Frank Jochum (Hrsg.) Infusionstherapie und Diätetik in der Pädiatrie
Frank Jochum (Hrsg.)
Infusionstherapie und Diätetik in der Pädiatrie Mit 26 Abbildungen und 82 Tabellen
123
Dr. Frank Jochum Evangelisches Waldkrankenhaus Spandau Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin Stadtrandstr. 555 13589 Berlin
ISBN-10 3-540-21195-0 Springer Medizin Verlag Heidelberg ISBN-13 978-3-540-21195-0 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschlandvom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag. Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2005 Printed in Germany Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Planung: Renate Scheddin Projektmanagement: Gisela Zech-Willenbacher Lektorat: Petra Rand, Münster SPIN 10979556 Satz: Fotosatz-Service Köhler GmbH, Würzburg Druck: Stürtz GmbH, Würzburg Gedruckt auf säurefreiem Papier 2126/SM – 5 4 3 2 1 0
V
Geleitwort Kinder unterscheiden sich in ihrer Physiologie und Biochemie fundamental von Erwachsenen. Körperliches Wachstum und der Entwicklungsstand von Organfunktionen erfordern individuelle, an das Lebensalter angepasste Therapieansätze. Ganz besonders werden diese Änderungen beim Flüssigkeitshaushalt und bei der Ernährung deutlich. Altersabhängig kommt es zu dramatischen Veränderungen des Flüssigkeits- und Elektrolytumsatzes. Zum Beispiel hat ein Neugeborenes im Vergleich zum Erwachsenen einen rund siebenmal höheren Flüssigkeitsumsatz. Und um ihm Wachstum und Entwicklung zu ermöglichen, benötigt es eine ausgewogene, kalorisch angepasste Ernährung, die aber auch seine noch eingeschränkte Verdauungsfunktion berücksichtigen muss. Nicht zufällig haben sich deshalb in der Kinder- und Jugendmedizin die Ernährungslehre und die Lehre über den Wasser- und Mineralhaushalt als zentrale Spezialgebiete entwickelt, die von übergreifender Bedeutung für das gesamte Gebiet der Kinder- und Jugendmedizin sind. Ernährungsfragen begleiten Kinder- und Jugendärzte täglich bei ihrer Arbeit in Klinik und Praxis. Erkrankungen stellen den Arzt vor zusätzliche Probleme bei der Ernährung eines Kindes. Dies kann von bilanzierter, enteraler Ernährung bis zum vollständigen Ersatz einer enteralen Ernährung durch eine parenterale Ernährung gehen, unter Umständen sogar für einen langen Zeitraum. Hier kommt es wesentlich auf die Zusammensetzung einer solchen künstlichen Ernährung und auf die Überwachung an, um dem Kind ein normales Gedeihen zu sichern und Organschäden zu vermeiden. Eine unausgewogene, nichtangepasste parenterale Ernährung kann einem kranken Kind durchaus zusätzlichen Schaden zufügen. Das vorliegende Buch fasst unser derzeitiges Wissen über enterale und parenterale Ernährung sowie den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt in übersichtlicher, praxisorientierter Form zusammen und geht dabei auch auf spezielle pädiatrische Krankheitsbilder ein, deren Behandlung besonders häufig mit Ernährungsfragen verknüpft ist. Dieses Buch eröffnet auch kooperierenden Fachdisziplinen die Möglichkeit, sich über kindgerechte Ernährung und Infusionstherapie nach modernen pädiatrischen Gesichtspunkten im Interesse unserer gemeinsamen Patienten zu informieren.
VI
Geleitwort
Den Autoren wünsche ich, dass dieses Buch intensiv genutzt wird und vielen Lesern eine Hilfe bei einer kindgerechten Behandlung ihrer Patienten sein wird. Prof. Dr. Erik Harms Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ)
VII
Geleitwort Seit langem ist bekannt, dass gerade im Bereich der Pädiatrie eine adäquate, dem Bedarf angepasste Ernährung unabdingbarer Bestandteil präventiver bzw. therapeutischer Maßnahmen ist. Diese Wertung ergibt sich aus der besonderen Situation des wachsenden Organismus. Beim Erwachsenen muss die Nährstoffzufuhr lediglich den so genannten Erhaltungsbedarf zur Unterstützung von Organfunktionen, körperlicher und mentaler Arbeit abdecken; bei Kleinkindern und Jugendlichen müssen zusätzlich das rasche Körperwachstum sowie die Differenzierung der Gewebe und Organe durch eine optimale Verfügbarkeit an Energie, unentbehrlichen und bedingt unentbehrlichen Nährstoffen gewährleistet werden. Aufgrund der geringen Nährstoffspeicher nach der Geburt und einer individuell unterschiedlichen »Unreife« metabolischer Funktionen kann eine ungenügende Ernährung innerhalb kurzer Zeit zu klinisch relevanten Mangelerscheinungen führen. Sofern Neugeborene mit Muttermilch ernährt werden können, ist das Risiko für eine Unterversorgung minimiert: Die Muttermilch liefert die große Mehrzahl der lebensnotwendigen Nährstoffe in optimaler Qualität und Quantität. Für den klinisch tätigen Pädiater ist eine medizinisch indizierte künstliche Ernährung bei Kleinkindern und Jugendlichen dagegen immer noch eine Herausforderung: Art, Menge und möglicherweise Zufuhrweg von Nährsubstraten können kurz- und langfristige Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung ausüben und bei akut bzw. chronisch Kranken den Krankheitsverlauf und damit die Prognose beeinflussen. Zudem scheint die Ernährung im Kleinkindalter mit dem Risiko für bestimmte chronische Erkrankungen im weiteren Lebensverlauf verknüpft zu sein. Es ist der Autorengemeinschaft unter Federführung von Herrn Dr. med. Frank Jochum zu verdanken, dass mit diesem Klinikleitfaden erstmals ein umfassendes, praxisnahes Werk zur pädiatrischen Infusionstherapie und Diätetik vorgelegt wird. Den größten Teil des Buches nehmen die Grundlagen ein. Besonderer Wert wurde hierbei auf die Darstellung der ernährungsphysiologischen Zusammenhänge zwischen Reife bzw. Lebensalter der Kleinkinder sowie der pädiatrischen Patienten und dem jeweiligen Nährstoffbedarf gelegt. Bisher waren Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr bei Kleinkindern das Ergebnis von Extrapolationen aus Studien an Älteren. Hier versuchen die Autoren erstmals, eine wünschenswerte Zufuhr anhand aktueller Erkenntnisse
VIII
Geleitwort
über die jeweilige besondere metabolische Situation abzuleiten. Diese Betrachtungen liefern die Grundlage für praxisorientierte Exkurse, in denen wertvolle Hinweise zur Durchführung einer klinischen Ernährung bei verschiedenen akuten und chronischen Krankheitsbildern, wie z. B. angeborene Stoffwechselstörungen, onkologische Erkrankungen und postoperative Situationen, geliefert werden. Nicht fehlen darf natürlich das aktuelle Thema Adipositas: In einem eigenen Kapitel werden hierzu praktikable Präventionsund Therapiemaßnahmen besprochen. Im zweiten Abschnitt des Buches werden in ansprechender Form und in kompetenter Weise Zahlenwerke und zusammengefasste Informationen für die schnelle Umsetzung in der Praxis geliefert. Nützliche Adressen von Organisationen, Verbänden und deren »websites« im Anhang ergänzen dieses Informationspaket. Der vorliegende Klinikleitfaden ist eine wegweisende Verknüpfung von ernährungsphysiologischen Grundlagen und ernährungsmedizinischen Erkenntnissen, von wissenschaftlichem, auf Evidenz basiertem Wissen und alltagsorientierten Hinweisen, von fundierten Informationen für den klinisch tätigen Pädiater und den niedergelassenen Kinder- und Jugendarzt. Für Studierende der Medizin, Ernährungswissenschaft und angrenzender naturwissenschaftlicher Fachgebiete kann das Werk eine offensichtliche Lücke in der »Lehrbuchsammlung« schließen. Die zu erwartende hohe Akzeptanz wird diese Einschätzung sicherlich bestätigen. Bonn, 8. März 2005 Prof. Dr. Peter Stehle Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften – Ernährungsphysiologie Universität Bonn
IX
Vorwort Diätetik bzw. Ernährung ist ein zentraler Baustein pädiatrischer Therapie. Bei weit mehr als der Hälfte der im Krankenhaus behandelten Kinder werden Therapiemaßnahmen aus diesem Bereich durchgeführt. Dabei umspannt Diätetik/Ernährung ein Gebiet, dass von der »Stillphysiologie« über »parenterale Ernährung« bis zur diätetischen Therapie von Stoffwechselerkrankungen oder langfristigen Auswirkungen von Ernährung, den »Food-programming-Effekten« reichen kann. Im Vergleich zur »Erwachsenenmedizin« stellen der reife- und altersabhängige Nährstoffbedarf und die sich durch Wachstum und Entwicklung ändernde Physiologie der Kinder besondere Anforderungen an den Behandler. Zusätzlich ist für eine zeitgemäße Ernährungstherapie der rasche Fortschritt der Ernährungsforschung zu berücksichtigen.Wegen der stürmischen Entwicklung in diesem Forschungsbereich ist die pädiatrische Diätetik/Ernährung gegenwärtig in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses gerückt. Sie konnte in den letzten Jahren zu signifikanten Verbesserungen von Behandlung und Krankheitsverläufen in verschiedenen Bereichen der Pädiatrie beitragen. Im Gegensatz zu der Dynamik des Gebietes und seinem Stellenwert bei der Behandlung von Kindern ist die Ausbildung der medizinisch-orientierten Berufsgruppen oft unsystematisch und findet als »Anhängsel« verschiedener Disziplinen verteilt statt. Ökotrophologen und Ernährungswissenschaftler sind im klinischen Bereich nur selten tätig. Mangels fundierter Ausbildung und Orientierungsmöglichkeiten werden häufig Handlungsalgorithmen aus dem Ernährungsbereich von Mitarbeiter zu Mitarbeiter weitergegeben. So entwickeln sich zentrumsabhängige »Besonderheiten«, die nicht immer einer kritischen Prüfung standhalten. Der vorliegende Leitfaden fasst die ernährungsphysiologischen Grundlagen evidenzbasiert zusammen, gibt aktuelle Therapieansätze und Empfehlungen systematisch wieder. Ziel ist es, die Orientierung im Bereich der pädiatrischen Ernährung/Diätetik zu erleichtern und aktuelle Therapieansätze zu vermitteln. Das Buch richtet sich an alle Fachkreise, die mit dem Themengebiet Kinderernährung in Kontakt kommen, wie Kinderärzte, Kinderchirurgen, Anästhesisten, Rettungsmediziner, Hebammen, Kinderkrankenschwestern, Ökotrophologen, Ernährungswissenschaftler und andere.
X
Vorwort
Bei der derzeitigen rasanten Entwicklung in der Ernährungsforschung wird es notwendig sein, den Leitfaden häufig zu aktualisieren. Ich freue mich über Zuschriften, die zu einer Diskussion beitragen und helfen, das Buch für die Zukunft zu verbessern. Das Büchlein möge seiner Funktion als »Leitfaden« auch dadurch gerecht werden und sich zu einem Kristallisationspunkt für die Diskussion um pädiatrische Diätetik und Ernährung entwickeln. Ich danke allen Autoren und Mitwirkenden für die Unterstützung dieses Projektes. Dank gebührt auch Herrn Prof. Stehle vom Institut für Ernährungswissenschaft der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn, für die kritische Durchsicht des Manuskriptes und den Mitarbeiterinnen des Springer-Verlages, Frau Kröning, Frau Rand, Frau Scheddin, Frau Schulz und Frau Seeker, für die stets gute Zusammenarbeit. Berlin, Januar 2005 Frank Jochum
XI
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fusch, F. Jochum
1
1
9
1.1 1.2 1.3
2
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6
Basisinformationen . . . . . . . . . F. Jochum Bilanzierte Ernährung . . . . . . . . . Regulation der Nahrungsaufnahme Enterale und parenterale Ernährung Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
10 11 12 18
Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
Besonderheiten des Wasser-, Elektrolyt- und Nährstoffbedarfes pädiatrischer Patienten F. Jochum Körperwassergehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Flüssigkeitsumsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Anpassung nach der Geburt . . . . . . . . . . . . . . . . Verteilungsräume der Körperflüssigkeit . . . . . . . . . . . . . . . Regulationsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten des Energie- und Nährstoffbedarfes . . . . . . Elektrolytfunktionen in Körperkompartimenten . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . .
20 22 24 25 26 26 27 29
Nahrungsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
F. Jochum Zusammensetzung von Nahrungsmitteln . . . Einzelne Nährstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . Wasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Einflüsse auf den Flüssigkeitshaushalt Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Proteine/Aminosäuren . . . . . . . . . . . . . . . Lipide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrolyte (Mengenelemente, Mineralstoffe) . Vitamine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. Colling
32 33 33 34 37 38 40 41 44
. . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
XII
Inhaltsverzeichnis
3.2.7
Spurenelemente . . . . . . . . . . . . . S. Colling 3.2.8 Nukleotide und Ganglioside . . . . . . 3.2.9 Probiotika, Präbiotika und Synbiotika 3.2.10 Ballaststoffe (Nahrungsfasern) . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 4.1 4.1.1
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
. . . .
. . . .
53 55 58 59
Empfehlung für die Nährstoffzufuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
F. Jochum Flüssigkeitzufuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Früh- und Reifgeborene in der Anpassungsund Stabilisierungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Reduktion der Flüssigkeitsverluste bei Neugeborenen Früh- und Reifgeborene in der stabilen Wachstumsphase, ältere pädiatrische und erwachsene Patienten . . . . . . . . . . . Energiezufuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Energiegehalt einzelner Substrate . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Energiemangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nährstoffzufuhr bei parenteraler Ernährung . . . . . . . . . . . . . Makronährstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrolyte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Hyperkaliämie bei Früh- und Neugeborenen . . . . . . . Vitamine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. Colling Spurenelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. Colling Umgang mit Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. .
66
. . . .
67 70
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
72 73 74 74 75 75 78 80 83
. .
87
. . . .
90 91
5
Organisation und Verordnungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.2
F. Jochum Bilanzierte Ernährung . . . Standardisierung . . . . . . Hygiene . . . . . . . . . . . Praktische Organisation . . Qualitätssicherung . . . . . Anleitung zur Verordnung
4.1.2 4.2
4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.4
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
98 98 98 99 100 100
XIII Inhaltsverzeichnis
6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5 6.1.6
6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5. 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.4 6.4.1 6.4.2
7 7.1 7.2 7.3 7.3.1 7.3.2
Enterale Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physiologische Ernährung des Neugeborenen und Säuglings . . . . M. Krawinkel Bildung und Zusammensetzung von Muttermilch, Milchfluss . . . . Milchaufnahme des Säuglings, Stillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physiologische Effekte von Muttermilch im kindlichen Organismus Psychosoziale Effekte des Stillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schaffung der Voraussetzungen für erfolgreiches Stillen . . . . . . . Stillhindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Formulaernährung und Nahrungszusätze . . . . . . . . . . . U. Alexy, M. Kersting Ernährung des Kleinkinds und Schulkinds . . . . . . . . . . . . . . . . M. Krawinkel Beikost . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abstillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empfehlung für eine bedarfsgerechte Kinderernährung . . . . . . . Flüssigkeitszufuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebensmittelauswahl von Kindern und Jugendlichen . . . . . . . . . Spezielle Kostformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M. Krawinkel Vegetarismus, Veganismus, Rohköstler . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trennkost nach Hay . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sondenernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. Razeghi, R. Behrens Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugangswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105 106 107 108 109 113 114 115 121 133 133 134 135 136 138 140 140 141 141 142 142 143 150
(Teil-)parenterale Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
153
F. Jochum Zugangswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drei-Stufen-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Parenterale Kalziumsupplementation . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten bei Früh- und Neugeborenen . . . . . . . . . . . . . . Anpassungs- und Stabilisierungsphase nach der Geburt (Phase I/II) Phase des kontinuierlichen Wachstums (Phase III) . . . . . . . . . . .
154 154 155 157 157 158
XIV
Inhaltsverzeichnis
7.4 7.4.1 7.4.2
Wahl der Infusionslösungen und Zusätze . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrolyte, Vitamine, Spurenelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Jochum, S. Colling Weitere Supplemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reduktion von Nebenwirkungen einer parenteralen Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Minimale enterale Ernährung »gut feeding« . . . . . . . . . . . . . . Nichtnutritives Saugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mischbarkeit von Ernährungslösungen und/oder Medikamenten Physikalische Inkompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chemische oder larvierte (verborgene) Inkompatibilität . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.4.3 7.5 7.5.1 7.5.2 7.6 7.6.1 7.6.2
. . .
159 159 161
.
163
. . .
164 164 164 165 165 165 166
. . .
8
Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen . . . . . .
8.1 8.1.1
Perioperative Infusionstherapie und Ernährung . . . . . . . . . . . . Präoperative Ernährung/Infusionstherapie . . . . . . . . . . . . . . . G. Klaunik Intraoperative Infusionstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M. Hermsen Postoperative Infusionstherapie und Aufbau der enteralen Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Klaunik Physiologie des Postaggressionsstoffwechsels . . . . . . . . . . . . M. Hermsen Exkurs: Postaggressionsstoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besondere Aspekte der Ernährung Frühgeborener . . . . . . . . . . F. Jochum Enteraler Nahrungsaufbau bei Früh- und reifen Neugeborenen . . Nahrungssupplementation bei VLBW- und ELBW-Frühgeborenen Prophylaxe der Frühgeborenenosteopenie . . . . . . . . . . . . . . . Eisensupplementation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vitamin- und Spurenelementsupplementation bei Neu- und Frühgeborenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. Colling Frühgeborenenhyperkaliämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Jochum
8.1.2 8.1.3
8.1.4
8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5
8.2.6
. .
169 172 172
.
175
.
181
.
188
. .
191 192
. . .
192 194 197 206
.
208
.
217
XV Inhaltsverzeichnis
8.3
Häufige Ernährungsprobleme des Neugeborenen/Säuglings . . . H. Kalhoff 8.3.1 Dyspepsie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.2 Der spuckende Säugling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.3 Gedeihstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.4 Akuttherapie von Hypoglykämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Infusionstherapie und Ernährung bei angeborenen Stoffwechselstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Mönch 8.4.1 Biotinidasemangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.2 Galaktosämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3 Phenylketonurie/Hyperphenylalaninämie und maternale Phenylketonurie/Phenylalaninembryopathie . . . . . . . . . . . . . 8.4.4 Ahornsirupkrankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.5 Mittelketten-CoA-Dehydrogenase-Defekt . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.6 Glutaracidurie Typ I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.7 Isovalerianacidämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.8 Ornithintranscarbamylasemangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.9 Umgang mit komatösen Patienten bei Verdacht auf Stoffwechselstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.10 Medikamente zur Behandlung der beschriebenen Stoffwechselstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Adipositas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Schröder 8.6 Anorexia nervosa und Bulimie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Schröder 8.7 Ernährungssituation und Ernährungsmöglichkeiten krebserkrankter Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . J.F. Beck 8.8 Besonderheiten bei Kindern mit rheumatischen Erkrankungen . . J.P. Haas 8.8.1 Eliminationsdiäten und Heilfasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8.2 Substitutionsdiäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8.3 Diätetische Prävention von Sekundärschäden . . . . . . . . . . . . . 8.9 Besonderheiten bei Kindern mit atopischen Erkrankungen . . . . C. Binder, K. Beyer, B. Niggemann 8.9.1 Diätformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.
219
. . . .
219 221 223 225
.
227
. .
228 230
. . . . . .
237 245 253 258 264 270
.
278
. .
280 280
.
290
.
298
.
304
. . . .
305 306 306 308
.
308
XVI
8.9.2 8.10
Inhaltsverzeichnis
Diätfolgen . . . . . . . . . . . . . . . Ernährung und (Leistungs-)Sport . S. Kluge, G. Strobel 8.10.1 Ernährung und Sport . . . . . . . . 8.10.2 Energiebedarf und -bereitstellung 8.10.3 Praktische Hinweise . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
320 320
. . . .
. . . .
320 321 326 332
Störungen des Wasser-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
347
9.1 9.2 9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.3.4 9.3.5 9.4 9.5 9.6 9.7 9.8 9.9 9.10
F. Jochum Dehydratation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volumenmangelschock . . . . . . . . . . . . . . Häufige Elektrolytimbalanzen . . . . . . . . . . Natriumhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kaliumhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hyperchlorämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kalziumhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypomagnesämie . . . . . . . . . . . . . . . . . Säure-Basen-Haushalt . . . . . . . . . . . . . . . Akute Niereninsuffizienz, Anurie und Oligurie Coma diabeticum . . . . . . . . . . . . . . . . . Acetonämisches Erbrechen . . . . . . . . . . . Hypoglykämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion . . Verbrennungen/Verbrühungen . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
348 356 359 361 362 365 366 368 369 372 375 378 379 381 385 388
10
Störungen des Gastrointestinaltrakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
389 390
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
394
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
399
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
400 402
9
10.1
Chronische Obstipation . . . . . . . . S. Razeghi, R. Behrens 10.2 Infektiöse Enteritis . . . . . . . . . . . S. Razeghi, R. Behrens 10.3 Nahrungsmittelunverträglichkeiten S. Razeghi, R. Behrens 10.3.1 Nahrungsmittelallergie . . . . . . . . 10.3.2 Nahrungsmittelintoleranzen . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
XVII Inhaltsverzeichnis
10.4 10.5 10.6
11
Gastroösophagealer Reflux . . S. Razeghi, R. Behrens Colitis ulcerosa, Morbus Crohn S. Razeghi, R. Behrens Kurzdarmsyndrom . . . . . . . . M. Krawinkel Literatur . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
409
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
413
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
420
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
428
Monitoring bei (teil-)parenteraler Ernährung . . . . . . . . . . . .
431
F. Jochum
12
Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus
12.1
Bodymass-Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fusch Hautfaltendicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fusch Bioimpedanzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fusch Stabile Isotope . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fusch Dual-X-ray-Absorptiometrie . . . . . . . . . . . . . . C. Fusch Methoden aus der Forschung . . . . . . . . . . . . . C. Fusch Methoden zur Beurteilung von oxidativem Stress H. Topp Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
435 436
. . . . . . . . . . .
437
. . . . . . . . . . .
438
. . . . . . . . . . .
439
. . . . . . . . . . .
441
. . . . . . . . . . .
441
. . . . . . . . . . .
446
. . . . . . . . . . .
448
. . . . . . . . . . . . . . .
451
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
452 455 457
14
Ethische und rechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
459
14.1 14.2
A. Dörries Ethische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
460 463 467
12.2 12.3 12.4 12.5 12.6 12.7
13 13.1 13.2
Materialien zur Ernährungstherapie . . . P. Thul Intravenöser Zugang (peripher und zentral) Ernährungssonden . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XVIII
Inhaltsverzeichnis
15
Programmiert die frühkindliche Ernährung die langfristige Gesundheit und das spätere Adipositasrisiko? . . . . . . . . . . .
15.1 15.2 15.3 15.4 15.5
B. Koletzko, D. Oberle, A.M. Toschke, R. von Kries Frühkindliche metabolische Programmierung des Adipositasrisikos im späteren Lebensalter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse epidemiologischer Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . Probleme epidemiologischer Studien zu Auswirkungen der Säuglingsernährung auf die spätere Adipositas . . . . . . . . . . Biologische Plausibilität des postulierten Zusammenhangs zwischen Übergewicht bzw. Adipositas . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
469
472 473 482 484 485 487
491
F. Jochum Übersichtstabellen zur Nährstoffzufuhr A.1 Empfehlungen für die enterale/parenterale Ernährung . . . . . . A.1.1 Flüssigkeitszufuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.1.2 Energiezufuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.1.3 Nährstoffzufuhr (Glukose, Aminosäuren, Lipide) . . . . . . . . . . A.1.4 Enteraler Nahrungsaufbau bei Früh- und reifen Neugeborenen . A.1.5 Supplementation der enteralen Nahrung von VLBWund ELBW-Frühgeborenen in der Phase des stabilen Wachstums (Phase III) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersichtstabellen zum Nahrungsaufbau A.2 Empfehlungen für den Nahrungsaufbau und/oder die intermittierende (teil-)parenterale Ernährung . . . . A.2.1 Für Frühgeborene <1.000 g Geburtsgewicht . . . . . . . A.2.2 Für Frühgeborene mit 1.000–1.500 g Geburtsgewicht A.2.3 Für Frühgeborene >1.500 g Geburtsgewicht und kranke Reifgeborene . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.2.4 Für Kleinkinder, Jugendliche und Erwachsene . . . . . . A.3 Zusammenfassung: Nahrungsaufbau Früh- und kranke Reifgeborene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
493 493 496 497 500
. .
501
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
503 503 506
. . . . . . . . . . . . . . . .
509 512
. . . . . . . .
514
XIX
B C
. . . . . . . . . . . . . .
516 518
. . . . . . .
527
. . . . . . .
529
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
539
D E
Verordnungsbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Referenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M. Schmitt Hilfreiche Formeln und Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . M. Schmitt Adressensammlung zum Thema Diätetik und Ernährung M. Lange
XXI
Autorenverzeichnis Alexy, U., Dr. med.
Dörries, A., Dr. med.
Forschungsinstitut für Kinderernährung, Heinstück 11, 44225 Dortmund
Zentrum für Gesundheitsethik, Evangelische Akademie Loccum, Knochenhauer Str. 33, 30159 Hannover
Beck, J.F., Prof. Dr. med. Abteilung für pädiatrische Onkologie und Hämatologie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universität Greifswald, Soldmannstr. 15, 17487 Greifswald
Fusch, C., Prof. Dr. med. Abteilung für Neonatologie und pädiatrische Intensivtherapie, Zentrum für Kinderheilkunde, Universität Greifswald, Soldmannstr. 15, 17487 Greifswald
Behrens, R., Prof. Dr. med. Kliniken für Kinder und Jugendliche, Klinikum Süd, Breslauer Str. 201, 90471 Nürnberg
Beyer, K., Dr. med. Pädiatrische Pneumologie und Immunologie, Charité, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin
Binder, C., Diätassistentin Pädiatrische Pneumologie und Immunologie, Charité, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin
Colling, S., Dr. med. Epilepsiezentrum Bethel, Krankenhaus Mara gGmbH, Maraweg 21, 33617 Bielefeld
Haas, J.P., PD Dr. med. Abteilung für Neonatologie und pädiatrische Intensivtherapie, Zentrum für Kinderheilkunde, Universität Greifswald, Soldmannstr. 15, 17487 Greifswald
Hermsen, M., Dr. med. Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, Universität Greifswald, Friedrich-Löffler-Str. 23b, 17487 Greifswald
XXII
Autorenverzeichnis
Jochum, F., Dr. med.
Krawinkel, M., Prof. Dr. med.
Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin, Evangelisches Waldkrankenhaus Spandau, Stadtrandstr. 555, 13589 Berlin, und Abteilung für Neonatologie und pädiatrische Intensivtherapie, Zentrum für Kinderheilkunde, Universität Greifswald, Soldmannstr. 15, 17487 Greifswald
Institut für Ernährungswissenschaft und Zentrum für Kinderheilkunde, Justus-Liebig-Universität, Wilhelmstr. 20, 35392 Gießen
Kries R. von, Prof. Dr. med. Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität, Heiglhofstr. 63, 81337 München
Kalhoff, H., Prof. Dr. med. Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Westfälisches Kinderzentrum, Beurhausstr. 40, 44137 Dortmund
Lange, M., Dr. med.
Kersting, M., PD Dr. med.
Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin, Evangelisches Waldkrankenhaus Spandau, Stadtrandstr. 555, 13589 Berlin
Forschungsinstitut für Kinderernährung, Heinstück 11, 44225 Dortmund
Mönch, E., Prof. Dr. med.
Klaunik, G., Dr. med. Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie, Universität Greifswald, Friedrich Sauerbruchstraße, Bettenhaus 1, 17487 Greifswald
Kluge, S., Dr. med. Deutsches Institut für Ernährungsforschung, Arthur-Scheunert-Allee 114–116, 14558 Bergholz-Rehbrücke
AG Stoffwechsel, Klinik für allgemeine Pädiatrie, Charité, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin
Niggemann, B., Prof. Dr. med. Pädiatrische Pneumologie und Immunologie, Charité, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin
Oberle D., Dr. med. Dr. v. Haunersches Kinderspital, Ludwig-Maximilians-Universität, Lindwurmstr. 4, 80337 München
Koletzko, B., Prof. Dr. med. Dr. v. Haunersches Kinderspital, Ludwig-Maximilians-Universität, Lindwurmstr. 4, 80337 München
Razeghi, S., Dr. med. Kinderklinik Dritter Orden, Franz-Schrank-Str. 8, 80638 München
XXIII Autorenverzeichnis
Schmitt, M., Dr. med. Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin, Evangelisches Waldkrankenhaus Spandau, Stadtrandstr. 555, 13589 Berlin
Schröder, C., Dr. med. Zentrum für Kinderheilkunde, Universität Greifswald, Soldmannstr. 15, 17487 Greifswald
Strobel, G., PD Dr. med. Institut für Sportmedizin, Campus Benjamin Franklin, Arnimallee 22, 14195 Berlin
Thul, P., Prof. Dr. med. Klinik für Allgemein-, Visceral-, Gefäß- und Toraxchirurgie, Campus Charité Mitte, Schumannstraße 20/21, 10117 Berlin
Topp, H., Dr. rer. nat. Zentrum für Kinderheilkunde, Universität Greifswald, Soldmannstr. 15, 17487 Greifswald Fresenius Kabi Deutschland GmbH, Else-Kröhner-Str. 1, 61352 Bad Homburg
Toschke, A.M., Dr. med. Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität, Heiglhofstr. 63, 81337 München
1 Basisinformationen F. Jochum
1.1
Bilanzierte Ernährung
1.2
Regulation der Nahrungsaufnahme – 11
1.3
Enterale und parenterale Ernährung – 12 Literatur
– 18
– 10
10
1
Kapitel 1 · Basisinformationen
Imbalanzen des Wasser-, Elektrolyt- und weiteren Nährstoffhaushalts treten bei Kindern häufig auf. Gründe hierfür sind die Unreife der Regulation, die besondere Physiologie und die schnellen Änderungen des Nährstoffbedarfes im Verlauf des Säuglings-, Kleinkindes-, Jugend- bis zum Erreichen des Erwachsenenalters. Diese Altersabhängigkeit spiegelt sich auch in der Anzahl der veröffentlichten experimentellen Forschungsarbeiten bezüglich des Wasser-, Elektrolyt- und weiteren Nährstoffbedarfes von Kindern wider. Für ältere pädiatrische Patienten liegen nur wenig experimentelle Daten vor. Die von deutschen oder internationalen Gesellschaften publizierten »Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr« oder zu diesem Thema veröffentlichte Lehrbücher arbeiten darum mit extrapolierten Daten. Die vielen verfügbaren Informationen über Neugeborene und die im Vergleich wenigen Daten über ältere pädiatrische Patienten finden auch in der Ausführlichkeit der Empfehlungen für die verschiedenen Altersgruppen ihren Niederschlag.
1.1
Bilanzierte Ernährung
Im Laufe der Entwicklungsgeschichte hat sich der Mensch an die ihm zur Verfügung stehende Nahrung angepasst. Entsprechend des persönlichen Bedarfes wird beim Gesunden eine adäquate Nahrungszufuhr durch Hunger und Durst erreicht. Dabei ist die Nahrungsaufnahme, neben persönlichen Vorlieben, nicht frei von familiären, kulturellen und geographisch-meteorologischen Einflüssen. Schnelle Änderungen des Nahrungsangebots, des individuellen Energieverbrauches oder der Möglichkeit Nahrung aufzunehmen (wie z. B. bei Krankheit oder therapeutischen Maßnahmen) können die komplexe Eigenregulation, die in der Empfindung von Hunger, Durst und Sättigung mündet, stören. So kommt es zu einer Nahrungsaufnahme, die nicht dem Bedarf entspricht. Vielfältige Gründe können es notwendig machen, die Regulation der Nahrungsaufnahme rational zu steuern oder außer Kraft zu setzen und die Zufuhr extern zu regeln (Krankheiten, Frühgeborenenernährung über Magensonde, perioperative (teil-)parenterale Ernährung). Muss in die Regulation der Nahrungszufuhr eingegriffen werden, so ist es auch notwendig, den Nährstoffbedarf und den -gehalt der ausgewählten Nahrungsmittel
11 1.2 · Regulation der Nahrungsaufnahme
1
zu kennen und deren angepasste Zufuhr – also eine bilanzierte Ernährung – zu organisieren. Für die Kinder- und Jugendmedizin stellen die verschiedenen Maßnahmen der Diätetik eine zentrale therapeutische Möglichkeit dar, die im stationären Bereich häufig eingesetzt werden muss. Dies liegt an den besonderen physiologischen Verhältnissen bei Kindern, die, leichter als bei Erwachsenen, zu einer Imbalanz des Flüssigkeits-, Elektrolyt- oder weiteren Nährstoffhaushalts führen. Die Durchführung einer bilanzierten Ernährung ist hier besonders schwierig, weil die behandelten Kinder sehr unterschiedlich sind (z. B. Körpergewicht: von <400 g bis >100 kg) und der Nährstoffbedarf stark alters- und wachstumsabhängig ist. Zusätzlich sind die physiologischen Besonderheiten von Früh- und Reifgeborenen und die Anpassungsvorgänge nach der Geburt eine besondere Herausforderung, um eine angepasste Nahrungszufuhr zu gewährleisten. Die Genauigkeit der Bilanzierung von Ernährung hängt, neben anderen Faktoren, maßgeblich von der Dauer, z. B. einer parenteralen Ernährung, ab. Im klinischen Alltag einer Kinderklinik ist eine Dauer von wenigen Tagen bis Wochen die Regel (ausgenommen die lebenslangen semisynthetischen Diäten bei angeborenen Stoffwechselstörungen). An diesen Standardsituationen orientiert sich dieser Leitfaden, um für den üblichen klinischen Alltag eine schnelle Orientierung und optimale Behandlungsqualität zu erreichen. Spezialsituationen, wie z. B. eine lebenslange parenterale Ernährung beim Kurzdarmsyndrom, werden nur kurz, im Bezug auf die Akutversorgung der Patienten, dargestellt. Hierzu wird auf Fachpublikationen bezüglich der Spezialthemen verwiesen.
1.2
Regulation der Nahrungsaufnahme
Die Regulationsmechanismen, die zu einem angepassten Hunger-, Durst- und Sättigungsgefühl führen, sind bis heute nur in Ansätzen geklärt. Es wurden in den letzten Jahren mehrere hypothalamische und periphere »Signalstoffe« entdeckt, die eine Kommunikation zwischen Nahrungszufuhr/-speicherung, Grundumsatz, Lipolyse, Stoffwechsel und der endokrinen Kontrolle von Wachstum, Reproduktion und Wohlbefinden ermöglichen. Das überwiegend in Fettzellen gebildete Leptin nimmt hierbei in Verbindung mit dem Leptinrezeptor eine zentrale Stellung ein, denn niedrige Spiegel führen im Tierversuch und beim Menschen zu überschießender Nahrungsaufnahme.
12
1
Kapitel 1 · Basisinformationen
Leptinspiegel korrelieren mit den Fettvorräten. Leptin entfaltet seine Wirkung über verschiedene Neuropeptide, die z. T. in Neuronen des Hypothalamus gebildet werden [Neuropeptid Y (NPY), »agouti-related peptide« (AGRP), Proopiomelanocortin (POMC), »cocaine-and-amphetamine-related transcript« (CART) und andere; Forbes et al. 2001]. Als Gegenspieler des Leptins, das in seiner Hauptwirkung anorexigen wirkt, ist ein 28 Aminosäuren langes, im Magen gebildetes Peptid, das Ghrelin, identifiziert worden. Ghrelin gehört zur Gruppe der Wachstumshormon-freisetzenden Peptide und entfaltet seine Wirkung an einem eigenen Rezeptor im Hypothalamus (GHS-Rezeptor). Seine orektische Wirkung ist unabhängig von der Freisetzung von Wachstumhormon (Tschop et al. 2004). Ghrelin steigt beim nüchternen Menschen im Plasma schnell an und fällt nach Nahrungsaufnahme schnell wieder ab (Horvath et al. 2001; Tschop et al. 2004). Die Infusion von Ghrelin steigert beim Menschen die Nahrungsaufnahme (Horvath et al. 2001). In welchem Gestationsalter die »Justierung« der Regelkreise zur Regulation der Nahrungsaufnahme stattfindet, ist weit gehend unklar. Es gibt erste Evidenz dafür, dass die Ernährung bei Früh- und Reifgeborenen langfristig die Entstehung einer Adipositas begünstigen kann, also unphysiologische Ernährung in dieser scheinbar vulnerablen Phase langfristige Auswirkungen (»food programming«) haben könnte (Metges 2001; Toschke et al. 2002). Das hier nur orientierend dargestellte komplexe Regulationssystem wird im klinischen Alltag einer Kinderklinik häufig und durch einfachste Maßnahmen, wie eine Magensonde oder parenterale Flüssigkeitszufuhr, außer Kraft gesetzt. Die Regulationsfunktion dieses Systems muss dann durch den Arzt übernommen werden, der mit Zufuhrempfehlungen für Nahrung, in Verbindung mit Wissen über die Physiologie des Patienten, über die Pathophysiologie der Erkrankung und über die Informationen aus dem Patientenmonitoring die Nährstoffzufuhr individuell festlegen muss.
1.3
Enterale und parenterale Ernährung
Die Entscheidung zwischen den einzelnen Formen der Nahrungszufuhr sollte jeweils nach medizinischer Indikation unter dem Leitgedanken »so wenig invasiv wie möglich« getroffen werden. Dieses Vorgehen begünstigt niedrige Komplikationsraten.
13 1.3 · Enterale und parenterale Ernährung
1
Orale Ernährung bietet die Möglichkeit der eigenständigen kortikalen Kontrolle der Flüssigkeits- und Nährstoffzufuhr ( Abschn. 1.2). Bei enteraler Ernährung, über z. B. eine Magen- oder perkutane endoskopische Gastrostomie- (PEG-)Sonde, sind diese Kontrollmechanismen bereits ausgeschaltet, und es bleibt nur für einen Teil der Nährstoffe die Möglichkeit einer beschränkten Regulation über verminderte oder vermehrte Absorption. Bei parenteraler Ernährung ist auch dieser Regulationsmechanismus ausgeschaltet. Ist es nicht möglich, eine komplette orale oder enterale Nährstoffzufuhr zu gewährleisten, so ist zu entscheiden, ob eine ▬ partielle parenterale Ernährung (PPE) oder ▬ totale parenterale Ernährung (TPE) erforderlich ist. ! Cave Mit der Ausschaltung der physiologischen Regulationsmöglichkeiten durch »aggressivere« Zufuhrwege ist eine akzidentelle Imbalanz von Nährstoffen durch den Organismus immer schwieriger auszugleichen. Bei der TPE sind darum an eine bedarfsgerechte Zufuhr und die hierfür notwendigen Kontrollen die höchsten Anforderungen zu stellen.
Neben dem Zugangsweg spielen aber auch das Lebensalter des Patienten (damit verbunden unreife Regulationsmechanismen, Größe der Nährstoffspeicher) und die Dauer einer bilanzierten Ernährung für die Entwicklung von Imbalanzen eine wichtige Rolle. > Die Entscheidung zwischen oraler, enteraler Nahrungszufuhr, PPE oder TPE sollte jeweils nach medizinischer Indikation unter dem Leitgedanken »so wenig invasiv wie möglich« getroffen werden. Dieses Vorgehen begünstigt niedrige Komplikationsraten (Brown et al. 1989; Long u. Keyserling 1985; Sohn et al. 2001; Vaidya et al. 1991). Wenn immer möglich und von ihrem Anteil so hoch wie möglich, sollte die Nahrung darum oral zugeführt werden. Wenn dies nicht möglich ist, ist der enterale und, nur wenn beides nicht möglich ist, der (teil-)parenterale Weg zu wählen (Suchner et al. 1996).
14
1
Kapitel 1 · Basisinformationen
Verdauung und Absorption Durch Oberflächenvergrößerung das Darmes (Fältelung und Schleimhautzotten) in Verbindung mit den Verdauungssekreten entsteht ein äußerst effektives System zur Nahrungsaufnahme. Zur Verdauung der Nahrung ist neben den anatomischen Voraussetzungen ein Zusammenspiel physikalischer und chemisch-enzymatischer Prozesse notwendig, die einer hormonellen und auch nervalen Kontrolle unterliegen. Beim Transport des Chymus durch die verschiedenen Bereiche des Verdauungssystems wird durch die Verdauungssekrete die Fermentierung der Nahrung und die Aufspaltung in die einzelnen Nährstoffe bewirkt, die der Absorption vorausgehen muss. Die Absorption der einzelnen Nahrungsbestandteile ist an bestimmte Lokalisationen gebunden (Proteinbausteine: Magen, Duodenum, Jejunum; Kohlenhydrate/Lipide: Duodenum und Jejunum; Elektrolyte und Spurenelemente: Duodenum; Vitamine: unterschiedliche Lokalisationen). Die Aufnahme kann durch verschiedene Transportmechanismen [z. B. aktiver Transport (carriervermittelt, Pinozytose), passiver Transport (Diffusion)] in gewissen Grenzen reguliert werden. Kohlenhydrate werden durch Speichel, später durch die Pankreasamylase an den α-1,1-Bindungen zu Oligosacchariden gespalten. An der Bürstensaummembran des Dünndarms erfolgt die weitere Aufspaltung. Kohlenhydrate werden in Form von Monosacchariden resorbiert. Einige Kohlenhydrate (höhermolekular, z. B. Zellulose, oder niedermolekular, z. B. Raffinose, Laktulose) sind unverdaulich. Auch prinzipiell abbaubare Kohlenhydrate können sich der Verdauung entziehen (resistente Stärke – sterische Unzugänglichkeit für die Verdauungsenzyme). Mangel an Verdauungsenzymen (wie z. B. Laktasemangel) führt zu unverdauten Kohlenhydraten im Kolon. Diese werden durch bakterielle Hydrolyse in kurzkettige Fettsäuren umgewandelt. Bei stärkerer Zunahme (vermehrter Zufuhr von Ballaststoffen, Fruktose, Xylit oder Resorptionsstörungen verschiedener Ursache) treten Blähungen und Diarrhöen durch bakteriellen Abbau von Kohlenhydraten auf. Proteine: Die Proteolyse beginnt bereits im Magen (Sekrete, Pepsin), wird durch Pankreasenzyme (Trypsin, Chymotrypsin, Elastase, Carboxypeptidasen) und schließlich durch Dipeptidasen an der Bürstensaummembran fortgesetzt. Die Aufnahme erfolgt als aktiver Transport bevorzugt als Aminosäure und Dipeptid. Triglyzeride werden zu einem kleinen Teil im Magen (Magenlipase), hauptsächlich aber von der Pankreaslipase, in freie Fettsäuren und 2-Monoglyzeride gespalten, die zusammen mit Cholesterin und konjugierten Gallensäuren (als Mizellen) passiv oder pro-
15 1.3 · Enterale und parenterale Ernährung
1
teinvermittelt vom Dünndarm aufgenommen werden können. Nach der intrazellulären Reveresterung werden sie an Apolipoproteine gebunden und erreichen über die Lymphe den Ductus thoracicus. Die konjugierten Gallensäuren werden im terminalen Ileum rückresorbiert. Mittelkettige Fettsäuren (MCT) können enterozytär direkt aufgenommen werden. Bei Frühgeborenen und bei reifen Säuglingen ist der Gastrointestinaltrakt bezüglich eines Teils der oben orientierend dargestellten Funktionen unreif. Das betrifft einerseits die nervale und strukturelle Reife, aber auch die Kapazität der zur Verdauung notwendigen Enzyme (Auricchio et al. 1965). Bei Termingeborenen steht mit der Muttermilch eine an diese Verhältnisse adaptierte Nahrung zur Verfügung. Die Unreife Frühgeborener ist aber so ausgeprägt, dass eine langsame Gewöhnung des Gastrointestinaltrakts an enterale Ernährung erfolgen muss. In dieser Zeit muss die Nährstoffzufuhr durch (teil-)parenterale Ernährung gesichert werden. Auch bei älteren Kindern kann die Resorption durch Krankheit signifikant beeinträchtigt sein.
Bemerkungen über Zufuhrempfehlungen Zufuhrempfehlungen unterliegen Veränderungen durch wissenschaftlichen Fortschritt und Gesundheitspolitik. Die genaue Antwort auf die Frage »Bedarf?« lässt sich nur unter Zuhilfenahme der Frage »Wofür?« beantworten. Beim praktischen Umgang mit Zufuhrempfehlungen ist zu berücksichtigen, dass diese üblicherweise keine Angaben zu: ▬ Bioverfügbarkeit, ▬ biochemischen Form, ▬ qualitativen Zusammensetzung der Ernährungssubstrate und ▬ Veränderungen des Bedarfes bei Krankheit machen. Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr verschiedener Gesellschaften oder Organisationen sind nicht immer einheitlich. Teilweise lassen sich diese Unterschiede durch die Weiterentwicklung, wie z. B. die Aufnahme neuer wissenschaftlicher Ergebnisse, erklären. Im Weiteren sind, neben geographisch-meteorologischen sowie kulturellen Unterschieden, die verschiedenen Ziele der einzelnen Empfehlungen zu berücksichtigen. Während in der Vergangenheit der Antrieb zur Beschäftigung mit der Nahrungszufuhr oft die Vermeidung von Mangelerkrankungen war, ist in den letzten Jahren ein zunehmender »Wertewandel« hin zur Verbesserung der Gesundheit wahrzunehmen. Bei-
16
1
Kapitel 1 · Basisinformationen
spiel hierzu ist die Empfehlung einer Fluoridsupplementierung zur Senkung der Kariesinzidenz. Bei Verwendung von Ernährungsempfehlungen für Kranke oder zur Berechnung einer bilanzierten Ernährung sind die im Folgenden aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen. Veränderter Bedarf. Ernährungsempfehlungen basieren üblicherweise auf dem »Bedarf eines gesunden Menschen«. Veränderungen des Bedarfes durch Krankheit sind nicht berücksichtigt. Beispiel Veränderter Bedarf Vermehrter Flüssigkeitsbedarf, z. B. bei Fieber: +10–20% vom Grundumsatz (Hammarlund et al. 1979; Wu u. Hodgman 1974).
Einfluss der biochemischen Form des Nahrungssubstrats (Speziation). Üb-
licherweise werden in den Ernährungsempfehlungen lediglich Angaben über die empfohlene Zufuhr der verschiedenen Substrate gemacht. Die chemische Form, in der das Substrat zugeführt wird, und die Matrix können aber Aufnahme und Verteilung auf verschiedene Körperkompartimente signifikant beeinflussen. Beispiel Biochemische Form des Nahrungssubstrats Phenylketonurie- (PKU-)Patienten der deutschen PKU-Verbundstudie hatten einen niedrigen Selen- (Se-)Status (n=24, Kinder) und wurden mit 25 µg/m2 KOF Se für 9 Monate supplementiert (entweder mit Selenomethionin oder Natriumselenit). Die Vollblut-Se-Spiegel waren nach 9-monatiger Selenomethioningabe beinahe 3-mal so hoch (162±62 ng Se/ml Vollblut) wie in der mit anorganischem Se supplementierten Gruppe (57±13 ng Se/ml Vollblut), obwohl beide Gruppen die gleiche Dosis erhalten hatten (Jochum et al. 1999).
Einfluss der Bioverfügbarkeit. In Ernährungsempfehlungen kann die Bioverfügbarkeit von Nahrungssubstraten nur für die »Standardsituation« berücksichtigt werden. Die Bioverfügbarkeit kann aber die Aufnahme beeinflussen.
17 1.3 · Enterale und parenterale Ernährung
1
Beispiel Bioverfügbarkeit Wir fanden bei 128 Säuglingen, die 4 Monate lang ausschließlich jeweils mit Muttermilch, Kuhmilchformula oder teilhydrolisierter Formula ernährt wurden, gleiche Plasma-Zink-(Zn-)Spiegel (im physiologischen Bereich). Der Zn-Gehalt betrug in der Muttermilch im Mittel 1,4±0,09 mg/l, in der Kuhmilchformula 2,1±0,1 mg/l und war in der teilhydrolisierten Formula mit 5,7±0,2 mg/l mehr als 4-mal so hoch wie in Muttermilch. Die Bioverfügbarkeit für Zn aus Muttermilch ist in verschieden zusammengesetzter Nahrung unterschiedlich (Jochum et al. 1995). Sie muss zur Gewährleistung einer adäquaten Zufuhr berücksichtigt werden.
Einfluss der Qualität der in der Nahrung enthaltenen Substrate. In Ernäh-
rungsempfehlungen kann auf die Qualität der verwendeten Substrate nur beschränkt eingegangen werden. Die Qualität der Substrate kann aber einen starken Einfluss auf den Stoffwechsel ausüben. Beispiel Qualität der verwendeten Substrate Nach der Implantation einer Aortenklappe wurden 25 erwachsene Patienten in 2 Gruppen geteilt und mit jeweils einer Fettlösung (strukturierte Triglyzeride, STG, oder einer Emulsion aus mittel- und langkettigen Fettsäuren, M-LCT) gemäß den üblichen Empfehlungen parenteral ernährt. Die mit STG ernährten Patienten hatten eine kumulative Stickstoffbilanz von –7 g/Tag, die M-LCT-Gruppe eine von –21 g/Tag (Kruimel et al. 2001).
Auch nichtnutritive Effekte von Nahrung (»food programming«, »Pharmakonutrition«) sind in üblichen Ernährungsempfehlungen nicht berücksichtigt ( Kap. 15). > Beim praktischen Umgang mit Zufuhrempfehlungen muss berücksichtigt werden, dass Bioverfügbarkeit, chemische Form, Matrix, Qualität der Nährstoffe und krankheitsbedingte Veränderungen des Bedarfes signifikante Auswirkungen auf den Nährstoffhaushalt haben können. Im ▼
18
1
Kapitel 1 · Basisinformationen
Zweifel muss durch angepasstes Monitoring gemessen werden, ob die Nährstoffspiegel bei Patienten, die eine bilanzierte Ernährung auf der Grundlage einer Bedarfsempfehlung erhalten, im physiologischen Bereich liegen.
Literatur Auricchio S, Rubino A, Murset G (1965) Intestinal glycosidase activities in the human embryo, fetus, and newborn. Pediatrics 35: 944–954 Brown MR, Thunberg BJ, Golub L, Maniscalco WM, Cox C, Shapiro DL (1989) Decreased cholestasis with enteral instead of intravenous protein in the very low-birth-weight infant. J Pediatr Gastroenterol Nutr 9: 21–27 Forbes S, Bui S, Robinson B, Hochgeschwender U, Brennan M (2001) Integrated control of appetite and fat metabolism by the leptin-proopiomelanocortin pathway. Proc Natl Acad Sci U S A 98: 4233–4237 Hammarlund K, Nilsson GE, Oberg PA, Sedin G (1979) Transepidermal water loss in newborn infants. II. Relation to activity and body temperature. Acta Paediatr Scand 68: 371–376 Horvath T, Diano S, Sotonyi P, Heiman M, Tschop M (2001) Minireview: ghrelin and the regulation of energy balance – a hypothalamic perspective. Endocrinology 142: 4163–4169 Jochum F, Fuchs A, Cser A, Menzel H, Lombeck I (1995) Trace mineral status of full-term infants fed human milk, milk-based formula or partially hydrolysed whey protein formula. Analyst 120: 905–909 Jochum F, Terwolbeck K, Meinhold H, Behne D, Menzel H, Lombeck I (1999) Is there any health risk of low dietary selenium supply in PKU-children. Nutr Res 19: 221–226 Kruimel J, Naber T, Vliet J van der, Carneheim C, Katan M-B, Jansen J (2001) Parenteral structured triglyceride emulsion improves nitrogen balance and is cleared faster from the blood in moderately catabolic patients. JPEN J Parenter Enteral Nutr 25: 237–244 Long JG, Keyserling HL (1985) Catheter-related infection in infants due to an unusual lipophilic yeast – Malassezia furfur. Pediatrics 76: 896–900 Metges CC (2001) Does dietary protein in early life affect the development of adiposity in mammals? J Nutr 131: 2062–2066 Sohn AH, Garrett DO, Sinkowitz-Cochran RL et al. (2001) Prevalence of nosocomial infections in neonatal intensive care unit patients: results from the first national point-prevalence survey. J Pediatr 139: 821–827 Suchner U, Senftleben U, Eckart T et al. (1996) Enteral versus parenteral nutrition: effects on gastrointestinal function and metabolism. Nutrition 12: 13–22 Toschke AM, Vignerova J, Lhotska L, Osancova K, Koletzko B, Kries R von (2002) Overweight and obesity in 6- to 14-year-old Czech children in 1991: protective effect of breast-feeding. J Pediatr 141: 764–769 Tschop M, Smiley D, Heiman M (2004) Ghrelin induces adiposity in rodents. Nature 407: 908–913 Vaidya UV, Hegde VM, Bhave SA, Pandit AN (1991) Reduction in parenteral nutrition related complications in the newborn. Indian Pediatr 28: 477–484 Wu PY, Hodgman JE (1974) Insensible water loss in preterm infants: changes with postnatal development and non-ionizing radiant energy. Pediatrics 54: 704–712
2 Physiologie Besonderheiten des Wasser-, Elektrolyt- und Nährstoffbedarfes pädiatrischer Patienten F. Jochum
2.1
Körperwassergehalt – 20
2.2
Flüssigkeitsumsatz – 22 Exkurs: Anpassung nach der Geburt
– 24
2.3
Verteilungsräume der Körperflüssigkeit – 25
2.4
Regulationsmechanismen
2.5
Besonderheiten des Energie- und Nährstoffbedarfes – 26
2.6
Elektrolytfunktionen in Körperkompartimenten – 27 Literatur
– 29
– 26
20
Kapitel 2 · Physiologie
2
Kontrolle und Regulation der Körperwasserspeicher bei Kindern sind im Vergleich zu Erwachsenen erschwert, weil ein höherer Wasseranteil/kg KG und Tag reguliert werden muss. Zusätzlich ist der Wasserumsatz/kg KG (bis zu 5-mal) höher als bei Erwachsenen. Unter anderem wegen des Körperwachstums ist der Nährstoffbedarf/ kg KG von Kindern höher als der von Erwachsenen. Auch die Regulation des Elektrolyt- und weiteren Nährstoffhaushalts ist durch altersabhängige Besonderheiten limitiert. Aus diesem Grunde ist es notwendig, die Flüssigkeits-, Elektrolyt- und weitere Nährstoffzufuhr eng an den mit zunehmendem Lebensalter sinkenden Bedarf anzupassen. Bei gesunden älteren Kindern hat die Physiologie scheinbar geringere Bedeutung. Belastung des Wasser-, Elektrolyt- oder sonstigen Stoffwechsels führt bei ihnen schneller an die Grenzen als bei Erwachsenen (mit reifen Regulationsmechanismen) und großen Körperspeichern. Darum sind auch die im Vergleich zu Erwachsenen nicht so offensichtlichen Besonderheiten älterer pädiatrischer Patienten für den klinischen Alltag wichtig und keinesfalls zu vernachlässigen.
Die Strategien für die (parenterale) Ernährung von pädiatrischen Patienten unterscheiden sich signifikant vom Vorgehen bei Erwachsenen. Das besondere Vorgehen bei Kindern ergibt sich aus den physiologischen Besonderheiten dieses Lebensabschnitts. Wissen über altersabhängige Veränderungen der Ernährungsphysiologie bei Kindern ist darum notwendig, um die bedarfsgerechte und sichere Nährstoffzufuhr bei pädiatrischen Patienten zu gewährleisten. Zum besseren Verständnis der Ernährungsstrategien für Kinder erscheint es hier sinnvoll, die physiologischen Besonderheiten voranzustellen.
2.1
Körperwassergehalt
Der Wassergehalt des Körpers ist altersabhängig und nimmt von ca. 90% bei einem Frühgeborenen mit 24 Schwangerschaftswochen im Verlauf des Kleinkind- und Jugendalters bis auf unter 60% beim Erwachsenen mit zuneh-
21 2.1 · Körperwassergehalt
2
⊡ Abb. 2.1. Wassergehalt und Verteilung auf die verschiedenen Körperkompartimente in Abhängigkeit von Lebensalter und Geschlecht. (Aus Friis-Hansen 1961)
mendem Lebensalter ab (Friis-Hansen 1961; Widdowson 1981; ⊡ Abb. 2.1). Während des Wachstums kommt die Abnahme des Körperwassergehaltes maßgeblich durch den Aufbau von Körpergewebe zustande (Strukturproteine, Vergrößerung der Muskel-/Organmasse und des Fettanteils). Hierdurch kommt es zu einer relativen Verminderung der Wasseranteils an der Körpermasse. Nach der Pubertät lassen sich geschlechtsspezifische Unterschiede der Körperzusammensetzung und des Körperwassergehaltes messen. Hierbei fällt bei Mädchen/Frauen im Vergleich zu Jungen/Männern ein höherer Körperfettanteil auf, der zu einem im Vergleich geringeren Körperwassergehalt führt ( Abschn. 2.3).
2
22
Kapitel 2 · Physiologie
2.2
Flüssigkeitsumsatz
Auch der Flüssigkeitsumsatz/kg KG ist beim Frühgeborenen, Säugling, Kleinkind und Jugendlichen höher als beim Erwachsenen (Fusch et al. 1993; ⊡ Abb. 2.2). Hierzu tragen die Unreife der Epidermis (⊡ Abb. 2.3), die große Körperoberfläche im Vergleich zum Körpervolumen mit daraus resultierender hoher Perspiratio insensibilis (Costarino u. Baumgart 1998), die Unreife der Niere [verminderte Konzentrierungsfähigkeit (Spitzer 1978), dadurch größeres Urinvolumen; ⊡ Abb. 2.4 unten] und der höhere Energieumsatz/kg KG bei (bis zu 3-mal so hoch wie beim Erwachsenen: Metabolisierung von 100 kcal benötigt ca. 100 ml Wasser). Die Regulationsmechanismen des Wasser- und Elektrolythaushalts sind bei der unreifen Niere in ihrer Effektivität noch eingeschränkt. Neben der geringeren Konzentrierungsfähigkeit (⊡ Abb. 2.4) sind auch die glomeruläre Filtrationsfähigkeit, die tubuläre Rückresorption und die H+-Ionen-Elimination im Vergleich zum Erwachsenen geringer (Aperia et al. 1981; Fawer et al. 1979).
⊡ Abb. 2.2. Wasserumsatz/kg KG und Tag in verschiedenen Lebensaltern. (Fusch et al. 1993)
23 2.2 · Flüssigkeitsumsatz
⊡ Abb. 2.3. Transdermaler Wasserverlust (»transepidermal water loss«, TEWL) bei Frühgeborenen verschiedener Reifegrade unter verschiedener Luftfeuchtigkeit. (Mod. nach Hammarlund u. Sedin 1979)
⊡ Abb. 2.4. Entwicklung der Konzentrierungsfähigkeit der Neugeborenenniere im ersten Lebensjahr. (Aus Pol’acek et al. 1965)
> Bei pädiatrischen Patienten müssen im Vergleich zu Erwachsenen ein größeres Flüssigkeitsvolumen/kg KG und ein höherer Flüssigkeitsumsatz/kg KG mit einem schwächeren Regulationsmechanismus kontrolliert werden (⊡ Abb. 2.1 und 2.2). Eine bedarfsnahe Zufuhr von Wasser und Elektrolyten ist notwendig, um die Körperhomöostase zu gewährleisten.
2
24
Kapitel 2 · Physiologie
Exkurs Anpassung nach der Geburt
2
Mit der Geburt des Feten wird eine Reihe physiologischer Adaptationsmechanismen eingeleitet. Hierbei sind kurzfristige Veränderungen (Unterbrechung der plazentaren Filterfunktion und Versorgung, Beginn insensibler Wasserverluste, eigenständige Thermoregulation) von langsamen Anpassungsvorgängen (autonome renale Regulation des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts, Beginn der oralen, selbstgesteuerten Aufnahme von Nahrung) abzugrenzen. Die langfristigen Adaptationsvorgänge benötigen Zeit, um den schnellen Veränderungen nach Geburt entgegenzusteuern. Dieser Anpassungszeitraum kann in die 3 im Folgenden beschriebenen Abschnitte gegliedert werden.
Phase I/Veränderung. Die Phase direkt nach der Geburt beginnt mit einer relativen Oligurie (Modi 1988). Es folgt eine diuretische Phase, in der das Volumen der Kompartimente neu justiert wird [isotonische oder hypertonische (hypernatriämisch und hyperchlorämisch) Kontraktion; Dauer: Stunden bis Tage]. Auslöser sind die hohen insensiblen Wasserverluste über die unreife Haut in Verbindung mit der initalen Natriurese (wie in der Fetalperiode; Modi u. Hutton 1990). Das Ende der ersten Phase ist mit dem Erreichen des maximalen Gewichtsverlustes markiert. Phase II. Die Zwischenphase wird durch abnehmende insensible Wasserverluste (parallel zur zunehmenden Verhornung der Epidermis), eine Verminderung der renalen Ausscheidung auf weniger als 1–2 ml/kg KG und Stunde und eine niedrige Natriumausscheidung charakterisiert.
Phase III. Die Phase des stabilen Wachstums zeichnet sich durch eine kontinuierliche Gewichtszunahme in Verbindung mit einer positiven Nettobilanz für Stickstoff und Natrium aus.
25 2.3 · Verteilungsräume der Körperflüssigkeit
2.3
2
Verteilungsräume der Körperflüssigkeit
Wegen des unterschiedlichen physiologischen Verhaltens lässt sich der menschliche Körper in 2 virtuelle Kompartimente unterteilen: die Fettmasse (FM) und die fettfreie Körpermasse (»lean body mass«, LBM). Die FM hat wegen ihrer hydrophoben Eigenschaft einen im Vergleich zur LBM geringeren Wasseranteil. Der Hauptanteil der wasser- und energieabhängigen Stoffwechselvorgänge spielt sich in der LBM ab. Bei Frühgeborenen sind die Fettspeicher im Vergleich zu Reifgeborenen klein. Dies führt zu einem höheren Anteil an LBM und Wasser ( Abschn. 2.1). Unter klinisch-physiologisch praktischen Gesichtspunkten lässt sich der Wassergehalt realen, abgrenzbaren Räumen des menschlichen Körpers zuordnen, die eine besondere Physiologie aufweisen. So lassen sich ▬ Intrazellularraum und ▬ Extrazellularraum abgrenzen. Letzterer ist weiter in ▬ Intravasal- und ▬ Extravasalraum zu unterteilen. Flüssigkeiten in präformierten Höhlen (Pleuraerguss, Aszites, Urin in der Blase) werden als Flüssigkeit im dritten Raum bezeichnet. Wie in ⊡ Abb. 2.1 zu erkennen, wird die Körperflüssigkeit altersabhängig auf die verschiedenen Kompartimente verteilt und ist nach der Pubertät auch geschlechtsabhängig. Parallel zur Abnahme des Gesamtkörperwassergehaltes kommt es zu einer Flüssigkeitsabnahme im extrazellulären Kompartiment und zur gleichzeitigen Zunahme im intrazellulären Raum. Hieraus lässt sich ableiten, dass Neugeborene (Frühgeborene) über höhere Körperspeicher für Natrium, Chlorid und geringere Speicher für Kalium im Vergleich zu älteren pädiatrischen Patienten oder Erwachsenen verfügen ( Abschn. 2.6). Während des Kleinkind- und Jugendalters kommt es zum Aufbau von Körpermasse, zu einer Erhöhung der FM und dadurch zu einer Verringerung des relativen Körperwassergehaltes. Mit Beginn der Pubertät sinkt wegen der Zunahme der FM bei Mädchen ihr relativer Wassergehalt/kg KG im Vergleich zu Jungen (⊡ Abb 2.1).
2
26
Kapitel 2 · Physiologie
2.4
Regulationsmechanismen
Der Wasserhaushalt wird bei Kindern durch eine Vielzahl von Mechanismen reguliert. Von diesen sind einige zunächst unreif, andere weisen spezielle altersassoziierte Einschränkungen ihrer Effektivität auf. Es ist wichtig, auch die Physiologie und die Einschränkungen der verschiedenen Regulationsmechanismen zu kennen, um kritische klinische Situationen einschätzen und beherrschen zu können. Nieren: Die für die Filtration zur Verfügung stehende glomeruläre Oberfläche ist bei Früh- und Reifgeborenen im Vergleich zu älteren pädiatrischen Patienten kleiner (Knutson et al. 1978). Bei Reifgeborenen steigt die glomeruläre Filtrationsrate in der ersten Lebenswoche an (Aperia et al. 1979; Fawer et al. 1979; Guignard et al. 1976; Sertel u. Scopes 1973) und erreicht nach etwa 2 Lebensjahren Erwachsenenwerte (Andersson 1977; Spitzer 1978). Die Unreife des distalen Nephrons reduziert die Konzentrierungsfähigkeit (anatomisch kurze Henle-Schleife; Edelmann u. Barnett 1960; Edelmann et al. 1959; Speller u. Moffat 1977). Es kann eine maximale Urinkonzentrierung von bis zu 550 mosmol/l bei Früh-, 700 mosmol/l bei Reifgeborenen im Vergleich zu 1.200 mosmol/l bei Erwachsenen erreicht werden (Chevalier 1996; Rees et al. 1984). Neugeborene haben darum ein erhöhtes Risiko eines Volumenverlustes mit dem Urin, wenn ein Missverhältnis zwischen der Molenlast und der Konzentrierungsfähigkeit der Niere auftritt. Der distale Tubulus spricht zusätzlich weniger auf »arginine vasopressin« (AVP) an (Edelmann u. Barnett 1960; Imbert-Teboul et al. 1984; Robillard u. Weitzman 1980; Robillard et al. 1979). Hormonelle Faktoren: Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS), und Arginin (AVP), Vasopressin (antidiuretisches Hormon, ADH) sind bereits im frühen Gestationsalter reif. Über die Reife des Artrialen-Natriuretischen-Peptid- (ANP-)Systems nach Frühgeburt ist wenig bekannt. Der limitierende Faktor für alle oben beschriebenen Regulationsmechanismen ist die Unreife der Nieren (Aperia et al. 1979; Haycock u. Aperia 1991).
2.5
Besonderheiten des Energieund Nährstoffbedarfes
Der Energie- und Nährstoffbedarf von Kindern ist bezogen auf das Körpergewicht höher als beim Erwachsenen. Dies resultiert aus der vermehrten
27 2.6 · Elektrolytfunktionen in Körperkompartimenten
2
(Stoffwechsel-)Aktivität und dem Körperwachstum (Bernardi et al. 2003), die auch zu einem höheren Bedarf an bestimmten Nahrungssubstraten führen (American Academy of Pediatrics 1977; Butte et al. 1991; Picaud et al. 1994; Putet et al. 1987). (Stoffwechsel-)Aktivität und Wachstumsgeschwindigkeit nehmen vom Frühgeborenen, über das Reifgeborene, das Kleinkind, den Jugendlichen bis zum Erwachsenen ab. Dies entspricht dem Verlauf der Nährstoffbedarfskurve. Neben den bekannten nutritiven Effekten gibt es zunehmende Evidenz für langfristige Beeinflussung des Stoffwechsels durch die Ernährung in der frühen Kindheit (»food programming«, Kap. 15; Lucas 1991; Metges 2001). Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass es sich bei der Neonatalperiode um eine Lebensphase mit besonderer Vulnerabilität für ernährungsbedingte Langzeiteffekte handeln könnte, wie sie in anderen Lebensphasen bei älteren Kindern und Erwachsenen nicht vorkommt. So ist bei Neonaten eine bedarfsnähere Zufuhr von Nährstoffen sicherzustellen als bei älteren pädiatrischen Patienten oder Erwachsenen, da Langzeiteffekte bei nichtangepasster Zufuhr nicht sicher ausgeschlossen werden können. Wie beschrieben, ist der Nährstoffbedarf altersabhängig, und es stehen bei Kindern weniger effektive Regulationsmechanismen zur Wahrung der Körperhomöostase im Vergleich zu Erwachsenen zur Verfügung. Darum können keinesfalls Zufuhrempfehlungen für Erwachsene auf das Gewicht von Neonaten umgerechnet angewandt werden.
2.6
Elektrolytfunktionen in Körperkompartimenten
Flüssigkeitsverteilung zwischen intra- und extrazellulärem Kompartiment erfolgt durch Ionengradienten, die durch energieabhängigen Transport autoregulatorisch auf zellulärer Ebene aufgebaut werden. Die Flüssigkeit verteilt sich passiv nach den Ionengradienten zwischen den Kompartimenten. Im Zentrum dieser Regulation steht die Natrium-Kalium- (Na-K-)-ATPase (⊡ Abb. 2.5). Hierdurch wird in einem sauerstoff-, temperatur- und energieabhängigen Prozess die Homoöstase des intra- und extrazellulären Kompartiments (das durch eine semipermeable Membran abgegrenzt wird) sichergestellt. Es lässt sich ableiten, dass diese Grundfunktion aller Körperzellen bei pädiatrischen Patienten besonders vulnerabel ist, da Kinder über eine eingeschränkte Temperaturregulation, kleine Sauerstoff- und Energiespei-
28
Kapitel 2 · Physiologie
2
⊡ Abb. 2.5. Regulation der Verteilung von Natrium, Kalium und Chlorid zwischen intra- und extrazellulärem Kompartiment. (Na+ Natriumionen, K+ Kaliumionen, Cl– Chlorionen). (Fusch u. Jochum 2004)
cher (bei höherem Energieumsatz) verfügen. Aus diesem Grund tritt bei Kindern (besonders bei Säuglingen und Kleinkindern) häufiger als bei Erwachsenen ein peripheres Ödem als Zeichen einer Störung dieses Systems auf. Allein eine Hypothermie, wie sie bei Früh- und Neugeborenen schnell entsteht, kann zu einer signifikanten Hemmung der Aktivität der Na-K-ATPase führen. Bei Frühgeborenen ist der Austausch zwischen intra- und extravaskulärer Flüssigkeit im Vergleich zu Reifgeborenen und Erwachsenen erhöht (Friis-Hansen 1961). Grund dafür ist ein reduzierter intravaskulärer onkotischer Druck in Verbindung mit der erhöhten Permeabilität der Kapillaren. Dadurch ist der Flux von intravasal in das interstitielle Kompartiment und zurück erhöht. Unter pathologischen Bedingungen, wie z. B. einer Sepsis, kommt es zu einer weiteren Zunahme der Durchlässigkeit der Kapillaren (Jobe et al. 1985). Die Regulation der Homöostase des extrazellulären Kompartiments erfolgt weit gehend über die renale Ausscheidung – und in geringerem Maße über die Anpassung der Aufnahme von Nährstoffen aus dem Gastrointes-
29 Literatur
2
tinaltrakt. Wie bei der Regulation des intrazellulären Kompartiments sind auch bei der Niere viele zentrale Regulationsprozesse autoregulatorisch, sowie energie-, sauerstoff- und temperaturabhängig.
Literatur American Academy of Pediatrics, Committee on Nutrition (1977) Nutritional needs of lowbirth-weight infants. Pediatrics 60: 519–530 Andersson B (1977) Regulation of body fluids. Annu Rev Physiol 39: 185–200 Aperia A, Broberger O, Herin P, Zetterstrom R (1979) Sodium excretion in relation to sodium intake and aldosterone excretion in newborn pre-term and full-term infants. Acta Paediatr Scand 68: 813–817 Aperia A, Broberger O, Elinder G, Herin P, Zetterstrom R (1981) Postnatal development of renal function in pre-term and full-term infants. Acta Paediatr Scand 70: 183–187 Bernardi JL, Goulart AL, Amancio OM (2003) Growth and energy and protein intake of preterm newborns in the first year of gestation-corrected age. Sao Paulo Med J 121: 5–8 Butte NF, Wong WW, Garza C, Stuff JE, Smith EO, Klein PD, Nichols BL (1991) Energy requirements of breast-fed infants. J Am Coll Nutr 10: 190–195 Chevalier RL (1996) Developmental renal physiology of the low birth weight pre-term newborn. J Urol 156: 714–719 Costarino AT, Baumgart S (1998) Neonatal water and electrolyte metabolism. In: Cowett R (ed) Principles of perinatal-neonatal metabolism. Springer, Berlin Heidelberg New York, pp 1045–1075 Edelmann CM, Barnett HL (1960) Role of kidney in water metabolism in young infants. J Pediatr 56: 154–179 Edelmann CM, Trompkom V, Barnett HL (1959) Renal concentrating ability in newborn infants. Fed Proc 18: 49–54 Fawer CL, Torrado A, Guignard JP (1979) Maturation of renal function in full-term and premature neonates. Helv Paediatr Acta 34: 11–21 Friis-Hansen B (1961) Body water compartments in children: changes during growth and related changes in body composition. Pediatrics 28: 169–174 Fusch C, Jochum F (2004) Water, sodium, potassium, and chloride. In: Tsang RC, Lucas A, Uauy R, Zlotkin S (eds) Nutritional needs of the preterm infant. Wiliams & Wilkins, Baltimore Fusch C, Hungerland E, Scharrer B, Moeller H (1993) Water turnover of healthy children measured by deuterated water elimination. Eur J Pediatr 152: 110–114 Guignard JP, Torrado A, Mazouni SM, Gautier E (1976) Renal function in respiratory distress syndrome. J Pediatr 88: 845–850 Hammarlund K, Sedin G (1979) Transepidermal water loss in newborn infants. III. Relation to gestational age. Acta Paediatr Scand 68: 795–801 Haycock GB, Aperia A (1991) Salt and the newborn kidney. Pediatr Nephrol 5: 65–70 Imbert-Teboul M, Chabardes D, Clique A, Montegut M, Morel F (1984) Ontogenesis of hormonedependent adenylate cyclase in isolated rat nephron segments. Am J Physiol 247: F316–325
30
2
Kapitel 2 · Physiologie
Jobe A, Jacobs H, Ikegami M, Berry D (1985) Lung protein leaks in ventilated lambs: effects of gestational age. J Appl Physiol 58: 1246–1251 Knutson DW, Chieu F, Bennett CM, Glassock RJ (1978) Estimation of relative glomerular capillary surface area in normal and hypertrophic rat kidneys. Kidney Int 14: 437–443 Lucas A (1991) Programming by early nutrition in man. Ciba Found Symp 156: 38–50 Metges CC (2001) Does dietary protein in early life affect the development of adiposity in mammals? J Nutr 131: 2062–2066 Modi N (1988) Development of renal function. Br Med Bull 44: 935–956 Modi N, Hutton JL (1990) The influence of postnatal respiratory adaptation on sodium handling in preterm neonates. Early Hum Dev 21: 11–20 Picaud JC, Putet G, Rigo J, Salle BL, Senterre J (1994) Metabolic and energy balance in smalland appropriate-for-gestational-age, very low-birth-weight infants. Acta Paediatr Suppl 405: 54–59 Pol’acek E, Vocel J, Neugebauerov’a L, Sebkov’a M, Vechetov’a E (1965) The osmotic concentrating ability in healthy infants and children. Arch Dis Child 40: 291–295 Putet G, Senterre J, Rigo J, Salle B (1987) Energy balance and composition of body weight. Biol Neonate 52 [Suppl 1]: 17–24 Rees L, Brook CG, Shaw JC, Forsling ML (1984) Hyponatraemia in the first week of life in preterm infants. Part I. Arginine vasopressin secretion. Arch Dis Child 59: 414–422 Robillard JE, Weitzman RE (1980) Developmental aspects of the fetal renal response to exogenous arginine vasopressin. Am J Physiol 238: F407–414 Robillard JE, Matson JR, Sessions C, Smith FG (1979) Developmental aspects of renal tubular reabsorption of water in the lamb fetus. Pediatr Res 13: 1172–1176 Sertel H, Scopes J (1973) Rates of creatinine clearance in babies less than one week of age. Arch Dis Child 48: 717–720 Speller AM, Moffat DB (1977) Tubulo-vascular relationships in the developing kidney. J Anat 123: 487–500 Spitzer A (1978) Renal physiology and function development. In: Edelmann CM (ed) The kidney and urinary tract. Little Brown, Boston, pp 25–128 Widdowson E (1981) Changes of body composition during growth. In: Davis J, Dobbing J (eds) Scientific foundations of paediatrics. Heinemann, London, pp 330–342
3 Nahrungsbestandteile F. Jochum
3.1
Zusammensetzung von Nahrungsmitteln – 32
3.2 3.2.1
Einzelne Nährstoffe – 33 Wasser – 33 Exkurs: Einflüsse auf den Flüssigkeitshaushalt – 34 Kohlenhydrate – 37 Proteine/Aminosäuren – 38 Lipide – 40 Elektrolyte (Mengenelemente, Mineralstoffe) – 41 Vitamine – 44 S. Colling Spurenelemente – 47 S. Colling Nukleotide und Ganglioside – 53 Probiotika, Präbiotika und Synbiotika – 55 Ballaststoffe (Nahrungsfasern) – 58
3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7 3.2.8 3.2.9 3.2.10
Literatur
– 59
32
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
Nahrung ist aus verschiedenen Bestandteilen (Hauptbestandteile: Wasser, Kohlenhydrate, Proteine, Lipide, Elektrolyte, Vitamine, Spurenelemente und Ballaststoffe) zusammengesetzt. Bedingt durch die verfügbaren Lebensmittel, stehen Kohlenhydrate, Proteine, Lipide in einem bestimmten Verhältnis zueinander. Dieses Verhältnis ist in gewissen Grenzen individuell, kultur- und altersabhängig. Das Wasser weist die größten Schwankungen aller Nährstoffe auf. Zur Stabilisierung sind verschiedene physikalische Maßnahmen effektiv. Glukose ist das bevorzugte Kohlenhydrat für parenterale Ernährung im Kindesalter. Bei parenteraler Ernährung muss die Proteinzufuhr (als Aminosäurelösung) dem speziellen altersabhängigen Bedarf des Patienten auch qualitativ entsprechen. Bei Säuglingen sind verschiedene Stoffwechselwege noch unreif. Dadurch werden einige üblicherweise nichtessenzielle Aminosäuren in diesem Alter zu konditionell unentbehrlichen Aminosäuren, die bei ungenügender Zufuhr niedrige Plasmaspiegel aufweisen. Lipide haben auf kleinem Volumen einen hohen Energiegehalt, sind Bausteine für die Entwicklung des Zentralnervensystems (ZNS) sowie von Zellmembranen und zeigen, je nach Zusammensetzung unterschiedliche Wirkung auf das Immunsystem. Elektrolyte sind für die Flüssigkeitsverteilung auf die verschiedenen Körperkompartimente, als anorganischer Baustoff sowie zum Aufbau und zur Kontrolle der Membranpotenziale notwendig. Viele Spurenelemente und Vitamine sind essenziell und erfüllen verschiedenste Funktionen, z. B. als Koenzym, prosthetische Gruppe oder als Substrat für den Stoffwechsel. Ballaststoffe haben keinen nutritiven Effekt, entfalten aber vielfältige Wirkung, wie z. B. die Veränderung der Resorptionsgeschwindigkeit, der Stuhlkonsistenz und der Darmflora.
3
3.1
Zusammensetzung von Nahrungsmitteln
Nahrungsmittel bestehen aus folgenden Nährstoffen: ▬ Wasser, ▬ Kohlenhydrate, ▬ Proteine, ▬ Lipide, ▬ Elektrolyte (Mengenelemente),
33
3.2 · Einzelne Nährstoffe
3
⊡ Tabelle 3.1. Richtwerte für das Verhältnis zwischen Kohlenhydraten, Proteinen und Lipiden im Vergleich zu reifer Muttermilch (nach Prozent des Energiegehaltes). (Nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, DGE, 1991)
Anteile
Zufuhrempfehlung
Muttermilch reif
Kohlenhydrate
(35)–50–60%
43%
Proteine
(5)–15–20%
Lipidea
30–(50)%°
a
7% 50%
Der Lipidanteil nimmt von 45–50% bei Neugeborenen in den ersten 4 Lebensmonaten kontinuierlich bis auf 30–35% bei Kleinkindern ab dem 4. Lebensjahr ab. (Nach Schmidt 1981)
▬ Vitamine, ▬ Spurenelemente, ▬ Ballaststoffe. Die Hauptbausteine (Kohlenhydrate, Proteine, Lipide) stehen bei adäquater Ernährung in einem wünschenswerten Verhältnis zueinander. Dieses Verhältnis ist abhängig von Ernährungsgewohnheiten, kulturellen Einflüssen und der im jeweiligen Lebensalter bevorzugt zugeführten Kost (z. B. Neonatalperiode – Muttermilch; ⊡ Tabelle 3.1). An die relative Zusammensetzung der Hauptnahrungsbestandteile mit ihren typischen Veränderungen in den verschiedenen Lebensaltern haben sich der Gastrointestinaltrakt und der Stoffwechsel nach dem Darwin-Prinzip optimiert. Ohne wichtigen Grund und ohne klinische Kontrolle sollte das übliche Verhältnis der einzelnen Anteile nicht langfristig verschoben werden.
3.2
Einzelne Nährstoffe
3.2.1
Wasser
Wasser ist der Hauptbestandteil des menschlichen Körpers (50–90% des Körpergewichts; Abschn. 2.1). Wasser ist gleichzeitig der Hauptbestandteil der enteralen und parenteralen Ernährung (Friis-Hansen 1982) und die Basis
34
3
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
aller Lebensfunktionen. Wasser transportiert Nährstoffe zu den Körperzellen, befördert Abfallprodukte, Atemgase sowie Wärme und schafft das physikalisch-chemische Milieu, ohne das kein Zellstoffwechsel möglich ist. Der Wassermetabolismus zeigt dabei die größte Variabilität im Vergleich zu allen anderen Nährstoffen. Bei Kindern tritt durch Reifung und Wachstum eine zusätzliche, altersabhängige Änderung ein. Wegen der engen Verbindungen zwischen Wasser und Natrium, Chlorid sowie Kalium müssen die Verhältnisse z. T. im Zusammenhang dargestellt werden. Imbalanzen im Wasserstoffwechsel treten besonders leicht bei Kindern auf ( Abschn. 2.1–2.3).Wegen der zentralen Rolle im Stoffwechsel führen Flüssigkeitsimbalanzen schnell zu einer übergreifenden Störung verschiedenster Funktionen des Stoffwechsels (renale Clearance, Säure-Basen-Status, Temperaturregulation, Energiebereitstellung). Der hohe Flüssigkeitsumsatz in Verbindung mit unreifen Regulationsmechanismen führt bei Verlusten oder inadäquater Zufuhr von Flüssigkeit schnell zum Entgleisen des Stoffwechsels bei Kindern. Besonders bei Säuglingen und Kleinkindern kann Erbrechen, Diarrhö oder Fieber in kurzer Zeit eine lebensbedrohliche Dehydratation mit Entgleisung des Säure-Basen-Status (Acidose) oder übermäßige Wasserzufuhr zur Wasserintoxikation führen. Exkurs Einflüsse auf den Flüssigkeitshaushalt Im folgenden Abschnitt werden verschiedene Einflussgrößen auf den Flüssigkeitshaushalt von Kindern beschrieben (⊡ Abb. 3.1): Die Flüssigkeitsaufnahme über die Atemluft und die Haut ist wahrscheinlich für die Behandlung von Patienten nicht relevant. (Es gibt aber hierzu keine publizierten Daten.) Wegen der hohen Stoffwechselaktivität (in Verbindung mit dem Wachstum) entsteht bei pädiatrischen Patienten im Vergleich zu Erwachsenen pro
▼
⊡ Abb. 3.1a,b. Flüssigkeitsverluste und die dazu beitragenden Faktoren bei Kindern in Relation zu Reife bzw. Alter. a 1. Lebenstag; b Phase des stabilen Wachstums. Für Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht <2.000 g wurde eine thermoneutrale Umgebung und Inkubatorpflege mit 80–90% relativer Luftfeuchtigkeit angenommen. Die Angaben für eutrophe Termingeborene beruhen auf gemittelten Messungen verschiedener Studien. Die Angaben für Frühgeborene und ältere pädiatrische Patienten sind z. T. Schätzwerte. Für die Fetalperiode wurden Werte des letzten Trimenons verwandt. (Aus Fusch u. Jochum 2005)
3.2 · Einzelne Nährstoffe
a
b
35
3
36
3
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
kg KG bei der Substratoxidation viel »metabolisches Wasser« (0,6 ml H2O/g Kohlenhydrate, 1,0 ml H2O/g Lipid und 0,4 ml H2O/g Protein; Martin 1983). Insensible Wasserverluste durch unreife Haut sind ein Hauptproblem Frühgeborener (nur geringe Verhornung der Epidermis). Unter 1.000 g Geburtsgewicht steigt der Wasserverlust überproportional an (ungünstige Relation von Körperoberfläche zu Körpervolumen; Baumgart 1982, 1985; Baumgart et al. 1981; Bell et al. 1979; Brück 1992; Hammarlund et al. 1983; Hey u. Katz 1969; Wheldon u. Rutter 1982; Williams u. Oh 1974; Wu u. Hodgman 1974). Atmung: Verdunstung von Wasser aus den oberen Atemwegen macht etwa ein Drittel der insensiblen Flüssigkeitsverluste aus (Sulyok et al. 1973; Winters 1973). Bei Frühgeborenen entspricht dies etwa 0,8–0,9 ml/kg KG und Stunde (Sinclair 1976; Sulyok et al. 1973), bei Reifgeborenen 0,5 ml/kg KG und Stunde (Sinclair 1976). Während des Kleinkind- und Jugendalters nimmt die Atemfrequenz langsam ab und erreicht schließlich Erwachsenenwerte. Parallel sinken auch die Flüssigkeitsverluste über die Atemwege. Sensible Flüssigkeitsverluste: Die apokrine Funktion und die thermalsensorisch-neurologische Integration der Haut ist bis zu einem Alter von 34 Gestationswochen unreif (Brück 1987, 1992; Hammarlund et al. 1983). Renale Verluste: Die maximale Wasserdiurese kann bis zu 6,0 ml/kg KG und Stunde bei einer Urinproduktion von 9,8 ml/kg KG und Stunde (Frühgeborenes, Geburtsgewicht 2.000 g) betragen (Leake et al. 1976). Verluste mit Stuhl: Die Wasserverluste mit dem Stuhl sind bei Frühgeborenen vor Beginn des enteralen Nahrungsaufbaus vernachlässigbar klein (Jhaveri u. Kumar 1987). Nach Abschluss des Nahrungsaufbaus betragen die Verluste mit dem Stuhl ca. 5–10 ml/kg KG und Tag (Catzeflis et al. 1985). Üblicherweise werden sie bei Kindern in etwa durch die Entstehung des Stoffwechselwassers ausgeglichen. Wachstum: Eine mittlere Zunahme des Körpergewichtes um 15 g/kg KG und Tag bei Säuglingen jenseits der Neonatalperiode resultiert in einem Nettobedarf von ca. 12 ml Wasser/Tag und etwa 1,0–1,5 mmol Na/kg KG und Tag. Der Bedarf sinkt parallel zur Wachstumsgeschwindigkeit und der durch das Wachstum günstiger werdenden Relation zwischen Körperoberfläche und Volumen. Der Rückgang des Flüssigkeitsbedarfes für ältere pädiatrische Patienten ist aus ⊡ Abb. 3.1 ersichtlich.
3.2 · Einzelne Nährstoffe
3.2.2
37
3
Kohlenhydrate
▬ Dienen neben dem Fett als Energielieferant. ▬ Eine Mindestmenge an Kohlenhydraten ist unverzichtbar für den Eiweißstoffwechsel (stickstoffsparender Effekt von Glukose) und zur Vermeidung einer katabolen Stoffwechsellage (Ketonkörperbildung). ▬ Es existiert eine Vielzahl von Kohlenhydraten, die dem menschlichen Stoffwechsel zugänglich sind. > Zur Infusionstherapie sollte in der Kinderheilkunde nur Glukose eingesetzt werden (da bei Verwendung von Glukoseaustauschstoffen und Bestehen einer Fruktoseintoleranz eine Stoffwechselentgleisung mit Lebensgefahr entstehen kann).
Glukose ist auch bei Neonaten das für die parenterale Ernährung am häufigsten verwendete Kohlenhydrat, da Glukose sofort vom ZNS verstoffwechselt werden kann und keine akut lebensgefährlichen angeborenen Erkrankungen des Glukosestoffwechsels bekannt sind. Die Osmolarität einer Glukoselösung steigt mit zunehmender Konzentration signifikant von 255 mosmol/l bei einer 5%igen Glukoselösung auf 1.020 mosmol/l bei einer 20%igen Glukoselösung. Über eine periphere Venenverweilkanüle werden Glukosekonzentrationen bis 12,5% auch langfristig gut vertragen (abhängig vom venösen Fluss im punktierten Gefäß und der Flussgeschwindigkeit der Infusionslösung). In der Anpassungs- und Stabilisierungsphase treten bei Frühgeborenen häufig Schwankungen des Blutzuckerspiegels auf, die u. a. durch kleine Nahrungsspeicher (Hypoglykämie) oder durch Insulinresistenz der Hepatozyten (Hyperglykämie) ausgelöst sein können (Cowett et al. 1988; Farrag et al. 1997; Pildes u. Pyati 1986). Die Definition von Hypo- oder Hyperglykämie oder die Einschätzung der klinischen Signifikanz variiert je nach Zentrum, wie auch die Interventionsstrategien. Weit verbreitet scheinen als untere Grenze ein Blutzuckerspiegel von 1,9 mmol/l (35 mg/dl) und ein oberer Blutzuckerspiegel von 8,3 mmol/l (150 mg/dl). Die Inzidenz von Hyperglykämien steigt mit abnehmendem Gestationsalter (Dweck u. Cassady 1974; Louik et al. 1985). Neuere experimentelle Daten sprechen eher für die Festlegung einer höheren Grenze (2,6 mmol/l, 46 mg/dl) zur Definition von Hyoglykämie auch bei neonatalen Patienten. Bei asymptomatischen Säuglingen mit intermittieren-
38
3
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
den Blutzuckerspiegeln unter 2,6 mmol/l (46 mg/dl) wurde in experimentellen Studien ein negativer Einfluss auf das neurologische Outcome bzw. auf die Funktion des ZNS bei Blutzuckerspiegeln unter 2,6 mmol/l (46 mg/dl) im Vergleich zu Säuglingen mit durchweg höhren Blutzuckerspiegeln gefunden (Koh et al. 1988; Lucas et al. 1988). Diskutiert wird die frühe Intervention bei einer Hyperglykämie bei Frühgeborenen (Binder et al. 1989), aber auch bei älteren Intensivpatienten durch intravenöse Insulinsupplementation mit dem Ziel, schneller eine positive Stickstoffbilanz zu erreichen. Dieser Vorteil ist den potenziellen Komplikationen dieser Therapie gegenüberzustellen. Kontrollierte Studien bezüglich der Vor- und Nachteile einer frühen Insulintherapie bei Kindern liegen nicht vor. Ebenfalls diskutiert wird eine Hyperglykämieprophylaxe durch Zufuhr von 2–3 g Protein/kg KG und Tag bereits ab dem ersten Lebenstag (oder dem ersten postoperativen Tag bei älteren Patienten). Hierdurch können die endogene Insulinsekretion stimuliert sowie die Häufigkeit und das Ausmaß von neonatalen Hyperglykämien vermindert werden (Thureen et al. 2003). Vor einer generellen Empfehlung sollten auch hier weitere kontrollierte Studien abgewartet werden.
3.2.3
Proteine/Aminosäuren
▬ Dienen als Baustein beim Körperwachstum (endogene Proteinsynthese) und als Ausgangssubstrate für die Bildung wichtiger Metaboliten. ▬ Wegen der Aufgaben beim wachsenden Kind ist die Einbeziehung der »Proteinkalorien« in die Energiebilanz umstritten. ▬ Die Zusammensetzung der Aminosäurelösungen muss den Anforderungen der jeweiligen Altersgruppe entsprechen. (Je nach Wachstumsgeschwindigkeit und Reife des Stoffwechsels ist ein unterschiedlicher Anteil an essenziellen und nichtessenziellen Aminosäuren notwendig.) ▬ Der Bedarf an essenziellen Aminosäuren bei Frühgeborenen ist höher als bei älteren Kindern oder Erwachsenen (Kleinman 1998). ▬ Verschiedene Stoffwechselwege zur Metabolisierung von Aminosäuren sind bei Neonaten unreif (Phenylalaninhydroxylase, Tyrosinaminotransferase, Cystathionase; Gaull et al. 1972; Raiha 1974). Hierdurch werden ei-
3.2 · Einzelne Nährstoffe
39
3
nige bei Erwachsenen nichtessenzielle Aminosäuren zu »konditionell« unentbehrlichen Aminosäuren (z. B. Cystein, Tyrosin, Histidin, Taurin, Arginin, Glutamin; Holt 1967; Rigo u. Senterre 1977). Andere erreichen schnell hohe Spiegel (Methionin), weil Schlüsselenzyme unreif sind. In bestimmten Situationen können Aminosäuren (z. B. Glutamin, Arginin) bei Kindern auch bedingt unentbehrlich sein. Eine Verbesserung der Infektionsinzidenz durch Supplementation in bestimmten Situationen wird diskutiert (»functional food«; Kap. 15). Durch die Unreife des neonatalen Stoffwechsels entstehen schneller als bei Erwachsenen oder älteren Kindern Aminosäureimbalanzen im Plasma. Diese können im Extremfall toxisch sein und Organe schädigen (Olney et al. 1973). Trotz umfangreicher Bemühungen, »optimale Aminosäuremischungen« für Kinder herzustellen, unterscheiden sich die Plasma-Aminosäure-Spiegel parenteral- oder mit Muttermilch ernährter Säuglinge und parenteral oder enteral ernährter älterer Kinder (Brunton et al. 2000; van Goudoever et al. 1994; Poindexter et al. 2003). Dies liegt z. T. an der schlechten Löslichkeit oder Stabilität verschiedener Aminosäuren (z. B. Glutamin, Tyrosin, Cystein u. a.), so dass nicht jede beliebige Mischung konservierbar ist. Eine Alternative bietet die Verwendung von Peptiden zur Stabilisierung einzelner Aminosäuren (Furst et al. 1997). Von der Zusammensetzung der Aminosäurelösungen wird die Stickstoffbilanz nicht signifikant beeinflusst (Duffy et al. 1981; Rigo u. Senterre 1987). Stickstoffbalanzstudien bei Frühgeborenen zeigen übereinstimmend, dass bei einer Zufuhr von 530 mg etwa 380 mg (70%) proteingebunden werden – ähnlich den Verhältnissen bei enteraler Ernährung – (Chessex et al. 1985; Kovar et al. 1989). Aminosäureimbalanzen bei parenteraler Ernährung werden auch bei Kindern als ein Faktor für die Entstehung einer Cholestase (häufige Nebenwirkung einer langfristigen parenteralen Ernährung) verantwortlich gemacht (Beath et al. 1996; Brown et al. 1989; Heird et al. 1987). Bis zu 50% der langfristig parenteral ernährten Frühgeborenen mit extrem niedrigem Geburtsgewicht (ELBW, »extremely low birth weight«) entwickeln eine Cholestase (Beale et al. 1979). Als Therapie haben sich die Reduktion der Proteinzufuhr (auf 2 g/kg KG und Tag) und der Einsatz von Ursodesoxycholsäure bewährt (Levine et al. 1999). Auf den Glutamin-/Arginineinsatz in der pädiatrischen Intensivmedizin wird im Abschn. 7.4.3 eingegangen.
40
3.2.4
3
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
Lipide
▬ Dienen als Baustein u. a. bei der ZNS-Entwicklung und von Zellmembranen. ▬ Dienen wegen ihres im Vergleich zu Kohlenhydraten höheren Energiegehaltes/Volumen als Energielieferant [besonders die leicht verstoffwechselbaren mittelkettigen Fettsäuren (»medium chain triglycerides«, MCT)]. ▬ Durch Optimierung der Zusammensetzung der Fettemulsionen (»polyunsaturated fatty acids«, PUFA; n3/n6 usw.) wurden verschiedene positive Effekte bei Kindern und Erwachsenen beobachtet (Senkung der Infektionsinzidenz, verbesserte neurologische Entwicklung usw.; Functional food). ▬ Lipidemulsionen weisen eine niedrige Osmolarität auf (z. B. Intralipid, 20%ig, 285 mosmol/l). Durch Fettzusatz zu einer Infusionslösung wird in der Regel die Gesamtosmolarität der Lösung gesenkt und dadurch die Lebensdauer von peripheren Venenzugängen verlängert. Intravenöse Fettemulsionen sind wichtige Bestandteile einer parenteralen Ernährung, da Lipide einerseits als kompakte Energiequelle dienen (hoher Energiegehalt auf geringem Volumen), andererseits die Versorgung mit essenziellen Fettsäuren sicherstellen. Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion ist derzeit die Qualität der verwendeten parenteralen Fettemulsionen. Die klassischen Fettemulsionen zur intravenösen Anwendung werden aus Sojabohnenöl [hoher Anteil an essenziellen langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren (»long chain polyunsaturated fatty acids«, LCPUFA)], hergestellt. Später kamen auch aus Olivenöl hergestellte Fettemulsionen auf den Markt (hoher Anteil an einfach ungesättigten Fettsäuren, dadurch weniger Peroxidation an Doppelbindungen). MCT-Fette können durch ihre im Vergleich zu »long chain fatty acids« (LCFA) unterschiedliche Metabolisation schneller verstoffwechselt werden, enthalten aber keine LCPUFA. »Fischöle« zeichnen sich durch einen hohen Gehalt an LCPUFA der w3-Serie mit antiinflammatorischen Eigenschaften aus. Im Weiteren zeigen »maßgeschneiderte, synthetische Triglyzeride« (mit unterschiedlichen Fettsäuren, die Glycerol gebunden sind) günstige metabolische Eigenschaften. Durch die sinnvolle Kombination von Fettemulsionen verschiedenen Ursprungs sollte eine verbesserte Versorgung pädiatrischer Patienten möglich sein. Zur Vermeidung eines Mangels an essenziellen Fettsäuren reicht eine Zufuhr von 0,5–1 g Fett/kg KG und
3.2 · Einzelne Nährstoffe
41
3
Tag durch eine geeignete Fettemulsion (Koletzko u. Sinclair 1999). Parenterale Ernährung mit 20%igen Fettemulsionen führen wegen ihres geringeren Phospholipidgehaltes zu physiologischeren Phospholipid- und Cholesterolspiegeln im Vergleich zur parenteralen Ernährung mit 10%igen Fettemulsionen (Haumont et a. 1989). Gleichzeitig ist aber auch der Anteil an LCPUFA niedriger (Teil der Phospholipidfraktion). Langkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind für Frühgeborene »konditionell« essenziell. Ein Mangel kann zu Fehlentwicklungen von Retina und ZNS führen (Koletzko et al. 2001; Uauy et al. 2001). Zur Zeit werden neue Lipidemulsionen verfügbar gemacht, die durch Mischung verschiedener Komponenten eine Zusammensetzung erhalten sollen, die dem Bedarf von Kindern besser entspricht. Vor einer Empfehlung sollten die Ergebnisse kontrollierter Studien abgewartet werden. Die Reduktion der Fettzufuhr bei Infektionen oder anderer schwerer Krankheit senkt die Morbidität auch bei Frühgeborenen (Hammerman u. Aramburo 1988). Der Einsatz von Carnitin bei pädiatrischen Patienten wird im Abschn. 7.4.3 behandelt.
3.2.5
Elektrolyte (Mengenelemente, Mineralstoffe)
Natrium (Na+). Natrium ist das dominierende Kation des Extrazellularraumes
und damit von entscheidender Bedeutung für die Osmolarität und das Flüssigkeitvolumen dieses Kompartiments. Die Na+-Zufuhr kann zur Steuerung des Flüssigkeitsvolumens des extrazellulären Kompartiments genutzt werden. Ein Kilogramm Körpergewicht enthält ca. 60 mmol Na+, davon befinden sich ca. 55% extrazellulär, 30% im Knochen und maximal 5% im Intrazellularraum. Kalium [K+]. Kalium ist das wichtigste intrazelluläre Kation und bestimmt
dort die Elektroneutralität und die Osmolarität. Ein physiologischer intrazellulärer Kaliumgehalt ist für die strukturelle und funktionelle Integrität der Zellen von entscheidender Bedeutung. Die Erregbarkeit von Muskel und Nerv wird durch die Potenzialdifferenz über der Zellmembran zwischen Intra- und Extrazellularraum gesichert. Bei einer klinisch relevanten Kaliumimbalanz tritt auch eine Beeinträchtigung der Elektrophysiologie auf. Typische Veränderungen können mit dem Elektrokardiogramm (EKG) am Herzmuskel beobachtet werden (⊡ Abb. 3.2).
42
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
⊡ Abb. 3.2. EKG-Veränderungen bei (a) Normo-, (b) Hypo-, und (c) Hyperkaliämie. (Nach Böhles 1991)
3
Ein Kilogramm Körpergewicht enthält ca. 50 mmol K+, davon befinden sich ca. 98% intrazellulär und ca. 2% im extrazellulären Kompartiment. Der Kaliumspiegel im Extrazellularraum korreliert mit den intrazellulären Kaliumsspeichern. Diese Korrelation ist aber nicht immer eng. Trotzdem kann aus einem Plasma-Kalium-Spiegel <3 mmol/l (bei physiologischem pH) auf eine intrazelluläre Kaliumdefizienz von etwa 10% geschlossen werden. Kaliummangel führt häufig zu milden gastrointestinalen Symptomen (Obstipation, Minderperistaltik), die sich mit weiter abnehmendem Kaliumspiegel verschlimmern (Atonie, paralytischer Ileus). Schließlich können auch andere Organsysteme betroffen werden (quergestreifte Muskulatur: Tonus- und Reflexverminderung, Lähmungen; kardiovaskulär: Tachykardie, Extrasystolen, Digitalisüberempfindlichkeit; renal: Konzentrierungsfähigkeit ↓, Polyurie). Phosphat (P–). Phosphat ist ein wichtiger Baustein für Membranen, Nuklein-
säuren sowie die anorganische Knochen- und Zahnmatrix. Es ist das dominierende Anion im Extrazellularraum. Pro kg KG verfügt der Mensch über ca. 15 g Phosphat, die zu etwa 75% in der Knochenmatrix gebunden sind. Klinische Symptome einer Hypophosphatämie (Parästhesien, Muskelschwäche, Sehnenareflexie, Apathie bis Koma, Hämolyse) sind beschrieben. Kalzium (Ca++). Beim Menschen befinden sich 99% des Kalziums gebunden
im Knochen und in den Zähnen. Pro kg KG verfügt der Mensch über ca. 15–
3.2 · Einzelne Nährstoffe
43
3
20 g Kalzium. Das freie Kalzium im Plasma verteilt sich auf 3 Fraktionen: ionisiert (ca. 47%), komplex gebunden (ca. 13%) und Kalziumproteinat (ca. 40%). Eine konstante Konzentration von freien Kalziumionen ist Voraussetzung für eine normale Muskel- und Nervenerregbarkeit und die Funktion des Gerinnungssystems. Änderungen des ionisierten Anteils führen schnell zu klinischen Symptomen (Hypokalzämie: Hyperexzitabilität, Parästhesien, Krämpfe; Hyperkalzämie: Hypo- oder Areflexie, Muskelschwäche, Bewusstseinsveränderungen). Magnesium (Mg+). Etwa 60% des Köpermagnesiumbestandes (ca. 0,25 g/
kg KG) sind im Knochen gebunden; 35% befinden sich in intra- und nur 5% in extrazellulärer Flüssigkeit. Außer seiner membranpotenzialstabilisierenden Wirkung nimmt Magnesium, als Koenzym verschiedener zentraler Stoffwechselwege, eine wichtige Aufgabe im Stoffwechsel wahr (Glykolyse, Zitronensäurezyklus, Atemkettenphosphorylierung und bei allen phosphatübertragenden Enzymen). Ungenügende Zufuhr führt zunächst zu unspezifischen Symptomen. Ein schwerer Mangel äußert sich klinisch durch Hyperexzitabilität, Krämpfe, Tachykardie, Parästhesien, Koma. Klinische Symptome einer milden Hypermagnesämie (2–2,5 mmol/l) sind Muskelschwäche, Muskelkrämpfe, Hyporeflexie, Bradykardie, Erbrechen, bei höheren Magnesiumspiegeln Koma, komplette Anästhesie, paralytischer Ileus und schließlich (bei MagnesiumPlasma-Spiegeln >10 mmol/l) Atemlähmung und Herzstillstand. Eisen (Fe++). Der größte Teil des Eisenbestandes des Menschen (50–65 mg/
kg KG) findet sich an Hämoglobin (>65%) und an Myoglobin (ca. 12%) gebunden. Etwa 20% sind im sog. labilen Pool (Serumeisen, Speicherformen) oder an Metalloenzyme (ca. 0,2%) gebunden. Schon lange vor der Möglichkeit einer genauen Quantifizierung wurde die wichtige Bedeutung des Eisens für den menschlichen Organismus erkannt. Neben den wohl bekanntesten Aufgaben (Sicherstellung des Sauerstofftransports in Verbindung mit Hämoglobin, Bereitstellung von Sauerstoff für die quergestreifte Muskulatur in Verbindung mit Myoglobin) sind seine physiologischen Funktionen als Koenzym vieler Metalloenzyme (insbesonders im Bereich elektronenübetragender Enzymsysteme) weniger bekannt. Bei ausgeglichener Mischkost wird eine Absorptionsquote von etwa 10% der zugeführten Eisenmenge angegeben. Phytate führen zu einer signifikanten Reduktion, Eisenmangel zu einer vermehrten Absorption (10–30%) des mit der Nahrung zugeführten Eisens aus
44
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
dem Gastrointestinaltrakt. Extremer Eisenmangel, so wie er in Mitteleuropa kaum mehr vorkommt, äußert sich klinisch durch Antriebsschwäche, Müdigkeit und resultiert in einer mikrozytären Anämie.
3
3.2.6
Vitamine
S. Colling
Definition Als Vitamine werden organische Verbindungen bezeichnet, die der Mensch mit der Nahrung zuführen muss, weil er sie mit seinem Stoffwechsel nicht (oder in zu geringem Maße) synthetisieren kann, sie aber für seinen Stoffwechsel benötigt.
Einteilung, Charakteristika und Funktion Es wird zwischen wasser- und fettlöslichen Vitaminen unterschieden: ▬ Fettlösliche Vitamine: A (Retinoide), D (z. B. Calciferole), E (z. B.Tocopherol), K (z. B. Phyllochinon/Vitamin K1). ▬ Wasserlösliche Vitamine: B1 (Thiamin), B2 (Riboflavin), B6 (Pyridoxin, Pyridoxal und Pyridoxamin), B12 (Cobalamin), Biotin, Niacin (Nicotinamid), C (Ascorbinsäure), Folsäure/Folate, Pantothensäure.
Fettlösliche Vitamine Vitamin A. Unter dieser Sammelbezeichnung werden alle Substanzen mit re-
tinolähnlicher Wirksamkeit (Retinoide) zusammengefasst. 11-cis-Retinal ist über seine Wirkung im Rhodopsinzyklus maßgeblich am Hell-Dunkel-Sehen beteiligt (Olson 2001).
3.2 · Einzelne Nährstoffe
45
3
Retinsäure beeinflusst über Retinsäurerezeptoren und deren Bindung anspezifische Desoxyribonukleinsäure- (DNS-)Sequenzen Wachstum und Differenzierung von Zellen. In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass Vitamin A v. a. für die regelrechte Differenzierung der Respirationsschleimhaut wichtig ist (Chytil 1992) Vitamin D. Wichtigste Vertreter des Vitamin D (Calciferole) sind das pflanzliche Ergocalciferol (Vitamin D2) und das tierische Cholecalciferol (Vitamin D3). Mehr als 50% des täglichen Bedarfes werden durch endogene Synthese der Vitamin D3-Vorläufersubstanz 7-Dehydrocholesterol gebildet (Jacobs 2002). Nach Hydroxylierung zu 25-(OH)-Vitamin D3 in der Leber und 1,25-(OH)Vitamin D3 in der Niere reguliert es zusammen mit Parathormon und Kalzitonin die Kalzium-Phosphat-Homöostase im Körper. Vitamin E. Dazu gehören alle Substanzen mit demselben biologischen Wirkspektrum (qualitativ) wie α-Tocopherol. Ihre größte Bedeutung erhalten sie durch ihre Wirkung als Antioxidanzien durch Reduktion von freien O2-Radikalen. Sie schützen Membranlipide, Lipoproteine und Depotfette vor Lipidperoxidation (Burton u. Traber 1990). Vitamin K. Vitamin K gehört chemisch zu den Naphtochinonen. Verschiedene Derivate sind bekannt, dabei wird Phyllochinon (Vitamin K1) aus der Nahrung aufgenommen, Menachinon/Farnochinon (Vitamin K2) wird von Darmbakterien produziert. Wichtigste Funktion ist seine Rolle als Koenzym bei der Carboxylierung Vitamin-K-abhängiger Proteine, die dadurch funktionstüchtig werden. Dazu gehören im Wesentlichen die Proteine der Hämostase, des Knochenstoffwechsels (»bone gla protein«, »matrix gla protein) und der Wachstumsregulation (»growth arrest-specific gene«; Berkner 2000; Shearer 2000).
Wasserlösliche Vitamine Vitamin B1. Vitamin B1 findet sich in höchsten Konzentrationen (>50%) im
Skelettmuskel, daneben ebenfalls im Herzmuskel, in Leber, Gehirn und Nieren. Es gibt keine Speicherkapazität über einen längeren Zeitraum. Es fungiert als Koenzym in Reaktionen zur zellulären Energiegewinnung [z. B. Pyruvatdehydrogenase (Behal et al. 1993), α-Ketoglutaratdehydrogenase].
46
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
Vitamin B2. Vitamin B2 kommt in fast allen Nahrungsmitteln vor. Seine wich-
3
tigste Funktion ist es, als Vorläufersubstanz von Flavinmononukleotid und Flavinadenindinukleotid zur Verfügung zu stehen, die als Koenzyme in der Atmungskette an der Energiegewinnung beteiligt sind. Als Koenzym der Glutathionreduktase fungiert es auch als Antioxidans. Vitamin B6. Es tritt in 3 verschiedenen Formen auf: Pyridoxin, Pyridoxal und Pyridoxamin. Nach Aufnahme aus der Nahrung werden sie zu Pyridoxalphosphat und Pyridoxaminphosphat umgewandelt, die als Koenzym im Aminosäurestoffwechsel von zentraler Bedeutung sind. Ebenso hat Vitamin B6 Einfluss auf das Immunsystem (Beisel et al. 1981; Talbott et al. 1987), die Häm- und auf die Neurotransmittersynthese. Vitamin B12. Resorption von Vitamin B12 in Gegenwart von »intrinsic factor« im Ileum. In der Leber (ca. 60%) wird das Vitamin mit einer Halbwertszeit von 1–4 Jahren gespeichert, ca. 30% werden in der Muskulatur gespeichert (Frank 2002). Seine bedeutendste Funktion ist die als Kofaktor bei der Remethylierung von Homocystein zu Methionin, einem wichtigen Methylgruppendonator; damit ist Vitamin B12 auch an der Hämatopoese beteiligt. Vitamin C. Ascorbinsäure ist ubiquitär verbreitet. Nach Aufnahme erfolgt keine
Speicherung. Seine Bedeutung liegt u. a. in seiner Funktion als Antioxidans im Intermediärstoffwechsel sowie in seiner Beteiligung an der Kollagenbiosynthese über die Katalyse der Hydroxylierung von Prolin und Lysin und über die Stimulation der Genexpression von Kollagen. (Mechanismus noch nicht genau geklärt.) Diskutiert wird ein protektiver Effekt bei kardiovaskulären Erkrankungen (Fotherby et al. 2000). Für Vitamin C gibt es erste Evidenz, dass eine unphysiologisch hohe Zufuhr auch negative Auswirkungen haben könnte (Lee et al. 2001). Niacin. Unter Niacin werden Nicotinamid und Nicotinsäure zusammenge-
fasst. Nach Resorption im Dünndarm wird v. a. Nicotinsäure von der Leber aufgenommen und zu NAD(P) metabolisiert. Damit dient es v. a. in der Atmungskette als Wasserstoffüberträger. Außerdem wird eine lipidsenkende Wirkung berichtet (Lorenzen et al. 2001). Biotin. Biotin ist sowohl in pflanzlichen als auch in tierischen Produkten weit
verbreitet. Die Aufnahme erfolgt im Dünndarm. Im Kolon wird Biotin durch
3.2 · Einzelne Nährstoffe
47
3
die dort vorhandenen Mikroorganismen gebildet. Der Anteil dieser Biotinsynthese am Biotinstoffwechsel ist nicht genau bekannt, bei einer Mangelversorgung werden jedoch keine klinischen Symptome berichtet (Innis u. Allardyce 1983). Bedeutsam ist Biotin als prosthetische Gruppe bei entscheidenden Enzymen zur Energiegewinnung (Pyruvatcarboxylase) und der Lipogenese (Acetyl-CoA-Carboxylase). Folsäure. Chemisch handelt es sich um Pteroylmonoglutamat. Nach Resorption unterliegt Folsäure einem enterohepatischen Kreislauf, bevor es zu den Zielzellen transportiert wird. Folsäure dient als Methylgruppendonator im Rahmen der Hämatopoese, der Purin- und Pyrimidinsynthese, des Phosphatidylstoffwechsels und im Aminosäurenstoffwechsel. Pantothensäure. Pantothensäure liegt in der Natur überwiegend als Coen-
zym A und als 4-Phosphopantethein vor. Es sind keine Speicherorgane bekannt. Pantothensäure wird nach Resorption rasch in Coenzym A und Fettsäuresynthetase eingebaut. In dieser Form spielt es eine übergreifende Rolle im Intermediärstoffwechsel.
