladung von Bloggern zum Blog des „Medienforum NRW“ sowie allgemein der Einbezug von Bloggern in Angebote von Burda, Holtzbrinck sowie Gruner + Jahr.
Eine Frage des Blickwinkels?
163
lich genannt. Mehr als eine Nennung erzielten dabei Thomas Knüwer (3), Mario Sixtus (3) und Christoph Schultheis (2). In 19 der 61 erfassten Aussagen wurde das Engagement von Journalisten im Zusammenhang mit Weblogs generell bewertet. Auch bei dieser pauschalen Kritik stammt der größte Anteil aus der Feder von Don Alphonso (10). Die Kritik an Journalisten, die bloggen, war überwiegend negativ (15); es wurden lediglich drei positive Kritiken erfasst. Beispielsweise befand der Journalist und frühere Chefredakteur von Focus Online, Jürgen Marks, dass hinter Watchblogs häufig gute Journalisten stünden. Dagegen befinden sich bloggende Journalisten, die für traditionelle Medienhäuser arbeiten, nach Ansicht des amerikanischen Journalisten Adam Penenberg in einem direkten Interessenkonflikt, worunter die Blogs litten. 7 Fazit Welches Bild wird von Weblogs und Journalismus in der Öffentlichkeit gezeichnet? x Unter den am Weblog-Journalismus-Diskurs Beteiligten kristallisieren sich einzelne Wortführer heraus, die relativ häufig als Aussageträger auftreten. Die meisten Nennungen erzielte der Blogger Don Alphonso. x Die Auffassung, dass Weblogs zum Journalismus zu zählen sind, fand sich am häufigsten unter den bloggenden Journalisten, also den „Grenzgängern“ zwischen „Blogosphäre“ und Journalismus. Aber auch in der Gesamtheit der erfassten Aussageträger verneinten nur 16% die Vorstellung, dass zumindest ein Teil der Blogs „Journalistisches“ leistet. In Weblogs wurde häufiger als in journalistischen Texten verneint, dass Weblogs etwas mit dem Journalismus zu tun haben. x Die Antwort auf die Frage, wer bessere Leistungen erbringt, war eindeutig von der Perspektive abhängig: Nur-Journalisten sahen eine Überlegenheit auf der Seite des Journalismus, Nur-Blogger und bloggende Journalisten sahen Weblogs im Vorteil. x Welche Eigenschaften Weblogs besitzen, wurde deutlich häufiger erörtert als die Frage, über welche Merkmale der Journalismus verfügt. Weblogs wurden vor allem Verlinkung, Parteilichkeit, Subjektivität/persönliche Perspektive, Beteiligungsmöglichkeiten sowie Diskussion/Kommentierung pauschal zugeschrieben. Bei typisch journalistischen Merkmalen (Objektivität, Relevanz, Richtigkeit/Glaubwürdigkeit, Tiefe der Themenbehandlung) wurde die Existenz bei Weblogs dagegen oft ausdrücklich verneint. Die hier ermittelten
164
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
Profile von Weblogs und Journalismus ähneln jenen, die sich bei Befragungen von Redaktionsleitern (vgl. Neuberger/Nuernbergk/Rischke 2007: 106) und Bloggern (vgl. Neuberger 2005a: 86) ergeben haben. x Die Sorge, dass zwischen Bloggern und Journalisten Konkurrenz herrscht, ist besonders unter jenen Journalisten anzutreffen, die selbst nicht bloggen. x Unter den Komplementärbeziehungen wird die Rolle der Weblogs als Kritiker des Journalismus häufig thematisiert. Vor allem Blogger sehen sich in der Rolle als „Watchdogs“. x Einige Schlüsselereignisse bilden Bezugspunkte des Metadiskurses. Der publizistische Einfluss wurde primär anhand von Beispielen aus den USA deutlich gemacht. x Nur eine kleine Zahl von Weblogs wurde als „wichtig“ wahrgenommen, allen voran das Bildblog. Abschließend muss noch einmal davor gewarnt werden, diese Ergebnisse als valide Abbildung des Verhältnisses zwischen Weblogs und Journalismus zu interpretieren. Häufig sind wissenschaftliche Texte nicht quellenkritisch genug und vermengen unterschiedslos Forschungsergebnisse mit Aussagen von Bloggern und Journalisten, die hier zum Untersuchungsgegenstand gemacht wurden. Der inhaltsanalytische Vergleich zwischen reinen Bloggern, journalistischen Bloggern und reinen Journalisten hat jedoch deutlich machen können, wie stark die öffentlichen Äußerungen durch den jeweiligen Standpunkt geprägt sind. Literatur: Armborst, Matthias (2006): Kopfjäger im Internet oder publizistische Avantgarde? Was Journalisten über Weblogs und ihre Macher wissen sollten. Berlin: Lit (= Recherche-Journalismus und kritische Medienpolitik, Band 4). Basic, Robert (2006): Transparency D: Eine Chronologie der Selbstvernichtung? In: Basic Thinking Blog. 27.03.2006. http://www.basicthinking.de/blog/2006/03/27/transparency-d-eine-chronologie-der-selbstvernichtung/ (10.01.2009). Basic, Robert (2008): Klimawandel der deutschen Blogosphäre? In: Basic Thinking Blog. 20.05.2008. http://www.basicthinking.de/blog/2008/05/20/klimawandel-der-deutschen-blogosphaere/ (10.01.2009). Beck, Klaus (2008): Neue Medien – alte Probleme? Blogs aus medien- und kommunikationsethischer Sicht. In: Zerfaß, Ansgar/Welker, Martin/Schmidt, Jan (Hrsg.): Kommunikation, Partizipation und Wirkungen im Social Web. 2 Bde., Band 2: Strategien und Anwendungen: Perspektiven für Wirtschaft, Politik und Publizistik. Köln: von Halem, S. 62-77. Beckedahl, Markus (2007): „Brauchen Blogger Verhaltensregeln?“ Interview: Torsten Kleinz. In: Insight. H. 8, S. 36f. Blood, Rebecca (2002): Weblogs: A History and Perspective. In: Rodzvilla, John (Hrsg.): We’ve Got Blog. How Weblogs Are Changing Our Culture. Cambridge, MA: Perseus Publishing, S. 7-16. Brandl, Annette (2002): Webangebote und ihre Klassifikation. Typische Merkmale aus Experten- und Rezipientenperspektive. München: Reinhard Fischer. Bresch, Nadine (2004): Emanzipation des Fernsehpublikums? Eine explorative Untersuchung medienkritischer Websites. Unveröff. Magisterarbeit, Kommunikationswissenschaft, Universität Münster.
Eine Frage des Blickwinkels?
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Eine besondere Spezies
Strukturen und Merkmale des Internetjournalismus Maja Malik/Armin Scholl
1 Journalismus im Netz: Forschungsfrage Mit der Etablierung des Internets als journalistisches Medium stellt sich in verschiedener Hinsicht die Frage, ob und wie sich der Journalismus angesichts des gestiegenen Tempos, der Partizipationsmöglichkeiten und der Informationsflut neu positioniert (vgl. etwa Altmeppen 2000; Altmeppen et al. 2000; Loosen/Weischenberg 2000). Das Tätigkeits- und Berufsfeld Internetjournalismus erfreut sich daher bereits intensiver empirischer Erforschung (vgl. allein in Deutschland: Löffelholz et al. 2003; Neuberger 2001, 2003, 2005a, 2005b; Neuberger/Tonnemacher 2003; Quandt 2005a, 2005b). Eine grundlegende theoretische und empirische Frage der Journalismusforschung kreist um die Überlegung, wie der Journalismus im Netz zu identifizieren und von anderen Kommunikationsformen zu unterscheiden ist zum einen auf der Ebene einzelner journalistischer Medienangebote, zum anderen auf der Ebene des spezifischen Berufs- und Tätigkeitsfeldes Internetjournalismus. Dieser Frage nimmt sich der folgende Beitrag an. Er erläutert erstens eine theoretische und empirische Definition des Internetjournalismus, um zu klären, wie sich journalistische Angebote im Internet identifizieren lassen. Zweitens referiert er auf der Basis einer repräsentativen Journalistenbefragung, welche Strukturen und Merkmale das Berufs- und Tätigkeitsfeld Internetjournalismus kennzeichnen. Damit geht es im Folgenden theoretisch wie empirisch stets auch um die Frage, inwiefern Internetjournalismus von anderen journalistischen Teilbereichen zu differenzieren ist inwiefern Internetjournalismus also eine besondere journalistische Spezies darstellt.
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Maja Malik/Armin Scholl
Basis dieses Beitrags sind die Überlegungen und Befunde, die im Rahmen der Studie „Journalismus in Deutschland II“ (JouriD II) entstanden sind. Die Studie ist eine Replikation des Forschungsprojekts „Journalismus in Deutschland“, welches 1992/93 von Siegfried Weischenberg, Martin Löffelholz und Armin Scholl zum ersten Mal durchgeführt wurde (vgl. Weischenberg/Löffelholz/Scholl 1993, 1994; Scholl/Weischenberg 1998).1 Ziel der Untersuchung war es, die Strukturen des Journalismus in der Bundesrepublik zu beschreiben und – im diachronen Vergleich mit den Ergebnissen der ersten Studie – die Veränderungen des Journalismus im vergangenen Jahrzehnt zu analysieren. Dazu wurde im Frühjahr 2005 eine repräsentative Stichprobe von 1.536 Journalisten zu ihren Tätigkeiten, Merkmalen und Einstellungen telefonisch befragt. 2 Internetjournalismus: Definition(en) Eine theoretisch sinnvolle und empirisch brauchbare Definition des Internetjournalismus muss zwei Bedingungen erfüllen: 1. Die Definition sollte an eine allgemeine Definition des Journalismus anknüpfen. Denn Internetjournalismus kann nur dann als spezifische Form des Journalismus analysiert werden, wenn er theoretisch als Teil des gesamten Phänomens Journalismus modelliert wird. Dann lassen sich auch innerhalb des Journalismus medienspezifische Vergleiche anstellen. 2. Die Definition muss in der Lage sein, Internetjournalismus von anderen Inhalten im Internet abzugrenzen. Aussagen über diese spezielle Kommunikationsform setzen eine exakte Bestimmung dessen voraus, was man als Internetjournalismus untersucht und was als „Anderes“ entsprechend vernachlässigt wird. Journalismus – und damit auch Internetjournalismus – sollte also so breit wie möglich definiert (maximale Diversität) und von benachbarten Phänomenen der öffentlichen Kommunikation so exakt wie möglich abgegrenzt werden (optimale Differenzialität). Dabei sind grundsätzlich zwei Vorgehensweisen möglich: die inklusive Erfassung nicht nur aller Phänomene des Internetjournalismus, sondern auch diverser Grenz1 „Journalismus in Deutschland II“ wurde 2003-2006 in einer Kooperation zwischen dem Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Hamburg und dem Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster von Siegfried Weischenberg, Armin Scholl und Maja Malik durchgeführt. Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. Mit der Realisierung der telefonischen Journalistenbefragung war das Forschungsinstitut Ipsos beauftragt.
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bereiche und Grauzonen (vgl. Löffelholz et al. 2003: 477) und die exklusive Erfassung nur der Bereiche, die eindeutig als Internetjournalismus erkennbar und bestimmbar sind. Die inklusive Vorgehensweise wurde in der Repräsentativbefragung „Onlinejournalisten in Deutschland“ (2002) verwendet. Die Bestimmung von Internetjournalismus und Internetjournalisten folgte dabei vom Prinzip her der Methodik der Studie „Journalismus in Deutschland“ von 1992/93. Im Unterschied dazu wurden allerdings Organisationen mit aufgenommen, die neben journalistischen auch PR- und Werbeleistungen anbieten, um Entgrenzungsphänomene beobachten zu können. Auf diese Weise lassen sich drei Gruppen bilden (vgl. Löffelholz et al. 2003: 478f.):2 a) Kerngruppe: Dies sind die hauptberuflichen Internetjournalisten, die mehr als die Hälfte ihres Einkommens aus journalistischer Arbeit beziehen und die ihre gesamte Arbeitszeit in die Tätigkeit für Internetangebote investieren (N1=583=13% von 4.414 Internetpublizisten). b) Innerer Rand: Dies sind ebenfalls hauptberufliche Internetjournalisten, die mehr als die Hälfte ihres Einkommens aus journalistischer Arbeit beziehen, die allerdings nur einen Teil ihrer Arbeitszeit im Internetjournalismus tätig sind (N2=3.619=82% von 4.414 Internetpublizisten). c) Äußerer Rand: Dies sind die nebenberuflichen Internetjournalisten, die also weniger als die Hälfte ihres Einkommens aus journalistischer Tätigkeit beziehen und die zwischen 10 und 50% ihrer Arbeitszeit für Internetangebote tätig sind (N3=212=5% von 4.414 Internetpublizisten). Diese Vorgehensweise ist vor allem sinnvoll, um die Grenzen speziell des Internetjournalismus auszuloten. Die Studie „Journalismus in Deutschland II“ verfolgte dagegen in erster Linie das Ziel, Internetjournalismus als Teil des Journalismus zu identifizieren und ihn mit anderen Segmenten des Journalismus zu vergleichen. Deshalb wurde hier eine exklusive Definitionsstrategie verwendet, die im Folgenden näher beschrieben werden soll.
2 Die Autoren führten auch noch einen internationalen Vergleich mit der Teilstichprobe der Internetjournalisten der zeitgleich durchgeführten repräsentativen US-amerikanischen Studie von Weaver et al. durch, die allerdings mit einer rein operationalen Journalismusdefinition arbeitete, indem die Internetjournalisten aus den Redaktionen der traditionellen Medien ermittelt wurden sowie die Mitgliederliste der „Online News Association“ (ONA) zugrunde gelegt wurde (vgl. Quandt et al. 2006: 174f.). Allerdings kann mit diesem Verfahren keine direkte Zuordnung zu den drei deutschen Gruppen von Internetjournalisten (Kern, innerer Rand, äußerer Rand) erfolgen, sodass die empirische Extension der US-Stichprobe auf der Basis der vorhandenen Daten nicht bestimmt werden kann.
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Maja Malik/Armin Scholl
Die Studie „Journalismus in Deutschland“ modelliert Journalismus als funktional ausdifferenziertes Teilsystem der Gesellschaft (ähnlich auch Löffelholz et al. 2003). Da Journalismus ein komplexes Phänomen darstellt, das mit einer einfachen Definition nicht präzise zu fassen ist, wird der Untersuchungsgegenstand auf drei Ebenen bestimmt:3 x Auf gesellschaftlicher Ebene wird Journalismus als soziales System konzipiert, das eine exklusive Funktion für die Gesellschaft erfüllt und durch spezifische Kommunikationsmechanismen charakterisiert ist. x Auf der organisatorischen Ebene stellen Medienbetriebe und Medienangebote Institutionen des Journalismus dar, die anhand spezifischer Regeln und Routinen kontinuierlich journalistische Kommunikation produzieren und damit die journalistische Funktion operativ umsetzen. x Auf der Ebene professioneller Akteure werden journalistische Arbeitsrollen als Bestandteile des Systems Journalismus konzipiert, wenn sie hauptberuflich in fest angestellter oder freier Mitarbeit mit der Produktion journalistischer Medienangebote verknüpft sind.4 Auf diese Weise wird Journalismus anhand seiner spezifischen Kommunikation identifiziert, die durch seine Orientierung an bestimmten Sinnkriterien (Aktualität, Faktizität, Relevanz) entsteht und dadurch eine spezifische gesellschaftliche Funktion erfüllt. Damit wird Journalismus nicht auf die Summe journalistischer Akteure oder Tätigkeiten reduziert, sondern als Kommunikationsprozess modelliert und von seiner Umwelt differenziert. Diese Theorieentscheidung hat für eine empirische Studie zur Folge, dass die Grundgesamtheit der Journalisten in Deutschland über einen „Umweg“ ermittelt werden muss: Sie basiert auf der Grundgesamtheit der Medien in Deutschland, welche die journalistische Funktion erfüllen. Als journalistische Medien wurden Medienbetriebe in die Untersuchung aufgenommen, x die als redaktionell eigenständige Einheiten mit eigener Chefredaktion zu identifizieren sind, x deren Herausgeber bzw. hauptsächliche Auftraggeber weder Unternehmen, Parteien, Vereine, Verbände, Behörden o. Ä. sind, x die nicht ausschließlich von ehrenamtlichen Mitarbeitern erstellt werden, 3 Diese Definition des Untersuchungsgegenstands entspricht derjenigen, die bereits der Vorgängerstudie „Journalismus in Deutschland“ zugrunde lag und bei Scholl (1997) sowie Scholl/Weischenberg (1998: v. a. 84f.) ausführlich begründet wird. 4 Hauptberuflichkeit wird dann konstatiert, wenn ein Journalist mehr als die Hälfte seiner Einkünfte aus journalistischer Arbeit bezieht oder mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit für die Herstellung journalistischer Medienangebote verwendet.
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x die regelmäßig und mindestens sechs Mal im Jahr erscheinen und x die neben Werbung, Fiktion, Musik, Spielen, Rätseln u. Ä. auch einen eigenen redaktionellen Teil aufweisen (vgl. detailliert Malik 2005). Als Journalisten wurden schließlich diejenigen Personen definiert, die bei journalistischen Medienbetrieben (nach den genannten Kriterien) in journalistischen Arbeitsrollen hauptberuflich für die Herstellung des journalistischen Angebots zuständig sind. Ausgeschlossen sind dagegen reine Techniker, Anzeigenredakteure oder Personen in der Verwaltung und im Sekretariat einer Redaktion. Diese operationale Definition wurde für den Internetjournalismus folgendermaßen spezifiziert: Prinzipiell wurden sowohl eigenständige „Nur-Internetangebote“ (z. B. Telepolis, Netzeitung) als auch die „Internetableger“ anderer Medien (z. B. Spiegel Online, Focus Online) als Internetangebote berücksichtigt. Letztere wurden allerdings nur dann einbezogen, wenn sie als eigenständige Medienprodukte zu erkennen waren, die nicht ausschließlich als zusätzlicher technischer Vertriebsweg für das unveränderte Material des „Muttermediums“ fungieren (wie etwa bei taz.de). In diesen Fällen ist nicht davon auszugehen, dass in den Medienbetrieben journalistische Arbeitsrollen für das Internetangebot existieren. „Von einem Onlinejournalismus wird man berechtigterweise erst dann sprechen können, wenn statt Nachrichtenrecycling mediengerechte Inhalte speziell für das World Wide Web produziert werden.“ (Neuberger 2000: 310) In einem weiteren Schritt wurden alle im Internet vertretenen Medienorganisationen angeschrieben, die unter diese Definition fallen, also journalistische Redaktionen bzw. Medien sind, um die Zahl der beschäftigten hauptberuflichen festangestellten wie freien Redakteure zu ermitteln. Auf diese Weise können die Personalzahlen im Mediensektor Internetjournalismus insgesamt ermittelt werden.5 Dabei wurden die Internetangebote etablierter Medien nicht als eigene Erhebungseinheiten gezählt, da sich die Zahl der Internetredakteure über die jeweiligen Hauptredaktionen ermitteln ließen. Von den „Nur-Internetanbietern“ wurden alle redaktionellen Einheiten in die Grundgesamtheit aufgenommen, die mindestens die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit der Produktion journalistischer Angebote verbringen, welche sie regelmäßig und mindestens einmal im Monat aktualisieren. Um dies zu erfassen, wurden die Inter5 Bei den anderen Mediensparten wurde genauso vorgegangen. Entweder wurden alle journalistischen Medien oder eine Stichprobe der Medien aus den betreffenden Sparten (Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunksender, Fernsehsender usw.) angeschrieben, um die Gesamtzahl der beschäftigten Redakteure zu ermitteln (zur genauen Vorgehensweise vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006: 33-36, 227, 256-262).
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Maja Malik/Armin Scholl
netredaktionen nach der Aktualisierungshäufigkeit und Aktualitätsregelmäßigkeit ihrer Angebote sowie nach der durchschnittlichen Zahl der Page Impressions pro Monat gefragt. Eine periodische und mindestens monatliche Aktualisierung wurde als Indiz für professionellen Journalismus bewertet, da Periodizität die Aktualitätsbezogenheit des Journalismus operationalisiert, die im Internetjournalismus mit einer größeren Erscheinungsfrequenz als etwa bei Zeitschriften verbunden ist, um ökonomisch existieren und fest angestellte oder freie Journalisten beschäftigen zu können (vgl. ähnlich Neuberger 2002: 104). Internetredaktionen wurden außerdem um eine Beschreibung ihrer Tätigkeitsbereiche gebeten und gefragt, in welchen Teilen sie ihre Arbeitszeit zur Herstellung eigener Medienangebote, zur Zulieferung für andere Medien oder im Auftrag von Unternehmen, Parteien, Vereinen oder Verbänden verwenden. Nur diejenigen redaktionellen Einheiten wurden in der Untersuchung berücksichtigt, die ihre Arbeitszeit mehr als zur Hälfte für die Produktion journalistischer Medienangebote (für eigene oder fremde Medien) aufwenden. Ausgeschlossen wurden zunächst Angebote, die anhand ihrer Domainbezeichnungen oder Herausgeberschaft als PR-Medien identifiziert wurden (z. B. greenpeace.de, hsv.de). Aussortiert wurden nach inhaltlichen Recherchen außerdem Angebote, die ausschließlich der Individual- oder Laienkommunikation (z. B. Chats, Foren, Communities, private Webauftritte), dem Internet-Shopping (z. B. buecher.de) oder der Promotion anderer Medienangebote (z. B. 9Live.de) dienen. Allerdings war Internetjournalismus (schon damals) in vielen Einzelfällen nur schwer von anderen Formen der Internet-Kommunikation und Internet-Information zu unterscheiden. Insbesondere bei Kommunikationsplattformen und themenspezifischen Portalen werden Journalismus, PR, Service, Archiv- und Nachschlagefunktionen sowie Laienkommunikation in einem einzigen Angebot zusammengeführt. Um die Journalismus-Definition nicht ohne Grund einzuschränken, wurden solche Grenzfälle zunächst in die Grundgesamtheit inkludiert. Wenn sich über die Selbstbeschreibung der Redaktionen in der Personalzahlbefragung jedoch herausstellte, dass PR- und Werbetätigkeiten mehr als die Hälfte der redaktionellen Arbeitszeit in Anspruch nehmen, wurden die Medien im Nachhinein wieder ausgeschlossen. Da die Grundgesamtheit journalistischer Medien in der Bundesrepublik zwischen Oktober 2003 und Mai 2004 zusammengestellt wurde, tauchten Weblogs in denjenigen Verzeichnissen und Datenbanken, mit Hilfe derer journalistische Medien identifiziert wurden, noch nicht auf (Zimpel, Stamm, IVW, OMD, Online-
Eine besondere Spezies. Strukturen und Merkmale des Internetjournalismus.
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Werbeplanung). Die Folge ist, dass sich Weblogger nicht in der Stichprobe der Studie finden. Gegen die meisten Weblogs spricht zurzeit ohnehin, dass sie nach der hier erarbeiteten Definition wegen des Kriteriums der Hauptberuflichkeit eher der Laienkommunikation als der professionellen Kommunikation zuzurechnen sind. Eines der wenigen Blogs, das heute nach der benutzten Definition eventuell aufzunehmen wäre, ist das Bildblog. Alle anderen werden nicht hauptberuflich betrieben oder würden allein durch ihre Zugehörigkeit zur Website einer professionellen Redaktion (z. B. Tagesschau) in die Definition geraten.6 Auf der Basis dieser Definition wurde 2004 im ersten Teil der Studie die Grundgesamtheit der journalistischen (Internet-)Angebote und (Internet-)Journalisten ermittelt. Aus dieser Grundgesamtheitszählung wurden die Ergebnisse in den Abschnitten 3.1 bis 3.2 zusammengestellt. Im zweiten Teil wurde eine nach Mediensparten geschichtete Zufallsstichprobe von 700 Medienorganisationen gezogen. Innerhalb dieser Medienbetriebe wurden wiederum per Zufallsverfahren Ressorts ausgewählt (wenn sie eine Ressortstruktur aufwiesen). Aus diesen Ressorts wurden alle journalistisch Beschäftigen (auch die hauptberuflich freien Mitarbeiter) aufgelistet und daraus eine Zufallsstichprobe proportional zur Größe der Redaktion bzw. des Ressorts gezogen. Diese Bruttostichprobe umfasste 3.534 Journalisten; bereinigt um 1.423 „qualitätsneutrale Ausfälle“ verblieben noch 2.111 Personen. Im Frühjahr 2005 wurde die Befragung durchgeführt, an der insgesamt 1.536 repräsentativ ausgewählte Journalisten, darunter, entsprechend ihrem Anteil an der Grundgesamtheit aller Journalisten, 74 Internetjournalisten, teilnahmen. Der Fragebogen umfasste Fragen zu ihren Tätigkeiten, Merkmalen und Einstellungen (vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006: 227254). Aus dieser Befragung über das Berufs- und Tätigkeitsfeld ergeben sich für den Internetjournalismus die in den Abschnitten 3.3 bis 3.9 dokumentierten Befunde.
6 An diesem Beispiel sieht man, wie Strukturveränderungen in den Medien (hier: im World Wide Web) bestehende Definitionen immer wieder zur Revision oder Präzisierung zwingen. Würde die Studie heute erneut durchgeführt, stellte sich das Problem, journalistische und nicht-journalistische Weblogs zu unterscheiden, viel schärfer als zur Zeit der Definition der journalistischen Grundgesamtheit in JouriD II.
Maja Malik/Armin Scholl
176
3 Internetjournalisten in Deutschland: Strukturen und Merkmale des Berufs Im Mittelpunkt der Analyse stehen die zentralen Strukturen und Merkmale des Internetjournalismus im Vergleich zum Durchschnitt der Journalisten in Deutschland. Es gilt also, das Berufsfeld der Internetjournalisten zu beschreiben und zugleich zu prüfen, inwiefern Internetjournalismus als ein neuer, anderer Journalismus zu verstehen ist oder sich als „alter“ Journalismus in einem neuen Verbreitungsmedium präsentiert. 3.1 Eine kleine Gruppe: Die Zahl der Internetjournalisten in Deutschland
In den mehr als zehn Jahren, in denen das Internet zu einem öffentlich relevanten Medium avanciert ist und in denen zahlreiche Hoffnungen und Befürchtungen über den Journalismus im Netz artikuliert wurden, ist die Berufsgruppe der Internetjournalisten in Deutschland überschaubar geblieben. Im August 2004 arbeiteten knapp 2.500 Journalistinnen und Journalisten als Festangestellte oder Freiberufler für journalistische Medien im Internet nach der oben beschriebenen Definition wurden sie identifiziert, weil sie hauptsächlich in einem journalistischen Arbeitsund Verantwortungsbereich tätig sind und weil sie mehr als die Hälfte ihres Einkommens aus journalistischer Arbeit beziehen bzw. mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit Arbeit für journalistische Medien verbringen. 42% von ihnen (etwa 1.000 Personen) sind in den Internetredaktionen „klassischer“ Medien beschäftigt; mit 58%, was knapp 1.500 Personen entspricht, arbeitet die Mehrheit der Internetjournalisten bereits bei knapp 350 eigenständigen Internetangeboten. Abb. 1: Anzahl der (Internet-)Journalisten in Deutschland
48.380
gesamt
2.325
nur Internet
0
10.000
20.000
30.000
40.000
50.000
Damit ist ein journalistischer Arbeitsmarkt entstanden, der den der Nachrichtenagenturen und Mediendienste mit etwa 1.400 journalistischen Beschäftigten deutlich übertrifft und nicht weit hinter dem der Anzeigenblätter (rund 2.900 Journalisten) rangiert. In Bezug auf die 48.000 hauptberuflichen Journalisten in
Eine besondere Spezies. Strukturen und Merkmale des Internetjournalismus.
177
Deutschland insgesamt machen Internetjournalisten allerdings (noch) einen sehr geringen Anteil von knapp 5% aus (vgl. Abb. 1). 3.2 Durchschnittlich: Freiberufler im Internetjournalismus
Journalismus ist seit jeher ein freier Beruf, das heißt: Nach Artikel 5 des Grundgesetzes ist der Berufszugang prinzipiell ohne Barrieren. Es ist jedem unabhängig von seiner Herkunft, Ausbildung oder Qualifikation erlaubt, sich als Journalist zu versuchen. Die Freiheit des Journalistenberufs beschreibt aber auch schon seit jeher die Tatsache, dass die Arbeit ohne ein festes Anstellungsverhältnis im Journalismus ausgeprägter ist als in vielen anderen Berufsgruppen; es gibt traditionell einen großen Anteil freiberuflicher Mitarbeiter in den Redaktionen. Im Jahr 2005 war mit rund 12.000 Freien ein Viertel aller hauptberuflichen Journalisten in Deutschland (25%) freiberuflich tätig. Im Internetjournalismus ist der Anteil etwa gleich: 27% der Internetjournalisten (rund 600 Journalistinnen und Journalisten) arbeiten frei, davon etwa 350 bei Nur-Internetangeboten und 250 in den Internetredaktionen „klassischer“ Medien. Diese Zahl ist erstaunlich klein war doch anzunehmen, dass sich gerade beim neuen Medium Internet der Trend zur freien Arbeit verstärkt etabliert. Allerdings muss insbesondere bei diesem Medium das Kriterium der Hauptberuflichkeit bedacht werden: Freie Mitarbeiter, die im Internetjournalismus nicht mindestens die Hälfte ihres Einkommens verdienen (können), sondern ihn als Hobby betreiben bzw. im Hauptberuf z. B. für PR-Medien (auch im Netz) tätig sind, sind in diesen Zahlen nicht enthalten. Es ist also durchaus plausibel, dass wesentlich mehr Menschen (auch) freiberuflich für Internetangebote journalistisch arbeiten. Allerdings verdienen sie in dieser Branche nicht genug, um davon hauptsächlich ihren Unterhalt zu bestreiten. 3.3 Spezialisten: Die Verteilung von Internetjournalisten auf Ressorts
An den Ressorts, denen sich Journalisten selbst zuordnen, lässt sich ablesen, mit welchen Themen sie sich überwiegend beschäftigen. Hingegen lassen ihre Auskünfte nicht zuverlässig auf die Organisation von Redaktionen schließen, da die Definition und Konstruktion von Ressorts in verschiedenen Redaktionen höchst unterschiedlich gehandhabt wird. Liest man die Aussagen der Journalisten als Themenkategorien, wird ersichtlich, dass Internetjournalisten im Vergleich zu den Journalisten insgesamt eine stärker spezialisierte Spezies darstellen. 42% von ihnen beschäftigen sich mit speziellen Themen wie Wissenschaft, Kirche, Jugend, Ge-
Maja Malik/Armin Scholl
178
sundheit, Wellness, Medizin, Technik, Autos, Computer etc., gefolgt von einem guten Fünftel der Internetjournalisten (21%), die sich mit bunten Themen wie Lifestyle, Mode, Kosmetik, Promis, Hobbys, Küche oder Garten befassen (vgl. Abb. 2). Außerdem wird von einem guten Zehntel der befragten Internetjournalisten (12%) und damit verhältnismäßig häufig Wirtschaft als Ressort benannt. Dagegen arbeiten sehr wenige Internetjournalisten in den klassischen Ressorts Lokales/Regionales (3%) und Politik/Aktuelles (4%). Abb. 2: Verteilung der (Internet-)Journalisten auf Ressorts (Angaben in %) 27
Lokales/Regionales
3 15
Politik/Aktuelles
4 5
Wirtschaft
12 10
Kultur
8 6
Sport
0 8
Buntes/Lifestyle
21 10
Spezielles/Gesellschaft
42 1
Organisation/Produktion
0 gesamt (N=1.536) nur Internet (n=74)
18
ohne festes Ressort
10 0
10
20
30
40
50
Dass Sport als Hauptrubrik unter den Befragten gar nicht vorkommt, liegt wahrscheinlich daran, dass Sport (wie auch bei anderen Medien) häufig zusammen mit anderen Themenbereichen behandelt und wegen mangelnder Ressourcen hauptsächlich mit Hilfe von Agenturmeldungen bearbeitet wird. Verhältnismäßig wenige Internetjournalisten (10%) arbeiten außerdem ohne ein festes Ressort. Aus all dem lässt sich schließen: Internetjournalisten arbeiten mit einer stärkeren thematischen Spezialisierung als der journalistische Durchschnitt.
Eine besondere Spezies. Strukturen und Merkmale des Internetjournalismus.
179
3.4 Männlich, jung, gebildet und arm: Soziodemografische Merkmale der Internetjournalisten in Deutschland
Der Journalismus insgesamt ist nach wie vor ein von Männern dominiertes Berufsfeld: Unter den rund 48.000 hauptberuflichen Journalisten in Deutschland sind etwa 18.000 Frauen; der Frauenanteil im Journalismus liegt damit bei 37%. Auch wenn das Internet lange als „Männer-Medium“ galt und daher nur wenige Frauen im Internetjournalismus zu vermuten wären, unterscheidet sich dieser mit seinem Frauenanteil nicht vom journalistischen Durchschnitt. Auch hier ist ein gutes Drittel der Beschäftigten (36%) weiblich. Abb. 3: Frauenanteil im (Internet-)Journalismus (in %) 22
Gesamtleitung
gesamt (N=1.536) nur Internet (n=74)
13 29
Teilleitung
34 39
Redakteure
41 0
10
20
30
40
50
Allerdings wird noch mehr als beim Journalismus insgesamt deutlich, dass höhere Positionen in der Redaktionshierarchie von Frauen seltener erreicht werden als von Männern: Nur etwa jede achte Position eines Chefredakteurs (13%) ist mit einer Frau besetzt (vgl. Abb. 3). Dagegen sind Frauen auf der Ebene der Ressortleiter und Redakteure überdurchschnittlich vertreten (34%). Was sind die Ursachen für die mangelnde Repräsentanz von Frauen im Internetjournalismus? Zunächst unterscheidet sich der Journalismus insgesamt hinsichtlich bestimmter kultureller Faktoren nicht von anderen Berufsfeldern. Frauen übernehmen im familiären Gefüge nach wie vor eher die Hausarbeit und die Versorgung der Kinder, während Männer der Erwerbsarbeit nachgehen. Kulturell geformte Geschlechter-Images schreiben außerdem eher Männern als Frauen Entscheiderqualitäten und Führungspositionen zu und erschweren so den beruflichen Aufstieg von Journalistinnen. Speziell im Journalismus können außerdem verhältnismäßig lange Arbeitszeiten und die Notwendigkeit zeitlicher Flexibilität dazu führen, dass sich Frauen häufig zwischen Beruf und Familie entscheiden müssen
Maja Malik/Armin Scholl
180
und dann auch insgesamt weniger für Leitungsaufgaben in den Redaktionen zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass die Internetjournalisten in Deutschland insgesamt eine relativ junge Berufsgruppe darstellen. Während also die Internet-Pioniere eventuell tatsächlich eher Männer waren, die heute in Führungspositionen arbeiten, sind heute auf der Ebene der Redakteure und Ressortleiter überdurchschnittlich viele Frauen vertreten. Die auffällige Altersstruktur der Internetjournalisten wird mit folgenden Befunden deutlich: Während die Journalisten in Deutschland insgesamt im Durchschnitt knapp 41 Jahre alt sind, liegt der Altersdurchschnitt der Internetjournalisten bei 37 Jahren. Fast die Hälfte der Internetjournalisten (48%) ist unter 36 Jahre alt (vgl. Abb. 4). Fast neun von zehn Internetredakteuren sind jünger als 46 Jahre (89%). Wenig überraschend zeigen die Befunde also in einem relativ neuen Berufsfeld eine junge Berufsgruppe. Dass nur sehr wenige Internetjournalisten in der Altersgruppe der bis 25-Jährigen sind (1%), liegt wahrscheinlich daran, dass im Internetjournalismus bislang wenige Volontariate angeboten werden. Abb. 4: Altersstruktur im (Internet-)Journalismus (in %) 3 bis 25 Jahre
nur Internet (n=74)
gesamt (N=1.536)
1 30
26 bis 35 Jahre
47 40
36 bis 45 Jahre
41 21
46 bis 55 Jahre
8 6
56 bis 65 Jahre
1 1
über 65 Jahre
1 0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
Eine besondere Spezies. Strukturen und Merkmale des Internetjournalismus.
181
Außerdem haben Internetjournalisten wie die meisten jüngeren Journalisten einen überdurchschnittlich hohen formalen Bildungsstand (vgl. Abb. 5). Drei Viertel von ihnen (75%) verfügen über ein abgeschlossenes Hochschulstudium im Gegensatz zu zwei Dritteln (66%) der Gesamtheit der Journalisten. Weitere 4% der Internetjournalisten haben sogar promoviert. Dass dies etwas mehr sind als im Journalismus insgesamt (3%), hängt unter Umständen damit zusammen, dass im Internetjournalismus anscheinend häufiger eine thematische Spezialisierung gefragt ist. Ähnlich lässt sich eventuell erklären, dass es im Internetjournalismus weniger Studienabbrecher (7%) gibt als im journalistischen Durchschnitt (15%). Abb. 5: Höchster formaler Bildungsabschluss im (Internet-)Journalismus (in %) 0
Volksschule/Hauptschule
nur Internet (n=74)
gesamt (N=1.536)
1 3
Mittlere Reife/Realschule
2 13
Fachabitur/Abitur
11 15
Studium ohne Abschluss
7 66
abgeschlossenes Hochschulstudium
75 3
Studium mit Promotion
4
0
20
40
60
80
Die Studienfächer, welche von den Internetjournalisten am häufigsten studiert wurden, stammen überwiegend aus den Geistes- und Sozialwissenschaften: Ein Sechstel von ihnen (16%) studierte Politikwissenschaft im Hauptfach, je 12% studierten Geschichte und Germanistik bzw. Literaturwissenschaft. Wirtschaftswissenschaften und Journalistik bzw. Kommunikationswissenschaft wurden von je 8% der befragten Internetjournalisten studiert. Diese Studienfächer entsprechen nicht den häufig genannten Ressorts und Themenkategorien, mit denen sich die Internetjournalisten beruflich befassen. Diese stammen vor allem aus dem naturwissen-
Maja Malik/Armin Scholl
182
schaftlich-technischen und aus dem Unterhaltungsbereich (siehe oben). Das lässt darauf schließen, dass Internetjournalisten inhaltlich häufig als Quereinsteiger in ihrem Beruf arbeiten. Die formal relativ gut gebildeten Internetjournalisten verfügen im Durchschnitt nämlich auch seltener über eine journalistische Ausbildung als der Durchschnitt der Journalisten (vgl. Abb. 6). Etwa jeder zweite von ihnen (52%) hat ein Volontariat absolviert, während dies bei fast zwei Dritteln (62%) der Journalisten insgesamt der Fall ist. Eine Journalistenschule haben sogar nur 3% der Internetjournalisten besucht. Das ist allerdings nicht verwunderlich sind die Journalistenschulen doch trotz mehrmedialer Ausbildungsprogramme nach wie vor eher an die „alten Medien“ angegliedert, zum Beispiel die RTL Journalistenschule ans Fernsehen, die Henri-Nannen-Schule und die Axel Springer Akademie an Printmedien. Abb. 6: Ausbildung der (Internet-)Journalisten (Mehrfachnennungen, in %) 69 Praktikum 80 62 Volontariat 52 14 Journalistenschule
3 14
Studium Journalistik 14 Studium Publizistik/ Kommunikationswissenschaft/ Medienwissenschaft
17 15 14
sonstige Aus- und Weiterbildung
25 0
20
nur Internet (n=74) 40
60
gesamt (N=1.536) 80
100
Hingegen erkennt man bei den durchschnittlich jungen Internetjournalisten die „Generation Praktikum“ wieder: Acht von zehn der befragten Internetjournalisten (80%) haben ein Praktikum im Journalismus absolviert; bei den Journalisten in Deutschland insgesamt sind es dagegen „nur“ sieben von zehn (69%). Anstelle von Volontariat und Journalistenschule qualifizieren sich Internetjournalisten außer-
Eine besondere Spezies. Strukturen und Merkmale des Internetjournalismus.
183
dem überdurchschnittlich häufig durch Weiterbildungsmaßnahmen weiter. Jeder vierte von ihnen (25%) hat eine sonstige journalistische Aus- und Weiterbildung absolviert im Gegensatz zu jedem siebten Journalisten (14%) bei allen Medien. Noch einmal lässt sich mit diesen Befunden zeigen, dass im Internetjournalismus überwiegend Akademiker arbeiten, die auf verschiedensten Wegen in den Journalismus gefunden haben. Allerdings sind sie auf diese Weise die „armen Verwandten“ im Journalismus, was ihr Einkommen betrifft. Verdient ein hauptberuflicher Journalist in Deutschland durchschnittlich 2.300 Euro netto im Monat, liegt das durchschnittliche Einkommen der Internetjournalisten bei 1.840 Euro und ist damit fast 500 Euro niedriger. Gemeinsam mit den Journalisten bei Anzeigenblättern und Mediendiensten liegen die Internetjournalisten am unteren Ende der journalistischen Verdienstskala. Noch deutlicher lässt sich die finanzielle Situation der hauptberuflichen Internetredakteure allerdings einschätzen, wenn man auf die Verteilung auf einzelne Einkommensgruppen blickt: Es gibt nur wenige „besser verdienende“ Internetjournalisten, nur 5% von ihnen verdienen mehr als 3.000 Euro netto im Monat. Mit 70% der Befragten erhält ein Großteil der Internetjournalisten zwischen 1.000 und 2.000 Euro netto im Monat. Im Vergleich zum journalistischen Durchschnitt arbeiten allerdings deutlich weniger Internetjournalisten in einer prekären Einkommenssituation: 4% von ihnen verdienen weniger als 1.000 Euro im Gegensatz zu 8% der Journalisten in Deutschland insgesamt. Im Internetjournalismus gibt es also trotz des relativ niedrigen Durchschnittsverdiensts eine verhältnismäßig große Einkommens-Mittelklasse anscheinend hat sich eine weniger differenzierende Bezahlung als im Journalismus insgesamt etabliert. Zudem gilt stets zu bedenken, dass bei dem unterdurchschnittlichen Verdienst der Internetjournalisten auch ihr unterdurchschnittliches Alter eine wichtige Rolle spielt. 3.5 Technik-affin: Berufliche Tätigkeiten der Internetjournalisten
Hinsichtlich ihrer beruflichen Tätigkeiten unterscheiden sich Internetjournalisten nur wenig von den Journalisten in Deutschland insgesamt (vgl. Abb. 7). Fragt man sie, wie viel Zeit sie an einem durchschnittlichen Arbeitstag mit welchen Tätigkeiten verbringen, so zeigt sich, dass sie wie der Durchschnitt der Journalisten den Großteil ihrer Arbeitszeit mit dem Verfassen und Redigieren eigener Texte verbringen (118 Minuten) und recherchieren (106 Minuten). Einen weiteren wichtigen Teil ihres Arbeitstages machen technische Tätigkeiten aus, für die sie durchschnitt-
Maja Malik/Armin Scholl
184
lich 100 Minuten aufwenden und damit eine gute Viertelstunde mehr als der journalistische Durchschnitt (84 Minuten). Im Internetjournalismus gibt es wenige technisch spezialisierte Rollen wie etwa Kameraleute oder Cutter beim Fernsehen. Entsprechend müssen Journalisten hier technische Aufgaben anscheinend eher selbst verrichten als in anderen Medienbereichen. Als Besonderheit der Berufsgruppe zeigt sich außerdem, dass Internetjournalisten durchschnittlich zwanzig Minuten am Tag weniger recherchieren als der Durchschnitt, aber dafür durchschnittlich fast zehn Minuten mehr Zeit mit der Auswahl von Texten verbringen. Die Auswahl fremder Texte von Presseagenturen und Pressestellen scheint damit im Internetjournalismus eine größere Rolle zu spielen und weist eher auf eine Art des Newsmanagements hin. Abb. 7: Tätigkeiten der (Internet-)Journalisten an einem durchschnittlichen Arbeitstag (Dauer in Minuten) 117
Recherchieren
106 120 118
Verfassen/Redigieren eigener Texte 33
Auswahl von Texten
42 33
Redigieren von Agenturund Pressematerial
29 55
Redigieren der Texte von Kollegen/Mitarbeitern
51 78
Organisation und Verwaltung
66 84
Technik
100 26 22
Kontakt mit dem Publikum 9 11
PR, Werbung, Marketing, kaufmännische Tätigkeiten 0
nur Internet (n=74)
20
40
60
80
100
gesamt (N=1.536)
120
140
Hingegen verwenden Internetjournalisten durchschnittlich zehn Minuten weniger Zeit auf organisatorische und verwaltende Tätigkeiten als die Gesamtheit der Journalisten. Das spricht dafür, dass Internetredaktionen kleinere Einheiten darstellen, in denen weniger organisiert werden muss. Erstaunlich ist, dass Internetjournalisten
Eine besondere Spezies. Strukturen und Merkmale des Internetjournalismus.
185
mit durchschnittlich 22 Minuten etwas weniger Zeit für den Kontakt mit ihrem Publikum verwenden als der journalistische Durchschnitt (26 Minuten). Eigentlich wäre zu vermuten, dass Journalisten im interaktiven Netz einen intensiveren Kontakt mit ihrem Publikum pflegen als bei anderen Medien. Allerdings ist es auch möglich, dass sie diese Publikumskontakte einfach schneller und routinierter erledigen (können) als die Journalisten anderer Medien. Mit Blick auf die journalistischen Tätigkeiten zeigt sich insgesamt: Im Arbeitsalltag scheint der Internetjournalismus keine besondere berufliche Spezies zu sein. Allenfalls lässt sich vermuten, dass hier eher Newsmanagement als Recherchejournalismus betrieben wird. 3.6 Kritische Kollegen: Arbeitszufriedenheit der Internetjournalisten
Internetjournalisten sind im Vergleich mit der Gesamtheit der Journalisten in Deutschland weniger zufrieden mit ihrem Job. Dies lässt sich anhand einer Reihe von Kategorien prüfen, mit denen man im Beruf zufrieden oder unzufrieden sein kann. Dabei zeigt sich, dass Internetjournalisten bei fast allen Kategorien etwas seltener Zufriedenheit artikulieren als der journalistische Durchschnitt. Weniger als die Hälfte der befragten Internetjournalisten ist mit folgenden Punkten zufrieden (vgl. Abb. 8): x Berufliche Sicherheit wird im Internetjournalismus seltener wahrgenommen als im Journalismus insgesamt. Dies gibt Hinweis auf die unsichere finanzielle Situation kleinerer Internetredaktionen, die insbesondere während der Medienkrise noch keine Zukunftsperspektiven entwerfen konnten. x Die Arbeitsbelastung im Journalismus wird von Internetjournalisten offenbar stärker empfunden als im Journalismus insgesamt. 59% der Befragten äußern sich allenfalls teilweise zufrieden damit obwohl sie im Durchschnitt eine geringere wöchentliche Arbeitszeit haben, nämlich knapp 43 Stunden. Beim Journalismus insgesamt sind dies durchschnittlich 45 Stunden. Eine Interpretationsmöglichkeit ist, dass der Arbeitsalltag der Internetjournalisten dichter und damit auch stressiger ist als bei denjenigen Medien, die weniger aktualitätsgebunden sind. x Mit der Zeit für eigene Recherchen sind ebenfalls knapp zwei Drittel (62%) der Internetjournalisten höchstens teilweise zufrieden. Dieser Befund korrespondiert mit der im Vergleich zu anderen Medien geringeren Zeit, die Internetjournalisten im Arbeitsalltag für Recherchen aufwenden (siehe oben).
Maja Malik/Armin Scholl
186 Abb. 8: Arbeitszufriedenheit: Anteil Zufriedener (in %) Verhältnis zu Mitarbeitern (nur Redakteure in Leitungspositionen)
93 94 88
Arbeitskollegen
82
Verhältnis zu Vorgesetzten (ohne Chefredaktionen)
74 70
Möglichkeit, sich die Arbeit selbst einzuteilen
75 67
politische und weltanschauliche Linie des Medienbetriebs
67 57 54 53
Publikumsresonanz/Publikumsreaktionen
72
Qualität der Ausbildung
52 50
berufliche Sicherheit
41 48
tägliche Arbeitsbelastung
41
Zeit für persönliche Recherche von Themen
48 38 54
Höhe der Bezahlung
37
Möglichkeiten zur beruflichen Weiterbildung
42 31 31
Aufstiegsmöglichkeiten
nur Internet (n=74)
18
0
20
40
60
gesamt (N=1.536)
80
100
x Auch die geringe Zufriedenheit mit der Bezahlung (37% Zufriedene) entspricht dem im Vergleich niedrigen Einkommen der Internetjournalisten. x Während mehr als die Hälfte der Internetjournalisten (52%) mit der Qualität ihrer Ausbildung zufrieden ist, wünschen sich mehr als zwei Drittel (69%) bessere Möglichkeiten zur Weiterbildung. Obwohl Internetjournalisten verhältnismäßig häufig Weiterbildungsmaßnahmen absolviert haben, sehen sie hier anscheinend Entwicklungsbedarf was sicherlich auch daran liegt, dass sie selbst vergleichsweise selten eine spezielle journalistische Ausbildung genossen haben.
Eine besondere Spezies. Strukturen und Merkmale des Internetjournalismus.
187
x Am seltensten zufrieden sind die Internetjournalisten mit ihren Möglichkeiten beruflich aufzusteigen. Weniger als ein Fünftel (18%) ist diesbezüglich sehr oder eher zufrieden. Eine Erklärungsmöglichkeit liegt darin, dass in kleinen Internetredaktionen verhältnismäßig flache Hierarchien herrschen und einzelne Mitarbeiter daher allenfalls selten befördert werden können. Insgesamt bewerten die Internetjournalisten in Deutschland die Kategorien zur Arbeitszufriedenheit mit ähnlichen Tendenzen wie die Gesamtheit der Journalisten allerdings stets ein wenig kritischer. 3.7 Fortschrittliche, gebildete Bezugsgruppe: Publikumsbild der Internetjournalisten
Obwohl Internetjournalisten weniger Zeit für den Kontakt mit ihrem Publikum aufwenden und obwohl sie ihrem Publikum deutlich seltener Einfluss auf ihre Arbeit zusprechen, haben sie ein etwas positiveres Bild von ihrem Publikum als der journalistische Durchschnitt. Abb. 9: Das Publikumsbild der (Internet-)Journalisten (fünfstufige Skala) 2,74
politisch interessiert
gesamt (N=1.536) nur Internet (n=74)
2,30
politisch nicht interessiert
3,13
fortschrittlich
konservativ
2,34 2,52
gebildet
ungebildet
2,11 3,04
einflussreich
einflusslos
2,83 2,20
informationsorientiert
nicht informationsorientiert
1,84 2,59
unterhaltungsorientiert
nicht unterhaltungsorientiert 3,00 2,93
reich
arm
2,56 3,33
jung
alt
2,67 3,02
politisch links
politisch rechts
3,00 1
2
3
4
5
188
Maja Malik/Armin Scholl
Zu verschiedenen gegensätzlichen Eigenschaften ihres Publikums befragt (semantisches Differenzial), halten sie ihr Publikum im Durchschnitt für eher politisch interessiert als politisch nicht interessiert, für eher fortschrittlich als für konservativ, für eher gebildet als für ungebildet (vgl. Abb. 9). Sie schreiben ihrem Publikum einen mittleren Einfluss zu, halten es deutlich für informationsorientiert und nur mittelmäßig an Unterhaltung interessiert, eher für reich als arm und für politisch in der Mitte stehend. Im Vergleich zum journalistischen Durchschnitt haben Internetjournalisten damit bei ihrer Arbeit eine vergleichsweise jüngere, fortschrittlichere, gebildetere und wohlhabendere Bezugsgruppe vor Augen. 3.8 Schnelle, spezielle Informationsvermittler: Rollenselbstverständnis der Internetjournalisten
Fragt man Journalisten, wie sie sich in ihrer Rolle als Journalisten verstehen, welche Ziele sie mit ihrem Beruf erreichen möchten und welche Absichten ihre Arbeit prägen, lassen sich zur Übersicht drei verschiedene Typen von journalistischen Rollenbildern unterscheiden: x Rollenbilder, die vor allem auf Information und Vermittlung ausgerichtet sind, x Rollenbilder, die vor allem Service und Unterhaltung als Ziele beinhalten, und x Rollenbilder mit gesellschaftskritischer, kontrollierender und anwaltschaftlicher Prägung (vgl. Scholl/Weischenberg 1998: 163-175; Weischenberg/Malik/Scholl 2006: 98-119). Die Journalisten in Deutschland insgesamt fühlen sich mehrheitlich dem informierenden und vermittelnden Journalismus verpflichtet (vgl. Abb. 10). Dazu gehört im Einzelnen, dass ein überwiegender Teil von ihnen sein Publikum möglichst neutral und präzise informieren (89%), komplexe Sachverhalten erklären (79%) und Informationen möglichst schnell vermitteln will (74%). Nach wie vor haben Kommunikationsabsichten wie die des Kontrolleurs von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nur nachrangige Bedeutung (24% Zustimmung). Auch das Ziel, dem Publikum Unterhaltung und Entspannung zu bieten, findet nur mäßige Zustimmung (37%) (vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006: 97119). Die Internetjournalisten in Deutschland sind noch deutlicher durch ein Selbstbild geprägt, das sich auf das Ziel schneller und spezieller Informationsvermittlung zuspitzen lässt. Gleichermaßen wollen mehr als vier Fünftel (81%) von ihnen ihr Publikum möglichst neutral und präzise informieren, komplexe Sachver-
Eine besondere Spezies. Strukturen und Merkmale des Internetjournalismus.
189
halte erklären und vor allem mehr als andere dem Publikum möglichst schnell Informationen vermitteln. Weniger als andere wollen Internetjournalisten hingegen die Realität genauso abbilden, wie sie ist (56%). Anscheinend nehmen sie häufiger als die Journalisten anderer Medien wahr, dass dieser Anspruch utopisch ist vielleicht, weil sie weniger recherchieren können als der journalistische Durchschnitt und diese Recherche häufig über das Internet erledigen. Die Virtualisierung ihrer Arbeit ist ihnen daher wahrscheinlich eher bewusst. Abb. 10: Rollenselbstverständnis Information und Vermittlung (Zustimmung in %) 89
das Publikum möglichst neutral und präzise informieren
81 79
komplexe Sachverhalte erklären und vermitteln
81 74
dem Publikum möglichst schnell Informationen vermitteln
81 74
Realität genauso abbilden, wie sie ist
56 60
sich auf Nachrichten konzentrieren, die für ein möglichst breites Publikum interessant sind
37 0
20
40
60
nur Internet (n=74)
80
100
gesamt (N=1.536)
Ein deutlicher Unterschied zwischen den Internetjournalisten und dem journalistischen Durchschnitt besteht bei dem Ziel, sich auf Nachrichten zu konzentrieren, die für ein möglichst breites Publikum interessant sind. Diese Absicht haben Internetjournalisten deutlich seltener als der Durchschnitt der Befragten (37 vs. 60% Zustimmung). Dies ist sicherlich damit zu erklären, dass Internetjournalisten vor allem in speziellen Themenfeldern und bei zielgruppenspezifischen Medien arbeiten. Das breite, allgemeine Publikum, das etwa die Vollprogramme im Fernsehen und Regionalzeitungen bedienen wollen, ist im Internetjournalismus längst passé. Ein zum Informationsjournalismus scheinbar gegensätzliches Rollenbild ist das des (gesellschafts-)kritischen, politischen oder anwaltschaftlichen Journalismus. Dieses Selbstbild haben Internetjournalisten nur sehr selten (vgl. Abb. 11). Zwar wollen immerhin 45% von ihnen Kritik an Missständen üben. Allen anderen kritischen Kommunikationsabsichten etwa normalen Leuten eine Chance geben, ihre
Maja Malik/Armin Scholl
190
Meinung zu Themen von öffentlichem Interesse zum Ausdruck zu bringen, sich für die Benachteiligten in der Bevölkerung einsetzen, die Bereiche Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kontrollieren oder die politische Tagesordnung beeinflussen stimmt jedoch nur ein Bruchteil von ihnen zu. Abb. 11: Rollenselbstverständnis Kritik und Kontrolle (Zustimmung in %) 58
Kritik an Missständen üben
45
normalen Leuten eine Chance geben, ihre Meinung zu Themen von öffentlichem Interesse zum Ausdruck zu bringen
34 16 29
sich einsetzen für die Benachteiligten in der Bevölkerung
10 24
die Bereiche Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kontrollieren 4 14
die politische Tagesordnung beeinflussen und Themen auf die politische Agenda setzen
gesamt (N=1.536) nur Internet (n=74)
1 0
10
20
30
40
50
60
Selbst im Vergleich zum niedrigen journalistischen Durchschnitt sind diese Werte auffallend gering. Dies lässt sich weitgehend mit der thematischen Spezialisierung der Internetjournalisten erklären. Ähnlich wie Zeitschriftenjournalisten, die in der Regel spezielle Themen für spezielle Zielgruppen bearbeiten und damit eine Art der Expertenkommunikation produzieren, verbinden nur wenige von ihnen politische Ziele mit ihrer Arbeit. Ein weiteres markantes Kennzeichen der Internetjournalisten ist es, dass sie deutlich häufiger als andere neue Trends aufzeigen und neue Ideen vermitteln wollen (62 vs. 44%). Ebenso wie der journalistische Durchschnitt verfolgen rund 40% der befragten Internetjournalisten die Absicht, Lebenshilfe für das Publikum zu bieten, also als Ratgeber zu dienen und positive Ideale zu vermitteln (vgl. Abb. 12). Dass hingegen das Ziel, Unterhaltung und Entspannung zu bieten, nur bei einem Viertel der Internetjournalisten (24%) verfolgt wird, ist nicht weiter verwunderlich steht diese Kommunikationsabsicht dem Selbstbild eines schnellen Informationsdienstleisters doch eher entgegen.
Eine besondere Spezies. Strukturen und Merkmale des Internetjournalismus.
191
Abb. 12: Rollenselbstverständnis Service und Unterhaltung (Zustimmung in %) 44
neue Trends aufzeigen und neue Ideen vermitteln
62
Lebenshilfe für das Publikum bieten, also als Ratgeber dienen
44 41 40 40
positive Ideale vermitteln
37
dem Publikum Unterhaltung und Entspannung bieten
24 19 16
dem Publikum eigene Ansichten präsentieren 0
10
gesamt (N=1.536) nur Internet (n=74)
20
30
40
50
60
70
Insgesamt zeigen die Befunde zum beruflichen Selbstbild der Internetjournalisten sehr deutlich, dass sie keine Watchdogs sein wollen noch weniger als die Journalisten in Deutschland insgesamt. Dies liegt vor allen Dingen daran, dass ihr Medium eher auf schnelle und spezielle Information angelegt ist, während intensive oder gar investigative Recherche, die Kontrolle erst ermöglichen würde, kaum gepflegt werden kann. 3.9 Wenig Problembewusstsein: Ethische Einstellungen der Internetjournalisten
Obwohl sie weder von ihrem Selbstverständnis noch von ihren Tätigkeiten im Arbeitsalltag her auf aufwändige Recherchen ausgerichtet sind, würden sich Internetjournalisten bei ihrer Arbeit „eine Menge erlauben“. Um ihr ethisches Selbstverständnis zu analysieren, wurde bei der Studie „Journalismus in Deutschland“ die Einschätzung der Journalisten zu bestimmten Recherchemethoden abgefragt. Bei der Überlegung, welche dieser Methoden sie anwenden würden, unterscheiden sich die Internetjournalisten teilweise eklatant vom Rest der Berufsgruppe (vgl. Abb. 13). Ein gutes Viertel der befragten Internetjournalisten (27%) würde vertrauliche Regierungsunterlagen benutzen, ohne die Genehmigung hierfür zu haben. Fast ein Viertel (23%) kann sich vorstellen, sich als Mitarbeiter in einem Betrieb zu betätigen, um an interne Informationen zu gelangen. Fast ein Drittel (30%) hält es für vertretbar, eine andere Meinung vorzugeben, um Informanten Vertrauen einzuflößen. Und ein Viertel (25%) hält es für legitim, sich als eine andere Person auszugeben.
Maja Malik/Armin Scholl
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Abb. 13: Rechtfertigung von Recherchemethoden (Zustimmung in %) 25 27
vertrauliche Regierungsunterlagen benutzen, ohne die Genehmigung zu haben sich als Mitarbeiter in einem Betrieb/einer Organisation betätigen, um an interne Informationen zu gelangen
11 23 11
eine andere Meinung oder Einstellung vorgeben, um Informanten Vertrauen einzuflößen
30 8
sich als eine andere Person ausgeben
25 6
Leuten für vertrauliche Informationen Geld bezahlen
11 5 6
versteckte Mikrophone oder Kameras benutzen unwillige Informanten unter Druck setzen, um 1 Informationen zu bekommen 0 Informanten Verschwiegenheit zusagen, sie aber 1 nicht einhalten 0 private Unterlagen von jemanden ohne dessen 1 Zustimmung verwenden 0
0
Online (n=74)
10
20
gesamt (N=1.536)
30
40
Auf niedrigem Niveau, aber auch deutlich häufiger als der Durchschnitt der Journalisten können Internetjournalisten sich vorstellen, Leuten für vertraulichen Informationen Geld zu bezahlen (11%). Auch versteckte Mikrofone oder Kameras würden 6% von ihnen nutzen im Gegensatz zu Methoden, denen (fast) keiner der Befragten mehr zugestimmt hat: Informanten unter Druck setzen, um Informationen zu bekommen, Informanten Verschwiegenheit zusagen, sie aber nicht einhalten, private Unterlagen von jemandem ohne dessen Zustimmung verwenden. Dieses Ergebnis ist zunächst überraschend, da Internetjournalisten auch eher online recherchieren und deshalb gar nicht so häufig die Gelegenheit haben, ungewöhnliche Recherchemethoden anzuwenden. Dahinter steckt aber eindeutig ein Alterseffekt, der bereits in „JouriD I“ (vgl. Scholl/Weischenberg 1998: 193) zum Vorschein kam: Jüngere Journalisten sind (etwas) „draufgängerischer“ als ihre längerfristiger sozialisierten Kollegen. Internetjournalisten sind im Durchschnitt jünger
Eine besondere Spezies. Strukturen und Merkmale des Internetjournalismus.