3.2.7
Spurenelemente
S. Colling
Definition Elemente, die in sehr geringer Konzentration im menschlichen Körper vorkommen, werden über ▬ den Anteil an der Körpermasse <0,01% oder ▬ die Menge 10–3–10–6 g/kg KG ▬ 50 mg/kg KG (mod. nach Merian 1984; Elmadfa u. Leitzmann, 1998) als Spurenelemente definiert und so von den Mengenelementen unterschieden. Hieraus resultiert für das Element Eisen eine Grenzsituation: Durch seinen Anteil an der Körpermasse von 50–60 mg/kg KG fällt Eisen je nach Definition in den Mengen- und in den Spurenelementbereich. Eisen verhält sich im Bezug auf seine Funktion wie ein Spurenelement.
48
3
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
Spurenelemente können weiter in essenzielle (Mangelerscheinungen bei Entzug) und nichtessenzielle Spurenelemente eingeteilt werden. Von den Spurenelementen lassen sich wiederum die Ultraspurenelemente (Masse: <10–6g/kg KG) abgrenzen. Nach ihrer Funktion lassen sich Spurenelemente in 3 Gruppen unterteilen: ▬ Elemente mit bekannter physiologischer Funktion: Zink, Kupfer, Selen, Chrom, Molybdän, Mangan, Jod, Kobalt, Fluor. ▬ Elemente mit wahrscheinlicher physiologischer Funktion: Nickel, Vanadium, Zinn, Silizium, Blei, Brom. Elemente mit unbekannter Funktion: Silber, Aluminium, Arsen, Gold, Barium, Quecksilber, Platin, Titan, Cäsium. ▬ Ausnahme Eisen: Mengenelement, d. h. Konzentration höher als 0,01% der Körpermasse, wird jedoch meist als Spurenelement aufgeführt. Kinder, insbesondere Früh- und kranke Reifgeborene, haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Spurenelementmangels. Bei kranken Reifgeborenen variieren Bedarf und Aufnahme mit der Grunderkrankung. Frühgeborene werden mit gering gefüllten Spurenelementspeichern geboren, da die Füllung im letzten Trimenon der Schwangerschaft erfolgt und dieser Vorgang bei Frühgeburtlichkeit verkürzt ist. Schnelles Wachstum bei unbekanntem Bedarf, variable Resorption und Elimination sind weitere Risikofaktoren, die zur Entwicklung einer Spurenelementimbalanz bei Kindern beitragen (Aggett 2000).
Charakteristische Eigenschaften Gemeinsame Eigenschaften ▬ Spurenelemente sind im menschlichen Organismus nichtsynthetisierbar und werden nicht verbraucht. ▬ Spurenelemente mit physiologischen Funktionen sind teilweise essenziell für den menschlichen Organismus (Ausnahmen: Fluor, Kobalt). ▬ Tagesbedarf besteht im Vergleich zu anderen Nahrungsbestandteilen, wie Fette, Kohlenhydrate, Aminosäuren, nur aus geringen Mengen (variiert von Element zu Element teilweise um mehrere Zehnerpotenzen). ▬ Bei ausgewogener, mitteleuropäischer Ernährung und Lebensführung besteht keine Gefahr von Mangelerscheinungen oder Intoxikationen bei Gesunden.
3.2 · Einzelne Nährstoffe
49
3
▬ Aufnahme geschieht über unterschiedliche, oft spezifische Mechanismen meist im Duodenum. ▬ Ausscheidung erfolgt über Stuhl, Urin und Schweiß (je nach Element verschieden). ▬ Spurenelemente sind in unterschiedlichen Konzentrationen in den einzelnen Körperkompartimenten und Organen vorhanden. ▬ Ablagerungen in Knochen, Fuß- oder Fingernägeln und Haaren ermöglichen die Messung der langfristigen Aufnahme bei manchen Spurenelementen (z. B. Selen/Mangan; Saner et al. 1985).
Spezifische Eigenschaften Zink (Zn) Zink ist in ca. 200 Enzymen als Kofaktor enthalten. Damit ist Zink
an allen zentralen Stoffwechselvorgängen beteiligt: am Kohlenhydrat- und Energiestoffwechsel, an der Biosynthese von z. B. Proteinen, Nukleinsäuren, Häm, Superoxiddismutase und Kollagenasen. Eine wichtige Rolle übernimmt Zink bei der Strukturierung von Chromatin, ferner ist es in Regulatorproteinen bei der Gentranskription (»Zinkfinger«) enthalten. Im Plasma ist Zink hauptsächlich an Albumin, ca. ein Drittel an α-Makroglobulin und ein geringer Teil an Aminosäuren gebunden. Im letzten Trimenon der Schwangerschaft erfolgt die Auffüllung der fetalen Zinkspeicher (hauptsächlich die Leber). In den ersten beiden Lebenswochen werden wegen der (gefüllten) Speicher bei Früh- und Termingeborenen in der Regel keine klinisch manifesten Zinkmangelzustände gefunden. Bei gesunden Termingeborenen kommt es zur langsamen Abnahme der Speicher im Laufe des ersten Lebensjahres. Die Zinkresorption aus der Nahrung wird durch Phytate, Kalzium (bilden unlösliche Komplexe mit Zink) und durch Metalle mit ähnlichen chemischen Eigenschaften (z. B. Kupfer → gleicher Transportmechanismus) vermindert. Die Zinkresorption aus Muttermilch ist im Vergleich zu Formula gut (Jochum et al. 1995). Der Gehalt in der Muttermilch nimmt im Laufe der Laktation ab. (Je reifer die Milch, desto geringer der Zinkgehalt; Wasowicz et al. 2001.) Trotz der deutlich schlechteren Absorbierbarkeit von Zink aus Formula (Jochum et al. 1995) und dem hohen Bedarf bei Frühgeborenen (vgl. unten) besteht bei den mit angepasster angereicherter Formula ernährten Frühgeborenen im Vergleich zu Muttermilchernährung kein signifikanter Unterschied in den Serum-Zink-Spiegeln (Wauben et al. 1999).
50
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
> Auch bei kranken Reifgeborenen sind Zinkmangelsymptome in den ersten beiden Lebenswochen wegen der gefüllten Körperspeicher ungewöhnlich.
3
! Cave Bei Säuglingen und Kleinkindern mit unklarem schlechten Gedeihen (insbesondere Längenwachstum) und/oder Hauteffloreszenzen (Akre n, mechanisch belastete Regionen) sollte ein Zinkmangel als Ursache in Erwägung gezogen werden. Es wurde eine Vielzahl von Fallberichten über Zinkmangel bei Neonaten publiziert (z. B. Bausen et al. 2002). Bei unklarer klinischer Symptomatik ist auch an die seltenen genetisch bedingten Spurenelementstoffwechselstörungen zu denken (Jochum u. Lombeck 2000). ! Cave Es wurden Zinkmangelsymptome auch bei muttermilchernährten Frühgeborenen beschrieben (oft subklinisch und schwer zu diagnostizieren; Bausen et al. 2002; Obladen et al. 1998). Kupfer (Cu). Kupfer ist v. a. für oxidative Enzyme wichtig, besonders für die Superoxiddismutase (schützt Zellmembranen vor Oxidation), für die Zytochromoxidase (Elektronentransport) und für Coeruloplasmin (Kupfertransport, Eisentransport, Oxidation von Fe++ zu Fe+++). Es sind 60% des plasmatischen und interstitiellen Kupfers gebunden an Coeruloplasmin; ansonsten enthalten in v. a. oxidativen Enzymen. Ausscheidung über die Galle. In Frühgeborenen niedrige Kupfer- und Coeruloplasminspiegel (Ansteigen erst nach Beginn der Coeruloplasminsynthese ca. 6–12 Monate postnatal; Perlman et al. 1982). Die Bioverfügbarkeit von Kupfer ist in Muttermilch höher als in supplementierter Formulanahrung (Dorner et al. 1989). Speicherung in Feten gebunden an Metallothionein in der Leber (Gehalt ca. 16-mal so hoch wie im Erwachsenen). Selen (Se). Selen ist Kofaktor für Glutathionperoxidasen und alle Dejodasen.
Unter parenteraler Ernährung in kliniküblicher Dauer wurden bisher keine klinischen Mangelsymptome beschrieben (Es wurden lediglich Zeichen für einen niedrigen Selenstatus ohne klinische Mangelsymptome gemessen.)
3.2 · Einzelne Nährstoffe
51
3
Auch bei Frühgeborenen wurden nach parenteraler Ernährung niedrige Selen-Plasma-Spiegel bestimmt (Jochum et al. 1995; Oshiro et al. 2001). Nach totaler langzeitparenteraler Ernährung ohne Selenzusatz (für Monate) wurden Haarausfall und Hämolyse in Fallberichten bei Erwachsenen beobachtet. In humaner Milch ist Selen an Proteine gebunden. Der Gehalt im Kolostrum ist doppelt so hoch wie in reifer Muttermilch (Wasowicz et al. 2001). Der Selengehalt in Formulanahrung ist sehr variabel (entsprechend den regionalen Unterschieden in den Böden, auf denen Landwirtschaft betrieben wird, und des Selengehaltes in den bei der Zubereitung verwendeten Grundnahrungsmitteln). In Regionen mit endemischen Selenmangel werden selenassoziierte Erkrankungen beschrieben [Keshan-Krankheit (Kardiomyopathie) oder die Kaschin-Beck-Erkrankung (Osteochondrodystrophie)]. Der genaue Pathomechanismus ist noch ungeklärt. Chrom (Cr). Glukosehomöostase (Aminosäurenkomplex, steigert Insulinwir-
kung, stimuliert Fettzellen zur Glukoseaufnahme). Essenzielle Funktion nur als CrIII im sog. Glukosetoleranzfaktor: Struktur bisher nicht eindeutig geklärt → bei Chrommangel wurden Hyperglykämie und eine reduzierte Glukosetoleranz beobachtet (Meißner 2002). Bedeutung außerdem durch seine immunmodulatorischen Effekte auf T- und B-Zellen (Shrivastava et al. 2002). Bisher keine Beschreibung von Mangelsymptomen bei Kindern. Molybdän (Mo). Koenzym für Xanthinoxidase, Xanthindehydrogenase, Aldehydoxidase und Sulfitoxidase. Liegt im Körper nur in geringer Menge in freier Form vor; Speicherung in fast allen Geweben. Molybdän-Kofaktor-Mangel als seltene Erbkrankheit; keine Beschreibung von Mangelsymptomen bei Kindern, daher Substitution nur bei langzeitiger parenteraler Ernährung (Reiss u. Anke 2002). Mangan (Mn). Mukopolysaccharidstoffwechsel (größte Bedeutung); Aktivator der Pyruvatcarboxylase; Superoxiddismutase (Membranschutz), Aminopeptidaseaktivierung. Zu 90% an Transferrin gebunden. Bisher keine Mangelsymptome im Menschen bekannt; am ehesten, weil Mangan in den meisten Enzymen durch Magnesium ersetzt werden kann.
52
3
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
Ausscheidung erfolgt über die Galle. Toxische Wirkung bei Passage der Blut-Hirn-Schranke. Mangan kann zum Schwemmen von Katecholaminen im ZNS beitragen und dadurch das Auftreten von Parkinson-Symptomen begünstigen. Bei der Therapie ist das sofortige Ansprechen auf Levodopa charakteristisch. Bei Frühgeborenen noch unreifer Manganmetabolismus und unreife Blut-Hirn-Schranke: dadurch erhöhte Gefahr einer Intoxikation; bisher kein Bericht über Manganintoxikation bei Frühgeborenen trotz teilweise sehr hohem Gehalt in Formulanahrung (insgesamt sehr variabler Gehalt; Dorner et al. 1989). ! Cave Cholestase: Manganzufuhr aussetzen. Jod (J). Baustein für die Synthese der Schilddrüsenhormone als Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4). In Muttermilch sehr geringer Gehalt, deckt Bedarf nach Empfehlungen der American Society for Clinical Nutrition und anderer Gesellschaften nicht ab (Ciardelli et al. 2002; Seibold-Weiger et al. 1999), trotzdem keine Häufung von Hypothyreosen im Säuglingsalter. ! Cave Jodhaltige Desinfektionsmittel können bei Neugeborenen zu einer klinisch relevanten Jodaufnahme führen, die eine Hypothyreose auslöst. Bei Neugeborenen und Kleinkindern sollten keine jodhaltigen Desinfektionsmittel angewandt werden. Kobalt (Co). In Vitamin B12 als Zentralatom enthalten; fördert Eisenresorption
aus Gastrointestinaltrakt. Keine Beschreibung von Mangelsymptomen beim Menschen. Fluorid (F). Als Fluorapatit zu 95% im Knochen und als Zahnhartsubstanz
vorhanden; hoher Kalziumgehalt der Nahrung hemmt Fluoridabsorption. Optimale Kariesresistenz bei einem Trinkwassergehalt von 1 mg/l. Die Fluoridprophylaxe als systemische Supplementation in den ersten beiden Lebensjahren wird diskutiert, da die systemische Gabe in der präeruptiven Phase der Backenzähne keine gesicherte Wirkung auf Zahnhärtung haben soll. Wahrscheinlich ist lokal angewandtes Fluorid wirksamer als systemisch appliziertes → frühzeitige Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasta.
3.2 · Einzelne Nährstoffe
53
3
Intoxikationen: bei >2 mg F/l Trinkwasser Schmelzflecken, >5–8 mg/l Knochenfluorose, >20 mg/l Wachstumsstörungen.
Weiterführende Literatur Siehe DACH 2000; German Nutrition Society (2002); Greene et al. (1988); Tsang et al. (1993).
3.2.8
Nukleotide und Ganglioside
Definition Nukleotide. Sind niedermolekulare Substanzen und bestehen aus 3 Komponenten: eine stickstoffhaltige Base (Purin- oder Pyrimidinbase), ein Monosaccharid- (Pentose-)Rest und eine oder mehrere Phosphatgruppen. Bekannte Vertreter dieser Substanzklasse sind die »energiereichen Phosphate«: Adenosinphosphate [Adenosintriphosphat (ATP), Adenosindiphosphat (ADP), Adenosinmonophosphat (AMP), zyklisches Adenosinmonophosphat (cAMP)]. Die Funktion der Nukleotide scheint eng mit der Energiebereitstellung und dem Immunsystem verbunden. Niedrige Nukleotidspiegel können beim Menschen zu Dysfunktionen der zellulären und humoralen Immunantwort führen (Cosgrove 1998). Abgesehen von den Wirkungen auf das Immunsystem stimulieren durch Nahrung zugeführte Nukleotide das Wachstum von Bifidobakterien. Weiter werden durch Zufuhr von Nukleotiden stressinduzierte Läsionen im Gastrointestinaltrakt (Mikroverletzungen) vermindert sowie Wachstum und Länge der Darmzotten gesteigert (Tanaka u. Mutai 1980; Uauy 1994). Im Tierversuch (Maus) konnte gezeigt werden, dass die adäquate Zufuhr von Nukleotiden die Integrität des Darmes gegenüber Verletzungen verbessert und die Resistenz gegenüber pathogenen Bakterien und Pilzen erhöht (Adjei u. Yamamoto 1995). Bis vor wenigen Jahren wurde angenommen, dass für die exogene Zufuhr von Nukleotiden keine Notwendigkeit besteht, da die endogene Synthese in allen Stoffwechselsituationen ausreicht. Bei Kindern mit Phasen von hoher Wachstumsgeschwindigkeit, Situationen mit möglicherweise hohem Bedarf an Nukleotiden (Infektionen, große Verletzungen, operatives Trauma) scheint heute fraglich, ob die Eigensynthese ausreicht, um den erhöhten Bedarf zu decken. Parenterale Ernährungslösungen sowie die Mehrzahl der enteralen
54
3
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
Diäten enthalten keine Nukleotide. Muttermilch enthält einen signifikanten Anteil an Nukleotiden (2–5% des nichtproteingebundenen Stickstoffs; Cosgrove 1998). Muttermilchernährte Säuglinge sollten daher eine adäquate Zufuhr aufweisen. Bei Verwendung von Formulanahrung ohne Nukleotidzusatz wurde eine verminderte humorale Immunantwort bei Reif- und Frühgeborenen gemessen (Martinez-Augustin et al. 1997a,b; Pickering et al. 1998). Ganglioside. Gehören zur Gruppe der Glykosphingolipide und bestehen aus einem hydrophoben Ceramid (N-acetylsphingosin) und einem hydrophilen Oligosaccharidadanteil (enthält: Glukose, Galaktose, N-Acetylglukosamin, N-acetylgalaktosamin). Ganglioside wurden ursprünglich im Nervengewebe entdeckt, sie sind aber in nahezu allen Körpergeweben (Bestandteil von Zellmembranen) und Körperflüssigkeiten zu finden. Sie sind an der neuronalen Zellkommunikation und an der Regulation des Zellwachstums, der Apoptose und des Immunsystems sowie auch (als Kofaktor) an der Modulation der Aktivität von verschiedenen Proteinrezeptoren beteiligt (Berry-Kravis u. Dawson 1985; Ferrari et al. 1995; Prokazova u. Bergelson 1994; Spiegel u. Merrill 1996; Willinger u. Schachner 1980; Yuasa et al. 1990). Muttermilch enthält stark polare Ganglioside (GD3) in hoher Konzentration (Rueda et al. 1995), die auch in sich entwickelnden Geweben (Cheng u. Johnson 1985; Rosner 1982; Taki et al. 1988) und biologischen Flüssigkeiten, wie z. B. Amnionflüssigkeit (Rueda et al. 1993), gefunden werden. Ihre Funktion auf den Stoffwechsel ist weit gehend unklar. Neben den systemischen Wirkungen wurden auch lokale Effekte von Gangliosiden auf die Mikroflora des Gastrointestinaltrakts nachgewiesen. Sie inhibieren E. coli sowie Vibro-cholerae-Enterotoxine (Otnaess et al. 1983) und führen zu einer schnelleren und bifidogenen Besiedelung des Gastrointestinaltrakts bei Früh- und Reifgeborenen, wenn sie Formulanahrungen zugesetzt sind (Idota u. Kawakami 1995). Der Mechanismus wird noch diskutiert. Es wird eine Reduktion der Infektiosität durch bakterielle Adhäsion (Rezeptoranalogie) vermutet. Der Nachweis einer Verbesserung des Outcomes bei Neonaten (schnellerer Nahrungsaufbau, Senkung der Inzidenz einer nekrotisierenden Enterokolitis), der Senkung der Inzidenz von klinisch signifikanten Gastroenteritiden bei Kleinkindern oder der Reduktion von nosokomialen Infektionen bei Intensivpatienten steht aus.
3.2 · Einzelne Nährstoffe
3.2.9
55
3
Probiotika, Präbiotika und Synbiotika
Probiotika Definition Unter Probiotika werden lebende Mikroorganismen verstanden, die einen günstigen Effekt auf die Mikroflora des Wirtes ausüben (Fuller 1991; Gibson u. Roberfroid 1995).
Physiologie Diese günstigen Effekte können durch unterschiedliche Wirkmechanismen erklärt werden (Synthese antimikrobialer Substanzen; Kompetition um Nährstoffe, die Pathogene zum Wachstum benötigen; kompetitive Inhibition der Adhäsion; Modifikation von Toxin oder Toxinrezeptoren; immunstimulatorische Effekte). Der tatsächliche Wirkmechanismus der als Probiotika angewandten Substanzen ist oft nicht geklärt. Die z. Z. häufigsten Einsatzgebiete sind Prävention und Behandlung der akuten infektiösen Diarrhö bei Kindern. Ein systematisches Review bezüglich kontrollierter doppelblinder, randomisierter Untersuchungen konnte eine signifikant niedrigere Inzidenz und eine Abkürzung des Krankheitsverlaufes bei der infektiösen Diarrhö von >3 Tagen feststellen. Der Effekt zeigte sich besonders deutlich, wenn die Diarrhö durch Rotaviren verursacht war. Beim Einsatz von Lactobacillus GG war der Effekt besonders konstant nachweisbar, aber auch andere Probiotika waren effektiv (Lactobacillus reuteri, Saccharomyces boulardii, Streptococcus thermophilus). Die Verkürzung der Erkrankung um mehr als 3 Tage bei einer infektiösen Diarrhö wurde erzielt, wenn die Probiotikatherapie am ersten Tag der Erkrankung begonnen wurde. In den Untersuchungen wurden keine Nebenwirkungen der Therapie festgestellt. Die recht moderate Wirkung auf eine selbstlimitierende Erkrankung lässt den regelmäßigen Einsatz von Probiotika z. Z. noch als zweifelhaft erscheinen. Die Verkürzung des Krankheitsverlaufes ergab sich nur beim Einsatz der Probiotika am ersten Tag der Erkrankung, so dass mit einem noch geringeren Effekt zu rechnen ist, will man Kinder mit einem prolongierten oder besonders schweren Verlauf therapieren. Über den Einsatz bei Risikogruppen (Frühgeborene, onkologische Patienten, Patienten mit Immundefekt) wurden nur wenige Untersuchungen, mit z. T. widersprüchlichen Ergebnissen, publiziert (Szajewska u. Mrukowicz 2001).
56
3
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
Vor dem Einsatz von Probiotika bei speziellen Patientengruppen ist sicherzustellen, dass nicht durch das Probiotikum selbst negative Effekt ausgelöst werden (z. B. Triggerung einer nekrotisierenden Enterokolitis bei Frühgeborenen durch Penetration der Darmwand). Der prophylaktische Einsatz bei Risikogruppen (wie z. B. bei Frühgeborenen zur Senkung der Inzidenz der nekrotisierenden Enterokolitis; Dai u. Walker 1998; Hoyos 1999) wird diskutiert. Eine Studie von Lin et al. (2005) zeigte eine Senkung der Inzidenz der nekrotisierenden Enterokolitis ( Abschn. 8.2).
…Therapie oder Prophylaxe mit Probiotika Moderater, aber signifikanter Effekt bei Prophylaxe und Therapie der infektösen Diarrhö nachgewiesen (+ bei Rotaviren). Unter dem Kosten-NutzenGesichtspunkt scheint ein Einsatz als Standardtherapie nach der jetzigen Datenlage fragwürdig. Sinn könnte der Einsatz bei Risikogruppen machen. (Hierüber liegen aber keine Untersuchungen zum Nutzen oder Nebenwirkungen vor. z. B. Frühgeborene.) Bei Einsatz von Lactobacillus GG war im Vergleich zu anderen Probiotika der konstanteste positive Effekt zu erzielen (Szajewska u. Mrukowicz 2001). > Um den Effekt der Abkürzung der Erkrankungsdauer von >3 Tagen zu erzielen, muss mit der Therapie an Tag 1 der Erkrankung begonnen werden. Bei späterem Beginn ist mit geringerem positiven Effekt zu rechnen.
Präbiotika Definition Die z. Z. meist verwandte Definition klassifiziert Präbiotika als unverdauliche Nahrungsbestandteile, die durch Wachstumsstimulation einer (oder einer limitierten Anzahl von) Bakterienspezies im Kolon eine günstige Wirkung auf den Wirt haben (Gibson u. Roberfroid 1995).
Ziel des Einsatzes von Präbiotika Verschiedene Autoren geben als das Ziel ein großes Spektrum von potenziellen Wirkungen an: ▬ Immunstimulation ↑, ▬ Bioverfügbarkeit für Spuren- und Mengenelemente ↑, ▬ Hyperlipidämie ↓,
3.2 · Einzelne Nährstoffe
▬ ▬ ▬ ▬ ▬
57
3
Diarrhö ↓, Verstopfung ↓, Osteoporose ↓, Arteriosklerose ↓, Neoplasien ↓.
Eingesetzte Substanzen Als Präbiotika werden z. Z. am häufigsten auf Inulin/Oligofruktose basierende Polymere eingesetzt.
Physiologie Die natürlichen Oligosaccharide der Muttermilch gelten als der Prototyp der Präbiotika, weil sie das Wachstum der Bifidobakterien und Laktobakterien im Kolon fördern. Die Erwartungen über positive Effekte von artifiziellen Präbiotika sind groß. In-vitro- und Tierexperimente konnten einige der erhofften Wirkungen belegen (bessere Ca-Aufnahme, verschiedene antikarzinogene Effekte, hypotriglyzerider Effekt, besseres Wachstum von Bifiduslaktobakterien, antiinflammatorischer Effekt bei experimenteller nekrotisierender Enterokolitis). Beim Menschen und insbesondere bei Kindern ist nur eine geringe Anzahl von Untersuchungen mit einer geringen Probandenzahl und mit widersprüchlichen Ergebnissen publiziert. Lediglich ein »bifidogener Effekt« beim Erwachsenen ist durch verschiedene Untersuchungen bestätigt (Fruktose, Oligosaccharide). Studien über die Konsistenz dieses Effektes bei dauerhafter Einnahme von Präbiotika oder nach deren Absetzen liegen nicht vor.
…Therapie mit Präbiotika Aufgrund der vorliegenden Daten kann der Einsatz von Präbiotika z. Z. nicht empfohlen werden. Die ersten Ansätze erscheinen viel versprechend. Es sind vor dem Routineeinsatz als Nahrungszusatz, z. B. in Formulanahrung, weitere Daten notwendig.
Weitere Einsatzgebiete In Europa und Japan werden Präbiotika bereits genutzt, um Ballaststoffe ohne Erhöhung der Viskosität in industriell gefertigten Lebensmitteln zuzusetzen. (Inulin und Oligofruktose bilden Mikrokristalle mit Milch. Sie bewirken eine fettähnliche, cremige Konsistenz ohne Kalorienzusatz.)
58
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
Forschungsansätze
3
Forschungsbedarf besteht in Bezug auf den Einsatz bei Risikogruppen, wie Frühgeborenen (Vermeidung nekrotisierender Enterokolitis), Säuglingen (Schutz z. B. vor Rotavireninfektionen), Kindern unter Chemotherapie/Intensivpatienten (Senkung der Inzidenz von nosokomialen Infektionen durch Translokation von Darmbakterien; Duggan et al. 2002).
Synbiotika Definition Unter Synbiotika werden Kompositionen zusammengefasst, die aus einer sich ergänzenden Mischung von Prä- und Probiotika bestehen.
Ziel Ziel des Einsatzes ist das Herbeiführen von synergistischen Effekten, die über die Einzelwirkung der verwendeten Substanzen hinausgehen. Die Datenlage für pädiatrische Patienten ist schwach. In In-vitro- und Tierexperimenten konnten positive Effekte gemessen werden, die über die Einzelwirkungen der Prä-/Probiotika hinausgingen.
3.2.10
Ballaststoffe (Nahrungsfasern)
Definition Unter Ballaststoffen werden Nahrungsbestandteile verstanden, die keinen nutritiven Stoffwechseleffekt erfüllen und vom menschlichen Gastrointestinaltrakt nicht verstoffwechselt werden können. Sie werden darum im Dünndarm nicht absorbiert, sondern gelangen in den Dickdarm und werden dort durch Darmbakterien verwertet oder ausgeschieden. Ballaststoffe (Pektine, Zellulose, resistente Stärke) sind überwiegend aus Monosacchariden (Glukose, Galaktose, Fruktose, Arabinose, Ribose) zusammengesetzte Polymere, die aufgrund ihrer Molekülgröße den menschlichen Verdauungsenzymen nicht zugänglich sind. Die Definition für Ballaststoffe trifft auch auf neue meist synthetisch hergestellte Produkte, wie z. B. Polyole, oder Fettersatzstoffe zu. Die Wirkung der Ballaststoffe ist vielfältig: hohe Wasserbindung, langsamere Magenentleerung, höheres Sättigungsgefühl, Verkürzung der Transitzeit, Veränderung der Resorptionsgeschwindigkeit, der Stuhlkonsistenz und der Darmflora.
59 Literatur
3
Literatur Adjei AA, Yamamoto S (1995) A dietary nucleoside-nucleotide mixture inhibits endotoxin-induced bacterial translocation in mice fed protein-free diet. J Nutr 125: 42–48 Aggett PJ (2000) Trace elements of the micropremie. Clin Perinatol 27: 119–129, vi Baumgart S (1982) Radiant energy and insensible water loss in the premature newborn infant nursed under a radiant warmer. Clin Perinatol 9: 483–503 Baumgart S (1985) Partitioning of heat losses and gains in premature newborn infants under radiant warmers. Pediatrics 75: 89–99 Baumgart S, Engle WD, Fox WW, Polin RA (1981) Radiant warmer power and body size as determinants of insensible water loss in the critically ill neonate. Pediatr Res 15: 1495–1499 Bausen C, Jochum F, Fusch C (2002) Perinatale Dermatitis durch Zinkmangel bei einem ehemaligen Frühgeborenen (25+1 SSW), Mengen und Spurenelemente. In: Anke M, Müller R, Schäfer U, Stoeppler M (Hrsg) Mengen- und Spurenelemente. Schubert, Leipzig, S 1018– 1022 Beale EF, Nelson RM, Bucciarelli RL, Donnelly WH, Eitzman DV (1979) Intrahepatic cholestasis associated with parenteral nutrition in premature infants. Pediatrics 64: 342–347 Beath SV, Davies P, Papadopoulou A et al. (1996) Parenteral nutrition-related cholestasis in postsurgical neonates: multivariate analysis of risk factors. J Pediatr Surg 31: 604–606 Behal RH, Buxton DB, Robertson JG, Olson MS (1993) Regulation of the pyruvate dehydrogenase multienzyme complex. Annu Rev Nutr 13: 497–520 Beisel WR, Edelman R, Nauss K, Suskind RM (1981) Single-nutrient effects on immunologic functions. Report of a workshop sponsored by the Department of Food and Nutrition and its nutrition advisory group of the American Medical Association. JAMA 245: 53–58 Bell EF, Neidich GA, Cashore WJ, Oh W(1979) Combined effect of radiant warmer and phototherapy on insensible water loss in low-birth-weight infants. J Pediatr 94: 810–813 Berkner KL (2000) The vitamin K-dependent carboxylase. J Nutr 130: 1877–1880 Berry-Kravis E, Dawson G (1985) Possible role of gangliosides in regulating an adenylate cyclase-linked 5-hydroxytryptamine (5-HT1) receptor. J Neurochem 45: 1739–1747 Binder ND, Raschko PK, Benda GI, Reynolds JW (1989) Insulin infusion with parenteral nutrition in extremely low birth weight infants with hyperglycemia. J Pediatr 114: 273–280 Boehles H (1991) Ernährungsstörungen im Kindesalter. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, pp 26 Brown MR, Thunberg BJ, Golub L, Maniscalco WM, Cox C, Shapiro DL (1989) Decreased cholestasis with enteral instead of intravenous protein in the very low-birth-weight infant. J Pediatr Gastroenterol Nutr 9: 21–27 Brück K (1987) Heat production and temperature regulation. In: Stave U (ed) Perinatal physiology. Plenum Medical Publishing, New York, pp 455 Brück K (1992) Neonatal thermal regulation. In: Polin RA, Fox WW (eds) Fetal and neonatal physiology. Saunders, Philadelphia, pp 488–514 Brunton JA, Ball RO, Pencharz PB (2000) Current total parenteral nutrition solutions for the neonate are inadequate. Curr Opin Clin Nutr Metab Care 3: 299–304 Burton GW, Traber MG (1990) Vitamin E: antioxidant activity, biokinetics, and bioavailability. Annu Rev Nutr 10: 357–382
60
3
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
Catzeflis C, Schutz Y, Micheli JL, Welsch C, Arnaud MJ, Jequier E (1985) Whole body protein synthesis and energy expenditure in very low birth weight infants. Pediatr Res 19: 679– 687 Cheng HM, Johnson PM (1985) A description of human placental syncytiotrophoblast membrane glycosphingolipids. Placenta 6: 229–238 Chessex P, Zebiche H, Pineault M, Lepage D, Dallaire L (1985) Effect of amino acid composition of parenteral solutions on nitrogen retention and metabolic response in very-low-birth weight infants. J Pediatr 106: 111–117 Chytil F (1992) The lungs and vitamin A. Am J Physiol 262: L517–527 Ciardelli R, Haumont D, Gnat D, Vertongen F, Delange F (2002) The nutritional iodine supply of Belgian neonates is still insufficient. Eur J Pediatr 161: 519–523 Cosgrove M (1998) Perinatal and infant nutrition. Nucleotides. Nutrition 14: 748–751 Cowett RM, Andersen GE, Maguire CA, Oh W (1988) Ontogeny of glucose homeostasis in low birth weight infants. J Pediatr 112: 462–465 DACH (2000) Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Umschau/Braus, Frankfurt/Main Dai D, Walker WA (1998) Role of bacterial colonization in neonatal necrotizing enterocolitis and its prevention. Zhonghua Min Guo Xiao Er Ke Yi Xue Hui Za Zhi 39: 357–365 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (1991) Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr, 5 Aufl. Umschau, Frankfurt Dorner K, Dziadzka S, Hohn A, Sievers E, Oldigs HD, Schulz-Lell G, Schaub J (1989) Longitudinal manganese and copper balances in young infants and preterm infants fed on breast-milk and adapted cow‘s milk formulas. Br J Nutr 61: 559–572 Duffy B, Gunn T, Collinge J, Pencharz P (1981) The effect of varying protein quality and energy intake on the nitrogen metabolism of parenterally fed very low birthweight (less than 1,600 g) infants. Pediatr Res 15: 1040–1044 Duggan C, Gannon J, Walker WA (2002) Protective nutrients and functional foods for the gastrointestinal tract. Am J Clin Nutr 75: 789–808 Dweck HS, Cassady G (1974) Glucose intolerance in infants of very low birth weight. I. Incidence of hyperglycemia in infants of birth weights 1,100 grams or less. Pediatrics 53: 189–195 Elmadfa I, Leitzmann C (Hrsg) (1998) Ernährung des Menschen, 3. Aufl. Ulmer, Stuttgart, S 200 Farrag HM, Nawrath LM, Healey JE, Dorcus EJ, Rapoza RE, Oh W, Cowett RM (1997) Persistent glucose production and greater peripheral sensitivity to insulin in the neonate vs. the adult. Am J Physiol 272: E86–93 Ferrari G, Anderson BL, Stephens RM, Kaplan DR, Greene LA (1995) Prevention of apoptotic neuronal death by GM1 ganglioside. Involvement of Trk neurotrophin receptors. J Biol Chem 270: 3074–3080 Fotherby MD, Williams JC, Forster LA, Craner P, Ferns GA (2000) Effect of vitamin C on ambulatory blood pressure and plasma lipids in older persons. J Hypertens 18: 411–415 Frank J (2002) Vitamin B12. In: Biesalski HK, Köhrle J, Schümann K (Hrsg) Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Thieme, Stuttgart Friis-Hansen B (1982) Water – the major nutrient. Acta Paediatr Scand Suppl 299: 11–16 Fuller R (1991) Probiotics in human medicine. Gut 32: 439–442 Furst P, Pogan K, Stehle P (1997) Glutamine dipeptides in clinical nutrition. Nutrition 13: 731– 737
61 Literatur
3
Fusch C, Jochum F (2005) Water, sodium, potassium, and chloride. In: Tsang RC, Lucas A, Uauy R, Zlotkin S (eds) Nutritional needs of the preterm infant. Wiliams & Wilkins, Baltimore Gaull G, Sturman JA, Raiha NC (1972) Development of mammalian sulfur metabolism: absence of cystathionase in human fetal tissues. Pediatr Res 6: 538–547 German Nutrition Society (DGE), Austrian Nutrition Society (ÖGE), Swiss Society for Nutritional Research (SGE), and Swiss Nutrition Association (SVE) (2002) Reference values for nutrient intake, 1st edn. Umschau Braus, Frankfurt/Main Gibson GR, Roberfroid MB (1995) Dietary modulation of the human colonic microbiota: introducing the concept of prebiotics. J Nutr 125: 1401–1412 Goudoever JB van, Sulkers EJ, Timmerman M, Huijmans JG, Langer K, Carnielli VP, Sauer PJ (1994) Amino acid solutions for premature neonates during the first week of life: the role of N-acetyl-L-cysteine and N-acetyl-L-tyrosine. JPEN J Parenter Enteral Nutr 18: 404–408 Greene HL, Hambidge KM, Schanler R, Tsang RC (1988) Guidelines for the use of vitamins, trace elements, calcium, magnesium, and phosphorus in infants and children receiving total parenteral nutrition: report of the Subcommittee on Pediatric Parenteral Nutrient Requirements from the Committee on Clinical Practice Issues of the American Society for Clinical Nutrition. Am J Clin Nutr 48: 1324–1342 Hammarlund K, Sedin G, Stromberg B (1983) Transepidermal water loss in newborn infants. VIII. Relation to gestational age and post-natal age in appropriate and small for gestational age infants. Acta Paediatr Scand 72: 721–728 Hammerman C, Aramburo MJ (1988) Decreased lipid intake reduces morbidity in sick premature neonates. J Pediatr 113: 1083–1088 Haumont D, Deckelbaum RJ, Richelle M, Dahlan W, Coussaert E, Bihain BE, Carpentier YA (1989) Plasma lipid and plasma lipoprotein concentrations in low birth weight infants given parenteral nutrition with twenty or ten percent lipid emulsion. J Pediatr 115: 787–793 Heird WC, Dell RB, Helms RA, Greene HL, Ament ME, Karna P, Storm MC (1987) Amino acid mixture designed to maintain normal plasma amino acid patterns in infants and children requiring parenteral nutrition. Pediatrics 80: 401–408 Hey EN, Katz G (1969) Evaporative water loss in the new-born baby. J Physiol 200: 605–619 Holt LE (1967) Amino acid requirements of infants. Curr Ther Res Clin Exp 9 Suppl: 149–156 Hoyos AB (1999) Reduced incidence of necrotizing enterocolitis associated with enteral administration of Lactobacillus acidophilus and Bifidobacterium infantis to neonates in an intensive care unit. Int J Infect Dis 3: 197–202 Idota T, Kawakami H (1995) Inhibitory effects of milk gangliosides on the adhesion of Escherichia coli to human intestinal carcinoma cells. Biosci Biotechnol Biochem 59: 69–72 Innis SM, Allardyce DB (1983) Possible biotin deficiency in adults receiving long-term total parenteral nutrition. Am J Clin Nutr 37: 185–187 Jacobs H (2002) Vitamin D. In: Biesalski HK, Köhrle J, Schümann K (Hrsg) Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Thieme, Stuttgart Jhaveri MK, Kumar SP (1987) Passage of the first stool in very low birth weight infants. Pediatrics 79: 1005–1007 Jochum F, Lombeck I (2000) Genetic defects related to metals other than copper. In: Fernandes J, Saudubray JM, Berghe B van den (eds) Inborn metabolic diseases – diagnosis and treatment. Springer, Berlin Heidelberg New York
62
3
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
Jochum F, Fuchs A, Menzel H, Lombeck I (1995) Selenium in German infants fed breast milk or different formulas. Acta Paediatr 84: 859–862 Jochum F, Fuchs A, Cser A, Menzel H, Lombeck I (1995) Trace mineral status of full-term infants fed human milk, milk-based formula or partially hydrolysed whey protein formula. Analyst 120: 905–909 Kleinman RE, American Academy of Pediatrics Committee on Nutrition (1998) Pediatric nutrition handbook. American Academy of Pediatrics, Elk Grove Village, pp 55–87 Koh TH, Aynsley-Green A, Tarbit M, Eyre JA (1988) Neural dysfunction during hypoglycaemia. Arch Dis Child 63: 1353–1358 Koletzko B, Sinclair A (1999) Long-chain polyunsaturated fatty acids in diets for infants: choices for recommending and regulating bodies and for manufacturers of dietary products. Lipids 34: 215–220 Koletzko B, Agostoni C, Carlson SE et al. (2001) Long chain polyunsaturated fatty acids (LC-PUFA) and perinatal development. Acta Paediatr 90: 460–464 Kovar IZ, Saini J, Morgan JB (1989) The sick very low birthweight infant fed by parenteral nutrition: studies of nitrogen and energy. Eur J Clin Nutr 43: 339–346 Leake RD, Zakauddin S, Trygstad CW, Fu P, Oh W (1976) The effects of large volume intravenous fluid infusion on neonatal renal function. J Pediatr 89: 968–972 Lee SH, Oe T, Blair IA (2001) Vitamin C-induced decomposition of lipid hydroperoxides to endogenous genotoxins. Science 292: 2083–2086 Levine A, Maayan A, Shamir R, Dinari G, Sulkes J, Sirotta L (1999) Parenteral nutrition-associated cholestasis in preterm neonates: evaluation of ursodeoxycholic acid treatment. J Pediatr Endocrinol Metab 12: 549–553 Lin H-C, Su B-H, Chen A-C, Lin T-W, Tsai C-H, Yeh T-F, Oh W (2005) Oral probiotics reduce the incidence and severity of necrotizing enterocolitis in very low birth weight infants. Pediatrics 115: 1–4 Lorenzen A, Stannek C, Lang H, Andrianov V, Kalvinsh I, Schwabe U (2001) Characterization of a G protein-coupled receptor for nicotinic acid. Mol Pharmacol 59: 349–357 Louik C, Mitchell AA, Epstein MF, Shapiro S (1985) Risk factors for neonatal hyperglycemia associated with 10% dextrose infusion. Am J Dis Child 139: 783–786 Lucas A, Morley R, Cole TJ (1988) Adverse neurodevelopmental outcome of moderate neonatal hypoglycaemia. BMJ 297: 1304–1308 Martin D (1983) Wasser und anorganische Elemente. In: Harpner H, Martin D, Mayes P, Rodwell V (eds) Medizinische Biochemie. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 657– 671 Martinez-Augustin O, Boza JJ, Pino JI del, Lucena J, Martinez-Valverde A, Gil A (1997a) Dietary nucleotides might influence the humoral immune response against cow‘s milk proteins in preterm neonates. Biol Neonate 71: 215–223 Martinez-Augustin O, Boza JJ, Navarro J, Martinez-Valverde A, Araya M, Gil A (1997b) Dietary nucleotides may influence the humoral immunity in immunocompromised children. Nutrition 13: 465–469 Meißner D (2002) Chrom. In: Biesalski HK, Köhrle J, Schümann K (Hrsg) Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Thieme, Stuttgart Merian E (1984) Metalle in der Umwelt. Verlag Chemie, Weinheim
63 Literatur
3
Obladen M, Loui A, Kampmann W, Renz H (1998) Zinc deficiency in rapidly growing preterm infants. Acta Paediatr 87: 685–691 Olney JW, Ho OL, Rhee V (1973) Brain-damaging potential of protein hydrolysates. N Engl J Med 289: 391–395 Olson JA (2001) Vitamin A. In: Rucker RB, Suttie JW, McCormick DB, Machlin LJ (eds) Handbook of vitamins. Dekker, New York Oshiro M, Mimura S, Hayakawa M, Watanabe K (2001) Plasma and erythrocyte levels of trace elements and related antioxidant enzyme activities in low-birthweight infants during the early postnatal period. Acta Paediatr 90: 1283–1287 Otnaess AB, Laegreid A, Ertresvag K (1983) Inhibition of enterotoxin from Escherichia coli and Vibrio cholerae by gangliosides from human milk. Infect Immun 40: 563–569 Perlman M, Chan WY, Ramadan TZ, McCaffree MA, Rennert OM (1982) Serum copper and ceruloplasmin in preterm infants: prospective study. J Am Coll Nutr 1: 155–163 Pickering LK, Granoff DM, Erickson JR et al. (1998) Modulation of the immune system by human milk and infant formula containing nucleotides. Pediatrics 101: 242–249 Pildes RS, Pyati SP (1986) Hypoglycemia and hyperglycemia in tiny infants. Clin Perinatol 13: 351–375 Poindexter BB, Ehrenkranz RA, Stoll BJ et al. (2003) Effect of parenteral glutamine supplementation on plasma amino acid concentrations in extremely low-birth-weight infants. Am J Clin Nutr 77: 737–743 Prokazova NV, Bergelson LD (1994) Gangliosides and atherosclerosis. Lipids 29: 1–5 Raiha NC (1974) Biochemical basis for nutritional management of preterm infants. Pediatrics 53: 147–156 Reiss I, Anke M (2002) Molybden. In: Biesalski HK, Köhrle J, Schümann K (Hrsg) Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Thieme, Stuttgart Rigo J, Senterre J (1977) Is taurine essential for the neonates? Biol Neonate 32: 73–76 Rigo J, Senterre J (1987) Significance of plasma amino acid pattern in preterm infants. Biol Neonate 52 [Suppl 1]: 41–49 Rosner H (1982) Ganglioside changes in the chicken optic lobes as biochemical indicators of brain development and maturation. Brain Res 236: 49–61 Rueda R, Tabsh K, Ladisch S (1993) Detection of complex gangliosides in human amniotic fluid. FEBS Lett 328: 13–16 Rueda R, Puente R, Hueso P, Maldonado J, Gil A (1995) New data on content and distribution of gangliosides in human milk. Biol Chem Hoppe Seyler 376: 723–727 Saner G, Dagoglu T, Ozden T (1985) Hair manganese concentrations in newborns and their mothers. Am J Clin Nutr 41: 1042–1044 Schmidt E (1981) Empfehlungen für die Ernährung des Säuglings einschließlich Beikost. Paediatr Prax 25: 567–579 Seibold-Weiger K, Wollmann H, Rendl J, Ranke M, Speer C (1999) Jodkonzentration in der Muttermilch bei Muttern von Fruhgeborenen. Z Geburtshilfe Neonatol 203: 81–85 Shearer MJ (2000) Role of vitamin K and Gla proteins in the pathophysiology of osteoporosis and vascular calcification. Curr Opin Clin Nutr Metab Care 3: 433–438 Shrivastava R, Upreti RK, Seth PK, Chaturvedi UC (2002) Effects of chromium on the immune system. FEMS Immunol Med Microbiol 34: 1–7
64
3
Kapitel 3 · Nahrungsbestandteile
Sinclair JC (1976) Metabolic rate and temperature control. In: Smith CA, Nelson N (eds) The physiology of the newborn infant. Thomas, Springfield, pp 354–415 Spiegel S, Merrill AH (1996) Sphingolipid metabolism and cell growth regulation. FASEB J 10: 1388–1397 Sulyok E, Jequier E, Prod’hom LS (1973) Respiratory contribution to the thermal balance of the newborn infant under various ambient conditions. Pediatrics 51: 641–650 Szajewska H, Mrukowicz JZ (2001) Probiotics in the treatment and prevention of acute infectious diarrhea in infants and children: a systematic review of published randomized, double-blind, placebo-controlled trials. J Pediatr Gastroenterol Nutr 33 [Suppl 2]: S17–25 Taki T, Matsuo K, Yamamoto K, Matsubara T, Hayashi A, Abe T, Matsumoto M (1988) Human placenta gangliosides. Lipids 23: 192–198 Talbott MC, Miller LT, Kerkvliet NI (1987) Pyridoxine supplementation: effect on lymphocyte responses in elderly persons. Am J Clin Nutr 46: 659–664 Tanaka R, Mutai M (1980) Improved medium for selective isolation and enumeration of Bifidobacterium. Appl Environ Microbiol 40: 866–869 Thureen PJ, Melara D, Fennessey PV, Hay WW (2003) Effect of low versus high intravenous amino acid intake on very low birth weight infants in the early neonatal period. Pediatr Res 53: 24–32 Tsang R, Lucas A, Uaay R, Zlotkin S (eds) (1993) Nutritional needs of the preterm infant: scientific basis and practical guidelines. Williams & Wilkins, Baltimore Uauy R (1994) Nonimmune system responses to dietary nucleotides. J Nutr 124 [Suppl 1]: 157S–159S Uauy R, Hoffman DR, Peirano P, Birch DG, Birch EE (2001) Essential fatty acids in visual and brain development. Lipids 36: 885–895 Wasowicz W, Gromadzinska J, Szram K, Rydzynski K, Cieslak J, Pietrzak Z (2001) Selenium, zinc, and copper concentrations in the blood and milk of lactating women. Biol Trace Elem Res 79: 221–233 Wauben I, Gibson R, Atkinson S (1999) Premature infants fed mothers’ milk to 6 months corrected age demonstrate adequate growth and zinc status in the first year. Early Hum Dev 54: 181–194 Wheldon AE, Rutter N (1982) The heat balance of small babies nursed in incubators and under radiant warmers. Early Hum Dev 6: 131–143 Williams PR, Oh W (1974) Effects of radiant warmer on insensible water loss in newborn infants. Am J Dis Child 128: 511–514 Willinger M, Schachner M (1980) GM1 ganglioside as a marker for neuronal differentiation in mouse cerebellum. Dev Biol 74: 101–117 Winters RW (1973) Maintenance fluid therapy. In: Winters RW (ed) The body fluids in pediatrics. Little Brown, Boston, pp 113–133 Wu PY, Hodgman JE (1974) Insensible water loss in preterm infants: changes with postnatal development and non-ionizing radiant energy. Pediatrics 54: 704–712 Yuasa H, Scheinberg DA, Houghton AN (1990) Gangliosides of T lymphocytes: evidence for a role in T-cell activation. Tissue Antigens 36: 47–56
4 Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr F. Jochum
4.1 Flüssigkeitzufuhr – 66 4.1.1 Früh- und Reifgeborene in der Anpassungsund Stabilisierungsphase – 67 Exkurs: Reduktion der Flüssigkeitsverluste bei Neugeborenen – 70 4.1.2 Früh- und Reifgeborene in der stabilen Wachstumsphase, ältere pädiatrische und erwachsene Patienten – 72 4.2
Energiezufuhr – 73 Exkurs: Energiegehalt einzelner Substrate Exkurs: Energiemangel – 74
– 74
4.3 Nährstoffzufuhr bei parenteraler Ernährung – 75 4.3.1 Makronährstoffe – 75 4.3.2 Elektrolyte – 78 Exkurs: Hyperkaliämie bei Früh- und Neugeborenen – 80 4.3.3 Vitamine – 83 S. Colling 4.3.4 Spurenelemente – 87 S. Colling 4.4
Umgang mit Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr – 90 Literatur
– 91
66
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
Im Folgenden werden, abgeleitet aus der Physiologie ( Kap. 2) und dem vermuteten Bedarf von Kindern, Empfehlungen für die Zufuhr angegeben. Die Angaben bezüglich der Flüssigkeits- und der Energiezufuhr gelten für alle Formen der Nahrungszufuhr (enteral/parenteral). Weitere Angaben sind auf parenterale Nährstoffzufuhr ausgerichtet. Je nach Resorption des jeweiligen Nahrungssubstrats kann bei enteraler Ernährung eine höhere Zufuhr notwendig sein. Hierbei kann für den Klinikalltag in der Pädiatrie häufig davon ausgegangen werden, dass der Bedarf bei physiologischer altersentsprechender enteraler Ernährung gedeckt wird. Bei einer teilparenteralen Ernährung mit einem Nahrungsanteil von z. B. 50% müssen näherungsweise 50% des angegebenen Bedarfes vom parenteralen Anteil abgezogen werden (weil dieser Anteil ja enteral zugeführt wird). Bei längerfristiger bilanzierter Ernährung (wie z. B. bei angeborenen Stoffwechselstörungen, Kurzdarmsyndrom) oder in besonderen Situationen mit Relevanz für eine exakte Bilanzierung (bei der die Körperspeicher und Regulationsmechanismen nicht ausreichen könnten, um Imbalanzen zu kompensieren) sollte die Zufuhr exakt ermittelt werden ( Kap. 6).
4
4.1
Flüssigkeitzufuhr
Für eine optimale Flüssigkeitszufuhr sind die in Kap. 2 bereits beschriebenen Phasen der Adaptation von Neugeborenen zu berücksichtigen. Hierbei sind die Anpassungs- und Stabilisierungsphase in der Physiologie so unterschiedlich von älteren Patienten oder von Neugeborenen in der Phase des stabilen Wachstums, dass diese Phasen im Folgenden getrennt betrachtet werden. Die einzelnen Phasen werden wie folgt definiert: ▬ Phase I/Anpassung: 1.–5. Lebenstag. Perspiratio ↑. Verlust von Flüssigkeit und Elektrolyten aus dem Extrazellularraum. Das Ende wird durch den Zeitpunkt mit dem maximalen Gewichtsverlust charakterisiert. ▬ Phase II/Stabilisation: 5.–7. Lebenstag. Die Kontraktion des Extrazellularraumes ist beendet. Die Nieren produzieren zunehmend konzentrierten Urin. ▬ Phase III/stabiles Wachstum: ab ca. 8. Lebenstag. Komplette enterale Nahrung wird toleriert. Ziel ist das Erreichen von Wachstum in annähernd intrauterinen Wachstumsraten.
67 4.1 · Flüssigkeitzufuhr
4
Ziele der Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr Phase I Kontraktion des Extrazellularraumes zulassen (ohne Beeinträchtigung des intravasalen Flüssigkeitsvolumens oder der kardiovaskulären Funktion) Negative Nettobilanz für Natrium (Na+) von 2–5 mmol/kg KG und Tag für die ersten postnatalen Lebenstage Erhaltung normaler Plasma-Elektrolyt-Spiegel Ausreichende Diurese (Vermeidung einer Oligurie; <0,5–1,0 ml/kg KG und Stunde für länger als 12 h) und Temperaturregulation durch Supplementation mit einer ausreichenden Flüssigkeitsmenge sicherstellen Phase II Ausgleich der vorangegangenen Elektrolytverluste Ersatz der aktuellen Flüssigkeits- und Elektrolytverluste Enteraler Nahrungsaufbau Phase III Ersatz der Wasser und Elektrolytverluste Ausreichende Wasser- und Elektrolytzufuhr zum Aufbau neuer Gewebe entsprechend intrauterinen Wachstumsraten
4.1.1 Früh- und Reifgeborene in der Anpassungs-
und Stabilisierungsphase Relevante Forschungsergebnisse Phase I Coulthard u. Hay (1985) konnten zeigen, dass Frühgeborene [29.–34. Schwangerschaftswoche (SSW)] mit einer Flüssigkeitszufuhr zwischen 96 ml/kg KG und Tag und 200 ml/kg KG und Tag ab dem dritten Lebenstag gedeihen. Dieser Bereich kann als Spannweite für eine adäquate Flüssigkeitszufuhr bei Frühgeborenen (ohne zusätzliche Probleme) angesehen werden. Eine Metaanalyse (Cochrane data base) untersuchte 4 randomisierte klinische Studien mit unterschiedlicher Flüssigkeitzufuhr während der ersten
68
4
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
Lebenswoche bei Frühgeborenen (Bell u. Acarregui 2000). Es zeigte sich ein deutlich besserer Verlauf bei niedriger Flüssigkeitzufuhr im Bezug auf PDA (persistierender Ductus arteriosus), nekrotisierende Enterokolitis und die Überlebensrate. Ein Trend, aber kein statistisch signifikanter Unterschied, wurde für das Risiko einer Dehydratation bei niedriger Flüssigkeitszufuhr und CLD (»chronic lung disease«) bei liberaler Flüssigkeitszufuhr gefunden.
Phase II/III Bei einer täglichen Flüssigkeitszufuhr von 170 ml/kg KG und Tag und mehr ist die renale Na-Ausscheidung bei Neugeborenen in der Regel hoch und die Na-Bilanz negativ. Auch eine Na-Zufuhr von 10 mmol/kg KG und Tag konnte die Bilanz nicht ausgleichen (Engelke et al. 1978). Bei einer Flüssigkeitszufuhr von >200 ml/kg KG und Tag können die meisten »Extremely-low-birthweight- (ELBW-)Frühgeborenen« unabhängig von der Höhe der Na-Zufuhr ihre Na-Bilanz nicht ausgleichen. Physiologische Na-Spiegel wurden bei Neugeborenen mit einer Na-Zufuhr zwischen 1,1 mmol/kg KG und Tag und 3,0 mmol/kg KG und Tag und einer Flüssigkeitszufuhr zwischen 140 ml/kg KG und Tag und 170 ml/kg KG und Tag gefunden (Babson u. Bramhall 1969; Lucas et al. 1990; Polberger et al. 1989; Raiha et al. 1976). In allen Untersuchungen korrelierte die Wachstumsgeschwindigkeit nicht mit der Na-Zufuhr. Flüssigkeitszufuhr <140 ml/kg KG und Tag, in Verbindung mit einer minimalen Na-Zufuhr von ca. 1 mmol/kg KG und Tag, ist ausreichend für eine ausgeglichene Na-Bilanz auch bei ELBW-Frühgeborenen (Asano et al. 1987; Ekblad et al. 1987; Engle et al. 1985; Kojima et al. 1989; Meyer et al. 2001; Roshchupkin u. Murina 1998; Walli et al. 1980). Es ergab sich kein Anstieg der Morbidität auch bei ELBW-Frühgeborenen mit niedriger Na- und Flüssigkeitszufuhr (<2 mmol/kg KG und Tag). Es zeigte sich eine statistisch nicht signifikante höhere Inzidenz für die Entstehung eines PDA und einer bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) bei Neonaten mit höherer Na- und Flüssigkeitszufuhr (Fidler et al. 2001; Jensen et al. 2001; Roshchupkin u. Murina 1998). > Verschiedene kontrollierte Studien zeigen negative Auswirkungen eines hohen Flüssigkeitsumsatzes auf den Krankheitsverlauf. Darum sollte der Wasserumsatz so niedrig wie möglich gehalten werden.
Verschiedene Einflüsse wirken sich signifikant auf den Flüssigkeitshaushalt aus (⊡ Tabelle 4.1).
4
69 4.1 · Flüssigkeitzufuhr
⊡ Tabelle 4.1. Klinische Zustände mit Einfluss auf die insensiblen Flüssigkeitsverluste
Variable
Effekt
Literatur
Vermehrte Aktivität
+20%
(Hammarlund et al. 1979; Wu u. Hodgman 1974)
Temperaturerhöhung (Fieber)
+20%
(Hammarlund et al. 1979; Wu u. Hodgman 1974)
Phototherapie
+40–100%
(Wu u. Hodgman 1974; Yeh et al. 1975)
Tachypnoe
+20–30%
(Costarino u. Baumgart 1986)
Intubation/N-CPAPa
–20–30%
(Sosulski et al. 1983)
Plastikabdeckungen/Hautemulsionen haben nur einen geringen Effekt bei Pflege im Doppelwandinkubator unter thermoneutralen Bedingungen und einer Luftfeuchtigkeit von 70–90% a Mit erwärmtem und angefeuchtetem Atemgas
Empfehlung für die Flüssigkeitszufuhr Steigerung des Flüssigkeitsbedarfes von den jeweiligen Ausgangswerten um 20 ml/kg KG und Tag bis auf 160 ml/kg KG und Tag (⊡ Tabelle 4.2).
⊡ Tabelle 4.2. Empfehlungen für die Flüssigkeitszufuhr [ml/kg KG und Tag] in der Anpassungs- und Stabilisierungsphase (Lebenstage 1–7 von Früh- und Reifgeborenen)
Lebensalter in Tagen (LT) 1. LT
2. LT
3. LT
4. LT
5. LT
6./7. LT
<1.000 ga,b
90
110
130
150
160
160
1.000–1.500 ga,b
80
100
120
140
160
160
>1.500 ga,b
60
80
100
120
140d
160d
Frühgeborene
c
Reife Neugeborene a b c d
Geburtsgewicht (Berechnungsgrundlage bis aktuelles Gewicht > Geburtsgewicht) Nach Tsang et al. (1993) Nach DAKE/ÖAKE (1987) Expertenmeinung
70
▬ ▬ ▬ ▬
4
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
Zusätze/Abzüge: +20% bei Mangelgeburt (»small for gestational age«, SGA), +20% bei Phototherapie, nur wenn Körpergewicht <2.000 g, +20% bei Fieber, –20 ml/kg KG/Tag bei Respiratortherapie/nasaler kontinuierlicher Positivdruckbeatmung (»nasal continuous positive airway pressure«, N-CPAP) mit angefeuchtetem Atemgas. Exkurs Reduktion der Flüssigkeitsverluste bei Neugeborenen Verschiedene physikalische Maßnahmen führen zur signifikanten Reduktion der insensiblen Flüssigkeitsverluste. Pflege im Doppelwandinkubator reduziert den insensiblen Flüssigkeitsverlust bei »Very-low-birth-weight- (VLBW-)Frühgeborenen« um etwa 30% bei einer Luftfeuchtigkeit von 90% bei thermoneutraler Temperatur. Mit Reifung der epidermalen Barriere ist es möglich, die eingestellte Luftfeuchtigkeit langsam zu reduzieren (üblicherweise nach den ersten 5 Lebenstagen; Leung et al. 2000). Die Nutzung von Wärmestrahlern (offene Pflege) oder Einzelwandinkubatoren zur Pflege von VLBW- oder ELBW-Frühgeborenen kann die Flüssigkeitsverluste steigern und die Temperaturregulation erschweren. (Thermoneutralbedingungen werden schwerer erreicht.) Eine randomisierte Untersuchung verglich VLBW-Frühgeborene (n=60), die entweder im Doppelwandinkubator oder unter einem Wärmestrahler gepflegt wurden. In der Wärmestrahlergruppe wurde ein höherer initialer Gewichtsverlust beobachtet. Die Morbidität war aber in der Wärmestrahlergruppe niedriger als in der Inkubatorgruppe [Outcome, CLD, nekrotisierende Enterokolitis, intraventrikuläre Hämorrhagie (Hirnblutung) >2, periventrikuläre Leukomalazie, Retinopathia praematurorum >°2, Odds ratio 0,1; p<0,05; Meyer et al. 2001). Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zu einer Metaanalyse, die 8 randomisierte Studien auswertet. Hier wurden ein höherer insensibler Wasserverlust und eine nichtsignifikante Tendenz zu höherem Sauerstoffbedarf in der Wärmestrahlergruppe gefunden. Wegen der niedrigen Anzahl von VLBW-Frühgeborenen mit niedrigem Gestationsalter und Geburtsgewicht (keine ELBWFrühgeborenen) sind die zur Verfügung stehenden Untersuchungen nur
▼
71 4.1 · Flüssigkeitzufuhr
beschränkt aussagefähig im Bezug auf das langfristige Outcome (Flenady u. Woodgate 2002). Der Gebrauch von wasserdichten Bedeckungen (Plastikfolien, Plastikdecken, Luftbläschendecke) zusätzlich zur Pflege im Doppelwandinkubator führt zu einer Reduktion des insensiblen Flüssigkeitsverlustes um 30–60% (Jauch u. Suchner 1994). Eine Verstärkung der Hautbarriere ist mit Hautemulsionen möglich. Nopper et al. (1996) zeigten keinen oder nur einen geringen Effekt auf die Flüssigkeits- oder Temperaturbalanz. Eine signifikante Senkung der systemischen Infektionen wurde in der mit einer Paraffin-Lanolin-Mischung behandelten Gruppe gefunden. In 2 weiteren Studien wurde eine Senkung der insensiblen Flüssigkeitsverluste um bis zu 50% berichtet (Lane u. Drost 1993; Rutter u. Hull 1981). Die beiden randomisierten Untersuchungen wurden in einer Metaanalyse gemeinsam ausgewertet (Lane u. Drost 1993; Nopper et al. 1996). Hierbei wurden die Effekte auf den insensiblen Flüssigkeitsverlust und auf die Inzidenz von Infektionen bestätigt (Soll u. Edwards 2000). Andere Behandlungsmaßnahmen Die folgenden therapeutischen Maßnahmen behandeln nicht den Flüssigkeitshaushalt, üben aber als Begleiteffekt einen Einfluss aus: ▬ Respiratortherapie oder N-CPAP mit angewärmtem und angefeuchtetem Atemgas reduziert den insensiblen Wasserverlust. Der Grad der Reduktion wird vom klinischen Zustand, der Atemfrequenz und dem Grad der Anfeuchtung des Atemgases bestimmt. Eine Reduktion der Perspiratio insensibilis um 30% wurde von Sosulski et al. (1983) gemessen. ▬ Phototherapie steigert den transdermalen Wasserverlust deutlich. Verschiedene Untersucher berichten einen Anstieg um 40–100% (beeinflusst vom Gestationsalter, postnatalen Alter und der umgebenden Luftfeuchtigkeit; Wu u. Hodgman 1974; Yeh et al. 1975).
4
72
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
4.1.2 Früh- und Reifgeborene in der stabilen Wachstums-
phase, ältere pädiatrische und erwachsene Patienten Relevante Forschungsergebnisse Ältere pädiatrische Patienten
4
Der Wasserbedarf pädiatrischer Patienten sinkt mit zunehmendem Alter (Fusch u. Jochum 2004). Dazu tragen hauptsächlich die sinkende Perspiratio insensibilis (in Verbindung mit der veränderten Relation zwischen Körperoberfläche und Körpervolumen durch zunehmendes Wachstum) und die verbesserte renale Konzentrierungsfähigkeit bei. Mit den effektiveren Mechanismen ist die Regulation des Wasser- und Elektrolythaushalts nicht länger problematisch, da eine größere Variabilität an Zufuhr und Verlusten ausgeglichen werden kann. Hierzu sind keine kontrollierten Studien verfügbar, aber es existieren verschiedene Zufuhrempfehlungen. Studien über besondere klinische Situationen mit Auswirkungen auf den Wasser- und Elektrolythaushalt
⊡ Tabelle 4.3. Empfehlungen für die Flüssigkeitszufuhr für pädiatrische Patienten (Früh- und Reifgeborene nach Abschluss der Anpassungsphase – ab ca. 6. Lebenstag)
Lebensalter
Flüssigkeitszufuhr [ml/kg KG und Tag]
Frühgeborene <1.000 ga,b,c 1.000–1.500 ga,b,c
80–180–(200) 80–160-(180)
>1.500 ga,e
100–140–160
Reife Neugeboreneb,d
100–140–160
Reifer Säugling ab 2. Monatd
100–140
2. Lebensjahrd
80–120
3.–5. Lebensjahrd
80–100
6.–10. Lebensjahrd
60–80
11.–14. Lebensjahrd
50–70
Erwachsene
40–70
a b c d e
Geburtsgewicht 7. Lebenstag bis Erreichen der nächst höheren Gewichtskategorie Nach Tsang et al. (1993) Nach DAKE/ÖAKE (1987) Expertenmeinung
73 4.2 · Energiezufuhr
4
von Neonaten und älteren pädiatrischen Patienten sind publiziert (Costarino u. Baumgart 1986; Hammarlund et al. 1979; Sosulski et al. 1983; Wu u. Hodgman 1974; Yeh et al. 1975). Alle Zufuhrempfehlungen müssen an die speziellen Bedürfnisse des individuellen Patienten angepasst werden (⊡ Tabelle 4.3). Adaptation an die individuellen Bedürfnisse nach klinischer Untersuchung (feuchte Schleimhäute, Hautfalten, Fontanelle, Urinmenge) und Laborwerten, Cl-/Na-Plasma-Spiegel, spez. Gewicht Urin; Kap. 11).
4.2
Energiezufuhr
Der durchschnittliche Energieverbrauch unterscheidet sich je nach Lebensalter und Situation. ⊡ Tabelle 4.4 gibt den von verschiedenen Gruppen ermittelten mittleren Energieverbrauch für einzelne Altersgruppen von gesunden Kindern zur Orientierung an. Der individuelle Energieverbrauch kann hiervon erheblich nach unten (bei Sedierung, Beatmung) oder nach oben (bei Fieber, Unruhe, PDA, Leistungssport) abweichen. Bei schlechtem
⊡ Tabelle 4.4. Empfehlungen für die Energiezufuhr für pädiatrische Patienten (Frühund Reifgeborene nach Abschluss der Anpassungsphase – ab ca. 8. Lebenstag)
Lebensalter
Energiezufuhr [kcal/kg KG und Tag]
Frühgeborene <1.500 ga,b
80–160
1.500–2.500 ga,b
70–140
Säuglingc
60–120
2. Lebensjahrc
60–90
3.–5. Lebensjahrc
60–70
6.–10. Lebensjahrc
50–60
11.–14. Lebensjahrc
45–60
Erwachsene
35–60
Der individuelle Energiebedarf kann von den Angaben erheblich nach unten (Sedierung, Beatmung) oder nach oben (Fieber, Unruhe, PDA, Leistungssport) abweichen a Geburtsgewicht b Nach (Tsang et al. 1993) c Nach DAKE/ÖAKE (1987)
74
4
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
Gedeihen sollte als erster Schritt die genaue Kalorienzufuhr berechnet und der individuelle Bedarf im Bezug auf die Empfehlung abgeschätzt werden. (Im Zweifel Durchführung einer Kalorimetrie.) Die Ernährung des Patienten kann dann bezüglich der Kalorienzufuhr optimiert werden. Erfolgt auch bei sicher ausreichender Kalorienzufuhr kein gutes Gedeihen, sind weitere Ursachen zu suchen (wie z. B. Zinkmangel). Exkurs Energiegehalt einzelner Substrate Der Energiegehalt verschiedener Zucker, Aminosäuren und Fette ist entsprechend dem molekularen Aufbau unterschiedlich. Für die Kalkulation der Energiezufuhr unter klinischen Bedingungen sind die unten aufgeführten Energiegehalte ausreichend genau. Substrat
Kaloriengehalt/g [kcal]
Aminosäuren Kohlenhydrate (Glukose) Lipide
ca. 4 ca. 4 ca. 9
1 ml einer 10%igen Lösung entspricht ca. 1 g Nährstoff.
Exkurs Energiemangel Bei Energiemangel kommt es in der angegebenen Reihenfolge zu ▬ verminderter Gewichtszunahme, ▬ vermindertem Längenwachstum, ▬ vermindertem Schädelwachstum. Ein vermindertes Schädelwachstum als Ausdruck einer gestörten Entwicklung des Zentralnervensystems (ZNS) muss unbedingt vermieden werden (Einfluss auf die langfristige neurologische Entwicklung!). Vorangehende Warnzeichen (unzureichende Gewichts- und Längenentwicklung) müssen erkannt werden, und auf einen Abfall der Wachstumsperzentile ist entsprechend und frühzeitig zu reagieren (Ursachensuche, ggf. Anpassung der Energiezufuhr).
75 4.3 · Nährstoffzufuhr bei parenteraler Ernährung
4
Nährstoffzufuhr bei parenteraler Ernährung
4.3
4.3.1 Makronährstoffe Während die Empfehlungen zur Wasser- und Energiezufuhr sowohl für parenterale als auch enterale Ernährung gelten, sind die Zufuhrempfehlungen für die verbleibenden Nährstoffe unterschiedlich. Dies ergibt sich durch eine inkomplette Absorption im Gastrointestinaltrakt oder durch den Einfluss der Nahrung auf die Bioverfügbarkeit einzelner Nährstoffe. Im Folgenden sind Empfehlungen für parenterale Ernährung gegeben (wenn nicht ausdrücklich anders bezeichnet). Die Empfehlungen für die Zufuhr bei enteraler Ernährung können höher liegen. Bei kurzfristiger enteraler bilanzierter Ernährung sind die Unterschiede zu vernachlässigen. Eine langfristige enterale bilanzierte Ernährung ist nach speziellen Empfehlungen auszurichten. ⊡ Tabelle 4.5 zeigt die durchschnittlichen Empfehlungen für die Zufuhr der Grundnahrungssubstrate für die einzelnen Altersgruppen pädiatrischer Patienten.
Früh- und Reifgeborene in der Anpassungsund Stabilisierungsphase Früh- und Reifgeborene können wegen der höheren Wachstumsgeschwindigkeit einen größeren Nährstoffbedarf haben als gezeigt (⊡ Tabelle 4.6). Der Beginn einer (teil-)parenteralen Ernährung sollte, wie der enterale
⊡ Tabelle 4.5. Empfehlung zur Glukose-, Protein- und Lipidzufuhr für Kinder. (Nach DAKE/ÖAKE 1987)
Alter
Glukose Aminosäuren Lipide [g/kg KG und Tag] [g/kg KG und Tag] [g/kg KG und Tag]
1. Lebensjahra
8–15
1,5–2,5
2–3-(3,5)
2. Lebensjahr
12–15
1,5
2–3 1–2
3.–5. Lebensjahr
12
1,5
6.–10. Lebensjahr
10
1,0
1–2
11.–14. Lebensjahr
8
1,0
1
a
Nach Ende der Neonatalperiode
76
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
⊡ Tabelle 4.6. Aufbau der Zufuhr an Glukose, Aminosäuren und Lipiden bei Frühund Reifgeborenen in der Anpassung- und Stabilisierungsphase (Phase I/II)
Alter
4
Glukose [g/kg KG und Tag]
Aminosäuren [g/kg KG und Tag]
Lipide [g/kg KG und Tag]
1. Lebenstag
4–8(–10)
1,0
1,0
2. Lebenstag
4–8(–10)
1,0
1,0
3. Lebenstag
5–9(–10)
1,0
1,0
4. Lebenstag
5–10(–12)
2,0
1,0
5. Lebenstag
6–12(–15)
2,5
2,0
6. Lebenstag
7–14(–16)
2,5
3,0
7. Lebenstag
7–16
2,5
3,5
Angaben in Klammern max. Zufuhr für Frühgeborene >1.500 g Geburtsgewicht und Reifgeborene
Nahrungsaufbau, langsam und schrittweise erfolgen. Unten ist das hier festgelegte Vorgehen zum Aufbau einer (teil-)parenteralen Ernährung für Frühund Neugeborene dargestellt (⊡ Tabelle 4.7).
Kohlenhydrate (Glukose) Das Flüssigkeitsvolumen errechnet sich, indem von der kalkulierten »Tagesflüssigkeitsmenge« (Verordnungsbogen; Anhang) alle sonstigen Zufuhren abgezogen werden. Üblicherweise wird bei Verwendung von 10%iger (12,5%iger) Glukose die gewünschte Zufuhr (g/kg KG und Tag) erreicht (bei Verwendung des hier vorgeschlagenen Konzeptes). Die Zufuhr von 10 g/kg KG und Tag kann bei stabilen Frühgeborenen >1.500 g Geburtsgewicht oder Reifgeborenen gewählt werden, die häufig bereits in der Anpassungsphase eine größere Glukosetoleranz aufweisen. Im Zweifel mit den niedrigeren Empfehlungen der Zufuhrempfehlung beginnen.Anpassung der Zuckerzufuhr nach Blutzuckerspiegeln. Die Zufuhr sollte in der Phase des stabilen Wachstums zwischen 4–15(–18) mg/kg KG/min liegen.
Lipide Reduktion der Fettzufuhr auf 1 g/kg KG und Tag im Postagressionsstoffwechsel und bei Infektionen (Phototherapie).
77 4.3 · Nährstoffzufuhr bei parenteraler Ernährung
4
Fertige Nährstofflösungen Bevorzugt zu verwendende Lösungen zur Deckung des Nährstoffbedarfes bei pädiatrischen Patienten sind: ▬ Aminosäuren: 10%ig. ▬ Fettemulsionen: 20%ig (wegen des geringeren Glycinanteils sollten möglichst 20%ige Fettlösungen verwendet werden). ▬ Zucker: Glukose 5- bis 60%ig.
Andere Altersgruppen pädiatrischer Patienten Nach ähnlichem Muster sollte auch der Aufbau einer längerfristigen (teil)parenteralen Ernährung für andere Altersgruppen pädiatrischer Patienten erfolgen, wenn diese Kohlenhydrate, Lipide und Aminosäuren enthalten muss (⊡ Tabelle 4.7). Die Substratzufuhr sollte üblicherweise nur bis in den in ⊡ Tabelle 4.5 angegebenen Bedarfsbereich gesteigert und der individuellen Bedarf anhand des Monitorings geprüft werden. Wie beschrieben, kann sich der individuelle Bedarf jedes Nährstoffes stark von den an der gesunden Grundgesamtheit erhobenen Zufuhr unterscheiden. Die ⊡ Tabelle 4.7 zeigt ein Beispiel für den Beginn einer (teil-)parenteralen Ernährung. Das Vorgehen muss je nach den individuellen Umständen modifiziert werden (z. B. niedrigere Substratzufuhr im Postaggressionsstoffwechsel).
⊡ Tabelle 4.7. Aufbau einer (teil-)parenteralen Ernährung bei pädiatrischen Patienten jenseits der Neonatalperiode
(Teil-)parenterale Kohlenhydrate Ernährung am (Glukose) [g/kg KG und Tag]
Aminosäuren Lipide [g/kg KG und Tag] [g/kg KG und Tag]
1. Tag
5–10
1,0
1,0
2. Tag
6–12
2,0
2,0
3. Tag
6–15
2,5
3,0
4. Tag
6–15 (-18)
2,5
3,5
Steigerung nur bis zur maximalen Zufuhr für das entsprechende Patientenalters (⊡ Tabelle 4.6). Jeweils mit niedrigen Werten der Empfehlung beginnen und nach Stoffwechsel ( Abschn. 5.2) steigern
78
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
4.3.2 Elektrolyte Ziel und Behandlungsstrategie
4
Bei Früh- und Reifgeborenen kommt es zu den oben beschriebenen Anpassungsvorgängen des Wasser- und Elektrolythaushalts ( Abschn. 4.1 und Exkurs im Kap. 2). Wegen des engen Zusammenspiels zwischen Wasser-, Natrium-, Chlorid- und Kaliumhaushalt sind im Bezug auf die Zufuhr dieser Elektrolyte 3 Phasen zu unterscheiden. Für Magnesium, Kalzium und Phosphat liegen wenig experimentelle Daten vor, so dass hier über postnatale Veränderungen weniger bekannt ist und darum eine solche Einteilung nicht vorgenommen werden kann. Die Behandlungsstrategie während der Anpassungs- und Stabilisierungsphase (Phase I/II) besteht im: ▬ Zulassen der Abnahme des Körpergewichtes (solange keine Imbalanz des Säure-Basen-Gleichgewichts und der Elektrolyte entsteht) während der ersten 3–5(–7) Tage nach der Geburt. ▬ Stabilisieren »normaler« Plasma-Elektrolyt-Spiegel: Natrium: 135–145 mmol/l, Kalium: 3,5–5,0 mmol/l, Chlorid: 98–108 mmol/l. ▬ Vermeiden einer Oligurie: <0,5 ml/kg KG und Stunde für 8–12 h.
Relevante Forschungsergebnisse Natrium [Na+] und Chlorid [Cl–] Phase I/II. In Anbetracht der veröffentlichten Literatur scheint ausreichende
Evidenz gegeben, um eine Restriktion der Na-Zufuhr für VLBW-Frühgeborene während der Phase I der postpartalenAnpassung bis zu einer Gewichtsabnahme von etwa 6% zu empfehlen (Bell u. Acarregui 2000; Hartnoll et al. 2000a,b; Roshchupkin u. Murina 1998). Die Anzahl der Kinder mit Sauerstoffsupplem entation und BPD war deutlich reduziert mit Restriktion der Na-Zufuhr. Die Neonaten mit einer Restriktion der Na-Zufuhr hatten in der Phase I der Anpassung eine im Durchschnitt um 5% größere Gewichtsabnahme bei gleicher Flüssigkeitzufuhr (Hartnoll et al. 2000a,b). Bei Na-Restriktion ist das Risiko für die Entwicklung einer Hyponatriämie naturgemäß erhöht. Dabei ist zu bedenken, dass eine schwere und lang andauernde Hyponatriämie im Extremfall zu dauerhaften ZNS-Schädigungen führen kann (»pontine myelinolyosis«; Burcar et al. 1977).
79 4.3 · Nährstoffzufuhr bei parenteraler Ernährung
4
Hartnoll et al. (2001) empfehlen die Na-Zufuhr individuell nach dem Verlauf der Anpassungsphase bei Neonaten anzupassen und nicht vor einer deutlichen Gewichtsabnahme zu beginnen. Eine höhere Inzidenz von Hyponatriämien bei nichtsupplementierten Kindern (37,5% vs. 13,6%) wurde auch von einer Studie von Al-Dahhan et al. (1983a, 1984) gefunden (n=46). Die Autoren empfehlen eine Na-Zufuhr von 5 mmol/kg KG und Tag für Neugeborene <30 SSW und 4 mmol/kg KG und Tag für Frühgeborene zwischen 30–35 SSW. In dieser Untersuchung wurde nur der kurzfristige Verlauf der Patienten untersucht, nicht aber die Hauptmorbiditätsrisiken, wie z. B. die BPD-Inzidenz. Phase III. Ziegler u. Fomon (1974) geben den NaCl-Bedarf von gestillten
Säuglingen mit nur 0,35–0,7 mmol/kg KG und Tag während der ersten 4 Lebenswochen an (bei normaler Wachstumsgeschwindigkeit; Bilanzstudie). Die Autoren halten aber eine Zufuhr von 1,0–2,0 mmol/kg KG und Tag für sicher genug, um akzidentelle Verluste (Gastrointestinaltrakt, Haut) kompensieren zu können. Wegen der höheren Wachstumsgeschwindigkeit ist bei Frühgeborenen ein höherer Bedarf während der Phase des stabilen Wachstums zu erwarten. Ältere pädiatrische Patienten. Die publizierten Daten bezüglich des Na- und
Cl-Bedarfes bei gesunden Kindern unterscheiden sich um den Faktor 4 und liegen im Bereich zwischen 1 mmol/kg KG und Tag und 4 mmol/kg KG und Tag (Allison u. Walker 1986; Allison et al. 2000; DAKE/ÖAKE 1987; Kanarek et al. 1982; Liappis u. Reimnitz 1984). In einer kontrollierten Studie wurde eine ausgeglichene Na-Bilanz mit einer Infusionsrate von 2,7 mmol/kg KG und Tag bei gesunden Kindern (n=30, 5 Monate bis 17 Jahre) gemessen. Die Autoren spekulieren, dass der tatsächliche parenterale Na-Bedarf möglicherweise noch niedriger liegt, weil die Na-Ausscheidung im Kontrollzeitraum einen Na-Überschuss der Probanden vor Studienbeginn anzeigt (Fusch u. Moeller 1991). Für die oft diskutierte Assoziation zwischen hoher NaCl-Zufuhr und der Entwicklung von hohen Blutdruckspiegeln (Dahl 1969) sowie den damit verbundenen Komplikationen bei Erwachsenen (Inzidenz von kardiovaskulären, zum Tode führenden Erkrankungen) wurde in Metaanalysen kein Anhalt gefunden (Hooper et al. 2003; Jurgens u. Graudal 2003). Bezüglich der langfristigen Auswirkungen von verschieden hoher NaCl-Zufuhr bei Frühund Reifgeborenen (»food programming«) sind keine Daten verfügbar.
80
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
Kalium [K+]
4
Es liegen wenig experimentelle Daten über den K-Bedarf bzw. die K-Supplementation bei pädiatrischen Patienten vor. Die K-Supplementation bei Kindern ist häufig eher von der Sorge um Nebenwirkungen geleitet als von den Ergebnissen kontrollierter Studien. Besonderes Augenmerk gilt hier den kardialen Nebenwirkungen hoher Plasma-K-Spiegel (Arrythmien). Phase I/II. Bei Neugeborenen ist es üblich, erst mit der K-Supplementation
zu beginnen, wenn der K-Plasma-Spiegel nicht mehr ansteigt (oder sinkt), sich (wieder) im physiologischen Bereich befindet und die Oligurie der Anpassungsphase von einer physiologischen Diurese abgelöst wird. Phase III. Bilanzstudien verschiedener Untersucher (Al-Dahhan et al. 1983b, 1984; Arant u. Seikaly 1989; Butterfield et al. 1960; Leake et al. 1976) zeigen für wachsende Frühgeborene einen K-Bedarf von etwa 1,0–1,5 mmol/kg KG und Tag (entspricht in etwa den Verlusten mit dem Stuhl). Der üblicherweise empfohlene K-Bedarf entspricht oft der Zufuhr bei Muttermilchfütterung (2–3 mmol/kg KG und Tag; Gross 1983). Studien mit höherer K-Zufuhr (Formulanahrung mit höherem K-Gehalt) ergaben unauffällige Befunde, solange keine eingeschränkte Nieren- oder Nebennierenfunktion vorliegt (relativer Mineralokortikoidmangel). Exkurs Hyperkaliämie bei Früh- und Neugeborenen Die meisten Hyperkaliämien bei Neugeborenen bleiben ohne Konsequenz. Normale Plasma-K-Spiegel Neugeborener liegen höher als die älterer Kindern oder Erwachsener. Ob die Ursache artifizieller (häufigere hämolysierte Blutproben, Blutentnahmen aus hypoperfundierten Extremitäten) oder physiologischer (größere Toleranz gegenüber extrazellulärem K) Natur ist, ist unklar. Kaliumspiegel bei Neugeborenen korrelieren invers mit der renalen Ausscheidung, aber nicht mit der K-Zufuhr, dem arteriellen Blut-pH-Wert, einer Asphyxie oder dem Gestationsalter (oder Geburtsgewicht; Leslie et al. 1990). Die Gründe für die bei VLBW und ELBW auftretende nonoligurische Hyperkaliämie sind weit gehend unklar. Engle u. Arant (1984) fanden eine
▼
81 4.3 · Nährstoffzufuhr bei parenteraler Ernährung
4
Korrelation zwischen renaler K-Ausscheidung und renaler Aldosteronsekretion. Möglicherweise stimuliert der Anstieg des Plasma-K-Spiegels die Renin-Angiotensin-Aldosteron-Achse bei Neugeborenen, wie dies bei Ratten experimentell nachgewiesen werden konnte (Nakamaru et al. 1985). Die Prävention der Hyperkaliämie sollte primär darauf abzielen, K intrazellulär zu halten. In diesem Zusammenhang wird auch die frühe Gabe von Proteinlösungen diskutiert (vermuteter Wirkmechanismus: Anregung der Insulinsekretion). Reicht der Effekt nicht aus, kann die renale K-Ausscheidung durch Gabe von Diuretika, wie z. B. Furosemid [bis zu 10fachem Anstieg von Prostaglandin- (PG-)E2] gesteigert werden (Engle u. Arant 1984).
Ältere pädiatrische Patienten. Mit reiferen und dadurch effektiveren regula-
torischen Fähigkeiten ist die Aufrechterhaltung der Homöostase des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts bei gesunden älteren pädiatrischen Patienten nicht so schwierig wie bei Früh- und Neugeborenen oder Kleinkindern (Allison u. Walker 1986). Wegen der langsameren Wachstumsgeschwindigkeit sinkt der Bedarf vieler Nährstoffe mit zunehmendem Lebensalter. Wegen der stärkeren Regulationsmechanismen ist bei älteren pädiatrischen Patienten eine größere Variabilität der Zufuhr unproblematisch. Dies könnte mit ein Grund dafür sein, dass keine kontrollierten Studien über den K-Bedarf für dieses Lebensalter vorliegen. Publiziert sind aber Zufuhrempfehlungen verschiedener Autoren.
Magnesium [Mg+] Neugeborene und ältere pädiatrische Patienten. Es sind wenig experimentelle Daten über den Bedarf an Mg bei Kindern in den einzelnen Altersstufen verfügbar. Aus diesem Grunde werden hier Neugeborene und ältere pädiatrische Patienten gemeinsam betrachtet. Die Zufuhr von 0,16 mmol Mg/kg KG und Tag führte in einer kontrollierten Studie bei 11 von 42 Kindern zu einer Hypomagnesämie (Koo et al. 1980). Bei einer Zufuhr von 0,5 mmol/kg KG und Tag wurde in einer weiteren kontrollierten Studie mit parenteral ernährten Kindern bei 5 (von 18) eine Hypermagnesämie gefunden (Koo et al. 1987). Bei beiden Untersuchungen wurden Mg-Verluste aus dem Gastrointestinaltrakt (die bis zu 7 mmol/l Flüssigkeit betragen können) nicht ersetzt. Die Zufuhr von 0,3–0,4 mmol Mg/kg KG und Tag, wie in den meisten Empfehlungen
82
4
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
angegeben, scheint auch dem Bedarf von Kindern bei parenteraler Ernährung angepasst. Bei ELBW-Frühgeborenen wurde in der Anpassungs- und Stabilisierungsphase vorübergehend bei dieser Mg-Zufuhr eine transiente Hypermagnesämie gemessen (Koo et al. 1989). Koo et al. spekulieren, dass die Unreife der renalen Mg-Exkretionsmechanismen bei ELBW-Frühgeborenen zu den hohen Mg-Spiegeln beitragen. Des Weiteren fehlt bei parenteral ernährten Patienten der zusätzliche Schutz durch die Darmbarriere und die dort mögliche Anpassung der Aufnahme.
Kalzium [Ca++] und Phosphat [P–] Neugeborene. Mehrere Autoren berichten einen ausgeglichenen Ca-/P-
Stoffwechsel bei Frühgeborenen bei einer Ca-/P-Zufuhr zwischen 1,5 mmol/ kg KG und Tag und 2,25 mmol/kg KG und Tag (Koo et al. 1987, 1989; Pelegano et al. 1991). Hierbei wurde keine erhöhte Inzidenz eines »Sludge-Phänomens« oder von Nephrokalzinosen (nur Neugeborene ohne langfristige Diuretikatherapie wurden untersucht) im Vergleich zu niedrigerer Ca-Zufuhr festgestellt (Koo et al. 1987, 1989). Für reife Neugeborene wird in der Regel eine niedrigere Ca-/P-Zufuhr empfohlen (1–1,5 mmol/kg KG und Tag). Ältere pädiatrische Patienten. Haben wegen ihrer geringeren Wachstums-
geschwindigkeit auch einen geringeren Ca-/P-Bedarf bei größeren Ca-/PSpeichern. Die meisten Empfehlungen geben eine Zufuhr von 1 mmol/kg KG und Tag ohne Altersdifferenzierung für ältere pädiatrische Patienten an.
Kalzium- bzw. Phosphatsupplementation ▬ Die Ca:P-Ratio beeinflusst die Ca-/P-Retention und sollte zwischen 1:1 bis 2,5:1 bezogen auf die Molarität liegen (Cave: nicht nach Atomgewicht berechnen; Giles et al. 1987). ▬ Gleichzeitige Infusion von Ca und P in einer Infusionslösung führt zu einer höheren Ca-/P-Retention als die alternierende Ca-/P-Zufuhr (die von verschiedenen Autoren zur Vermeidung einer Ca-/P-Präzipitation vorgeschlagen wurde; Hoehn et al. 1987; Kimura et al. 1986). ▬ Die enterale Ca-/P-Zufuhr ist wegen der Regulationsmöglichkeit durch den Gastrointestinaltrakt risikoärmer und kann sich enger an dem maximalen Bedarf adaptieren ( Abschn. 8.2.3). ▬ Die Angaben verstehen sich als Anfangszufuhr, die an den Bedarf des Patienten nach den Monitoringwerten angepasst werden müssen.
83 4.3 · Nährstoffzufuhr bei parenteraler Ernährung
4
⊡ Tabelle 4.8. Empfehlungen für die Elektrolytzufuhr bei parenteraler Ernährung
Substrat
Zufuhr [mmol/ kg KG und Tag]
Zufuhr als
1 ml entspricht
NaCla
2–5(–7)
NaCl 5,85%ig
1 mmol
Kaliumb
1–3(–5)
KCl 7,45%ig
1 mmol
Magnesium
0,3
Magnesiumsulfat 10%ig
0,315 mmol
Phosphat
1,0(–2)
Na-Glycerophosphat
1 mmol P; 2 mmol Na
Kalziumc,d
1,0(–2)
Ca-Gluconat 10%ig
0,23 mmol
Angaben in Klammern mögliche max. Zufuhrempfehlung bei Früh- und Reifgeborenen in der Phase des stabilen Wachstums a Bei Frühgeborenen <1.000 g NaCl-Zufuhr erst ab dem 2.–3. Lebenstag. Vorher nur Ersatz der Perspiratio b Kaliumzusatz immer erst nach erster Miktion. Bei Frühgeborenen <1.500 g Zusatz frühestens ab dem 2.–3. Lebenstag und sinkenden Plasma-K-Spiegeln c Besondere Gefahr von Gewebsnekrosen bei Paravasat d Der Bedarf bei enteraler Ernährung weicht von der Empfehlung stark ab
! Cave Wegen der besonderen Struktur des Ca-Atoms reizt eine Ca-haltige Infusionslösung das Endothel weit mehr, als es der Osmolarität entspricht. Hierdurch können bei einem Paravasat erhebliche Hautnekrosen entstehen. Beachte darum das besondere Vorgehen im Bezug auf die Ca-Sup plementation bei (teil-)parenteraler Ernährung über periphere Zugänge.
Empfehlungen für die Zufuhr Siehe ⊡ Tabelle 4.8 und beachte die praktische Anleitung für die Zufuhr bei parenteraler Ernährung ( Abschn. 7.2).
4.3.3 Vitamine S. Colling Abgesehen von Vitamin K und D sind Bedarf und optimaler Zeitpunkt für den Beginn einer Vitaminsupplementation für Kinder unter parenteraler Ernährung nicht abschließend geklärt. Es existieren verschiedene Empfehlun-
84
4
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
gen für die Zufuhr (American Academy of Pediatrics Committee on Nutrition 1998; DAKE/ÖAKE 1987; Greene et al. 1988). Es ist kein Vitaminsupplement verfügbar, das den gängigen Zufuhrempfehlungen als Zusatz bei langfristiger parenteraler Ernährung entspricht. Wir empfehlen lediglich bei langfristiger (teil-)parenteraler Ernährung (voraussichtlich >7 Tage) die Supplementation mit Vitaminen (bei einem enteralen Nahrungsanteil von weniger als 50%). Bei Frühgeborenen <1.500 g Geburtsgewicht beginnen wir die Vitaminsupplementation in der Phase des Nahrungsaufbaus mit dem Beginn der Gewichtszunahme (5. Lebenstag). Bei der praktischen Durchführung einer (teil-)parenteralen Ernährung ist zu bedenken, dass ein großer Anteil der zugeführten fettlöslichen Vitamine von Plastik adsorbiert und durch Licht (Phototherapie) oder Wärme denaturiert werden kann. Dadurch wird die aufgenommene Dosis oft unkontrolliert und signifikant vermindert. (80% des verfügbaren Vitamin A, 30% Vitamin D und E gingen bei der Applikation einer parenteralen Ernährung verloren; Gillis et al.1983.) In Europa sind Kombinations-Vitamin-Supplemente verfügbar, die durch Lösung der Vitamine in einer Soja-Öl-Emulsion die Adsorption an Plastik reduzieren. Diskutiert werden z. Z. die Auswirkungen freier Radikale (in Form von Peroxiden), die durch Lichtexposition von intravenösen Multivitaminemulsionen entstehen können. Sie können zu einer Erhöhung der Peroxidausscheidung im Urin von Neugeborenen führen (Laborie et al. 2000). Bis zur Klärung der klinischen Signifikanz dieser Ergebnisse sollten Zuleitungen mit Lichtschutz für die Zufuhr von parenteraler Ernährung, die mit Vitaminen angereichert ist, verwendet werden (Chessex et al. 2001).
Bedarf von Kindern und Jugendlichen Der Vitaminbedarf von gesunden Kindern unterscheidet sich je nach Lebensalter und Ernährungsform (abhängig von Wachstumsgeschwindigkeit usw.; Kap. 2). Generell kann davon ausgegangen werden, dass bei einer ausgewogenen Ernährung in unseren Breiten beim Gesunden kein Vitaminmangel auftritt. Mangelzustände wurden aber beobachtet, wenn besondere »Diäten« (z. B. Makrobiotik) eingehalten wurden, bei längerfristiger (teil-)parenteraler Ernährung bzw. wenn Erkrankungen vorlagen, die zu einer Malabsorption oder zu einem signifikanten Verlust von Körperflüssigkeiten führen (z. B. Mukoviszidose, Zöliakie, chronische Lebererkrankungen mit Cholestase, chronisch
85 4.3 · Nährstoffzufuhr bei parenteraler Ernährung
4
entzündliche Darmerkrankungen). Je nach Schweregrad und Klinik sollte unter diesen Umständen eine Vitaminsupplementation erwogen werden.
Bekannte Vitaminmangelerscheinungen Vitamin D. Mangel führt zu Rachitis des Jugendlichen; Therapie mit Vitamin D3
5.000 IE/Tag oral über 4 Wochen, gleichzeitig Ca 0,5–1 g/Tag oral; danach prophylaktisch 500 IE/Tag über 6 Monate (Lentze 2002). Vitamin E. Mangel kann zu hämolytischer Anämie führen (Gordon 1955);
irreversible neurologische Symptomatik beschrieben bei Patienten mit chronischer Fettmalabsorption. Nur eine prophylaktische Gabe (150–300 mg/ Woche i.m.) verhindert Schäden. Vitamin A. Mangel bewirkt Störung der Dunkeladaptation (Hemeralopie),
Xerophthalmie, Keratomalazie, follikuläre Hyperkeratosen, hypochrome Anämie. Der Bedarf liegt bei Klein- und Schulkindern bei 2.000–3.000 IE/ Tag. Intoxikationen treten auf bei chronischer Zufuhr von 15.000 IE/Tag oder akuter Intoxikation mit Dosen von 150.000–300.000 IE. Vitamin B6. Mangel führt zu Störungen im Aminosäurestoffwechsel (→ Homo-
cystinurie, Cystathioninurie) sowie zur Manifestation Vitamin-B6-abhängiger Erkrankungen (z. B. Vitamin-B6-abhängige zerebrale Krampfanfälle, Vitamin-B-abhängige Anämie); außerdem besteht ein erhöhter Bedarf bei der Therapie mit Isoniacid, Penicillamin, Hydralazinen und oralen Kontrazeptiva mit Östrogen-Progesteron-Kombinationen. Symptome: Neuritis, Dermatitis, Anämie; Bedarf (abhängig von der Eiweißzufuhr aufgrund der zentralen Rolle im Aminosäurestoffwechsel): 0,5–1,5 mg/Tag bei Kindern (Lentze 2002). Folsäure, Folate. Mangel → megaloblastäre hyperchrome Anämie. Erhöhter
Bedarf an Folsäure unter Therapie mit Methotrexat, Pyrimethamin und Trimethoprim-Sulfamethoxazol. Unter Therapie mit Phenytoin, Primidon und Phenobarbital können niedrige Folsäurespiegel auftreten (Kishi et al. 1997). Bei voraussichtlich langfristiger (teilparenteraler) Ernährung (>7 Tage) mit einem enteralen Nahrungsanteil <50% empfehlen wir die parenterale Vitaminsupplementation mit einem Kombinationspräparat nach der vom
86
4
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
Hersteller angegebenen Dosierung ab Beginn. Bei einer voraussichtlichen Dauer der (teil-)parenteralen Ernährung von <7 Tagen kann auf die Vitaminsupplementation verzichtet und auf die Körperspeicher zurückgegriffen werden (zur praktischen Durchführung ⊡ Tabelle; Anhang). Wegen des hohen Nährstoffbedarfes bei Frühgeborenen sind bei dieser Patientengruppe Besonderheiten im Bezug auf die Vitaminversorgung auch bei kompletter enteraler Ernährung zu berücksichtigen ( Abschn. 8.2.5).
Parenterale Vitaminsupplementation Der optimale Zeitpunkt für den Beginn einer parenteralen Vitaminsupplementation ist nicht eindeutig geklärt. Zudem ist auf dem deutschen Markt kein Vitaminsupplement verfügbar, das den gängigen Bedarfsempfehlungen entspricht. Zur Supplementation werden Kombinationszubereitungen verwendet, die wasserlösliche und fettlösliche Vitamine enthalten. Bei reifen Neugeborenen, die eine längerfristige parenterale oder teilparenterale Ernährung (>7 Tage, enteraler Nahrungsanteil <50%) benötigen, empfehlen wir, die Vitaminsupplementation ab dem ersten Tag der parenteralen Ernährung zu beginnen, bevor die Körperspeicher entleert sind. Bei Frühgeborenen <1.500 g Geburtsgewicht sollte die Vitaminsupplementation in der Phase des Nahrungsaufbaus mit dem Beginn der Gewichtszunahme (5. Lebenstag) begonnen werden (wenn das Erreichen eines enteralen Nahrungsanteils von >50% voraussichtlich >7 Tage dauern wird). ! Cave ▬ Es existiert kein zugelassenenes Vitaminpräperat zur parenteralen Supplementation für Frühgeborene in Deutschland. Vitalipid Infant hat eine Zulassung für reife Neugeborene. Die weiteren Vitaminzubereitungen sind ab einem Lebensalter von >2 Jahren bzw. >11 Jahren in Deutschland zugelassen. Die Eltern sollten über den »off label use« von nicht nur den parenteralen Vitaminzubereitungen bei Aufnahme aufgeklärt werden (betrifft bekanntlich viele »klassische« Medikamente, die bei Kindern eingesetzt werden, für die es keine zugelassene Alternative gibt). ▬ Wasserlösliche parenterale Vitaminsupplemente sind hyperosmolar.
Vergleiche auch Abschn. 8.2.5.
87 4.3 · Nährstoffzufuhr bei parenteraler Ernährung
4
4.3.4 Spurenelemente S. Colling Bedarf und optimaler Zeitpunkt für den Beginn einer Spurenelementsupplementation für Termin- und Frühgeborene sind nicht abschließend geklärt. Selbst bei besser untersuchten Spurenelementen mit annähernd geklärtem Bedarf, wie Zink oder Selen, sind die enterale Resorption und die Verteilung auf die verschiedenen Körperkompartimente von vielen Faktoren abhängig [Zusammensetzung der Nahrung (Jochum et al. 1995); Bindungsform der Spurenelemente, Speziation (Jochum et al. 1999); Interaktionen, so dass die Metabolisierung nur grob abgeschätzt werden kann]. Bei parenteraler Zufuhr von Spurenelementen ist der Faktor Absorption zwar ausgeschlossen, die Verteilung auf die Körperkompartimente und die Bioverfügbarkeit hängen aber weiter von der Bindung (Jochum et al. 1999) und der Zusammensetzung der parenteralen Ernährung ab, so dass der Spurenelementstatus nur schwer abgeschätzt werden kann. Durch kontrollierte Studien konnte dieser Bereich für einige Spurenelemente zumindest eingegrenzt werden (Aggett u. Fairweather-Tait 1998; Ehrenkranz et al. 1998; Greene et al. 1988; Jochum et al. 1995, 1999; Vuori 1979). Im Zweifel sollte die Spurenelementsupplementation nach Spiegelbestimmung angepasst werden ( Kap. 11). Es existiert kein Supplement, das den gängigen Bedarfsempfehlungen als Zusatz bei langfristiger parenteraler Ernährung entspricht (Greene et al. 1988). Wir empfehlen den Einsatz von Kombinationspräparaten nach Herstellerangaben bei voraussichtlich langfristiger parenteraler Ernährung (>7 Tage) mit einem enteralen Nahrungsanteil von weniger als 50%. Bei Frühgeborenen <1.500 g Geburtsgewicht beginnen wir in der Phase des enteralen Nahrungsaufbaus mit dem Beginn der Gewichtszunahme (5. Lebenstag), wenn die Phase des enteralen Nahrungsaufbaus voraussichtlich länger als 7 Tage dauern wird (enteraler Anteil <50%). ! Cave Bei Imbalanzen von Spurenelementen (supranormale Spiegel) und bei einer verminderten Ausscheidung (Cholestase) sollte die parenterale Ernährung ohne Spurenelementzusatz weitergeführt werden. Es kann nach Spiegel und bis zur Normalisierung der Spiegel der auffälligen ▼
88
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
Spurenelemente eine isolierte Zink- und/oder Selensupplementation durchgeführt werden (Zn-Sulfat/Na-Selenit sind als Monospurenelementsupplemente erhältlich).
Probleme bei der Spurenelementsupplementation
4
▬ Bedarf nur bei einigen »klinisch relevanten« Spurenelementen untersucht (z. B. Zink); in der Regel reichen die Daten nur zur groben Orientierung. ▬ Bisher wenig Daten zur Änderung des Bedarfes bei Erkrankungen (antioxidativer Stoffwechsel/Förderung der Immunkompetenz?). ▬ Wichtig ist nicht nur die absolut zugeführte Menge, sondern auch die Bindungsform (organische/anorganische Verbindung)→ andere Kinetik und andere Verteilung auf die Körperkompartimente (z. B. Selen; Tinggi 2003).
Wann kann im Kindes- und Jugendalter eine Spurenelementsupplementation notwendig werden? Im Kindes- und Jugendalter gilt, wie auch im Erwachsenenalter, dass bei einer ausgewogenen Kost beim Gesunden kein Mangel an Spurenelementen auftritt. Die Gefahr einer Mangelversorgung besteht bei Jugendlichen mit: ▬ einseitiger Ernährung (Vegetariern/Veganern; Bell u. Rios 1983), z. B. Zinkresorption gehemmt durch Phytate, ▬ Malabsorptionssyndromen, wie Mukoviszidose, Kurzdarmsyndrom, Zöliakie etc., ▬ langzeitiger parenteraler Ernährung ohne adäquate Spurenelementsupplementation, ▬ Erkrankungen mit Flüssigkeitsverlusten, ▬ bestimmten genetischen Defekte (z. B. Menkes-Syndrom). Dabei ist im Besonderen auf die Versorgung mit Jod (Manz et al. 2000) und Zink zu achten.
Bedarf an Spurenelementen Termin- und Frühgeborene Über den Bedarf von Früh- und Termingeborenen liegen nur wenige kontrollierte Studien vor. Wegen der höheren Wachstumsgeschwindigkeit sollte der Spurenelementbedarf bei Frühgeborenen höher liegen als bei Termingeborenen, Säuglingen, Kleinkindern, Jugendlichen oder Erwachsenen. Wegen der
89 4.3 · Nährstoffzufuhr bei parenteraler Ernährung
4
nur gering gefüllten Körperspeicher kommt es bei Frühgeborenen schneller als bei anderen Patientengruppen zu niedrigen Spurenelementstatus und schließlich zu klinischen Mangelsymptomen.
Früh- und Neugeborene Zur enteralen Supplementation Abschn. 8.2.5. Bei reifen Neugeborenen wird eine parenterale Spurenelementsupplementation in der Regel nur notwendig, wenn voraussichtlich eine längere (>7 Tage) totale parenterale Ernährung bzw. teilparenterale Ernährung (Nahrungsanteil <50%) erforderlich ist. Bei Frühgeborenen <1.500 g Geburtsgewicht ist aufgrund der oben genannten Bedingungen (hoher Bedarf bei hoher Wachstumsgeschwindigkeit und geringen Speicherreserven) eine Supplementation besonders wichtig. Wir empfehlen den Beginn in der Phase des Nahrungsaufbaus unter (teil-)parenteraler Ernährung mit dem Beginn der Gewichtszunahme (5. Lebenstag), wenn die Phase des enteralen Nahrungsaufbaus voraussichtlich länger als 7 Tage dauern wird (mit einem enteralen Anteil <50%). Zur praktischen Durchführung einer Spurenelementsupplementation ⊡ Tabelle; Anhang).
! Cave ▬ Selen(Se): dauerhafte Zufuhr von ≥300 µg/Tag (anorganisch gebundenes Se) führt zu toxischer Wirkung mit frühesten Störungen im Bereich der Schilddrüsenhormone (Vinceti et al. 2001). Bei organisch gebundenem Se sind bereits niedrigere Dosen toxisch. ▬ Die Empfehlungen für die parenterale Zufuhr der klinisch relevanten Spurenelemente, Zink und Jod, werden durch Inzolen Infantibus sine NaK und Peditrace nicht gedeckt: Erhöhte Aufmerksamkeit bezüglich Mangelzuständen ist geboten. ▬ Die Aluminium- (Al-)Zufuhr sollte möglichst niedrig sein (Neurotoxizität bei hohen Spiegeln). ▬ Kupfer (Cu) und Mangan (Mn) werden über die Galle ausgeschieden. Bei Cholestase Akkumulation und Intoxikationen möglich. Zufuhr anpassen. ▬ Chrom (Cr) wird renal ausgeschieden. Bei Niereninsuffizienz Akkumulation möglich. ▼
90
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
▬ Spurenelementlösungen sind hyperosmolar. ▬ Bei »ungewöhnlichem« Krankheitsverlauf auch an die seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen, die den Bereich Spurenelemente betreffen, denken (Jochum u. Lombeck 2000).
4
4.4
Umgang mit Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
Menschen sind unterschiedlich. Sie sind mehr oder weniger aktiv und können trotz gleicher metrischer Körperdaten einen unterschiedlichen Bedarf an Flüssigkeit, Energie und Nährstoffen aufweisen. Noch größer sind diese Unterschiede bei pädiatrischen Patienten in ihren verschiedenen Entwicklungsund Wachstumsphasen. ! Cave Die hier dargestellten Bedarfsangaben gelten für gesunde Kinder oder sind durch Interpolation von verschiedensten (erwachsenen- und/oder tierexperimentellen) Daten und Beobachtungen in Konsensuskonferenzen festgelegt bzw. abgeschätzt worden. Sie umfassen die physiologische Schwankungsbreite.
Bilanzierte Ernährung ist aber in der Klinik vorwiegend bei kranken Patienten notwendig. Durch ihre Erkrankung weisen diese Patienten zusätzlich zu der oben beschriebenen Variabilität erhebliche Unterschiede im Energie-, Flüssigkeits- und weiteren Nährstoffbedarf im Vergleich zu altersgleichen Gesunden auf. Die hier aufgeführten Empfehlungen für die Zufuhr können darum bestenfalls als grober Anhalt zur Abschätzung des Grundbedarfes dienen und müssen nach den Ergebnissen des Monitorings an den individuellen Bedarf des behandelten Patienten angepasst werden. > Für die Abschätzung des Energie-, Flüssigkeits- und Nährstoffbedarfes individueller Patienten ist jeweils eine Einzelfallabschätzung unter Einbeziehung von somatischen Daten, klinischer Untersuchung, Erkrankungspathologie und Laborwerten notwendig ( Kap. 11).