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als die Journalisten in anderen Mediensparten und müssen sich womöglich noch profilieren, was etwa durch aggressive Recherche erfolgen kann.7 4 Fazit Die Befunde der Studie „Journalismus in Deutschland“ zeigen die für Internetangebote tätigen Journalisten in einigen Fällen als besondere Spezies. Zugespitzt lässt sich formulieren: Internetjournalisten sind verhältnismäßig jung, arm, gebildet, mit speziellen Themen befasst, weniger als andere mit Recherche beschäftigt, weniger zufrieden mit ihrer Arbeit, haben ein positiveres Bild von ihrem Publikum, sind vor allem an schneller und spezieller Informationsvermittlung interessiert und mit weniger ethischem Problembewusstsein ausgestattet. Wenn sich die Internetjournalisten in Deutschland damit als spezielle Gruppe im Berufsfeld Journalismus präsentieren, gilt aber zu bedenken: Auch andere Subgruppen des Journalismus haben spezifische Charakteristika. Analysiert man die Journalisten der verschiedenen Mediensparten im Vergleich, wird deutlich, dass jede Gruppe ihre spezifischen Merkmale aufweist und jeweils in verschiedener Hinsicht Überschneidungen mit anderen Gruppen zeigt. Beispielsweise ähneln Internetjournalisten hinsichtlich ihres Einkommens und der geringen Zeit für Recherche den Journalisten bei Anzeigenblättern. In ihrem Publikumsbild haben sie Ähnlichkeiten mit Zeitschriftenjournalisten. Ihre Orientierung an schnellen Informationen findet sich ähnlich auch bei Agenturjournalisten. Alles in allem hat das Internet damit also keinen vollkommen neuen Journalismus und kein neues journalistisches Berufsfeld hervorgebracht. Vielmehr scheint sich der Internetjournalismus aus den zentralen Strukturen und Merkmalen des Journalismus insgesamt heraus zu entwickeln und mit medienspezifischen Ausprägungen zu entfalten. Er hat damit die Diversität des Journalismus (zunächst) erhöht, lässt sich aber gemäß der hier verwendeten Definition nach wie vor recht eindeutig von nicht-journalistischen Medienangeboten abgrenzen. Damit ist jedoch nicht entschieden, ob die Definition weit genug ist, um alle journalistischen Internetangebote zu berücksichtigen. So kann es durchaus sein, dass im Medium World Wide Web neue Formen von Journalismus entstehen, die sich als funktional äquivalent zum Journalismus in den klassischen Mediensparten 7 Wir müssen hier wieder beachten, dass es sich um Selbstauskünfte handelt, die nicht als „objektive“ Daten interpretiert werden dürfen. Welche Kompensationsprozesse hier eine Rolle spielen, darüber lässt sich nur spekulieren (vgl. zur theoretischen und empirischen Bedeutung des journalistischen Rollenselbstverständnisses in der Journalismusforschung Scholl/Weischenberg 1998: 157-179; Weischenberg/Malik/Scholl 2006: 97-119).
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Maja Malik/Armin Scholl
erweisen, aber auch nur im World Wide Web vorkommen (können). Deshalb muss die Journalismusforschung zunehmend die Grenzbereiche ausloten, was in mehreren Studien bereits erfolgt ist (vgl. Löffelholz et al. 2003; Neuberger et al. 2007). Auf diese Weise können sich journalistische Repräsentativstudien und eher fallbezogene oder teilrepräsentative Studien ergänzen. Literatur: Altmeppen, Klaus-Dieter (2000): Online-Medien: Das Ende des Journalismus!? Formen und Folgen der Aus- und Entdifferenzierung des Journalismus. In: Altmeppen, Klaus-Dieter/Bucher, Hans-Jürgen/Löffelholz, Martin (Hrsg.): Online-Journalismus. Perspektiven für Wissenschaft und Praxis. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 123-138. Altmeppen, Klaus-Dieter/Bucher, Hans-Jürgen/Löffelholz, Martin (2000): Online, Multimedia und der Journalismus: Einführung. In: Altmeppen, Klaus-Dieter/Bucher, Hans-Jürgen/Löffelholz, Martin (Hrsg.): Online-Journalismus. Perspektiven für Wissenschaft und Praxis. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 7-11. Löffelholz, Martin/Quandt, Thorsten/Hanitzsch, Thomas/Altmeppen, Klaus-Dieter (2003): Onlinejournalisten in Deutschland. Zentrale Befunde der ersten Repräsentativbefragung deutscher Onlinejournalisten. In: Media Perspektiven. H. 10, S. 477-486. Loosen, Wiebke/Weischenberg, Siegfried (2000): Online-Journalismus. Mehrwert durch Interaktivität. In: Altmeppen, Klaus-Dieter/Bucher, Hans-Jürgen/Löffelholz, Martin (Hrsg.): Online-Journalismus. Perspektiven für Wissenschaft und Praxis. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 71-93. Malik, Maja (2005): Heterogenität und Repräsentativität. Zur Konzeption von Grundgesamtheit und Stichprobe in der Studie »Journalismus in Deutschland II«. In: Gehrau, Volker/Fretwurst, Benjamin/Krause, Birgit/Daschmann, Gregor (Hrsg.): Auswahlverfahren in der Kommunikationswissenschaft. Köln: von Halem, S. 183-202. Neuberger, Christoph (2000): Journalismus im Internet: Auf dem Weg in die Eigenständigkeit? Ergebnisse einer Redaktionsbefragung bei Presse, Rundfunk und Nur-Onlineanbietern. In: Media Perspektiven. H. 7, S. 310-318. Neuberger, Christoph (2002): Online-Journalismus: Akteure, redaktionelle Strukturen und Berufskontext. Ergebnisse einer Berufsfeldstudie. In: Medien und Kommunikationswissenschaft. 50 Jg., H. 1, S. 102-114. Neuberger, Christoph (2003): Onlinejournalismus: Veränderungen Glaubwürdigkeit Technisierung. Eine Sekundäranalyse bisheriger Forschungsergebnisse und wissenschaftlicher Analysen. In: Media Perspektiven. H. 3, S. 131-138. Neuberger, Christoph (2005a): Formate der aktuellen Internetöffentlichkeit. Über das Verhältnis von Weblogs, Peerto-Peer-Angeboten und Portalen zum Journalismus Ergebnisse einer explorativen Anbieterbefragung. In: Medien und Kommunikationswissenschaft. 53 Jg., H. 1, S. 73-92. Neuberger, Christoph (2005b): Strategieoptionen der Tageszeitungen im Internet. In: Fasel, Christoph (Hrsg.): Qualität und Erfolg im Journalismus. Konstanz: UVK, S. 155-182. Neuberger, Christoph (2007): Nutzerbeteiligung im Online-Journalismus. Perspektiven und Probleme der Partizipation im Internet. In: Rau, Harald (Hrsg.): Zur Zukunft des Journalismus. Frankfurt a. M.: Peter Lang, S. 61-94. Neuberger, Christoph/Nuernbergk, Christian/Rischke, Melanie (2007): Weblogs und Journalismus: Konkurrenz, Ergänzung oder Integration? Eine Forschungssynopse zum Wandel der Öffentlichkeitsarbeit im Internet. In: Media Perspektiven. H. 2, S. 96-112. Neuberger, Christoph/Tonnemacher, Jan (Hrsg.) (2003): Online Die Zukunft der Zeitung? Das Engagement deutscher Tageszeitungen im Internet. 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Quandt, Thorsten (2005a): Journalisten im Netz. Eine Untersuchung journalistischen Handelns in Online-Redaktionen. Wiesbaden: VS. Quandt, Thorsten (2005b): (R)Evolution des Journalismus? Online-Journalismus zwischen Tradition und Innovation. In: Behmer, Markus/Blöbaum, Bernd/Scholl, Armin/Stöber, Rudolf (Hrsg.): Journalismus und Wandel. Analysedimensionen, Konzepte, Fallstudien. Wiesbaden: VS, S. 161-194.
Eine besondere Spezies. Strukturen und Merkmale des Internetjournalismus.
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Journalismus – neu vermessen
Die Grundgesamtheit journalistischer Internetangebote – Methode und Ergebnisse Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
1 Einführung Was Journalismus im Internet ist und welche Angebote „journalistisch“ sind, ist keineswegs selbstverständlich – auch wenn in der öffentlichen Debatte über den Journalismus oft so getan wird, als ob es ein gemeinsames Verständnis geben würde. Im Rahmen des Projekts „Journalismus im Internet“ musste deshalb zunächst mit Hilfe einer Inhaltsanalyse der Kreis der journalistisch relevanten Internetangebote eingegrenzt werden, um deren Anbieter ausfindig machen zu können. Erst dann konnte die Anbieterbefragung durchgeführt werden. Im Unterschied zu vielen Vorläuferstudien beschränkte sich das Projekt nicht auf Fallstudien oder solche Angebote und Anbieter, welche die bekannten, traditionellen Merkmale des Journalismus aufweisen, sondern war als Vollerhebung der journalistischen Internetanbieter in Deutschland angelegt, die sowohl professionelle als auch partizipative und technische Merkmale besitzen konnten. Der Fokus wurde also erweitert. Das Erkenntnisinteresse richtete sich auf Angebote und Anbieter, nicht auf die einzelnen Journalisten (wie in den Studien z. B. von Löffelholz et al. 2003; Weischenberg/Scholl/Malik 2006). Wie identifiziert man „Journalismus“ im Internet? Schon bevor das Internet Mitte der neunziger Jahre vom Journalismus erschlossen wurde, fiel es schwer, ihn genau zu definieren und abzugrenzen. Zum einen gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Journalismus-Definitionen, die in der Praxis und in der Wissenschaft im Gebrauch sind (vgl. z. B. Weischenberg 1992: 37-49; McNair 2005; Meier 2008: 12-16). Zum anderen bereitet die Anwendung dieser Definitionen zuneh-
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Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
mend Schwierigkeiten, weil die Außengrenzen unscharf werden und die Binnenvielfalt des Journalismus zunimmt. Dieser Wandel wird im Aufsatz „Internet, Journalismus und Öffentlichkeit“ in diesem Band skizziert. Die Ermittlung der Grundgesamtheit baut auf diesen Vorüberlegungen auf. Im Folgenden werden zunächst die methodischen Probleme erörtert (vgl. Abschnitt 2), eine angebotsbezogene Journalismusdefinition eingeführt (vgl. Abschnitt 3), die Auswahlschritte erläutert (vgl. Abschnitt 4) und schließlich die Ergebnisse der Erfassung der Grundgesamtheit präsentiert (vgl. Abschnitt 5). 2 Identifizierung des Journalismus im Internet Zu den allgemeinen Herausforderungen der quantitativen Inhaltsanalysen von Internetangeboten zählen die Bestimmung der Grundgesamtheit, die Stichprobenziehung, die Abgrenzung der Analyseeinheit und die Dokumentation des Untersuchungsmaterials (vgl. Rössler/Wirth 2001; Seibold 2002; Luzar 2004: 113-119). Die Identifizierung journalistischer Angebote wirft folgende spezielle Probleme auf: x Funktionale Äquivalente: Journalismus lässt sich im Internet nicht mehr nur über jene Strukturmerkmale abgrenzen, die bisher dafür ausreichten (redaktionelle Organisation, berufliche Ausübung, bestimmte Medientypen etc.). Im Internet muss mit funktionalen Äquivalenten gerechnet werden, also Angeboten, die wie der herkömmliche Journalismus Vermittlungsleistungen erbringen, aber andere Merkmale besitzen. In frühen Studien zum Internetjournalismus wurde dies noch nicht beachtet (vgl. z. B. Kuhnke 1998; Mehlen 1999; Neuberger 2000a, b; Löffelholz et al. 2003). Anfangs war dies auch noch kein drängendes Problem, da noch kaum andere Angebote existierten, die – jenseits der Ableger von Presse und Rundfunk – einen „Journalismusverdacht“ weckten. Welche der vielen partizipativen Angebote (Weblogs, Nutzerplattformen) und technischen Angebote (Nachrichtensuchmaschinen) journalistische Vermittlungsleistungen erbringen, ist zuvor noch nicht empirisch untersucht worden. Die Herausforderung bestand also darin, ganz unterschiedliche Angebote mit gleichen Maßstäben daraufhin zu prüfen, ob sie „Journalistisches“ leisten. x Imitation und Integration: Im Internet besteht ein großes Verwechslungsrisiko, da durch die Disintermediation viele neue Anbieter in der Öffentlichkeit auftauchen, die sich wie der Journalismus direkt an das Publikum wenden (z. B. Websites von Unternehmen oder Plattformen, die Pressemitteilungen gebündelt anbieten) und noch dazu journalismusähnlich gestaltet sind,
Journalismus – neu vermessen
199
ihn also imitieren, um von seinem „Glaubwürdigkeitsbonus“ zu profitieren (vgl. Neuberger 2002). Außerdem verfügen manche Websites über Zusatzangebote, die aus journalistischen Quellen stammen. Durch die Integration journalistischer Beiträge soll die Attraktivität z. B. von Unternehmens-Websites gesteigert werden, die eindeutig keine journalistische, sondern eine werbliche Zielsetzung haben. Solche Fälle sind mit Kundenzeitschriften vergleichbar, die ebenfalls journalistische Beiträge enthalten, die aber durch den Kontext, in dem sie erscheinen, nicht primär der aktuellen, unabhängigen Berichterstattung dienen. x Heterogenität der Angebote: Websites bündeln oft eine Vielzahl von Anwendungen. Auch die Internetauftritte traditioneller Medien erweitern sich oft gegenüber ihren Muttermedien zu multifunktionalen Angeboten. Innerhalb dieser Angebote sind die Übergänge zwischen dem Bereich mit aktuellen Informationen einerseits, Bereichen wie Archiv, Wissen, Nutzerbeteiligung und Werbung andererseits oft fließend, die Abgrenzung fällt schwer. x Intransparenz: Während in Befragungen von Redaktionen und Journalisten bei traditionellen Massenmedien auf ausreichend zuverlässige Verzeichnisse journalistischer Angebote zurückgegriffen werden kann, mussten diese im vorliegenden Fall erst identifiziert werden, was „ungleich aufwendiger“ (Scholl 1997: 472) ist, aber auch präziser, als sich auf ungenaue Angaben in Listen zu verlassen. Für Angebote und Anbieter im Internet liegen keine vollständigen, auf nachvollziehbaren und wissenschaftlich relevanten Klassifikationskriterien beruhenden Verzeichnisse vor. Nur die großen Angebote bzw. die Websites der klassischen Massenmedien sind als Werbeträger von größerer Bedeutung und werden in der Marktforschung (IVW, AGOF, Nielsen//NetRatings etc.) berücksichtigt. Sie machen aber nur einen Bruchteil aller Internetangebote aus. Vor allem die Zahl der von Laien betriebenen Angebote ist schwer überschaubar, auch wenn es darauf spezialisierte Suchhilfen im Internet gibt (Weblog-Suchmaschinen etc.). x Kooperationen: Die Gliederung der Angebote und der sie produzierenden Organisationen (Redaktionen) im Presse- und Rundfunkbereich ist nicht deckungsgleich mit jener der Angebote und Organisationen im Internet. Dort finden sich z. B. häufig redaktionelle Kooperationen zwischen Anbietern, die in Presse und Rundfunk getrennte Wege gehen. Eine solche Zusammenarbeit ist dann offensichtlich, wenn die Angebote unter einem Dach, also auf einer Website versammelt sind. Schwerer zu erkennen sind Kooperationen, bei de-
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Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
nen eine Redaktion mehrere Websites gestaltet, die zumindest auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, weil sie keine Übereinstimmung bei Internetadresse, Seitengestaltung und Inhalt aufweisen. x Dokumentation: Um die intersubjektive Nachprüfbarkeit zu gewährleisten, müssen im Rahmen von Inhaltsanalysen sämtliche Angebote konserviert werden. Zentrale Internetarchive sind sehr lückenhaft, auch die Archive der Anbieter selbst erfassen nur die Einzelbeiträge. Die Struktur der Website lässt sich darüber nicht mehr rekonstruieren. 3 Angebotsbezogene Journalismusdefinition Mit Hilfe einer Autopsie sollte geklärt werden, welche Angebote journalistische Merkmale besitzen. Scholl (1997: 472) hat vorgeschlagen, bei einer solchen Autopsie das Vorhandensein von Merkmalen zu prüfen, die „typisch für die journalistische Produktion massenmedialer Aussagen (Selektionsregeln, Themenkarrieren usw.)“ sind. Um den unterschiedlichen Kommunikationstypen (professionell, partizipativ, technisch) im Internet gerecht zu werden, mussten ausreichend abstrakte Produktkriterien verwendet werden. Hier wurde auf die Merkmale „Aktualität“, „Universalität“, „Periodizität“ und „Publizität“ zurückgegriffen. Sie beschreiben das institutionalisierte Problemlösungsmuster des Journalismus. Otto Groth (1960: 350) hat sie als „Wesensmerkmale“ des „Journalistische[n]“ bezeichnet.1 Diese vier Merkmale stehen in einem Zusammenhang: x Der thematischen Offenheit in der sachlichen Dimension entspricht die Universalität (vgl. ebd.: 134), den Einschränkungen des Themenspektrums in der sozialen und zeitlichen Dimension die Aktualität (vgl. Merten 1973), wobei Groth (1960: 189) definiert: „Aktuell ist für uns eine Nachricht [...] nur dann, wenn sie in den Kreis unserer augenblicklichen Gesamtinteressen fällt.“2 Selektiert werden gemäß dem Leitwert „Aktualität“ des Leistungssystems „Journalismus“ also nur jene Themen, die für ein Massenpublikum ge-
1 Zum Folgenden vgl. Neuberger (1996: 82-88, 348-352); Neuberger (2001: 19-21, 145f.). Die vier Merkmale werden hier nicht im Sinne Groths (1960: 8) als Wesensbeschreibung der „Idee“ des Journalismus oder der Zeitung aufgefasst. Stattdessen wird der Kritik Rühls (1979: 56-65; 1980: 2533) an essentialistischer Begriffsbildung gefolgt. 2 Die Aktualität schränkt die thematische Offenheit ein: „Logisch stehen die Begriffe Universalität und Aktualität zueinander im Verhältnis des Umfassenden zum Engeren, des Allgemeinen zu dem durch die Zeit Besonderten, des Ganzen zum Teil! […] Universalität und Aktualität durchdringen sich also, verdrängen sich aber nicht; die Aktualität schließt die Universalität nicht aus, vielmehr schließt diese jene ein.“ (Groth 1960: 189f.)
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201
genwärtig relevant sind. Relevanz besitzen Themen, die Nachrichtenwert und Faktizität besitzen. x Erst die Periodizität, womit eine regelmäßige und kontinuierliche Informationsverbreitung mit hoher Frequenz gemeint ist, erlaubt eine gegenwartsnahe Berichterstattung (vgl. ebd.: 119). Publizität bezeichnet den unabgeschlossenen Adressatenkreis, d. h. die freie Zugänglichkeit von Mitteilungen (potenzielle Publizität). Groth ergänzt hier als zweiten Aspekt den hohen Verbreitungsgrad (aktualisierte Publizität), wobei dieser kein notwendiges Merkmal ist. Erst durch Publizität macht die inhaltliche Ausrichtung auf ein großes Publikum Sinn (vgl. ebd.: 209, 214). x Als fünftes Kriterium ist die redaktionelle Autonomie zu ergänzen: Journalismus ist keine öffentliche Selbstdarstellung und Vertretung partikularer Interessen, sondern vermittelnde Fremddarstellung. An diese Definition schließt die Frage an: Welche technischen Medien besitzen das Potenzial, um Kommunikation mit diesen Merkmalen zu ermöglichen? Und welche Ausprägungen des Journalismus lassen diese Medien zu? Medien bieten unterschiedliche Gebrauchsoptionen: Sie determinieren Kommunikation nicht, sind aber auch keine „neutrale[n] Instrumente“ (Elsner et al. 1994: 164). Zeitung, Zeitschrift, Fernsehen und Hörfunk ermöglichen einen professionellen, redaktionell organisierten Journalismus, der als „Gatekeeper“ fungiert. Nun tritt das Internet hinzu und wirft die Frage auf, ob es auch andere Ausprägungen gibt. Damit ist ein angebotsbezogener Journalismusbegriff entwickelt, dessen Operationalisierung im folgenden Abschnitt erläutert wird. Aktualität, Universalität und Periodizität lassen sich graduell messen, Publizität und Autonomie werden als dichotome Merkmale aufgefasst. 4 Inhaltsanalytische Erfassung journalistischer Internetangebote Das in der vorliegenden Studie angewandte Verfahren baut auf Erfahrungen in früheren Untersuchungen auf (vgl. Neuberger/Dötterl/Pawlofsky 1999; Neuberger 2000b; Neuberger 2001: 144-164). Abbildung 1 stellt die drei Schritte dar, in denen die relevanten Angebote und Anbieter ermittelt wurden. Zunächst wurden Medientypen und Internetformate bestimmt, die einer genaueren Prüfung unterzogen werden sollten. Im zweiten Schritt wurden die Internetangebote erfasst und schließlich im dritten Schritt inhaltsanalytisch daraufhin überprüft, ob sie die geforderten Merkmale besitzen. Im Codebuch wurden mehrere Indikatoren für die
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Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
genannten Definitionsmerkmale verwendet. Sobald ein Merkmal nicht (ausreichend) erfüllt war, wurde die Codierung unmittelbar beendet. Abb. 1: Ablauf der inhaltsanalytischen Erfassung journalistischer Internetangebote 1. Schritt: Auswahl von Medientypen und Internetformaten Ableger von Presse und Rundfunk, Nur-Internetangebote 2. Schritt: Erfassen der Internetangebote Auswerten von Anbieterverzeichnissen, „Streufunde“, spezielles Auswahlverfahren für Weblogs 3. Schritt: Inhaltsanalytische Prüfung der Angebote Prüfung im Hinblick auf Publizität, Autonomie, Vollständigkeit, Aktualität, Periodizität, Universalität
4.1 Erster Selektionsschritt: Auswahl von Medientypen und Internetformaten
Die Autopsie beschränkte sich auf die Internetableger bestimmter Medientypen und auf bestimmte Formate von Nur-Internetangeboten, die in Tabelle 1 dargestellt sind. Berücksichtigt wurden die Websites von Tageszeitungen, überregionalen Wochen- und Sonntagszeitungen, Publikumszeitschriften aus dem „General interest“-Bereich, mindestens landesweit verbreiteten Fernseh- und Hörfunkanbietern sowie Nachrichtenagenturen. Ausgeschlossen wurden Fachzeitschriften, Anzeigenund Offertenblätter, Publikumszeitschriften im „Special interest“-Bereich sowie spezialisierte Nachrichtenagenturen und Informationsdienste, weil die Muttermedien das Kriterium der Universalität nicht erfüllen, was es zugleich unwahrscheinlich macht, dass sie dieses Merkmal im Internet besitzen. Außerdem blieben Medientypen unberücksichtigt, in denen nur vereinzelt mit relevanten Angeboten zu rechnen war (lokale/regionale Wochen- und Sonntagszeitungen sowie lokale/regionale Fernseh- und Hörfunkanbieter).3 Prinzipiell waren aus diesen Bereichen auch „Streufunde“ zugelassen, d. h., es wurden Internetangebote geprüft, bei denen die Vermutung nahe lag, dass sie die Anforderungen erfüllen, ohne dass ihr Muttermedium zu den oben genannten Medientypen zählen musste.4 3 Solche Einschränkungen sind auch in repräsentativen Befragungen von Journalisten notwendig (vgl. den Überblick bei Malik 2005: 186). 4 Solche Streufunde spielten allerdings eine zu vernachlässigende Rolle (vgl. Anm. 29).
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Tab. 1:
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Übersicht der Angebotsverzeichnisse zur Erfassung von Internetangeboten traditioneller Medientypen und von Nur-Internetangeboten
Medientyp/Internetformat
genutzte Angebotsverzeichnisse
Tageszeitungen
Schütz, BDZV, Zimpel Online
überregionale Wochen- und Sonntagszeitungen
BDZV, Zimpel Online
„General interest“-Publikumszeitschriften mindestens landesweit verbreitete Fernseh- und Hörfunkanbieter Nachrichtenagenturen Formate der Nur-Internetangebote: – professionelle, redaktionell organisierte Angebote – Portale – Nutzerplattformen – Nachrichtensuchmaschinen
IVW, WIP, Zimpel Online ALM, ARD, Adolf Grimme Institut, Zimpel Online Zimpel Online
Weblogs
Zimpel Online, Google-/Yahoo-Verzeichnis, Wikipedia u. a.
spezielles Auswahlverfahren mit Hilfe von Weblog-Suchmaschinen (v. a. Technorati, Google Blogsearch), Rankings und Preisen
Für die Erfassung traditioneller Medienprodukte im Internet wurde auf verschiedene Anbieterverzeichnisse zurückgegriffen, die in Tabelle 1 genannt sind.5 Im Fall der Zeitschriften wurden beispielsweise die IVW-Liste nationaler Publikumszeitschriften und das Verzeichnis der populären Presse des Wissenschaftlichen Instituts für Presseforschung und Medienberatung (WIP) verwendet. Ihre Kategorienstruktur erlaubte die Auswahl von „Sachgruppen“ bzw. „Objektklassen“ mit genereller Orientierung, wobei auch hier die Titel noch einmal geprüft wurden.6 Durch die Verwendung unterschiedlicher und auch zu wissenschaftlichen Zwecken erhobener Verzeichnisse (WIP) sollten mögliche Lücken und Unschärfen des einzelnen Verzeichnisses ausgeglichen werden. Neben Ablegern von Presse und Rundfunk wur5 Dem Verlag Dieter Zimpel danken wir für die Unterstützung unseres Projekts mit einem kostenlosen Zugang zu Zimpel Online. Unser Dank gilt auch dem Wissenschaftlichen Institut für Presseforschung und Medienberatung (WIP) für die Bereitstellung des Verzeichnisses der populären Presse (Publikumspresse). 6 Aus der IVW-Liste (Stand: 07/2006) wurden die Sachgruppen „Aktuelle Zeitschriften und Magazine“, „Wöchentliche Frauenzeitschriften“, „14-tägliche Frauenzeitschriften“, „Monatliche Frauenzeitschriften“, „Jugendzeitschriften“, „Lifestylemagazine“ und „Kinderzeitschriften“ übernommen und auf Internetangebote geprüft. Aus dem WIP-Verzeichnis (Stand: 08/2006) wurden die Objektklassen „Diverses“, „Familie/Leben“, „Frauen“, „Illustrierte“, „Jugend/Kids“, „Kultur/Wissenschaft“, „Politik“, „Sport“ und „Wirtschaft“ berücksichtigt. Titel mit einer erkennbar zu starken thematischen Einschränkung („Feuerwehr Magazin“, „Reisefieber“, „Antiquitäten-Zeitung“ etc.) wurden ausgesondert. Ebenso wurde bei der Prüfung der Titel in Zimpel Online verfahren.
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Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
den hier außerdem Nur-Internetangebote erfasst, und zwar die folgenden Formate: professionell-journalistische, redaktionell organisierte Angebote, Portale, Nutzerplattformen und Nachrichtensuchmaschinen. Für Weblogs gab es ein eigenes Verfahren. 4.2 Zweiter Selektionsschritt: Erfassen der Internetangebote
Da nicht alle verwendeten Verzeichnisse bereits Auskunft darüber gaben, ob ein traditionelles Medienangebot über einen Internetauftritt verfügt, und die Hinweise darauf nicht immer aktuell waren, mussten diese vielfach erst durch Internetrecherchen ermittelt werden. Internetangebote, die nicht in deutscher Sprache verfasst waren oder deren Sitz7 sich nicht in Deutschland befand, wurden bei der Vorabprüfung direkt ausgeschlossen. Die Angebote von Ablegern wurden titelbezogen erfasst. Sie mussten den Namen des Muttermediums in der Bezeichnung des Angebots enthalten. Wenn dies nicht der Fall war, musste der Titel auf der Homepage oder (bei untergeordneten Angeboten) auf einer anderen Übersichtsseite so prominent, etwa am Seitenkopf, platziert sein, dass das Muttermedium für den Nutzer als Anbieter deutlich erkennbar war.8 Besonderheiten weisen die Websites der Rundfunkanbieter auf. Hier musste auf unterschiedlichen Ebenen nach aktuellen Informationsangeboten gesucht werden. Vollständig geprüft wurden die Angebote auf den ersten drei der folgenden Ebenen: x Sendergemeinschaften/Kooperationen (z. B. ARD) x Sender als Anbieter (Gesamthaus-Angebote) x Fernseh-/Hörfunk-Programme x einzelne Sendungen Darüber hinaus wurden auf der Ebene der Einzelsendungen ausgewählte Sendungstypen überprüft, und zwar Nachrichtensendungen und Magazinsendungen in den Sparten Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport sowie für die Zielgruppen Männer, Frauen, Kinder und Jugendliche. Auch auf der Ebene der Sendungen wurden
7 Für den Verbleib des Angebots in der weiteren Analyse war ausreichend, wenn wenigstens ein Ansprechpartner in Deutschland auf der Website angegeben war. 8 Bei der Prüfung wurden besonders Titel im Bereich der Tageszeitungen zusammengefasst, wenn sie gemeinsam ein Verbundangebot bildeten (vgl. Neuberger/Dötterl/Pawlofsky 1999: 269-271; Neuberger 2000b: 103). Analyseeinheit konnten auch Internetangebote traditioneller Massenmedien sein, die nicht unter dem Titel ihres Muttermediums firmieren. Solche Angebote können intern über- oder untergeordnet mit titelbezogenen Angeboten verbunden sein (ein Beispiel aus dem Bereich der Tageszeitungen ist das Verbundangebot shz.de des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags).
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205
„Streufunde“ berücksichtigt. Insgesamt wurden im Bereich der für die Analyse ausgewählten traditionellen Medientypen 972 einzelne Internetangebote identifiziert. Die für Nur-Internetangebote gewählten Formate mussten eindeutig beschrieben werden (vgl. Tab. 2). Für Fälle, die keine Identifikation eines Formats anhand der vorgegebenen Merkmale zuließen, wurde die Kategorie „Sonstige Angebote“ eingerichtet. Tab. 2:
Definition der relevanten Formate für Nur-Internetangebote
Format professionelles, redaktionell organisiertes Angebot
Weblog
Nutzerplattform
Portal
Nachrichtensuchmaschine
Definition Darunter fallen Internetangebote, die keine Ableger eines Presse- oder Rundfunkangebots sind. Organisiert wird ein professionelles, eigenständiges journalistisches Angebot von einer Redaktion, der beruflich tätige Journalisten angehören. Die traditionelle Rollenverteilung zwischen Journalisten und Nutzern ist bei den betreffenden Angeboten erkennbar gewahrt. Über das Impressum ist zu prüfen, ob es Hinweise auf eine professionell-journalistisch tätige Redaktion enthält (Ressortangaben o. Ä.). Beispiele: netzeitung.de, telepolis.de Ein Weblog ist ein Angebot, in dem in regelmäßigen, meist kurzen Abständen Beiträge (Postings) eingestellt werden, die in chronologisch absteigender Form angeordnet sind. Die Nutzer eines Weblogs haben meist die Möglichkeit, Postings zu kommentieren. Weitere Merkmale sind in der Regel „Permalinks“, über die ein Beitrag verlinkt werden kann, sowie eine „Blogroll“, eine Spalte mit Links zu anderen Weblogs. Häufig werden Weblogs bei einem Bloghoster mit einer speziellen Software erstellt. Beispiele: netzpolitik.org, muenchenblogger.de Der Hauptzweck einer Nutzerplattform ist die Erstellung von Beiträgen durch die Nutzer. Die wechselseitige Bewertung der Nutzerbeiträge muss formalisiert sein, z. B. durch Noten, die Nutzer vergeben können, oder durch eigenständige Diskussions- und Überarbeitungsseiten. Diese Formalisierung der Qualitätssicherung wird als Voraussetzung für eine journalistische Vermittlungsleistung gesehen. Beispiele: indymedia.org, de.wikinews.org Als „Portal“ wird ein Internetangebot bezeichnet, das verschiedene Anwendungen bündelt. Häufig sind dies z. B. Webkataloge/Linkverzeichnisse, E-Mail-Dienste, Suchmaschinen, Wettervorhersage, Stadtpläne und Routenplaner. Die aktuellen Informationen auf einem Portal müssen abgrenzbar sein, brauchen jedoch nicht den Schwerpunkt des Angebots bilden. Beispiele: t-online.de, msn.de Suchmaschinen bieten eine indexbasierte Suche, die der Nutzer mit Hilfe von Eingaben in die Suchfelder nutzen kann. Als Ergebnisse erhält der Suchende in der Regel eine Linkliste mit Suchtreffern. Es muss erkennbar sein, dass in einer Vielzahl von Quellen speziell nach Nachrichten gesucht wird. Beispiele: news.google.de, de.news.yahoo.com
Die Nur-Internetangebote erforderten unterschiedliche Suchwege: Für professionell-journalistische Angebote, Portale, Nutzerplattformen und Suchmaschinen mit Nachrichtensuche wurden dafür zunächst die von Zimpel Online erfassten Internetangebote in der Gruppe „Online-Medien“ sowie die kategorial geordneten Ver-
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zeichnisse der großen Suchmaschinen Yahoo und Google geprüft.9 Weblogs, Nutzerplattformen und Nachrichtensuchmaschinen konnten auch Teil eines größeren Angebots sein, beispielsweise eines professionell-journalistischen Angebots. In diesen Fällen entschied der primäre Charakter eines Angebots über die Zuordnung. Zur Vermeidung eines Informationsverlusts wurde bei der Codierung allerdings erhoben, ob in das Angebot Weblogs oder Nutzerplattformen integriert sind. Insgesamt wurden im Nur-Internet-Bereich 173 Angebote ermittelt. 4.3 Spezielles Auswahlverfahren für Weblogs Für Weblogs wurde ein eigenes Auswahlverfahren konzipiert. Das Vorgehen muss an dieser Stelle etwas ausführlicher dargestellt werden. Suchhilfen, die Internetnutzern Orientierung in der „Blogosphäre“ geben, können auch für die Auswahl in wissenschaftlichen Untersuchungen verwendet werden: x Dazu gehören Suchmaschinen, die gezielt Weblogs erfassen und durchsuchen (z. B. Technorati, Google Blogsearch, Blogpulse).10 Gemessen an der Zahl der Visits waren Technorati und Google Blogsearch während des Erhebungszeitraums die Blogsuchmaschinen mit dem höchsten Marktanteil in den USA (vgl. Prescott 2006). x Eine Alternative stellen Bloghoster dar (z. B. twoday.net), die einen Einblick in die jeweils neuesten Postings auf ihrer Plattform geben und die Weblogs
9 In Zimpel Online wurden innerhalb der Gruppe „Online-Medien“ bis auf zwei Ausnahmen alle Auswahlkategorien berücksichtigt. Die Unterbereiche „Funk online/Fernsehen online“ und „Zeitungen online“ wurden nach Prüfung ausgeklammert. Titel mit erkennbarer thematischer Einschränkung wurden nicht berücksichtigt (vgl. Anm. 6). Gleiches galt für Ableger, die keine reinen Internetangebote darstellten oder offensichtlich nicht den Suchkriterien entsprachen. Relevante Kategorien im deutschen Google Directory (directory.google.de) waren beispielsweise die Kategorien „Zeitschriften und Online-Magazine“, „Nachrichten und Medien“, „Aktuelle Nachrichten“ (in den Sparten „Politik“, „Sport“, „Wirtschaft“, „Kultur“), „Frauen“, „Alternative Medien“ sowie die regionale Unterteilung nach Bundesländern (Stand: 09/2006). Insgesamt wurden im Google Directory 29 Kategorien durchsucht. Im Yahoo Webverzeichnis (de.dir.yahoo.com) wurden ebenso 29 Unterkategorien aus den Bereichen „Nachrichten und Medien“, „Sport“, „Unterhaltung und Kunst“, „Lifestyle“, „Gesundheit“, „Gesellschaft und Politik“ sowie „Finanzen und Wirtschaft“ überprüft. Ein größerer Teil der in den Verzeichnissen erfassten Internetangebote bezog sich auf Ableger traditioneller Medienangebote, die an dieser Stelle unberücksichtigt blieben. Zusätzliche – nur punktuell verwendete – Quellen waren die Vorläuferstudie von Neuberger (2001) sowie mehrere thematisch spezialisierte Websites und Verzeichnisse (z. B. wurden die Verweise im Wikipedia-Eintrag „Nachrichtensuchmaschine“ geprüft). 10 Einen empirisch fundierten Überblick zur Nutzung und Funktionalität von Blogsuchmaschinen geben Mishne/de Rijke (2006) und Thelwall/Hasler (2007) aus der Sicht der Informationswissenschaft.
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mit den meisten Inbound-Links oder Postings mit den meisten Kommentaren ausweisen (vgl. Schmidt 2008: 76f.). x Eine dritte Möglichkeit bieten externe Rankings (z. B. deutscheblogcharts.de), welche die meistverlinkten Weblogs auflisten und dabei auf aggregierte Suchmaschinendaten zurückgreifen. Die möglichen publizistischen Aktivitäten der Blogger im „Long tail“ lassen sich durch diese Konzentration auf die Weblog-Prominenz jedoch nicht erfassen. Eine längerfristige Beobachtung zeigt, dass es durchaus zu relevanten Verschiebungen in den Ranglisten kommt (vgl. Schröder 2007). Über die Zahl deutschsprachiger Weblogs liegen lediglich Schätzungen vor. Deutsch war nach Messungen der Blogsuchmaschine Technorati mit einem Anteil von 1% der Blogpostings im vierten Quartal 2006 eine in der Blogosphäre nur gering verbreitete Sprache (vgl. Sifry 2007; Neuberger/Nuernbergk/Rischke 2007: 101). Die Anzahl deutschsprachiger Weblogs, die innerhalb der letzten zwei Monate aktualisiert wurden, lag im Januar 2008 nach einer Hochrechnung des Blogcensus-Projekts bei rund 119.000 (vgl. Olbertz/Schröder 2008). 11 Nur ein kleiner Teil der thematisch sehr breit differenzierten Weblogs beschäftigt sich mit aktuellen Themen, wie eine repräsentative Befragung von Bloggern in den USA ergab: Lenhart/Fox (2006: 9) ermittelten eine geringe Beschäftigung der Anbieter mit den Themengebieten Politik und Regierung (11%), Sport (6%), Nachrichten und aktuelle Ereignisse (5%) sowie Wirtschaft (5%). Eine nicht-repräsentative Erhebung von Schmidt/Wilbers (2006: 13) für den deutschsprachigen Raum kam zum Ergebnis, dass etwa zwei Fünftel der aktiven Blogger (41%) auch Kommentare zu aktuellen politischen Themen veröffentlichen. In der vorliegenden Studie sollten Weblogs ausgewählt werden, die sich nicht nur punktuell, sondern stetig mit aktuellen Themen befassen. Diese wurden über die Suchmaschinen Google Blogsearch und Technorati gesucht. Neben der hohen Verbreitung der Suchmaschinen Google Blogsearch und Technorati sprach für sie auch, dass sie in einer Vorerhebung bei deutschsprachigen Suchbegriffen die größten Trefferzahlen lieferten. In einer Inhaltsanalyse wurden in der Woche vom 4. bis 12. September 2006 die Druckausgaben zweier überregionaler Tageszeitungen (Frankfurter Allgemeine 11 Für das Jahr 2006 liegt kein Wert des Blogcensus vor, vermutlich lag die Zahl erheblich darunter, da die „Blogosphäre“ im Laufe der letzten beiden Jahre – wenn auch mit abnehmender Zuwachsrate – noch deutlich gewachsen ist (vgl. Sifry 2007). Nach eigenen Angaben indexierte Technorati im Oktober 2006 57 Millionen Weblogs weltweit, im April 2007 waren es bereits etwas mehr als 70 Millionen Weblogs.
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Zeitung, Süddeutsche Zeitung) ausgewertet, um jene beiden Themen zu identifizieren, über die jeweils in den Sparten Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport am häufigsten berichtet wurde. Für die insgesamt acht ermittelten Themen wurden eindeutige Suchwörter gewählt,12 um diejenigen Weblogs zu identifizieren, die sich im gleichen Zeitabschnitt mit diesen Themen befasst hatten. Google Blogsearch und Technorati zeigten insgesamt 2.367 Treffer für die acht Themen an. Die Ergebnislisten der beiden Suchmaschinen wurden um identische Treffer bereinigt. Zudem wurden Einzeltreffer ausgeschlossen, die erkennbar auf Ablegerangebote traditioneller Medien verwiesen oder die (trotz deutscher Suchwörter) nicht in deutscher Sprache verfasst waren.13 In Zweifelsfällen wurde geprüft, ob es sich bei den angezeigten Angeboten um ein Weblog handelt. Entfernt wurden schließlich auch die Angebote, die zum Zeitpunkt der Listenauswertung nicht mehr abrufbar waren. Am Ende verblieben 780 eigenständige Weblogs, die über mindestens eines der acht Themen berichtet hatten.14 79 Weblogs hatten sich mit mindestens zwei Themen befasst. Als Mindestanforderung wurde festgelegt, dass sich ein Weblog mit wenigstens zwei Themen auseinandergesetzt haben musste. Bei diesen Anbietern wurde eine stetigere Beschäftigung mit aktuellen Inhalten vermutet. Im nächsten Schritt wurden die verbliebenen 79 Weblogs um solche Angebote ergänzt, die im Rahmen verschiedener Rankings15 unter den ersten 20 Plätzen vertreten waren oder die in Wettbewerben als Preisträger und Nominierte ausge12 Dies waren die Sucheingaben „Israel Libanon“, „Gammelfleisch“ (Politik), „Schumacher Rücktritt“, „EM Deutschland Irland“ (Sport), „Gesundheitsreform“, „Hartz IV“ (Wirtschaft) sowie „Papst Benedikt Bayern“ und „Anschläge New York“ (Kultur). Maßgeblich für die Zuordnung waren die Sparten, in denen die Artikel überwiegend in den Druckausgaben veröffentlicht wurden. Bei der Wahl der Suchwörter wurde darauf geachtet, formulierungsbedingte Ausgrenzungen möglichst zu vermeiden. 13 Obwohl es sich um spezialisierte Blogsuchmaschinen handelt, waren während des Erhebungszeitraums nicht ausnahmslos Weblogs unter den Treffern. Bei beiden Anbietern wurden die Ergebnisse nicht nach Relevanz, sondern nach Datum sortiert. Eine Begrenzung der Treffer durch Auswahl nach „Autorität“ (Ermittlung über eingehende Links) wurde nicht vorgenommen. 14 Geprüft wurde auch die inhaltliche Relevanz. In einigen Fällen verwiesen Treffer auf Postings, die in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit dem gesuchten Thema standen, obwohl sie mit entsprechenden Tags versehen waren. Anbieter versuchten hier vermutlich, Aufmerksamkeit durch die Verknüpfung mit einem aktuellen Thema zu gewinnen. 15 Bei den verwendeten Blogstatistiken (Stand: 10/2006) handelte es sich um (1) die deutschen Blogcharts (deutscheblogcharts.de), (2) das aus einer Kooperation der PR-Agentur Edelman und der Suchmaschine Technorati erstellte Ranking der einflussreichsten deutschsprachigen Weblogs (micropersuasion.com/2006/10/edelman_and_tec.html), (3) das Blogcounter-Ranking „Schwanzvergleich“ (schwanzvergleich.blogcounter.de), (4) das Blogscout-Ranking von Dirk Olbertz (blogscout.de/blogs), (5) ein Ranking aus Daten des Suchdienstes Alexa (mediaprojekte.de/alexatop-blogs.htm) sowie (6) eine Statistik im Angebot „Wordpress“ (blogmap.wordpress.de/ top100.php).
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zeichnet worden waren. Als Internetpreise wurden der Grimme Online Award (Jahre 2002-2006) und die International Weblogs Awards („The Bobs“) der Deutschen Welle (2006) berücksichtigt. Diese Ergänzung war von der Annahme geleitet, dass Weblogs, die besonders viele eingehende Links vorweisen und somit in Rankings hoch platziert sind, tendenziell häufiger über aktuelle Themen berichten als Weblogs mit geringerer Beachtung (vgl. Haas 2005: 391f.). Bei den ausgezeichneten und nominierten Weblogs erschien es ebenfalls plausibel, dass sie publizistisch relevant sind und häufiger über aktuelle Themen berichten. Nur solche Weblogs, die in mindestens zwei Rang- oder Preislisten vertreten waren, wurden weiter berücksichtigt. Die Anzahl der Weblogs, die auf aktuelle Informationen geprüft werden musste, erhöhte sich nach der Zusammenführung der Ergebnisse beider Auswahlverfahren um 26 auf 105 Angebote. 4.4 Dritter Selektionsschritt: Inhaltsanalytische Prüfung von Angeboten
Für Angebote, die nach den ersten beiden Auswahlschritten in die engere Wahl kamen, wurde für die abschließende inhaltsanalytische Prüfung das identische Codebuch verwendet. Welche Anforderungen wurden an ein Angebot gestellt, um als „journalistisch“ akzeptiert zu werden? x Die Publizität wurde durch die Erreichbarkeit geprüft, wobei Nutzergebühren oder eine Registrierungspflicht keine Ausschlussgründe waren. Alle Websites erfüllten dieses Kriterium, weshalb keine Ergebnisse dafür ausgewiesen werden. x Das Angebot musste autonom sein, d. h., es durfte weder in seiner Herausgeberschaft eine Abhängigkeit erkennen lassen, noch den Charakter eines überwiegend werblichen Angebots haben. x Ein Angebot musste vollständige Artikel enthalten, also nicht nur Überschriften oder Teaser. x Es musste aktuelle Informationen enthalten (Aktualität). Es genügte an dieser Stelle des Auswahlprozesses zunächst, wenn mindestens ein aktueller Artikel mit erkennbar neuen und relevanten Informationen auf der Startseite des Angebots oder auf einer mit einem Klick erreichbaren Unterseite aufgefunden werden konnte.16 16 Die Neuartigkeit der Informationen bezog sich auf die zeitliche Dimension. Die Relevanz ergab sich zum einen aus dem Nachrichtenwert (vgl. Schulz 1976; Staab 1990), den die Artikel besitzen mussten, zum anderen aus dem thematischen Bezug. Waren die Inhalte innerhalb der durchsuchten Bereiche nicht in Textform vorhanden, so wurden auch Audio- und Videoinhalte überprüft. Lokal/re-
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x Das Angebot an aktuellen Informationen musste zum Zeitpunkt der Codierung innerhalb der letzten sieben Tage an mindestens zwei unterschiedlichen Tagen aktualisiert worden sein (Periodizität). x Außerdem war ein Mindestmaß an thematischer Breite erforderlich (Universalität). Die Artikel mussten mindestens eine der klassischen Sparten Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport (vgl. Meier 2002: 136) ausreichend abdecken oder eine der (nach Alter und Geschlecht) breit definierten Zielgruppen Frauen, Männer und Kinder/Jugendliche thematisch genügend breit bedienen.17 Dabei war eine Beschränkung auf lokale/regionale Berichterstattung unerheblich.18 Während der Informationsjournalismus oft nach Sparten strukturiert ist, orientiert sich der Ratgeberjournalismus stärker an Zielgruppen, die nach Alter oder Geschlecht abgegrenzt werden (vgl. Eickelkamp 2004). Unterhaltungsthemen (Kurioses, „Human touch“, Kriminalität etc.) wurden nicht als relevant berücksichtigt. Dies war auch pragmatisch begründet, da sich hier große Abgrenzungsprobleme offenbarten. Entscheidend für die Auswahl war also die Themenselektion. Offen gelassen wurde die Art der Themenbehandlung. Sie konnte informations-, unterhaltungs- oder ratgeberorientiert sein. Erfasst wurde mit diesem Kriterienkatalog der Kernbereich des Journalismus. Vor allem bei der Periodizität, den relevanten Themen und der Themenbreite wurden Einschränkungen vorgenommen, die auch anders entschieden werden könnten (vgl. Klaus 2008). Das sehr aufwendig angelegte, mehrstufige Prüfverfahren machte eine solche Konzentration notwendig. Die Reihenfolge der Prüfschritte wurde nach der Relevanz der Kriterien und dem zu betreibenden Aufwand festgelegt. Nach der Ermittlung der journalistischen Internetangebote wurden diese genauer untersucht (Kosten- und Registrierungspflicht, Multimedialität, Themen-
gional beschränkte Informationen wurden bei der Prüfung berücksichtigt. Der Suchvorgang wurde auf zehn Klicks begrenzt und nur bei schwer wiegendem Verdacht fortgesetzt. 17 Während des Pretests zeigte sich, dass eine strenge Auslegung des Kriteriums der Universalität bei Weblogs zu einer hohen Ausscheidungsquote geführt hätte. Unter ansonsten gleichen Bedingungen galt für Weblogs deshalb eine Sonderregelung: Es genügte, wenn mindestens ein Themenfeld der jeweils zu prüfenden Sparte oder Zielgruppe durch Postings innerhalb der letzten sieben Tage behandelt wurde. Notwendig war also nicht die mindestens vollständige Abdeckung einer Sparte oder der Interessen einer Zielgruppe. 18 Die Sparte „Lokales/Regionales“ (vgl. Riefler 2008) wurde nicht berücksichtigt, da sie – im Unterschied zu den anderen Sparten – in der Raumdimension und nicht in der Sachdimension abgegrenzt ist. Dadurch hätten sich Zuordnungsprobleme ergeben.
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behandlung, Integration partizipativer Formate etc.). Die Ergebnisse erlauben z. T. den Vergleich mit den Ergebnissen der Anbieterbefragung. Bei der Codierung wurden sämtliche Angebote gespeichert, um den Stand im Untersuchungszeitraum September 2006 bis Mai 2007 zu dokumentieren.19 Dabei wurde die manuelle Speicherung im browsereigenen mht-Format (Microsoft Internet Explorer) gegenüber einer Softwarelösung präferiert. Der Einsatz eines Programms ist für die Dokumentation von mehreren hundert Websites wenig effizient. Von jedem Angebot wurden ausgewählte Seiten dokumentiert, die erkennen ließen, dass auf der Website aktuelle Informationen vorhanden waren.20 An der Codierung der 1.242 Internetangebote waren fünf studentische Codierer beteiligt, die im Rahmen einer längeren Codiererschulung den Umgang mit dem Codebuch erlernten und dessen Entwicklung begleiten konnten. Nach Abschluss der Schulung im September 2006 wurde ein Inter-Coder-Reliabilitätstest im Rahmen eines Paarvergleichs nach Holsti berechnet. Die Testergebnisse zu Variablen, die der Identifikation aktueller Informationen dienten, wiesen im arithmetischen Mittel einen zufrieden stellenden Reliabilitätskoeffizienten von 0,87 auf.21 5 Ergebnisse Im Folgenden werden die Ergebnisse zur Identifikation journalistischer Angebote zusammengefasst. Das Verfahren erforderte mehrere inhaltsanalytische Prüfschritte, die in Abschnitt 4.4 beschrieben wurden. In Tabelle 3 sind die Reihenfolge der Einzelprüfungen und die schrittweise Reduktion der Angebotszahl dargestellt. In der folgenden Ergebnisdarstellung werden Internetableger traditioneller Massenmedien mit Nur-Internetangeboten verglichen sowie Unterschiede zwischen ein19 Der Großteil der Angebote wurde bis Ende Dezember 2006 codiert, also innerhalb von vier Monaten. In 90 Fällen (7%) war eine abschließende Codierung erst bis Mai 2007 möglich. Dies betraf einige Angebote, die aufgrund einer kostenpflichtigen Zugangsbeschränkung zunächst zurückgestellt werden mussten, und Websites, bei denen im Zuge der Datenbereinigung eine Nachcodierung notwendig erschien. Bei den im Folgenden ausgewiesenen Ergebnissen muss also die Fluktuation innerhalb des Erhebungszeitraums als Unschärfe berücksichtigt werden, die aber vermutlich gering war: Bei der Vorbereitung der Anbieterbefragung, die im Juni 2007 ins Feld ging, waren nur acht der als relevant bestimmten Angebote nicht mehr auffindbar. 20 In der Regel war dies die Startseite des jeweiligen Angebots oder – falls dort nicht erkennbar – eine darunter liegende Übersichtsseite, welche die aktuellen Informationen bündelte. 21 Insgesamt umfasst das Codebuch 22 Variablen zur Prüfung von aktuellen Informationen. Im Reliabilitätstest wurden die Codierungen der studentischen Hilfskräfte jeweils mit den Codierungen der Projektmitarbeiter gepaart. Im Ganzen gingen sechs Paar-Varianten ein; Jedes Paar codierte fünf Angebote des gleichen Typs (die Codierer wurden auf einzelne Typen spezialisiert). Der Koeffizient wurde aus 1.320 Codierentscheidungen berechnet. Der minimale Wert für inhaltliche Variablen lag bei 0,65.
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zelnen Teilgruppen herausgearbeitet. Zusammenhangsmaße werden nur im Fall signifikanter Werte erwähnt. Wenn von „Teilgruppen“ die Rede ist, so ist folgende Gliederung gemeint: Tageszeitungen, Wochen- und Sonntagszeitungen, Publikumszeitschriften, Fernsehen und Hörfunk, Nachrichtenagenturen, Nur-Internetangebote (ohne Weblogs) (vgl. Tab. 1) sowie Weblogs (für die ein spezielles Auswahlverfahren notwendig war). Tab. 3:
Schrittweise Prüfung journalistischer Merkmale und Auswahl von Internetangeboten (Inhaltsanalyse, 2006/07) geprüfte Angebote
erfasste Internetangebote mit Sitz in Deutschland abzüglich Angebote ohne redaktionelle Autonomie abzüglich Angebote ohne vollständige Beiträge abzüglich Angebote ohne aktuelle Informationen (Aktualität) abzüglich Angebote ohne ausreichende Erscheinungsweise (Periodizität) abzüglich Angebote ohne ausreichende thematische Breite (Universalität) als „journalistisch“ identifizierte Internetangebote (Stand: 05/2007)
Merkmal nicht vorhanden
1.242
Reduktion in %* 100,0
1.242
36
-2,9
1.206
160
-13.3
1.046
224
-21,4
822
289
-35,2
533
30
-5,6
503
40,5
* Die Prozentwerte beziehen sich auf die Reduktion im jeweiligen Codierschritt, bezogen auf die Zahl der in diesem Schritt insgesamt noch geprüften Angebote.
5.1 Prüfung auf redaktionelle Autonomie
Im ersten Schritt der Inhaltsanalyse wurde die redaktionelle Autonomie der Websites geprüft. Von den 1.242 untersuchten Internetangeboten schieden 36 an dieser Stelle aus (3%), weil sie einen werblichen Charakter besaßen und zwischen redaktionellem und werblichem Teil nicht klar trennten oder weil ihr Herausgeber nicht unabhängig war.22
22 Ausgeschlossen wurden z. B. ein aktuelles Informationsangebot des Auswärtigen Amts (magazinedeutschland.de) und der Auftritt der SPD-Mitgliederzeitschrift Vorwärts (vorwaerts.de). Ein typisches Beispiel für ein werbliches Angebot stellt das Mitteldeutsche Presseportal (newsropa.de) dar, in dem PR-Mitteilungen aus der Region veröffentlicht werden.
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5.2 Prüfung auf vollständige Beiträge
Angebote, die sich als redaktionell autonom erwiesen, wurden im nächsten Codierschritt daraufhin geprüft, ob sie vollständige Beiträge enthielten. Websites, bei denen ausschließlich Anreißer in Form einer Schlagzeile oder eines Teaser vorlagen, wurden ausgeschlossen. Dies traf insgesamt auf 160 Angebote zu (13%). Der Anteil von reinen Internetangeboten, der in der Prüfung auf Vollständigkeit ausgeschlossen wurde, lag mit 8% (n=266) etwas niedriger als jener der Medienableger (15%, n=940) (Phi=0,084, p<0,01). Im Vergleich der Ergebnisse zwischen allen untersuchten Teilgruppen (vgl. Tab. 1) zeigen sich leichte Unterschiede (CramerV=0,184, p<0,001): Weblogs stellten etwas häufiger keine vollständigen Inhalte bereit (11%, n=97). Mehrere Blogger begnügten sich damit, ausschließlich Postings mit Verweisen auf andere Angebote anzubieten. Der eigene Beitrag bestand dann lediglich in einem kurzen Anreißertext. Bei den untersuchten Ablegern besaßen insbesondere die Nachrichtenagenturen keine vollständigen Beiträge: Die Hälfte der Agenturauftritte (50%, n=10) schied an dieser Stelle bereits aus. Auch bei den Publikumszeitschriften wurde etwa ein Fünftel der Angebote (22%, n=226) ohne vollständige Beiträge veröffentlicht. Solche Publikationen verweisen häufig nur auf die gedruckte Ausgabe und dienen damit der Leserwerbung. 5.3 Prüfung auf aktuelle Informationen
Die verbliebenen 1.046 Internetangebote mit vollständigen Beiträgen wurden daraufhin analysiert, ob sie jeweils in mindestens einem Artikel relevante aktuelle Informationen enthielten (vgl. Abschnitt 4.4). Dies war bei einem Fünftel der Angebote (21%) nicht der Fall. Die „Verlustquote“ war bei reinen Internetangeboten etwas höher (29%, n=245) als bei Ablegern (19%, n=801, Phi=0,107, p<0,01). Beim Vergleich der untersuchten Teilgruppen zeigt sich ein mittlerer Zusammenhang (Cramer-V=0,355, p<0,001). Insbesondere Weblogs fehlten aktuelle Informationen: Mehr als zwei Fünftel der überprüften Angebote (45%, n=86) schieden an dieser Stelle aus. Offenbar berichtete ein Großteil der ausgewählten Weblogs nur punktuell über relevante Themen. In der Mehrheit befassten sie sich vor allem unterhaltend mit Alltagsthemen und Persönlichem. Dem Codierschritt fielen Ende 2006 auch mehrere prominente Weblogs „zum Opfer“, wie etwa das mit dem Grimme Online Award ausgezeichnete Angebot Spreeblick (Spreeblick.com), der Shopblogger (Shopblogger.de), Rebellen ohne Markt (rebellmarkt.blogger.de) oder das Basic Thinking Blog von Robert Basic (basicthinking.de).
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Auch vergleichsweise viele Ableger von Fernsehen und Hörfunk schieden an dieser Stelle aus, weil sie keine aktuellen Informationen enthielten (34%, n=337). Dies betraf vor allem Begleitangebote zu Sendungen, Websites privater Hörfunkanbieter und übergeordnete Angebote von Sendern (wie daserste.de), in denen nur auf den Inhalt untergeordneter Angebote verwiesen wird (in diesem Fall tagesschau.de). Tageszeitungen (99%, n=273) sowie Wochen- und Sonntagszeitungen (89%, n=9) enthielten dagegen fast ausnahmslos aktuelle Informationen. 5.4 Prüfung auf Aktualisierungshäufigkeit (Periodizität)
Sofern aktuelle Inhalte vorhanden waren, wurde weiter getestet, ob diese auch oft genug aktualisiert werden. Dies wurde in zwei Prüfschritten ermittelt: x Zunächst wurde gezählt, wie viele Artikel innerhalb der letzten sieben Tage veröffentlicht worden waren. x Anschließend wurde überprüft, ob an mindestens zwei unterschiedlichen Tagen innerhalb der letzten sieben Tage Artikel erschienen waren. Gemessen wurden also sowohl der Publikationsumfang als auch die Streuung der Veröffentlichungstermine innerhalb eines Zeitraums. Eine strenge Messung des Kriteriums „Periodizität“ hätte auch die Regelmäßigkeit der Aktualisierung einbeziehen müssen. Eine präzisere Erfassung blieb hier – wie auch bei anderen Kriterien – der Anbieterbefragung vorbehalten. Bei der Bestimmung der Grundgesamtheit wurde zunächst zwischen Angeboten unterschieden, deren Artikel eine Datumskennzeichnung besaßen, deren Veröffentlichungstermin also eindeutig bestimmbar war (n=649), und jenen, deren Beiträge nicht mit einem Datum versehen waren (n=173). Bei den Angeboten mit Datumskennzeichnung wurden die Artikel der letzten sieben Tage gezählt. Unterschieden wurde zwischen Angeboten, in denen sechs oder mehr Artikel in den letzten sieben Tagen erschienen waren, solchen mit fünf oder weniger Artikeln und jenen, die keinen aktuellen Artikel anboten. Insgesamt war in 45 Angeboten (8%) mit Datumskennzeichnung kein Artikel aus den letzten sieben Tagen auffindbar. Diese Angebote schieden aus. Die Mehrheit der Angebote wies sechs oder mehr Artikel auf (74%). Bei der Auswertung zeigen sich Unterschiede zwischen den einzelnen Teilgruppen (Cramer-V=0,440, p<0,001): Die Ableger der Tageszeitungen (n=269) veröffentlichten mit einem Anteil von 98% vergleichsweise oft sechs und mehr Artikel innerhalb der letzten sieben Tage. Zeitschriften (25%, n=52) und Weblogs (23%, n=47) wiesen dagegen einen höheren Anteil an Angeboten auf, die keine aktuellen
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Artikel veröffentlichten. Bei den Publikumszeitschriften könnte dies mit den großen Erscheinungsintervallen des Muttermediums zusammenhängen, von denen auch die Aktualisierung im Internet bestimmt ist. Bei den verbliebenen Angeboten mit Datumskennzeichnung (n=604) wurde sodann ermittelt, ob sie an zwei unterschiedlichen Tagen aktuelle Artikel veröffentlicht hatten. Diese Anforderung wurde in 511 Fällen (85%) erfüllt. 93 Angebote (15%) scheiterten daran und schieden aus. Auch hier bestehen deutliche Unterschiede zwischen den Teilgruppen (Cramer-V=0,515), p<0,001): Fast alle Ableger von Tageszeitungen (99,6%, n=269) veröffentlichten an zwei unterschiedlichen Tagen. Dagegen war dies bei fünf Ablegern von Wochen- und Sonntagszeitungen nicht der Fall (71%, n=7). Auch ein großer Teil der Rundfunkableger (42%, n=145) und Weblogs (31%, n=36) erfüllte diese Anforderung nicht.23 Die noch verbliebenen Nur-Internetangebote (n=104) hatten dagegen fast sämtlich eine ausreichende Erscheinungshäufigkeit (94%). Angebote ohne Datumskennzeichnung (n=173) konnten nur anhand der berichteten Themen inhaltsanalytisch daraufhin überprüft werden, ob die aktuellen Informationen an mindestens zwei unterschiedlichen Tagen in der Woche vor der Codierung erschienen waren. Das Urteil darüber wurde den Codierern überlassen, die zur Prüfung einzelner Themen andere Internetquellen mit Datumskennzeichnung heranziehen sollten. Sie wurden angewiesen, nur eindeutige Fälle weiter zu berücksichtigen. Der Anteil der ausgeschiedenen Angebote war mit 87% (abs. 151) vergleichsweise hoch. Vor allem Internetableger von Publikumszeitschriften (98%, n=90) und aus dem Rundfunkbereich (78%, n=67) schieden hier aus. Insgesamt bestand rund ein Drittel der untersuchten Angebote die Prüfung auf die Erscheinungshäufigkeit nicht: 289 Angebote (35%) veröffentlichten innerhalb der letzten sieben Tage nicht an mindestens zwei unterschiedlichen Tagen einen Artikel. Eine den Anforderungen entsprechende Aktualisierungshäufigkeit besaßen 533 Angebote. Zwischen den Teilgruppen und der Aktualisierungshäufigkeit besteht ein starker Zusammenhang (Cramer-V=0,613, p<0,001): Während der Anteil der ausgeschiedenen Angebote bei Ablegern von Tageszeitungen nur bei 1% (n=271) blieb, lag er bei Wochen- und Sonntagszeitungen (75%, n=8), Publikumszeitschriften (76%, n=142) sowie Rundfunkangeboten (56%, n=223) deutlich darüber. Im Bereich der 23 Auch zwei der vier geprüften Nachrichtenagenturen schieden aus. Die Agenturauftritte enthielten lediglich einen kleinen Ausschnitt aus ihrem Nachrichtenangebot des gleichen Tages, ältere Artikel waren nicht auffindbar.
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Nur-Internetangebote schieden 18% aus (n=126). Bei der separat ausgewiesenen Teilgruppe der Weblogs war eine ausreichende Erscheinungshäufigkeit dagegen bei fast der Hälfte (47%) der untersuchten Angebote nicht gegeben (n=47). Insgesamt wiesen die Ableger traditioneller Medientypen (62%, n=649) im Vergleich zu reinen Internetangeboten (74%, n=173) seltener die erforderliche Überarbeitungshäufigkeit auf. Der Zusammenhang erweist sich hier allerdings als recht schwach (Phi=0,099, p<0,05). 5.5 Prüfung auf thematische Breite (Universalität)
Im letzten Prüfschritt wurden die verbleibenden 533 Angebote danach untersucht, ob sie die Informationen mit einer ausreichenden thematischen Breite zur Verfügung stellten. Dabei wurde geprüft, inwieweit die Angebote vier klassische Sparten (Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport) oder die Interessen einer Zielgruppe (Frauen, Männer, Kinder/Jugendliche) hinreichend breit abdeckten. In den meisten untersuchten Fällen war das Angebot nach Sparten (97%) gegliedert. Während Weblogs, Nachrichtenagenturen, Wochen- und Sonntagszeitungen sowie Tageszeitungen fast zu 100% spartenorientiert berichteten, ließen sich zielgruppenorientierte Angebote zumindest in Teilen bei fünf Publikumszeitschriften (15%, n=34) nachweisen. Bei insgesamt sieben Angeboten (1%) war keine Ausrichtung erkennbar, so dass diese nicht weiter codiert werden konnten.24 Die detaillierte Prüfung, die im Folgenden beschrieben wird, war bei diesen Angeboten nicht mehr notwendig. Welche Sparten abgedeckt wurden, wurde auf zweierlei Weisen ermittelt: Wenn auf der Homepage in der Navigationsleiste einzelne Sparten genannt waren, so wurde dies als Hinweis auf die Abdeckung der dort genannten Sparte gewertet. Wenn solche Spartenbezeichnungen dagegen fehlten, mussten die Artikel in einer Einzelfallprüfung auf die thematische Abdeckung der einzelnen Sparten innerhalb der letzten Woche überprüft werden.25 In über zwei Drittel der Fälle (71%, n=516) war mindestens eine Spartenbezeichnung in der Navigationsleiste vorhanden. In den übrigen Angeboten mussten für alle vier Sparten eine Einzelfallprüfung stattfinden. Waren Spartenbezeichnungen nur für einen Teil der untersuchten Sparten
24 Zwar waren die dort angebotenen Informationen aktuell, allerdings fehlte eine Ausrichtung auf die relevanten Sparten und Zielgruppen. Dabei handelte es sich z. B. um Themen aus dem Bereich Wissenschaft und Technik oder um Unterhaltungsthemen. Die Gesamteinschätzung der Ausrichtung erfolgte anhand des Titels, von Navigationselementen und Einzelbeiträgen. 25 Für die Spartenbezeichnungen waren auch Synonyme zulässig. Dabei waren geografische, nicht aber engere thematische Beschränkungen erlaubt. Für die Sparte „Politik“ waren zulässige Synonyme z. B. „Politik und Gesellschaft“, „Politisches“, „Deutschland“, „Inneres“, „Inland“ und „International“.
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vorhanden, wurden ausschließlich jene Bereiche einer Einzelfallprüfung unterzogen, für die kein Spartenverweis entdeckt werden konnte. Dies geschah z. B. für die Sparte „Wirtschaft“ auf die folgende Weise: In mindestens zwei von sieben vorgegebenen Themenbereichen mussten Artikel mit aktuellen Informationen gefunden werden, damit die Sparte als ausreichend abgedeckt galt.26 Am häufigsten war die Einzelfallprüfung in der Sparte Politik erforderlich (abs. 300), gefolgt von Kultur (294), Wirtschaft (236) und Sport (217). Auch bei diesem Verfahren stand im Vordergrund, eine große Zahl von Angeboten mit einem angemessenen Aufwand auf ihre journalistische Relevanz zu prüfen. Insgesamt deckten 54% der Angebote (n=516) alle vier Sparten ab. 13% der Angebote stellten Informationen in drei Sparten zur Verfügung, 12% beschränkten sich auf zwei Sparten. Ein Fünftel (20%) der Angebote war lediglich auf eine Sparte spezialisiert. In acht Fällen (2%) stellte sich heraus, dass keine Sparte in ausreichendem Maße abgedeckt war. Um sicherzustellen, dass ausschließlich Angebote mit einer ausreichenden Universalität die letzte Auswahl überstanden, wurden alle Angebote mit nur einer identifizierten Sparte ein zweites Mal im Einzelfall geprüft. 13 Angebote (12%, n=104) erfüllten die Bedingungen nicht in ausreichendem Maße. Insgesamt schieden damit von den ursprünglich 516 Angeboten mit Spartenorientierung 21 Fälle (4%) aus. Welche Teilgruppen verfügten über das größte Themenspektrum? Besonders die Tageszeitungen im Internet berichteten in allen vier Sparten (82%, n=266). Auch die beiden verbliebenen Wochenzeitungen berichteten vollständig über alle Sparten hinweg. Nur etwa ein Fünftel der Ableger von Publikumszeitschriften (20%, n=30) und von Rundfunkangeboten (21%, n=94) wies eine solche Breite auf. Nur-Internetangebote boten in etwas mehr als einem Viertel der Fälle (28%, n=97) alle vier Sparten an. Unter den Weblogs liegt dieser Anteil mit 12% (n=25) deutlich niedriger. Während unter den Ablegern traditioneller Medien insgesamt fast zwei Drittel (62%, n=394) der Angebote alle vier Sparten anboten, traf dies bei den reinen 26 Tabellen, Charts, Kurs- und andere Zahlenangaben waren hier nicht ausreichend. Bei den Themenbereichen handelte es sich um: „Wirtschaft und Handel allgemein (Rahmenbedingungen)“, „Betriebe/Unternehmen“, „Industrie/Warenproduktion/Dienstleistungen“, „Finanz- und Kapitalmarkt/Aktienmarkt“, „Steuern“, „Karriere“ und „Persönlichkeiten der Wirtschaft“. Wurden mindestens zwei Themenbereiche durch die aufgefundenen Artikel im Angebot berührt, galt die Sparte als abgedeckt. In gleicher Weise wurde auch in den anderen Sparten verfahren. In der Sparte „Politik“ war die Abdeckung von drei der insgesamt zehn Themengebiete gefordert. Die Themenlisten wurden in Anlehnung an Inhaltsanalysen entwickelt, welche diese Sparten differenziert erfasst haben (vgl. Reus 1995; Flieger 2001; Rühle 2003; Wolf-Klostermann 2003; Eich 2005).
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Internetangeboten insgesamt nur auf 25% (n=122) der Fälle zu. Leichte Unterschiede bestehen somit sowohl zwischen den einzelnen Teilgruppen (CramerV=0,349, p<0,001) als auch zwischen Ablegern und reinen Internetangeboten (Cramer-V=0,347, p<0,001). Tab. 4:
Anteil, mit dem Sparten in ausgewählten Teilgruppen abgedeckt werden (Angabe in %, Inhaltsanalyse, 2006/07). Tageszeitungen (n=266)
Politik (Cramer-V=0,379)***
Wirtschaft (Cramer-V=0,434)***
Kultur (Cramer-V=0,474)***
Sport (Cramer-V=0,620)***
Publikumszeitschriften (n=30)
Hörfunk/ Fernsehen (n=94)
Nur-Internetangebote (ohne Weblogs) (n=97)
gesamt (n=516)
92,9
46,9
68,1
66,4
79,1
93,6
68,8
52,1
64,8
77,7
88,7
50,0
60,6
40,2
69,4
95,1
34,4
36,2
43,4
68,0
***p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Die Ergebnisse in der Spalte „gesamt“ umfassen zusätzlich auch die Teilgruppen Nachrichtenagenturen, Weblogs sowie Wochen- und Sonntagszeitungen. Cramer-V bezieht sich auf alle untersuchten Teilgruppen (vgl. Tab. 1).
Wie oft wurden die einzelnen Sparten angeboten? Die höchste Verbreitung besaßen Themen der Sparte Politik (vgl. Tab. 4). Am häufigsten berichteten mit über 90% Tageszeitungen über politische Themen im Internet. Nur-Internetangebote taten dies lediglich zu zwei Dritteln. Zwischen der Behandlung einer Sparte und den Teilgruppen besteht ein mittlerer Zusammenhang. Am zweithäufigsten wurde über Themen aus dem Bereich Wirtschaft berichtet. Hier zeigen sich ebenfalls relevante Unterschiede zwischen den einzelnen Teilgruppen (vgl. Tab. 4), und auch hier dominierten die Tageszeitungen (94%). Unter den reinen Internetangeboten berichteten Weblogs am seltensten über Wirtschafsthemen (vgl. Tab. 5). Mit kulturellen Themen befassten sich 69% der Angebote. Traditionelle Medienanbieter verfügten im Internet deutlich öfter über eine Kulturberichterstattung als reine Internetanbieter (78% zu 40%; Phi=0,353, p<0,001). Nachrichtensuchmaschinen berichteten häufiger in der Sparte Kultur als Weblogs und Portale (vgl. Tab. 5), die generell eher thematisch spezialisiert sind: Bei Portalen dominierten Wirtschaftsthemen, bei Weblogs politische Themen. Nachrichtensuchmaschinen deckten hingegen fast immer die gesamte Bandbreite ab. Dies ist darauf
Journalismus – neu vermessen
219
zurückzuführen, dass sie auf die inhaltliche Fülle der Angebote traditioneller Medien im Internet zurückgreifen können. Die Sparte Sport deckten 68% der untersuchten Angebote ab. Diese Sparte wurde jenseits der Angebote von Tageszeitungen (95%) in geringem Maße bedient. Die Unterschiede zwischen den Teilgruppen sind hier besonders stark (vgl. Tab. 4). Tab. 5:
Anteil, mit dem Sparten in ausgewählten Nur-Internetangeboten abgedeckt werden (Angabe in %, Inhaltsanalyse, 2006/07). professionelljournalistische Angebote (n=40)
Politik (Cramer-V=0,247)
Wirtschaft (Cramer-V=0,286)*
Kultur (Cramer-V=0,402)***
Sport (Cramer-V=0,428)***
Nachrichtensuchmaschinen (n=13)
Portale (n=38)
Weblogs (n=25)
67,5
52,6
92,3
68,0
67,5
68,4
92,3
44,0
47,5
23,7
84,6
24,0
40,0
39,5
100,0
24,0
***p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Cramer-V bezieht sich auf die vier dargestellten Formate. Nutzerplattformen (n=5) wurden nicht berücksichtigt.
Neben einer Spartenorientierung war auch eine Zielgruppenorientierung in den Angeboten möglich. Jedoch wurden nur 13 Angebote als zielgruppenorientiert klassifiziert. Hier war es notwendig, dass die thematischen Interessen der Zielgruppen vielfältig abgedeckt wurden. Eine Spezialisierung auf einzelne Themen (Auto, Musik etc.) genügte nicht, es mussten mehrere, auf die jeweilige Zielgruppe abgestimmte Themenbereiche berücksichtigt werden.27 Ein ausreichendes Themenspektrum wiesen zehn Angebote mit Zielgruppenorientierung auf (77%). Insgesamt verblieben nach dieser letzten Prüfung auf das Kriterium „Universalität“ noch 503 Angebote im Sample.28
27 Medienangebote für Frauen z. B. mussten die „reproduktiven Arbeits- und Lebenszusammenhänge“ (Neverla 1994: 264f.) von Frauen behandeln (vgl. Röser 1992). Mindestens vier der folgenden zwölf Themenbereiche sollten in einem Angebot berührt werden: „Mode/Accessoires“, „Schönheit/Wellness“, „Wohnen/Dekoration“, „Kochen/Haushalt“, „Gesundheit“, „Beziehungen/Sexualität/Partnerschaft“, „Familie/Kinder/Freundschaft“, „Sport/Fitness“, „Urlaub/Reisen“, „Medien/Kultur“, „Beruf/Karriere/Frauen“ und „Politik“ (vgl. Diekmann 2002; Fischer 2000). 28 516 Angebote waren auf klassische Sparten ausgerichtet, von denen 495 die Mindestanforderungen erfüllten. Weitere zehn Angebote besaßen die erforderliche zielgruppenbezogene Breite. Allerdings waren auch Überschneidungen möglich, da neben einer sparten- zugleich auch eine zielgruppenorientierte Berichterstattung denkbar war. Dies traf aber nur auf zwei Angebote zu, die in beiden
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
220
5.6 Als „journalistisch“ identifizierte Angebote
In Abbildung 2 ist der Anteil der Angebote grafisch ausgewiesen, der nach jedem Prüfschritt verblieben ist. Zur Vorbereitung der Anbieterbefragung wurden die dahinter stehenden Redaktionen mit ihren Leitern bzw. die für den Inhalt Verantwortlichen erfasst, um so auch die Anbieterstruktur zu erfassen. Abb. 2: Anteil der Angebote, der nach schrittweiser Prüfung journalistischer Merkmale im Sample verblieben ist (Inhaltsanalyse, 2006/07) 0%
20%
40%
60%
Sitz in Deutschland
100%
100,0% (= 1.242 Fälle)
97,1% (= 1.206 Fälle)
redaktionelle Autonomie
vollständige Beiträge
84,2% (= 1.046 Fälle)
aktuelle Informationen (Aktualität) Erscheinungsweise (Periodizität)
80%
66,2% (= 822 Fälle)
42,9% (= 533 Fälle)
thematische Breite (Universalität)
40,5% (= 503 Fälle)
als journalistisch identifiziert (Stand 05/2007)
40,5% (= 503 Fälle)
Aus Tabelle 6 wird ersichtlich, wie sich die journalistischen Angebote auf die einzelnen Typen von Ablegern und Nur-Internetformaten verteilen. Die Unterschiede beim Anteil der verbliebenen Angebote sind z. T. durch das Verfahren bedingt. So wurden im Rundfunkbereich zunächst sehr breit Sendungen erfasst. Bei der Codierung mussten die vorläufigen Auswahlentscheidungen dann oft revidiert werden, etwa weil die Angebote nicht häufig genug aktualisiert wurden. Von den 89 Rundfunkangeboten, die in die Grundgesamtheit eingingen, waren 74% öffentlich-rechtliche Angebote. Ihr Anteil an den ursprünglich 408 Rundfunkangeboten lag bei 67%, d. h., private Angebote schieden etwas häufiger aus als öffentlichrechtliche. Besonders schwer war die Güte der neu entwickelten Auswahlverfahren Schritten vollständig codiert werden konnten. Aus diesem Grund blieben nicht 505, sondern nur 503 Angebote übrig.
Journalismus – neu vermessen
221
für die reinen Internetangebote einzuschätzen, weil es dafür keine Erfahrungswerte gab. Deshalb wurden hier besonders intensiv Streufunde recherchiert, um die verzeichnisgebundene Auswahl abzusichern.29 Insgesamt wurden in allen Bereichen einheitliche (mit Ausnahme der Weblogs, für die es ein gesondertes Auswahlverfahren gab) und eindeutig definierte Prüfmaßstäbe angelegt, mit denen angebotsbezogen der Kernbereich des Journalismus identifiziert wurde. Andere Statistiken basieren oft auf intransparenten und wenig systematischen Erhebungsmethoden (vgl. z. B. für den Bereich der Tageszeitungen: BDZV 2008: 337). Die vorliegende Statistik erfasste auch den noch kaum erschlossenen Bereich der Nur-Internetangebote. Ihr Anteil an der Grundgesamtheit beläuft sich auf fast ein Viertel (23%) aller Angebote. Allerdings ist die Zahl der partizipativen Angebote (Weblogs, Nutzerplattformen) mit 23 Fällen30 (5%) und der technischen Angebote (Nachrichtensuchmaschinen) mit 13 Fällen31 (3%) doch sehr gering. Diese Ausgangslage erschwert den Vergleich zwischen Profession, Partizipation und Technik, da die Fallzahlen höchst unterschiedlich sind.
29 Insgesamt gingen 104 Streufunde in das Auswahlverfahren ein (8%, n=1.242), 40 wurden als journalistisch relevant identifiziert (8%, n=503). Besonders viele Streufunde wurden im Bereich Fernsehen und Hörfunk geprüft (65, davon relevant: 16). Der Grund dafür war vor allem eine Dokumentationslücke für WDR-Sendungen in Zimpel Online. Darüber hinaus wurden 29 Nur-Internetangebote geprüft, von denen acht im Sample verblieben. Bei den Tageszeitungen wurde nur der Titel „BusinessNews“, der in der Statistik von Schütz (2005) noch fehlte, ergänzt und als „journalistisch“ akzeptiert. Außerdem wurden hier sieben übergeordnete Kooperationsangebote geprüft und schließlich einbezogen, die von Zeitungsverlagen betrieben werden. Außerdem: WZ: geprüft: 1, akzeptiert: 0, PZ: geprüft: 8, akzeptiert: 2. Die akzeptierten Streufunde besaßen Muttermedien, die den in Tabelle 1 vorgestellten Definitionen entsprachen. Ausnahmen waren nur zwei Publikumszeitschriften (Computer-Bild, Titanic). 30 Die Namen der verbliebenen partizipativen Angebote mit journalistischen Merkmalen lauten: Weblogs: 24stunden.de, ABSURD AG (absurd-ag.de), Altermedia Deutschland (de.altermedia. info), BerlinKontor.de, blog von mattin (hahn.blogkade.de), Der Linksbote (derlinksbote.de), Dipl.Phys. Helmut Gobsch (totgeschwiegen) (helmutgobsch.wahl.de), FINGER.ZEIG.net, hh-heute (hhheute.de), Kleinblog (blog.david-klein.de), liveh8.de, muenchenblogger.de, netzpolitik.org, Outsider in Strausberg (outsiderblog.wordpress.com), PI – Politically Incorrect (pi-news.net), Rügenbote (ruegenbote.de), Schwerdtfegers Weblog (elias.horribile-dictu.de), Was-mal-gesagt-werden-muss (tagebuch.aol.de/ralfu185/was-mal-gesagt-werden-muss). Nutzerplattformen: de.indymedia.org, Jetzt (jetzt.sueddeutsche.de), Shortnews (shortnews.stern.de), WikiNews (de.wikipedia.org/wiki/ Wikinews), YIGG.de. 31 Als „journalistisch“ wurden folgende Nachrichtensuchmaschinen identifiziert: Blauer Bote (blauerbote.com), Google News Deutschland (news.google.de), Infolive! (infolive.de/tv_radio.php), Meta Crawler Deutschland (213.133.108.102/nachrichten-metasuche), Meta Spinner (index.metaspinner.de), News48 (news48.de/cgi-bin/newsgrabber.cgi?a=view&cat=allcat), NewsClub (newsclub. de), Paperball (paperball.de), Pressesuche (presse-suche.de), Romso (romso.de), Seekport (news. seekport.de), Sport-News.Online (sport-news-online. de), Yahoo! Nachrichtensuche (de.news. yahoo.com).
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
222 Tab. 6:
Grundgesamtheit journalistischer Internetangebote von Ablegern traditioneller Medientypen und Nur-Internetangebote (Inhaltsanalyse, 2006/07).
Medientyp/Internetformat Tageszeitungen (TZ)
ermittelte Internetangebote (Stand: 05/2007) abs. 300
davon journalistisch relevante Angebote, die in die Grundgesamtheit eingingen abs. in % 265 88,3
Anteil an der Grundgesamtheit, in % (n=503) 52,7
Fernsehen/Hörfunk (RF) Wochen- und Sonntagszeitungen (WZ) Nachrichtenagenturen (NA)
408
89
21,8
17,7
10
2
20,0
0,4
13
2
15,4
0,4
Publikumszeitschriften (PZ)
241
30
12,4
6,0
972
388
39,9
77,1
59
40
67,8
8,0
Ableger traditioneller Massenmedien professionell-journalistische, redaktionell organisierte Angebote (PN) Portale (PO) Weblogs (WB) Nutzerplattformen (NP)
53
39
73,6
7,8
97
18
18,6
3,6 1,0
5
5
100,0
Nachrichtensuchmaschinen (NS)
16
13
81,3
2,6
sonstige Angebote
40
0
0,0
0,0
Nur-Internetangebote gesamt
270
115
42,6
22,9
1.242
503
40,5
100,0
5.7 Zusätzlich erhobene Eigenschaften journalistischer Internetangebote
Die 503 journalistischen Internetangebote wurden noch eingehender analysiert. Dabei wurden u. a. die Kosten- und Registrierungspflicht, Multimedialität, die Art der Themenbehandlung und die Integration partizipativer Formate erfasst. Auf diese zusätzlichen Befunde kann an dieser Stelle nur kurz eingegangen werden. Die Ergebnisse erlauben teilweise den Vergleich mit den Ergebnissen der Befragung von Internetredaktionen. Analog zur Vorstellung der Ergebnisse der Anbieterbefragung in diesem Band werden die bisher differenziert erfassten Teilgruppen zu vier Angebotsgruppen zusammengefasst: Tageszeitungen, Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen, Rundfunkangebote sowie Nur-Internetangebote). Dies soll der Vereinfachung der Ergebnispräsentation dienen. Weblogs werden nicht mehr separat ausgewiesen. Die Zahl der Wochenzeitungen war mit zwei Fällen zu gering, um sie noch sinnvoll als Gruppe darstellen zu können.
Journalismus – neu vermessen
223
Die Internetangebote waren mehrheitlich nicht registrierungspflichtig (85%, n=501).32 Teilweise oder vollständig zugangsbeschränkt waren die übrigen 15% der Angebote. Vor allem Tageszeitungen (n=265) verlangten von ihren Nutzern eine Registrierung (vgl. Tab. 7).33 Unter den Nur-Internetangeboten bot knapp ein Viertel (23%, n=39) der Portale und ein Fünftel (20%, n=40) der professionellen Internetangebote mit einer Redaktion Inhalte mit Nutzerregistrierung an. Bei den anderen Medientypen und Internetformaten war eine Registrierung nur in Ausnahmefällen notwendig. Auch kostenpflichtige Elemente waren in den Angeboten insgesamt eher selten zu finden (13%, n=479).34 Dabei handelte es sich z. B. um Audio-Dateien, „Premium“-Artikel oder Lokalinformationen (Archive und E-Papers wurden hier ausgeklammert; sie wurden gesondert erhoben.) Es überrascht nicht, dass ausschließlich auf Websites des professionellen Vermittlungstyps Nutzergebühren erhoben wurden. Bei den Nur-Internetangeboten (n=93) waren kostenpflichtige Bereiche lediglich bei fünf Portalen und zwei professionell-journalistischen Angeboten auffindbar. Die mangelnde Zahlungsbereitschaft der Nutzer ist noch immer ein Hindernis bei der Finanzierung. Die Werbung dominiert als Erlösquelle: In 72% (n=503) der Angebote wurden Werbebanner erfasst, die nicht auf eigene Inhalte verwiesen. Eine besonders hohe Verbreitung zeigte sich bei Tageszeitungen (n=265) sowie Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen (n=32). Bei den untersuchten Angeboten aus Fernsehen und Hörfunk im Internet war Werbefinanzierung dagegen weitaus weniger üblich. Nur gut ein Fünftel der Angebote besaß Werbung. Der Grund dafür sind in erster Linie die öffentlich-rechtlichen Angebote, die werbefrei bleiben müssen. Besonders Nur-Internetangebote (n=115) setzten auf Google-Anzeigen. Zurückhaltender zeigten sich bei dieser Werbeform vor allem die Tageszeitungen (n=264). Kostenpflichtige Archive hatten generell eine geringe Verbreitung (13%, n=499). Allenfalls Tageszeitungen (n=264) setzten verstärkt auf den Verkauf von Archivinhalten.
32 Zwei Fälle waren hier nicht eindeutig entscheidbar. Wenn im Folgenden Abweichungen von der Grundgesamtheit von 503 Fällen auftauchen, so entsteht die Differenz durch nicht eindeutige Fälle (sofern nichts anderes vermerkt ist). 33 Es wurde nicht genau erfasst, welcher Bereich innerhalb eines Angebotes registrierungspflichtig war. Vermutlich war bei Tageszeitungen häufig der Zugang zu lokalen Informationen betroffen. 34 Bei Weblogs (n=18) wurde die Kostenpflichtigkeit der Inhalte nicht untersucht.
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224 Tab. 7:
Merkmale ausgewählter Angebotsgruppen: Zugänglichkeit, Finanzierung und multimediale Informationen (Angabe in %, Inhaltsanalyse, 2006/07) TZ (n=263-265)
registrierungspflichtige Inhalte mit aktuellen Informationen (Cramer-V=0,223)*** Werbebanner (Cramer-V=0,563)***
Shop (Cramer-V=0,222)***
kostenpflichtige Inhalte
A
(Cramer-V=0,216)***
kostenpflichtiges Archiv (Cramer-V=0,231)***
Google-Anzeigen (Cramer-V=0,333)***
kostenpflichtiges E-Paper (Cramer-V=0,182)**
kostenfreies E-Paper (Cramer-V=0,018)
E-Paper gesamt (Cramer-V=0,182)**
Videoinhalte im Bereich aktueller Informationen
PZ/WZ (n=29-32)
RF (n=88-89)
Nur-Internet (n=93-115)A
gesamt (n=479-503)
21,1
6,5
0
15,7
15,2
89,8
90,6
22,5
65,2
72,2
38,3
62,5
34,8
19,1
34,7
17,9
15,6
0
7,5
12,7
18,2
13,8
1,1
4,3
11,6
5,7
12,5
3,4
30,4
11,4
44,5
15,6
-
-
41,4
2,3
3,1
-
-
2,4
46,8
18,7
-
-
43,8
20,0
31,3
46,1
13,4
23,8
20,4
34,4
87,6
16,1
32,2
(Cramer-V=0,261)***
Audio- und Videoinhalte im Bereich aktueller Informationen (Cramer-V=0,559)***
***p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Die Ergebnisse in der Spalte „gesamt“ umfassen zusätzlich die Gruppe der Nachrichtenagenturen (n=2). Die Zusammenhangsmaße beziehen sich auf die Unterschiede zwischen den vier abgebildeten Angebotsgruppen. Codierungen mit „nicht eindeutig“ wurden ausgeklammert. Je nach Variable betraf dies bis zu sechs Fälle. E-Papers wurden nur bei Tageszeitungen, Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen erhoben (gesamt n=299). A In der Gruppe „Nur-Internetangebote“ fehlen Weblogs (n=18) bei der Variable „kostenpflichtige Inhalte“.
Eine vergleichsweise wichtige Rolle spielten bei Tageszeitungen E-Papers, die in fast jedem zweiten Angebot (47%, n=265) enthalten waren. Diese wurden in der Regel kostenpflichtig angeboten; nur sechs Tageszeitungen (2%) verzichteten hier auf Gebühren (vgl. Turi 2007). Bislang ist die Zahl der verkauften E-Paper-Abonnements noch sehr gering (vgl. IVW 2008). Multimediale Inhalte, also Video- und Audio-Elemente, hatten noch keine mehrheitliche Verbreitung: 68% (n=500) der ausgewerteten Angebote enthielten weder Audio noch Video. Es entspricht der Erwartung, dass sich multimediale Elemente am häufigsten auf Websites von Fernsehen und Hörfunk fanden (88%, n=89). Bei Tageszeitungen bot jedes fünfte Angebot (20%, n=265) multimediale Inhalte an. In Nur-Internetangeboten (16%, n=112) waren sie insgesamt eher
Journalismus – neu vermessen
225
selten anzutreffen, darunter bei Weblogs sogar nur in einem Fall (6%). In der Studie von Svensson et al. (2007: 55) in der die Ableger der hundert auflagenstärksten Tageszeitungen (auf IVW-Basis) untersucht wurden, wurden im Erhebungszeitraum von August bis November 2006 in etwas über einem Drittel (37%) der untersuchten Websites Videos festgestellt. Internetnutzer wurden über ein Weblog um Mithilfe bei der Untersuchung gebeten. Die durch die Verfasser des vorliegenden Beitrags systematisch bestimmte Teilgesamtheit im Bereich der Tageszeitungen ist ungleich größer (n=265); berücksichtigt wurden dabei nicht nur auflagenstarke Tageszeitungen. Bei multimedialen Inhalten ist seit Abschluss der Untersuchung ein erheblicher Zuwachs wahrscheinlich. Eine weitere Inhaltsanalyse von Websites regionaler Tageszeitungen kam im Juli 2007 bereits zu dem Ergebnis, dass über die Hälfte von ihnen (55%, n=123) Video-Inhalte anbot (vgl. Gerhards/Pagel 2008: 169). Ebenso hat die allgemeine Nutzung von Videodateien im Vergleich zu 2006 im Zuge der „YouTube-Euphorie“ zugenommen (vgl. van Eimeren/Frees 2007: 369f.). Gerhards/Pagel (2008: 169) stellen jedoch fest, dass nur in einer Minderheit der Angebote eigenproduziertes Material bereitgestellt wird. Die Mehrheit der Regionalzeitungen griff auf Agenturmaterial „von der Stange“ zurück. Inwieweit sind partizipative Formate, nämlich Weblogs, Podcasts, Videoblogs und Nutzerplattformen, in journalistische Internetangebote integriert? Individualformate (Weblog, Podcast, Videoblog) hatten nur 15% der Internetangebote integriert (n=468).35 Zwischen den untersuchten Angebotsgruppen sind leichte Unterschiede erkennbar (Cramer-V=0,257, p<0,001). Relativ aufgeschlossen zeigten sich hier Ableger aus dem Rundfunkbereich36 (33%, n=78) sowie Internetangebote von Zeitschriften und Wochenzeitungen (29%, n=31). Zurückhaltend war dagegen das Engagement der Tageszeitungen: Nur etwa jede zehnte Zeitung37 stellte Weblogs, Podcasts oder Videoblogs bereit (10%, n=264). Dabei engagierten sich hier neben den überregionalen Qualitätszeitungen auch einige Regionalzeitungen (z. B. Hessisch-Niedersächsische Allgemeine, Ostseezeitung, Trierischer Volksfreund). Eine Nutzerplattform als partizipatives Kollektivformat konnte in sechs Fällen ermittelt werden (1%, n=468). Als Beispiele sind hier das Wirtschaftswiki 35 Die Integration partizipativer Formate wurde bei Weblogs und Nutzerplattformen nicht untersucht. 36 Die Codierer wurden gebeten, die partizipativen Formate qualitativ zu beschreiben. Im Rundfunkbereich dominierte mit 25 Nennungen eindeutig das Format Podcast; Weblogs wurden hier nur dreimal genannt. Inwieweit die Podcasts nur eine Mehrverfachwertung von bereits gesendeten Inhalten sind, wurde nicht untersucht. Die Integration partizipativer Elemente wurde in der anschließenden Befragung der Internetredaktionen genauer erfasst. 37 Einen Vergleichswert liefern ebenfalls Svensson et al. (2007: 55). Nach ihrer Studie besaß jedes fünfte (21%) Internetangebot von Tageszeitungen Weblogs.
226
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
des Handelsblatts oder das Angebot „Sensation!“ des Tagesspiegels zu nennen. Bezogen auf die einzelnen Angebotsgruppen zeigen sich hier kaum Abweichungen (Cramer-V=0,135, p<0,05). Neben der Themenselektion, die bei der Prüfung auf Aktualität und Universalität eine Rolle spielte, wurde auch die Art der Themenaufbereitung untersucht. Insgesamt dominierte die informationsorientierte Themenaufbereitung (94%, n=503).38 Dieser Befund spiegelt die Entscheidung wider, sich auf den journalistischen Kernbereich zu konzentrieren. Im Vergleich der Angebotsgruppen ergeben sich jedoch auch leichte Differenzen (Cramer-V=0,235, p<0,001). Bei den Zeitschriften und Wochenzeitungen waren nur etwa zwei Drittel der Angebote (69%, n=32) informationsorientiert. Hier wurden relativ oft Angebote mit Unterhaltungs(19%) oder Serviceorientierung (6%) festgestellt. Besonders bei Weblogs lagen oft Mischangebote vor (44%, n=18), deren Postings sowohl unterhaltend als auch informativ waren. 6 Fazit In der vorgestellten Studie, die einer Anbieterbefragung vorgeschaltet war, wurde in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren die Grundgesamtheit der journalistischen Internetangebote in Deutschland bestimmt. Bislang wurde in empirischen Studien über den Journalismus darauf verzichtet, die journalistische Identität und Leistung der Angebote und Anbieter zu überprüfen, um den Untersuchungsgegenstand abzugrenzen. Um nicht nur den Journalismus in seiner traditionellen Ausprägung zu erfassen, sondern auch funktionale Äquivalente in den Blick zu bekommen, musste bei der Bestimmung der Grundgesamtheit ein methodisch neuer Weg beschritten werden: Verwendet wurde ein Journalismusbegriff, der einerseits ausreichend abstrakt ist, um unterschiedliche Vermittlungstypen zu erfassen, der andererseits aber auch als operationale Definition über genügend Schärfe verfügt, um empirisch eindeutig zwischen journalistisch relevanten und irrelevanten Angeboten unterscheiden zu können. Die Entwicklung des Codebuchs und die Prüfung des Einzelfalls waren mit viel Aufwand verbunden: Nacheinander wurden die Auswahlkriterien Publizität, Autonomie, Vollständigkeit, Aktualität, Periodizität und Universalität angewandt, wobei bei diesen Prüfschritten relativ hohe Anforderungen an die Angebote gestellt wurden, um so den Kernbereich des 38 Bei 17 Angeboten (3%) wurde eine Unterhaltungsorientierung in der Themenaufbereitung festgestellt. Zwei Angebote (0,4%) wiesen eine eindeutige Ratgeberorientierung auf. Zehn weitere Fälle (2%) waren Mischangebote.
Journalismus – neu vermessen
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Journalismus einzugrenzen. Die Grenzen des Journalismus könnten bei den graduellen Merkmalen (Aktualität, Universalität, Periodizität) auch weiter gezogen werden. Die Erfassung der Grundgesamtheit journalistischer Internetangebote zeigt, dass der Kernbereich des Internetjournalismus nach wie vor im Wesentlichen aus den Internetablegern traditioneller Massenmedien besteht. Der Anteil der Nur-Internetangebote liegt in der Grundgesamtheit bei lediglich 23%. Ein eindeutiges journalistisches Leistungsprofil mit einer häufigen Aktualisierung und einem breiten Themenspektrum besaßen insgesamt zwei Fünftel (41%) der geprüften Angebote. Im Bereich der Ableger traditioneller Massenmedien überstanden relativ viele Tageszeitungen die Prüfung, wohingegen viele Publikumszeitschriften und Rundfunkangebote scheiterten. Sie veröffentlichten nicht oft genug aktuelle Inhalte oder stellten keine vollständigen Beiträge zur Verfügung. Im Unterschied zu den Tageszeitungen, die fast alle im Internet vertreten sind, sind die Zeitschriftenverlage offenbar nur bei wenigen Titeln bereit, in einen journalistischen Internetauftritt zu investieren (vgl. Vogel 2008). Die geringe Zahl relevanter Weblogs bestätigt die Vermutung, dass Blogger im Wesentlichen komplementäre und nur punktuell journalistische Leistungen erbringen. Sie können den professionellen, redaktionell organisierten Journalismus nicht ersetzen. Die Bedeutung von Weblogs für die Öffentlichkeit sollte gleichwohl nicht gering geschätzt werden: Sie können Quelle für den Journalismus sein, in Weblogs findet auch öffentliche Anschlusskommunikation des Publikums und eine kritische Auseinandersetzung mit dem Journalismus statt. Diese Komplementärleistungen partizipativer Angebote wurden in anderen empirischen Studien des Projekts „Journalismus im Internet“ untersucht. Auch die Spezialisierung eines Teils der Weblogs auf Expertenthemen kann als Zugewinn verbucht werden; diese Weblogs konnten hier jedoch mangels thematischer Breite nicht berücksichtigt werden. Die weitergehende Inhaltsanalyse der als „journalistisch“ identifizierten Angebote ergab, dass multimediale und partizipative Optionen des Internets im Untersuchungszeitraum nur selten genutzt wurden. Der Internetjournalismus schöpft also das technische Potenzial des Mediums noch kaum aus. Die Untersuchung der Angebotsmerkmale wurde im Rahmen der Anbieterbefragung weiter vertieft.
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Crossmedialität oder Ablösung?
Anbieterbefragung I: Journalismus im Übergang von den traditionellen Massenmedien ins Internet Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
1 Einführung Die Anbieterbefragung, die im Folgenden vorgestellt wird, ruht auf dem theoretischen Fundament, das im Aufsatz „Internet, Journalismus und Öffentlichkeit“ in diesem Band gelegt wurde. Dort wird zwischen professioneller, partizipativer und technisierter Kommunikation in der aktuellen Internetöffentlichkeit unterschieden. In der vorliegenden Studie wurden Anbieter aus allen drei Bereichen befragt, die in einer umfangreichen Vorstudie inhaltsanalytisch als „journalistisch“ identifiziert werden konnten (vgl. den Aufsatz „Journalismus – neu vermessen“ in diesem Band). Damit wird erstmals in einer empirischen Studie der Anspruch erhoben, nicht nur einen Teilbereich erfasst, sondern sämtliche Kommunikationstypen abgedeckt zu haben. Dafür musste theoretisch und methodisch Neuland betreten werden. In diesem Aufsatz wird auch die Methodik der Anbieterbefragung vorgestellt. Die Befragung hatte zwei inhaltliche Schwerpunkte: Zum einen wurde das Beziehungsgeflecht zwischen professioneller, partizipativer und technisierter Kommunikation untersucht; die Ergebnisse dazu werden in zwei weiteren Aufsätzen in diesem Band präsentiert.1 Zum anderen wurde das Verhältnis zwischen dem Internet und den traditionellen Massenmedien analysiert. Im vorliegenden Text steht dieser Übergang des Journalismus von den traditionellen Massenmedien ins Internet im Mittelpunkt. Der Forschungsstand wird im Aufsatz „Internet, Journalismus und 1 Vgl. dazu die Aufsätze „Profession, Partizipation, Technik“ und „‘Googleisierung‘ oder neue Quellen im Netz?“ in diesem Band.
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Öffentlichkeit“ in diesem Band vorgestellt. Für die Entwicklung der Fragebögen wurden elf halbstrukturierte, mündliche Interviews mit Redaktionsleitern geführt.2 In der standardisierten Befragung wurden die folgenden Forschungsfragen untersucht: x Identität und Leistung (vgl. Abschnitt 3): Verfügen die Internetangebote und anbieter über eine journalistische Identität? Wie leistungsfähig sind sie? x Beziehung zum Muttermedium (vgl. Abschnitt 4): In welcher Beziehung stehen die Internetangebote und -anbieter zu den traditionellen Massenmedien? Sind sie crossmedial mit ihren Muttermedien verflochten? Oder lässt sich eine Verselbstständigung erkennen? x Technisches Potenzial (vgl. Abschnitt 5): In welchem Maße wird das technische Potenzial des Internets bei der Gestaltung der Angebote ausgeschöpft? Wie weit ist der Prozess der Aneignung des neuen Mediums vorangeschritten? x Qualität und Vorbilder (vgl. Abschnitt 6): An welchen Vorbildern orientieren sich die Anbieter? Welche Qualitätsmerkmale werden zur Begründung angeführt? x Ökonomische Randbedingungen (vgl. Abschnitt 7): Können die Internetanbieter ihre Kosten decken? Welche Einnahmequellen nutzen sie? x Auswirkungen auf das Muttermedium (vgl. Abschnitt 8): Wie wirken sich das Internet insgesamt und der eigene Internetauftritt auf das Muttermedium aus? Kommt es zu Verdrängungs- oder Stimulationseffekten? Diese Fragen legten es nahe, nicht einzelne Internetjournalisten zu befragen (wie z. B. Löffelholz et al. 2003), sondern Anbieter, d. h. Redaktionsleiter und für den Inhalt Verantwortliche.
2 Interviewpartner waren: Oliver Eckert, Geschäftsführer, rp-online.de, Düsseldorf (07.12.2006); Julius Endert, Redaktionsleiter, handelsblatt.com, Düsseldorf (07.12.2006); Steffen Richter, stellvertretender Chefredakteur, zeit.de, Hamburg (13.12.2006); Jochen Wegner, Chefredakteur, focus.de, München (19.01.2007); Mathias Müller von Blumencron, Chefredakteur, spiegel.de, Hamburg (08.12.2006); Uta Thofern, Chefredakteurin, dw-world.de, Bonn (18.12.2006); Jörg Sadrozinski, Redaktionsleiter, tagesschau.de, Hamburg (23.11.2006); Dr. Michael Maier, Chefredakteur, netzeitung.de, Berlin (29.11.2006); Christoph Schultheis, redaktionell Verantwortlicher, bildblog.de, Berlin (08.12.2006); Mathias Schindler, Vorstand, Wikimedia e. V., Frankfurt a. M. (14.12.2006) (zu de.wikinews.org); Stefan Keuchel, Pressesprecher, Google Deutschland, Hamburg (22.12.2006) (zu news.google.de).
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2 Methodische Vorbemerkungen Um die journalistischen Internetanbieter mit Sitz in Deutschland zu identifizieren, wurden zunächst potenziell relevante Angebote inhaltsanalytisch untersucht (vgl. den Aufsatz „Journalismus – neu vermessen“ in diesem Band). Dabei wurde geprüft, ob sie journalistische Merkmale besitzen. Im nächsten Schritt wurden die Anbieter jener Websites erfasst, die als „journalistisch“ klassifiziert worden waren. Anbieter mussten organisatorisch eigenständig sein, und jeder Anbieter sollte nur einmal über die von ihm betreuten Angebote befragt werden. Dafür wurden die Impressen und andere Anbieterangaben auf den untersuchten Websites ausgewertet. Dadurch reduzierte sich die ursprüngliche Zahl von 503 Angeboten um 39 Einheiten. Telefon- und E-Mail-Recherchen führten zum Ausschluss von weiteren 43 Angeboten, deren Anbieter bereits an anderer Stelle erfasst worden waren. Es verblieben damit 421 Anbieter. Acht Angebote waren zwischenzeitlich eingestellt oder zumindest für längere Zeit vom Netz genommen worden, sodass schließlich noch 413 Anbieter übrig blieben, welche die Grundgesamtheit der als Vollerhebung angelegten Anbieterbefragung bildeten. Die Heterogenität der Anbieter in der Grundgesamtheit machte die Ausarbeitung von insgesamt zehn Fragebogen-Varianten erforderlich (vgl. Tab. 1). Neben den Kernfragen, die – allenfalls mit geringen Anpassungen – in allen Varianten enthalten waren, wurden anbieterspezifische Erhebungsfragen gestellt. Der Fragenkatalog musste im Wesentlichen neu entwickelt werden. Das gilt vor allem für die Fragen, die sich an die Anbieter von partizipativen Formaten (Weblogs, Nutzerplattformen) und von Nachrichtensuchmaschinen als technischem Format richteten. Aber auch für die Beziehungsdimensionen zwischen Profession, Partizipation und Technik mussten geeignete Fragen geschaffen werden. Es galt also, die (Trampel-)Pfade der Journalismusforschung zu verlassen. Die Grundgesamtheit und auch der Kreis der Teilnehmer an der Befragung waren sehr ungleich zusammengesetzt. Dies spiegelt den Entwicklungsstand des Internets in Deutschland wider: Nur wenige Angebote im partizipativen Bereich genügten den Mindestanforderungen an ein journalistisches Angebot. Auch die Zahl der Nachrichtensuchmaschinen, der professionellen Nur-Internetangebote und Portale ist überschaubar. Die deutliche Mehrheit der relevanten Angebote stammt nach wie vor aus dem Bereich der traditionellen Massenmedien. Dies erklärt auch die Unterschiede bei den Fallzahlen in der Befragung: Überwiegend nahmen daran die Leiter der Internetredaktionen von traditionellen Massenmedien teil (79%, abs. 144). Nur-Internetanbieter machten nur rund ein Fünftel (21%,
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39) der Befragten aus. Dass die Dominanz von Presse und Rundfunk eine Besonderheit des Internetjournalismus in Deutschland ist, kann mangels international vergleichender Studien schwer nachgewiesen werden. Es gibt lediglich vereinzelt Hinweise darauf, dass die deutsche „Blogosphäre“ – vor allem im Vergleich zu den USA – wenig entwickelt und ihre journalistische Relevanz eher gering ist (vgl. Neuberger/Nuernbergk/Rischke 2007: 97-102, 107). Der Fragebogen war teilweise mit jenem einer früheren Redaktionsleiter-Befragung parallelisiert (vgl. Neuberger 2000, 2001, 2002). Damals wurden nur die Internetableger der klassischen Massenmedien und die professionellen Nur-Internetanbieter untersucht (n=187, Rücklauf: 59%). Diese Befragung, die zwischen April und Juni 2000 stattfand, lag zeitlich noch vor dem Platzen der „Dotcom“-Blase, die auch viele deutsche Medienunternehmen bewegte, ihr Internetengagement zu reduzieren (vgl. Neuberger 2003: 153-156). Nach ersten Krisenzeichen im Jahr 2000 kam im Jahr 2001 die Zäsur, und zwar nicht nur für das Internet, sondern auch für die klassischen Massenmedien, deren Werbeerlöse einbrachen. Zum Teil können auch Ergebnisse einer Befragung der Internetredaktionsleiter von Tageszeitungen (n=63, Rücklauf: 78%) aus dem Jahr 1997, also aus der Frühphase des Internets, zum Vergleich herangezogen werden (vgl. Mehlen 1999). Die Befragung fand postalisch mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens statt. Die Form der „Paper-and-pencil“-Befragung wurde wegen der Länge des Fragebogens gewählt. In der längsten Variante enthielt er über sechzig Erhebungsfragen, was bei einer Internetbefragung wegen der rascheren Ermüdung vermutlich zu einer hohen Abbruchquote geführt hätte. Die schriftliche Form erlaubte es den Befragten, Unterlagen zu sichten oder Rücksprache mit Kollegen zu halten (vgl. Scholl 2003: 48). Die Ansprechpartner wurden während der Ermittlung der relevanten Angebote und Anbieter namentlich mit ihren Kontaktdaten erfasst. Befragt werden sollte der Redaktionsleiter oder der für ein Angebot inhaltlich Verantwortliche. Konnte keine Einzelperson ermittelt werden, wurde der Brief allgemein an die Redaktion gerichtet. Generell wurde im Anschreiben darum gebeten, den Fragebogen bei einer fehlenden oder fehlerhaften namentlichen Adressierung an die zuständige Person weiterzuleiten. Die Untersuchung fand nicht-anonym statt: Am Ende des Fragebogens wurden die Teilnehmer um den eigenen Namen, den Namen des Angebots, ihre berufliche Position sowie, falls Interesse an den Ergebnissen bestand, um die EMailadresse gebeten. Dies ermöglichte eine genaue Rücklaufkontrolle. Lediglich
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zehn Teilnehmer an der Befragung verweigerten die Auskunft über ihre Identität (6%). Der Erstversand fand am 6. Juni 2007 statt.3 Vom 12. Juni bis 10. Oktober 2007 gingen insgesamt 184 ausgefüllte Fragebögen ein. Ein Fragebogen konnte in der Auswertung nicht berücksichtigt werden, da darin z. T. auch über die Planung für die Website Auskunft gegeben wurde. Dadurch ließ sich der Ist-Zustand nicht mehr zweifelsfrei identifizieren. Insgesamt konnte damit ein Rücklauf von 44% (abs. 183) erzielt werden. Tab. 1:
Grundgesamtheit und Rücklauf nach Anbietertypen (Anbieterbefragung, 2007) Grundgesamtheit
Rücklauf
in %
Ableger von traditionellen Massenmedien (Internetableger) Tageszeitungen Wochenzeitungen
216
98
45,4
2
2
100,0
Publikumszeitschriften
28
12
42,9
Rundfunk
61
32
52,5
2
0
0
Professionelle Nur-Internetanbieter
36
17
47,2
Portale
35
6
17,1
Nachrichtensuchmaschinen
12
5
41,7
5
3
60,0
Weblogs
16
8
50,0
gesamt
413
183
44,3
Nachrichtenagenturen Nur-Internetanbieter (Nur-Internet)
Nutzerplattformen
Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Beteiligung in den einzelnen Teilgruppen. Im Ergebnisteil wird eine Einteilung in vier größere Teilgruppen verwendet (soweit nichts anderes angegeben ist), um eine kompaktere Darstellung zu ermöglichen: Tageszeitungen (abgekürzt: TZ), Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen (PZ/WZ), Rundfunk (RF) sowie Nur-Internetanbieter (Nur-Internet). Der höchste 3 Die Redaktionsleiter erhielten den Fragebogen, ein Anschreiben und einen frankierten Rückumschlag. Für Rückfragen wurde ein E-Mail-Account eingerichtet, über welchen Ende Juni/Anfang Juli 2007 auch Erinnerungs-Mails verschickt wurden. Von Mitte Juli bis Mitte August 2007 wurden die Teilnehmer, die noch nicht geantwortet hatten, außerdem telefonisch kontaktiert. Anschließend wurden die Unterlagen noch einmal mit der Post verschickt. Einige Nachzügler sandten ihren ausgefüllten Fragebogen erst Anfang Oktober zurück.
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Rücklauf wurde unter den Hörfunk- und Fernsehanbietern erzielt: Hier kehrte etwas mehr als die Hälfte (53%) der Fragebögen ausgefüllt zurück. 47% der angeschriebenen Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen nahmen teil, bei den Tageszeitungen waren es 45%. Im Bereich der mehrere Teilgruppen umfassenden Nur-Internetanbieter (professionelle Nur-Internetanbieter, Portale, Nutzerplattformen, Weblogs, Nachrichtensuchmaschinen) lag der Rücklauf bei 38%. Die Unterschiede zwischen den Teilgruppen sind so gering, dass auch eine Gesamtauswertung für alle Befragten zulässig erscheint.4 In der folgenden Ergebnisdarstellung werden zentrale Befunde wiedergegeben.5 Dabei wurden die fünf Nachrichtensuchmaschinen, die an der Befragung teilnahmen, ausgeschlossen.6 Angesichts der Fülle der Variablen und der Möglichkeiten der Teilgruppenbildung (z. B. nach Anbietertypen auf unterschiedlichen Aggregationsniveaus) muss die Ergebnisdarstellung ausschnitthaft bleiben. Da keine Zufallsauswahl vorlag, sind Signifikanzwerte nur von begrenzter Aussagekraft. Soweit Zusammenhänge signifikant sind, wird dies ausdrücklich erwähnt. Zusammenhangsmaß und Signifikanzwert beziehen sich stets auf die vier Anbietertypen (TZ, PZ/WZ, RF, Nur-Internet). Hinweise auf andere Unterschiede ohne diese Zusatzangaben sind nicht-signifikant. Es werden grundsätzlich relative Häufigkeiten ausgewiesen, und zwar auch dann, wenn die Fallzahl gering ist, weil die Teilnehmerzahl in den Teilgruppen stark differiert. Nur so ist ein rascher Vergleich möglich. 3 Journalistische Identität und Leistung In der inhaltsanalytischen Vorstudie wurde anhand von Angebotsmerkmalen bereits die journalistische Identität überprüft. Dort wurde über Mindeststandards entschieden, welche Angebote und damit auch Anbieter als „journalistisch“ akzeptiert und weiter berücksichtigt werden sollten. In der Befragung wurde die Klärung 4 Die Gruppe der Tageszeitungen setzt sich aus 91 regionalen Titeln und sieben überregionalen Titeln zusammen. Unter den 32 Rundfunkanbietern sind 24 Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Fernsehen und Hörfunk: 9, nur Fernsehen: 8, nur Hörfunk: 7) und acht des privaten Rundfunks (Hörfunk: 5, Fernsehen: 3). Unter den Befragten sind keine Nachrichtenagenturen. 5 Die in der folgenden Ergebnisdarstellung angegebene Zahl der Fälle für Grund- und Teilgesamtheiten wurde jeweils um die Nicht-Antwortenden und jene Personen reduziert, die von der Antwortoption „kann ich nicht sagen“ Gebrauch gemacht haben. 6 Der für Nachrichtensuchmaschinen ausgearbeitete Fragebogen enthielt nicht nur viele eigenständige Erhebungsfragen, sondern war durch mehrere Filter so komplex angelegt, dass hier umfangreiche Kommentare erforderlich wären. Angesichts der wenigen Fälle steht der Aufwand kaum in einem angemessenen Verhältnis zum Ertrag. Ausgewählte Ergebnisse werden im Aufsatz „Profession, Partizipation, Technik“ in diesem Band vorgestellt.
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der journalistischen Identität fortgesetzt. Die Merkmale zur Identifizierung des Journalismus lassen sich auch als Hinweise auf das Leistungspotenzial interpretieren, soweit sie graduell, also in höherem oder geringerem Maße vorhanden sein können. Berücksichtigt wurden im Fragebogen sowohl Angebotsmerkmale (Häufigkeit der Überarbeitung, Artikelzahl, Universalität) als auch Organisationsmerkmale (Mitarbeiterzahl, Qualifikationsanforderungen). Ein Angebotskriterium ist die Häufigkeit, mit der ein Angebot überarbeitet wird (Periodizität). Die untersuchten Angebote wurden relativ oft aktualisiert: Nur 3% der befragten Redaktionsleiter (n=175, ohne Nutzerplattformen) gaben an, dass ihr Angebot weniger als einmal täglich aktualisiert wird. Die vorgeschaltete Inhaltsanalyse zum Herausfiltern der relevanten Angebote scheint hier also erfolgreich gewesen zu sein. Dort wurden jene Angebote ausgesondert, die nicht an mindestens zwei verschiedenen Tagen innerhalb der letzten Woche vor der Codierung ihr Angebot überarbeitet hatten. Knapp ein Viertel (23%) der Angebote wird täglich aktualisiert. „Mehrmals täglich“ gaben 43% an, und „rund um die Uhr“ aktualisieren 30% der Befragten. Vergleicht man die Aktualisierungshäufigkeit nach den Anbietertypen, so lässt sich ein signifikanter, aber schwacher Zusammenhang feststellen (Cramer-V=0,234, p<0,01). Websites des Rundfunks („mehrmals täglich“: 56%, „rund um die Uhr“: 31%, n=32) und von Tageszeitungen („mehrmals täglich“: 40%, „rund um die Uhr“: 35%, n=98) werden relativ oft aktualisiert. Generell überarbeiten die Internetableger der traditionellen Medien ihr Angebot häufiger als Nur-Internetanbieter (Cramer-V=0,315, p<0,01). Traditionelle Massenmedien sind mittlerweile auch überwiegend bereit, dem Motto „Online first!“ zu folgen und Exklusivmeldungen zuerst im Internet zu veröffentlichen: 22% (n=136) tun dies immer, 42% immerhin in Ausnahmefällen (vgl. Grimberg/Langeder 2007). Dass Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen hier die größte Bereitschaft zeigen, verwundert angesichts der großen Zeitabstände zwischen den Erscheinungsterminen des Muttermediums nicht („immer“: 33%, „ausnahmsweise“: 42%, n=12). Aber auch Tageszeitungen kommen ihrer eigenen Druckausgabe zuvor („immer“: 24%, „ausnahmsweise“: 45%, n=97). Beim Rundfunk als Online-Medium spielt diese Frage erwartungsgemäß keine große Rolle, da er zeitgleich beide Medien bedienen kann („nein“: 59%, n=27). Der Umfang der täglichen Berichterstattung ist ebenfalls ein Leistungsindikator. Gefragt wurde danach, wie viele neue Artikel pro Tag durchschnittlich im Bereich der aktuellen Informationen veröffentlicht werden. Eine Antwort wurde von allen
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Internetablegern traditioneller Medien sowie von professionellen Nur-Internetangeboten, Portalen und Nutzerplattformen erbeten (n=154). Die Spannweite reicht von einem Artikel bis zu 1.000 Beiträgen. Der Mittelwert liegt bei 129 Artikeln, der Median bei 50 Artikeln. Der Mittelwertvergleich zeigt signifikante Unterschiede zwischen den Anbietertypen (Eta=0,372, p<0,001). Tageszeitungen veröffentlichen im Durchschnitt 184 Artikel pro Tag (n=92), auch der Median ist hier mit 150 Beiträgen relativ hoch. Bei allen anderen Anbietertypen sind die Durchschnittswerte deutlich niedriger (RF: 77 Artikel, n=28; PZ/WZ: 30, n=13; NurInternet: 16, n=21). Auch die thematische Universalität eines Angebots ist ein Indikator für die journalistische Identität. Danach gefragt, wie sich ihre aktuellen Informationen auf die vier Themenbereiche Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport verteilen, gaben nur wenige Anbieter an, dass sie keine Artikel in einer dieser Sparten veröffentlichen (Politik: 4%, n=168; Wirtschaft: 8%, n=156; Kultur: 8%, n=165; Sport: 13%, n=166). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass nur eine kleine Minderheit der Befragten in einer Sparte mehr als 75 bis 100% der Artikel mit aktuellen Information veröffentlicht, also ein spezialisiertes Angebot besitzt (Politik: 3%; Wirtschaft: 2%; Kultur: 3%; Sport: 2%). Die Angebote sind also zumeist thematisch breit angelegt. Auf eine weitergehende Analyse wird an dieser Stelle verzichtet. Die Abdeckung der Sparten wurde auch in der inhaltsanalytischen Vorstudie behandelt. Neben den bisher vorgestellten Angebotsmerkmalen wurden auch Organisationsmerkmale erhoben: Ein Indikator für die Leistungsfähigkeit eines Anbieters ist die Zahl seiner journalistischen Mitarbeiter.7 Unter den befragten Angeboten gibt es viele mit wenigen journalistischen Mitarbeitern und nur einige mit viel Personal (Maximum: 150, Standardabweichung: 24, n=150). Wegen dieser Ausreißer liegt der arithmetische Mittelwert bei 15 Mitarbeitern, der Median dagegen nur bei fünf Mitarbeitern. Die meisten journalistischen Mitarbeiter, nämlich jeweils durchschnittlich 21, werden im Rundfunkbereich (n=26) sowie bei Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen (n=13) beschäftigt (TZ: 13, n=90; Nur-Internet: 13, n=21), wobei die Unterschiede zwischen Anbietertypen nicht signifikant sind. Im Vergleich zum Jahr 2000 wurden damit die Redaktionen vergrößert (vgl. Neuber-
7 Journalistische Mitarbeiter wurden dabei definiert als „Personen, die mindestens eine der folgenden journalistischen Tätigkeiten ausführen: Schreiben und Redigieren eigener Texte, Recherchieren, Auswählen und Redigieren fremder Texte, Produzieren von Video- und Audiobeiträgen, Leitung und Organisation der genannten Tätigkeiten.“ Berücksichtigt werden sollten auch jene Mitarbeiter, die nicht ausschließlich für das Internet arbeiten.