91 Literatur
4
Literatur Aggett PJ, Fairweather-Tait S (1998) Adaptation to high and low copper intakes: its relevance to estimated safe and adequate daily dietary intakes. Am J Clin Nutr 67 Suppl: 1061S–1063S Al-Dahhan J, Haycock GB, Chantler C, Stimmler L (1983a) Sodium homeostasis in term and preterm neonates. I. Renal aspects. Arch Dis Child 58: 335–342 Al-Dahhan J, Haycock GB, Chantler C, Stimmler L (1983b) Sodium homeostasis in term and preterm neonates. II. Gastrointestinal aspects. Arch Dis Child 58: 343–345 Al-Dahhan J, Haycock GB, Nichol B, Chantler C, Stimmler L (1984) Sodium homeostasis in term and preterm neonates. III. Effect of salt supplementation. Arch Dis Child 59: 945–950 Allison ME, Walker V (1986) The sodium and potassium intake of 3 to 5 year olds. Arch Dis Child 61: 159–163 Allison SP, Lobo DN (2000) Debate: Albumin administration should not be avoided. Crit Care 4: 147–150 American Academy of Pediatrics, Committee on Nutrition (1998) Nutritional needs of preterm Infants. In: Kleinman RE (ed) Pediatric nutrition handbook. American Academy of Pediatrics, Elk Grove Village, pp 55–87 Arant BS, Seikaly MG (1989) Intrarenal angiotensin II may regulate developmental changes in renal blood flow. Pediatr Nephrol 3: C142 Asano H, Taki M, Igarashi Y (1987) Sodium homeostasis in premature infants during the early postnatal period: results of relative low volume of fluid and sodium intake. Pediatr Nephrol 1: C38 Babson SG, Bramhall JL (1969) Diet and growth in the premature infant. The effect of different dietary intakes of ash-electrolyte and protein on weight gain and linear growth. J Pediatr 74: 890–900 Bell EF, Acarregui MJ (2000) Restricted versus liberal water intake for preventing morbidity and mortality in preterm infants. Cochrane Database Syst Rev, CD000503 Bell EF, Rios GR (1983) A double-walled incubator alters the partition of body heat loss of premature infants. Pediatr Res 17: 135–140 Burcar PJ, Norenberg MD, Yarnell PR (1977) Hyponatremia and central pontine myelinolysis. Neurology 27: 223–226 Butterfield J, Lubchenco L, Bergstedt J, O’Brien D (1960) Patterns in electrolyte and nitrogen balance in the newborn premature infant. Pediatrics 26: 777–791 Chessex P, Laborie S, Lavoie JC, Rouleau T (2001) Photoprotection of solutions of parenteral nutrition decreases the infused load as well as the urinary excretion of peroxides in premature infants. Semin Perinatol 25: 55–59 Costarino A, Baumgart S (1986) Modern fluid and electrolyte management of the critically ill premature infant. Pediatr Clin North Am 33: 153–178 Coulthard MG, Hey EN (1985) Effect of varying water intake on renal function in healthy preterm babies. Arch Dis Child 60: 614–620 Dahl LK (1969) Salt and blood pressure. Lancet 1: 622–623 Deutsche Arbeitsgemeinschaft für künstliche Ernährung (DAKE), Österreichische Arbeitsgemeinschaft für künstliche Ernährung (ÖAKE) (1987) Empfehlungen zur parenteralen Infusions- und Ernährungstherapie im Kindesalter. Klin Padiatr 199: 315–317
92
4
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
Ehrenkranz RA, Gettner PA, Nelli CM, Sherwonit EA, Williams JE, Ting BT, Janghorbani M (1989) Zinc and copper nutritional studies in very low birth weight infants: comparison of stable isotopic extrinsic tag and chemical balance methods. Pediatr Res 26: 298–307 Ekblad H, Kero P, Takala J, Korvenranta H, Valimaki I (1987) Water, sodium and acid-base balance in premature infants: therapeutical aspects. Acta Paediatr Scand 76: 47–53 Engelke SC, Shah BL, Vasan U, Raye JR (1978) Sodium balance in very low-birth-weight infants. J Pediatr 93: 837–841 Engle WD, Arant BS (1984) Urinary potassium excretion in the critically ill neonate. Pediatrics 74: 259–264 Engle WD, Magness R, Faucher DJ, Arant BS, Rosenfeld CR (1985) Sodium balance in the growing preterm infant. Infant Pediatr Res 19: 376a Fidler N, Sauerwald TU, Demmelmair H, Koletzko B (2001) Fat content and fatty acid composition of fresh, pasteurized, or sterilized human milk. Adv Exp Med Biol 501: 485–495 Flenady VJ, Woodgate PG (2002) Radiant warmers versus incubators for regulating body temperature in newborn infants. Cochrane Database Syst Rev, CD000435 Fusch C, Jochum F (2005) Water, sodium, potassium, and chloride. In: Tsang RC, Lucas A, Uauy R, Zlotkin S (eds) Nutritional needs of the preterm Infant. Williams & Wilkins, Baltimore Fusch C, Moeller H (1991) Kurzdauernde Infusionstherapie im Kindesalter. Ein Vergleich individuell gemischter mit kommerziell erhältlichen Infusionslösungen. Infusionstherapie 18: 85–90 Giles MM, Fenton MH, Shaw B, Elton RA, Clarke M, Lang M, Hume R (1987) Sequential calcium and phosphorus balance studies in preterm infants. J Pediatr 110: 591–598 Gillis J, Jones G, Pencharz P (1983) Delivery of vitamins A, D, and E in total parenteral nutrition solutions. JPEN J Parenter Enteral Nutr 7: 11–14 Gordon NH (1955) Studies of tocopherol deficiency in infants and children: I. Hemolysis of erythrocytes in H2O2. Am J Dis Child 90: 570–571 Greene HL, Hambidge KM, Schanler R, Tsang RC (1988) Guidelines for the use of vitamins, trace elements, calcium, magnesium, and phosphorus in infants and children receiving total parenteral nutrition: report of the Subcommittee on Pediatric Parenteral Nutrient Requirements from the Committee on Clinical Practice Issues of the American Society for Clinical Nutrition. Am J Clin Nutr 48: 1324–1342 Gross SJ (1983) Growth and biochemical response of preterm infants fed human milk or modified infant formula. N Engl J Med 308: 237–241 Hammarlund K, Nilsson GE, Oberg PA, Sedin G (1979) Transepidermal water loss in newborn infants. II. Relation to activity and body temperature. Acta Paediatr Scand 68: 371–376 Hartnoll G, Betremieux P, Modi N (2000a) Randomised controlled trial of postnatal sodium supplementation on body composition in 25 to 30 week gestational age infants. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 82: F24–28 Hartnoll G, Betremieux P, Modi N (2000b) Randomised controlled trial of postnatal sodium supplementation on oxygen dependency and body weight in 25–30 week gestational age infants. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 82_ F19–23 Hartnoll G, Betremieux P, Modi N (2001) Randomised controlled trial of postnatal sodium supplementation in infants of 25–30 weeks gestational age: effects on cardiopulmonary adaptation. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 85: F29–F32
93 Literatur
4
Hoehn GJ, Carey DE, Rowe JC, Horak E, Raye JR (1987) Alternate day infusion of calcium and phosphate in very low birth weight infants: wasting of the infused mineral. J Pediatr Gastroenterol Nutr 6: 752–757 Hooper L, Bartlett C, Davey-Smith G, Ebrahim S (2003) Reduced dietary salt for prevention of cardiovascular disease. Cochrane Database Syst Rev, CD003656 Jauch KW, Suchner U (1994) Aktuelle Aspekte und Perspektiven in der klinischen Ernährung. Infusionsther Transfusionsmed 21: 5–6 Jensen RG, Lammi-Keefe CJ, Koletzko B (2001) Consumption of lipophilic contaminants in human milk by infants: quantities are usually incorrect. Adv Exp Med Biol 501: 541–545 Jochum F, Lombeck I (2000) Genetic defects related to metals other than copper. In: Fernandes J, Saudubray JM, Bergheand B van den (eds) Inborn metabolic diseases – diagnosis and treatment. Springer, Berlin Heidelberg New York Jochum F, Fuchs A, Cser A, Menzel H, Lombeck I (1995) Trace mineral status of full-term infants fed human milk, milk-based formula or partially hydrolysed whey protein formula. Analyst 120: 905–909 Jochum F, Terwolbeck K, Meinhold H, Behne D, Menzel H, Lombeck I (1999) Is there any health risk of low dietary selenium supply in PKU-children. Nutr Res 19: 221–226 Jurgens G, Graudal NA (2003) Effects of low sodium diet versus high sodium diet on blood pressure, renin, aldosterone, catecholamines, cholesterols, and triglyceride. Cochrane Database Syst Rev, CD004022 Kanarek KS, Williams PR, Curran JS (1982) Total parenteral nutrition in infants and children. Adv Pediatr 29: 151–181 Kimura S, Nose O, Seino Y et al. (1986) Effects of alternate and simultaneous administrations of calcium and phosphorus on calcium metabolism in children receiving total parenteral nutrition. JPEN J Parenter Enteral Nutr 10: 513–516 Kishi T, Fujita N, Eguchi T, Ueda K (1997) Mechanism for reduction of serum folate by antiepileptic drugs during prolonged therapy. J Neurol Sci 145: 109–112 Kojima T, Fukuda Y, Hirata Y, Matsuzaki S, Kobayashi Y (1989) Effects of aldosterone and atrial natriuretic peptide on water and electrolyte homeostasis of sick neonates. Pediatr Res 25: 591–594 Koo WW, Fong T, Gupta JM (1980) Parenteral nutrition in infants. Aust Paediatr J 16: 169–174 Koo WW, Tsang RC, Steichen JJ et al. (1987) Parenteral nutrition for infants: effect of high versus low calcium and phosphorus content. J Pediatr Gastroenterol Nutr 6: 96–104 Koo WW, Tsang RC, Succop P, Krug-Wispe SK, Babcock D, Oestreich AE (1989) Minimal vitamin D and high calcium and phosphorus needs of preterm infants receiving parenteral nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 8: 225–233 Laborie S, Lavoie JC, Chessex P (2000) Increased urinary peroxides in newborn infants receiving parenteral nutrition exposed to light. J Pediatr 136: 628–632 Lane AT, Drost SS (1993) Effects of repeated application of emollient cream to premature neonates’ skin. Pediatrics 92: 415–419 Leake RD, Zakauddin S, Trygstad CW, Fu P, Oh W (1976) The effects of large volume intravenous fluid infusion on neonatal renal function. J Pediatr 89: 968–972 Lentze MJ (2002) Mikronährstoffe im Jugendalter. In: Biesalski HK, Köhrle J, Schümann K (Hrsg) Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Thieme, Stuttgart
94
4
Kapitel 4 · Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr
Leslie GI, Carman G, Arnold JD (1990) Early neonatal hyperkalaemia in the extremely premature newborn infant. J Paediatr Child Health 26: 58–61 Leung SS, Chan SM, Lui S, Lee WT, Davies DP (2000) Growth and nutrition of Hong Kong children aged 0–7 years. J Paediatr Child Health 36: 56–65 Liappis N, Reimnitz P (1984) Referenzwerte der Natrium-, Kalium-, Kalzium-, Chlorid- und anorganischen Phosphat-Ausscheidung im 24 h-Urin gesunder Kinder. Klin Padiatr 196: 367–369 Lucas A, Baker BA, Cole TJ (1990) Plasma prolactin and clinical outcome in preterm infants. Arch Dis Child 65: 977–983 Manz F, Hof MA van‘t, Haschke F (2000) Iodine supply in children from different european areas: the Euro-growth study. Committee for the Study of Iodine Supply in European Children. J Pediatr Gastroenterol Nutr 31 [Suppl 1]: S72–75 Meyer MP, Payton MJ, Salmon A, Hutchinson C, Klerk A de (2001) A clinical comparison of radiant warmer and incubator care for preterm infants from birth to 1,800 grams. Pediatrics 108: 395–401 Nakamaru M, Misono KS, Naruse M, Workman RJ, Inagami T (1985) A role for the adrenal reninangiotensin system in the regulation of potassium-stimulated aldosterone production. Endocrinology 117: 1772–1778 Nopper AJ, Horii KA, Sookdeo-Drost S, Wang TH, Mancini AJ, Lane AT (1996) Topical ointment therapy benefits premature infants. J Pediatr 128: 660–669 Pelegano JF, Rowe JC, Carey DE, Barre DJ la, Edgren KW, Lazar AM, Horak E (1991) Effect of calcium/phosphorus ratio on mineral retention in parenterally fed premature infants. J Pediatr Gastroenterol Nutr 12: 351–355 Polberger SK, Axelsson IA, Raiha NC (1989) Growth of very low birth weight infants on varying amounts of human milk protein. Pediatr Res 25: 414–419 Raiha NC, Heinonen K, Rassin DK, Gaull GE (1976) Milk protein quantity and quality in lowbirthweight infants: I. Metabolic responses and effects on growth. Pediatrics 57: 659– 684 Roshchupkin DI, Murina MA (1998) Free-radical and cyclooxygenase-catalyzed lipid peroxidation in membranes of blood cells under UV irradiation. Membr Cell Biol 12: 279–286 Rutter N, Hull D (1981) Reduction of skin water loss in the newborn. I. Effect of applying topical agents. Arch Dis Child 56: 669–672 Soll RF, Edwards WH (2000) Emollient ointment for preventing infection in preterm infants. Cochrane Database Syst Rev, CD001150 Sosulski R, Polin RA, Baumgart S (1983) Respiratory water loss and heat balance in intubated infants receiving humidified air. J Pediatr 103: 307–310 Tsang R, Lucas A, Uaay R, Zlotkin S (eds) (1993) Nutritional needs of the preterm infant: scientific basis and practical guidelines. Williams & Wilkins, Baltimore Tinggi U (2003) Essentiality and toxicity of selenium and its status in Australia: a review. Toxicol Lett 137: 103–110 Vinceti M, Wei ET, Malagoli C, Bergomi M, Vivoli G (2001) Adverse health effects of selenium in humans. Rev Environ Health 16: 233–251 Vuori E (1979) Intake of copper, iron, manganese and zinc by healthy, exclusively-breast-fed infants during the first 3 months of life. Br J Nutr 42: 407–411
95 Literatur
4
Walli R, Stettler T, Largo RH, Fanconi A, Prader A (1980) Gewicht, Lange und Kopfumfang neugeborener Kinder und ihre Abhängigkeit von mütterlichen und kindlichen Faktoren. Normwerte für das intrauterine Wachstum. Helv Paediatr Acta 35: 397–418 Wu PY, Hodgman JE (1974) Insensible water loss in preterm infants: changes with postnatal development and non-ionizing radiant energy. Pediatrics 54: 704–712 Yeh TF, Vidyasagar D, Pildes RS (1975) Critical care problems of the newborn: insensible water loss in small premature infants. Crit Care Med 3: 238–241 Ziegler EE, Fomon SJ (1974) Major minerals. In: Fomon SJ (ed) Infant nutrition. Saunders, Philadelphia, pp 267–297
5 Organisation und Verordnungspraxis F. Jochum
5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4
Bilanzierte Ernährung – 98 Standardisierung – 98 Hygiene – 98 Praktische Organisation – 99 Qualitätssicherung – 100
5.2
Anleitung zur Verordnung
– 100
98
Kapitel 5 · Organisation und Verordnungspraxis
Komplikationen in der bilanzierten Ernährung lassen sich durch Standardisierung (Abteilungsleitlinie, Verordnungsbogen, Zubereitungsvorschriften) und durch Qualitätssicherungsmaßnahmen (Führen einer Komplikationsliste) signifikant vermindern.
5 5.1
Bilanzierte Ernährung
Die Durchführung von bilanzierter Ernährung bei Kindern stellt eine komplexe, invasive Maßnahme dar. Wegen der Individualität der pädiatrischen Patienten ist sie besonders anfällig für Fehler bei der Verordnung, Herstellung, Gabe oder Überwachung. Durch organisatorische Maßnahmen kann die Sicherheit deutlich erhöht und die Inzidenz von Fehlern signifikant gesenkt werden.
5.1.1 Standardisierung Die bilanzierte Ernährung sollte nach einem Schema durchgeführt werden, das nach den Anforderungen einer Klinik oder einer Abteilung festgelegt werden kann. Hierin ist sowohl der praktische Ablauf zu regeln (bei bilanzierter Ernährung als parenterale Ernährung z. B.: Durch wen, wo, wann und unter welchen Umständen werden die Lösungen zur parenteralen Ernährung hergestellt; Abschn. 4.3) als auch Behandlungsgrundregeln (welcher Patient unter welchen Umständen wie ernährt wird). Aus der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Produkte sollte eine überschaubare Anzahl zur standardisierten Ernährung ausgewählt werden.
5.1.2 Hygiene Besonders bei der Herstellung und beim Einsatz von Lösungen zur parenteralen Ernährung sind vielfältige hygienische Aspekte zu beachten, die das Risiko einer akzidentellen Kontamination vermindern helfen. Diese sind z. T. im
99 5.1 · Bilanzierte Ernährung
5
Arzneimittelgesetz vorgeschrieben ( Kap. 14). Hierzu gehört die Klärung folgender Fragen: ▬ Wo erfolgt die Herstellung von Mischinfusionen (Standard: »Laminar-airflow-Arbeitsplatz«; Station oder Apotheke)? ▬ Welche hygienischen Maßnahmen sind beim Verabreichen (»Anhängen«) von Ernährungslösungen zu beachten? ▬ Wie (oder ob überhaupt) kann ein nachträgliches Zuspritzen von Komponenten durchgeführt werden? ▬ Welche Personen haben die Kenntnisse und sind berechtigt, Mischinfusionen nach ärztlicher Verordnung herzustellen?
5.1.3 Praktische Organisation Standardisierung bei der Verordnung führt zur Fehlerminimierung. Ein Verordnungsbogen hilft dem Arzt bei der Komposition der bilanzierten Ernährung alle notwendigen Aspekte zu berücksichtigen (Beispiel eines Verordnungsbogens; Anhang). In einer Abteilungsleitlinie sollte festgeschrieben sein, wie die Ernährung der einzelnen Patienten durchgeführt werden soll. Schematisierung des Vorgehens und Verwendung gleicher Ernährungsgrundkomponenten können zu einem Routineeffekt bei dem gesamten, an der Behandlung beteiligten Team führen. Hierdurch fallen Fehler schneller auf, und die Inzidenz von Komplikationen kann signifikant reduziert werden. Der unten dargestellte Ablauf kann dafür als Beispiel oder als Vorlage dienen ( Abschn. 5.2). Bilanzierte Ernährung bei Kindern muss berechnet und darf nicht geschätzt werden (Taschenrechner). Die Verwendung eines Taschenrechners scheint beim ersten Hinsehen wenig besprechenswert. Regelmäßige Qualitätskontrollen in einer großen pädiatrischen Einrichtung bestätigten aber Rechenfehler in der Zusammenstellung als häufigste Fehler. Nach der Einführung der Regel: »keine parenterale Ernährung ohne Taschenrechner« (in Verbindung mit Plausibilitätskontrollen (Vergleich mit der Verordnung des Vortags usw.) wurde die Häufigkeit von Fehlverordnungen signifikant gesenkt. Weiter müssen alle Infusionslösungen mit Patientenname und der kompletten Zusammensetzung beschriftet sein, um dem Team die schnelle Überprüfung am Krankenbett zu ermöglichen. Zu festgelegten Zeiten (Visite, Übergabe) sollte die Überprüfung der Infusionslösungen als Handlungs-
100
5
Kapitel 5 · Organisation und Verordnungspraxis
routine aufgenommen werden. Um möglichst alle Personen, die an der Behandlung der Patienten beteiligt sind, einzubeziehen, empfiehlt es sich, die Ergebnisse des Patientenmonitorings während der Visite zu besprechen (Bilanzierung, Verluste durch Fieber, Drainagen, Urinosmolarität, Laborwerte; Kap. 11) und hier die Strategie für den nächsten Zeitabschnitt festzulegen. Hierdurch werden die Teammitglieder, die das Monitoring am Patienten durchführen, motiviert, und Ziel, Sinn sowie Nutzen ihrer Arbeit werden offenkundig.
5.1.4 Qualitätssicherung Zur Sicherung und Verbesserung der Behandlungsqualität bietet sich als einfache Maßnahme das Führen einer Komplikationsliste an, auf der alle Mitglieder des Teams Eintragungen vornehmen können (Fehler, unerwünschte Wirkungen/Ereignisse). Die Akzeptanz einer solchen Liste wird durch eine anonymisierte Form der Eintragungen und der Auswertung unterstützt. Diese Liste sollte regelmäßig ausgewertet und im Team besprochen werden (einzelne Komplikationen/Komplikationsstatistik). Neben der Sensibilisierung aller Mitarbeiter für organisatorisch- oder therapiebedingte Gefahren werden häufig wiederkehrende Probleme schnell offenkundig und können dann mit geeigneten Maßnahmen abgestellt werden. Es existiert eine Vielzahl an externen nationalen und internationalen Systemen zur Qualitätssicherung. Es macht Sinn, bereits vor dem Auftreten eines »Problems« in einer Abteilung eine geeignete Variation an in- und externen Qualitätssicherungsmaßnahmen, passend zum Profil einer Abteilung, auszuwählen (nicht nur im Bezug auf Ernährungsfragen).
5.2
Anleitung zur Verordnung
Im Folgenden ist ein Schema »in 10 Schritten zur parenteralen Ernährung« aufgeführt (linke Spalte der Tabelle), in der rechten Spalte wird das Vorgehen bei einem Beispielpatienten illustriert.
101 5.2 · Anleitung zur Verordnung
Kurzanleitung In zehn Schritten zur parenteralen Ernährung Beispielpatient ▬ Kleinkind 3+1/12 Jahre alt. Gewicht: 15,0 kg (25–50. Perzentile.). ▬ Anamnese: Gastroenteritis seit 24 h. Gewichtsverlust unklar. ▬ Klinik: unauffälliges Kind (afebril). Nahrungsverweigerung mit Zeichen einer Dehydration von ca. 5%. ▬ Labor: Säure-Basen-Status, Elektrolyte unauffällig.
Schritte zur Verordnung von Ernährung
Beispielpatient
1. Ernährungsart festlegen So wenig aggressiv wie möglich. Daraus resultiert die folgende Reihenfolge der Festlegung der Ernährungsart von (wenig aggressiv) nach (aggressiv) Oral → enteral → teilparenteral → total parenteral
Orale Ernährung oder Sondenkost wegen anhaltendem Erbrechen z. Z. nicht möglich
Zunächst parenterale Ernährung, da die weniger invasive enterale Ernährung nicht vertragen wird
2. Flüssigkeitsbedarf festlegen Grundbedarf (⊡ Tabelle 4.3) ± Ergänzungsbedarf = Gesamtmenge
80–120 [ml/kg KG und Tag]× 15 [kg KG] = ca. 1.500 ml ± 5% Dehydration bei 15,0 kg KG = 750 ml = 2.250 ml
3. Kalorienbedarf abschätzen Energiebedarf (⊡ Tabelle 4.4) ± Ergänzungsbedarf
▼
60–90 kcal/kg KG und Tag=70 [kcal]×15 [kg KG]=1.050 kcal/Tag Da voraussichtlich nur eine kurzfristrig parenterale Ernährung notwendig ist, muss der Bedarf nicht komplett gedeckt werden
5
102
Kapitel 5 · Organisation und Verordnungspraxis
4. Enteralen Nahrungsanteil festlegen und parenteralen Protein- bzw. Lipidgehalt berechnen Wenn noch Differenz zum kalkulierten Protein- oder Lipidbedarf besteht, Rest als Infusionslösung berechnen
5
Zur Zeit keine enterale Zufuhr möglich. Da voraussichtlich nur eine kurzfristig parenterale Ernährung notwendig ist, kein Fett oder Lipidzusatz
5. Elektrolyte, Vitamin- und Spurenelementzusätze festlegen (⊡ Tabelle 4.8) Na/K
Andere Elektrolyte
Da voraussichtlich nur kurzfristige parenterale Ernährung notwendig ist, nur Zusatz von Natrium und Kalium Na+ 3–5 mmol/kg KG und Tag = 60 mmol/Tag K+ 1–3 mmol/kg KG/Tag = 30 mmol/Tag Nicht notwendig, da voraussichtlich nur kurzfristige parenterale Ernährung
6. Flüssigkeitsmenge für die bisher festgelegten Nahrungssubstrate addieren und Differenz zum Flüssigkeitsbedarf errechnen Volumen für Elektrolyte Gesamtmenge
90 ml 2.250–90=2.160 ml
7. Differenzbetrag aus 6. als Glukoselösung zuführen Zur Festlegung der Glukosekonzentration sind verschiedene Gesichtspunkte wichtig
▼
Zufuhr als 10%ige Glukoselösung zur Verhinderung von azetonämischem Erbrechen. Verabreichung über einen peripheren Venenkatheter
103 5.2 · Anleitung zur Verordnung
Kalorienbedarf Bei Beginn einer bilanzierten Ernährung Glukose um unteren angegebenen Bedarf (⊡ Tabelle 4.6) supplementieren und dann nach Stoffwechselkapazität (Blutzuckerspiegel) steigern Sind hohe Glukosekonzentrationen zur Deckung des errechneten (kalorien- und) Glukosebedarfes zuzuführen, ist bei Zufuhr von Konzentrationen >12,5% die Anlage eines Zentralvenenkatheters unter Einbeziehung aller medizinischer Aspekte (Infektionsgefahr, vermutete Dauer der parenteralen Ernährung...) zu erwägen. Bei gleichzeitiger parenteraler Zufuhr von Lipiden wird die Osmolarität der zugeführten Infusionslösung gesenkt und dadurch die Endothelreizung vermindert 8. Laufgeschwindigkeit festlegen
▼
In den ersten 8 h wegen Dehydration Gabe von 50% des Zusatzbedarfes: ca. 375 ml. Geschwindigkeit 375 ml/8 h=46 ml/h Resttropf 1.875 ml. Geschwindigkeit 1.875 ml/24 h=78 ml/h In den ersten 8 h 78 ml/h+64 ml/ h=142 ml/h. Während der restlichen 16 h 78 ml/h
5
104
Kapitel 5 · Organisation und Verordnungspraxis
9. Kalorienberechnung Individuelle Kalkulation
2.250 ml 10%ige Glukose enthalten 225 g Glukose 225×4 [kcal] = 900 [kcal]
10. Plausibilitätsprüfung
5
Vor Verordnung der Ernährung sollten die Mengen mit denen des Vortages verglichen werden (wenn möglich). Substratmengen, das Gesamtvolumen und die Tropfgeschwindigkeit sollte in Relation zum Körpergewicht nochmals grob Überschlagen werden
> In der Beispielrechnung sind keine Rundungen der Ergebnisse vorgenommen worden, um die Rechnungen einfacher nachvollziehbar zu machen. Ausgenommen bei Frühgeborenen können die Ergebnisse je nach Gewicht und Alter des Patienten gerundet bzw. bis zu einem gewissen Maß an Packungsgrößen angepasst werden.
6 Enterale Ernährung 6.1
6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5 6.1.6
6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5
Physiologische Ernährung des Neugeborenen und Säuglings – 106 M. Krawinkel Bildung und Zusammensetzung von Muttermilch, Milchfluss – 107 Milchaufnahme des Säuglings, Stillen – 108 Physiologische Effekte von Muttermilch im kindlichen Organismus – 109 Psychosoziale Effekte des Stillens – 113 Schaffung der Voraussetzungen für erfolgreiches Stillen – 114 Stillhindernisse – 115 Exkurs: Formulaernährung und Nahrungszusätze – 121 U. Alexy, M. Kersting Ernährung des Kleinkinds und Schulkinds – 133 M. Krawinkel Beikost – 133 Abstillen – 134 Empfehlung für eine bedarfsgerechte Kinderernährung – 135 Flüssigkeitszufuhr – 136 Lebensmittelauswahl von Kindern und Jugendlichen – 138
6.3
Spezielle Kostformen – 140 M. Krawinkel 6.3.1 Vegetarismus, Veganismus, Rohköstler 6.3.2 Trennkost nach Hay – 141 6.3.3 Fasten – 141 6.4
Sondenernährung – 142 S. Razeghi, R. Behrens 6.4.1 Indikation – 142 6.4.2 Zugangswege – 143 Literatur
– 150
– 140
106
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
Die Ernährung des Neugeborenen und Säuglings erfolgt artspezifisch mit Muttermilch, die allein unmittelbar auf die Bedürfnisse des menschlichen Nachwuchses zugeschnitten ist. Neben der Zusammensetzung der Muttermilch ist der Vorgang des Stillens prägend für die Entwicklung des Kindes. Das Gelingen der Ernährung kann gefördert werden durch Aufklärung über die Qualitäten der Muttermilch und durch Optimierung der Körperhaltung des Kindes beim Anlegen und Stillen. Ab dem zweiten Lebenshalbjahr muss in der Regel »zugefüttert« werden, d. h. neben die Muttermilch treten andere Nahrungsmittel, die angepasst an die körperliche Entwicklung des Kindes gegeben werden und schließlich in die Teilnahme an der Familienkost einmünden. Bei der Ernährung des Schulkindes ist darauf zu achten, dass zum einen der Bedarf an Wasser, Energie und Nährstoffen gedeckt wird; zum anderen wird in dieser Zeit das Ernährungsverhalten bis ins Erwachsenenalter geprägt, d. h. gesundheitsfördernde Ernährungswiesen müssen jetzt erlernt werden.
6
6.1
Physiologische Ernährung des Neugeborenen und Säuglings
M. Krawinkel Phylogenetisch gehört der Mensch zu den Säugetieren, die zur postpartalen Ernährung ihres Nachwuchses eine Milch mit artspezifischer Zusammensetzung produzieren. Das bedeutet, dass nur Humanmilch physiologisch auf den Bedarf und die Entwicklungsförderung des menschlichen Neugeborenen und Säuglings abgestimmt ist. Jeder Versuch, diese Ernährung durch die Milch einer anderen Spezies oder künstliche Milchnahrungen zu ersetzen, ist ein Kompromiss, der Unzulänglichkeiten bei der Nährstoffzusammensetzung und bei der Bereitstellung von immunologischen und die Entwicklung fördernden Substanzen in Kauf nimmt.
107 6.1 · Physiologische Ernährung des Neugeborenen
6
6.1.1 Bildung und Zusammensetzung von Muttermilch,
Milchfluss Muttermilch wird unter dem Einfluss des Hormons Prolaktin aus dem Zwischenhirn in der Brustdrüse gebildet. Wie alle Drüsen produziert die Brustdrüse ein spezifisches Sekret mit einer definierten Zusammensetzung, die zunächst beim Kolostrum höher konzentriert ist und dann im Verlauf der Laktation etwas an Konzentration verliert. Die Zusammensetzung der Frauenmilch ist artspezifisch determiniert; ⊡ Tabelle 6.1 führt die Zusammensetzung der Milch einiger Säugetierspezies und des Menschen auf. Mit einer zeitlichen Varianz von wenigen Stunden bis zu etwa 2 Tagen kommt es bei regelmäßigem Anlegen des Kindes zum Einsetzen der Laktation. Das zunächst gebildete Kolostrum ist besonders reich an Kohlenhydraten und Proteinen, durch Zelldetritus aus den Milchgängen hat es noch nicht die gelblich-weiße Färbung reifer Frauenmilch, sondern ist etwas bräunlich verfärbt. Die höhere Konzentration der Nährstoffe im Kolostrum korrespondiert mit dem geringeren Flüssigkeitsbedarf in der unmittelbar postpartalen Zeit,wenn das Neugeborene den intrauterinen Hyperhydratationszustand normalisiert. Postpartales Erbrechen zeigt in der Regel nicht eine Unverträglichkeit des Kolostrums an, sondern wird durch während des Geburtsvorgangs verschlucktes Blut ausgelöst. Die Zusammensetzung der reifen Muttermilch wird auch bei unterschiedlichen Ernährungszuständen der Mutter in weitem Umfang konstant gehalten. Daher muss die Ernährung während der Laktationsperiode dem
⊡ Tabelle 6.1. Makronährstoffgehalt einiger Säugetiermilchen in Bezug zur Zeit für die Verdoppelung des Geburtsgewichts in Tagen (ungefährer Wert)
Tage
Protein [g/dl]
Fett [g/dl]
Kohlenhydrate [g/dl]
Mineralstoffe [g/dl]
Ratte
6
12,0
15,0
3,0
2,0
Schaf
10
5,5
7,4
4,8
1,0
Ziege
19
2,9
4,5
4,1
0,8
Rind
47
3,3
3,7
4,7
0,7
Pferd
60
2,5
1,9
6,2
0,5
180
1,05
4,0
7,0
0,2
Mensch
108
6
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
erhöhten Nährstoffbedarf Rechnung tragen, um Defizite bei der Mutter zu vermeiden. Dehydratation der Mutter führt rasch zu einem Rückgang der Milchmengen. Eine Besonderheit der Humanmilch ist der niedrige Eiweiß- und der hohe Kohlenhydratgehalt; in Letzteren gehen neben der Laktose auch Oligosaccharide ein, die in den meisten Säugetiermilchen nur in Spuren vorhanden sind. Die Bildung von Milch in der Brustdrüse steht unter dem Einfluss des Prolaktins. Die beste Stimulation für die Milchbildung und den Milchfluss ist der Kontakt des kindlichen Mundes mit der Brustwarze der Mutter. Dazu soll das Kind möglichst bald nach der Geburt zum ersten Mal angelegt werden. Auch bei unzureichender Milchleistung kann durch häufigeres Anlegen des Kindes die Milchbildung stimuliert werden. Natürlich ist der Erfolg daran gebunden, dass die Mutter genügend Flüssigkeit aufnimmt. Beschrieben ist aber auch ein Wiedereinsetzen der Laktation ohne zeitlichen Zusammenhang mit einer Geburt durch Stimulation der Brust durch den Mund des Kindes und durch Gabe von Meclopropramid, das eine vermehrte Bildung von Prolaktin auslöst.
6.1.2 Milchaufnahme des Säuglings, Stillen Physiologischerweise wird die Muttermilch vom Neugeborenen und Säugling oral aufgenommen. Dabei steht weniger das Saugen als vielmehr ein oraler Melkvorgang im Vordergrund: Die mütterliche Brustwarze und der apikale Teil der Brust werden vom Kind mit dem weit geöffneten Mund gefasst, und anschließend wird dieser Teil vom Kind mit der Zunge gegen den Gaumen gepresst, so dass die Milch herauskommt (»Melkling«, B. Schöch, Dortmund). Im Wechsel mit diesem Melkvorgang muss das Kind die Milch schlucken. Das Trinken an der Brust setzt daher eine ausreichende Kraft und Koordination des Bewegungsmusters der Mund- und Rachenmuskulatur voraus. Es gelingt auch nur, wenn das Kind funktionsgerecht gehalten und angelegt ist; dies kann anhand von 5 Merkmalen überprüft werden: 1. Das Kind wird waagerecht am Körper der Mutter gehalten, so dass sich der Mund auf gleicher Höhe mit der Brustwarze befindet. 2. Der Mund des Kindes ist weit geöffnet.
109 6.1 · Physiologische Ernährung des Neugeborenen
6
3. Die Unterlippe ist nach außen gerichtet. 4. Das Kinn berührt die mütterliche Brust. 5. Ein größerer Anteil des Warzenhofes ist oberhalb des kindlichen Mundes sichtbar als unterhalb. Diese Merkmale können leicht und ohne technische Hilfsmittel überprüft werden. Wenn das Kind aufgrund eines Stillhindernisses (z. B. schwere Muskelhypotonie) nicht an der Brust trinken kann, im Prinzip aber Muttermilch verträgt, kann die Mutter unter entsprechender Anleitung Milch ausdrücken oder abpumpen. Neben einer geeigneten Technik des Auspressens der Brust gibt es mechanische Hilfsmittel, z. B. einfache Handpumpen mit einem Glaskolben und einem Gummiballon oder elektrische Milchpumpen. Nachteil dieser Verfahren ist, dass die Milch nicht aus der Brust »gemolken«, sondern lediglich abgesaugt wird. Muttermilch sollte entweder sofort gefüttert oder im Kühlschrank gelagert werden. Die Fütterung der Milch kann beim hypotonen Säugling oder z. B. bei Tachypnoe mit einer nasogastralen Sonde erfolgen.
6.1.3 Physiologische Effekte von Muttermilch
im kindlichen Organismus Die physiologischen Effekte von Muttermilch auf den kindlichen Organismus sind vielfältig und bis heute nur teilweise bekannt. Sie betreffen neben der nutritiven Funktion im Wesentlichen den Schutz vor Krankheiten, sowohl infektiösen als auch nichtinfektiösen, und die Förderung der Entwicklung zum einen durch die Zusammensetzung von Nährstoffen und zum anderen durch spezielle Inhaltsstoffe. Die Weltgesundheitsorganisation hat sich auf eine Empfehlung geeinigt, Kinder bis zum Alter von 6 Monaten im Normalfall ausschließlich mit Muttermilch zu ernähren. Ab dem 7. Monat soll zugefüttert werden. Diese Empfehlung basiert auf Studien, die gezeigt haben, dass Kinder eine normale Gewichts- und Längenentwicklung zeigen, die über diesen Zeitraum nur Muttermilch erhielten. In der Praxis wird in Deutschland häufig früher, spätestens ab dem 5. Monat, zugefüttert. Durch hohe Hygienestandards und die Verfügbarkeit
110
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
angepasster Säuglingsnahrungsmittel ist das Risiko von Magen-Darm-Infektionen und Verdauungsstörungen nicht so hoch wie in ressourcenarmen Ländern. Allerdings sollten die funktionellen Eigenschaften der Muttermilch nicht aus dem Auge verloren werden, die auch nach dem 4.–6. Monat für das Kind nützlich sind (Immunprotektion, Wachstumsfaktoren u. a.).
Nutritive Aspekte
6
An erster Stelle sind hier die Makronährstoffe Kohlenhydrate, Eiweiß und Fett zu erwähnen. Die quantitativen Verhältnisse sind der ⊡ Tabelle 6.2 zu entnehmen. Neben den unterschiedlichen Anteilen der einzelnen Makronährstoffe an der Gesamtenergiezufuhr ist auch die Qualität der Nährstoffe von Bedeutung: Molkenprotein ist für das Neugeborene und den kleinen Säugling leichter verdaulich als Kasein. Neben der leicht sedierenden Wirkung der Kasomorphine führt das zu einer längeren Verweilzeit von Kasein im Magen. Dies hat zur Folge, dass gestillte Kinder häufiger und künstlich ernährte Kinder seltener gefüttert werden müssen. Weiterhin ist die Stuhlfrequenz gestillter Kinder höher als bei Kindern mit kaseinbasierten Nahrungen; gestillte Kinder haben eine normale Stuhlfrequenz von ca. 6-mal/Tag bis 1- bis 2-mal alle 6 Tage. Vorteile der artspezifischen Milchproteine in der Frauenmilch sind geringere Allergenität und funktionelle Eigenschaften, z. B. des Transferrins ( unten). ⊡ Tabelle 6.2. Makronährstoffzusammensetzung von Frauenmilch und Kuhmilch (Orientierungswerte)
Gehalt/100 ml
Frauenmilch
Kuhmilch
Energie [kcal]
69
66
Osmolarität [mosmol/kg]
289
275
Protein [g/%kcal]
1/7%
3,3/31%
Molkenprotein/Casein-Ratio
2:1
1:4
Fett [g/%kcal]
3,8/53%
3,7/46%
Verhältnis gesättigte/ungesättigte Fettsäuren
50:50
65:35
Laktose [g/%kcal]
7,2/36%
4,8/33%
Oligosaccharide [%kcal]
4
Spur
Mineralstoffe [g]
0,2
0,7
111 6.1 · Physiologische Ernährung des Neugeborenen
6
Hinsichtlich der Fettsäurezusammensetzung der Muttermilch profitieren die Kinder von dem Angebot an langkettigen mehrfach ungesättigten Fettsäuren, das in der Kuhmilch fehlt. Die (insbesondere sauren) Oligosaccharide in der Muttermilch tragen zu der Infektionsprävention gestillter Kinder bei; weitere Effekte dieser Kohlenhydratfraktion werden noch untersucht. Auf die nutritiven Aspekte der Mikronährstoffe,Vitamine und Spurenelemente, kann hier nicht im Einzelnen eingegangen werden, und es wird auf Lehrbücher verwiesen. Zu beachten ist, dass es bei quantitativen Betrachtungen der Spurenelemente nicht nur auf die jeweilige Konzentration, sondern auch auf die Transportproteine ankommt. Diese artspezifische Bindung beeinflusst die Bioverfügbarkeit, z. B. wird die geringe Menge Eisen in Muttermilch durch die Bindung an humanes Laktoferrin sehr effektiv aufgenommen, während die höhere Menge Eisen aus Kuhmilch schlecht verfügbar ist. Dies ist auch von Bedeutung für Infektionen im Magen-Darm-Trakt; hier fördert verfügbares Eisen die Proliferation pathogener Keime. Beobachtungen bei Menschen und tierexperimentelle Untersuchungen deuten daraufhin, dass mit der Muttermilch auch eine Prägung der Gewichtsentwicklung stattfindet. Zum einen scheint Stillen einen protektiven Effekt gegenüber der Entwicklung einer Adipositas im Kindesalter zu bieten, zum anderen wurden neu geborene Mäuse, die von adipösen Mäusen gesäugt wurden, selbst adipös, ein Befund der bisher nicht durch Nachweis eines Faktors in der Muttermilch erklärt ist.
Infektionspräventive Aspekte Frauenmilch enthält eine Reihe von löslichen und zellulären Elementen, die sowohl die Abwehr von Infektionserregern im Magen-Darm-Trakt stimulieren als auch die Immunität gegenüber systemischen Infektionen verstärken. Hier sind neben Antikörpern der Klassen IgA und IgG in erster Linie Laktoferrin, Lysozym, gallensalzabhängige Lipase, Neuraminsäure und Komplement C3/C4 zu nennen, aber auch Lymphozyten, Makrophagen und Leukozyten. Weiterhin fördert der hohe Laktosegehalt der Frauenmilch die Ausbildung einer intestinalen Lactobacillus-bifidus-Flora, die durch die Milchsäurebildung ein saures Milieu schafft. Durch die Aufnahme von Makromolekülen im Dünndarm des Neugeborenen erfolgen die Stimulation und die Prägung des Immunsystems. So gibt es Daten, die zeigen, dass gestillte Kinder eine stärkere Immunreaktion auf Impfungen, z. B. gegen Haemophilus influenzae Typ b, zeigen als künstlich
112
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
ernährte Säuglinge. Auch die geringere Inzidenz von Atemwegsinfektionen bei Kindern, die mit Muttermilch ernährt werden, wird auf solche systemischen Effekte zurückgeführt.
Entwicklungsfördernde Aspekte
6
Sowohl physiologische als auch psychologische Faktoren des Stillens wirken entwicklungsfördernd auf das Kind. Physiologisch enthält die Frauenmilch eine Reihe von Wachstumsfaktoren für Zellen und Gewebe. Neben den immunologischen Faktoren in der Muttermilch beeindruckt die Vielzahl von wachstumsrelevanten Komponenten, die direkt oder indirekt die Proliferation der Zellen, die Differenzierung der Gewebe und die Entwicklung des gesamten Organismus fördern.
Wachstumsrelevante Faktoren in der Muttermilch. (Nach Prentice 1996) Wachstumsfaktoren (WF) – Epidermaler WF – Nerven-WF – Insulinartiger WF – Transformierender WF – Erythropoetin – Taurin – Polyamine Hormone – Insulin – Prolaktin – Östrogene – Schilddrüsenhormone – Oxytozin – Kortikosteroide, »adrenocorticotropic hormone« (ACTH) – Kalzitonin Andere – Kasomorphine – δ-Schlaf-Peptide – Nukleotide, Desoxyribonukleinsäure (DNS), Ribonukleinsäure (RNS)
113 6.1 · Physiologische Ernährung des Neugeborenen
6
Weitere präventive Aspekte Die Muttermilchernährung wirkt auf die Ausbildung von Immunität und Autoimmunität des Kindes; protektive Effekte gegenüber Zöliakie, Diabetes mellitus Typ 1, Morbus Crohn und allergischen Diathesen sind beschrieben. Da Kuhmilchallergene aus der mütterlichen Ernährung in die Muttermilch übergehen, stellt allerdings nur der Verzicht der Mutter auf Kuhmilch während der Laktation sicher, dass das Kind nicht mit Kuhmilcheiweißallergenen in Berührung kommt. Im Übrigen werden aber keine diätetischen Einschränkungen der Mutter empfohlen. Für die Allergieprävention mit Muttermilch sollte für 6 Monate ausschließlich gestillt werden. Neuere Studien haben einen adipositaspräventiven Effekt des Stillens bei nordamerikanischen Kindern europäisch-kaukasischer Abstammung gezeigt. Dabei wirken vermutlich physiologische und sozialpsychologische Faktoren mit. Die Beobachtung, dass im Tierversuch Non-obese-(ob-) Mäuse (»obese«: übergewichtig), die von Ob-Muttertieren gesäugt wurden, ebenfalls übergewichtig wurden, deutet darauf hin, dass Bestandteile der Muttermilch den Ernährungszustand des Nachwuchses beeinflussen. Damit rückt bei der Adipositasprävention durch Stillen der mütterliche Ernährungszustand mit ins Blickfeld. Durch die ausschließliche Ernährung mit Muttermilch in den ersten 4–6 Lebensmonaten wird auch der Kontakt mit Fruktose und Saccharose verhindert; davon profitieren die Kinder mit hereditärer Fruktoseintoleranz und Disposition zur Zöliakie besonders. Einen protektiven Effekt hat das Stillen schließlich auch gegenüber dem Risiko der späteren Entwicklung eines Mammakarzinoms bei der Mutter.
6.1.4 Psychosoziale Effekte des Stillens Psychologisch stellt das Stillen die optimale Förderung sowohl der MutterKind-Beziehung und auch der seelischen Stabilität des Kindes dar. Gestillte Kinder »fremdeln« weniger. Neben den psychosozialen Aspekten ist auch die Förderung der Intelligenzentwicklung durch die Muttermilchernährung mit Daten belegt. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist aber die multifaktorielle Bedingtheit der Entwicklung von Intelligenz beim Individuum nicht aus den Augen zu verlieren; neben Muttermilch spielen hier genetische und vielfältige Milieufaktoren eine Rolle.
114
6
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
Der Vorgang des Stillens fördert die enge Mutter-Kind-Bindung, indem die Mutter bewusst das Kind mit einem Produkt ihres Körpers ernährt. Dieses positive Bewusstsein ist leicht störbar, wenn erstens die Mutter wenig Selbstvertrauen hat, das durch Werbung für künstliche Milchnahrungen störbar ist, und zweitens wenn das Kind nach dem Stillvorgang unruhig ist. Diese Unruhe nach dem Stillen kann ausgelöst werden, wenn das Kind den Hautkontakt mit der Mutter am Ende des Stillvorgangs verliert. Bei guter Gewichtszunahme ist die Unruhe kein Ausdruck von Unzufriedenheit mit der Menge oder Konsistenz der Muttermilch. Wichtig ist, dass ärztliche oder pflegerische Betreuerinnen und Betreuer oder andere Mütter die Stillende in ihrem Selbstvertrauen stärken, da Selbstzweifel an der Fähigkeit das Kind ausreichend mit Muttermilch zu versorgen, psychovegetativ vermittelt die Laktation hemmen.
6.1.5 Schaffung der Voraussetzungen
für erfolgreiches Stillen Drei Faktoren können zur Unterstützung erfolgreichen Stillens über die ersten 6 Lebensmonate beitragen (Woolridge 1996): gute pränatale Information und Vorbereitung, optimale Unterstützung durch spezifisch qualifiziertes Gesundheitspersonal nach der Geburt, und fortgesetzte Unterstützung der stillenden Mutter in ihrer Umgebung durch ein soziales Netzwerk (Partner, Familienangehörige, Stillberaterinnen und Angehörige von Gesundheitsberufen). Um Stillen als Normalform der Säuglingsernährung bis zum 4.–6. Monat auch unter den Bedingungen fortgeschrittener Industriegesellschaften zu etablieren, in denen die Vermarktung von künstlichen Säuglingsnahrungen und vorgefertigter Beikost mit hohem Aufwand erfolgt, ist eine explizite Stillpolitik erforderlich. Dazu gibt es einen in öffentlich-privater Partnerschaft ausgehandelten Kodex für die Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten. Wichtiger als eine Beschränkung der Werbung sind aber aktive Aufklärung und Unterstützung. Die im Folgenden wiedergegebenen 10 Schritte zu erfolgreichem Stillen (WHO/Unicef, nach: SCN 1989) bilden auch die Grundlage für die Zertifizierung von Kinderkrankenhäusern als »still-freundlich«.
115 6.1 · Physiologische Ernährung des Neugeborenen
6
Zehn Schritte zum erfolgreichen Stillen 1. Formuliere eine schriftliche Stillpolitik, die routinemäßig dem Personal vorgestellt wird 2. Bilde alle Mitarbeiter im Gesundheitsbereich in den notwendigen Fähigkeiten aus, um diese Stillpolitik zu implementieren 3. Informiere alle Frauen über die Vorteile und die Durchführung des Stillens 4. Ermögliche Müttern, das Neugeborene innerhalb der ersten 30 min nach der Geburt erstmals anzulegen 5. Zeige Müttern, wie sie stillen und wie sie die Milchbildung auch dann erhalten können, wenn ihr Kind von Ihnen getrennt werden muss 6. Gib Neugeborenen keine Nahrung oder Flüssigkeit, wenn es nicht medizinisch erforderlich ist 7. Praktiziere »rooming-in« und ermögliche so das Zusammensein von Mutter und Kind über 24 h 8. Bestärke die Mutter zu stillen, wann immer das Kind an die Brust möchte 9. Gib Neugeborenen und Säuglingen, die gestillt werden, keine Schnuller oder Sauger 10. Unterstütze die Bildung von Stillgruppen und weise die Mütter bei der Entlassung aus dem Krankenhaus oder der geburtshilflichen Einrichtung auf solche Gruppen hin
Diese Form der Förderung des Stillens bedeutet nicht, den Wert künstlicher Säuglingsnahrungen herabzusetzen. Wo immer eine medizinische Indikation für diese Form der Ernährung besteht, sollte eine bestmögliche Formelnahrung eingesetzt werden.
6.1.6 Stillhindernisse Eine Reihe von mütterlichen und kindlichen Umständen kann das Stillen und die Ernährung mit Muttermilch einschränken oder verhindern. Diese Umstände sind immer im Einzelfall zu prüfen und abzuwägen, da ihre Beurteilung einer laufenden Veränderung unterliegt. So galten früher zahlreiche Antibiotika, die die Mutter einnahm, als Stilhindernis, während heute die gleichen Medikamente hochdosiert bei sehr kleinen Frühgeborenen eingesetzt werden.
116
6
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
Das Vorliegen eines Stillhindernisses muss nicht automatisch bedeuten, dass das Kind nicht mit Frauenmilch ernährt werden kann. Im Fall eines mütterlichen Stillhindernisses kann evtl. auf Milch einer anderen Mutter zurückgegriffen werden. Voraussetzung dafür ist ein Milchbanksystem, bei dem Muttermilchspenden entgegengenommen, untersucht und in geeigneten Systemen gelagert werden. Bei Milchspenden sind Übertragung von Infektionen der Spenderin [Zytomegalie-Virus (CMV), »human immunodeficiency virus« (HIV), Hepatitis, Tuberkulose (Tbc) u. a] und Kontaminationen der Milch mit pathogenen Keimen während der Schritte Abpumpen, Untersuchen, Lagern und Bereitstellen strikt zu vermeiden. Frauenmilchspenden, die im privaten Bereich – sozusagen von Frau zu Frau – juristisch unproblematisch sind, erfordern in Krankenhäusern und Krippen eine systematisch organisierte Handhabung, um mögliche Schäden vom Kind abzuwenden und sich gegen Regressansprüche zu schützen (Arnold 2001). Liegt ein kindliches Stillhindernis vor, so kommt die alternative Zufuhr zum Trinken an der Brust in Betracht, wenn Muttermilch grundsätzlich vertragen wird.
Mütterliche Stillhindernisse Krankheiten der Mutter, die das Stillen be- oder verhindern, sind in erster Linie solche Krankheiten, bei denen Viren oder Bakterien mit der Muttermilch übertragen werden. Die zweite Gruppe betrifft Erkrankungen, die mit Medikamenten behandelt werden müssen, die – mit der Muttermilch übertragen – beim Kind unerwünschte Wirkungen zeigen. Schließlich sind diejenigen psychiatrischen Störungen zu nennen, bei denen die Mutter das Kind nicht stillen kann.
Krankheiten Die folgende Aufzählung ist – soweit möglich – vollständig; im Einzelfall kann aber auch ein hier nicht aufgeführtes Krankheitsbild das Stillen verhindern. Die Empfehlung, das Kind nicht zu stillen, muss vor dem Hintergrund der jeweiligen Säuglingssterblichkeit getroffen werden: In vielen Entwicklungsländern haben Frauen keinen Zugang zu Muttermilchersatznahrungen, können ausreichende Mengen nicht kaufen oder können sie nicht hygienisch rein zubereiten. In Deutschland gelten allgemein als Stillhindernis: ▬ HIV-Infektion/»acquired immune deficiency syndrome« (Aids), ▬ Lungentuberkulose,
117 6.1 · Physiologische Ernährung des Neugeborenen
▬ ▬ ▬ ▬
6
Hepatitis C, D, E, Psychosen mit Wahnvorstellungen, Brustabszess (für die betroffene Seite) und bei Frühgeborenen die mütterliche CMV-Infektion.
Nicht zu den Stillhindernissen gezählt werden die morphologischen Varianten der Brustwarze (Flach- und Hohlwarzen), bei denen durch geeignete Hilfsmittel (Saughilfen) entweder Stillen oder Abpumpen und anschließendes Füttern der Muttermilch möglich sind.
Medikamente Medikamentöse Therapie ist kein grundsätzliches Ausschlusskriterium für das Stillen. Zahlreiche Medikamentenwirkstoffe gehen kaum in die Muttermilch über oder werden so schnell von der Mutter metabolisiert, dass sie keine pharmakologische Bedeutung beim Kind erlangen. Die folgende Übersicht stellt Medikamente vor, die beim Stillen unerwünschte Wirkungen beim Kind entfalten. Sie kann bei aller Sorgfalt nicht vollständig sein, da ständig neue Arzneistoffe eingeführt und alte neu formuliert werden. Für die Beurteilung der Stillempfehlung ist nicht nur der pharmakologische Aspekt selbst, sondern auch der Übertritt in die Muttermilch von Bedeutung. Insgesamt ändert sich der Wissensstand über die durch Muttermilch vermittelte Medikamentenwirkungen stetig, so dass im Zweifelsfall eine Abklärung durch eigene Recherche oder Rückfrage bei einer Beratungsstelle für Toxikologie empfohlen werden muss.
Medikamente, deren Anwendung bei der Mutter ein absolutes oder partielles Stillhindernis darstellen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) ▼
Thyreostatika Antiarrhythmika Zytostatika Immunsuppressiva Goldpräparate Arsenpräparate Steroidhormone
118
6
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
Testosteron Östrogene Gyrasehemmer Tetrazykline Sulfonamide Chloramphenicol Erythromycin Instabile Isotope Phenacetin Barbiturate Benzodiazepine Haloperidol Valproat Phenytoin
Informationen zu Stillen bei maternaler Medikamentenanwendung Beratungsstelle für Embryonaltoxikologie. Berliner Betrieb für Zentrale Gesundheitliche Aufgaben. Informationen zu Stillen bei maternaler Medikamentenanwendung. Tel. 030-30308-111, Montag bis Freitag 09.00–16.00 Uhr (http://www.embryotox.de).
Schadstoffe in der Muttermilch Der wohl wichtigste Schadstoff in der Muttermilch im Jahr 2004 ist das Nikotinabbauprodukt Cotinin. Sowohl Nikotin als auch Cotinin sind in der Muttermilch nachgewiesen und entfalten je nach Konzentration pharmakologisch-toxische Wirkungen auf das Kind. Wenn die Mutter während der Stillperiode nicht auf den Nikotingebrauch verzichten kann, kann durch den Gebrauch von Nikotinpflastern anstelle von Rauchen die Exposition des gestillten Säuglings um knapp drei Viertel gesenkt werden. Alkohol geht ebenfalls von der Mutter auf die Milch und auf das Kind über und führt zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Sedierung oder Hyperexzitabilität. Der Alkohol muss vom Kind in der Leber metabolisiert werden und ist dort nicht weniger toxisch als beim Erwachsenen, allerdings werden toxische Mengen schneller erreicht.
119 6.1 · Physiologische Ernährung des Neugeborenen
6
Die Bedeutung von Umweltschadstoffen in der Muttermilch hat in Deutschland in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Toxikologische Reihenuntersuchungen haben gezeigt, dass Dichlordiphenyltrichloräthan (DDT), Hexachlorcyclohexan (HCH), Hexachlorbenzol (HCB) und polychlorierte Biphenyle (PCB) in so geringen Mengen in Muttermilch vorkommen, dass davon keine Gefährdung des Kindes zu erwarten ist. Entsprechende Messungen für Dioxine und Dibenzofurane liegen wegen des hohen Aufwands nur in geringem Umfang vor, deuten aber in die gleiche Richtung.Auch Schwermetalle werden nur in Einzelfällen bei sehr starker Exposition der Mutter in toxischen oder potenziell toxischen Konzentrationen in Muttermilch gemessen. Der Schadstoffgehalt der Muttermilch ist kein Grund für eine Einschränkung des Stillens in den ersten 6 Lebensmonaten. Die Tatsache, dass Muttermilch höhere Konzentrationen an Schadstoffen enthält als Kuhmilch – und daraus hergestellte Muttermilchersatzprodukte – erklärt sich aus der Dauerlaktation der Kuh, die über Jahre große Mengen Milch produziert, während Mütter vergleichsweise kurz und in geringer Menge laktieren. Der einzelnen Mutter kann geraten werden, darauf zu achten, dass sie während der Laktationsperiode – nach der postpartalen hormonell bedingt erhöhten Wasserausscheidung – nicht an Körpergewicht verliert, da dabei lipophile Schadstoffe mobilisiert würden, die in die Muttermilch übergehen. Bei hoher Besorgnis können Frauen auch die eigene Muttermilch bei Landesuntersuchungsämtern auf Schadstoffe untersuchen lassen. Selbst bei Schadstoffkonzentrationen über dem Mittelwert der Bevölkerung, wird aber in den ersten 4–6 Monaten geraten, weiter zu stillen, da die Hinweise auf nachteilige Effekte deutlich schwächer sind als die Vorteile der Muttermilchernährung in dieser Zeit.
Kindliche Stillhindernisse Beim Kind können im Einzelfall eine Reihe von Stillhindernissen vorhanden sein, die z. T. das Trinken an der Brust und z. T. die Aufnahme von Muttermilch über den Magen-Darm-Trakt beeinträchtigen. Schließlich gibt es wenige seltene Stoffwechselstörungen, die nicht mit dem Stillen und der Muttermilchernährung vereinbar sind.
Störungen des Magen-Darm-Trakts Fehlbildungen des Magen-Darm-Trakts mit Verschluss oder hochgradiger Enge stellen bis zu einer operativen Korrektur eine Kontraindikation für jede
120
6
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
Form der oralen und enteralen Ernährung dar. Dagegen ist bei Lippen-KieferGaumen-Spalten zwar das Trinken an der Brust erschwert, weil ein Großteil der Milch aus dem Mund über die Nase abfließt; andererseits kann abgepumpte Muttermilch entweder mit dem Löffel oder mit einem breiten Sauger, der die Spalte abdeckt, aufgenommen werden. Kieferorthopädisch angepasste individuell angefertigte Trinkplatten ermöglichen einen Spaltenschluss, so dass die Kinder auch an der Brust trinken können. Neben den anatomischen Hindernissen können Transportstörungen, z. B. eine neuronale intestinale Dysplasie (NID), für jede Form der oralen/enteralen Ernährung problematisch werden.
Pulmonale Störungen Atembehinderungen, sei es durch Schwellung der Bronchialschleimhaut oder durch Unreife der Lunge, Lungenentzündung oder schwere reversible Bronchialobstruktion, verursachen eine Tachypnoe beim Neugeborenen und kleinen Säugling. Diese Tachypnoe verhindert, dass das Kind zwischen den Atemzügen genug Zeit hat, um an der Brust – manchmal auch aus der Flasche – zu trinken. In dieser Situation bietet sich an, Muttermilch über eine nasogastrale Sonde zu füttern.
Kardiale Störungen Kardiale Störungen können in zweifacher Hinsicht die Ernährung kompromittieren. Erstens kann eine strikte Volumenrestriktion notwendig sein, die eine Erhöhung der Nährstoffdichte der Muttermilch erfordert, z. B. durch Zusatz von Öl, Kohlenhydraten und/oder Eiweiß, damit mit dem gleichen Volumen mehr Energie und Nährstoffe aufgenommen werden können. Zweitens kann eine Minderperfusion des Magen-Darm-Trakts die Resorption der Nährstoffe beeinträchtigen; hierbei müssen kleine Portionen einer mit Energie und Nährstoffen angereicherten Muttermilch gefüttert werden.
Neurologische Störungen Koordinationsstörungen der Mund- und Schluckmuskulatur stellen eine gravierende Einschränkung dafür dar, dass ein Kind an der Brust trinken kann. Weiterhin kann eine schwere Muskelhypotonie diese Form der Nahrungsaufnahme verhindern. In beiden Fällen muss die Muttermilch über eine nasogastrale Sonde gegeben und – wenn eine längere Zeit der Sondenernährung absehbar ist – der Übergang auf eine perkutane endoskopische Gastrostomie erwogen werden.
121 6.1 · Physiologische Ernährung des Neugeborenen
6
Metabolische Störungen Vier Stoffwechselstörungen sind als strikte Kontraindikationen für eine Muttermilchernährung zu nennen: die beiden Formen der Galaktosämie (Galaktose-1-Phosphaturidyltransferase-Mangel und Galaktokinasemangel) sowie die Tyrosinosen Typ 1 und Typ 2. Während bei Galaktokinasemangel Laktosezufuhr zur Entwicklung einer Katarakt führt, kommt es bei den 3 anderen Störungen zu akuten lebensbedrohlichen hepatischen Störungen. Stillen mit Einschränkung ist möglich bei der Phenylketonurie, der Homocystinurie, der Ahornsirupkrankheit sowie der Glutaracidurie Typ 1. Hierzu stehen Spezialnahrungen zur Verfügung, die z. B. kein Phenylalanin enthalten und in Ergänzung einer eingeschränkten Menge an Muttermilch gefüttert werden. Auch Kinder mit Ornithincarbamoyltransferasemangel können unter Einhaltung einer Eiweißrestriktion gestillt werden.
Supplemente zu Muttermilch Die Fachgesellschaften für Kinderheilkunde und Jugendmedizin sowie für Ernährung empfehlen die Supplementierung der Ernährung im Säuglingsalter mit 400–500 IE Vitamin D sowie 0,25 mg Fluorid pro Tag. Exkurs Formulaernährung und Nahrungszusätze U. Alexy, M. Kersting Wenn eine Mutter nicht stillen kann oder möchte, ist eine kommerziell hergestellte Säuglingsnahrung (Formulanahrung) die beste Alternative zu Muttermilch. Für gesunde und reifgeborene Säuglinge werden in Deutschland verschiedene Säuglingsnahrungen angeboten. Ihre Zusammensetzung, Etikettierung und Vermarktung werden in speziellen EG-Richtlinien über Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung, die in die deutsche Diätverordnung umgesetzt werden, geregelt. Darüber hinaus gibt es Spezialnahrungen für besondere medizinische Zwecke (»food for special medical purposes«, FSMP), die als bilanzierte Diäten besonderen Vorschriften unterliegen.
> Die Selbstherstellung von Säuglingsmilch, z. B. als Halbmilch aus Kuhmilch und Wasser mit Fett- und Kohlenhydratzusätzen, ist aus ernährungsphysiologischen und hygienischen Gründen nicht ▼
122
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
empfehlenswert. Das gilt besonders für selbsthergestellte pflanzliche »Milchen«, z. B. »Reismilch« oder »Mandelmilch«, unter denen schon ernsthafte Gedeihstörungen bei Säuglingen aufgetreten sind.
6
Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung Grundsätzlich können 2 Typen von Säuglingsnahrungen unterschieden werden: ▬ Säuglingsanfangsnahrungen dienen der alleinigen Ernährung während der ersten 4–6 Lebensmonate. Sie können bis zum Ende des 1. Lebensjahres ad libitum als Milchnahrung gefüttert werden, d. h. sie sind als Muttermilchersatz gedacht. Das Verhältnis Laktalbumin zu Kasein ist >1 (adaptiertes Protein). ▬ Folgenahrung ist als flüssiger Anteil einer mehr und mehr abwechslungsreichen Ernährung von Säuglingen ab dem 5. Monat geeignet aber nicht zwingend. Seit einiger Zeit gibt es auch Folgenahrung, die zum Einsatz »ab 8. Monat« oder »ab 10. Monat« deklariert ist. Nährstoffzusammensetzung. Die Zusammensetzung von Säuglingsanfangsnahrung ist für mehr als 25 Nährstoffe und Nahrungsenergie spezifiziert (⊡ Tabelle 6.3). Als Proteinträger sind neben Kuhmilchprotein und
▼
⊡ Tabelle 6.3. Auszüge aus Richtlinien der EU über die Zusammensetzung von Säuglingsanfangsnahrung (91/321/EWG; 96/4/EG) im Vergleich zu Nährstoffgehalten in der Muttermilch
Säuglingsanfangsnahrung pro 100 ga
Muttermilch pro 100 g Durchschnitt (Variationsbreite)
60–75
71
Protein [g]
1,3–2,1b
1,13 (1,03–1,43)
Fett [g]
3,1–4,6c
4,03 (3,50–4,62)
Kohlenhydrate [g]
5–10
7,0
Energie [kcal] Makronährstoffe
123 6.1 · Physiologische Ernährung des Neugeborenen
⊡ Tabelle 6.3 (Fortsetzung)
Laktose [g] Modifizierte Stärke Maltose, Saccharose, Maltodextrine, Glukosesirup Saccharose
Säuglingsanfangsnahrung pro 100 ga
Muttermilch pro 100 g Durchschnitt (Variationsbreite)
≤2,5 ≤2 g/100 ml oder ≤30% der Kohlenhydrate Möglich
7,0 – –
≤20% der Kohlenhydrate
–
Elektrolyte und Spurenelemente Natrium [mg] 14–42 Kalium [mg] 42–102 Kalzium [mg] ≥35 Phosphor [mg] 18–63 Magnesium [mg] 3,5–10,5 Eisen [mg] 0,35–1,05d Zink [mg] 0,35–1,05 Kupfer [µg] 14–56 Jod [µg] ≥3,5 Vitamine 42–126 Vitamin Ae [µg] Vitamin Ef [µg] ≥0,5/g mehrfach ungesättigte Fettsäuren Vitamin C [mg] ≥5,6 ≥28 Vitamin B1 [µg] ≥42 Vitamin B2 [µg] ≥25 Vitamin B6 [µg] Niacin [mg] ≥0,6g Folsäure [µg] ≥2,8 a b c
d e f g
13 (12–19) 47 (46–64) 32 (25–41) 15 (12–17) 3,1 (2,9–5,0 0,058 (0,026-0,058) 0,148 (0,120–0,390) 72 (24–77) 6,3 (4,3–9,0) 69 (52–73) 0,28 (0,15–0,54) 4,4 (3,5–5,5) 15 (13–17) 38 (30–44) 14 (9–17) 0,17 (0,13–0,20) 8,5 (–)
Angaben pro 100 kcal wurden umgerechnet unter der Annahme von 67 kcal/100 g Kuhmilchproteine Linolsäure 0,3–1,2 mg/100 kcal; Laurin- und Myristinsäure <15% Fett; Trans-Fettsäuren <4% Fett; Erucasäure <1% Fett; α-Linolensäure:Linolsäure = 1:5 bis 1:15; Omega-3-Fettsäuren ≤1% Energie; Omega-6-Fettsäuren ≤2% Energie Für Produkte mit Eisenzusatz Retinoläquivalente Tocopheroläquivalente Niacinäquivalente
6
124
6
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
Proteinteilhydrolysaten nur Sojaproteinisolate zugelassen. Proteine aus der Milch anderer Tierarten, z. B. Ziegenmilch, sind in der Europäischen Gemeinschaft (EG) nicht zugelassen. Mit der Änderungsrichtlinie von 1996 wurde u. a. der Zusatz langkettiger mehrfach ungesättigter Fettsäuren (»long chain polyunsaturated fatty acid«, LCPUFA) ermöglicht. Da in der pränatalen und postnatalen Phase das Enzymsystem zur Synthese von Arachidonsäure (20:4n-6) und Docosahexaensäure (22:6n-3), die in Gehirn und Nervenzellen akkumulieren, aus ihren Vorstufen Linolsäure (18:2n-6) und α-Linolensäure (18:3n-3) noch nicht voll wirksam ist, können frühgeborene und möglicherweise auch reifgeborene Säuglinge hinsichtlich ihrer visuellen und intellektuellen Entwicklung von einer Ernährung mit ausreichend LCPUFA profitieren. Säuglingsmilchnahrungen. Als Säuglingsmilchnahrungen werden Säuglingsnahrungen auf der Basis von Kuhmilchprotein bezeichnet. Auf dem deutschen Markt werden Säuglingsanfangsnahrungen mit der Silbe »Pre« oder der Ziffer »1« gekennzeichnet, Folgenahrungen mit der Ziffer »2« (nach dem 4. Monat) oder »3« (ab 8. Monat). »Pre-Nahrungen« enthalten als Kohlenhydrat ausschließlich Laktose, »1-Nahrungen« zusätzlich andere Kohlenhydrate, in der Regel Stärke (bis zu 2 g/100 ml Nahrung). Durch einen Zusatz von Stärke werden die Nahrungen etwas dickflüssiger und sollen daher sättigender wirken, obwohl der Energiegehalt nahezu gleich ist. Vergleichende Studien zur Sättigungswirkung von Pre- und 1-Nahrungen liegen nicht vor. Viele 1- und 2-Nahrungen enthalten neben Laktose und Stärke auch Zusätze von niedermolekularen Kohlenhydraten, z. B. Dextrin, Maltose und gelegentlich auch Saccharose. Diese bieten keinen ernährungsphysiologischen Nutzen, können aber den Geschmack der Nahrung in Richtung süß prägen (⊡ Tabelle 6.4).
> Die traditionelle auf den Kohlenhydratanteil bezogene Einteilung von Säuglingsmilchnahrungen in adaptiert (nur Laktose) und teiladaptiert (auch andere Kohlenhydrate, z. B. Stärke) gilt seit Einführung der EG-Richtlinie 1991 nicht mehr. ▼
125 6.1 · Physiologische Ernährung des Neugeborenen
⊡ Tabelle 6.4. Übersicht über Säuglingsanfangsnahrungen und Folgenahrungen in Deutschland. (Stand: 2003)
Hersteller Säuglingsanfangsnahrung »Pre«
Folgenahrung
»1«
Säuglingsmilchnahrungen Alete/ Nestlé
Aletemil Pre
Aletemil 1
Folgemilch 2b
Alnatura Aponti
Pre Aponti
Somalon Hipp
Aletemil 2 plusb,e, Aletemil 3 plusb,e
Bio-Anfangsmilch Pre
Holle
b
Aponti 1
Aponti 2b; Aponti 3e
Bebivita Dauermilch 1b
Bebivita Folgemilch 2b, Bebivita Baby-Aktiv Folgemilch 3b,e
Bio-Dauermilch 1
Bio-Folgemilch 2, Junior-Folgemilch 3b,e, Kinder-Folgemilche
Bio-Säuglingsmilchnahrung 1b
Bio-Säuglings-Folgemilch 2b Baby fit 2b,e, Humana 2b, Humana 3b,e
Humana
Anfangsmilch Pre
Dauermilch 1b, Baby-fit 1b,e
Milasan
Pre Milasan
Milasan 1
Milasan 2b, Milasan 3b,e
Milupa
Milumil Pred
Milumil 1d
Milumil 2b, Milumil 2 prebiotischb,d, Milumil 3b,e
Milupa
Aptamil Prea
Aptamil 1
Aptamil 2, Aptamil 3b
Nestlé
Beba Pre
Beba 1
Beba 2 probiotischc, Beba 2
Novalac
Novalac S1
Novalac 2
Sunval
Bio-Säuglingsmilchnahrung 1b
Bio-Folgemilch 2b
Lactana 1b,c
Lactana 2c, Lactana 3c
Ki-Na 1
Ki-Na 2
Alete/Nestlé Alete H.A.a
Alete H.A. 1
Alete H.A. 2
Aponti
Aponti H.A.
Milasan
Milasan HA 1
Milasan HA 2
Milupa
Milumil HA1
Milumil HA 2b
Beba H.A. 1
Beba H.A. 2 probiotischc, Beba H.A. 2
Töpfer
Pre Lactanac
WCO, Kinderkost Werk Schwache Hydrolysate
Milupa
Aptamil HA 1a
Nestlé
Beba Start H.A. Prea
Aptamil HA 2b
6
126
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
⊡ Tabelle 6.4 (Fortsetzung)
Hersteller Säuglingsanfangsnahrung »Pre«
»1«
Anfangsnahrung Pre HA
Anfangsnahrung HA 1b
Anfangsnahrung HA 2b
Humana
Humana HA 1b
Humana HA 2b
Töpfer
Lactana HA1
Lactana HA2
Hipp
6
Folgenahrung
a b
c d e
Zusatz von »long chain polyunsaturated fatty acid« (LCPUFA) Zusatz von weiteren Kohlenhydraten (außer Laktose und Stärke sowie Maltodextrin bei schwachen Hydrolysaten) Zusatz von Probiotika Zusatz von Präbiotika Zusatz von Geschmacksstoffen (z. B. Vanillin, Fruchtbestandteile)
Zusätze von Pro- und/oder Präbiotika. Zur Zeit sind in Deutschland mehrere Säuglingsnahrungen mit Zusätzen von Pro- oder Präbiotika auf dem Markt (⊡ Tabelle 6.4). Probiotika sind Milchsäurebakterien, die nach Herstellerangaben helfen, Verdauungsstörungen und Hautrötungen im Windelbereich zu verhindern, und die die natürliche Darmflora unterstützen. Für den Zusatz von Präbiotika in Form von unverdaulichen Oligosacchariden wird mit einer Stärkung der gesunden Darmflora, die die Abwehrkräfte unterstützt, geworben. Studien zu Probiotika gibt es v. a. im Bereich der Allergieprävention und -therapie sowie der Therapie von Durchfällen. Allerdings fehlt bisher der Nachweis eines längerfristigen klinischen Nutzens der Zugabe von Probiotika zu Säuglingsanfangsnahrung. Hinweise auf einen kurzfristigen Nutzen einiger Bakterienstämme bei infektiösen Durchfallerkrankungen gibt es bei Säuglingen und Kleinkindern. Die ESPGHAN (European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition) befürwortet deshalb einen Zusatz von Probiotika zu Säuglingsanfangsnahrung nur bei nachgewiesener Sicherheit und Wirksamkeit. Gegenüber einem Zusatz von Probiotika zu Folgenahrung ab dem 5. Monat bestehen weniger Bedenken. Auch die ge-
▼
127 6.1 · Physiologische Ernährung des Neugeborenen
nauen Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen von Präbiotikazusätzen zu Säuglingsnahrungen sind noch nicht ausreichend untersucht. Säuglingsnahrungen für allergiegefährdete Säuglinge. Das Ziel der nutritiven Primärprävention von Allergien im Säuglingsalter ist die Vermeidung des Kontakts mit nativem Kuhmilchprotein. Für nichtgestillte Säuglinge werden hierfür Säuglingsnahrungen angeboten, deren Antigengehalt durch Bearbeitung der Proteine mit lebensmitteltechnologischen Verfahren reduziert wurde. Säuglingsnahrungen mit partiell hydrolysiertem Protein (schwache Hydrolysate), »HA-Nahrungen«, unterliegen denselben gesetzlichen Regelungen wie Säuglingsanfangsnahrung bzw. Folgenahrung. Sie sind nicht für die Ernährung von Säuglingen und Kindern mit nachgewiesener Kuhmilchproteinallergie geeignet (⊡ Tabelle 6.4).
> Neben diesen schwachen Hydrolysatnahrungen werden heute teilweise auch starke Hydrolysate ( Abschn. »Spezialnahrungen«) zur Allergieprävention eingesetzt. Da der Effekt einer primären Allergieprävention durch nutritive Maßnahmen auch durch das genetische Risiko des Kindes beeinflusst wird und sich der Hydrolysegrad auch innerhalb einer Produktgruppe unterscheidet, kann noch keine eindeutige Empfehlung gegeben werden, welches Produkt bei welcher allergischen Vorbelastung optimal ist. Erste Ergebnisse der GINI-Studie (German Infant Nutritional Intervention Program) zeigten, dass eine extensive Hydrolysatnahrung auf der Basis von Kasein gegenüber einer HA-Nahrung nur einen geringfügigen Vorteil bei der Allergieprävention hat. Im Allgemeinen werden daher weiterhin HA-Nahrungen für die Vorbeugung von Allergien empfohlen. Spezialnahrungen Sojanahrungen. Sojanahrungen sind als Säuglingsanfangsnahrungen oder bilanzierte Diäten auf dem Markt (⊡ Tabelle 6.5). Ihr Proteinanteil stammt ausschließlich aus Sojaproteinisolaten. Sie sind kuhmilch- und laktosefrei und enthalten Zusätze von Taurin und Carnitin. Sie können zur laktosefreien oder kuhmilchfreien Ernährung des Säuglings sowie zur Therapie einer Kuh-
▼
6
128
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
⊡ Tabelle 6.5. Übersicht über Spezialnahrungen. (Stand 2003)
Hersteller
Spezialnahrung
Heilnahrungen Humana
6
HN Heilnahrung, HN mit MCT Heilnahrung, HN + Elektrolyt Heilnahrung
Nestlé
Beba Durchfall-Diäta
Novalac
Novalac D
Milupa
HN 25
Nahrungen bei Verdauungsstörungen Mead Johnson
enfamil Comfort
Milupa
Conformil
Nestlé
Beba Sensitiveb
Novalac
Novalac BK 1, Novalac S, Novalac V
Antirefluxnahrungen Milupa
Aptamil AR
Starke Hydrolysate Mead Johnson
Nutramigen d, Nutramigen 2 LGG (ab 4. Monat)a,d, Pregestimild
Milupa
Pregomine
Nestlé
alfaréc
SHS
Pepti Juniorc
Sojanahrungen De-Vau-Ge Gesundkostwerk
SojaInstant Plus
Humana
Humana SL
Mead Johnson
ProSobee
Milupa
Milupa SOM
Töpfer
Lactopriv
Aminosäuremischungen Milupa
Pregomin AS
SHS
Neocate, Neocate Advanced
a b c d e
Zusatz von Probiotika Schwaches Hydrolysat Auf Basis von Molke Auf Basis von Kasein Auf Basis von Soja und Schweinekollagen
129 6.1 · Physiologische Ernährung des Neugeborenen
milchproteinallergie eingesetzt werden; allerdings besteht v. a. im 1. Lebensjahr ein erhöhtes Risiko einer Sensibilisierung gegen Soja. Nicht geeignet sind Sojanahrungen zur Allergieprävention. Die Gabe von Sojanahrungen ist allerdings nicht unumstritten, z. B. wegen der schlechteren Absorption von Mineralstoffen und des hohen Gehalts an östrogenartig wirkenden Isoflavonen. Starke Hydrolysate. Säuglingsnahrungen mit extensiv hydrolysiertem Protein (starke Hydrolysate) werden auf Basis unterschiedlicher Proteine (Molke, Kasein, Soja, Kollagen) hergestellt und unterliegen als bilanzierte Diäten speziellen gesetzlichen Regelungen (⊡ Tabelle 6.5). Sie sind nur in Apotheken erhältlich und schmecken deutlich bitter. Außer Kuhmilchproteinallergien werden auch verschiedene andere Indikationen angegeben, z. B. Stoffwechselstörungen.
> Manche starke Hydrolysate enthalten im Gegensatz zu Säuglingsanfangsnahrungen einen Zusatz von Fluorid, der bei der Durchführung der Kariesprophylaxe berücksichtigt werden muss. Aminosäuremischungen. In Säuglingsnahrungen auf Basis von Aminosäuremischungen (⊡ Tabelle 6.5) wurde der Proteinanteil vollständig durch Aminosäuren ersetzt. Sie gelten wie die starken Hydrolysate als bilanzierte Diäten. Aminosäuremischungen schmecken neutral und sind nur in Apotheken erhältlich. Neben Kuhmilchproteinallergien sind sie je nach Zusammensetzung auch zur Ernährung bei z. B. Laktoseintoleranz, Galaktosämie etc. geeignet. Da sie völlig allergenfrei sind, beeinträchtigen sie möglicherweise die erwünschte Entwicklung einer Toleranz gegen Fremdproteine. Säuglingsnahrungen für Säuglinge mit milden Verdauungsstörungen. In Drogerien und Supermärkten und teilweise in Apotheken werden auch Nahrungen für Säuglinge mit Spucken, Blähungen und milden Verdauungsstörungen angeboten. Obwohl sie wie Säuglingsanfangsnahrungen oder Folgenahrungen aufgemacht sind, entsprechen sie nicht den Vorschriften für die Zusammensetzung solcher Nahrungen (⊡ Tabelle 6.3). Statt dessen handelt es sich bei diesen Produkten um bilanzierte Diäten. Bilanzierte
▼
6
130
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
Diäten sind aber zum Einsatz bei spezifischen Erkrankungen gedacht und sollen nur unter medizinischer Überwachung eingesetzt werden. Da außerdem die Wirkungsversprechen dieser Produkte nicht begründet scheinen, wird die Verwendung nicht empfohlen (⊡ Tabelle 6.5).
6
Heilnahrungen. Als Heilnahrungen wird eine heterogene Gruppe von Präparaten bezeichnet, die nach Herstellerangaben für verschiedene Indikationen eingesetzt werden sollen, vorwiegend bei Durchfallerkrankungen (⊡ Tabelle 6.5). Dabei ist die Bezeichnung »Heilnahrung« irreführend, denn sie soll und kann nicht heilen, sondern nach einem heute nicht mehr empfohlenen Therapiekonzept für den langsamen Nahrungsaufbau nach einer Nahrungskarenz Verwendung finden. In modernen Therapiekonzepten werden diese Nahrungen allerdings nicht mehr eingesetzt, da jetzt neben der Rehydratation mit Glukose-Elektrolyt-Lösungen ein frühzeitiger rascher Nahrungsaufbau mit einer kompletten Nahrung empfohlen werden. Zubereitung von Säuglingsflaschennahrung Zubereitete und erwärmte Säuglingsnahrung ist ein guter Nährboden für Enterobacter und andere Keime. Bei der Zubereitung und Aufbewahrung sollten daher folgende Punkte berücksichtigt werden: ▬ Wasser (Trinkwasser, Mineral- oder Babywasser) vor der Zubereitung abkochen. Mineralwasser oder Babywasser nach dem Öffnen im Kühlschrank aufbewahren. ▬ Dosierungsempfehlungen auf der Verpackung genau einhalten, Messlöffel mit einem Messerrücken abstreichen. ▬ Angebrochene Packungen des Milchpulvers verschlossen aufbewahren. ▬ Zubereitete Säuglingsnahrung nicht länger als 4 h bei Raumtemperatur aufbewahren. ▬ Gespülte Säuglingsflaschen und Sauger sterilisieren, z. B. durch auskochen (3 min) oder in einem Vaporisator. Unter Klinikbedingungen sollte für Neu- und Frühgeborene die Verwendung von sterilen, trinkfertigen portionierten Flüssignahrungen erwogen werden.
▼
131 6.1 · Physiologische Ernährung des Neugeborenen
Wasser für Säuglingsnahrungen Für die Zubereitung von Säuglingsnahrung sollte frisch aus der Kaltwasserleitung entnommenes Trinkwasser eingesetzt werden. In der Leitung über Nacht abgestandenes Wasser sollte so lange abgelaufen werden lassen, bis fühlbar kälteres Wasser erscheint. Leitungen aus Kupfer für Trinkwasser sind in der Regel unbedenklich [Ausnahme: frisch installierte Rohre oder pH-Wert des Trinkwassers <7,3 (Wasserhärtebereich 4) bzw. bis <7,0 (weichere Wasser)]. Trinkwasser, das mit überhöhten Gehalten an Nitrat oberhalb der Trinkwasserverordnung (>50 mg/l), Blei (z. B. aus Bleileitungen in Altbauten), Kupfer oder anderen toxischen Substanzen belastet ist, sollte nicht verwendet werden. Die Gehalte von Mineral- und Schadstoffen lassen sich bei den örtlichen Gesundheitsämtern oder Wasserwerken erfahren. Ist das Trinkwasser nicht geeignet, kann ein stilles Mineralwasser mit dem Hinweis »für die Zubereitung von Säuglingsnahrung geeignet« oder abgepacktes Wasser für Säuglinge verwendet werden. Zusätze zum Andicken der Nahrung Durch Andicken von Säuglingsnahrung mit Stärke oder Johannisbrotkernmehl kann das Ausmaß des Spuckens bei Säuglingen reduziert und der hierdurch auftretende Energie- und Nährstoffverlust vermindert werden. Eine bereits angedickte Säuglingsmilchnahrung (Antirefluxnahrung) ist auf dem Markt (⊡ Tabelle 6.5). Allerdings gibt es keine Untersuchungen zu den möglichen Auswirkungen des Andickens auf die Nährstoffabsorption und -metabolisierung. Daher wird empfohlen, bei häufig spuckenden Säuglingen ohne Trinkschwäche, Nahrungsverweigerung, Gedeihstörung oder andere Hinweise auf eine Refluxkrankheit zu versuchen, das Spucken durch die häufige Gabe kleinerer Mahlzeiten und ausgiebiges Aufstoßenlassen nach dem Trinken zu vermindern. Die Indikation angedickter Nahrung sollte nur durch den Arzt gestellt werden. In vielen Fällen ist es auch ausreichend, Eltern oder Betreuungspersonen hinsichtlich des zumeist harmlosen Charakters des Symptoms zu beraten.
▼
6
132
6
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
Zusätze zur Kalorienanreicherung Eine Kalorienanreicherung von Säuglingsnahrung sollte nur vorsichtig und unter ärztlicher Aufsicht geschehen. Indikationen sind v. a. chronische Erkrankungen, z. B. Mukoviszidose, Leukämie oder chronisch entzündliche Darmerkrankungen und einige seltene Stoffwechselstörungen des Proteinabbaus, z. B. Organoacidämien, Harnstoffzyklusdefekte, Ahornsirupkrankheit sowie Aufholwachstum z. B. von Frühgeborenen. Eine zusätzliche Konzentrierung der Säuglingsnahrung ist zur Kalorienanreicherung nicht geeignet, weil die dadurch erfolgende Erhöhung der renalen Molenlast zu Belastungen der Niere führt. Zusätze von Speiseölen mischen sich nur schlecht mit der Säuglingsnahrung. Am besten werden zur Energieanreicherung Präparate auf der Basis von Maltodextrin oder einer Kombination von Maltodextrin und Fett verwendet. Außerdem sind Fettemulsionen auf dem Markt; hierbei muss allerdings auf die Verträglichkeit geachtet werden (⊡ Tabelle 6.6).
⊡ Tabelle 6.6. Übersicht über Präparate zur Kalorienanreicherung von Säuglingsnahrung
Hersteller
Produkt
Maltodextrin metaX
MaltoCal19
Nestlé
Caloreen
SHS
Maltodextrin 19
SHS
Maltodextrin 6
Maltodextrin und Fett metaX
BiCal5
SHS
Duocal
SHS
Duocal mit MCT-Fett
Fettemulsionen SHS
Liquid Duocal
SHS
Calogen
133 6.2 · Ernährung des Kleinkinds und Schulkinds
6.2
6
Ernährung des Kleinkinds und Schulkinds
M. Krawinkel 6.2.1 Beikost Spätestens nach 6 Monaten reicht die Muttermilch oder eine künstliche Säuglingsnahrung allein für die Ernährung des Kindes in der Regel nicht aus. Daher gilt die Empfehlung, ab dem Alter von 4–6 Monaten zuzufüttern. An die Beikost werden folgende Anforderungen gestellt: ▬ Sie muss nutritiv auf die Verdauungskapazität des Säuglings abgestimmt sein. ▬ Sie muss hygienisch einwandfrei sein, um das Kind nicht mit pathogenen Keimen zu konfrontieren. ▬ Sie muss so dem Bedarf des Säuglings entsprechen, dass es nicht zu Mangelzuständen kommt. Das Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) in Dortmund hat einen Ernährungsplan für das erste Lebensjahr aufgestellt, der allgemein als Orientierung dienen kann (⊡ Abb. 6.1). In Abweichung von der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation, aber übereinstimmend mit der gängigen Praxis in Deutschland wird ab
⊡ Abb. 6.1. Ernährungsplan für das erste Lebensjahr des Forschungsinstituts für Kinderernährung, Dortmund
134
6
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
dem 5. Monat zunächst ein Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei (20–30 g mageres Fleisch, 90–100 g Gemüse, 40–60 g Kartoffeln, 30–45 g Obstsaft, 8–10 g Pflanzenöl), dann ein Vollmilch-Getreide-Brei und schließlich ein Getreide-ObstBrei eingeführt. Letzterer wird im 10. Monat durch 2 Zwischenmahlzeiten ersetzt. An die Stelle des Vollmilch-Getreide-Breis und der letzten Muttermilch- oder Säuglingsnahrungsmahlzeit tritt dann in den folgenden 2 Monaten eine Brot-Milch-Mahlzeit. Stillen oder die Gabe von Muttermilch kann weiter fortgesetzt werden. Ein Milchverzehr von ca. 200–250 ml/Tag sollte während der gesamten Wachstumsphase beibehalten werden, um die Kalziumversorgung sicherzustellen. Im Rahmen einer laktoovovegetarischen Ernährung kann der GemüseKartoffel-Fleisch-Brei auch fleischfrei zubereitet werden (100 g Gemüse, 50 g Kartoffeln, 20 g Wasser, 10 g Haferflocken, 30 g Obstsaft, 8 g Pflanzenöl). Empfehlungen für die altersgerechte Energie- und Nährstoffzufuhr sind den Empfehlungen der Deutschen, Österreichischen und Schweizer Gesellschaften für Ernährung zu entnehmen (DGE 2000). Die Fachgesellschaften für Kinderheilkunde und Jugendmedizin sowie für Ernährung empfehlen die Supplementierung der Ernährung im Säuglingsalter mit 400 IE Vitamin D sowie 0,25 mg Fluorid pro Tag. Die Fluorgabe als Kariesprophylaxe ersetzt nicht die lokale Zahnpflege, da zuckerhaltige Säuglingsnahrungen, Beikost und Getränke die Entwicklung von Karies begünstigen.
6.2.2 Abstillen Im Laufe der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres werden die meisten Kinder abgestillt. Aus ernährungsphysiologischer Sicht spricht nichts gegen eine Fortsetzung des Stillens oder Ernährung unter Einbeziehung von Muttermilch bis ins 2. oder 3. Lebensjahr. Lediglich bei nachgewiesener hoher Schadstoffbelastung wird zu einem Abstillen im Alter von 6 Monaten geraten. Optimal wird nicht von einem Tag auf den anderen abgestillt, sondern schrittweise die Muttermilch durch eine Folgenahrung bzw. Kuhmilch ersetzt. Bei der Einführung von Familienkost sollten einige Empfehlungen berücksichtigt werden: ▬ Auf Salzen und scharfes Würzen sollte grundsätzlich weiterhin verzichtet werden. ▬ Schwer verdauliche, blähende und sehr fettreiche Lebensmittel sollten vermieden werden.
135 6.2 · Ernährung des Kleinkinds und Schulkinds
6
▬ Kleine harte Lebensmittel, wie z. B. Nüsse vermeiden, da diese leicht beim Verschlucken in die Luftröhre gelangen können. ▬ Mit dem Übergang auf Familienkost wird die Nahrung zunehmend fester; so muss Wasser extra angeboten werden. Als Durstlöscher eignet sich Trinkwasser, das aus einer Tasse angeboten werden kann.
6.2.3 Empfehlung für eine bedarfsgerechte
Kinderernährung Bei den Empfehlungen für eine bedarfsgerechte und gesundheitsorientierte Ernährung im Kindes- und Jugendalter wird hier beispielhaft wiederum auf das Konzept des Forschungsinstituts für Kinderernährung, Dortmund, zurückgegriffen. Das Konzept »Optimix« vereinigt die wesentlichen Anforderungen an eine artgerechte und zeitgemäße Kinderernährung (⊡ Abb. 6.2).
⊡ Abb. 6.2. Konzept »Optimix« des Forschungsinstituts für Kinderernährung, Dortmund
136
6
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
Die ⊡ Abb. 6.2 benennt die wesentlichen Aspekte, die berücksichtigt werden sollten, um einerseits Wachstum und Entwicklung zu fördern und andererseits ernährungsbedingten Krankheiten (Adipositas, Dyslipidämien, Arteriosklerose, Diabetes mellitus Typ 2 u. a.) vorzubeugen. Das Einüben eines solchen rational ausgestalteten Ernährungskonzepts, das den Aspekt des Genusses einschließt, ist nicht nur für die aktuelle Lebensphase von Bedeutung, sondern auch für die langfristige Prägung von Ernährungsgewohnheiten. Dann ist »Futtern wie bei Muttern« ein positives Bild und nicht mehr so häufig, wie in der zweiten Hälfte des 20. Jh., ein Synonym für den Bedarf übersteigende, sekundär motivierte Nahrungsaufnahme. Drei Hauptregeln bei der Umsetzung des Konzepts »Optimix« sind ▬ sparsamer Umgang mit fett- und zuckerreichen Lebensmitteln, ▬ mäßiger Verzehr von Lebensmitteln vom Tier, ▬ reichliche Konsumtion pflanzlicher Lebensmittel und kalorienarmer Getränke. ⊡ Tabelle 6.7 gibt einen Anhalt für durchschnittliche Verzehrsmengen von Lebensmitteln im Rahmen von »Optimix«. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Nahrungsaufnahme bei Kindern von Tag zu Tag außerordentlich variiert: An manchen Tagen wird weniger als empfohlen verzehrt, an anderen viel mehr. Auch die Zusammensetzung der Nahrung darf diese Schwankungen mitvollziehen, ja die Variabilität der täglichen Ernährung ist Teil der Gewährleistung von Vielfalt und Ausgewogenheit der Aufnahme der Nährstoffe. Wenn eine Gefährdung von der Gewöhnung an »fast food« ausgeht, dann ist dies ganz wesentlich ein Verlust an Vielfalt. Fast jedes Nahrungs- oder Genussmittel für Kinder ist – für sich betrachtet – bei gelegentlichem Verzehr eine Bereicherung und nur bei überwiegendem oder ausschließlichem Konsum ein Risikofaktor für eine Fehlernährung.
6.2.4 Flüssigkeitszufuhr Die zuzuführende Flüssigkeitsmenge orientiert sich an den D-A-CH-Empfehlungen. ⊡ Tabelle 6.8 führt die altersentsprechenden Angaben auf, die naturgemäß ebenfalls Orientierungswerte darstellen, die an einzelnen Tagen unter- oder überschritten werden.
6
137 6.2 · Ernährung des Kleinkinds und Schulkinds
⊡ Tabelle 6.7. Altersgemäße Lebensmittelverzehrsmengen nach dem »OptimixKonzept«
Mengen jeweils pro Tag
4–6 Jahre
13–14 Jahre
Weiblich und Weiblich männlich
Mengenanteil am Verzehr Männlich [%]
Energie [kcal]
1.450
2.200
2.700
Menge [g]
2.000
2.820
3.160
Getränke [ml]
800
1.200
1.300
Brot, Getreide(-flocken) [g]
170
250
300
9
Kartoffeln, Reis, Nudeln [g]
130
200
250
7
Empfohlene Lebensmittel Reichlich 40
Gemüse [g]
200
260
300
10
Obst [g]
200
260
300
10
Gesamt
76
Mäßig Milch und -produktea[g] Fleisch, Wurst [g] Eier [Stück/Woche] Fisch [g/Woche]
350
425
450
40
65
75
2
2
2–3
2–3
<1
100
200
200
<1
Gesamt
18
21
Sparsam Öl, Butter, Margarine [g]
25
35
Geduldete Lebensmittel
≤10% der Gesamtenergie
[max. kcal]
150
220
40
1 3
270
Beispiel: je 100 kcal = 1 Kugel Eiscreme oder 45 g Obstkuchen oder 4 Butterkekse oder 4 Esslöffel Flakes oder 4 Teelöffel Zucker oder 3 Esslöffel Marmelade oder 30 g Fruchtgummi oder 20 g Schokolade oder 10 Stück Chips a Der Kalziumgehalt von ca. 15 g Schnittkäse oder 30 g Weichkäse entspricht dem von 100 ml Milch.
138
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
⊡ Tabelle 6.8. Empfehlungen zur Flüssigkeitszufuhr im Kindes- und Jugendalter. (D-A-CH 2000)
Altersgruppe
6
Flüssigkeit [ml/kg KG und Tag]
Säuglinge unter 4 Monaten
130
Säuglinge von 4 bis <12 Monaten
110
Kleinkinder von 1 bis <4 Jahren
95
Kinder von 4 bis <7 Jahren
75
Kinder von 7 bis <10 Jahren
60
Kinder von 10 bis <13 Jahren
50
Jugendliche ≥13 Jahre
40
Das Getränkeangebot soll kalorienarme Getränke bevorzugen, d. h. Wasser, Tees (warm oder gekühlt) sowie Milch und Fruchtsäfte (evtl. mit Wasser verdünnt). Gesüßte Getränke und Fruchtsäfte bedürfen einer begleitenden Zahnpflege, um Karies zu vermeiden.
6.2.5 Lebensmittelauswahl von Kindern und Jugendlichen Die Lebensmittelauswahl von Kindern und Jugendlichen unterliegt zahlreichen Einflussgrößen. Dabei spielen wohl genetische Faktoren eine eher geringere Rolle als solche, die in der Familie, der Kindergruppe, den Betreuungseinrichtungen und unter dem Einfluss der Lebensmittelwerbung erfahren werden. Soziale Bedingungen, Selbstvertrauen und rational-kognitive Faktoren kommen zu den erfahrenen Faktoren hinzu. Lebensmittelauswahl als Element von Erziehung und Bildung ist in Deutschland unterentwickelt und nur in geringem Umfang oder in speziellen pädagogischen Konzepten (z. B. Anthroposophie) berücksichtigt. Gleichzeitig werden traditionelle Prägungen zunehmend aufgegeben, so dass die Kinder schon in frühem Alter statt ein auf den eigenen Bedarf ausgerichtetes Auswahlkonzept für Lebensmittel zu entwickeln der Werbung der Nahrungs- und Genussmittelindustrie ausgesetzt sind. Spontane Vermeidung bestimmter Lebensmittel kann in Einzelfällen Hinweise auf nichtdiagnostizierte Unverträglichkeiten geben, z. B. Gemüse bei
139 6.2 · Ernährung des Kleinkinds und Schulkinds
6
hereditärer Fruktoseintoleranz, Gebäck/Nudeln aus Weizenmehl bei Zöliakie oder Hühnerei bzw. Kuhmilch bei einer Nahrungsmittelallergie.
Natürliche Lebensmittel, Rohkost Das Konzept »Optimix« weist bereits darauf hin, dass möglichst wenig chemisch, thermisch oder durch andere Formen der Bestrahlung behandelte Lebensmittel verzehrt werden sollen. Dies erstreckt sich natürlich auch auf die Auswahl nach Anbau- und Herstellungsverfahren, die für die Kinderernährung hinsichtlich der Rückstände von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln mindestens die Standards der in Deutschland festgelegten Lebensmittelkontrolle erfüllen müssen.
Verarbeitete Lebensmittel, »fast food« Da sich in Deutschland um die Wende vom 20. Jh. zum 21. Jh. ein Trend abzeichnet, bei dem Mahlzeiten weniger in den Haushalten selbst vorbereitet werden, und stärker auf verarbeitete und Fertiggerichte zurückgegriffen wird, ist es für die Kinderernährung wichtig, dass diese Lebensmittel und Gerichte so umfassend deklariert sind, dass den Etiketten detaillierte Informationen über ihren Beitrag zu einer bedarfs- und gesundheitsorientierten Ernährung entnommen werden können. Diese Deklaration der Nahrungsinhaltstoffe ist in anderen Ländern weiter entwickelt (z. B. Schweiz, teilweise USA u. a.). Edukativ ist von Bedeutung, dass Kinder und Jugendliche an eine bewusste selbstständige Lebensmittelauswahl herangeführt werden. Nur so kann einer Fremdbestimmung durch kritiklose Übernahme von Werbebotschaften in sozialen Gruppen entgegengewirkt werden.
Snacks, Riegel etc. Einerseits ist kein Lebensmittel von sich aus ungeeignet, gelegentlich ein Ernährungskonzept zu bereichern; andererseits sollten Snacks, Riegel und andere Formen der Zwischenmahlzeiten nicht regelmäßiger Bestandteil eines – häufig wenig bewusst gestalteten – Ernährungskonzeptes sein. Als Zwischenmahlzeiten bieten sich Nüsse und Obst an; hierbei muss der Kaloriengehalt durch Fette oder Zucker berücksichtigt werden. Auch Schokolade, Kuchen, Bonbons und andere Süßigkeiten können in geringen Mengen in einem vollwertigen Ernährungskonzept ihren Platz haben und sollten keinem starren Verbot unterliegen. Für Obst und Süßigkeiten (auch Marmeladen und Honig) gilt, dass zweimal täglich, insbesondere vor dem abendlichen Schla-
140
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
fengehen, die Zähne sorgfältig geputzt werden müssen, um der Entwicklung von Karies vorzubeugen.
6.3
Spezielle Kostformen
M. Krawinkel
6
Im Rahmen multikultureller Vielfalt in allen Lebensformen kommt der Diversität von Ernährungs- und Kostformen eine zunehmende Bedeutung zu. Neben dem »mainstream« der Ernährung, der sich unter wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Einflüssen selbst stetig verändert, hat sich eine weit gehende Toleranz gegenüber subkulturellen Varianten entwickelt. Diese geht so weit, dass die Grenze zwischen einer Orientierung am Wohl des Kindes und einer ideologisch motivierten Vernachlässigung seiner Interessen teilweise unscharf geworden ist. Die Globalisierung bewirkt eine zusätzliche Diversifizierung, da unterschiedliche Traditionsstränge nebeneinander existieren (z. B. türkischstämmige Familien unterschiedlich starker traditioneller Prägung neben deutsch-, marokkanisch- oder russischstämmigen und viele andere).
6.3.1 Vegetarismus, Veganismus, Rohköstler Bei Beachtung der Energie- und Nährstoffbedürfnisse von Säuglingen und Kindern ist eine laktoovovegetarische Ernährung unproblematisch. Der Begriff laktoovovegetarisch steht für die Verwendung von Eiern und Milch sowie Milchprodukten neben den pflanzlichen Lebensmitteln. Die Ergänzung der rein pflanzlichen Kost mit diesen Tierprodukten ist angezeigt, um insbesondere den Vitamin-B12-Bedarf zu decken. Daneben bedürfen die Kalzium-, Eisen- und Proteinzufuhr besonderer Beachtung. Außerordentlich schwierig ist es dagegen, den Nährstoff- und Energiebedarf von Säuglingen durch eine veganische (rein pflanzliche) oder eine makrobiotische (auf Getreide und Wasser aufgebaute) Ernährung zu decken. Hierbei werden so viele Lebensmittel ausgeschlossen, dass entweder notwendige Nährstoffe gar nicht zugeführt werden, oder dass das Kind so große Mengen der entsprechenden Nahrungsmittel verzehren muss, dass es damit überfordert ist. Berichte über lebensgefährliche Mangelzustände und schwere Behinderungen als Folge z. B.
141 6.3 · Spezielle Kostformen
6
von inneren und zerebralen Blutungen fordern eine Beratung, die den Eltern oder Betreuungspersonen dringend von solchen »Ernährungsexperimenten« abrät. Extreme Auslassdiäten gehören, genauso wie das Vorenthalten von Nahrung, in den Bereich der Kindesmisshandlung.
6.3.2 Trennkost nach Hay Die Anhänger einer Trennkost nach Hay vertreten die Vorstellung, dass bestimmte Nahrungsinhaltstoffe nur getrennt und nicht miteinander aufgenommen werden dürfen. Dies geht in eine ähnliche Richtung wie die jüdische Vorstellung von »koscherer« Kost. Diese Ernährungsformen stellen für die bedarfsgerechte Kinderernährung kein Problem dar.
6.3.3 Fasten Fastenkuren gelten Menschen als nützlich nicht nur unter religiösen Vorstellungen, sondern auch als »Heilverfahren«. In Anbetracht der Tendenz zur übersteigerten Energie- und Nährstoffaufnahme der Wohlstandsgesellschaft ist solchen Vorstellungen nicht generell zu widersprechen. Werden sie auf die Kinderernährung übertragen, so kann es gefährlich werden, denn je jünger das Kind ist, desto mehr ist es darauf angewiesen, regelmäßig und in ausreichender Menge mit den notwendigen Nährstoffen sowie Wasser und Nahrungsenergie versorgt zu werden. Daher sollten Kinder besser mit dem oben skizzierten Konzept »Optimix« von vorneherein so ernährt werden, dass die Kost weder einseitig noch krankheitsfördernd ist. Fastenkuren sind frühestens ab dem Schulalter und auch dann nur unter ärztlicher Betreuung hinnehmbar; andernfalls führen auch sie – trotz kinderfreundlicher Absicht – an den Rand der Kindesmisshandlung. Zur Behandlung der Adipositas sind Fastenkuren im Kindesalter obsolet; hier hilft nur eine Ernährungsumstellung unter Berücksichtung der gesamten Familie in Verbindung mit einer Steigerung der körperlichen Aktivität. Dies setzt neben ärztlichem und pflegerischem Engagement den Einsatz spezieller Therapeuten, wie Ernährungsberater, Trainer und ggf. Sozialarbeiter oder Psychologen, voraus. Die Ernährung des Kindes ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, da Kinder erst entsprechend ihrem Entwicklungsfortschritt in die eigenständige
142
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
Lebensmittelauswahl eintreten können. Davor ist es Aufgabe der Eltern und Betreuer, eine bedarfsgerechte, die Entwicklung und Gesundheit fördernde Ernährung zu gewährleisten.
6.4
Sondenernährung
S. Razeghi, R. Behrens
6
6.4.1 Indikation Eine enterale Ernähung mit einer Sonde wird notwendig, wenn eine adäquate Nährstoff- und/oder Flüssigkeitszufuhr per os nicht möglich ist. Die häufigsten Indikationen für eine längerfristige Sondenernährung im Kindesalter sind Schluckstörungen, hochkalorische Zusatzalimentation im Rahmen chronischer Erkrankungen oder chronisches Erbrechen/Übelkeit (⊡ Tabelle 6.9). Bei den Patienten mit neurogener Schluckstörung handelt es sich großteils um solche mit Zustand nach peripartaler Schädigung des Zentralnervensystems (ZNS), außerdem um Patienten mit chromosomalen Abberationen, ZNSFehlbildungen, neurodegenerativen oder neuromuskulären Erkrankungen, posttraumatischen ZNS-Schädigungen o. Ä. Häufig ist in dieser Patienten-
⊡ Tabelle 6.9. Indikationen zur PEG-Sonden-Anlage bei 352 pädiatrischen Patienten. (Razeghi 2002)
Indikation
Erkrankung
Häufigkeit [%]
Schluckstörung
Neurogen/Fehlbildungssyndrom
72,3
Zusatzalimentation
Vitium cordis
6
Malignom
6
Pulmonale Erkrankung
3,7
Erbrechen/Übelkeit Diverse
Niereninsuffizienz
4,3
Stoffwechselerkrankung
5,1 2,6
143 6.4 · Sondenernährung
6
gruppe die Flüssigkeitsaufnahme stärker beeinträchtigt als die Aufnahme fester Nahrung. Dies führt zu rezidivierenden Aspirationen und oft auch zu einer hartnäckigen Obstipation. Eine Sonderstellung nehmen Frühgeborene ein, die aufgrund der Unreife vorübergehend mithilfe einer nasogastralen Sonde ernährt werden müssen. Eine Reihe chronischer Erkrankungen geht mit einem erhöhten Kalorienbedarf einher, der durch die orale Zufuhr (auch nach Anreicherung) nicht immer ausreichend gedeckt werden kann. Die Sondenernährung kann hier notwendig werden, um eine längerfristige Beeinträchtigung der Gewichtsund Längenentwicklung zu vermeiden. Häufige Indikationen sind angeborene Herzfehler, Malignome oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Bei Patienten mit Mukoviszidose konnte in mehreren Studien eine Verbesserung der Lungenfunktion und der Prognose durch eine hochkalorische (Sonden-)Ernährung gezeigt werden. Auch chronisches Erbrechen bzw. Übelkeit können eine Indikation zur Sondenernährung darstellen, z. B. bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz. Ebenso verweigern einige Patienten mit Stoffwechseldefekten die orale Aufnahme der unangenehm schmeckenden Spezialnahrung. Da die Nahrungskarenz hier häufig zu einer bedrohlichen katabolen Entgleisung der Stoffwechselsituation führt, kann eine Sondenanlage notwendig werden.
6.4.2 Zugangswege Die Ernährungssonde kann transnasal oder perkutan im Magen oder Dünndarm platziert werden. Zur Verfügung stehen: ▬ nasogastrale Sonde, ▬ nasojejunale Sonde, ▬ perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG), ▬ perkutane endoskopische Gastrostomie mit jejunalem Schenkel (PEG-J), ▬ perkutane endoskopische Jejunostomie (PEJ).
Nasogastrale Sonde Die Indikation zur Anlage einer nasogastralen Sonde ist ein gestörter Schluckakt, der zeitlich auf wenige Wochen (bis Monate) begrenzt ist (z. B. Frühgeborene). Aufgrund der Beeinträchtigung der Schluckfunktion und der Verschleimung durch die Irritation im Nasenrachenraum ist eine nasogastrale
144
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
Sonde bei Patienten mit chronischer Ernährungsstörung obsolet, da die orale Nahrungszufuhr hierdurch zusätzlich beeinträchtigt wird.
Nasojejunale Sonde
6
Ebenso wie die nasogastrale Sonde sollte die nasojejunale Sonde nur bei einer zeitlich begrenzten Ernährungsstörung verwendet werden. Indikation zur Platzierung im Dünndarm ist in erster Linie die passagere Magenentleerungsstörung, z. B. nach Operation. Die Sonde wird entweder in Durchleuchtung mithilfe eines Führungsdrahtes oder, wenn dies nicht gelingt, endoskopisch mithilfe einer Fasszange angelegt. Auch hierbei wird die Sondenlage radiologisch kontrolliert, um einen Reflux in den Magen nicht zu übersehen. > Um dieses zu vermeiden, muss die Sonde am bzw. jenseits des TreitzBandes platziert werden (d. h. im Jejunum und nicht im Duodenum).
Die Ernährung über eine Dünndarmsonde erfolgt grundsätzlich durch Dauerperfusion ( Abschn. »Bolusernährung vs. Dauerperfusion«).
Perkutane endoskopische Gastrostomie Die Anlage einer PEG-Sonde ist zu erwägen, wenn Patienten über einen längeren Zeitraum (d. h. mehr als 3 Monate) nicht ausreichend oral ernährt werden können. Die Entscheidung zur Anlage einer PEG-Sonde sollte maßgeblich von der Prognose der Erkrankung abhängig gemacht werden. Bei Patienten mit schwerer peripartaler Asphyxie oder neuromuskulärer Erkrankung, bei denen keine Besserung der Schluckfunktion zu erwarten ist, kann die PEG-Sonden-Anlage bereits frühzeitig (schon ab etwa 3 kg KG) erfolgen. Ist eine Besserung der Ernährungssituation zu erwarten, kann auch länger mit einer nasogastralen Sonde ernährt werden. Generell sollten in der Pädiatrie großlumige Sonden (14–15 Charr) verwendet werden, um ein Verstopfen der Sonde, z. B. durch Medikamente, zu vermeiden. Indikationen zur PEG-Sonden-Anlage sind in ⊡ Tabelle 6.9 zusammengefasst.
Kontraindikationen Diese sind in erster Linie eine Peritonitis und die Anorexia nervosa. Weiterhin ist die Anlage nicht sicher möglich, wenn bei der Endoskopie keine geeignete Stelle zur Platzierung identifiziert werden kann (d. h. fehlende Diaphanoskopie
145 6.4 · Sondenernährung
6
und pathologischer Nadelaspirationstest). Keine Kontraindikationen sind Peritonealdialyse, ein leichter Aszites, ein ventrikuloperitonealer Shunt oder ein Morbus Crohn.
Komplikationen Die meisten Komplikationen treten entweder unmittelbar bei bzw. kurz nach der Anlage auf; einige manifestieren sich aber erst mit einiger Latenzzeit: ▬ Lokalinfektionen sind die häufigste Komplikation. Bei systemischen Entzündungszeichen (Fieber, C-reaktives Protein ↑) ist eine intravenöse antibiotische Therapie indiziert; sonst reichen lokale Maßnahmen ( Abschn. »Pflege–Standard«). ▬ Die Rate an Sedierungskomplikationen wird maßgeblich durch die Komorbidität des Patientenkollektivs beeinflusst. ▬ Eine Peritonitis entsteht durch akzidentelle Perforation eines Hohlorgans, meist des Magens, und kann häufig konservativ therapiert werden. Der radiologische Nachweis eines Pneumoperitoneums nach Anlage ist häufig (40%) und hat beim asymptomatischen Patienten keine Konsequenz. ▬ Das Einwachsen der inneren Halteplatte in die Magenschleimhaut (»buried bumper«) sollte durch die korrekte Pflege ( Abschn. »Pflege–Standard«) vermieden werden. Tritt dies trotzdem auf, kann versucht werden, die Halteplatte endoskopisch frei zu präparieren. ▬ Eine Fehllage der PEG-Sonde im Kolon entsteht, wenn Querkolon bei der Anlage zwischen Bauchwand und Magen gelangt, und die Sonde unbemerkt transkolisch gelegt wird. Dies bleibt meist primär folgenlos. Im weiteren Verlauf kann die innere Halteplatte dann vom Magen ins Kolon penetrieren. Typischerweise berichten die Eltern dann über therapierefraktären Durchfall nach Sondierung. ▬ Die Dislokation der inneren Haltplatte in den Ösophagus oder Pylorus entsteht durch unzureichende Fixation der äußeren Halteplatte. Letztere führt zu Erbrechen nach oraler Nahrungsaufnahme, nicht jedoch nach Sondieren.