Crossmedialität oder Ablösung?
239
ger 2002: 105). Damals lag z. B. der Durchschnitt im Tageszeitungsbereich bei nur drei Mitarbeitern. In die Gesamtzahl der journalistischen Mitarbeiter gingen festangestellte und freie, voll- und teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter sowie Praktikanten ein. Die Angaben lassen deshalb nur einen ungenauen Schluss auf das Leistungspotenzial zu. Die Befragten wurden darüber hinaus um eine genaue Aufschlüsselung ihrer Mitarbeiter nach dem Arbeitsverhältnis und der Arbeitszeit gebeten. Bei den festangestellten Mitarbeitern sollten die Vollzeitäquivalente berechnet werden. Hier gilt erneut, dass wenige Ausreißer das Ergebnis beeinflussen (Maximum: 135 Stellen, Standardabweichung: 16, n=131): Der Mittelwert liegt bei sieben Vollzeitäquivalenten, dagegen der Median bei zwei. Beim Vergleich der Anbietertypen (Eta=0,246, p<0,05) erzielten mit 18 Stellen die Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen (n=12) erneut den höchsten Wert. Dagegen fallen die anderen Anbietertypen deutlich ab (RF: 10, n=25; TZ: 6, n=79; Nur-Internet: 3, n=15). Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen profitieren weniger von den Zulieferungen ihres Muttermediums als die tagesaktuell berichtenden Medien Tageszeitung und Rundfunk. Sie müssen also, wenn sie sich ernsthaft im Internet journalistisch betätigen wollen, mehr in ihre Redaktionen investieren. Wie hat sich die Redaktionsgröße verändert? Die Befragung fand in einer Phase statt, in der die Redaktionen tendenziell ausgebaut wurden. Fast zwei Drittel der Anbieter (63%, n=154) hatten in den zwölf Monaten vor der Befragung die Zahl der festangestellten Mitarbeiter „(fast) nicht verändert“. Stellen abgebaut hatten 4% der Redaktionen. In einem Drittel der befragten Redaktionen (33%) wurden zusätzliche Stellen geschaffen. Vor allem die Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen hatten ihre Redaktionen ausgebaut, nämlich zehn der zwölf befragten Anbieter (83%). Zum Zeitpunkt der Befragung wuchs insgesamt die Bereitschaft, die Redaktionen auszubauen: Zwar wollte fast die Hälfte der Anbieter (46%, n=110) auch in den nächsten zwölf Monaten die Redaktionsgröße (fast) unverändert lassen, eine Erhöhung plante aber immerhin rund die Hälfte (49%). Nur 5% rechneten mit einem Stellenabbau. Alle Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen, die hier eine Antwort gaben, wollten noch mehr Stellen schaffen (n=9) (Cramer-V=0,325, p<0,05). Am größten war die Zurückhaltung im Rundfunkbereich: Hier dachte nur ein Viertel (25%, n=24) der Anbieter an eine Aufstockung.
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
240 Tab. 2:
Qualifikationen, die für die Arbeit eines Internetjournalisten beim befragten Anbieter „sehr wichtig“ oder „wichtig“ sind (Angaben in %, Anbieterbefragung, 2007)
Qualifikationsanforderungen gute Allgemeinbildung (Cramer-V=0,130) zielgruppengerechte Informationsaufbereitung (Cramer-V=0,197)* fundierte journalistische Ausbildung (z. B. Volontariat, Journalistenschule, Journalistikstudium) (Cramer-V=0,313)*** Bereitschaft zum Dialog mit den Nutzern(Cramer-V=0,173) Vermittlungskompetenz für mehrere Medien (z. B. Text, Bild, Video) (Cramer-V=0,279)*** mindestens ein Jahr Berufserfahrung als Journalist (Cramer-V=0,198)* besonderes Ressort- und Spezialwissen (Cramer-V=0,216)* abgeschlossenes Hochschulstudium (Cramer-V=0,261)*** spezielle Ausbildung für den Internetjournalismus (Cramer-V=0,166) basale Programmierkenntnisse (z. B. HTML) (Cramer-V=0,153) Kenntnisse im Bereich Web-Design (Cramer-V=0,183) Marketing-Kenntnisse (Cramer-V=0,128) fundierte Programmierkenntnisse (z. B. XML, CSS, PHP) (Cramer-V=0,094)
TZ (n=8789)
PZ/WZ (n=1314)
RF (n=2830)
NurInternet (n=2122)
gesamt (n=151155)
97,8
100
100
100
98,7
87,6
92,9
96,7
90,9
90,3
94,4
71,4
90,0
45,5
84,5
86,5
92,9
86,7
68,2
84,5
86,4
69,2
89,3
36,4
78,1
55,2
71,4
66,7
27,3
54,9
45,5
64,3
60,0
77,3
54,5
35,6
64,3
76,7
31,8
45,8
39,3
50,0
56,7
27,3
41,9
38,2
28,6
26,7
36,4
34,8
41,6
21,4
40,0
4,5
34,2
33,7
15,4
20,0
23,8
28,1
12,5
7,1
6,7
4,5
9,7
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Die Gruppe der Nur-Internetanbieter umfasst nur professionell-journalistische Anbieter und Portale. Vierstufige Skala. Nicht dargestellt sind die Ausprägungen „weniger wichtig“ und „unwichtig“.
Welche Qualifikationsanforderungen sollten die journalistischen Mitarbeiter der befragten Internetanbieter erfüllen (vgl. Tab. 2)? Auch dies ist ein Indikator auf der Ebene der Organisation und lässt einen Schluss auf den Grad der Professionalisierung und indirekt auch auf die Tätigkeitsprofile zu, soweit die Erwartungen auch erfüllt werden (d. h., sich ausreichend qualifizierte Kandidaten dafür finden). Für die Ermittlung von Tätigkeiten sind Befragungen der einzelnen Journalisten8 und Beobachtungen9 allerdings besser geeignet. Dagegen sind die befragten Redaktions8 Vgl. Hummel (2003); Löffelholz et al. (2003); Magee (2006). 9 Vgl. Quandt (2005).
Crossmedialität oder Ablösung?
241
leiter in der Lage, Auskunft über die Anforderungen in ihrer Redaktion zu geben, da sie diese als (auch) Personalverantwortliche mitbestimmen und durchsetzen können. Vorgegeben wurden zum einen generelle journalistische Qualifikationen und Varianten ihres Erwerbs, zum anderen internetspezifische Anforderungen. Die Ergebnisse in Tabelle 2 zeigen deutlich, dass nicht diese Besonderheiten im Vordergrund stehen, sondern mit der Allgemeinbildung und einer fundierten journalistischen Ausbildung die Basisqualifikation für den Beruf. Eine spezielle Ausbildung für den Internetjournalismus wird relativ selten nachgefragt. Internetspezifische Technik- und Designkenntnisse liegen auf den hinteren Rängen. Wichtiger ist die Fähigkeit, die neuen technischen Möglichkeiten journalistisch umzusetzen: Zielgruppengerechte Informationsaufbereitung, Dialogfähigkeit und die Fähigkeit zur mehrmedialen Vermittlung sind zentrale Voraussetzungen für Internetjournalisten.10 Schon im Jahr 2000 war die Bedeutung dieser Qualifikationsbereiche ganz ähnlich (vgl. Tab. 3). Damals wurden die Redaktionsleiter und inhaltlich Verantwortlichen im Bereich des professionellen Internetjournalismus befragt (vgl. Neuberger 2002: 110). Im Jahr 2007 haben Programmier- und Designkenntnisse gegenüber dem Jahr 2000 jedoch stark an Bedeutung verloren. Noch deutlicher ist der Rückgang, wenn man den Vergleich mit Ergebnissen zieht, die im Jahr 1997 bei der Befragung der Internetredaktionsleiter von Tageszeitungen gewonnen wurden (vgl. Mehlen 1999: 103). „Kenntnisse der im Internet üblichen Script- und Programmiersprachen“ hielten damals knapp drei Viertel (72%, n=61) der Redaktionsleiter 10 Eine nicht-repräsentative Journalistenbefragung in Deutschland im Jahr 2008 ergab, dass in der Zukunft paralles Arbeiten für mehrere Medien, Kommunikation mit dem Publikum sowie schnelleres Arbeiten „am meisten an Bedeutung gewinnen“ wird (vgl. news aktuell/Faktenkontor 2008: 3). In einer repräsentativen Journalistenbefragung in den USA (vgl. Project for Excellence in Journalism 2008a) wurde nach den wichtigsten Qualifikationen von Internetjournalisten in den Jahren 2007 und 2012 gefragt. Auch hier standen traditionelle Qualifikationen im Vordergrund. An Bedeutung gewinnen sollten internetspezifische Qualifikationen (Video-, Foto- und Audioproduktion etc.), dagegen sollten Programmierkenntnisse unwichtiger werden (für die Schweiz vgl. Wyss/Zischek 2004). In einer Delphi-Befragung von Experten in den Jahren 1988 bis 1990 (vgl. Weischenberg/Altmeppen/Löffelholz 1994: 147-150, 181f.) wurde eine stärkere Zielgruppenorientierung als wahrscheinlich bewertet. Dagegen bestanden große Zweifel daran, dass Multimedia-Fähigkeiten künftig an Bedeutung gewinnen werden. In welchem Maße die Anforderungen erfüllt werden, zeigen Befragungen von Internetjournalisten. So verfügten nach der repräsentativen Studie von Löffelholz et al. (2003: 480) im Jahr 2003 47% der Befragten über ein Volontariat, 13% hatten ein Journalistikstudium absolviert und 10% eine Journalistenschule besucht. 36% verfügten über keine Journalistenausbildung. Die spezifischen Kenntnisse für den Internetjournalismus hatten sie sich vor allem während der Arbeitszeit (88%), in der Freizeit (58%) oder in der Weiterbildung (40%) angeeignet (vgl. ebd.: 481). Zur Ausbildung für multimedial arbeitende Redaktionen vgl. Egli von Matt (2007). Generell zu Qualifikationsanforderungen im Kontext digitaler Medien vgl. Michel (2002).
242
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
für „sehr wichtig“ oder „wichtig“. Eine „fundierte Ausbildung im Bereich Computer“ wünschte die Hälfte (50%) der Befragten. Die Gründe dafür könnten sein, dass mittlerweile Computerkenntnisse als selbstverständlich vorausgesetzt werden, „Content Management“-Systeme verfügbar sind, die einfach zu bedienen sind, und die gewachsene Redaktionsgröße eine stärkere Arbeitsteilung zulässt. Die verbreitete Annahme, dass gerade im Internet von Journalisten erwartet wird, dass sie nicht-journalistische Qualifikationen besitzen, wird durch diese Befunde widerlegt. Eine geringe bzw. nachlassende Bedeutung technischer Anforderungen lassen auch Analysen der Tätigkeitsprofile von Internetjournalisten erkennen.11 Diese Ergebnisse stellen ältere Prognosen infrage, in denen von einer Technisierung journalistischer Tätigkeiten ausgegangen wurde.12 Beim Anbietervergleich (vgl. Tab. 3) fallen im Jahr 2007 am ehesten die Abweichungen der professionellen Nur-Internetanbieter und Portale gegenüber den traditionellen Massenmedien auf, die z. B. in keinem Fall eine journalistische Ausbildung für „sehr wichtig“ halten. Auch journalistische Berufserfahrungen sind für sie wenig bedeutsam. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die neuen Anbieter keine Herkunft im Journalismus haben, während Presse und Rundfunk eher dazu neigen dürften, Standards aus den Muttermedien ins Internet zu übertragen. Nur-Internetanbieter verlangen auch am seltensten ein abgeschlossenes Studium. Eine Vermittlungskompetenz für mehrere Medien verlangen vor allem Rundfunkanbieter, was insofern plausibel ist, als sie gezwungen sind, neben Video und Audio auch Texte zu präsentieren. Auch für Tageszeitungen besitzt die multimediale Gestaltung einen relativ hohen Stellenwert. Für die Befragten von partizipativen Angebotsformaten – dies waren acht Weblogs und drei Nutzerplattformen – wurden spezifische Fragen zur journalistischen Identität und Leistungsfähigkeit gestellt. Die wenigen Beteiligten an der Befragung sind nicht auf einen schlechten Rücklauf zurückzuführen, sondern sind ein Abbild des Internets in Deutschland. Wegen der kleinen Fallzahlen genügt hier die Angabe absoluter Häufigkeiten. Außerdem werden nur Ergebnisse für ausgewählte Fragen herausgegriffen.
11 Vgl. Mehlen (1999: 100-102); Neuberger (2001: 266f.); Neuberger (2002: 109); Löffelholz et al. (2003: 481-483); Quandt (2005: 249-288). 12 Vgl. Weischenberg/Altmeppen/Löffelholz (1994: 30-34, 150-154, 165-167); Mast/Popp/Theilmann (1997: 126, 136-138).
Crossmedialität oder Ablösung?
Tab. 3:
243
Qualifikationen, die für die Arbeit eines Internetjournalisten beim befragten Anbieter „sehr wichtig“ oder „wichtig“ sind (Angaben in %, Anbieterbefragung, 2000)
Qualifikationsanforderungen gute Allgemeinbildung (Cramer-V=0,175) eigenverantwortliches Arbeiten (Cramer-V=0,154) Bereitschaft zum Dialog mit den Nutzern (Cramer-V=0,204) zielgruppengerechte Informationsaufbereitung (Cramer-V=0,180) Teamfähigkeit (Cramer-V=0,169) fundierte journalistische Ausbildung (z. B. Volontariat, Journalistenschule, JournalistikStudium) (Cramer-V=0,195) mindestens ein Jahr Berufserfahrung als Journalist (Cramer-V=0,191) Vermittlungskompetenz für mehrere Medien (Text, Bild, Video, Audio) (Cramer-V=0,211) Kenntnis der im Internet üblichen Skript- und Programmiersprachen (z. B. HTML, CGI, Java) (Cramer-V=0,232) Kenntnisse im Bereich Grafik-Design (Cramer-V=0,244)* Aufgeschlossenheit gegenüber Wünschen von Webekunden und Verkaufspartnern (Cramer-V=0,263)** besonderes Ressort- und Spezialwissen (Cramer-V=0,264)** abgeschlossenes Hochschulstudium (Cramer-V=0,234*) spezielle Ausbildung für den OnlineJournalismus (Cramer-V=0,167) Marketing-Kenntnisse (Cramer-V=0,231) fundierte Ausbildung im Bereich Computer (z. B. Informatikstudium) (Cramer-V=0,181)
TZ (n=99105)
PZ RF (n=20-21) (n=23-24)
NurInternet (n=20-21)
gesamt (n=171180)
99,0
100
100
100
99,4
99,0
100
95,8
95,2
98,3
100
90,5
91,7
95,2
97,2
91,2
95,2
100
100
94,3
93,2
90,5
95,8
90,0
93,2
84,5
61,9
87,0
70,0
81,3
77,5
71,4
75,0
65,0
75,4
68,3
57,1
83,3
80,0
70,3
62,1
38,1
50,0
33,3
52,8
62,7
28,6
58,3
35,0
52,3
56,7
42,9
30,4
33,3
49,4
35,0
60,0
62,5
75,0
48,6
35,4
28,6
47,8
40,0
38,6
38,5
19,0
45,8
40,0
38,2
39,2
9,5
29,2
15,0
31,8
29,8
14,3
37,5
10,0
27,5
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Die Gruppe der Nur-Internetanbieter umfasst nur professionell-journalistische Anbieter und Portale. Vierstufige Skala. Nicht dargestellt sind die Ausprägungen „weniger wichtig“ und „unwichtig“. Nicht separat dargestellt sind folgende Teilgruppen: tägliche Periodika mit Schwerpunkt (abs. 2), Wochenzeitungen (4), Verlagsangebote (1).
Die Blogger wurden darum gebeten, anzugeben, wie viele Postings mit aktuellen Informationen sie durchschnittlich in einer Woche schreiben. Bemerkenswert ist, dass das Minimum bei zehn Postings und das Maximum bei 90 liegt. Im Durchschnitt werden in den untersuchten Weblogs 43 Einträge (n=8) gepostet. Diese erstaunlich hohen Werte können kaum auf ein Missverständnis zurückgeführt wer-
244
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
den, weil im Fragebogen präzise angegeben war, was unter „aktuellen Themen“ zu verstehen ist.13 Über welche Themen schreiben die befragten Blogger? Fünf Blogger gaben an, in 50% und mehr ihrer Postings zu aktuellen Themen politische Fragen zu behandeln. Ein weiteres Blog ist überwiegend Wirtschaftsthemen gewidmet. Diese Schwerpunkte spiegeln sich auch in den Antworten auf die Frage nach den aktuellen Themen wider, die in den vier Wochen vor der Befragung behandelt wurden.14 Das Themenspektrum der Nutzerplattformen unterscheidet sich nicht wesentlich von dem der Weblogs, auch hier dominiert die Politik. Zwei der drei Nutzerplattformen behandeln sogar überwiegend politische Themen, das dritte hat einen kulturellen Schwerpunkt. Wo finden Blogger die Ideen für aktuelle Themen, über die sie berichten? „Häufig“ wurden sie in journalistischen Internetangeboten (abs. 5), in Presse und Rundfunk (3), in anderen Weblogs (4) und sonstigen Internetangeboten (6) fündig. Weblogs greifen also auch Themen aus journalistischen Quellen auf, sodass ein Austausch an Themen durchaus in beide Richtungen stattfindet. Nur ein Blogger gab an, aktuelle Themen „häufig“ auch außerhalb der Medien zu entdecken. Fragen zum Tätigkeitsprofil der Blogger bestätigen diesen Befund: Sechs von ihnen recherchieren „häufig“ im Internet und in Online-Datenbanken. Nur einer gab an, auch außerhalb des Internets „häufig“ zu recherchieren. Fragen zur Mitarbeiterzahl waren im Fragebogen für Weblogs und Nutzerplattformen nicht enthalten. Hier wurde lediglich erfragt, ob es sich um ein alleine oder gemeinschaftlich betriebenes Angebot handelt15 und ob es beruflich betrieben wird.16 Drei der acht Blogger gaben an, über Berufserfahrungen im Journalismus zu verfügen. Besitzen die Blogger ein journalistisches Rollenverständnis? Ihnen wurden zehn Motive für das Bloggen vorgelegt, die aus einer Liste übernommen wurden, die in 13 Gefragt wurde nach aktuellen Themen, „wie sie zum Beispiel in Tageszeitungen behandelt werden (Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport)“. 14 Die acht befragten Blogger zählten dazu insgesamt 54 Themen auf, die sich auf die Themengebiete Auslandspolitik (abs. 19), Inlandspolitik (11), Umwelt (4), Kommunikation/Internet (10), Wirtschaft (3) und Sonstiges (7) verteilen. Meistgenanntes Thema war der G8-Gipfel in Heiligendamm (6). Öfter erwähnt wurden auch Krisenregionen (Irak: 2, Afghanistan: 2, Iran: 1, Israel/Libanon/Palästina: 2). Darüber hinaus wurde gefragt, welche aktuellen Themen sie immer wieder über einen größeren Zeitraum hinweg behandeln. Auch hier stehen politische Themen im Vordergrund (Innenpolitik: 11, Außenpolitik: 6, Sonstiges: 4). 15 Weblogs: individuell: abs. 4, kollektiv: 4; Nutzerplattformen: kollektiv: 2. 16 Weblogs: hauptberuflich: abs. 1, nebenberuflich: 4, nicht beruflich: 3; Nutzerplattformen: hauptberuflich: 2, nicht beruflich: 1.
Crossmedialität oder Ablösung?
245
der repräsentativen Journalistenbefragung von Weischenberg/Malik/Scholl (2006a: 356) verwendet wurde. Die Zustimmung sollte auf einer fünfstufigen Skala zum Ausdruck gebracht werden. Die geringe Fallzahl macht es schwer, Tendenzen auszumachen. Betrachtet man nur die beiden Skalenpunkte „trifft voll und ganz zu“ sowie „trifft überwiegend zu“, finden Motive mehrheitlich eine starke Zustimmung, die auf einen Willen zur öffentlichen Einflussnahme deuten.17 Das Motiv, „das Publikum möglichst neutral und präzise zu informieren“, erhielt nur viermal eine hohe Zustimmung. Unter professionellen Journalisten findet es dagegen die größte Zustimmung (vgl. ebd.). Auch der Mittelwertvergleich18 lässt den vorsichtigen Schluss zu, dass journalistisch relevante Blogger stärker als professionelle Journalisten, öffentlich Einfluss nehmen wollen. 4 Crossmediale Anbindung oder Verselbstständigung des Internetjournalismus? In welchem Maße haben sich die Internetableger von Presse und Rundfunk von ihren Muttermedien verselbstständigt? Oder ist die Anbindung stark geblieben? Die Nähe oder Distanz zwischen Internetauftritt und Muttermedium lässt sich ebenfalls sowohl in der Organisation (redaktionelle Eigenständigkeit, Doppelbelastung der Mitarbeiter, thematische Überschneidungen, Motive) als auch im Angebot (Zulieferungen, internetspezifische Elemente) beobachten (vgl. Brüggemann 2002; Loosen 2005). Wie wird das Internetangebot redaktionell betreut? Gibt es eine eigenständige Internetredaktion oder eine gemeinsame Redaktion mit dem Muttermedium? Über eine separate Internetredaktion verfügen mehrheitlich die Rundfunkanbieter (88%, n=24) sowie Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen (77%, n=13) (CramerV=0,283, p<0,001). Bei den Tageszeitungen ist die organisatorische Anbindung an das Muttermedium stärker geblieben: Hier gibt es in knapp einem Drittel der Fälle (32%, n=92) eine gemeinsame Redaktion und fast ebenso oft einige Mitarbeiter in der Zeitungsredaktion, die nebenher die Website betreuen (28%). Auch in der
17 „Kritik an Missständen üben“: abs. 6, „dem Publikum eigene Ansichten präsentieren“: 5, „Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kontrollieren“: 5. 18 Beim Vergleich der Mittelwerte (4= „trifft voll und ganz zu“, 0= „trifft überhaupt nicht zu“) liegen die „Kritik an Missständen“ (3,3) und „dem Publikum eigene Ansichten präsentieren“ (2,8) vor der „neutralen und präzisen“ Information des Publikums (2,5) sowie der Konzentration auf Themen, die „für ein möglichst breites Publikum interessant sind“ (2,5). Auf dem fünften Rang folgt bereits das Motiv, die „politische Tagesordnung zu beeinflussen und Themen auf die politische Tagesordnung zu setzen“ (2,4).
246
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
Vergangenheit ergaben Befragungen, dass bei Tageszeitungen die organisatorische Verquickung relativ hoch geblieben ist.19 Neben der organisatorischen Verankerung ist ein weiterer Indikator für die Verselbstständigung der Anteil der Mitarbeiter, der sowohl für das Internet als auch für das Muttermedium journalistisch arbeitet. Eine solche crossmediale Doppeltätigkeit ist vor allem bei den Tageszeitungen verbreitet, wo knapp die Hälfte der Befragten (47%, n=95) sagte, dass alle Mitarbeiter für beide Medien tätig sind (CramerV=0,288, p<0,01). Bei weiteren 6% trifft dies zwar nicht auf alle Mitarbeiter zu, doch es ist die Mehrheit von ihnen für Print und Internet im Einsatz. Die meisten Vertreter des Rundfunks (57%, n=30) sowie der Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen (64%, n=14) gaben dagegen an, dass kein Internetmitarbeiter auch für das andere Muttermedium tätig ist; dies ist nur bei rund einem Viertel (26%) der Tageszeitungen der Fall. Auch frühere Befragungen ergaben einen erheblichen Anteil an Internetjournalisten, der auch für andere Medien tätig ist.20 Bearbeiten die journalistischen Mitarbeiter, die für zwei Medien tätig sind, die gleichen Themen? Gibt es also eine inhaltliche Verknüpfung? Oder sind die beiden Tätigkeitsfelder ohne Schnittmenge? Bei Tageszeitungen ist die crossmediale Arbeit integriert: Hier gaben 85% (n=68) der Redaktionsleiter an, dass ihre Mitarbeiter (meistens) die gleichen Themen bearbeiten (Cramer-V=0,283, p<0,05). Die anderen Anbietertypen weisen hier etwas geringere Werte aus (PZ/WZ: 75%, n=4; RF: 54%, n=13). Die Internetredaktionen des Rundfunks sowie der Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen haben sich also relativ weit vom Muttermedium entfernt – im Unterschied zu den Tageszeitungen. Während dies bei den Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen durch den unterschiedlichen Produktionsrhythmus erklärbar ist, dürfte beim Rundfunk eine Rolle spielen, dass vor allem jene zentralen Internetredaktionen befragt wurden, die für die Gestaltung der gesamten Website eines Senders zuständig sind. Die Zweitverwertung und Ergänzung der Internetseiten der einzelnen Fernseh- und Hörfunksendungen dürfte in hohem Maße von den für die Sendungen zuständigen Redaktionen selbst geleistet werden. Solche Redaktionen wurden zwar ebenfalls befragt, sie waren jedoch in der Minderheit.
19 Vgl. Mehlen (1999: 96); Neuberger (2001: 217f.); Neuberger (2002: 108f.); Mast (2007a: 228). 20 Vgl. Neuberger (2000: 315); Neuberger (2001: 217); Neuberger (2002: 107); Löffelholz et al. (2003: 479).
Crossmedialität oder Ablösung?
Tab. 4:
247
Anteil der Anbieter, der Statements zur Crossmedialität und Konkurrenz im Internet „voll und ganz“ oder „überwiegend“ zustimmt (Angaben in %, Anbieterbefragung, 2007)
Statements In unserem Unternehmen ist auf längere Sicht eine (weitgehende) Verlagerung der Aktivitäten vom Muttermedium ins Internet geplant. (Cramer-V=0,102) Redaktionen informieren nicht mehr nur über einen, sondern über mehrere Verbreitungskanäle. (Cramer-V=0,164) Internetjournalisten werden von Kollegen anderer Medien als Journalisten „zweiter Klasse“ angesehen. (Cramer-V=0,128) Journalistische Vermittlung hat im Internet nur eine geringe Bedeutung, weil sich jeder ohne großen Aufwand direkt an die Öffentlichkeit wenden kann. (Cramer-V=0,115) Weil überall im Internet geworben werden kann, wird die Querfinanzierung des Journalismus durch Werbeerlöse in Frage gestellt. (Cramer-V=0,146)
TZ (n=8696)
PZ/WZ (n=1014)
RF (n=2232)
NurInternet (n=2034)
gesamt (n=125 -175)
20,7
10,0
10,7
-
17,6
97,9
92,9
96,9
93,9
96,6
47,8
50,0
53,6
50,0
49,3
9,6
7,1
10,0
2,9
8,1
36,0
16,7
18,2
40,0
32,7
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Vierstufige Skala. Addierte Anteile für die Antworten „trifft voll und ganz zu“ sowie „trifft überwiegend zu“. Nicht dargestellt sind die Ausprägungen „trifft weniger zu“ und „trifft überhaupt nicht zu“. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
Dass crossmediales Produzieren zum journalistischen Alltag geworden ist, belegt die fast einhellige Zustimmung (trifft „voll und ganz“ oder „überwiegend“ zu: 97%, n=175) zur Aussage, dass Redaktionen „nicht mehr nur über einen, sondern über mehrere Verbreitungskanäle“ informieren (vgl. Tab. 4). Auch wenn Crossmedialität ein verbreitetes Phänomen ist, scheint doch die Akzeptanz des Internetjournalismus immer noch gering zu sein: Rund die Hälfte (49%, n=150) der Redaktionsleiter stimmte der Aussage zu, dass Internetjournalisten „von Kollegen anderer Medien als Journalisten ‚zweiter Klasse’ angesehen“ werden. Neben der Organisations- wurde auch die Angebotsdimension untersucht: Woher stammen die Artikel im Bereich der aktuellen Informationen (vgl. Tab. 5)? Auch die Herkunft lässt erkennen, wie weit der Abnabelungsprozess fortgeschritten ist: In welchem Maße sind die Internetredaktionen auf die Zulieferungen ihres Muttermediums angewiesen? Wie viel können sie selbst exklusiv für das Internet produzieren?
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
248 Tab. 5:
Anteil der Anbieter, der im Bereich der aktuellen Informationen aus einer bestimmten Quelle 50% und mehr der Artikel bezieht (Angaben in %, Anbieterbefragung, 2007)
50% und mehr der Artikel … wurden aus dem Muttermedium übernommen.A (Cramer-V=0,251)* wurden von der eigenen Internetredaktion exklusiv für das Internet geschrieben. (Cramer-V=0,392)*** wurden von Nachrichtenagenturen zugeliefert. (Cramer-V=0,227) wurden von anderen Quellen zugeliefert. (Cramer-V=0,249)*
TZ (n=7195)
PZ/WZ (n=1114)
RF (n=2130)
NurInternet (n=1723)
gesamt (n=123148)
51,6
14,3
32,1
-
43,8
2,5
21,4
26,7
47,8
16,2
23,8
0
9,5
26,3
20,0
0
0
9,5
0
1,6
A
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. = nur in Fragebögen von Ablegern traditioneller Massenmedien als Antwort vorgegeben. Die Gruppe der Nur-Internetanbieter umfasst nur professionell-journalistische Anbieter und Portale. Vierstufige Skala. Addierte Anteile. für die Antworten „50<75%“ und „75≤100%“, Nicht dargestellt sind die Ausprägungen „0%“, „<25%“ und „25<50%“.
Auf das Angebot eines Muttermediums können Internetredaktionen von Tageszeitungen, Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen sowie von Rundfunksendern zurückgreifen. Gibt es ein Muttermedium, so bedienen sich dort fast alle Redaktionen; nur 2% (n=137) verzichten darauf. In 44% der Fälle stammen die Hälfte und mehr der Artikel vom Muttermedium. Mehrfachverwertung ist also noch immer weit verbreitet. Nur bei 16% (n=148) der Ableger traditioneller Massenmedien wird mindestens die Hälfte der Beiträge exklusiv von der eigenen Internetredaktion verfasst. In einem Fünftel der Fälle wird der überwiegende Teil des Inhalts von Nachrichtenagenturen zugeliefert (n=135), sonstige Quellen spielen nur eine untergeordnete Rolle (n=123).21 Vergleicht man die Anbietertypen, so fällt bei den Tageszeitungen die starke Abhängigkeit von der Printredaktion auf: Rund die Hälfte betreibt vor allem Nachrichten-Recycling. Fast ein weiteres Viertel der Zeitungs-Websites speist sich überwiegend aus den Meldungen von Nachrichtenagenturen. Nur selten wird in nennenswertem Umfang ausschließlich für das Internet geschrieben: Nur zwei Internetredaktionen von Zeitungen (3%, n=81) bestreiten 50 bis unter 75% mit eigenen Texten; dabei handelt es sich um eine regionale Abonnement- und eine regionale Straßenverkaufszeitung. Vier weitere Redaktionen (5%) kommen auf einen 21 Eine Befragung des Project for Excellence in Journalism (2008a: 12) ergab, dass bei national verbreiteten Medien eher Printjournalisten als Fernseh- und Radiojournalisten in der Lage sind, exklusiv für die eigene Website zu schreiben.
Crossmedialität oder Ablösung?
249
Anteil von 25 bis unter 50%. Dagegen sagten 30% der Redaktionsleiter, dass sie überhaupt keine eigenen Artikel verfassen lassen, knapp zwei Drittel (63%) gaben eine Quote bis unter 25% an. Nirgendwo sonst fällt die journalistische Eigenleistung so gering aus wie bei den Tageszeitungen. Auch dies bestätigt empirische Befunde aus der Vergangenheit.22 Relativ hoch ist mit knapp einem Drittel auch der Anteil der Rundfunkanbieter, der im Internet die Hälfte und mehr seiner Artikel aus dem Muttermedium übernimmt (n=28). Hier wurde nicht speziell nach Video- und Audio-Übernahmen gefragt, die ebenfalls häufig „on demand“ im Internet angeboten werden.23 Spiegeln sich diese Organisations- und Angebotsmerkmale auch in den Motiven wider, welche die Befragten für ihr Engagement im Internet angeben (vgl. Tab. 6)? Deutlich erkennbar ist: Tageszeitungen nehmen insgesamt eine relativ defensive Haltung zum Internet ein; dies ergab bereits die Redaktionsleiter-Befragung im Jahr 2000.24 Tageszeitungen wollen ihr Muttermedium schützen und halten sich am ehesten zurück, um es nicht durch „Selbstkannibalisierung“ in Gefahr zu bringen und um Anlaufverluste zu vermeiden. Die befragten Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen sind dagegen offensiv ausgerichtet. Sie streben nach einem selbstständigen Angebot im Internet und wollen ihr Verbreitungsgebiet vergrößern. Am häufigsten sehen sie die Chance, sich an einem Wachstumsmarkt zu beteiligen. Allerdings wäre es nicht fair, den Tageszeitungen pauschal den Vorwurf der Zögerlichkeit zu machen. Eigentlich ist das Gegenteil richtig: Die Ermittlung der Grundgesamtheit ergab ja, dass die Tageszeitungen mit wenigen Ausnahmen journalistisch im neuen Medium engagiert sind, während von den Publikumszeitschriften nur rund 10% einen Internetauftritt besaßen, der den Ansprüchen an ein journalistisches Angebot genügte (vgl. den Aufsatz „Journalismus – neu vermessen“ in diesem Band). Zum Kreis der Befragten gehören also nur jene wenigen Titel, die bereit sind, viel in das Internet zu investieren, weil für sie die Möglichkeit der Mehrfachverwertung des Printmaterials beschränkt ist. Bei den Befragten handelt es sich um Nachrichtenmagazine und überregionale Wochenzeitungen, die z. T. hohe Reichweiten im Internet erzielen.
22 Vgl. Mehlen (1999: 103f.); Neuberger (2000: 313f.); Neuberger (2001: 205f.). 23 So machen ARD (ardmediathek.de) und ZDF (zdf.de/ZDFmediathek) einen Teil ihrer Sendungen und Beiträge in Mediatheken zugänglich (vgl. Meier 2008). 24 Vgl. Neuberger (2000: 313); Neuberger (2001: 198-218).
250 Tab. 6:
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
Motive von „großer“ oder „sehr großer“ Bedeutung für das Internetengagement von Anbietern traditioneller Massenmedien (Angaben in %, Anbieterbefragung, 2007)
Motive Die traditionellen Medien sind im Internet vertreten, weil sie ... Erfahrungen in einem zukunftsträchtigen Medium sammeln wollen. (Cramer-V=0,143) junge Leute für das Muttermedium gewinnen wollen. (Cramer-V=0,198) sich an einem Wachstumsmarkt beteiligen wollen. (Cramer-V=0,241)* den Nutzern des Muttermediums eine inhaltliche Ergänzung bieten wollen. (Cramer-V=0,277)** so neue Leser/Nutzer für das Muttermedium gewinnen wollen. (Cramer-V=0,284)** mit einem bekannten Markennamen einen Startvorteil besitzen. (Cramer-V=0,208) ein inhaltlich selbstständiges Angebot im Internet offerieren wollen. (Cramer-V=0,233)* das Muttermedium schützen wollen. (Cramer-V=0,249)* über das Internet ihr Verbreitungsgebiet vergrößern können. (Cramer-V=0,217)* Inhalte des Muttermediums so mehrfach verwerten können. (Cramer-V=0,458)*** über das Internet ihr Angebot regionalisieren können. (Cramer-V=0,264)** Die Anbieter halten sich im Internet zurück, um nicht das Muttermedium zu gefährden („Selbstkannibalisierung“). (Cramer-V=0,258)** Die Anbieter halten sich im Internet zurück, um keine zu hohen Investitionsverluste zu erzielen. (Cramer-V=0,218)*
TZ (n=9196)
PZ/WZ (n=1314)
RF (n=2731)
gesamt (n=13 3-140)
86,5
71,4
80,0
83,6
84,2
78,6
83,3
83,5
86,2
92,9
69,0
83,2
79,2
85,7
90,3
82,3
73,7
71,4
93,5
77,9
79,2
85,7
63,3
76,4
61,7
92,9
55,2
63,5
60,6
30,8
48,1
55,2
40,4
64,3
72,4
49,6
41,7
21,4
86,7
49,3
33,7
0
39,3
31,6
28,7
7,1
0
20,3
24,7
0
3,2
17,4
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Nur-Internetanbieter wurden nicht befragt. Vierstufige Skala. Nicht dargestellt sind die Ausprägungen „geringe“ Bedeutung und „keine Bedeutung“.
Rundfunkvertreter sind an der Mehrfachverwertung ihres Video- und Audio-Angebots interessiert, und sie wollen ihr Publikum und ihr Verbreitungsgebiet erweitern. Die Möglichkeit, sich im Internet zu engagieren, ist für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk rechtlich begrenzt. Gleichwohl gaben 20 von 23 Befragten (87%) aus diesem Bereich an, dass als Motiv die inhaltliche Ergänzung des Muttermediums eine „große“ oder „sehr große“ Bedeutung für sie hat. Und zehn von 22 Befragten (45%) sagten sogar, ein inhaltlich selbstständiges Angebot im Internet offerieren zu wollen.
Crossmedialität oder Ablösung?
251
Die traditionellen Massenmedien teilen das Interesse, den Anschluss im Internet nicht zu verlieren und dort Erfahrungen zu sammeln. Außerdem hoffen sie, ihr Publikum – vor allem unter den jungen Menschen – zu vergrößern. Die Vorstellung, dass es zu einer kompletten Verlagerung der Aktivitäten von den alten Medien ins Internet kommen wird (vgl. Tab. 4), mag heute noch wenig realistisch klingen. Gleichwohl kann sich ein Fünftel der Befragten von Tageszeitungen und rund ein Zehntel der Vertreter von Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen sowie der Rundfunkanbieter zumindest langfristig einen solchen Wechsel des Mediums für das eigene Unternehmen vorstellen (gesamt: 18%, n=125). 5 Multioptionalität des Internets: Ausschöpfen des technischen Potenzials? Wie stark wird das technische Potenzial des Internets ausgeschöpft (vgl. dazu den Aufsatz „Internet, Journalismus und Öffentlichkeit“ in diesem Band)? Der Gebrauch des multioptionalen Mediums lässt sich sowohl als Indikator für die Leistungen eines Angebots als auch für dessen Ablösung vom Muttermedium verwenden, wenn nämlich nicht nur „alter Wein in neue Schläuche“ gefüllt wird, sondern auch neue Möglichkeiten erschlossen werden. Das ist z. B. dann der Fall, wenn die Vertreter des Textmediums Tageszeitung damit beginnen, multimediale Elemente (Video, Audio) zu veröffentlichen. Wie viele der insgesamt 23 Merkmale, die in der Frage vorgegeben waren, wurden als „vorhanden“ angekreuzt? Sieben befragte Anbieter (4%, n=178) nannten keines der Elemente (bzw. ließen die Frage unbeantwortet). Maximal wurden 19 Elemente angegeben, der Durchschnitt liegt bei acht Elementen. Die Vielfalt der Elemente war bei Angeboten aus den Bereichen Rundfunk (MW=11, n=32) sowie Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen (MW=10, n=14) relativ hoch (TZ: MW=7, n=98; Nur-Internet: MW=6, n=34). In Tabelle 7 sind die vorhandenen Elemente in der Reihenfolge ihrer Gesamthäufigkeit aufgelistet. Berücksichtigt man neben der Häufigkeit auch das Zusammenhangsmaß Cramer-V, so wird erkennbar, welche Elemente zum Standard für ein journalistisches Angebot geworden sind und wie weit der Prozess der Konvergenz, d. h. der Annäherung der Angebote unterschiedlicher Herkunft im Internet vorangeschritten ist. Um abschätzen zu können, wie die Entwicklung weitergehen wird, wurde nicht nur nach dem „Status quo“ gefragt. Darüber hinaus sollte zum Zeitpunkt der Befragung über die Planungen für die nächsten zwölf Monate Auskunft gegeben werden (vgl. Tab. 8).
252
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
Die unterschiedlichen Potenziale des Internets lassen sich jeweils auf verschiedenen Wegen realisieren: x Interaktivität: Diskussionsforen sind in knapp zwei Drittel der Angebote zu finden, ohne dass es hier erhebliche Unterschiede gibt. Experten- und Prominentenchats, insgesamt in rund einem Viertel der Angebote vorhanden, sind eine Domäne der Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen sowie des Rundfunks. Die Personalisierung, wie sie in diesen Medien üblich ist, könnte dafür eine Erklärung liefern. Allerdings planten vor allem Tageszeitungen einen Ausbau in diesem Bereich. Nachrichtencommunitys, in denen Nutzer ihre eigenen Beiträge veröffentlichen können, sind immerhin schon in etwa einem Fünftel aller Angebote zu finden. Zurückhaltend zeigt sich hier der (öffentlich-rechtliche) Rundfunk. Bei Nachrichtencommunitys ist mit einem massiven Ausbau zu rechnen: Sie stehen an der Spitze der Elemente, deren Einführung geplant ist. x Multimedialität: In den Ergebnissen spiegelt sich die Multimedialisierung des Internets wider (vgl. Madden 2007; van Eimeren/Frees 2008), die auch den Journalismus erfasst hat (vgl. z. B. Zerfaß et al. 2008). Die permanente Verbreitung eines Fernseh- oder Hörfunkprogramms („Live Streaming“) ist noch selten zu finden, häufig dagegen die Möglichkeit des Abrufs einzelner Video- und Audio-Dateien.25 Video und Audio in den unterschiedlichen Ausprägungen sind auch im Internet eine Stärke der Rundfunkanbieter. Was mehr überrascht, ist das Aufholen der Presse im Internet. Videos und Audios als Zusätze zu journalistischen Beiträgen sowie Video-Nachrichtensendungen finden selbst bei lokalen/regionalen Tageszeitung inzwischen große Verbreitung (vgl. Riefler 2007; Gerhards/Pagel 2008; Kansky 2008; Thomä 2008). Berücksichtigt man darüber hinaus die Planungen, so kann von einer rasch fortschreitenden Multimedialisierung journalistischer Websites und zunehmenden Konvergenz zwischen den Anbietertypen ausgegangen werden. Fotogalerien sind zumindest für die traditionellen Massenmedien ein gängiges Angebotselemente. Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen illustrieren Aussagen relativ oft durch Animationen. x Zeitliche Aktualität/Archivierung: Das Internet bietet die Möglichkeit der Beschleunigung und des Beharrens, der raschen und permanenten Nachrichtenverbreitung einerseits, der Archivierung und Verknüpfung von Altem mit 25 Die Befragung beschränkte sich auf Web-TV. IPTV blieb ausgeklammert (vgl. ALM 2008: 109115).
Crossmedialität oder Ablösung?
253
Neuem (Additivität) andererseits. Nachrichtenticker sind zumindest für die Ableger traditioneller Massenmedien ein Standardelement. Live-Text-Ticker, mit denen Ereignisse wie Fußballspiele zeitlich synchron beschrieben werden können, sind dagegen nur bei Tageszeitungen und Rundfunk recht oft zu finden. Gegenüber der Flüchtigkeit der traditionellen Massenmedien bietet das Internet die Möglichkeit der Archivierung und des Aufbaus von Schwerpunkten zu längerfristig bedeutsamen Themen. Archive und Themenschwerpunkte gehören zu den am weitesten verbreiteten Elementen auf journalistischen Websites. Dies führt zu dem paradoxen Befund: Journalismus im Internet wird sowohl schneller als auch langsamer. x Mobilkommunikation: Mobile Dienste erlauben jederzeit und überall den Empfang journalistischer Angebote. Sie vereinen die Stärke der Presse als Offline-Medium (Speicherung, Disponibilität bei der Rezeption) und des Rundfunks als Online-Medium (Permanenz der Verbreitung und des Empfangs von Angeboten). Auch sie tragen zur Beschleunigung des Nachrichtenflusses bei, besonders SMS-Eilmeldungen, die allerdings kaum verbreitet sind. Nur die Tageszeitungen bieten sie in knapp einem Viertel der Angebote an. Weitere Verbreitung haben sonstige mobile Nachrichtendienste gefunden, die künftig stark ausgebaut werden sollten. Über sie verfügen bereits vor allem die Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen sowie der Rundfunk. x Suchhilfen/Personalisierung: Eine weitere Stärke des Internets ist die Unterstützung der Nutzer bei der Selektion von Informationen. Sie können bei der manuellen Suche helfen oder Suchprozesse automatisieren. Externe Links zum Thema eines journalistischen Beitrags werden häufig gesetzt. Auch RSSFeeds, mit deren Hilfe sich Angebote abonnieren lassen, haben bereits weite Verbreitung gefunden. Schlagwort-Indexierung und „Tag Clouds“ dagegen werden nach den Ankündigungen der Redaktionsleiter erst noch an Bedeutung gewinnen. Gleiches gilt für die persönliche Verwaltung von journalistischen Beiträgen durch „Social Bookmarking“. Diese beiden zuletzt genannten Suchhilfen, die noch relativ neu sind, werden vor allem von Publikumszeitschriften und Nur-Internetanbietern eingesetzt. Das Eingabefeld einer externen Suchmaschine wird insgesamt nur vergleichsweise selten angeboten – wohl aus der Sorge heraus, dadurch Leser zu verlieren. Dass fremdsprachige Artikel nur sehr selten angeboten werden, lässt sich als Indiz dafür werten, dass eine Ausdehnung des Verbreitungsgebiets über den deutschsprachigen Raum hinaus nur ausnahmsweise angestrebt wird.
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
254 Tab. 7:
Im Bereich der aktuellen Informationen von Internetangeboten vorhandene Elemente (Angaben in %, Anbieterbefragung, 2007) TZ (n=8894)
PZ/WZ (n=1314)
RF (n=2832)
NurInternet (n=2234)
gesamt (n=153 -174)
Archiv (Cramer-V=0,152)
77,7
100,0
87,5
91,2
83,9
FotogalerienA (Cramer-V=0,343)***
88,3
76,9
93,3
45,5
82,4
81,7
92,3
75,9
54,5
77,7
62,4
78,6
83,9
76,5
70,3
62,6
92,9
80,0
52,2
67,1
65,2
71,4
65,5
56,5
64,6
52,2
78,6
66,7
67,6
60,1
52,2
64,3
73,3
35,3
53,6
42,2
21,4
50,0
9,1
37,2
21,1
35,7
80,0
33,3
35,3
28,1
35,7
56,3
4,5
31,2
18,7
42,9
50,0
9,1
25,5
14,8
35,7
29,0
45,5
25,3
22,5
46,2
31,0
9,1
24,2
16,9
50,0
6,9
36,4
21,8
20,0
21,4
13,3
26,1
19,7
5,6
14,3
65,5
13,6
18,8
18,7
21,4
10,3
26,1
18,5
23,3
7,1
13,8
9,1
18,1
Elemente
Nachrichtenticker/SchlagzeilenA (Cramer-V=0,224)* externe Links zum Thema eines journalistischen Beitrags (Cramer-V=0,172) Schwerpunkte zu längerfristigen Themen (Dossiers)A (Cramer-V=0,215)* Diskussionsforen zu journalistischen BeiträgenA (Cramer-V=0,077) RSS-Feeds (Cramer-V=0,133) Videos als Zusatz zu journalistischen Beiträgen (Cramer-V=0,180) Live-Text-Ticker (Fußballspiele etc.)A (Cramer-V=0,240)** Audios als Zusatz zu journalistischen Beiträgen (Cramer-V=0,338)*** Nachrichtensendung als VideoA (Cramer-V=0,239)** Experten-/ProminentenchatsA (Cramer-V=0,252)** Schlagwort-Indexierung/„Tag cloud“ von journalistischen Beiträgen (Cramer-V=0,244)** sonstige Nachrichten für mobile EmpfangsgeräteA (Cramer-V=0,187) persönliche Verwaltung von journalistischen Beiträgen durch „Social Bookmarking“ (Cramer-V=0,268)** Nachrichtencommunity, in der Nutzer eigene Beiträge veröffentlichen könnenA (Cramer-V=0,182) Nachrichtensendung als AudioA (Cramer-V=0,421)*** Eingabefeld einer externen SuchmaschineA (Cramer-V=0,147) A
SMS-Eilmeldungen (Cramer-V=0,216)*
Crossmedialität oder Ablösung?
255
Fortsetzung Tab. 7 permanente Verbreitung eines RadioprogrammsA (Cramer-V=0,543)*** Animationen zu NachrichtenthemenA (Cramer-V=0,212)* permanente Verbreitung eines TVProgrammsA (Cramer-V=0,247)** fremdsprachige ArtikelA (Cramer-V=0,162)
4,5
0
75,9
0
16,9
9,0
28,6
17,9
0
11,1
6,7
0
24,1
0
8,4
3,3
7,1
14,3
18,2
7,7
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. A= Nicht im Fragebogen von Weblogs und Nutzerplattformen enthalten. Im Fragebogen für Weblogs wurden „journalistische Beiträge“ durch „Postings“ ersetzt. Im Fragebogen für Anbieter von Nutzerplattformen wurden sie nur „Beiträge“ genannt. Nicht dargestellt sind die Ausprägungen „in den nächsten 12 Monaten geplant“ und „später oder nicht geplant“.
Tab. 8:
Im Bereich der aktuellen Informationen von Internetangeboten in den nächsten zwölf Monaten geplante Elemente (Angaben in %, Anbieterbefragung, 2007)
Elemente Nachrichtencommunity, in der Nutzer eigene Beiträge veröffentlichen könnenA Schlagwort-Indexierung/„Tag cloud“ von journalistischen Beiträgen sonstige Nachrichten für mobile EmpfangsgeräteA persönliche Verwaltung von journalistischen Beiträgen durch „Social Bookmarking“
TZ (n=8894)
PZ/WZ (n=1314)
RF (n=2832)
NurInternet (n=2234)
gesamt (n=153 -174)
48,9
28,6
26,7
30,4
40,1
44,3
57,1
25,8
24,2
38,0
43,8
23,1
31,0
31,8
37,9
32,6
35,7
17,2
15,2
26,7
Nachrichtensendung als AudioA
32,6
14,3
17,2
22,7
26,6
Experten-/ProminentenchatsA
30,8
21,4
13,3
18,2
24,8
Audios als Zusatz zu journalistischen Beiträgen
32,2
7,1
3,3
30,3
24,6
Nachrichtensendung als VideoA
21,3
21,4
15,6
36,4
22,3
28,9
21,4
10,3
9,1
21,9 20,9
SMS-EilmeldungenA A
Animationen zu Nachrichtenthemen
24,7
7,1
7,1
31,8
Diskussionsforen zu journalistischen BeiträgenA
21,7
14,3
17,2
21,7
20,3
RSS-Feeds
24,4
14,3
16,7
14,7
20,2
Videos als Zusatz zu journalistischen Beiträgen
22,2
14,3
6,7
29,4
20,2
Live-Text-Ticker (Fußballspiele etc.)A
18,9
7,1
3,3
18,2
14,7
19,4
7,1
0,0
14,7
14,0
14,3
28,6
6,9
13,0
14,0
18,7
0
10,0
8,7
13,9
externe Links zum Thema eines journalistischen Beitrags Eingabefeld einer externen Suchmaschine Schwerpunkte zu längerfristigen Themen (Dossiers)A
A
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
256
Fortsetzung Tab. 8 Nachrichtenticker/SchlagzeilenA
12,9
0
10,3
13,6
11,5
Archiv
11,7
0
3,1
5,9
8,0
5,6
7,1
17,2
4,5
7,8
6,4
0
3,3
4,5
5,0
3,3
7,1
3,6
4,5
3,9
4,5
7,1
0
0
3,2
permanente Verbreitung eines TVProgrammsA Fotogalerien
A
fremdsprachige ArtikelA permanente Verbreitung eines RadioprogrammsA A
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. = Nicht im Fragebogen von Weblogs und Nutzerplattformen enthalten. Im Fragebogen für Weblogs wurden „journalistische Beiträge“ durch „Postings“ ersetzt. Im Fragebogen für Anbieter von Nutzerplattformen wurden sie nur „Beiträge“ genannt. Nicht dargestellt sind die Ausprägungen „vorhanden“ und „später oder nicht geplant“.
6 Qualität und Vorbilder Die Beschreibung des „Status quo“ lässt keinen Schluss darauf zu, wie aus der Sicht der Anbieter Qualität im Internetjournalismus definiert wird. Es ist davon auszugehen, dass sich im Internetjournalismus wegen der Multioptionalität und Dynamik des Mediums noch kaum gemeinsame Maßstäbe für eine „gute“ Website herausgebildet haben (vgl. Neuberger 2004). Statt an abstrakten Qualitätsvorstellungen dürften sich die Anbieter im Internet eher an konkreten Vorbildern orientieren. Deshalb wurden die Redaktionsleiter darum gebeten, drei journalistische Internetangebote in den Fragebogen einzutragen, die für ihr eigenes Angebot vorbildlich sind. Die Wahl eines Vorbilds sollten sie jeweils mit einigen Stichworten kurz begründen. Diese Gründe wurden in der Auswertung kategorisiert. Mit großem Abstand am häufigsten wurde spiegel.de als Vorbild genannt (vgl. Tab. 9). Rund 60% der befragten Redaktionsleiter nannten den Ableger des Hamburger Nachrichtenmagazins als Orientierungsmarke für die eigene Arbeit.26 An zweiter Stelle rangieren gemeinsam mit jeweils 13 Nennungen tagesschau.de und sueddeutsche.de. Auch auf den weiteren Plätzen folgen in der Liste der 15 am häufigsten als Vorbild genannten Internetangebote die Ableger deutschlandweit verbreiteter Zeitungen und Zeitschriften sowie Websites des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dazwischen schieben konnten sich drei englischsprachige Websites und ein professionelles Nur-Internetangebot, nämlich netzeitung.de. Insgesamt
26 Andere Studien bestätigen die dominante Rolle von spiegel.de für den Internetjournalismus in Deutschland: Das Angebot ist – nach Google – das wichtigste Internetangebot für die journalistische Arbeit (vgl. Bönisch 2006: 121-136; Machill/Beiler/Zenker 2008: 195f.).
Crossmedialität oder Ablösung?
257
lässt sich konstatieren, dass auch im Internet die Qualitätsmedien die Maßstäbe setzen. Tab. 9:
Als Vorbilder für die eigene Website genannte Angebote (15 am häufigsten genannte Angebote, offen gestellte Frage, bis zu drei Nennungen, n=287 Nennungen, Anbieterbefragung, 2007) Vorbild für das eigene Internetangebot
abs.
in % der Befragten (n=113) 61,1
spiegel.de
69
tagesschau.de
13
11,5
sueddeutsche.de
13
11,5
nytimes.com
7
6,2
stern.de
7
6,2
welt.de
7
6,2
bbc.co.uk
6
5,3
guardian.co.uk
6
5,3
ard.de
6
5,3
bild.de
5
4,4
zdf.de
5
4,4
focus.de
5
4,4
zeit.de
5
4,4
netzeitung.de
4
3,5
faz.net
4
3,5
Die gleiche Frage wurde bereits sieben Jahre zuvor in einer Befragung der InternetRedaktionsleiter im Bereich des professionellen Journalismus gestellt (vgl. Neuberger 2002: 111f.). Schon damals besaß spiegel.de die führende Rolle, doch war der Abstand zu den nachfolgenden Angeboten, die ebenfalls als Vorbilder genannt wurden, noch nicht so groß (vgl. Tab. 10). Mit focus.de nahm das Internetangebot eines weiteren Nachrichtenmagazins den zweiten Rang ein. Die Angebote der beiden Regionalzeitungen (rp-online.de, rz-online.de) tauchen 2007 nicht mehr unter den am häufigsten genannten Angeboten auf. Dafür haben die Websites des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an Bedeutung gewonnen (tagesschau.de, ard.de, zdf.de).
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
258
Tab. 10: Als Vorbilder für die eigene Website genannte Angebote (15 am häufigsten genannte Angebote, offen gestellte Frage, bis zu drei Nennungen, n=355 Nennungen, Anbieterbefragung, 2000) Vorbild für das eigene Internetangebot spiegel.de
abs. 56
in % der Befragten (n=136) 41,2
focus.de
35
25,7
welt.de
26
19,1
rp-online.de
19
14,0
sueddeutsche.de
10
7,4
stern.de
9
6,6
heise.de
9
6,6
cnn.com
8
5,9
ftd.de
7
5,1
rz-online.de
6
4,4
heute.de
5
3,7
bbc.co.uk
4
2,9
tagesschau.de
4
2,9
salon.com
4
2,9
taz.de
4
2,9
Worauf richtet sich der Blick, wenn nach Vorbildern gesucht wird? 44% (n=287) der Angaben beziehen sich auf ein Angebot des gleichen Typs. Das heißt: In diesen Fällen gab der Vertreter z. B. einer Tageszeitung den Auftritt einer anderen Tageszeitung als Vorbild an. Im Umkehrschluss bedeutet dies: In über der Hälfte der Fälle orientieren sich die Redaktionen nicht an einem Ableger des gleichen Muttermediums oder des gleichen Typs (bei einem Nur-Internetangebot), wobei hier in der Auswertung elf Angebotstypen unterschieden wurden. Daran lässt sich ablesen, wie weit die Konvergenz fortgeschritten ist. Wenn spiegel.de für Anbieter unterschiedlicher Herkunft zum „Benchmark“ geworden ist, spricht dies dafür, dass die Marktgrenzen zwischen den Einzelmedien im Internet an Gültigkeit verlieren.
Crossmedialität oder Ablösung?
259
Tab. 11: Begründungen für als Vorbilder für die eigene Website genannte Angebote (Angabe absoluter Häufigkeiten, offen gestellte Frage, Anbieterbefragung, 2007) Begründungen für die Angabe von Vorbildern der eigenen Website
Angebot pauschal
Merkmale Inhalt
Merkmale Gestaltung
Qualität pauschal Qualität Redaktion pauschal Aktualität Größe/Breite Interaktivität/Partizipation Innovation Exklusivität Seriosität Verhältnis zum Muttermedium pauschal Hintergrund Selektion Haltung Glaubwürdigkeit Fachkompetenz Knappheit spezielle Themen, Lokales/Regionales spezielle Themen, Sonstiges pauschal Übersichtlichkeit/ Benutzerfreundlichkeit Multimedialität Darstellungsform/Angebotsbereich Stil Aufbereitung für mobile Endgeräte Sprache
Angebot gesamt Nutzer gesamt ökonomischer Bereich gesamt technischer Bereich gesamt
gesamt (n=480) 38 6 79 33 19 13 11 8 2 17 20 14 7 6 2 1
spiegel.de (n=127) 10 2 37 12 1 4 7 0 1 4 9 2 1 2 0 0
tagesschau.de (n=27) 0 0 8 0 0 0 0 2 0 0 2 2 0 3 0 0
sueddeutsche.de (n=17) 3 0 2 0 0 0 0 0 0 0 1 2 0 0 0 0
9
0
0
0
16 33
0 5
0 3
1 3
44
9
3
2
26 22 5 1 1 433 (90,2%) 37 (7,7%) 8 (1,7%) 2 (0,4%)
2 5 2 1 1 117 (92,1%) 7 (5,5%) 3 (2,4%) 0
2 0 0 0 0 25 (92,6%) 1 (3,7%) 1 (3,7%) 0
0 2 0 0 0 16 (94,1%) 1 (5,9%) 0 0
Wie lauten die Begründungen für die Wahl eines Vorbilds? Dafür wurde induktiv ein hierarchisch aufgebautes Kategorienraster entwickelt (vgl. Tab. 11). Darin wird zwischen Begründungen unterschieden, die sich auf das Angebot (pauschal oder spezifisch zu Inhalt und Gestaltung), die Nutzer, Technik und Ökonomie beziehen. Rund 90% aller Aussagen betreffen das Angebot. Tabelle 11 enthält neben
260
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
dem Gesamtergebnis auch die Resultate für die drei am häufigsten genannten Vorbilder. Lässt man Pauschalaussagen beiseite, dann sind Aktualität, Übersichtlichkeit/Benutzerfreundlichkeit, Größe/Breite und Multimedialität jene Eigenschaften, die Redaktionsleiter am häufigsten zur Begründung anführen. Interaktivität/Partizipation, ein weiteres wichtiges Potenzial des Internets, kommt mit 19 Nennungen vergleichsweise selten vor. An spiegel.de beeindruckt die Redaktionsleiter vor allem die Aktualität, wobei damit sowohl die Geschwindigkeit der Nachrichtenverbreitung als auch die Relevanz der behandelten Themen gemeint sein kann. Die Häufigkeit, mit der eine bestimmte Begründung insgesamt gegeben wurde, lässt den vorsichtigen Schluss auf die Wichtigkeit dieses Qualitätskriteriums im Internetjournalismus zu. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass eine bestimmte Eigenschaft zwar hoch geschätzt, aber selbst in vorbildlichen Angeboten noch nicht zu finden ist. In diesem Fall würden Erwartungen, die sich generell an den Internetjournalismus richten, noch unzureichend erfüllt. 7 Ökonomische Randbedingungen: Kostendeckung und Einnahmequellen Der Journalismus gerät durch das Internet in ein kaum auflösbares Dilemma: Einerseits wandern Anzeigenkunden und Publikum von den traditionellen Massenmedien – mehr oder weniger rasch – ins Internet ab, andererseits fällt es im neuen Medium schwer, Umsätze zu erzielen: Die Zahlungsbereitschaft des Publikums ist gering, und die Zahl der konkurrierenden Werbeträger ist groß.27 In der Befragung der Redaktionsleiter sollte vor diesem Hintergrund ermittelt werden: Wie erfolgreich sind journalistische Internetanbieter, gemessen an ökonomischen Parametern? Und welche Einnahmequellen nutzen sie? Die Bereitschaft und Fähigkeit der Redaktionsleiter zur Beantwortung von Fragen zur finanziellen Situation musste als relativ gering eingeschätzt werden. Deshalb wurde darauf verzichtet, exakte Angaben zur Ausgaben- und Einnahmenseite zu erfragen. Haben die Anbieter im Vorjahr der Befragung, also im Jahr 2006 ihre Kosten decken können? Ein Viertel der Befragten erzielte keine Einnahmen (25%, n=130), 45% konnten mit ihren Erlösen die Kosten nicht decken. Das heißt: Nicht einmal ein Drittel (31%) der journalistischen Internetanbieter arbeitete kostendeckend.28 Keine Kostendeckung trotz Einnahmen hatten sogar 70% (n=63) der Tageszeitungen. Nur 19% gelang diese, darunter waren mehrere überregionale Abonnementszeitungen („keine Einnahmen“: 11%, p<0,001). 27 Zu den ökonomischen Problemen in den USA vgl. Project for Excellence in Journalism (2008a). 28 Die 37 Befragten, die „kann ich nicht sagen“ ankreuzten, sind hier nicht berücksichtigt.
Crossmedialität oder Ablösung?
261
Deutlich besser schnitten die Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen ab: Von ihnen waren bereits 73% (n=11) in der Lage, die Kosten auszugleichen („nein“: 27%). Ebenfalls recht gut schnitten die Nur-Internetanbieter ab („ja“: 52%, „nein“: 26%, „keine Einnahmen“: 23%, n=31). Für die Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der sich aus Gebühren finanziert und im Internet auf Werbung verzichten muss, ist die Kostenfrage ohne Belang. Dies erklärt, weshalb 72% (n=25) der Rundfunkvertreter angaben, im Jahr 2006 keine Einnahmen erzielt zu haben („ja“: 16%, „nein“: 12%). Jene Anbieter, die im Jahr 2006 kostendeckend arbeiteten, wurden gefragt, in welchem Jahr sie erstmals ihre Ausgaben refinanzieren konnten. Der überwiegenden Mehrheit der Befragten war dies entweder im Jahr 2005 (29%, n=35) oder im Jahr 2006 (43%) zum ersten Mal gelungen. Frühere Jahre gaben stets höchstens zwei Befragte an. Das heißt, dass 2005 eine Konsolidierung einsetzte, sodass seither viele Internetangebote kein Zuschussgeschäft mehr sind. Anbieter, die 2006 noch keine „schwarzen Zahlen“ schreiben konnten, wurden gefragt, in welchem Jahr sie erstmals mit einer Kostendeckung rechnen. In den Jahren 2007 (5%, n=63) und 2008 (19%) erwarteten dies nur wenige Redaktionsleiter. Die meisten Befragten sagten, dass dies „nicht absehbar“ (43%) sei oder erst nach dem Jahr 2008 (33%) geschehen würde. Dies waren 48 Befragte (von insgesamt 130 Befragten, die Einblick in ihre finanzielle Situation gaben, dies entspricht 37%). Für einen erheblichen Anteil der journalistischen Internetanbieter lag also eine Kostendeckung zum Zeitpunkt der Befragung noch in weiter Ferne. Welche Einnahmequellen nutzen die befragten Anbieter (vgl. Tab. 12)? Nur 111 Redaktionsleiter gaben hier eine Antwort. Werbung und Sponsoring sind die wichtigste Quelle, und zwar für alle Anbietertypen. Rubrikenanzeigen sind für die Tageszeitungen am zweitwichtigsten. Nur-Internetanbieter stützen sich auf Partnerprogramme und Google-Anzeigen. Syndication ist vor allem für Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen ein Geschäftsmodell. Nutzergebühren sind dagegen überall von nachrangiger Bedeutung. Neben den vorgegebenen Quellen wurden in einigen Fällen auch noch weitere Möglichkeiten genannt, wie im Internet Geld verdient werden kann: In drei Fällen wurden Spenden genannt. Auch OnlineAuktionen (abs. 1) und Online-Kurse (1) können dazu beitragen. Zweimal nannten öffentlich-rechtliche Anbieter die Rundfunkgebühren als Einnahmequelle.
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Tab. 12: Anteil der genutzten Einnahmequellen (Angaben in % der Befragten, Anbieterbefragung, 2007) Einnahmequelle
TZ (n=71)
PZ/WZ (n=11)
RF (n=5)
NurInternet (n=24)
gesamt (n=111)
Werbung/Sponsoring
88,7
100
100
91,7
91,0
Rubrikenanzeigen Affiliate-/Partner-Programme (z. B. mit eBay, Amazon) Nutzergebühren
80,3
63,6
20,0
37,5
66,7
31,0
36,4
80,0
54,2
38,7
43,7
45,5
0
25,0
37,8
Google AdSense/Google-Anzeigen
28,2
36,4
40,0
54,2
35,1
Shopping
31,0
54,5
20,0
12,5
28,8
Syndication (Verkauf redaktioneller Inhalte)
22,5
72,7
40,0
20,8
27,9
Keine Signifikanzwerte (Setbildung in SPSS).
Wie hoch ist der jeweilige Anteil an den Gesamterlösen? Um diesen zu ermitteln, wurde offen um Prozentangaben gebeten, falls eine bestimmte Erlösquelle genutzt wurde.29 Aus den Antworten geht hervor, dass Werbung und Sponsoring im Durchschnitt aller Anbieter etwas mehr als die Hälfte (MW=52%, n=60) der Erlöse ausmachen. Diese Einnahmequelle ist in den Teilgruppen TZ, RF sowie PZ/WZ jeweils die bedeutendste. Tageszeitungen erzielen etwas mehr als ein Drittel ihrer Erlöse durch Rubrikenanzeigen (MW=36%, n=27). Besonders vielfältig sind die Einnahmequellen bei den Nur-Internetanbietern: Nutzergebühren (MW=45%, n=4), Werbung/Sponsoring (MW=39%, n=16), Google-Anzeigen (MW=38%, n=9), Rubrikenanzeigen (MW=35%, n=6), Partnerprogramme (MW=26%, n=10) und Shopping (MW=15%, n=2) erreichen jeweils bedeutende Anteile, falls auf sie zurückgegriffen wird. Nutzergebühren haben insgesamt einen durchschnittlichen Anteil von 26% (n=25) an den Erlösen; die Tageszeitungen im Speziellen erreichen ebenfalls diesen Wert (MW=26%, n=16). Vor allem die geringe Zahlungsbereitschaft der Nutzer bereitet den Internetanbietern Kopfzerbrechen. In einer offen gestellten Frage sollten die gebührenpflichtigen Bereiche angegeben werden. In 71 Fällen wurde das Ausweichfeld „in keinem Bereich“ angekreuzt, 59 Befragte machten mindestens eine Angabe. Ihre 68 Angaben verteilen sich auf E-Paper/Printausgabe (abs. 26), Archiv (19), sonstige redaktionelle Inhalte (15), interaktive Angebote (4) und Sonstiges (4). Darüber 29 Vermutlich wurden oft nur Angaben für die wichtigeren Quellen gemacht, da die Durchschnittswerte eine Prozentsumme von 167% ergeben.
Crossmedialität oder Ablösung?
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hinaus sollten Bereiche genannt werden, für die in den nächsten zwölf Monaten die Einführung von Gebühren geplant war. In 105 Fällen wurde ein solcher Plan ausdrücklich verneint. Die 16 Angaben verteilen sich auf Archiv (5), E-Paper/Printausgabe (5) und Sonstiges (5). Dieses Ergebnis belegt nicht nur die Zurückhaltung der Anbieter, sondern zeigt auch, dass nur in zwei Bereichen die Gebührenpflicht eine größere Verbreitung gefunden hat: im Archiv und beim E-Paper bzw. der Printausgabe von Tageszeitungen. Wie oben erwähnt, beziehen jene Tageszeitungen, die Gebühren erheben, daraus rund ein Viertel ihrer Gesamterlöse. Die Höhe der Gebühren und die absoluten Umsätze konnten in der vorliegenden Studie nicht erfasst werden. Da Werbung und Nutzergebühren als Erlösquellen offenbar nur in Ausnahmefällen ausreichen, um einen hochwertigen professionellen Internetjournalismus zu finanzieren, besteht die größte Herausforderung gegenwärtig darin, ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln, stellt der Bericht „The State of the News Media 2008“ fest (vgl. Project for Excellence in Journalism 2008a, 2008b). Ein Ausweg könnte darin bestehen, von Internetprovidern und Aggregatoren, die auf das Nachrichtenmaterial zurückgreifen, Lizenzgebühren zu erheben, wofür sich Konsortien zur gemeinschaftlichen Vermarktung bilden müssten. Es besteht aber auch das Risiko, dass Medienunternehmen ihre Aktivitäten weg vom Journalismus in andere, lukrativer erscheinende Geschäftsfelder verlagern. 8 Auswirkungen des Internets auf das Muttermedium: Verdrängung oder Stimulation? Wie groß ist der Wettbewerbsdruck, der vom Internet ausgeht? Kommt es zu einer Verdrängung der traditionellen Massenmedien? Hier muss zwischen der Situation auf dem Publikums- und Werbemarkt unterschieden werden. Außerdem können sowohl das Internet insgesamt als auch (nur) das eigene Internetangebot Auswirkungen auf das Muttermedium haben. Offenbar fällt es schwer, solche Auswirkungen zu beobachten. Jedenfalls war der Anteil der Befragten, der bei den dazu gestellten Fragen eine Auskunft geben konnte, vergleichsweise gering. In der bisherigen Analyse fielen die Tageszeitungen bereits durch Besonderheiten auf: Sie befürchten relativ oft eine „Selbstkannibalisierung“, andererseits gehen sie am ehesten von einer längerfristigen Verlagerung ihrer Aktivitäten ins Internet aus. Diese Aussagen deuteten bereits an, dass der Wettbewerbsdruck als vergleichsweise hoch eingeschätzt wird. Diese Vermutung wird durch die direkte Abfrage der Auswirkungen des Internets bestätigt (vgl. Tab. 13):
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61% der Befragten sahen negative Effektive des Internets für die Anzeigenerlöse (darunter knapp ein Drittel sogar „sehr negative“) und 46% für die Leserzahl der gedruckten Zeitung. Dies bestätigt die Befunde anderer Studien.30 Deutlich seltener beobachteten die Vertreter der anderen Medien solche Verdrängungseffekte; dies gilt für die Auswirkungen des Internets insgesamt auf die Anzeigen-/Werbeerlöse31 und die Rezipientenzahl32 als auch die Abwanderung vom Muttermedium zum eigenen Internetangebot.33 Im Unterschied zu den Tageszeitungen beobachteten hier die Redaktionsleiter sogar häufiger stimulierende als negative Effekte durch das Internet. Soweit es um die Förderung des Muttermediums durch das eigene Internetangebot geht,34 wird man dieses auf eine erfolgreiche Crossmedia-Strategie zurückführen können. Schwerer zu erklären sind die positiven Auswirkungen des Internets insgesamt auf die Anzeigen-/Werbeerlöse35 und die Rezipientenzahl.36 Allerdings dürfen diese Befunde nicht für den ganzen Medientyp verallgemeinert werden (sieht man einmal von den Tageszeitungen ab), weil in die Untersuchung nur die im Internet journalistisch engagierten Vertreter einbezogen waren. Tab. 13: Einschätzung der Auswirkungen des Internets auf die eigene Tageszeitung (Angaben in %, Anbieterbefragung, 2007) Einschätzung der Auswirkungen des Internets Auswirkung des Internets insgesamt auf die Anzeigenerlöse der gedruckten Zeitung (n=76) Auswirkung des Internets insgesamt auf die Zahl der Leser der gedruckten Zeitung (n=80) Auswirkung des eigenen Internetangebots auf die Zahl der Leser der gedruckten Zeitung (n=77)
sehr negativ
etwas negativ
gar nicht
etwas positiv
sehr positiv
31,6
28,9
23,7
13,2
2,6
6,3
40,0
35,0
17,5
1,3
0
16,9
46,8
35,1
1,3
Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
30 Vgl. Kolo (2004a, 2004b); Kolo/Meyer-Lucht (2007); Mast (2007b: 50). 31 PZ/WZ: „sehr negativ“: 0%, „etwas negativ“: 25%, n=12; RF: „sehr negativ“: 0%, „etwas negativ“: 0%, n=9, Cramer-V=0,378, p<0,005. 32 PZ/WZ: „sehr negativ“: 0%, „etwas negativ“: 33%, n= 12; RF: „sehr negativ“: 0%, „etwas negativ“: 10%, n=20, Cramer-V=0,353, p<0,005. 33 PZ/WZ: „sehr negativ“: 0%, „etwas negativ“: 8%, n= 12; RF: „sehr negativ“: 0%, „etwas negativ“: 15%, n=20, Cramer-V=0,333, p<0,001. 34 PZ/WZ: „sehr positiv“: 17%, „etwas positiv“: 42%; RF: „sehr positiv“: 25%, „etwas positiv“: 60%. 35 PZ/WZ: „sehr positiv“: 0%, „etwas positiv“: 42%; RF: „sehr positiv“: 22%, „etwas positiv“: 56%. 36 PZ/WZ: „sehr positiv“: 0%, „etwas positiv“: 25%; RF: „sehr positiv“: 20%, „etwas positiv“: 50%.
Crossmedialität oder Ablösung?
265
9 Fazit Die Anbieterbefragung erbrachte die folgenden Kernergebnisse für das Verhältnis zwischen dem Internet und den traditionellen Massenmedien: x Identität und Leistung: Die erhobenen Angebots- und Organisationsmerkmale belegen, dass der an der Befragung beteiligte Anbieterkreis – wie erwartet – in ausreichendem Maße über journalistische Merkmale verfügt. Die Redaktionsgröße fällt bei Tageszeitungen am geringsten aus. Bei den Qualifikationsanforderungen stehen mit der Allgemeinbildung und einer fundierten journalistischen Ausbildung Basisqualifikationen des Berufs im Vordergrund. Internetspezifische Technik- und Designkenntnisse liegen auf den hinteren Rängen. Wichtiger ist die Fähigkeit, die neuen technischen Möglichkeiten journalistisch umzusetzen: Zielgruppengerechte Informationsaufbereitung, Dialogfähigkeit und die Fähigkeit zur mehrmedialen Vermittlung sind zentrale Voraussetzungen für Internetjournalisten. Eine Tendenz zur Entgrenzung des Journalistenberufs ist hier also nicht erkennbar. x Beziehung zum Muttermedium: Auch das Verhältnis des Internets zum Muttermedium lässt sich sowohl im Organisations- als auch im Angebotsbereich beobachten. Bei den Tageszeitungen ist die organisatorische Anbindung an das Muttermedium stark geblieben: In knapp einem Drittel der Fälle existiert eine gemeinsame Redaktion. Auch die inhaltliche Abhängigkeit ist groß: Rund die Hälfte der Tageszeitungen bezieht ihr Material überwiegend von der Printredaktion. Dagegen haben sich die Internetredaktionen des Rundfunks sowie der Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen bereits weit vom Muttermedium abgenabelt. Betrachtet man die Motive des Internetengagements, dann fällt auf, dass sich hier die Tageszeitungen gegenüber dem neuen Medium relativ defensiv verhalten: Sie wollen ihr Muttermedium schützen und halten sich zurück, um einer „Selbstkannibalisierung“ zu entgehen oder um Anlaufverluste zu vermeiden. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass sich die Tageszeitungen fast ausnahmslos im Internet engagieren, während von den Publikumszeitschriften nur rund 10% den Ansprüchen an ein journalistisches Angebot genügten. x Technisches Potenzial: Gefragt wurde, ob bestimmte Elemente aus den Bereichen Interaktivität, Multimedialität, zeitliche Aktualität/Archivierung, Mobilkommunikation sowie Suchhilfen/Personalisierung im Angebot enthalten sind oder ob deren Einführung geplant ist. Elemente, deren Produktion mit geringem Aufwand verbunden ist, sind zum Standard journalistischer Web-
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sites geworden. Anspruchsvollere, vor allem multimediale und interaktive Elemente sind noch wenig verbreitet. Video und Audio in den unterschiedlichen Ausprägungen sind auch im Internet eine Domäne der Rundfunkanbieter. Die Presse holt allerdings bei multimedialen Anwendungen auf. x Qualität und Vorbilder: Auch im Internet setzen Qualitätsmedien die Maßstäbe, allen voran der Internetableger des Magazins Der Spiegel: 61% der Befragten nannten spiegel.de als Vorbild für die eigene Arbeit. In über der Hälfte der Fälle orientieren sich die Redaktionen nicht an einem Angebot des gleichen Typs, was auf einen hohen Konvergenzgrad schließen lässt. Am häufigsten wurden Aktualität, Übersichtlichkeit/Benutzerfreundlichkeit, Größe/Breite und Multimedialität als Qualitätsmerkmale für vorbildliche Angebote genannt. x Ökonomische Randbedingungen: Die wirtschaftliche Lage des Internetjournalismus ist nach wie vor prekär: Im Vorjahr der Befragung (2006) erzielte ein Viertel der Befragten keine Einnahmen, weitere 45% der Anbieter konnten mit ihren Erlösen die Kosten nicht decken. Nur knapp ein Drittel der journalistischen Internetanbieter arbeitete kostendeckend. Keine Kostendeckung trotz Einnahmen hatten sogar 70% der Tageszeitungen. Werbung und Sponsoring sind die wichtigste Erlösquelle, und zwar für alle Anbietertypen. Nutzergebühren sind insgesamt von nachrangiger Bedeutung. Sie werden vor allem für das E-Paper (bzw. die Printausgabe) und das Archiv erhoben. x Auswirkungen auf das Muttermedium: Die Vermutung, dass vor allem für die Tageszeitungen der Wettbewerbsdruck hoch ist, wurde durch die direkte Abfrage der Auswirkungen des Internets bestätigt: 61% der Befragten sahen negative Effektive des Internets für die Anzeigenerlöse und 46% für die Leserzahl der gedruckten Zeitung. Deutlich seltener beobachteten die Vertreter der anderen Medien Verdrängungseffekte. Sie beobachteten sogar eher stimulierende als negative Effekte durch das Internet. Die Ergebnisse lassen medienspezifische Übergänge ins Internet erkennen, wobei die Tageszeitungen aus dem Rahmen fallen: Sie sind zwar in der Breite im Internet vertreten, lassen aber nur einen vergleichsweise geringen Aufwand bei der Produktion ihrer Websites erkennen. Die organisatorische Trennung ist gering. Darüber hinaus sind sie am ehesten defensiv gegenüber dem Internet eingestellt, arbeiten selten kostendeckend und spüren am deutlichsten Verdrängungseffekte. Dieses Ergebnis hinterlässt den Eindruck, dass bei den Tageszeitungen das angesprochene Dilemma zur Unentschlossenheit geführt hat: Sie müssen einerseits den Anzeigen-
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kunden und dem Publikum ins Internet folgen, andererseits lassen sich dort aber kaum Umsätze erzielen. Ihr wirtschaftliches Standbein ist nach wie vor das Printmedium, mit dem sie aber ins Stolpern geraten sind. Literatur: ALM (Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten in der Bundesrepublik Deutschland) (Hrsg.) (2008): ALMJahrbuch 2007. Landesmedienanstalten und privater Rundfunk in Deutschland. Berlin: Vistas. Michel, Lutz P. (2002): Arbeitsmarkt für „flexible Spezialisten“. Berufsbilder und Qualifikationsanforderungen in der Konvergenzbranche Multimedia. In: Medien und Kommunikationswissenschaft. 50. Jg., H. 1, S. 26-44. Brüggemann, Michael (2002): The Missing Link. Crossmediale Vernetzung von Print und Online. Fallstudien führender Print-Medien in Deutschland und den USA. München: Reinhard Fischer. Madden, Mary (2007): Online Video. Pew Internet & American Life Project: Washington, D. C. 25.07.2007. http://www.pewinternet.org/pdfs/PIP_Online_Video_2007.pdf (13.01.2009). van Eimeren, Birgit/Frees, Beate (2008): Bewegtbildnutzung im Internet. Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2008. In: Media Perspektiven. H. 7, S. 350-355. Egli von Matt, Sylvia (2007): Auf der Suche nach Konsens. In: message. H. 4, S. 60-63. Gerhards, Claudia/Pagel, Sven (2008): Webcasting von Video-Content in Online-Zeitungen: Marktanalyse – Kosten – Erlöse. In: Zerfaß, Ansgar/Welker, Martin/Schmidt, Jan (Hrsg.): Kommunikation, Partizipation und Wirkungen im Social Web. Bd. 2: Strategien und Anwendungen: Perspektiven für Wirtschaft, Politik und Publizistik. Köln: von Halem, S. 154-187. Grimberg, Steffen/Langeder, Martin (2007): Testfall „Online first“. In: medium magazin. H. 4, S. 18-21. Hummel, Roman (2003): Online-Journalismus in Österreich. Erhebung im Auftrag der GESPU/Verein für Journalistenausbildung. Wien 2003. http://www.univie.ac.at/Publizistik/hummel.Online-Journalismus.pdf (09.11.2005). Kansky, Holger (2008): Alles von der Zeitung – Bewegte Bilder im Internet. In: Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (Hrsg.): Zeitungen 2008. Berlin: ZV Zeitungs-Verlag, S. 180-185. Kolo, Castulus (2004a): Der Wettbewerb von Zeitung und Internet in den Rubrikenmärkten. In: Glotz, Peter/MeyerLucht, Robin (Hrsg.): Print gegen Online. Zeitung und Zeitschrift im Wandel. Konstanz: UVK, S. 75-86. Kolo, Castulus (2004b): Personalgewinnung im Wandel – Die zukünftige Rolle der Zeitungen im Markt für Stellenanzeigen. In: Glotz, Peter/Meyer-Lucht, Robin (Hrsg.): Print gegen Online. Zeitung und Zeitschrift im Wandel. Konstanz: UVK, S. 46-74. Kolo, Castulus (2007): Online-Rubriken als Innovationen in der Marktkommunikation – Strukturwandel im Anzeigengeschäft. In: Kimpeler, Simone/Mangold, Michael/Schweiger, Wolfgang (Hrsg.): Die digitale Herausforderung. Zehn Jahre Forschung zur computervermittelten Kommunikation. Wiesbaden: VS: 121-134. Löffelholz, Martin/Quandt, Thorsten/Hanitzsch, Thomas/Altmeppen, Klaus-Dieter (2003): Onlinejournalisten in Deutschland. Zentrale Befunde der ersten Repräsentativbefragung deutscher Onlinejournalisten. In: Media Perspektiven. H. 10, S. 477-486. Loosen, Wiebke (2005): Zur „medialen Entgrenzungsfähigkeit“ journalistischer Arbeitsprozesse: Synergien zwischen Print-, TV- und Online-Redaktionen. In: Publizistik. 50. Jg., H. 3, S. 304-319. Machill, Marcel/Beiler, Markus/Zenker, Martin (2008): Journalistische Recherche im Internet. Bestandsaufnahme journalistischer Arbeitsweisen in Zeitungen, Hörfunk, Fernsehen und Online. Unter Mitarbeit von Johannes R. Gerstner. Berlin: Vistas (= Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, 60). Magee, C. Max (2006): The Roles of Journalists in Online Newsrooms. http://journalist.org/news/archives/Medill OnlineJobSurvey-final.pdf (02.11.2006). Mast, Claudia (2007a): Journalismus im digitalen Wertschöpfungsprozess. Content-Lieferant oder mehr? In: Möhring, Wiebke/Schütz, Walter J./Stürzebecher, Dieter (Hrsg.): Journalistik und Kommunikationsforschung. Festschrift für Beate Schneider. Berlin: Vistas, S. 219-232. Mast, Claudia (2007b): Polarstern am Medienhimmel. In: journalist. H. 4, S. 50-52. Mast, Claudia/Popp, Manuela/Theilmann, Rüdiger (1997): Journalisten auf der Datenautobahn. Qualifikationsprofile im Multimediazeitalter. Konstanz: UVK Medien.
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Profession, Partizipation, Technik
Anbieterbefragung II: Internetjournalismus im Beziehungsgeflecht Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
I can access, edit, headline and ... link to it all! Throw it up on a website and wait for you to come. For seven premillennial years, I’ve covered the world from my Hollywood apartment, dressed in my drawers. I’ve reported when, how, and what I’ve wanted. My only limitations have been those I’ve created. There’s been no editor, no lawyer, no judge, no president to tell me I can’t. And there never will be. Technology has finally caught up with individual liberty. Matt Drudge (2000: 22) in „Drudge Manifesto“1 I Einführung Der Journalismus im Internet kann in zwei Perspektiven beobachtet werden: Im Aufsatz „Crossmedialität oder Ablösung?“ in diesem Band werden die Beziehungen zwischen dem Journalismus im Internet mit jenem in den traditionellen Massenmedien verglichen. Dort werden auch die methodischen Details der Anbieterbefragung vorgestellt, aus der die Ergebnisse im vorliegenden Text stammen. Sie beziehen sich auf die Beziehungen zwischen professioneller, partizipativer und technischer Kommunikation im Internet: Anbieter aus diesen drei Bereichen können miteinan1 Matt Drudge löste in der Nacht vom 17. auf den 18. Januar 1998 durch die Veröffentlichung einer unbestätigten Meldung in seinem Internetmagazin drudgereport.com die Lewinsky-Affäre in den USA aus (vgl. Hespelein 1999: 7). Er wurde zum Sinnbild für die negativen Folgen der Disintermediation in der Internetöffentlichkeit (vgl. z. B. Shapiro 1999: 131-144; Keen 2008: 58).
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Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
der konkurrieren, falls sie identische Leistungen erbringen. Sie können einander aber auch ergänzen (Komplementarität) oder sich miteinander verbinden (Integration). Diese Beziehungsdimensionen sollten im Projekt „Journalismus im Internet“ möglichst systematisch in ihren unterschiedlichen Ausprägungen und aus der Perspektive verschiedener Akteure erfasst werden. Der übergreifende Charakter der Befragung macht es schwer, auf Studien mit einer ähnlichen Anlage zu verweisen. Zu den drei Teilbereichen Profession, Partizipation und Technik gibt es separat jeweils eine Vielzahl von Studien. Dagegen sind die Beziehungen bisher nur in einigen Aspekten untersucht worden. Derzeit wächst die Zahl der Veröffentlichungen zur Beziehung zwischen Profession und Partizipation, d. h. zum „partizipativen Journalismus“ sowie zur Nutzerbeteiligung im professionellen Journalismus.2 Hinsichtlich der Beziehung zwischen Profession und Technik ist vor allem die journalistische Recherche mit Hilfe von Suchmaschinen mehrfach Gegenstand empirischer Analysen gewesen.3 Die im Jahr 2007 befragten 178 Redaktionsleiter und Verantwortlichen für Websites sollten Auskunft über ihr eigenes Angebot geben, zugleich wurden sie als Experten um Einschätzungen über den gesamten Internetjournalismus und andere Aspekte des Mediums Internet gebeten.4 Unter den befragten Anbietern befanden sich lediglich acht Weblogs und drei Nutzerplattformen aus dem Bereich der partizipativen Angebote sowie fünf Nachrichtensuchmaschinen aus dem Bereich der technisierten Angebote. Dies spiegelt den Entwicklungsstand des Internets in Deutschland wider: Die Zahl der journalistisch relevanten Angebote in diesen Bereichen ist noch minimal, wie die inhaltsanalytische Vorstudie ergab. Das Verhältnis zwischen professioneller, partizipativer und technisierter Kommunikation wird deshalb in erster Linie aus der Sicht der journalisisch-professionellen Anbieter wiedergegeben. In der Ergebnisdarstellung werden in der Regel die folgenden vier Gruppen einander gegenübergestellt: Tageszeitungen (abgekürzt: TZ), Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen (PZ/WZ), Rundfunk (RF) sowie Nur-Internetanbieter (Nur-Internet).
2 Vgl. den Forschungsüberblick zum Verhältnis zwischen Profession und Partizipation im Aufsatz „Internet, Journalismus und Öffentlichkeit“ in diesem Band. 3 Der Forschungsstand und die Ergebnisse des vorliegenden Projekts zur journalistischen Internetrecherche werden im Aufsatz „‘Googleisierung‘ oder neue Quellen im Netz?“ in diesem Band vorgestellt. 4 Auch in der Auswertung für diesen Beitrag wurden die fünf Befragten von Nachrichtensuchmaschinen wegen der zahlreichen Besonderheiten ihres Fragebogens ausgeklammert. In Abschnitt 4 werden ausgewählte Befunde vorgestellt.
Profession, Partizipation, Technik
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Die Forschungsfragen lauteten: x Konkurrenz (vgl. Abschnitt 2): Stehen Profession, Partizipation und Technik in Konkurrenz bei der Vermittlung aktueller Informationen? Wie wirkt sich die Konkurrenz auf den professionellen Journalismus aus? x Integration (vgl. Abschnitt 3): Wie integriert der professionelle Journalismus partizipative und technische Elemente? Welche Konsequenzen haben die Nutzerbeteiligung und die Einbindung technischer Anwendungen? x Komplementarität (vgl. Abschnitt 4): In welchem Ergänzungsverhältnis stehen Profession, Partizipation und Technik? Wie wirkt sich besonders ihre wechselseitige Thematisierung aus? Ein Aspekt der Komplementarität ist die journalistische Recherche (auf die im Aufsatz „‘Googleisierung‘ oder neue Quellen im Netz?“ in diesem Band eingegangen wird). 2 Konkurrenz zwischen Profession, Partizipation und Technik Droht dem professionellen Journalismus Konkurrenz im Internet? Das Statement „Journalistische Vermittlung hat im Internet nur eine geringe Bedeutung, weil sich jeder ohne großen Aufwand direkt an die Öffentlichkeit wenden kann“ stieß unter den Redaktionsleitern kaum auf Zustimmung.5 Statt einer Konkurrenz auf dem Publikumsmarkt befürchten sie eher eine Konkurrenz auf dem Werbemarkt: Das Statement „Weil überall im Internet geworben werden kann, wird die Querfinanzierung des Journalismus durch Werbeerlöse in Frage gestellt“ wurde häufiger befürwortet.6 Zwischen den Anbietertypen zeigen sich hier nur geringfügige Unterschiede in der Einschätzung der Konkurrenzverhältnisse. Über diese Gesamteinschätzung zum Publikums- und Werbemarkt hinaus wurden den Redaktionsleitern einzelne Statements zur Beziehung des Journalismus zu Weblogs und Nutzerplattformen als partizipative Formate sowie zu (Nachrichten-) Suchmaschinen als technisches Format zur Bewertung vorgelegt (vgl. Tab. 1); diese Statements waren in allen Fragebogen-Varianten enthalten. Dass hier nur ein signifikanter Unterschied festgestellt werden konnte, ist ein Hinweis darauf, dass der Konsens über die Befragtengruppen hinweg groß ist. Am ehesten weichen die Vertreter der Nur-Internetangebote ab.
5 4-stufige Skala, „trifft überhaupt nicht zu“: 62%, „trifft weniger zu“: 30%, „trifft überwiegend zu“: 8%, „trifft voll und ganz zu“: 1%, n=172 (ohne „kann ich nicht sagen“). 6 4-stufige Skala, „trifft überhaupt nicht zu“: 21%, „trifft weniger zu“: 46%, „trifft überwiegend zu“: 28%, „trifft voll und ganz zu“: 5%, n=150 (ohne „kann ich nicht sagen“).
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272 Tab. 1:
Statements zur Konkurrenz zwischen Journalismus, Weblogs, Nutzerplattformen und (Nachrichten-)Suchmaschinen (Antwort „trifft in hohem Maße zu“, Angaben in %, Anbieterbefragung, 2007)
Statements
TZ (n=7492)
PZ/WZ (n=814)
RF (n=2132)
NurInternet (n=2534)
gesamt (n=128172)
Konkurrenzbeziehungen zwischen Journalismus und Weblogs Weblogs haben nichts mit Journalismus zu tun. (Cramer-V=0,148) Weblogs sind eine neue Art von Journalismus. (Cramer-V=0,146) Blogger halten sich für Journalisten. (Cramer-V=0,160) Blogger glauben, dass Journalisten negativ über sie berichten, weil sie in ihnen eine Konkurrenz sehen. (Cramer-V=0,153) Durch die wechselseitige Kontrolle der Blogger gelingt es in der Blogosphäre, Informationen kontinuierlich auf ihre Richtigkeit zu prüfen. (Cramer-V=0,181) Durch die wechselseitige Kontrolle der Blogger gelingt es, Einseitigkeiten in der Blogosphäre zu vermeiden. (Cramer-V=0,197)
33,0
7,7
17,2
18,2
25,2
11,5
8,3
16,1
12,1
12,3
22,7
0
26,1
10,3
19,3
18,9
37,5
14,3
24,0
20,3
10,8
33,3
12,5
32,1
17,4
6,8
15,4
3,8
24,1
10,6
Konkurrenzbeziehungen zwischen Journalismus und Nutzerplattformen Nutzerplattformen sind eine neue Art von Journalismus. (Cramer-V=0,243)** Durch die wechselseitige Kontrolle der Nutzer gelingt es [auf Nutzerplattformen], Informationen kontinuierlich auf Ihre Richtigkeit zu prüfen. (Cramer-V=0,156) Durch die wechselseitige Kontrolle der Nutzer gelingt es [auf Nutzerplattformen], Einseitigkeiten zu vermeiden. (Cramer-V=0,139) Nutzerplattformen brauchen eine professionelle Moderation. (Cramer-V=0,243)**
9,0
14,3
29,0
39,3
18,5
30,7
23,1
32,3
25,8
29,4
27,1
15,4
33,3
32,3
28,3
70,5
53,8
66,7
48,4
64,2
Konkurrenzbeziehungen zwischen Journalismus und (Nachrichten-)Suchmaschinen Suchmaschinen machen Journalisten überflüssig, weil sie jedem Nutzer helfen, die Informationen im Internet zu erschließen. (Cramer-V=0,182) Nachrichtensuchmaschinen lockern die Bindung des Stammpublikums eines Mediums, weil Nutzer die Vielfalt des (Presse-)Angebots bequem nutzen können. (Cramer-V=0,202)* Auf den Übersichtsseiten von Nachrichtensuchmaschinen bleibt der Nutzer „hängen“, ohne das dahinter liegende redaktionelle Angebot aufzurufen. (Cramer-V=0,179)
1,1
0
0
5,9
1,7
13,0
16,7
23,3
35,3
19,6
16,4
18,2
33,3
27,6
21,9
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273
Fortsetzung Tab. 1 Suchmaschinen wie Google werden künftig eigene Nachrichten anbieten und zu einer starken Konkurrenz für Nachrichtenanbieter werden. (Cramer-V=0,081) Suchmaschinen wie Google werden künftig auf dem Werbemarkt zu einer starken Konkurrenz für Presse und Rundfunk werden. (Cramer-V=0,148)
45,1
38,5
40,7
35,7
42,0
61,1
69,2
34,8
63,6
58,5
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Dreistufige Skala. Nicht dargestellt sind die Ausprägungen „trifft etwas zu“ und „trifft gar nicht zu“. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
Können Weblogs zum „Journalismus“ gerechnet werden? Knapp ein Drittel der Befragten ist dieser Auffassung: Sie lehnen das negativ formulierte Statement „Weblogs haben nichts mit Journalismus zu tun“ eindeutig ab („trifft gar nicht zu“: 31%, n=163). Dass es „etwas“ zutrifft, sagten 44%. Nur ein Viertel (25%) hält die Aussage für „in hohem Maße“ zutreffend. Die Meinungen sind in dieser Frage also geteilt. Das Statement „Weblogs sind eine neue Art von Journalismus“ qualifiziert die journalistische Identität von Weblogs noch genauer. Hier ist die Zustimmung noch geringer: Nur 12% halten die Annahme für richtig („in hohem Maße“). Die deutliche Mehrheit lehnt sie teilweise oder ganz ab.7 Während in den ersten beiden Statements das Fremdbild der Weblogs abgefragt wurde, wurde mit zwei weiteren Aussagen ermittelt, wie die Sicht der Blogger wahrgenommen wird: Wie wird das Selbstbild der Blogger beobachtet? Und welches Fremdbild des Journalismus wird den Bloggern unterstellt? Das Statement „Blogger halten sich für Journalisten“ ist nach Auffassung der meisten Befragten „etwas“ (62%) zutreffend.8 Die Annahme, „Blogger glauben, dass Journalisten negativ über sie berichten, weil sie in ihnen eine Konkurrenz sehen“, ist ebenfalls für eine Mehrheit der Befragten (57%, n=128) „etwas“ zutreffend.9 Oft wird also angenommen, dass sich Blogger selbst als Journalisten betrachten und vermuten, dass sie als Konkurrenten wahrgenommen werden. Unter den Befragten war eine kleine Zahl von Bloggern, die in der Vorerhebung als „journalistisch“ identifiziert worden waren: Sie sehen Weblogs eher als eine neue Art von Journalismus („in hohem Maße“: 25%, n=8). Sie stimmten dagegen seltener der Auffassung zu, dass sich Blogger als Journalisten betrachten („in hohem Maße“: 13%, n=8). Auffällig ist, dass sie deutlich häufiger annehmen, dass Blogger
7 „etwas“: 60%, „gar nicht“: 28%, n=163. 8 „in hohem Maße“: 19%, „gar nicht“: 19%, n=135. 9 „in hohem Maße“: 20%, „gar nicht“: 23%, n=128.
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den Journalisten aus Konkurrenzangst eine Negativberichterstattung unterstellen („in hohem Maße“: 43%, n=7). Zwei weitere Statements galten der Frage der Qualitätssicherung in Weblogs: Gelingt es „durch wechselseitige Kontrolle der Blogger“, die veröffentlichten „Informationen kontinuierlich auf ihre Richtigkeit zu prüfen“? Auch hier gibt es eine knappe Mehrheit (52%), welche die Annahme für „etwas“ zutreffend hält.10 Größer ist die Ablehnung des Statements, dass es gelingt, „Einseitigkeiten in der Blogosphäre zu vermeiden“.11 Dass durch wechselseitige Kontrolle die Qualität gesichert werden kann, wird eher bei Nutzerplattformen vermutet als bei Weblogs: Hier fällt die Zustimmung zu den gleichen Statements höher aus. Auch die Annahme, dass es sich um eine neue Art von Journalismus handelt, ist weiter verbreitet (vgl. Tab. 1). Allerdings wird die Notwendigkeit einer professionellen Moderation dieser Nutzerplattformen in knapp zwei Drittel der Fälle12 für wichtig gehalten.13 Droht durch (Nachrichten-)Suchmaschinen eine Verdrängung des Journalismus? Die Aussage, dass Journalismus „überflüssig“ werden könnte, weil mit ihrer Hilfe jeder Nutzer selbst in der Lage ist, Informationen auszuwählen, stößt auf große Ablehnung.14 Die Sorge jedoch, dass Nachrichtensuchmaschinen die „Bindung des Stammpublikums“ lockern, weil sie darüber die Vielfalt des Angebots im Internet bequem nutzen können, ist verbreitet: 59% halten sie für „etwas“ berechtigt.15 In gleichem Umfang wird vermutet, dass Nutzer sich nicht auf die redaktionellen Angebote durchklicken, sondern auf den Übersichtsseiten von Nachrichtensuchmaschinen „hängenbleiben“.16 Ohne Weiterleitung profitieren journalistische Anbieter nicht von Nachrichtensuchmaschinen. Erstaunlich oft ist die Sorge anzutreffen, dass Suchmaschinen wie Google künftig in das Nachrichtengeschäft einsteigen und zu einer „starken Konkurrenz“ werden könnten.17 Und noch größer ist die Furcht, dass sie auf dem Werbemarkt Wettbewerber werden könnten18 – oder dies bereits sind. 10 11 12 13 14 15 16 17 18
„in hohem Maße“: 17%, „gar nicht“: 30%, n=138. „in hohem Maße“: 11%, „etwas“: 49%, „gar nicht“: 40%, n=141. „in hohem Maße“: 64%, „etwas“: 28%, „gar nicht“: 8%, n=162. Drei Vertreter von Nutzerplattformen nahmen hier Stellung: Sie glauben eher, dass Qualitätssicherung gelingt, und sehen weniger stark die Notwendigkeit einer Moderation. „in hohem Maße“: 2%, „etwas“: 8%, „gar nicht“: 90%, n=172. „in hohem Maße“: 20%, „gar nicht“: 21%, n=168. „in hohem Maße“: 22%, „etwas“: 57%, „gar nicht“: 21%, n=137. „in hohem Maße“: 42%, „etwas“: 43%, „gar nicht“: 15%, n=150. „in hohem Maße“: 59%, „etwas“: 32%, „gar nicht“: 9%, n=159.
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275
In einer weiteren Frage wurden Konkurrenzbeziehungen noch spezifischer ermittelt. Darin wurde offen nach den drei wichtigsten Konkurrenzangeboten gefragt (diese Frage war in den Fragebögen für Weblogs und Nutzerplattformen nicht enthalten). Unter den 254 Angaben, die 114 Befragte machten, stand spiegel.de mit 24 Nennungen (9%) an der Spitze der Rangliste. Allerdings wird spiegel.de weitaus seltener als Konkurrent denn als Vorbild wahrgenommen.19 Die drei Ableger von überregionalen Abonnementzeitungen faz.net, sueddeutsche.de und welt.de wurden jeweils in sieben Fällen angegeben; rp-online.de sahen fünf Befragte als Konkurrenten. Neben diesen Anbietern, die ein breites (inter-)nationales Informationsangebot liefern, wurden viele lokale Anbieter als Konkurrenten genannt. Hier stellt sich die Frage, ob die Konkurrenten nach wie vor unter den Medien des gleichen Typs gefunden werden oder ob sich neue Marktgrenzen herausbilden. Konkurrieren also z. B. die Tageszeitungen auch im Internet mit anderen Tageszeitungen? In der Auswertung wurden elf Angebotstypen unterschieden. Weniger als die Hälfte, nämlich 45% der genannten Konkurrenzangebote (n=253), waren typgleich. Hier ist das Resultat also fast identisch mit jenem, das sich bei den Vorbildern ergab. Es macht deutlich, dass der Blick nicht mehr nur auf die bisherigen Wettbewerber fällt. Allerdings wurden nur sehr selten partizipative Angebote genannt: Je einmal tauchen ehrensenf.de, de.indymedia.org und youtube.com als Konkurrenten auf. Da vorhersehbar war, dass partizipative Angebote nur in Ausnahmefällen als Konkurrenten genannt werden, wurden die Befragten darüber hinaus gebeten, die Namen solcher Weblogs zu nennen, die nach ihrer Einschätzung „journalistische Leistungen erbringen“. Nur 60 Befragte machten dazu Angaben. Von den 125 Einträgen entfielen alleine auf bildblog.de 37 Nennungen (62% der Befragten). Es folgten nach der Häufigkeit der Nennung die Weblogs spreeblick.com (abs. 11), stefan-niggemeier.de (9), blog.tagesschau.de (6), netzpolitik.org (5) und huffingtonpost.com (3).20 Welche Merkmale und Qualitäten werden dem Journalismus, welche den Weblogs zugeschrieben (vgl. Tab. 2)? Alle Befragten wurden aufgefordert, darüber zu entscheiden, ob bestimmte Merkmale oder Qualitäten eher für den Journalismus oder Weblogs kennzeichnend sind. In uneindeutigen Fällen konnte auch „trifft auf beide ungefähr gleich zu“ angegeben werden.
19 Vgl. die Ergebnisse im Aufsatz „Crossmedialität oder Ablösung“ in diesem Band. 20 Vgl. Schön (2009).
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276 Tab. 2:
Vergleich der Merkmale von Weblogs und Journalismus (Angaben in %, Anbieterbefragung, 2007)
Merkmal Neutralität (n=165)
trifft eher auf Weblogs zu
trifft auf beide gleich zu
trifft eher auf Journalismus zu 89,1
0
10,9
Richtigkeit der Informationen (n=165)
0,6
13,3
86,1
Glaubwürdigkeit (n=165)
3,0
16,4
80,6
Serviceinformationen (n=164)
4,9
21,3
73,8
Kontinuität der Berichterstattung (n=165)
4,2
23,0
72,7
Relevanz der Informationen (n=165)
2,4
26,7
70,9
Tiefe der Themenbehandlung (n=165)
11,5
18,8
69,7
Exklusivität der Informationen (n=162)
11,1
37,0
51,9
Unabhängigkeit (n=165)
15,2
35,8
49,1
Expertenwissen (n=163)
13,5
40,5
46,0
Vielfalt der Information (n=163)
14,1
41,7
44,2
Aktualität (n=165)
18,8
45,5
35,8
spannende Alltagsthemen (n=165)
29,1
43,0
27,9
Kommentierung des Tagesgeschehens (n=165)
25,5
50,3
24,2
unterhaltsam geschrieben (n=165)
32,7
44,8
22,4
Vielfalt der Meinungen (n=165) Belege durch Hyperlinks zu externen Quellen (n=159) intensive Diskussion von Themen (n=164)
41,2
41,8
17,0
44,0
41,5
14,5
57,3
33,5
9,1
leichter Zugang der Nutzer zu den Autoren (n=163)
81,0
16,0
3,1
persönliche Perspektive des Autors (n=165)
88,5
10,3
1,2
Insgesamt ist zu konstatieren, dass die traditionellen Merkmale des Journalismus auch von den Befragten eher dem Journalismus zugeschrieben werden: Neutralität, Richtigkeit, Glaubwürdigkeit, Kontinuität, Relevanz und Tiefe. Weblogs charakterisieren dagegen eher die persönliche Perspektive und der leichte Zugang zum Autor, die Meinungsvielfalt und intensive Diskussion, die externe Verlinkung zu Quellen und die Unterhaltsamkeit. Zwischen den vier Anbietertypen lässt sich eine Reihe signifikanter Unterschiede feststellen: In den meisten Fällen schreiben Vertreter von Nur-Internetanbieter dem Journalismus bestimmte Merkmale seltener zu als die anderen Befragten.21 Ansonsten zeigen sich nur zwei weitere signifikante
21 Dies gilt besonders für Glaubwürdigkeit (39%, n=33, Cramer-V=0,391, p<0,001), Unabhängigkeit (15%, n=33, Cramer-V=0,289, p<0,001), Neutralität (70%, n=33, Cramer-V=0,322, p<0,01), Ser-
Profession, Partizipation, Technik
277
Ergebnisse: Vertreter des Rundfunks gaben als journalistisches Merkmal relativ oft das Belegen durch Hyperlinks an (33%, n=27, Cramer-V=0,206, p<0,05), Befragte von Tageszeitungen nannten häufig die Vielfalt der Meinungen als Kennzeichen des Journalismus (21%, n=89), Nur-Internetanbieter dagegen eher selten (12%, n=33, Cramer-V=0,232, p<0,01). Unter den Befragten war auch eine kleine Zahl von Bloggern, die sich nach dem Ergebnis der inhaltsanalytischen Vorstudie dem Journalismus zurechnen lassen. Auch hier überrascht es wenig, dass sie seltener der Auffassung sind, dass der Journalismus zentrale Normen besser erfüllt.22 Merkmale wie Aktualität (63%, n=8, Cramer-V=0,291, p<0,05) und Unabhängigkeit (63%, n=8, Cramer-V=0,343, p<0,001) schreiben sie deutlich öfter den Weblogs zu. Die Merkmalsliste, die den Internet-Redaktionsleitern vorgelegt wurde, wurde zuvor bereits – in etwas geringerem Umfang – in Befragungen der Leiter von Nachrichtenredaktionen23 und der Anbieter thematisch spezialisierter (in Abgrenzung zu persönlichen) Weblogs24 verwendet. Die Übereinstimmung der Ranglisten ist erstaunlich hoch (vgl. Tab. 3): Auch die Leiter der Nachrichtenredaktionen von Tageszeitungen, Fernseh- und Hörfunksendern sowie Nachrichtenagenturen (n=84-87) ordneten am häufigsten die drei Merkmale „Neutralität“, „Richtigkeit“ und „Glaubwürdigkeit“ dem Journalismus zu, die drei Merkmale „persönliche Perspektive“, „leichter Zugang“ und „intensive Diskussion“ den Weblogs (vgl. Neuberger/Nuernbergk/Rischke 2008a: 110f.). Die Betreiber thematischer Weblogs (n=132-136) weichen geringfügig ab: Während die drei meistgenannten Weblog-Merkmale mit den beiden anderen Ranglisten übereinstimmen, ist für sie neben Neutralität und Richtigkeit die Tiefe der Themenbehandlung ein wichtiges journalistisches Merkmal (vgl. Neuberger 2005: 86). Insgesamt zeigt sich über unterschiedliche Befragtengruppen hinweg eine hohe Stabilität der Fremd- und Selbstbilder. Weblogs und Journalismus besitzen ein eigenständiges Profil und werden nicht naiv gleichgesetzt.
viceinformationen (50%, n=32, Cramer-V=0,231, p<0,01), Richtigkeit (67%, n=33, CramerV=0,219, p<0,05) und Relevanz (49%, n=33, Cramer-V=0,196, p<0,05). 22 Neutralität: 63%, Cramer-V=0,503, Richtigkeit: 38%, Cramer-V=0,410, jeweils: n=8, p<0,001. 23 Postalische Befragung: 2006, Vollerhebung, Rücklauf: 43% (vgl. Neuberger/Nuernbergk/Rischke 2008a: 110f.). 24 Intenetbefragung: 2003, nicht-repräsentative Selbstselektion (vgl. Neuberger 2005b: 86).
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
278 Tab. 3:
Rangliste der Zuordnung von Merkmalen zu Weblogs und Journalismus in Befragungen von Internet-Redaktionsleitern (2007), Nachrichten-Redaktionsleitern (2006) und thematischen Weblogs (2003)
Merkmal
Neutralität Richtigkeit der Informationen Glaubwürdigkeit Serviceinformationen Kontinuität der Berichterstattung Relevanz der Informationen Tiefe der Themenbehandlung Exklusivität der Informationen Unabhängigkeit
trifft eher auf Weblogs zu
trifft eher auf Journalismus zu
InternetNachrichten- thematische redaktionen redaktionen Weblogs (2007) (2006) (2003)
InternetNachrichten- thematische redaktionen redaktionen Weblogs (2007) (2006) (2003)
20.
13.
13.
1.
2.
1.
19.
15.
12.
2.
1.
3.
17.
15.
–
3.
3.
–
15.
12.
9.
4.
7.
5.
16.
10.
–
5.
5.
–
18.
13.
11.
6.
4.
4.
13.
10.
10.
7.
6.
2.
14.
–
–
8.
–
–
10.
–
–
9.
–
–
Expertenwissen
12.
–
–
10.
–
–
Vielfalt der Information
11.
7.
8.
11.
9.
6.
Aktualität
9.
9.
6.
12.
8.
10.
spannende Alltagsthemen Kommentierung des Tagesgeschehens unterhaltsam geschrieben
7.
6.
–
13.
11.
–
8.
5.
7.
14.
12.
7.
Vielfalt der Meinungen Belege durch Hyperlinks zu externen Quellen intensive Diskussion von Themen leichter Zugang der Nutzer zu den Autoren persönliche Perspektive des Autors
6.
8.
5.
15.
10.
11.
5.
4.
4.
16.
13.
8.
4.
–
–
17.
–
–
3.
3.
3.
18.
15.
9.
2.
2.
1.
19.
14.
12.
1.
1.
2.
20.
16.
13.
Neben den hier referierten Gesamteinschätzungen des Verhältnisses zwischen Journalismus und Weblogs können – in beschränktem Umfang – auch die Selbstauskünfte der befragten Blogger Hinweise auf das Verhältnis geben. Schon ihre kleine Zahl dokumentiert, dass es sich bei journalistisch relevanten Weblogs bislang in Deutschland noch um ein Randphänomen handelt (Grundgesamtheit: abs. 16, an
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der Befragung beteiligt: 8). Sie wurden um Auskunft darüber gebeten, durch welche Praktiken sie versuchen, die Qualität ihrer Informationen zu verbessern: Vergleichsweise oft setzen die acht Blogger externe Links auf Originalquellen („häufig“: 7, „selten“: 1) und zitieren andere Medien und Personen direkt („häufig“: 7, „selten“: 1). Sie bemühen sich also in hohem Maße um Transparenz. Dagegen planen nur drei von ihnen „häufig“ Extrazeit ein, um Informationen zu überprüfen („selten“: 4). Auch die nachträgliche Korrektur von Fehlern kommt unter den befragten Bloggern eher „selten“ (6) vor („häufig“: 2). Blogger erhalten dabei auch Unterstützung von ihrem Publikum: Sechs Befragte sagten, dass sie zumindest „selten“ von ihren Lesern auf Fehler hingewiesen werden, einer bekommt „häufig“ derartige Hinweise. Und auch die Blogger selbst helfen anderen Bloggern bei der Fehlerbereinigung („selten“: 7, „nie“: 1). Blogger holen nur in wenigen Fällen die Erlaubnis zur Veröffentlichung von urheberrechtlich geschütztem Material ein („häufig“: 1, „selten“: 4).25 3 Integration partizipativer und technischer Elemente in den professionellen Journalismus Eine zweite mögliche Beziehung zwischen Profession, Partizipation und Technik ist – neben der gerade behandelten Identität der Leistungen (und damit der Konkurrenz) – die Integration, also z. B. die Einbindung partizipativer und technischer Elemente in professionell-journalistische Internetangebote. Technische Anwendungen können dazu beitragen, journalistische Arbeit zu unterstützen oder gar zu ersetzen, etwa die Nachrichtenauswahl: Eingabefelder für externe Suchmaschinen sind in knapp einem Fünftel (19%, n=157) der Angebote zu finden. Eine noch etwas weitere Verbreitung haben zwei neuere Suchhilfen, nämlich die Indexierung von Themen durch Schlagworte (25%, n=166) – etwa in Gestalt einer „Suchwolke“ (z. B. in jetzt.de und spiegel.de, wobei die Wortgröße von der Nutzungshäufigkeit abhängt) oder einer Wortliste am Artikelende für eine vertiefte Beschäftigung mit dem Thema (wie in sueddeutsche.de) – sowie die Verwaltung journalistischer Arti25 Bei der Interpretation dieser Ergebnisse muss berücksichtigt werden, dass es auch auf den Bedarf ankommt, wie oft Fehler korrigiert oder um Genehmigungen zur Veröffentlichung erbeten werden müssen. Diese Fragen sind angelehnt an Lenhart/Fox (2006: 10f.), die in einer repräsentativen Befragung von 233 Bloggern in den USA (Juli 2005 bis Februar 2006) ebenfalls nach der Beachtung dieser journalistischen Normen gefragt haben. Sie kamen zum Ergebnis, dass jeweils 35% häufig („often“) Extrazeit für die Überprüfung von Informationen aufwenden und Links auf Originalquellen setzen. Direkte Zitate (15%), das Einholen einer Erlaubnis bei urheberrechtlich geschütztem Material (12%) und nachträgliche Korrekturen (11%) waren dagegen weniger weit verbreitet. 34% der befragten Blogger verstanden sich als Journalisten.
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
280
kel durch „Social Bookmarking“ (22%, n=165) (z. B. bei mister-wong.de oder del.ico.us). Vielfältiger sind die Möglichkeiten, Nutzer als Kommunikatoren auf journalistischen Websites zu beteiligen (vgl. Neuberger/Nuernbergk/Rischke 2008b). Knapp zwei Drittel der Angebote (65%, n=158) besitzen Diskussionsforen zu journalistischen Beiträgen. In rund einem Viertel (26%, n=157) kann in Chats mit Experten/Prominenten diskutiert werden. Eine Nachrichtencommunity, in der Nutzer eigene Beiträge veröffentlichen können, ist in einem Fünftel (20%, n=157) der Angebote zu finden. Tab. 4:
Anteil der Internetredaktionen mit Weblogs, Podcasts und Videoblogs, die im Rahmen des eigenen Angebots von Redakteuren, Kooperationspartnern und Nutzern betrieben werden (Angaben in %, Mehrfachantworten möglich, Anbieterbefragung, 2007)
Format und Betreiber Weblogs, Redaktion (Cramer-V=0,362)*** Weblogs, Kooperationspartner (Cramer-V=0,281)** Weblogs, Nutzer (Cramer-V=0,295)*** Podcasts, Redaktion (Cramer-V=0,496)*** Podcasts, Kooperationspartner (Cramer-V=0,264)** Podcasts, Nutzer (Cramer-V=0,240)** Videoblogs, Redaktion (Cramer-V=0,356)*** Videoblogs, Kooperationspartner (Cramer-V=0,250)** Videoblogs, Nutzer (Cramer-V=0,247)**
TZ (n=86)
PZ/WZ (n=13)
RF (n=30)
NurInternet (n=21)
gesamt (n=150)
30,2
61,5
53,3
9,5
34,7
5,8
15,4
3,3
9,5
6,7
11,6
0
13,3
9,5
10,7
8,1
23,1
80,0
9,5
24,0
7,0
7,7
6,7
9,5
7,3
1,2
0
3,3
0
1,3
9,3
38,5
33,3
0
15,3
1,2
0
3,3
4,8
2,0
1,2
0
3,3
4,8
2,0
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05.
Wie verbreitet sind die partizipativen Formate Weblog, Videoblog und Podcast? Von den 183 Teilnehmern der Befragung haben nur 148 die dazu gestellte Frage vollständig beantwortet, in zwei Fällen geschah dies teilweise. Vermutlich haben vor allem solche Redaktionsleiter auf die Beantwortung verzichtet, die über wenige oder keine dieser Anwendungen verfügen (dann dürfte die tatsächliche Verbreitung
Profession, Partizipation, Technik
281
parizipativer Formate etwas niedriger liegen). Diese Frage richtete sich außerdem nicht an Anbieter von Weblogs und Nutzerplattformen. 45% (n=148) der befragten Anbieter gaben an, dass sich keine Weblogs, Videoblogs oder Podcasts auf ihrer Website befinden. Immerhin sind damit jene Anbieter, die den Übergang ins „Web 2.0“ noch nicht vollzogen haben, bereits in der Minderheit. Über solche partizipativen Elemente verfügen besonders häufig Rundfunkanbieter (90%, n=30) sowie Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen (75%, n=12). Die anderen Anbietertypen schneiden hier schlechter ab.26 Erhoben wurden sowohl das partizipative Format als auch der jeweilige Betreiber (vgl. Tab. 4). Es macht durchaus einen Unterschied, ob Redaktionsmitglieder, kooperierende Anbieter oder Nutzer publizieren. Bisher sind es vor allem die Redakteure selbst, die bloggen oder podcasten. Vor allem die Internetredaktionen von Publikumzeitschriften und Wochenzeitungen sowie des Rundfunks nutzen diese Möglichkeiten. Dass besonders die Vertreter des Rundfunks Podcasts veröffentlichen, überrascht wenig, da sie mit wenig Aufwand Radiosendungen ins Netz stellen können. Auch Kooperationspartner finden sich selten. Dabei handelt es sich z. B. um Gastblogger, die bereits ein Weblog betreiben, das sie dann in die Website des journalistischen Anbieters integrieren. So können die Redaktionen vom bekannten Blogger-Namen profitieren, der Blogger wiederum kann so seine Reichweite steigern. Nutzer können sich, wenn überhaupt, nur als Weblog-Schreiber betätigen. Bei der Zahl der Weblogs, Videoblogs und Podcasts gibt es einige „Ausreißer“ mit sehr hohen Werten. Im Durchschnitt finden sich neun Redaktions-Weblogs27 auf journalistischen Websites, das Maximum sind 95 Weblogs. Die meisten Redaktions-Weblogs bieten Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen an (MW=19, n=8). Bei Podcasts28 und Videoblogs29 der Redaktionen reicht die Zahl bis maximal 70 bzw. 25. Rundfunkvertreter nannten hier die durchschnittlich höchsten Werte.30 Der höchste Durchschnittswert aller Kategorien ist bei den nutzerbetriebenen Weblogs mit 139 zu finden,31 wobei hier die Tageszeitungen herausragen (MW=224, n=8).32 Signifikanzwerte ließen sich für den Mittelwertvergleich der Anbietertypen wegen geringer Fallzahlen nur teilweise berechnen. Der
26 27 28 29 30 31 32
TZ: 44%, n=85, Nur-Internet: 38%, n=21, Cramer-V=0,400, p<0,001. Median: 4, Standardabweichung: 16, n=45. MW=12, Median: 5, Standardabweichung: 16, n=29. MW=4, Median: 2, Standardabweichung: 6, n=20. Podcasts: MW=16, n=20, Videoblogs: MW=7, n=7. Maximum: 1000, Median: 15, Standardabweichung: 276, n=14. Vgl. Büffel (2008).
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
282
einzige signifikante Unterschied zeigt sich für Kooperations-Weblogs,33 die besonders oft bei Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen zu finden sind (MW=13, n=2). Tab. 5:
Anteil der Anbieter, bei denen Elemente der Nutzerbeteiligung vorhanden sind (Angaben in %, Anbieterbefragung, 2007)
Möglichkeiten der Nutzerbeteiligung Nutzer können ... Fotos zur Veröffentlichung einsenden. (Cramer-V=0,191) Beiträge von Redakteuren auf der gleichen Seite kommentieren. (Cramer-V=0,256)** ein persönliches Profil anlegen. (Cramer-V=0,196) die Themen ihrer eigenen Beiträge selbst wählen. (Cramer-V=0,267)** ihre eigenen Beiträge ohne vorherige Prüfung veröffentlichen. (Cramer-V=0,185) ein eigenes Weblog anlegen. (Cramer-V=0,140) Redakteure beim Schreiben und Recherchieren unterstützen. (Cramer-V=0,211)* Beiträge anderer Nutzer auf einer Skala benoten. (Cramer-V=0,207)* als Moderatoren mitwirken. (Cramer-V=0,202)* Beiträge von Redakteuren auf einer Skala benoten. (Cramer-V=0,213)* Beiträge anderer Nutzer vor ihrer Veröffentlichung prüfen. (Cramer-V=0,203)*
NurInternet (n=2233)
gesamt (n=160171)
53,3
40,0
49,7
64,3
13,3
56,5
40,4
24,5
42,9
24,1
32,0
27,2
27,2
28,6
3,3
44,0
25,5
21,3
42,9
6,7
24,2
21,1
16,0
7,1
13,3
16,7
14,8
12,8
7,1
0
26,1
11,8
2,1
21,4
6,7
12,0
6,1
2,1
14,3
6,7
16,0
6,1
3,2
21,4
0
13,6
5,6
1,1
0
0
12,0
2,5
TZ (n=9294)
PZ/WZ (n=14)
53,2
35,7
41,5
RF (n=2930)
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Die Gruppe der Nur-Internetanbieter umfasst nur professionell-journalistische Anbieter, Portale und Nutzerplattformen. Nicht dargestellt sind die Ausprägungen „in den nächsten 12 Monaten geplant“ und „später oder nicht geplant“.