Durchführung Die Ernährung über eine PEG-Sonde kann wenige Stunden nach Anlage erst mit Tee, dann mit Nahrung, begonnen werden. Bei Patienten, die vor Sondenanlage bereits enteral ernährt wurden, kann ein zügiger Kostaufbau, oft innerhalb von 24 h, erfolgen. Bei parenteral ernährten Patienten sollte der
146
6
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
Kostaufbau je nach Verträglichkeit, meist über einige Tage, langsamer erfolgen. Ebenso erfolgt der Kostaufbau über eine jejunale Sonde in der Regel vorsichtiger ( Abschn. »Bolusernährung vs. Dauerperfusion«). Eine bilanzierte enterale Ernährung muss sämtliche lebensnotwendigen Nährstoffe (Kohlenhydrate, Eiweiß, Fett, Vitamine, Mineralien, Spurenelemente) enthalten. Dies wird dadurch gewährleistet, dass diese in den zur Verfügung stehenden Sondennahrungen in einem vorgegebenen Verhältnis vorliegen, das auf die Bedürfnisse der entsprechenden Altersgruppe angepasst ist. Für Patienten mit speziellen Nährstoffbedürfnissen im Rahmen einer chronischen Erkrankung stehen zusätzlich Spezialnahrungen zur Verfügung. Die Verwendung selbst hergestellter Nahrungen wird von den betroffenen Familien teilweise gewünscht, da hierdurch das Kind in gewissem Sinne weiter an den Mahlzeiten der Familie teilnimmt. Zu beachten ist dabei aber, dass selbst zubereitete Speisen mit einer sehr hohen Flüssigkeitsmenge verdünnt werden müssen, um sondengängig zu sein. Dadurch entsteht eine hohe Flüssigkeitsbelastung bei geringem (und nichtbilanziertem) Nährstoffgehalt. Insbesondere bei einer Dünndarmernährung ist die mit einer selbst hergestellten Nahrung verbundene unzureichende Hygiene zusätzlich nachteilig. Die Auswahl der verwendeten Sondennahrung erfolgt je nach Altersgruppe und Grunderkrankung. Eine Übersicht über die zur Verfügung stehenden Standardnahrungen für Kinder und Jugendliche gibt ⊡ Tabelle 6.10. Bei Säuglingen kann Säuglingsmilch verwendet werden. Die notwendige Nahrungsmenge wird anhand des alterspezifischen Energiebedarfes ( Kap. 2) ermittelt. Aufgrund des vorgegebenen Nährstoffverhältnisses ist deren altersentsprechende Zufuhr in der Regel gewährleistet, muss aber im weiteren Verlauf selbstverständlich kontrolliert werden ( Kap. 11). ! Häufig weicht der Energiebedarf kranker Kinder deutlich von den Empfehlungen für gesunde Kinder ab: Einerseits können Patienten mit chronischen Krankheiten (z. B. Herzfehlern) einen um bis zu 30% erhöhten Bedarf haben. Andererseits ist der Bedarf, z. B. Kindern mit Zerebralparese, deutlich geringer. Daher sind Verlaufskontrollen essenziell.
150 100
1–6 Jahre
7–12 Jahre
7–12 Jahre
1–10 Jahre
1–10 Jahre
≥1 Jahr
Tentrinia (Pfrimmer)
Tentrini energya (Pfrimmer)
Pediasure mit Ballaststoffena (Abbot)
Pediasure Plus (Abbot)
Peptamen Junior (Nestle)
a
100
1–6 Jahre
Nutrini energya (Pfrimmer)
16,7 (44,5%) 13,2 (53%)
4,2 (11,1%) 3 (12%)
11,2 (44,4%)
18,5 (49%)
12,3 (49%)
18,5 (49%)
12,3 (55%)
10,4 (55%)
10,3 (41%)
12,5 (50%)
Kohlenhydrate [g/100ml] (Anteil an Gesamtkalorien)
2,8 (11,1%)
4,9 (13%)
3,3 (13%)
4,1 (11%)
2,8 (9%)
1,7 (9%)
2,6 (10,4%)
2,5 (10%)
Eiweiß [g/100ml] (Anteil an Gesamtkalorien)
Nahrungen erhalten Ballaststoffe bzw. sind auch mit Ballaststoffen erhältlich
150
100
150
100
75
Nutrinia (Pfrimmer)
100
1–12 Monate
1–6 Jahre
Infatrini (Pfrimmer)
Nutrini L.ENa (Pfrimmer)
100
1–12 Jahre
Frebini original fibrea (Fresenius)
Kalorien/ 100 ml
Alter
Name/Hersteller
⊡ Tabelle 6.10. Auswahl pädiatrischer Sondennahrungen
4 (35%)
7,5 (44,4%)
5 (44,5%)
6,3 (38%)
4,2 (38%)
6,7 (40%)
4,4 (36%)
3 (36%)
5,4 (48,6%)
4,4 (40%)
Fett [g/100ml] (Anteil an Gesamtkalorien)
6.4 · Sondenernährung 147
6
148
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
Pflege-Standard
6
▬ Unmittelbar nach Anlage erfolgen ein Verband mit Schlitzkompresse und eine ausreichende Analgesie. ▬ Die äußere Halteplatte einer PEG-Sonde darf 10 Tage nach Anlage nicht gelockert werden, da sonst die Fixierung der Magenwand an die Bauchdecke nicht mehr gewährleistet ist und es zur Peritonitis kommen kann. ▬ Drei Tage nach Anlage ist Duschen, 10 Tage danach Baden möglich. ▬ Zehn Tage nach Anlage ist der Verband mit Schlitzkompresse nicht mehr notwendig. Ab diesem Zeitpunkt muss die Sonde 1-mal/Tag gelöst, wenige Zentimeter in den Magen geschoben, gedreht, wieder zurückgezogen und fixiert werden. Dies verhindert ein Einwachsen der inneren Halteplatte durch Magenschleimhaut (Buried bumper). ▬ Eine Rötung um die Einstichstelle wird mit NaCl (0,9%ig oder 3%ig) behandelt, eine Lokalinfektion z. B. mit Rivanol-Lösung. ▬ Nach jeder Sondenbenutzung wird diese mit Tee durchgespült, je nach Alter 10–30(–50) ml.
Medikamentangabe über PEG-Sonden Hierbei ist folgendes zu beachten: ▬ Bevorzugt sollten flüssige, orale Präparate verwendet werden. (Nicht alle i.v.-Präparate sind resorbierbar.) ▬ Feste orale Präparationen können evtl. gemörsert und über die Sonde gegeben werden. Problematisch ist dieses Vorgehen bei Retardformulierungen (Antikonvulsiva) und säurefesten Überzügen (Antra, hier kann die »Multiple-unit-pellet-system- (MUPS-)Präparation« nach Zerfallen in Wasser, nicht nach Zermörsern, gegeben werden). ▬ Bei Verwendung eines PEG-J-Systems ist der gastrale Schenkel für die Arzneimittelgabe zu bevorzugen. Bei ausschließlicher Verwendung einer Dünndarmsonde ist eine hohe Osmolarität der Medikamente zu vermeiden. ▬ Vor der Applikation wird die Sondennahrung gestoppt, die Sonde mit Tee/Wasser gespült, das Medikament mit einer Spritze gegeben und erneut mit Tee/Wasser durchgespült. Bei Gabe mehrerer Medikamente muss zwischengespült werden. ▬ Im Zweifelsfall empfiehlt sich eine Rücksprache mit der Apotheke oder, wenn möglich, die Applikation über eine alternative Route (z. B. rektal, subkutan).
149 6.4 · Sondenernährung
6
Bolusernährung vs. Dauerperfusion Die Sondenernährung kann mit Nahrungsboli oder als Dauerperfusion über eine Pumpe erfolgen. Grundsätzlich sollte hierbei der physiologischen Ernährung mit Nahrungsboli in den Magen der Vorzug gegeben werden. Nur wenn diese Ernährungsform nicht vertragen wird (z. B. rezidivierendes Erbrechen, Dumpingsyndrom), ist eine Dauerperfusion zu erwägen. Hierbei ist zu beachten, dass es bei einer kontinuierlichen Dauerperfusion zu unbemerktem Erbrechen mit Aspiration kommen kann, andererseits bessert sich das Erbrechen durch die Dauerperfusion oft drastisch. Diese Komplikation tritt jedoch wesentlich seltener auf, als erwartet. ! Bei der Nahrungsapplikation in den Dünndarm entfällt die Reservoirfunktion des Magens. Hier ist eine kontinuierliche Nahrungszufuhr obligatorisch, um ein Dumpingsyndrom zu vermeiden.
PEG vs. Button Von einigen Patienten wird der äußere Teil der PEG-Sonde als störend empfunden. In diesem Fall kann etwa 6 Wochen nach PEG-Sonden-Anlage diese gegen einen Button ausgetauscht werden, der nur wenige Millimeter über das Hautniveau ragt und mit einem aufblasbaren Ballon im Magen verankert ist. Nachteile des Buttons sind die kurze Haltbarkeit und damit erhöhte Kosten. Außerdem wird das Stoma durch die flache, innere Halteplatte der PEG besser abgedichtet als durch die Konvexität des Ballons. Ein Button sollte daher nur bei Patienten eingesetzt werden, die durch die PEG eingeschränkt sind. Patienten mit Zerebralparese bietet der Button in der Regel keinen Vorteil.
Entfernung/Entwöhnung Zur Entfernung der PEG wird diese über dem Hautniveau durchtrennt und die innere Halteplatte endoskopisch geborgen, um Ileuszustände oder Perforationen durch die Platte zu vermeiden (bei pädiatrischen Patienten beschrieben).
Adjuvante Therapie Bei Patienten, die über eine Sonde ernährt werden, darf die orale Nahrungszufuhr auf keinen Fall vernachlässigt werden. Insbesondere bei schwer mehrfach behinderten Patienten mit Zerebralparese ist die Mundhöhle ein wichti-
150
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
ges sensibles Organ zur Kontaktaufnahme mit der Umwelt. Auch bei Patienten mit Zusatzalimentation im Rahmen einer chronischen Erkrankung muss selbstverständlich die orale Ernährung fortgeführt werden. Je nach Krankheitsverlauf wird die Sonde hier nur für eine begrenzte Zeit benötigt (z. B. Besserung der Übelkeit bei terminaler Niereninsuffizienz nach Nierentransplantation). Daher sollte bei allen Patienten mit Ernährungssonde eine begleitende orofaziale Stimulation (z. B. nach Castillo-Moralez) erfolgen.
6
Perkutane endoskopische Gastrostomie mit jejunalem Schenkel Aufgrund von Magenentleerungsstörungen und/oder einem gastroösophagealen Reflux ist bei einigen Patienten die Ernährung über den Magen nicht möglich. Über das vorbestehende PEG-System kann hier eine dünnere 9Charr-Sonde transpylorisch vorgeschoben werden. Wie auch bei der nasoduodenalen Sonde kann dies in Durchleuchtung oder endoskopisch erfolgen. Anschließend muss die Lage der Sonde (jenseits des Treitz-Bandes) radiologisch kontrolliert werden. Ebenso wie bei der nasojejunalen Sonde erfolgt die Ernährung grundsätzlich durch Dauerperfusion ( Abschn. »Bolusernährung vs. Dauerperfusion«).
Perkutane endoskopische Jejunostomie Gelingt die Anlage einer PEG-J nicht, kann die direkte perkutane Punktion des Jejunums versucht werden. Dies ist endoskopisch sehr schwierig, so dass häufig eine chirurgische Anlage notwendig wird.
Literatur Aggett PJ, Agostoni C, Axelsson I et al. (2003) Nondigestible carbohydrates in the diets of infants and young children: a commentary by the ESPGHAN Committee on Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 36: 329–337 Arnold LD (2001) Trends in donor milk banking in the United States. Adv Exp Med Biol 501: 509–517 Behrens R (2001) Enterale Ernährung in der Pädiatrie. In: Löser C, Keymling M (Hrsg) Praxis der enteralen Ernährung. Thieme, Stuttgart Berg A (2002) Primäre Allergieprävention durch nutritive Maßnahmen. Kinder Jugendmed 2: 54–59 Briefel RR, Reidy K, Karwe V et al. (2004) Toddlers‘ transition to table foods: impact on nutrient intakes and food patterns. J Am Diet Assoc 104 [Suppl 1]:38–44
151 Literatur
6
Curtis M de, Candusso M, Pieltain C et al. (1999) Effect of fortification on the osmolality of human milk. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 81: F141–143 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) (2000) Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, 1. Aufl. Umschau, Frankfurt/Main Dormann A, Stehle P, Radziwill R, Löser C, Paul C, Keymling M, Lochs H (2003) DGEM-Leitlinie Enterale Ernährung: Grundlagen. Aktuel Ernaehr Med 28 [Suppl 1]: S26–35 Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (1997) »Antirefluxnahrung« für Säuglinge, Stellungnahme. Monatsschr Kinderheilkd 145: 768–769 Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (2002) Missstände in der Vermarktung diätetischer Lebensmittel, Stellungnahme. Monatsschr Kinderheilkd 150: 341–342 Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (2004) Hinweise zur Zubereitung und Handhabung von Säuglingsnahrungen, Stellungnahme. Monatsschr Kinderheilkd (im Druck) Fisher JO, Birch LL, Smiciklas-Wright H et al. (2000) Breast-feeding through the first year predicts maternal control in feeding and subsequent toddler energy intakes. J Am Diet Assoc 100: 641–646 Forschungsinstitut für Kinderernährung (2001) Empfehlungen für die Ernährung von Kindern und Jugendlichen. http://www.fke-do.de/brosch.html#. Gesehen August 2004. Bestellung oder FKE-Broschürenvertrieb, Baumschulenweg 1, 59348 Lüdinghausen, Deutschland Forschungsinstitut für Kinderernährung (2003) Empfehlungen für die Ernährung von Säuglingen. Bezug: http://www.fke-do.de/brosch.html#. Gesehen August 2004. Bestellung oder FKE-Broschürenvertrieb, Baumschulenweg 1, 59348 Lüdinghausen, Deutschland Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA), Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE) und Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (2003) Vorgehen bei Verdacht auf Kuhmilchallergie; Positionspapier. Monatsschr Kinderheilkd 151: 1207– 1210 Goriup U, Keller KM, Koletzko B, Lentze MJ, Stern M (1993) Therapie akuter Durchfallerkrankungen bei Kindern. Empfehlungen der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung. Kinderarzt 24: 61–66 Grummer-Strawn LM, Mei Z; Centers for Disease Control and Prevention Pediatric Nutrition Surveillance System (2004) Does breastfeeding protect against pediatric overweight? Analysis of longitudinal data from the Centers for Disease Control and Prevention Pediatric Nutrition Surveillance System. Pediatrics 113: 81–86 Ilett KF, Hale TW, Page-Sharp M et al. (2003) Use of nicotine patches in breast-feeding mothers: transfer of nicotine and cotinine into human milk. Clin Pharmacol Ther 74: 516–524 Kersting M (2000) Die Lebensmittelgesetzgebung der EG und die Kinderernährung in Deutschland. Teil 1: Grundlagen, Richtlinien über Milchnahrungen für Säuglinge. Ernaehr Umsch 47: 382–386 Koletzko B, Agostoni C, Carlson SE et al. (2001) Long chain polyunsaturated fatty acids (LC-PUFA) and perinatal development. Acta Paediatr 90: 460–464
152
6
Kapitel 6 · Enterale Ernährung
Lifschitz CH (ed) (2002) Pediatric gastroenterology and nutrition in clinical practice. Dekker, New York Basel Prentice A (1996) Constituents of human milk. Food Nutr Bull 17: 4 Radke M (2002) Neues in der Säuglings- und Kinderernährung. Trends und Entwicklungen auf dem Gebiet der Probiotika und Prebiotika. Kinderarztl Prax 73: 34–37 (Sonderheft Ernährung) Razeghi S, Lang T, Behrens R (2002): Besonderheiten der PEG-Sonden-Anlage im Kindesalter. 30. Kongress der Gesellschaft für Gastroenterologie in Bayern. Z Gastroenterol 9XL, S 844 Schaefer C (2003) Fremdstoffe in der Muttermilch. Zentralbl Gynakol 125: 38–43 Schöch G, Kersting M (2003) Normale Ernährung von Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Jugendlichen. In: Lentze M, Schaub J, Schulte FJ, Spranger J (Hrsg) Pädiatrie – Grundlagen und Praxis, 2.Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York Serrano MS, Mannick EE (2003) Enteral nutrition. Pediatr Rev 24: 417–423 Standing Committee on Nutrition (SCN) (1989) Protecting, promoting, and supporting breastfeeding: the special role of maternity services. UN – Standing Committee on Nutrition, SCN-News 4 WHO/Unicef (2004) Infant and young child feeding strategy, Unicef, New York Woolridge MW (1996) Problems of establishing lactation. Food Nutr Bull 17: 4
7 (Teil-)parenterale Ernährung F. Jochum
7.1
Zugangswege – 154
7.2
Drei-Stufen-Modell – 154 Exkurs: Parenterale Kalziumsupplementation
– 155
7.3 Besonderheiten bei Früh- und Neugeborenen – 157 7.3.1 Anpassungs- und Stabilisierungsphase nach der Geburt (Phase I/II) – 157 7.3.2 Phase des kontinuierlichen Wachstums (Phase III) – 158 7.4 Wahl der Infusionslösungen und Zusätze – 159 7.4.1 Zusammensetzung – 159 7.4.2 Elektrolyte, Vitamine, Spurenelemente – 161 F. Jochum, S. Colling 7.4.3 Weitere Supplemente – 163 7.5
Reduktion von Nebenwirkungen einer parenteralen Ernährung – 164 7.5.1 Minimale enterale Ernährung »gut feeding« – 164 7.5.2 Nichtnutritives Saugen – 164 7.6
Mischbarkeit von Ernährungslösungen und/oder Medikamenten – 165 7.6.1 Physikalische Inkompatibilität – 165 7.6.2 Chemische oder lavierte (verborgene) Inkompatibilität – 165 Literatur
– 166
154
Kapitel 7 · (Teil-)parenterale Ernährung
Parenterale Ernährung hat für die Kinderheilkunde einen hohen Stellenwert. Von den verschiedenen Formen ist die teilparenterale Ernährung diejenige, die bei Kindern am häufigsten angewandt wird. Nach den vorangehenden theoretischen Grundlagen befasst sich Kap. 7 mit den praktischen Aspekten, die notwendig sind, um Kinder der jeweiligen Altersstufen bedarfsgerecht und sicher parenteral zu ernähren. Hierbei werden alle praktischen Aspekte angesprochen – von den Zugangswegen, über Maßnahmen zur Reduktion von Nebenwirkungen bis zu Inkompatibilitäten von Infusionslösungen.
7 7.1
Zugangswege
Periphere Venenverweilkanülen (PVK) haben bei Kindern eine niedrigere Komplikationsrate (Infektion, Thrombosierung, Perforation) als zentrale Venenkatheter (ZVK; Sohn et al. 2001). Darum sollten PVKs bevorzugt werden (Cave: Paravasat/Hautnekrose). Eine langfristige parenterale Ernährung ist manchmal (insbesondere bei älteren pädiatrischen Patienten) nicht ohne ZVK sicherzustellen. Die Festlegung des Zugangsweges verlangt die individuelle Entscheidung unter Berücksichtigung der Grunderkrankung, der Therapie, der Osmolarität der verwendeten Ernährungslösung und Medikamente sowie der erwarteten Dauer. > Parenterale Zufuhr von Fettlösungen senkt die Osmolarität der Infusionslösung.
Zwei Metaanalysen zeigten keinen positiven Effekt eines Heparinzusatzes auf ZVK-Anwendungsdauer oder Thrombenbildung bei Neonaten, die mit perkutanen ZVK versorgt waren (Shah u. Shah 2003; Shah et al. 2003).
7.2
Drei-Stufen-Modell
Ist die Durchführung einer parenteralen Ernährung (PE) oder teilparenteraler Ernährung (TPE) bei Kindern erforderlich, so wird nach der voraussichtlichen Dauer unterschieden:
155 7.2 · Drei-Stufen-Modell
7
▬ Stufe I: kurzfristige (teil-)parenterale Ernährung. Definition: PE/TPE für bis zu maximal 72 h. Es reicht die angepasste Zufuhr von Flüssigkeit, Glukose, Natrium (Na) und Kalium (K). ▬ Stufe II: mittelfristige (teil-)parenterale Ernährung. Definition PE/TPE für 3–7 Tage. Hier ist zusätzlich die angepasste Gabe von Lipiden und Protein erforderlich. ▬ Stufe III: langfristige (teil-)parenterale Ernährung. Definition PE/TPE für >7 Tage. Zusätzlich wird die angepasste Zufuhr von Magnesium (Mg), Phosphat (P), Vitaminen und Spurenelementen (bis zu einem enteralen Nahrungsanteil von 50%) notwendig. Kalzium (Ca; Exkurs: Parenterale Kalziumsupplementation) sollte bei PVK nur bei langfristiger TPE/PE >14 Tage regelmäßig zugeführt werden. Bedarfsgerechte Zufuhr bei Verwendung eines ZVK. Eine Unterteilung in kurz-, mittel- und langfristige PE/TPE ist sinnvoll, da sich das Vorgehen auch nach der Dauer richtet und durch diese Systematisierung die Sicherheit auf einer Intensivstation erhöht werden kann. Exkurs Parenterale Kalziumsupplementation Kalziumionen weisen eine sterische Struktur auf, die im Vergleich zu anderen Nährstoffen zu einer starken Reizung von Geweben bzw. Endothelien führt. Hierdurch kann es bei peripherer Zufuhr zu einer Venenreizung kommen, die stärker ausgeprägt ist, als es der Osmolarität der Lösung entspricht. Bei Frühund Neugeborenen können durch schnelle Wechsel der Ca-Plasma-Konzentrationen Blutungen, z. B. intrazerebral, begünstigt werden. Ein Paravasat mit einer Ca-haltigen Lösung kann massive Hautnekrosen verursachen. Daher ist bei der Infusion einer Ca-haltigen Lösung besondere Vorsicht geboten. Zum Schutz der Patienten können die folgenden Maßnahmen ergriffen werden: ▬ Regelmäßige Kontrolle der PVK und Dokumentation durch die Schwester, z. B. alle 1 h. ▬ Intermittierende Ca-Injektion langsam aus der Hand nach vorheriger Testung des PVK mit 0,9%iger NaCl-Lösung durch den Arzt. Aufteilung der Tagesdosis auf 6 Portionen/Tag. ▬ Zufuhr von Lösungen mit Ca-Zusatz nur über ZVK.
▼
156
7
Kapitel 7 · (Teil-)parenterale Ernährung
Wegen der beschriebenen Gefahren sind wir mit der Zufuhr von Ca zurückhaltend und greifen zunächst auf die im Vergleich zu anderen Elektrolyten großen Körperspeicher zurück. Supplementation bei kurz- und mittelfristiger TPE ohne ZVK erfolgt nur bei niedrigen Ca-Plasma-Spiegeln oder laborchemischen Zeichen einer Osteopenie (Anstieg der alkalischen Phosphatase. Cave: bei Zinkmangel kein Anstieg). Eine Möglichkeit, die Ca-Zufuhr zu strukturieren, ist das folgende Vorgehen: Ist eine Ca-Supplementation über eine periphere Vene notwendig, ist der PVK vor und im Verlauf der Infusion zu prüfen. Bereits bei geringer Rötung der punktierten Vene oder zweifelhafter Lage des PVK ist ein neuer Zugang anzulegen. Ist ein ZVK vorhanden, sollte Ca bedarfsgerecht supplementiert werden.
Kurzanleitung Drei-Stufen-Modell Abschn. 7.4.2. Stufe I ▬ Angepasste Flüssigkeitszufuhr mit Glukose-Elektrolyt-Lösung. Glukose 5–10% nach der individuellen Situation der Patienten (Stressstoffwechsel → 5% Glukose, Patient mit höherem Kalorienbedarf, z. B. Frühgeborenes → 10% Glukose). ▬ Bedarfsgerechter Zusatz von Na und K. ▬ Bei Kindern >12 Monaten: alternativ Verwendung einer angepassten Fertiglösung (⊡ Tabelle 7.1). ▬ Hier ist kein individueller Elektrolytzusatz erforderlich. Stufe II ▬ Glukosezufuhr wie bei Stufe I. ▬ Zusätzlich bedarfsbezogene Gabe von Proteinen und Fetten.
▼
157 7.3 · Besonderheiten bei Früh- und Neugeborenen
7
Stufe III ▬ Komplette bilanzierte Ernährung. ▬ Hierzu vorgehen wie bei Stufe II: Zusätzlich bedarfsgerechte Gabe von Mg, P, Spurenelementen und Vitaminen. Regelmäßige Ca-Gabe nur bei Ernährung über ZVK. Über peripheren Zugang nur unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen ( Exkurs: Parenterale Kalziumsupplementation).
7.3
Besonderheiten bei Früh- und Neugeborenen
7.3.1 Anpassungs- und Stabilisierungsphase
nach der Geburt (Phase I/II) Wie bereits im Kap. 2 beschrieben, kommt es in den ersten 7 Tagen nach der Geburt bei Früh- und reifen Neugeborenen zu zahlreichen Anpassungs- und Reifungsvorgängen. Dies macht eine tägliche Anpassung der Nährstoffzufuhr bei kranken Termin- und Frühgeborenen erforderlich. Es liegen erstaunlich wenig evidenzbasierte Daten über die Grundlagen der Physiologie und des Nährstoffbedarfes für diesen Lebensabschnitt vor (optimaler Gewichtsverlust, optimaler Zeitpunkt des Beginns der Protein- und Fettsupplementation). Der Beginn der Fett- (0,5–1 g/kg KG und Tag) und Proteinzufuhr (0,5–1 g/ kg KG und Tag) bereits am 1. Lebenstag (Wilson et al. 1997) sowie die langsame Steigerung der Proteinzufuhr auf maximal 2–3(–4) g/kg KG und Tag sowie der Fettzufuhr auf 3–4 g/kg KGund Tag haben sich bewährt und führen zum schnelleren Erreichen einer positiven Stickstoffbilanz (Thureen et al. 2003; Wilson et al. 1998). Es gilt als gesichert, dass die Reduktion des Flüssigkeitsumsatzes durch Verminderung der Perspiratio insensibilis das Outcome der Neonaten verbessert (Bell et al. 1979). Bei Frühgeborenen scheint ein »trockenes« Flüssigkeitsmanagement mit NaCl-Restriktion die Dauer einer Atemhilfe/Respiratortherapie günstig zu beeinflussen (Bell u. Acarregui 2000; Bell u. Oh 1983; Hartnoll et al. 2000). Hierbei ist aber auf einen ausgeglichenen Säure-Basen-Status zu achten. Bei Frühgeborenen unter 1.500 g Geburtsgewicht sollte in den ersten Lebenstagen lediglich die Perspiratio ersetzt werden
158
Kapitel 7 · (Teil-)parenterale Ernährung
(ohne Elektrolytzusatz; Fusch u. Jochum 2005). Durch den Zusatz von 1 g Aminosäuren ab dem 1. Lebenstag bei dieser Patientengruppe kann die Inzidenz einer Frühgeborenenhyperkaliämie vermindert werden. Der frühe Beginn des enteralen Nahrungsaufbaus (<4 Tage nach der Geburt) senkt die Inzidenz nosokomialer Infektionen, die Dauer einer (T)PE und die Anwendung von ZVK im Vergleich zum späteren Beginn (Kennedy et al. 2000; Tyson u. Kennedy 2000).
7.3.2 Phase des kontinuierlichen Wachstums (Phase III)
7
In der ersten Woche der Phase des kontinuierlichen Wachstums (2. Lebenswoche) wird der enterale Nahrungsaufbau auch bei Früh- und kranken Termingeborenen üblicherweise abgeschlossen. Ist in dieser Phase noch eine PE notwendig, so sollte nach behandelbaren Gründen für den verzögerten Nahrungsaufbau gesucht werden. Der Energiebedarf weist in diesem Lebensabschnitt eine große Variabilität auf. Er kann im klinischen Alltag orientierend an der Gewichtsentwicklung im Bezug auf intrauterine Wachstumskurven eingeschätzt werden. (Wenn andere Gründe für »nichtperzentilenparalleles Wachstum« ausgeschlossen sind, führt zu geringe Energiezufuhr zum Abfallen, zu hohe Energiezufuhr zum Aufholen im Vergleich zu den intrauterinen Perzentilen.) Die optimale Wachstumsgeschwindigkeit für Frühgeborene wird noch diskutiert. Es gibt erste Hinweise dafür, dass Wachstum oberhalb der intrauterinen Entwicklung das Entstehen einer Adipositas im Alter begünstigen könnte (Lucas 1991). Des Weiteren scheint ein Zusammenhang zwischen der Menge der Proteinzufuhr in der Neonatalperiode und der späteren Entwicklung einer Adipositas zu bestehen (Metges 2001). Die notwendige Energie zum Aufbau von 1 g Körpergewebe variiert mit dem Fettgehalt des aufgebauten Gewebes (20–40%) und wird im Durchschnitt mit ca. 5 kcal angegeben. Der Anteil des neu gebildeten Fettgewebes in einer Wachstumsphase ist durch das Ernährungsregime zu beeinflussen. Hierbei ist zu bedenken, dass je weniger Fettgewebe aufgebaut wird, desto weniger Energie für das Wachstum notwendig ist (Putet et al. 1984). Neben der Quantität der Nährstoffzufuhr ist die Qualität der Nährstoffe relevant. Für Lipide konnte gezeigt werden, dass hohe Qualität positive Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung von Neonaten haben kann (Koletzko 1992). Auswirkungen der Qualität verschiedener Fettemulsionen auf die Inzidenz und den Verlauf nosokomia-
159 7.4 · Wahl der Infusionslösungen und Zusätze
7
ler Infektionen werden z. Z. untersucht. Positive Ergebnisse bei erwachsenen Patienten liegen vor (Suchner et al. 2001, 2002b).
7.4
Wahl der Infusionslösungen und Zusätze
Infusionslösungen für pädiatrische Patienten müssen den besonderen physiologischen Bedingungen im Bezug auf den altersbezogenen Flüssigkeitsund Elektrolytbedarf angepasst sein. Wegen des höheren Flüssigkeitsbedarfes bezogen auf das Körpergewicht im Vergleich zu Erwachsenen sind spezielle Lösungen für verschiedene Altersstufen notwendig.
7.4.1 Zusammensetzung Vollelektrolytlösungen (z. B. isotonische Kochsalz- oder Ringer-Lösung) stellen kein freies Wasser zur Verfügung, da das vorhandene Flüssigkeitsvolumen für die Isotonie der Elektrolyte im Extrazellularraum notwendig ist. Im Gegensatz dazu wird bei Zufuhr von elektrolytfreier Glukoselösung die Glukose verstoffwechselt, und es bleibt freies Wasser zurück. Bei der Zufuhr eines größeren Volumens von freiem Wasser kommt es zu Verdünnungseffekten zunächst im extrazellulären Kompartiment, später zu einem osmotisch bedingten intrazellulären Ödem. Die damit verbundenen Krankheitssymptome (Abgeschlagenheit, neuromuskuläre Symptome, Herzrhythmusstörungen) und pathophysiologischen Vorgänge werden als Wasserintoxikation bezeichnet. Die bei Fertiglösungen oft zugesetzten Anionen, wie Acetat, Laktat oder Malat (z. B. Ringer-Laktat-Infusion) sind Hydrogenkarbonatvorläufer und wirken der Entstehung einer Acidose entgegen.
Fertiglösungen oder individuell gemischte Lösungen Die Verwendung von Fertiglösungen ist weniger personalintensiv, bietet weniger Möglichkeiten von Dosierungsfehlern oder Kontamination. Hingegen kann die individuell gemischte Infusionslösung bei kritisch kranken Patienten genauer an den individuellen Bedarf angepasst werden. Bei kurzfristiger (T)PE bietet sich die Verwendung von Fertiglösungen auch für den sensiblen Bereich der Neonaten an. Auch bei mittel- und langfristiger (T)PE ist die
394
810
200
500
Päd. Elektrolytlösung I
Glucoven Infant 12,5%
466
Päd. Elektrolyt- 200 lösung II
5
5
5
12,5
5
5
5
70
70
70
25
35
35
35
18
18
18
20
18
18
18
63,8
60
64
41
35,8
29
34
1,5
1,5
1,5
8
1
1
1
2
2
2
2
1,5
1,5
1,5
5
5
2
12
5
5
2
Ca++ Mg++ P
Acetat 26,5 Malat 2
Acetat 32 Malat 0,2
Acetat 26,5 Malat 3
Malat 8
Acetat 20 Malat 0,2
Acetat 25 Malat 0,2
Acetat 20 Malat 3
Weitere Inhaltsstoffe [mmol/l]
Fresenius Kabi
DeltaSelect
Baxter
Fresenius Kabi
Fresenius Kabi
DeltaSelect
Baxter
Hersteller
Neugeborene und Säuglinge
Ab dem 3. Lebensjahr
Ab dem 2. Lebensjahr
Flüssigeits- und Elektrolytzufuhr bei Kindern
Neugeborene und Säuglinge
<3. Lebensjahr
<3. Lebensjahr
Anwendungsgebieteb
Angaben und Anwendungsgebiete nach Hersteller- bzw. Fachinformation. Alle auf dem deutschen Markt vertretenden Hersteller von pädiatrischen Infusionslösungen, die nach telefonischer Aufforderung Produktionformationen zugesandt haben wurden, in die Tabelle aufgenommen. Reihenfolge alphabetisch nach Herstellername. a Geschützte Produktbezeichnungen b Zur Deckung des Wasser-, Elektrolyt- und partiellen Kohlenhydratbedarfes bei normaler Stoffwechselfunktion.
460
195
Thomae-jonin päd II
465
200
Pädafusin II
Halbelektrolytlösungen (Na+ 61–90 mmol/l)
400
195
Thomaejonin päd I
390
200
Pädafusin I
Eindrittelelektrolytlösungen (Na+<60 mmol/l)
Osmolarität Glukose- Elektrolyte [mosmol/l] konzen- [mmol/l] tration Na+ K+ Cl– [%]
7
Bezeichnunga Energie [kcal/l]
⊡ Tabelle 7.1. Pädiatrische Fertiglösungen
160 Kapitel 7 · (Teil-)parenterale Ernährung
161 7.4 · Wahl der infusionslösungen und Zusätze
7
Verwendung von Fertiglösungen möglich. Sie hat sich bisher in den meisten Zentren nicht durchgesetzt (⊡ Tabelle 7.1).
Zusätze zur individuellen Mischung Es stehen verschiedenste Zusätze zur individuellen Mischung von Infusionslösungen oder zur Ergänzung von Fertiglösungen zur Verfügung. Grundsätzlich sollte an einem Zentrum mit einer festgelegten Auswahl von Zusätzen gearbeitet werden, die dadurch allen Mitarbeitern vertraut werden (Fehlerminimierung). Üblicherweise sind die Zusätze so zubereitet, dass 1 ml Lösung einer Zufuhr von 1 mmol Substrat entspricht (z. B. KCl, 7,45%ig: 1 ml= 1 mmol K). Andere sie sind so konzentriert, dass die Zufuhr von 1 ml/kg KG und Tag zu einer physiologischen Zufuhr des Tagesbedarfes/kg KG führt (z. B. MgSO4, 10%ig: 1 ml=0,315 mmol Mg). ! Es gibt Ausnahmen, bei denen diese Daumenregel nicht gilt. Weiter ist auf die zur Stabilisierung verwendeten Verbindung zu achten. Wird etwa Natriumglycerophosphat zur parenteralen Phosphatsupplementation verabreicht, so wird gleichzeitig eine relevante Menge Na zugeführt (Natriumglycerophosphat: 1ml=1 mmol P+2 mmol Na!). Das muss bei der Gesamtzufuhr berücksichtigt werden.
7.4.2 Elektrolyte, Vitamine, Spurenelemente F. Jochum, S. Colling Kurzanleitung Zusätze bei jeglicher parenteraler Flüssigkeitszufuhr Bedarfszahlen nach Tsang et al. (1993), DAKE/ÖAKE (1987) bzw. nach Expertenmeinung. ▬ NaCl: 2–5(–7) mmol/kg KG und Tag. Zufuhr als 5,85%ige NaCl-Lösung: 1 ml=1 mmol. Bei Frühgeborenen <1.000 g KG NaCl-Zufuhr erst ab dem 2.–3. Lebenstag. Vorher nur Ersatz der Perspiratio. ▬ Kalium: 1–3(–5) mmol/kg KG und Tag. Zufuhr als 7,45%ige KCl-Lösung: 1 ml=1 mmol. K-Zusatz immer erst nach erster Miktion. Bei Frühgeborenen <1.500 g KG Zusatz frühestens ab dem 2.–3. Lebenstag und bei sinkenden Plasma-K-Spiegeln.
162
Kapitel 7 · (Teil-)parenterale Ernährung
Kurzanleitung Zusätze bei mittel- und langfristiger (T)PE (und dem Nahrungsaufbau von Früh- und Reifgeborenen) ▬ Wasserlösliche Vitamine ( Abschn. 4.3.3): Soluvit N: 1 ml/kg KG und Tag; max. 10 ml/Tag. ▬ Fettlösliche Vitamine (nur bei parenteraler Fettzufuhr supplementieren): Vitalipid: 1 ml/kg KG und Tag; max. 10 ml/Tag. ▬ Spurenelemente ( Abschn. 4.3.4): Inzolen: 1,0 ml/kg KG und Tag; max. 10 ml/Tag.
7
> ▬ Der Zusatz von Spurenelementen und Vitaminen gilt bei kurzfristiger PE (<7 Tage) als nichtnotwendig (endogene Speicher). ▬ Bei Frühgeborenen Supplementation ab dem 5. Lebenstag, wenn der enterale Nahrungsanteil <50% ist (Beginn Gewichtszunahme und Wachstum mit gesteigertem Substratbedarf). ▬ Ab einem Anteil von ca. 50% enteraler Ernährung (und Weiterführung des enteralen Nahrungsaufbaus) Ende der parenteralen Vitamin- und Spurenelementzufuhr. ! Nieren- oder Leberinsuffizienz vermindern den Bedarf; intestinale Flüssigkeitsverluste und Stress steigern den Bedarf. Kurzanleitung Zusätze bei langfristiger PE (oder langfristiger TPE mit einem enteralen Anteil <50%) ▬ Magnesium: 0,3 mmol/kg KG und Tag. Zufuhr als MgSO4, 10%ig: 1 ml=0,315 mmol. ▬ Phosphat: 1,0 mmol/kg KG und Tag. Zufuhr als Natriumglycerophosphat: 1 ml=1 mmol P.
! 1 ml Natriumglycerophosphat enthält auch 2 mmol Na.
163 7.4 · Wahl der infusionslösungen und Zusätze
7
Kurzanleitung Zusatz regelmäßig nur bei liegendem ZVK Ohne ZVK nur bei pathologischen Plasmaspiegeln supplementieren. ▬ Kalzium: 1 mmol/kg KG/Tag (2 mmol/kg KG und Tag bei Frühgeborenen in der Phase des stabilen Wachstums). Zufuhr als Kalziumgluconat, 10%ig: 1 ml=0,23 mmol Ca.
7.4.3 Weitere Supplemente Untersuchungen bei erwachsenen Intensivpatienten und wenige kontrollierte Studien bei Neonaten zeigen den positiven Einfluss einer Glutamin- (Neu et al. 1997; Poindexter et al. 2003) oder Argininsupplementation (Suchner et al. 2002a) auf die Inzidenz von Nebenwirkungen einer Intensivtherapie, wie z. B. nosokomiale Infektionen (Brunton et al. 2000; Heyland et al. 2001). Vor einer generellen Empfehlung sollten die Ergebnisse der z. Z. laufenden Multizenterstudien abgewartet werden (Tubman u. Thompson 2001). Bis dahin ist ein individuelles Vorgehen angezeigt. Vitamin A ist für das physiologische Lungenwachstum (Lungenepithelzellen) notwendig. Bei Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von <1.000 g belegt eine Metaanalyse, die sich auf 7 randomisierte, kontrollierte Untersuchungen stützt, die Wirksamkeit einer supranutritiven Vitamin-ASupplementation auf die Senkung des Sauerstoffbedarfes und das Überleben im Alter von 1 Lebensmonat sowie die Senkung des Sauerstoffbedarfes im Alter von 36 Gestationswochen. Für die Inzidenz der Frühgeborenenretinopathie ergaben sich niedrigere Werte (Darlow u. Graham 2000, 2002). Carnitin spielt eine wichtige Rolle bei der Metabolisierung langkettiger Fettsäuren (Transport durch die Mitochondrienmembran). Carnitin ist in Muttermilch und Formula enthalten, fehlt aber bei üblicher PE. Bei Frühgeborenen unter PE wurden niedrige Carnitinspiegel in Körpergeweben gemessen (Magnusson et al. 1997). Die klinische Bedeutung ist unklar. Es wurde hypothetisiert, dass niedrige Carnitinspiegel bei Frühgeborenen die Fettstoffwechselkapazität limitieren können. In In-vitro-Untersuchungen schien der Fetttransport bei Werten <10% der physiologischen Spiegel beeinträchtigt. So scheint die Vermutung gerechtfertigt, dass ein relativer Carnitinmangel die Fettoxidation, die Energieaufnahme und damit das Körperwachstum hem-
164
Kapitel 7 · (Teil-)parenterale Ernährung
men könnte. Eine Metaanalyse, die sich auf 14 randomisierte, kontrollierte Untersuchungen stützt, zeigte aber keinen Effekt einer Carnitinsupplementation auf die Metabolisierung von Fett, die Lipogenese oder die Zunahme von Körpergewicht (Cairns u. Stalker 2000).
7.5
Reduktion von Nebenwirkungen einer parenteralen Ernährung
7.5.1 Minimale enterale Ernährung (»gut feeding«)
7
Totale parenterale Ernährung vermindert die funktionelle und strukturelle Integrität, die hormonale Aktivität des Gastrointestinaltrakts, das Wachstum der intestinalen Mukosa und die Laktaseaktivität (Suchner et al. 1993). Dies kann zur Entstehung einer Intoleranz für enterale Nahrung und zur Verlängerung des Krankenhausaufenthalts führen. Eine Metaanalyse untersuchte den Effekt der minimalen enteralen Ernährung (<25 kcal/kg KG und Tag für >5 Tage) auf das Entstehen einer Nahrungsintoleranz bei Risikofrühgeborenen (<1.500 g Geburtsgewicht, <33 Gestationswochen) im Vergleich zur TPE. Eingeschlossen wurden 8 randomisierte Untersuchungen. Gesichert wurde eine signifikante Reduktion der Zeit für den Nahrungsaufbau und der Krankenhausverweildauer. Ein Effekt auf die Inzidenz einer nekrotisierenden Enterokolitis wurde nicht gesichert. Wegen der Inhomogenität und der geringen Anzahl der eingeschlossenen Patienten in dieser Studie können Nebenwirkungen einer minimalen enteralen Ernährung nicht sicher ausgechlossen werden (Tyson u. Kennedy 2000).
7.5.2 Nichtnutritives Saugen Eine Metaanalyse (basierend auf 14 randomisierten, kontrollierten Untersuchungen) ergab bei Frühgeborenen eine signifikante Verkürzung der Krankenhausverweildauer durch nichtnutritives Saugen. Ein Effekt auf Gewichtszunahme, Energieaufnahme, Sauerstoffsättigung, Darmpassagezeit oder Herzfrequenz wurde nicht gefunden (Pinelli u. Symington 2001).
165 7.6 · Mischbarkeit von Ernährungslösungen
7.6
7
Mischbarkeit von Ernährungslösungen und/oder Medikamenten
Inkompatibilitäten führen zu einer Wirkungsabschwächung der Infusionslösung. Die im Folgenden getroffene Unterscheidung zwischen 2 Vorgängen, die zur Inkompatibilität von Infusionslösungen führen, ist sinnvoll, da beide eigene Konsequenzen verlangen.
7.6.1
Physikalische Inkompatibilität
Sie ist makroskopisch sichtbar und kann durch die Überprüfung der Infusionslösung auf ▬ Trübung, ▬ Niederschlag, ▬ Kristallisation oder ▬ Farbveränderung einfach festgestellt werden.
7.6.2 Chemische oder larvierte (verborgene)
Inkompatibilität Sie kann der Infusionslösung nicht angesehen werden und entsteht bei der Mischung der Bestandteile einer Infusionslösung durch ▬ Absorptionsvorgänge, ▬ Zersetzungsreaktionen, ▬ Komplexbildungen oder ▬ Umsetzungsreaktionen. Der Nachweis ist schwierig. Der Verdacht muss bei ungewöhnlicher oder ausbleibender Wirkung einer Infusion/eines Medikamentes erwogen werden. Die Voraussage für das Auftreten einer Inkompatibilität ist selbst bei Verwendung »üblicher« Komponenten nicht möglich, da nicht nur die Mischung verschiedener Substanzen, sondern auch jede Veränderung der Konzentra-
166
Kapitel 7 · (Teil-)parenterale Ernährung
tionsverhältnisse zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Es sind lediglich die folgenden 2 Merkregeln bekannt. > ▬ Lösungen/Medikamente mit starken pH-Unterschieden können nicht kombiniert werden (führt zu sterischer Veränderung der infundierten Substrate und dadurch zu Wirkverlust). ▬ Die Mischung von Heparin, Ca und Fett ist physikalisch inkompatibel.
Literatur
7
Bell EF, Acarregui MJ (2000) Restricted versus liberal water intake for preventing morbidity and mortality in preterm infants. Cochrane Database Syst Rev, CD000503 Bell EF, Oh W (1983) Water requirement of premature newborn infants. Acta Paediatr Scand Suppl 30: 521–526 Bell EF, Warburton D, Stonestreet BS, Oh W (1979) High-volume fluid intake predisposes premature infants to necrotising enterocolitis. Lancet 2: 90 Brunton JA, Ball RO, Pencharz PB (2000) Current total parenteral nutrition solutions for the neonate are inadequate. Curr Opin Clin Nutr Metab Care 3: 299–304 Cairns PA, Stalker DJ (2000) Carnitine supplementation of parenterally fed neonates. Cochrane Database Syst Rev 4, CD000950 Darlow BA, Graham PJ (2000) Vitamin A supplementation for preventing morbidity and mortality in very low birthweight infants. Cochrane Database Syst Rev 2, CD000501 Darlow BA, Graham PJ (2002) Vitamin A supplementation for preventing morbidity and mortality in very low birthweight infants. Cochrane Database Syst Rev 4, CD000501 Deutsche Arbeitsgemeinschaft für künstliche Ernährung (DAKE), Österreichische Arbeitsgemeinschaft für künstliche Ernährung (ÖAKE) (1987) Empfehlungen zur parenteralen Infusions- und Ernährungstherapie im Kindesalter. Klin Padiatr 199: 315–317 Fusch C, Jochum F (2005) Water, sodium, potassium, and chloride. In: Tsang RC, Lucas A, Uauy R, Zlotkin S (eds) Nutritional needs of the preterm infant. Williams & Wilkins, Baltimore Hartnoll G, Betremieux P, Modi N (2000) Randomised controlled trial of postnatal sodium supplementation on oxygen dependency and body weight in 25–30 week gestational age infants. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 82: F19–23 Heyland DK, Novak F, Drover JW, Jain M, Su X, Suchner U (2001) Should immunonutrition become routine in critically ill patients? A systematic review of the evidence. JAMA 286: 944–953 Kennedy KA, Tyson JE, Chamnanvanikij S (2000) Early versus delayed initiation of progressive enteral feedings for parenterally fed low birth weight or preterm infants. Cochrane Database Syst Rev 2, CD001970 Koletzko B (1992) Fats for brains. Eur J Clin Nutr 46 [Suppl 1]: S51–62 Lucas A (1991) Programming by early nutrition in man. Ciba Found Symp 156: 38–50
167 Literatur
7
Magnusson G, Boberg M, Cederblad G, Meurling S (1997) Plasma and tissue levels of lipids, fatty acids and plasma carnitine in neonates receiving a new fat emulsion. Acta Paediatr 86: 638–644 Metges CC (2001) Does dietary protein in early life affect the development of adiposity in mammals? J Nutr 131: 2062–2066 Neu J, Roig JC, Meetze WH et al. (1997) Enteral glutamine supplementation for very low birth weight infants decreases morbidity. J Pediatr 131: 691–699 Pinelli J, Symington A (2001) Non-nutritive sucking for promoting physiologic stability and nutrition in preterm infants. Cochrane Database Syst Rev 3, CD001071 Poindexter BB, Ehrenkranz RA, Stoll BJ et al. (2003) Effect of parenteral glutamine supplementation on plasma amino acid concentrations in extremely low-birth-weight infants. Am J Clin Nutr 77: 737–743 Putet G, Senterre J, Rigo J, Salle B (1984) Nutrient balance, energy utilization, and composition of weight gain in very-low-birth-weight infants fed pooled human milk or a preterm formula. J Pediatr 105: 79–85 Shah P, Shah V (2003) Continuous heparin infusion to prevent thrombosis and catheter occlusion in neonates with peripherally placed percutaneous central venous catheters. Cochrane Database Syst Rev 3, CD002772 Shah PS, Ng E, Sinha AK (2003) Heparin for prolonging peripheral intravenous catheter use in neonates. Cochrane Database Syst Rev 3, CD002774 Sohn AH, Garrett DO, Sinkowitz-Cochran RL et al. (2001) The Pediatric Prevention Network; Prevalence of nosocomial infections in neonatal intensive care unit patients: results from the first national point-prevalence survey. J Pediatr 139: 821–827 Suchner U, Senftleben U, Askanazi J, Peter K (1993) Nichtenergetische Bedeutung der enteralen Ernährung bei kritisch kranken Patienten. Infusionsther Transfusionsmed 20: 38– 46 Suchner U, Katz DP, Furst P et al. (2001) Effects of intravenous fat emulsions on lung function in patients with acute respiratory distress syndrome or sepsis. Crit Care Med 29: 1569– 1574 Suchner U, Heyland DK, Peter K (2002a) Immune-modulatory actions of arginine in the critically ill. Br J Nutr 87 [Suppl 1]: S121–132 Suchner U, Katz P, Furst P et al. (2002b) Impact of sepsis, lung injury, and the role of lipid infusion on circulating prostacyclin and thromboxane A(2). Intensive Care Med 28: 122– 129 Thureen PJ, Melara D, Fennessey PV, Hay WW (2003) Effect of low versus high intravenous amino acid intake on very low birth weight infants in the early neonatal period. Pediatr Res 53: 24–32 Tsang R, Lucas A, Uaay R, Zlotkin S (eds) (1993) Nutritional needs of the preterm infant: scientific basis and practical guidelines. Williams & Wilkins, Baltimore Tubman TR, Thompson SW (2001) Glutamine supplementation for prevention of morbidity in preterm infants. Cochrane Database Syst Rev 4, CD001457 Tyson JE, Kennedy KA (2000) Minimal enteral nutrition for promoting feeding tolerance and preventing morbidity in parenterally fed infants. Cochrane Database Syst Rev 2, CD000504
168
Kapitel 7 · (Teil-)parenterale Ernährung
Wilson DC, Cairns P, Halliday HL, Reid M, McClure G, Dodge JA (1997) Randomised controlled trial of an aggressive nutritional regimen in sick very low birthweight infants. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 77: F4–11 Wilson DC, Fox GF, Ohlsson A (1998) Meta-analysis of effects of early or late introduction of intravenous lipids to preterm infants on mortality and chronic lung disease (abstract). J Pediatr Gastroenterol Nutr 26: 599
7
8 Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen 8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3
8.1.4
8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5
8.2.6
Perioperative Infusionstherapie und Ernährung – 172 Präoperative Ernährung/Infusionstherapie – 172 G. Klaunik Intraoperative Infusionstherapie – 175 M. Hermsen Postoperative Infusionstherapie und Aufbau der enteralen Ernährung – 181 G. Klaunik Physiologie des Postaggressionsstoffwechsels – 188 M. Hermsen Exkurs: Postaggressionsstoffwechsel – 191 Besondere Aspekte der Ernährung Frühgeborener – 192 F. Jochum Enteraler Nahrungsaufbau bei Früh- und reifen Neugeborenen – 192 Nahrungssupplementation bei VLBW- und ELBW-Frühgeborenen – 194 Prophylaxe der Frühgeborenenosteopenie – 197 Eisensupplementation – 206 Vitamin- und Spurenelementsupplementation bei Neu- und Frühgeborenen – 208 S. Colling Frühgeborenenhyperkaliämie – 217 F. Jochum
8.3
8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.3.4 8.4
8.4.1 8.4.2 8.4.3 8.4.4 8.4.5 8.4.6 8.4.7 8.4.8 8.4.9 8.4.10
Häufige Ernährungsprobleme des Neugeborenen/ Säuglings – 219 H. Kalhoff Dyspepsie – 219 Der spuckende Säugling – 221 Gedeihstörungen – 223 Akuttherapie von Hypoglykämien – 225 Infusionstherapie und Ernährung bei angeborenen Stoffwechselstörungen – 227 E. Mönch Biotinidasemangel – 228 Galaktosämie – 230 Phenylketonurie/Hyperphenylalaninämie und maternale Phenylketonurie/Phenylalaninembryopathie – 237 Ahornsirupkrankheit – 245 Mittelketten-CoA-Dehydrogenase-Defekt – 253 Glutaracidurie Typ I – 258 Isovalerianacidämie – 264 Ornithintranscarbamylasemangel – 270 Umgang mit komatösen Patienten bei Verdacht auf Stoffwechselstörungen – 278 Medikamente zur Behandlung der beschriebenen Stoffwechselstörungen – 280
8.5
Adipositas C. Schröder
– 280
8.6
Anorexia nervosa und Bulimie – 290 C. Schröder
8.7
Ernährungssituation und Ernährungsmöglichkeiten krebserkrankter Kinder – 298 J. F. Beck
8.8
Besonderheiten bei Kindern mit rheumatischen Erkrankungen – 304 J. P. Haas Eliminationsdiäten und Heilfasten – 305 Substitutionsdiäten – 306 Diätetische Prävention von Sekundärschäden – 306
8.8.1 8.8.2 8.8.3 8.9
8.9.1 8.9.2 8.10 8.10.1 8.10.2 8.10.3
Besonderheiten bei Kindern mit atopischen Erkrankungen – 308 C. Binder, K. Beyer, B. Niggemann Diätformen – 308 Diätfolgen – 320 Ernährung und (Leistungs-)Sport – 320 S. Kluge, G. Strobel Ernährung und Sport – 320 Energiebedarf und -bereitstellung – 321 Praktische Hinweise – 326 Literatur
– 332
172
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Besondere Situationen erfordern ein besonderes Vorgehen. Während bisher das »Standardvorgehen« bezüglich der Ernährung von pädiatrischen Patienten dargestellt wurde, beschäftigt sich das vorliegende Kapitel mit »Sondersituationen« der pädiatrischen Infusionstherapie und Ernährung. Behandlungssituationen, die ein besonderes Vorgehen bei der Therapie oder spezielle Aufmerksamkeit bei der Anpassung der Ernährung erfordern, entstehen in der Regel durch 4 mögliche Situationen: ▬ spezifische Physiologie von Patientengruppen (z. B. Früh- oder Neugeborene), ▬ Auswirkungen von therapeutischen Maßnahmen (z. B. Operationen), ▬ Pathophysiologie von Erkrankungen (z. B. angeborene Stoffwechselerkrankungen, Erkrankungen des onkologischen, rheumatischen oder atopischen Formenkreises, Anorexia nervosa, Bulimie oder Adipositas) oder ▬ besondere körperliche Belastungen [z. B. (Leistungs-)Sport].
8
Bekannte Strategien werden systematisch und prägnant dargestellt und diskutiert. Die Beschäftigung mit der Ernährung von »Risikogruppen« übt das Erkennen und den Umgang von potenziellen Gefahrensituationen bei der Verordnung von bilanzierter Ernährung. So sollte auch derjenige von dem Kapitel profitieren, der sich mit den behandelten Patientengruppen, Situationen, Erkrankungen üblicherweise nicht beschäftigen muss.
8.1
Perioperative Infusionstherapie und Ernährung
8.1.1
Präoperative Ernährung/Infusionstherapie
G. Klaunik Während die Angst des Kindes vor einer Operation durch eine einfühlsame präoperative Aufklärung sowie eine suffiziente Prämedikation aufgefangen werden kann, bedingen Hunger und Durst unnötigen körperlichen und psy-
173 8.1 · Perioperative Infusionstherapie und Ernährung
8
chischen Stress. Je jünger der Patient, um so anfälliger ist er für Volumenverluste bzw. eine übermäßige Volumenbelastung ( Kap. 2). Deshalb sind perioperativ eine genau definierte Karenzzeit bzw. eine frühzeitig einsetzende, kontrollierte parenterale Flüssigkeitssubstitution wichtig, um körperlichen und psychischen Stress zu vermeiden.
Präoperative Nahrungskarenz Ziel einer präoperativen Nahrungskarenz ist die Minimierung des Mageninhalts und damit des Aspirationsrisikos. Dieses ist bei Kindern von besonderer Bedeutung, da hier die riskante Zeit der Aspirationsgefahr aufgrund der bei Kindern häufig angewandten inhalativen Narkoseeinleitung deutlich länger ist als bei einer total intravenös induzierten Anästhesie (TIVA). Die präoperative Karenzzeit gesunder Kinder vor elektiven Eingriffen ist in ⊡ Tabelle 8.1 zusammengefasst. Bei der perioperativen Flüssigkeitssubstitution muss beachtet werden, dass besonders Frühgeborene, Säuglinge und Kleinkinder im Vergleich zu Erwachsenen einen erhöhten Flüssigkeitsbedarf und -umsatz haben ( Kap. 2). Die perioperative Flüssigkeits- und Volumenersatztherapie erfordert daher um so mehr Erfahrung und Genauigkeit, je kleiner ein Kind ist. ! Ein kleines Kind ist wie ein kleiner Topf: Er läuft schnell über, ist aber auch schnell leer.
Klare Flüssigkeiten passieren den Magen innerhalb von 2 h erfahrungsgemäß fast vollständig. Durch Fette (Muttermilch) wird dagegen die Magenentleerung deutlich verzögert. (Genaue Passagezeiten des Magen-Darm-Trakts, nach Altersgruppen getrennt, wurden bisher nicht publiziert.) Für gesunde Kinder müssen daher Karenzzeiten für klare Flüssigkeiten (z. B. Tee) bzw. Milch und feste Nahrung festgelegt werden. Besondere Festlegungen sollten für Kinder getroffen werden, die bedingt durch eine Grunderkrankung ein
⊡ Tabelle 8.1. Präoperative Karenzzeit gesunder Kinder vor elektiven Eingriffen
Alter
Feste Nahrung/Milch
Klare Flüssigkeit
<3 Jahre
4h
2h
>3 Jahre
6h
3h
174
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
deutlich höheres Aspirationsrisiko haben. Hier muss über die Karenzzeit in Absprache mit dem Anästhesisten individuell nach der Grunderkrankung entschieden werden. Nach einem Trauma kommt es stressbedingt zu einer massiven Verzögerung der Darmmotilität. > Somit ist zur Beurteilung des Aspirationsrisikos die Zeit zwischen Nahrungsaufnahme und Unfallereignis und nicht zwischen Unfall und Operationsbeginn entscheidend.
Die geforderte Karenzdauer ist im Zusammenhang mit der Dringlichkeit des Eingriffs zu sehen und wird individuell und interdisziplinär festgelegt.
Präoperative Flüssgkeits- und Volumenersatztherapie
8
Neugeborene und Säuglinge unter 6 Monaten ohne iv-Zugang sollten, wenn organisatorisch möglich, gezielt 4 h präoperativ nochmals gefüttert werden. Auf diese Weise wird die Karenzzeit so kurz wie möglich gehalten, die Gefahr einer präoperativen Hypoglykämie gesenkt und die Patientenzufriedenheit gesteigert. Gesunde Kinder ab dem 6. Monat schlafen nachts 10–12 h, ohne eine Exsikkose oder Hypoglykämie zu entwickeln, und gleichen ihr Flüssigkeitsdefizit durch morgendliches Trinken problemlos aus. Daher ist ab diesem Alter bei chirurgischen Eingriffen mit minimalem bis mittlerem Gewebetrauma ( Kap. 8.1.2) keine präoperative intravenöse Flüssigkeitstherapie erforderlich. Bei größeren Eingriffen mit zu erwartenden höheren Flüssigkeitsverlusten und metabolisch instabilen Kindern ist jedoch eine optimale präoperative Hydratation sinnvoll. Kommt es zu Verzögerungen des Operationsprogramms von über 2–4 h, sollte bei Neugeborenen und Säuglingen rechtzeitig mit einer intravenösen Flüssigkeitssubstitution begonnen werden. Größeren Kindern kann ca. 3 h präoperativ nochmals Tee oder Wasser angeboten werden. Ansonsten ist bei Routineeingriffen eine präoperative intravenöse Flüssigkeitszufuhr nicht erforderlich. Die präoperative Hydratation vor größeren Eingriffen kann mit altersadaptierten Elektrolyt-Fertiglösungen (1/3-, 2/3- bzw. Vollelektrolyt-Lösungen bei älteren Kinder) entsprechend des Grundbedarfes ( Abschn. 4.1, 7.4) erfolgen. Grunderkrankungen mit einem deutlich höheren Aspirationsrisiko sind z. B. gastroösophagealer Reflux (GÖR), Magenentleerungsstörungen, Herz- oder Niereninsuffizienz, Zentralnervensystem- (ZNS-) und Muskelerkrankungen, Gastroenteritis und Adipositas permagna. Die individuelle
175 8.1 · Perioperative Infusionstherapie und Ernährung
8
Festlegung der Karenzzeit sollte in Rücksprache mit dem Anästhesisten erfolgen.
Präoperativer Beginn einer intravenösen Flüssigkeitstherapie Bei Kindern mit erhöhtem Aspirationsrisiko, da hier die Karenzzeit verlängert werden muss Bei Kindern, die im Zustand der Dehydratation oder der metabolischen Entgleisung zur Operation kommen Bei Eingriffen mit einem absehbaren hohen Flüssigkeitsverlust
8.1.2
Intraoperative Infusionstherapie
M. Hermsen
Intraoperative Infusionsmenge Um die intraoperative Infusionsmenge zu berechnen, müssen folgende Komponenten berücksichtigt werden: ▬ Grundbedarf: Diejenige Menge an Wasser und Elektrolyten, die notwendig ist, um den täglichen Grundbedarf zu decken. ▬ Präoperatives Defizit: Summe aus dem Flüssigkeitsdefizit durch präoperative Nüchternheit und ggf. präoperativ bestehendem Volumenmangel oder Elektrolytverschiebungen. ▬ Intraoperativer Korrekturbedarf: Extrazelluläre Flüssigkeitsverluste durch Evaporation über offene Körperhöhlen, Gewebstrauma, Verschiebungen in den dritten Raum und chirurgisch bedingte Blutverluste.
Grundbedarf Der Grundbedarf ersetzt die »normalen« Verluste und ist abhängig vom Körpergewicht. Er lässt sich nach dem in ⊡ Tabelle 8.2 dargestellten Schema berechnen.
176
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
⊡ Tabelle 8.2. Erhaltungsbedarf in Abhängigkeit vom Körpergewicht
8
Körpergewicht
Flüssigkeitsbedarf
<10 kg KG
4 ml/h
10–20 kg KG
40 ml/h + 2 ml/h (pro kg KG >10 kg KG)
>20 kg KG
60 ml/h + 1 ml/h (pro kg KG >20 kg KG)
! Diese Regel gilt nicht für: ▬ Frühgeborene (Basisbedarf >8 ml/kg KG/h), ▬ untergewichtige Neugeborene (Basisbedarf 5–7 ml/kg KG/h), ▬ Neugeborene in den ersten 2–3 Lebenstagen (Basisbedarf 2–3 ml/kg KG/h).
Der Basisbedarf wird intraoperativ mit isotonen Vollelektrolyt- oder Salzlösungen und geringem Glukoseanteil (1- bis 2,5%ig) gedeckt. Reine Glukoselösungen oder natriumarme Pädiatrielösungen sind kontraindiziert. Zu hohe Glukosezufuhr führt zu Hyperglykämie und damit zu osmotischer Diurese. Aufgrund des Operationsstresses kommt es zu einer vermehrten Freisetzung des antidiuretischen Hormons (ADH), die bei einer exzessiven Zufuhr von freiem Wasser das Risiko einer Wasserintoxikation mit schwerer Hyponatriämie und evtl. bleibenden neurologischen Schäden erhöht.
Präoperatives Defizit Das präoperative Defizit wegen der Nahrungskarenz errechnet sich aus der Anzahl der Nüchtern-Stunden multipilziert mit dem Basisbedarf/h. Die Hälfte der errechneten Menge wird in der ersten und jeweils ein Viertel in der zweiten und dritten Stunde mit isotoner Kochsalzlösung oder Vollelektrolytlösung ersetzt.
Intraoperativer Korrekturbedarf Der intraoperative Korrekturbedarf deckt die operationsbedingten Verluste. Hierzu zählen sowohl die offensichtlichen Verluste, wie Blut im Operationssauger, Urin, und Verluste über die Magensonde, als auch die versteckten Verluste in Operationstüchern und -tupfern, Drittraumverschiebungen, Verdunstung und Fieber.
8
177 8.1 · Perioperative Infusionstherapie und Ernährung
⊡ Tabelle 8.3. Intraoperativer Korrekturbedarf in Abhängigkeit von Operationsdauer und -invasivität
Art des Eingriffs Operationsdauer und -invasivität
u Zsatzbedarf m [ l/kg KG/h]
Kleiner Eingriff
Operationsdauer <1 h Minimales Gewebstrauma, z. B. Zirkumzision, Herniotomie
2
Mittlerer Eingriff
Operationsdauer >1 h Mittleres oder geringes Gewebstrauma, z. B. kutane Ureterostomie, Klumpfußoperation
4–10
Großer Eingriff
10–15 Lange Operationszeit Großes Gewebstrauma Große Flüssigkeitsverschiebungen und Volumenverluste, z. B. Thorakotomien (offene Pleura), Laparotomien (offenes Peritoneum), Eingriffe an der Wirbelsäule
In Abhängigkeit von der Operationsdauer und Invasivität des chirurgischen Eingriffs kann man die Eingriffe in 3 Kategorien einteilen und danach einfacher das Infusionsregime planen (⊡ Tabelle 8.3). Bei kurzen chirurgischen Eingriffen mit geringem Trauma kann bei gesunden Kindern auf eine intraoperative Flüssigkeitstherapie verzichtet werden. Moderne Narkoseverfahren erlauben es, dass die Kinder durch Nahrungskarenz bedingte Defizite direkt postoperativ durch Trinken problemlos selbst korrigieren. Eingriffe ab 1-h-Länge erfordern eine genaue Kalkulation der Flüssigkeitstherapie. Je komplexer ein chirurgischer Eingriff ist, desto häufiger ist er mit schnellen und ausgeprägten Volumenverschiebungen assoziiert. Kurzfristige Änderungen im Flüssigkeitsbedarf durch Gewebstrauma, Blutverluste und Oberflächenexposition in Koinzidenz mit Anästhetikawirkungen, Temperaturwechseln und Flüssigkeitsverschiebungen innerhalb der Kompartimente müssen adäquat ausgeglichen werden. Anästhetika dämpfen Reaktionen und Reflexe des Organismus zur Aufrechterhaltung einer normalen Homöostase und steigern den Flüssigkeitsbedarf. Sie senken den peripheren Gefäßwiderstand durch Vasodilatation, und es kommt so zu einer Erhöhung der totalen vaskulären Kapazität um bis zu 25%.
178
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Intraoperative Infusionslösungen
8
Da zum einen größere Mengen hypotoner Infusionslösungen rapide die Serumosmolarität vermindern und unvorhersehbare Flüssigkeits- und Elektrolytverschiebungen verursachen und zum anderen intraoperative Verluste hauptsächlich aus Blut und interstitieller Flüssigkeit bestehen, werden intraoperativ isotone Infusionslösungen verwendet. Dabei kommen sowohl Kristalloide als auch Kolloide zum Einsatz (⊡ Tabelle 8.4). Kristalloide sind Elektrolytlösungen (Ringer-Lösung, isotone Kochsalzlösung) oder niedermolekulare Kohlenhydratlösungen (G 5%), die frei durch Kapillarmembranen diffundieren können. Plasmaersatzmittel werden in künstliche [Hydroxyethylstärke (HES), Gelatine, Dextran] und natürliche [Humanalbumin, gefrorenes Frischplasma (FFP)] Kolloide unterschieden. Ihre Volumenwirksamkeit und Verweildauer sind abhängig von der Molekülgröße, der Dispersion der Lösung, dem kolloidosmotischen Druck, der Eigenviskosität, dem Abbau und der Ausscheidung. Intraoperativ erfogt der Volumenersatz in erster Linie mit kristallinen Lösungen. Es konnte gezeigt werden, dass die Gabe von isotoner Kochsalzlösung zur Therapie der Hypotonie bei Frühgeborenen genauso effektiv wie die
⊡ Tabelle 8.4. Zusammensetzung intraoperativ gebräuchlicher Infusionslösungen
Na+ [mmol/l]
Isotone Koch- Ringersalzlösung Laktat(NaCl 0,9%ig) Lösung
Sterofundin HES 6%ig E 77 1/1 (130/0,4)
154
130
140
154
K+ [mmol/]
–
5
4
–
3
Ca++ [mmol/]
–
1,8
2,5
–
1,25
Mg++ [mmol/] Cl– [mmol/] Glukose [g/l] Osmolalität [mosmol/l] Volumeneffekt
–
–
1
–
154
111
106
154
70
0,75 52
–
–
–
–
50
308
276
300
308
430
0,2–0,25
HES Hydroxyethylstärke
0,2–0,25
0,2–0,25
1,0
0,2
179 8.1 · Perioperative Infusionstherapie und Ernährung
8
gleiche Menge 5%iges Humanalbumin mit dem Vorteil einer geringeren Flüssigkeitsretention in den folgenden 48 h ist. Wegen der knapperen Verfügbarkeit und den hohen Kosten hat Humanalbumin in der Therapie des Volumenmangels keine Bedeutung mehr. Künstliche Kolloide wurden lange wegen möglicher Nebenwirkungen (Beeinflussung der noch unreifen Gerinnung, Belastung der Lebermetabolisierungsfunktion, unreifes retikuloendotheliales System) in der Pädiatrie nicht angewandt. Bisher gibt es leider keine evidenzbasierten Daten darüber, ob die Gabe von künstlichen Kolloiden gegenüber Kristalloiden in Bezug auf Morbidität, Nebenwirkungen und Krankheitsverlauf Vorteile bringt. Weiterführende Studien müssen Subgruppen von Patienten spezifizieren, die von einer Therapie mit Kolloiden mehr als von der Gabe von Kristalloiden profitieren. Der rasche Volumenersatz bei größeren Blutverlusten ist mit Kolloiden einfacher und bei Kindern ab 10 kg KG (maximal 30 ml/kg KG) problemlos möglich. > Volumen- und Blutersatz erfolgen bis zum maximal akzeptablen Blutverlust (»maximum allowable blood loss«, MABL) mit Kristalloiden im Verhältnis 3:1 oder Kolloiden im Verhältnis 1:1. Akuter Volumenmangel: 20 ml/kg KG als Volumengabe.
Transfusion Die Entscheidung zur Bluttransfusion erfolgt individuell und ist abhängig vom präoperativen Zustand und Hämatokrit (HKT) des Kindes, der Art des Eingriffs und den postoperativen Überwachungsmöglichkeiten. Präoperativ lässt sich der MABL leicht berechnen: Blutvolumen × (HKT des Patienten – minimal akzeptierter HKT) MABL = 00000000008 HKT des Patienten Der aktuelle HKT ist direkt abhängig von der Geschwindigkeit und der Höhe des Blutverlustes und des Ersatzes mit Kristalloiden und Kolloiden. Obligat ist die dauernde Abschätzung des intraoperativen Blutverlustes durch Wiegen von Tupfern und Tüchern, Saugerfüllung und die häufige bettseitige Messung von HKT und Hämoglobin (Hb). Wichtig ist v. a. die Aufrechterhaltung einer Normovolämie, unter der auch niedrige HKT-Werte toleriert werden.
180
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
> Beim Erreichen des kritischen HKT werden 10–20 ml/kg KG frisches Erythrozytenkonzentrat transfundiert und der Erfolg durch regelmäßige HKT-Messungen kontrolliert.
8
Wenn die Entscheidung zur Transfusion gefällt wurde und das Blut aus einer Konserve stammt, sollte großzügig transfundiert werden, um zu verhindern, dass postoperativ neue Konserven gebraucht werden. Blutverluste, die das 1- bis 1,5Fache des Blutvolumens überschreiten, erfordern in der Regel die Gabe von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten. Dazu werden initial 10 ml/kg KG FFP und 10 ml/kg KG Thrombozytenkonzentrat transfundiert. (1 ml Konzentrat enthält 2×1011 Thrombozyten.) Bei hohen Transfusionsgeschwindigkeiten von Zitratblut kann es bei unzureichender Metabolisierung des Zitrats in der Leber zum Absinken des ionisierten Kalziums kommen und daraus eine relevante Hypokalzämie resultieren. In diesem Fall werden 0,1–0,2 ml/kg KG Kalziumglukonat verabreicht.
Kontrolle des Infusionsmanagements Zur Kontrolle der Infusionstherapie werden kardiovaskuläre Parameter (Herzfrequenz, systolischer und diastolischer Blutdruck) und die Urinproduktion (mindestens 1 ml/kg KG und Stunde) kontinuierlich überwacht. Bei großen Eingriffen wird zusätzlich der arterielle und zentralvenöse Druck gemessen. Ergänzend zu diesen Messwerten erlauben auch Form und Verlauf der Druckkurven sowie die Qualität des Pulsoxymetersignals und die Rekapillarisierungszeit Rückschlüsse auf den Volumenstatus des kleinen Patienten. In regelmäßigen Abständen, bei komplexen Eingriffen und kranken Kindern stündlich, sollten Laborkontrollen [Blutgasanalyse (BGA), Blutzucker (BZ) und bei Bedarf Blutbild (BB), Elektrolyte, Gerinnung] durchgeführt werden. Kurzanleitung Infusionsregime Ein 9 Monate alter und sonst gesunder Säugling (Gewicht 8 kg) soll wegen Megaureters bei vesikoureteralem Reflux eine kutane Ureterostomie erhalten. Die geplante Operationszeit beträgt 2 h. Bis 3 h vor Ankunft im Operationssaal hat das Kind noch Flüssigkeit zu sich genommen. Das Infusionsregime wird wie folgt berechnet:
▼
8
181 8.1 · Perioperative Infusionstherapie und Ernährung
Infusionsmenge 1. h Basisbedarf 4 ml*8 kg KG=32 ml/h Präoperatives Defizit 3 h*32 ml=96 ml Intraoperativer Korrekturbedarf 10 ml/kg KG/h=120 ml Glukose 1%ig in NaCl 0,9%ig Ringer-Laktat-Lösung
2. h
3. h
32 ml
32 ml
32 ml
48 ml
24 ml
24 ml
80 ml 32 ml 128 ml
80 ml 32 ml 104 ml
80 ml 32 ml 104 ml
Nach Narkoseeinleitung kann es durch die Wirkung der Anästhestika und die damit verbundene periphereVasodilatation zu einem relativen Volumenmangel kommen, der sich in einem Abfall des systolischen Blutdrucks und einem Anstieg der Herzfrequenz zeigen würde. In diesem Fall werden 10 ml/ kg KG, d. h. 80 ml isotone Kochsalzlösung, als Bolus verabreicht. Bei Blutdruck- und Herzfrequenzwerten im Normbereich und einer Urinproduktion von mindestens 8 ml/h ist das Kind ausreichend hydriert.
8.1.3
Postoperative Infusionstherapie und Aufbau der enteralen Ernährung
G. Klaunik
Postoperative Infusionstherapie Der Operationsstress bedingt einen metabolischen Katabolismus, der zur Mobilisation endogener Proteine, Fette und Kohlenhydrate führt ( Kap. 8.1.4). Aufgabe der postoperativen Ernährung ist es, in diesem Zustand exogene Substrate zur Energiegewinnung zur Verfügung zu stellen, um dadurch die endogenen Nährstoffspeicher zu entlasten. Postoperativ soll rasch auch im Sinne der Zufriedenheit des Kindes wieder eine enterale Ernäherung angestrebt werden. Durch dieses Vorge-
182
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
hen werden auch die Komplikationen einer parenteralen Ernährung minimiert. Gründe für eine länger dauernde postoperative Nahrungskarenz können sein: ▬ umfangreichere Operationen am Verdauungstrakt mit konsekutiver postoperativer Darmatonie, ▬ Darmparalyse, ▬ Pankreatitis, ▬ Peritonitis, ▬ nekrotisierende Enterokolitis (NEC), ▬ unstillbares Erbrechen, ▬ aktive gastrointestinale Blutung.
8
Kostaufbau In Bezug auf den Beginn der postoperativen enteralen Ernährung können grundsätzlich verschiedene Situationen unterschieden werden: ▬ keine Grunderkrankungen, kleine extraabdominelle Eingriffe: rascher Kostaufbau, ▬ keine Grunderkrankungen, kleine abdominelle Eingriffe: verzögerter Kostaufbau, ▬ relevante Grunderkrankungen, größere operative Eingriffe: totalparenterale Ernährung (TPN).
Keine Grunderkrankungen, kleine extraabdominelle Eingriffe: rascher Kostaufbau Nach kleineren operativen Eingriffen ohne Beteiligung des Gastrointestinaltrakts und ansonsten gesunden Kindern ist eine postoperative parenterale Flüssigkeitssubstitution nicht zwingend erforderlich. Es kann rasch schluckweise Tee angeboten werden. Wird dieser vertragen, erfolgt ein rascher Kostaufbau. Besonders bei Neugeborenen und Säuglingen ist das Risiko postoperativen Erbrechens gering, so dass frühzeitig mit einem enteralen Nahrungsaufbau begonnen werden kann.
Keine Grunderkrankungen, kleine abdominelle Eingriffe: verzögerter Kostaufbau Nach kleineren abdominellen Eingriffen sowie Eingriffen ab ca. 60- bis 90min-Dauer führt man die intraoperativ begonnene Flüssigkeits- und Elektro-
183 8.1 · Perioperative Infusionstherapie und Ernährung
8
lytsubstitution über einen peripheren Zugang mit dem Erhaltungsbedarf fort. Bei auskultatorisch lebhaften Darmgeräuschen kann nach ca. 12 h schluckweise Tee gegeben werden. Wird dieser vertragen, wird die parenterale Flüssigkeitszufuhr beendet. Nach ca. 24 h wird beim Fehlen von Ileussymptomatik oder Nausea Suppe oder Brei gegeben. Bis zum 5. postoperativen Tag sollte Schonkost eingehalten werden.
Relevante Grunderkrankungen, größere operative Eingriffe: totalparenterale Ernährung Nach größeren abdominellen Eingriffen sowie bei kritisch kranken oder dystrophen Patienten kann eine längere postoperative Nahrungskarenz (>3 Tage) erforderlich werden. Es muss daher mit einer kalorisch adäquaten totalparenteralen Ernährung (»total parenteral nutrition«, TPN nach den Vorgaben aus Kap. 4, 8.1 und 8.2) unter Anpassung an den klinischen Zustand des Patienten begonnen werden (Glukose nach BZ, Lipide und Aminosäuren nach Serumspiegel). Bei kritisch kranken Patienten, die postoperativ eine langfristige TPN erhalten, muss in Abhängigkeit vom Serum-BZ evtl. die Indikation zur Insulinsubstitution erwogen werden. Bei präoperativ »gesunden« Patienten mit größeren operativen Eingriffen ist davon auszugehen, dass bereits im Rahmen der intraoperativen Flüssigkeitstherapie präoperative Defizite ausgeglichen wurden und sich das Kind im Zustand der Flüssigkeits- und Elektrolythomöostase befindet. Es müssen nun der Erhaltungsbedarf und weitere Verluste ersetzt werden. Bei Kindern mit bereits länger bestehender Beeinträchtigung des Flüssigkeits- und Nährstoffhaushalts müssen postoperativ zusätzliche ggf. präexistente Defizite ausgeglichen werden. Nach größeren operativen Eingriffen (z. B. Herzchirurgie) können die kolloidalen Verluste so groß sein, dass eine getrennte Bilanzierung der kristalloiden und kolloidalen Verluste notwenig ist. Bezüglich der Substitution ist nach dem oben beschriebenen Schema vorzugehen ( Kap. 8.1.2).
Postoperative Flüssigkeits- und Elektrolytverluste Postoperative Flüssigkeits- und Elektrolytverluste lassen sich unterscheiden in: ▬ Kristalloide Verluste: Urin, Perspiratio insensibilis, Schweiß, Atemluft.
184
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
▬ Kolloidale Verluste: Stuhlgang, Drainagen und Sonden, Erbrechen, Speichelverlust, Diagnostik: Blut- und Liquorabnahmen.
8
Daher ist ein exaktes postoperatives Monitoring des Flüssigkeits-/Ernährungszustands erforderlich. Die Monitoringintervalle richten sich dabei nach dem Grundzustand, dem Schweregrad des Eingriffs und dem postoperativen Zustand des Patienten. Nach kleinen und mittelschweren Eingriffen bei gesunden Kindern kann sich das engmaschige Monitoring der Kreislaufparameter (alle 15 min) auf die ersten 2 postoperativen Stunden beschränken. Danach wird über insgesamt 24 h Puls und SaO2 stündlich sowie alle 4 h der Blutdruck kontrolliert. Blutungsgefährdete Patienten bekommen 2 h und 6 h postoperativ eine BB-Kontrolle. Bei stark beeinträchtigten Patienten müssen weitere Parameter in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden (⊡ Tabelle 8.5). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Zustand des Patienten postoperativ rasch ändern kann. Die initial engmaschigen Kontrollen können in Abhängigkeit von der Gesamtsituation mit zunehmendem Abstand zur Operation reduziert werden. ⊡ Tabelle 8.5. Monitoring des postoperativen Flüssigkeits- und Ernährungshaushalts bei kritisch kranken Patienten
Parameter
Bestimmungsintervall
Vitalparameter (Blutdruck, Puls, Sättigung)
Kontinuierlich bzw. in kurzem Intervall
Flüssigkeitsein- und ausfuhr
Stündlich
Verluste über Drainagen und Sonden
Stündlich
Klinisches Bild (Exsikkose, Ödeme)
Mehrmals täglich
Serumglukose
Mehrmals täglich
Blutbild
Mehrmals täglich
Urin: Glukose, spezifisches Gewicht, Aceton, Kreatinin
Mehrmals täglich
Serumelektrolyte
Mehrmals täglich
Bei länger dauernder TPN
Kap. 11
TPN totalparenterale Ernährung
8
185 8.1 · Perioperative Infusionstherapie und Ernährung
Klinisch relevante Flüssigkeitsverluste außerhalb der normalen Exkretion (z. B. über Drainagen, durch Fieber oder postoperatives Erbrechen) sollten substituiert werden. Die innerhalb einer Stunde im Einfuhr-Ausfuhr-Protokoll dokumentierte negative Flüssigkeitsbilanz wird dabei in der darauffolgenden Stunde mit 0,9%iger NaCl-Lösung ersetzt. Das Zeitintervall richtet sich nach dem Volumen des Flüssigkeitsverlustes in Relation zum Patienten. Eventuell muss auch ein Ausgleich des Elektrolytverlustes erfolgen. Dieser kann abgeschätzt oder in der entsprechenden Flüssigkeit bestimmt werden (⊡ Tabelle 8.6; Cave: mit der Kaliumsubstitution erst nach der ersten Miktion beginnen!). Neben den sichtbaren Flüssigkeitsverlusten muss beachtet werden, dass durch die Gewebetraumatisierung Flüssigkeit dem Intravasalraum entzogen und im dritten Kompartiment eingelagert wird. Dieser Volumenverlust durch Volumenverschiebung taucht in der Bilanz nicht auf und kann nur anhand von Kreislauf- und Laborparametern nachvollzogen und ausgeglichen werden. Daher sollte postoperativ das klinische Gesamtbild des Patienten kritisch beobachtet werden. Verschiedene chirurgische Erkrankungen erfordern eine spezifische postoperative TPN. Diese kann in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand, von der abdominellen (Menge und Farbe des refluierenden Mageninhalts, Qualität der ⊡ Tabelle 8.6. Durchschnittlicher Elektrolytgehalt verschiedener Körperflüssigkeiten. (Nach Berry 1997; Sitzmann 1986)
Körperflüssigkeit
Na+ K+ Cl– HCO3– pH [mmol/l] [mmol/l] [mmol/l] [mmol/l]
Speichel
50
20
5–44
Magensaft
60±30
9,1±4
150
0
1
300
Pankreassekret 140
5
50–100
100
9
300
Galle
145±15
5,1±1,2
80–120
40
8
300
Ileostoma
125±20
5,0±2,1
20–115
25–30
8
300
Diarrhö
60±30
30±15
10–110
50
alkalisch
Liquor
140±5
4,5±1,0
53–130
Schweiß
30±10
5
55
0
4,0–6,8
Blut
140
4–5
100
25
7,4
285–295
Urina
0–100
20–100
70–100
0
4,5–8,5
50–1400
a
Abhängig von der Flüssigkeitsaufnahme
Osmolalität [mosmol/l]
5,8–7,1
7,35–7,4 <300
186
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Darmperistaltik, Stuhlgang) und der pulmonalen Situation schrittweise in eine enterale Ernährung überführt werden.Wenn eine parenterale Substitutionsdauer von mehr als 3 Tagen abzusehen ist, kann eine minimale parenterale Ernährung durchgeführt werden. Sobald die Peristaltik einsetzt und die aspirierten Magenreste abnehmen, wird mit dem enteralen Nahrungsaufbau begonnen. Kurzanleitung Postoperative totalparenterale Ernährung in speziellen Situationen
8
▬ Omphalozele und Laparoschisis: TPN über mindestens 1 Woche. Bei guter Peristaltik und regelmäßigen Hungerstühlen Ernährungsaufbau mit Tee oder 10%iger Glukose , dann 12-mal 1–3 ml Muttermilch (MM) und langsame Volumensteigerung in Abhängigkeit von der Darmperistaltik. ▬ Nekrotisierende Enterokolitis: TPN über ca. 10–14 Tage, danach wie bei Omphalozele. ▬ Ösophagusatresie: Bei unkomplizierten Formen kann nach ca. 24 h mit der 2-stündlichen Ernährung über die Magensonde begonnen werden, danach z. B. 12-mal 3 ml 10%ige Glukose oder MM. ▬ Dünndarmanastomose: Nahrungsaufbau nach ca. 48 h, mehreren Stühlen und reger Darmperistaltik, ggf. über eine liegende transanastomotische Sonde, z. B. 12-mal 3 ml 10%ige Glukose oder MM. Sondierung des refluierenden Magensaftes. ▬ Dickdarmanastomose: TPN über ca. 3–4 Tage. Sonst wie bei Dünndarm. ▬ Bei länger dauernder Ileussymptomatik: Nahrungsaufbau nach mehreren Stühlen und reger Darmperistaltik (klarer Magensaft über Magensonde) in kleinen Mengen (relative Darmstenose). ▬ Pankreatitis: langfristige TPN, bis die Amylasewerte über mehrere Tage konstant bleiben. Danach vorsichtiger Kostaufbau über Tee, flüssigbreiige Kost. Danach fettarme Schonkost und Fermentsubsitution.
Stellt sich nach den beschriebenen Intervallen keine Peristaltik ein, so sollten sorgfältig etwaige Komplikationen ausgeschlossen werden. Wenn abzusehen ist, dass postoperativ über einen Zeitraum von mehr als 3 Tagen eine teil- oder vollparenterale Ernährung erfolgen muss, sollten zusätzlich zu den Kohlenhydraten Proteine und Lipide supplementiert werden ( Kap. 7.2).
187 8.1 · Perioperative Infusionstherapie und Ernährung
8
Kohlenhydratzufuhr Die parenterale Substitution von Kohlenhydraten folgt den Regel, die unter den Bedingungen des Postaggressionsstoffwechsels üblicherweise zu beachten sind ( Kap. 8.1.4).
Proteinzufuhr Nach der Akutphase ( Kap. 8.1.4) kommt es in der Phase des Postagressionsstoffwechsels zu einer katabolen Stoffwechsellage mit einer gesteigerten Energiegewinnung aus Proteinen und Fetten. Pädiatrische Aminosäurelösungen sollten daher ab dem 1. postoperativen Tag TPN gegeben werden. Es wird mit 0,5–1 g/kg KG und Tag begonnen und pro Tag um 0,5–1 g/kg KG gesteigert, bis die altersentsprechende Tagesmenge erreicht ist ( Kap. 4.3). Parallel zur TPN durchgeführte minimale enterale Nahrungszufuhr (bis zu 10 ml/kg KG und Tag) oral oder über eine nasogastrische, nasoduodenale, nasojejunale Sonde bzw. über eine Jejuniostomie hat einen protektiven Effekt.
Lipidzufuhr Mit der Substitution von Fetten kann im Rahmen der TPN am 1.–3. postoperativen Tag mit 0,5–1 g/kg KG und Tag begonnen werden. Alle 1–2 Tage wird um 0,5–1 g/kg KG und Tag bis zum Erreichen der altersentsprechenden Tagesmenge, ggf. unter Monitoring der altersentsprechenden Triglyzeridkonzentration im Serum gesteigert ( Kap. 4.3, 7, 11). Nach postoperativen Lipidinfusionen ist eine verschlechterte Oxygenierung des Patienten aufgrund einer Schädigung der pulmonalen Kapillaren mit nachfolgendem »acute respiratory distress syndrome« (ARDS) beobachtet worden. Dieser Effekt kann möglicherweise auf eine durch freie Radikale induzierte Schädigung des Kapillarendothels zurückgeführt werden. Daher sollte bei Intensivpatienten (mit potenziell hohem Radikalmetabolismus) bei der Lipidzufuhr auf die Einhaltung physiologischer Lipid-Plasma-Spiegel geachtet werden.
Besonderheiten bei Früh- und Neugeborenen Bei Neonaten kann es postoperativ leichter als bei älteren Patienten zu einer vermehrten Flüssigkeitstranssudation in das Interstitium mit der Gefahr von verstärkten Wundödemen und resultierend Wund- und Anastomoseninsuffizienzen kommen ( Kap. 2). Darum haben bei diesen Patienten exakte Flüssigkeitsbilanzierung und Monitoring einen besonderen Stellenwert.
188
8.1.4
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Physiologie des Postaggressionsstoffwechsels
M. Hermsen
8
Verschiedenartige Belastungen und schwere Schädigungen des Organismus, wie Stress, Trauma, Verbrennungen, Sepsis und große operative Eingriffe, werden über bestimmte Regulationsmechanismen auf charakteristische Weise beantwortet. Dabei können die auslösenden Ursachen unterschiedlicher Natur sein; der Reaktionsablauf und die Umstellungen des Stoffwechsels jedoch sind relativ einheitlich und führen zum Bild des sog. Postaggressionsstoffwechsels bzw. Postaggressionssyndroms. Eine wesentliche Funktion des Postaggressionsstoffwechsels war urzeitlich die Bereitstellung von Stoffwechselsubstraten in lebensbedrohlichen Situationen, ohne dass exogen Nahrung zugeführt werden musste (Autarkie, »fit for fight«). Durch eine in Abhängigkeit von der Schwere des Traumas ausgelöste Stressreaktion kommt es zu interindividuell unterschiedlichen Veränderungen des Vegetativums, des Neuroendokrinums und der peripheren Hormondrüsen. Aufgrund der Klinik und der hormonellen und metabolischen Veränderungen mit Wirkung auf den Kohlenhydratstoffwechsel, die Proteinhomöostase, den Lipidstoffwechsel, den Wasser- und Elektrolythaushalt, die Mediatorfreisetzung und die Immunreaktion werden 3 Phasen unterschieden: ▬ Akutphase (Aggressions- oder Schockphase), ▬ Postaggressionsphase (katabole Phase), ▬ Reparationsphase (anabole Phase).
Akutphase Die Aggressions- oder Schockphase dauert je nach Schwere der Schädigung und Erfolg einer frühzeitigen Behandlung bis zu 24 h an und wird initiiert durch neurale Faktoren, Schmerzen und humorale Mediatoren aus dem Verletzungsgebiet, z. B. bei Verbrennungen, ausgedehnten Knochen- und Weichteilverletzungen (Polytrauma), großen Operationen mit hohen Blutverlusten oder anderen lebensbedrohlichen Erkrankungen. Ziel dieser Phase ist dabei das Überleben durch vermehrte Bereitstellung von Substraten an lebenswichtige Organe (ZNS, Herz, Muskulatur) zu Ungunsten untergeordneter Organe (Darm, Haut) zu gewährleisten und Flüssigkeitsverluste möglichst gering zu halten. Der Organismus reagiert mit einem erhöhten Sympathikotonus und einer massiven Ausschüttung von Katecho-
189 8.1 · Perioperative Infusionstherapie und Ernährung
8
laminen (Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin), Kortisol, Vasopressin (ADH), Glukagon, HGH (»human growth hormone«, Wachstumshormon) und Endorphinen. Die Insulinausschüttung aus den Pankreaszellen wird supprimiert und gleichzeitig die Insulinwirkung an den Zellen herabgesetzt. Durch Stimulation der Glukoneogenese und Glykogenolyse in der Leber und Muskulatur kommt es zu einem weiteren Anstieg des BZSpiegels, und es entsteht ein sog. Pseudo- oder Stressdiabetes. Außerdem werden durch Lipolyse freie Fettsäuren aus dem Fettgewebe mobilisiert, die Proteinsynthese gehemmt, der Cori-Zyklus aktiviert sowie die Laktatund Pyruvatproduktion gesteigert. Im frühen Kindesalter kann es besonders bei nichtausreichender Leberperfusion und daraus resultierender unzureichender Glukoneogenese nach Erschöpfung der Glykogenreserven zu bedrohlichen Hypoglykämien kommen.
Postaggressionsphase Die Postaggressionsphase schließt sich der Akutphase an und kann Tage bis Wochen anhalten. Sie ist gekennzeichnet durch eine katabole Stoffwechsellage, die sich in einem Hypermetabolismus, verminderter Glukoseverwertung, gestörter Glukoseregulation und einer gesteigerten Energiegewinnung aus Proteinen und Fetten zeigt. Obwohl die Veränderungen mit der Schwere der Erkrankung korrelieren, bildet sich kein einheitliches Hormonmuster in dieser Phase aus. Die Katecholaminspiegel fallen im Vergleich zur Akutphase wieder ab, während die Kortisol- und Glukagonspiegel weiter ansteigen. Dies führt zu einer erhöhten intrazellulären Lipolyse, hemmt den Glykogenaufbau aus Glukose und steigert die Glukoneogenese v. a. aus glukoplastischen Aminosäuren. Die BZ-Werte sind im hyperglykämischen Bereich. Darunter ist die Insulinsekretion zwar wieder stimulierbar, jedoch ist die Insulinwirkung an den Zellen abgeschwächt, bzw. es besteht eine Insulinresistenz durch Störungen der Insulinrezeptoren. Im Vordergrund steht außerdem der ausgeprägte Proteinkatabolismus mit negativer Stickstoffbilanz. Die Proteinhydrolyse überwiegt die Proteinneusynthese. Als Proteinpool der Proteolyse dient in erster Linie die quergestreifte Muskulatur, aber auch die Herz- und Zwerchfellmuskulatur sowie die glatte Muskulatur des Gastrointestinaltrakts. Trotzdem findet eine vermehrte Neusynthese von »Akut-Phase-Proteinen«, wie α1-Antitrypsin, C-reaktives Protein (CRP), Fibrinogen und Haptoglobin, statt. Andere Transportproteine und Enzyme, wie Albumin, Transferrin oder Cholinesterase, fallen jedoch stetig ab.
190
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Reparationsphase Die Reparationsphase ist durch eine anabole Stoffwechsellage gekennzeichnet und kann sich über Wochen bis Monate hinziehen. Der Hypermetabolismus und die hormonelle Stressantwort bilden sich allmählich zurück, und in erster Linie werden Proteine zur Stärkung der Immunabwehr und zur Reparation von geschädigten Geweben synthetisiert.
Therapie
8
Bislang gibt es keine Möglichkeiten, das Postaggressionssyndrom kausal zu behandeln. In erster Linie gilt es, die Stressoren rasch zu beheben, die Vitalfunktionen zu sichern und den Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Säure-BasenHaushalt auszugleichen. Im Vordergrund steht eine Senkung des Stoffwechsels durch ausreichende Analgosedierung und ggf. Intubation und Beatmung. Eventuell kann eine medikamentöse Dämpfung des erhöhten Sympathikotonus notwendig sein. Eine weitere Therapiegrundlage ist die Überwachung des Energiestoffwechsels, um die Effektivität der Ernährung zu kontrollieren und zu optimieren sowie Komplikationen aufzudecken. Wichtig ist der langsame Nahrungsaufbau mit einem phasenadaptierten Konzept. Hypo- und Hyperglykämien sowie Hypertriglyzeridämien müssen vermieden werden. Hyperglykämien werden mit ggf. extrem hohen Insulindosen behandelt. Eine Kohlenhydratzufuhr ist in der Regel nicht sinnvoll. Lediglich bei BZ-Spiegeln < 60 mg/dl werden 3–5 mg/kg KG und Stunde Glukose unter engmaschiger BZ-Kontrolle infundiert. In der Postaggressionsphase müssen, um die Proteolyse auszugleichen und eine Positivierung der Stickstoffbilanz zu erreichen, Aminosäuren in ausreichender Menge zugeführt werden. Dabei wird über ein geeignetes und stoffwechselgerechtes Verteilungsmuster für die einzelnen Aminosäuren noch heftig diskutiert. Obwohl Wachstumshormon das potenteste Mittel zur Stimulation der Proteinsynthese mit dem Effekt einer verbesserten Wundheilung, verringerten Infektionsrate und entsprechender Verkürzung der Behandlungsdauer ist, zeigten Studien bisher jedoch eine erhöhte Mortalität nach Behandlung mit r-HGH bei akuter Katabolie, so dass sich dieser zunächst viel versprechende Therapieansatz zur Unterdrückung der Eiweißkatabolie nicht durchsetzen wird.
191 8.1 · Perioperative Infusionstherapie und Ernährung
Exkurs Postaggressionsstoffwechsel Durch eine in Abhängigkeit von der Schwere des Traumas ausgelöste Stressreaktion kommt es zu interindividuell unterschiedlichen Veränderungen des Vegetativums, des Neuroendokrinums und der peripheren Hormondrüsen. Aufgrund der Klinik sowie der hormonellen und metabolischen Veränderungen mit Wirkung auf den Kohlenhydratstoffwechsel, die Proteinhomöostase, den Lipidstoffwechsel, den Wasser- und Elektrolythaushalt, die Mediatorfreisetzung und die Immunreaktion werden 3 Phasen unterschieden. Ziel der Ernährungstherapie ist die Verminderung einer negativen Stickstoffbilanz durch parenterale/enterale Ernährung, um die Katabolie zu begrenzen.
Phasen der Stressreaktion Akutphase (Aggressions- oder Schockphase) Behebung der auslösenden Stressoren Stabilisierung von Respiration und Hämodynamik Adäquate Volumensubstitution Senkung des Stoffwechsels durch ausreichende Analgosedierung Zufuhr von exogenen Substraten (Kohlenhydrate, Proteine, Fette) nicht sinnvoll (Ausnahme: Hypoglykämien) Postaggressionsphase (katabole Phase) Überwachung des Energiestoffwechsels Phasenadaptiertes Ernährungskonzept, das Hypo- und Hyperglykämie sowie Hypertriglyzeridämien vermeidet Enterale Ernährung so früh wie möglich Reparationsphase (anabole Phase) Ausgewogenes Ernährungskonzept unter Berücksichtigung des vermehrten Energie- und Substratbedarfes (Eiweiß, Spurenelemente, Vitamine)
8
192
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
8.2
Besondere Aspekte der Ernährung Frühgeborener
F. Jochum
8
Die physiologische Ernährung von Reifgeborenen wurde in Abschn. 6.1 beschrieben. Auch und gerade für Frühgeborene ist Muttermilch wegen ihrer supranutritiven Effekte (z. B. Infektionsprophylaxe) die bevorzugte Nahrung. Wegen des höheren Nährstoffbedarfes von Frühgeborenen sollte die Mutterbzw. Frauenmilch mit Nährstoffen angereichert werden. Steht keine Frauenmilch zur Verfügung, sollte Frühgeborenenspezialformula mit einer höheren Energiedichte verwendet werden. Für die Aminosäure- und Kohlenhydratanreicherung der Frauenmilch stehen spezielle industriell gefertigte Supplemente zur Verfügung ( Abschn. 8.2.1). Zusätzlich hat sich die enterale Supplementation mit Multivitaminpräparaten, Eisen, Kalzium/Phosphat bei Frühgeborenen unabhängig von Frauenmilch- oder Formulaernährung bewährt: ▬ Wenn keine Muttermilch verfügbar ist, bei Frühgeborenen <1.000 g Geburtsgewicht (<1.500 g Geburtsgewicht) »Spendermuttermilch« (Frauenmilch) erwägen. Wenn möglich, Gabe von Frauenmilch nach Testung der Spenderin (»human immunodeficiency virus«, Hepatitis B, C usw.; diese Befunde liegen bei den meisten Frauenmilchspenderinnen bereits vor, wenn bevorzugt Mütter von Früh- bzw. Reifgeborenen gefragt werden, deren Kinder ebenfalls auf der Station behandelt werden müssen). Kontrovers diskutiert wird die Pasteurisierung der Frauen- bzw. Muttermilch (Senkung des Infektionsrisikos vs. Denaturierung/Inaktivierung protektiver Inhaltsstoffe). ▬ Wenn keine Frauenmilch verfügbar ist, Nahrungsaufbau mit Formulanahrung nach Reife.
8.2.1
Enteraler Nahrungsaufbau bei Früh- und reifen Neugeborenen
Zum Beginn der enteralen Ernährung werden in vielen Kliniken als erste der Mahlzeiten 1–2 Gaben Maltoselösung oder Tee (oder destilliertes Wasser) angeboten. Hintergrund ist die Verminderung des Risikos für eine chemische Pneumonie nach Aspiration, wenn der Nahrungsaufbau bzw. die Anregung der »Peristaltik« des Gastrointestinaltrakts fehlschlägt. Diese Maßnahmen
193 8.2 · Besondere Aspekte der Ernährung
8
sind nicht evidenzbasiert, wie auch die Karenzzeiten vor der ersten angebotenen enteralen Nahrung. Auch die Anzahl der Mahlzeiten/Tag ist Erfahrungsmedizin. Hintergrund sind hier die kleinen Nährstoffspeicher, die mit der Unreife der Frühgeborenen korrelieren. Bei längeren Pausen zwischen den Mahlzeiten könnten sie ggf. zur Vermeidung einer Hypoglykämie nicht ausreichen. Des Weiteren kommt die Verabreichung von 12 Mahlzeiten/Tag der gleichmäßigen Nährstoffzufuhr der Plazenta näher als größere Intervalle. Außerdem existiert die experimentell nichtüberprüfte Vorstellung, dass ein kleineres Nährstoffvolumen pro Mahlzeit mechanisch einfacher zu halten ist und so einen gastroösophagealen Reflux zu vermeiden hilft. Folgende Maßnahmen werden vorgeschlagen: Beginn des Nahrungsaufbaus Frühgeborene <1.000 g Geburtsgewicht
Als erste der 12 Mahlzeiten/Tag 1–2 Gaben von Maltoselösung (oder Tee) Beginn nach 12–24 Lebensstunden Menge der tägliche Steigerung: 5–15 g/kg KG und Tag Anzahl Mahlzeiten 12/Tag Beginn unter parenteraler Ernährung
Frühgeborene 1.000– 1.500 g Geburtsgewicht
Beginn nach 8–24 Lebensstunden Menge der tägliche Steigerung: 10–20 g/kg KG und Tag Anzahl Mahlzeiten 12/Tag Beginn unter parenteraler Ernährung
Frühgeborene >1.500 g und reife Neugeborene »krank«
Beginn nach 0–48 Lebensstunden Menge der tägliche Steigerung: 15–30 g/kg KG und Tag Anzahl Mahlzeiten 8/Tag, bei eutrophen Reifgeborenen 6/Tag Beginn unter parenteraler Ernährung
Reife Neugeborene »zur Diagnostik«
Beginn nach 0–6 Lebensstunden Menge der tägliche Steigerung ad libidum (Voraussetzung Kind trinkt selbst angegebene Mindestmenge) Anzahl Mahlzeiten 6/Tag
194
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
8.2.2
Nahrungssupplementation bei VLBW- und ELBW-Frühgeborenen
Frühgeborene, insbesondere mit VLBW (»very low birth weight«; Geburtsgewicht <1.500 g) und mit ELBW (»extremely low birth weight«; Geburtsgewicht <1.000 g) haben wegen ihres schnelleren Wachstums einen höheren Nährstoffbedarf. Die Notwendigkeit der Anreicherung der Nahrung für besonders unreife Frühgeborene mit Energiebausteinen, Vitaminen, Eisen, Kalzium/ Phosphat und weiteren Nährstoffen ist allgemein akzeptiert. Die Frage ist aber, welche Substrate in welcher Dosierung bei welchen Frühgeborenen für wie lange supplementiert werden sollen. Im Folgenden wird ein Supplementationsschema beschrieben, das mit den auf dem Markt verfügbaren Supplementen (⊡ Tabelle 8.7) angepasst durchgeführt werden kann.
8 ⊡ Tabelle 8.7. Frauenmilchsupplemente
FM85, 5%iga
Eoprotin 3%b
FMS 3,4%c
Eiweiß
[g]
0,8
0,6
0,8
Kohlenhydrate
[g]
3,6
2,1
2,2
Elektrolyte Natrium
[mg]
27
Kalium
[mg]
12
20
Kalzium
[mg]
51
38
69
Phosphor
[mg]
34
26
46
2,4
6,9 4,5
Vitamine Vitamin A
[mg]
0,03
0,15
Vitamin E
[mg]
0,3
2,9
Vitamin K
[µg]
Vitamin C
[mg]
15
0,2
Eisen
[µg]
15
Zink
[mg]
Energie
[kcal]
7,1 13,6
0,35 18
11
Handelsnamen mit vom Hersteller empfohlener Anfangsdosierung a Molkehydrolysat; b Molkeeiweiß; c Molke- und Kaseinhydrolysat
12
195 8.2 · Besondere Aspekte der Ernährung
Kurzanleitung Supplementationsschema für VLBW- und ELBW-Frühgeborene ▬ Muttermilchfortifier:
Wer Inhalt Beginn Dosierung Dauer Bemerkung
Alle Frühgeborene <1.500 g Geburtsgewicht mit Muttermilchernährung Protein bzw. Aminosäuren, Kohlenhydrate, Mineralstoffe und z.T Vitamine Ab einem enteralen Nahrungsanteil von >75% und einem Alter von >7 Lebenstagen Beachte die Herstellerangaben Ende der Supplementation bei Entlassung oder einem Gewicht von 3.500 g Bei schlechtem Gedeihen (nach Ausschluss von pathologischen Ursachen, wie z. B. Zink- (Zn-)Mangel) und v. a. hohem Kalorienverbrauch (ggf. Kaloriemetrie durchführen) nochmalige Erhöhung der Fortifier erwägen
▬ Enterale Vitaminsupplementation:
Bemerkung Wer Beginn Dosierung
Dauer Cave
▼
Bei (teil-) parenteraler Ernährung Abschn. 8.2.5 Alle Frühgeborenen <2.500 g Ab dem 14. Lebenstag bei einem enteralen Nahrungsanteil >50% und Ende der parenteralen Vitaminsupplementation Ergänzende Zufuhr von 20–40% zum Vitamingehalt der Muttermilch bzw. Formula nach verwendetem Multivitaminsupplement dosieren (Abteilungsfestlegung z. B. 1 Trpf./kg KG und Tag von Vitaminsupplement X verteilt auf 3 Gaben/Tag) Weiterführung der Vitaminsupplementation bis zum korrigierten dritten Lebensmonat Hyperosmolar
8
196
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
▬ Kalzium-/Phosphatsupplementation (zur Prophylaxe der Frühgeborenenosteopenie):
Bemerkung Wer Beginn Dosierung
Dauer
Abschn. 8.2.3 Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht <1.500 g Frühestens nach komplettem enteralen Nahrungsaufbau Beginn mit 1 Einheit/Mahlzeit [1 Einheit=1 Kaps. entspricht: Ca: 10 mg (0,25 mmol); P: 7,5 mg (0,25 mmol)/Einheit]. Adjustierung nach Kalzium/Kreatinin-Quotienten und alkalischer Phosphatase (AP; Zielbereich 20–35 E) Korrigierter dritter Lebensmonat
8 ▬ Eisensupplementation (Prophylaxe der Frühgeborenenanämie):
Bemerkung Wer Beginn Dosierung
Dauer Cave
Abschn. 8.2.4 Alle Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht <2.500 g Nach Vollendung des enteralen Nahrungsaufbaus Mit einer initialen Zufuhr von ca. 5 mg/kg KG und Tag verteilt auf 3 Gaben/Tag beginnen. Steigerung zur Therapie einer Eisenmangelanämie bis auf 9(–12) mg/kg KG und Tag unter Kontrolle von Retikulozyten und Transferrinsättigung ( Abschn. 8.2.4, 11 »Monitoring«) Bis zur Entlassung, längstens bis zum korrigierten dritten Lebensmonat Reizt die Magenschleimhaut. (Erythropoetinbehandlung ohne adäquate Eisenzufuhr ist sinnlos)
197 8.2 · Besondere Aspekte der Ernährung
8.2.3
8
Prophylaxe der Frühgeborenenosteopenie
Physiologie und Pathomechanismen der Frühgeborenenosteopenie Die höhere Wachstumsgeschwindigkeit von Frühgeborenen bedingt den im Vergleich zu Reifgeborenen höheren Bedarf an Energie, Nährstoffen,Vitaminen, Spurenelementen und Mineralstoffen. Das gilt auch für ihren Bedarf an Ca und P (American Academy of Pediatrics Committee on Nutrition 1985; Trotter u. Pohlandt 2002). Wegen der kleinen Körperspeicher und dem hohen Bedarf zur Mineralisierung der wachsenden Knochen kann unsupplementierte Muttermilch- oder Formulaernährung schnell zu einer Osteopenie mit je nach Reifegrad und Wachstumsgeschwindigkeit unterschiedlicher Ausprägung führen. Andererseits können Frühgeborene bei unkompliziertem Verlauf nach Verlassen des »Schnellwachstumsalters« und der Auffüllung ihrer Körperspeicher ab ca. dem 3. korrigierten Lebensmonat auch ohne Supplementation eine »normale« Knochenmineralisation aufweisen (Congdon et al. 1990). Eine reversible Frühgeborenenosteopenie sollte trotzdem immer vermieden werden, da sie mit typischen Komplikationen verbunden ist. So wurde eine erhöhte Inzidenz von Frakturen und Knochendeformitäten (Dolichozephalie) bei Frühgeborenenosteopenie beobachtet (Koo et al. 1995; Pohlandt 1994a). Ein Zusammenhang mit der Entwicklung der bei Frühgeborenen überzufällig häufig beobachteten Myopie (Pohlandt 1994a,b) wird vermutet. Ursache könnten die unphysiologisch weichen Orbitaknochen bei einer Osteopenie sein, die dem sich entwickelnden Augapfel ein im Vergleich zum mineralisierten Knochen weiches Gegenlager bieten. Hierdurch kann die Entwicklung eines geringfügig zu »langen« Augapfels begünstigt werden, der zur Kurzsichtigkeit führt. Des Weiteren sind bei osteopenischen Frühgeborenen längere Respiratortherapie und Atemhilfe notwendig.