Die kommunikative Partizipation lässt sich auch über die möglichen Nutzeraktivitäten erfassen: Von den 178 befragten Anbietern nannten 129 (73%) zumindest eine der in Tabelle 5 genannten Beteiligungsmöglichkeiten. Relativ oft, nämlich in zwei Fünftel der Fälle geben Anbieter ihren Nutzern die Gelegenheit, Beiträge von Redakteuren zu kommentieren. Damit werden allerdings noch nicht jene Möglichkeiten übertroffen, welche Leserbriefschreiber schon lange in der Presse haben. Hier wie dort kann das Publikum nur zu jenen Themen und Meinungen Stellung neh-
33 Eta=0,941, p<0,05, n=8.
Profession, Partizipation, Technik
283
men, die Journalisten ihnen „vorgeschrieben“ haben. Nur in einem Viertel der Fälle dürfen Nutzer zu selbst gewählten Themen Beiträge verfassen. Eigene Fotos können dagegen in der Hälfte der Angebote veröffentlicht werden. Diese Rolle als „Leserreporter“ (vgl. Neuberger 2007; Schlächter 2008) ist zugleich die am weitesten verbreitete Beteiligungsform. 12% der Befragten sagten, dass ihre Nutzer Redakteure beim Schreiben und Recherchieren unterstützen können. Hier werden sie sogar in den redaktionellen Produktionsprozess eingebunden. Tab. 6:
Anteil der Anbieter, bei denen Elemente der Nutzerbeteiligung in den nächsten zwölf Monaten geplant sind (Angaben in %, Anbieterbefragung, 2007)
Möglichkeiten der Nutzerbeteiligung Nutzer können ... Beiträge von Redakteuren auf der gleichen Seite kommentieren. ein persönliches Profil anlegen. Fotos zur Veröffentlichung einsenden. Redakteure beim Schreiben und Recherchieren unterstützen. Beiträge von Redakteuren auf einer Skala benoten. ein eigenes Weblog anlegen. die Themen ihrer eigenen Beiträge selbst wählen. als Moderatoren mitwirken. Beiträge anderer Nutzer auf einer Skala benoten. ihre eigenen Beiträge ohne vorherige Prüfung veröffentlichen. Beiträge anderer Nutzer vor ihrer Veröffentlichung prüfen.
TZ (n=9294)
PZ/WZ (n=14)
RF (n=2930)
NurInternet (n=2233)
gesamt (n=160171)
39,4
14,3
36,7
21,7
34,2
40,4
14,3
13,8
28,0
31,5
29,8
28,6
10,0
20,0
24,5
26,6
21,4
10,0
17,4
21,7
22,3
21,4
13,3
27,3
21,3
26,6
21,4
10,0
12,5
21,0
26,1
21,4
6,7
12,0
19,9
16,0
21,4
3,3
20,0
14,7
14,9
0
3,3
12,0
11,0
11,7
0
3,3
9,1
8,8
5,3
0
3,3
0
3,7
Cramer-V und Signifikanzwerte vgl. Tab. 5. Die Gruppe der Nur-Internetanbieter umfasst nur professionell-journalistische Anbieter, Portale und Nutzerplattformen. Nicht dargestellt sind die Ausprägungen „vorhanden“ und „später oder nicht geplant“.
Sehr zurückhaltend sind die Redaktionen noch, wenn es darum geht, Nutzer die Beiträge von Redakteuren oder anderen Nutzern auf einer Skala benoten zu lassen. Solche Bewertungen könnten Redaktionen – neben den Abrufzahlen – nützliche Hinweise geben, weil die Häufigkeit, mit der ein Artikel gelesen wird, nur bedingt etwas darüber aussagt, wie er beurteilt wird. Noch weiter geht die Befugnis der Nutzer, wenn sie die „Gatekeeper“-Rolle übernehmen und darüber entscheiden dürfen, ob Beiträge anderer Nutzer veröffentlicht werden. Dass diese Art der Betei-
284
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
ligung fast gar nicht zu finden ist, überrascht wenig – umso mehr jedoch, dass in rund einem Fünftel der Fälle auch die Redaktionen darauf verzichten, Nutzerbeiträge vor der Veröffentlichung zu prüfen; sie sichten diese offenbar erst nachträglich, was rechtliche Risiken birgt. Vergleicht man die Anbietertypen, so fällt auf, dass es besonders die Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen sowie die NurInternetanbieter sind, die ihren Nutzern Beteiligungschancen einräumen. Die Planungen für die nächsten zwölf Monate (vgl. Tab. 6) lassen vermuten, dass – neben einem weiteren Ausbau der besonders verbreiteten Beteiligungsmöglichkeiten – Nutzer künftig vor allem die redaktionelle Arbeit unterstützen oder selbst als Blogger und Autoren produzieren sollen. Relativ oft kündigten Tageszeitungen eine vielfältigere Einbindung ihrer Nutzer an. Den Nutzern Teilnahmemöglichkeiten zu eröffnen, ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist die Bereitschaft der Nutzer, die Chance zu ergreifen und mitzuwirken. Im Fragebogen sollte angegeben werden, wie viele Beiträge pro Tag durchschnittlich von Nutzern veröffentlicht werden. Die Werte streuen sehr stark (Standardabweichung: 669, n=102). Die höchsten Werte erzielen zwei Nachrichtenmagazine mit täglich 6.000 bzw. 3.000 Nutzerbeiträgen. Danach folgt mit 1.000 Beiträgen eine überregionale Abonnementzeitung. Der Durchschnitt liegt bei 140 Nutzerbeiträgen pro Tag, der Median dagegen nur bei fünf Beiträgen.34 Tageszeitungen kommen auf einen Mittelwert von 55 Beiträgen (n=62) (Eta=0,469, p<0,001). Geringer ist der Durchschnitt bei Rundfunk- (MW=36, n=17) und Nur-Internetanbietern (MW=36, n=15). Am aktivsten sind die Nutzer von Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen mit durchschnittlich 1.211 Beiträgen, wobei es sich hier nur um acht Anbieter handelt. Um die Teilnahmebereitschaft zu wecken und die Qualität der Beiträge zu sichern, sollten Redaktionen die Nutzeraktivitäten fördern und prüfen. Wie beteiligen sich die Redakteure in jenem Bereich der Website, in dem Nutzer selbst publizieren können (vgl. Tab. 7)?35 In knapp zwei Fünftel der Fälle prüfen sie die Nutzerbeiträge vor der Veröffentlichung. Seltener treffen sie daraus gezielt eine Auswahl und bestimmen deren Platzierung, greifen also redaktionell ein. Mode34 19 Anbieter gaben den Durchschnittswert „0“ an. 36 weitere Anbieter nannten einen Wert von fünf Beiträgen und weniger. 35 In Neuberger/Nuernbergk/Rischke (2008b) wurden bei der Beteiligung der Redakteure im Nutzerbereich (vgl. Tab. 7) und bei den Konsequenzen der Nutzerbeteiligung (vgl. Tab. 8) nur jene Befragten berücksichtigt, die mindestens eine Art der Nutzerbeteiligung angegeben hatten, die in Tabelle 5 genannt ist. In der vorliegenden Auswertung wurde nicht mit diesem Filter gearbeitet (da weitere Möglichkeiten der Nutzerbeteiligung nicht ausgeschlossen werden können). Daraus ergeben sich geringfügige Unterschiede.
Profession, Partizipation, Technik
285
rierte Diskussionen und Themenanregungen finden sich in rund einem Fünftel der Angebote. Tab. 7:
Anteil der Anbieter, deren Redakteure sich in jenem Bereich beteiligen, in dem Nutzer selbst veröffentlichen können (Angaben in %, Anbieterbefragung, 2007)
Beteiligung der Redakteure im Bereich, in dem Nutzer selbst veröffentlichen können Redakteure prüfen Nutzerbeiträge vor ihrer Veröffentlichung. (Cramer-V=0,089) Redakteure moderieren Diskussionen im Nutzerbereich. (Cramer-V=0,279)* Redakteure schlagen den Nutzern Themen vor, über die diese schreiben sollen. (Cramer-V=0,119) Redakteure wählen aus/bestimmen die Platzierung. (Cramer-V=0,279)* Redakteure schreiben Beiträge im Nutzerbereich. (Cramer-V=0,174) Redakteure bewerten Nutzer-Beiträge. (Cramer-V=0,263)*
TZ (n=98)
PZ/WZ (n=14)
RF (n=32)
NurInternet (n=23)
gesamt (n=167)
33,7
42,9
37,5
47,8
37,1
22,4
50,0
21,9
4,3
22,2
22,4
21,4
15,6
13,0
19,8
15,3
28,6
3,1
34,8
16,8
18,4
28,6
9,4
8,7
16,2
2,0
0
0
13,0
3,0
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Die Gruppe der Nur-Internetanbieter umfasst nur professionell-journalistische Anbieter und Portale.
Das Rollenverständnis scheint sich allerdings noch nicht ausreichend gewandelt zu haben: Dem Statement „Professionellen Journalisten fällt es schwer, Nutzer als Mitschreibende zu akzeptieren“ stimmten 19% (n=165) der Befragten „voll und ganz“ zu, 53% halten es für „überwiegend“ zutreffend. Besonders Befragte von Nur-Internetanbietern erkennen hier noch ein Defizit des Journalismus („voll und ganz“: 27%, „überwiegend“: 64%, Cramer-V=0,185, p<0,05). Dies bestätigt die Ergebnisse der repräsentativen Journalistenbefragung von Löffelholz et al. (2003: 483) aus dem Jahr 2003. Sie stellten fest: „Die oft beschworenen größeren Möglichkeiten zur Interaktion mit dem Publikum führen keineswegs dazu, dass Onlinejournalisten intensiver als traditionelle journalistische Akteure den Rezipienten die Chance geben wollen, ihre Meinung über Themen von öffentlichem Interesse auszudrücken.“ Der gleiche Befund ergab sich in den USA (vgl. Weaver et al. 2007: 221). Das Verhältnis zwischen Redaktionen und Publikum ist mitunter spannungsgeladen (vgl. Neuberger 2006). Nutzer können sich auf journalistischen Websites nicht nur „in der Sache“ zu Wort melden, sondern in Meta-Kommentaren auch Kritik am Angebot und der Redaktion üben. Um die Anlässe dafür zu ermitteln,
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
286
wurde den Redaktionsleitern die Frage gestellt: „In welchen Situationen häufen sich negative Kommentare der Nutzer über die Arbeit der Redaktion?“ 61 Befragte machten dazu 91 Aussagen. Die meisten (gesamt: abs. 54) bezogen sich auf den Inhalt: Kritik brandet bei konflikthaltigen Themen (9) oder bei vermeintlich zu negativer, einseitiger und parteilicher Berichterstattung (5) auf. Besonders Politik(9) und Sportthemen (3) provozieren zur Gegenrede. Häufiger werden Schwächen der Berichterstattung wie Sach- (9) und Rechtschreibfehler (5) moniert. Neben der inhaltlichen Kritik ist der Umgang mit Nutzerbeiträgen ein Konfliktfeld (gesamt: 11); oft wird den Redaktionen Zensur vorgeworfen, wenn sie Texte ihrer Nutzer nicht veröffentlichen oder sperren (7). Im Bereich Gestaltung, Technik und Kosten (gesamt: 13) sind es technische Schwierigkeiten bei der Erreichbarkeit und Darstellung (8) sowie Relaunches (4), die Anlass für Kritik geben. Neben sonstigen Anmerkungen (gesamt: 4) wurde in neun Fällen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es Kritik an der Redaktion kaum oder gar nicht gibt. Tab. 8:
Konsequenzen der Nutzerbeteiligung für Internetangebote, die Möglichkeiten der Nutzerbeteiligung anbieten (Antwort „trifft in hohem Maße zu“, Angaben in %, Anbieterbefragung, 2007)
Konsequenzen Die Meinungsvielfalt nimmt zu. (Cramer-V=0,215) Ein erhöhter Personalaufwand ist notwendig. (Cramer-V=0,155) Die Reichweite des Angebots steigt. (Cramer-V=0,135) Die Regeln für die Nutzerbeteiligung müssen häufig angepasst werden. (Cramer-V=0,161) Die Berichterstattung wird aktueller. (Cramer-V=0,175) Durch Fotos von Nutzern kann die Redaktion Kosten reduzieren. (Cramer-V=0,087) Die Redaktion wird bei der Recherche entlastet. (Cramer-V=0,156)
TZ (n=5562)
PZ/WZ (n=910)
RF (n=1518)
NurInternet (n=1319)
gesamt (n=96108)
40,3
66,7
40,0
55,6
45,2
27,4
40,0
38,9
16,7
28,7
22,0
22,2
20,0
33,3
23,8
9,1
0
6,3
0
6,3
3,3
0
0
11,1
3,9
1,7
0
0
0
1,0
0
0
0
0
0
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Die Gruppe der Nur-Internetanbieter umfasst nur professionell-journalistische Anbieter und Portale. Dreistufige Skala. Nicht dargestellt sind die Ausprägungen „trifft etwas zu“ und „trifft gar nicht zu“. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
Profession, Partizipation, Technik
287
Welche Auswirkungen hat die Nutzerbeteiligung (vgl. Tab. 8)? Dies ist gegenwärtig eine viel diskutierte Frage: Verbessert sie die Qualität der Angebote? Hilft sie, die Kosten zu reduzieren? Nach Einschätzung der befragten Redaktionsleiter trägt sie vor allem dazu bei, die Meinungsvielfalt zu erhöhen („in hohem Maße“: 45%, „etwas“: 50%, n=104). An Aktualität gewinnt die Berichterstattung dagegen durch Nutzerbeiträge kaum („etwas“: 43%, „gar nicht“: 53%, n=103). Mit ihnen lässt sich aber die Reichweite steigern: In knapp einem Viertel der Fälle (24%) wurde diese Annahme als „in hohem Maße“ zutreffend bezeichnet („etwas“: 65%, n=101).36 Die Vermutung, dass „User Generated Content“ den Redaktionen die Arbeit erleichtert und ihnen hilft, Geld zu sparen, lässt sich nicht bestätigen: Eine Entlastung bei der Recherche spüren 15% (n=106) der Befragten „etwas“ und 85% „gar nicht“. Nutzerfotos helfen nur in 12% der Fälle „etwas“ beim Reduzieren der Kosten („gar nicht“: 88%, n=96). Eher passiert das Gegenteil: 29% (n=108) der Befragten halten die Aussage „in hohem Maße“ für zutreffend, dass der Personalaufwand wächst, 56% sagten, diese Annahme trifft „etwas“ zu. Signifikante Unterschiede bestehen zwischen den Anbietertypen nicht, d. h., dass die Konsequenzen überall ähnlich ausfallen. 4 Komplementärbeziehungen: Wechselseitige Thematisierung und ihre Wirkung Neben Identität und Integration lässt sich als dritter Beziehungstyp die Komplementarität untersuchen. In mehreren Abschnitten des Fragebogens wurden die Beziehungen des professionellen Journalismus zur Wikipedia und zu anderen Nutzerplattformen, zu Weblogs, Suchmaschinen und Nachrichtensuchmaschinen erfasst. Die meisten Erhebungsfragen bezogen sich auf die journalistische Recherche; die Ergebnisse dazu werden im Aufsatz „‘Googleisierung‘ oder neue Quellen im Netz?“ in diesem Band vorgestellt. Darüber hinaus sollten die Befragten Statements auf ihre Triftigkeit hin beurteilen (vgl. Tab. 9). Das Fehlen signifikanter Unterschiede zwischen den Anbietertypen deutet auf ein hohes Maß an Übereinstimmung hin.
36 Auch Nielsen//NetRatings (2007) ermittelte einen positiven Reichweiteneffekt von Weblogs: Ihr Anteil an der Gesamtnutzung der zehn meistbesuchten Tageszeitungs-Websites in den USA betrug im Dezember 2006 13% („Unique Visitors“); im gleichen Vorjahresmonat waren es erst 4%. Damit stieg die Nutzung der Zeitungsblogs um 210%, die der gesamten Zeitungs-Websites aber lediglich um 9%.
288
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
Die Behauptung, dass die Beziehung zwischen Weblogs und Journalismus nicht konkurrierend, sondern komplementär ist, findet weitgehend Zustimmung unter den Befragten („in hohem Maße“: 45%, „etwas“: 50%, n=161). Noch etwas höher fällt die Zustimmung zum gleichen Statement für Nutzerplattformen aus („in hohem Maße“: 55%, „etwas“: 39%, n=165). Die Komplementarität zwischen Journalismus und Weblogs ergibt sich im Wesentlichen aus unterschiedlichen Varianten der wechselseitigen Thematisierung: x Dass in Weblogs die Anschlusskommunikation des Publikums über die Berichterstattung der Massenmedien stattfindet, sehen fast alle Befragten mehr („in hohem Maße“: 30%, n=155) oder weniger („etwas“: 64%) als zutreffend an. x Die Annahme, dass sich dadurch die Machtverteilung zugunsten des Publikums verschiebt, erhält jedoch eine geringere Zustimmung („in hohem Maße“: 15%, „etwas“: 52%, n=145). x Dass die Medienkritik in Weblogs die journalistische Qualität fördert, halten 12% (n=148) für „in hohem Maße“ und eine Mehrheit von 55% der Befragten für „etwas“ richtig. x Die umgekehrte Annahme, dass nämlich die Berichterstattung in Presse und Rundfunk für die Ausbreitung des Bloggens von Bedeutung ist, sehen 16% (n=147) der Befragten als „in hohem Maße“ und rund zwei Fünftel von ihnen (42%) als „etwas“ zutreffend an. x Dass der Journalismus über die „Blogosphäre“ orientiert und sich kritisch mit ihr befasst, ist nur für 8% (n=136) „in hohem Maße“ richtig, aber für fast zwei Drittel (63%) „etwas“ zutreffend. x Eine systematische Berichterstattung über Weblogs in Form einer regelmäßigen Kolumne besaßen nur 9% (n=158) der befragten Anbieter.37 Bezüglich der Suchmaschinen wurde nach den Auswirkungen auf die journalistische Recherche gefragt. Die Ergebnisse machen die Ambivalenz dieses neuen Instruments deutlich: Einerseits regen Suchmaschinen zu mehr Recherche an („trifft in hohem Maße zu“: 44%, „trifft etwas zu“: 42%, n=169), andererseits führen sie zur Bequemlichkeit und zum Verzicht auf besser geeignete Recherchewege, die mit größerem Aufwand verbunden sind („trifft in hohem Maße zu“: 33%, „trifft etwas zu“: 57%, n=171). Journalistische Anbieter profitieren von Nachrichtensuchmaschinen, wenn diese „Traffic“ auf ihre Website lenken. Der Anteil aller Nutzer, der über Nachrichten37 Diese Frage richtete sich nicht an Anbieter von Weblogs und Nutzerplattformen.
Profession, Partizipation, Technik
289
suchmaschinen auf die Angebote gelangt, ist erstaunlich hoch: Insgesamt erhielten jeweils zwei Fünftel der Befragten bis unter 10% (39%, n=82) oder 10 bis unter 50% (40%) ihrer Nutzer darüber. In 4% der Fälle waren es sogar 50% und mehr. 13% der Angebote wurden nicht von Nachrichtensuchmaschinen erfasst. Allerdings sagten 43 Befragte, sie könnten über diesen Punkt keine Auskunft geben. Der Rest gab hier keine Antwort. Tab. 9:
Statements zur Komplementarität zwischen Journalismus, Weblogs, Nutzerplattformen und (Nachrichten-)Suchmaschinen (Antwort „trifft in hohem Maße zu“, Angaben in %, Anbieterbefragung, 2007)
Statements
TZ (n=7393)
PZ/WZ (n=1113)
RF (n=2431)
NurInternet (n=2134)
Komplementärbeziehungen zwischen Journalismus und Weblogs Weblogs und Journalismus ergänzen sich und 39,3 50,0 51,6 50,0 konkurrieren nicht. (Cramer-V=0,124) In Weblogs findet die Kommunikation des Publikums über die Berichterstattung der 28,6 23,1 25,0 40,0 Massenmedien statt. (Cramer-V=0,168) Die Machtverteilung zwischen Journalismus und Publikum ändert sich durch Weblogs zugunsten 7,8 16,7 22,2 24,1 des Publikums. (Cramer-V=0,173) Weblogs fördern durch ihre Medienkritik die 8,5 27,3 10,7 18,5 journalistische Qualität. (Cramer-V=0,178) Der Grund für die rasche Ausbreitung des Bloggens ist die Berichterstattung in Presse und 16,0 23,1 21,4 9,7 Rundfunk. (Cramer-V=0,089) Journalismus liefert Orientierung über die Blogosphäre und übt Kritik an ihr. 7,9 8,3 7,4 9,5 (Cramer-V=0,066) Komplementärbeziehungen zwischen Journalismus und Nutzerplattformen Nutzerplattformen und Journalismus ergänzen 50,5 69,2 56,7 61,3 sich und konkurrieren nicht. (Cramer-V=0,131) Komplementärbeziehungen zwischen Journalismus und Suchmaschinen Suchmaschinen führen dazu, dass im Journalismus generell mehr recherchiert wird, 48,9 33,3 25,8 50,0 weil sie die Recherche erleichtern. (Cramer-V=0,177) Suchmaschinen verleiten Journalisten dazu, auf aufwändigere und besser geeignete Recherche22,6 53,8 41,9 47,1 wege zu verzichten. (Cramer-V=0,183)
gesamt (n=136 -171)
44,7 29,7 14,5 12,2 16,3 8,1
55,2
43,8
33,3
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Dreistufige Skala. Nicht dargestellt sind die Ausprägungen „trifft etwas zu“ und „trifft gar nicht zu“. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
290
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
An der Befragung nahmen auch fünf Vertreter von Nachrichtensuchmaschinen teil (von zwölf Anbietern, die angeschrieben worden waren). Dabei handelte es sich in allen fünf Fällen um Suchmaschinen, die vollständig automatisch Nachrichten erfassen und anzeigen. Sie werten zwischen 50 und 400 Quellen aus (MW=210, n=5) und zeigen zwischen 300 und 2.000 Nachrichten pro Tag an (MW=1.200, n=4). Die Frage, wie hoch der Anteil der Nutzer ist, der zumindest einen externen Link zu den angezeigten Nachrichten aufruft, konnten nur zwei Befragte beantworten: In einem Fall waren es 50% und mehr, im anderen Fall 10 bis unter 20%. Auf welche Quellen greifen die Suchmaschinen zurück? Fünfmal war die „hohe Reichweite“, viermal das „hohe Ansehen“ ein Auswahlkriterium. Dreimal wurde offen die Aktualität genannt. Ausgeschlossen werden PR- und Werbemitteilungen (ja: 2, nein: 1), Mitteilungen politischer Gruppierungen (ja: 4, nein: 1) und staatlicher Einrichtungen (ja: 3, nein: 2) sowie Weblog-Postings (ja: 2, nein: 3). Auch zu den Komplementärbeziehungen können wieder einige Befunde aus der Sicht der acht befragten Blogger ergänzt werden: Fünf von ihnen sagten, dass journalistische Redaktionen „mehrfach“ aus ihrem Weblog zitiert hatten. Drei hatten dies noch „nie“ erlebt. Wie beziehen sich umgekehrt Weblogs auf den Journalismus? Dafür wurden mehrere Vorgaben gemacht: Blogger orientieren über interessante journalistische Beiträge („häufig“: 6, „selten“: 2), kommentieren Themen („häufig“: 5, „selten“: 1, „nie“: 2), ergänzen Beiträge um weitere Informationen („häufig“: 3, „selten“: 4, „nie“: 1), korrigieren Fehler („häufig“: 1, „selten“: 5, „nie“: 2) oder kritisieren einseitige Darstellungen („häufig“: 1, „selten“: 6, „nie“: 1). 5 Fazit Die Anbieterbefragung sollte Anhaltspunkte dafür liefern, in welchem Verhältnis Profession, Partizipation und Technik in der aktuellen Internetöffentlichkeit stehen. Dabei wurden die drei Beziehungstypen Konkurrenz, Integration und Komplementarität unterschieden. x Konkurrenz: Eine Bedrohung für den Journalismus wird eher auf dem Werbe- als auf dem Publikumsmarkt gesehen. Die Auffassungen darüber sind geteilt, ob Weblogs zum Journalismus zu rechnen sind und damit eine Konkurrenz darstellen. Eine journalistische Leistung wird unter den Weblogs vor allem bildblog.de zugeschrieben, ein Angebot, das von professionellen Journalisten betrieben wird. Oft nehmen die befragten Redaktionsleiter an, dass sich Blogger selbst als Journalisten betrachten und vermuten, dass Journalisten in Bloggern eine Konkurrenz sehen. Unter den Redaktionsleitern herrscht
Profession, Partizipation, Technik
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Skepsis darüber, dass Blogger durch wechselseitige Kritik ihre Qualität sichern können, eher wird diese Fähigkeit kollaborativen Nutzerplattformen zugeschrieben. Von Suchmaschinen geht zwar bei der Informationsselektion keine Verdrängungsgefahr für den Journalismus aus, so die einhellige Auffassung, sie werden aber auf dem Werbemarkt als Bedrohung wahrgenommen. Dass Marktgrenzen im Internet weiter gezogen werden als in den traditionellen Massenmedien, wird daran erkennbar, dass weniger als die Hälfte der wichtigsten Konkurrenten, die von den Befragten genannt wurden, typgleich waren. Traditionelle Merkmale des Journalismus werden von den Befragten eher dem Journalismus als Weblogs zugeschrieben (Neutralität, Richtigkeit, Glaubwürdigkeit, Kontinuität, Relevanz, Tiefe). Dagegen werden die Eigenheiten von Weblogs in der persönlichen Perspektive, dem leichten Zugang zum Autor, der Meinungsvielfalt und intensiven Diskussion, der externen Verlinkung zu Quellen und der Unterhaltsamkeit gesehen. Diese Profile stimmen mit den Ergebnissen früherer Befragungen von Journalisten und Bloggern überein, d. h., dass das Fremd- und Selbstbild klar konturiert ist und deutliche Unterschiede zwischen professionellem Journalismus und Weblogs aufweist. x Integration: Hier ging es um die Frage, in welchem Maße und mit welchen Folgen der professionelle Journalismus partizipative und technische Elemente integriert. Es gibt eine große Vielfalt an Beteiligungsmöglichkeiten, die differenziert abgefragt wurden. Bereits etwas mehr als die Hälfte der befragten Redaktionen verfügt über die Web 2.0-Anwendungen Weblog, Videoblog und/oder Podcast. Bisher sind es vor allem die Redakteure selbst, die bloggen oder podcasten; sie können darüber in einen engeren Kontakt mit ihrem Publikum treten, das ihre Postings kommentieren kann. Besonders die Internetredaktionen von Publikumzeitschriften und Wochenzeitungen sowie des Rundfunks nutzen diese Möglichkeit. Als Weblog-Schreiber können sich Nutzer dagegen selbst nur selten betätigen. Noch aufschlussreicher als das Format sind die konkreten Aktivitäten, die Nutzern erlaubt sind: Sie müssen sich weitgehend mit einer Rolle begnügen, die sie schon in den traditionellen Massenmedien besessen haben. Sie können nur das kommentieren, was die Redaktionen vorgegeben hat. Ihre Beteiligung am redaktionellen Produktionsprozess und ihre Möglichkeit, eigenständig zu publizieren, sind stark beschränkt, sieht man von der Möglichkeit ab, Fotos zu veröffentlichen. Auch die redaktionelle Betreuung der Nutzerbeteiligung ist noch zurückhaltend.
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Insgesamt entsteht der Eindruck, dass sich die Einbeziehung des Publikums noch im Anfangsstadium befindet und ausbaufähig ist. Welche Auswirkungen hat die Nutzerbeteiligung? Nach Einschätzung der Redaktionsleiter erhöht sie vor allem die Meinungsvielfalt; und sie trägt zur Reichweitensteigerung bei. Entgegen der oft geäußerten Vermutung entlastet das Publikum die Redaktionen nur in Ausnahmefällen. Weitaus öfter verursachen die aktiven Nutzer einen höheren Personalaufwand in den Redaktionen. x Komplementarität: Die befragten Redaktionsleiter sehen überwiegend eine komplementäre, keine konkurrierende Beziehung zwischen dem Journalismus und partizipativen Angeboten. Diese Komplementarität besteht im wechselseitigen Aufgreifen von Themen und der Kritik, die aneinander geübt wird. Eine Komplementärbeziehung zwischen Journalismus und Technik ist die Zuleitung von „Traffic“ durch Nachrichtensuchmaschinen, die für viele journalistische Websites eine große Bedeutung besitzt. Die Analyse der Beziehungsdimensionen zwischen Profession, Partizipation und Technik ergab für den Publikumsmarkt ein primär komplementäres Verhältnis. Dagegen herrscht auf dem Werbemarkt eher Konkurrenz, was vom professionellen Journalismus als gravierendes Problem wahrgenommen wird. Die Integration partizipativer Elemente ist für den Journalismus noch weitgehend ein Experimentierfeld. Abschließend stellt sich die Frage, wie fundamental der Wandel sein wird, der sich gegenwärtig im Internet vollzieht. Die befragten Redaktionsleiter wurden an zwei Stellen des Fragebogens um eine Gesamteinschätzung gebeten: Die Aussage „Die Bedeutung der Weblogs für die Öffentlichkeit wird gegenwärtig überschätzt“ erhielt bei ihnen eine große Zustimmung: Fast die Hälfte (48%, n=158, 3-stufige Skala) meinte, sie sei „in hohem Maße“ zutreffend, rund zwei Fünftel (42%) hielten sie für „etwas“ zutreffend. Negativ formuliert war dagegen das folgende Statement: „’Web 2.0’ ist ein Hype, der keine nachhaltigen Auswirkungen auf den Internetjournalismus hat.“ Auf der vierstufigen Skala überwogen mit rund 70% die ablehnenden Einschätzungen.38 Welchen Schluss lassen diese Antworten zu, die auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen? Trotz der Übertreibungen, die momentan zu erleben sind, wird das „Web 2.0“ nicht nur eine Episode bleiben, sondern Veränderungen anstoßen, die längerfristig Bestand haben werden.
38 „trifft überhaupt nicht zu“: 35%, „weniger“: 36%, „überwiegend“: 24%, „voll und ganz“: 5%, n=161.
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„Googleisierung“ oder neue Quellen im Netz?
Anbieterbefragung III: Journalistische Recherche im Internet Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
1 Journalistische Recherche im Internet 1.1 Recherche im Journalismus
Der Journalismus kann sowohl aktiv als auch passiv an Informationen gelangen. Redaktionen sind passive Empfänger von Informationen, wenn sie PR-Mitteilungen oder Meldungen von Nachrichtenagenturen erhalten. Nur die aktive Informationsbeschaffung wird im Folgenden als „Recherche“ bezeichnet (vgl. Redelfs 2005; Machill/Beiler/Zenker 2008: 32-36). Viele Praxislehrbücher erläutern Recherchetechniken (vgl. z. B. Haller 2001; 2004; Mast 2004). Dagegen sind der Umfang und der Ertrag der Forschung bescheiden geblieben (vgl. Riefler 1992: 48). Redelfs (1996: 22) beklagt eine „’praktizistische Verkürzung’“ der Literatur zur Recherche, die sich allzu oft auf Appelle an die journalistischen Tugenden beschränkt und die Strukturen ausblendet, innerhalb derer die Recherche stattfindet. In seiner eigenen Studie über den investigativen Journalismus in den USA hat Redelfs deshalb die politisch-gesellschaftlichen, ökonomischen, rechtlich-normativen, journalistischprofessionellen und organisatorischen Rahmenbedingungen beleuchtet.1 Allerdings ist Redelfs darin – mit Ausnahme eines Exkurses über „Computer Assisted-Reporting“ – auf die technischen Randbedingungen nicht eingegangen. Sie stehen im Mittelpunkt, wenn der Frage nachgegangen wird, wie sich die journalistische Recherche im Internet wandelt. 1 Zu den im Vergleich mit den USA ungünstigen Rahmenbedingungen für Recherche in Deutschland vgl. Redelfs (2003).
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Generell sinkt die Zeit, die Journalisten für die Recherche zur Verfügung steht: Die repräsentative Journalistenbefragung „Journalismus in Deutschland II“ ergab einen Rückgang der Zeit, die ein Journalist durchschnittlich an einem Arbeitstag für die Recherche aufbringen kann, von 140 Minuten im Jahr 1993 auf nur noch 117 Minuten im Jahr 2005 (vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006a: 354). Dies ist vermutlich eine Folge der Ökonomisierung des Journalismus. Auch die Technisierung (vgl. Weischenberg/Altmeppen/Löffelholz 1994: 30-40) beeinflusst die Recherche: Mobilkommunikation erlaubt die rasche Übermittlung vom Ort des Geschehens in die Redaktion. Im „Computer Assisted-Reporting“ werden große Datensätze mit Hilfe des Computers unter journalistischen Gesichtspunkten ausgewertet (vgl. Garrison 1998; Redelfs 2001). Nun ist es das Internet, das die journalistische Recherche verändert. 1.2 Journalistische Recherche im Internet
Die Recherche im Internet hat in kurzer Zeit einen hohen Stellenwert im Journalismus gewonnen. Darauf deuten schon die vielen Lehrbücher und Fachaufsätze hin, in denen die Praxis der Internetrecherche behandelt wird (vgl. z. B. Wegner 1998; Blittkowsky 2002; Ludwig 2002: 193-199; Meier 2002; Spielkamp 2003; Haller 2004: 182-202; Mast 2004: 210-212; Lindemann 2008; message 2008). Darüber hinaus gibt es mehrere Befragungen, welche die Bedeutung der Internetrecherche nachweisen (vgl. den Forschungsüberblick bei Machill/Beiler/Zenker 2008: 38-53; Neuberger/Welker 2008: 21-26; als weitere Studien zur Internetrecherche vgl. Sparre 2008; Springer/Wolling 2008; Wyss/Keel 2008): x Die von Middleberg/Ross (2001: 6) von 1994 bis 2000 jährlich in den USA durchgeführten (nicht-repräsentativen) Befragungen zeigten bereits einen steil ansteigenden Anteil von Journalisten, der mindestens einmal am Tag im Internet recherchiert (1994: 17%, n= k. A., 2000: 81%, n=530). x Nach der repräsentativen Befragung „Journalismus in Deutschland II“ investierten Journalisten im Jahr 2005 durchschnittlich 66 Minuten pro Tag für die Online-Recherche (n= k. A.) (vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006b: 80, 268-270). Am meisten Zeit brachten dafür mit über zwei Stunden (136 Minuten, n=74) die Online-Journalisten auf. Deutlich weniger recherchierten die Vertreter der anderen Medien im Internet. Mit besonders niedrigen Werten fielen die Vertreter der Zeitungen (38 Minuten, n=544) und jene des Ressorts „Lokales/Regionales“ (36 Minuten, n=407) auf.
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x Eine nicht-repräsentative Journalistenbefragung von Machill/Beiler/Zenker (2008: 189-192) von Mai bis Juli 2007 ergab, dass Journalisten durchschnittlich 79 Minuten pro Tag (n=592) im Internet recherchieren, wobei auch hier Onlinejournalisten mit 119 Minuten (n= k. A.) im Medienvergleich den höchsten Wert erzielen. Weitere Befragungen, die speziell im Internetjournalismus durchgeführt wurden, belegen ebenfalls den hohen zeitlichen Aufwand, der für die Recherche im neuen Medium betrieben wird (vgl. Neuberger 2000: 317; Löffelholz/Quandt/Hanitzsch 2003: 482). Solche quantitativen Erhebungen zum Umfang der Internetrecherche lassen aber noch offen, wie und mit welchen Folgen Journalisten das neue Medium nutzen. Für eine genauere Analyse der Internetrecherche muss zunächst die Unterscheidung zwischen Quellen und Suchhilfen eingeführt werden: x Quellen können zum einen Akteure sein, die über relevante Informationen verfügen und (per E-Mail, telefonisch oder vor Ort) befragt werden können, zum anderen aber auch Dokumente, die derartige Informationen enthalten. Akteure, die sich aktiv als Quellen anbieten, haben meist ein Interesse an der Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit („Public Relations“). Falls sie dieses Interesse nicht besitzen oder nicht über die Ressourcen dafür verfügen, müssen Journalisten aktiv werden: Sie müssen sie identifizieren und dazu motivieren, Auskunft zu geben. x Journalisten können einen direkten Zugang zu ihnen bereits bekannten Quellen besitzen. Sie können aber auch einen Zugang zu Quellen über Suchhilfen bekommen. Diese Wegweiser helfen ihnen dabei, Quellen zu identifizieren und den Kontakt zu ihnen herzustellen. Solche Hinweise können z. B. von Journalistenkollegen aus der eigenen oder einer fremden Redaktion stammen, von Experten, aus einer Redaktionsdatenbank, einem gedruckten Verzeichnis (Telefonbuch, Oeckl etc.) oder aus Medienberichten. Für die Internetrecherche ergeben sich zahlreiche Fragen: Wie ändert sich der Umfang der Recherche? Wie beeinflusst die Internetrecherche die Qualität der Berichterstattung? Das heißt besonders: Welche Quellen nutzen Journalisten im Internet? Verdrängt das Internet andere, möglicherweise besser geeignete Quellen? Das Internet bietet neue Recherchemöglichkeiten: Es vereinfacht z. B. die Recherche in ausländischen Quellen. Durch den leichten kommunikativen Zugang zur Öffentlichkeit im Internet wachsen außerdem die Vielzahl und Vielfalt der Quellen. Partizipative Angebote wie Weblogs und Wikis, z. B. die Internet-Enzyklopädie
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Wikipedia, erweitern die Recherchemöglichkeiten auch qualitativ, weil deren Anbieter in der Regel keine anderen Publikationsmedien nutzen. Für ihre Informationen gibt es also häufig keine Zugangsalternativen. Zu den neuen Quellen gehören artikulationsschwache Interessengruppen, die sich (nur) im Internet öffentlich zu Wort melden können, und einfache Bürger, die Weblogs (vgl. Welker 2006; vgl. aus Praktikersicht: message 2008), Verbraucherportale und andere partizipative Formate nutzen. Darüber hinaus können über das Internet die Nutzer an der journalistischen Recherche beteiligt werden („Leserreporter“, „Open Source Reporting“) (vgl. Outing 2005; Online Journalism Review 2006). Der oft beklagte „Bias“ zugunsten organisierter und einflussreicher Akteure könnte sich dadurch verringern (vgl. z. B. Jonscher 1995: 279). Der Gebrauch partizipativer Angebote im Rahmen der Recherche zählt zu den Komplementärbeziehungen des professionellen Journalismus zum Internet (vgl. den Aufsatz „Internet, Journalismus und Öffentlichkeit“ in diesem Band). Vorliegende Studien belegen einen zurückhaltenden Gebrauch partizipativer Angebote als Recherchequellen im Journalismus:2 x Eine nicht-repräsentative Studie der dpa-Tochter news aktuell (2007) befasste sich im Mai 2007 damit, wie professionelle Journalisten mit dem so genannten „Web 2.0“ umgehen. Sie belegt, dass der Anteil der Journalisten, der typische „Web 2.0“-Anwendungen wie Weblogs oder Podcasts für die Recherche nutzt, eher gering zu veranschlagen ist: 52% der Befragten (n=1.195) nutzen Weblogs „gar nicht“ als journalistische Quelle, etwas weniger, nämlich 44% verzichten darauf, sie für die Themenfindung einzusetzen (vgl. ebd.: 3). Einen „häufigen“ Gebrauch bekundeten nur 3% (Quelle) bzw. 5% (Themenfindung). Podcasts fanden noch seltener Verwendung („gar nicht“: Themenfindung: 65%, Quelle: 72%). Die befragten Journalisten schätzten am ehesten die Vielfalt der Meinungen und die Möglichkeit der Ideenfindung in Weblogs, sie bemängelten vor allem die mangelnde Glaubwürdigkeit und die fehlenden journalistischen Standards (vgl. ebd.: 4).3 x Theismann (2007: 5) ermittelte im Juni/Juli 2007 in einer Befragung von Journalisten (n=294, nicht-repräsentativ), dass für 46% von ihnen Blogs „keine Relevanz“ im Arbeitsalltag haben („hohe Relevanz“: 4%). Bedeutsamer
2 Ältere Befunde zur journalistischen Weblog-Nutzung bei: Welker (2006). 3 Die Folgestudie im September 2008 (n=2.136) kam zum Ergebnis, dass für 51% der Befragten „Web 2.0“-Angebote für die journalistische Arbeit nur eine „geringe Relevanz“ besitzen (vgl. news aktuell/Faktenkontor 2008: 3).
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war die Nutzung der Internet-Enzyklopädie: Ihr maß ein Drittel (33%) eine „hohe Relevanz“ bei („keine Relevanz“: 6%). x Auch in der Journalistenbefragung von Machill/Beiler/Zenker (2008: 198) wurden „interaktive Formen (Chats, Blogs, Foren etc.)“ mit deutlicher Mehrheit als „unwichtig“ (41%, n=592) oder „weniger wichtig“ (40%) eingeschätzt. Auch ihre berufliche und private Nutzung war eher gering (Blogs: 29%, n=598; Podcasts: 24%, n=600) (vgl. ebd.: 200f.). Diese Ergebnisse sind ebenfalls nicht-repräsentativ. Das Internet umfasst nicht nur eine große Zahl an Quellen, sondern stellt auch Suchhilfen bereit. Neben Suchmaschinen (vgl. Neuberger 2005; Machill/Beiler 2007) gibt es im Internet auch noch eine Reihe weiterer Suchhilfen (vgl. Meier 2002), die in der Forschung bisher vernachlässigt worden sind. Das einfache Element des Hyperlinks wird vielfältig angebotsintern (Navigationsleisten, „Suchwolken“ etc.) und angebotsextern (Webverzeichnisse, Webringe etc.) zur Orientierung eingesetzt. Nutzer geben einander auf „Social Bookmarking“-Sites (vgl. Stegers 2007) und in Weblogs Tipps. RSS-Feeds als Push-Angebot selektieren nach festgelegten Präferenzen. Nicht nur im Internet, sondern auch in klassischen Medien werden Verweise auf Websites gegeben. Viele Suchhilfen werden auch speziell für Journalisten angeboten.4 Suchmaschinen sind sehr vielfältig einsetzbar: Sie können nicht nur zur Recherche, d. h. zur Suche nach Quellen im Internet (Fakten, Hintergrund) und außerhalb des Internets (Kontaktdaten für Experten, Hinweise auf gedruckte Quellen etc.) eingesetzt werden. Darüber hinaus können ihre Ergebnislisten auch der Einschätzung der Relevanz eines Themas oder Sachverhalts, der Prominenz von Akteuren sowie der Meinungsverteilung bei Streitfragen dienen. Außerdem werden (Nachrichten-)Suchmaschinen eingesetzt, um die Resonanz auf eigene Publikationen und die Berichterstattung anderer Medienangebote (Leitmedien, Konkurrenzmedien) zu beobachten.5 Allerdings ist Kompetenz erforderlich, um die Relevanzzuschreibung durch Ergebnislisten und die Zuverlässigkeit der aufgefundenen Quellen angemessen beurteilen zu können (vgl. Schetsche 2005).
4 Dazu gehören Linkverzeichnisse (powerreporting.com von Columbia Journalism Review, „Web Tips“ von Poynter online etc.) und Mailinglisten (wie CARR-L und jonet) (vgl. Meier 2002: 345354). Auf Plattformen wie newsaktuell.de werden Pressemitteilungen von Unternehmen gebündelt und vorsortiert zum Abruf bereitgestellt (vgl. Neuberger 2002: 414f.). Expertenmakler stellen über das Internet Kontakte zwischen Wissenschaftlern und Journalisten her (vgl. Meier 1997). 5 So ergab die Redaktionsbefragung von Bönisch (2006: 112), dass Google News nach Spiegel Online die höchste Reichweite aller journalistischen Internetangebote in den Redaktionen besitzt.
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Auch hier stellt sich die Frage nach den Auswirkungen auf den Umfang der Recherche und die Qualität ihrer Ergebnisse. Intensiv diskutiert wurde vor allem die These der „Googleisierung“ des Journalismus (vgl. Seifert 2003; Wegner 2005a, 2005b) (vgl. Abschnitt 5.3). Sie besagt im Kern, dass sich Journalisten im Wesentlichen auf die Verwendung der Suchmaschine Google beschränken und andere, auch besser geeignete Zugangswege vernachlässigen, was sich negativ auf die Qualität niederschlägt (vgl. z. B. Leyendecker 2008).6 Bei diesen Suchhilfen stellt sich – ebenso wie bei den Quellen selbst – die Frage nach der Neutralität und Validität ihrer Ergebnisse (vgl. Neuberger/Karzauninkat 2003; Neuberger 2005: 6-10). Darüber hinaus besteht die Sorge, dass Suchmaschinen das Plagiieren fördern (vgl. Weber 2008). Was ist aus empirischen Studien über die journalistische Recherche mit Hilfe von Suchmaschinen bekannt? x Eine nicht-repräsentative Befragung von 701 Journalisten in Deutschland ergab im Jahr 2002, dass Suchmaschinen und Webkataloge die mit Abstand größte Bedeutung für die Onlinerecherche hatten (vgl. Striegler/Petersen/Papenfuß 2002: 15, 18): 92% der Befragten (n=701) bezeichneten sie als „sehr wichtig“ für ihre tägliche Arbeit. Überwiegend suchten die Journalisten Hintergrundinformationen, Nachrichten und Kontaktadressen im Netz. x Theismann (2007: 5) ermittelte 2007 nicht-repräsentativ, dass für 79% (n=294) der befragten Journalisten Google eine „hohe Relevanz“ für den Arbeitsalltag besitzt. x Die nicht-repräsentative Journalisten-Befragung von Machill/Beiler/Zenker (2008), ebenfalls 2007 durchgeführt, ergab, dass Google das mit Abstand wichtigste Internetangebot für die Arbeit von Journalisten ist. Eine offene Abfrage führte zum Befund, dass 75% der Befragten (n=601) Google zu den fünf wichtigsten Internetangeboten zählen. Danach folgten Spiegel Online (53%) und Wikipedia (37%). Mit weitem Abstand dahinter waren sueddeutsche.de (10%), tagesschau.de (10%) und bild.de (9%) platziert. Ein exploratives Experiment mit 48 Journalisten aus 16 Redaktionen ließ erkennen, dass die Suchmaschinenkompetenz der Probanden nur als mittelmäßig einzustufen ist. Zum einen wurden in der Regel nur wenige der von Google angezeigten Websites aufgerufen (die meist von der ersten Seite der Ergebnisliste stammten), zum anderen wurden bei einem Teil der Probanden Prob-
6 Die These konnte in der Studie von Sparre (2008: 26) nicht bestätigt werden, dagegen in jener von Wyss/Keel (2008).
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leme bei der Auswahl geeigneter Suchbegriffe und der Nutzung von Operatoren offengelegt. 2 Methodische Vorbemerkungen Im Folgenden werden die Ergebnisse zweier Redaktionsbefragungen vorgestellt, die im Rahmen des DFG-Projekts „Journalismus im Internet“ durchgeführt wurden. Die journalistische Internetrecherche wurde darin nicht in der gesamten Breite untersucht, sondern konzentrierte sich auf die neuen Recherchemöglichkeiten, nämlich auf den Gebrauch partizipativer Formate (Weblogs, Wikipedia) als Quellen und von (Nachrichten-)Suchmaschinen als Suchhilfen. Ausgeklammert werden damit z. B. Quellen aus dem Bereich der professionell durchgeführten „Public Relations“, also etwa „Corporate Websites“. PR im Internet wurden schon relativ häufig untersucht, außerdem erweitert das Internet lediglich das Repertoire der PRInstrumente. 2.1 Befragung von Nachrichtenredaktionen (2006)
Die erste der beiden Befragungen war als Vollerhebung der deutschen Nachrichtenredaktionen angelegt. Die Grundgesamtheit bildeten 218 Redaktionen. x Nachrichtenredaktionen wurden ausgewählt, weil dort mit einer relativ homogenen Recherchesituation gerechnet werden kann, was Produktionszeiten (Tagesaktualität), Darstellungsformen (Dominanz der Nachrichtenform) und Berichterstattungsmuster („Informationsjournalismus“) betrifft. Nachrichtenredaktionen sind thematisch universell ausgerichtet, d. h., die besonderen Bedingungen einzelner Sparten kommen nur in geringem Maße zur Geltung. Es ist anzunehmen, dass ein hoher Zeitdruck herrscht und eher wenige Ressourcen für Eigenrecherchen verfügbar sind. x Notwendige Voraussetzungen für die Aufnahme in die Grundgesamtheit waren die tägliche Erscheinungsweise, die überregionale Verbreitung des Mediums sowie eine thematisch unbeschränkte Berichterstattung. Berücksichtigt wurden die Nachrichtenredaktionen von Tageszeitungen, Hörfunk und Fernsehen, außerdem Nachrichtenagenturen ohne Spezialisierung. Internetredaktionen wurden ausgeschlossen, sie wurden im Folgejahr 2007 befragt. Traditionelle Massenmedien wurden untersucht, um zu prüfen, wie internetferne Redaktionen mit dem Medium umgehen. x Die Befragung richtete sich an die Redaktionsleiter: Zum einen besitzen sie am ehesten einen Überblick über die Nutzung des Internets in der Redaktion. An
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vielen Stellen wurde ihnen allerdings die Option eröffnet, mit „kann ich nicht sagen“ zu antworten, da Fragen zu relativ neuen Phänomenen gestellt wurden, die für eine Redaktion nur eine geringe Bedeutung haben konnten und deshalb nur schwer beobachtbar waren. Außerdem wurden die Leiter der Internetredaktionen wiederholt danach gefragt, wie gut nach ihrer Einschätzung ihr Überblick ist. Zum anderen haben die Redaktionsleiter den größten Einfluss auf den Gebrauch des Mediums in der Redaktion und können diesen am ehesten regulieren. Mit einer Befragung einzelner Journalisten hätte das individuelle Rechercheverhalten zwar präziser abgefragt werden können, die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse wäre aber geringer gewesen. Darüber hinaus hätte die Organisationsdimension nicht berücksichtigt werden können. Die postalisch durchgeführte Befragung fand von Mai bis Juli 2006 statt. Nach Mahnaktionen, die telefonisch und per E-Mail durchgeführt wurden, konnte ein Rücklauf von 43% erzielt werden. Die Rücklaufquote unterscheidet sich zwischen den Teilgruppen kaum (vgl. Tab. 1), sodass eine Gesamtauswertung für alle Befragten zulässig erscheint. Tab. 1:
Grundgesamtheit und Rücklauf der Befragung der Redaktionsleiter von Nachrichtenredaktionen nach Medientyp (2006)
Ableger von traditionellen Medien
Grundgesamtheit
Tageszeitungen
Rücklauf
in %
133
55
Hörfunk
65
29
44,6
Fernsehen
13
6
46,2
Nachrichtenagenturen gesamt
41,3
7
3
42,9
218
93
42,7
2.2 Befragung von Internetredaktionen (2007)
Die zweite, ebenfalls als Vollerhebung angelegte Befragung der deutschen Internetredaktionen bildete das Kernstück des DFG-Projekts „Journalismus im Internet“. Der dabei verwendete Fragebogen enthielt auch Fragen zur Recherche. Sie stimmten weitgehend mit jenen überein, die der Fragebogen an die Nachrichtenredaktionen enthielt. Die Befragung wurde ebenfalls postalisch mit einem standardisierten Fragebogen durchgeführt. Der Erstversand erfolgte im Juni 2007. Nach Abschluss der Erinnerungsaktionen gingen bis Oktober 2007 183 verwertbare Fragebögen ein. Insgesamt wurde ein zufriedenstellender Rücklauf von 44% erzielt.
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Für eine kompaktere Darstellung werden im Folgenden die Ergebnisse für die Internetableger von Hörfunk und Fernsehen (abgekürzt: RF) (Rücklauf: 53%), Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen (PZ/WZ) (47%) sowie den Nur-Internetanbietern (Nur-Internet) (38%) gemeinsam ausgewiesen. Bei den Nur-Internetanbietern wurden die Nachrichtensuchmaschinen ausgeklammert.7 Die Differenzen beim Rücklauf zwischen den Teilgruppen sind so gering, dass auch hier eine Gesamtauswertung zulässig erscheint, also ein genereller Vergleich zwischen den Nachrichtenredaktionen der klassischen Massenmedien und ihrer Internetredaktionen. Tab. 2:
Grundgesamtheit und Rücklauf der Befragung der Redaktionsleiter von Internetredaktionen nach Anbietertyp (2007) Grundgesamtheit
Rücklauf
in %
Ableger von traditionellen Massenmedien Tageszeitungen
216
98
2
2
100
Publikumszeitschriften
28
12
42,9
Rundfunk
61
32
52,5
2
0
0
Professionelle Nur-Internetanbieter
36
17
47,2
Portale
35
6
17,1
Nachrichtensuchmaschinen
12
5
41,7
5
3
60,0
Weblogs
16
8
50,0
gesamt
413
183
44,3
Wochenzeitungen
Nachrichtenagenturen
45,4
Nur-Internetanbieter
Nutzerplattformen
2.3 Forschungsfragen
Untersucht wurde die Bedeutung von zwei Typen von Quellen (Weblogs und Wikipedia) und Suchhilfen (Suchmaschinen und Nachrichtensuchmaschinen). Für alle Typen wurden die Nutzungsintensität und die jeweiligen Nutzungsmotive erhoben. Für jeden Anbietertyp wurden darüber hinaus spezielle Fragen gestellt: Bei den Weblogs (vgl. Abschnitt 3) wurde ermittelt, welche Relevanz einzelne Angebote für die journalistische Recherche haben (vgl. Abschnitt 3.1) und wie ihre 7 Der Fragebogen der Nachrichtensuchmaschinen unterschied sich so wesentlich von den anderen Fragebögen, dass hier auf eine Darstellung der Ergebnisse verzichtet wird.
304
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
Eignung als Quelle eingeschätzt wird (vgl. Abschnitt 3.2). Im Fall der Wikipedia wurde die Zuverlässigkeit der Informationen erfragt (vgl. Abschnitt 4.2). Bei Suchmaschinen wurde geklärt, welchen Einfluss sie auf den Gesamtumfang der Recherche, die Nutzung anderer Suchhilfen (vgl. Abschnitt 5.3) und die Qualität der Berichterstattung haben (vgl. Abschnitt 5.4). Außerdem wurden die Nutzungskompetenz der Redaktionsmitglieder, die Kompetenzvermittlung und die Regulierung ihres Gebrauchs in den Redaktionen erfragt. Die Ergebnisse wurden, soweit dies möglich war, im Vergleich der beiden Befragungen dargestellt. Dabei konnten speziell auch die Vertreter der Tageszeitungen und des Rundfunks, die in beiden Befragungen berücksichtigt wurden, einander gegenübergestellt werden. Außerdem wurden rechercheschwache und recherchestarke Redaktionen miteinander verglichen.8 Darüber hinaus ließen sich bei den befragten Internetredaktionen Vergleiche zwischen den Anbietertypen, bei den Nachrichtenredaktionen zwischen den Medientypen ziehen. Es bot sich also eine Reihe von Vergleichsmöglichkeiten, wobei in der Ergebnisdarstellung aus Platzgründen nicht alle, sondern nur auffällige Befunde erwähnt werden. Falls signifikante Unterschiede festgestellt wurden, so wird darauf stets ausdrücklich hingewiesen, d. h., andere erwähnte Ergebnisse sind nicht-signifikant. 3 Weblogs 3.1 Nutzung von Weblogs als Quelle
Weblogs waren zum Zeitpunkt der beiden Befragungen ein noch relativ junges Phänomen.9 Deshalb konnte nicht unterstellt werden, dass sie bereits in größerem Umfang in den Redaktionen als Quelle genutzt werden. Eine marginale Nutzung lässt sich aber nur schwer beobachten. Deshalb wurden die Redaktionsleiter der Internetredaktionen ausdrücklich danach gefragt, wie gut sie einschätzen können, ob Mitglieder ihrer Redaktion Weblogs lesen: 57% der Befragten (n=158) gaben an, dass ihr Überblick darüber „schlecht“ sei. (Den Nachrichtenredaktionsleitern wurden Fragen nach dem Überblick grundsätzlich nicht gestellt.) Die Befunde
8 Nachrichtenredaktionen wurden dann als „recherchestark“ eingestuft, wenn sie 25 bis 100% ihrer Beiträge vollständig selbst recherchieren. In der Befragung der Internetredaktionen wurde nicht der Anteil der vollständig selbst recherchierten Beiträge erhoben, sondern der Anteil der Beiträge, der von der eigenen Redaktion exklusiv für das Internet geschrieben wird. Liegt dieser Anteil zwischen 25 und 100%, wird von einer „recherchestarken“ Internetredaktion ausgegangen. 9 Als Recherchequelle gewinnt inzwischen offenbar auch der Microblogging-Dienst Twitter an Bedeutung (vgl. Lüke 2009).
„Googleisierung“ oder neue Quellen im Netz?
305
müssen also insgesamt zurückhaltend interpretiert werden. Die Befragten hatten jeweils auch die Möglichkeit, bei Einzelfragen mit „kann ich nicht sagen“ zu antworten. In über der Hälfte (59%) der befragten Nachrichtenredaktionen werden Weblogs nicht für die Arbeit genutzt (vgl. Tab. 3). Auch in den übrigen Redaktionen verwenden nur einzelne Mitarbeiter Weblogs: In rund einem Drittel der Fälle nutzt weniger als ein Viertel der Redaktionsmitglieder Weblogs. In lediglich sechs Fällen greifen bereits mehr Journalisten darauf zurück. Tab. 3:
Anteil der Redaktionsmitglieder von Nachrichten- und Internetredaktionen, der Weblogs im Rahmen der Arbeit liest/nutzt (Befragung der Redaktionsleiter)
Lesen Mitglieder Ihrer Redaktion für ihre Arbeit Weblogs?*
in Nachrichtenredaktionen (2006, n=90) abs.
in %
in Internetredaktionen (2007, n=131) abs.
in %
keiner
53
58,9
31
23,7
<25%
31
34,4
60
45,8
<50%
4
4,4
24
18,3
<75%
2
2,2
9
6,9
bis 100%
0
0
7
5,3
Cramer-V=0,394, p<0,001. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt. * Im Fragebogen für die Redaktionsleiter von Nachrichtenredaktionen wurde abweichend gefragt: „Nutzen Mitglieder Ihrer Nachrichtenredaktion für ihre Arbeit Weblogs?“
In den Internetredaktionen werden Weblogs häufiger gelesen als in den Nachrichtenredaktionen: Der Anteil der Redaktionen, in denen kein Redaktionsmitglied Weblogs liest, liegt hier nur bei knapp einem Viertel. In 31% der Redaktionen liest mindestens jeder vierte Mitarbeiter Weblogs. Bei den Nachrichtenredaktionen trifft dies nur auf 7% der befragten Anbieter zu. Der Vergleich nach Anbietertypen zeigt, dass bei Tageszeitungen Internetredaktionen häufiger auf Weblogs zurückgreifen als Nachrichtenredaktionen (Phi=0,299, p<0,01). In den Nachrichtenredaktionen von Tageszeitungen werden sie in 59% (n=53) der Fälle nicht für die Arbeit genutzt, in den Internetredaktionen dagegen nur in 29% der Fälle (vgl. Tab. 4). Die Nachrichtenredaktionen von Rundfunkanbietern (n=34) sind bei der Nutzung von Weblogs ebenfalls zurückhaltender (Phi=0,458, p<0,01): 59% gaben an, Weblogs nicht für ihre Arbeit zu nutzen, bei den Internetredaktionen der Rundfunkanbieter sind dies nur 13%. Auch im Bereich der Nur-Internetanbieter herrscht eine gewisse Skepsis: Zur Nutzung von Weblogs wurden sowohl professionell-journalistische Internetanbieter als auch
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
306
Portale befragt: 29% gaben an, Weblogs nicht für ihre Arbeit zu lesen. Recherchestarke Nachrichtenredaktionen nutzen etwas häufiger Weblogs (51%, n=37) als rechercheschwache Redaktionen (35%, n=52).10 Tab. 4:
Anteil der Redaktionsmitglieder nach Anbietertyp, der Weblogs im Rahmen der Arbeit liest (Angaben in %, Befragung von Internetredaktionen, 2007)
keiner
28,6
0
13,0
NurInternet (n=21) 28,6
<25%
50,6
40,0
43,5
33,3
45,8
<50%
16,9
20,0
30,4
9,5
18,3
<75%
1,3
30,0
13,0
9,5
6,9
bis 100%
2,6
10,0
0
19,0
5,3
Lesen Mitglieder Ihrer Redaktion für ihre Arbeit Weblogs?
TZ (n=77)
PZ/WZ (n=10)
RF (n=23)
Gesamt (n=131) 23,7
Cramer-V=0,282, p<0,01. Die Gruppe der Nur-Internetanbieter umfasst nur professionell-journalistische Anbieter und Portale. Vierstufige Skala. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
Tab. 5:
Lesehäufigkeit von Weblogs bei Redaktionsmitgliedern von Nachrichten- und Internetredaktionen, die Weblogs im Rahmen der Arbeit lesen/nutzen (Befragung der Redaktionsleiter)
Wie oft lesen Redaktionsmitglieder Weblogs?
in Nachrichtenredaktionen (2006, n=28) abs.
in %
in Internetredaktionen (2007, n=71) abs.
in %
selten
22
78,6
33
46,5
häufig
6
21,4
38
53,5
Phi=0,291, p<0,01. Einbezogen waren nur jene Anbieter, die Weblogs nutzen. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
Weblogs werden in Internetredaktionen insgesamt eher „häufig“ als in Nachrichtenredaktionen gelesen (vgl. Tab. 5). Besonders Internetredaktionen von Rundfunkanbietern rezipieren häufiger Weblogs als ihre Kollegen in den Nachrichtenredaktionen (vgl. Tab. 6). In den Redaktionen von Tageszeitungen liest dagegen in beiden untersuchten Typen eine Mehrheit nur „selten“ Blogs. Ein ergänzender Blick auf die Anbietertypen in der Befragung der Internetredaktionen zeigt, dass
10 Es überrascht wenig, dass dort, wo Weblogs intensiv genutzt werden, die Redaktionsleiter dies auch eher wahrnehmen: Die Befragten, die ihren Überblick darüber, wie Mitglieder ihrer Redaktion in Weblogs lesen, als „gut“ oder „sehr gut“ einschätzen (n=68), gaben zu 50% an, dass ein Anteil von 25 bis 100% ihrer Redakteure Weblogs liest. Redaktionsleiter mit schlechtem Überblick (n=60) gaben dies nur zu 10% an (Kendall’s tau-c=0,403, p<0,001). Hier dominierte (60%) die Auskunft, dass, falls die Mitarbeiter lesen, deren Anteil in der Redaktion unter 25% liegt.
„Googleisierung“ oder neue Quellen im Netz?
307
die Redaktionsmitglieder in Internetredaktionen von Publikumszeitschriften (83%, n=6) und Rundfunksendern (75%, n=12) vergleichsweise „häufig“ Weblogs nutzen. Bei Nur-Internetanbietern (58%, n=12) geschieht dies dagegen überwiegend „selten“. Tab. 6:
Lesehäufigkeit von Weblogs bei Redaktionsmitgliedern von Nachrichten- und Internetredaktionen, die Weblogs im Rahmen der Arbeit lesen/nutzen (Angaben in %, Befragung der Redaktionsleiter)
Wie oft lesen Redaktionsmitglieder Weblogs?
in Nachrichtenredaktionen (2006) TZ (n=18)
RF (n=9)
in Internetredaktionen (2007) TZ (n=39)
RF (n=12)
selten
72,2
88,9
53,8
25,0
häufig
27,8
11,1
46,2
75,0
Für TZ: Phi=0,174, nicht-signifikant; für RF: Phi=0,633, p<0,01. Einbezogen waren nur jene Anbieter, die Weblogs nutzen. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
Welche Motive haben die Redaktionen, die Weblogs nutzen? Weblogs werden in den befragten Nachrichtenredaktionen vor allem als Inspirationsquelle verwendet (vgl. Tab. 7): Mehr als zwei Fünftel der Redaktionsleiter, deren Redaktionen Weblogs nutzen, gaben an, dass ihre Redaktionsmitglieder dort „häufig“ Themenideen finden (42%). Knapp die Hälfte (49%) sagte, dass dies „selten“ geschieht. Auch in den Internetredaktionen sind Themenideen ein oft genanntes Motiv („häufig“: 35%). Die höhere Internetaffinität dieser Redaktionen könnte ein Grund dafür sein, dass hier vor allem Weblogs als Phänomen beobachtet werden (46%). Die Auffassungen darüber, ob aus Weblogs auch Fakten über ein aktuelles Ereignis bezogen werden können, sind geteilt: 45% der Leiter von Nachrichtenredaktionen gaben an, dass dies bei ihnen „nie“ geschieht. Bei fast einem Drittel (31%) von ihnen passiert dies jedoch „häufig“. Internetredaktionen suchen im Vergleich zu Nachrichtenredaktionen signifikant seltener Fakten in Weblogs. Nachrichtenredaktionen suchen auch öfter nach Augenzeugenberichten im Internet. Daraus kann geschlossen werden, dass Nachrichtenredaktionen eher als Internetredaktionen bereit sind, den Informationen in Weblogs zu vertrauen. Weitere signifikante Unterschiede zwischen den Nachrichten- und Internetredaktionen bestehen bei der Suche nach Pro- und Contra-Argumenten sowie der Beobachtung der Meinungsverteilung zu einer Streitfrage: Internetredaktionen verschaffen sich in Weblogs eher einen Überblick über Konflikte, was daran liegen könnte, dass Nachrichtenredaktionen auf eigene Kommentare verzichten müssen. Internetredaktionen prüfen auch eher die Resonanz auf die eigene Berichterstat-
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
308
tung in Weblogs; hier besteht allerdings kein signifikanter Unterschied. Vergleichsweise selten werden in beiden Redaktionstypen Augenzeugen- und Insiderberichte aus Weblogs übernommen. Augenzeugenberichte bilden für zwei Fünftel der befragten Internetredaktionen (39%) sogar „nie“ ein Suchmotiv in Weblogs. Vermutlich begeben sich nur ausnahmsweise, nämlich bei extremen (Negativ-)Ereignissen Redaktionen gezielt auf die Suche nach solchen Schilderungen aus „erster Hand“. Tab. 7:
Suchziele in Weblogs bei Redaktionsmitgliedern aus Nachrichten- und Internetredaktionen, die Weblogs im Rahmen der Arbeit lesen/nutzen (Angaben in %, Befragung der Redaktionsleiter)
Was suchen die Mitglieder Ihrer Redaktion in Weblogs? Themenideen (n=33/n=87) Fakten über ein aktuelles Ereignis (n=29/n=81) (Cramer-V=0,293)** Beobachtung von Weblogs als Phänomen (n=32/n=85) Berichte von Augenzeugen, die zitiert werden können (n=33/n=83) (Cramer-V=0,228)* Hintergrundwissen zu einem Thema (n=34/n=84) Kritik an Unternehmen, Parteien etc., die aufgegriffen werden kann (n=32/n=86) Pro- und Contra-Argumente zu einer Streitfrage (n=35/n=87) (Cramer-V=0,241)* Resonanz auf die eigene Berichterstattung (n=29/n=81) Insiderberichte, die zitiert werden können (n=31/n=84) Meinungsverteilung zu einer Streitfrage (n=31/n=87) (Cramer-V=0,292)**
in Nachrichtenredaktionen (2006) nie
in Internetredaktionen (2007)
häufig
selten
häufig
selten
nie
42,4
48,5
9,1
34,5
47,1
18,4
31,0
24,1
44,8
14,8
56,8
28,4
28,1
46,9
25,0
45,9
37,6
16,5
18,2
66,7
15,2
14,5
47,0
38,6
17,6
47,1
35,3
23,8
52,4
23,8
15,6
43,8
40,6
19,8
50,0
30,2
14,3
54,3
31,4
32,2
54,0
13,8
13,8
44,8
41,4
32,1
40,7
27,2
12,9
51,6
35,5
15,5
50,0
34,5
12,9
32,3
54,8
37,9
35,6
26,4
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Einbezogen waren nur jene Anbieter, die Weblogs nutzen. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
Kritik an Unternehmen und Parteien in Weblogs wird nur von einer Minderheit der befragten Redaktionen „häufig“ gesucht. Allerdings geschieht dies in der Mehrheit der Nachrichten- und Internetredaktionen zumindest „selten“, sodass solche Kritik die Chance hat, wenigstens punktuell vom Journalismus übernommen und verstärkt zu werden. Skandalisierenden Informationen, die ihren Ausgangspunkt in Weblogs hatten, ist bereits mehrfach der Sprung in die klassischen Medien gelun-
„Googleisierung“ oder neue Quellen im Netz?
309
gen, in einigen Fällen auch in Deutschland (vgl. z. B. Zerfaß/Boelter 2005: 92-100; Fischer 2006; Rademaker 2008). Nachrichtenredakteure von Tageszeitungen gehen – verglichen mit ihren Kollegen aus der Internetredaktion – oft auf Themensuche in Weblogs (vgl. Tab. 8). Auch nach Augenzeugenberichten wird in den Nachrichtenredaktionen der Tagespresse eher „häufig“ gesucht. Tab. 8:
Suchziele in Weblogs bei Redaktionsmitgliedern aus Nachrichten- und Internetredaktionen ausgewählter Anbietertypen, die Weblogs im Rahmen der Arbeit lesen/nutzen (nur Antwort „häufig“, Angaben in %, Befragung der Redaktionsleiter)
Was suchen die Mitglieder Ihrer Redaktion in Weblogs? Themenideen
in Nachrichtenredaktionen (2006) TZ RF (n=16-21) (n=11-14) 60,0 16,7
in Internetredaktionen (2007) TZ RF (n=45-48) (n=15-19) 37,5 33,3
Fakten über ein aktuelles Ereignis Beobachtung von Weblogs als Phänomen (RF: Cramer-V=0,477)* Berichte von Augenzeugen, die zitiert werden können (TZ: Cramer-V=0,393)** Hintergrundwissen zu einem Thema Kritik an Unternehmen, Parteien etc., die aufgegriffen werden kann Pro- und Contra-Argumente zu einer Streitfrage Resonanz auf die eigene Berichterstattung (RF: Cramer-V=0,648)** Insiderberichte, die zitiert werden können
25,0
41,7
19,6
12,5
44,4
7,7
40,0
47,1
21,1
15,4
11,1
17,6
19,0
16,7
26,1
23,5
25,0
0
23,4
5,6
20,0
7,1
39,1
31,6
12,5
8,3
26,7
46,7
21,1
0
8,7
23,5
Meinungsverteilung zu einer Streitfrage
15,8
9,1
44,7
44,4
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Einbezogen waren nur jene Anbieter, die Weblogs nutzen. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
Das Recherchemotiv „Resonanz auf die eigene Berichterstattung“ spielt in den Internetredaktionen von Hörfunk und Fernsehen deutlich häufiger eine Rolle als in Nachrichtenredaktionen. Auch die Meinungsverteilung zu einer Streitfrage wird mit Hilfe von Weblogs im Rundfunkbereich öfter in Internet- als in Nachrichtenredaktionen erhellt. Zwischen den vier Anbietertypen innerhalb der Befragung der Internetredaktionen besteht ein signifikanter Unterschied nur hinsichtlich der Suche nach Insiderberichten (Cramer-V=0,284, p<0,05). Nur-Internetanbieter gaben in zwei Fünftel (39%, n=13) der Fälle an, dass sie danach „häufig“ suchen. Bei Tageszeitungen geschieht dies dagegen deutlich seltener (9%).
310
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
Nach Wegner (zitiert nach: Turi 2006: 20) kann man in Weblogs das Heranreifen von Themen beobachten: „Ich überfliege jeden Tag so um die 500 Feeds in meinem Online-Reader. Oft sieht man im Netz regelrechte Themen-Wellen heranrollen, die sich manchmal erst Wochen später in den klassischen Medien niederschlagen. Hier droht eine neue digitale Spaltung: Journalisten, die solche Quellen nicht nutzen, verlieren womöglich irgendwann den Anschluss.“
Außerdem empfiehlt der Chefredakteur von Focus Online Journalisten, ein eigenes Weblog zu betreiben: „Nicht wegen der absoluten Reichweite, die wird meist gering sein. Aber wer ein Blog über sein eigenes Themengebiet betreibt, wird fast automatisch mit den relevanten Leuten dieses Gebiets vernetzt.“ (ebd.) Werden Zitate und Meinungen aus Weblogs übernommen? Etwa die Hälfte der befragten Nachrichtenredaktionsleiter (n=87) gab an, Informationen und Meinungen aus Weblogs mehr als einmal zitiert zu haben (51%). (Die Internetredaktionen wurden danach nicht gefragt.) Von welchen Weblogs profitieren die Redaktionen bei ihrer Arbeit am meisten? Den Nachrichtenredaktionsleitern wurde offen die Frage gestellt: „Welche Blogs haben für die journalistische Arbeit den höchsten Wert?“ Sie sollten in einer Rangfolge, abgestuft nach ihrer Qualität, drei Weblogs nennen. 22 Redaktionsleiter gaben hier mindestens ein Angebot an; insgesamt wurden 47 Namen eingetragen, von denen allerdings nicht alle Weblogs bezeichnen.11 Zwölf Nennungen entfallen auf bildblog.de, davon elf an erster Stelle (50%, n=22 Befragte). Hier stellt sich allerdings die Frage, wie – neben einer generellen Wertschätzung – bildblog.de für die redaktionelle Arbeit verwertet werden kann. Dreimal verwiesen die Befragten auf die Weblogs der Wochenzeitung Die Zeit. Alle anderen Weblogs wurden nur ein- oder zweimal erwähnt. In der Befragung der Internetredaktionen wurden die Redaktionsleiter gebeten, jene drei Weblogs anzugeben, die in der Redaktion am meisten gelesen werden, und zwar in der Reihenfolge ihrer Nutzung.12 Auch hier steht bildblog.de an der Spitze der Liste: Es kommt insgesamt auf die größte Zahl von Nennungen (abs. 25) und ist auch am häufigsten das meistgenutzte Weblog einer Redaktion (22, 45%, 11 Es tauchen (je einmal) auch die Namen von Suchmaschinen (google.de, yahoo.de), kollaborativen Websites (de.wikipedia.org, newsvine.com, ohmynews.com) und redaktionellen Websites (telepolis.de, politik-digital.de) auf. Die Nennung dieser Angebote lässt eine Unsicherheit der Nachrichtenredaktionsleiter über die genaue Definition des „Weblogs“ erkennen. 12 49 Redaktionsleiter gaben hier mindestens ein Weblog an, welches am häufigsten in der Redaktion gelesen wird. 27 Redaktionsleiter nannten auch das am zweithäufigsten gelesene Blog. Lediglich zwölf Redaktionsleiter gaben ein am dritthäufigsten gelesenes Blog an. Insgesamt wurden 88 gültige Nennungen erfasst. In sieben weiteren Fällen wurde kein konkretes Weblog und zweimal die Weblog-Suchmaschine technorati.com benannt.
„Googleisierung“ oder neue Quellen im Netz?
311
n=49). Wiederholt genannt wurden außerdem spreeblick.com, stefanniggemeier.de (jeweils 5), blog.tagesschau.de (4) und das Weblog Indiskretion Ehrensache (3) (blog.handelsblatt.de/indiskretion). Es fällt auf, dass im Unterschied zur Befragung der Nachrichtenredaktionsleiter die Leiter von Internetredaktionen fast keine Angebote nannten, die nicht zum Format „Weblog“ zu zählen sind. Sie scheinen über bessere Kenntnisse darüber zu verfügen. 3.2 Bewertung von Weblogs im Hinblick auf ihre Eignung als Quelle
Die journalistische Recherche mit Hilfe von Weblogs ist nur eine mögliche Beziehung zwischen Journalismus und Weblogs. Tab. 9:
Einschätzungen von Nachrichten- und Internetredaktionen zu Aussagen, die die Eignung von Weblogs als Quelle betreffen (Angaben in %, Befragung der Redaktionsleiter)
In welchem Maße treffen nach Ihrer Einschätzung die folgenden Aussagen zu? In Weblogs findet die Kommunikation des Publikums über die Berichterstattung der Massenmedien statt. (n=77/n=155) Durch die wechselseitige Kontrolle der Blogger gelingt es, Einseitigkeiten in der Blogosphäre zu vermeiden. (n=141) Durch die wechselseitige Kontrolle der Blogger gelingt es in der Blogosphäre, Informationen kontinuierlich auf ihre Richtigkeit zu prüfen. (n=138) Weblogs fördern durch ihre Medienkritik die journalistische Qualität. (n=76/148) Weblogs verstoßen gegen journalistische Normen. (n=68) Blogger sind Quellen, die der Journalismus nutzen kann. (n=76) Weblogs finden keine eigenen Themen, sondern übernehmen Themen der Massenmedien. (n=77) Weblogs sind ohne Bedeutung, weil dort keine journalistisch relevanten Themen behandelt werden. (n=76) Weblogs haben nichts mit Journalismus zu tun. (n=78/n=163) (Cramer-V=0,298)*** Weblogs sind eine neue Art von Journalismus. (n=75/n=163) (Cramer-V=0,280)***
in Nachrichtenredaktionen (2006) trifft in trifft hohem etwas zu Maße zu
in Internetredaktionen (2007) trifft in trifft hohem etwas zu Maße zu
31,2
61,0
29,7
63,9
-
-
10,6
48,9
-
-
17,4
52,2
9,2
48,7
12,2
55,4
41,2
48,5
-
-
23,7
56,6
-
-
13,0
51,9
-
-
13,2
43,4
-
-
52,6
37,2
25,2
44,2
8,0
34,7
12,3
59,5
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Ergibt die Summe beider Antwortmöglichkeiten je Redaktion nicht 100%, so entfällt die Differenz auf die Antwort „trifft gar nicht zu“. Diese Antwort wurde nicht gesondert ausgewiesen. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
312
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
Das Verhältnis ist vielfältiger, wobei sich grundsätzlich die Frage stellt, ob das Verhältnis eher durch Konkurrenz oder durch Komplementarität geprägt ist. Die Diskussion darüber wird an dieser Stelle nicht weiter verfolgt (vgl. den Aufsatz „Internet, Journalismus und Öffentlichkeit“ in diesem Band). Hier werden lediglich solche Ergebnisse vorgestellt, die sich auf die Einschätzung von Weblogs als journalistische Quellen beziehen (vgl. Tab. 9). Hier zeigt sich unter den Leitern der Internetredaktionen eine große Skepsis im Hinblick auf die Qualitätssicherung in der „Blogosphäre“. Nur eingeschränkte Zustimmung in den Nachrichten-redaktionen fand auch die Aussage, dass Blogger Quellen sind, „die der Journalismus nutzen kann“.13 4 Wikipedia 4.1 Nutzung von Wikipedia
Die Redaktionsleiter von Internetredaktionen besitzen einen besseren Überblick darüber, wer die Wikipedia in der eigenen Redaktion liest, verglichen mit der Weblognutzung: 51% der Befragten (n=154) hielten den eigenen Überblick für „gut“ und 15% der Befragten sogar für „sehr gut“. Ein Drittel der Befragten (34%) schätzte den eigenen Überblick dagegen als „schlecht“ ein. Tab. 10: Anteil der Redaktionsmitglieder in Nachrichten- und Internetredaktionen, der die Wikipedia im Rahmen der Arbeit liest (Angaben in %, Befragung der Redaktionsleiter) Lesen* Mitglieder Ihrer Redaktion für ihre Arbeit Wikipedia?
in Nachrichtenredaktionen (2006, n=90) abs.
in %
in Internetredaktionen (2007, n=145) abs.
in %
keiner
4
4,4
2
1,4
<25%
26
28,9
29
20,0
<50%
22
24,4
44
30,3
<75%
27
30,0
33
22,8
bis 100%
11
12,2
37
25,5
Cramer-V=0,212, p<0,05. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt. * Im Fragebogen für die Redaktionsleiter von Nachrichtenredaktionen wurde abweichend gefragt: „Nutzen Mitglieder Ihrer Nachrichtenredaktion für ihre Arbeit die Internet-Enzyklopädie Wikipedia?“
13 Gestützt wird der Befund durch das Ergebnis einer Befragung von Journalisten der Bundespressekonferenz im April 2007. Sie lehnten die Aussage überwiegend ab, dass Weblogs ihnen als Inspirations- und Informationsquelle dienen (vgl. Holler/Vollnhals/Faas 2008: 107).
„Googleisierung“ oder neue Quellen im Netz?
313
Während Weblogs noch kaum als Recherchequelle genutzt werden, greifen bereits fast alle befragten Redaktionen auf die Internet-Enzyklopädie Wikipedia zurück (vgl. Tab. 10). In Internetredaktionen ist die Nutzung weiter verbreitet als in Nachrichtenredaktionen. Welche Unterschiede lassen sich im Internet zwischen den Anbietertypen erkennen (vgl. Tab. 11)? Tab. 11: Anteil der Redaktionsmitglieder nach Anbietertypen, der Wikipedia im Rahmen der Arbeit liest (Angaben in %, Befragung von Internetredaktionen, 2007)
keiner
1,2
0
0
NurInternet (n=21) 4,8
<25%
23,8
16,7
17,9
9,5
<50%
33,3
8,3
39,3
19,0
30,3
<75%
28,6
25,0
10,7
14,3
22,8
bis 100%
13,1
50,0
32,1
52,4
25,5
Lesen Mitglieder Ihrer Redaktion für ihre Arbeit Wikipedia?
TZ (n=84)
PZ/WZ (n=12)
RF (n=28)
Gesamt (n=145) 1,4 20,0
Cramer-V=0,245, p<0,01. Die Gruppe der Nur-Internetanbieter umfasst nur professionell-journalistische Anbieter und Portale. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
Besonders verbreitet ist die Nutzung der Wikipedia bei Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen: Hier nutzen in 75% der Fälle mehr als die Hälfte der Redaktionsmitglieder das Angebot. Die Tageszeitungen zeigen sich etwas zurückhaltender, auch wenn nur eine Internetredaktion ganz auf die Nutzung der Wikipedia verzichtet. Auch die Nutzungsintensität der Wikipedia ist im Vergleich zu Weblogs höher. In den Internetredaktionen wird sie in rund drei Viertel der Fälle (74%, n=104; „selten“: 26%) „häufig“ genutzt; unter den Nachrichtenredaktionen sind es nahezu zwei Drittel (65%, n=79; „selten“: 35%). Recherchestarke und -schwache Redaktionen unterscheiden sich in dieser Hinsicht kaum. Eine Ausnahme machen die Internetredaktionen von Rundfunkanbietern: Hier lesen nur in einem Fall (8%, n=12) in einer recherchestarken Redaktion 75 bis 100% der Mitarbeiter in der Wikipedia. Dieser Anteil liegt in rechercheschwachen Redaktionen mit 57% (n=14) deutlich höher (Kendall’s-tau-c=-0,432, p<0,05). Hier erscheint es plausibel, dass die Wikipedia aufwendigere Recherchen ersetzt. 4.2 Motive für die Nutzung von Wikipedia
Wofür verwenden die Journalisten die Wikipedia (vgl. Tab. 12)? Ganz eindeutig dient das Angebot vor allem als Nachschlagewerk für Hintergrundwissen: Rund
314
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
80% der Redaktionen verwenden sie „häufig“ für diesen Zweck. Mit jeweils großem Abstand folgt die Orientierung über Internetquellen. Nur im Fragebogen für Internetredaktionen wurde die Gegenprüfung von Informationen als Nutzungsmotiv abgefragt. Dafür wird die Wikipedia in mehr als der Hälfte (57%) der befragten Internetredaktionen „häufig“ genutzt. Dies setzt ein großes Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Informationen voraus. Tab. 12: Suchziele in Wikipedia der Redaktionsmitglieder von Nachrichten- und Internetredaktionen, die Wikipedia im Rahmen der Arbeit lesen/nutzen (Angaben in %, Befragung der Redaktionsleiter) Was suchen die Mitglieder Ihrer Redaktion in Wikipedia? Hintergrundwissen zu einem Thema (n=84/n=148) Gegenprüfung von Informationen (n=142) Hinweise auf Quellen im Internet (n=78/n=137) (Cramer-V=0,202)* Fakten über ein aktuelles Ereignis (n=80/n=136) Beobachtung von Wikipedia als Phänomen (n=110) Hinweise auf gedruckte Quellen (n=79/n=130) Pro- und Contra-Argumente zu einer Streitfrage (n=78/n=133) Themenideen (n=130)
in Nachrichtenredaktionen (2006)
in Internetredaktionen (2007)
häufig
selten
häufig
selten
81,0
17,9
nie 1,2
83,1
16,2
nie 0,7
-
-
-
57,0
31,7
11,3
33,3
57,7
9,0
52,6
37,2
10,2
30,0
52,5
17,5
34,6
47,8
17,6
-
-
-
17,3
48,2
34,5
26,6
48,1
25,3
16,9
55,4
27,7
14,1
43,6
42,3
12,8
58,6
28,6
-
-
-
6,2
40,8
53,1
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Einbezogen wurden nur jene Anbieter, die Wikipedia nutzen. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
Bei den Internetredaktionen gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Anbietertypen (vgl. Tab. 13), wenn man die Suchziele beim Gebrauch der Wikipedia betrachtet. Recherchestarke Internetredaktionen suchen seltener nach Themenideen in der Wikipedia als rechercheschwache (Kendall’s-tau-c=-0,214, p<0,05).14 Die Gegenprüfung von Informationen geschieht weniger „häufig“ in der Wikipedia, wenn die Internetredaktionen recherchestark sind.15 Auch hier finden sich also Indizien dafür, dass die Wikipedia als Ersatz für aufwendigere Recherchen dient. 14 Recherchestarke Internetredaktionen: „nie“: 68%, „selten“: 32%, n=34; rechercheschwache Internetredaktionen: „nie“: 46%, „selten“: 45%, „häufig“: 10%, n=74. 15 Recherchestarke Internetredaktionen: „häufig“: 43%, „selten“: 35%, „nie“: 22%, n=37; rechercheschwache Internetredaktionen: „häufig“ 60%, „selten“: 32%, „nie“: 9%, n=82. Der Unterschied ist nur knapp nicht-signifikant (Kendalls’s-tau-c=-0,175, p=0,053).
„Googleisierung“ oder neue Quellen im Netz?
315
Tab. 13: Suchziele in Wikipedia von Redaktionsmitgliedern in Internetredaktionen im Vergleich der Anbietertypen (nur Antwort „häufig“, Angaben in %, Befragung von Internetredaktionen, 2007) Was suchen die Mitglieder Ihrer Redaktion in Wikipedia?
TZ (n=60-81)
PZ/WZ (n=10-12)
RF Nur-Internet (n=17-27) (n=23-28)
Hintergrundwissen zu einem Thema
86,4
91,7
81,5
71,4
Gegenprüfung von Informationen
66,7
45,5
34,8
51,9
Hinweise auf Quellen im Internet
50,0
72,7
54,2
50,0
Fakten über ein aktuelles Ereignis
35,1
36,4
40,0
26,9
Beobachtung von Wikipedia als Phänomen
10,0
20,0
17,6
34,8
Hinweise auf gedruckte Quellen
17,8
18,2
15,0
15,4
Pro- und Contra-Argumente zu einer Streitfrage
8,2
9,1
18,2
22,2
Themenideen
7,2
0
8,7
3,7
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Die Gruppe der Nur-Internetanbieter umfasst professionell-journalistische Nur-Internetanbieter, Portale und Weblogs. Einbezogen wurden nur jene Anbieter, die Wikipedia nutzen. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
An der Zuverlässigkeit der Wikipedia-Informationen werden in der Öffentlichkeit häufig Zweifel geäußert. Deshalb wurde den Redaktionsleitern die folgende Frage gestellt: „Wie zuverlässig sind nach den Erfahrungen Ihrer Redaktion die Informationen der Wikipedia?“ Die Befragten beider Untersuchungen stellen der Enzyklopädie ein erstaunlich gutes Zeugnis aus: Mehr als vier Fünftel der Redaktionsleiter von Internetredaktionen (83%, n=148) sagten, dass sie „meistens“ zuverlässig sind. 12% der Befragten hielten sie sogar für „(fast) immer“ richtig. Nur 5% gaben hier „selten“ an, keiner „nie“. Die Redaktionsleiter von Nachrichtenredaktionen schätzten die Informationen in 76% der Fälle (n=82) als „meistens“ zuverlässig ein. 21% sagten, dass sie „fast immer“ zuverlässig sind, 4% hielten sie für „selten“ zuverlässig. Bei den befragten Internetredaktionen zeigte sich zwischen den Anbietertypen ein signifikanter Unterschied (Cramer-V=0,222, p<0,05). Von den Nur-Internetanbietern wird die Wikipedia am häufigsten für verlässlich gehalten („(fast) immer“: 27%, n=30). Auch bei Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen war die Zustimmung hier relativ hoch („(fast) immer“: 18%, n=11). Während die Redaktionsleiter von Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen sowie von Nur-Internetangeboten in keinem Fall angaben, dass die Informationen der Wikipedia nur „selten“ zuverlässig sind, geschah dies vereinzelt bei den Befragten aus dem Rundfunkbereich (12%, n=26) und aus dem Bereich der Tageszeitungen (6%, n=81).
316
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
Bei den letzten beiden Gruppen wird die Wikipedia auch deutlich seltener für „(fast) immer“ zuverlässig gehalten (RF: 0%, TZ: 9%). 5 Suchmaschinen 5.1 Nutzung von Suchmaschinen
Welche Suchmaschine wird in den Redaktionen präferiert? Die Antwort fällt wie erwartet aus: 88 von 90 Befragten (98%) in der Nachrichtenredaktionsbefragung 2006 gaben Google als die am häufigsten in ihrer Redaktion genutzte Suchmaschine an. Gefragt wurde nach den drei am häufigsten genutzten Suchmaschinen in einer Redaktion. Die führende Rolle von Google wurde in der Befragung der Internetredaktionen im Folgejahr bestätigt: Hier nannten 158 von 160 (99%) Befragten Google als die am häufigsten genutzte Suchmaschine. Die am zweithäufigsten genutzte Suchmaschine Yahoo wurde weit weniger oft (56%, n=114) angegeben. 46 Redaktionsleiter nannten sogar neben Google überhaupt keine weitere Suchmaschine.16 In der Befragung von Internetredaktionen wurde ermittelt, wie gut der Überblick der Befragten über die Nutzung von Suchmaschinen durch die Redaktionsmitglieder ist. Als „schlecht“ bezeichneten 18% der Redaktionsleiter ihren Überblick (n=163). Einen „guten“ oder „sehr guten“ Überblick gaben 52% bzw. 31% der Befragten an. 5.2 Motive für die Nutzung von Suchmaschinen
Welche Unterschiede bestehen hinsichtlich der Suchmotive zwischen Nachrichtenund Internetredaktionen (vgl. Tab. 14)? Nachrichtenredaktionen suchen in erster Linie Hintergrundwissen zu einem Thema, etwas weniger oft Fakten über ein aktuelles Ereignis. Suchmaschinen werden oft auch genutzt, um den Zugang zu Suchzielen außerhalb des Internets zu finden, nämlich durch die Recherche von Kontaktdaten für bereits namentlich bekannte Quellen und von gedruckten Quellen. Im Internet werden Experten öfter als Beteiligte, Betroffene oder Augenzeugen gesucht. Eher selten werden Suchmaschinen verwendet, um Schlüsse auf die Meinungsverteilung zu einer Streitfrage oder die Prominenz von Themen, Gegenständen oder Personen zu ziehen. 16 Da Suchmaschinen häufig und routinemäßig eingesetzt werden, wurde auf eine präzisere Abfrage ihrer Nutzung in den Redaktionen verzichtet. Dafür sind Einzelbefragungen von Journalisten oder Redaktionsbeobachtungen methodisch besser geeignet (vgl. Machill/Beiler/Zenker 2008).
„Googleisierung“ oder neue Quellen im Netz?
317
Tab. 14: Suchziele mit Hilfe von Suchmaschinen der Redaktionsmitglieder von Nachrichten- und Internetredaktionen (Angaben in %, Befragung der Redaktionsleiter) Was suchen die Mitglieder Ihrer Redaktion mit Hilfe von Suchmaschinen? Hintergrundwissen zu einem Thema (n=90/n=165) (Cramer-V=0,124)* Fakten über ein aktuelles Ereignis (n=89/n=163) (Cramer-V=0,177)* Kontaktdaten einer namentlich bekannten Quelle (n=89/n=157) Experten, die befragt werden können (n=91/n=155) (Cramer-V=0,238)** Hinweise auf gedruckte Quellen (n=86/n=153) Pro- und Contra-Argumente zu einer Streitfrage (n=89/n=151) (Cramer-V=0,306)*** Beteiligte/Betroffene/Augenzeugen, die befragt werden können (n=89/n=155) Meinungsverteilung zu einer Streitfrage (n=88) Resonanz auf die eigene Berichterstattung (n=84/n=152) (Cramer-V=0,172)* Prominenz von Themen/Gegenständen ermitteln (nach Trefferzahl) (n=83) Prominenz von Personen ermitteln (nach der Trefferzahl) (n=85/n=145) (Cramer-V=0,194)*
in Nachrichtenredaktionen (2006) häufig
selten
86,7
13,3
69,7
in Internetredaktionen (2007)
nie
häufig
selten
nie
0
93,9
6,1
0
25,8
4,5
68,7
31,3
0
66,3
30,3
3,4
63,1
31,2
5,7
51,6
35,2
13,2
28,4
47,1
24,5
32,6
53,5
14,0
41,2
51,0
7,8
18,0
47,2
34,8
41,1
46,4
12,6
14,6
53,9
31,5
7,7
49,7
42,6
11,4
59,1
29,5
-
-
-
10,7
56,0
33,3
18,4
62,5
19,1
6,0
36,1
57,8
-
-
-
4,7
37,6
57,6
14,5
44,8
40,7
***p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
Zwischen Internet- und Nachrichtenredaktionen gibt es bei mehreren Suchmotiven signifikante Unterschiede: Internetredaktionen recherchieren noch etwas häufiger nach Hintergrundwissen und Fakten über aktuelle Ereignisse. Deutlich öfter benutzen sie Suchmaschinen, um Pro- und Contraargumente zu einer Streitfrage zu finden. Etwas mehr suchen sie auch nach Resonanz auf die eigene Berichterstattung. Dagegen gebrauchen Internetredaktionen Suchmaschinen seltener, um Experten aufzuspüren. Im Bereich der Tageszeitungen suchen die Internetredaktionen häufiger nach Hintergrundwissen als die Nachrichtenredaktionen (vgl. Tab. 15). Sie suchen auch eher nach Pro- und Contraargumenten zu einer Streitfrage. Dies gilt auch für die Internetredaktionen im Rundfunkbereich. Dagegen suchen die Internetredaktionen des Rundfunks seltener nach aktuellen Fakten und Experten als die Nachrichtenredaktionen.
318
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
Tab. 15: Suchziele mit Hilfe von Suchmaschinen der Redaktionsmitglieder von Nachrichten- und Internetredaktionen ausgewählter Anbietertypen (nur Antwort „häufig“, Angaben in %, Befragung der Redaktionsleiter) Was suchen die Mitglieder Ihrer Redaktion mit Hilfe von Suchmaschinen? Hintergrundwissen zu einem Thema (TZ: Cramer-V=0,221)** Fakten über ein aktuelles Ereignis (RF: Cramer-V=0,314)* Kontaktdaten einer namentlich bekannten Quelle Experten, die befragt werden können (RF: Cramer-V=0,315)* Hinweise auf gedruckte Quellen Pro- und Contra-Argumente zu einer Streitfrage (TZ: Cramer-V=0,314,** RF: Cramer-V=0,397**) Beteiligte/Betroffene/Augenzeugen, die befragt werden können (RF: Cramer-V=0,372)* Resonanz auf die eigene Berichterstattung (RF: Cramer-V=0,322)* Prominenz von Personen ermitteln (nach der Trefferzahl)
in Nachrichtenredaktionen (2006)
in Internetredaktionen (2007)
TZ (n=48-53)
RF (n=31-35)
TZ (n=80-93)
RF (n=26-31)
86,8
85,3
97,8
87,1
66,0
78,8
68,8
60,0
64,2
69,7
67,0
60,7
41,5
65,7
28,2
34,5
28,0
39,4
47,6
27,6
17,3
20,6
40,0
33,3
9,4
24,2
7,0
0
10,4
6,1
8,6
10,0
5,9
3,2
15,0
3,8
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
Auch zwischen den Anbietertypen, deren Internetredaktionen befragt wurden, bestehen signifikante Unterschiede bei den Suchmotiven: In der Gruppe der Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen (91%, n=11) wird „häufig“ nach Kontaktdaten einer schon bekannten Quelle gesucht; in der Gruppe der Nur-Internetanbieter (43%, n=30) ist dies dagegen weniger üblich (Cramer-V=0,246, p<0,01). Nur-Internetanbieter („häufig“: 38%, n=29) sowie Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen (58%, n=12) suchen häufiger nach Resonanz auf die eigene Berichterstattung als die Redaktionen von Tageszeitungen (9%, n=81) und Rundfunkanbietern (10%, n=30, Cramer-V=0,327, p<0,001). Nur in einem Fall lässt sich ein signifikanter Unterschied zwischen recherchestarken und -schwachen Internetredaktionen ausmachen.17 Dabei handelt es sich
17 Keine signifikanten Unterschiede lassen sich dagegen zwischen den recherchestarken und -schwachen Nachrichtenredaktionen erkennen. Recherchestarke Nachrichtenredaktionen (76%, n=37) nutzen Suchmaschinen eher „häufig“ für das Auffinden von Kontaktdaten einer namentlich bereits bekannten Quelle (rechercheschwache Redaktionen: 60%, n=52). Rechercheschwache Redaktionen suchen öfters Experten („häufig“: 55%, n=53 zu 47%, n=38) sowie Beteiligte, Betroffene und
„Googleisierung“ oder neue Quellen im Netz?
319
um die Suche nach Resonanz auf die eigene Berichterstattung: Redaktionen, deren Anteil an Exklusivartikeln im eigenen Angebot zwischen 25 und 100% liegt, suchen signifikant öfter danach („häufig“: 37%, n=43 zu 11%, n=84, Kendall’s-tauc=0,258, p<0,01). Da sie mehr Artikel selbst schreiben, dürfte für sie auch die Resonanz von größerer Aussagekraft sein. 5.3 Verdrängung traditioneller Zugangswege zu Quellen?
Die These der „Googleisierung“ des Journalismus besagt, dass sich Journalisten auf die Suchmaschine Google konzentrieren, wodurch andere, besser geeignete Offlineund Online-Suchhilfen verdrängt werden. Wegner (2005b), Chefredakteur von Focus Online, der diese These formuliert hat, vermutet folgende Effekte: Die Benutzung von Google definiere mittlerweile den Mindeststandard der journalistischen Recherche, was angesichts der geringen durchschnittlichen Rechercheleistung in deutschen Redaktionen „das allgemeine Niveau nur gehoben haben“ (ebd.) könne. Google könne dazu beitragen, einfache Fehler schnell aufzuklären. Allerdings verführe Google auch dazu, sich nur auf die über die Suchmaschine ermittelten Quellen zu beschränken. Dies aber sei gefährlich, da die von Google entdeckten Seiten im Internet Themen und Meinungen oft verzerrt widerspiegeln. So sei es oft unangemessen, die Trefferzahl in Google als Indikator für die Wichtigkeit eines Sachverhalts oder einer Person zu werten. Nach den Beobachtungen der Leiter von Nachrichtenredaktionen ist es durch den Einsatz von Suchmaschinen zu einer leichten Verdrängung alternativer Zugangswege zu Quellen gekommen (vgl. Tab. 16). Vor allem gedruckte Verzeichnisse wie das Telefonbuch, die Gelben Seiten oder der Oeckl werden als Zugangswege zu Quellen verdrängt. Diese Nutzung von Suchmaschinen ist gut nachvollziehbar, da anzunehmen ist, dass auf den Websites der gesuchten Quellen die Daten aktueller und ausführlicher sind. Knapp ein Drittel der Befragten sagte allerdings auch, dass das Gespräch mit Journalisten außerhalb der eigenen Redaktion und mit Experten durch die Nutzung von Suchmaschinen zumindest „leicht gesunken“ ist (jeweils 31%). Kaum Einfluss haben Suchmaschinen dagegen auf Gespräche innerhalb der Redaktionen; auch dies erscheint plausibel.18
Augenzeugen (19%, n=52 zu 8%, n=37) als Interviewpartner. Möglicherweise verfügen recherchestarke Redaktionen bereits über Kontakte oder sie besitzen andere, besser geeignete Zugangswege. 18 Zwischen den Nachrichtenredaktionen von Tageszeitungen und Rundfunkanbietern bestehen hinsichtlich ihrer Einschätzung der Veränderung der Zugangswege zu Quellen keine signifikanten Unterschiede.
320
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
Tab. 16: Veränderung der Nutzung anderer Zugangswege zu Quellen, seitdem Suchmaschinen eingesetzt werden (Angaben in %, Mittelwerte, fünfstufige Skala, 1= „deutlich gesunken“, 5= „deutlich zugenommen“, Befragung von Nachrichtenredaktionen, 2006) Die Nutzung dieses Zugangsweges ist/hat ... gedruckte Verzeichnisse (Telefonbuch, Gelbe Seiten, Oeckl etc.) (n=92, MW=1,48) Gespräch mit Journalist außerhalb der Redaktion (n=84, MW=2,61) Berichterstattung in Presse und Rundfunk (n=89, MW=2,81) Gespräch mit Expertin/Experten (n=90, MW=2,78) Gespräch mit Kollegin/Kollegen in der Redaktion (n=90, MW=2,96)
deutlich gesunken
leicht gesunken
gleich geblieben
64,1
25,0
9,8
1,1
0
6,0
31,0
60,7
1,2
1,2
4,5
19,1
68,5
6,7
1,1
3,3
31,1
54,4
6,7
4,4
1,1
12,2
78,9
5,6
2,2
leicht
deutlich
zugenommen zugenommen
Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
5.4 Einfluss auf die journalistische Qualität und andere Auswirkungen
Die Verdrängung anderer Zugangswege zu Quellen durch Suchmaschinen, wie sie oben festgestellt wurde, besagt noch nichts über die relative Eignung dieser Zugangswege. In der Befragung der Nachrichtenredaktionen wurde diese Eignung nicht für jeden Zugangsweg abgefragt. Stattdessen wurde nach dem Gesamteinfluss von Suchmaschinen auf die journalistische Qualität sowie nach ihren besonderen Stärken und Schwächen gefragt. Der generelle Einfluss der Recherche mit Suchmaschinen auf die Qualität des Journalismus (d. h. nicht nur der eigenen Redaktion) wird fast ausnahmslos positiv eingeschätzt: Fast 90% der befragten Nachrichtenredaktionsleiter hielten ihn für „sehr positiv“ (41%, n=91) oder „etwas positiv“ (47%). Nur 6% der Befragten beurteilten ihn als „etwas negativ“, 7% als „ungefähr neutral“. Die Unterschiede in der Bewertung des Einflusses durch die Redaktionsleiter verschiedener Medientypen sind dabei nur gering. Welche besonderen Stärken besitzen Suchmaschinen für die journalistische Recherche (vgl. Neuberger/Welker 2008)? Tabelle 17 zeigt, dass sie vor allem den Zugang zu bisher schwer erreichbaren Quellen (Ausland, Randthemen, geringe Bekanntheit mangels aufwendiger Pressearbeit) erleichtern. Außerdem beschleunigen sie das Auffinden von Quellen. Zurückhaltend wird dagegen die Eignung von Suchmaschinen für das Überprüfen von Pressemitteilungen und Agenturmeldun-
„Googleisierung“ oder neue Quellen im Netz?
321
gen eingeschätzt. Beim Vergleich der Medientypen zeigen sich signifikante Unterschiede nur bei der Einschätzung, ob Suchmaschinen das Auffinden von Quellen verbessert haben: Hörfunk- (92%, n=25) und TV-Redaktionsleiter (83%, n=6) gaben eher an, dass dies „in hohem Maße“ zutrifft, als Redaktionsleiter von Nachrichtenagenturen (67%, n=3) und Tageszeitungen (72%, n=39, Cramer-V=0,319, p<0,01). Vergleicht man die Nachrichtenredaktionen nach ihrer Rechercheintensität, so zeigen sich zwei signifikante Unterschiede: Recherchestarke Redaktionen stimmten nur zu 17% (n=36) „in hohem Maße“ der Aussage „Suchmaschinen haben das Überprüfen von Agenturmeldungen vereinfacht“ zu. In rechercheschwachen Redaktionen lag die Zustimmung dagegen bei einem Drittel (33%, n=51, Kendall’stau-c=-0,219, p<0,05). Auch die Einschätzung „Suchmaschinen haben das Überprüfen von Pressemitteilungen vereinfacht“ bewerteten rechercheintensive Nachrichtenredaktionen zurückhaltender („trifft in hohem Maße zu“: 18%, n=38) als rechercheschwache („trifft in hohem Maße zu“: 38%, n=50, Kendall’s-tau-c=0,224, p<0,05). Dies lässt den Schluss zu, dass wenig recherchierende Redaktionen in Suchmaschinen eher eine Möglichkeit der Überprüfungsrecherche sehen als jene Redaktionen, die viel in die Recherche investieren. Tab. 17: Verbesserung der journalistischen Recherche durch Suchmaschinen (Angaben in %, Befragung von Nachrichtenredaktionen, 2006) Suchmaschinen haben … den Zugang zu ausländischen Quellen erleichtert. (n=88) das Auffinden von Quellen beschleunigt. (n=88) das Auffinden von Quellen zu Randthemen erleichtert. (n=90) das Erschließen unbekannter Quellen vereinfacht, die keine aufwendige Pressearbeit betreiben (können). (n=88) das Überprüfen von Pressemitteilungen vereinfacht. (n=89) das Überprüfen von Agenturmeldungen vereinfacht. (n=88)
trifft in hohem Maße zu 79,5 78,4 72,2
trifft etwas zu
trifft gar nicht zu
20,5 19,3 25,6
0 2,3 2,2
63,6
27,3
9,1
29,2 26,1
44,9 47,7
25,8 26,1
Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
Die Frage nach der besten Suchmaschine ergab in beiden Befragungen einen eindeutigen Favoriten: 68 Redaktionsleiter von Nachrichtenredaktionen (88%, n=77 Befragte) sagten, dass nach ihren Erfahrungen die Suchmaschine Google im Allge-
322
Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
meinen die besten Treffer liefert.19 In den Internetredaktionen sahen 116 Befragte (89%, n=130 Befragte) Google als das Angebot mit den besten Suchergebnissen.20 Die Redaktionsleiter wurden darüber hinaus um allgemeine Einschätzungen über die Qualität und die Auswirkungen von Suchmaschinen gebeten (vgl. Tab. 18). Von zwei Ausnahmen abgesehen, ist jeweils die absolute Mehrheit der Nachrichtenredaktionsleiter der Auffassung, dass die vorgegebenen Statements „etwas“ zutreffen. Diese unentschiedene oder differenzierende Einschätzung betrifft auch die Qualität der Suchmaschinen. Fast völlig einig in der Ablehnung waren sich die Leiter von Nachrichten- und Internetredaktionen darin, dass Suchmaschinen Journalisten nicht überflüssig machen werden. Vertreter der Internetredaktionen sahen eher eine Konkurrenz durch Suchmaschinen auf dem Werbe-/ Anzeigenmarkt als jene von Nachrichtenredaktionen. Unter den Befragten aus Internetredaktionen schätzten nur die Rundfunkvertreter die Konkurrenz als relativ gering ein („trifft in hohem Maße zu“: 35%, n=23); zwischen den Anbietertypen besteht kein signifikanter Unterschied. Relativ uneinig waren sich die Redaktionsleiter hinsichtlich der Frage, ob im Journalismus wegen der Suchmaschinen generell mehr recherchiert wird. Die Internetredaktionen stimmten hier in höherem Maße zu. Gleiches gilt für die Annahme, dass Suchmaschinen Journalisten dazu verleiten, auf aufwendigere und besser geeignete Recherchewege zu verzichten. In Internetredaktionen werden also weiterreichende Auswirkungen von Suchmaschinen auf den Journalismus gesehen als in Nachrichtenredaktionen.21
19 Insgesamt gaben 77 Redaktionsleiter eine Suchmaschine an, die aus ihrer Sicht die besten Treffer liefert. In der offen gestellten Frage konnten drei Suchmaschinen angegeben werden, und zwar abgestuft nach ihrer Qualität. 42 Redaktionsleiter nannten neben der erstplatzierten Suchmaschine noch eine Suchmaschine, welche die zweitbesten Treffer liefert. Hier wurde am häufigsten Yahoo (abs. 22) erwähnt. 23 Redaktionsleiter nannten eine drittbeste Suchmaschine; auch hier lag Yahoo (5) an der Spitze. 20 Insgesamt gaben 130 Befragte mindestens eine Suchmaschine an. 76 Befragte nannten daneben auch noch einen Suchmaschinenanbieter mit den zweitbesten Treffern; hier wurde am häufigsten Yahoo angegeben (abs. 41). 49 Befragte nannten außerdem eine drittbeste Suchmaschine; hier wurden Lycos und MSN fünfmal genannt. 21 Zur Beurteilung von Suchmaschinen vgl. auch Machill/Beiler/Zenker (2008: 207-210).
„Googleisierung“ oder neue Quellen im Netz?
323
Tab. 18: Einschätzungen von Nachrichten- und Internetredaktionen zu Aussagen, die die Qualität und Auswirkungen von Suchmaschinen betreffen (Angaben in %, Befragung der Redaktionsleiter)
In welchem Maße treffen nach ihrer Einschätzung die folgenden Aussagen zu?
Die Ergebnisse von Suchmaschinen werden durch „Suchmaschinen-Optimierer“ manipuliert. (n=71) Suchmaschinen wie Google werden künftig auf dem Anzeigenmarkt zu einer starken Konkurrenz für Zeitungen werden. (n=74) Suchmaschinen wie Google werden künftig auf dem Werbemarkt zu einer starken Konkurrenz für Presse und Rundfunk werden. (n=159) Die ganz oben platzierten Treffer in Suchmaschinen führen nicht zu den besten Seiten. (n=85) Als Anzeigen bezahlte Treffer werden in Suchmaschinen nicht klar kenntlich gemacht. (n=81) Suchmaschinen führen dazu, dass im Journalismus generell mehr recherchiert wird, weil sie die Recherche erleichtern. (n=83/n=169) (Cramer-V=0,208)** Spezialisierte Suchmaschinen liefern bessere Treffer als große Suchmaschinen. (n=60) Suchmaschinen liefern ein verzerrtes Bild der Diskussion über Streitfragen. (n=68) Suchmaschinen verleiten Journalisten dazu, auf aufwendigere und besser geeignete Recherchewege zu verzichten. (n=86/n=171) (Cramer-V=0,167)* Suchmaschinen machen Journalisten überflüssig, weil sie jedem Nutzer helfen, die Informationen im Internet zu erschließen. (n=92/n=172)
in Nachrichtenredaktionen (2006)
in Internetredaktionen (2007)
trifft in hohem Maße zu
trifft etwas zu
trifft in hohem Maße zu
trifft etwas zu
42,3
53,5
-
-
29,7
47,3
-
-
-
-
58,5
32,1
25,9
67,1
-
-
24,7
54,3
-
-
22,9
54,2
43,8
42,0
21,7
70,0
-
-
20,6
61,8
-
-
17,4
69,8
33,3
56,7
0
9,8
1,7
8,1
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Ergibt die Summe beider Antwortmöglichkeiten je Redaktion nicht 100%, so entfällt die Differenz auf die Antwort „trifft gar nicht zu“. Diese Antwort wurde nicht gesondert ausgewiesen. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
5.5 Umgang mit Suchmaschinen: Kompetenz und Regulierung
Gibt es bereits eine systematische Vermittlung von Wissen über den Umgang mit Suchmaschinen? Dieser Frage wurde im Rahmen der Befragung von Nachrichtenredaktionen nachgegangen. Die Suchmaschinen-Recherche wird in den befragten Redaktionen (n=83) überwiegend im Volontariat zur Sprache gebracht (58%), ist aber noch vergleichsweise selten Thema der hausinternen Weiterbildung (37%). Die Frage, wie mit Suchmaschinen richtig umzugehen ist, wird vor allem informell
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Christoph Neuberger/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke
in den Redaktionen geklärt (84%). Nur in einem Drittel (33%) der befragten Redaktionen ist dies bereits Thema einer Redaktionskonferenz gewesen.22 Nur rund ein Viertel (26%, n=81) der Leiter von Nachrichtenredaktionen sah keinen Verbesserungsbedarf beim Umgang mit Suchmaschinen in der eigenen Redaktion. Dass die Kompetenz „etwas verbesserungswürdig“ ist, gab mehr als die Hälfte (61%) der Befragten an. 14% hielten die Kompetenz sogar für „stark verbesserungswürdig“.23 Welche Regeln gelten in Nachrichten- und in Internetredaktionen bei der Internetrecherche? Tabelle 19 zeigt, dass keine nennenswerten Unterschiede hinsichtlich der Geltung von Regeln bestehen. Zwei Regeln für den Umgang mit Suchmaschinen werden von den Befragten besonders hervorgehoben: Die Internetrecherche soll um traditionelle Recherchewege ergänzt werden. Außerdem sollen nur Quellen verwendet werden, die bekannt sind und als glaubwürdig gelten. Eine Parallelnutzung von Suchmaschinen ist dagegen nur bei einer Minderheit der Redaktionen üblich. Von Internetredaktionen wurde die Geltung dieser Regel etwas häufiger bestätigt als von Nachrichtenredaktionen. Recherchestarke Redaktionen haben den Gebrauch von Suchmaschinen etwas öfter reguliert als rechercheschwache Redaktionen. So bestätigten recherchestarke Redaktionen zu 100% (n=36) die Regel, dass die Suchmaschinen-Recherche um „traditionelle Recherchewege“ ergänzt werden sollte. Bei den rechercheschwachen Redaktionen besteht eine solche Regel dagegen nicht in allen Fällen (92%, n=51, Kendall’s-tau-b=0,195, p<0,05).24
22 Zwischen den Redaktionen von Tageszeitungen und Rundfunkanbietern bestanden hier keine signifikanten Unterschiede. 23 Nachrichtenredaktionsleiter des Rundfunks (7%, n=29) hielten die Kompetenz ihrer Mitarbeiter etwas seltener für „stark verbesserungswürdig“ als jene von Tageszeitungen (16%, n=50). Die Unterschiede sind jedoch nicht-signifikant. Als Experiment zur Messung der Suchmaschinenkompetenz von Journalisten vgl. Machill/Beiler/Zenker (2008: 215-290). Die aus Sicht von Machill/Beiler nur „mittelmäßige Suchmaschinenkompetenz“ (2008: 531) der untersuchten Probanden, signalisiert ebenfalls, dass der Umgang mit Suchmaschinen optimierungsbedürftig zu sein scheint. Erkenntnisse zur Regulierung des Suchmaschinen-Gebrauchs in den Redaktionen lassen sich dieser Studie jedoch nicht entnehmen. 24 Ein vergleichbares (jedoch nicht-signifikantes) Ergebnis zeigt sich bei der Regel, dass in Suchmaschinen gefundene Webseiten nur dann verwendet werden sollten, „wenn der Anbieter bekannt ist und als glaubwürdig gilt.“ Auch dies regulieren recherchestarke Redaktionen (97%, n=36) öfter als rechercheschwache (86%, n=49).
„Googleisierung“ oder neue Quellen im Netz?
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Tab. 19: Geltung von Regeln für die Recherche mit Suchmaschinen in Nachrichten- und Internetredaktionen (Angaben in %, Befragung der Redaktionsleiter) Welche dieser Regeln gelten bei der Internetrecherche in Ihrer Redaktion? Recherchen mit Suchmaschinen sollten um traditionelle Recherchewege ergänzt werden (Telefon, Gespräch, gedruckte Quellen etc.). (n=88/n=165) Webseiten, die mit Suchmaschinen gefunden wurden, sollten nur dann verwendet werden, wenn der Anbieter bekannt ist und als glaubwürdig gilt. (n=86/n=161) Suchanfragen sollten nicht nur in einer, sondern in mehreren Suchmaschinen gestellt werden. (n=85/n=163) Wikipedia muss als Quelle angegeben werden, wenn daraus zitiert wird. (n=160)
in Nachrichtenredaktionen (2006) ja
in Internetredaktionen (2007)
nein
ja
nein
94,3
5,7
93,3
6,7
89,5
10,5
88,8
11,2
35,3
64,7
47,2
52,8
-
-
82,5
17,5
*** p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Keine signifikanten Unterschiede.
Darüber hinaus wurde in beiden Befragungen offen erhoben, welche weiteren Regeln für die Suchmaschinen-Recherche gelten. Die Internetredaktionsleiter (gesamt: 19 Nennungen) fordern die Gegenprüfung von Informationen aus der Wikipedia (abs. 4) oder gar den Verzicht auf die Nutzung der Enzyklopädie (3). Quellenprüfung (7) und -transparenz (3) wurden ebenfalls mehrfach erwähnt. Auch bei den Nachrichtenredaktionsleitern (gesamt: 15 Nennungen) werden Prüfung (7) und Transparenz (2) betont. 6 Nachrichtensuchmaschinen 6.1 Nutzung von Nachrichtensuchmaschinen
Wie im Fall von Weblogs und Wikipedia, so wurden die Redaktionsleiter auch bei Nachrichtensuchmaschinen darum gebeten, ihren Überblick über deren Nutzung in der eigenen Redaktion einzuschätzen. Ihren Überblick empfanden sie insgesamt mehrheitlich als „gut“ (41%, n=159) oder „sehr gut“ (13%). 46% der Befragten schätzten ihren Überblick als „schlecht“ ein. Wie oft werden Nachrichtensuchmaschinen in den Redaktionen genutzt? Nachrichtensuchmaschinen werden sowohl von den Internet- als auch von den Nachrichtenredaktionen zu etwa einem Drittel „häufig“ eingesetzt (vgl. Tab. 20). Der
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Anteil der Redaktionen, der Nachrichtensuchmaschinen nicht nutzt, war bei den Internetredaktionen niedriger.25 Tab. 20: Häufigkeit, mit der Nachrichtensuchmaschinen von Redaktionsmitgliedern in Nachrichten- und Internetredaktionen genutzt werden (Befragung der Redaktionsleiter) Werden in Ihrer Redaktion Nachrichtensuchmaschinen genutzt?
in Nachrichtenredaktionen (2006, n=86) abs.
in %
in Internetredaktionen (2007, n=123) abs.
in %
nein
26
30,2
25
20,3
selten
30
34,9
60
48,8
häufig
30
34,9
38
30,9
Cramer-V=0,148, nicht-signifikant. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
Die Internetredakteure von Tageszeitungen nutzen Nachrichtensuchmaschinen im Vergleich signifikant häufiger als ihre Kollegen in den Nachrichtenredaktionen (vgl. Tab. 21).26 Tab. 21: Häufigkeit, mit der Nachrichtensuchmaschinen von Redaktionsmitgliedern in Nachrichten- und Internetredaktionen genutzt werden, im Vergleich zwischen ausgewählten Anbietertypen (Angaben in %, Befragung der Redaktionsleiter) Werden in Ihrer Redaktion Nachrichtensuchmaschinen genutzt?
in Nachrichtenredaktionen (2006)
in Internetredaktionen (2007)
TZ (n=51)
RF (n=32)
TZ (n=73)
RF (n=22)
nein
35,3
25,0
16,4
31,8
selten
35,3
37,5
54,8
50,0
häufig
29,4
37,5
28,8
18,2
Für TZ: Cramer-V=0,235, p<0,05; für RF: Cramer-V=0,208, nicht-signifikant. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
Welche Nachrichtensuchmaschine wird am häufigsten genutzt? Die Befragten konnten drei Anbieter nennen, und zwar in der Reihenfolge der Häufigkeit ihrer Nutzung. Google News wird sowohl in Nachrichten- als auch in Internetredaktionen am häufigsten eingesetzt: Von 47 Befragten aus Nachrichtenredaktionen sag25 Die nicht-repräsentative Befragung von Machill/Beiler/Zenker (2008: 207) ergab, dass 40% (n=596) der Journalisten „sehr oft“ die Nachrichtensuche gebrauchen. 26 Beim Vergleich der Anbietertypen innerhalb der Internetredaktionen fällt auf, dass Nachrichtensuchmaschinen relativ oft (aber nicht-signifikant) „häufig“ von Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen (50%, n=8) sowie von Nur-Internetanbietern (45%, n=20) genutzt werden.
„Googleisierung“ oder neue Quellen im Netz?
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ten 40 (85%), sie würden am häufigsten Google News nutzen; fünfmal wurde Yahoo Nachrichten genannt.27 Bei den Internetredaktionen wurde Google News von 76 Befragten (91%, n=84) als meistgenutzte Nachrichtensuchmaschine angegeben. Eine mehrmalige Nennung erzielten daneben lediglich noch Paperball (4) und Yahoo Nachrichten (2).28 6.2 Motive der Nutzung von Nachrichtensuchmaschinen
Nachrichtensuchmaschinen werden zwar am häufigsten für die Recherche von Zusatzinformationen eingesetzt (vgl. Tab. 22), doch ist dies keineswegs das einzige Motiv für ihren Gebrauch: Mit ihrer Hilfe werden auch Veränderungen der Nachrichtenlage im Tagesverlauf und die Arbeit der Konkurrenz verfolgt. Eher selten werden sie dagegen eingesetzt, um einen Überblick über die Berichterstattung ausländischer Medien zu gewinnen. Tab. 22: Verwendungsoptionen von Nachrichtensuchmaschinen bei der Nutzung durch Redaktionsmitglieder aus Nachrichten- und Internetredaktionen (Angaben in %, Befragung der Redaktionsleiter) Wofür werden Nachrichtensuchmaschinen in Ihrer Redaktion genutzt? Nachrichtensuchmaschinen werden genutzt, um … Zusatzinformationen zu einem Thema zu recherchieren. (n=56/n=106) im Tagesverlauf die Nachrichtenlage zu beobachten. (n=58/n=107) zu vergleichen, wie andere Redaktionen über ein Thema berichtet haben. (n=59/n=105) die Berichterstattung ausländischer Medien im Überblick zu behalten. (n=100)
in Nachrichtenredaktionen (2006) häufig
selten
55,4
39,3
44,8
in Internetredaktionen (2007)
nie
häufig
selten
nie
5,4
52,8
39,6
7,5
39,7
15,5
50,5
40,2
9,3
39,0
40,7
20,3
42,9
49,5
7,6
-
-
-
19,0
46,0
35,0
***p<0,001, **p<0,01, *p<0,05. Keine signifikanten Unterschiede. Berücksichtigt wurden nur jene Anbieter, die Nachrichtensuchmaschinen nutzen. Die Antwort „kann ich nicht sagen“ wurde in der Auswertung nicht berücksichtigt.