Kalzium und Phosphatbedarf Anhalt für den Ca-/P-Bedarf kann die intrauterine Nährstoffzufuhr für den Feten bei korrespondierendem Gestationsalter geben (Koo 1993; Ziegler et al. 1976). Im 3. Trimenon der Schwangerschaft baut der wachsende Fetus im Durchschnitt täglich ca. 120–160 mg Ca/kg KG und Tag sowie 65–80 mg P/kg KG und Tag in das wachsende Skelett ein (Greer 1989; Ziegler et al. 1976). Der Gehalt von Ca und P in der Muttermilch, aber auch in Anfangsformulanahrung, kann den hohen Bedarf dieser Patientengruppe mit den üblichen Trinkvolumina nicht decken (Butte et al. 1984; Lemons et al. 1982; ⊡ Tabelle 8.8).
198
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
⊡ Tabelle 8.8. Kalzium-/Phosphatgehalt verschiedener Nahrungena
Kalzium (Ca) [mg (mmol) /100 ml] Frauenmilchb
30 (0,8)b
Phosphat (P) [mg (mmol) /100 ml] 15 (0,5)b
Anfangsnahrungen
8
Aletemil Pre
45 (1,1)
22 (0,7)
Aponti Pre
45 (1,1)
22 (0,7) 22 (0,7)
Beba Pre
45 (1,1)
Pre Aptamil (LCP/M)
66 (1,7)
42 (1,3)
Pre Hipp
85 (2,1)
46 (1,5) 31 (1,0)
Pre Humana:
53 (1,3)
Pre Lactana A
54 (1,4)
32 (1,0)
Pre Milasan
55 (1,4)
35 (1,1)
Pre Milumil
44 (1,1)
49 (1,6)
Mittelwert
55 (1,4)
33 (1,1)
Aletemil FG (+LC-PUFA)
99 (2,5)
54 (1,7)
Aptamil Prematil (LCP)
100 (2,5)
50 (1,6)
99 (2,5)
54 (1,7)
Frühgeborenennahrungen
Beba FG Humana-0
100 (2,5)
56 (1,8)
Humana-0 VLBW
100 (2,5)
57 (1,8)
Mittelwert
100 (2,5)
54 (1,7)
Alfare (13,6%)
54 (1,4)
34 (1,1)
Aptamil Prematil HA (LCP)
90 (2,3)
47 (1,5)
100 (2,5)
56 (1,8)
51 (1,3)
32 (1,0)
(Teil-)Hydrolysat-Nahrungen
Humana-0 HA Pregomin a
b
Herstellerangaben bei Formulanahrung bei Zubereitung nach Herstellerempfehlung Der Gehalt der Frauenmilch ist starken inter- und intraindividuellen Schwankungen unterworfen. Zahlen hier nach Wharton 1987
199 8.2 · Besondere Aspekte der Ernährung
8
⊡ Tabelle 8.9. Kalzium-/Phosphatgehalt supplementierter Frauenmilcha
Nahrung
Supplement
Kalzium (Ca) [mg/100 ml]
Phosphat (P) [mg/100 ml]
Frauenmilch 1a
30 (0,8)a
15 (0,5)a
Frauenmilch 2a
36 (0,9)a
15 (0,5)a
Frauenmilch
Eoprotin, 1%ig
43 (1,0)
24 (0,8)
Frauenmilch
Eoprotin, 3%ig
68 (1,7)
41 (1,3)
Frauenmilch
Eoprotin, 5%ig
93 (2,3)
58 (1,9)
Frauenmilch
FMS, 2,1%ig
59 (1,5)
37 (1,2)
Frauenmilch
FMS, 4,2%ig
87 (2,2)
59 (1,9)
Frauenmilch
FMS, 6,3%ig
116 (2,9)
81 (2,6)
Frauenmilch
FM 85, 2,5%ig
55 (1,4)
32 (1,0)
Frauenmilch
FM 85, 5,0%ig
81 (2,0)
49 (1,6)
Frauenmilch
FM 85, 7,5%ig
107 (2,7)
66 (2,1)
Angaben in Klammern Wert in mmol/100ml a Errechnet nach Herstellerangaben. DerGehalt der Frauenmilch ist starken interund intraindividuellen Schwankungen unterworfen. Für die Berechnung wurden die Messungen von Wharton 1987 zugrunde gelegt
Frühgeborenenformula (⊡ Tabelle 8.8) oder supplementierte Muttermilch (⊡ Tabelle 8.9) haben zwar einen höheren Ca-/P-Gehalt als Anfangsnahrung (⊡ Tabelle 8.8), trotzdem bleibt die Zufuhr unterhalb der intrauterinen Versorgung (⊡ Tabelle 8.10).
Kalkulation der Zufuhr Kalzium hat eine Resorptionsrate von ca. 50%, P von ca. 80% bei Muttermilchernährung. Wird eine mittlere Wachstumsgeschwindigkeit angenommen, so kann (auf der Grundlage der Daten der intrauterinen Zufuhr; Greer u. McCormick 1988; Ziegler et al. 1976) eine Zufuhr von 240–320 mg Ca/kg KG und Tag sowie 130–160 mg P/kg KG und Tag geschätzt werden. Auch diese Werte können wegen der großen intra- und interindividuellen Schwankungen (35–80%) nur als grober Anhalt dienen (Ehrenkranz et al. 1985; Liu et al. 1989). Bei Formulaernährung ist die Bioverfügbarkeit geringer. In der Literatur sind vielfach niedrigere Werte publiziert, die z. T. auf Konsensuskonferenzen festgelegt wurden. Hierbei ist zu bedenken, dass auch
200
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
⊡ Tabelle 8.10. Beispiele für die Kalzium-/Phosphatzufuhr bei unterschiedlicher enteraler Ernährung
Kalzium (Ca) Phosphat (P) Ca-/P-Zufuhr in mg bei Ernährung mit 160 ml/kg KG und Tag Frauenmilcha
48a
Anfangsnahrung (MW)
88
53
160
86
Frühgeborenenformula (MW)
8
24a
Frauenmilch + Eoprotin, 3%ig
109
38
Frauenmilch + FMS, 4,2%ig
139
94
Frauenmilch + FM85, 5%ig
130
78
Bei einer Nahrungszufuhr von 160 ml der genannten Nahrung/kg KG und Tag ergibt sich rechnerisch die angegebene Zufuhr an Ca. Angaben jeweils bezogen auf mg/kg KG und Tag MW Mittelwert a Für die Berechnung wurden die Messungen von Wharton 1987 zugrunde gelegt.
heute noch wenig experimentelle Daten über den wirklichen Bedarf vorliegen, und dass die Empfehlungen auf Basis der Daten vor 1990 mit Sicherheitsabschlägen erfolgten. Unter Einbeziehung der in der Literatur verfügbaren Angaben empfiehlt Koo (1993) eine Zufuhr von 120–230 mg Ca/kg KG und Tag sowie von 60–140 mg P/kg KG und Tag. Diese Angabe deckt sich gut mit den oben unter Berücksichtigung der Resorptionsraten aus der intrauterinen Zufuhr berechneten Werten. Wichtiger als Spekulationen über die optimale Zufuhr bei einer theoretischen mittleren Wachstumsgeschwindigkeit scheint die individuelle Anpassung an den wechselnden tatsächlichen Bedarf des behandelten Frühgeborenen zu sein (⊡ Tabelle 8.10). > Keine der für Frühgeborene geeigneten Nahrungen (Muttermilch/ Formula) führt zu einer wünschenswerten Ca/P-Zufuhr bei Frühgeborenen.
201 8.2 · Besondere Aspekte der Ernährung
8
Einflussgrößen auf den Ca/P-Stoffwechsel Wachstumsgeschwindigkeit Bei der oben angegebenen intrauterinen Ca-/P-Zufuhr ist ein Mittelwert angegeben, der ein gleichmäßig geradliniges Körperwachstum voraussetzt. Die extrauterine Entwicklung unterliegt jedoch stärkeren Schwankungen als die intrauterine. Solche hohen Tagesschwankungen wurden durch Messungen der tatsächlichen extrauterinen Wachstumsgeschwindigkeit von reifen Neugeborenen, Kleinkindern und Jugendlichen (Bernardi et al. 2003; Walli et al. 1980) bestätigt. Bei Frühgeborenen ist die Wachstumsgeschwindigkeit und die damit einhergehende Schwankungsbreite (z. B. langsames Wachstum bei Infektionen, Aufholwachstum) im Vergleich zu anderen pädiatrischen Patienten am höchsten. Das resultiert daraus, dass Frühgeborene besonders empfindlich auf äußere Reize reagieren. Die zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedliche Wachstumsgeschwindigkeit bewirkt jeweils eine gleichgerichtete Veränderung des Ca-/P-Bedarfes. Die angegebenen intrauterinen Bedarfswerte können darum nur als grober Anhalt für den durchschnittlichen individuellen Ca/P-Bedarf bei intrauterinen Wachstumsraten dienen.
Resorption und Bioverfügbarkeit Neben dem absoluten Ca-/P-Gehalt wird die Resorption durch die Komposition der verabreichten Nahrung beeinflusst (Bronner et al. 1992; Carnielli et al. 1996). Bei einer starken Schwankungsbreite wird für klinische Belange i. Allg. von einer 50%igen enteralen Ca-Resorption und einer 80%igen P-Resorption ausgegangen, auch wenn die Aufnahme aus Formulanahrung niedriger liegt.
Vitamin D Bei VLBW-Frühgeborenen mit Osteopenie oder/und Frakturen (Geburtsgewicht <1.500 g) wurden bei einer Vitamin-D-Zufuhr von 400 IE/Tag bei enteraler Ernährung (20 IE/kg KG und Tag Vitamin D bei parenteraler Ernährung) physiologische 25-Hydroxyvitamin-D-Spiegel gemessen (kein Unterschied zur altersgleichen Kontrollgruppe ohne Osteopenie oder/und Frakturen; Koo et al. 1989). Bei der in Mitteleuropa üblichen Supplementation von 1.000 IE Vitamin D/Tag bei Frühgeborenen kann von einer überschießenden Vitamin-D-Zufuhr ausgegangen werden. Daher ist die Vitamin-D-Versorgung nicht der limitierende Faktor für die Knochenmineralisation.
202
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Ca/P-Relation Kalzium und Phosphat mineralisieren den Knochen in einem festen Verhältnis von 5:3 (Apatit). Ist die Ca-Zufuhr zu gering, so wird renal vermehrt P ausgeschieden und umgekehrt. Kalzium-Phosphat-Imbalancen lassen sich bei der Berücksichtigung des physiologischen Bedarfes vermeiden. Bei ausgeglichenem Ca/P-Verhältnis sollte eine feste Mischung zur Supplementation verwendet werden.
Risikogruppen
8
Je unreifer ein Frühgeborenes, desto höher ist die Gefahr der Entwicklung einer klinisch relevanten Osteopenie. Aus praktischen Gründen eignet sich das Geburtsgewicht besser als das Gestationsalter zur individuellen Risikoabschätzung, da hier auch »Small-forgestational-age- (SGA-)Frühgeborene« mit Aufhohlwachstum der richtigen Risikogruppe zugeordnet werden können. Es empfiehlt sich 2 Risikogruppen zu unterscheiden: 1. Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht >1.500 g: Hier bildet sich bei unkompliziertem Nahrungsaufbau in der Regel lediglich eine milde Osteopenie. Eine routinemäßige Supplementation mit Ca/P ist nicht erforderlich. Der Ca-/P-Stoffwechsel dieser Patientengruppe sollte bis zu einem Geburtsgewicht von 1.800 g überwacht werden. 2. Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht <1.500 g: Sind gefährdet, regelmäßig eine Frühgeborenenosteopenie zu entwickeln. Diese Gruppe sollte mit Ca/P supplementiert werden.
Supplementation Die Entstehung einer Frühgeborenenosteopenie kann durch eine individuell angepasste Ca-/P-Supplementation am sichersten verhindert werden (Greer u. McCormick 1988; Pohlandt 1994c; Trotter u. Pohlandt 2002). Hierbei muss die Zufuhr dem tatsächlichen Bedarf, der von Tag zu Tag mit der Wachstumsgeschwindigkeit variiert, angepasst werden. So können auch eine Überdosierung und deren Folgen minimiert werden. Um die Vorteile der individuellen Prophylaxe nicht durch Nachteile der Überwachung aufzuheben, ist eine wenig invasive Kontrollmethode notwendig. Des Weiteren darf das Supplementationsschema nicht kompliziert sein, um es im klinischen Alltag sicher und ohne Fehldosierungen anwenden zu können.
203 8.2 · Besondere Aspekte der Ernährung
8
Individuelle Bedarfsabschätzung Zur Abschätzung des aktuellen Bedarfes kann die renale Ca-/P-Elimination genutzt werden (Karlen et al. 1985). Im Urin kann hierzu eine Vielzahl von Quotienten errechnet werden (Koo 1993). Bei Supplementation mit einer festen Ca/P-Relation reicht die Bestimmung des Ca/Kreatinin- (Crea-)Quotienten jedoch aus. Er wirkt sich stabilisierend auf die Ergebnisse der Ca-Urin-Messung aus und bietet eine Möglichkeit zur unkomplizierten individuellen Steuerung (Matos et al. 1997; Pohlandt 1994c; Sargent et al. 1993). Bei einer Therapie mit Diuretika kann die renale Ca-Ausscheidung erhöht sein (Hufnagle et al. 1982) und einen falsch-hohen Ca/Crea-Quotienten verursachen. Die AP im Plasma (Erhöhung bei zunehmender Aktivierung von Osteoklasten bei niedriger Ca-/P-Zufuhr und Mobilisation von Ca/P aus den Knochenspeichern) kann neben der Knochendichtemessung als Langzeitgröße zur Beurteilung der Knochenmineralisation herangezogen werden. Eine Isoenzymbestimmung der AP kann bei unklarem Befund die Genese der erhöhten AP-Aktivität klären. ! Die Urinmessungen werden durch Medikamente, die auf die Niere wirken (z. B. Diuretika), beeinflusst. Daher sind in regelmäßigen Abständen die Ca-/P-Spiegel zu kontrollieren.
Risiken bei Kalziumsupplementation Nephrokalzinosen unter Ca-Supplementation sind beschrieben. Sie scheinen aber unter überwachter Supplementation ein seltenes Ereignis zu sein (Saarela et al. 1999). Bei individueller Dosisanpassung der Ca-/P-Supplementation wurden Nephrokalzinosen noch seltener beobachtet als bei gleichmäßiger Supplementation (Trotter u. Pohlandt 2002). Eine besondere Gefahr stellt die gleichzeitige Therapie mit Diuretika für die Entwicklung einer Nephrokalzinose dar (Trotter u. Pohlandt 2002). Des Weiteren sind gastrointestinale Symptome denkbar, wurden aber bei dem angegebenen Vorgehen der individuellen Ca-/P-Supplementation nicht beobachtet. > Die Veränderung der Nahrungszusammensetzung (z. B. bei Ca-/PSupplementation) kann die Resorption anderer Nahrungsbestandteile verändern. Der Zusatz von Ca und P zur enteralen/parenteralen Nahrung führt zu einer Erhöhung der Osmolarität.
204
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Vor- und Nachteile verschiedener Darreichungsformen Zur Ca-/P-Supplementation stehen verschiedene Darreichungsformen zur Verfügung: ▬ Pulver: Kalziumglycerophosphat, Kalziumglukonat. ▬ Flüssigkeiten: Kalziumglukonat 10%ig/20%ig: 1 ml enthält 0,25/0,5 mmol Ca. Glycerophosphat-Na-Konzentrat: 1 ml enthält 1 mmol P, 2 mmol Na!
8
Flüssige Supplemente lassen sich einfach auflösen und mischen als pulverisierte Präparate. Auch die Verluste durch Anlagerung an Flasche und Sauger/ Magensonde sind geringer. Pulver dagegen bietet den Vorteil einer geringeren Volumenbelastung der Frühgeborenen. Moyer-Mileur et al. (1992) verglichen die Wirksamkeit von flüssigen und pulverisierten Ca-/P-Supplementen. Die mit Pulver supplemetierten Frühgeborenen zeigten eine geringfügig höhrere Knochenmineralisation im Vergleich zur Kontrollgruppe. Kurzanleitung Ca/P-Supplementation
Wer? Beginn Ende Supplement
Zusammensetzung Inhaltsstoffe Steuerung
Dosissteigerung Dosisreduktion Keine Dosisänderung
▼
Alle Frühgeborenen <1.500 g Geburtsgewicht Nach komplettem enteralen Nahrungsaufbau Nach Vollendung des korrigierten dritten Lebensmonats (wenn keine Osteopenie vorliegt) Ca-/P-Pulver + Füllstoff portioniert auf 52,5 mg/ Einheit (=1 Kaps.) Herstellung durch (Krankenhaus-)Apotheke 1 Einheit enthält ca: 10 mg (0,25 mmol); P: 7,5 mg (0,25 mmol)/Einheit Mannit 99,5 Teile, Silizium-TDF-Oxid 0,5 Teile Nach Ca/Crea-Quotienten im Spontanurin (Ca/Crea×8,8)=mmol/g. Ziel 20–35 mmol/g (Sargent et al. 1993) Wenn Ca/Crea-Quotient <20 Wenn Ca/Crea-Quotient >35 Wenn Ca/Crea-Quotient zwischen 20–35
205 8.2 · Besondere Aspekte der Ernährung
Empfohlene maximale Supplementation bei AP >7 mmol und Ca/ Crea-Quotienten <20
Maximaldosierung. 4 Einheiten/Mahlzeit. (Entspricht bei 12 Mahlzeiten 12-mal 40 mg Ca/ Tag bzw. 30 mg P/Tag
Empfohlene maximale Supplementation bei AP <7 mmol und Ca/ Crea-Quotienten<20 Durchführung
12-mal 30 mg Ca/Tag bzw. 22,5 mg P/Tag (entspricht 3 Einheiten/Mahlzeit bei 12 Mahlzeiten/Tag)
Überwachung Alle 14 Tage
Alle 4 Wochen
Beginn nach komplettem Nahrungsaufbau Bei Ca/Crea-Urinquotient unter 20 mmol/g, Beginn mit max. 6(–8)×52,5 mg (60 mg Ca/45 mg P), unabhängig vom Gehalt der enteralen Ernährung Dosisanpassung nach erneuter Messung eine Woche nach Beginn der Supplementation Änderung jeweils maximal um 1 Einheit/Mahlzeit/Tag Ca/Crea-Quotienten in Spontanurin Nach Dosisänderung der Ca-/P-Zufuhr Kontrolle nach 7 Tagen. Zielquotient 20–35 mmol/g Cave: Diuretika steigern die Elektrolytausscheidung und führen zu einem falsch-hohen Ca/ Crea-Quotienten (Hufnagle et al. 1982) Alkalische Phosphatase (Normalbereich <7 mmol/l) Plasma-Ca- (Normalbereich) und Phosphatspiegel alle 14 Tage Sonographie der Nieren (Ausschluss Nephrokalzinose)
> ▬ Dosisanpassung nach Ca/Crea-Quotient. Bei »aus der Reihe« fallenden Ca/Crea-Spiegeln vor einer Dosissteigerung zunächst Kontrollbestimmung durchführen. ▼
8
206
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
▬ Bei auffälligen Plasma-Ca- oder -P-Spiegeln zunächst diese durch
Dosisanpassung in den Normalbereich bringen. Unphysiologische Ca-/P-Plasma-Spiegel sind als Spätzeichen einer inadäquaten Zufuhr nach Überschreiten der Regulationsmöglichkeiten des Organismus zu interpretieren (unabhängig vom Ca/Crea-Quotienten im Urin). ▬ Wird die Ca/P-Relation bei der Zufuhr nicht berücksichtigt, so führt ein relativer P-Mangel zu einer überschießenden renalen Ca-Ausscheidung und umgekehrt. (Bei der Supplementation mit Ca-/P-Kapseln in fester Relation kann dies ohne zusätzliche Zufuhr aber nicht passieren.)
8
! Bei ungewöhnlich niedrigen AP-Spiegeln Zn-Mangel als Ursache in Erwägung ziehen. (Alkalische Phosphatase ist ein Zn-abhängiges Metalloenzym.) ! Die im eigenen Labor bestimmten Normalwerte beachten. Der Testergebnisse sind labor- und methodenabhängig. Einheiten der Ergebnisangabe des eigenen Labors vor Anwendung der Anleitung beachten.
8.2.4
Eisensupplementation
Frühgeborene haben einen höheren Eisen- (Fe-)Bedarf im Vergleich zu anderen Patientengruppen. Die Fe-Supplementation ist bei Frühgeborenen auch bei enteraler Ernährung akzeptiert. Es konnte gezeigt werden, dass durch prophylaktische Fe-Supplementation die Inzidenz von Frühgeborenenanämien vermindert werden kann (wie auch durch eine Minimierung der Blutentnahmen auf das Notwendigste). Es hat sich die enterale Supplementation aller Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht <2.500 g in einer Dosierung zwischen 4 mg Fe2+/kg KG und Tag sowie 6 mg Fe2+/kg KG und Tag, verteilt auf 3 Gaben, bewährt. Die Dosis kann individuell nach Ferritinspiegel ( Abschn. »Monitoring«) oder nach Transferrinsättigung (Zielberich 30–80%) kontrolliert werden. Die Fe-Supplementation kann bis auf 9(–12) mg Fe2+/kg KG und Tag, angepasst an den individuellen Bedarf, gesteigert werden. Das weitere Monitoring umfasst die Kontrolle des BB und der Retikulozyten.
207 8.2 · Besondere Aspekte der Ernährung
8
! Eisen reizt den Gastrointestinaltrakt und hat das Potenzial zur Erhöhung des Radikalmetabolismus. Eine Fe-Supplementation sollte erst nach komplettem enteralen Nahrungsaufbau begonnen werden. Bei Verdacht auf nekrotisierende Enterokolitis (NEC) oder systemische Infektionen sollte die enterale Fe-Supplementation darum ausgesetzt werden.
Dosis Zur Prophylaxe einer Frühgeborenenanämie kann mit einer Supplementation zwischen 4–6 mg Fe2+/kg KG und Tag verteilt auf 3 Gaben begonnen werden. Die maximale Dosierung wird in verschiedenen Kliniken sehr unterschiedlich gewählt. Es liegen keine evidenzbasierten Daten über die Inzidenz von (gastrointestinalen) Nebenwirkungen mit steigender enteraler Fe-Zufuhr vor. Häufig ist eine maximale Zufuhr bis 9(–12) mg Fe2+/kg KG und Tag verteilt auf 3 Gaben.
Dauer Die Wachstumsgeschwindigkeit im korrigierten dritten Lebensmonat nähert sich (bei unkompliziertem Verlauf) der Wachstumsgeschwindigkeit eines Termingeborenen. Der Fe-Bedarf sollte nun mit der üblichen enteralen Nahrung (Muttermilch/Formula) gedeckt sein.
Beispiel für die praktische Umsetzung ⊡ Tabelle im Anhang.
Monitoring Die enteral supplementierte Fe-Dosis sollte dem individuellen Bedarf angepasst werden. Zur Anpassungskontrolle kann neben dem HKT-Wert oder dem BB (Anämie) und der Retikulozytenzahl (Verwertung des Fe zur Erythropoese) der Ferritinspiegel oder die Transferrinsättigung bestimmt werden, um eine Fe-Überladung oder -depletion zu vermeiden. Bei unkompliziertem Verlauf genügt eine Bestimmung alle 14 Tage. ▬ Nach Ferritinspiegel: Ferritin <100 ng/ml Fe-Supplementation ↑; Ferritin >500 ng/ml Fe-Supplementation ↓. ▬ Nach Transferrinsättigung: Zielbereich 30–80%. Berechnung Transferrinsättigung: Serumeisen [µmol/l]×5,58:Transferrin [g/l]×1,25.
208
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
> Die Höhe der Fe-Supplementation ist abhängig von der weiteren supportiven Therapie (Behandlung mit Erythropoetin) zur Prophylaxe der Frühgeborenenanämie. Zwar konnte gezeigt werden, dass durch frühzeitigen Einsatz von Erythropoetin (250 IE s.c. 3-mal/Woche) die Transfusionsfrequenz bei Frühgeborenen (<1.000 g Geburtsgewicht) gesenkt werden konnte (Maier et al. 2002). Der Einsatz von Erythropoetin wird aber zunehmend kritisch hinterfragt, da die Entwicklung von Antikörpern, getriggert durch Erythropoetinmedikation, beobachtet wurde (Casadevall 2003; Macdougall 2004).
8.2.5
8
Vitamin- und Spurenelementsupplementation bei Neu- und Frühgeborenen
S. Colling
Vitamine Bedarf Bei Neugeborenen ist die Vitaminkonzentration im Plasma abhängig ▬ von der Ernährung der Schwangeren (Baker et al. 1975), ▬ vom plazentaren Transport und dem Geburtszeitpunkt (Tsang 1985). Der Vitaminbedarf bei reifen Neugeborenen wird zusätzlich bestimmt durch ▬ die Wachstumsgeschwindigkeit, ▬ die intestinale Absorption. Bei reifen Säuglingen und Frühgeborenen kann aufgrund der unzureichenden Datenlage der Vitaminbedarf nur geschätzt werden. Als Maßstab für die tägliche Vitaminzufuhr bei gesunden Neugeborenen und Säuglingen wird der Vitamingehalt in Muttermilch zugrunde gelegt (Food and Drug Administration 1985), da darunter [mit Ausnahme der Vitamine D (Daaboul et al. 1997; Kreiter et al. 2000) und K (Greer 2000)] kein Vitaminmangel beobachtet wird.
209 8.2 · Besondere Aspekte der Ernährung
8
! Der Vitamingehalt in Muttermilch schwankt tageszeitlich und interindividuell stark. In Formulanahrung wird der Gehalt bewusst höher als in Muttermilch eingestellt, da die Vitaminkonzentration durch Lagerungszeit, Licht- und Hitzeeinfluss beeinträchtigt wird. Außerdem ist die Resorption im Vergleich zu Muttermilch oft niedriger, und ein Teil der Vitamine wird an Flasche und Schnuller adsorbiert.
Ein erhöhter Vitaminbedarf bei Frühgeborenen ist bedingt durch: ▬ die Unreife der Organsysteme zur Speicherung und Verstoffwechselung von Vitaminen (Greene u. Smith 1993), ▬ niedrige Körperspeicher (Baydas et al. 2002; Orzalesi 1987; Wu u. Chou 2001), ▬ die erhöhte Wachstumsgeschwindigkeit.
Orale Vitaminsupplementation Der Gehalt an Vitaminen in Muttermilch ist an den Bedarf von Termingeborenen adaptiert und reicht an den geschätzten Bedarf bzw. die gängigen Empfehlungen von Frühgeborenen nicht immer heran (Tsang et al. 1993). Darum wird bei den besonders leichten Frühgeborenen (<1.500 g Geburtsgewicht) eine orale Vitaminsupplementation empfohlen. Es gibt jedoch keine einheitliche Meinung über die Dauer der oralen Supplementation. Kurzanleitung Vitaminsupplementation ▬ Wir beginnen mit der enteralen Supplementation, wenn der Nahrungsaufbau zu 50% abgeschlossen ist, und empfehlen die Fortführung bis zum 3. Lebensmonat. ▬ Bei Neugeborenen mit intrauteriner Wachstumsretardierung (SGA) empfehlen wir ebenfalls eine Vitaminsupplementation bis zum 3. Lebensmonat. ▬ Zur Supplementation empfehlen wir die Verwendung einer Multivitaminpräperation; ⊡ Tabelle 8.11, 8.12)
Vitamin-K-Prophylaxe.
▬ Die Supplementation von Vitamin K sollte bei allen Frühgeborenen <35 Schwangerschaftswoche (SSW) und kranken Reifgeborenen wegen der unklaren enteralen Resorption bei den ersten beiden Gaben als subkutane, intramuskuläre oder intravenöse Gabe erfolgen (Greer 1995).
mg
µg
Vitamin E (α-Tocopherol)
Vitamin K
700
80
2,8 200
7
400
500
160
Empfohlene parenterale Zufuhr für Reifgeborene und Kinder bis 11 Jahre. (Tagesdosis)a
Empfohlene parenterale Zufur für Früh- und Reifgeborene <3 kg KG pro kg KG und Taga
Parenteral
20
0,64
40
230
Gehalt in Vitalipid Infant (pro ml)
50
3,0
100
1.000
Empfohlene enterale Zufuhr für Reifgeborene und Kinder bis 11 Jahre. (Tagesdosis)
Enteral
k.A.
2
500
2.500
Gehalt in Multibionta pro 0,5 ml (=15 Trpf.)
Empfehlungen für die parenterale Tagesdosis an Vitaminen (American Society for Clinical Nutrition 1988). Dosierung: Vitalipid Infant: 1 ml/kg KG und Tag i.v., maximal 10 ml/Tag (Herstellerangabe). Multibionta: 3-mal/Tag 4–8 Trpf. pro kg KG und Tag p.o Säuglinge / Kleinkinder; 3-mal 8 Trpf. pro Tag bei älteren Patienten (Herstellerangabe). Als Supplement für Frühgeborene hat sich eine Dosierung von 1 Trpf. pro 500 g KG am Tag verteilt auf 3 Gaben bewährt. Cave: Multibionta ist hyperosmolar. Zusatz frühstens ab einer Nahrungsmenge von 5--7 ml Muttermilch/Formula pro Mahlzeit. k.A. keine Angabe.
a
IE
IE
Vitamin A
Einheiten
8
Vitamin D
Vitamine
⊡ Tabelle 8.11. Fettlösliche Vitamine
210 Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
µg µg µg µg µg mg µg mg mg
Vitamin B1 Vitamin B2 VitaminB6 Vitamin B12 Biotin Vitamin C Folsäure Niacin Pantothensäure 300 180 180 0,3 6 20 50 5 1,5
1.200 1.400 1.000 1 20 80 140 17 5
350 150 180 0,3 6 25 56 6,8 2 250 360 400 0,5 6 10 40 4 1,5
Empfohlene enterale Zufuhr für Reifgeborene und Kinder bis 11 Jahre. (Tagesdosis)
Empfohlene parenterale Zufuhr für Reifgeborene und Kinder bis 11 Jahre. (Tagesdosis)a
Empfohlene parenterale Zufuhr für Frühund Reifgeborene <3 kg KG pro kg KG und Taga Gehalt in Soluvit N (pro ml)
Enteral
Parenteral
1.000 400 2.000 k.A. k.A. 50 k.A. 15 5
Gehalt in Multibionta pro 0,5 ml (=15 Trpf.)
Empfehlungen für die parenterale Tagesdosis an Vitaminen (Greene et al.1988). Dosierung: Soluvit N: 1–2 ml/kg KG und Tag i.v., maximal 10 ml/Tag (Herstellerangabe). Multibionta: 3-mal/Tag 4–8 Trpf. pro kg KG und Tag p.o Säuglinge/Kleinkinder; 3-mal 8 Trpf. pro Tag bei älteren Patienten (Herstellerangabe). Als Supplement für Frühgeborene hat sich eine Dosierung von 1 Trpf. pro 500 g KG am Tag verteilt auf 3 Gaben bewährt. Cave: Multibionta ist hyperosmolar. Zusatz frühstens ab einer Nahrungsmenge von 5–7 ml Muttermilch/Formula pro Mahlzeit. k.A. keine Angabe.
a
Einheiten
Vitamine
⊡ Tabelle 8.12. Wasserlösliche Vitamine
8.2 · Besondere Aspekte der Ernährung 211
8
212
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
▬ Bei gesunden reifen Neugeborenen bringt eine intramuskuläre Gabe keine Vorteile gegenüber einer oralen Supplementation (Baker et al. 1975). ▬ Verabreichung von 1 mg Vitamin K i.v. oder i.m. am 1., 7. und 28. Lebenstag an alle kranke Neugeborenen (Hanawa 1992; Sutor et al. 1990). ▬ Verabreichung von 2 mg Vitamin K p.o. bei gesunden Termingeborenen. Die Dosis der intravenösen Vitamin-K-Prophylaxe ist Gegenstand der Diskussion. Die Vitamin-K-Spiegel bei Frühgeborenen nach einmaliger Gabe am 1. Lebenstag (1 mg Vitamin K i.m) waren höher als bei Reifgeborenen (Kumar et al. 2001). Vitamin D/Rachitisprophylaxe. Die Vitamin-D-Prophylaxe mit 500 IE Vita-
8
min D/Tag p.o. ab dem 7. Lebenstag scheint auch zur Vorbeugung bei sehr unreifen Frühgeborenen (<1.500 g) auszureichen (Koo et al. 1989). Bei reifen Neugeborenen reicht eine orale Vitamin-D-Prophylaxe von 200 IE/Tag aus (Gartner u. Greer 2003). Vitamin E. Ob eine Mangelversorgung von Vitamin E bei Säuglingen (v. a. bei Frühgeborenen) zur Peroxidation der Erythrozytenmembran durch O2-Radikale (Koo et al. 1989) führen und eine verstärkte Hämolyse zur Folge haben kann, wird diskutiert . Der Bedarf an Vitamin E wird stark beeinflusst von der Menge an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, da Vitamin E deren Peroxidation hemmt. Die empfohlene Ratio von α-Tocopherol/»polyunsaturated fatty acids« (PUFA) beträgt 0,7–1 bei Frühgeborenen (Gross 1993). Vitamin A. Vitamin A kann nach Zufuhr hoher Dosen (25.000 IE/Tag chro-
nisch oder 100.000 IE einmalig; Food and Drug Administration 1985; Perrotta et al. 2002) eine Intoxikation hervorrufen. Symptome sind intrakranielle Drucksteigerung, Hepatomegalie, mukokutane Läsionen, Anämie und Thrombozytopenie.
Spurenelemente Bedarf ▬ Bedarf nur bei einigen »klinisch relevanten« Spurenelementen untersucht [z. B. Zink (Zn)]; in der Regel reichen die Daten nur zur groben Orientierung.
213 8.2 · Besondere Aspekte der Ernährung
8
▬ Bisher gibt es wenig Daten zur Änderung des Bedarfes an Spurenelementen bei Erkrankungen (antioxidativer Stoffwechsel/Förderung der Immunkompetenz?). ▬ Wichtig ist nicht nur die absolut zugeführte Menge, sondern auch die Bindungsform (Speziation; organische/anorganische Verbindung)→ andere Kinetik und andere Verteilung auf die Körperkompartimente (z. B. Selen; Tinggi 2003). Für Früh- und Neugeborene gilt im Besonderen: ▬ Bei gesunden reifen Neugeborenen ist die Zufuhr über Muttermilch bzw. Formulanahrung ausreichend (Kersting u. Alexy 2000). ▬ Probleme bei Frühgeborenen: Niedrige Körperspeicher bei Geburt. (Auffüllen der Körperspeicher beginnt erst im letzten Schwangerschaftstrimenon.) Wahrscheinlich höherer Bedarf als reife Neugeborene wegen schnellem postnatalen Wachstum; jedoch ungenügender Kenntnisstand über genaue Bedarfsmenge an Spurenelementen. Resorption über den Darm sehr variabel → Änderung der Resorption durch Eingriff in die Zusammensetzung der Nahrung. (Bei Hydrolisation der Eiweiße sinkt z. B. die Bioverfügbarkeit von Selen; Jochum et al. 1995. Bessere Bioverfügbarkeit von Zn aus Muttermilch als aus Formulanahrung auf Kuhmilchprotein- oder Sojaproteinbasis; Lombeck u. Fuchs 1994; Pabon u. Lonnerdal 2000.) Der häufigste Spurenelementmangel ist im Säuglingsalter der Zn-Mangel. Die typischen Symptome werden bei schnell wachsenden Frühgeborenen und/ oder Säuglingen nach Verlust von Körperflüssigkeiten beobachtet. Wenn möglich, sollte die Diagnose durch Messung der Plasma-Zn-Spiegel gesichert werden. Die Therapie erfolgt durch enterale Zn-Supplementation, z. B. durch Zinkorotat (Krankenhausapotheke), oder durch enterale Verabreichung der Injektionslösung Unizink.
Orale Spurenelementsupplementation Eine orale Spurenelementsupplementation wird nur bei einer nachgewiesenen Mangelversorgung an einzelnen Spurenelementen empfohlen. Der Bedarf an Spurenelementen wird sowohl durch Muttermilch als auch durch Formulanahrung bei reifen und gesunden Neugeborenen gedeckt,
214
8
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
trotz oft unterschiedlicher Bioverfügbarkeiten in den verschiedenen Produkten (Kersting u. Alexy 2000). Für Frühgeborene stehen dazu keine ausreichenden Daten zur Verfügung. Untersuchungen zur Resorption von einzelnen Spurenelementen, z. B. Zn, berichten widersprüchliche Aussagen zur Deckung des Bedarfes bei Frühgeborenen (Obladen et al. 1998; Rodriguez-Rodriguez et al. 2000; Wauben et al. 1999). Eine generelle orale Spurenelementsupplementation ist daher derzeit nicht wissenschaftlich zu untermauern. Eine orale Fluoridsupplementation wird derzeit kontrovers diskutiert. In den USA, aber auch in Deutschland, wird die zusätzliche orale Zufuhr aufgrund des Fluoroserisikos und des geringen präventiven Effektes auf die Zähne vor dem Zahndurchbruch kritisch betrachtet (Burt 1999; Newbrun 1999). Möglicherweise ist die lokale Anwendung von Fluorid effektiver und weniger von Nebenwirkungen belastet. Die ⊡ Tabellen 8.13 und 8.14 fassen den Gehalt der einzelnen Spurenelemente in Muttermilch und Formula zusammen und geben Zufuhrempfehlungen für Früh- und Neugeborene, reife Neugeborene und Kinder.
Richtlinien für die Substitution und Supplementation von Spurenelementen Bei ausgewogener mitteleuropäischer Kost und Lebensführung der Mütter wird der Spurenelementbedarf reifer gesunder Neugeborener ausreichend durch die Muttermilch gedeckt Dies gilt für muttermilchernährte Frühgeborene (Ausnahme: Zn-Mangel bei muttermilchernährten Frühgeborenen möglicherweise von anderen Faktoren als Zn-Konzentration in Muttermilch abhängig? Schnelleres Wachstum und erhöhter Bedarf?) Bei Frühgeborenen empfiehlt sich eine Eisensupplementation von 5 mg/kg KG/Tag bis max. 15 mg/kg KG/Tag bis zum korr. 3. Lebensmonat Hinsichtlich langzeitiger parenteraler Ernährung von Früh- und Reifgeborenen ist eine Substitution mit dem kommerziellen Spurenelementgemisch Inzolen-Infantibus sine NaK in der Dosierung 0,5 ml/kg KG für den Bedarf ausreichend. (In der Regel gutes Gedeihen, wenn auch
▼
0,2 0,25 1 1 k.A. k.A. k.A.
Chrom Molybdän Mangan Jod Eisen Kobalt Fluor k.A. k.A. 1 1 k.A. k.A. 57
250 20 6,6 7,8 k.A. 26,9 0,381 90 14 0,9
97,4 31,8 k.A. 0,1–0,5 0,3 0,75–7,5 30–60 k.A. k.A. 0,1–0,5 mg/Tagd
1.000 120–150 1,3–3 4,2 0,2 0,7 6,5 k.A. 118 18
153 74,5 3,4
Gehalt in Muttermilchc [µg/100 ml]
k.A. k.A. 7,2 25 k.A. k.A. k.A.
700 80 1,9
Gehalt in einer Frühgeborenenformulae (Beispiel) [µg/100ml]
b
Empfehlung der American Society for Clinical Nutrition 1988. Schätzwerte aus den Kenntnissen über Absorptionsraten nach Ehrenkranz (1989) und der intrauterinen Speicherung nach Widdowson (1988). c Nach »Der kleine Souci«, Fachmann, Kraut: Lebensmitteltabellen für die Praxis, deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie (Hrsg), 2. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart. d Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr (DGE 1991). e Prematil. INZOLEN-Infantibus sine NaK, Dr. Franz Köhler Chemie GmbH; Alsbach. Peditrace, Fa. Baxter Deutschland GmbH, Unterschleißheim. Dosierung 1 ml INZOLEN-Infantibus sine NaK oder Peditrace pro kg KG und Tag bis zu einer Maximalgesamtdosis von 10 ml/Tage (Herstellerangabe). k.A. keine Angabe.
a
400 20 2–6
Empfohlene enterale Zufuhr für Früh- und Reifgeborene b [µg/kg KG und Tag]
Gehalt in INZOLEN Infantibus sine NaK [µg/ml]
Empfohlene parenterale Zufuhr für Frühund Reifgeborene <3 kg KGa [µg pro kg KG und Tag] Gehalt in Peditrace [µg/ml]
Enteral
Parenteral
Zink Kupfer Selen
Spurenelement
⊡ Tabelle 8.13. Spurenelemente/Empfehlungen für Früh und Neugeborene
8.2 · Besondere Aspekte der Ernährung 215
8
8
20 2 0,2 0,25 1 1 >3 Monate: 100 k.A. k.A.
Kupfer Selen Chrom Molybdän Mangan Jod Eisen Kobalt Fluor
97,4 31,8 k.A. 7,8 k.A. 26,9 0,381 90 14 0,9
250 20 6,6 k.A. k.A. 1 1 k.A.k.A. 57
[µg pro ml]
400–600 µg/Tag 5–15 µg/Tag k.A. k.A. 300–600 µg/Tag 50 µg/Tag 6.000 µg/Tag k.A. 0,25 mg/Tag
5.000 µg/Tag
1–2,5 mg/Tag 15–100 µg/Tag k.A. k.A. 1,5–5 mg/Tag 120–200 µg/Tag 8–15 mg/Tag k.A. 0,5–2,5 mg/Tag
10–15 mg/Tag
Empfohlene enterale Zufuhr für Kinder von 4–15 Jahrena. (Tagesdosis)
41 k.A. k.A. k.A. 27 11 700 k.A. k.A.
700
[µg/100ml]
Gehalt in einer Anfangsformula c (Beispiel)
b
Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr (DGE 1991). Empfehlung der American Society for Clinical Nutrition 1988. c Pre Humana. INZOLEN-Infantibus sine NaK, Dr. Franz Köhler Chemie GmbH; Alsbach. Peditrace, Fa. Baxter Deutschland GmbH, Unterschleißheim. Dosierung 1 ml INZOLEN-Infantibus sine NaK oder Peditrace pro kg KG und Tag bis zu einer Maximalgesamtdosis von 10 ml/Tage (Herstellerangabe). k.A. keine Angabe.
a
<3 Monate: 250 >3 Monate: 100
[µg/ml]
Empfohlene enterale Zufuhr für Kinder von 0–4 Monatena. (Tagesdosis)
Gehalt in INZOLEN Infantibus sine NaK
Empfohlene parenterale Zufuhr für Reifgeborene und Kinder bis 11 Jahreb [µg pro kg KG und Tag] Gehalt in Peditrace
Enteral
Parenteral
Zink
Spurenelement
⊡ Tabelle 8.14. Spurenelemente/Empfehlungen für reife Neugeborene und ältere Kinder
216 Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
217 8.2 · Besondere Aspekte der Ernährung
8
Zufuhr von Spurenelementen nicht ganz den Empfehlungen der American Society for Clinical Nutrition entsprechend.) Bei Kindern ist eine Substitution mit Spurenelementen aufgrund ihrer Körperspeicher erst bei langfristiger parenteraler Ernährung (>2 Wochen) erforderlich (mit einem enteralen Nahrungsanteil < 50%; Abschn. 4.3.3) Parenterale Substitution von Spurenelementen bei Neonaten mit parenteraler und teilparenteraler Ernährung (i.v.-Anteil >50%) ab dem 5. Lebenstag (oder mit dem Beginn der Gewichtszunahme; Abschn. 4.3.3)
8.2.6
Frühgeborenenhyperkaliämie
F. Jochum Die Hyperkaliämie bei Frühgeborenen kann unterschiedliche Ursachen haben. Eine Spezialform im Frühgeborenenalter ist die bislang in ihrer Pathophysiologie nicht geklärte »nonoligurische Hyperkaliämie«(Fusch u. Jochum 2004). Prophylaxe und Therapie sind unabhängig von der Genese gleich.
Definition Serumkalium >6,0 mmol/l oder typische Elektrokardiogramm- (EKG-)Veränderungen bei niedrigeren Kalium- (K-)Spiegel und Imbalanzen anderer Elektrolyte.
Äthiologie Zu hohe Zufuhr, Niereninsuffizienz, Energiemangel, (Pseudo)hypoaldosteronismus, Hämolyse, schwere Infektion, Gewebsuntergang. Die Genese der »nonoligurischen Hyperkaliämie« des Frühgeborenen ist unbekannt.
Symptome Adynamie, Ileus, muskuläre Schwäche, Herzrhythmusstörungen (von vermehrten Extrasystolen bis Kammerflimmern). Im EKG: Zelt T, QRS-Verlängerung, AV-Block. Besondere Vulnerabilität bei Katecholamintherapie.
218
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Diagnostik Bestimmung der Plasmaelektrolyte, Elektrokardiographie.
Prophylaxe Frühgeborene Der frühzeitige Beginn der Aminosäurezufuhr mit der (teil)parenteralen Ernährung von Frühgeborenen (ab Geburt) mit 0,5–1 g/kg KG und Tag führt zu einer Erhöhung der renalen Durchblutung und zu einer Senkung von behandlungsbedürftigen Hyperkaliämien bei Frühgeborenen.
Alle Patienten
8
Beim Beginn einer parenteraler Ernährung bei Patienten mit unbekannter Anamnese vor einer Kaliumsupplementation zunächst die erste Miktion und die Plasma-K-Spiegel abwarten. Erst bei unauffälliger Urinausscheidung und/ oder K-Spiegeln der Infusion bedarfsgerecht K zusetzen.
…Therapie der Frühgeborenenhyperkaliämie 1. K-Zufuhr beenden. 2. Wenn erforderlich, Notfalltherapiemaßnahmen (klinisch relevante Herzrhythmusstörungen). 3. Ursachensuche. 4. Therapie (vgl. unten) ja nach Klinik.
Kurzfristiger Effekt (Notfallmaßnahmen) ▬ Kalziumglukonatsupplementation 10%ig: 0,5–1 ml/kg KG langsam (5 min) i.v. Hochnormale Kalzium-(Ca-)Spiegel anstreben. Wenn Plasma-CaSpiegel >3 mmol, nur noch geringer Effekt. Wirkt sofort. Wirkung hält ca. 10–15 min an. Cave: hyperosmolar. ▬ Salbutamol: 5–10 µg/kg KG als Kurzinfusion 20 min (oder im Notfall inhalativ, wenn kein Zugang vorhanden). Wirkt nach 20–30min. Wirkung hält für 15–60 min an. ▬ Natriumbikarbonat 8,4%ig [1ml=1 mmol] (bei Neugeborenen auf 4,2% verdünnen): 1–2 mmol/kg KG als Kurzinfusion (über 20 min). Wirkungseintritt nach ca. 20–40min. Cave: wirkt nicht bei Niereninsuffizienz; hyperosmolar. ▬ Infusion mit NaCl 0,9%ig: 10 ml/kg KG in 20 min. i.v. Wirkung prolongiert bei Hyponatriämie.
219 8.3 · Häufige Ernährungsprobleme
8
Langfristige Senkung des Kaliumspiegels ▬ Glukose-Insulin-Infusion: 0,3–0,6 g Glukose/kg KG (=2–5 ml 10%ige Glukoselösung/kg KG) plus 0,1–0,3 IE Insulin/kg KG über 20 min. Gegebenenfalls als Dauerinfusion weiterführen (1–4 ml/kg KG und Stunde der Glukose-Insulin-Lösung). Wirkungseintritt ab 30-min-Laufzeit. Cave: Der Insulineffekt kann durch Anlagerung des Insulins an die Schlauchleitung vermindert werden. ▬ Diuretikatherapie: Furosemid 1–3 mg/kg KG und Tag i.v. Langsame Senkung der K-Plasma-Spiegel durch vermehrte renale Elimination. ▬ Resonium-Einlauf: 0,5–1 g/kg KG; mit 2 ml 0,9%iger NaCl-Lösung auf 1 g Resonium verdünnt anwenden. Wirkungseintritt beginnt nach 1 h. Ultima ratio: Peritonealdialyse, Blutaustausch.
8.3
Häufige Ernährungsprobleme des Neugeborenen/Säuglings
H. Kalhoff
8.3.1
Dyspepsie
Defintion Episodische oder persistierende Beschwerden mit Unwohlsein/Schmerzen im Oberbauch, Völlegefühl (Aufstoßen), Übelkeit.
Pathophysiologie Im Säuglingsalter häufig Störungen der gastrointestinalen Motilität bzw. beeinträchtigte Digestions- und Resorptionsprozesse; seltener lokale Schleimhautschädigung/Ulkus.
Klinik Allgemeine Symptome (Unruhe/Irritabilität, Spucken/Aufstoßen, schlechtes Trinken) oder spezifische Symptome (u. a. Erbrechen; blutige Stühle/Teerstuhl; Aspirationen; eindeutig epigastrischer Schmerzpunkt); Gedeihstörung.
220
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Ätiologie/Differenzialdiagnosen Bei Säuglingen oft funktionell (u. a. »Luftschlucken«, Motilitätsstörungen), gastroösophagealer Reflux. Seltener: Nahrungsmittelintoleranz, Gastritis/Ulkus (Helicobacter pylori), entzündliche Darmerkrankungen, hepatobiliäre Störungen, Infektionen.
Anamnese/Untersuchung Ausführliche Anamnese (Ernährung, Wachstum); genaues Erfragen der Symptome (bes. Beziehung zur Nahrungsaufnahme). Klinische Untersuchung; möglichst auch Beobachtung der geschilderten Symptomatik.
Diagnostik/Labor
8
Eventuell orientierend: BB, CRP; Urin- und Stuhluntersuchung, BGA. Bei spezifischen Symptomen ( oben) Zieldiagnostik: u. a. Sonographie, Atemtest, pH-Metrie, Endoskopie; ggf. Versuch mit Eliminationsdiät.
Zusammenfassung Häufig funktionelle Beschwerden, im Säuglingsalter mit hoher Spontanbesserungsrate. Bei Hinweisen auf spezifische Grunderkrankung Zieldiagnostik und kausale Therapie.
…Therapie Bei Allgemeinsymptomen: Optimierung der Fütterung bei Muttermilch (entspannte Stillsituation, Mutter sollte »blähende« Nahrung, scharfe Gewürze und Genussmittel meiden) oder bei Formulanahrung (altersgemäße Art und Menge der Nahrung, passender Sauger). Bei spezifischen Symptomen oder anhaltenden Beschwerden: weiter gehende Diagnostik und kausale Therapie der Grunderkrankung.
Medikamentöse Therapie Zu Zulassung/Dosierung: Packungsbeilage beachten!
Prokinetika Domperidon, Metoclopramid [Cave: antidopaminerge Wirkung auf das Zentralnervensystem (ZNS)] und Erythromycin ohne eindeutige Studien; demgegenüber gute Belege für die Effektivität von Cisaprid (z. B. Propulsin; 0,6–0,8mg/ kg KG und Tag, verteilt auf 3–4 Einzeldosen (ED), ca. 15 min vor der Mahlzeit).
221 8.3 · Häufige Ernährungsprobleme
8
! Aber wegen antiarrhythmischer Eigenschaften von Cisaprid seit Juli 2000 ruhende Zulassung in Deutschland.
Histaminrezeptor-Typ-2-Antagonisten Ranitidin (z. B. Sostril, Zantic; oral 5–10 mg/kg KG und Tag in 2–4 ED; i.v. bis 8 mg/kg KG und Tag in 4 ED). Cimetidin (z. B. Tagamet; oral oder i.v. 15–30 mg/kg KG und Tag in 2– 4 ED).
Protonenpumpenhemmer Omeprazol (Antra mups; oral, gastral oder enteral 1–2 mg/kg KG und Tag in 1–2 ED).
8.3.2
Der spuckende Säugling
Definition Spucken: antiperistaltische Entleerung kleiner Mengen von Mageninhalt aus dem Mund (Erbrechen: Entleerung größerer Mengen; Rumination: Wiederkäuen und Aufstoßen).
Pathophysiologie Geringer gastroösophagealer Reflux ( Kap. 10.4); häufig bei Neugeborenen (bis zu 40%) und Säuglingen (Unreife/Funktionsstörung des unteren Ösophagussphinkters, geringes Fassungsvermögen des Ösophagus).
Klinik Häufig vorübergehendes, harmloses Symptom; Spucken kann aber (oft in Kombination mit weiteren Symptomen) auch Warnsymptom ernster Erkrankungen sein. Wichtig sind: Alter des Kindes, Art des Spuckens (schlaff, schwallartig), Beziehung zu Mahlzeiten, Übergang zu Erbrechen, Grad der allgemeinen Beeinträchtigung.
Ätiologie/Differenzialdiagnosen Auszuschließen sind: ▬ infektiöse Erkrankungen (Unruhe, vermehrtes Schreien/Wimmern; Trink-,Gedeihstörung),
222
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
▬ Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts (u. a. Motilitäts-, Digestionsstörung; aber auch Fehlbildungen/Stenosen (Pylorusstenose); Kap. 10), ▬ Erkrankungen des ZNS (z. B. bei Bewusstseinsstörung, Krämpfen, Paresen), ▬ Stoffwechselerkrankungen/chronische kardiale bzw. renale Erkrankungen (häufig zunehmend Allgemeinsymptome bzw. Auffälligkeiten; u. a. bei BZ, BGA, Elektrolyten), ▬ Reaktion auf exogene Substanzen (mütterlicher Drogenabusus, Toxine, Medikamente).
Anamnese/Untersuchung
8
Ausführliche Symptom- und Ernährungsanamnese (Überfütterung?); Perzentilen. Begleitsymptome ( oben) erfragen. Gründliche klinische Untersuchung (u. a. Hydratation, abdominelle u. orientierende rektale Untersuchung).
Diagnostik/Labor Ohne weitere Symptome: zunächst Beobachtung, Kontrolle im Verlauf notwendig (evtl. Routinediagnostik: z. B. BB, BZ, BGA, Elektrolyte; Urinanalyse). Bei auffälliger Symptomatik/Begleitsymptomen: gezielt weiter gehende technische (u. a. Sonographie, Röntgen, Endoskopie) bzw. Laboruntersuchungen.
Zusammenfassung Im Säuglingsalter häufiges, meist harmloses Symptom. Bei Begleitsymptomatik bzw. Gedeihstörung/Allgemeinerkrankung: gezielte Diagnostik und Therapie.
…Therapie Bei sonst gesundem, gedeihendem Patienten: Aufklärung/Beruhigung der Eltern; ggf. Allgemeinmaßnahmen: Schräglagerung (25–30° schräge Ebene im Bett), häufige kleine Mahlzeiten, Andicken der Nahrung mit Johannisbrotkernmehl (z. B. Nestargel; 0,5–1,0 g/100 ml) oder auch Stärke (Mais, Reis, Haferflocken), allg. Ernährungsberatung ( Kap. 6 und 8). Bei zusätzlichen Symptomen: gezielte Therapie (z. B. Substitution von Flüssigkeit/Elektrolyten); dann weiter gehende Abklärung. (Therapie bei gastroösophagealem Reflux: Kap. 10.4).
223 8.3 · Häufige Ernährungsprobleme
8.3.3
8
Gedeihstörungen
Defintion Verzögerung der somatischen (meist auch der motorischen und psychosozialen) Entwicklung; das Körpergewicht (KG; evtl. auch die Körperlänge, KL) fällt unter die 3. Perzentile (bzw. fällt mehr als 2 Hauptperzentilen unter die genetische Zielhöhe).
Pathophysiologie Störung der Relation zwischen Nahrungsaufnahme bzw. Nährstoffabsorption und Energieumsatz. Weltweit Mangelernährung im Vordergrund; in Industrieländern auch Störungen der Nahrungsabsorption (Maldigestion, Malabsorption) bedeutsam. ! Bei schweren Formen der (Protein-)Malnutrition: häufig Imbalancen des Flüssigkeits- und Elektrolythaushaltes; begleitende Infektionen.
Klinik Leitsymptome: Unterschreiten der 3. Perzentile für KG (evtl. auch KL) bzw. erniedrigtes Längensollgewicht (LSG; LSG [%] = KG/Gewichtsmedian für die KL×100; Norm 80–100%) oder auch eine Abnahme um 2 Hauptperzentilen im Verlauf.
Ätiologie/Differenzialdiagnosen Anthropometrie zur orientierenden ätiologischen Zuordnung (KL, KG und Kopfumfang, KU). ▬ Typ 1 (vornehmlich KG ↓): Mangel-/Fehlernährung (u. a. Stillprobleme; Fehler bei Art, Zubereitung, Menge kommerzieller Milchnahrung; Fütterungsprobleme; Interaktionsprobleme/Deprivation). Erbrechen (u. a. Pylorusstenose, Reflux; Kap. 10.4). Maldigestion/Malabsorption [u. a. Kurzdarm; Enzymmangel bei zystischer Fibrose (CF) bzw. Disaccharidasemangel; Nahrungsmittelintoleranz; Darmerkrankungen]. Veränderungen des Energieumsatzes (u. a. bei Hyperthyreose, chronischen Erkrankungen, chronischen Infektionen, CF, malignen Erkrankungen, zerebralen Schädigungen).
224
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
▬ Typ 2 (KL ↓ und KG ↓, aber KU normal): Endokrine Störungen (u. a. Hypothyreose, Wachstumshormonmangel, Hypopituitarismus, Hypoparathyreoidismus). Konstitutionelle Wachstumsverzögerung, familiärer Minderwuchs. Skelettdysplasien. ▬ Typ 3 (KL ↓, KG ↓ und auch KU ↓; häufig psychomotorische Retardierung) Intrauterine Infektionen und Plazentainsuffizienz. Chromosomenanomalien, Syndrome mit Minderwuchs.
Anamnese/Untersuchung
8
Ausführliche Anamnese (Familien-, Schwangerschafts-, Geburts-), genaue (!) Ernährungsanamnese, evtl. Protokoll über 3–7 Tage), Anthropometrie (geeignete Perzentilenkurven) sowie klinische Untersuchung [Hydratationsstatus; Zeichen der Malnutrition (Greisengesicht, Tabaksbeutelgesäß), achten auf Haut, Haare, Nägel, Zähne].
Diagnostik/Labor Zieldiagnostik entsprechend Verdachtsdiagnose (u. a. pH-Metrie, Röntgen; Gliadin-/Endomysiumantikörper; Hämoccult, Dünndarmzottenbiopsie, Gastroduodeno- und Koloskopie; pankreatische Elastase, Iontophorese; H2-Atemtest, Diät; Stuhl auf Erreger). Eventuell Routinediagnostik, wie: BB; Elektrolyte + anorganisches Phosphat, alkalische Phosphatase; Urinanalyse; BGA).
Zusammenfassung Gedeihstörungen im Säuglingsalter sind häufig. Frühe Diagnose, konsequente Realimentation, kausale Therapie und Erfolgskontrolle minimieren das Risiko für langfristige Entwicklungsstörungen (⊡ Abb. 8.1).
…Therapie Ziel: kausale Therapie der Ernährungsstörung/Grunderkrankung. Behandlung begleitender Symptome durch konsequente Realimentierung [ggf. auch Sondenernährung oder perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG)] und Substitution (u. a. Vitamine, Eisen, Zink, Spurenelemente). Bei Indikation Diät, chirurgische oder medikamentöse Therapie. > Verlaufskontrolle (bis Erreichen der altersentsprechenden Perzentile).
225 8.3 · Häufige Ernährungsprobleme
8
⊡ Abb. 8.1. Regime bei Gedeihstörung
8.3.4
Akuttherapie von Hypoglykämien
Die Diskussion um die therapiebedürftige Hypoglykämie ist kontrovers, insbesondere im Hinblick auf postnatale Normbereiche. Beim Unterschreiten von BZ-Schwellenwerten kann das Risiko für kurzfristige oder auch langfristige Störungen im Zusammenhang mit diesem Substratmangel erhöht sein (Literaturangaben zur Diskussion unten). Hypoglykämie: postnatal BZ <1,7–2,0 mmol/l bzw. 30–35 mg/dl (erste Lebensstunden); danach BZ unter 2,2–2,6 mmol/l bzw. 40–47 mg/dl.
Pathophysiologie Physiologisch: nach Geburt BZ-Abnahme (Neugeborene) bis auf ca. 2,5– 2,8 mmol/l (45–50 mg/dl); dann Stoffwechselanpassung (u. a. Glykogenabbau, Gluconeogenese).
Klinik Oft asymptomatisch bzw. unspezifisch (u. a. Apathie, Hypotonie, Trinkfaulheit; Hypothermie; Bradykardie, Tachykardie; Apnoen), auch neurologische Symptome (z. B. Hyperexzitabilität, Konvulsionen).
226
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Ätiologie/Differenzialdiagnosen Erschöpfte Glykogenvorräte (u. a. Hypotrophie, Frühgeborene, Asphyxie, Anpassungsstörung); fetaler Hyperinsulinismus (u. a. mütterlicher Diabetes, schwere Rhesusunverträglichkeit, Wiedemann-Beckwith-Syndrom, Nesidioblastose); metabolische/hormonelle Erkrankungen [u. a. Nebennierenrinden- (NNR-)Insuffizienz, Mangel an somatotropem Hormon (STH), Blutaustausch, Sepsis, Galaktosämie), Polyglobulie.
Labor/Untersuchungen
8
Screening kapillär (bei Risikokindern engmaschig am 1.–2. Lebenstag); Kontrolle venös (bei niedrigen Werten oder Symptomen). Bei persistierender Hypoglykämie: venöse Probe (BZ, BGA, Laktat, Pyruvat; Ketonkörper, freie Fettsäuren; Insulin, STH oder Kortisol); möglichst Urinprobe asservieren (ggf. Ketonkörper, organische Säuren). ! Patienten mit persistierender Hypoglykämie (mit neurologischen Symptomen) zeigen später gehäuft neurologische Auffälligkeiten.
…Therapie Abgestuft oral/intravenöse Glukosezufuhr. Falls der untere BZ-Schwellenwert nur leicht unterschritten wird und der Patient asymptomatisch ist: einmalig Versuch über Frühfütterung, dann umgehend (20–30 min) Kontrolle des BZ-Wertes. Bei ausgeprägter Hypoglykämie oder ausbleibender Besserung nach einmaliger Frühfütterung und/oder Symptomatik: Glukose i.v.: erst Bolus (Glukoselösung 10%ig: 2 ml/kg KG), dann Dauertropfinfusion (DTI, z. B. Glukoselösung 10%ig, ca. 100 ml/kg KG und 24 h, also ca. 7 mg/kg KG/min); engmaschige Kontrollen (bei Bedarf Glukosezufuhr steigern). > Da für i.v.-Glukosegabe die Diskussion zwischen »Bolusgebern«(schnelle Beendigung der Hypoglykämie) und »Nichtbolusgebern«(Vermeidung der häufig durch Bolus induzierten Schwingung der BZ-Regulation mit Risiko einer zweiten Hypoglykämie) nicht entschieden ist, halten wir bei Indikation der i.v.-Glukosezufuhr ( oben) die fixe Kombination von erst Bolusgabe und anschließend DTI für adäquat.
227 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8.4
8
Infusionstherapie und Ernährung bei angeborenen Stoffwechselstörungen
E. Mönch Die Zahl der bekannten angeborenen Stoffwechselstörungen ist in den letzten Jahren auf mehr als 1.000 angestiegen. Bisher behandelbar sind davon aber nur etwa 200. Die hier zur Beschreibung getroffene Auswahl orientiert sich im Wesentlichen an den für das Neugeborenenscreening empfohlenen angeborenen Stoffwechselstörungen (Interdiziplinäre Screeningkommission der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin 2002). Das Screening umfasst insgesamt: ▬ Hypothyreose, ▬ adrenogenitales Syndrom (AGS), ▬ Biotinidasemangel, ▬ Galaktosämie, ▬ Phenylketonurie (PKU), ▬ Ahornsirupkrankheit, ▬ Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase- (MCAD-)Mangel, ▬ Long-Chain-3-OH-Acyl-CoA-Dehydrogenase- (LCHAD-)Mangel, ▬ Very-Long-Chain Acyl-CoA-Dehydrogenase- (VLCAD-)Mangel, ▬ Carnitin-Palmitoyl-Transferase- (CPT-)1-Mangel, ▬ Carnitin-Palmitoyl-Transferase- (CPT-)2-Mangel, ▬ Carnitin-Acylcarnitin-Translokase-Mangel, ▬ Glutaracidurie Typ 1, ▬ Isovalerianacidämie. Statt der sehr seltenen und unterschiedlich zu therapierenden 3 CarnitinZyklus-Defekte, des LCHAD- und des VLCAD-Mangels (»Differenzialdiagnostik«; Abschn. 8.4.6) wird der Ornithintranscarbamylasemangel (OTCMangel) exemplarisch für die Störungen in der Harnstoffsynthese und solche Erkrankungen abgehandelt, die mit schwerer Hyperammonämie einhergehen können.
228
8.4.1
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Biotinidasemangel
Synonyme Biotinamidamidohydrolasemangel, Biotinidasedefekt, Spätform des multiplen Carboxylasedefekts, »biotin recycling defect«, »late onset form of multiple carboxylase deficiency«.
Definition
8
Bei dem Biotinidasemangel handelt es sich um einen autosomal-rezessiv vererbten Defekt in der Freisetzung des aktiven Biotins (Vitamin H). Vier Carboxylasen in verschiedenen Stoffwechselbereichen benötigen Biotin als Koenzym. Bei Mangel kommt es zu Störungen im Fett-, Kohlenhydrat- und Aminosäurenstoffwechsel. Die Häufigkeit des therapiebedürftigen Biotinidasemangels wird mit etwa 1:60.000 angegeben, die der milderen Formen ist etwa gleich hoch (Moslinger et al. 2003; Wolf B 2001).
Äthiologie/Pathophysiologie Biotin wird an Eiweiß gebunden mit der Nahrung aufgenommen. Das Substrat der Biotinidase ist eine Biotin-Lysin-Verbindung (Biocytin). Propionyl-CoACarboxylase (im Abbauweg von Isoleucin, Methionin, Threonin und Valin), 3-Methylcrotonyl-CoA-Carboxylase (im Leucinstoffwechsel), Pyruvatcarboxylase (Glukoneogenese) und der Acetyl-CoA-Carboxylase (Fettsäurenstoffwechsel) benötigen Biotin als Koenzym (Wolf 2001; Wolf et al. 1985; Sweetman u. Nyhan 1986). Da Neugeborene über ein gewisses Depot an Biotin verfügen, treten Mangelerscheinungen in der Regel erst im späten Säuglings- oder Kleinkindesalter (Late-onset-Form) auf. Sämtliche klinischen Symptome bilden sich als Folge der zu niedrigen Aktivierung der 4 biotinsensiblen Enzyme aus. Sie werden aber offensichtlich erst manifest, wenn die Biotinidaseaktivität unter 10% der altersentsprechenden Norm liegt (Moslinger et al. 2003; Wolf 2001). Der autosomal-rezessiv vererbte Defekt betrifft sowohl die zytoplasmatische als auch die mitochondriale Biotinidase. Das Gen ist auf dem Chromosom 3p25 lokalisiert (Moslinger et al. 2003; Cole et al. 1994). Eine pränatale Erfassung ist möglich.
Klinische Symptome Das klinische Bild des Biotinidasemangels ist gekennzeichnet durch erythematöses, schuppiges, manchmal auch nässendes Exanthem oder Seborrhö,
229 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
gelegentlich Alopezie, Acidose (Laktatacidose), Erbrechen, Dehydratation, Tachypnoe und/oder Stridor (Moslinger et al. 2003; Wolf 2001; Cole et al. 1994), gelegentlich findet man Leukopenie oder Monozytopenie sowie eine Störung der T-Lymphozytenfunktion (Cowan et al. 1979). Schwere Fälle weisen zusätzlich Ataxien (Gangunsicherheit) auf, Muskelhypotonie, Hörverlust (Akustikusatrophie), Visusverlust (Optikusatrophie), Keratokonjunkitivitis, spastische Parese, mentale Retardierung, Krämpfe, Koma, und in der Computertomographie (CT) darstellbare Veränderungen des Gehirns (besonders in den Temporallappen). Bis auf die Symptome, die auf Gewebsstrukturveränderungen basieren (z. B. Atrophien), sind alle reversibel und verschwinden nach Biotinsubstitution (Wolf 2001).
Differenzialdiagnostik ▬ Multipler Carboxylasedefekt [Holocarboxylase-Synthetase-Mangel; McKusick (OMIM): 253270]. Der multiple Carboxylasedefekt wird bereits in der Neugeborenenzeit klinisch auffällig und ist meist assoziiert mit Hyperammonämie. Hinsichtlich der bei Urinuntersuchungen auffälligen Metaboliten kommen außerdem folgende Störungen differenzialdiagnostisch in Frage: ▬ Methylcrotonylglycinurie [McKusick (OMIM): 210200], ▬ Propionacidämie [McKusick (OMIM): 232000, 232050], ▬ Störungen des Pyruvatabbaus (z. B. Pyruvatcarboxylasemangel [McKusick (OMIM): 266150] und Pyruvatdehydrogenasedefekte), ▬ Acetyl-CoA-Carboxylase-Mangel [McKusick (OMIM): 200350], ▬ Leigh-Syndrom [McKusick (OMIM): 256000]. Genuss von rohem Eiereiweiß führt zu Biotinmangelzuständen. Das in Eiklar vorkommende Avidin fixiert Biotin (Wolf 2001).
Biochemische Befunde Durch Mangel an Biotin stauen sich die Substrate vor den biotinsensiblen Carboxylasen. Im Blut sind Laktat, Pyruvat und Propionat vermehrt; im Urin kann man hohe Konzentrationen von 3-Hydroxypropionat, Methylzitrat, 3-Hydroxy-isovaleriansäure, 3-Methylcrotonylglycin und Tiglylglycin sowie von Laktat und Pyruvat messen (Sweetman 1991).
230
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
⊡ Tabelle 8.15. Metabolitenmuster bei Biotinidasemangel
8
Metabolit im Urin
Normal
Biotinidasemangel/ multipler Carboxylasedefekt [mmol/mol Kreatinin]
3-Hydroxyisovaleriansäure
0–46
3-Methylcrotonylglycin
<2
Methylcitrat
0–12
15–200
3-Hydroxypropionsäure
3–10
45–1300
Laktat
0–25
100 – 75000
250–3600 30–260
Die mithilfe der Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS) detektierbaren Metabolitenmuster sind bei Biotinidasemangel (⊡ Tabelle 8.15) identisch mit dem des Holocarboxylasedefektes,nur etwas geringer (Sweetman 1991): Biotinidaseaktivität ist in Serum, Leukozyten und Fibroblasten bestimmbar. Ein einfacher Farbtest findet als Screeningmethode aus getrocknetem Blut (Guthrie-Karte) Anwendung.
…Therapie Die Behandlung des Biotinidasedefekts besteht in der Substitution 5–40 mg Biotin/Tag (freies Biotin!) oral (Wallace 1985; Baumgartner et al. 1985). Liegt die Biotinidaseaktivität unter 15–18% der Altersnorm, sollte therapiert werden. Als Therapiekontrolle sollte Biotin im Serum (oder Biocytin im Urin) gemessen werden: zunächst alle 3–6 Monate, später einmal im Jahr. Bei schweren Formen sollten 1-mal jährlich eine Hörprüfung, Augenhintergrund- und Visusuntersuchung vorgenommen werden, ggf. auch Elektroenzephalographie (EEG) und CT bzw. Magnetresonanztomographie (MRT) des Schädels.
8.4.2
Galaktosämie
Synonyme Galaktosämie, Galaktose-1-Phosphat-Uridyltransferase-Mangel, klassischer Galaktosämie-Transferase-Defekt, Galaktosämie Typ I, »galactosemia«, »galactosaemia«, »Gal-1-PUT deficiency«.
231 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
Definition Bei der (klassischen) Galaktosämie handelt es sich um die häufigste angeborene Störung im Kohlenhydratstoffwechsel. Galaktose, Bestandteil des Milchzuckers, kann nicht adäquat abgebaut werden. Schon mit der ersten Muttermilch erhält ein Neugeborenes größere Mengen an Galaktose. Daraus entstehen Galaktose-1-Phosphat und der Alkohol Galaktitol, die zu den klinischen Symptomen führen (Holton et al. 2001). Schwere und leichte Verlaufsformen sind zu beobachten.
Äthiologie/Pathophysiologie Der auch in den Erythrozyten nachweisbare Galaktose-1-Phosphat-Uridyltransferase-Defekt wird autosomal-rezessiv vererbt. Heterozygote sind klinisch gesund. Bei ihnen bildet sich im Erwachsenenalter allerdings häufiger als bei Gesunden ein grauer Star (Katarakt) aus. Das Gen der Galaktose-1Phosphat-Uridyltransferase liegt auf dem Chromosom 9 (9p13). Mehr als 150 Mutationen sind weltweit bekannt; hierbei weisen die Galaktosämiepatienten in Europa zu 70–80% nur 2 Mutationen auf (Elsas u. Lai 1998). Die Schwere der klinischen Symptome korreliert mit den spezifischen Mutationen. Unter den milderen Formen findet sich weltweit die Duarte-Variante (Duarte 1 und 2) mit Reduktion der Enzymaktivität auf ca. 50% der Norm (Item et al. 2002). Die Häufigkeit der Galaktosämie (schwere Form) liegt zwischen 1:40.000 bis 1:70.000. Die milderen Mutationen sind häufiger, und ihre Frequenz wird auf 1:3.000bis 1:4.000 geschätzt (Gitzelmann 2000). Die großen Mengen an Galaktose, die mit der Muttermilch aufgenommen werden, können aufgrund des Stoffwechselblocks nur noch phosphoryliert werden; das anfallende Galaktose-1-Phosphat hemmt sowohl die Glykolyse als auch die Glukoneogenese. Hypoglykämien sind die Folge. Der sich ebenfalls bildende Alkohol Galaktitol führt zunächst zur Aufquellung der Augenlinsen (reversibel), nach ca. 14 Tagen jedoch zu bleibenden Strukturveränderungen mit der Folge der Ausbildung eines grauen Stars.
Klinische Symptome Schon in den ersten Lebenstagen, nach dem Trinken von Muttermilch oder einer milchzuckerhaltigen Säuglingsnahrung, kommt es zu klinischen Symptomen, wie Trinkunlust, Unterzuckerungen (Hypoglykämien) und/oder Gelbsucht (Ikterus, mit einem großen Anteil von konjugiertem/direktem
232
8
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Bilirubin) als Zeichen einer Leberfunktionsstörung, und es trüben sich die Augenlinsen (grauer Star/Katarakt). Die Stoffwechselveränderungen können im Neugeborenenalter auch zu Bewusstseinsverlust und Krämpfen und sogar zum Tod führen (Hirnödem). Aus bisher ungeklärten Gründen erleiden Galaktosämiepatienten in den ersten Lebenstagen häufiger eine Sepsis mit Escherichia coli (Coli-Sepsis; Levy et al. 1977). Neben den akuten Veränderungen im Neugeborenenalter finden sich weitere typische Symptome bei Kindern und Jugendlichen: allgemeine Entwicklungsverzögerung, Sprachentwicklungsstörungen, Intelligenzminderugen (bei Mädchen bis zu einem IQ-Verlust von 20%, bei Jungen etwas weniger) und bei Mädchen eine Ovarialinsuffizienz (Unterfunktion der Eierstöcke) auch bei guter Diätführung, gelegentlich chronischer Leberschaden (Leberzirrhose) und/oder Niereninsuffizienz (mit Fanconi-Syndrom; Holton et al. 2001; Schweitzer et al. 1993; Waggoner et al. 1990). Die Ursachen der Intelligenzminderungen und der Ovarialinsuffizienzen sind bisher ungeklärt.
Differenzialdiagnostik Die Galaktosämie ist als Krankheit schon fast 70 Jahre bekannt, und seit dieser Zeit existieren auch Überlegungen und Maßnahmen zu ihrer Behandlung. Die klinischen Symptome sind relativ unspezifisch (Hyperbilirubinämie, Hypoglykämie), und es gibt eine große Zahl anderer Erkrankungen, die differenzialdiagnostisch infrage kommen. Die Neugeborenen werden häufig klinisch auffällig, bevor die Ergebnisse des Neugeborenenscreeningtests ( unten) vorliegen. Ein einfacher Test zum Nachweis von Galaktose im Urin (z. B. Reduktionsproben nach Fehling oder Benedict; Clinitest-Tbl.) kann entscheidend sein. ! Bei der Benutzung eines ACCU-CHEK-Gerätes zur Bestimmung von Glukose im Blut ist bei der Ergebnisinterpretation Vorsicht geboten. Sowohl Galaktose als auch Bilirubin reagieren in diesem Test (Newman et al. 2002).
Im Neugeborenenscreening werden in der Regel 2 Tests durchgeführt: 1. Messung der Aktivität der Galaktose-1-Phosphat-Uridyltransferase in den Erythrozyten (nahrungsunabhängiger Beutler-Test unter Einbeziehung einiger in den Erythrozyten normalerweise vorkommenden Enzyme; Fujimoto et al. 2000).
233 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
2. Messung der Konzentration von Galaktose und Galaktose-1-Phosphat im Blut. [Pathologisch bzw. kontrollbedürftig sind Screeningbefunde mit Konzentrationen von Galaktose + Galaktose-1-Phosphat über 15 mg/dl (0,83 mmol/l)]. Ist die Uridyltransferaseaktivität ohne Vermehrung von Galaktose und Galaktose-1-Phosphat bei laktosehaltiger Ernährung erniedrigt, werden in der Regel die molekulargenetischen Tests die Klärung bringen. Ist Galaktose bei normaler Transferaseaktivität und niedrigem Galaktose1-Phophat vermehrt, kann es sich um einen ▬ Galaktokinase- oder ▬ Epimerasedefekt handeln. Galaktosevermehrungen im Blut sind beobachtet worden auch bei: ▬ Reifungsstörungen eines der im Beutler-Test beteiligten Enzyme bzw. der Leber allgemein (Ono et al. 2000), sowie bei ▬ Fehlbildungen der Pfortader, ▬ portovenösen und portoarteriösen Shunts oder bei ▬ persistierendem Ductus Arantii (Gitzelmann et al. 1992; Ono et al. 1998). Hinsichtlich der allgemein klinischen Symptome der Galaktosämie im Neugeborenenalter ist differenzialdiagnostisch an folgende Störungen zu denken: ▬ Sepsis, ▬ angeborene Organoacidurien (z. B. Propionacidurie), ▬ Mitochondriopathien, ▬ neonatale Hämochromatose, ▬ α1-Antitrypsinmangel, ▬ Tyrosinose Typ I u. a.
Biochemische Befunde Galaktose ist in allen Milchsorten (als Laktose) und in Pflanzen (als freie Galaktose) oder in Form von normalerweise nichtspaltbaren Sacchariden vorhanden. In komplexen Kohlenhydraten existieren 2 unterschiedliche chemische Bindungsarten von Galaktose, die α-galaktosidische (z. B. auch in Raffinose oder Stachyose) und die β-galaktosidische Bindung. Der menschliche Organismus kann nur β-galaktosidische Bindungen spalten. In tierischen Geweben lässt sich Galaktose nur in Spuren nachweisen.
234
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Galaktose-1-Phosphat, das sich vor dem Stoffwechselblock bei der klassischen Galaktosämie anstaut, hemmt z. B. Glukose-6-Phosphatase, Glukose-6Phosphat-Dehydrogenase, Phosphoglukomutase, Glykogenphosphorylase. Sowohl die Bereitstellung von Glukose durch Glykogenabbau und auch die Synthese von Glukose in der Leber (Glukoneogenese) sind beeinträchtigt (Gitzelmann 1995). Hypoglykämien sind die Folge. Galaktitol wird schon in der Fetalzeit gebildet und ist im Fruchtwasser sowie im Nabelschnurblut, später auch im Urin, nachweisbar. Seine Menge korreliert mit der des Galaktose-1-Phosphats in den Erythrozyten, jedoch nicht mit der Galaktosekonzentration im Blut (Jakobs et al. 1995; Palmieri et al. 1999; ⊡ Tabellen 8.16 und 8.17). Heterozygote und Gemischtheterozygote haben leicht erhöhte Galaktitolkonzentrationen sowohl im Blut als auch im Urin (Jakobs et al. 1995). Hetero-
8 ⊡ Tabelle 8.16. Galaktose- und Galaktose-1-Phosphat-Konzentrationen
Galaktose im Blut/Plasma
Galaktose-1-Phosphat in Erythrozyten
[mg/dl]
[mmol/l]
[mg/dl]
[mmol/l]
Normal
4,3
0–0,24
<0,3
0,02
Unbehandelte klassische Galaktosämiea
>15
>0,8
43,7±43,8a >3,0a
2,43±2,43a >0,17a
Gut behandelte klassische Galaktosämie
<4,3
<0,24
<3,0
<0,17
a
Mean ± SD(Waggoner et al. 1990).
⊡ Tabelle 8.17. Galaktitolkonzentrationen im Urin
Galaktitol im Urin [µmol/mol Kreatinin] Normal
3–81
Unbehandelte klassische Galaktosämie
8.000–69.000
Gut behandelte klassische Galaktosämie
45–900
235 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
zygotenerfassungen sind über die Bestimmung der Transferaseaktivität in den Erythrozyten und eine weitere Differenzierung durch molekulargenetische Untersuchungen möglich. Eine pränatale Diagnostik ist möglich.
…Therapie Die klassische Galaktosämie wird mit einer laktosefreien, galaktosereduzierten Diät behandelt (Przyrembel 1984), d. h., Neugeborene und Säuglinge dürfen weder gestillt werden noch normale Säuglingsmilchen bekommen. Stattdessen werden Sojaprodukte verwendet. Da der Körper in der Lage ist, Galaktose selbst zu bilden, ist eine galaktosefreie Ernährung nicht sinnvoll (und auch kaum möglich). Aus Glukose werden 0,53–1,05 mg/kg KG und Stunde Galaktose synthetisiert [d. h. bei Erwachsenen bis zu 2.000 mg/Tag (11 mmol/Tag); Berry et al. 1995]. Für die Diät ist eine Auswahl der Lebensmittel hinsichtlich ihres Galaktosegehaltes notwendig (Wimmer 2002). Viel Galaktose enthalten: ▬ Milch, ▬ Milchprodukte (Quark, Käse, Butter, Sahne, Schokolade, Molke), ▬ Saucen und Dressings auf Milch-/Joghurtbasis, ▬ Kekse, Puddings, Süßigkeiten (wenn mit Laktose bzw. Milch zubereitet), ▬ Brot, Brötchen (soweit unter Zusatz von Milch hergestellt), ▬ Würstchen, Leberwurst. Deutliche Mengen an Laktose bzw. Galaktose enthalten: ▬ einige Obstsorten (z. B. Kiwi, Birne), ▬ einige Gemüsesorten (z. B. Linsen, grüne Gurke). Geringe Mengen sind enthalten in: ▬ Äpfeln, Bananen, Erdbeeren, Tomaten, Erbsen, ▬ Kartoffeln, ▬ Reis, ▬ Marmeladen, ▬ Nüssen. Lebensmittel ohne Laktose bzw. Galaktose sind: ▬ Fleisch, ▬ Fisch,
236
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
⊡ Tabelle 8.18. Menge der akzeptierten Galaktosezufuhr in Abhängigkeit vom Patientenalter
Alter
Menge der akzeptierten Zufuhr von Galaktose mit der Nahrung [mg/Tag]
Säugling (Beikost)
50–200
Kleinkind
150–200
Schulkind
200–300
Jugendliche
250–400
Erwachsene
300– 00
8 ⊡ Tabelle 8.19. Kontrolluntersuchungen
Untersuchung
Zeitpunkt/Häufigkeit
Galaktose-1-Phosphat im Blut/Galaktitol- Nach der Ersteinstellung ausscheidung mit dem Urin Bis zum 2. Lebensjahr alle 3 Monate Danach jährlich Länge, Gewicht, Kopfumfang
Bis zum 2. Lebensjahr alle 3 Monate Danach jährlich
Transaminasen und γ-GT im Blut
Nur nach der Phase der Initialeinstellung
Augenärztliche Untersuchungen
Nur nach der Initialeinstellung nötig
Kalzium, Phosphat (und Cholecalciferol) im Blut
Jährlich
Messung der Knochenmineralisierung
Jährlich
Sprachentwicklungstests
Ab dem 2. Lebensjahr
Psychologische Tests
Ab dem 2. Lebensjahr jährlich
LH-, FSH-Konzentrationen im Blut bei Mädchen
Ab dem 8. Lebensjahr
γ-GT Glutamytransferase, LH luteinisierendes Hormon, FSH follikelstimulierendes Hormon
237 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
▬ reine Fette, ▬ Getreideprodukte (z. B. Nudeln, Haferflocken, ohne Milchzusatz hergestellte Backwaren). Galaktosemengen, die täglich zugeführt werden dürfen, sind in ⊡ Tabelle 8.18 zusammengefasst (Wimmer 2002). Aufgrund der milchfreien Ernährung ist die Kalziumzufuhr mit der Nahrung unzureichend. Deshalb muss Kalzium separat zugeführt werden. Wegen der häufig vorkommenden Ovarialinsuffizienz sind den betroffenen Mädchen ab dem 8.–10. Lebensjahr Hormone zu substituieren. Für die Kontrolle der Diät werden die Konzentrationen des Galaktose-1Phosphats in den Erythrozyten gemessen. Mit Werten zwischen 1 mg/dl und 3 mg/dl sind die Patienten diätetisch gut eingestellt. In den in ⊡ Tabelle 8.19 dargestellten Abständen sollen die entsprechenden Kontrolluntersuchungen vorgenommen werden. > Die strenge Diät muss lebenslang durchgeführt werden.
8.4.3
Phenylketonurie/Hyperphenylalaninämie und maternale Phenylketonurie/Phenylalaninembryopathie
Synonyme Klassische Phenylketonurie, PKU, PKU I, Fölling-Krankheit, Imbecillitas phenylpyruvica, Phenylalaninhydroxylasedefekt.
Definition Bei der Phenylketonurie (PKU) handelt es sich die autosomal-rezessiv vererbte Störung des in der Leber exprimierten Enzyms Phenylalaninhydroxylase, die in Gegenwart des Koenzyms Tetrahydrobiopterin Phenylalanin zu Tyrosin umwandelt. Aufgrund dieses Defektes kann Phenylalanin, das in sämtlichen natürlichen Eiweißen in relevanter Menge vorhanden ist, nicht wie bei Gesunden abgebaut werden. Es kommt zur Anhäufung von Phenylalanin in allen Körpergeweben und schließlich zum Abbau zu Phenylbrenztraubensäure (Phenylketon) und anderen ungewöhnlichen Metaboliten, die mit dem Urin ausgeschieden werden. Die Phenylalaninabbauprodukte, die hohe Phe-
238
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
nylalaninkonzentration sowie ein Mangel an Tyrosin und Tryptophan in den Zellen behindern sowohl das Hirnwachstum als auch dessen Funktion. Unbehandelt entwickeln die Patienten eine geistige Retardierung, etwa jeder Dritte ein Krampfleiden (Mönch u. Link 2002; Scriver u. Kaufman 2001).
Äthiologie/Pathophysiologie
8
Die Defekte der Phenylalaninhydroxylase sind angeboren. Das Gen liegt auf dem Chromosom 12 (q21–q24.1). Über 400 Mutationen des Phenylalaninhydroxylasegens sind bisher beschrieben (Podskarbi 2001; Scriver u. Kaufman 2001). Schwere und leichte PKU-Formen weisen spezifische Mutationen auf. Spontanmutationen sind bisher nicht bekannt. Die Häufigkeit der klassischen PKU liegt in Deutschland bei etwa 1:10 000, mildere Formen (Hyperphenylalaninämien) sind etwa gleich häufig/selten. Damit ist etwa jeder 50ste Überträger der PKU! Basierend auf klinischen Erfahrungen werden folgende Untergruppierungen vorgenommen (Mönch u. Link 2002; Scriver u. Kaufman 2001): ▬ klassische PKU: Phenylalaninkonzentrationen bei freier Kost über 20 mg/ dl (>1.205 µmol/l), Phenylalanintoleranz unter 400 mg/Tag; ▬ milde PKU: Phenylalaninkonzentrationen bei freier Kost zwischen 10 mg/ dl und 20 mg/dl (zwischen 602 µmol/l und 1.205 µmol/l), Phenylalanintoleranz zwischen 400 mg/Tag und 600 mg/Tag; ▬ Hyperphenylalaninämie: Phenylalaninkonzentrationen bei freier Kost stets unter 10 mg/dl (>603 µmol/l). Eine weitere Gruppe bilden die ▬ Tetrahydrobiopterin- (BH4-)sensiblen Phenylalaninhydroxylasedefekte mit maximaler Phenylalaninblutkonzentration in der Regel nicht über 20 mg/dl (1.205 µmol/l). Nach bisherigen Erfahrungen sind mehr als ein Drittel der Hyperphenylalaninämien und milden PKUs tetrahydrobiopterinsensibel (Kure et al. 1999; Muntau et al. 2002). Folge der verminderten Hydroxylierung von Phenylalanin ist ein Mangel an Tyrosin. Dieser führt zu ungenügender Synthese von Nervenüberträgerstoffen (Dopamin), von Melanin (Haut-, Haar- und Augenfarbstoff), von Catecholaminen (Gewebshormonen; Adrenalin, Noradrenalin), nicht jedoch von Thyroxin.
239 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
Der schwere Hirnschaden durch hohe Phenylalaninkonzentrationen ist das Resultat der Summation mehrerer ungünstiger Faktoren (Scriver u. Kaufman 2001). Phenylalanin wird bei sehr hohen Spiegeln zu Phenylbrenztraubensäure (Phenylpyruvat), Phenylmilchsäure (Phenyllaktat), Phenylessigsäure (Phenylacetat), u. a. abgebaut. Sowohl hohes Phenylalanin als auch z. B. Phenylbrenztraubensäure blockieren den Aufbau von Gehirnsubstanz (Myelin), den Energiestoffwechsel der Hirnzellen und die Synthese von Nervenüberträgerstoffen. Außerdem wird das Transportsystem der neutralen Aminosäuren durch Phenylalanin so überlastet, dass es zu einem Mangel besonders von Tyrosin und Tryptophan in den Hirnzellen und damit der Neurotransmitter Dopamin und Serotonin kommt (Dyer et al. 1996; Hommes 1989). Daraus resultieren Einschränkungen der Hirnentwicklung und -funktion (besonders von kognitiven Leistungen; Lou et al. 1985). Das Gehirn benötigt aber in jedem Lebensalter für seine optimale Funktion eine ausreichende Menge an Neurotransmittern!
Klinische Symptome Patienten mit unbehandelter klassischer PKU fallen frühestens im 3.–4. Monat durch Verzögerung der statomotorischen Entwicklung auf. Schon zu dieser Zeit kann der typische Geruch auftreten. In den späteren Jahren werden die mangelhafte Gehirnentwicklung, Mikrozephalie, geistige, psychosoziale und statomotorische Retardierung, helle Haut und blonde Haare deutlich (Scriver u. Kaufman 2001). Hyperphenylalaninämien können milder ausfallen und/oder später auftreten. Die typischen, bei unbehandelter PKU häufig auftretenden Symptome sind: ▬ blondere Haare und blauere Augen als die Geschwister/Familie, ▬ geistige Retardierung (Intelligenzquotient unter 50), ▬ ungewöhnlicher, typischer Geruch (Phenylbrenztraubensäure), ▬ Neigung zu Seborrhö oder Ekzemen, ▬ statomotorische Retardierung, ▬ Mikrozephalie (zu kleiner Schädel), ▬ EEG-Veränderungen in 50% der Fälle, ▬ Krampfleiden in 20–30% der Fälle, ▬ Hyperaktivität.
240
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
> Bei Phenylalaninkonzentrationen permanent über 8 mg/dl (484 µmol/l) bis zum 14. Lebensjahr ist mit Intelligenzdefekten zu rechnen.
Differenzialdiagnostik Bei Erhöhungen der Phenylalaninkonzentration im Blut, dem biochemischen Leitsymptom der PKU, kommen neben der klassischen PKU folgende Störungen in Betracht: 1. milde PKU, Hyperphenylalaninämie, 2. tetrahydrobioptersensible Formen des Phenylalaninhydroxylasedefektes, 3. Defekte im Pterinstoffwechsel (»atypische PKU«) mit Mangel an Tetrahydrobiopterin (mindestens 5 Enzymdefekte), 4. andere Ursachen [Tyrosinosen (Typen I–III), Leberschäden z. B. bei Hepatitis u. a.].
8
Zur Abklärung der Störungen 1.–3. nach auffälligem Neugeborenenscreeningbefund wird vor Beginn einer Behandlung ein Belastungstest unter Gabe BH4 (20 mg 6R-Tetrahydrobiopterin/kg KG oral als Bolus) durchgeführt (Blau 1996). Direkt, 4, 8 und 24 h nach Gabe von BH4 wird Blut zur Bestimmung von Phenylalanin (und Tyrosin) abgenommen. Im Gegensatz zur klassischen PKU, bei der keine Veränderungen zu finden sind, sinken beim Vorliegen eines Defektes im Stoffwechsel von BH4 die Phenylalaninblutspiegel trotz gleichbleibend hoher Eiweißzufuhr mit der Nahrung in den ersten 4 h um 40–60% und nach 8 h um 60–80% des Ausgangswertes. Beim Absinken erst nach 8 h bzw. 24 h nach BH4-Gabe besteht der Verdacht auf Vorliegen einer BH4-sensiblen Form des Phenylalaninhydroxylasedefektes. Ein Großteil der milden PKUs bzw. der Hyperphenylalaninämien gehört zu dieser Gruppe. Für die Erkennung von Überträgern der PKU steht heute die Untersuchung des Phenylalaninhydroxylasegens zur Verfügung, zu der nur eine Blutabnahme notwendig ist. Eine pränatale Diagnostik ist möglich.
Biochemische Befunde Die Erhöhung der Phenylalaninkonzentration im Blut ist das Hauptsymptom und gleichzeitig der entscheidende Marker der PKU. Zur Früherfassung von Störungen des Phenylalaninstoffwechsels werden seit vielen Jahrzehnten alle Neugeborenen untersucht mit dem Ziel der Früherfassung und frühzeitiger Behandlung. Beim Neugeborenenscreening ist derzeit die Methode der Wahl
8
241 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
⊡ Tabelle 8.20. Phenylalanin- und Tyrosinkonzentrationen im Serum/Plasma. (Clayton et al. 1980)
Phenylalanin
Tyrosin
[mg/dl] [µmol/l]
[mg/dl] [µmol/l]
Normal (Neugeborenenalter bis 3. Monat) bis 3,0
bis 182
3,6
bis 196
Normal 3. Monat bis 14 Jahre, nicht nüchtern
0,3–2,2
21–133
0,6–1,8
35–99
Normal 3. Monat bis 14 Jahre, nüchtern
0,5–1,0
34–62
0,6–1,4
32–76
Klassische PKU, wenn älter als 72 h
>3
>182
<1,0
<55
Unbehandelte klassische PKU ab Säuglingsalter
>15
>908
<1,0
<55
die Tandem-MS [⊡ Tabelle 8.20; Messung der Phenylalanin- und Tyrosinkonzentrationen aus getrocknetem Blut und die Berechnungen deren Relation zueinander. Kontrollbedürftig sind Phenylalaninwerte über 2,4 mg/dl (145 µmol/l) am 3. Lebenstag und eine Phenylalanin/Tyrosin-Relation über 2,0]. Der optimale Zeitpunkt der Blutabnahme ist der 3. Lebenstag (Interdiziplinäre Screeningkommission der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin 2002). Bei ambulanten Entbindungen soll unabhängig vom Alter des Kindes bei Entlassung Blut abgenommen werden. [Phenylalanin steigt bei PKU-Patienten auch in kataboler Stoffwechsellage (Hungerzustand) an, deshalb ist auf eine ausreichende Zufuhr von Eiweiß als Voraussetzung für den Test nicht mehr zu achten]. ! Wurde das Blut bereits in den ersten 36 h abgenommen, ist ein Zweitscreening am 3.–5. Lebenstag notwendig. > Bei unbehandelter PKU oder infolge von schweren Diätfehlern kommt es zur vermehrten Ausscheidung von ungewöhnlichen Phenylalaninabbauprodukten, z. B. Phenylbrenztraubensäure. Die Tyrosinwerte sind niedrig ( oben).
…Therapie Eine Diät mit Reduktion der Zufuhr von Phenylalanin bis auf die essenziell notwendige Menge ist die einzige Behandlungsmöglichkeit der klassischen
242
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
⊡ Tabelle 8.21. Altersäbhängiger Phenylalaninbedarf
Alter [Monate]
8
Phenylalanin [mg/kg KG und Tag]
6
34 (27–41)
12
28 (21–35)
18
26 (20–32)
24
23 (18–28)
30
22 (17–27)
36
20 (15–25)
42
19 (14–24)
48
18 (13–23)
54
17 (12–23)
60
17 (12–23)
66
16 (12–20)
72
15 (10–20)
Angaben in Klammern Variationsbreite
PKU, der milderen Formen und der Hyperphenylalaninämien (Mönch u. Link 2002). Auch die BH4-sensiblen Varianten können derzeit ausschließlich diätetisch therapiert werden, da BH4 allein zu Testzwecken und noch nicht als Medikament erhältlich ist. Der Phenylalaninbedarf ist altersabhängig und sehr individuell: In den ersten Lebensmonaten liegt er zwischen 30 mg Phenylalanin/kg KG und 50 mg Phenylalanin/kg KG und Tag (Bremer et al. 1995; Mönch u. Link 2002). Für die folgenden Monate werden die in ⊡ Tabelle 8.21 zusammengefassten Konzentrationen empfohlen. Da mit der Gabe von natürlichem Eiweiß bis zur Deckung der notwendigen Phenylalanintagesmenge nicht auch der gesamte Proteinbedarf des Körpes gedeckt ist, müssen phenylalaninfreie und tyrosinangereicherte Aminosäurengemische zusätzlich verabreicht werden. Zur Verfügung stehen: Präparate der Firmen SHS/Heilbronn (p-am Analog, P-AM 1–3), Milupa/ Friedrichsdorf (PKU 1 MIX, PKU 1–3) und metaX/Rosbach (XPhe). Die Diät sollte konsequent mindestens bis zur Pubertät fortgesetzt werden. Zu empfehlen ist, sie lebenslang beizubehalten. Dafür sprechen theo-
8
243 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
⊡ Tabelle 8.22. Empfehlungen zur Kontrolluntersuchung. (Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Stoffwechselstörungen, APS 1997)
Alter [Jahre]
Laboruntersuchungen
Klinische Untersuchungen
<1
Alle 1–2 Wochen
Alle 3 Monate
1–9
Alle 2–4 Wochen
Alle 3–6 Monate
10–15
Alle 4 Wochen
Alle 6 Monate
>15
Alle 2–3 Monate
Alle 6–12 Monate
⊡ Tabelle 8.23. Anzustrebende Phenylalaninkonzentrationen im Serum/Plasma. (APS 1997)
Alter [Jahre]
Niedrigster Wert
Höchster Wert
[mg/dl]
[µmol/l]
[mg/dl]
[µmol/l]
0–10
0,7
42
4,0
11–16
0,7
42
15
242 908
älter als 16
0,7
42
20
1211
retische Erkenntnisse über die Wirkung von hohen Phenylalaninkonzentrationen auf das Gehirn sowie Beobachtungen über neurologische und psychologische Auffälligkeiten nach Beendigung der Diät (Griffiths et al. 1998). Aber auch bei Lockerung der Diät sollten die Phenylalaninspiegel nicht über 20 mg/dl (1.211 µmol/l) ansteigen. Kontrollen der Diättherapie erfolgen über die Messungen von Phenylalanin (und Tyrosin) im Blut. Bezüglich der Häufigkeit der Laborkontrollen und der Vorstellung beim Arzt (Spezialisten) liegen Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Stoffwechselstörungen (APS 1997) vor (⊡ Tabelle 8.22). Auch zu den anzustrebenden und permanent einzuhaltenden Phenylalaninkonzentrationen gibt es APS-Empfehlungen(1997; ⊡ Tabelle 8.23). Einmal jährlich sollten umfangreiche klinisch-chemische Untersuchungen zur Kontrolle der optimalen Versorgung mit allen Nährstoffen erfolgen.
244
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Maternale Phenylketonurie (Phenylalaninembryopathie) Bei der »maternalen PKU« handelt es sich um schwangere PKU-Patientinnen, die durch zu hohe Phenylalaninspiegel ihre Kinder, unäbhängig von ihren genetischen Anlagen, schädigen können (Phenylalaninembryopathie).
Klinische Symptome (des Kindes) Hinsichtlich der klinischen Symptome und deren Ausprägung besteht eine Relation zu den Phenylalaninspiegeln der Mutter. Die Symptome sind: ▬ niedriges Geburtsgewicht, ▬ geistige Retardierung, ▬ Mikrozephalie, ▬ kardiale Fehlbildungen (Herzfehler; Scriver et al. 1995).
8
Beschrieben wurden die schwersten Defekte bei Müttern mit Phenylalaninkonzentrationen permanent über 20 mg/dl (1.210 µmol/l; Medical Research Council Working Party on Phenylketonuria 1993; Lynch et al. 1988; Platt et al. 1992). > Die Blutphenylalaninkonzentrationen beim ungeborenen Kind sind aufgrund einer plazentaren Anreicherung etwa doppelt so hoch wie bei der Mutter! Deshalb sollten die Phenylalaninblutwerte zwischen 0,4 mg/dl und 4 mg/dl (42–242 µmol/l) liegen.
…Therapie Frauen mit PKU sollten Schwangerschaften möglichst planen und mit einer strengen Diät schon vor der Konzeption beginnen. Die Behandlung der PKU ist aus der Kinder- und Jugendzeit bekannt und mit dieser nahezu identisch. Der zu erwartende altersabhängige Bedarf an Phenylalanin und Tyrosin, der allerdings individuell erheblich abweichen kann, ist in ⊡ Tabelle 8.24 angegeben (Elsas u. Acosta 1999; Rohr et al. 1987). Für die Substitution von Aminosäuren zur Deckung des Proteinbedarfes unter gleichzeitiger Berücksichtigung der speziellen Ernährungbedürfnisse von Schwangeren stehen Präparate der Firmen SHS/Heilbronn (P-AM maternal) und Milupa/Friedrichsdorf (PKU 3) zur Verfügung (Mönch u. Link 2002). Die Betreuung der Schwangeren sollte nach dem in ⊡ Tabelle 8.25 vorgegebenen Schema erfolgen (APS1997).
245 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
⊡ Tabelle 8.24. Altersabhängiger Bedarf bei schwangeren Frauen
Schwangerschaftstrimester und Alter
Phenylalanin [mg/Tag]
Tyrosin [g/Tag]
200–820 180–800
5,3–7,6 5,1–7,4
200–1.000 180–1.000
5,3–7,6 5,1–7,4
330–1.200 310–1.200
5,3–7,6 5,1–7,4
I. Schwangerschaftstrimester 15–<19 Jahre >24 Jahre II. Schwangerschaftstrimester 15–<19 Jahre >24 Jahre III. Schwangerschaftstrimester 15–<19 Jahre >24 Jahre
⊡ Tabelle 8.25. Schema zur Betreuung von schwangeren Phenylketonuriepatientinnen
Bestimmung von Phenylalanin (und Tyrosin)
Weitere Laboruntersuchungen Klinische Unter(z. B. alle Aminosäuren) suchungen
2-mal/Woche
alle 3–4 Wochen
8.4.4
Wöchentlich
Ahornsirupkrankheit
Synonyme Leucinose, »maple syrup urine disease« (MSUD), »branched-chain α-keto acid dehydrogenase deficiency« (BCKD). ▬ MSUD Typ IA = E1-α subunit, ▬ MSUD Typ IB = E1-β subunit, ▬ MSUD Typ II = E2 subunit, ▬ MSUD Typ III = E3 subunit, ▬ Thiamin-sensible Ahornsirupkrankheit (Thiamine-responsive MSUD).
Definition Die Ahornsirupkrankheit ist eine autososmal-rezessiv vererbte Störung im Abbau (oxidative Decarboxylierung) der 3 verzweigtkettigen Aminosäuren
246
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Leucin, Isoleucin und Valin. Der typische Geruch nach Ahornsirup bzw. nach Maggi-Würze beruht auf der vermehrten Ausscheidung von 2-Keto-3-Methylvaleriansäure, die aus Isoleucin entsteht (Chuang u. Shih 2001; Menkes et al. 1954; Mönch u. Link 2002; Scriver et al. 1985). Sie wird im Neugeborenenscreening mit der Tandem-MS durch Messung der verzweigtkettigen Aminosäuren mit einer Häufigkeit zwischen 1:55.000 bis 1:300.000 erfasst. Klinisch auffällig werden die Patienten mit klassischer, schwerer Form der Ahornsirupkrankheit schon in den ersten Lebenstagen. Sonderformen (intermittierend, intermediär oder thiaminsensibel) manifestieren sich im Säuglings- und Kindesalter.
Äthiologie/Pathophysiologie
8
Die thiaminsensible Dehydrogenase der verzweigtkettigen Ketosäuren (dem zweiten Stoffwechselschritt im Abbau der verzweigtkettigen Aminosäuren) besteht aus 4 intramitochondrial gelegenen Proteinen. Die Gene der 4 Proteine des Enzymkomplexes sind auf verschiedenen Chromosomen lokalisiert und weisen jeweils mehrere Mutationen auf: ▬ Typ IA Chromosom 19 (19q13.1-q13.2), McKusick (OMIM) 248600, ▬ Typ IB auf dem Chromosom 6 (6p21-p22), McKusick (OMIM) 248611, ▬ Typ II auf dem Chromosom 1 (1p21–31), McKusick (OMIM) 248610 und ▬ Typ III auf dem Chromosom 7 (7q31), McKusick (OMIM) 246900. Die Vermehrung der verzweigtkettigen Amino-, Keto- und Hydroxysäuren führt zu einer schweren Ketoacidose mit der Folge der Störung vieler Körperfunktionen bis zur Kreislaufinsuffizienz und zum Herzstillstand. Besonders toxisch sind die Abbauprodukte von Leucin (z. B. 2-Ketoisocapronsäure).
Klinische Symptome Unabhängig vom Typ der Ahornsirupkrankheit treten bei allen Patienten die gleichen klinischen Symptome auf. Bei der häufigsten, der schweren (klassischen) neonatalen Form findet man schon in den ersten Lebenstagen: ▬ Erbrechen, ▬ Atemstörungen bis zur Apnoe, ▬ Lethargie, ▬ schrilles Schreien, ▬ Koma,
247 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
▬ ▬ ▬ ▬ ▬
8
Krämpfe, häufig einen Opisthotonus, Hypoglykämien, Acidose, typischer Ahornsirupgeruch.
Die Prognose der Patienten mit klassischer Ahornsirupkrankheit verbessert sich, je früher die Erfassung und Behandlung erfolgen, und ist langfristig von der Güte der Stoffwechseleinstellung abhängig. ! Bei Verdacht auf eine Ahornsirupkrankheit ist notfallmäßig sofortiges ärztliches ggf. intensivmedizinisches Handeln notwendig! Unbehandelt tritt der Tod durch Herz-, Kreislaufversagen bzw. Atemstillstand rasch ein.
Bei den milderen Formen stehen besonders nach reichlicher Eiweißzufuhr Erbrechen, Entwicklungsrückstand, psychomotorische Retardierung bzw. Ataxien im Vordergrund.
Differenzialdiagnostik Bei Vermehrung der Konzentrationen der verzweigtkettigen Aminosäuren im Blut und Urin bzw. der daraus entstehenden organischen Säuren müssen folgende angeborene Störungen differenzialdiagnostisch abgeklärt werden: ▬ Isovalerianacidämie [McKusick (OMIM): 243500], ▬ Hypervalinämie [McKusick (OMIM): 277100], ▬ Hyperleucin-Isoleucinämie [McKusick (OMIM): 238340], ▬ 3-Methylcrotonylglycinurie [McKusick (OMIM): 220010], ▬ 3-Methylglutaconacidurie mit verschiedenen Typen [McKusick (OMIM): 250950], ▬ 3-Hydroxy-3-Methylglutaracidurie [McKusick (OMIM): 246450], ▬ 3-Ketothiolasedefekt [McKusick (OMIM): 203750], ▬ multipler Carboxylasedefekt [McKusick (OMIM): 253270], Im Neugeborenenalter sind bei typischer klinischer Symptomatik eine ▬ Hirnblutung oder ▬ Sepsis auszuschließen. Hyperammonämien treten bei der Ahornsirupkrankheit in der Regel nicht auf.
248
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Biochemische Befunde Schon im Neugeborenenscreening mit der Tandem-MS lassen sich in den ersten Lebensstunden die Vermehrungen der verzweigtkettigen Aminosäuren absolut und relativ zu anderen Aminosäuren (z. B. Methionin und Phenylalanin) nachweisen. Leucin, Isoleucin und auch Alloisoleucin lassen sich aber mit dieser Methode nicht voneinander unterscheiden und werden als Summe gemessen, Xle). Der Ahornsirupkrankheit liegt eine Störung im Verzweigtketten-2-Ketosäurendehydrogenase-Komplex zugrunde (in Leukozyten oder Hautfibroblasten messbar; Chuang u. Shih 2001). Er besteht aus 3 Enzymen (und insgesamt 4 Proteinen): ▬ Decarboxylase (E1, mit 2 Untereinheiten, E1-α und E1-β), ▬ Dihydrolipoamid-Verzweigtketten-Transacylase (E2) und ▬ Lipoamiddehydrogenase (E3).
8
Bei allen Formen der Erkrankung sind die verzweigtkettigen Aminosäuren Valin, Leucin und Isoleucin sowie typischerweise auch Alloisoleucin im Blut und Urin sowie deren Keto- und Hydroxymetaboliten vermehrt (⊡ Tabellen 8.26 und 8.27). > Die pränatale Diagnostik einer Ahornsirupkrankheit ist durch Metabolitenanalyse des Fruchtwassers aber auch mitthilfe der Enzymanalyse aus Chorionzottenbiopsat und/oder kultivierten Amnionzellen möglich.
…Therapie Akutbehandlung (Erst- und Notfallversorgung; Mönch u. Link R 2002). > Das Prinzip der Akutbehandlung besteht in der Überführung einer katabolen in eine deutlich anabole Stoffwechselsituation, der Senkung der Blut- und Urin-Konzentration der verzweigtkettigen Aminosäuren und deren Abbauprodukten sowie einem Acidoseausgleich.
Hierzu werden folgende Maßnahmen durchgeführt: ▬ Reduktion/Stopp der Proteinzufuhr, ▬ hochkalorische Ernährung (Kohlenhydrate, Fett, Insulin), ▬ Acidoseausgleich, ▬ forcierte Diurese, ▬ Hämodiafiltration, ersatzweise Hämofiltration oder Hämodialyse.
µmol/l mg/dl
µmol/l mg/dl
µmol/l mg/dl
Intermediär
Intermittierend
Thiaminsensibel
µmol/l mg/dl
µmol/l mg/dl
3 Mon.–14 J.; nicht nüchtern
3 Mon.–14 J.; nüchtern
69–161 0,9–2,2
59–223 0,8–2,9
Bis 230 Bis 3,0
50–5.000 0,7–65,5
50–4.000 0,7–52,2
400–2000 5,2–26,2
518–5.091 6,8–66,7
145–305 1,7–3,6
99–327 1,2–3,8
Bis 370 Bis 4,3
Bis 1.000 Bis 11,7
Bis 1.000 Bis 11,7
Bis 1.000 Bis 11,7
496–1.846 5,8–21,6
Valin
36–84 0,5–1,1
23–95 0,3–1,3
Bis 105 Bis 1,4
Bis 1.000 Bis 13,1
Bis 1.000 Bis 13,1
Bis 1.000 Bis 13,1
199–1.298 2,6–17,0
Isoleucin
–
–
–
Nachweisbar
Nachweisbar
Nachweisbar
72–310 0,9–4,1
Alloisoleucin
Mon. Monate, J. Jahre (Molekulargewicht von Leucin, Isoleucin und Alloisoleucin: 131, von Valin: 117).
µmol/l mg/dl
<3 Monate
Normalwerte
µmol/l mg/dl
Klassisch
MSUD-Form
Leucin
100
100
100
2–40
2–40
2–20
Weniger als 2
Enzymaktivität in % von normal
⊡ Tabelle 8.26. Plasmaaminosäurenkonzentrationen und Aktivitäten des Enzymkomplexes bei Ahornsirupkrankheit. (MSUD; Gibson et al. 1996)
8.4 · Infusionstherapie und Ernährung 249
8
250
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
⊡ Tabelle 8.27. Ausscheidung der organischen Säuren mit dem Urin bei Ahornsirupkrankheit (MSUD) in mmol/mol Kreatinin. (Sweetman 1991)
Metabolit
8
Normal
Klassische MSUD
2-Ketoisocapronsäure
<2
400–4.400
2-Keto-3-Methylvaleriansäure
<2
500–2.500
2-Ketoisovaleriansäure
<2
300–800
2-Hydroxyisovaleriansäure
<2
850–3.600
2-Hydroxyisocapronsäure
<2
3–80
2-Hydroxy-3-Methylvaleriansäure
<2
60–400
Die für den Acidoseausgleich notwendige Natriumhydrogenkarbonatdosis (8,4%ige = 1 molare Lösung zur i.v.-Gabe) wird in folgender Weise berechnet: Negativer Basenüberschuss (BE)×kg KG×0,3 = fehlende Menge an Natriumbikarbonat in mmol Ein Drittel sollte innerhalb einer Stunde, die restlichen zwei Drittel innerhalb weiterer 5–8 h verabreicht werden. In der ersten 24-h-Infusion sollten mindestens 10 g/kg KG Glukose mit Elektrolyten (evtl. auch in Kombination mit der Natriumbikarbonat) infundiert werden. Gegebenenfalls Erhöhung der Glukosemenge bis auf 20–30 g/kg KG. Falls notwendig, sollte zusätzlich Insulin (0,01–0,5 IE/kg KG und Stunde) eingesetzt werden, um den Glukoseblutspiegel zwischen 80 mg/dl und 200 mg/dl zu halten. Zur Beendigung bzw. der Vermeidung von katabolen Stoffwechselzuständen ist eine hohe Kalorienzufuhr (>100 kcal/kg KG und Tag) notwendig. Zusätzlich zu Glukose sollte Fett infundiert werden (am Anfang 0,5–1 g/kg KG und Tag und, wenn möglich, Steigerung auf 2–3 g/kg KG und Tag) unter Kontrolle der Triglyzeridkonzentrationen im Blut. Zur schnellen Ausscheidung der Stoffwechselmetabolite dient die forcierte Diurese durch Verabreichung von Furosemid (Lasix; 1–2 mg/kg KG oral oder 0,5–1 mg/kg KG i.v., alle 6–12 h). Die Infusionstherapie sollte am zweiten, spätestens am dritten Tag durch Proteingaben ergänzt werden. Üblich ist der Start mit 0,5 g/kg KG und Tag natürlichem Eiweiß (evtl. Steigerung bis auf 1 g/kg KG und Tag)
251 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
und ggf. Zusatz von 0,5 g/kg KG und Tag einer speziellen Aminosäurenmischung, die keine verzweigtkettigen Aminosäuren enthalten (z. B. ilv-am Analog oder ILV-AM 1–3 von SHS, Heilbronn; MSUD 1–2 von Milupa, Friedrichsdorf). Bei einer Ersteinstellung ist der Versuch einer Behandlung mit 5–10 mg/ Tag Thiamin zu unternehmen. Carnitin (z. B. 100 mg/kg KG) sollte nur verabreicht werden, wenn dessen Wirkung nachgewiesen und/oder die Konzentration des freien Carnitins (C0) niedrig ist. > Gelingt die deutliche Abschwächung der Ketoacidose innerhalb von 8 nicht, ist mit einer Hämodiafiltration zu beginnen (Gouyon et al. 1996).
Allgemeine Kontrollparameter der Akuttherapie/Erstbehandlung ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬
Säure-Basen-Status (Blutgasanalyse, Astrup), Blutglukose, Ammoniak im Blut, Osmolalität des Serums, Elektrolyte im Blut, Blutgerinnung, Blutbild (Thrombo- und Leukozytenzahl),
im Neugeborenenalter zusätzlich: ▬ C-reaktives Protein, ▬ Schädelsonographie.
Spezifische Kontrollparameter der Akuttherapie ▬ Mit dem einfachen 2,4-Dinitrophenylhydrazin- (DNPH-)Tropfentest lässt sich eine erhöhte Ausscheidung von Ketosäuren leicht feststellen. (Der Test erfasst allerdings auch 2-Ketoglutarat und Pyruvat, die im Neugeborenenalter häufig in hohen Konzentrationen ausgeschieden werden.) ▬ Freie Aminosäuren im Serum/Plasma inklusive Alloisoleucin (mit Säulenchromatographie, da Leucin, Isoleucin und Alloisoleucin wegen ihrer identischen Massen mit einem Tandemmassenspektrometer nicht einzeln zu quantifizieren sind!) ▬ Organische Säuren im Urin (mittels GC-MS). ▬ (Eventuell freies und Gesamtcarnitin im Blut).
252
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Langzeitbehandlung
8
Ziel der Langzeitbehandlung (Mönch u. Link 2002) ist es, katabole Stoffwechselsituationen unter allen Umständen zu vermeiden, die Blutkonzentrationen der verzweigtkettigen Aminosäuren im Normwertbereich zu halten und die Bildung der verzweigtkettigen Ketosäuren zu minimieren. Da alle 3 verzweigtkettigen Aminosäuren essenziell sind und leider nicht in gleicher Konzentration in den natürlichen Lebensmitteln vorkommen, gestaltet sich die Bedarfsdeckung im Rahmen der diätetischen Behandlung gelegentlich schwierig. Richtschnur bei der diätetischen Behandlung ist die Deckung des Bedarfes an Leucin durch natürliche Lebensmittel (z. B. Milch). Die Plasma-LeucinKonzentration sollte 300 µmol/l (4 mg/dl) nicht überschreiten. Der Bedarf an verzweigtkettigen Aminosäuren ist etwa gleich, der Leucingehalt in Nahrungsmittelproteinen aber fast doppelt so hoch wie der von Isoleucin und Valin. Aus diesem Grund müssen häufig nach Erreichen der maximal tolerierten Menge an Leucin Isoleucin und Valin als kristalline Monoaminosäuren separat verabreicht werden (⊡ Tabelle 8.28). Der Gesamteiweißbedarf wird mit Hilfe eines leucin-, isoleucin- und valinfreien Aminosäurengemisches gedeckt. Auf eine ausreichende Zufuhr an Kalorien und die Deckung des Bedarfes an Vitaminen, essenziellen Fettsäuren, Mineralien und Spurenelementen muss geachtet werden. Je nach Compliance sollten die Konzentrationen der verzweigkettigen Aminosäuren im Blut bei den Patienten alle 2–6 Wochen kontrolliert werden.
⊡ Tabelle 8.28. Durchschnittlicher Leucin-, Isoleucin- und Valinbedarf für Patienten mit Ahornsirupkrankheit. (Elsas u. Acosta 1999)
Alter
Leucin Isoleucin Valin [mg/kg KG und Tag] [mg/kg KG und Tag] [mg/kg KG und Tag]
0–<6 Monate
100–60
90–30
95–40
6–<12 Monate
75–40
90–30
60–30
1–<4 Jahre
70–40
85–20
85–30
4–<7 Jahre
65–35
80–20
50–30
7–<11 Jahre
60–30
30–20
30–25
11–<15 Jahre
50–30
30–20
30–20
1–<19 Jahre
40–15
30–10
30–15
253 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
Trotz frühzeitiger Entdeckung und optimaler Diättherapie entwickeln sich die Patienten in der Regel nicht altersentsprechend; meist zeigen sie Verzögerungen der statomotorischen und der Intelligenzentwicklung (Hilliges et al. 1993). Die Therapie muss lebenslang durchgeführt werden!
8.4.5
Mittelketten-CoA-Dehydrogenase-Defekt
Synonyme MCAD-Mangel, »deficiency of medium-chain acyl-CoA dehydrogenase«, »MCAD deficiency«, »ACADM deficiency«.
Definition Bei dem MCAD-Defekt handelt es sich um die häufigste angeborene, autosomal-rezessiv vererbte Störung im Abbau (β-Oxidation) der Fettsäuren. Klinisch auffällig werden die Betroffenen in der Regel in Situationen mit Stoffwechselstress, d. h. in der Katabolie. Dann findet man auch große Mengen der mittelkettigen Fettsäuren und deren Derivate im Blut und im Urin. Energiemangelzustände charakterisieren das klinische Bild (Divry et al. 1983). In Deutschland wird jetzt bei allen Neugeborenen im Rahmen des erweiterten Neugeborenenscreenings auf MCAD-Defekte untersucht. Die Häufigkeit liegt in Mitteleuropa bei etwa 1:10.000.
Äthiologie/Pathophysiologie In Situationen mit vermehrtem Kalorienbedarf oder bei Hungerzuständen werden die körpereigenen Energiereserven in Anspruch genommen. Nachdem die Kohlenhydratspeicher (Glykogen in Muskeln und Leber) aufgebraucht sind, werden vermehrt Fette abgebaut. Ketonkörper sind die Endprodukte des Fettsäurenabbaus, und besonders Acetoacetat kann entweder vom Gehirn und Herzmuskel direkt energetisch genutzt oder auch zur Synthese von Glukose herangezogen werden. Allein 3 Dehydrogenasen sind für den Fettsäurenabbau notwenig, eine für die lang-, eine für die mittel- (C10–C6) und eine für die kurzkettigen Fettsäuren. Hinsichtlich der Kettenlängen sind die Fettsäurendehydrogenasen nicht sehr substratspezifisch. So können die Langketten- bzw. die Kurzketten-CoA-Dehydrogenasen in geringer Menge auch mittelkettige Fettsäuren abbauen. Liegt ein MCAD-Defekt vor [McKusick (OMIM): 201450], können in einer Stoffwechselnotsituation die Fettsäu-
254
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
ren effektiv nur bis zu einer Kettenlänge von C12 abgebaut werden. Die mittelkettigen Fettsäuren, besonders Octanoat (C8) stauen sich in großer Menge vor dem Stoffwechselblock. Da die Fettsäuren in einer solchen Situation nur zu maximal einem Drittel energetisch abgebaut werden können, treten Mangelzustände mit schwerer Hypoglykämie ohne Ketonkörperbildung auf (Roe u. Ding 2001; Stanley 2000). Das Gen der MCAD ist auf dem Chromosom 1 (1q31) lokalisiert (Andresen et al. 1997).
Klinische Symptome
8
Typischerweise treten die hypoketotischen Hypoglykämien (bei Patienten mit MCAD-Defekt ohne Screening) zwischen dem 6. und 24. Lebensmonat erstmals auf; etwa 25% der Betroffenen versterben in der ersten Attacke (Wilcken et al. 1994). Ausgelöst werden diese Zustände meist durch Fieber bei banalen Infekten (erhöhter Energiebedarf), Erbrechen, Durchfall (mangelnde Kohlenhydratzufuhr) oder zu lange Fastenphasen (mehr als 6–10 h bei einem Säugling). Die typischen Symptome sind: ▬ Hypoglykämie, ▬ Hypoketonämie/-urie (keine Ketonkörperbildung), ▬ Muskelschlaffheit, ▬ Somnolenz, Koma, ▬ Krampfanfälle, ▬ Herzstillstand. Das klinische Bild kann blitzartig auftreten, so dass die Diagnose eines »sudden infant death syndrome« (SIDS) gestellt wird (Iafolla et al. 1994; Roe u. Ding 2001; Stanley 2000; Wilcken et al. 1994). Bei ausgeglichener Stoffwechsellage (Intervall) sind in der Regel keine Symptome feststellbar. Aus öfteren leichteren Stoffwechselentgleisungen können statomotorische Entwicklungsrückstände, nach schweren Hypoglykämien auch Zerebralschäden und/oder Krampfleiden resultieren (Roe u. Ding 2001; Stanley 2000; Wilcken et al. 1994).
Differenzialdiagnostik Die für eine Differenzialdiagnostik entscheidenden Parameter bei typischer klinischer Symptomatik sind die Hypoglykämie und die Hypoketonämie/
255 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
-urie. Diese Kombination (die Hypoketonämie kann gelegentlich fehlen) gibt es nur bei Störungen in der Fettsäurenoxidation und im Carnitinzyklus (Naylor u. Chace 1999; Roe u. Ding 2001; Stanley 2000): 1. Acylcarnitintranslokase [McKusick (OMIM): 212138], 2. Carnitinpalmitoyltransferase 1 [CPT 1; McKusick (OMIM): 255120], 3. Carnitinpalmitoyltransferase 2 (CPT 2; McKusick (OMIM): 255110], 4. Carnitin-Transporter- (Aufnahme-)Störung [McKusick (OMIM): 212140], 5. Kurzketten-3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase [McKusick (OMIM): 600890], 6. Kurzketten-Acyl-CoA-Dehydrogenase [McKusick (OMIM): 201470], 7. Langketten-3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase [McKusick (OMIM): 143450], 8. multipler Acyl-CoA-Dehydrogenase-Defekt [McKusick (OMIM): 231680], 9. sehr langkettige Acyl-CoA-Dehydrogenase [McKusick (OMIM): 201475], 10. trifunktionales Protein [(McKusick (OMIM): 600890/143450)]. Die unter Punkt 1, 2, 3, 4, 7 und 9 angeborenen Störungen werden auch im erweiterten Neugeborenenscreening erfasst. Die differenzialdiagnostische Klärung bringt in der Regel die tandemma ssenspektrometrische Analyse der Acylcarnitine im Blut sowie die GC-MSTrennung der organischen Säuren im Urin.
Biochemische Befunde Vor allem in Episoden von Stoffwechselstress fallen vor dem Defekt große Mengen an Octanoat (C8), Hexanoat (C6) und Decanoat (C10) an. Der Organismus nutzt alle alternativen metabolischen Möglichkeiten, diese Substrate abzubauen. Zunächst werden Carnitinester gebildet: Hexanoylcarnitin, Octanoylcarnitin, Decanoylcarnitin und Decenoylcarnitin (10:1). Über mikrosomale und peroxisomale Stoffwechselwege (z. B. Omegaund Omega-1-Oxidationen), Bindungen an Glycin u. a. entstehen für diese Krankheit typische Metabolite, die man im Urin nachweisen kann: Adipinsäure, Suberinsäure, Sebacinsäure, Suberylglycin, 5-OH-Hexanoat und 7-OHOctanoat. Diese Ausscheidungsmuster haben v. a. differenzialdiagnostische Bedeutung. Beim Neugeborenenscreening mit der Tandem-MS findet man die oben genannten Carnitinester im Blut vermehrt und dazu die zu berechnenden Relationen von C6/C2, C8/C2, C8/C10, C8/C12 pathologisch, freies Carnitin
256
8
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
(C0) ist nicht immer erniedrigt, aber alle Fettsäurenmetaboliten länger als C12 liegen im Normbereich (Carpenter et al. 2001; Lehotay et al. 2004; Pourfarzam et al. 2001). Die im Stoffwechselstress auftretenden Hypoglykämien sind im Wesentlichen die Folge der aufgebrauchten Kohlenhydratspeicher (Glykogen), aber auch auf eine Verarmung des Körpers an freiem Acetoacetat zurückzuführen. Acetoacetatmangel wirkt u. a. hemmend auf den Pyruvatdehydrogenasekomplex. Schließlich führen hohe Konzentrationen von Octanoat zur Zerstörungen von Mitochondrien in den Gehirnzellen (Hirnödem; Roe u. Ding 2001). Bei Säuglingen und Kleinkindern kommt es durch Stoffwechselentgleisungen zu einem deutlichen Abfall der Konzentration des Carnitins im Blut. Im Intervall findet man allenfalls etwas erhöhte Acylcarnitine im Blut. Die schon erwähnte Substratunspezifität der Dehydrogenasen ermöglicht einen geringen Fettsäurenabbau. Vielleicht ist dies auch der Grund dafür, dass einige Patienten nie klinische Symptome ausbilden. Ist das Tandem-MS-Ergebnis nicht eindeutig genug, besteht die Möglichkeit, einen MCAD-Mangel durch einen Phenylpropionatbelastungstest zu erfassen (20–25 mg/kg KG). Phenylpropionat wird bei Gesunden von der MCAD zu Hippurat abgebaut. Bei einem Mangel werden große Mengen der verabreichten Substanz (als Glycinkonjugat) unverändert wieder mit dem Urin ausgeschieden (Stanley 2000). Zur Erkennung von Heterozygoten stehen die Möglichkeiten der genetischen Analyse im Vordergrund. Bei dem MCAD-Defekt wurden weltweit relativ wenige Mutationen gefunden. (In Mitteleuropa haben über 90% der Betroffenen die gleiche Mutation (K304E [G985A]); Wang u. Khoury 2000).
…Therapie Akutbehandlung (Erst- und Notfallversorgung) > Das Prinzip der Akutbehandlung besteht in der Normalisierung der Blutzuckerwerte durch eine Glukoseinfusion.
In den ersten 24 h ist die Infusion von mindestens 10 g/kg KG Glukose mit Elektrolyten (wenn notwendig auch in Kombination mit der Natriumbikarbonatgabe) notwendig. Falls der MCAD-Defekt gesichert ist, sollte zusätzlich L-Carnitin (z. B. 100 mg/kg KG und Tag) oral oder parenteral verabreicht werden.
257 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
Die normale orale Ernährung muss nicht unterbrochen werden und sollte nach Normalisierung der Glukoseblutkonzentrationen mit Maltodextrin angereichert werden.
Langzeitbehandlung Bei der Langzeitbehandlung muss v. a. darauf geachtet werden, dass die Betroffenen nicht länger als 6–8 h ohne Nahrung bleiben (Vermeidung von Hungerzuständen). Bei der Zusammenstellung der Nahrung sollte der Fettanteil reduziert und dafür derjenige der Kohlenhydrate erhöht werden. Eine Carnitinsubstitution ist zu empfehlen (z. B. 50 mg/kg KG und Tag). Bei fieberhaften Infekten sollte gleich Maltodextrin oral zusätzlich gegeben und die Zeit zwischen den einzelnen Mahlzeiten verkürzt werden (⊡ Tabelle 8.29). Die Blutglukose-, Acylcarnitin- und Carnitinkonzentrationen sollten im ersten Lebensjahr ca. 1-mal im Monat, im zweiten Lebensjahr etwa alle 4 Wochen und danach alle 3 Monate aus Sicherheitsgründen kontrolliert werden. Eine individuelle diätetische Beratung ist in der Regel erforderlich, um die Nahrungsmittel entsprechend den Lebensgewohnheiten der Patienten auszuwählen und zusammenzustellen (z. B. Gabe von ungekochter Stärke bei langen Schlafphasen).
⊡ Tabelle 8.29. Maltodextrindosierungen. (Nach Dixon and Leonard 1992)
Alter [Jahre]
Maltodextrinlösung [%]
Tagesmengen
[kcal/100 ml]
1
10
40
150–200 ml/kg KG
1–2
15
60
95 ml/kg KG
2–6
20
80
1.200–1.500 ml
6–10
20
80
1.500–2.000 ml
>10
25
100
2.000 ml
258
8.4.6
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Glutaracidurie Typ I
Synonyme Glut I, Glutaryl-CoA-Dehydrogenase-Defekt, »glutaric acidemia type I«, »glutaric aciduria type I«.
Definition
8
Bei der Glutaracidurie Typ I handelt es sich um einen autosomal-rezessiv vererbten Defekt der mitochondrialen Glutaryl-CoA-Dehydrogenase, ein Enzym im Stoffwechsel von Lysin, OH-Lysin und Tryptophan (Goodman u. Frerman 1995, Goodman et al. 1975). Die Störung manisfestiert sich in der Regel als schwere neurodegenerative Erkrankung mit Makrozephalie. Sie wird im Neugeborenenscreening mit der Tandem-MS durch Messung des Glutarylcarnitins mit einer Häufigkeit von etwa 1:30.000 erfasst (Hoffmann et al. 1996).
Äthiologie/Pathophysiologie Das Gen der Glutaryl-CoA-Dehydrogenase ist auf dem Chromosom 19 (19p13.2) lokalisiert. Über 50 Mutationen sind bei der Glutaracidurie Typ I beschrieben worden [McKusick (OMIM): 231670], die teilweise mit dem klinischen Bild korrelieren. Obwohl der Stoffwechsel von Lysin, OH-Lysin und Tryptophan bei dieser angeborenen Störung betroffen ist, finden sich bei den Aminosäurenkonzentrationen keine Auffälligkeiten. Die vor dem Stoffwechselblock angestauten Metabolite und deren Konjugate sind in hohen Konzentrationen im Blut und im Urin nachweisbar. Im Unterschied zu anderen angeborenen Störungen schädigen die bei der Glutaracidurie Typ I anfallenden Stoffe schon den Feten (Makrozephalie, seltener Agenesien des Corpus callosum, Optikushypoplasie und Lisenzephalie; Hoffmann u. Zschocke 1999). Hinsichtlich des Pathomechanismus wurde nachgewiesen, dass Glutarsäure direkt die Zellen des Corpus striatum schädigt; zusätzlich wird die Aktivität der Glutamatdecarboxylase [wichtig für die γ-Aminobuttersäure-(GABA-)Synthese] gehemmt. Ständige Stimulierung des N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptors und die Behinderung des Glutamattransports in die Synaptosomenvesikel werden ebenfalls als hirnschädigend eingestuft (Hoffmann u. Zschocke 1999).
259 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
Klinische Symptome Die typischen morphologischen Veränderungen (z. B. Makrozephalie) kann man bereits bei Neugeborenen feststellen. Im Säuglingsalter treten die neurologischen (extrapyramidalen) Symptome auf. In den ersten 2 Lebensjahren bildet sich dann das komplette klinische Bild aus mit choreoathetotischen, hyperkinetischen/dyskinetischen Bewegungsabläufen, rumpfbetonter Hypotonie, Dysarthrie, Dysphagie, Verlust der Kopfkontrolle, Opisthotonus und schwerer geistiger Retardierung, aber auch Hyperhidrose sowie Schlafstörung. Stoffwechselentgleisungen führen zu Erbrechen, Rhabdomyolyse, Krampfanfällen und Koma. Bei Untersuchungen des Gehirns findet man subdurale Hämatome, Pseudozysten und mangelnde Myelinisierung (Cave: Fehldiagnose »Kindsmisshandlung«!; Haworth et al. 1991; Hoffmann u. Zschocke 1999; Kyllerman et al. 1994; Muntau et al. 1977). Verluste der weißen Hirnsubstanz (frontotemporale Atrophie; hochpathologische EEG-Veränderungen) und des Hypothalamus, mit im CT oder MRT darstellbaren weiten Sulci und vergrößerten Seitenventrikeln, schreiten besonders während metabolischen Entgleisungen fort. Häufig versterben die Kinder schon vor Erreichen des 10. Lebensjahres in Zuständen mit Hyperthermie oder im Bild eines Reye-Syndrom z. B. anlässlich eines viralen Infekts (Hoffmann et al. 1995). Bis zu 10% der Personen mit Glutaryl-CoA-Dehydrogenase-Mangel bilden keine klinischen Symptome aus; milde Formen fallen durch motorisch bedingte Artikulationsstörungen auf, bei einigen Betroffenen besteht eine Riboflavinsensitivität (100–400 mg/Tag). > Molekulargenetische Untersuchungen zur Abklärung sind in jedem Fall wichtig.
Eine pränatale Diagnostik ist möglich (Busquets et al. 1998).
Differenzialdiagnostik ▬ Die Glutaracidurie Typ II steht an erster Stelle in der (metabolischen) Differenzialdiagnostik. Diese lässt sich aufgrund unterschiedlicher mitochondrialer Defekte (Störungen des Elektronentransports) in 3 Untergruppen unterteilen: ▬ Glutaracidurie IIA: Glutaracidurie mit Ethylmalonat- und Adipiaturie, multipler Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel [McKusick (OMIM): 231680],
260
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
▬ Glutaracidurie IIB:Elektronen-Transfer-Flavoprotein- (β-Polypeptid-)Mangel [McKusick (OMIM): 130410], ▬ Glutaracidurie IIC: Elektronen-Transfer-Flavoprotein-Ubichinon-Oxidoreduktase-Mangel, Elektronen-Transfer-Flavoprotein-DehydrogenaseMangel [McKusick (OMIM): 231675]. Erhöhte Konzentrationen von Glutarsäure im Urin findet man auch: ▬ bei Glutaryl-CoA-Oxidase-Mangel [McKusick (OMIM): 231690], ▬ bei Aminoadipiaturie [McKusick (OMIM): 204750], ▬ als resorbierten Metaboliten aus dem Stoffwechsel der Darmbakterien und ▬ auch nach oraler Verabreichung von mittelkettigen Triglyzeriden (Wendel et al. 1995).
8
Klinisch ist die Glutaracidurie vom Leigh-Syndrom abzugrenzen.
Biochemische Befunde Glutarsäure staut sich vor dem Enzymblock. Weitere daraus entstehende Metaboliten sind OH-Glutarsäure, Glutaconsäure, Glutarylcarnitin u. a.. Wie Glutarsäure sind auch Glutaconsäure und 3-OH-Glutarsäure hirntoxisch. Als eine der Folgen ist die GABA-Konzentrationen besonders im Nucleus caudatus und im Putamen erniedrigt (Hoffmann u. Zschocke 1999). In ⊡ Tabelle 8.30 sind die Urinkonzentrationen der typischen Metaboliten, deren Konzentrationen aber inkonstant und nahrungsabhängig sind, zusammengefasst (Sweetman 1991). Beim Neugeborenenscreening mit der Tandem-Massenspektrometrie (Tandem-MS) wird als Marker Glutarylcarnitin im getrocknetem Blut gemessen (Hoffmann et al. 1996). ⊡ Tabelle 8.30. Urinkonzentrationen der Glutarsäuremetaboliten
Metabolit
Glutarsäure 3-Hydroxyglutarsäure Glutaconsäure
Konzentration bei Gluaracidurie Typ I [mmol/mol Kreatinin]
normal
500–12.000
<2
[mmol/mol Kreatinin]
60–3.000
0–3
0–360
<2
261 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
Zur Sicherung der Diagnose können die Aktivität der Glutaryl-CoADehydrogenase in Fibroblasten und Leukozyten oder molekulargenetische Tests verwendet werden. Klinisch auffällige Patienten weisen Enzymaktivität zwischen 0–10% auf, Heterozygote in der Regel 50% im Vergleich zu Normalen. Die Restenzymaktivitäten korrelieren nicht mit der Schwere der Erkrankung.
…Therapie Akutbehandlung (Erst- und Notfallversorgung; Mönch u. Link 2002). > Das Prinzip der Akutbehandlung besteht in der Senkung der Blut- und Urinkonzentration von Glutar-, 3-OH-Glutar- und Glutaconsäure. Falls eine Keto- und/oder Acidose vorliegt, sollte diese ausgeglichen werden. Eine anabole Stoffwechselsituation muss herbeigeführt bzw. stabilisiert werden. Riboflavin sollte gegeben werden.
Zu den Maßnahmen gehören: ▬ Reduktion/ Stopp der Eiweißzufuhr, ▬ ausreichende Energiezufuhr (hochkalorische Ernährung), ▬ evtl. Acidoseausgleich, ▬ evtl. forcierte Diurese, ▬ Gabe von L-Carnitin, oral 100 (bis zu 250) mg/kg KG, ▬ Gabe von Riboflavin zur Stimulierung der Restenzymaktivität (bis zu 400 mg/Tag; Lipkin et al. 1988). ! Bei der Notwendigkeit der Gabe von Neuropharmaka ist Valproat zu meiden.
Zur Vermeidung von Katabolismus ist mit einer Infusion mit 10 g/kg KG und 24 h Glukose in Elektrolytlösung zu beginnen und ggf. auf die Glukosemenge von 20–30 g/kg KG und 24 h zu steigern, wobei dann die Blutglukosekonzentration mit Insulin auf 80–200 mg/dl stabilisiert werden muss. Eine hohe Kalorienzufuhr (>100 kcal/kg KG und 24 h) ist das Ziel dieser Maßnahme. Eine Acidose muss mit Infusion von Natriumbikarbonat (1 molare Lösung = 8,4%ig) bis zu 3 ml/kg KG (in einer Verdünnung mit Wasser oder 5%iger Glukoselösung) ausgeglichen werden. Zur Beschleunigung der Ausscheidung der toxischen Substanzen sollte die Diurese mit Furosemid (Lasix; 1–2 mg oral oder 0,5–1 mg/kg KG i.v., alle 6–12 h) forciert werden.
262
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Nach spätestens 3 Tagen Proteinkarenz muss mit der Gabe von zunächst 0,5 g/kg KG und 24 h natürlichem Eiweiß begonnen und in den darauf folgenden Tagen auf bis zu 1 g/kg KG und 24 h ggf. unter zusätzlicher Gabe von 0,5 g Aminosäurenmischung gesteigert werden. Einen spezifischen Kontrollparameter gibt es nicht. Das klinische Bild muss entscheiden. Laborkontrollen: ▬ Blutgase, ▬ Konzentrationen von Glutarsäure, OH-Glutarsäure und Glutaconsäure im Urin, ▬ evtl. Bestimmung der Glutarsäure im Serum (normal <2µmol/l; Hoffmann et al. 1996).
8
> Wegen der Gabe von Carnitin fällt die für das Screening wichtige Bestimmung von Glutarylcarnitin im Blut als Kontrollgröße aus.
Langzeitbehandlung Die Langzeitbehandlung hat einen medikamentösen und einer diätetischen Teil. Ziele der medikamentöse Behandlung sind: ▬ Wenn möglich Stimulierung der Restenzymaktivität durch das Koenzym, Riboflavin (Vitamin B2) 100–400 mg/Tag (Lipkin et al. 1988), ▬ Entgiftung und Ausscheidung der Metabolite durch Bildung von Carnitinestern, L-Carnitin 100 mg/kg KG und Tag, ▬ Beeinflussung/Unterdrückung der neurologischen Symptome durch Baclofen (GABA-analoge Substanz; Lioresal) 1,5–2 mg/kg KG und Tag bzw. 40–180 mg/Tag (Hoffmann et al. 1996) und Vigabatrin (γ-venyl-GABA, Hemmung der GABA-Transaminase und damit Erhöhung der GABAKonzentration im Gehirn) 35–50 mg/kg KG und Tag (Francois et al. 1990; Greene 1992), ▬ Blockade der Glutamatrezeptoren durch Dextrometorphan 3–10 mg/ kg KG und Tag (Hoffmann et al. 1996), ▬ Freisetzung von Glutamat (Lamotrigen) 2–15 mg/kg KG und Tag (Hoffmann u. Zschocke 1999), ▬ Hemmung der cholinergen Transmission im Putamen durch Diphenylhydramin (Benadryl) 10–25 mg/Tag (Hoffmann u. Zschocke 1999).
263 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
Die diätetische Behandlung besteht in einer Reduktion der Eiweißzufuhr und damit der Aufnahme von Lysin- und Tryptophan auf die notwendige Menge. Obwohl nicht gesichert ist, dass die Diät die neurologischen Veränderungen wirksam beeinflusst oder verhindert, wird sie zur Senkung der Glutaratkonzentrationen empfohlen (Hoffmann u. Zschocke 1999; Hoffmann et al. 1996). Da die geringe Menge an natürlichem Eiweiß nicht zur Deckung des Gesamtbedarfes ausreicht, werden tryptophan- und lysinfreie Aminosäurengemische zusätzlich verwendet. Die zwei folgenden Tabellen zeigen die für die Glutaracidurie Typ I empfohlenen Mengen an Lysin und Tryptophan (⊡ Tabelle 8.31) und an Eiweiß (⊡ Tabelle 8.32). Zur Deckung des Gesamteiweißbedarfes steht eine Reihe lysin- und tryptophanfreier Aminosäurenmischungen zur Verfügung (lt-am Analog, LT-AM 1, LT-AM 2 von SHS, Heilbronn; GA 1 und GA 2 von Milupa, Friedrichsdorf).
⊡ Tabelle 8.31. Empfohlene Mengen an Lysin und Tryptophan bei Glutaracidurie Typ I
Alter
Lysin [mg/kg KG und Tag]
Tryptophan [mg/kg KG und Tag]
Säuglinge 0–12 Monate
100–90
20–17
Kinder <6 Jahre
80 – 50
17–13
Kinder >6 Jahre
Berechnung entfällt
Jugendliche/ Erwachsene
Berechnung entfällt
⊡ Tabelle 8.32. Empfohlene Eiweißmenge bei Glutaracidurie Typ I
Alter
Natürliches Eiweiß
[g/kg KG und Tag]
Eiweiß aus lysinfreiem + tryptophanreduziertem Aminosäurengemisch [g/kg KG und Tag]
Säuglinge
1,2–1,5
1,0–0,8
Kinder <6 Jahre
1,3–1,0
0,8
Kinder >6 Jahre
1,4–1,1
Kann entfallen
Jugendliche/ Erwachsene
0,9–0,8
Kann entfallen
264
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
⊡ Tabelle 8.33. Lysin- und Tryptophankonzentrationen im Serum von Gesunden (3 Monate bis 14 Jahre)
8
Nichtnüchtern [µmol/l]
Nüchtern [µmol/l]
Lysin
0,196 (0,110–0,282)
0,186 (0,114–0,258)
Tryptophan
0,053 (0,007–0,099)
0,031 (0,019–0,086)
Nach bisherigen Erfahrungen soll die lysin- und tryptophanarme Ernährung unter Zusatz von Aminosäurenmischung höchstens bis zum 6. Lebensjahr durchgeführt werden, um dann auf eine gelockerte, eiweißreduzierte Diät überzugehen. > Bei der Langzeitbehandllung sollte darauf geachtet werden, dass die Konzentrationen von Lysin und Tryptophan im Serum/Plasma mindestens im unteren Normbereich (⊡ Tabelle 8.33) liegen. Die Ausscheidung von Glutarsäure bzw. deren Konzentration im Blut sollte so gering wie möglich sein.
Kontrolliert werden müssen darüber hinaus: ▬ Gesamt- und freies Carnitin im Serum, ▬ ggf. die Antikonvulsiva-Blut-Spiegel. Eine generelle Prognose bei der schweren Form der Glutaracidurie Typ I ist nicht zu geben.
8.4.7
Isovalerianacidämie
Synonyme Isovaleryl-CoA-Dehydrogenase-Defekt, Isovalerianacidurie, IVA.
Definition Bei der Isovalerianacidämie handelt es sich um einen Defekt im Abbau der Isovaleriansäure, einem Stoffwechselprodukt der verzweigtkettigen Aminosäure Leucin. Schon in den ersten 3 Lebenstagen kommt es zur Anhäufung von
265 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
Isovaleriansäure und seinen Metaboliten und damit zur Ausbildung von schweren klinischen Symptomen. Bei milderen Formen manifestiert sich die Krankheit erst nach dem 6. Lebensmonat (Budd et al. 1967; Mönch u. Link 2002; Sidbury et al. 1967; Sweetman u. Williams 2001). Die Erkrankung kann mit der Tandem-MS schon im Neugeborenenscreening erfasst werden (Vermehrung von C5); ihre Häufigkeit liegt bei etwa 1:50.000 (Ceglarek et al. 2002). Der Eigengeruch der Isovaleriansäure erinnert an Schweißfüsse (Schweißfusssyndrom).
Äthiologie/Pathophysiologie Bei der Isovalerianacidämie ist das in allen Organen vorkommende mitochondriale Enzym Isovaleryl-CoA-Dehydrogenase defekt. Die Vererbung erfolgt autosomal-rezessiv. Das Gen ist auf dem Chromosom 15 (15q14-q15) lokalisiert [McKusick (OMIM) 243500]. Die Anhäufung von Isovaleriansäure in allen Körpergeweben führt zunächst einmal zu einer Acidose und sekundär zur Beeinträchtigung verschiedener Körperfunktionen und Stoffwechselwege, z. B. Kreislaufinsuffizienz begleitet von Laktatacidose, Hyperammonämie durch Blockierung der Harnstoffsynthese (N-Acetylglutamatsynthetase), Verlust an freiem Carnitin und damit Behinderung des Abbaus von Fettsäuren und schließlich Leuko- und Thrombozytopenie durch Knochenmarkhemmung. Zur Entgiftung wird Isovaleriansäure an Glycin und L-Carnitin gebunden, teilweise auch hydroxyliert und so ausgeschieden.
Klinische Symptome Bei der akuten neonatalen Form treten schrilles Schreien, Lethargie, Koma, Krämpfe, Dehydratation, Kreislaufzentralisation, Thrombo- und Leukozytopenie und Hepatomegalie schon in den ersten Lebenstagen, gelegentlich Hyperammonämie [bis über 1.000 µmol/l (1.750 µg/dl)] auf. Die Symptome bei der chronischen, intermittierenden Form sind periodisches Erbrechen und Ketoacidose, sowohl Hypo- als auch Hyperglykämien und schließlich leichte bis schwere psychomotorische und geistige Retardierung. Die Symptome treten meist nach großer Eiweißzufuhr oder in kataboler Stoffwechselsituation auf, z. B. bei hohem Fieber oder Gastroenteritiden. Häufig besteht eine Aversion gegen eiweißreiche Nahrungsmittel.
266
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Differenzialdiagnostik
8
Differenzialdiagnostisch abzuklären wären bei ähnlicher klinischer Symptomatik verschiedene Stoffwechselstörungen der verzweigtkettigen Aminosäuren und Organoacidurien, z. B.: ▬ Ahornsirupkrankheit [McKusick (OMIM): 248600], ▬ Methylmalonacidämie [Mutase-Defekt; McKusick (OMIM): 251000], ▬ Propionacidämie [McKusick (OMIM): 232000], ▬ 3-Methylglutaconsäureausscheidung [McKusick (OMIM): 250950], ▬ 3-Hydroxy-3-Methylglutaracidurie [McKusick (OMIM): 246450], ▬ 3-Methylcrotonylglycinurie [McKusick (OMIM): 210200], ▬ 2-Methylbutyryl-CoA-Dehydrogenase-Mangel [McKusick (OMIM): 600301], ▬ multipler Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel [McKusick (OMIM): 231680] ▬ Klinisch im Neugeborenenalter auch Hirnblutung, Sepsis. Bei Hyperammonämie im Neugeborenenalter kommen auch primäre Störungen des Harnstoffzyklus als Ursache infrage, z. B.: ▬ Carbamylphosphatsynthetasemangel [CPS; McKusick (OMIM): 237300], ▬ N-Acetylglutamatsynthetasemangel [NAGS; McKusick (OMIM): 237310], ▬ Ornithintranscarbamylasemangel [OTC; McKusick (OMIM): 311250], ▬ Citrullinämie [McKusick (OMIM): 238970], ▬ Argininbernsteinsäurekrankheit [McKusick (OMIM): 207900].
Biochemische Befunde Im Neugeborenenscreening findet man keine Besonderheiten bei den verzweigtkettigen Aminosäuren. Lediglich Alanin und evtl. Alloisoleucin sind erhöht. Auffällig vermehrt sind Isovalerylcarnitin (C5) im Blut bei relativ niedrigem freien Carnitin (C0) sowie die Relationen einiger Acylcarnitine untereinander (C5/C2, C5/C3; Rashed et al. 1995). In den ersten Lebenswochen sind Hyperammonämien nicht selten mit Konzentrationen bis über 1.000 µmol/l (1.750 µg/dl) und Hyperlaktatämien neben einer Ketoacidose häufig. Bei der Analyse der organischen Säuren im Urin findet man das für diese Krankheit typische Ausscheidungsmuster (⊡ Tabelle 8.34).
267 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
⊡ Tabelle 8.34. Ausscheidung der organischen Säuren mit dem Urin bei Isovalerianacidämie. (Sweetman 1991)
Metabolit
Normal [mmol/mol Kreatinin]
Isovalerianacidämie [mmol/mol Kreatinin]
Isovalerylglycin
0–10
2.000–9.000
3-Hydroxyisovaleriansäure
0–46
1.000–2.000
4-Hydroxyisovaleriansäure
<2
20–300
> Im Neugeborenenalter sollte man bei sehr hohen Blutkonzentrationen von Isovalerylcarnitin und entsprechender klinischer Symptomatik unter der Annahme des Vorliegens einer Isovalerianacidämie sofort mit der Behandlung beginnen.
…Therapie Akutbehandlung (Erst- und Notfallversorgung) > Das Prinzip der Akutbehandlung besteht in der Senkung der Blutund Urinkonzentration von Isovaleriansäure und seinen Metaboliten, Ausgleich der Keto- und/oder Acidose sowie in der Beseitigung der Hyperammonämie.
Hierzu werden folgende Maßnahmen durchgeführt: ▬ Reduktion/Stopp der Proteinzufuhr, ▬ Acidoseausgleich, ▬ forcierte Diurese, ▬ hochkalorische Ernährung (Kohlenhydrate, Fett, Insulin), ▬ Gabe von L-Carnitin und Glycin (Mönch u. Link 2002), ▬ Hämodiafiltration, ersatzweise Hämofiltration oder Hämodialyse. Die für den Acidoseausgleich notwendige Natriumbikarbonatmenge (8,4%ige = 1 molare Lösung zur i.v. Gabe) wird in folgender Weise berechnet: Negativer Basenüberschuss (BE)×kg KG×VT = fehlende Menge an Natriumbicarbonat in mmol (VT Verteilungsvolumen: Säugling = 0,5; Kleinkind = 0,4; ältere padiatrische Patienten = 0,3) Ein Drittel sollte innerhalb einer Stunde, die restlichen zwei Drittel innerhalb weiterer 5–8 h verabreicht werden.
268
8
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Die für die Behandlung notwendige Flüssigkeitsmenge richtet sich nach dem Dehydratationsgrad und ist abhängig vom Alter und von der Nierenfunktion des Patienten. In den ersten 24 h Infusion von mindestens 10 g/kg KG Glukose mit Elektrolyten (evtl. auch in Kombination mit der Natriumbikarbonatgabe); ggf. Erhöhung der Glukosemenge kann bis auf 20–30 g/kg KG. Falls notwendig, sollte zusätzlich Insulin (0,01–0,5 IE/kg KG und Stunde) gegeben werden, um den Glukoseblutspiegel zwischen 80 mg/dl und 200 mg/ dl zu halten. Zur Beendigung bzw. der Vermeidung von katabolen Stoffwechselzuständen ist eine hohe Kalorienzufuhr (>100 kcal/kg KG und Tag) notwendig. Zusätzlich zu Glukose sollte Fett infundiert werden (am Anfang 0,5–1 g/kg KG und Tag sowie, wenn möglich, Steigerung auf 2–3 g/kg KG und Tag) unter Kontrolle der Triglyzeridkonzentrationen im Blut. Zur schnellen Ausscheidung der Stoffwechselmetabolite dient die forcierte Diurese durch Verabreichung von Furosemid (Lasix; 1–2 mg/kg KG oral oder 0,5–1 mg/kg KG i.v., alle 6–12 h). Die Infusionstherapie sollte am zweiten, spätestens am dritten Tag durch Proteingaben ergänzt werden. Üblich ist der Start mit 0,5 g/kg KG und Tag natürlichem Eiweiß (evtl. Steigerung bis auf 1 g/kg KG und Tag) und ggf. Zusatz von 0,5 g spezieller, leucinfreier Aminosäurenmischung/kg KG und Tag (leu-am Analog, LEU-AM 1–3 von SHS, Heilbronn; LEU 1–2 von Milupa, Friedrichsdorf). Im Rahmen der medikamentösen Therapie sollte zur Bildung von Isovaleriansäureestern verabreicht werden: ▬ L-Carnitin (z. B. 100–150 mg/kg KG und Tag, evtl. teilweise i.v.), ▬ Glycin (100–280 mg/kg KG und Tag). Die Gabe beider Substanzen ist sinnvoll und effektiv. Liegt eine Hyperammonämie vor, erfolgt die Behandlung mit Gaben von: ▬ Argininhydrochlorid initial 210 mg (1 mmol)/kg KG in 10%iger Glukoselösung über 2 h, 35 ml/kg KG, ▬ Natriumphenylbutyrat 500 mg/kg KG und Tag oral (oder 250 mg/kg KG Natriumphenylacetat) in 10%iger Glukoselösung über 1–2 h i.v.) bei konservativ zu behandelnder Hyperammonämie (oder alternativ dazu: Natriumbenzoat in gleicher Dosierung, wobei zur Entgiftung einer gleichen Ammoniakmenge doppelt so viel saure Valenzen zugeführt werden wie bei Verwendung von Natriumphenylbutyrat!).
269 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
! Glycin sollte nicht zusammen mit Benzoat verabreicht werden (wegen Bildung von Benzoylglycin). > Gelingt die deutliche Senkung der Ammoniakspiegel mit diesen Medikationen innerhalb von 8 h nicht, ist mit einer Hämodiafiltration zu beginnen.
Allgemeine Kontrollparameter der Akuttherapie/Erstbehandlung: ▬ Blutgasanalyse, ▬ Blutglukose, ▬ Ammoniak, ▬ Osmolalität, ▬ Elektrolyte, ▬ Blutgerinnung, ▬ HKT, Hb, ▬ Blutbild (Thrombo- und Leukozytenzahl). Im Neugeborenenalter zusätzlich: ▬ CRP, ▬ Schädelsonographie, Spezifische Kontrollparameter der Akuttherapie: ▬ Isovalerylcarnitin und freies Carnitin im Blut (auf Guthrie-Karte getrocknetes Blut, Nachweis mit der Tandem-MS-Methode), ▬ Bestimmung der organischen Säuren und von Acetylcarnitin im Urin (Itoh et al. 1996), ▬ Bei Erstbehandlung: Messung der Aktivität der Isovaleriansäure-CoADehydrogenase in Leukozyten oder Fibroblasten (Rhead u. Tanaka 1980), molekulargenetische Untersuchung zur Identifizierung der Mutation.
Langzeitbehandlung Ziel der Langzeittherapie ist es, die Bildung von Isovaleriansäure gering zu halten (bei ausreichender Leucinzufuhr), diese zu entgiften und auszuscheiden. Alle lebensnotwendigen Nahrungsbestandteile müssen in ausreichender Menge zugeführt werden. Die Behandlung besteht in einer Kombination von Diät und Medikamentengabe.
270
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
⊡ Tabelle 8.35. Empfohlene Leucinzufuhr. (Elsas u. Acosta 1999)
8
Alter
Leucin [mg/kg KG und Tag]
0–<6 Monate
100–60
6–<12 Monate
75–40
1–<4 Jahre
70–40
4–<7 Jahre
65–35
7–<11 Jahre
60–30
11–<15 Jahre
50–30
15–<19 Jahre
40–15
Im Rahmen der diätetischen Behandlung wird zunächst die Leucinzufuhr auf das lebensnotwendige Niveau reduziert. Das bedeutet eine erhebliche Einschränkung der Zufuhr an natürlichem Eiweiß. Der Gesamteiweißbedarf wird dann mit Hilfe eines leucinfreien Aminosäurengemisches gedeckt. Auf ausreichende Kalorienzufuhr und Deckung des Bedarfes an Vitaminen, essenziellen Fettsäuren, Mineralien und Spurenelementen muss geachtet werden. Die notwendige Zufuhr von Leucin (⊡ Tabelle 8.35) ist altersabhängig: Zur Bindung und Entgiftung werden Glycin und L-Carnitin verabreicht.
Dosierungen ▬ Glycin 150 mg/kg KG und Tag (100–250 mg/kg KG und Tag), ▬ L-Carnitin 50–150 mg/kg KG und Tag. > Die Langzeitbehandlung und die damit verbundenen allgemeinen und speziellen Kontrollen sollten nur in einem pädiatrischen Stoffwechselzentrum, das über erfahrene Spezialisten und Diatässistentinnen verfügt, vorgenommen werden.
8.4.8
Ornithintranscarbamylasemangel
Synonyme OTC-Mangel, OTC-Defekt, OTCD, Ornithincarbamoyltransferasemangel, »ornithine transcarbamylase deficiency«, »OTC deficiency«.
271 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
Definition Der X-chromosomal vererbte Ornithintranscarbamylase- (OTC-)Mangel ist der häufigste Defekt des Harnstoffzyklus. Bei den betroffenen Jungen kommt es meist schon in den ersten Lebenstagen zu lebensbedrohlichen Hyperammonämien (klassische/neonatale Form). Aber auch bei heterozygoten Mädchen können schwere Ammoniakvermehrungen auftreten.
Äthiologie/Pathophysiologie Bei betroffenen Jungen treten die Hyperammonämien mit ihren charakteristischen Symptomen in der Regel schon in den ersten Lebenstagen auf. Ohne sofort einsetzende rigorose Behandlung versterben diese Patienten in den ersten Lebenstagen/-wochen im hyperammonämischen Koma (Brusilow u. Horwich 2001; Mönch u. Link 2002). Neben Ammoniak sind bei der Behinderung des Harnstoffzyklus Glutamin, Glutamat, Asparagin und Alanin vermehrt. Während Ammoniak hirntoxisch ist, führt die hohe Konzentration von Glutamin zu osmotisch bedingtem Einstrom von Wasser in die Zellen und damit zum Hirnödem (mit der Folge von Einklemmungen). Beim Mangel an mitochondrialer OTC wird das Substrat des Enzyms, Carbamylphosphat, auf einem alternativen zytoplasmatischen Stoffwechselweg zu Orotat abgebaut, das mit dem Urin ausgeschieden wird. Dieser Abbauweg ist aber nicht effektiv genug, um eine Ammoniakvermehrung zu verhindern (Brusilow u. Horwich 2001; Mönch u. Link 2002). Mildere Verlaufsformen sind bei Jungen bzw. Männern beschrieben. Meist fallen sie nach einer Eiweißbelastung (z. B. auch nach Aminosäureninfusion) durch eine Hyperammonämie und deren klinische Manifestationen, z. B. Enzephalopathie, auf.
Klinische Symptome Das klinische Bild der klassischen/neonatalen Form des OTC-Defektes (OTCD) bei den betroffenen Jungen ist in den ersten Lebenstagen in der Regel in Abhängigkeit von der gegebenen Eiweißmenge gekennzeichnet durch: ▬ Lethargie, ▬ Koma, ▬ Krämpfe, ▬ Erbrechen, ▬ Hyperventilation (gelegentlich),
272
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
▬ Hypotonie, ▬ Hepatomegalie. Wird in dieser Phase die meist dramatisch erhöhte Ammoniakkonzentration nicht nachhaltig gesenkt, versterben die Jungen, oder es bleiben Schäden mit Symptomen wie (Brusilow u. Horwich 2001; Maestri et al. 1996): ▬ Ernährungsschwierigkeiten mit häufigem Erbrechen, ▬ neurologische Auffälligkeiten, Ataxien, ▬ geistige Retardierung.
8
Bei Late-onset-Formen zeigen sich Enzephalopathien, Koma und Krampfanfälle im Jugend- bzw. Erwachsenenalter nach reichlicher Eiweißzufuhr oder auch Aminosäureninfusion. Bei mindestens 10% der heterozygoten Mädchen zeigen sich je nach vorhandener Enzymaktivität oder Zellmosaiken klinische Symptome, deren Ausmaß von der Zahl und dem Schweregrad der durchgemachten hyperammonämischen Krisen abhängt. Bei den Überträgerinnen werden besonders nach eiweißreicher Nahrung episodenhafte Krisen mit Erbrechen, Ataxie, Kopfschmerzen und auch Lethargie beobachtet (Maestri et al. 1996).
Differenzialdiagnostik Bei den Ursachen für deutliche Ammoniakvermehrungen im Blut und den dazugehörigen klinischen Symptomen ist in erster Linie an Störungen der Harnstoffsynthese zu denken. Neben OTCD kommen folgende Störungen in Frage: ▬ Carbamylphosphatsynthetasemangel [McKusick (OMIM): 237300], ▬ N-Acetylglutamatsynthetasemangel [NAGS; McKusick (OMIM): 237310], ▬ Citrullinämie [McKusick (OMIM): 238970], ▬ Argininbernsteinsäurekrankheit [McKusick (OMIM): 207900], ▬ Argininämie [McKusick (OMIM): 207800; nur selten mit hohen Ammoniakwerten]. Neben Harnstoffzyklusdefekten können aber auch Gefäßfehlbildungen, Leberfunktionsstörungen und andere Aminosäurenstoffwechselstörungen zu Hyperammonämien führen: ▬ α1-Antitrypsinmangel [McKusick (OMIM) 107410], ▬ angeborene Hepatitis,
273 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
▬ Galaktosämie [Galaktose-1-Phosphaturidyltransferase-Mangel; McKusick (OMIM): 230400], ▬ Glutamatdehydrogenasedefekt mit Hyperammonämie und Hyperinsulinismus [mit Hypoglykämien; McKusick (OMIM): 138130], ▬ HHH-Syndrom [Hyperammonämie-Hyperornithinämie-Homocitrullinämie; McKusick (OMIM): 238970], ▬ Leberbypass, ▬ lysinurische Proteinintoleranz [McKusick (OMIM): 222700], ▬ Mitochondropathien, ▬ Pyrrolin-5‘-Carboxylatsynthetase-Mangel [McKusick (OMIM): 138250], ▬ Organoacidurien (durch Blockierung der N-Acetylglutamatsynthetase), ▬ Propionacidurie [McKusick (OMIM): 232000], ▬ Methylmalonacidurie [McKusick (OMIM): 251000], ▬ Isovalerianacidämie [McKusick (OMIM): 243500], ▬ Synthesestörungen der Gallensäuren, ▬ Tyrosinose Typ I [McKusick (OMIM): 276700], ▬ vorübergehende, reifungsbedingte Hyperammonämien bei Neugeborenen. Zur differenzialdiagnostischen Klärung sollten folgende Untersuchungen durchgeführt werden: ▬ Quantifizierung der freien Aminosäuren im Blut, speziell: Citrullin, Ornithin, Lysin, Arginin und Argininbernsteinsäure, ▬ Quantifizierung der freien Aminosäuren im Urin, speziell: Glutamin, Glutamat, Alanin, Homocitrullin, Lysin, Ornithin und Arginin, ▬ Tandem-MS-Analyse der Carnitinester folgender organischer Säuren im Blut: Isovaleriansäure, Methylmalonsäure, Propionsäure, ▬ Bestimmung der Orotsäurekonzentration im Urin. Citrullin, Ornithin, Lysin und Arginin lassen sich auch mit der Tandem-MS im Blut quantifizieren. (Im Prinzip wäre auch die Messung von Argininbernsteinsäure möglich.) Zur Erleichterung der differenzialdiagnostischen Klärung der Hyperammonämien ist das Vorgehen in ⊡ Abb. 8.2 (in Anlehnung an Mönch u. Link 2002)) zusammengefasst.
274
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
⊡ Abb. 8.2. Differenzialdiagnosen Hyperammonämie
8
275 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
Biochemische Befunde Allgemein wird Ammoniak enzymatisch gemessen. Der Normbereich liegt im venösen Blutplasma bei Neugeborenen unter 110 µmol/l (187 µg/dl), im späteren Alter unter 80 µmol/l (136 µg/dl). Bei Ammoniakkonzentrationen über 150 µmol/l (255 µg/dl) im Neugeborenenalter bzw. über 100 µmol/l (170 µg/dl) bei Säuglingen und Kindern spricht man von Hyperammonämie. Bei OTCDs sind die Konzentrationen von Orotsäure im Urin sehr hoch (häufig über 1.000 µmol/mol Kreatinin; normal 1–11 µmol/mol Kreatinin). Außerdem findet man niedrige Konzentrationen von Citrullin und Arginin (möglicherweise auch von Harnstoff). Glutamin, Glutamat und Asparagin sind stark vermehrt (Finkelstein et al. 1990; Pelet et al. 1990). Zur Sicherung der Diagnose und zur genetischen Beratung sollten die OTC-Aktivität im Lebergewebe und eine genomische Analyse durchgeführt werden. Nur bei wenigen Mutationen besteht eine Relation zwischen Genotyp und Phänotyp (Campbellet al. 1973). Zur Erfassung der Heterozygoten für OTC-Mangel sind Belastungstests mit Alanin, Eiweiß oder Allopurinol beschrieben (Burlina et al. 1992). (Allopurinol blockiert den Abbau von Orotat. Da bei Minderung der OTCAktivität dessen Substrat, Carbamylphosphat, zu Orotat abgebaut wird, steigt diese dann nach Allopurinolgabe deutlich an.) Der Allopurinoltest zeigt leider sowohl falsch-positive Testergebnisse bei Gesunden als auch falsch-negative; deshalb werden nach wie vor trotz der Gefahr einer Hyperammonämie Eiweißbelastungstests durchgeführt (Carpenter et al. 1996).
…Therapie Akutbehandlung Erst- und Notfallversorgung; Mönch u. Link 2002; Mönch et al. 1998). > Bei Ammoniakwerten über 200 µmol/l (340 µg/dl) muss mit einer Akut-/Notfallbehandlung begonnen werden, auch wenn die differenzialdiagnostischen Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind.
Ziel der Akutbehandlung ist es, die Ammoniakkonzentration in jedem Fall zu senken und eine anabole Stoffwechselsituation zu erhalten bzw. zu erwirken.
276
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Prinzip der Akutbehandlung ▬ ▬ ▬ ▬ ▬
8
Reduktion/Stopp der Proteinzufuhr (für maximal 2 Tage), hochkalorische Ernährung (Kohlenhydrate, Fett, Insulin), forcierte Diurese, Gabe von Medikamenten, die den Ammoniakspiegel senken, bei Ammoniakwerten über 400 µmol/l (680 µg/dl): Hämodiafiltration, ersatzweise Hämofiltration oder Hämodialyse.
Die Akutbehandlung sollte mit folgenden Infusionen begonnen werden: ▬ Natriumbenzoat 250 mg/kg KG in 10%iger Glukoselösung über 2 h und/oder ▬ Natriumphenylacetat oder Natriumphenylbutyrat 250 mg/kg KG in 10%iger Glukoselösung über 1–2 h und ▬ Argininhydrochlorid 210 mg (1 mmol)/kg KG in 10%iger Glukoselösung über 2 h. In den ersten 24 h: Infusion von mindestens 10 g/kg KG Glukose mit Elektrolyten, ggf. Erhöhung der Glukosemenge bis auf 20–30 g/kg KG. (Falls notwendig, sollte zusätzlich Insulin, 0,01–0,5 IE/kg KG und Stunde, gegeben werden, um den Glukoseblutspiegel zwischen 80 mg/dl und 200 mg/dl zu halten.) Zur Beendigung bzw. der Vermeidung von katabolen Stoffwechselzuständen ist eine hohe Kalorienzufuhr (>100 kcal/kg KG und Tag) notwendig. Zusätzlich zu Glukose sollte Fett infundiert werden (am Anfang 0,5–1 g/kg KG und Tag sowie, wenn möglich, Steigerung auf 2–3 g/kg KG und Tag) unter Kontrolle der Triglyzeridkonzentrationen im Blut. Zur schnellen Ausscheidung von Ammoniak dient die forcierte Diurese durch Verabreichung von Furosemid (Lasix; 1–2 mg/kg KG oral oder 0,5– 1 mg/kg KG i.v., alle 6–12 h). Die Infusionstherapie sollte nach Möglichkeit am zweiten, spätestens am dritten Tag durch Proteingaben ergänzt werden. Gestartet werden kann z. B. mit 0,5 g Eiweiß/kg KG entweder als natürliches Eiweiß (Milch) oder in Form von essenziellen Aminosäuren (E-AM 1–3 von SHS, Heilbronn; UCD 1–2 von Milupa, Friedrichsdorf). So bald wie möglich sollte auch die Medikamente statt intravenös oral verabreicht werden. Die ammoniaksenkende Wirkung von Benzoat besteht in der äquimolaren Bindung von Aminogruppen in Form von Glycin; hierbei wird Hippursäure
277 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
gebildet und mit dem Urin ausgeschieden. Phenylbutyrat bindet Glutamin, d. h.pro Mol Phenylbutyrat können 2 Aminogruppen fixiert und ausgeschieden werden. Bei der Behandlung sollen folgende Blutwerte angestrebt werden: ▬ Glutamin: <800–1.000 µmol/l, ▬ Ammoniak: <150 µmol/l (263 µg/dl), ▬ Arginin: 100–200 µmol/l, ▬ Benzoat: <2 mmol/l (<24,4 mg/dl; besonders bei intravenöser Natriumbenzoatgabe) ! Benzoat ist in sehr hohen Konzentrationen toxisch.
Langzeitbehandlung Ziel der Langzeitbehandlung ist die Vermeidung von hyperammonämischen Krisen bei Zufuhr einer optimalen Menge aller Nährstoffe. Als Dauermedikation werden folgende Medikamente verabreicht: ▬ Natriumbenzoat 250 mg/kg KG und Tag, ▬ Natriumphenylbutyrat bis zu 250 mg/kg KG und Tag, ▬ Argininhydrochlorid 210 (1 mmol) mg/kg KG und Tag, ▬ ggf. Gabe von Citrullin (äquimolar) anstatt Arginin (Citrullin bindet doppelt so viel NH3!), ▬ L-Carnitin 30–50 mg/kg KG und Tag, wenn ein nachgewiesener Mangel besteht! ▬ Laktulose (3-mal 4–20 g/Tag; Dosis für Erwachsene! Bei Kindern ist eine Dosierung zu wählen, bei der weiche Stühle und keine Bauchschmerzen auftreten; Müting 1988). Bei der notwendigen diätetischen Behandlung wird die Eiweißzufuhr bis auf den minimalen sicheren Bedarf gesenkt. Das bedeutet in der Regel den Verzicht auf alle sehr eiweißreichen Lebensmittel, wie Fisch, Fleisch, Milch und Milchprodukte usw. (Mönch u. Link 2002). Als Richtschnur gelten folgende Werte der durchschnittlichen Eiweißzufuhr von Patienten mit Harnstoffzyklusstörungen (⊡ Tabelle 8.36; APD 2001; Leonard 2000). Falls bei Gabe von ausschließlich natürlichem Eiweiß die Ammoniakwerte noch zu hoch sind, muss ein Teil der Proteinzufuhr in Form von essenziellen Aminosäuren erfolgen, z. B. bei Säuglingen 0,5 g Eiweiß/kg KG als natürliches Eiweiß und der Rest als Aminosäuren ( oben).
278
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
⊡ Tabelle 8.36. Richtwerte für die durchschnittliche Eiweißzufuhr bei Harnstoffzyklusstörungen
Alter
Eiweiß [g/kg KG und Tag]a (Natürliches Eiweiß mit/ohne Aminosäurengemisch)
Säuglinge
1,8–2,0
Kleinkinder
1,2–1,5
Schulkinder
1,0
Jugendliche/Erwachsene <0,5 (0,6–0,8 WHO) WHO World Health Organization a Der tatsächliche Bedarf kann von dem angegebenen erheblich abweichen
8
8.4.9
Umgang mit komatösen Patienten bei Verdacht auf Stoffwechselstörungen
Bei der Einlieferung eines bisher klinisch unauffälligen Patienten im Koma ist an ganz unterschiedliche Ursachen zu denken, und entsprechende Maßnahmen sind zu ergreifen (⊡ Abb. 8.3). Generell kommen ätiologisch immer Stoffwechselstörungen, aber natürlich auch Traumen, Hirnblutungen, Intoxikationen, schwere Infektionen u. a. infrage. Die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer metabolischen Störung ist bei Neugeborenen am größten, wenn Hirnblutungen, Sepsis und Enzephalitis wenig wahrscheinlich oder ausgeschlossen sind. ! Die als »sofort« oder »eilig« angegebenen Maßnahmen oder Untersuchungen dulden keinen Aufschub und müssen auf der Intensivstation bzw. im Notfallabor (»rund um die Uhr«) durchgeführt werden. > Eines der Prinzipien der Notbehandlung bei Verdacht auf Vorliegen einer metabolischen Störung ist die Vermeidung bzw. Behebung kataboler Stoffwechselzustände durch Gabe von Glukose (Verhinderung von Hypoglykämien und Eiweißabbau). ! Die Unterbrechung der kompletten oralen Eiweißzufuhr sollte nicht länger als 2 Tage dauern.
279 8.4 · Infusionstherapie und Ernährung
8
⊡ Abb. 8.3. Allgemeines Vorgehen bei komatösen Patienten mit Verdacht auf Stoffwechselstörungen (bis zur diagnostischen Klärung)
Folgende Medikamente bzw. Infusionslösungen sollten für die Notfallbehandlung auf Intensivstationen bereitstehen: ▬ Argininhydrochlorid (21,0%ig = 1 mol), oral oder i.v., ▬ Glukose-Elektrolyt-Lösung, z. B. Jonosteril päd I, i.v., ▬ Glukoselösung 10%ig, i.v., ▬ Glukoselösung 20%ig, i.v., ▬ Glukoselösung 50%ig, i.v.,
280
▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Insulin, subkutan, Lasix, oral, L-Carnitinlösung, oral oder i.v., Maltodextrin, oral, Natriumbenzoat, oral (oder i.v.), Natriumbikarbonatlösung 8,4%ig, i.v. Phenylbutyrat (Ammonaps) oral.
8.4.10
8
Medikamente zur Behandlung der beschriebenen Stoffwechselstörungen
Im Folgenden findet sich eine Zusammenstellung der Medikamente (⊡ Tabelle 8.37), die zur Behandlung der beschriebenen angeborenen Stoffwechselstörungen notwendig sind und deshalb in den Kinderkliniken mit intensivmedizinischen Abteilungen vorrätig sein sollten. Die Angaben erfolgen ohne Anspruch auf Vollständigkeit sowohl hinsichtlich der Hersteller als auch der genannten Präparate (Dosierungen im Text).
8.5
Adipositas
C. Schröder
Synonyme Obesitas, Fettsucht.
Definition Chronische Erkrankung, bei der der pathologisch erhöhte Körperfettanteil an der Gesamtkörpermasse der Betroffenen die Grundlage drohender oder bereits manifester Krankheitssymptome ist. Die nachgewiesene Korrelation zwischen Körperfettanteil und BodymassIndex (BMI) erlaubt die Nutzung des BMI zur Bestimmung des Ausmaßes von Übergewicht und Adipositas in der klinischen Praxis. Der BMI wird aus den gemessenen Größen Körpermasse und Körperlänge berechnet: Körpermasse (kg) BMI = 00842 [Körperlänge (m)]
Nur als Chemikalie B3420 Benzoic acid sodium salt 10629 Natriumbenzoat
Biotin-ratiopharm Medobiotin u. a.
Benzoesäure (Natriumbenzoat)
Biotin
L-Carnitin (Levocarnitin)
Biocarn L-Carn Nefrocarnit
Baclofen-ratiopharm Lioresal u. a.
Baclofen
Bikarbonat Natriumbikarbonat
L-Arginin-Hydrochlorid 21,0%ig L-Arginin-Hydrochlorid-einmolar 1 M-L-Argininhydrochloridlösung
L-Argininhydrochlorid
Medice Sigma Tau Medice
Ratiopharm Medopharm
Ahornsirupkrankheit (MSUD), Glutaracidurie Typ I, Isovalerianacidämie u. a.
Biotinidasemangel u. a.
Isovalerianacidämie, Ornithintranscarbamylasemangel u. a.
Glutaracidurie Typ I
Ratiopharm Novalis Pharma/ DuPont Pharma Sigma Merck
Isovalerianacidämie, Ornithintranscarbamylasemangel u. a.
Ornithintranscarbamylasemangel
Verwendung bei
Braun Fresenius Delta-Pharma
Jenapurinol
u. a
Ratiopharm Jenapharm
Allopurinol ratiopharm
Allopurinol (zu Testzwecken)
Hersteller
Präparatname
Wirkstoffname
⊡ Tabelle 8.37. Zusammenstellung der Medikamente, die zur Behandlung der beschriebenen Stoffwechselstöungen notwendig sind
8.5 · Adipositas 281
8
L-Citrullin (reine Aminosäure)
Distraneurin Hustenstiller-ratiopharm u. a. Diphenylhydramin Benadryl u. a. Furosemid Furisemid-ratiopharm Lasix u. a. Glukoselösung 10%ig, Glucose Braun Infusionslösung 20%ig, 30%ig Glucose-Lösung-Infusionslösung Glucostril Traubenzuckerlösung u. a. Jonosteril päd I Glukose-ElektrolytLösung u. a.
Clomethiazol Dextrometorphan
L-Citrullin
Citrat Natriumcitrat
Präparatname
Glutaracidurie Typ I Ahornsirupkrankheit (MSUD), Glutaracidurie Typ I, Isovalerianacidämie, Ornithintranscarbamylasemangel Ahornsirupkrankheit (MSUD), Glutaracidurie Typ I, Isovalerianacidämie, Ornithintranscarbamylasemangel, Galaktosämie, Mittelketten-CoA-Dehydrogenase-Mangel (MCAD-Defekt) Ahornsirupkrankheit (MSUD), Glutaracidurie Typ I, Isovalerianacidämie, Ornithintranscarbamylasemangel, Galaktosämie, Mittelketten-CoA-Dehydrogenase-Mangel (MCAD-Defekt)
Warner-Lambert Ratiopharm Hoechst- ManonRoussel Braun Delta-Pharma Fresenius Kabi Fresenius Kabi
Glutaracidurie Typ I Glutaracidurie Typ I
Ornithintranscarbamylasemangel u. a.
Verwendung bei
Astra ratiopharm
SHS Heilbronn
Hersteller
8
Wirkstoffname
⊡ Tabelle 8.37 (Fortsetzung)
282 Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Lactofalk Lactulose STADA u. a.
Lamictal
Laktulose
Lamotrigen
Clont Metronidazol-ratiopharm u. a.
Metronidazol
Natriumbenzoat siehe Benozoesäure
Malto-dextrin 19 u. a.
Maltodextrin
Lasix Furosemid
Insulin
Glycin (reine Aminosäure) Daruma Mnesis u. a. Humaninsulin Insulin Actrapid u. a.
Glycin Idebenon
Ornithintranscarbamylasemangel u. a.
Falk Stada
Ahornsirupkrankheit (MSUD), Glutaracidurie Typ I, Isovalerianacidämie, Galaktosämie, MittelkettenCoA-Dehydrogenase-Mangel (MCAD-Defekt) Isovalerianacidämie u. a.
SHS Heilbronn
Bayer Vital Ratiopharm
Glutaracidurie Typ I
Ahornsirupkrankheit (MSUD), Isovalerianacidämie, Ornithintranscarbamylasemangel u. a.
Lilly Novo Nordisk
Glaxo Wellcome/ Desitin
Isovalerianacidämie Glutaracidurie Typ I
SHS Heilbronn Cyaamid, Italien Takeda, Italien
8.5 · Adipositas 283
8
Braun Fresenius Pharmacia Kabi Köhler Orphan Europe GmbH Jenapharm Dr. B. Schirks Laboratories, CH 8645 Jona TEVA Generics Merck Ratiopharm Hoechst-MaionRoussel
Natriumphenylbutyrat Ammonaps
Riboflavin (Vitamin B2) Vitamin B2-Jenapharm u. a.
Tetrahydrobiopterin BH4 (BH4) zu Testzwecken
Aneurin Betabion Vitamin B1-Ratiopharm u. a.
Sabril
Thiamin
Vigabatrin (γ-venyl-GABA)
Hersteller
Natriumbikarbonat- Natriumhydrogencarbonat 8,4%-Lösung lösung 8,4%ig, Natriumhydrogencarbonat 8,4%-Lösung
Präparatname
Glutaracidurie Typ I
Ahornsirupkrankheit (MSUD), Glutaracidurie Typ I
Phenylketonurie (PKU)
Glutaracidurie Typ I
Ornithintranscarbamylasemangel u. a.
Ahornsirupkrankheit (MSUD), Isovalerianacidämie, Glutaracidurie Typ I, (Mittelketten-CoA-Dehydrogenase-Mangel (MCAD-Defekt)
Verwendung bei
8
Wirkstoffname
⊡ Tabelle 8.37 (Fortsetzung)
284 Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
285 8.5 · Adipositas
8
Die physiologischen Veränderungen der Körperzusammensetzung und damit des BMI durch Wachstum und Entwicklung erfordern die Nutzung von altersund geschlechtsabhängigen Referenzwerten. Diese stehen durch die Arbeit von Kromeyer-Hausschild für deutsche Kinder und Jugendliche zur Verfügung. Die »Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter« (AGA 2003) empfiehlt in ihren Leitlinien die Nutzung dieser Referenzwerte und definiert die 90. Perzentile bzw. 97. Perzentile als Cut-off-Punkte für Übergewicht bzw. Adipositas (http://www.a-g-a.de). Um das Ausmaß des Übergewichts und die Veränderung im Verlauf zu verdeutlichen, ist die Angabe des BMI in seiner Abweichung vom Mittelwert, also als »standard deviation score« (BMI-SDS) sinnvoll. Während die Zahl übergewichtiger Kinder und Jugendlicher mit Häufigkeitsangaben zwischen 15% und 20% in allen Industrienationen ständig steigt, nimmt das Ausmaß der Adipositas bei den Betroffenen ebenfalls bedrohlich zu.
Ätiologie/Pathophysiologie Grundlage für die Entstehung einer Adipositas ist das Bestehen einer positiven Energiebilanz. Dabei sind endogene und exogene Faktoren zu beachten: ▬ Endogen: Der Ruheenergieumsatz, der etwa 50% des täglichen Energieverbrauchs ausmacht, die Art der Energiespeicherung und die Regulation der Energiebilanz unterliegen in ihrer Steuerung verschiedenen hormonellen, aber auch genetischen Einflussfaktoren. Insgesamt haben multiple genetische Variablen mit etwa 70% einen hohen Anteil an der Regulation der Körperzusammensetzung. Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Ernährung in der Säuglingszeit einen Faktor für die langfristige Entwicklung einer Adipositas darstellt (»food programming«; Kap. 15). ▬ Exogen: Zu etwa 20–50% sind exogene Faktoren an der Entstehung der Adipositas beteiligt. Hier spielen familiäre Lebensgewohnheiten, die Ernährung und Bewegung betreffen, eine wesentliche Rolle. Ein erhöhter Fettanteil der Nahrung, z. B. durch Fast-Food, steigert die Energieaufnahme, zumal der Sättigungseffekt von Fett im Vergleich zu Kohlenhydraten als geringer beschrieben wird. Weniger Bewegung im Alltag durch Autofahren statt Radfahren oder Laufen sowie eine Zunahme der körperlichen Inaktivitätszeiten durch Fernsehen, Computer- und
286
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Videospiele führen zu einem verminderten Energieverbrauch, nicht zu vergessen die Aufnahme von fett- und kohlenhydratreichen Süßigkeiten »nebenbei«. Ungünstige Lebensgewohnheiten verlagern bei entsprechender Disposition den Beginn der pathologischen Körperzusammensetzung in immer frühere Jahre der Kindheit.
Diagnostik Ziele der Diagnostik
8
▬ Bestimmung des Ausmaßes der Adipositas (BMI-SDS). ▬ Sicherer Ausschluss von sekundären Adipositasformen ausgelöst durch hormonelle Erkrankungen, wie Cushing-Syndrom oder Hypothyreose, klinisch definierte Syndrome. ▬ Suche nach bereits bestehender Komorbidität der Adipositas, wie Hypertonie, Störungen des Fettstoffwechsels und der Glukosetoleranz, Hyperurikämie, Hyperandrogenämie, orthopädische Symptome der Hüft- und Kniegelenke, Schlafapnoesyndrom, psychosoziale Probleme.
Besonderheiten der Anamnese und klinischen Untersuchung Familienanamnese Gibt es bei Verwandten 1. und 2. Grades folgende Erkrankungen: Adipositas Typ-2-Diabetes Herz- und Gefäßerkrankungen Hypertonus Fettstoffwechselstörungen Gicht/Hyperurikämie Eigenanamnese Somatische Daten ab Geburt Verlauf von Wachstums- und Gewichtskurve Durchgemachte Erkrankungen Menarchealter und Zyklusanamnese bei Mädchen
▼
287 8.5 · Adipositas
Sozialanamnese Allein erziehendes Elternteil? Berufstätigkeit der Eltern Stellung in der Geschwisterreihe Stellung in der Gruppe Gleichaltriger (»peergroup«) Alltagsaktivität (Schulweg, Freizeitgestaltung) Ernährungsanamnese (z. B. durch Ernährungsprotokoll über 3 Tage) Frühstück vor der Schule? (Brotsorte, Streichfett, Aufstrich, Getränk?) Frühstück in der Schule? (Brot, Wurst, Käse, Obst, Getränk?) Mittag (in der Schule, zu Hause, bei den Großeltern, unterwegs?) »Zwischendurch«, Naschen Abendbrot (warm/kalt?) Lieblingsessen Fast food Rauchen, Alkohol? Aktuelle Beschwerden/jetzige Anamnese Somatische Beschwerden (Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, orthopädische Probleme) Körperliche Fitness (Sport, Alltagsaktivität) Konzentrationsfähigkeit (Schulleistungen) Psychisches Befinden (Stimmung) Nächtliches Schnarchen, Müdigkeit am Tage Klinische Untersuchung Neben den allgemeinen Richtlinien ist auf Folgendes besonders zu achten: Blutdruckmessung (3-mal) Acantosis nigricans? Pubertätsstadien nach Tanner Hirsutismus? Schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Knie- und/oder Hüftbereich, Genu valgum?
▼
8
288
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Messung von Größe und Gewicht Dokumentation der Messwerte in Perzentilkurven Berechnung des BMI und Vergleich mit altersentsprechenden Referenzwerten Adipöse Kinder haben meist ein akzelleriertes Längenwachstum. Bei Mädchen sind die pubertäre Entwicklung und der Zeitpunkt der Menarche früher als bei Normalgewichtigen Jungen haben oft eine Pseudogynäkomastie und einen Pseudohypogenitalismus. Striae distensae sind unspezifisch
8
Labor Transaminasen Cholesterol, High-density-lipoprotein- (HDL-), Low-density-lipoprotein(LDL-)Cholesterol, Triglyzeride Harnsäure Evtl. thyroideastimulierendes Hormon (TSH) Evtl. oraler Glukose-Toleranz-Test (oGTT) Die Notwendigkeit weiterer Laboruntersuchungen kann sich aus den Besonderheiten von Anamnese und klinischem Befund ergeben Motivation zur Gewichtsnormalisierung Eltern – Adipositasfolgeerkrankungen in der Familie – Selbst erfahrene Vorurteile in Beruf und Gesellschaft Kinder und Jugendliche – Hänseleien durch Mitschüler – Außenseiterposition in Peergroup bei Alltagsaktivitäten, Freizeitund Schulsport – Unzufriedenheit mit der eigenen Tagesgestaltung – Probleme mit modischer Kleidung – Sorge um Gesundheitsrisiken
▼
289 8.5 · Adipositas
8
Demotivierende Faktoren zur Gewichtsnormalisierung Vorausgegangene erfolglose Versuche Familiarität der Adipositas Angst vor Verlust positiver Empfindungen Schamgefühl bei angebotenen Gruppenveranstaltungen Körperbild und Leistung betreffend
Die Motivation zur Gewichtsnormalisierung kann im Gespräch entstehen oder positiv verstärkt werden. Je nach Alter des Patienten müssen die in die Betreuung einbezogenen Personen integriert werden (manchmal auch Großeltern). Ohne Motivation von Eltern und Kind auch nach ausführlichem Gespräch ist eine Intervention zwecklos, durch vorprogrammierten Misserfolg sogar schädlich. Bei bereits bestehender Komorbidität kann wegen der Dringlichkeit der Intervention die Unterstützung eines Psychologen in Anspruch genommen werden. Generell ist im Umgang mit adipösen Kindern und Jugendlichen sowie ihren Eltern jede Schuldzuweisung zu vermeiden. Sachlich sollten kleine realistische Ziele im Gespräch erläutert werden.
…Therapie Ziele der Adipositastherapie Durch Änderung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens soll eine weitere Gewichtszunahme gestoppt und eine Stabilisierung des Körpergewichts auf einem niedrigeren Niveau angestrebt werden. Kinder sollten aus dem Übergewicht herauswachsen, Jugendliche nur eine langsame Gewichtsabnahme (etwa 0,5 kg pro Monat) anstreben. Besteht bereits eine Komorbidität, so gilt es, diese positiv zu beeinflussen und weitere Risikofaktoren diesbezüglich zu vermindern. Ziel ist ein Energieverbrauch, der höher als die Energiezufuhr ist.
Bestandteile der Adipositastherapie Ernährungsumstellung ▬ Veränderung des Ernährungsverhaltens z. B. durch gemeinsame Mahlzeiten in der Familie, Frühstück vor der Schule, ▬ Erhöhung des Ernährungswissens unter Verwendung der Ernährungspyramide oder Arbeit mit Ampelbereichen, ▬ Führen von Ernährungsprotokollen über etwa 3 Tage,
290
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
▬ Orientierung auf gesunde Ernährung ohne Kalorienberechnung, ▬ Meiden hochkalorischer Getränke, ▬ Verringerung des Fettanteils auf unter 30%, z. B. durch weniger Chips, Fast-Food oder Eiskreme.
Steigerung der Bewegungsaktivität ▬ Alltagsaktivität : Schulweg möglichst nicht mit dem Auto, täglich mindestens 30 min. aktive Bewegung, ▬ Inaktivitätszeiten durch Fernsehen und Computerspiele auf 1–2 h am Tag reduzieren, ▬ Sport in der Gruppe (spaßbetont, spielerisch, allmähliche Steigerung der Belastung).
8
Psychotherapeutische Begleitung ▬ Förderung von Selbstwahrnehmung und Selbstbewusstsein und der Eigenverantwortung, ▬ Intervention und Remotivation bei Misserfolg.
Adipöse Kinder und Jugendliche im akuten Krankheitsfall Die Richtlinien der Infusionstherapie entsprechen denen Gleichaltriger. Es ist jedoch zu beachten, dass sich das Energiegleichgewicht auf einem höheren Level im Vergleich zu Normalgewichtigen befindet. Diese Tatsache muss berücksichtigt werden, da eine durch Restriktion zusätzlich negativ beeinflusste Energiebilanz in akuten Krankheits- oder Stresssituationen zu vermeiden ist (vgl. Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter 2003).
8.6
Anorexia nervosa und Bulimie
C. Schröder
Definition Anorexia nervosa Essstörung mit selbstverursachtem Gewichtsverlust oder inadäquater Gewichts- (und Größen-)Zunahme in der Adoleszenz. Damit kommt es zum Kreuzen der altersabhängigen Gewichts- (und Größen-)Perzentilen nach unten. Der BMI ( Abschn. 8.5) liegt altersbezogen unter der 10. Perzenlile. Es
291 8.6 · Anorexia nervosa und Bulimie
8
besteht eine Körperschemastörung mit einer trotz zunehmendem Gewichtsverlust anhaltenden, intensiven Angst, zu dick zu sein oder zu werden. Durch Störung der endokrinen Achse Hypothalamus-Hypophyse-Gonaden kommt es zu einer sekundären Amenorrhö bzw. bei prämenarchealen Mädchen zu einer Stagnation der pubertären Entwicklung. Das Verhältnis erkrankter Mädchen zu Jungen beträgt etwa 10:1 bis 15:1. Der Häufigkeitsgipfel der Manifestation liegt bei 14 Jahren. Somatische Ursachen eines Gewichtsverlustes müssen unbedingt ausgeschlossen werden.
Bulimie Essstörung gekennzeichnet durch rezidivierende Essanfälle und intermittierende unangemessene Gegenmaßnahmen zur Gewichtsregulierung. Die Essanfälle treten 3 Monate lang durchschnittlich 2-mal/Woche auf. Es besteht subjektiv ein Kontrollverlust über Art und Menge der Nahrung. In kurzer Zeit werden übermäßig große Kalorienmengen aufgenommmen (z. B. 800– 5.000 kcal). Unangemessene Gegenmaßnahmen sind selbstinduziertes Erbrechen, Fasten, exzessives Sporttreiben, Missbrauch von Laxanzien oder Diuretika. Es besteht die Furcht, zu dick zu sein oder zu werden. Das Hauptmanifestationsalter liegt zwischen 18 Jahren und 20 Jahren. Betroffen sind wiederum hauptsächlich Frauen. Bestehen Essattacken ohne Gegenmaßnahmen, bezeichnet man die Störung als »binge eating disorder«. Zwischen den Formen der Essstörung gibt es Gemeinsamkeiten und Übergänge. So unterscheidet man bei der Anorexia nervosa einen restriktiven Typ von einem »Binge-eating/purging-Typ«. Letzterer beinhaltet neben den Kriterien der Anorexie rezidivierende Essanfälle und Purging-Verhalten (unangemessene Gegenmaßnahmen). Wegen der mangelnden Krankheitseinsicht besteht eine hohe Dunkelziffer, insbesondere bei Bulimie. Bei der Anorexie ist der erhebliche Gewichtsverlust früher oder später die Indikation zur Arztkonsultation, oft auf Initiative der Eltern, manchmal sogar gegen den Willen der Patientin. Eine Ernährungsberatung ohne Arztkonsultation darf nicht erfolgen.
Ätiologie/Pathophysiologie Ein Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren führt zum Krankheitsbild der Essstörungen. Das Bestehen einer genetisch bedingten Disposition mit unterschiedlicher Penetranz ist die Schlussfolgerung aus Familienstudien.
292
8
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Erhöhte unspezifische perinatale Risikofaktoren ließen sich ebenfalls nachweisen. Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale treten bei anorektischen Patienten gehäuft auf: Beharrlichkeit, Rigidität, Introvertiertheit, gesteigertes Harmoniebedürfnis und hohe Intelligenz. Zwischen dem dadurch bedingten Verhalten des Kindes bzw. Jugendlichen und dem Erziehungsstil der Eltern, manchmal geprägt durch Autorität, »overprotection« und Konfliktvermeidung, besteht eine enge Wechselbeziehung. Soziokulturelle Faktoren mit einem Schönheitsideal, das einem Körperbild wie bei Anorexie nahe kommt oder entspricht, können auslösend wirken. Zusammenhänge zwischen Psychopathologie und Neuroendokrinium in Bezug auf Auslösung und Verstärkung anorektischer und psychiatrischer Symptome werden erforscht. Körperliche Symptome sind fast ausschließlich auf den Zustand der Starvation zurückzuführen und betreffen alle Organsysteme ( unten). Ausgeprägte somatische Veränderungen im Zusammenhang mit einem chronischen Verlauf und mehreren Rezidiven sind neben einer erhöhten Suizidalität Ursache dafür, dass die Anorexie mit etwa 10% die höchste Mortalität unter allen psychiatrischen Erkrankungen hat.
Diagnostik Ziele der Diagnostik bei Anorexia nervosa ▬ Bestimmung des Ausmaßes des Untergewichts (BMI-SDS). ▬ Sicherer Ausschluss somatischer Erkrankungen, die Ursache einer Gewichtsabnahme oder Stagnation von Gewichts-, Größen- und Pubertätsentwicklung sein können oder neben der Essstörung bestehen. Dazu gehören Tumoren, maligne Systemerkrankungen, Erkrankungen des Immunsystems, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, endokrine Funktionsstörungen, wie Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison), Schilddrüsenfunktionsstörungen (Hyperthyreose) und Diabetes mellitus. ▬ Bestimmung von Art und Ausmaß der somatischen Veränderungen durch die Starvation: Störungen im Wasser- und Elektrolythaushalt durch Flüssigkeitsrestriktion oder exzessives Trinken von Wasser, Missbrauch von Diuretika und Laxanzien, Ödeme durch Eiweißmangel, Stoffwechselstörungen mit Erhöhung von Transaminasen, Amylase, harnpflichtigen Substanzen, Veränderungen des Lipidstoffwechsels, gestörte Thermoregulation,
293 8.6 · Anorexia nervosa und Bulimie
8
Beeinträchtigung des Herz-Kreislauf-Systems mit Bradykardie und Hypotonie, Knochenmarkdepression, Atonie des Magen-Darm-Trakts mit Gefahr der Magenperforation bei Sondenernährung, Obstipation, Ösophagitis durch Erbrechen, endokrinologische Veränderungen mit erhöhtem Kortisol und aufgehobener Tagesrhythmik, Low-T3-Syndrom, Störung der Gonadenachse mit präpubertären Werten für Gonadotropine und Östradiol bzw. Testosteron, Erhöhung von Wachstumshormon und Erniedrigung von Leptin, Veränderungen des ZNS mit Pseudoatrophia cerebri, Osteoporose.
Bulimie Patienten mit Bulimie sind oft normalgewichtig, manchmal auch adipös. Auch hier gilt es, somatische Ursachen der Symptomatik auszuschließen und das Ausmaß der Organveränderungen zu eruieren.
Besonderheiten der Anamnese und klinischen Untersuchung Die Anamnese soll immer mit einem Elternteil bzw. einer anderen Bezugsperson und Patientin getrennt erfolgen. Mehrere Gespräche sind oft erforderlich. Mangelnde Krankheitseinsicht und Schamgefühl können zu falschen Angaben führen. Bereits in der Phase der Diagnostik kann das Hinzuziehen eines Psychologen/Kinderpsychiaters sinnvoll sein. Eine sorgfältige klinische Untersuchung ist in jedem Fall unbedingt erforderlich. Familienanamnese Größe und Gewicht der Eltern Hinweise auf Essstörungen oder psychiatrische Erkrankungen in der Familie Eigenanamnese Schwangerschaftsverlauf und perinatale Risikofaktoren Ernährungsprobleme in der Säuglingszeit oder im weiteren Verlauf der Kindheit
▼
294
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
8
Auffälligkeiten in der psychosozialen Entwicklung (z. B. Trennungsangst) Somatische Daten ab Geburt Verlauf von Wachstums- und Gewichtskurve Durchgemachte Erkrankungen Menarchealter und Zyklusanamnese, Dauer der sekundären Amenorrhö
Sozialanamnese/familiäre Interaktionen Allein erziehendes Elternteil? Berufstätigkeit der Eltern Stellung in der Geschwisterreihe, Leistungsdifferenzen, Leistungsdruck? Besonderheiten der familiären Interaktionen, wie Harmoniebedürfnis, Autorität der Eltern, Overprotection Interaktion bei den Mahlzeiten (Streit) Stellung in der Gruppe Gleichaltriger (Peergroup), Zeichen für sozialen Rückzug, Isolation? Ernährungsanamnese Seit wann hat sich das Ernährungsverhalten verändert? Wie war die Nahrungsaufnahme vor Beginn der Erkrankung? Genaue Erfassung der Art und Menge von Nahrungsmitteln und Getränken, Berechnung der täglich aufgenommenen Kalorienmenge Besonderheiten des Essverhaltens Aktuelle Beschwerden/jetzige Anamnese/Eruierung krankheitsspezifischer Symptome Allgemeine Anamnese, somatische Beschwerden mit differenzialdiagnostischer Bedeutung bzw. starvationsbedingt Körperliche Fitness, sportliche Betätigung evtl. auch exzessiv zur Gewichtsreduktion Konzentrationsfähigkeit, Leistungsverhalten und Ehrgeiz im Verlauf (Schulleistungen) Psychisches Befinden (Stimmungsveränderungen, Ängste, Zwänge, Hinweise auf Persönlichkeitsstörungen) Zeitpunkt des Beginns der Symptomatik, Ausgangsgewicht
▼
295 8.6 · Anorexia nervosa und Bulimie
Charakterisierung des Essverhaltens, Kaloriengrenzen, Heißhungerattacken Gewichtsphobie, subjektives Zielgewicht, Körperschemastörung Methoden zur Gewichtsreduktion (selbstinduziertes Erbrechen, Missbrauch von Laxanzien, Diuretika, exzessive körperliche Bewegung) Klinische Untersuchung Neben den allgemeinen Richtlinien ist auf Folgendes besonders zu achten: Haut: trocken, schuppig, marmoriert, Akrozyanose, Lanugobehaarung, Läsionen an den Händen durch manuell ausgelöstes Erbrechen Haarausfall Karies, Speicheldrüsenentzündung Pubertätsstadien nach Tanner Bradykardie, arterielle Hypotonie Messung von Größe und Gewicht Dokumentation der Messwerte in Perzentilkurven Vergleich der Größenperzentile mit dem Kanal der genetischen Zielgröße Berechnung des BMI und Vergleich mit altersentsprechenden Referenzwerten Labor Blutbild, Blutzucker Elektrolyte, Kreatinin, Harnstoff, Gesamteiweiß, Albumin, Zink Transaminasen, Amylase, Lipase, Laktatdehydrogenase Cholesterol, HDL-, LDL-Cholesterol, Triglyzeride TSH, freies Tetrajodthyronin (fT4), Trijodthyronin (T3), Kortisoltagesrhythmik (Morgen- und Abendwert), Gonadotropine, Östradiol Fakultativ Wachstumshormon, Leptin Die Notwendigkeit weiterer Laboruntersuchungen kann sich aus den Besonderheiten von Anamnese und klinischem Befund ergeben
▼
8
296
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Weitere diagnostische Maßnahmen Zerebrales Magnetresonanztomogramm Thoraxröntgen, Elektrokardiogramm (EKG) Abdominelle Sonographie Evtl. pH-Metrie, Ösophagogastroskopie Osteodensitometrie
…Therapie der Essstörungen Ziele der Therapie
8
▬ Somatische Rehabilitation: langfristiges Zielgewicht etwa 25. BMI-Perzentile, stabiler Menstruationszyklus. ▬ Normalisierung des Essverhaltens: Arbeit mit Ernährungstagebuch und Essensplan. ▬ Psychische Stabilisierung: Veränderung dysfunktionaler Gedanken, Verbesserung der Affektregulation, Behandlung psychiatrischer Komorbidität. ▬ Familiäre und soziale Reintegration: Einbeziehung der Familie zur Konfliktbewältigung.
Motivation zur Gewichtsnormalisierung bei Anorexia nervosa Ausführliche Gespräche mit folgenden Inhalten: ▬ soziale Isolation, Einschränkungen im Tagesablauf und in der persönlichen Entwicklung durch ständige gedankliche Beschäftigung mit dem Thema Essen und Gewicht, ▬ Energieaufnahme und -verbrauch, ▬ Bedeutung verschiedener Bestandteile einer gesunden Ernährung, ▬ alters- und geschlechtsspezifische Normen und Variationen des Körpergewichts, ▬ somatische und psychische Folgen der Starvation, ▬ vermeintliche »Vorteile«: »Macht« über eigenen Körper und über Bezugspersonen, vermehrte Zuwendung.
297 8.6 · Anorexia nervosa und Bulimie
8
Nach Möglichkeit sollte der ambulanten Psychotherapie der Vorrang gelten. Dem Kinderarzt obliegt die entsprechende somatische Diagnostik und Koordination der Behandlung. Eine Gewichtszunahme ist initial nur sehr allmählich zu erreichen. Zielgewicht sollte die 25. BMI-Perzentile sein. Die Normalisierung des Essverhaltens mit 3 Haupt- und 2 Zwischenmahlzeiten ist anzustreben. Wegen der Gefahr der Osteoporose sollte die Kalziumzufuhr mindestens 1.200 mg/Tag betragen.
Indikationen zur stationären Aufnahme Medizinisch ▬ Kritisches Untergewicht (BMI unter der 10. Altersperzentile oder absolut unter 14 kg/m2) ▬ Fortschreitender Gewichtsverlust trotz ambulanter Therapie, ▬ häufiges Erbrechen, Exsikkose, Dyselektrolytämie, Eiweißmangel, ▬ psychiatrische Komorbidität mit Suizidalität und Selbstverletzung, hirnorganisches Psychosyndrom durch Kachexie.
Psychosozial ▬ ▬ ▬ ▬
Soziale Isolation, Dekompensation der Familie, Verdacht auf Misshandlung oder Missbrauch, Scheitern einer ambulanten Therapie.
Die stationäre Therapie erfordert sowohl pädiatrische (einschließlich intensivmedizinische) als auch kinder- und jugendpsychiatrische Kompetenz. Nur so können drohende Komplikationen verhindert bzw. beherrscht und die in dieser Phase hohe Lebensgefahr abgewendet werden. Die letztlich angestrebte Gewichtszunahme von 500–1.000 g/Woche darf erst allmählich erreicht werden. Zunächst ist die Energiezufuhr entsprechend des Ausgangsniveaus des Patienten nur langsam zu steigern. Falls Sondenernährung erforderlich ist, sollte mit 800–1.000 kcal begonnen werden. Auf die Gefahr der Perforation durch Atonie des Magen-Darm-Trakts muss hingewiesen werden. Bei intravenöser Ernährung drohen Elektrolytentgleisung, Transaminasenerhöhung, Pankreatitis und Herzinsuffizienz. Die tägliche Gewichtszunahme darf 200–400 g nicht überschreiten.
298
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
> An eine stationäre Behandlung muss sich unbedingt eine ambulante langfristige Psychotherapie anschließen, die in der Regel auch die Eltern mit einbezieht.
Bulimie Somatische Probleme durch Erbrechen mit Dehydratation und Elektrolytentgleisung wurden schon erwähnt. Eine medikamentöse Therapie der Refluxösophagitis kann erforderlich sein. Die stationäre Therapie hat in erster Linie psychiatrische Indikationen. > Eine medikamentöse Behandlung der psychiatrischen Komorbidität von Essstörungen gehört in die Hand des erfahrenen Kinder- und Jugendpsychiaters.
8 8.7
Ernährungssituation und Ernährungsmöglichkeiten krebserkrankter Kinder
J. F. Beck Unfälle und Krebs sind die häufigsten Todesursachen von Kindern. Anders als bei Erwachsenen, wo Krebserkrankungen sehr viel häufiger auftreten, und bei denen die maligne Erkrankung meist durch Karzinome hervorgerufen wird, entwickeln Kinder überwiegend Leukämien, Lymphome, Hirntumoren, Blastome und Sarkome. Viele der kindlichen Krebserkrankungen sind mit intensiver Chemotherapie, oftmals in Kombination mit Bestrahlung und Operation, sehr gut behandelbar. Die häufig vorkommende Unterernährung bei krebserkrankten Kindern wird wesentlich von Erkrankung und Therapie bestimmt; hierbei kann sich eine Unterernährung ungünstig auf das Größenwachstum, die Toleranz gegen Therapienebenwirkungen, den Immunstatus und die Überlebenswahrscheinlichkeit auswirken (Donaldson et al. 1981). Krebszellen können bei Erwachsenen genauso wie bei Kindern tief greifende Veränderungen im Energiestoffwechsel hervorrufen. Der tumorassoziiertveränderte Stoffwechsel in Kombination mit verminderter Nahrungsaufnahme verursacht die Tumorkachexie, die bei Kindern viel seltener beobachtet wird als bei Erwachsenen und häufiger die Gruppe austherapierter Kinder in einem Endstadium der Erkrankung betrifft. Die Empfehlungen zur Ernäh-
299 8.7 · Ernährungssituation krebserkrankter Kinder
8
rung müssen sich bei krebserkrankten Kindern daher auf unterschiedliche Aspekte beziehen; nur wenige Studien über das sehr heterogene Kollektiv krebserkrankter Kinder können als Grundlage für Empfehlungen herangezogen werden.
Pathophysiologie Die Ursachen der Unterernährung krebserkrankter Kinder sind der krankheits- und therapiebedingte Appetitmangel sowie der ausgeprägte proteinkatabole Stoffwechsel einer Tumorkachexie. Die Kachexie unterscheidet sich im Vergleich zum dominierenden Fettverlust beim reinen Fasten durch den zusätzlichen gravierenden Substanzverlust körpereigener Proteine, der besonders durch den massiven Muskelschwund beeindruckt. Indirekt kalorimetrische Studien an Erwachsenen zeigen nur bei etwa 25% einen wirklich erhöhten, bei etwa 30% sogar einen erniedrigten und sonst einen normalen Grundumsatz (Flancbaum et al. 1999). Ein lediglich erhöhter Grundumsatz kann daher nicht dominierend die starke Gewichtsabnahme von Krebspatienten erklären. Patienten mit Kachexie zeigen zudem: 1. Eine Glukoseintoleranz mit Insulinresistenz und erhöhter Glukoneogenese (Bennegard et al. 1986). 2. Eine Laktatacidose mit verstärkter Umwandlung von Laktat zu Glukose in der Leber; hierbei werden die Krebszellen als wesentliche Laktatquelle vermutet. 3. Einen erhöhten Umsatz freier Fettsäuren mit verstärkter Lipolyse und Hyperlipidämie. 4. Einen stark katabolen Proteinstoffwechsel mit Hypalbuminämie. Diese Veränderungen einer im Prinzip fehlregulierten Hungersituation sind vermutlich Folge der tumorbedingten Imbalance von Zytokinen, beispielsweise durch verstärkte Aktivität von Tumor-Nekrose-Faktor-α (TNF-α, früher Kachektin) und anderen proinflammatorischen Zytokinen, wie Interleukin- (IL-)1 und IL-6. Diese Zytokine werden von Lymphozyten und Makrophagen sezerniert und repräsentieren möglicherweise eine Immunantwort des Organismus auf Krebszellen. Obwohl der genaue Mechanismus nicht bekannt ist, kann durch Applikation von TNF-α der Kachexiephänotyp beim Menschen nachgestellt werden (Starnes et al. 1988). Die geringere Energieausbeute beim Abbau von Proteinen in Kombination mit Appetitlosigkeit beschleunigt die Dynamik des starken Gewichtsverlustes in der Kachexie. Der
300
8
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
markante Verlust fettfreier Körpermasse bewirkt bei Krebspatienten starke Funktionseinschränkungen der körperlichen Kräfte und des Immunsystems. Dies verstärkt sich oft durch psychische Faktoren, z. B. in Form depressiver Verstimmungen und speziell bei Kindern durch den wachstumsbedingten höheren Kalorienbedarf. Da die Überlebenswahrscheinlichkeit bei Unterernährung sinkt, war konsequenterweise einmal mit forcierten Ernährungsmaßnahmen die Hoffnung verbunden, den Katabolismus und damit die Überlebensaussichten von Krebspatienten günstig beeinflussen zu können. Dies wurde in der Realität nicht gezeigt und führte zu realistischeren Einschätzungen, von welchen Ernährungsmöglichkeiten Krebspatienten profitieren können. Als Vorteile einer forcierten Ernährung mit Verbesserung des Ernährungszustands wird heute die höhere Aktivität und Konzentrationsfähigkeit, die verbesserte Verträglichkeit der Therapiemaßnahmen und das möglicherweise verbesserte Längenwachstum gesehen. Diese Vorteile müssen gegen die Beeinträchtigung der Kinder durch Sonden und Hospitalisierung abgewogen werden. Für Eltern sind eine Gewichtsabnahme und eine ungenügende Essleistung häufig ein Grund für große Besorgnis, der mit ausführlichen Gesprächen über Ursachen, Möglichkeiten und Grenzen einer forcierten Ernährung begegnet werden sollte.
Risikofaktoren der Unterernährung Der Grad der Gewichtsabnahme krebserkrankter Kinder wird durch Art, Lokalisation und Stadium der Erkrankung sowie durch die Intensität der Therapienebenwirkungen bestimmt. Mit starker Gewichtsabnahme ist während der Zeit intensiver Chemotherapiezyklen, Radiotherapie und ausgedehnten chirurgischen Eingriffen zu rechnen und wird durch Übelkeit, Erbrechen, Geschmacksbeeinträchtigung, Mukositis, Ösophagitis sowie verminderte intestinale Absorption aufgrund Schleimhautschädigung und Durchfällen verursacht. In ausgeprägten Fällen kann eine Ganzkörperbestrahlung mit Hochdosischemotherapie als Konditionierung vor Stammzelltransplantation durch die Induktion einer hochgradigen Mukositis und die damit verbundenen starken Schmerzen und Durchfälle die enterale Nahrungsaufnahme trotz intensiver Schmerztherapie manchmal über Wochen unmöglich machen. Speziell in der Extremsituation einer Stammzelltransplantation konnte eine signifikant verbesserte Überlebenswahrscheinlichkeit durch parenterale Ernährung belegt werden und gilt daher als Standard bei diesen Patienten (Weisdorf et al. 1997).
301 8.7 · Ernährungssituation krebserkrankter Kinder
8
Erhebung des Ernährungsstatus Bei der Ernährungsanamnese sind Remissionsstatus der Krebserkrankung, die abgelaufene und geplante Therapie, die Gewichtsveränderung und das Längenwachstum im Zeitquerschnitt sowie die Gewichtsentwicklungen und Längen der Eltern zu berücksichtigen. Zur Objektivierung der Art und Menge der tatsächlichen Nahrungsaufnahme ist die kontinuierliche genaue Buchführung der Ernährung nützlich. Bei der körperlichen Untersuchung sollte besonders auf die Fettreserven, Muskelmassen, eventuelle Eiweißmangelödeme und Zeichen der Mukositis geachtet werden. Bei der Erhebung anthropometrischer Daten sind häufige Gewichts- und regelmäßige Längenmessungen sowie deren Übertragung auf Perzentilenkurven grundlegend. Darüber hinaus ergeben Fettfaltenmessungen und technische Messungen der »body composition« beispielsweise mit der »dualenergy x-ray absorptiometry (DEXA)« weitere wichtige Hinweise über die Art und die Entwicklung des Ernährungszustands. Bei sehr großen Tumoren sollte der Ernährungszustand anhand der Fett- und Muskelreserven unabhängig vom Gesamtgewicht beurteilt werden.
Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation Orale Ernährung Aufgrund der Komplikationsmöglichkeiten einer parenteralen Ernährung und der Lehrmeinung, dass eine enterale Nahrungsaufnahme im Vergleich zur parenteralen Ernährung physiologischer wirkt, indem sie beispielsweise einer Atrophie der intestinalen Schleimhaut vorbeugt, ist die enterale Ernährung prinzipiell vorzuziehen. Da der Wert einer forcierten Ernährung für eine verbesserte Überlebenswahrscheinlichkeit nicht gezeigt wurde, bei Kindern eigentlich immer der intensive Wunsch besteht, möglichst viel Zeit zu Hause zu verbringen, wo die Kinder bei gewohnter Kost und Umgebung meistens auch deutlich besser essen als im Krankenhaus, sollten in der Regel Empfehlungen für eine optimierte, primär orale Ernährung in der Häuslichkeit ausgesprochen werden. Empfohlen werden sollten ausgewogene Nahrungsmittel, die dem Kind gut schmecken; im Falle erheblicher Unterernährung kann die Nahrung mit hochkalorischen Ernährungskomponenten, beispielsweise in Form von hochkalorischer Trinknahrung (»Astronautenkost«) ergänzt werden. Möglichkeiten, die orale Nahrungsaufnahme zu verbessern, bestehen in der Verteilung des Essens auf mehrere kleinere Mahlzeiten, in dem Versuch, kühle Speisen oder Speisen kühl anzubieten, im Angebot von
302
8
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Speisen mit wenig Geruchsentwicklung, in der Auswahl weicher, nichtreizender Speisen bei Mukositis, in der Behandlung einer geschädigten Mundschleimhaut mit einem lokalen Anästhetikum, im Fernhalten von Lieblingsspeisen in Zeiten einer emetogenen Therapie (Vermeidung einer gelernten Aversion) und ggf. in der Verabreichung antiemetischer Medikamente. Im Vorschulalter sollten 90–120 kcal/kg KG, bei älteren Kindern 50–80 kcal/ kg KG angeboten werden. Ob weitere Maßnahmen bei sehr untergewichtigen Kindern getroffen werden, muss individuell entschieden werden. Hier sollte beispielsweise bei einem Kind, das sich unter Therapie befindet, anders abgewägt werden als bei einem bereits austherapierten Kind in einem Endstadium. Bei Kindern, die unter ausgeprägtem Appetitmangel und Untergewicht leiden, bei vigilanzverminderten Kindern oder Kindern mit schweren Schluckstörungen kann der Einsatz von nasogastralen oder nasoduodenalen Ernährungssonden auch in der Häuslichkeit erwogen werden. Über solche Sonden kann Nahrung im Intervall manuell oder kontinuierlich über Pumpen appliziert werden. »Perkutane endoskopische Gastrostomie- (PEG)-Sonden« sind in Fällen vorzuziehen, in denen eine langfristige Lösung geschaffen werden muss. Beim Legen von Sonden sollten die Thrombozytenzahl und der Gerinnungsstatus ausreichend sein. Allgemeine Vorsichtsmaßnahmen zur Wahrung der Sicherheit von Nahrungsmitteln, um beispielsweise eine Salmonelleninfektion zu verhindern, sollten für immungeschwächte Kinder beachtet werden. Ein infektionsprophylaktischer Effekt allgemein bakterienreduzierter Diäten konnte dagegen nicht gezeigt werden. Kontrovers diskutiert werden solche Maßnahmen bei sehr stark immunsupprimierten Kindern, die beispielsweise allogen stammzelltransplantiert wurden. Obwohl ein Nutzen von manchen Autoren bezweifelt wird (Henry 1997), werden solche Vorkehrungen von manchen Transplantationszentren nach wie vor getroffen. Dies reicht von lediglich Verkürzungen der Haltbarkeitsdaten nach Öffnung von Verpackungen bis zur Ernährung mit ausschließlich frisch sterilisierten Produkten.
Parenterale Ernährung Bei sehr stark untergewichtigen Kindern, die z. B. wegen schwerer Mukositis oder anhaltend ausgeprägter Appetitlosigkeit und Übelkeit gar keine oder nur äußerst wenig Nahrung enteral aufnehmen und für die eine Nahrungssonde keine Alternative darstellt, kann die parenterale Ernährung erwogen werden. Da bei schwerer Mukositis häufig kontinuierliche Morphin-
303 8.7 · Ernährungssituation krebserkrankter Kinder
8
gaben notwendig sind, müssen die Kinder hierzu oft nicht einmal zusätzlich hospitalisiert werden. Da Kindern für die Chemotherapie häufig ein permanenter zentraler Venenkatheter chirurgisch implantiert wird, sind die technischen Voraussetzungen in vielen Fällen schon gegeben. Kurzzeitig erholen sich Krebspatienten von den direkten Folgen einer intensiven Chemotherapie oder ausgedehnter Operation durch parenterale Ernährung schneller. Dabei muss erwähnt werden, dass neben dem fehlenden Nachweis eines Nutzens für die Überlebenswahrscheinlichkeit zudem Berichte auf ein erhöhtes Infektionsrisiko unter parenteraler Ernährung hinweisen (Christensen et al. 1993). Dies scheint nicht bevorzugt durch bakterielle Besiedelung des zentralen Venenkatheters, sondern eher durch eine verbesserte Ernährungsgrundlage für invasive Mikroorganismen bedingt zu sein. Zudem wird ein wachstumsbeschleunigender Effekt auf Krebszellen diskutiert, besonders wenn eine parenterale Ernährung ohne zytostatische Therapie durchgeführt wird; dies wurde bei Kindern jedoch nicht gezeigt. ! Des Weiteren treten unter totaler parenteraler Ernährung häufig unerwünschte Stoffwechselstörungen, wie Hyperkaliämie, Hypokalzämie, Hyperglykämie, Akkumulation von Harnstoff, Anstieg von Transaminasen und direkten Bilirubins auf. Entwicklung einer Fettleber und Bildung von Gallensteinen wurden beschrieben. Zur Vermeidung von Leberschäden sollten die Patienten daher laborchemisch und klinisch sehr gut überwacht werden. > Zusammenfassend besitzt die parenterale Ernährung ihren wichtigsten Nutzen demzufolge unmittelbar nach einer Konditionierung für eine Stammzelltransplantation und nach sehr nebenwirkungsreichen intensiven Chemotherapien, wenn die enterale Aufnahme über wahrscheinlich längere Zeit sehr unzureichend sein wird. Die Empfehlungen für die Zusammensetzungen und Mengen parenteraler Nährlösungen unterscheiden sich nicht von den allgemeinen Standards für Kinder in den verschiedenen Alterstufen ( Kap. 4, 7).
Parenteral ernährte intensivpflichtige Kinder beispielsweise mit schwerer Infektion oder mit Niereninsuffizienz müssen zusätzlich nach intensivmedizinischen Grundregeln und besonders in Bezug auf die Flüssigkeitsbilanzierung genauestens überwacht werden.
304
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Spezielle Nahrungsbestandteile 1. Bei Kindern unter Chemotherapie mit Platinderivativen (Cisplatin, Carboplatin) besteht ein vermehrter Bedarf an Magnesium. Daher wird Magnesium bei diesen Kindern über den basalen Bedarf hinaus substituiert (Lajer et al. 2003). 2. Bei Krebspatienten scheint häufig ein Mangel an Glutamin vorzuliegen. Daher wird seit langem ein möglicher Vorteil durch zusätzliche Glutamingaben diskutiert. Dies konnte in aussagefähigen Studien bei Kindern bisher allerdings nicht gezeigt werden (Pytlik et al. 2002). 3. Ebenfalls unklar ist die pharmakologische Bedeutung appetitsteigernder Medikamente,wie Kortikosteroide,Anabolika,Insulin,Wachstumshormon und Zytokininhibitoren.