27 Unter den am zweithäufigsten eingesetzten Nachrichtensuchmaschinen (gesamt: 31) dominiert Yahoo Nachrichten (16). Nur 13 Nachrichtenredaktionsleiter nannten eine am dritthäufigsten genutzte Suchmaschine; jedes Angebot wurde nur einmal genannt. Hier wurden öfters auch Angebote genannt, die nicht zu den Nachrichtensuchmaschinen zählen. 28 42 Internetredaktionsleiter nannten auch eine am zweithäufigsten eingesetzte Nachrichtensuchmaschine; hier entfielen 23 Nennungen auf Yahoo Nachrichten. Häufiger angegeben wurden auch Paperball (5), Google News (4) und Ask (2). 13 Befragte erwähnten auch noch eine am drittmeisten eingesetzte Suchmaschine, wobei Yahoo Nachrichten (2) als einziges Angebot öfters als einmal eingetragen wurde.
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Nur-Internetanbieter (75%, n=16, nicht-signifikant) gaben im Vergleich öfter an, die Nachrichtenlage im Tagesverlauf „häufig“ zu beobachten. Auch die anderen Verwendungsoptionen werden eher „häufig“ durch Nur-Internetanbieter genutzt. Auf die offene Frage, wofür Nachrichtensuchmaschinen sonst noch genutzt werden, gaben sechs Internetredaktionsleiter an, dass sie auch die Wahrnehmung des eigenen Angebots damit überprüfen. Welche Unterschiede bestehen zwischen den in der Nachrichtenredaktionsbefragung untersuchten Anbietertypen hinsichtlich der Nutzungsmotive? Während in Hörfunk und Fernsehen Nachrichtensuchmaschinen eher für die Recherche nach Zusatzinformationen eingesetzt werden („häufig“: 70%, n=23), beobachten Tageszeitungen vergleichsweise oft die Entwicklung der Nachrichtenlage („häufig“: 48%, n=31, nicht-signifikant). Nachrichtensuchmaschinen dürften für die elektronischen Medien zu langsam sein, um die Themenwahl zu beeinflussen. Ein „Agenda Setting“-Effekt ist also vor allem bei den Tageszeitungen zu erwarten. Auch 100% (n=3) der Nachrichtenagenturen beobachten mit Hilfe von Nachrichtensuchmaschine „häufig“ die Nachrichtenlage im Tagesverlauf. Wie wird der Einfluss der Nachrichtensuchmaschinen durch die Redaktionsleiter von Nachrichten- und Internetredaktionen eingeschätzt? Internetredaktionsleiter waren eher davon überzeugt, dass das Statement „Nachrichtensuchmaschinen lockern die Bindung des Stammpublikums eines Mediums, weil Nutzer die Vielfalt des (Presse-)Angebots bequem nutzen können“ zutreffend ist, als Nachrichtenredaktionsleiter („trifft in hohem Maße zu“: 20%, n=168 zu 5%, n=80, CramerV=0,237, p<0,01). Die Internetredaktionsleiter wurden danach gefragt, ob die Einschätzung „Auf den Übersichtsseiten von Nachrichtensuchmaschinen bleibt der Nutzer ‚hängen’, ohne das dahinter liegende redaktionelle Angebot aufzurufen“ zutreffend sei. Hier meinten 57% der Befragten (n=137), dass dies zumindest „etwas“ zutrifft, 22% sagten, dass dies sogar „in hohen Maße“ der Fall ist. In welchem Maße können Nachrichtensuchmaschinen Nutzerströme lenken? In der Befragung der Internetredaktionen wurde gefragt, wie hoch der Anteil aller Nutzer ist, der über Nachrichtensuchmaschinen zum eigenen Angebot gelangt (vgl. Tab. 23). Insgesamt erhielten jeweils zwei Fünftel der Befragten weniger als 10% (39%, n=82) oder 10 bis unter 50% (40%) ihrer Nutzer darüber. In 4% der Fälle waren es sogar 50% und mehr. 13% der Angebote wurden nicht von Nachrichtensuchmaschinen erfasst. Allerdings sagten relativ viele, nämlich 43 Befragte, sie könnten über diesen Punkt keine Auskunft geben. Der Rest gab hier keine
„Googleisierung“ oder neue Quellen im Netz?
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Antwort. Relativ viele Besucher von Nachrichtensuchmaschinen erhalten Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen sowie Nur-Internetanbieter. Tab. 23: Anteil aller Nutzer, der über Nachrichtensuchmaschinen in das Angebot der befragten Anbieter gelangt (Angaben in %, Befragung von Internetredaktionen, 2007) Wie hoch ist in etwa der Anteil aller Nutzer, der über Nachrichtensuchmaschinen zu Ihrem Angebot gelangt? 0%
TZ (n=44)
PZ/WZ (n=11)
RF (n=14)
NurInternet (n=13)
gesamt (n=82)
4,5
0
0
7,7
3,7
< 10%
50,0
36,4
35,7
7,7
39,0
< 20%
18,2
9,1
14,3
15,4
15,9
< 30%
11,4
9,1
21,4
23,1
14,6
< 40%
4,5
18,2
7,1
7,7
7,3
< 50%
2,3
9,1
0
0
2,4
0
0
0
23,1
3,7
9,1
18,2
21,4
15,4
13,4
50% und mehr Angebot wird nicht von Nachrichtensuchmaschinen erfasst
Cramer-V=0,353, nicht-signifikant. Die Gruppe der Nur-Internetanbieter umfasst nur professionell-journalistische Anbieter und Portale. Berücksichtigt wurden nur jene Anbieter, die Nachrichtensuchmaschinen nutzen.
7 Fazit In der vorliegenden Untersuchung wurde die Bedeutung von zwei Typen von Quellen (Weblogs und Wikipedia) und Suchhilfen (Suchmaschinen und Nachrichtensuchmaschinen) für die journalistische Recherche herausgearbeitet. Vorgestellt wurden die Ergebnisse eines systematischen Vergleichs von Nachrichten- und Internetredaktionen, die im Rahmen zweier als Vollerhebungen angelegter Befragungen gewonnen wurden. Die Befunde lassen sich wie folgt zusammenfassen: x Weblogs: In über der Hälfte (59%) der befragten Nachrichtenredaktionen werden Weblogs nicht für die Arbeit genutzt. Unter den Internetredaktionen verzichtet dagegen nur rund ein Viertel (24%) ganz auf ihren Gebrauch. Falls Weblogs genutzt werden, dann sind es meistens nur einzelne Redaktionsmitglieder, die auf sie zurückgreifen. In Internetredaktionen ist der Anteil der Mitarbeiter und die Häufigkeit der Nutzung höher als in Nachrichtenredaktionen. Weblogs dienen den Vertretern beider Redaktionstypen vor allem als Inspirationsquelle, d. h. für das Auffinden von Themenideen. Außerdem sind Weblogs oft selbst das Thema, über das berichtet wird. Weiter wurde ermittelt, welche Relevanz einzelne Angebote für die journalistische Recherche ha-
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ben und wie ihre Eignung als Quelle eingeschätzt wird: Das Weblog bildblog.de genießt die höchste Wertschätzung und wird am häufigsten in den Redaktionen gelesen. Das Vertrauen der Redaktionen in die Eignung von Weblogs ist insgesamt eher gering: Die Redaktionsleiter von Internetredaktionen äußern überwiegend Zweifel an der These, dass die Qualitätssicherung durch wechselseitige Kritik und Kontrolle in der „Blogosphäre“ gelingt. Mehrheitlich halten die Vertreter von Nachrichtenredaktionen Weblogs als Quelle für den Journalismus nur eingeschränkt für geeignet. x Wikipedia: Die Internet-Enzyklopädie Wikipeda wird – anders als Weblogs – bereits von fast allen befragten Redaktionen als Recherchequelle genutzt. Nur 4% der Nachrichtenredaktionen und 1% der Internetredaktionen verneinten eine Nutzung. Auch der Anteil der Mitglieder einer Redaktion, in der Wikipedia für die Arbeit genutzt wird, liegt im Vergleich zur Weblog-Nutzung deutlich höher. Erwartungsgemäß dient das Angebot vor allem als Nachschlagewerk für Hintergrundwissen: Rund 80% der Redaktionen verwenden sie „häufig“ für diesen Zweck. Mehr als die Hälfte (57%) der befragten Internetredaktionen nutzt die Wikipedia auch „häufig“ zur Gegenprüfung von Informationen – was ein gewisses Grundvertrauen in die Zuverlässigkeit des Angebots voraussetzt. Die Enzyklopädie erhält von den Befragten beider Untersuchungen ein erstaunlich gutes Zeugnis: Mehr als vier Fünftel der Leiter von Internetredaktionen (83%) halten die Informationen der Wikipedia „meistens“ für zuverlässig. Weitere 12% halten sie sogar „(fast) immer“ für richtig. Die Redaktionsleiter von Nachrichtenredaktionen bewerteten die Zuverlässigkeit der Wikipedia ähnlich positiv. x Suchmaschinen: Fast alle befragten Leiter der Nachrichten- (98%) und Internetredaktionen (99%) gaben Google als die am häufigsten in ihrer Redaktion genutzte Suchmaschine an. Dies signalisiert ein hohes Maß an Abhängigkeit von einem Anbieter. Zugleich sagten 88% der Redaktionsleiter von Nachrichtenredaktionen und 89% der Befragten von Internetredaktionen, dass Google jene Suchmaschine ist, welche die besten Ergebnisse liefert. Zwischen Internet- und Nachrichtenredaktionen zeigen sich bei mehreren Suchmotiven signifikante Unterschiede: Internetredaktionen recherchieren noch etwas häufiger nach Hintergrundwissen und Fakten über aktuelle Ereignisse. Deutlich öfter benutzen sie Suchmaschinen, um Pro- und Contraargumente zu einer Streitfrage zu finden. Etwas öfter suchen sie auch nach Resonanz auf die eigene Berichterstattung. Dagegen gebrauchen Internetre-
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daktionen Suchmaschinen seltener, um Experten aufzuspüren. Nach den Beobachtungen der Leiter von Nachrichtenredaktionen ist es durch den Einsatz von Suchmaschinen zu einer leichten Verdrängung alternativer Zugangswege zu Quellen gekommen („Googleisierung“). Vor allem gedruckte Verzeichnisse wie das Telefonbuch werden als Zugangswege zu Quellen verdrängt. Der generelle Einfluss der Recherche mit Suchmaschinen auf die Qualität des Journalismus (d. h. nicht nur der eigenen Redaktion) wird fast ausnahmslos positiv bewertet. Relativ uneinig waren sich die Redaktionsleiter dagegen bei der Frage, ob im Journalismus wegen der Suchmaschinen generell mehr recherchiert wird. Die Internetredaktionen stimmten hier in höherem Maße zu. Gleiches gilt für die Annahme, dass Suchmaschinen Journalisten dazu verleiten, auf aufwendigere und besser geeignete Recherchewege zu verzichten. In Internetredaktionen werden also weiterreichende Auswirkungen von Suchmaschinen auf den Journalismus gesehen als in Nachrichtenredaktionen. Die Frage, wie mit Suchmaschinen richtig umzugehen ist, wird vor allem informell in den Nachrichtenredaktionen geklärt (84%). Nur in einem Drittel (33%) der befragten Redaktionen ist dies bereits Thema einer Redaktionskonferenz oder in der hausinternen Weiterbildung (37%) gewesen. Dies wirft die Frage auf, ob in den Redaktionen die Sensibilität für die notwendige Suchmaschinen-Kompetenz schon ausreichend vorhanden ist. Nur ein Viertel (26%) der befragten Redaktionsleiter von Nachrichtenredaktionen sah hier kein Defizit in der eigenen Redaktion. Vor allem zwei Regeln gelten in den befragten Redaktionen: Zum einen soll die Internetrecherche um traditionelle Recherchewege ergänzt werden, zum anderen sollen nur Quellen verwendet werden, die bekannt sind und als glaubwürdig gelten. Die Parallelnutzung von Suchmaschinen ist dagegen nur bei einer Minderheit der Redaktionen üblich. Von Internetredaktionen wurde die Geltung dieser Regel etwas häufiger bestätigt als von Nachrichtenredaktionen. x Nachrichtensuchmaschinen: Sie werden sowohl von den Internet- als auch von den Nachrichtenredaktionen zu etwa einem Drittel „häufig“ eingesetzt. Google News wird sowohl in Nachrichten- (85%) als auch in Internetredaktionen (91%) am häufigsten verwendet. Nachrichtensuchmaschinen werden zwar an erster Stelle für die Recherche von Zusatzinformationen eingesetzt, doch ist dies keineswegs das einzige Nutzungsmotiv: Mit ihrer Hilfe werden auch Veränderungen der Nachrichtenlage im Tagesverlauf und die Arbeit der
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Konkurrenz verfolgt. Eher selten werden sie dagegen eingesetzt, um einen Überblick über die Berichterstattung ausländischer Medien zu gewinnen. Die Studie macht deutlich, dass die Nutzung partizipativer Angebote im Rahmen der journalistischen Recherche recht unterschiedlich ausfällt. Weblogs werden seltener genutzt als die Wikipedia. In Internetredaktionen besitzt die Recherche im Internet einen höheren Stellenwert, was sich an der größeren Vielfalt der Suchmotive und stärkeren Nutzung im Vergleich zu den Nachrichtenredaktionen ablesen lässt. Die Befunde lassen eine stärkere Einbeziehung der Recherche mit Hilfe von Suchmaschinen und in partizipativen Angeboten in die Aus- und Weiterbildung ratsam erscheinen. Literatur: Blittkowsky, Ralf (2002): Online-Recherche für Journalisten. 2., völlig überarbeitete Auflage, Konstanz: UVK. Bönisch, Julia (2006): Meinungsführer oder Populärmedium? Das journalistische Profil von Spiegel Online. Berlin: Lit (= Recherche-Journalismus und kritische Medienpolitik, 3). Fischer, Tim (2006): Die Entwicklung von Weblog Issues am Beispiel des Klingeltonanbieters Jamba. In: Picot, Arnold/Fischer, Tim (Hrsg.): Weblogs professionell. Grundlagen, Konzepte und Praxis im unternehmerischen Umfeld. Heidelberg: dpunkt, S. 247-253. Flacke, Mirja Kristina (2005): Der elekronische „Gatekeeper“. Nachrichten-Suchmaschinen im Internet – eine vergleichende Inhaltsanalyse. Unveröff. Magisterarbeit, Kommunikationswissenschaft, Universität Münster. Garrison, Bruce (1998): Successful Strategies for Computer-Assisted Reporting. Mahaw, New Jersey: Lawrence Erlbaum. Haller, Michael (2004): Recherchieren. 6., überarbeitete Auflage, Konstanz: UVK. Haller, Michael (Hrsg.) (2001): Recherche-Werkstatt. Konstanz: UVK. Holler, Sebastian/Vollnhals/Faas, Thorsten (2008): Focal Points und Journalisten – Bedingungen für den Einfluss der Blogosphäre. In: Zerfaß, Ansgar/Welker, Martin/Schmidt, Jan (Hrsg.): Kommunikation, Partizipation und Wirkungen im Social Web. Bd. 1: Grundlagen und Methoden: Von der Gesellschaft zum Individuum. Köln: von Halem, S. 94-111. Jonscher, Norbert (1995): Lokale Publizistik. Theorie und Praxis der örtlichen Berichterstattung. Ein Lehrbuch. Opladen: Westdeutscher Verlag. Leyendecker, Hans (2008): Fakebook. Internet-Recherchen führen auch Journalisten oft in die Irre. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 4 v. 05./06.01.2008, S. 21. Lindemann, Marcus (2008): Im Netz liegt die Wahrheit. In: message. H. 4, S. 64-67. Löffelholz, Martin/Quandt, Thorsten/Hanitzsch, Thomas/Altmeppen, Klaus-Dieter (2003): Onlinejournalisten in Deutschland. Zentrale Befunde der ersten Repräsentativbefragung deutscher Onlinejournalisten. In: Media Perspektiven. H. 10, S. 477-486. Ludwig, Johannes (2002): Investigativer Journalismus. Recherchestrategien – Quellen – Informanten. Konstanz: UVK. Lüke, Falk (2009): Früher Vogel. In: journalist. H. 2, S. 12-17. Machill, Marcel/Beiler, Markus (Hrsg.) (2007): Die Macht der Suchmaschinen. The Power of Search Engines. Köln: von Halem. Machill, Marcel/Beiler, Markus/Zenker, Martin (2008): Journalistische Recherche im Internet. Bestandsaufnahme journalistischer Arbeitsweisen in Zeitungen, Hörfunk, Fernsehen und Online. Unter Mitarbeit von Johannes R. Gerstner. Berlin: Vistas (= Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, 60). Mast, Claudia (Hrsg.) (2004): ABC des Journalismus. Ein Handbuch. 10., völlig neue Auflage, Konstanz: UVK. Meier, Klaus (1997): Experten im Netz. Maklersysteme als Recherchehilfe für Journalisten im Wissenschaftsbereich. Konstanz: UVK Medien.
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Journalismus to go
Flexibilisierung der Raum- und Zeitbezüge durch Internet und Mobilkommunikation Sonja Kretzschmar
Journalismus- und Medienwandel stehen in einem engen Zusammenhang. Gegenwärtig erschließt sich der Journalismus neue technische Möglichkeiten in der Raum- und Zeitdimension: Journalismus in Presse und Rundfunk war bislang durch enge räumliche Grenzen, einen hohen Zeitaufwand und ein starres Zeitraster in den Phasen der Recherche, Produktion, Verbreitung und Nutzung aktueller Informationen gekennzeichnet. Internet und Mobilkommunikation tragen zur Flexibilisierung des Journalismus in Raum und Zeit bei (globale Verbreitung, ortsabhängige Information, Beschleunigung, Archivierung). In diesem Beitrag werden die Potenziale der neuen Medien und ihre möglichen oder sich bereits abzeichnenden Folgen für die Anbieter- und Nutzerseite im Journalismus skizziert, mit Studien belegt, soweit solche bereits verfügbar sind, und mit Beispielen illustriert. 1 Raum- und Zeitdimension der Medienkommunikation „Raum“ und „Zeit“ sind in Philosophie und Physik seit Jahrhunderten diskutierte Begriffe. Auch in der Soziologie sind sie zu Grundbegriffen avanciert (vgl. z. B. Elias 1984; Schroer 2006). Ihre Bedeutung für die Medien ist vor allem im Bereich der Medientheorie erörtert worden (vgl. Barck 1997; Innis 1997). Harold A. Innis war einer der Ersten, der auf die Bedeutung von Raum und Zeit für die Medien hingewiesen hat. Die zentrale These von Innis (1997: 95-119) besagt, dass jedes Medium einen bestimmten „Bias“ besitzt, also eine Tendenz hat, und zwar entweder eine Zeit- oder eine Raum-Tendenz. Haltbare Medien, die eher lange Zeit überdauern, wie z. B. die Tonplatten der Mesopotamier, seien eher für theokrati-
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sche Systeme geeignet, da sich damit eher eine langfristige, ewigkeitsgleiche Herrschaft aufbauen ließe. Zeitlich vergängliche Medien, wie z. B. Papyrus, die dafür leichter zu transportieren sind, würden eher von jenen benutzt, die ihre Macht über einen großen Raum ausdehnen und sichern wollen. Diese These versucht Innis über einen Zeitraum von 6.000 Jahren zu belegen. Der bei Innis aufscheinende Technikdeterminismus wurde vielfach kritisiert, seine These lässt sich über einen Zeitrum von 6.000 Jahren empirisch kaum belegen. Sein Verdienst besteht gleichwohl darin, Technik überhaupt als Faktor erkannt zu haben, der Kommunikation und damit auch Journalismus in entscheidendem Maße bestimmt (vgl. Kleinsteuber 1992). Innis’ Schüler wie McLuhan (1968), Postman (1984) oder auch Meyrowitz (1987) arbeiteten mit seiner These weiter, dass nicht nur der Inhalt, losgelöst von der Übertragungsform, von Bedeutung ist, sondern dass auch die Technik die Kommunikation prägt. Zwar wurden lokale Kommunikationsräume umfangreich diskutiert und analysiert (vgl. Jonscher 1995), doch blieb eine allgemeinere theoretische Fundierung des Raumbegriffs in der Kommunikationswissenschaft lange Zeit aus. Erst mit dem Aufkommen der „neuen“ Medien der achtziger Jahre – unter denen man das Kabel- und Satellitenfernsehen verstand, die bis dahin bekannte Kommunikationsräume überschritten – wurde das Defizit offensichtlich (vgl. Ronneberger 1980; Jarren 1987). Mit der Regionalisierung des Rundfunks nahm das Interesse an einer empirisch orientierten Kommunikationsraumanalyse zu. In diesem Zusammenhang entstand auch eine Vielzahl von Kommunikations- und Medienatlanten. Der theoriearme Ansatz, Raum vor allem als territoriale Begrenzung zu sehen, führte aber letztlich nur zu einer additiven Bestandsaufnahme von kommunikativen Infrastrukturen. Eine Ausnahme bildeten die Überlegungen von Maier-Rabler (1987, 1991, 1999), die einen Skalierungsansatz für die Sozialdimension von Kommunikationsräumen vorstellte: Auf einer vertikalen Achse sind Räume vom „Zimmer“ bis zum „globalen Raum“ angeordnet, auf der horizontalen Achse die Kommunikationstypen (von „intrapersonal“ bis hin zu „society-wide“). Forschungsfragen im Bereich von Kommunikation und Raum lassen sich so zweidimensional verorten. Die Ausdifferenzierung medialer Räume durch das „neue“ Medium der neunziger Jahre, das Internet, lässt sich mit dieser Matrix allerdings nicht mehr erfassen, was ein Grund dafür sein mag, dass dieses Modell von der Autorin nicht weiter fortgeführt wurde. Ein Raum, der sich nicht mehr geographisch-territorial, sondern durch soziale Grenzen manifestiert und der für „neue“ Medien wie das Internet und die
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Mobilkommunikation kennzeichnend ist, wurde in diesem Modell noch nicht antizipiert. Eine Form der simultanen Überlagerung von Räumen, wie sie de facto bei der Nutzung von neuen Medien wie Internet und Mobilkommunikation stattfindet, stellt neue Herausforderungen an die Theoriebildung und die Begrifflichkeit. Im Bereich der Mediensoziologie gewinnt der Netzbegriff für sich verändernde Zeit- und Raumstrukturen parallel zur Einführung und Ausbreitung des Internets an Bedeutung. Großklaus (1995, 2003) konstatierte eine Wechselwirkung zwischen unserem westlichen Mediensystem mit seiner linear-alphabetischen Schriftlichkeit und unserem abendländisch-linearen Zeitverständnis. Dies erklärt, weshalb sich eine Verräumlichung von Zeitstrukturen auf einer Zeitgeraden als dominantes Modell durchgesetzt hat. Mit dem Aufkommen von technischen Bildwelten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts verliert das Mediensystem der Schrift sein Monopol auf Sinn- und Wirklichkeitsentwürfe und damit auch das Monopol, Zeit zu strukturieren. Das technische Bild macht es möglich, das Vergangene durch das Erinnern und das Zukünftige durch die bildliche Vorstellung zu vergegenwärtigen. Anfangs war es üblich, der Irritation von Gleichzeitigkeit z. B. durch eine lineare Anordnung von Bildern in einem Fotoalbum Herr zu werden. Diese übliche Form der Ordnung schwindet zunehmend. Als erweitertes Modell der zeitlichen Beziehungsform zeigt sich das Netz, das die Gegenwart als komplexes Netzwerk vieler Gegenwartspunkte erscheinen lässt. Die soziale Orientierung im so entstandenen präsentischen Zeit-Netz ist schwierig, da sich die vertraute Zeit-Linie auflöst, die eine geordnete Abfolge von Augenblicken mit einer klaren Richtung erlaubt. Das Zeit-Netz ist omnidirektional, es bietet also in jedem Augenblick eine Reihe von Anschluss-Alternativen in verschiedene Richtungen. Im Internet sind diese durch unterschiedliche (Hyper-)Links gegeben, verschiedene Knoten, an denen man sich für Informationen entscheiden kann, die aus verschiedenen Zeitebenen stammen. Über die Archive kann man sich Richtung Vergangenheit klicken, mit den Nachrichtentickern kann man in Echtzeit informiert sein, über Simulationen einen Blick in die Zukunft werfen; das Zeitnetz hat den Zeitpfeil als herrschendes Paradigma abgelöst. Das Netz als räumliches Modell der Kommunikation von Menschen an verschiedenen Orten, bei der die Knotenpunkte durchaus nicht global gleichmäßig verteilt sind, ist ein Aspekt von Castells’ Netzwerkgesellschaft (vgl. Castells 2004). Knotenpunkte sind im Informationszeitalter die Mega-Städte, die gleichzeitig auch
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seine Machtzentren sind, da hier Entscheidungen getroffen werden, die über die Computernetzwerke als Informationen eingespeist werden. Konstant bleibt auch bei veränderten Raum-Zeit-Strukturen die Erwartung an die Medien, im Idealfall neben wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit auch eine demokratische Leistungsfähigkeit herzustellen. Die Formen, mit denen der Journalismus dieser Aufgabe nachzukommen versucht, sind demselben Wandel unterworfen und werden im folgenden Abschnitt weiter ausgeführt. 2 Raum und Zeit als Randbedingungen des Journalismus in den traditionellen Massenmedien: Presse und Rundfunk Wie hat sich der Journalismus an die zeitlichen und räumlichen Bedingungen angepasst, welche die traditionellen Massenmedien setzen (vgl. Tab. 1)? Erstens besitzt der Journalismus einen eindeutigen Zeitbezug: Er ist durch Aktualität geprägt. Die ersten Printprodukte wurden oft aus Anlass eines bestimmten Ereignisses hergestellt, beispielsweise eines Krieges. Sie waren Zeitpunkt-Medien, die idealerweise möglichst zeitnah, aber nur für einen Zeitpunkt produziert wurden. Mit der Ausdifferenzierung der Printangebote wurde nicht nur die inhaltliche Beschränkung auf ein einmaliges Ereignis hin zur thematischen Universalität erweitert, sondern auch die zeitliche Begrenzung. Mit einer zyklischen, also in regelmäßigen zeitlichen Abständen wiederkehrenden Berichterstattung, die wöchentlich, täglich, manchmal sogar mehrmals täglich durch Zeitungen oder Zeitschriften stattfand, entstand das bestimmende Charakteristikum der Presse: die Periodizität (vgl. Hömberg 1992). Zweitens ist auch der traditionelle Rundfunk stark durch zeitliche Determinanten geprägt. Das Programm von Fernsehen und Radio hat sich aus den älteren Veranstaltungsmedien des 19. Jahrhundertes entwickelt. Das Programm war in den Anfängen ein einmaliges, okkasionales Angebot, ähnlich beispielsweise dem Programm eines Variétes. Später folgte dann das Programm des Kinos: mit der Wochenschau, ein bis zwei kürzeren Filmen und einem Hauptfilm. Von diesen Vorläufern übernahm das Radio die Programmstruktur, später auch das Fernsehen. Durch den häuslichen Empfangsort ist die zeitliche Fixierung auf ein einmaliges Angebot an einem Veranstaltungsort nicht mehr nötig (vgl. Hickethier 1992). Es gibt zwar weiterhin punktuelle Angebote im Unterhaltungsbereich (z. B. Samstagabend-Shows, Hörspiele oder Spielfilme) und im Informationsbereich (z. B. Dokumentationen, Sondersendungen). Parallel dazu gibt es auch zyklische (tägliche, wöchentliche) Angebote (z. B. Serien, Nachrichten). Nach dem Schließen der
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Nachtlücke war die Zeitgerade eines unendlichen Programms geschaffen, in das zyklische und punktuelle journalistische Formate integriert werden. Bei besonderen Anlässen, etwa im Kriegsfall, kann sogar ohne Unterbrechung journalistisch linear berichtet werden. Zeitlich unbegrenzt findet journalistische Berichterstattung bei Nachrichtensendern statt. Im traditionellen Rundfunk ist also journalistische Berichterstattung in okkasionaler, zyklischer und linearer Form möglich. Tab. 1:
Räumliche und zeitliche Potenziale von Presse und Rundfunk Presse
Rundfunk okkasionale Angebote: Zeitpunkt-Angebote
okkasionale Angebote: Zeitpunkt-Medien Zeit
zyklische Angebote (Zeitung, Zeitschrift): periodische Medien erscheinen (Ausgaben)
zyklische Angebote: periodische Produkte (Sendungen) lineare Angebote: Programme nach dem Schließen der Programmlücke: „unendliches“ Angebot
Raum
lokal begrenzte Berichterstattung und Verbreitung durch Lokalmedien, Ergänzung durch Mantelteil räumlich unbegrenzte Berichterstattung der landesweiten Presse, aber Begrenzung der Verbreitung durch materiellen Transport
lokale, regionale, nationale Berichterstattung, über Langwelle im Hörfunk auch Berichterstattung in grenzüberschreitenden geographischen Räumen weltweite Verbreitung von Programmen über Satellit (beschränkt auf den jeweiligen „Footprint“ eines Satelliten)
Drittens hat auch die räumliche Dimension Auswirkungen auf die Angebote im Printbereich. In der räumlichen Dimension entspricht die lokale Begrenzung des Verbreitungsgebiets dem inhaltlichen Spektrum der Berichterstattung in der Lokalzeitung. Nur im überregionalen, oft zugelieferten Mantelteil wird über entfernte Ereignisorte berichtet. „Harte“ Grenzen der lokalen Berichterstattung entstehen aber durch den Vertrieb: Sie konnten vor dem Zeitalter der elektronischen Medien nur zu Lasten der zeitlichen Dimension überwunden werden. Mit der Post waren lokale Tageszeitungen für Abonnenten außerhalb des lokalen Verbreitungsgebiets nur mit Verzögerung beziehbar. Diese Begrenzungen gelten auch für die überregionale Presse. Inhaltliche Beschränkungen gelten für sie zwar grundsätzlich nicht. Hier werden prinzipiell relevante Themen aus der ganzen Welt behandelt, obwohl eine territoriale Orientierung an den Räumen der Elitenationen feststellbar ist; von einer gleichmäßigen geographischen Verteilung der Berichterstattung kann keine Rede sein (vgl. Galtung/Ruge 1965; Schenk 1987).
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Die simultane Überwindung der Raum- und Zeitgrenzen, also die Verbreitung der aktuellen Inhalte in großflächigen Räumen ist aber auch für sie unmöglich geblieben. Ein Maximum der räumlichen Ausdehnung bei der Verbreitung von Printprodukten wird auch heute nur von wenigen internationalen Medien erreicht, beispielsweise von der „Herald Tribune“. Bezeichnenderweise beschränkt sich diese Verbreitung meist auf „enträumlichte“ Orte wie Flugzeuge, Flughäfen oder Hotellobbys, die zwar einen schnellen Transport der Medien garantieren, als Transitpunkt mobiler Menschen aber ihre eindeutige territoriale Identität verloren haben (vgl. Augé 1994). Mit „Print on Demand“ gelingt es mittlerweile, die rasche elektronische Verbreitung mit den Stärken des Papiers als Trägermedium zu kombinieren. Viertens bestimmt der Raum auch die Rundfunkberichterstattung. Hier ist eine gegensätzliche Entwicklung zur Presseberichterstattung feststellbar. Während die Räume für die Printberichterstattung eher größer wurden, sind die Räume für Rundfunkberichterstattung tendenziell kleinteiliger geworden. Hörfunk wurde schon früh aus politischen Gründen grenzüberschreitend eingesetzt (vgl. Walker 1992). Von der landesweiten und nationalen Berichterstattung ausgehend, wurden kleinere Räume innerhalb Deutschlands erst im Laufe der Regionalisierung des Rundfunks seit den siebziger Jahren journalistisch erschlossen. Mit den „neuen“ Medien der achtziger Jahre, Kabel- und Satellitenfernsehen, wurde außerdem lokale und regionale Berichterstattung in einem weiteren territorialen Umkreis nutzbar: Die dritten Fernsehprogramme der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten wurden so z. B. einem größeren Nutzerkreis zugänglich (vgl. Först 1984). Die weitgehende Aufhebung räumlicher Grenzen in der journalistischen Berichterstattung im Rundfunkbereich erfolgte durch das Satellitenfernsehen. Begrenzungen bleiben aber auch hier: Obwohl Satellitenübertragung im Prinzip grenzüberschreitend ist, ist der „Footprint“, also die Ausleuchtzone der jeweiligen Satelliten, geographisch nicht unbegrenzt. Für die geostationären Satelliten ist Europa beispielsweise leichter zu versorgen als Länder, die näher an den Polen liegen, was an der unterschiedlichen geographischen Entfernung zum Äquator liegt. Auf der südlichen Halbkugel sind Australien oder auch Lateinamerika gut über Kommunikationssatelliten mit Fernsehprogrammen versorgt; in Afrika südlich der Sahara ist die Versorgung mit Fernsehprogrammen über Satellit aber traditionellerweise schlecht, da hier zusätzlich zur geographisch abgelegenen Lage ein wirtschaftlich unattraktiver Markt existiert. Auch für die mediale Versorgung über Satellit gibt es also Regionen, die geographisch und ökonomisch an der Peripherie liegen und
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dementsprechend nur über ein eingeschränktes Angebot von grenzüberschreitendem Satellitenfernsehen verfügen (vgl. Fuchs 2008). Im Bereich des Fernsehens zeigt sich zudem eine Entwicklung, die auch im Internet erkennbar wird: Während die technischen Grenzen aufgeweicht werden und damit theoretisch eine territorial erweiterte, nahezu grenzenlose journalistische Berichterstattung möglich wird, bleiben politische Grenzziehungen relativ stabil (vgl. Dover 2008). Es ergibt sich sogar die paradoxe Situation, dass für neue Medien durch neue (Filter- und Zensur-)Techniken noch härtere Grenzen künstlich gezogen werden, wie sie zuvor wegen der natürlichen Grenzen der Verbreitungstechniken nicht nötig waren (vgl. Patalong 2006). Die Vorstellung eines unbegrenzten globalen Berichterstattungsraumes, der von globalen Medien abgedeckt wird, bleibt nicht nur wegen der politischen Grenzen, sondern auch wegen kultureller und ökonomischer Barrieren eine Illusion (vgl. Hafez 2005; Trappel 2008). 3 Raum und Zeit als Randbedingungen des Journalismus in den neuen Medien: Internet und Mobilkommunikation Die neuen Medien Internet und Mobilkommunikation sind nicht ohne ihre Verbindung zum sozialen Wandel zu sehen. Hier sind die Ursachen für ihr Entstehen und die erfolgreiche Einführung zu finden. Die Flexibilisierung der Arbeitswelt und ihre sozialen Folgen zeigt Richard Sennett (1998) auf. Flexibilisierung impliziert als Gegenbegriff zu Starre eine Form von Freiheit und Veränderung. Die Flexibilisierung von Arbeitszeit, die so genannte „Flex-Zeit“, verstärkt aber nicht etwa die Freiheit der Arbeit, wie man vermuten könnte. Das Gegenteil ist der Fall: Das Zeitdiktat verstärkt sich, Arbeitszeiten müssen kleinteilig kontrolliert und abgerechnet werden. Langfristige Bindungen an einen Arbeitgeber lösen sich auf, befristete Arbeitsverhältnisse werden zur Regel: Die Fragmentierung eines Arbeitslebens in unterschiedliche Zeitabschnitte bei verschiedenen Arbeitgebern muss von einer wachsenden Anzahl von Menschen akzeptiert werden, was nicht allen Menschen immer leicht fällt (vgl. ebd.: 189-191). Parallel dazu lösen sich traditionelle Zeitzyklen zunehmend auf, die scheinbar mit dem biologischen Lebensrhythmus verknüpft waren. Auf die Jugend folgten die aktive Zeit des Arbeitlebens und eine relativ kurze Zeit des Alters. Tatsächlich verkürzte sich die Lebensarbeitszeit über die Jahrhunderte; dies geht mit einer Verlängerung der Lebenszeit einher. Selbst scheinbar unwiderruflich fixierte Zeiträume im individuellen Lebenslauf, wie beispielsweise die Reproduktion, werden zunehmend zu flexibilisierten und individualisierten Entscheidungen. Ob und wann
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Menschen Kinder bekommen und wie viele Kinder sie bekommen, wird durch den medizinischen Fortschritt an nahezu jedem Punkt im Leben frei entscheidbar (vgl. Castells 2004: 501-506). Arbeitszeiten und Kinderzeiten werden flexibel linear oder simultan gelebt; die zeitlichen Fixpunkte früherer Generationen lösen sich auf. Durch die Verdrängung des Todes oder auch des Trauerns aus dem sozialen Leben gerät sogar das Ende des persönlichen Zeitpfeils in Vergessenheit: Das Gefühl der Ewigkeit, des ewig andauernden „Jetzt“ wird zum gesellschaftlichen Paradigma (vgl. ebd.: 506-525). Tab. 2:
Räumliche und zeitliche Potenziale von Internet und Mobilkommunikation Internet
Mobilkommunikation
Zeit
Mobilität auf der Zeitachse wird möglich (polychrone Zeitstrukturen). Die Vergangenheit wird durch die Archiv-Funktion des Internet abrufbar. Die Zukunft ist in Einzelfällen schon durch multimediale Anwendungen simulierbar. An die Stelle der Zeitlinie tritt das „Zeitnetz“ des Internets, bei dem punktuelle Ereignisse in einem Netz des dauerhaften Präsens miteinander verknüpft sind. Eine permanente Aktualisierung ist möglich.
Auch hier bestehen polychrone Zeitstrukturen im Angebot. Die Möglichkeit, InternetAngebote 1:1 auch mobil nutzen zu können, ist im Aufbau. Zeitstrukturen der Nutzung sind erst in der Entwicklung. Durch vorherrschende „On Demand“-Nutzung kann ein zeitlich flexibilisierteres und fragmentierteres Nutzungsverhalten erwartet werden.
Raum
1. Die Reichweite der Verbreitung ist grenzenlos, d. h. global möglich. 2. Eine kleinteiligere Berichterstattung im (sub-)lokalen Raum wird ergänzt. 3. „Geo-Tagging“: Die Zuordnung von Informationen zu einem geographischen Ort wird möglich.
Angebote in der Experimentierphase: 1. Mobiles Internet macht den Informationsabruf unabhängig von fixierten Zugangsstellen. 2. Je nach Abrufort können jeweils lokal spezialisierte Informationen zusammengestellt werden.
Flexibilität ist nicht nur in ihrer zeitlichen, sondern auch in ihrer räumlichen Dimension zu verstehen: Häufiger Wechsel des Wohnortes, mehrjähriges Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort, Arbeiten an „Ad-hoc-Arbeitsplätzen“ in Hotels und Flughafenlounges oder auch die flexible Arbeit im Unternehmen an wechselnden Orten, je nachdem, wo ein Arbeitsplatz frei wird, sind einige ihrer Ausprägungen. Mit der Flexibilisierung der Menschen in der Zeit- und Raumdimension verändert sich die Situation der Mediennutzung. Neben den traditionellen Medien und ihren starren Vorgaben für ihre Nutzung entsteht auch das Bedürfnis nach flexibleren Medien, die dem sozialen Wandel eher gerecht werden. Dies sind in einem ersten Schritt vor allem das Internet und die Mobilkommunikation (vgl.
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Tab. 2). In einem zweiten Schritt passen sich auch die traditionellen Medien diesen Bedürfnissen an. Dieser Anpassungsprozess wird im vierten Abschnitt dieses Beitrags näher betrachtet. Erstens kennzeichnet das Internet eine polychrone Zeitstruktur, d. h., mehrere Zeitformen existieren nebeneinander (vgl. Neverla 2002). Das punktuelle Ereignis wird durch eine Website abgedeckt, die für dieses Ereignis ins Netz gestellt wird und auf der sich Informationen befinden, die sich nur damit befassen. Zyklische Berichterstattung, also täglich aktualisierte Angebote, befinden sich ebenfalls im Internet, wenn z. B. der Erscheinungsrhythmus eines Presseprodukts auch den Takt für dessen Website vorgibt. Und auch eine lineare, dauerhafte Berichterstattung wird auf den Nachrichtensites angeboten („Nachrichtenticker“). Neu ist die „simultane Parallelität“ und auch das fast beliebige Wandern auf der „Zeitachse der Ereignisse“, die über Links zum „Zeitnetz“ wird (vgl. Großklaus 2003). Über Archive und Mediatheken sind Angebote außerdem nicht nur zeitlich flexibel in Textform, sondern zunehmend auch als Video- und Audiodateien abrufbar. Eine quasi-permanente Aktualisierung, Nutzung und Archivierung multimedialer Angebote ist entstanden. Durch Hyperlinks lässt sich überdies das Alte mit dem Neuen verknüpfen (vgl. Neuberger 2003: 59). Zweitens gibt es auch in der Mobilkommunikation eine polychrone Zeitstruktur: Punktuelle Ereignisse, beispielsweise die Berichterstattung über sportliche Großereignisse wie die Fußball-WM 2006, werden mobilspezifisch aufbereitet (vgl. Kretzschmar 2006). Zyklische, periodische Berichterstattung findet sich bereits bei Nachrichtensendungen, die für die mobile Verbreitung bearbeitet werden, wie z. B. die 100-Sekunden-Tagesschau oder die 100-Sekunden-Heute-Sendung (vgl. Kretzschmar 2008d). Eine lineare Nachrichtenberichterstattung, wenn auch nicht an Mobilfunkgeräte angepasst, findet sich schon jetzt im Angebot mehrerer Mobilfunkbetreiber, die Nachrichtensender wie z. B. CNN, n-tv oder „RTL Mobile TV“ über das Handy anbieten (vgl. Vodafone 2008; T-Mobile 2008). Entscheidend ist, dass sich durch die mobilen Möglichkeiten die Nutzung zeitlich vollständig flexibilisieren und individualisieren kann: Die Tagesschau findet immer statt. Dabei werden nicht nur die Nachrichtenangebote mobilspezifisch adaptiert, auch umfangreiche Angebote, wie z. B. die ZDF-Mediathek, wurden zur Internationalen Funkausstellung (IFA) für die mobile Verbreitung angepasst (vgl. Heise 2008). Es ist absehbar, dass große Teile des Internet-Angebots in Kürze mobil nutzbar sein werden: Die letzten zeitlichen Nutzungslücken, die durch Mobilität entstehen, können dann verschwinden. Kein Nutzer muss deswegen mehr offline sein: Me-
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diennutzung wird zeitlich konstant für jeden Nutzer individuell abrufbar. Es entsteht die Vision der Anpassung des Mediums an ein zeitlich völlig individualisiertes Nutzerverhalten: Nachrichten-Alerts wochentags während der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf dem Weg zur Arbeit sind denkbar, Unterhaltungs-Alerts nach der Arbeit, wenn z. B. Kinoprogramme mit den dazugehörigen journalistischen Kinokritiken auf das Handy gespielt werden, Wirtschafts-Alerts, wenn die eigenen Aktien gestiegen sind, mit den dazugehörigen Berichten mit Einschätzungen von Analysten. Eine Zeitverzögerung beim Informationszugang ist nicht mehr nötig. Produziert werden die Multimedia-Alerts heute schon im Bereich des Premium-Contents Fußball (vgl. Plazamedia 2008); eine Ausweitung auf andere inhaltliche Bereiche ist absehbar. Drittens ist die räumliche Dimension des Internets im Vergleich zu traditionellen Medien stark erweitert. Sie findet auf drei Ebenen statt: Erstens ist die Verbreitung von Informationen technisch global grenzenlos möglich. Abgesehen von der veränderten Reichweite verändern sich zweitens auch die Inhalte: Eine Mikroberichterstattung ist zusätzlich möglich, bei der jede Schulaufführung, jedes Stadtteilfest durch eine Berichterstattung abgedeckt wird, sei es durch professionelle Journalisten oder auch durch Bürgerreporter, die Stadtteiljournalismus als eine Art Hobby betreiben (vgl. Gillmor 2006). Auch in Deutschland wird damit bereits experimentiert, zum Beispiel im WAZ-Angebot (derwesten.de) oder auf der Bürgerplattform (MyHeimat.de). Eine innovative Form der Berichterstattung ergibt sich drittens durch „Geo-Tagging“: Eine geographische Zuordnung von Informationen zu bestimmten Orten ist im Internet möglich. Dies könnte auch eine neue Form der lokalen Tageszeitung im Internet sein: Informationen zu neuen Verkehrswegen sind im virtuellen Stadtplan abrufbar, Ergebnisse der Lokalpolitik werden beim Rathaus angeklickt. Hier sind die Potenziale der Internet-Berichterstattung noch lange nicht ausgeschöpft (vgl. Lüke 2008). Viertens sind die Angebote der Mobilkommunikation noch im Aufbau: Die Möglichkeiten, die sich durch die mobile Nutzung im medialen Berichterstattungsgebiet ergeben können, sind noch längst nicht vollständig erschlossen; erste Trends zeichnen sich ab (vgl. Hohlfeld/Wolf 2008; Kretzschmar 2008c). Das mobile Internet ist technisch noch nicht völlig ausgereift: In letzter Konsequenz wäre der Abruf von allen Informationen des Internets grenzenlos und mobil möglich. Eine völlig neue Nutzungssituation entstünde, die weder einem „Lean Backward“, wie z. B. bei der Fernsehnutzung, entspräche, noch einem „Lean Forward“ in der Arbeitssituation. Inhaltlich könnten lokale Informationen von erhöhter
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Bedeutung sein: Es wird derzeit bereits damit experimentiert, inwieweit lokale Presse- und Rundfunkanbieter gemeinsam crossmediale Angebote mobilgerecht in neuen Formaten zusammenstellen können (vgl. Klein/Hanekop 2008). Auch hier sind viele innovative Nutzungsmöglichkeiten denkbar: Individualisierte Nutzungsstrukturen könnten gespeichert und Angebote entsprechend personalisiert werden. Wochenend-Pendler könnten beispielsweise an Wochentagen andere lokale Informationen bekommen als am Wochenende. Journalistische Informationen könnten insbesondere in Kombination mit anderen Angeboten und Dienstleistungen genutzt werden: Veranstaltungshinweise könnten mit der dazugehörigen Kritik, der Möglichkeit der Kartenreservierung und -bezahlung sowie den Verbindungen mit dem öffentlichen Personennahverkehr oder dem Weg im Navigationssystem kombiniert werden. Lokale Informationen und lokaler Service würden so zu Angebotspaketen zusammengeschnürt. Viele Optionen von Angebot und Nutzung sind denkbar. Fazit: Journalistische Information ist anytime und anywhere erreichbar, noch dazu in individualisierter „On Demand“-Nutzung. Die Dynamik des sozialen Wandels stößt aber nur in einem ersten Schritt das Entstehen neuer Medien an. In einem zweiten Schritt verändert sie die Produktions-, Angebots- und Nutzungsstrukturen aller bestehenden Medien grundsätzlich. 4 Raum-zeitlich flexibilisierter, crossmedialer Journalismus Die crossmedial produzierenden Newsrooms sind dabei, sich in vielfältiger Art und Weise an die veränderten Bedingungen anzupassen. Durch die Produktion für mehrere Medien müssen sie auch deren Unterschiede in Raum und Zeit berücksichtigen. Betroffen davon sind sowohl bundesweite als auch lokale Medien, elektronische Medien ebenso wie Printmedien (vgl. Meier 2006, 2007; Kretzschmar 2008a, 2008b). Die Angebote von Tageszeitungen und Rundfunkanbietern für das Internet nähern sich dabei einander an: Elektronische Medien bieten mittlerweile umfangreiche Textangebote im Internet an. Viele Ableger von Printmedien offerieren bereits eigenständige Bewegtbild-Angebote im Internet (vgl. Svensson et al. 2007); diese Entwicklung betrifft sowohl überregionale als auch regionale Tageszeitungen. Eine mobilspezifische Aufbereitung der Nachrichten ist sowohl für Printals auch für elektronische Nachrichten üblich geworden (vgl. Kretzschmar 2008e). Gewandelte Raum- und Zeitbezüge werden den Journalismus in den Bereichen Recherche, Produktion, Angebot und Nutzung verändern (vgl. Tab. 3). Eine erste Veränderung betrifft die journalistische Recherche. Diese ist zwangsläufig mit Mobilität (Vor-Ort-Recherche) verbunden, wenn man von der Telefon-,
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Datenbank- oder Internetrecherche absieht. Durch den Einsatz von neuer Technik hat die Recherche insgesamt an Flexibilität gewonnen. Informationen textlicher oder audio-visueller Art können mobil an fast jedem Ort der Welt gesammelt werden, und zwar sowohl durch professionelle Journalisten als auch durch Bürgerreporter. Medial unbeobachtete Momente gibt es daher kaum noch, was für die Berichterstattung unterschiedliche Konsequenzen hat: Besonders für Prominente kann es überaus lästig sein (vgl. NDR 2006). Im Fall von politischen Krisen im Ausland können Bürgerreporter dagegen unter Umständen die einzige Informationsquelle sein, wenngleich diese Informationen sehr gründlich geprüft werden sollten (vgl. Siemons 2008). Tab. 3:
Räumliche und zeitliche Potenziale von Recherche, Produktion, Angebot und Nutzung durch neue und traditionelle Medien
Zeitbezug
Raumbezug
Recherche mobile Vor-OrtRecherche (Journalisten und BürgerReporter)
Möglichkeit der Additivität von Rechercheergebnissen: neben Tagesaktualität auch optional mehrmediale Dossierbildung
Produktion
Angebot
Nutzung
mobile Produktion vor Ort
lokal adaptiertes Angebot auf der Mikroebene möglich (Nachrichten, Service etc.), flexibel je nach Wechsel der lokalen Räume
mobile Nutzung je nach Aufenthalt in verschiedenen lokalen Räumen
flexibel durch konstante Produktion für Plattformen mit unterschiedlichen, teilweise permanenten Publikationszyklen
Flexibilisierung vom linearen Programmschema zu Mediatheken mit „On Demand“-Nutzung (elektronische Medien) und vom punktuellen Tagesmedium zur permanenten Publikationsplattform (Tageszeitung)
flexibel durch individualisierte „On Demand“-Nutzung
Zweitens erfährt die mobile Produktion vor Ort eine Veränderung. Dies ist zwar eine Entwicklung, die beispielsweise durch mobile Übertragungswagen schon seit über zwanzig Jahren existiert (vgl. Thomas 1984). Neu ist allerdings der Ansatz, direkt crossmedial vor Ort zu produzieren (vgl. Kolodzy 2006). Auch in Europa gehört diese Produktion zunehmend zum journalistischen Alltag, und zwar sowohl auf lokaler als auch auf regionaler Ebene (vgl. Matthes 2006).
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Produzenten vor Ort werden zum Teil einer virtuell zusammengesetzten Redaktion, bei der der Kontakt nicht mehr von Angesicht zu Angesicht stattfindet, sondern fast ausschließlich medienvermittelt (vgl. Pawlofsky 2003). Der crossmediale Newsroom hat zwar noch einen physischen Ort, an dem die Koordination zusammenläuft, die Produktion findet aber längst auch ubiquitär statt. Drittens ist die ergänzende Berichterstattung in Mikroräumen denkbar, beispielsweise durch hyperlokale Reportagen von Kleinstereignissen, oder auch durch die Ergänzung von lokalen Informationen in der Nachrichtendarstellung (vgl. Lüke 2008). Parallel dazu ist die flächendeckende globale Berichterstattung möglich, bei der Angebote mobil recherchiert werden können. Der Berichterstattungsraum ist damit fast lückenlos geworden, wenn man von politischen Restriktionen absieht, die in manchen Fällen selbst noch die Handy-Berichterstattung schwierig machen (vgl. Plura 2004). Viertens ist auch die Nutzung crossmedialer Angebotselemente prinzipiell unabhängig vom jeweiligen Nutzungsort überall möglich. Die Wände der „virtuellen Redaktion“ sind dabei nicht nur im Bereich der Produktion durchlässiger geworden. Auch Diskussionen, die traditionellerweise mit einem überschaubaren Teilnehmerkreis nur in den geschlossenen Räumen von Redaktionskonferenzen stattfanden, können nun unter Einbeziehung der Nutzer geführt werden. Im Tagesschau-Blog diskutieren zum Beispiel die Chefredakteure direkt mit den Nutzern über Fragen der Sendung (vgl. Fengler/Kretzschmar 2009, i. E.). Mit der HandyVersion der Mediatheken erweitert sich das Abruf-Angebot beträchtlich (vgl. Heise 2008). Fünftens werden Zeitbezüge im Bereich der Recherche vielfältiger. Rechercheergebnisse können zum einen tagesaktuell zur Verfügung gestellt werden, zum anderen können die Ergebnisse auch in Dossiers zusammengefasst und so für den langfristigen Zugriff bereitgestellt werden. Die Kluft zwischen Rechercheergebnissen und dem Archiv der fertigen Produkte schwindet: Auch Elemente des Archivs können aufgrund von neuen Rechercheergebnissen verändert werden, das mediale Gedächtnis wird also zunehmend korrigierbar und damit auch manipulierbar. Sechstens findet im Bereich der Zeitbezüge der journalistischen Produktion eine Verschmelzung von Produktionsstrukturen der traditionellen Medien durch das Hinzukommen neuer Medien mit eigenen Zeitbezügen statt. Rundfunk-Redaktionen erstellen journalistische Produkte, ihre Sendungen, bereits jetzt täglich 24 Stunden lang, und auch die Nachtlücke der dazugehörigen Internet-Redaktion ist in vielen Fällen bereits geschlossen worden. Das Ende der Nachtlücke für mobile
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Nachrichten, die bis jetzt noch existiert, scheint absehbar, da so Vorteile der crossmedialen Produktion effizient genutzt werden könnten. Die Kopplung unterschiedlicher medialer Zeiten, wie beispielsweise der periodischen Produktion des Rundfunks mit festen Sendezeiten und Redaktionsschluss und der unendlich-linearen Produktion für das stets aktualisierbare und korrigierbare Internet, gelingt durch die Differenzierung der Angebote in einzelne, crossmedial verwertbare Angebotselemente. Einzelne Elemente, die periodisch produziert werden, wie beispielsweise Nachrichtensendungen, können über ein „On Demand“-Archiv mit dem Internet verbunden werden. Offen ist bisher noch der Umgang mit Fehlern in bereits produzierten Produkten: Nachträgliche Korrekturen lösen jeweils Diskussionen aus, wird doch die Vergangenheit im Nachhinein manipuliert (vgl. Huber 2008). Siebtens flexibilisiert sich der Zeitbezug der medialen Angebote. Viele elektronische Medien sind dabei, ihr Angebot an die asynchrone, zeitlich individualisierte Nutzung anzupassen, und realisieren das vollständige Öffnen ihrer Archive; damit würde neben die Säule des linearen Programms eine zweite Säule des „On Demand“-Angebots treten, über das alle Nutzer zusätzlich mit einer umfangreichen medialen Vergangenheit konfrontiert würden – was die Flexibilität auf der medialen Zeitachse in die Vergangenheit entsprechend erweitern würde. Achtens könnte dann eine vollständig flexibilisierte „On Demand“-Nutzung aller medialen Angebote entstehen, bei der crossmediale Elemente aller Zeiten zu jedem Zeitpunkt abgerufen werden können. Die mediale Vergangenheit würde so mit der medialen Gegenwart verschmelzen. Umfangreiche Studien zu Angebot und Nutzung im „On Demand“-Bereich der elektronischen Medien stehen noch aus; Studien von Unternehmensberatungen (Screen Digest, Goldmedia) konstatieren einen wachsenden Markt in Westeuropa, bei dem nach den Kinofilmen zunehmend Fernseh- und Nischenangebote an Bedeutung gewinnen (vgl. Goldmedia/ScreenDigest 2007). Eine Zunahme wissenschaftlicher Studien ab dem Jahr 2009 ist zu erwarten, da die AGF (Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung) für Mitte des Jahres 2009 die Einführung eines Messsystems angekündigt hat, das die zeitversetzte Nutzung von Fernsehinhalten erfassen kann, z. B. über DVD- und Festplattenrekorder. „On Demand“-Nutzung von Informationen über das Internet ist auf hohem Niveau kann die ARD/ZDF-Online-Studie bestätigen (vgl. van Eimeren/Frees 2008). Zeitliche Flexibilisierung des Rezipientenverhaltens – bei jüngeren Nutzern durch Onlineangebote, bei älteren Nutzern durch Speichermedien – kann bereits
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für das Jahr 2008 nachgewiesen werden. Räumliche Flexibilisierung der zunehmend mobilen Fernsehnutzung wird für die Zukunft prognostiziert (vgl. Kloppenburg et al. 2009: 7f.). Obwohl diese Entwicklung durch technische Impulse gegenwärtig an Dynamik gewinnt, ist sie dennoch die Fortsetzung eines historischen Prozesses der Mobilisierung von Rezipienten, die alle Medien umfasst (vgl. Wilke 2004). Im Rahmen der Medienkonvergenz ist künftig ein Verschmelzen beider Bereiche (TV, Internet) mit der Abrufnutzung im Mobilbereich zu erwarten, was im Bereich der Mediatheken und vieler mobil adaptierter Print-Angebote auch heute schon der Fall ist. 5 Fazit Journalistische Produkte sind nicht unabhängig von der Technikentwicklung zu sehen. In ihrem Entstehen sind sie in die Raum- und Zeitdimension eingebunden, was vor allem in der Medientheorie und -soziologie, dagegen weniger in der Kommunikationswissenschaft thematisiert wurde. Durch den sozialen Wandel, der sich auch an einem veränderten Raum- und Zeitverhältnissen, z. B. zunehmend mobilisierten Arbeitnehmern, feststellen lässt, entsteht ein verändertes Mediennutzungsbedürfnis. Es wird in einem ersten Schritt durch das Entstehen neuer Medien abgedeckt, in einem zweiten Schritt durch das Verschmelzen von traditionellen und neuen Medien zu einer gemeinsamen Produktions- und Angebotsstruktur im mehrmedial und crossmedial produzierenden Newsroom. Ob sich nicht nur die Angebotsformen, sondern auch die Angebotsinhalte an die Bedürfnisse zunehmend mobilisierter Nutzer anpassen, ist eine Frage, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu beantworten ist. Für Journalisten bedeutet dies eine Veränderung der täglichen redaktionellen Arbeit, vor allem in den Bereichen Recherche und Produktion. Auch das Angebot und die Nutzung verändern sich. Für die traditionellen Medienanbieter bedeutet dies, sich mit veränderten Nutzungsinteressen von individualisierten und raum-/zeitlich flexibilisierten Menschen auseinanderzusetzen, wenn diese nicht an neue Marktteilnehmer verloren gehen sollen, die gleichzeitig mit den neuen Medien als Anbieter hinzutreten und unter Umständen schneller und kreativer auf neue Anforderungen reagieren. Viele der hier angestellten Überlegungen beschreiben erst die journalistischen Möglichkeiten, die das technische Potenzial von Internet und Mobilkommunikation bieten, noch nicht ihre Realisierung. Wie sich Anbieter und Nutzer dieses Potenzial aneignen, bleibt eine Frage, die künftig empirisch noch gründlicher untersucht werden müsste. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie in der Journa-
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Autorenverzeichnis Bruns, Axel, Dr., geb. 1970, Senior Lecturer im Bereich Medien und Kommunikation an der Creative Industries-Faculty der Queensland University of Technology, Brisbane, Australien. Arbeitsgebiete: Produsage (kollaborative, nutzergeleitete Inhalteerschaffung), Bürgerjournalismus, Internetstudien, Creative Industries. http://snurb.info/ Kretzschmar, Sonja, Dr., geb. 1970, Habilitandin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Arbeitsgebiete: Journalismus und Mobilkommunikation, Medienkonvergenz, crossmedialer Journalismus, internationale und interkulturelle Kommunikation, praktischer Journalismus. http://www.sonja-kretzschmar.de Malik, Maja, Dr., geb. 1974, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Arbeitsgebiete: Kommunikatorforschung, Journalismus- und PR-Theorien, Medienjournalismus, politische Kommunikation, Organisationskommunikation. Neuberger, Christoph, Prof. Dr., Dipl.-Journ., geb. 1964, Professor für Kommunikationswissenschaft (Schwerpunkt Journalistik) am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Arbeitsgebiete: Journalismus, Öffentlichkeit, Internet, Medienqualität. Nuernbergk, Christian, M. A., geb. 1979, Doktorand, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle Internetöffentlichkeit des Instituts für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Arbeitsgebiete: Internetöffentlichkeit, Journalismusforschung, politische Kommunikation, Organisationskommunikation. Rischke, Melanie, M. A., geb. 1981, Doktorandin, 2006-2008 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Seit 2007 Leiterin der Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Online-Forschung e.V. (DGOF). Arbeitsgebiete: Journalismusforschung, Journalismus im Internet, Rezeptionsforschung.
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Autorenverzeichnis
Scholl, Armin, PD Dr., geb. 1962, Akademischer Oberrat am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Arbeitsgebiete: Theorien und Methoden der Kommunikationswissenschaft, Journalismusforschung, Gegenöffentlichkeit/alternative Medien, Ökologie und Medien.