8
Übergewicht bei krebserkrankten und geheilten Kindern Bei manchen Kindern mit bestimmten ZNS-Tumoren, bei Kindern, die beispielsweise wegen einer akuten lymphatischen Leukämie Kortikosteroide erhalten und bei vielen Kindern, die von einer Leukämie geheilt wurden, entwickelt sich erhebliches Übergewicht (Didi et al. 1995). Hierfür werden verschiedene Faktoren diskutiert, wie Bewegungsarmut und anhaltende Insulinresistenz. Bei diesen Kindern sollte die hormonelle Situation geklärt werden und eine diätetische Beratung über kalorienarme Nahrungsmittel erfolgen.
Ernährung austherapierter und sterbender Kinder Inwieweit bei austherapierten und sterbenden Kindern eine künstliche Ernährung enteral über eine Sonde oder sogar parenteral durchgeführt werden sollte, muss individuell zusammen mit der betroffenen Familie entschieden werden. Hier sollte zu jedem Zeitpunkt besonderes Augenmerk auf die verbliebene Lebensqualität des Kindes gelegt werden.
8.8
Besonderheiten bei Kindern mit rheumatischen Erkrankungen
J. P. Haas Fragen zur Diät von Kindern mit autoimmunologischen Erkrankungen sind häufig und die Publikationen hierzu in der Laienpresse irreführend.
305 8.8 · Kinder mit rheumatischen Erkrankungen
8
Erschwerend wirken sich die medizin-historisch begründete unscharfe Abgrenzung der rheumatoiden Arthritis von der Arthrose und der Arthritis urica (Gicht) aus. Validierte wissenschaftliche Untersuchungen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen bilden dieAusnahme und vermitteln ein oft widersprüchliches Bild. Bei den meisten autoimmunologischen Erkrankungen fehlen kontrollierte diätetische Studien völlig. Bei den kindlichen Arthritisformen, der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA, Einteilung nach Klassifikation der ILAR; Petty et al. 1998) liegen zwar Untersuchungen vor; hierbei wurden die einzelnen Untergruppen der Erkrankung jedoch häufig nicht differenziert betrachtet. Grundsätzlich müssen bei rheumatischen Erkrankungen 3 diätetische Ansätze betrachtet werden: ▬ Eliminationsdiäten und Fastenkuren in der Absicht einer Reduktion entzündungsfördernder Nahrungsstoffe, ▬ Substitutionsdiäten mit dem Ziel der Zufuhr entzündungshemmender Nahrungsstoffe, Vitamine oder Spurenelemente, ▬ diätetische Prävention von Sekundärschäden der Erkrankung und Therapie.
8.8.1
Eliminationsdiäten und Heilfasten
Immer wieder wird nach einem Zusammenhang zwischen Lebensmitteln und dem Auftreten rheumatischer Beschwerden gesucht. Mögliche Zusammenhänge zwischen Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Gelenkbeschwerden wurden mehrfach beschrieben. Kontrollierte Studien hierzu sind jedoch auch bei Erwachsenen selten. Nahrungsmittelunverträglichkeiten spielen offenbar nur in individuellen Ausnahmefällen bei der JIA eine Rolle (Falcini et al. 1999; Schranderet al. 1997). Eliminationsdiäten wurden in randomisierten doppelblinden Studien nur bei Erwachsenen mit einer rheumatoiden Arthritis (RA) untersucht. Die Elimination z. B. von Milcheiweiß hatte auf die Erkrankungsaktivität keinen Einfluss (van de Laar u. van der Korst 1992). Die Erkrankungsaktivität, das physiologische Wachstum der Kinder und die häufig durch Medikamente verschlechterte Nahrungsaufnahme bedingen bei Kindern und Jugendlichen mit einer JIA nicht selten eine Fehlbzw. Mangelernährung (Purdy et al. 1996) und immer einen erhöhten Kalorienbedarf (Chaud et al. 2003).
306
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Eliminationsdiäten erscheinen daher nur bei einer nachgewiesenen Nahrungsmittelunverträglichkeit sinnvoll, während von Fastenkuren bei rheumatisch erkrankten Kindern- und Jugendlichen generell abzuraten ist.
8.8.2
8
Substitutionsdiäten
Ziel ist hierbei eine antioxidative und/oder antiinflammatorische Wirkung durch gezielte Zufuhr bestimmter Nahrungsbestandteile. Hintergrund sind Beobachtungen einer verminderten Inzidenz rheumatischer Erkrankungen bei Populationen mit einem hohem Anteil von Fischölen in der Nahrung (Eskimos). Darüber hinaus konnte tierexperimentell eine deutliche Reduktion proinflammatorischer Zytokine unter einer mit ω3- und ω6-Fettsäuren angereicherten Diät beobachtet werden. Vitamin E zeigte demgegenüber allein keine signifikante Wirkung, hatte jedoch einen synergistischen Effekt mit der ω3/6Diät (Venkatraman u. Meksawan 2002). Kinder mit einer JIA haben inadäquate Serumkonzentrationen antioxidativer Vitamine (A, E) und Spurenelemente (Zink; Helgeland et al. 2000; Silverio Amancio et al. 2003). Es wurde bei Kindern mit einer JIA nur eine kontrollierte Studie zur Substitution von ω3-Fettsäuren durchgeführt (Alpigiani et al. 1996). Ähnlich den Ergebnissen bei Erwachsenen mit einer RA (Adam 2003; James u. Cleland 1997) zeigten sich nur marginale Verbesserungen bezüglich Morgensteifigkeit und der Anzahl der schmerzhaften Gelenke. Kontrollierte Studien zur Substitution antioxidativer Vitamine und Spurenelemente bei Patienten mit einer JIA fehlen bislang.
8.8.3
Diätetische Prävention von Sekundärschäden
Kinder und Jugendliche mit einer JIA leiden an einer erkrankungsbedingten Verminderung der Knochendichte (Henderson et al. 1997) und des Skelettwachstums (Cassidy u. Hillman 1997). Der Erkrankungsbeginn und der therapeutische Einsatz systemischer Kortikosteroide spielen hierbei eine entscheidende Rolle (Brik et al. 1998; Celiker et al. 2003). Neben der qualitativen Veränderung des Knochens führen sowohl die Grunderkranknung wie auch der Einsatz von Steroiden zu einem verminderten Längenwachstum. Auch hier sind nur wenige kontrollierte Studien mit kleinen Probandenzahlen berichtet. Der Einsatz von Biphosphonaten zeigte keine relevante Verbesserung
307 8.8 · Kinder mit rheumatischen Erkrankungen
8
der Knochenmineralisierung (Lepore et al. 1991), während der Einsatz von rekombinantem humanem Wachstumshormon bei steroidtherapierten JIAPatienten sowohl die Knochenqualität als auch das Längenwachstum verbesserte (Rooney et al. 2000). Die therapeutische Substitution von Kalzitonin und Kalzium zeigte bei Patienten mit einer polyartikulären bzw. systemischen JIA eine Verminderung der Knochenresorption. Die Studie wurde jedoch nicht placebokontrolliert und nicht mit der Erkrankungsaktivität korreliert (Siamopoulou et al. 2001). Die Therapie mit niedrig dosiertem Methotrexat (»low-dose MTX«) hat die Behandlungserfolge auch in der Kinderrheumatologie revolutioniert. Beunruhigend waren daher Befunde bei Erwachsenen mit einer RA, die unter einer Low-dose-MTX-Therapie einen Anstieg der Homocysteinwerte im Plasma zeigten; dies korreliert mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Die Substitution mit Fol- bzw. Folinsäure führte zu einer Reduktion des Plasmahomocysteins ohne Verminderung der antirheumatischen Wirkung von MTX (van Ede et al. 2002). Eine Pilotstudie bei JIAPatienten konnte diesen positiven Effekt einer Folsäuresubstitution auf die Hyperhomocysteinämie jedoch nicht nachvollziehen (Huemer et al. 2003). Ein eindeutig positiver Effekt der Folsäuresubstitution bei Kindern mit JIA, die mit einer Low-dose-MTX-Therapie behandelt werden, wurde bezüglich der hepatotoxischen und gastrointestinalen Nebenwirkungen von MTX gezeigt (Ravelli et al. 1999). Die Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendrheumatologie (AGKJR) empfiehlt daher beim Auftreten derartiger Nebenwirkungen unter MTX-Therapie die Substitution von Folsäurederivaten (Niehues et al. 2003). Eindeutig gezeigt werden konnte auch die erhöhte Bioverfügbarkeit von MTX nach oraler Applikation auf nüchternen Magen (Dupuis et al. 1995).
…Therapieempfehlungen Zu achten ist auf eine ausgewogene normokalorische Mischernährung. Unter systemischer Steroidtherapie sollten Kohlenhydrat und Fettexzesse beim Stillen des »Steroidhungers« vermieden werden. Eltern sollten angehalten werden, den Kindern neben der normalen Mischkost vermehrt Obst anzubieten. Eine Folsäuresubstitution kann unter MTX-Therapie durchgeführt werden. In jedem Fall sollte sie beim Auftreten von gastrointestinalen und hepatotoxischen Nebenwirkungen einer MTX-Therapie mit 1 mg Folsäure täglich oder 25% der MTX-Dosis 1-mal wöchentlich als Folinsäure 24–48 h nach Einnahme des MTX erfolgen.
308
8.9
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Besonderheiten bei Kindern mit atopischen Erkrankungen
C. Binder, K. Beyer, B. Niggemann
8
Ungefähr 3–6% aller Kinder leiden unter einer Nahrungsmittelallergie. Die Prävalenz bei Kindern mit einer atopischen Dermatitis liegt deutlich höher: ungefähr ein Drittel aller Säuglinge und Kinder mit einer atopischen Dermatitis haben gleichzeitig eine Nahrungsmittelallergie (Sampson 1999). Die ersten diagnostischen und therapeutischen Ansätze werden daher oft schon im Säuglingsalter gestellt. Je jünger die Kinder zum Zeitpunkt des Auftretens der allergischen Symptome sind, desto größer ist die Chance, dass sich diese bis zum Schulalter wieder verlieren (Burks et al. 1988). Zirka 80% der Nahrungsmittelallergien verschwinden im Laufe der ersten 4–5 Lebensjahre wieder. Obwohl wir täglich eine Vielzahl unterschiedlicher Nahrungsmittel zu uns nehmen, wird die Mehrzahl der allergischen Reaktionen nur durch wenige Nahrungsmittel ausgelöst.Zirka 85% der Kinder reagieren hierbei nur auf 1 oder 2 Nahrungsmittel (Crespo et al. 1995; Niggemann et al. 1999). Die häufigsten Nahrungsmittelallergene im Kindesalter sind: ▬ im Hühnerei, ▬ in der Kuhmilch, ▬ im Weizen, ▬ in der Sojabohne, ▬ in der Erdnuss, ▬ im Fisch und ▬ in Nüssen enthalten.
8.9.1
Diätformen
Man unterscheidet je nach Art und Anwendungsdauer: ▬ die präventive Diät, ▬ die diagnostischen Diäten, ▬ die therapeutische Diät.
309 8.9 · Kinder mit atopischen Erkrankungen
8
Präventive Diät Die diätetische Prävention beschränkt sich lediglich auf die Diät des Kindes bzw. Säuglings. Die Durchführung einer Diät in der Schwangerschaft hat keinen bewiesenen positiven Effekt auf die Entstehung einer Nahrungsmittelallergie des Kindes. Auch in der Stillzeit sollte der stillenden Mutter nur in seltenen Fällen – nach ausführlicher Diagnostik und anschließender Ernährungsberatung – eine Diät empfohlen werden. Die präventive Diät wird nur bei Hochrisikokindern, bei denen bereits bei einem Elternteil oder einem Geschwisterkind eine klinisch manifeste Allergie besteht, angewendet. Sie ist charakterisiert durch: 1. ausschließliches Stillen über (4–)6 Monate oder, falls das Stillen nicht möglich ist, die Verabreichung von extensiv hydrolysierter Säuglingsformula, 2. späte und einzelne Einführung von Bekost (ab dem 7. Lebensmonat) und 3. Vermeidung von Hühnerei und Fisch im 1. Lebensjahr sowie Nüsse und Erdnüsse bis zum 2. Lebensjahr. Es gibt heute eine Fülle von verschiedenen hypoallergenen Formulas auf dem Markt, deren Antigengehalt durch Bearbeitung der Nahrungsproteine durch enzymatische Spaltung, Ultrahocherhitzung und Ultrafiltration in unterschiedlichem Ausmaß reduziert wird. Zur Prävention sollten nur Hydrolysate eingesetzt werden, deren Wirksamkeit in Bezug auf die Allergieprävention in Studien dokumentiert wurde. In der Regel sollten starke Hydrolysate (auch zur Allergieprävention) bevorzugt werden. Eine abschließende Bewertung der unterschiedlichen Hydrolysatnahrungen bezüglich der Allergieprävention steht jedoch noch aus. Die GINI-Sudie (German Infant Nutritional Intervention Program) wird uns in nächster Zeit hoffentlich weiteren Aufschluss darüber geben (von Berg et al. 2003). Die ⊡ Abb. 8.4 zeigt einen Vorschlag für die Ernährung im ersten Lebensjahr – unterschieden nach Allergiehockrisikokindern und solchen ohne Allergiehochrisiko. Handelt es sich z. B. sich um einen gesunden reif geborenen Säugling, der als Hochrisikokind (z. B. Vater mit Asthma bronchiale, Mutter mit atopischer Dermatitis) eingestuft wird, sollte dieses gesunde Kind möglichst (4–)6 Monate voll gestillt werden. Wenn das Stillen nicht (mehr) möglich ist, sollte das Kind eine extensiv hydrolysierte Formula erhalten. Nach dem 6. Lebensmonat wird die Beikost schrittweise eingeführt, ohne Fisch, Ei, Nüsse und Erdnüsse. Nach dem 12. Lebensmonat bekommt
310
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
8
⊡ Abb. 8.4. Vorschlag zur Ernährung im ersten Lebensjahr unter Berücksichtigung des Allergierisikos
das Kind normale Kleinkindkost. Sollte dieses Allergiehochriskokind im Laufe des ersten Lebensjahres an einer atopischen Dermatitis erkranken, sollte in jedem Fall eine entsprechende Diagnostik (und ggf. Diät) durchgeführt werden. Zur Diagnosefindung bei Verdacht auf Nahrungsmittelallergie sollte man wie folgt vorgehen: 1. Anamnese (und evtl. Ernährungsprotokoll), 2. Bestimmung von nahrungsmittelspezifischem IgE (z. B. Pharmacia CAPSystem FEIA) und Hauttest (Haut-Prick-Test, Atopy-Patch-Test), 3. spezielle diagnostische Kostform, 4. Nahrungsmittelprovokation (möglichst »double blind placebo controlled food challenge«, DBPCFC).
Diagnostische Diäten Bei Kindern, die jünger sind als 6 Monate, wird die ausschließliche Gabe von extensiv hydrolysierter Formula bzw. Elementardiät (auf Aminosäurenbasis) als diagnostische Diät empfohlen. Bei Kindern, die älter sind als 6 Monate,
311 8.9 · Kinder mit atopischen Erkrankungen
8
wird entweder eine oligoallergene Basisdiät oder eine Eliminationsdiät zu diagnostischen Zwecken durchgeführt.
Oligoallergene Basisdiät Synonym. Suchdiät. Definition. Diagnostische Diät aus wenigen Lebensmitteln, die als selten aller-
gen bekannt sind, und individuell zusammengestellt werden (⊡ Tabelle 8.38). Indikation. Bei unspezifischem oder allgemeinem Verdacht auf eine Lebens-
mittelallergie.
⊡ Tabelle 8.38. Geeignete Lebensmittel für eine oligoallergene Basisdiät (Beispiel)
Lebensmittelauswahl
Geeignete Lebensmittel
Ungeeignete Lebensmittel
Milch und Milchprodukte
Extensiv hydrolysierte Formulanahrung oder Elementardiät
Alle
Fleisch und Fleischwaren
Lammfleisch
Alle außer den geeigneten
Geflügel und Geflügelerzeugnisse
Pute oder Huhn
Geflügelwurst
Wild
Keine
Alle
Fisch und Fischerzeugnisse
Keine
Alle
Eier
Keine
Alle
Fette
Sonnenblumen- Raps- oder Maiskeimöl (heißgepresst), milchfreie Margarine
Butter, Margarine mit Ei, Soja oder Milchzusätzen, kaltgepresste Öle
Getreide und Getreideerzeugnisse
Reis, Reiswaffeln, Reisnudeln, Alle außer Reis Reismilch
Brot
Evtl. eiweißarmes Brot
Alle
Backwaren
Keine
Alle
Kartoffeln
Erlaubt, wenn kein positiver Alle Blutbefund (RAST/CAP) vorhanden ist und anamnestisch kein Hinweis besteht
312
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
⊡ Tabelle 8.38 (Fortsetzung)
8
Lebensmittelauswahl
Geeignete Lebensmittel
Ungeeignete Lebensmittel
Gemüse
Blumenkohl, Brokkoli, Kohlrabi, Zucchini, Gurke
Verdacht auf Unverträglichkeiten und Blutergebnisse berücksichtigen; Tomate, Spinat, Karotte etc. Alle
Hülsenfrüchte
Keine
Obst
Banane, Birne
Nüsse und Samen
Keine
Verdacht auf Unverträglichkeiten und Blutergebnisse berücksichtigen; Zitrusfrüchte, Kiwi, Ananas Alle
Süßwaren
Keine
Alle
Süßungsmittel
Auf Wunsch Zucker
Getränke
Süßstoffe, Honig
Trinkwasser, Mineralwasser, evtl. Fencheltee Gewürze und Kräuter Keine
Alle
Verschiedenes
Sämtliche Fertigprodukte
Salz
Kräutertees, Säfte, Limonaden
RAST Radioallergosorbenttest, CAP »contact allergy patch«
Diese Diät sollte nur unter vorheriger diätetischer Beratung und nicht länger als 7–14 Tage ohne ärztliche Kontrolle durchgeführt werden. Tritt unter der Diät keine Verbesserung der Symptomatik ein, so ist die Wahrscheinlichkeit einer Lebensmittelallergie gering und eine Provokation nicht zwingend erforderlich (Ausnahmefall: Das Kind reagiert auf eines der Lebensmittel der Diät). Es handelt sich ausschließlich um eine diagnostische Diät. ! Die Diät darf nicht zu therapeutischen Zwecken auf Dauer eingesetzt werden, da sie nicht in jedem Fall vollwertig ist. Wiedereinführungsphase. Die Reihenfolge der Wiedereinführung von Le-
bensmitteln richtet sich nach der ernährungsphysiologischen Notwendigkeit, den allergologischen Befunden sowie der individuellen Speisekarte des Kindes. Mögliche Reihenfolge: 1. Weizen, 2. Kuhmilch (ggf. Soja),
313 8 .9 · Kinder mit atopischen Erkrankungen
3. 4. 5. 6. 7.
8
Hühnerei, weitere Gemüsesorten (z. B. Kartoffel, Karotte), weitere Obstsorten, weitere Getreidesorten, weitere Fleischsorten.
Die Energie- und Nährstoffzusammensetzung sowie die Vitamin- und Mineralstoffversorgung und die Flüssigkeitszufuhr richten sich nach den altersentsprechenden Referenzwerten.
Eliminationsdiät Die Eliminationsdiät wird bei einem gezielten Verdacht auf nur eins (oder wenige) Nahrungsmittelallergene eingesetzt, z. B. Hühnerei und/oder Kuhmilch. Bei dieser Diät werden nur einzelne Allergene/Nahrungsmittel herausgelassen, die unter Verdacht stehen, die allergische Reaktion auszulösen. Die Dauer dieser Diätphase beträgt ca. 7 Tage.
H ü h nereieliminationsd iät D efinition. Diagnostische Eliminationsdiät oder gezielte therapeutische Eliminationsdiät. Strikte Vermeidung von Hühnerei (Eidotter und Eiklar; ⊡ Tabelle 8.39). Ind ikationen
1. Diagnostische Eliminationsdiät bei Verdacht auf Hühnereiallergie: a. Drei Tage bei Patienten mit Lebensmittelallergien ohne Ekzembeteiligung. b. Sieben bis zehn Tage bei Patienten mit Lebensmittelallergie mit atopischer Dermatitis. 2. Therapeutische Eliminationsdiät bei eindeutigem Nachweis (möglichst doppel-blind, placebokontrolliert) einer Hühnereiallergie: – Die Diät ist begrenzt auf 1–2 Jahre. – Eine Weiterführung der Diät ist nur erforderlich, wenn nach erneuter Provokation die klinische Aktualität der Allergie nachgewiesen worden ist. – Die Energie- und Nährstoffzusammensetzung sowie die Vitamin- und Mineralstoffversorgung und die Flüssigkeitszufuhr richten sich nach den altersentsprechenden Referenzwerten.
Alle Sorten, frisch, tiefgekühlt oder geräuchert, ohne Eizusatz
Eiersatzpulver (im Reformhaus oder Handel zu beziehen), z. B. der Firmen Hammermühle und Sybille-Diät (nicht bei Sojaallergie), SHS »statt Ei«
Butter, reines Butterschmalz, Schmalz, Plattenfette (Kokosfett, Erdnussfett), raffinierte und kaltgepresste Öle, Margarinea
Fisch und Fischerzeugnisse
Eier
Fette
Getreide und Getreide und Getreideflocken, eifreie Nudeln, Getreideerzeugnisse Puffreis, Reiswaffeln, Popcorn, hühnereifreie Frühstücksflocken/-zerealiena
Wildpastete
Fleisch, frisch oder tiefgekühlt
Wild
Müsli mit Milchpulver, Eierteigwaren (z. B. Nudeln mit Ei, Lasagne, Ravioli, Spätzle), Paniermehl
Margarine mit Eigelb
Alle Eiersorten und daraus hergestellte Eierspeisen, wie Eierpfannkuchen, Omelett, Crêpes, Mayonnaise, bestimmte Eiersatzpulver
Panierter Fisch, Fischstäbchen, Fischsalate, Fischfertiggerichte, Fischpastete
Geflügelpastete
paniertes Fleisch, zubereitetes Hackfleisch (z.B.: Frikadellen, Tartar, Hamburger, Fleischpflanzerl, Bouletten), Fleischsalate, Aspik, Sülze, Corned beef, Leberwurst, Leberpastete, Leberparfait, Bratwurst; gekörnte Fleischbrühe
Geflügel und Fleisch, frisch oder tiefgekühlt, Putenbrust Geflügelerzeugnisse und Geflügelaufschnitt ohne Ei
Fleisch, frisch oder tiefgekühlt, ohne weitere Zutaten, Wurstsorten von Becel, Aufschnitt ohne Eia, Würstchen ohne Eia
Alle Milchprodukte (Milch, Sauermilch, Buttermilch, Milchpulver, Joghurtschlagcreme, Eiscreme, Sahne, Sauerrahm, Joghurt, Quark, Frischkäse, Käse Kakaogetränk etc.), Kakao aus reinem Kakaopulver; Milchshakea, Milchfertiggetränkea
Milch und Milchprodukte
Fleisch und Fleischwaren
G eeig nete e Lb ensmittel ensmittel Ug n eeig nete e Lb
8
eLb ensmittelau a w s lh
⊡ Tabelle 8.39. Ernährung bei der Hühnereielimination
314 Kapitel 8· Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Alle Sorten bei Verträglichkeit
Honig, Konfitüre, Carobcreme, Traubenzucker, selbst hergestellte Karamellbonbons, Fruchtgummia, Fruchtbonbonsa, hühnereifreies Eisa, Sorbeta
Auf Wunsch alle
Tee, Mineralwasser, Milch- und Milchgetränke, Malzkaffee, Kaffee
Nüsse und Samen
Süßwaren
Süßungsmittel
Getränke
a
Salatmarinaden ohne Eizusatz, Ketchupa
Zutatenliste beachten oder beim Hersteller nachfragen
Verschiedenes
Gewürze und Kräuter Alle Kräuter und milden Gewürze, Senfa
Alle Sorten, frisch, Tiefkühlkost oder Konserve
Alle Sorten
Alle Sorten, frisch, Tiefkühlkost oder Konserve
Gemüse
Obst
Alle Sorten, alle selbst hergestellten Kartoffelerzeugnisse ohne Ei (z. B. Pommes frites)
Kartoffeln
Hülsenfrüchte
Hühnereifreier Kuchena, Gebäcka, Keksea
Fertiggerichte, -suppen und -soßen, Pizza, Suppenkonserven, Würzpasten, Würzsoßen, gekörnte Brühe, Brühwürfel, Mayonnaise, Remouladen, Dressings, Feinkostsalate, Meerrettichzubereitungen
Keine
Fruchtsaftgetränke, Fruchtsäfte (wenn sie mit Ei geklärt wurden), Instant-Getränke, Kakaogetränkepulver, Ovomaltine, Wein, Likör (Eierlikör, Cremelikör)
Keine
Schokolade, Nougat, Pralinen, alle Süßwaren mit Schokolade und/oder Milchpulver, Karamellbonbons, Baiser, Schokoküsse, Schaumzuckerwaren, Weichlakritzwaren, Süßwaren mit Keksbestandteilen, Müsliriegel, Eis mit Eizusatz, diverse Puddings
Keine
Fertig zubereitete Obstgerichte, z. B. süße Aufläufe
Keine
Fertig zubereitete Gemüsegerichte, z. B. Pfannengemüse, Aufläufe, legierte Suppen
Kartoffelzubereitungen, wie Kartoffelgratin, Kroketten, Knödel, Kartoffelsalat mit Mayonnaise
Kuchen, Butterzopf, Backmischungen, Kekse, Torten, Biskuit, Waffeln, Backerbsen
Brot und Brötchen ohne Eia, einige Zwiebacksortena Brot- und Backwaren, süße Brötchen, Zwieback
Brot
Backwaren
8.9 · Kinder mit atopischen Erkrankungen 315
8
316
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Kuhmilcheliminationsdiät Definition. Diagnostische Eliminationsdiät oder gezielte therapeutische
Eliminationsdiät. Strikte Vermeidung von Kuhmilchprodukten (⊡ Tabelle 8.40).
Indikationen.
8
1. Diagnostische Eliminationsdiät bei Verdacht auf Kuhmilchallergie: a. Drei Tage bei Patienten mit Lebensmittelallergien ohne Ekzembeteiligung. b. Sieben bis zehn Tage bei Patienten mit Lebensmittelallergie mit atopischer Dermatitis. 2. Therapeutische Eliminationsdiät bei eindeutigem Nachweis (möglichst doppel-blind, placebokontrolliert) einer Kuhmilchallergie: – Die Diät ist begrenzt auf 1–2 Jahre. Eine Weiterführung der Diät ist nur erforderlich, wenn nach erneuter Provokation die klinische Aktualität der Allergie nachgewiesen worden ist. – Die Energie- und Nährstoffzusammensetzung sowie die Vitamin- und Mineralstoffversorgung und die Flüssigkeitszufuhr richten sich nach den altersentsprechenden Referenzwerten. ! Auf ausreichend biologisch hochwertige Eiweißquellen ist zu achten. Auf eine ausreichende Kalziumzufuhr ist zu achten. Es ist unbedingt notwendig, altersgerechte Kalziummengen notfalls über Substitution zuzuführen. Die Jodzufuhr ist bei einer gleichzeitig bestehenden Fischallergie zu beachten.
Therapeutische Diät Alle Nahrungsmittel, die durch eine entsprechende Diagnostik eine allergische Reaktion ausgelöst haben, werden in der therapeutischen Diät vermieden. Gleichzeitig werden Alternativen ausgewählt, die wichtige Inhaltsstoffe ersetzen, die durch die Vermeidung bestimmter Nahrungsmittel bzw. Nahrungsmittelgruppen verloren gehen, so dass sich eine individuelle und vollwertige Kost ergibt. Zur Therapie einer Kuhmilchallergie werden ausschließlich stark hydrolysierte Formulas (oder bei Unverträglichkeit Elementardiäten auf Aminosäurenbasis) empfohlen. Weiterführende Literatur bei (Müller 2003; Niggemann et al. 2000; Werfel u. Reese 2003).
Ersatzprodukte auf Sojabasis mit Kalzium angereichert, Säuglingsnahrung auf Sojabasis (ProSobee, Humana SL, Sojagen Plus, Milupa SOM, Multival Plus, Lactopriv)
Milch und Milchprodukte
Kuhmilch, Molke, Buttermilch, Kefir, Sahne, Kondensmilch, Milchmixgetränke, Kakaogetränke, Sauermilcherzeugnisse (z. B. Joghurt, Sauermilch, saure Sahne), alle Sorten Käse, Speisequark
Ungeeignete Lebensmittel
Alle Sorten Fleisch, frisch oder Tiefkühlkost, unpaniert, milchfreie Wurstsorten, Rohwursta, Rohschinkena, kalter Bratena
Pute und Huhn frisch, Tiefkühlkost oder geräuchert, Putenschinkena
Alle Sorten (nicht in Buttermilch eingelegt)
Fleisch und Fleischwaren
Geflügel und Geflügelerzeugnisse
Wild
Elementardiäten (Neocate, Pregomin AS)
In Buttermilch eingelegte Sorten, Wildpasteten
Geflügelpastete
Brühwurst (z. B. Bierschinken, Würstchen, Mortadella, Bockwurst, Bratwurst, Leberkäse, Fleischwurst), Kochwurst (Leberwurst), gekochter Schinken, Fleischsalate
Säuglingshydrolysatnahrung (Alfaré, Nutramigen, Pregesti- Säuglingsnahrung: herkömmliche Säuglingsmil, Pregomin) nahrung, Folgemilch, Säuglingshydrolysatnahrung: HA-Säuglingsnahrung (schwach hydrolysiert)
Geeignete Lebensmittel
Lebensmittelauswahl
⊡ Tabelle 8.40. Ernährung bei der Kuhmilchelimination
8.9 · Kinder mit atopischen Erkrankungen 317
8
Eiergerichte mit Kuhmilch (z. B. Rührei, Eierpfannkuchen) Butter, -schmalz, -fett, Halbfettbutter, Margarine mit Joghurtkulturen, Milcheiweiß oder Molke Knusper- und Schokomüsli, Müsli mit Milchpulver, Paniermehl Milchbrot und -brötchen, Buttermilchbrötchen, Rosinenbrötchen, Knäckebrot mit Milch
Alle Sorten frisch-, tiefgekühlter-, geräucherter Fisch
Alle Sorten
Milchfreie Margarinea, Speiseöle, Schmalz, Plattenfette
Getreide, -flocken, -mehle, -grieß, -stärke, Reiswaffeln, Cornflakesa, milchfreie Frühstückszerealien, Salzstangena, Popcorn
Brota, Brötchena, Knäckebrot ohne Milch, Zwieback
Kuchen(-teige) ohne Milch und Sahne
Kartoffelbreipulver mit Milch, Butter, Sahne, Alle Sorten, alle selbst hergestellten Zubereitungen ohne die Verwendung von Milch, Sahne und Butter (z. B. Pommes (Fertig-)Kartoffelgratin, -kroketten, -knödel, -bratkartoffeln frites)
Fisch und Fischerzeugnisse
Eier
Fette
Getreide und Getreideerzeugnisse
Brot
Backwaren
Kartoffeln
Sahnetorten, Schokoladenkuchen, Gebäck, Kekse, Butterkeks, Waffeln, Löffelbiskuit, Stollen
Fischerzeugnisse in Soßen und Marinaden, Feinkostfischsalate
Geeignete Lebensmittel Ungeeignete Lebensmittel
8
Lebensmittelauswahl
⊡ Tabelle 8.40 (Fortsetzung)
318 Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
a
Zutatenliste beachten oder beim Hersteller nachfragen
Mayonnaise (milchfrei), Remoulade (milchfrei), Ketchup (milchfrei)
Fertiggerichte (z. B. Pizza, Tütensuppen), Fertigsoßen, Würzsoßen, -pasten, Ketchup, Mayonnaise, Remouladen, Dressing, Feinkostsalate
Kuhmilch, Kakao, Fruchtsaftgetränke mit Molke, Instantgetränke
Keine
Verschiedenes
Getränke
Meerrettichsahne, Senf
Auf Wunsch alle
Tee, Mineralwasser, Malzkaffee, Kaffee, Fruchtsaft(-getränke)a, Kakaogetränke ohne Milchzusatz
Süßungsmittel
Schokolade, Pralinen, Nougat, Eiscreme, alle Süßwaren mit Schokolade oder Milch, Karamellbonbons, Weichlakritzwaren, Schokoküsse, Schokoladenaufstrich, Nuss-Nougat-Creme, Pudding (mit Schokostückchen), Fertigdesserts zum Kaltanrühren (Mousse), Cremepulver, Milchreis, Grießbrei
Gewürze und Kräu- Alle Kräuter und milde Gewürze, Senf (milchfrei) ter
Honig, Konfitüre, Fruchtgummi, Kaugummi, Blockschokolade, Carobtafel, Schokoreiswaffeln, Götterspeise, Fruchtkaltschalen, Grützen, Kompott, Sojadessert, Puddings und Soßen zubereitet mit verträglichem Milchersatz (z.B. Sojadrink), Frucht- und Wassereis
Süßwaren
Nussschokolade, Sesamriegela
Verfeinert mit Sahne oder als Milchshake
Alle Sorten
Alle Sorten bei Verträglichkeit
Obst
Nüsse und Samen
Hülsenfrüchte mit Milch, Butter oder Sahne zubereitet
Alle Sorten
Hülsenfrüchte
Gemüse mit Milch, Butter oder Sahne zubereitet
Alle Sorten
Gemüse
8.9 · Kinder mit atopischen Erkrankungen 319
8
320
8.9.2
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Diätfolgen
Ohne ausreichende Diagnostik sollten keine Diäten durchgeführt werden. Sie können das Kind sinnlos beeinträchtigen und zu erheblichen Mangelzuständen führen. Undifferenzierte Diäten entheben den Therapeuten ungerechtfertigt von der Verantwortung und verhindern sinnvolle Therapiemaßnahmen. So ist die Frage der Diät bzw. der Ernährung des Kindes bei einer Nahrungsmittelallergie eng verbunden mit der Frage der Fehlernährung, des normalen Wachstums und des Gedeihens des Kindes. Eine professionelle Beratung durch eine Ernährungsfachkraft ist daher unerlässlich.
8.10
8
Ernährung und (Leistungs-)Sport
S. Kluge, G. Strobel
8.10.1
Ernährung und Sport
Sport stellt eine besondere Herausforderung für den Organismus dar, auch für den kindlichen. Abhängig von der Art der sportlichen Aktivität werden die Kapazitäten, z. B. des Atmungssystems, des Herz-Kreislauf-Systems und der Energiebereitstellung, sowie die muskuläre Kraftentwicklung trainiert. Bei planvoller und wiederholter Durchführung kommt es zu Anpassungsprozessen mit verbesserter körperlicher Leistungsfähigkeit. Zudem dient Sport der Prävention zahlreicher Erkrankungen, wie Adipositas, Diabetes mellitus und Hypertonie. In Abhängigkeit der durchgeführten Sportarten stellt sportliche Aktivität besondere Anforderungen an die Nahrungszufuhr: zum einen an die Menge zugeführter Energieträger, zum anderen an die Zusammensetzung. Außerdem ist die Flüssigkeitszufuhr von besonderer Bedeutung. Nicht vergessen werden darf, dass im Laufe der Kindheit eine zunehmende Anpassung an die Ernährungsformen und -gewohnheiten im Erwachsenenalter stattfindet, eine wichtige Lebensphase, in der die Grundlagen für das spätere Essverhalten gelegt werden. Natürlich ist die Bedarfsdeckung mit allen wichtigen Nährstoffen bedeutsam, allerdings sollte eine abwechslungsreiche Lebensmittelauswahl im Vordergrund stehen.
321 8.10 · Ernährung und (Leistungs-)Sport
8.10.2
8
Energiebedarf und -bereitstellung
Eine adäquate Energiezufuhr ist für Kinder im Hinblick auf die Prävention von Über- bzw. Untergewicht von großer Bedeutung. Sportliche Aktivität steigert den täglichen Energieverbrauch. Wenngleich keine exakten Zahlen für Kinder vorliegen, so wird davon ausgegangen, dass Kinder beim Sport im Vergleich zu Erwachsenen relativ betrachtet mehr Energie verbrauchen. Ein 7-jähriges Kind würde beispielsweise für eine vergleichbare Belastung 25– 30% mehr Energie benötigen als ein Erwachsener, 8- bis 10-Jährige verbrauchen ca. 20–25% mehr Energie und 11- bis 14-Jährige ca. 10–15%. Diese geringere energetische Effizienz bei Kindern resultiert wahrscheinlich aus noch nicht hinreichend ausgebildeten koordinativen Fähigkeiten. Zusätzliche Muskelkontraktionen, z. B. eine unzureichende Abstimmung zwischen agonistisch und antagonistisch arbeitenden Muskelgruppen, »kosten« extra Energie. ⊡ Tabelle 8.41 gibt eine Übersicht bezüglich der Richtwerte für die durchschnittliche tägliche Energiezufuhr im Kindes- und Jugendalter. Als Kontrolle für eine adäquate Energieaufnahme dient das aktuelle Körpergewicht. Im Vergleich zu Erwachsenen verbrauchen Kinder während körperlicher Aktivität im Rahmen der Energiebereitstellung anteilig mehr Fett und weniger Kohlenhydrate. Dennoch gibt es keine Evidenz dafür, dass sportlich aktive Kinder deshalb anteilig mehr Fett mit der Nahrung aufnehmen sollten als weniger aktive. > Bei Sportarten mit einem bereits im Kindesalter hohen Trainingsaufwand sollten zur Sicherstellung einer ausreichenden Energieaufnahme häufiger kleine Mahlzeiten gegessen werden. Über die Getränkeaufnahme kann die Energieaufnahme zusätzlich gesteigert werden (Fruchtsäfte mit 100%igem Fruchtgehalt/frisch gepresste Säfte/Milch und Milchmixgetränke).
Proteine Die Aufnahme von Eiweiß spielt in der Wachstumsphase zur Entwicklung von Organen und Muskulatur eine zentrale Rolle. Daraus resultiert ein höherer Proteinbedarf im Vergleich zu Erwachsenen. Da der Körper im Gegensatz zu Fetten und Kohlenhydraten kein quantitativ bedeutsames Proteindepot besitzt, ist eine adäquate Proteinzufuhr wichtig. Bei erwachsenen Kraft- und
8
1.500
1.900
2.300
2.700
3.100
4 bis unter 7 Jahre
7 bis unter 10 Jahre
10 bis unter 13 Jahre
13 bis unter 15 Jahre
15 bis unter 19 Jahre
– Messungen fehlen
1.100
2.500
2.200
2.000
1.700
1.400
1.000
39
50
56
66
74
83
36
41
49
60
70
80
Weiblich
Männlich
Männlich
Weiblich
Geringe Aktivität [kcal/kg KG]
Energiezufuhr [kcal/Tag]
1 bis unter 4 Jahre
Altersgruppe
46
56
64
75
82
91
Männlich
43
47
55
68
78
88
Weiblich
Mittlere Aktivität [kcal/kg KG]
60
63
71
83
–
–
55
52
62
76
–
–
Männlich Weiblich
Hohe Aktivität [kcal/kg KG]
⊡ Tabelle 8.41. Richtwerte für die durchschnittliche tägliche Energiezufuhr bei normalgewichtigen Kindern und Jugendlichen. (Deutsche Gesellschaft für Ernährung 2000)
322 Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
323 8.10 · Ernährung und (Leistungs-)Sport
8
Ausdauersportlern wird ein bis zu 150% erhöhter Proteinbedarf diskutiert. Inwieweit ein solcher Mehrbedarf auch bei Kindern gültig ist, wurde bisher nicht wissenschaftlich untersucht. Ein besonderes Augenmerk auf eine ausreichende Proteinaufnahme sollte bei den Kindern gelegt werden, die in körpergewichtsrestriktiven Sportarten aktiv sind. Eine geringe Energieaufnahme kann auch zu Defiziten in der Proteinaufnahme führen.
Kohlenhydrate Die Kohlenhydratspeicher in Leber und Skelettmuskulatur betragen bei Kindern wie beim Erwachsenen etwa 10% des Lebergewichts und etwa 1,5% der Gesamtmuskelmasse. > Die Kohlenhydrate stellen den wichtigsten Energielieferanten für alle Sportarten dar, in denen die Belastungsdauer bis zur Erschöpfung zwischen 20 s und etwa 4 h liegt.
Die gespeicherten Kohlenhydratreserven stellen einen leistungslimitierenden Faktor bei Ausdauerbelastungen dar. Bei Hypoglykämie kommt es zu massiven Leistungsbeeinträchtigungen, die mit Konzentrationsverlust, Schwindel, Orientierungslosigkeit und sogar Bewusstlosigkeit einhergehen können. Es ist deshalb sowohl für das Training als auch im Wettkampf zu gewährleisten, dass die Kohlenhydratspeicher maximal gefüllt sind und während sportlicher Aktivität von mehr als 90 min eine ausreichende Kohlenhydratzufuhr während Belastung gewährleistet wird. > Daraus folgt, dass auch bei Kindern in der Basisernährung schon ungefähr 55% der Gesamtenergieaufnahme aus Kohlenhydraten gedeckt werden sollten. Bei hohen regelmäßigen Belastungsumfängen kann der Anteil auch höher liegen.
Fett Die Aufnahme an Fett sollte nach derzeitigen Empfehlungen auch bei Kindern im Bereich von 30% der Gesamtenergieaufnahme liegen. Heranwachsende mit einem sehr hohen Energieverbrauch können bis zu 35% ihrer Energie aus Fett beziehen. Von einer extrem fettarmen Lebensmittelauswahl ist abzuraten, da die Aufnahme fettlöslicher Vitamine und essenzieller Fettsäuren nicht mehr sichergestellt sein könnte.
324
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Vitamine Bei einer ausgewogenen Ernährung nehmen Kinder ausreichende Mengen an Vitaminen auf. Kritisch erscheint aber nach Ergebnissen der DONALD-Studie (Dortmund Nutritional and Anthropometric Longitudinally Designed Study) die Versorgung von Kindern mit Folsäure. Der Bedarf dieses Vitamins ist im Wachstum erhöht. Außerdem kann die Versorgung mit dem fettlöslichen Vitamin D unzureichend sein. Allerdings wird dieses Vitamin auch unter UV-Exposition in der Haut gebildet. Problematisch kann die Versorgung mit Vitaminen generell bei sehr einseitiger Ernährung und bei einer sehr geringen Nahrungsaufnahme sein. > Bislang gibt es keine eindeutigen Befunde für einen höheren Vitaminbedarf aufgrund von sportlicher Aktivität bei Kindern.
8
Wasser und Elektrolyte Wasser Bei Kindern ist besonders auf den Ausgleich des Flüssigkeitsverlustes zu achten. > Wegen der geringeren Zahl an Schweißdrüsen ist die Thermoregulation im Vergleich zu Erwachsenen beeinträchtigt und wird durch Flüssigkeitsverlust zusätzlich erschwert. Zudem ist Durst ein unzureichender Indikator für die Flüssigkeitssubstitution. Er meldet sich erst bei Flüssigkeitsverlusten von 1–2% des Körpergewichts. Flüssigkeit muss vor dem Durstgefühl aufgenommen werden.
Während eines Ausdauerlaufes über 30 min bei warmem Wetter verliert der Körper knapp 1% seines Körpergewichts als Schweiß. Nach 30-min-Belastung ist das Plasmavolumen um bis zu 5% erniedrigt. Bei länger dauernden Belastungen wird es immer schwieriger, die Flüssigkeitsverluste vollständig zu kompensieren. Kinder sollten deshalb bereits ab 30-min-Belastungsdauer während Belastung trinken. Dabei ist auf eine möglichst hohe Effizienz der Flüssigkeitszufuhr zu achten. In der Praxis wird oft zur Apfelsaftschorle gegriffen. Allerdings werden Fruchtsäfte zur Flüssigkeitssubstitution kontrovers diskutiert. Ein hoher Fruktoseanteil, wie z. B. in Apfelsaft, scheint nicht optimal für die Wasseraufnahme zu sein. Wegen seines hohen Glukoseanteils könnte Traubensaftschorle eine Alternative darstellen. Insgesamt haben Fruchtsaftschorlen einen zu geringen Natriumgehalt, der aber für die Wasser-
325 8.10 · Ernährung und (Leistungs-)Sport
8
aufnahme bedeutsam ist. Saftschorlen sollten deshalb – wenn bevorzugt – mit einem natriumreichen, stillen Mineralwasser gemischt werden. Empfehlenswerter als Fruchtsaftschorle sind sog. isotonische Kohlenhydratelektrolytgetränke. Mit diesen können 70% der aufgenommenen Flüssigkeit zurückbehalten werden; bei Mineralwasser sind es nur 64%.
Elektrolyte Der Ausgleich von Elektrolytverlusten unterscheidet sich bei sporttreibenden Kindern und Jugendlichen nicht wesentlich von dem Erwachsener. > Im Unterschied zum nichtsporttreibenden Kind oder Jugendlichen liegt aufgrund der Verluste über den Schweiß ein erhöhter Bedarf vor. Eine kalorisch ausgewogene Ernährung deckt diesen geringen Mehrbedarf jedoch in aller Regel.
Eine Supplementierung mit Mineralstoffen ist v. a. während lang dauernder Belastung mit erhöhten Flüssigkeitsverlusten sinnvoll. Hier ist allerdings lediglich Natrium zur Steigerung der Effizienz der Wasseraufnahme von Bedeutung. Weitere Elektrolyte, wie Kalium, Chlorid, Kalzium, Phosphat, können zwar zugesetzt werden, ein Ausgleich kann aber auch über die normale Nahrungsaufnahme nach Belastung erfolgen. Insbesondere Magnesium wird gelegentlich in höheren Mengen substituiert. Dies scheint nach neuem Kenntnisstand nicht notwendig, wenn Kohlenhydrate in ausreichender Menge zugeführt werden. Für das Spurenelement Eisen gilt, dass sich ein Mangel in erster Linie in Sportarten findet, in denen ein niedriges Körpergewicht die Leistung positiv beeinflusst und/oder Sporttreibende sich vegetarisch ernähren. Wegen der Menstruation sind besonders weibliche Jugendliche betroffen. Sport an sich führt zu keinem merklich erhöhten Bedarf an Eisen. Weder in Schweiß, Urin noch Stuhl werden deutliche Mengen an Eisen ausgeschieden. Der Kalziumbedarf wird durch sportliche Aktivität mit Ausnahme der geringen Verluste über den Schweiß nicht beeinflusst. Eine Supplementierung ist daher bei ausgewogener Ernährung nicht notwendig, zumal mittlerweile in vielen Lebensmitteln Kalzium zugesetzt wird. Die Kombination aus Sport und ausreichender Kalziumaufnahme unterstützt die Knochenmineralisierung. Insbesondere Sportarten mit hoher Kraftkomponente, aber auch Laufen, sind besonders geeignet. Diese präventive Maßnahme ist auch schon im Kindes- und Jugendalter sinnvoll. Sie sorgt dafür, dass die ab etwa dem 30. Le-
326
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
bensjahr beginnende Abnahme der Knochendichte auf höherem Ausgangsniveau startet.
Supplemente Sowohl unter physiologischen als auch leistungssportlichen Gesichtspunkten ist eine Supplementierung mit Einzelsubstanzen oder Kombinationspräparaten zur Leistungssteigerung sehr umstritten. Einzig Kreatin scheint positive Effekte hinsichtlich der Kraft- und Schnelligkeitsentwicklung zu besitzen. Diese Aussagen gelten für Erwachsene. Für Kinder liegen bisher kaum Daten vor. Nur eine Studie hat die Supplementierung von Kreatin untersucht. Sie findet bei Kindern weder Veränderungen auf physiologischer noch auch auf Leistungsebene.
8
8.10.3
Praktische Hinweise
Für die Praxis verfolgen wir das vom Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund entwickelte Mahlzeitenkonzept der »optimierten Mischkost« und möchten auf spezielle Gesichtspunkte im Zusammenhang mit Sport hinweisen. Einen Überblick über wichtige Empfehlungen gibt ⊡ Tabelle 8.42. Eine Sicherstellung ausreichender Nährstoffzufuhr kann dadurch gewährleistet werden. ⊡ Tabelle 8.43 gibt eine Übersicht zu Lebensmittelverzehrmengen im Rahmen der optimalen Mischkost. Die aufgeführten Lebensmittelmengen sind bei gesteigerter sportlicher Aktivität individuell zu erhöhen. Es sollten v. a. Lebensmittel aus der Rubrik »reichlich« verzehrt werden. Dadurch wird der Mehrbedarf an Kohlenhydraten gedeckt.
Proteine > Die empfohlene tägliche Zufuhr an Eiweiß variiert nach Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zwischen 1,2 g/kg KG im Kleinkindalter (1–3 Jahre) bis ca. 1,0 g/kg KG in der Pubertät.
Zur Deckung des täglichen Eiweißbedarfes nehmen v. a. Milchprodukte sowie Fleisch und Fisch, aber auch Hülsenfrüchte und andere pflanzliche Lebensmittel eine zentrale Stellung ein.
327 8.10 · Ernährung und (Leistungs-)Sport
⊡ Tabelle 8.42. Essen im Überblick
Basisernährung (→ »Optimierte Mischkost«a)
Vor und während Nach körperlicher körperlicher Aktivität Aktivität
Zwei kalte Mahlzeiten
2–3 h zuvor letzte größere Mahlzeit (leicht verdaulich: Nudeln, Reis, Gemüse…; Müsli)
in den ersten beiden Stunden möglichst kohlenhydratreich essen: Nudeln/Reis/Kartoffeln mit Gemüse und Fleisch/ Fisch oder Milchprodukte, alternativ Brot /Obst/ Müsli Milchprodukte
(Früh/abends) Brot- oder Müslimahlzeiten, Vollkornbrot oder -flocken, fettarme Milch und Milchprodukte, Obst oder Rohkost, wenig Aufstrich, magere Wurst oder Käse Eine warme Mahlzeit
Evtl. ca. 30–60 min zuvor ein Snack (Banane, Müsliriegel, fettarm belegtes Brot)
(In der Regel mittags) Kartoffeln/Naturreis/Vollkornnudeln und Gemüse (gekocht, als Salat) als Basis. Dazu 2- bis 3-mal/Woche eine kleine Fleischportion, 1-mal/Woche Fisch, 1- bis 2-mal/Woche vegetarische Mahlzeit, auch mal Hülsenfrüchte Zwei Zwischenmahlzeiten
Bei Belastungen deutlich >60 min evtl. einen kleinen Snack zwischendurch (Banane, Fruchtschnitte...)
(Vormittags/nachmittags) Brot oder Müsli ergänzt mit Obst oder Rohkost und/oder Milchprodukten. Ab und zu Kuchen, Kekse und Süßigkeiten a
Mahlzeitenkonzept des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund
8
328
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
⊡ Tabelle 8.43. Lebensmittelverzehrmengen im Rahmen der »optimierten Mischkost«
Alter [Jahre] 1
2–3
4–6
7–9
10–12
13–14
15–18
Obst
100
120
180
200
230
250
300
Gemüse
100
120
180
200
230
250
300
Brot/Getreide
80
120
170
200
250
280
300
Kartoffeln/Nudeln/Reis
80
100
120
140
180
200
250
Getränke
600
700
800
900
1.000
1.200
1.400
Reichlich
Ausreichend
8
Milch/Milchprodukte
300
330
350
400
420
450
500
Fleisch/Wursta
40
50
60
70
80
90
90
Fisch [g/Woche]
50
70
100
150
180
200
200
Eier [Stück/Woche]
1–2
1–2
2
2
2–3
3
3
Öl/Margarine/ Butter
10
15
20
25
30
30
35
Kuchen/Süßigkeiten
<50
<50
<50
<50
<50
<80
<80
Marmelade/Zucker
<10
<10
<10
<10
<10
<20
<20
Sparsam
Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich alle Angaben auf [g/Tag] Die Menge kann auch auf 2–3 Portionen/Woche verteilt werden, Wurst sollte anteilig weniger gegessen werden
a
> Nahrungsergänzungen, wie Proteinkonzentrate, Aminosäurenpräparate oder -derivate erscheinen nach derzeitigem Kenntnisstand für gesunde sporttreibende Kinder aus leistungssportlicher Sicht nicht notwendig und aus medizinischer Sicht wegen der Gefahr kurzzeitiger Aminosäurenimbalancen nicht indiziert. Auch mögliche langfristige Auswirkungen sind unklar.
Kohlenhydrate Zur Deckung des Kohlenhydratbedarfes sind v. a. stärkereiche Vollkornprodukte, wie Vollkorngetreideflocken, -brot, -nudeln und Naturreis sowie Kartoffeln zu bevorzugen. Ebenfalls sehr wichtig, ist ein reichlicher Gemüse-
329 8.10 · Ernährung und (Leistungs-)Sport
8
und Obstverzehr. Diese Lebensmittel tragen außerdem zu einer adäquaten Ballaststoffaufnahme bei. > Bei einer ballaststoffreichen Lebensmittelwahl ist auf eine höhere Trinkmenge zu achten, da Ballaststoffe die Wasserretention im Kolon erhöhen.
Zwar verbrauchen Kinder während körperlicher Aktivität im Vergleich zu Erwachsenen anteilig mehr Fett und weniger Kohlenhydrate, dennoch sollten ▬ vor und evtl. auch während – je nach Dauer der Belastung – und nach Training/Wettkampf kohlenhydratreiche Lebensmittel (⊡ Tabelle 8.42) und/oder ▬ kohlenhydrathaltige Getränke (⊡ Tabelle 8.44) aufgenommen werden. ▬ Kekse und v. a. Schokoriegel sollten wegen des häufig hohen Fettgehaltes nicht gegessen werden. Nach der Belastung ist die Aufnahme von kohlenhydratreichen Lebensmitteln wichtig, um die entleerten Glykogenspeicher möglichst schnell wieder aufzufüllen. In der Praxis ist es sinnvoll, verschiedene Kohlenhydratlieferanten vor und während Belastung vom Kind ausprobieren zu lassen – auch in unterschiedlichen Mengen – und nach den jeweiligen Effekten und Verträglichkeiten des Kindes bevorzugte »Sportsnacks« auszuwählen. > Im Training sollte auch immer die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme mit trainiert werden, um den Körper daran zu gewöhnen.
Fett > Die Aufnahme an Fetten sollte 30% bis maximal 35% der Gesamtenergiezufuhr nicht überschreiten. Grundsätzlich sind pflanzliche Fette und Öle – besonders empfehlenswert ist Rapsöl – sowie fettreiche Kaltwasserfische, wie Hering, Makrele und Lachs, mit einem hohen Anteil an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren zu bevorzugen.
Der Verzehr gesättigter Fettsäuren, die vornehmlich in tierischen Fetten, aber auch in Kokosfett vorkommen, sollte dagegen gering ausfallen. Auch sog. gehärtete Fette, die in zahlreichen Fertigprodukten, aber auch in Keksen, zu finden sind, sollten so selten wie möglich verzehrt werden. Außerdem ist darauf zu achten, Produkte zu bevorzugen, die ungehärtete Fette enthalten.
330
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Vitamine Folsäure Zur Deckung des Bedarfes sollten Lebensmittel, wie Weizenkeime, Sojabohnen, Kohlgemüse, Spinat, Tomaten, Gurken, Kräuter, Orangen, Weintrauben, Vollkornprodukte, regelmäßig gegessen werden.
Vitamin D Vitamin D kommt in Milchprodukten und v. a. in fettreichen Kaltwasserfischen (Hering, Makrele, Lachs) vor. Allerdings wird dieses Vitamin auch unter UV-Exposition in der Haut gebildet.
Wasser und Elektrolyte Wasser
8
Empfehlungen zur Flüssigkeitsaufnahme vor, während und nach Belastung sind in ⊡ Tabelle 8.44 zusammengefasst.
Elektrolyte Natrium (im Sportgetränk). Die Konzentration von Natrium sollte bei 200 mg/l
(etwa eine Messerpitze) liegen.
⊡ Tabelle 8.44. Empfehlungen zur Flüssigkeitssubstitution vor, während und nach körperlicher Aktivität
Flüssigkeitszufuhr
Empfehlungen
Vor Belastung
0,5 l elektrolythaltige Flüssigkeit, etwa 1 h vor dem Wettkampf (Traubensaftschorle 1:1 bis 1:2 mit natriumreichem, stillem Wasser)
Während Belastung
Die Flüssigkeit soll mehrmals (max. alle 15 min) in kleinen Mengen (ca. 50–150 ml) zu sich genommen werden Die Trinktemperatur sollte geringfügig unterhalb der Umgebungstemperatur liegen. Keine kalten Getränke! Neben Wasser sollten auch Kohlenhydrate (30–60 g/l) und Natrium enthalten sein (Beispiel oben: Traubensaftschorle)
Nach Belastung
Der mögliche Wasserverlust sollte schnell ausgeglichen werden (regelmäßig kleine Mengen) Kohlenhydrate sollten dem Getränk beigefügt sein, um die Kohlenhydratspeicher in Leber und Skelettmuskulatur wieder aufzufüllen
331 8.10 · Ernährung und (Leistungs-)Sport
8
Sonstige Elektrolyte. Die Aufnahme von Kalium, Chlorid, Kalzium, Phosphat und Magnesium kann über die normale Nahrungsaufnahme nach Belastung erfolgen. Anders ist die Situation in Sportarten, in denen häufig die Energiezufuhr gering gehalten wird, wie z. B. bei Turnern und rhythmischen Sportgymnastinnen. Da diese Sportarten bereits im Kindesalter leistungssportlich betrieben werden, ist hier generell stärker auf eine ausreichende Zufuhr und ggf. Substitution zu achten. Eisen. Auch für Eisen gilt, dass sich ein Eisenmangel in erster Linie in Sportarten findet, in denen ein niedriges Körpergewicht die Leistung positiv beeinflusst. Darüber hinaus sind besonders weibliche Jugendliche betroffen. Bei weiblichen im Vergleich zu männlichen Jugendlichen ist der Eisenbedarf erhöht (männliche Jugendliche 12 mg/Tag, weibliche Jugendliche 15 mg/ Tag). Eisenreich sind dunkles Fleisch, Fisch, Ei, Hirse, Vollkornhaferflocken, gekochter Spinat, Trockenfrüchte, wie Aprikosen, Datteln, Pflaumen(-saft). Zudem wird die Resorptionsrate für Eisen gesteigert, wenn dieses zusammen mit Vitamin-C-haltigen Lebensmitteln aufgenommen wird (z. B. Orangensaft). Kalzium. Die Empfehlungen zur Kalziumaufnahme liegen bei 800 mg/Tag für Kinder im Alter zwischen 1–11 Jahren und bei 1.200 mg/Tag für Jugendliche und junge Erwachsene. Kalziumreiche Lebensmittel sind v. a. Milch und Milchprodukte, aber auch grüne Gemüsesorten und Sojabohnen. Zudem kann ein kalziumreiches Mineralwasser (>100 mg/l) zur Kalziumaufnahme beitragen.
Supplemente Es liegen bis dato keine oder nur unzureichende Daten zu Wirkungen und Nebenwirkungen von Supplementierung bei Kindern im Sport vor. Zum einen sind bei ausgewogener Ernährung keine leistungssteigernden Effekte belegt, zum anderen können Supplemente bei Kindern (und Erwachsenen) ein falsches Sicherheitsgefühl bewirken; hierdurch könnten schlechte Essgewohnheiten legitimiert werden. Insbesondere Langzeiteffekte von Supplementgaben, z. B. Vitamine in einem hohen Dosierungsbereich ohne medizinische Indikation, sind bisher unklar und möglicherweise mit Schäden verbunden.
332
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
> Von einer Einnahme von Supplementen ist bei Kindern abzusehen.
Fazit Junge Athleten sollten 12–15% ihrer Energieaufnahme aus Protein decken, mindestens 55% aus Kohlenhydraten und 30% aus Fett Junge Athleten sollten auf eine regelmäßige Flüssigkeitsaufnahme vor, während und nach körperlicher Aktivität achten Kritische Nährstoffe, bei denen bei körperlich aktiven Kinder besonders auf eine adäquate Zufuhr geachtet werden sollte, sind: Kohlenhydrate (inklusive Ballaststoffe), Vitamin B6, Vitamin D, Eisen, Kalzium, Magnesium Nahrungsergänzungen (Supplemente) sind bei einer ausgewogenen Ernährung nicht nötig
8 Literatur Acosta PB (1995) Nutrition support of maternal phenylketonuria. Semin Perinatol 19: 182– 190 Adam O (2003) Dietary fatty acids and immune reactions in synovial tissue. Eur J Med Res 8: 381–387 Aggett PJ, Agostoni C, Goulet O et al. (2002) Antireflux or antiregurgitation milk products for infants and young children: a commentary by the ESPGHAN Committee of nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 34: 496–498 Alderson P, Schierhout G, Roberts I, Bunn F (2002) Colloids versus crystalloids for fluid resuscitation in critically ill patients (review). Cochrane Database Syst Rev: CD 001208 Alpigiani MG, Ravera G, Buzzanca C, Devescovi R, Fiore P, Iester A (1996) The use of n-3 fatty acids in chronic juvenile arthritis. Pediatr Med Chir 18: 387–390 American Academy of Pediatrics Committee on Nutrition (1985) Nutritional needs of lowbirth-weight infants. Pediatrics 75: 976–986 American Academy of Pediatrics, Committee on Nutrition (1998) Pediatric nutrition handbook, 4th edn. Elk Grove Village, Illinois, pp 325–332 Andresen BS, Bross P, Udvari S et al. (1997) The molecular basis of medium-chain acyl-CoA dehydrogenase (MCAD) deficiency in compound heterozygous patients: is there correlation between genotype and phenotype? Hum Mol Genet 6: 695–707 Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (2003) Leitlinien der Deutschen Adipositas Gesellschaft. http://www.a-g-a.de/modules/Leitlinie/Leitlinie.pdf. Gesehen August 2004 Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diätetik (APD) (2001) Nährwerttabelle für die Ernährung bei angeborenen Störungen des Aminosäurenstoffwechsels, 5. Aufl. Fa. SHS, Heilbronn
333 Literatur
8
Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Stoffwechselstörungen (APS) (1997) Therapie von Patienten mit Phenylketonurie. Monatsschr Kinderheilkd 145: 961–962 Arteaga-Vizcaino M, Espinoza-Holguin M, Torres-Guerra E et al. (2001) Efecto de la vitamina K oral e intramuscular sobre los factores II, VII, IX, X y PIVKA II en el recien nacido hasta los 60 dias de edad. Relacion con la alimentacion. Rev Med Chil 129: 1121–1129 Baker H, Frank O, Thomson AD, Langer A, Munves ED, Angelis B de, Kaminetzky HA (1975) Vitamin profile of 174 mothers and newborns at parturition. Am J Clin Nutr 28: 59–65 Bar-Or O (2000) Nutrition for child and adolescent athletes. Sports Science Exchange/Gatorade Sports Science Institute, Vol. 13, Nr. 2 Baumgartner ER, Suormala T, Wick H, Bausch J, Bonjour J-P (1985) Biotinidase deficiency: factors responsible for the increased biotin requirement. J Inherit Metab Dis 8 [Suppl 1]: 59–64 Baydas G, Karatas F, Gursu MF, Bozkurt HA, Ilhan N, Yasar A, Canatan H (2002) Antioxidant vitamin levels in term and preterm infants and their relation to maternal vitamin status. Arch Med Res 33: 276–280 Bennegard K, Lundgren F, Lundholm K (1986) Mechanisms of insulin resistance in cancer associated malnutrition. Clin Physiol6: 539–547 Berg A von, Koletzko S, Grübl A et al. (2003) The effect of hydrolyzed cow’s milk formula for allergy prevention in the first year of life: the German Infant Nutritional Intervention Study, a randomized double-blind trial. . J Allergy Clin Immunol 111: 533–540 Bernardi JL, Goulart AL, Amancio OM (2003) Growth and energy and protein intake of preterm newborns in the first year of gestation-corrected age. Sao Paulo Med J 121: 5–8 Berry FA (1997) Fluid and electrolyte therapy in paediatrics. ASA Annual Refresher Course Lecture 166: 1–7 Berry GT, Nissim I, Lin Z, Mazur AT, Gibson JB, Segal S (1995) Endogenous synthesis of galactose in normal men and patients with hereditary galactosemia. Lancet 346: 1073–1074 Blau N (1996) The hyperphenylalaninemias. A differential diagnosis and international database of tetrahydrobiopterin deficiencies. Tectum, Marburg Bock SA, Sampson HA, Atkins FM (1988) Double-blind, placebo-controlled food challenge (DBPCFC)as an official procedure: a manual. J Allergy Clin Immunol 82: 986–997 Bremer HJ, Mönch E, Przyrembel H (1995) Eiweißzufuhr von Patienten mit Phenylketonurie. Monatsschr Kinderheilkd 143: 548–549 Brik R, Keidar Z, Schapira D, Israel O (1998) Bone mineral density and turnover in children with systemic juvenile chronic arthritis. J Rheumatol 25: 990–992 Bronner F, Salle BL, Putet G, Rigo J, Senterre J (1992) Net calcium absorption in premature infants: results of 103 metabolic balance studies. Am J Clin Nutr 56: 1037–1044 Brusilow SW, Horwich AL (2001) Urea cycle enzymes. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic and molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 1909–1963 Budd MA, Tanaka KR, Holmes LB, Efron ML, Crawford JD, Isselbacher KJ (1967) Isovaleric acidemia: clinical feature of a new genetic defect of leucine metabolism. N Engl J Med 277: 321–327 Bunn F, Alderson P, Hawkins V (2003) Colloid solution.s for fluid resuscitation (review). Cochrane Database Syst Rev: CD 001319
334
8
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Burchardi H, Larsen R, Schuster HP, Suter PM (Hrsg) (2004) Die Intensivmedizin, 9. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York Burks AW, Mallory SB, Williams LW, Shirrell MA (1988) Atopic dermatitis: clinical relevance of food hypersensitivity reactions. J Pediatr 113: 447–451 Burlina AB, Ferrari V, Dionisi-Vici C, Bordugo A, Zacchello F, Tuchman M (1992) Allopurinol challenge test in children. J Inherit Metab Dis 15: 707–712 Burt BA (1999) The case for eliminating the use of dietary fluoride supplements for young children. J Public Health Dent 59: 269–274 Busquets C, Coll MJ, Christensen E, Campistol J, Clusellas N, Vilaseca MA, Ribs A (1998) Feasibility of molecular prenatal diagnosis of glutaric aciduria type I in chorionic villi. J Inherit Metab Dis 21: 243–246 Butte NF, Garza C, Johnson CA, Smith EO, Nichols BL (1984) Longitudinal changes in milk composition of mothers delivering preterm and term infants. Early Hum Dev 9: 153–162 Campbell AG, Rosenberg LE, Snodgrass PJ, Nuzum CT (1973) Ornithine transcarbamylase deficiency: a cause of lethal neonatal hyperammonemia in males. N Engl J Med 288: 1–6 Carnielli VP, Luijendijk IH, Goudoever JB van, Sulkers EJ, Boerlage AA, Degenhart HJ, Sauer PJ (1996) Structural position and amount of palmitic acid in infant formulas: effects on fat, fatty acid, and mineral balance. J Pediatr Gastroenterol Nutr 23: 553–560 Carpenter K, Wiley V, Sim KG, Heath D, Wilcken B (2001) Evaluation of newborn child screening for medium chain acyl CoA dehydrogenase deficiency in 275,000 babies. Arch Dis Fetal Neonatal Ed 85: F105–109 Carpenter KH, Potter M, Hammond JW, Wilcken B (1996) Benign persistent orotic aciduria and the possibility of misdiagnosis of OTC deficiency (abstract). J Inherit Metab Dis 19 [Suppl 1]: 1 Casadevall N (2003) Pure red cell aplasia and anti-erythropoietin antibodies in patients treated with epoetin. Nephrol Dial Transplant 18 [Suppl 8] 37–41 Cassidy JT, Hillman LS (1997) Abnormalities in skeletal growth in children with juvenile rheumatoid arthritis. Rheum Dis Clin North Am 23:499-522 Ceglarek U, Müller P, Stach B, Bührdel P, Schindler I, Thiery J, Kiess W (2002) Einführung der Tandem-Massenspektrometrie. Arztebl Sachsen 1/2002: 19–21 Celiker R, Bal S, Bakkaloglu A et al. (2003) Factors playing a role in the development of decreased bone mineral density in juvenile chronic arthritis. Rheumatol Int 23: 127–129 Chaud DM, Hil rio MO, Yanaguibashi G, Amancio OM (2003) Dietetic and anthropometric assessment in juvenile rheumatoid arthritis patients. Rev Assoc Med Bras 49: 181–184 Christensen ML, Hancock ML, Gattuso J, Hurwitz CA, Smith C, McCormick J, Mirro J Jr (1993) Parenteral nutrition associated with increased infection rate in children with cancer. Cancer 72: 2732–2738 Chuang DT, Shih VE (2001) Disorders of branched chain amino acid and keto acid metabolism. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) Metabolic and molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 1971–2005 Clayton BE, Jenkins P, Round JM (1980) Pediatric chemical pathology – Clinical tests and reference range. Blackwell, Oxford [ auch Dörner K (1990) Ausgewählte allgemeine Referenzwerte. In: Bachmann K-D, Ewerbeck W, Kleinhauer E, Rossi E, Stadler G (Hrsg) Pädiatrie in Praxis und Klinik, Bd. III. Fischer & Thieme, Stuttgart, S 1163 ff ]
335 Literatur
8
Cole H, Weremowicz S, Morton CC, Wolf B (1994) Localization of serum biotinidase (BTD) to human chromosome 3 in band p25. Genomics 22: 662–663 Congdon PJ, Horsman A, Ryan SW, Truscott JG, Durward H (1990) Spontaneous resolution of bone mineral depletion in preterm infants. Arch Dis Child 65: 1038–1042 Cornblath M, Hawdon JM, Williams AF, Aynsley-Green A, Ward-Platt MP, Schwartz R, Kalhan SC (2000) Controversies regarding definition of neonatal hypoglycemia: suggested operational thresholds. Pediatrics 105: 1141–1145 Cowan MJ, Wara DW, Packman S, Ammann AJ, Yoshino M, Sweetman L, Nyhan WL (1979) Multiple biotin-dependent carboxylase deficiencies associated with defects in T-cell and B-cell immunity. Lancet II: 115–118 Crespo JF, Pascual C, Burks AW, Helm RM, Esteban MM (1995) Frequency of food allergy in a pediatric population from Spain. Pediatr Allergy Immunol 6: 39–43 Daaboul J, Sanderson S, Kristensen K, Kitson H (1997) Vitamin D deficiency in pregnant and breast-feeding women and their infants. J Perinatol 17: 10–14 Delaney BC, Moayyedi P, Forman D (2003) Initial management strategies for dyspepsia. Cochrane Database Syst Rev, CD001961 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) (1991) Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr, 5. überarb. Aufl. Umschau, Frankfurt Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) (2000) Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, 1. Aufl. Umschau/Brauns, Frankfurt aM Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie u. a. (Hrsg) (2003) Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter, 2. überarb. Aufl. Deutscher Ärzte-Verlag, ISBN: 3–7691–0421–8 Didi M, Didcock E, Davies HA, Ogilvy-Stuart AL, Wales JK, Shalet SM (1995) High incidence of obesity in young adults after treatment of acute lymphoblastic leukemia in childhood. J Pediatr 127: 63–67 Divry P, David M, Gregersen N et al. (1983) Dicarboxylic aciduria due to medium chain acyl CoA dehydrogenase defect. A cause of hypoglycemia in childhood. Acta Paediatr Scand 72: 943–949 Dixon AM, Leonard JV (1992) Intercurrent illness in inborn errors of intermediary metabolism. Arch Dis Child 67: 1387–1391 Donaldson SS, Wesley MN, Wys WD de, Suskind RM, Jaffe N, Eys J van (1981) A study of the nutritional status of pediatric cancer patients. Am J Dis Child 135: 1107–1112 Dupuis LL, Koren G, Silverman ED, Laxer RM (1995) Influence of food on the bioavailability of oral methotrexate in children. J Rheumatol 22: 1570–1573 Dyer CA, Kendler A, Philibotte T, Gardiner P, Cruz J, Levy HL (1996) Evidence for central nervous system glial cell plasticity in phenylketonuria. J Neuropathol Exp Neurol 55: 795–814 Ede AE van, Laan RF, Blom HJ et al. (2002) Homocysteine and folate status in methotrexatetreated patients with rheumatoid arthritis. Rheumatology 41: 658–665 Ehrenkranz RA (1989). Nutritional needs of the preterm infant. In: Tsang RC, Lucas A, Uauy R, Zlotkin S (eds) Nutritional needs of the preterm infant. Williams & Wilkins, Baltimore, pp 177–194 Ehrenkranz RA, Ackerman BA, Nelli CM, Janghorbani M (1985) Absorption of calcium in premature infants as measured with a stable isotope 46Ca extrinsic tag. Pediatr Res 19: 178–184
336
8
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Elsas LJ, Acosta PB (1999) Nutritional support of inherited metabolic disease. In: Shils ME, Olson JA, Shike M, Ross AC (eds) Modern nutrition in health and disease, 9th edn. Lea & Febiger, Philadelphia, pp 1003–1056 Elsas LJ, Lai K (1998) The molecular biology of galactosemia. Genet Med 1: 40–48 Falcao MC, Tannuri U (2002) Nutrition for the pediatric surgical patient: approach in the perioperative period. Rev Hosp Clin Fac Med Sao Paulo 57: 299–308 Falcini F, Ferrari R, Simonini G, Calabri GB, Pazzaglia A, Lionetti P (1999) Recurrent monoarthritis in an 11-year-old boy with occult coeliac disease. Successful and stable remission after gluten-free diet. Clin Exp Rheumatol 17: 509–511 Finkelstein JE, Hauser ER, Leonard CO, Brusilow SW (1990) Late onset ornithine transcarbamylase deficiency in male patients. J Pediatr 117: 897–902 Flancbaum L, Choban PS, Sambucco S, Verducci J, Burge JC (1999) Comparison of indirect calorimetry, the Fick method, and prediction equations in estimating the energy requirements of critically ill patients. Am J Clin Nutr 69: 461–466 Food and Drug Administration (1985) Rules and regulations. Nutrient requirements for infant formulas. Fed Reg 50: 45106–45108 Francois B, Jaeken J, Gillis P (1990) Vigabatrin in the treatment of glutaric aciduria type I. J Inherit Metab Dis 13: 352–354 Fujimoto A, Okano Y, Miyagi T, Isshiki G, Oura T (2000) Quantitative Beutler test for newborn mass screening of galactosemia using a fluorometric microplate reader. Clin Chem 46: 806–810 Fusch C, Jochum F (2004) Water, sodium, potassium, and chloride. In: Tsang RC, Lucas A, Uauy R, Zlotkin S (eds) Nutritional needs of the preterm infant. Wiliams & Wilkins, Baltimore (in press) Gartner LM, Greer FR (2003) Prevention of rickets and vitamin D deficiency: new guidelines for vitamin D intake. Pediatrics 111: 908–910 Gibson MK, Elpeleg ON, Wappner RS (1996) Disorders of leucine metabolism. In: Blau N, Duran M, Blaskovics M (eds) Physician‘s guide to the laboratory diagnosis of metabolic diseases. Chapman & Hall, London, pp 125–144 Gitzelmann R (1995) Galactose-1-phosphate in the pathophysiology of galactosemia. Eur J Pediatr 154 [7 Suppl 2]: 45–49 Gitzelmann R (2000) Disorders of galactose metabolism. In: Fernandes J, Saudubray J-M, Berghe G van den (eds) Inborn metabolic diseases, 3rd edn. Springer, Berlin Heidelberg New York, pp 103–109 Gitzelmann R, Arbenz UV, Willi UV (1992) Hypergalactosaemia and portosystemic encephalopathy due to persistence of ductus venosus Arantii. Eur J Pediatr 151: 564–568 Goodman SI, Frerman FE (1995) Organic acidemias due to defect in lysine oxidation: 2-ketoadipic acidemia and glutaric acidemia. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic and molecular bases of inherited disease, 7th edn. McGraw-Hill, New York, pp 1451–1460 Goodman SI, Markey SP, Moe PG, Miles BS, Teng CC (1975) Glutaric aciduria: a »new« disorder of amino acid metabolism. Biochem Med 12: 12–21 Gouyon JB, Semama D, Prevot A, Desgres J (1996) Removal of branched-chain amino acids and alpha-ketoisocaproate by haemofiltration and haemodiafiltration. J Inherit Metab Dis 19: 610–620
337 Literatur
8
Greene HL, Smith LJ (1993) Watersoluble vitamins. In: Tsang RC, Lucas A, Uauy R, Zlotkin S (eds) Nutritional needs of the preterm infant. Williams & Wilkins, Baltimore Greene HL, Hambidge KM, Schanler R, Tsang RC (1988) Guidelines for the use of vitamins, trace elements, calcium, magnesium, and phosphorus in infants and children receiving total parenteral nutrition: report of the Subcommittee on Pediatric Parenteral Nutrient Requirements from the Committee on Clinical Practice. Issues of the American Society for clinical nutrition. Am J Clin Nutr 48:1324–1342 Greene P (1992) Baclofen in the treatment of dystonia. Clin Neuropharmacol 15: 276–288 Greer FR (1989) Calcium, phosphorus, and magnesium: how much is too much for infant formulas? J Nutr 119: 1846–1851 Greer FR (1995) Vitamin K deficiency and hemorrhage in infancy. Clin Perinatol 22: 759– 777 Greer FR (2000) Vitamin metabolism and requirements in the micropremie. Clin Perinatol 27: 95–118 Greer FR (2001) Are breast-fed infants vitamin K deficient? Adv Exp Med Biol 501: 391–395 Greer FR, McCormick A (1988) Improved bone mineralization and growth in premature infants fed fortified own mother‘s milk. J Pediatr 112: 961–969 Griffiths P, Ward N, Harvie A, Cockburn F (1998) Neuropsychological outcome of experimental manipulation of phenylalanine intake in treated phenylketonuria. J Inherit Metab Dis 21:29–38 Gross SJ (1993) Vitamin E. In: Tsang RC, Lucas A, Uauy R, Zlotkin S (eds) Nutritional needs of the preterm infant. Williams & Wilkins, Baltimore Hackl JM (1999) Leitfaden Künstliche Ernährung, 3. Aufl. Zuckschwerdt, Germering bei München Hanawa Y (1992) Vitamin K deficiency in infancy: the Japanese experience. Acta Paediatr Jpn 34: 107–116 Hardin TC (1993) Cytokine mediators of malnutrition: clinical implications. Nutr Clin Pract 8: 55–59 Haworth JC, Booth FA, Chudley AE et al. (1991) Phenotypic variability in glutaric aciduria type I: report of fourteen cases in five Canadian Indian kindreds. J Pediatr 118: 52–58 Hebebrand J (2002) Essstörungen. In: Dörr H-G, Rascher W (Hrsg) Praxisbuch Jugendmedizin. Urban & Fischer, München, S 259–269 Helgeland M, Svendsen E, Forre O, Haugen M (2000) Dietary intake and serum concentrations of antioxidants in children with juvenile arthritis. Clin Exp Rheumatol 18: 637–641 Henderson CJ, Cawkwell GD, Specker BL et al. (1997) Predictors of total body bone mineral density in non-corticosteroid-treated prepubertal children with juvenile rheumatoid arthritis. Arthritis Rheum 40: 1967–1675 Henry L (1997) Immunocompromised patients and nutrition. Prof Nurse 12: 655–699 Hilliges C, Awiszus D, Wendel U (1993) Intellectual performance of children with maple syrup urine disease. Eur J Pediatr 152: 144–147 Hoffmann GF, Zschocke J (1999) Glutaric aciduria type I: from clinical, biochemical and molecular diversity to successful therapy. J Inherit Metab Dis 22: 381–391 Hoffmann GF, Böhles HJ, Burlina A et al. (1995) Early signs and course of disease of glutaryl CoA dehydrogenase deficiency. J Inherit Metab Dis 18: 173–176
338
8
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Hoffmann GF, Athanassopoulos S, Burlina AB et al. (1996) Clinical course, early diagnosis, treatment, and prevention of disease in glutaryl-CoA dehydrogenase deficiency. Neuropediatrics 27: 115–123 Holtkamp K, Herpetz-Dahlmann B (2002) Anorexia und Bulimia nervosa im Kindes- und Jugendalter. Monatsschr Kinderheikd 150: 164–171 Holton JB, Walter JH, Tyfield LA (2001) Galactosemia. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic and molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 1553–1587 Hommes FA (1989) The role of the blood-brain barrier in the aetiology of permanent brain dysfunction in hyperphenylalaninemia. J Inherit Metab Dis 12: 41–46 Huang RC, Forbes DA, Davies MW (2002) Feed thickener for newborn infants with gastrooesophageal reflux. Cochrane Database Syst Rev, CD003211 Huemer M, Fodinger M, Huemer C et al. (2003) Hyperhomocysteinemia in children with juvenile idiopathic arthritis is not influenced by methotrexate treatment and folic acid supplementation: a pilot study. Clin Exp Rheumatol 21: 249–255 Hufnagle KG, Khan SN, Penn D, Cacciarelli A, Williams P (1982) Renal calcifications: a complication of long-term furosemide therapy in preterm infants. Pediatrics 70: 360–363 Iafolla AK, Thompson RJ, Roe CR (1994) Medium-chain acyl-coenzyme A dehydrogenase deficiency: clinical course in 120 affected children. J Pediatr 124: 409–415 Imura K, Okada A (2000) Perioperative nutrition and metabolism in pediatric patients. World J Surg 24: 1498–1502 Institut für Kinderernährung in Dortmund (2004) http://www.fke-do.de Interdiziplinäre Screeningkommission der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (2002) Richtlinien zur Organisation und Durchführung des Neugeborenenscreenings auf angeborene Stoffwechselstörungen und Endokrinopathien in Deutschland. Monatsschr Kinderheilkd 150:1424–1440 Item C, Hagerty BP, Mühl A, Greber-Platzer S, Stöckler-Ipsiroglu S, Strobl W (2002) Mutations at the galactose-1-p-uridyltransferase gene in infants with a positive galactosemia newborn screening test. Pediatr Res 51: 511–516 Itoh T, Ito T, Ohba S, Sugiyama N, Mizuguchi K, Yamaguchi S, Kidouchi K (1996) Effect of carnitine administration on glycine metabolism in patients with isovaleric acidemia: significance of acetylcarnitine determination to estimate the proper carnitine dose. Tohoku J Exp Med 179: 101–109 Jakobs C, Schweitzer S, Dorland B (1995) Galactitol in galactosemia. Eur J Pediatr 154 [7 Suppl 2]: 50–52 James MJ, Cleland LG (1997) Dietary n-3 fatty acids and therapy for rheumatoid arthritis. Semin Arthritis Rheum 27: 85–97 Jochum F, Fuchs A, Cser A, Menzel H, Lombeck I (1995) Trace mineral status of full-term infants fed human milk, milk-based formula or partially hydrolysed whey protein formula. Analyst 120: 905–909 Karlen J, Aperia A, Zetterstrom R (1985) Renal excretion of calcium and phosphate in preterm and term infants. J Pediatr 106: 814–819 Kersting M, Alexy U (2000) Empfehlungen für die Ernährung von Säuglingen. Moeker Merkur, Köln
339 Literatur
8
Koo W (1993) calcium, magnesium, phosphorus and vitamin D. In: Tsang RC, Lucas A, Uauy R, Zlotkin S (eds) Nutritional needs of the preterm infant. Williams & Wilkins, Baltimore, pp 135–155 Koo WW, Tsang RC, Succop P, Krug-Wispe SK, Babcock D, Oestreich AE (1989) Minimal vitamin D and high calcium and phosphorus needs of preterm infants receiving parenteral nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 8: 225–233 Koo WW, Krug-Wispe S, Succop P, Tsang RC, Neylan M (1995) Effect of different vitamin A intakes on very-low-birth-weight infants. Am J Clin Nutr 62: 1216–1220 Kreiter SR, Schwartz RP, Kirkman HN Jr, Charlton PA, Calikoglu AS, Davenport ML (2000) Nutritional rickets in African American breast-fed infants. J Pediatr 137: 153–157 Kromeyer-Hauschild K, Wabitsch M, Kunze D et al. (2001) Perzentile für den Body-mass-Index für das Kindes- und Jugendalter unter Heranziehung verschiedener deutscher Stichproben. Monatsschr Kinderheilkd 149: 807–818 Kumar D, Greer FR, Super DM, Suttie JW, Moore JJ (2001) Vitamin K status of premature infants: implications for current recommendations. Pediatrics 108: 1117–1122 Kure S, Hou D-C, Ohura T et al. (1999) Tetrahydrobiopterin-responsive phenylalanine hydroxylase deficiency. J Pediatr 135: 375–378 Kyllerman M, Skjeldal OH, Lundberg M et al. (1994) Dystonia and dyskinesia in glutaric aciduria type I: clinical heterogeneity and therapeutic considerations. Mov Disord 9: 22–30 Laar MA van de , Korst JK van der (1992) Food intolerance in rheumatoid arthritis. I. A double blind, controlled trial of the clinical effects of elimination of milk allergens and azo dyes. Ann Rheum Dis 51: 298–302 Lajer H, Bundgaard H, Secher NH, Hansen HH, Kjeldsen K, Daugaard D (2003) Severe intracellular magnesium and potassium depletion in patients after treatment with cisplatin. Br J Cancer 89: 1633–1637 Lehotay DC, Page J le, Thompson JR, Rockman-Greenberg C (2004) Blood acylcarnitine levels in normal newborns and heterozygotes for medium-chain acyl-CoA dehydrogenase deficiency: a relationship between genotype and biochemical phenotype? J Inherit Metab Dis 27: 81–88 Lemons JA, Moye L, Hall D, Simmons M (1982) Differences in the composition of preterm and term human milk during early lactation. Pediatr Res 16: 113–117 Leonard JV (2000) Disorders of the urea cycle. In: Fernandes J, Saudubray JM, Berghe G van den (eds) Inborn metabolic diseases. Diagnosis and treatment, 3rd edn. Springer, Berlin Heidelberg New York, pp 215–222 Lepore L, Pennesi M, Barbi E, Pozzi R (1991) Treatment and prevention of osteoporosis in juvenile chronic arthritis with disodium clodronate. Clin Exp Rheumatol 9: 33–35 Levy HL, Sepe SJ, Shih VE, Vawter GF, Klein JO (1977) Sepsis due to Escherichia coli in neonates with galactosemia. N Engl J Med 297: 823–825 Lipkin PH, Roe CR, Goodman SI, Batshaw ML (1988) A case of glutaric acidemia type I: effect of riboflavin and carnitine. J Pediatr 112: 62–65 Litt IF (1996) Anorexia nervosa and bulimia. In: Behrman RE, Kliegman RM, Arvin AM (eds) Textbook of pediatrics. Saunders, Philadelphia, pp 549–550 Liu YM, Neal P, Ernst J, Weaver C, Rickard K, Smith DL, Lemons J (1989) Absorption of calcium and magnesium from fortified human milk by very low birth weight infants. Pediatr Res 25: 496–502
340
8
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Lombeck I, Fuchs A (1994) Zinc and copper in infants fed breast-milk or different formula. Eur J Pediatr 153: 770–776 Lou HC, Güttler F, Lykkelund C, Bruhn P, Niederwieser A (1985) Decreased vigilance and neurotransmitter synthesis after discontinuation of dietary treatment for phenylketonuria in adolescents. Eur J Pediatr 144: 17–20 Lucas A (1991) Programming by early nutrition in man. Ciba Found Symp 156: 38–50 Lynch BC, Pitt DB, Maddison TG, Wraith JE, Danks DM (1988) Maternal phenylketonuria: successful outcome in four pregnancies treated prior to conception. Eur J Pediatr 148: 72–75 Macdougall IC (2004) Pure red cell aplasia with anti-erythropoietin antibodies occurs more commonly with one formulation of epoetin alfa than another. Curr Med Res Opin 20: 83–86 Maestri NE, Brusilow SW, Clissold DB, Banett SS (1996) Long-term treatment of girls with ornithine transcarbamylase deficiency. N Engl J Med 335: 855–859 Maier RF, Obladen M, Muller-Hansen I et al. (2002) Early treatment with erythropoietin beta ameliorates anemia and reduces transfusion requirements in infants with birth weights below 1,000 g. J Pediatr 141: 8–15 Matos V, Melle G van, Boulat O, Markert M, Bachmann C, Guignard JP (1997) Urinary phosphate/ creatinine, calcium/creatinine, and magnesium/creatinine ratios in a healthy pediatric population. J Pediatr 131: 252–257 McKusick VA (ed) Online mendelian inheritance in man (OMIM). The Johns Hopkins University, Baltimore. Gesehen März 2004 McManus ML (2001) Pediatric fluid management. In: Cote CJ, Todres ID, Goudsauzian NG, Ryan JF (eds) A practice of anesthesia for infants and children, 3.edn. Saunders, Philadelphia, pp 216–234 Medical Research Council Working Party on Phenylketonuria (1993) Phenylketonuria due to phenylalanine hydroxylase deficiency: an unfolding story. BMJ 306: 115–119 Menkes JH, Hurst BL, Craig JM (1954) A new syndrome: progressive familial infantile cerebral dysfunction associated with an unusual urinary substance. Pediatrics 14: 462–467 Metges CC (2001) Does early dietary protein in early life affect the development of adiposity in mammals ? J Nutr 131: 2062–2066 Michals K, Acosta PB, Austin V, Castiglioni L, Rohr F, Wenz S, Azen C (1996) Nutrition and reproductive outcome in maternal phenylketonuria. Eur J Pediatr 155 [Suppl 1]: 165–168 Mönch E, Link R (2002) Diagnostik und Therapie bei angeborenen Stoffwechselstörungen. SPS, Heilbronn. ISBN 3-936145-00-8 Mönch E, Hoffmann GF, Przyrembel H, Colombo J-P, Wermuth B (1998) Diagnose und Behandlung des Ornithintranscarbamylase (OTC)-Mangels. Monatsschr Kinderheilkd 146: 652– 658 Moslinger D, Muhl A, Suormala T, Baumgartner R, Stoeckler-Ipsiroglu S (2003) Molecular characterisation and neuropsychological outcome of 21 patients with profound biotinidase deficiency detected by newborn screening and family studies. Eur J Pediatr 162 [Suppl 1]: 46–49 Moyer-Mileur L, Chan GM, Gill G (1992) Evaluation of liquid or powdered fortification of human milk on growth and bone mineralization status of preterm infants. J Pediatr Gastroenterol Nutr 15: 370–374
341 Literatur
8
Müller E (2003) Praktische Diätetik in der Pädiatrie. SPS-Verlagsgesellschaft, Heilbronn Muntau AC, Röschinger W, Pfluger T, Enders A, Hoffmann GF (1977) Subdurale Hygrome und Hämatome im Säuglingsalter als Initialmanifestation der Glutarazidurie Typ 1. Monatsschr Kinderheilkd 145: 646–651 Muntau AC, Röschinger W, Habich M, Demmelmair H, Hoffmann B, Sommerhoff CP, Roscher AA (2002) Tetrahydrobiopterin as an alternative treatment for mild phenylketonuria. N Engl J Med 347: 2122–2132 Müting D (1988) Behandlung chronisch Leberkranker mit Laktulose und Bifidum-Milch. Grundlagen und Probleme. Fortschr Med 106: 369–372 Naylor EW, Chace DH (1999) Automated tandem mass spectrometry for mass newborn screening for disorders in fatty acid, organic acid, and amino acid metabolism. J Child Neurol 14 [Suppl 1]: S4–8 Newbrun E (1999) The case for reducing the current Council on Dental Therapeutics fluoride supplementation schedule. J Public Health Dent 59: 263–268 Newman JD, Ramsden CA, Balazs ND (2002) Monitoring neonatal hypoglycemia with the Accu-chek advantage II glucose meter: the cautionary tale of galactosemia. Clin Chem 48: 2071 Niehues T, Horneff G, Michels H, Sailer-Hoeck M, Schuchmann L (2003) Evidence-based treatment with methotrexate in children with rheumatic disorders. Consensus statement of the working group for children and adolescens with rheumatic diseases in Germany and the working group on pediatric rheumatology in Austria. Monatschr Kinderheilkd 151: 881–890 Niggemann B, Sielaff B, Beyer K, Binder C, Wahn U (1999) Outcome of double-blind, placebocontrolled food challenge test in 107 children with atopic dermatitis. Clin Exp Allergy 29: 91–96 Niggemann B, Kleine-Tebbe J, Saloga J et al. (2000) Standardisierung von oralen Provokationstests bei IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien. Allergologie 23: 564–571 Obladen M, Loui A, Kampmann W, Renz H (1998) Zinc deficiency in rapidly growing preterm infants. Acta Paediatr 87: 685–691 Ono H, Mawatari H, Mizoguchi N, Eguchi T, Sakura N (1998) Clinical features and outcome of eight infants with intrahepatic porto-venous shunts detected in neonatal screening for galactosaemia. Acta Paediatr 87: 631–634 Ono H, Mawatari H, Mizoguchi N, Eguchi T, Sakura N, Hamakawa M (2000) Delay of liver maturation as a cause of transient neonatal galactosemia. Pediatr Int 42: 61–63 Orzalesi M (1987) Vitamins and the premature. Biol Neonate 52 [Suppl 1]: S97–112 Osborn DA, Evans N (2004) Early volume expansion for prevention of morbidity and mortality in very preterm infants. Cochrane Database Syst Rev: CD002055/20010827/ Pabon ML, Lonnerdal B (2000) Bioavailability of zinc and its binding to casein in milks and formulas. J Trace Elem Med Biol 14: 146–153 Palmieri M, Mazur A, Berry GT et al. (1999) Urine and plasma galactitol in patients with galactose-1-phosphate uridyltransferase deficiency galactosemia. Metabolism 48: 1294– 1302 Pelet A, Rotig A, Bonaiti-Pellie C et al. (1990) Carrier detection in a partially dominant x-linked disease: ornithine transcarbamylase deficiency. Hum Genet 84: 167–171
342
8
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Perrotta S, Nobili B, Rossi F et al. (2002) Infant hypervitaminosis A causes severe anemia and thrombocytopenia: evidence of a retinol-dependent bone marrow cell growth inhibition. Blood 99: 2017–2022 Petty RE, Southwood TR, Baum J et al. (1997) Revision of the proposed classification criteria for juvenile idiopathic arthritis: Durban, 1997. J Rheumatol 25: 1991–1994 Platt LD, Koch R, Azen C et al. (1992) Maternal phenylketonuria collaborative study, obstetric aspects and outcome: the first 6 years. Am J Obstet Gynecol 166: 1150–1160 Podskarbi T (2001) Molekulargenetik des Phenylalaninhydroxylase-Mangels (PAH) In: Zabransky S (Hrsg) Screening auf angeborene endokrine und metabole Störungen. Springer, Wien, S 216–217 Pohlandt F (1994a) Bone mineral deficiency as the main factor of dolichocephalic head flattening in very-low-birth-weight infants. Pediatr Res 35: 701–703 Pohlandt F (1994b) Hypothesis: myopia of prematurity is caused by postnatal bone mineral deficiency. Eur J Pediatr 153: 234–236 Pohlandt F (1994c) Prevention of postnatal bone demineralization in very low-birth-weight infants by individually monitored supplementation with calcium and phosphorus. Pediatr Res 35: 125–129 Pourfarzam M, Morris A, Appleton M, Craft A, Bartlett K (2001) Neonatal screening for mediumchain acyl-CoA dehydrogenase deficiency. Lancet 358: 1063–1064 Prietsch V, Zschocke J, Hoffmann GF (2001) Diagnostik und Therapie des unbekannten Stoffwechselnotfalls. Monatsschr Kinderheilkd 149: 1078–1090 Przyrembel H (1984) Diättherapie bei Glykogenose, Laktose- und Fruktoseintoleranz, Galaktosämie aus der Sicht des Arztes. Ernaehr Umschau 31 (Sonderheft): 137–143 Purdy KS, Dwyer JT, Holland M, Goldberg DL, Dinardo J (1996) You are what you eat: healthy food choices, nutrition, and the child with juvenile rheumatoid arthritis. Pediatr Nurs 22: 391–398 Pytlik R, Benes P, Patorkova M, Chocenska E, Gregora E, Prochazka B, Kozak T (2002) Standardized parenteral alanyl-glutamine dipeptide supplementation is not beneficial in autologous transplant patients: a randomized, double-blind, placebo controlled study. Bone Marrow Transplant 30: 953–961 Rashed MS, Ozand PT, Bucknall MP, Little D (1995) Diagnosis of inborn errors of metabolism from blood spots by acylcarnitines and amino acids profiling using automated electrospray tandem mass spectrometry. Pediatr Res 38: 324–331 Ravelli A, Migliavacca D, Viola S, Ruperto N, Pistorio A, Martini A (1999) Efficacy of folinic acid in reducing methotrexate toxicity in juvenile idiopathic arthritis. Clin Exp Rheumatol 17: 625–627 Rhead WJ, Tanaka K (1980) Demonstration of a specific mitochondrial isovaleryl-CoA dehydrogenase deficiency in fibroblasts from patients with isovaleric acidemia. Proc Natl Acad Sci U S A 77: 580–583 Rodriguez-Rodriguez EM, Sanz-Alaejos M, Diaz-Romero C (2000) Concentrations of iron, copper and zinc in human milk and powdered infant formula. Int J Food Sci Nutr 51: 373–380 Roe C, Ding J (2001) Mitochondrial fatty acid oxidation disorders. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic and molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 2297–2326
343 Literatur
8
Rohr FJ, Doherty LB, Waisbren ES, Bailey IV, Ampola MG, Benacerraf B, Levy HL (1987) New England maternal PKU project: prospective study of untreated and treated pregnancies and their outcomes. J Pediatr 110: 391–398 Rooney M, Davies UM, Reeve J, Preece M, Ansell BM, Woo PM (2000) Bone mineral content and bone mineral metabolism: changes after growth hormone treatment in juvenile chronic arthritis. J Rheumatol 27: 1073–1081 Roundtable (1997) Youth in Sport: Nutritional Needs. Sports Science Exchange/Gatorade Sports Science Institute, Vol. 8, Nr. 4 Saarela T, Vaarala A, Lanning P, Koivisto M (1999) Incidence, ultrasonic patterns and resolution of nephrocalcinosis in very low birth weight infants. Acta Paediatr 88: 655– 660 Sampson HA (1999) Food allergy. Part 1: immunopathogenesis and clinical disorders. J Allergy Clin Immunol 103: 717–728 Sargent JD, Stukel TA, Kresel J, Klein RZ (1993) Normal values for random urinary calcium to creatinine ratios in infancy. J Pediatr 123: 393–397 Schrander JJ, Marcelis C, Vries MP de, Santen-Hoeufft HM van (1997) Does food intolerance play a role in juvenile chronic arthritis? Br J Rheumatol 36: 905–908 Schwarz U (1999) Intraoperative Flüssigkeitstherapie bei Säuglingen und Kleinkindern. Anaesthesist 48: 41–50 Schweitzer S, Shin Y, Jakobs C, Brodehl J (1993) Long-term outcome in 134 patients with galactosemia. Eur J Pediatr 152: 36–43 Scriver CR, Kaufman S (2001) The hyperphenylalaninemia. Phenylalanine hydroxylase deficiency. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic and molecular bases of inherited diseases, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 1667–1724 Scriver CR, Clow CL, George H (1985) So-called thiamine-responsive maple syrup urine disease: 15-years follow-up of the original patient. J Pediatr 107: 763–765 Scriver CR, Kaufman S, Eisensmith RC, Woo SLC (1995) The hyperphenylalaninemias. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic and molecular basis of inherited diseases, 7th edn. McGraw-Hill , New York, pp 1015–1075 Shah MD (2002) Failure to thrive in children. J Clin Gastroenterol 35: 371–374 Siamopoulou A, Challa A, Kapoglou P, Cholevas V, Mavridis AK, Lapatsanis PD (2001) Effects of intranasal salmon calcitonin in juvenile idiopathic arthritis: an observational study. Calcif Tissue Int 69: 25–30. Epub 2001 May 25 Sidbury JB, Smith EK, Harlan W (1967) An inborn error of short-chain fatty acid metabolism: the odor-of-sweaty-feet syndrome. J Pediatr 70: 8–15 Siker D (2002) Pediatric fluids, electrolytes and nutrition. In: Gregory GA (ed) Pediatric anesthesia, 4th edn. Churchill Livingstone, Philadelphia, pp 85–116 Silverio Amancio OM, Alves Chaud DM, Yanaguibashi G, Esteves Hilario MO (2003) Copper and zinc intake and serum levels in patients with juvenile rheumatoid arthritis. Eur J Clin Nutr 57: 706–712 Sitzmann FC (1986) Normalwerte, 2. Aufl. Hans Marseille, München So KW, Fok TF, Ng PC, Wong WW, Cheung KL (1997) Randomised controlled trial of colloid or crystalloid in hypotensive preterm infants. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 76: F43–46
344
8
Kapitel 8 · Infusionstherapie und Ernährung von Risikogruppen
Souba WW, Klimberg VS, Plumley DA, Salloum RM, Flynn TC, Bland KI, Copeland EM (1990)The role of glutamine in maintaining a healthy gut and supporting the metabolic response to injury and infection. J Surg Res 48: 383–391 Souci SW, Fachmann W, Kraut H (1986/87) Die Zusammensetzung der Lebensmittel, Nährwerttabellen. WissenschaftlicheVerlagsgesellschaft, Stuttgart Stanley C (2000) Disorders of fatty acid oxidation. In: Fernandez J, Saudubray JM, Berghe G van den (eds) Inborn metabolic disease. Springer, Berlin Heidelberg New York, pp 139–150 Starnes HF Jr, Warren RS, Jeevanandam M, Gabrilove JL, Larchian W, Oettgen HF, Brennan MF (1988) Tumor necrosis factor and the acute metabolic response to tissue injury in man. J Clin Invest 82: 1321–1325 Sutor AH, Gobel U, Kries RV, Kunzer W, Landbeck G (1990) Vitamin K prophylaxis in the newborn. Blut 60: 275–277 Sweetman L (1991) Organic acid analysis. In: Hommes FA (ed) Techniques in diagnostic human biochemical genetics. Wiley-Liss, New York, pp 143–176 Sweetman L, Nyhan WL (1986) Inheritable biotin-treatable disorders and associated phenomena. Annu Rev Nutr 6: 317–343 Sweetman L, Williams JC (2001) Branched chain organic acidurias. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) Metabolic and molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGrawHill, New York, pp 2125–2163 Thomson M, Walker-Smith J (1998) Dyspepsia in infants and children. Baillieres Clin Gastroenterol 12: 601–624 Tinggi U (2003) Essentiality and toxicity of selenium and its status in Australia: a review. Toxicol Lett 137: 103–110 Trotter A, Pohlandt F (2002) Calcium and phosphorus retention in extremely preterm infants supplemented individually. Acta Paediatr 91: 680–683 Tsang RC (1985) Determining the vitamin and mineral requirements of preterm infants. In: Tsang RC (ed) Vitamin and mineral requirements of preterm infants. Dekker, New York, pp 1–8 Tsang RC, Lucas A, Uauy R, Zlotkin S (eds) (1993) Nutritional needs of the preterm infant. Williams & Wilkins, Baltimore Venkatraman J, Meksawan K (2002) Effects of dietary omega3 and omega6 lipids and vitamin E on chemokine levels in autoimmune-prone MRL/MpJ-lpr/lpr mice. J Nutr Biochem 13: 479 Wabitsch M (2000) Adipositas im Kindes- und Jugendalter: Empfehlungen einer US-amerikanischen Expertengruppe zur Diagnostik und Therapie. Klin Pädiatr 212: 287–296 Wabitsch M (2002) Adipositas. In: Dörr H-G, Rascher W (Hrsg) Praxisbuch Jugendmedizin. Urban & Fischer, München, S 127–142 Waggoner DD, Buist NR, Donnell GN (1990) Long-term prognosis in galactosemia: results of a survey of 350 cases. J Inherit Metab Dis 13: 802–818 Wallace SJ (1985) Biotinidase deficiency: presymptomatic treatment. Arch Dis Child 60: 574– 575 Walli R, Stettler T, Largo RH, Fanconi A, Prader A (1980) Gewicht, Länge und Kopfumfang neugeborener Kinder und ihre Abhängigkeit von mütterlichen und kindlichen Faktoren. Normwerte für das intrauterine Wachstum. Helv Paediatr Acta 35: 397–418
345 Literatur
8
Wang S, Fernhoff PM, Khoury M (2000) Is the G985A allelic variant of medium-chain acyl-CoA dehydrogenase a risk factor for sudden infant death syndrome? A pooled analysis.. Pediatrics 105: 1175–1176 Wauben I, Gibson R, Atkinson S (1999) Premature infants fed mothers’ milk to 6 months corrected age demonstrate adequate growth and zinc status in the first year. Early Hum Dev 54: 181–194 Weisdorf SA, Lysne J, Wind D et al. (1987) Positive effect of prophylactic total parenteral nutrition on long-term outcome of bone marrow transplantation. Transplantation 43: 833– 838 Wendel U, Bakkeren J, Jong J de, Bongaerts G (1995) Glutaric aciduria mediated by gut bacteria. J Inherit Metab Dis 18: 358–359 Werfel T, Reese I (2003) Diätvorschläge und Positionspapiere für Diagnostik und Therapie. Dustri, München Wharton BA (1987) Nutrition and feeding of preterm infants. Blackwell, Oxford Widdowson EM, Southgate DAT, Hey E (1988) Fetal growth and body composition. In: Lindblad B (ed) Perinatal nutrition. Academic Press, New York, pp 3–14 Wilcken B, Hammond J, Silink M (1994) Morbidity and mortality in medium chain acyl coenzyme A dehydrogenase deficiency. Arch Dis Child 70: 410–412 Williams AF (1997) Hypoglycemia of the newborn: a review. Bull World Health Organ 75: 261– 290 Wimmer K (2002) Diätetik bei Galaktosämie. In: Grotzke M, Müller E (Hrsg) Klinik und Behandlung angeborener Störungen im Kohlenhydrat- und Energie-Stoffwechsel in der Pädiatrie. SPS, Heilbronn, S 72–75 Wolf B (2001) Disorders of biotin metabolism. In: Scriver CR, Beaudet AL, Sly WS, Valle D (eds) The metabolic and molecular bases of inherited disease, 8th edn. McGraw-Hill, New York, pp 3935–3962 Wolf B, Grier RE, Secor McVoy JR, Heard GS (1985) Biotinidase deficiency: a novel vitamin recycling defect. J Inherit Metab Dis 8 [Suppl 1]: 53–58 Wu SC, Chou YH (2001) Measurement of serum vitamin E isomers in fullterm and preterm infants. Chang Gung Med J 24: 793–798 Ziegler EE, O‘Donnell AM, Nelson SE, Fomon SJ (1976) Body composition of the reference fetus. Growth 40: 329–341
9 Störungen des Wasser-, Elektrolytund Säure-Basen-Haushalts F. Jochum
9.1
Dehydratation – 348
9.2
Volumenmangelschock
9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.3.4 9.3.5
Häufige Elektrolytimbalanzen Natriumhaushalt – 361 Kaliumhaushalt – 362 Hyperchlorämie – 365 Kalziumhaushalt – 366 Hypomagnesämie – 368
9.4
Säure-Basen-Haushalt
9.5
Akute Niereninsuffizienz, Anurie und Oligurie – 372
9.6
Coma diabeticum
9.7
Acetonämisches Erbrechen
9.8
Hypoglykämien
9.9
Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion – 381
9.10
Verbrennungen/Verbrühungen Literatur
– 388
– 356 – 359
– 369
– 375 – 378
– 379
– 385
348
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Primäre und sekundäre Störungen des Wasser- und Säure-Basen-Haushalts sind bei Kindern häufig. Sie weisen oft eine für das Lebensalter und die Grunderkrankung typische Pathophysiologie auf. Die Abläufe dieser Störungen werden beschrieben und die jeweiligen therapeutischen Strategien abgeleitet. Neben Therapievorschlägen verbessert dieses Buchkapitel auch das Verständnis der Regulationsvorgänge, die bei der Verordnung von (teil-)parenteraler Ernährung wichtig sind. Der Inhalt dieses Kapitels sollte darum auch demjenigen nutzen, der üblicherweise nicht mit akut kranken pädiatrischen Patienten konfrontiert wird.
9.1
9
Dehydratation
Dehydratationszustände sind ein häufiges Problem bei Säuglingen und Kleinkindern. Oft treten Sie als Symptom anderer Erkrankungen auf; nur selten sind sie ein primäres Problem (Ver-(dursten). Der Flüssigkeitshaushalt ist mit den Elektrolyten und dem Säure-Basen-Haushalt eng verbunden ( Kap. 2). Neben der Flüssigkeit muss darum auch auf Elektrolyt- und Säure-BasenImbalanzen geachtet werden. Nach dem Plasma-Natrium-(Na-)Gehalt werden 3 Formen von Dehydratation unterschieden. Am häufigsten ist die isotone Dehydratation. Vor der Therapie sind das Ausmaß des Flüssigkeitsverlustes und die Form der Dehydratation (Plasma-Na-Spiegel) festzustellen. Zur Abschätzung des Flüssigkeitsdefizits kann die kurzfristige Gewichtsabnahme herangezogen werden. Ist diese nicht bekannt, kann das Ausmaß der Dehydratation durch klinische Zeichen abgeschätzt werden (⊡ Tabelle 9.1). Zur Therapie sind neben dem Tagesbedarf an Flüssigkeit, Na und Kalium (K) der Korrekturbedarf und die laufenden Verluste zu supplementieren. Je nach Art und Volumen der verlorenen Körperflüssigkeit kann der Elektrolytverlust mit Hilfe von Tabellen abgeschätzt werden. Zur Therapie der hypertonen (Cave: Hirnödem/keine hypotonen Lösungen zuführen!) und der hypotonen Dehydratation ist ein besonderes Vorgehen zu beachten ( unten).
349 9.1 · Dehydratation
9
Ätiologie und Pathophysiologie Am häufigsten treten Dehydratationen bei Kindern im Rahmen von Infektionserkrankungen des Gastrointestinaltrakts (Gastroenteritis) oder bei Nahrungsverweigerung im Rahmen anderer Erkrankungen (fieberhafte Infektionserkrankungen) bei Säuglingen und Kleinkindern auf. Ursache sind in diesen Situationen oft massive Flüssigkeitsverluste durch Diarrhö und/oder Erbrechen sowie eine inadäquate Flüssigkeitsaufnahme im Rahmen der Grunderkrankung (Trinkunlust). Weitere Ursachen sind nicht bedarfsangepasst substituierte postoperative Patienten oder Frühgeborene. Die primäre Dehydratation durch zu geringes Trinken bei sonst gesundem Kind ist in Mitteleuropa eine Rarität.
Formen Neben dem Ausmaß der Dehydratation ist auch die Unterscheidung in hypertone, hypotone oder isotone Dehydratation klinisch relevant, da unterschiedlich behandelt werden muss. Da die Osmolarität des Blutes mit dem Na-Gehalt des Plasmas korreliert, kann die Unterscheidung anhand des Na-Spiegels getroffen werden.
Isotone Dehydratation: Na=130–150 mmol/l Ätiologie: Diarrhö, Erbrechen, Flüssigkeitsverluste über Sonden, Katheter oder Drainagen, inadäquate Zufuhr. Häufigste Form.
Hypertone Dehydratation: Na >150 mmol/l Ätiologie: zu geringe Flüssigkeitszufuhr (z. B. bei Infusionstherapie, parenteraler Ernährung), gesteigerte Flüssigkeitsverluste (Fieber, Verbrennungen, Perspiratio insensibilis bei Frühgeburtlichkeit, Bauchoperation, Phototherapie) Mangel an antidiuretischem Hormon (ADH; Diabetes insipidus), Verlust von hypotoner Flüssigkeit, Trinken großer Mengen von Salzwasser.
Hypotone Dehydratation: Na <130 mmol/l Ätiologie: Wasserintoxikation (Zufuhr von freiem Wasser bei Infusionstherapie, Diarrhö/Erbrechen), Trinken exzessiver Mengen von Süßwasser, Salzverlustsyndrom, starkes Schwitzen (z. B. bei Mukoviszidose), Elektrolytverluste über die Niere.
350
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
! Bei der hypertonen Dehydratation ist das führende klinische Zeichen von Dehydratationszuständen »stehende Hautfalten« maskiert (Kompartimentverschiebung von Flüssigkeit von intra- nach extrazellulär; Abschn 2.3). Die gefährliche hypertone Dehydratation kann darum leicht bei der klinischen Untersuchung übersehen bzw. deren Ausmaß unterschätzt werden.
Klinik
9
Es wird zwischen der leichten (Flüssigkeitsverlust <5%), der mittelschweren (Flüssigkeitsverlust 5–10%) und der schweren Dehydratation (Flüssigkeitsverlust 10–15%) unterschieden [»Flüssigkeitsverlust« im Bezug auf den Hydratationszustand (Körpergewicht) bei ausgeglichener Flüssigkeitsbilanz]. Ist das Körpergewicht des Kindes vor Auftreten der Dehydratation nicht bekannt, kann der Schweregrad nach den klinischen Zeichen zugeordnet werden (⊡ Tabelle 9.1). Mithilfe dieser Unterteilung kann das Flüssigkeitsdefizit durch eine einfache klinische Untersuchung abgeschätzt werden. ! Bei einer Dehydratation von >15% (>150 ml Wasserverlust/kg KG) besteht Lebensgefahr.
⊡ Tabelle 9.1. Beurteilung des Schweregrades einer Dehydratation nach klinischen Zeichen. (Mod. nach Fusch u. Jochum 2005)
Dehydratationszeichen
Schweregrad Leicht
Mittel
Schwer
Gewichtsabnahme Säugling
<5%
5–10%
10–15%
>12 Monate
<3%
3–6%
6–10%
Klinisch Hautturgor
↓
↓↓
↓↓↓
Rekapillarisierungszeit
Prompt
±
Verzögert
Schleimhäute
Trocken
Trocken
Blutdruck
Normal
± ↑
Brüchig ↓
Puls
Normal
Urinausscheidung
Konzentriert
Fontanelle
Niveau (↓)
Oligurie ↓↓
↑↑↑ Oliganurie ↓↓↓
351 9.1 · Dehydratation
Beispiel Dehydratation Anamnese Ein 4 Monate alter Säugling wird von seiner Mutter in der Ambulanz vorgestellt. Die Mutter gibt an, ihr Kind habe seit 1 Tag Fieber, erbreche seit 12 h alle Nahrung und habe viele Windeln mit flüssigem Stuhl abgesetzt. Die Nahrungsaufnahme werde verweigert. Vor 3 Tagen sei sie beim Kinderarzt gewesen, da habe ihr Kind 8.500 g gewogen und noch kein Problem gehabt. Klinische Untersuchung (Auszug) Eindruck: blass, rosiger Säugling, adynam, nimmt Kontakt auf, physiologischer bis leicht verminderter Muskeltonus, Rekapillarisierungszeit prompt. Fontanelle im Niveau, Schleimhäute trocken, stehende Hautfalten, Trommelfelle beidseits spiegelnd, kein Anhalt für Nackensteifigkeit. Cor, Pulmos, Neurostatus unauffällig. Abdomen: ausladend, sehr lebhafte Darmgeräusche. Temperatur 39,2°C, Gewicht 8.025 g, Blutdruck (RR) 85/43 mmHg, Puls 121/min. Windel trocken. Festlegung des Dehydratationsgrades ▬ Nach Klinik (⊡ Tabelle 9.1): Flüssigkeitsverlust zwischen 425–850 ml → mittelschwere Dehydratation (5–10%; =Korrekturbedarf ). ▬ Nach Gewichtsverlust (⊡ Tabelle 9.1): 8.500 g–8.025 g = 475 g → mittelschwere Dehydratation (ca. 6%).
Diagnostik (bezüglich des Flüssigkeitshaushalts) ▬ Säure-Basen-Status und Elektrolyte, ▬ Urin: Ausscheidung (Volumen/kg KG und Stunde), spezifisches Gewicht (oder Osmolarität), Aceton.
9
352
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
…Therapie 1. Berechnung des Tagesflüssigkeitsbedarfes und des Bedarfes an Na/K (vgl. Beispiel bzw. Zufuhrempfehlungen; Abschn. 4.3.2), 2. Ermittlung des Korrekturbedarfes (Flüssigkeit/Elektrolyte), 3. Kalkulation laufender Verluste (Diahrrhö, Drainagen etc).
Flüssigkeitszufuhr Als Glukose 5%ig/10%ig + Elektrolyte (je nach Blutzucker- (BZ-)Spiegel und Stoffwechsellage). Alternativ eignen sich auch altersentsprechende Fertiglösungen. Hier können die Elektrolyte für den (Korrekturbedarf) zugesetzt werden. Die Elektrolytverluste mit Körperflüssigkeiten können nach ⊡ Tabelle 8.6 grob geschätzt werden.
Elektrolyte
9
Zur physiologischen Kompartimentverteilung der Flüssigkeiten ist die adäquate Supplementation mit Na, Chlorid (Cl) und K notwendig ( Abschn. 2.6). Weitere Elektrolyte sollten nicht als Routine, sondern nur nach Laborbestimmung supplementiert werden ( Abschn. 7.4.3).
Isotone Dehydratation ▬ Tagesbedarf (wie üblich) gleichmäßig über 24 h zuführen (je nach BZ, z. B.
Glukose 5%ig/10%ig, verwenden). ▬ Verlust rasch ausgleichen (erste Hälfte der Verlustmenge in 8 h, zweite
Hälfte über 16 h zuführen). Führt zur schnelleren klinischen Besserung bezüglich der Symptome. ▬ Laufende Verluste regelmäßig ersetzen (Zufuhrintervall nach Volumen des Verlustes in Relation zur Größe des Flüssigkeitshaushalts des Kindes wählen): Aus einer Thoraxdrainage entleeren sich z. B. bei einem 3.500 g schweren Säugling in 1 h 8 ml kolloidales Sekret. Der Verlust sollte z. B. alle 4 h ersetzt werden [z. B. als NaCl, 0,9%ig, (solange keine Zufuhr von Kolloiden zwingend erforderlich ist) 32 ml mit einer Laufzeit zwischen 2 h und 4 h].
9
353 9.1 · Dehydratation
Beispiel Beispielpatient Flüssigkeit Berechnung: Tagesbedarf 120 ml/kg KG und Tag »Normalgewicht« Kind (8.500 g) Dehydratationsvolumen (nach Klinik und Gewichtsverlust) Laufende Verluste (Windel mit 80 g Diarrhö)
1.020 ml ca. 500 ml 80 ml
Elektrolyte Natrium. ▬ Na-Tages-Bedarf (⊡ Tabelle 4.8): 3 mmol × 8,5 kg KG und Tag = 25,5 mmol/Tag, ▬ Na-Defizit (nach ⊡ Tabelle 8.6) 1 l Diarrhö → Na-Verlust 60±30 mmol. Beispiel: bei 500-g-Gewichtsverlust ein Na-Verlust von ca. 30 mmol. Na-Gesamt-Zufuhr: 55 mmol (Zufuhr des Korrekturbedarfes parallel der Korrektur der Flüssigkeitszufuhr). Kalium ▬ K-Tagesbedarf (⊡ Tabelle 4.8): 2 mmol × 8,5 kg KG und Tag = 17 mmol/ Tag. ▬ K-Defizit (nach ⊡ Tabelle 8.6): 1 l Diarrhö K-Verlust 30±15 mmol. Beispiel: bei 500-g-Gewichtsverlust ein K-Verlust von ca. 15 mmol. K-Gesamt-Zufuhr 32 mmol in 24 h.
! Kaliumsupplementation nur bei sicherer Nierenfunktion (Diurese >1–2 ml/kg KG und Stunde). > Der K-Zusatz kann erst nach Feststellung einer minimalen Diurese von (1–)2 ml/kg KG und Stunde der Infusion nachträglich zugesetzt werden. ▼
354
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Verordnung Infusionstherapie ▬ Für die ersten 8 h; Tropfgeschwindigkeit 83 ml/h: Flüssigkeit: 340 ml+250+80 ml=450 ml/8 h (z. B. als Glukose 5%ig/ 10%ig), Elektrolyte: Na 23 mmol; K 13 mmol. ▬ Für die nächsten 16 h; Tropfgeschwindigkeit 56 ml/h: Flüssigkeit 660 ml+250 ml (+ laufender Verlust)=ca. 900 ml/16 h, Elektrolyte: Na 32 mmol, K 19 mmol.
Besonderheiten bei hypertoner Dehydratation
9
Die Zufuhr von hypotoner Flüssigkeit (freies Wasser) führt bei hypertoner Dehydratation zu einem schnellen Flux vom extra- in das länger hyperosmolare intrazelluläre Kompartiment. Dadurch kann es, je nach Ausprägung, vom Zellödem bis hin zum »Platzen« von Zellen kommen. ! Gefürchtet ist die Entstehung eines Hirnödems, das zur zerebralen Minderdurchblutung bis hin zum Einklemmen des Zentralnervensystems (ZNS) im Stammganglienbereich mit irreversiblen Schäden führen kann. Die Therapie der ausgeprägten hypertonen Dehydratation sollte von den erfahrensten Ärzten begleitet werden (Oberarzt/Chef informieren!).
Ziel Korrektur mit nur kleinem osmotischen Gefälle zwischen Extra- und Intrazellularraum über einen Zeitraum von 48–60 h.
Vorgehen 1. Ausgleich der Dehydratation mit isoosmolarer Lösung (an Na-Gehalt orientieren). Hierzu NaCl, 0,9%ig, + Zusatz verwenden (kann bei schwerer Dehydratation vom zeitlichen Ablauf analog zur isotonen Dehydratation erfolgen: Ausgleich 50% in 8 h, Rest in 16 h). Als Zusatz je nach Plasma-Na-Gehalt NaCl, 5,85%ig, (zum Erzielen einer höheren Osmolarität) oder Glukoselösung (zum Senken der Osmolarität der Infusionslösung; Basis NaCl, 0,9%ig, verwenden). 2. Plasma-Na-Spiegel durch Infusion um maximal 4 mmol/h senken (durch Anpassen der Osmolarität der zugeführten Infusionslösung).
355 9.1 · Dehydratation
9
! Bei gleichzeitiger Hypoglykämie Glukoselösung mit NaCl-Supplement anreichern, bis annähernde Isotonie zum Plasma erreicht ist. Keinesfalls Glukoselösung ohne ausreichende Supplementierung verwenden.
Nebenwirkungen Wird die Hyperosmolarität des Plasmas zu schnell gesenkt, treten korrespondierend zum Hirnödem zunächst Krampfanfälle, Bewusstseins- und selten auch Herzrhythmusstörungen auf (Alarmzeichen für zu schnelle Senkung der Osmolarität, neben den üblichen Differenzialdiagnosen).
Besonderheiten bei hypotoner Dehydratation Durch Zufuhr von NaCl, 0,9%ig, sollte die hypotone Dehydratation zunächst in eine isotone Dehydratation umgewandelt werden (Infusionsgeschwindigkeit ca. 8 mmol Na/h). Weiteres Vorgehen Abschn. »Isotone Dehydratation«. Differenzialdiagnosen betreffen die verschiedenen Grunderkrankungen, die ursächlich für das Symptom Dehydratation sind.
Laborwerte ▬ Urin: Menge ↓, Osmolarität ↑ (oder spez. Gewicht ↑), ▬ Plasma: Na ↓, Cl ↓, Osmolarität ↓, Na-Hydrogenkarbonat in der Regel
unverändert. ! Bei niedrigen Na- oder K-Spiegeln Infusionsregime überprüfen. Wenn keine Ursache zu identifizieren, an Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH) denken und Diagnostik durchführen.
Prinzip Das obige klinische Beispiel illustriert das prinzipielle Vorgehen. Je nach Klinik und Schweregrad ist abzuschätzen, wie genau der Flüssigkeits- und Elektrolytersatz durchgeführt werden müssen. Bei klinisch instabilem Patienten sollte eine exakte Flüssigkeits- und Elektrolytsupplementation erfolgen. Ist ein Patient stabil, und der Korrekturbedarf sowie die laufenden Verluste lassen sich überschauen, so kann nach grober Abschätzung die Zufuhr kontinuierlich erfolgen. Die Anpassung an den tatsächlichen Bedarf kann dann z. B. mit dem 24-h-Monitoring (Gewichtsänderung zum Vortag, Bilanz, Elektrolytspiegel, Urinosmolarität oder spez. Gewicht) in Tagesintervallen erfolgen (z. B. bei kompensierten Patienten mit »milder« Gastroenteritis).
356
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
> Bei klinisch stabilem dehydrierten Patienten sollte die orale Rehydratation nach der World Health Organization (WHO) oder nach der European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition (ESPGHAN) einer Infusionstherapie wegen niedrigerer Komplikationsraten und geringerer Invasivität vorgezogen werden.
Orale Rehydratation nach WHO oder ESPGHAN Bei der oralen Rehydratation werden Wasser und Elektrolyte ohne Infusionstherapie zugeführt. Hierbei werden industriell hergestellte Fertigprodukte oder selbsthergestellte Glukose-Elektrolyt-Lösungen verwendet. Während Lösungen mit hohem NaCl-Gehalt (90 mmol/l) in der Dritten Welt eingesetzt werden (WHO-Empfehlung), haben sich bei uns Glukose-Elektrolyt-Lösungen entsprechend der ESPGHAN-Empfehlungen bewährt, die zwischen 45 mmol und 60 mmol NaCl/l enthalten.
9
Durchführung Den Kindern wird die Lösung entweder in kühler Form mit flachen Löffeln oder in der Flasche oder im Glas verabreicht. Gelegentliches Erbrechen ist kein Grund, die orale Rehydratation zu beenden. Bei kontinuierlichem Erbrechen oder Trinkverweigerung kann die ORL (orale Rehydratationslösung) auch über eine Magensonde verabreicht werden. Gestillte Kinder werden zwischen der Gabe von ORL an die Brust angelegt. Die Dauer der Rehydratation beträgt 6–8–12 h, selten länger. ! Cola-Getränke sind wegen ihres fehlenden Salzgehaltes und ihrer hohen Osmolarität nicht für die Realimentation geeignet. Sie enthalten zudem einen hohen Gehalt an Kohlenhydraten (>12 g/l).
9.2
Volumenmangelschock
Als Volumenmangelschock wird die Notfallreaktion des Organismus auf einen intravasalen Volumenmangel unterschiedlicher Genese bezeichnet. Im Bezug auf die Ursache lassen sich 2 Formen voneinander abgrenzen: ▬ absoluter Volumenmangel (Verlust von extrazellulärer Flüssigkeit, z. B. Blutung, Diarrhö, Erbrechen), ▬ relativer Volumenmangel (nach Kompartimentverschiebung von Flüssigkeiten).
357 9.2 · Volumenmangelschock
9
Pathogenese und Ätiologie Unabhängig von der Ursache führt der intravasale Volumenmangel zu einer Beeinträchtigung der Makrozirkulation, die eine Verschlechterung der Mikrozirkulation nach sich zieht. Zur Aufrechterhaltung des Blutdrucks in physiologischen Grenzen wird die Herzfrequenz erhöht, und zur Stabilisierung werden die Arteriolen eng gestellt. Dadurch kommt es zur Stabilisierung des zentralen Kreislaufs auf Kosten einer weiteren Verminderung der Perfusion der Akren. Folge ist eine Umverteilung des intravasalen Blutvolumens zugunsten des zentralen Kreislaufs. Die Minderdurchblutung der Peripherie kann je nach Schwere und Dauer der Schockreaktion zu dauerhaften hypoxischen Gewebsschäden führen.
Klinik Haut kühl, marmoriert, Akrozynaose, Angst, Unruhe (Zeichen zerebraler Minderperfusion), Tachypnoe, Tachykardie, Blutdruck normal bis hypoton. Olig- bis Anurie.
Diagnostik Herzfrequenz, Blutdruck, Rekapillarisierungszeit, Diurese, zentrale, periphere Temperaturdifferenz. Differenzialdiagnosen: Schock aus anderer Ursache als Volumenmangel (z. B. kardiogener Schock, anaphylaktischer Schock usw.) ! Der in der »Erwachsenenmedizin« gebräuchliche »Schockindex« ist bei Kindern wegen der Altersabhängigkeit ihrer Vitalwerte nicht anwendbar.
…Therapie Kausale Therapie ist die möglichst frühzeitige und adäquate Volumensubstitution. ! Im Folgenden wird die symptomatische Primärtherapie des Volumenmangelschocks besprochen. Zur spezifischen Behandlung der auslösenden Ursachen wird auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen.
Erstversorgung ▬ Flache Lagerung des Körpers, Extremitäten anheben (= Autotransfusion;
Schocklagerung), ▬ Sicherung der Vitalfunktionen,
358
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
▬ Beruhigung (ggf. Sedierung), ▬ Vermeiden von Unterkühlung, ▬ Volumensubstitution.
Als erste Wahl zur Therapie von akuten oder unspezifischen Volumenmangelzuständen (bezüglich überwiegend kristalloider oder kolloidaler Verluste) gilt heute bei pädiatrischen Patienten die physiologische Kochsalzlösung (NaCl, 0,9%ig). Es konnte gezeigt werden, dass diese kristalloide Lösung wesentlich länger intravasal verbleibt als ursprünglich angenommen.
Initialtherapie
9
Es werden 20 ml 0,9%ige NaCl-Lösung/kg KG je nach Schweregrad als »Schnellinfusion«, nach Möglichkeit aber über 20–60 min gegeben. Weitere Volumengaben nach klinischem Effekt dosieren (Therapiemonitoring: Herzfrequenz, Blutdruck, Diurese, Rekapillarisierungszeit, – im Zweifel bei schwerem Schockzustand – Messung des zentralvenösen Druckes, ZVD). Sind überwiegend kolloidale Verluste auszugleichen, und erbringt die Therapie mit 0,9%iger NaCl-Lösung nicht den gewünschten klinischen Effekt ( Abschn. »Monitoring«), so haben sich auch bei Kindern Plasmaersatzlösungen, wie Hydroxyethylstärke mit mittlerem Molekulargewicht (z. B. HES 200/0,5), bewährt. Diese können wegen ihrer relativ großen Moleküle auch bei einem »capillary leak syndrome« sinnvoll eingesetzt werden, da sie selbst bei vermehrtem Flux durch die Gefäßwand intravasal bleiben und dadurch den intravasalen onkotischen Druck steigern können. Humanalbumin (5%ig) hat heute seine Berechtigung für einen breiten Einsatz verloren. Gerade bei der oben genannten Indikation besteht die Gefahr der Diffusion aus dem Gefäßbett. Extravaskulär erhöht Humanalbumin den onkotischen Druck im Gewebe und verstärkt damit den intravasalen Flüssigkeitsverlust. Erythrozytenkonzentrate sind bei nicht ausreichender Sauerstofftransportkapazität (z. B. ausgelöst durch einen Blutverlust) indiziert. Bei chronischer Anämie bleiben in der Regel Hämatokrit- (HKT-)Werte bis 25% ohne klinische Signifikanz, so dass erst ab einem HKT von <25% (nur bei chronischer Anämie) über die Transfusion von Erythrozyten nachgedacht werden sollte.
Monitoring Kap. 11; Monitorüberwachung. Flüssigkeitsbilanzierung, Herzfrequenz,
Blutdruck, Diurese, spez. Uringewicht, Rekapillarisierungszeit – im Zweifel bei schwerem Schockzustand – Messung des ZVD.
359 9.3 · Häufige Elektrolytimbalanzen
9
Laborwerte: Säure-Basen-Status, Elektrolyte, Blutzucker, Blutbild, Gerinnung (ergänzt um die Laborwerte, die zur Charakterisierung der kausalen Ursache notwendig sind). Häufigkeit der Kontrollen nach Schwere der Symptomatik und dem Ansprechen auf die Therapie festlegen.
9.3
Häufige Elektrolytimbalanzen
Ätiologie und Pathophysiologie Neben einer inadäquaten Zufuhr im Rahmen von bilanzierter Ernährung sind Elektrolytimbalanzen mit verschiedenen akuten Krankheiten assoziiert [z. B. Diarrhö, Erbrechen (Verluste von Elektrolyten, Flüssigkeit)]. Sie treten im Rahmen von Kompartimentverschiebungen, z. B. bei alkalotischen oder acidotischen Stoffwechsellagen verschiedener Ursache, oder Energiemangel, z. B. bei der Manifestation eines Typ-1-Diabetes (intrazellulärer Glukosemangel, verminderte Aktivität der Na-K-Pumpen ausgelöst durch relativen Insulinmangel; Kap. 2) auf. Weitere (seltene) Gründe können verschiedene angeborene Stoffwechselerkrankungen oder endokrinologische Störungen sein. Zusätzlich ist der Elektrolytmetabolismus eng mit dem Flüssigkeitshaushalt assoziiert, so dass Imbalanzen des Flüssigkeitshaushalts direkte Auswirkungen auf den Elektrolytstoffwechsel haben. An dieser Stelle wird die Akuttherapie für Elektrolytimbalanzen bei akuten oder intermediären Erkrankungen beschrieben. Zur Behandlung, Diagnostik und Therapie angeborener Erkrankungen, die zu Elektrolytstörungen führen wird, auf die spezifische Fachliteratur verwiesen (z. B. Jospe u. Forbes 1996). > Wegen der kleineren Körperspeicher und der unreifen Regulationsmechanismen pädiatrischer Patienten im Vergleich zu Erwachsenen treten Elektrolytimbalanzen bei Frühgeborenen, Säuglingen, Kleinkindern und Jugendlichen schneller auf als bei Erwachsenen.
Klinik Zeichen einer Elektrolytimbalanz können unspezifische Symptome, wie Müdigkeit Abgeschlagenheit, Adynamie, Kopfschmerzen, Krampfanfälle, Somnolenz oder auch ein Koma, sein. Andere Symptome lassen sich mit dem Mangel oder dem Überschuss an bestimmten Elektrolyten in Verbindung
360
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
bringen, so z. B. die Hypo- bzw. Hyperexzitabilität oder Herzrhythmusstörungen ( Abschn. 3.2.5).
Anamnestische Angaben Dauer der Erkrankung, Allgemein- und Ernährungszustand vor der Erkrankung, Gewichtsabnahme, Flüssigkeitsverluste (Art der Verluste: Erbrechen, Diarrhö, Polyurie usw.), Menge der Verluste (ggf. Schätzung), Urinausscheidung (wie häufig, wann zuletzt, Farbe), weitere Beobachtungen der Eltern (gestörte Atmung…).
Klinische Untersuchung (Auszug)
9
Allgemeiner Eindruck (wach, adynam, schläfrig, reizbar), Körpertemperatur, Rekapillarisierungszeit, Zustand der Schleimhäute (feucht, trocken, trocken und rissig), Hautturgor (stehende Hautfalten), peripheres oder zentrales Ödem, Reflexstatus (lebhaft, abgeschwächt), Puls (häufige Extrasystolen, Arrythmia absoluta).
Diagnostik Säure-Basen-Status, Plasmaelektrolyte, Urinausscheidung (ml/kg KG und Stunde), spez. Gewicht oder Osmolarität des Urins. Kreatinin, Harnstoff, HKT. Erweiterte Diagnostik: Elektrolytausscheidung im Sammelurin. Berechnung der Elektrolytverluste und der Zufuhr. Differenzialdiagnosen betreffen die verschiedenen Ursachen/Grunderkrankungen, die das Symptom Elektrolytimbalanz ausgelöst haben (vgl. unten).
…Therapie Bei der Therapie sind die physiologischen Besonderheiten der einzelnen Elektrolyte zu beachten (vgl. unten).
Monitoring Monitorüberwachung, Blutdruck mit angepasstem Intervall messen (ggf. EKG). Bilanzierung der Flüssigkeitszufuhr und Ausscheidung. Angepasst häufige Laborkontrollen der Plasmaelektrolyte und des Säure-Basen-Status. Urin: Menge, spezifisches Gewicht (oder Osmolarität; ggf. Elektrolytausscheidung im Sammelurin bezogen auf das Urinkreatinin messen).
361 9.3 · Häufige Elektrolytimbalanzen
9
Die Häufigkeit der Kontrollen ist nach dem klinischen Verlauf festzulegen. Bei bedrohlichen Elektrolytimbalanzen kann die Kontrolle in 1-stündigem Abstand zunächst sinnvoll sein, bis Richtung und Geschwindigkeit der Änderung unter Kontrolle sind ( Kap. 11).
9.3.1 Natriumhaushalt Hypernatriämie Definition. Plasma-Na-Konzentration >145 mmol/l. Häufige Ursachen. Flüssigkeitsverluste (Perspiratio, renal, ADH-Mangel). Zu
hohe Na-Zufuhr ! ( Kap. 2). Symptome. Metabolische Acidose, Hypotension, Oligurie, Ödeme, Gewichts-
zunahme. Diagnostik. »Diagnostik« im Abschn. 9.3.
…Therapie Unterer Grundbedarf (2–3 mmol/kg KG und Tag) mit altersentsprechendem Flüssigkeitsbedarf zuführen (⊡ Tabelle 4.3). Plasma-Na-Spiegel nicht schneller als maximal 4 mmol/h senken. Bis zum Erreichen einer gleichmäßigen Plasma-Na-Abnahme häufige Elektrolytkontrollen durchführen ( Abschn. 9.1, »Hypertone Dehydratation«). ! Langsam ausgleichen. Gefahr der Entstehung eines Hirnödems bei zu schnellem Ausgleich.
Hyponatriämie Definition. Plasma-Na-Konzentration <135 mmol/l. Häufige Ursachen. Diuretika, Verlust von Körperflüssigkeiten (⊡ Tabelle 8.6), renale Unreife, tubuläre Störungen, adrenogenitales Syndrom, Wasserintoxikation, SIADH, im Rahmen von Stoffwechselstörungen, Kompartimentverschiebung von Wasser, z. B. bei beginnender Infektion ( Kap. 2).
362
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Symptome. Adynamie, Gewichtsverlust, Oligurie, reduzierter Hautturgor,
metabolische Acidose. Diagnostik. »Diagnostik« im Abschn. 9.3.
…Therapie Therapieprinzip Grundbedarf (lt. Zufuhrempfehlungen; Abschn. 4.3.2.) + Natriumdefizit + laufende Verluste.
Grundbedarf Grundbedarf über 24 h zuführen. Die erste Hälfte des Na-Defizits über 8 h, den Rest über 16 h zuführen. Laufende Verluste addieren und in regelmäßigen Abständen der Infusion zusetzen (⊡ Tabelle 4.8).
9
! Keine Bolusgaben durchführen.
Berechnung des Na-Defizits Na-Defizit=Na-Zielwert [125 mmol]–Na-Istwert [mmol/l] × Verteilungsraum [0,3 Erwachsener, 0,4 Kleinkind, 0,5 Säugling] × Körpergewicht [kg]
Laufende Verluste Zeitnah ersetzen (keine Bolusgaben).
9.3.2 Kaliumhaushalt Bei der Beurteilung des K-Metabolismus sind die bekannten Termini Hypo-/ Hyperkaliämien, die niedrige bzw. hohe Plasmaspiegel beschreiben, von den Hypo-/Hyperkalien abzugrenzen, die für die Beschreibung eines verringerten bzw. erhöhten Körper-K-Bestandes gebraucht werden. Wegen der intrazellulären Lage des K ist die Plasma-K-Konzentration ein nur ungenaues Maß für den Körperbestand ( Kap. 2). Im Weiteren sind bei der Beurteilung von Plasma-K-Spiegel die verschiedenen Einflüsse auf die Verteilung zwischen intra- und extrazellulärem Kompartiment zu berücksichtigen: ▬ Blut-pH+0,1 Einheit → Senkung K-Plasma-Konzentration um 0,5 mmol/l. ▬ Anabole Stoffwechsellage führt zur intrazellulären K-Aufnahme (und jeweils vice versa).
363 9.3 · Häufige Elektrolytimbalanzen
9
▬ Klinisch signifikante K-Imbalanzen führen zu typischen EKG-Auffällig-
keiten: (Diese sind bei Säuglingen und Kleinkindern aber nicht so ausgeprägt wie bei Erwachsenen.) ▬ Hypokaliämie: QT-Zeitverlängerung, erhöhte U-Welle, ▬ Hyperkaliämie: QT-Zeitverlängerung, erhöhte T- und verminderte U-Wellen-Amplitude (⊡ Abb. 3.2). > Zur Interpretation von Plasma-K-Konzentrationen sind der Säure-BasenStatus und die Stoffwechsellage (Anabolie oder Katabolie) zu berücksichtigen.
Hypokaliämie Definition. Plasma-K-Konzentration <3,5 mmol/l. Häufige Ursachen. Zu geringe K-Zufuhr, zu hohe Flüssigkeitszufuhr, hoher
Bedarf bei schnellem Körperwachstum, Verlust von Körperflüssigkeiten, vermehrte renale Verluste im Rahmen von Diuretika-, Koffeintherapie, akuter und chronischer Niereninsuffizienz, nephrotischem Syndrom, Fanconi-Syndrom, bei erhöhten Aldosteronspiegeln (exogene Zufuhr, Conn-, CushingSyndrom; Kap. 2). Symptome. Ileus, Apathie, verminderte neuromuskuläre Erregbarkeit, Herz-
rhythmusstörungen (+ventrikuläre Extrasysolen, VES). Diagnostik. »Diagnostik« im Abschn. 9.3.
…Therapie Maximale Substitution von 0,5 mmol K/kg KG und Stunde nur im Notfall (bei klinisch signifikanten Symptomen) nutzen. Sonst langsamer Ausgleich mit Zufuhr im oberen physiologischen Bereich (3 mmol/kg KG und Tag) + Zuschlag bei Verlusten ( Anhang). > Bei Diuretikatherapie K-sparende Diuretika einsetzen (Spironolacton). ! Langsame K-Substitution! Niemals Bolusgaben verabreichen. Defizit auch bei klinisch signifikanten Symptomen langsam ausgleichen. Gefahr der Entstehung von Herzrhythmusstörungen bis zum Kammerflimmern.
364
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Hyperkaliämie (Frühgeborenenhyperkaliämie; Abschn. 8.2.6). Definition. Plasma-K-Konzentration >6,0 mmol/l. Häufige Ursachen ▬ Niereninsuffizienz (akut/chronisch) mit Olig- oder Anurie, ▬ zu hohe K-Zufuhr, ▬ bei Störungen der Nebennierenfunktion (z. B. adrenogenitales Syndrom,
Morbus Addison), ▬ inadäquat geringe Flüssigkeitszufuhr, ▬ Acidose, ▬ Katabolie, Gewebsuntergang.
9
! Fehlbestimmung ausschließen. (Bereits eine geringe Hämolyse führt zu signifikanter K-Ausschüttung aus dem intrazellulären Kompartiment und zu falsch-hohen K-Plasma-Spiegeln ( Kap. 2). Vor therapeutischer Konsequenz zweite Messung durchführen. Symptome. Adynamie, Hyperexzitabilität, Herzrhythmusstörungen (+VES). Diagnostik. »Diagnostik« im Abschn. 9.3.
…Therapie Unter Monitoring bzw. EKG-Überwachung durchführen. Kalium aus der Infusion entfernen. Imbalanzen anderer Elektrolyte ausgleichen (besonders Hyponatriämie, Hypokalzämie). Katecholamintherapie minimieren (besondere Gefahr für die Auslösung von Herzrhythmusstörungen).
Therapie mit kurzfristigem Effekt (Notfallmaßnahmen) ▬ Kalzium- (Ca-)Glukonat-Supplementation, 10%ig: 0,5–1 ml/kg KG lang-
sam (5 min) i.v. Hochnormale Kalziumspiegel anstreben. Wenn PlasmaCa-Spiegel >3 mmol, nur noch geringer Effekt. Wirkt sofort. Wirkung hält ca. 10–15 min an. Cave: hyperosmolar. ▬ Salbutamol: 5–10 µg/kg KG als Kurzinfusion 20 min (oder im Notfall inhalativ, wenn kein Zugang vorhanden). Wirkt nach 20–30 min. Wirkung hält für 15–60 min an.
365 9.3 · Häufige Elektrolytimbalanzen
9
▬ Natriumbikarbonat, 8,4%ig (1 ml=1 mmol; bei Neugeborenen auf 4,2%
verdünnen): 1–2 mmol/kg KG als Kurzinfusion (über 20 min). Wirkungseintritt nach ca. 20–40 min. Cave: wirkt nicht bei Niereninsuffizienz, hyperosmolar. ▬ Infusion mit 0,9%iger NaCl: 10 ml/kg KG in 20 min i.v. Wirkung prolongiert bei Hyponatriämie.
Langfristige Senkung des K-Spiegels ▬ Glukose-Insulin-Infusion: 0,3–0,6 g Glukose/kg KG (=2–5 ml 10%ige Glu-
kose/kg KG) plus 0,1–0,3 IE Insulin/kg KG über 20 min; ggf. als Dauerinfusion weiterführen (1–4 ml/kg KG und Stunde der Glukose-Insulin-Lösung). Wirkeintritt ab 30-min-Laufzeit. Cave: Der Insulineffekt kann durch Anlagerung des Insulins an die Schlauchleitung vermindert werden. ▬ Diuretikatherapie: Furosemid 1–3 mg/kg KG und Tag i.v. Langsame Senkung der K-Plasma-Spiegel durch vermehrte renale Elimination. ▬ Resonium-Einlauf: 0,5–1 g/kg KG mit 2 ml 0,9%iger NaCl auf 1 g Resonium verdünnt anwenden. Wirkungseintritt beginnt nach 1 h. Ultima ratio: Peritonealdialyse, Blutaustausch.
Literatur Es wird auf die entsprechende Literatur im Kap. 8 verwiesen.
9.3.3 Hyperchlorämie Definition. Plasma-Chlorid- (Cl)-Konzentration <110 mmol/l. Häufige Ursachen. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (z. B. Frühgeborene) sinkt die renale Cl-Ausscheidung parallel zu einer sinkenden Diurese. Der Plasma-Cl-Spiegel kann (unter sonst physiologischen Bedingungen) bei z. B. Früh- und Termingeborenen als feiner Indikator für den Hydratationsstatus verwendet werden. Hyperchlorämien treten häufig bei dehydrierten Frühgeborenen auf. Weitere Ursachen: unangepasste Zufuhr/Imbalanzen des Säure-BasenStatus.
…Therapie Ausgleich von Flüssigkeitsverlusten, Therapie des Säure-Basen-Status.
366
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
9.3.4 Kalziumhaushalt Hypokalzämie Definition. Plasma-Kalzium- (Ca-)Konzentration <1,8 mmol/l (<0,9 mmol/l ionisiertes Ca). Häufige Ursachen.
9
▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬
Zu geringe Zufuhr, Hypo- oder Pseudohypoparathyreoidismus, Vitamin-D-Mangel, Alkalose, Frühgeburtlichkeit, Fetopathia diabetica, Asphyxie, inadäquat hohe Phosphat- (P)-Zufuhr, Nieren-, Leberinsuffizienz, Medikamente (Diuretika, Koffein, Theophylin).
Symptome. Neuromuskuläre Übererregbarkeit, Muskelkrämpfe, Parästhesien,
Tremor, (Magen-, Darm-)Blutungen, Erbrechen, Tachykardie. ! Die Klinik korreliert nicht mit dem Ausmaß der Hypokalzämie. Diagnostik. »Diagnostik« im Abschn. 9.3.
…Therapie Akuttherapie Bei klinisch signifikanten Symptomen: 2 ml/kg KG Ca-Glukonat, 10%ig, langsam i.v. (Vorher Zugang auf sichere intravenöse Lage prüfen). 1 ml CaGlukonat=0,22 mmol. ! Vorsicht bei intravenöser Bolustherapie mit 10%igem Ca-Glukonat: Paravasat führt zu starken Gewebsnekrosen; Auslösung von Gefäßspassmen; Auslösung von AV-Überleitungsstörungen (besonders häufig unter Digitalismedikation). Bei Gabe über Nabelvene können auch bei korrekter Katheterlage Lebernekrosen ausgelöst werden.
367 9.3 · Häufige Elektrolytimbalanzen
9
Hypokalzämie ohne signifikante klinische Symptome Langsame Normalisierung der Ca-Spiegel bevorzugt durch orale Ca-Zufuhr (Säugling: z. B. angepasster Ca-Glukonat-Zusatz, 10%ig, zu jeder Mahlzeit z. B. 1–2 ml/Flasche). Bei älteren Kindern können die üblichen Ca-Supplemente genutzt werden. Ist eine parenterale Ca-Zufuhr notwendig (z. B. bei enteraler Nahrungskarenz), so ist die besondere endothelreizende Konfiguration des Ca-Ions bei der praktischen Durchführung zu beachten (Cave: Gewebsnekrosen bei Paravasat).
Prävention einer Hypokalzämie Angepasste Ca-/P- und Vitamin-D-Zufuhr. Durchführung: Abschn. 4.3.3 und 8.2.3.
Hyperkalzämie Definition. Plasma-Ca-Konzentration >3,0 mmol/l (bzw. ionisiertes Ca
>1,25 mmol/l). Häufige Ursachen. ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬
Inadäquate Ca-/P-Zufuhr, Vitamin-D-Intoxikation, Hyperthyreose, Neben-, Niereninsuffizienz, Hyperparathyreoidismus, Tumorhyperkalzämie, ideopathische infantile Hyperkalzämien, Mutationen des Ca-Rezeptors, bei Neugeborenen: transienter Hyperparathyreoidismus bei Hypokalzämie/Hypoparathyreodismus der Mutter.
Symptome. Verminderte neuromuskuläre Erregbarkeit, Magen-/Darmato-
nie, gastroösophagealer Reflux, unterschiedliche renale und kardiovaskuläre Störungen. Diagnostik. »Diagnostik« im Abschn. 9.3.; außerdem alkalische Phosphatase, Parathormonspiegel.
368
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
…Therapie ▬ ▬ ▬ ▬ ▬
Steigerung der Flüssigkeitszufuhr um 10–30 ml/kg KG und Tag, Stopp der Vitamin-D-Prophylaxe, Ca-freie Infusionstherapie bzw. enterale Ernährung mit Ca-armer Milch, auf adäquate P-Zufuhr achten, Glukokortikoidtherapie: hemmt die Osteoblasten und die enterale CaResorption. Cave: nur in speziellen Situationenen anwenden: Cave: Glukokortikoidnebenwirkungen.
9.3.5 Hypomagnesämie Definition. Plasma-Magnesium- (Mg-)Konzentration <0,5 mmol/l. Häufige Ursachen.
9
▬ ▬ ▬ ▬ ▬
Inadäquate Mg-Zufuhr, Fetopathia diabetica, Asphyxie, Medikamente (z. B. Therapie mit Diuretika, Koffein, Theophyllin), renale Störungen.
Symptome. Gesteigerte neuromuskuläre Erregbarkeit. Diagnostik. »Diagnostik« im Abschn. 9.3.
…Therapie Akuttherapie 0,5 ml/kg KG Mg-Ascorbat, 20%ig (Magnorbin 1 ml=0,5 mmol) oder 1 ml Magnesium Verla, 10%ig (1 ml=0,3 mmol) langsam i.v. ! Neuromuskuläre Blokade, Hypotonie, Ateminsuffizienz.
Hypomagnesämie ohne signifikante klinische Symptome Langsame Normalisierung der Plasma-Mg-Spiegel bevorzugt durch orale Mg-Supplemetation.
369 9.4 · Säure-Basen-Haushalt
9.4
9
Säure-Basen-Haushalt
Ätiologie und Pathophysiologie Störungen des Säure-Basen-Haushalts sind in der Regel Folge eines Grundleidens. Wenn immer möglich, sollte die auslösende Ursache gefunden werden und eine kausale Therapie erfolgen, also das zugrunde liegende Problem behandelt werden. Nur wenn dies nicht möglich ist, kann eine symptomatische Therapie erwogen werden, mit dem Ziel, die Folgen eines unphysiologischen Blut-pH-Werts zu verhindern (Stoffwechselentgleisung, Gewebsuntergang). Die Ursachen, die zu Störungen des Säure-Basen-Haushalts führen, sind vielfältig. Der Säure-Basen-Haushalt ist eng mit dem Wasser- und Elektrolythaushalt verbunden. Beteiligte Organe sind die Niere (Ausscheidung saurer Valenzen), der Kreislauf sowie der Stoffwechsel in Verbindung mit der Mikrozirkulation (Entstehung sauerer Valenzen). Änderungen des Blut-pH-Werts, z. B. durch Stoffwechselstörungen, eine schlechte Mikrozirkulation oder Nierenfunktionsstörungen, werden durch die Regulationsfähigkeit von Niere und Atmung vermieden. Die gesunde Niere kann durch mehrere in ihrer Regulation unabhängige Mechanismen saure Valenzen (Protonen, H+-Ionen) ausscheiden, die Lunge durch die Regulation des Gasaustausches (Atemantrieb, -frequenz und Atemzugvolumen) in Verbindung mit der Abatmung von CO2 und der Karboanhydrasereaktion zur Verminderung der Kohlensäure beitragen. Kurzfristige Änderung des SäureBasen-Gleichgewichts werden durch unterschiedliche Puffersysteme bis zu einem gewissen Grad abgefangen (Hydrogenkarbonatsystem; Proteinpuffersystem – Plasmaproteine, Hämöglobin-, Phosphatpuffersystem). Durch diese Mechanismen wird der pH-Wert des Blutes in physiologischen Grenzen gehalten; Normalbereich: pH 7,35–7,45. > Bei Früh- und Reifgeborenen, Säuglingen, Kleinkindern und in vermindertem Ausmaß auch älteren pädiatrischen Patienten sind die Pufferkapazität und auch die renale Protonenausscheidung im Vergleich zum Erwachsenen limitiert. Es kommt darum leichter zu Imbalanzen des Säure-Basen-Haushalts. > Bleibt der Blut-pH-Wert trotz veränderter Basen-/Protonenkonzentration in den physiologischen Grenzen, so wird von einer kompensierten Alkalose bzw. Acidose gesprochen.
370
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Klinische Symptome Müdigkeit, Schwäche, Adynamie, Übelkeit, verstärkte (Kußmaul-Atmung) oder verminderte Atmung, gastrointestinale Beschwerden, Somnolenz bis zum Koma.
Anamnestische Angaben, klinische Untersuchung, Diagnostik und Monitoring Die Maßnahmen enstprechen denen, die im Abschn. 9.3 genannt wurden.
Acidose (pH<7,25)
9
Entsprechend der Entstehung unterscheidet man ▬ eine respiratorische Acidose (Atemstörung, Retention von CO2, Akkumulation von H+-Ionen → typische Veränderung des pH und CO2) und ▬ eine metabolische Acidose [Anfall von sauren Metaboliten, z. B. durch Gewebshypoxie, Lakt- oder Ketoacidose, durch verminderte renale Ausscheidung von Protonen (Niereninsuffizienz) oder durch Verlust von körpereigenen basischen Valenzen (z. B. bei Diarrhö oder Erbrechen) → typische Veränderung des pH und CO2]. Der Entstehungsmechanismus kann anhand der typischen Veränderungen mit Hilfe einer Säure-Basen-Analyse identifiziert werden (⊡ Tabelle 9.2).
Alkalose (pH>7,55) Analog zu den Acidosen kann die gleiche Differenzierung auch für die Alkalosen erfolgen. Hierbei ist die Richtung der Veränderungen im Säure-BasenStatus genau spiegelbildlich.
⊡ Tabelle 9.2. Interpretation von Störungen des Säure-Basen-Haushalts
Zustand
Ursache
pH
pCO2
BE
Acidose
Respiratorisch Metabolisch
↓ ↓
↑ ↓
↑→ ↓
Alkalose
Respiratorisch Metabolisch
↑ ↑
↓ ↑
↓→ ↑
BE »base excess«
371 9.4 · Säure-Basen-Haushalt
9
…Therapie An dieser Stelle wird die Akuttherapie für Störungen des Säure-Basen-Haushalts bei akuten oder intermediären Erkrankungen beschrieben. Zur Behandlung, Diagnostik und Therapie angeborener Erkrankungen, die zu Elektrolytstörungen führen, wird auf die spezifische Fachliteratur verwiesen. Vor der Therapie einer Acidose/Alkalose sollte anhand eines Säure-Basen-Status die Ursache identifiziert werden: ▬ respiratorische Acidose: Atemstörung beheben, ggf. Atemhilfe oder Respiratortherapie erwägen; ▬ respiratorische Alkalose (Hyperventilation): Ursache beheben, wenn möglich (Angst, zentrale Störung, hohe Salicylatspiegel). In Plastiktüte atmen lassen (dadurch Verminderung der Abatmung von CO2), Sedierung, Ultima ratio: kontrollierte Beatmung. ! Bei respiratorischen Acidosen nur puffern, wenn sich die Atemstörung nicht schnell genug beheben lässt, um Gewebsschäden oder eine Zunahme der Stoffwechselentgleisung zu vermeiden.
Bei metabolischen Acidosen/Alkalosen nach der Ursache suchen und diese behandeln. Oft ist das nicht schnell genug möglich, dann symptomatische Therapie durchführen [Grenze pH <7,1 (Acidose), pH >7,7 (Alkalose) + Klinik, die keine rasche Besserung erwarten lässt].
Symptomatische Therapie bei metabolischen Acidosen mit pH <7,1, die sich kausal nicht kurzfristig behandeln lassen Durchführung: Pufferung mit Hydrogenkarbonat nach folgender Formel: ml NaHCO3, 8,4%ig = base excess [BE] × kg KG × Verteilungsvolumen (Verteilungsvolumen: Erwachsener 0,3; Kleinkind 0,4; Säugling 0,5). ! NaHCO3 ist hyperosmolar ! Beim Neugeborenen nur 1:1 verdünnt als 4,2%ige Lösung verwenden. ! Vorsichtig puffern! Zunächst nur die halbe errechnete Menge Puffer infundieren. Erneuten Säure-Basen-Status abnehmen und dann über weitere Pufferung entscheiden.
372
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Ist die respiratorische Situation bezüglich des CO2 grenzwertig (Hyperkapnie), so sollte der Einsatz eines bikarbonatfreien Puffers, wie z. B. Tris-Puffer, erwogen werden. Dieser ist auch erste Wahl bei Plasma-Na-Spiegeln >150 mmol/l. Gabe nach der Formel: ml Tris-Puffer (3 molar)=BE × kg KG × Verteilungsvolumen Maximale Infusionsgeschwindigkeit: 1 ml/kg KG und Stunde. ! Hyperosmolar; 1:3 verdünnen. Gabe über zentrale Katheter bevorzugen.
Gefahren einer Pufferung
9
Bei Neugeborenen unbedingt Pufferlösungen wie angegeben verdünnen und langsam aus der Hand oder besser als Kurzinfusion infundieren. Durch Hyperosmolarität oder Schwankungen der Osmolarität wird die Entstehung von Hirnblutungen bei Neonaten begünstigt. Infundierte Pufferlösung kann bei der Unreife der neonatalen Nieren oder bei Niereninsuffizienz nur langsam wieder ausgeschieden werden. > Eine alkalische Stoffwechsellage verschlechtert die Wirkung von Katecholaminen. (Reanimation!)
Metabolische Alkalosen >pH 7,7 Metabolische Alkalosen sind selten. Am häufigsten findet man sie im Zusammenhang mit überschießender Pufferung von Patienten (Additionsalkalose)! Andere Gründe sind der rezidivierende Verlust von Magensekret, z. B. bei der Pylorusstenose oder die K-Depletion bei zu geringer K-Zufuhr bzw. höheren Verlusten (Diuretikatherapie); hier kommt es zu einem intrazellulären Austauch von K gegen Protonen. Nur bei einem pH >7,7 und fehlgeschlagener kausaler Therapie in Verbindung mit entsprechender Klinik sollte die Gabe von Säure in Erwägung gezogen werden: L-Arginin-HCl-Lösung, 21%ig: Dosierung nach der bekannten Formel: ml=BE × kg KG × Verteilungsvolumen (Verteilungsvolumen: Erwachsener 0,3; Kleinkind 0,4; Säugling 0,5).
373 9.5 · Akute Niereninsuffizienz, Anurie und Oligurie
9.5
9
Akute Niereninsuffizienz, Anurie und Oligurie
Ziel ist es hier, die Gefahren und das Vorgehen der Infusionstherapie bei akuten Nierenfunktionsstörungen zu beschreiben und für Situationen zu sensibilisieren, in denen eine besondere Gefahr für das Auftreten einer akuten Nierenfunktionsstörung besteht. Diagnostik und Therapie von Nierenerkrankungen sind nicht Gegenstand dieses Leitfadens. Hierzu wird auf die spezifische Fachliteratur verwiesen.
Ätiologie und Pathophysiologie Von der akuten Niereninsuffizienz verschiedener Genese lassen sich die unterschiedlichen chronischen Nierenstörungen abgrenzen. Auslösende Ursache können sein: ▬ prärenal (z. B. verringerte Nierenperfusion), ▬ renal (z. B. renale Ischämie, nephrotoxische Substanzen, Erkrankungen des Nierenparenchyms), ▬ postrenal (z. B. verlegte Harnwege).
Klinische Symptome In der ersten Phase einer akuten renalen Störung sind oft keine klinischen Zeichen bei der körperlichen Untersuchung zu fassen. Eine Oligurie/Anurie bleibt oft zunächst unentdeckt. Später können ein peripheres oder/und zentrales Ödem auftreten.
Diagnostik Bei allen Patienten mit einem besonderen Risiko für das Auftreten einer Nierenfunktionsstörung (z. B. Patienten mit schweren akuten Erkrankungen, wie Infektionen, Traumapatienten, Verbrennungen, Schock, große Operationen, Narkosezwischenfälle, Chemotherapie usw.) sollte eine Überwachung der Urinproduktion (dazu ist die Anlage eines Blasenkatheters nur in Ausnahmesituationen notwendig), der Herzfrequenz und des Blutdruckes gewährleistet werden. Bei chronischen Nierenstörungen ist neben den oben beschriebenen Maßnahmen die Bestimmung der Retentionswerte [Kreatinin, Harnstoff, Harnsäure, Ammoniak, Säure-Basen-Status und Elektrolyte (K!)] je nach Ausprägung der Insuffizienz sinnvoll.
374
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
…Therapie
9
Im Folgenden werden lediglich symptomatische Maßnahmen bezüglich der Infusionstherapie beschrieben. Besteht als Ursache für die Olig- oder Anurie nicht ein Volumenmangel, so wird zwecks Diagnostik und Festlegung einer kausalen Therapie auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen. Wird eine akute Olig- oder Anurie bei einem Risikopatienten bei stabilem Blutdruck beobachtet, so kann nach folgendem Schema vorgegangen werden: (Bei arterieller Hypotonie zunächst Blutdruck stabilisieren und dann bei persistierender Olig- bzw. Anurie mit den unten beschriebenen Maßnahmen beginnen): 1. Das Flüssigkeitsregime überprüfen: ausreichende Flüssigkeitszufuhr? Wurden Verluste adäquat berücksichtigt?; Zuschläge für Fieber usw.; ⊡ Tabellen 4.1, 8.6). 2. Bilanzierung der Ein- und Ausfuhr beginnen. 3. Postrenale Ursachen ausschließen (Entleerungsstörung der Blase, z. B. nach Applikation von Morphinderivaten (Palpation), ggf. Sonographie der ableitenden Harnwege). 4. Versuch der Anregung der Diurese: – Flüssigkeitsvolumengabe: 10–20 ml/kg KG 0,9%ige NaCl über 30– 60 min. Bei Erfolg Flüssigkeitszufuhr an den Bedarf anpassen (Monitoring über das spezifische Gewicht/Osmolarität des Urins). – Furosemid: Anfangsdosierung 2 mg/kg KG i.v. (Cave: bei Frühgeborenen Hydrochlorthiazid verwenden!). Bei Erfolg weiterführen. – Etacrynsäure: Anfangsdosierung 2 mg/kg KG i.v. Bei Erfolg weiterführen. – Der Effekt von Dopamin auf »Nierenstufe« (3–5 µg/kg KG und Stunde) wird kontrovers diskutiert (bei längerfristiger Gabe Zentralvenenkatheter, ZVK, notwendig). – Bei Kindern jenseits des Säuglingsalters kann die Diurese durch Osmotherapie angeregt werden (Testdosis: Mannit 0,5 g/kg KG langsam i.v.; bei Erfolg 0,5–1 g/kg KG und Tag für maximal 3 Tage verabreichen). Cave: hyperosmolar. Nicht bei Säuglingen einsetzen. Ist trotz dieser Maßnahmen (bei physiologischem Blutdruck!) keine ausreichende Diurese zu erreichen, so sollte, wie im Folgenden beschrieben, verfahren werden.
375 9.6 · Coma diabeticum
9
Maßnahmen bei »prolongierter Nierenstörung« ▬ Flüssigkeitszufuhr: Ausfuhr + Perspiratio + Verluste = Einfuhr (± 0-Bilanz anstreben). Perspiration Anhang. ▬ Keine K-Zufuhr! (Behandlung Hyperkaliämie; Abschn. 9.3.2) ▬ Katabolie vermeiden ! (Hierzu ist z. T die Verwendung von stärker kon-
zentrierten Ernährungslösungen notwendig (viel Substrat auf geringem Flüssigkeitsvolumen), ZVK-Anlage erwägen.
Monitoring Kap. 11. Zusätzlich laufende Gewichtskontrollen. Regelmäßige Kontrolle:
Plasmaelektrolyte (K!), Säure-Basen-Status, Kreatinin, Harnstoff, Harnsäure, Ammoniak. ! Bei Kindern mit Infektionszeichen und akuter Olig- oder Anurie sollte ein hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) ausgeschlossen werden (wegweisende Untersuchung: Fragmentozyten im Differenzialblutbild).
9.6
Coma diabeticum
Eine diabetische Ketoacidose oder ein Coma diabeticum tritt am häufigsten bei der Erstmanifestation eines Typ-1-Diabetes (insulinabhängiger Diabetes) auf, gelegentlich bei Entgleisungen des Zuckerstoffwechsels bei bekannten Typ-1-Diabetikern im Rahmen von Erkrankungen und besonderen körperlichen Anstrengungen.
Ätiologie und Pathophysiologie Auslöser ist ein relativer Insulinmangel (verminderte Synthese; Neumanifestation) oder zu geringe Insulinzufuhr (Stoffwechselentgleisung). Hierdurch kommt es zu einer ungenügenden Glukoseaufnahme in die Zellen. Der intrazelluläre Energiestoffwechsel kann durch Verstoffwechselung von Lipiden (Ketonkörperbildung) und Aminosäuren nur zum Teil aufrechterhalten werden (Freisetzung von Protonen). Der Blutzuckerspiegel steigt wegen der verminderten Aufnahme von Glukose aus dem Blut in den Intrazellularraum an. → Erhöhte Serumosmolarität. Die hohe Serumosmolarität führt zur Entwicklung einer osmotischen Diurese → Dehydratation und Elektrolytstörungen (v. a. Hyponatriämie). Am Nierenparenchym führt der relative Energie-
376
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
mangel zusätzlich zu einer verminderten Protonenausscheidung → Entwicklung einer Ketoacidose.
Anamnese Polydipsie, Polyurie, Gewichtsverlust, gelegentlich Bauchschmerzen und Erbrechen.
Klinik Zeichen einer Dehydratation, Acetongeruch, Kußmaul-Atmung, Hypovolämie (Schock), Bewusstseinseintrübung (Koma). Typische Laborveränderungen: Acidose, erhöhter Blutzuckerspiegel, Hyponatriämie, (Hyperkaliämie), häufig assoziiert Leukozytose (ausgelöst durch die Hyperosmolarität des Blutes). Differenzialdiagnosen: hypoglykämischer Schock, Intoxikationen, Stoffwechselerkrankungen, Infektionserkrankungen, Trauma.
9
…Therapie Im Folgenden werden lediglich symptomatische Maßnahmen bezüglich der Infusionstherapie bei der diabetischen Ketoacidose beschrieben. Zwecks Diagnostik und Festlegung einer kausalen Therapie des Diabetes mellitus wird auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen. Grundprinzip der Therapie ist nach Sicherung der Vitalfunktionen eine adäquate Insulinzufuhr, Rehydratation, die Korrektur der Acidose und der Elektrolytimbalanz. Wegen der Hyperosmolarität des Blutes und den Kompartimentverschiebungen bei schnellen Änderungen sollte eine langsame Senkung des BZ-Spiegels angestrebt werden (Cave: Hirn- bzw. Lungenödem). Hierzu sind verschiedene Therapieschemata praktisch erprobt. Ein mögliches Vorgehen ist im Folgenden dargestellt.
Vorgehen Vitalfunktionen sichern, Zugang legen, Blut zur Laboruntersuchung abnehmen (je nach Zustand und Auffindungssituation: Blutbild, Differenzialblutbild, C-reaktives Protein (CRP), (Interleukin-6), Blutzucker, Säure-Basen-Status, Elektrolyte, Alaninaminotransferase, γ-Glutamyltransferase, Kreatinin, Harnstoff; später: Inselzellantikörper). Körperliche Untersuchung, klinische Festlegung des Dehydratationsgrades (⊡ Tabelle 9.1), Anamnese, Diagnosestellung.
377 9.6 · Coma diabeticum
9
Insulintherapie ▬ Bolusgabe: 0,1 IE Altinsulin/kg KG i.v. bei BZ bis 800 mg/dl bzw. 45 mmol/l
(bei BZ >800 mg/dl/>45 mmol/l Dosis verdoppeln → 0,2 IE Altinsulin/ kg KG). ▬ Nach Bolusgabe Beginn der kontinuierlichen Insulinzufuhr: 0,1 IE Altinsulin/kg KG und Stunde als Dauertropfinfusion. Ab einem BZ von 250 mg/dl bzw. 14 mmol/l Reduktion der Altinsulindauertropfinfusion auf 0,05 IE Altinsulin/kg KG und Stunde.
Infusionstherapie ▬ ▬ ▬ ▬
Stunde 1: 20 ml 0,9%ige NaCl/kg KG über 1 h. Stunde 2–5: 10 ml 0,9%ige NaCl/kg KG über 4 h. Stunde 6–24: 20 ml 0,9%ige NaCl/kg KG über 19 h. Ab BZ von 250 mg/dl/14 mmol/l Umstellung auf 1:1-Ansatz Glukose 5%ig/ NaCl 0,9%ig.
Erneute klinische Abschätzung des Dehydratationsgrades (⊡ Tabelle 9.1). Gabe des Grundbedarfes + des Flüssigkeitsdefizits (wenn möglich oral).
Elektrolyte Nach erster Miktion Supplementation von 3–5 mmol K/kg KG und 24 h. Korrektur weiterer Elektrolytimbalanzen nach Elektrolytspiegeln ( Abschn. 9.3). ! Keine Kaliumgabe vor Einsetzen der Diurese. ! Hyponatriämie nur bei Symptomen durch Na-Imbalanz initial ausgleichen. Nach Restitution des Zellstoffwechsels kommt es zu einem Na-Flux von intra- nach extrazellulär. Üblicherweise klingt die Hyponatriämie so ab. Erst nach 24-h-Insulintherapie (sonst nur bei Symptomen) eine Korrektur der Hyponatriämie vornehmen.
Säure-Basen-Haushalt Über die symptomatische Korrektur (Pufferung) der (Begleit-)Acidose sollte nur bei einem pH-Wert <7,1 nachgedacht werden. Pufferung nach dem im Abschn. 9.4 beschriebenen Vorgehen, aber initial nur die Hälfte der errechneten Dosis applizieren: ml NaHCO3, 8,4%ig = base excess [BE] × kg KG × Verteilungsvolumen (Verteilungsvolumen Erwachsener 0,3; Kleinkind 0,4; Säugling 0,5).
378
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
! Bei Säuglingen vor Gabe NaHCO3, 8,4%ig: 1:1 in Aqua injectabilia verdünnen und gleiche Dosis als 4,2%ige Lösung über 20 min bis 1 h applizieren (hyperosmolar).
Monitoring Kap. 11; Monitorüberwachung, Flüssigkeitsbilanzierung, bei Bewusstseins-
einschränkung: Glasgow Coma Scale. Nach 1 h: Kontrolle von BZ, Säure-Basen-Status und Elektrolyten. Weitere Kontrollintervalle nach Verlauf festlegen (z. B. nach weiteren 2 h, 4 h, 8 h usw.) Hinweis: Die Maßnahmen beschreiben das Vorgehen bei klinischem Vollbild. Bei milderer Symptomatik sollte das Vorgehen angepasst werden (Infusionsvolumen usw.)
9.7
9
Acetonämisches Erbrechen
Rezidivierendes Erbrechen bei Katoacidose betrifft besonders solche Kinder, die im Rahmen von Infektionen (typisch Gastroenteritis) zu Ketonkörperbildung neigen. Altersgipfel: 1–5 Jahre.
Ätiologie und Pathophysiologie Durch die (wegen des rezidivierenden Erbrechens) geringe Glukosezufuhr kommt es zu einer ketogenen Stoffwechsellage und schließlich zu einer Ketoacidose, die das Erbrechen unterhält. Dies wiederum trägt zu der niedrigen Glukoseaufnahme bei. Der Kreislauf kann durch parenterale Glukosezufuhr durchbrochen werden.
Anamnese Häufig Beginn bei Nahrungsverweigerung verschiedener Genese (z. B. im Rahmen einer Gastroenteritis).
Klinik Rezidivierendes Erbrechen. Acetongeruch. Abgeschlagenheit. Dehydratation unterschiedlichen Ausmaßes (nach Dauer des Krankheitsbildes). Typische Laborveränderungen: ▬ Urin: Aceton, Ketonköper. ▬ Blut: Acidose unterschiedlichen Ausmaßes, BZ niedrig bis normal, Elektrolytimbalanzen.
379 9.8 · Hypoglykämien
9
Differenzialdiagnosen: Erbrechen anderer Genese (Gastroenteritis, Appendizitis, Hirndruck usw.).
Vorgehen Klinische Untersuchung, Blutentnahme (Säure-Basen-Status, Elektrolyte, Blutzucker, Urinstix auf Aceton oder/und Keton, je nach Schweregrad und klinischem Untersuchungsbefund zusätzlich CRP, Blutbild bzw. Differenzialblutbild).
…Therapie Infusion einer altersangepassten Menge Glukose (10%ig) + Elektrolytlösung (Bedarfstabellen 4.5, 4.8).
Monitoring Kap. 11. Klinische Überwachung, Pulsoxymeter Flüssigkeitsbilanzierung (nach Schweregrad). Nach 8–12 h Kontrolle des Urins auf Aceton/Keton. Je nach Verlauf und Ausgangswerten erneut Säure-Basen-Status, Elektrolyte, Blutzucker.
9.8
Hypoglykämien
Hypoglykämien sollten als Symptom oder Signal verschiedenster Erkrankungen verstanden werden (Infektionen, Stoffwechselstörungen, Traumata, inadäquate Intensivtherapie usw.). Die zugrunde liegenden Erkrankungen, die zum Auftreten des Symptoms »Hypoglykämie« führen, sind vielfältig, und die Palette an Differenzialdiagnosen ist groß. Ziel dieses Abschnitts ist es, die Akuttherapie von Hypoglykämien zu beschreiben. Zur Suche der kausalen Ursache wird auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen.
Klinik Großes Spektrum von Symptomen! Schweißausbrüche, Blässe, Unruhe, Parästhesien, Zittrigkeit, Krampfanfälle, Agressivität, Verhaltensänderungen, Trinkfaulheit (beim Säugling), Kopf- oder Bauchschmerzen, Bewusstseinseintrübungen, Koma.
380
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Differenzierung Wegen ihrer unterschiedlichen Prognose sollte zwischen symptomatischen und asymptomatischen Hypoglykämien unterschieden werden. Typische Laborveränderung: BZ ↓ (Elektrolyt- und Säure-Basen-Imbalanzen).
…Therapie Wegen der unterschiedlichen Vulnerabilität der Blutzuckersteuerungsmechanismen sollte zwischen neonatalen Hypoglykämien und Hypoglykämien bei älteren pädiatrischen Patienten unterschieden werden.
Neonatale Hypoglykämien Das Vorgehen bei neonatalen Hypoglykämien wurde im Abschn. 8.3.4 ausführlich dargestellt.
9
Pädiatrische Patienten jenseits der Neonatalperiode Bei älteren pädiatrischen Patienten ist die Besorgnis vor »Schwingungen des Zucker-Insulin-Systems« ausgelöst durch eine schnelle BZ-Änderung (Bolusgabe) geringer. Hier steht eher die Besorgnis über ZNS-Schädigungen durch längere Hypoglykämiezeit im Vordergrund, so dass (wenn eine enterale Nahrungsaufnahme nicht zum Erfolg führt, oder die Klinik ein schnelles Handeln fordert; Krampfanfall, Bewusstseinseintrübung, Koma) eine initiale GlukoseBolus-Gabe weniger kontrovers diskutiert wird ( hierzu auch Abschn. 8.3.4).
Akuttherapie ▬ Asymptomatische Hypoglykämie (oder Hypoglykämie mit »milden«
Symptomen): 1. Diagnosestellung durch BZ-Messung (ggf. Doppelbestimmung). 2. Enterale Kohlenhydratzufuhr von schnell resorbierbaren Zuckern (Fruchtsaft, Limonade usw). 3. Erneute BZ-Messung. 4. Suche nach der kausalen Ursache. ▬ Symptomatische Hypoglykämien (Bewusstseinsstörungen, Koma, Krampfanfälle): 1. Diagnosestellung durch BZ-Messung (ggf. Doppelbestimmung). 2. Intravenöse Injektion von 20%iger Glukoselösung bis zum Sistieren der Klinik.
381 9.9 · Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion
9
3. Blutzuckermessung und Weiterführen der Therapie mit einer Glukose(10%ig)-Elektrolyt-Infusion. 4. Suche nach der kausalen Ursache.
Alternative Therapiemöglichkeit ab dem 2. Lebensjahr ▬ Injektion von Glukagon s.c. ▬ Dosierung: <6. Lebensjahr: 0,5 mg s.c. (=1/2 Amp.), >6. Lebensjahr: 1,0 mg s.c. (=1 Amp.).
Nebenwirkungen Erbrechen, Übelkeit. ! Wirkt nicht bei leeren Glykogenspeichern.
Monitoring Kap. 11. BZ-Kontrollen in der Klinik angepassten Abständen.
9.9
Syndrom der inadäq u aten ADH - Sekretion
Nichtseltenes Krankheitsbild pädiatrischer (Intensiv-)Patienten (Inzidenz nicht bekannt). Erstbeschrieben von Frederic Crosby Bartter (geb. 1914 in Manila, Philippinen, Internist) und dem Kardiologen William Benjamin Schwartz (geb. 1922 in Boston). Das Krankheitsbild wird durch überschießende Sekretion von antidiuretischem Hormon (ADH) in Relation zur niedrigen Osmolarität des Blutes ausgelöst. Die weitere Abnahme der Osmolarität führt nicht zu einer Verminderung der ADH-Ausschüttung.
Synonyme SIADH, ADH-Exzess, Schwartz-Bartter-Syndrom.
Ä t iologie und Pathophysiologie Die Ätiologie scheint multifaktoriell und ist z. T. noch ungeklärt. Bei neurochirurgischen Eingriffen, die zu einer Schädigung von präoptischen oder paraventrikulären Neuronen führen (z. B. transsphenoidale Eingriffe) scheint der Mechanismus aufgeklärt. Es kommt zu einem charakteris-
382
9
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
tischen 3-phasigen Verlauf (Phase I: verminderte ADH-Sekretion, 1–4 Tage; Phase II: unregulierte Sekretion von ADH mit SIADH, <10 Tage; Phase III: Normalisierung oder dauerhaft niedrige ADH-Ausschüttung, je nach Restitutio der entsprechenden Neuronen). Bei Respiratortherapie sind Vorstellungen bezüglich der Pathophysiologie publiziert: Der positive Inspirationsdruck und der positive endexpiratorische Druck (PEEP) senken den transmuralen Druck der Herzwand. Dehnungsrezeptoren missinterpretieren diese Änderung als »Volumenmangel«, und es resultiert eine Steigerung der ADH-Sekretion. Bei vielen mit SIADH assoziierten Erkrankungen ist nicht endgültig geklärt, an welcher Stelle der Eingriff in den Regelkreis stattfindet. Weitere Auslöser mit oft unklarem Pathomechanismus, die zur Dysregulation des Regelkreises und dann zur überschießenden ADH-Sekretion führen können, sind: ▬ Schädel-Hirn-Trauma, ▬ Asphyxie, ▬ Hirnblutung, ▬ Meningitis, ▬ Enzephalitis, ▬ Asthma, ▬ Mukoviszidose, ▬ Pneumonien, ▬ Rechtsherzinsuffizienz, ▬ Verbrennungen, ▬ zahlreiche Medikamente (z. B. Morphin, Vincristin, Cyclophosphamid). Bei einer Vielzahl der Fallberichte wird letztlich ein SIADH angenommen, das aber nicht durch Messung der ADH-Spiegel bewiesen wurde. (Vor der Etablierung der Radioimmunassaykits war die Bestimmung der ADH-Spiegel vielerorts nicht möglich.) In der Regel erfolgt eine Spontanremission innerhalb von einer Woche in Verbindung mit dem Verlauf der Grunderkrankung. Selten entsteht ein chronischer Verlauf, der dann oft mit der Chronifizierung der Grunderkrankung verbunden ist. Das Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion bleibt vermutlich häufig latent, klinisch inapparent und asymptomatisch. Das Auftreten eines inapparenten SIADH könnte eine Erklärung sein für die zu Beginn von
383 9.9 · Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion
9
Infektionen unerwartet niedrigen Na-Spiegel, die häufig gemessen werden.
Klinik Die klinischen Folgen sind von der physiologischen Wirkung des ADH ableitbar: Häufig sind die Symptome zunächst diskret und beginnen mit Oligurie, Gewichtsanstieg und peripheren Ödemen, begleitet von unspezifischen Symptomen einer Elektrolytimbalanz (Adynamie, Schläfrigkeit, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Irritabilität, Hyperexzitabilität, Verwirrung). ! Bis Plasma-Na-Spiegeln um 120 mmol/l können Symptome aber auch komplett fehlen.
Ab Na-Plasma-Spiegel <110 mmol/l ist mit ernsten neurologischen Symptomen, wie Stupor oder Krampfanfällen, zu rechnen.
Differenzialdiagnosen Mit gesteigerter renaler Na-Ausscheidung und Hyponatriämie: Therapie mit Diuretika, Theophyllin, Koffein, renale tubuläre Dysfunktion verschiedener Ätiologien, Schilddrüsenunterfunktion, Nebenniereninsuffizienz.
Laborwerte ▬ Urin: Menge ↓ (Bilanz: +), Osmolarität ↑ (oder spez. Gewicht ↑), Na-Aus-
scheidung ↑.
▬ Plasma: Na ↓, Cl ↓, Osmolarität ↓, Na-Hydrogenkarbonat im Plasma in
der Regel unverändert. ! Bei niedrigen Na- oder K-Spiegeln Infusionsregime überprüfen. Wenn keine Ursache zu identifizieren, an SIADH denken und Diagnostik durchführen.
…Therapie Die erfolgreiche Behandlung der Grunderkrankung führt in der Regel zur Spontanremission. Die Therapie der »Wasserintoxikation« erfolgt in der Zwischenzeit symptomatisch.
384
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Prävention Flüssigkeitsrestriktion auf 50–75% des Tagesbedarfes.
Bei Hyponatriämie Flüssigkeitsreduktion für 4–6 h auf 35% des Tagesbedarfes, weiter auf 50% des errechneten Tagesbedarfes.
Notfalltherapie Bei Krampfanfall oder Koma und Na <125 mmol/l. ! Bei Na-Plasma-Spiegeln >125 mmol/l sind schwere neurologische Symptome selten, aber möglich (schnelle Absenkung des Na-Spiegels). Akribisch auch nach anderen Ursachen für die neurologische Symptomatik suchen.
9
Berechnung des Na-Defizits bis zu einem Na-Plasma-Spiegel von 125 mmol/l Na-Defizit [mmol/l]=0,6 × Körpergewicht [kg] × (125–gemessenes Na [mmol/l])
Na-Supplementation Ziel: Na-Plasma-Spiegel von ca. 125 mmol/l. Dosierung: Infusion von max. 5 mmol Na/kg KG und Stunde. Durchführung: Applikation des berechneten Na-Defizits über Perfusor (NaCl, 5,85%ig = 1 mol/ml) 1:1 mit 5%iger Glukoselösung. ! Hypertone Lösung ca. 900 mosmol/l, venenreizend, Nekrosenbildung bei Paravasat.
Diuretikatherapie Furosemid-Einstiegsdosierung: 0,5 mg/kg KG. (Bei Früh- und Neugeborenen als Diuretikum Hydrochlorothiazid verwenden.) Mit niedriger Einstiegsdosierung beginnen (zunächst Null- oder leicht negative Bilanz anstreben). Eine zu hohe Minusbilanz führt zu einer zu schnellen Osmolaritätsänderung! ! Na-Plasma-Spiegel um maximal 0,6(–1) mmol/l und Stunde steigen lassen.
385 9.10 · Verbrennungen/Verbrühungen
9
! Frühgeborene und Neugeborene mit durch SIADH bedingten neurologischen Symptomen haben sowohl durch die Osmolaritätsschwankungen als auch durch die Notfalltherapie (Infusion einer hyperosmolaren Lösung!) ein hohes Hirnblutungsrisiko. Lebensgefahr. Dringend erfahrenen Kollegen hinzuziehen.
Monitoring ▬ Körpergewicht (z. B. alle 12 h), Bilanz, ▬ Urin: Menge, spez. Gewicht oder Osmolarität, (Na-Ausscheidung), ▬ Blut: Säure-Basen Status, Na, Bikarbonat.
Die Häufigkeit der Kontrollen ist nach dem klinischen Verlauf festzulegen.
Experimentelle Therapiemöglichkeiten Demeclocyclin (Tetrazyklinderivat) kann die ADH-Wirkung an den Tubuli der Nieren kompetitiv hemmen. Die Substanz wurde bei Erwachsenen erfolgreich eingesetzt. Bei pädiatrischen Patienten ist ein Einsatz im Alter <8 Jahren kontraindiziert. Nonpeptid-Vasopressin-Antagonisten werden bei Erwachsenen experimentell eingesetzt. Die Langzeittherapie mit Demeclocyclin, Phenotyin, Lithium ist verlassen.
9.10
Verbrennungen/Verbrühungen
Verbrühungen bzw. Verbrennungen können zu größeren Flüssigkeitsverlusten und Verschiebungen zwischen den Körperkompartimenten führen. Frühzeitiges angepasstes Flüssigkeitsmanagement verhindert das Entstehen von instabilen Kreislaufverhältnissen und eines Kreislaufschocks. In Abhängigkeit vom Ausmaß der Gewebszerstörung kann es zum klinisch signifikanten Freisetzen von Entzündungmediatoren kommen. Diese können eine Verbrennungskrankheit auslösen, die bis zu einem sepsisähnlichen Multiorganversagen führen kann. Für ein angemessenes Vorgehen ist es nötig, Intensität und Ausmaß von Verbrennungen abzuschätzen. Hierbei können das Schweregradeinteilungschema (⊡ Tabelle 9.3) und die folgende Ausmaßabschätzungsregel helfen.
386
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
⊡ Tabelle 9 .3.
Gradeinteilung von Verbrennungen
Grad
Lokalbefund
I II III IV
Erythem/Ödem Erythem mit Blasenbildung Gewebsnekrosen Verkohlung
Ausmaß a bschätzungsregel Die Handgröße (einschließlich der Finger) entspricht etwa 1% der Körperoberfläche.
…Therapie
9
Das Kapitel befasst sich mit dem Flüssigkeitsmanagement nach Verbrennungen/Verbrühungen. Zur spezifischen Behandlung der »Verbrennungserkrankung« und weiterer Therapieoptionen vgl. die einschlägige Fachliteratur.
Notfallbehandlung von Verbrennungen 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Vitalfunktionen sichern. Kühlen (kaltes Wasser). Möglichst steril (und nicht klebend) abdecken (Metalline). Venöser Zugang bei Verbrennungen ab Grad II. Initial Volumentherapie mit 20 ml 0,9%iger NaCl/kg KG über 1 h. Analgesie (z. B. Tramadol 0,5–1 mg/kg KG i.v. als Einzelgabe oder Pethidin 0,5–1 mg/kg KG i.v. als Einzelgabe). 7. Tetanusimpfstatus erheben (ggf. impfen). 8. Berechnung der weiteren Infusionstherapie (vgl. Schema unten). 9. Chirurgische Wundversorgung, z. B. unter Ketanest-Kurznarkose (2–5 mg/ kg i.v., nach Diazepam 0,2–1 mg/kg KG i.v.). Eine initiale Antibiotikatherapie ist bei nichtkontaminierter Wunde nicht notwendig.
Vorgehen nach der Klinikaufnahme ▬ Klinische Untersuchung, Kontrolle von Blutdruck, Herzfrequenz, Flüs-
sigkeitsbilanzierung, Sauerstoffsättigung, Bilanzierung, Monitorüberwachung.
387 9.10 · Verbrennungen/Verbrühungen
9
▬ Blutentnahme: Säure-Basen-Status, Elektrolyte, BZ, CRP, Gerinnung, Blut-
bild, Differenzialblutbild, Gesamteiweiß, Harnstoff, Kreatinin, Transaminasen, freies Hämoglobin im Plasma, Kreuzblut (nach dem Ausmaß der Verbrennung anpassen). Kontrolle des Säure-Basen-Haushalts und der Elektrolyte in kurzen Intervallen (nach dem Ausmaß der Verbrennung/ Verbrühung festlegen, z. B. 1 h, 2 h, 4 h, 8 h usw. nach Aufnahme bei schwerer Symptomatik). ▬ Urinuntersuchung: spez. Gewicht, Glukose, Aceton, Blut. ▬ Wundabstriche.
Infusionstherapie Berechnung ▬ Abschätzung des Verbrennungsgrades und -ausmaßes nach ⊡ Tabelle 9.3. ▬ Infusionslösung: 0,9%ige NaCl- und 5%ige Glukoselösung im Verhält-
nis 1:1.
Festegung des Infusionsvolumens nach der Faustregel Erste 24 h: ml=5 ml × kg KG × % KOF (Erste Volumengabe zählt nicht mit.) Vom kalkulierten Flüssigkeitsvolumen werden 50% in den ersten 8 h, die zweiten 50% in den folgenden 16 h infundiert. ! Anpassung der Flüssigkeitszufuhr nach den Befunden im Monitoring.
Ab den zweiten 24 h nach der Verbrühung/Verbrennung kann die Flüssigkeitstherapie dem Monitoring angepasst weitergeführt werden. Bei Unsicherheit kann man sich aber auch grob an der unten beschriebenen Faustregel orientieren: Faustregel: ▬ 2. Tag: ml=3 ml × kg KG × % KOF. ▬ 3. Tag: ml=1 ml × kgKG × % KOF. Elektrolyte nach Elektrolytstatus zusetzen. ! Kalium erst nach der ersten Miktion zuführen.
388
Kapitel 9 · Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
Monitoring Kap. 11. Monitorüberwachung. Flüssigkeitsbilanzierung. Je nach Verlauf
und Ausmaß Kontrolle des Säure-Basen-Status, der Elektrolyte alle 8–24 h bis zum Erreichen eines »stady state« unter Therapie.
Literatur
9
Alderson P, Schierhout G, Roberts I, Bunn F (2000) Colloids versus crystalloids for fluid resuscitation in critically ill patients (review). Cochrane Database Syst Rev: CD 001208 Bartter FC, Schwartz WB (1967) The syndrome of inappropriate secretion of antidiuretic hormone. Am J Med 42: 790–806 Bender BJ, Ozuah PO (2004) Intravenous rehydration for gastroenteritis: how long does it really take? Pediatr Emerg Care 20: 215–218 Corneli HM (1993) Evaluation, treatment, and transport of pediatric patients with shock. Pediatr Clin North Am 40: 303–319 Dunger DB, Sperling MA, Acerini CL et al. (2004) European Society for Paediatric Endocrinology/Lawson Wilkins Pediatric Endocrine Society consensus statement on diabetic ketoacidosis in children and adolescents. Pediatrics 113: 133–140 Finberg L (2002) Dehydration in infancy and childhood. Pediatr Rev 23: 277–282 Fusch C, Jochum F (2005) Water, sodium, potassium, and chloride. In: Tsang RC, Lucas A, Uauy R, Zlotkin S (eds) Nutritional needs of the preterm infant. Williams & Wilkins, Baltimore Haycock GB (1995) The syndrome of inappropriate secretion of antidiuretic hormone. Pediatr Nephrol 9: 375–381 Jospe N, Forbes G (1996) Fluids and electrolytes–Clinical aspects. Pediatr Rev 17: 395–403 Mayinger B, Hensen J (1999) Nonpeptide vasopressin antagonists: a new group of hormone blockers entering the scene. Exp Clin Endocrinol Diabetes 107: 157–165 McConnochie KM, Conners GP, Lu E, Wilson C (1999) How commonly are children hospitalized for dehydration eligible for care in alternative settings? Arch Pediatr Adolesc Med 153: 1233–1241 Ozmert E, Uckardes Y, Yurdakok K, Yalcin SS (2003) Is a 2:1 ratio of standard WHO ORS to plain water effective in the treatment of moderate dehydration. J Trop Pediatr 49: 291–294 Santosham M, Keenan EM, Tulloch J, Broun D, Glass R (1997) Oral rehydration therapy for diarrhea: an example of reverse transfer of technology. Pediatrics 100: E10 Seeling W (1985) Imbalanzen im Wasser- und Elektrolytstatus. Infusionsther Klin Ernahr 12: 310–321 Thomas NJ, Carcillo JA (1998) Hypovolemic shock in pediatric patients. New Horiz 6: 120–129 Vanelli M, Chiarelli F (2003) Treatment of diabetic ketoacidosis in children and adolescents. Acta Biomed Ateneo Parmense 74: 59–68
10 Störungen des Gastrointestinaltrakts 10.1
Chronische Obstipation – 390 S. Razeghi, R. Behrens
10.2
Infektiöse Enteritis – 394 S. Razeghi, R. Behrens
10.3
Nahrungsmittelunverträglichkeiten – 399 S. Razeghi, R. Behrens Nahrungsmittelallergie – 400 Nahrungsmittelintoleranzen – 402
10.3.1 10.3.2 10.4
Gastroösophagealer Reflux S. Razeghi, R. Behrens
10.5
Colitis ulcerosa, Morbus Crohn – 413 S. Razeghi, R. Behrens
10.6
Kurzdarmsyndrom M. Krawinkel Literatur
– 428
– 420
– 409
390
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
Zahlreiche Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts sind eng mit der Ernährung verknüpft. Sie können einerseits durch eine Unverträglichkeit gegen Nahrungsmittel ausgelöst werden (Zöliakie, Nahrungsmittelallergie u. a.), andererseits unbehandelt zu einem Nährstoffmangel führen (z. B. Morbus Crohn). Während z. B. in der Therapie der chronischen Obstipation häufig noch Unkenntnis über den Stellenwert der Ernährungstherapie besteht, hat sich in der Therapie der akuten Gastroenteritis ein Paradigmenwandel zur raschen Umstellung auf Normalkost ergeben. Der behandelnde Arzt muss daher mit Durchführung einer diätetischen Therapie und dem Monitoring des Ernährungszustands vertraut sein. Genauso wichtig ist es jedoch, unnötige diätetische Einschränkungen aufgrund falscher Diagnosen oder Indikationsstellungen zu vermeiden.
10.1
10
Chronische Obstipation
S. Razeghi, R. Behrens
Definition Obstipation bedeutet Stuhlretention aufgrund unzureichender Stuhlentleerung. Stuhlfrequenz und -konsistenz sind meist, aber nicht immer, verändert und gehen daher nicht mit in die Definition ein.
Epidemiologie Die Obstipation ist eine der häufigsten gastroenterologischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter und die mit Abstand häufigste organische Ursache von rezidivierenden Bauchschmerzen.
Ätiologie Bei der chronischen Obstipation liegen fast immer funktionelle Ursachen vor, wie Ernährungsfehler, geringe Trinkmenge, Sauberkeitserziehung, Abneigung gegen fremde Toiletten (Urlaub, Schule etc.), psychosoziale Konflikte, häufig auch überkompensierende Reaktion nach infektiöser Enteritis. Sehr selten finden sich organische Ursachen, wie ein Morbus Hirschsprung, neurogene oder medikamentöse Ursachen oder eine Hypothyreose.
391 10.1 · Chronische Obstipation
10
Klinik ▬ Harter, seltener Stuhlgang (nicht obligat, bei etwa 25% der Patienten
Stuhlretention ohne anamnestische Stuhlauffälligkeiten). ▬ Bauchschmerzen, häufig im linken Unterbauch, im Zusammenhang mit
▬ ▬ ▬ ▬
▬
der Defäkation (Tenesmen) oder postprandial (gastrokolischer Reflex). Bei jüngeren Kinder oft unspezifische, z. B. periumbilikale Bauschmerzen. Überlaufkoprostase (Verflüssigung des Stuhls bei langer Retention, der dann nicht mehr gehalten werden kann). Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen. Erweiterte, mit reichlich hartem Stuhl gefüllte Ampulle. Bei älteren Kindern meist schlaffer Sphinktertonus (reflektorische Erschlaffung durch stuhlgefüllte Ampulle); willkürliche Kontraktionen und Analreflex erhalten. Perianale Veränderungen, wie Fissuren, gestaute Perianalvenen, kotverschmierter Anus.
Diagnostik und Differenzialdiagnosen Entscheidend sind Anamnese und körperliche Untersuchung mit rektaler Austastung, um eine (sehr seltene) organische Ursache auszuschließen. > Warnsignale für eine organische Ursache sind: ▬ Beginn in den ersten Lebenswochen/-monaten, oft mit verzögertem Mekoniumabgang verbunden → Verdacht auf Morbus Hirschprung oder Analstenose; ▬ langstreckige, enge Ampulle → Verdacht auf Morbus Hirschprung; ▬ kurzstreckige Enge des Anus → Verdacht auf Analstenose; ▬ fehlender Analreflex oder sonstige neurologische Befunde → Verdacht auf neurogene Entleerungsstörung.
Nur bei auffälliger Anamnese oder pathologischem Befund erfolgt eine weiterführende Diagnostik: ▬ Verdacht auf Morbus Hirschsprung: Wenn möglich, inital Rektummanometrie als nichtinvasive und sehr sensitive Methode (fehlende Relaxation des M. sphincter internus). Bestätigung mit der Rektumsaugbiopsie. Erst präoperativ Kolonkontrasteinlauf (Länge des betroffenen Segmentes). ▬ Verdacht auf neurogene Entleerungsstörung: Röntgen der Wirbelsäule, Magnetresonanztomogramm (MRT) des Spinalkanals, Rektummanometrie.
392
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
▬ Verdacht auf Hypothyreose: thyroidstimulierendes Hormon (TSH), freies
Tetrajodthyronin (fT4).
…Therapie Die wichtigste Therapie der chronischen Obstipation ist die Ernährungstherapie, die häufig um eine medikamentöse Therapie ergänzt werden muss.
Ernährungstherapie Entscheidend sind eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und ballaststoffreiche Ernährung (⊡ Tabellen 10.1 und 10.2).
⊡ Tabelle 10.1. Flüssigkeitsmengen
10
Alter
Flüssigkeitsmenge [ml/kg KG und Tag]
0–12 Monate 13–24 Monate 3–5 Jahre 6–10 Jahre >10 Jahre
140 120 100 90 50
⊡ Tabelle 10.2. Ernährungstherapie der Obstipation
Zu bevorzugen
Zu vermeiden
Vollkornbrot, Schwarzbrot, Knäckebrot, Mehrkornbrot
Weißbrot, Brötchen, Brezeln, sonstige Weißmehlprodukte, Zwieback
Sauer-/Rotkraut, Salat, Kohl, Lauch, Kohlrabi, Hülsenfrüchte, Paprika, Tomaten, Spargel, Gurken, Mais
Karotten, Nüsse
Rohes, ungeschältes Obst, (Ausnahmen rechte Spalte)
Banane, Heidelbeeren
Kartoffeln, Pommes frites, Vollkornnudeln, Wildreis, Eier
Geschälter Reis, Nudeln, Grieß
Müsli (ohne Schokolade), Quark, Joghurt, Käse, Weizenschrot (-kleie)
Süßigkeiten, Kuchen, Gebäck
Obstsäfte, Mineralwasser, Tee
Limonade, Kakao
393 10.1 · Chronische Obstipation
10
> Genauso wichtig wie die Zufuhr ballaststoffreicher Kost ist aber auch die Vermeidung von Süßigkeiten, Weißmehlprodukten etc.
Medikamentöse Therapie Zur oralen Anwendung werden osmotisch wirksame Substanzen, wie Laktulose (1–3 ml/kg KG und Tag in 2–3 ED), oder Gleitmittel, wie Paraffinum subliquidum (1–3 ml/kg KG und Tag in 2–3 ED), empfohlen. Diese können im Kindesalter auch über einen längeren Zeitraum sicher angewendet werden. Laxanzien (Stimulanzien), wie Bisacodyl u. a., sollten im Kindesalter nicht angewendet werden. Bei massiver Stuhlretention im Rektum müssen vor Beginn der medikamentösen Therapie erst Abführmaßnahmen über 3–5 Tage durchgeführt werden, da es sonst zu teils massiven Bauchschmerzen kommen kann. Bewährt haben sich ebenfalls osmotisch wirksame Substanzen, wie Sorbit, Phosphatsalze, Natriumzitrat oder Natriumlaurylsulfoacetat, die in verschiedenen Präparationen als Einläufe oder Zäpfchen für Säuglinge zur Verfügung stehen. > Die Eltern müssen darüber aufgeklärt werden, dass meist eine konsequente diätetische und medikamentöse Therapie synchron über mehrere Monate notwendig ist.
Dabei muss bei Stuhlverhalt über mehr als einen Tag erneut rektal abgeführt werden.
Allgemeinmaßnahmen ▬ Regelmäßiger Toilettengang, 1-mal am Tag zur selben Uhrzeit, postpran-
dial (gastrokolischer Reflex). ▬ Körperliche Betätigung/Sport. ▬ Verhaltenstherapie: Belohnungen bei regelmäßigem Toilettengang, auf
keinen Fall Bestrafung bei Stuhlretention oder Überlaufenkopresis. ▬ Aufklärung über Ursachen und Pathomechanismus (Stuhlretention →
Verfestigung → schmerzhafte Defäkation → Stuhlretention usw.), Durchbrechen dieses Kreislaufes nur durch konsequente Diät. ▬ Psychologische Therapie nur bei Auffälligkeiten.
394
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
10.2
Infektiöse Enteritis
S. Razeghi, R. Behrens
Ätiologie Durch fäkal-orale Übertragung kommt es zu einer Infektion vorwiegend mit: ▬ Viren: Rota-, Adeno-, Enteroviren, ▬ Bakterien: Salmonellen, Campylobacter, E. coli, Shigellen, Clostridien, Yersinien oder ▬ Parasiten: Lamblien, Amöben.
10
Die Infektion verursacht eine Mukosaschädigung mit Einstrom von Wasser und Elektrolyten in das Darmlumen. Der Flüssigkeitsverlust variiert dabei zwischen 5 ml/kg KG und Tag und bis zu 200 ml/kg KG und Tag. Während und nach der Erkrankung findet man gelegentlich eine passagere Malabsorption (sekundäre Laktoseintoleranz), die bei Säuglingen mehrere Monate andauern kann (postenteritisches Syndrom).
Klinik Gastrointestinale Symptome. Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen. Allgemeinsymptome. Fieber, Appetitlosigkeit. Komplikationen. Dehydratation ( Abschn. 9.1), para- oder postinfektiöse Arthritis, Sepsis (Säuglinge, Immundefizienz), hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS), Invagination.
Diagnostik Entscheidend ist die klinische Einschätzung des Dehydratationsgrades (Bewusstsein, Haut/Schleimhäute, Gewicht, Kreislauf, Diurese), da dieser die weitere Diagnostik und Therapie bestimmt. Laboruntersuchungen (Blutbild, Elektrolyte und Blutgasanalyse) sind nur notwendig bei mittlerer oder schwerer Dehydratation, um über die weitere Infusionstherapie zu entscheiden. Eine Erregerdiagnostik ist bei umkomplizierten Verläufen nicht notwendig. Sie ist indiziert bei septischer Erkrankung, Immundefizienz, blutigen Durchfällen, Verdacht auf HUS oder Epidemien.
395 10.2 · Infektiöse Enteritis
10
…Therapie Grundlage der Therapie ist die Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution. Nach Ersatz des Flüssigkeitsdefizits (orale oder intravenöse Rehydratation) erfolgt der Kostaufbau (Realimentation). Die Rehydratation kann und sollte bei leichter bis mittlerer Dehydratation oral oder per Nasensonde erfolgen, da dies weniger invasiv, kostengünstiger und komplikationsärmer ist. Die intravenöse Rehydratation ist nur bei schwerer Dehydratation oder ausgeprägter Nahrungsverweigerung/Erbrechen notwendig. Bei Patienten ohne klinische Zeichen der Dehydratation wird direkt mit der Realimentation begonnen. Eine medikamentöse Therapie ist nur selten notwendig.
Rehydratation Orale Rehydratation Diese erfolgt in der Regel mit kommerziell erhältlichen Lösungen (⊡ Tabelle 10.3).
Die verwendeten Lösungen sollten etwa 60 mmol Natrium, 20 mmol Kalium und 90 mmol (16,2 g) Glukose je Liter enthalten und eine Osmolalität von ca. 240 mosmol/l aufweisen (Empfehlungen der European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition; Sandhu 2001). Cola oder Säfte sind daher nicht geeignet, da sie eine höhere Osmolalität, deutlich mehr Zucker und weniger Elektrolyte enthalten. Die orale Rehydratation kann ohne Kenntnis der Elektrolytwerte z. B. ambulant erfolgen. Die Menge der zugeführten Rehydratationslösung richtet sich nach dem geschätzten Flüssigkeitsverlust (z. B. Gewichtsverlust), der in den ersten Stunden ersetzt werden sollte. Die weitere Zufuhr orientiert sich am Erhaltungsbedarf und an weiter bestehenden Verlusten (gemessen z. B. am Gewicht der Windeln, alternativ kann ein Flüssigkeitsverlust von 10 ml/ kg KG pro wässrigem Stuhl und 2 ml/kg KG je Erbrechensepisode geschätzt werden).
Intravenöse Rehydratation Diese erfolgt bei schwerer Dehydratation ( Abschn. 9.1).
Realimentation Gestillte Säuglinge sollten weiter gestillt werden und können zusätzlich eine orale Rehydratationslösung angeboten bekommen.
10
Oralpädon 240 Santalyt ORS 200 (mit Karotten) GES 60 Humana Elektrolyt Elotrans
Osmolalität [mosmol/l] 240 240 240 240 230 311
Glukose [mmol/l] 90 90 67 110 100 110
Kalium [mmol/l] 20 20 25 20 20 20
Natrium [mmol/l] 60 60 55 60 60 90
Hersteller
Stada Asche Hipp Milupa Humana Stada
⊡ Tabelle 10.3. Auswahl kommerziell erhältlicher Rehydratationslösungen
0 0 0 0 0 0
10 10 7 10 10 10
Bikarbonat Zitrat [mmol/l] [mmol/l]
396 Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
397 10.2 · Infektiöse Enteritis
10
Formula-ernährte Säuglinge erhalten diese weiterhin. Eine initiale Verdünnung der Nahrung scheint keinen Vorteil zu besitzen und wird daher nicht mehr generell empfohlen. Dasselbe gilt für sog. Heilnahrungen oder hydrolysierte Nahrungen. Einige Säuglinge mit Laktoseintoleranz profitieren von laktosefreier Nahrung; generell kann diese aber nicht empfohlen werden. Auch Kinder jenseits der Säuglingsperiode sollten rasch wieder mit altersentsprechender Kost ernährt werden. Empfohlen wird die Vermeidung einfacher Kohlenhydrate (hohe Osmolalität) und fettreicher Speisen. Geeignet sind z. B. Banane, (geriebener) Apfel, Zwieback/Toast, Kartoffelbrei, Reis, Karotten, mageres Fleisch, Brühe. > Die Realimentation sollte so früh wie möglich beginnen. Meist kann rasch wieder eine altersentsprechende Normalkost verabreicht werden. Eine längere Nahrungskarenz ist nicht notwendig und führt zu einem protrahierten Verlauf, da die Nährstoffversorgung der Enterozyten von luminal unterbrochen wird.
Zur Therapie der sekundären Laktoseintoleranz bei Enteritis/postenteritischem Syndrom Abschn. 10.3.2.
Medikamentöse Therapie Antibiotische Therapie Bei dem Großteil der Patienten, bei denen kein Erregernachweis bzw. der Nachweis von Viren erfolgt, ist eine antiinfektiöse Therapie nicht notwendig. Auch bei bakterieller/parasitärer Enteritis ist sie nur indiziert bei: ▬ Nachweis von Salmonella typhi, Shigellen, Vibrio cholerae, Amöben, Lamblien, ▬ Immundefizienz/Immunsuppression, ▬ septischem Krankheitsbild, ▬ Frühgeborenen sowie Säuglingen unter 3(–6) Monaten, ▬ pseudomembranöser Enterokolitis (Diagnose histologisch sichern). ⊡ Tabelle 10.4 gibt einen Überblick über geeignete Antibiotika und Dosie-
rungen.
398
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
⊡ Tabelle 10.4. Übersicht über die antibiotische Therapie bei infektiöser Enteritis Campylobacter jejuni
Erythromycin 30–60 mg/kg KG und Tag in 3–4 ED
Clostridium difficile
Vancomycin 40–60 mg/kg KG und Tag p.o. in 4 ED oder Metronidazol 35 mg/kg KG und Tag p.o. in 4 ED
Entamöba histolytica E. coli
Metronidazol 35 mg/kg KG und Tag p.o. in 4 ED Cotrimoxazol 10 mg TMP/kg KG und Tag p.o. in 2 ED oder Ampicillin 100–200 mg/kg KG und Tag i.v. in 3–4 ED
Lamblien
Metronidazol 35 mg/kg KG und Tag p.o. in 4 ED
Salmonellen (S.-typhiobligate Therapie)
Cotrimoxazol 10 mg TMP/kg KG und Tag p.o. in 2 ED oder Ampicillin 100–200 mg/kg KG und Tag i.v. in 3–4 ED
Shigellen
Cotrimoxazol 10 mg TMP/kg KG und Tag p.o. in 2 ED oder Ampicillin 100–200 mg/kg KG und Tag i.v. in 3–4 ED, häufig Resistenzen, daher Behandlung nach Antibiogramm
Vibrio cholerae
10
Cotrimoxazol 10 mg TMP/kg KG und Tag p.o. in 2 ED oder Tetracyclin 40 mg/kg KG und Tag in 4 ED bei Patienten >9 Jahre
Yersinia enterocolitica
Cotrimoxazol 10 mg TMP/kg KG und Tag p.o. in 2 ED oder Cefotaxim 50–100 mg/kg KG und Tag i.v. in 2–3 ED
Kursivtext: Erreger, die obligat behandelt werden TMP=Trimethoprim
Symptomatische Therapie Die symptomatische medikamentöse Therapie wird i. Allg. nicht empfohlen, da bei der Mehrzahl der zu Verfügung stehenden Präparate ein fraglicher Nutzen potenziellen Nebenwirkungen gegenüber steht: ▬ Loperamid und andere Opiatderivate können aufgrund der Hemmung der Darmmotilität zum (Sub-)Ileus und zur verlangsamten Erregerelimination führen. Sie sollten im Kindesalter daher vermieden werden. ▬ Antiemetika haben eine geringe therapeutische Breite und werden im Kindesalter nicht generell empfohlen. Aufgrund der sedierenden Wirkung kann die orale Flüssigkeitszufuhr beeinträchtigt werden. ▬ Adsorbierende Substanzen (Pektin, Kaolin, Kohle) haben keinen nachgewiesenen Nutzen; schwer wiegende Nebenwirkungen sind allerdings nicht bekannt.
399 10.3 · Nahrungsmittelunverträglichkeiten
10
Probiotika Probiotika sind lebende Mikroorganismen (Laktobazillen, Hefen), die die intestinale Flora positiv beeinflussen sollen. Mehrere Studien konnten einen positiven Einfluss von Lactobacillus GG bei Kindern mit infektiöser Enteritis und von Saccharomyces boulardii bei Patienten mit antibiotikaassoziierter Enteritis zeigen. Generelle Therapieempfehlungen bestehen hierzu aber noch nicht.
10.3
Nahrungsmittelunverträglichkeiten
S. Razeghi, R. Behrens
Definition Der Begriff Nahrungsmittelunverträglichkeit bezeichnet adverse Reaktionen auf Nahrungsmittel (⊡ Tabelle 10.5). Je nach Pathogenese unterscheidet man: ▬ Nahrungsmittelallergie, IgE-vermittelt, ▬ Nahrungsmittelintoleranzen, nicht IgE-vermittelt. ⊡ Tabelle 10.5. Einteilung und Pathogenese der Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Pathomechanismus
Häufige Auslöser im Kindesalter
Nahrungsmittelallergie
IgE-vermittelt
Kuhmilchprotein, Soja, Fisch, Schalentiere, Nuss, Eiweiß
Nahrungsmittelintoleranzen
Nicht IgE-vermittelt
Kohlenhydratmalabsorption
Laktasemangel?
Laktose, Fruktose (Sorbit)
Zöliakie
T-Zell-vermittelt
Gluten
Pseudoallergie
?
Konservierungsstoffe, Fertigprodukte, Glutamat (»Chinese food«)
Pharmakologische Unverträglichkeit
Direkte Mediatorwirkung
Thunfisch u. Ä. (Histamin-haltig, wenn älter)
Nahrungsmittelvergiftung
Bakterien oder Toxine
Aversion
»Psychogen«
Fett
400
10.3.1
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
Nahrungsmittelallergie
Epidemiologie Die Prävalenz der Nahrungsmittelallergie beträgt etwa 1–2%. Im Gegensatz dazu glauben aber bis zu 20–40% der Bevölkerung, an einer Nahrungsmittelallergie zu leiden. Die Nahrungsmittelallergie ist somit also wesentlich seltener, als vom Patienten vermutet.
Pathophysiologie Meist sind Nahrungsmittelallergien IgE-vermittelt, seltener auch durch auch andere Typen der Immunreaktion nach Coombs and Gell.
Klinik
10
Nahrungsmittelallergien können sowohl zu Symptomen am Gastrointestinaltrakt (Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall) als auch zu extraintestinalen Beschwerden (Atemwege, Kreislauf, Haut) führen. Die häufigsten Nahungsmittelallergene im Kindesalter sind Ei, Kuhmilch, Soja, Fisch bzw. Schalentiere, Nüsse und Weizen.
Diagnostik Entscheidend ist die Anamnese (evtl. mithilfe eines Tagebuches), die einen Zusammenhang zwischen den Beschwerden und der Aufnahme eines der typischen Allergene zeigt. Die Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper im Serum (Radioallergosorbenttest, RAST) kann wegen ihrer niedrigen Sensitivität und Spezifität eine Nahrungsmittelallergie weder beweisen noch ausschließen, sondern nur Hinweise geben. Dasselbe gilt für die Intrakutantestung (Prick). Etwas aussagekräftiger scheint die epikutane Testung (Atopy-Patch-Test). Aufgrund der wenig standardisierten Herstellung kommerzieller Testlösungen sollten native Nahrungsmittel für Hauttestungen bevorzugt werden. Goldstandard der Diagnostik ist weiterhin die orale Provokation. Bei Verdacht auf Nahrungsmittelallergie erfolgt erst eine olligoallergene Diät (weder »blind« noch placebokontrolliert) mit Reis, Kartoffeln, Lamm-/Putenfleisch, Blumenkohl, Brokkoli, Banane, Birne, Melone, Sonnenblumenöl, Mineralwasser. Zeigt sich keine Besserung der Beschwerden, ist eine Nahrungsmittelallergie unwahrscheinlich und keine weitere Diagnostik notwendig. Im Falle einer Symptombesserung erfolgt die (aufwändige) doppelblinde, placebo-
401 10.3 · Nahrungsmittelunverträglichkeiten
10
kontrollierte Nahrungsmittelprovokation DBPCFC (»double-blind placebocontrolled food challenge«) zur Diagnosevalidierung. Nach einer 2-wöchigen Elimination wird alle 3 Tage ein neues Allergen in steigender Dosis oder ein Placebo doppelblind hinzugefügt.
Differenzialdiagnosen Wichtige Differenzialdiagnosen sind die im Abschn. 10.3.2 erläuterten nicht IgE-vermittelten Reaktionen.
…Therapie Die Therapie der Nahrungsmittelallergie ist die Eliminationsdiät. > Eine Allergenkarenz darf aber nur durchgeführt werden, wenn die klinische Relevanz der Sensibilisierung durch einen Provokationstest nachgewiesen ist. Ein positiver Prick- oder RAST-Test allein ist noch keine Indikation für eine Diät.
Im Falle der Kuhmilchproteinallergie im Säuglingsalter ist die Diät durch Gabe hydrolisierter Nahrungen noch recht einfach durchzuführen. Je nach Sensibilisierungsgrad muss individuell entschieden werden, welcher Hydrolisierungsgrad der Nahrung erforderlich ist (extensiv hydrolisiert bis hin zur Aminosäurennahrung in schwersten Fällen). Bei der Gabe von Sojamilchen ist deren allergisches Potenzial zu bedenken. Die Zusammensetzung von Stuten- oder Ziegenmilch ist ernährungsphysiologisch ungünstig. Bei gestillten Säuglingen kann bereits die Zufuhr von Kuhmilchprotein aus der Nahrung der Mutter zu Symptomen führen. Jenseits des Säuglingsalters ist die Eliminationsdiät aufwändiger. Entscheidend ist es, die Familie über die exakte Bewertung der Lebensmittelauszeichnung aufzuklären. Meist ist zur Durchführung der Diät die Mitarbeit einer Diätassistentin erforderlich, die anhand eines Ernährungsprotokolls auch eine eventuelle Mangelernährung aufdecken kann. > Nach jeweils 12 Monaten ist die Indikation zur Diät erneut zu überprüfen.
Die Pharmakotherapie der Nahungsmittelallergie mit oralem DNCG (Dinatriumcromoglicinsäure) hat keinen nachgewiesenen Effekt. Eine Hyposensibilisierung wird in der Regel nicht durchgeführt, da mit der Diät eine effektive Therapie zur Verfügung steht und Spontanremissionen
402
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
(etwa 90% bei Kuhmilchproteinallergie, 50% bei Hühnerei, seltener bei Nüssen) häufig sind. Patienten mit anaphylaktischen Reaktionen auf Nahrungsmittel erhalten ein Notfallset.
10.3.2
Nahrungsmittelintoleranzen
Laktoseintoleranz Definition und Epidemiologie
10
Ursache der Laktoseintoleranz ist der angeborene oder erworbene Mangel der Dissacharidase Laktase in der Dünndarmschleimhaut. Man unterscheidet: ▬ kongenitale Laktoseintoleranz, mit Symptombeginn in den ersten Lebenstagen, ▬ primäre Laktoseintoleranz (»adult type«) mit Symptombeginn etwa ab dem 3. Lebensjahr, ▬ sekundäre Laktoseintoleranz nach Schädigung der Dünndarmschleimhaut, z. B. nach Gastroenteritis, bei Morbus Crohn, Zöliakie. Der kongenitale Laktasemangel ist extrem selten. Die Prävalenz der primären Laktoseintoleranz beträgt in Europa etwa 15%, in vielen ethnischen Gruppen (Asien, Afroamerikaner) ist sie mit bis zu 80% sogar häufiger als die »Laktosetoleranz«. Auch die passagere, sekundäre Laktoseintoleranz ist im Kindesalter häufig (postenteritisches Syndrom).
Pathophysiologie Ursache der primären Laktoseintoleranz ist eine nachlassende Laktaseaktivität etwa ab dem 3. Lebensjahr als »physiologische Anpassung« an den reduzierten Milchanteil der Nahrung jenseits der Säuglingsperiode. Der sekundäre Laktasemangel ist Ausdruck einer Schädigung des Dünndarmepithels durch andere Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts. Aufgrund der mangelnden enzymatischen Spaltung der Laktose wird diese im Dünndarm nicht resorbiert, sondern durch die Dickdarmflora vergoren. Der entstehende Wasserstoff führt zur typischen Klinik.
403 10.3 · Nahrungsmittelunverträglichkeiten
10
Klinik Die Wasserstoffbildung im Kolon verursacht Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfall nach Zufuhr relevanter Mengen an Milch bzw. Milchprodukten.
Diagnostik Wegweisend ist die typische Anamnese. Bestätigt wird die Diagnose durch den H2-Atemtest: Nach Gabe von 2 g Laktose/kg KG (max. 50 g) steigt die H2Konzentration um mehr als 20 ppm über den Ausgangswert (Patient nüchtern, keine antibiotische Therapie wegen möglicher Schädigung der Kolonflora). Ein erhöhter Leerwert spricht dafür, dass der Patient nicht nüchtern ist.
Differenzialdiagnosen Jede Erkrankung, die zu einer ausgeprägten Schädigung der Dünndarmschleimhaut führt (Morbus Crohn, Zöliakie), kann zu einer sekundären Laktoseintoleranz führen und darf nicht als primäre Laktoseintoleranz fehldiagnostiziert werden. ! Unbedingt weitere Diagnostik [Zöliakieantikörper, Blutbild, C-reaktives Protein (CRP), Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BKS), ggf. Endoskopie), falls keine eindeutige Besserung nach Laktosekarenz. Bei pathologischen Laborwerten darf die Diagnose primäre Laktoseintoleranz nicht gestellt werden.
…Therapie Abschn. »Fruktosemalabsorption«.
Fruktosemalabsorption Definition Ähnlich wie Laktose führt auch die mangelnde Resorption von Fruktose häufig zu gastrointestinalen Beschwerden. Die Fruktosemalabsorption wird in Analogie zur Laktoseintoleranz auch als intestinale Fruktoseintoleranz bezeichnet. Abzugrenzen davon ist die »echte« hereditäre Fruktoseintoleranz (HFI) als lebensbedrohlicher Stoffwechseldefekt.
Pathophysiologie Der zugrunde liegende Defekt der Fruktosemalabsorption ist nicht bekannt.
404
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
Klinik Wie auch bei der Laktoseintoleranz kommt es durch die Wasserstoffbildung zu Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfall nach dem Genuss großer Mengen reiner Fruktose, wie in Obst oder Obstsäften, sowie Limonade oder Süßigkeiten, die mit Fruktose gesüßt sind.
Diagnostik Die Diagnose erfolgt mit dem H2-Atemtest nach Gabe von 1 g Fruktose/kg KG (max. 25 g; Einzelheiten Abschn. »Laktoseintoleranz«).
Differenzialdiagnosen
10
Wie auch bei der Laktoseintoleranz müssen andere Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts in Betracht gezogen werden, falls es trotz Diät nicht zu einer Besserung kommt. In seltenen Fällen kann die Abgrenzung der Fruktosemalabsorption von der HFI problematisch sein. Einige Patienten mit HFI werden aufgrund der strikten Vermeidung fruktosehaltiger Nahrungsmittel über längere Zeit nicht symptomatisch und dann fälschlicherweise als Fruktosemalabsorption oder Essstörung diagnostiziert. Anamnestisch wegweisend ist die strikte Vermeidung von Fruktose (auch Gemüse, Süßigkeiten, Obstsäfte) bei Patienten mit HFI. ! Die Durchführung eines H -Atemtests mit Fruktosebelastung kann 2 bei Patienten mit HFI zu lebensbedrohlichen Hypoglykämien führen und ist daher kontraindiziert.
…Therapie der Laktoseintoleranz/Fruktosemalabsorption Grundlage der Therapie ist die Vermeidung relevanter Mengen an Laktose/ Fruktose. Die Patienten/Eltern müssen darüber aufgeklärt werden, dass im Gegensatz zur Nahrungsmittelallergie keine Symptome durch Zufuhr kleiner Mengen hervorgerufen werden. Die Menge Wasserstoff, die z. B. durch die in Medikamenten enthaltene Laktose entsteht, führt sicher nicht zu gastrointestinalen Beschwerden. ! Eine einschränkende Diät ist daher nicht notwendig und kann zu Mangelerscheinungen führen.
Relevante Mengen Laktose sind in erster Linie in Milch (ca. 5 g/100 ml) und Milchprodukten enthalten. In Käse (ca. 0–2 g/100 ml), Joghurt und Quark (je
405 10.3 · Nahrungsmittelunverträglichkeiten
10
ca. 3 g/100 ml) ist diese jedoch teilweise bereits vergoren und damit unproblematisch. Weichkäse enthält dabei größere Mengen Laktose als Hartkäse. Patienten mit Laktoseintoleranz sollten nach Diagnosestellung für einige Wochen Milch und Milchprodukte vollständig meiden, und diese dann bis zur Grenze der individuellen Verträglichkeit wieder zuführen. Bei Bedarf kann durch die Zufuhr synthetischer Laktase (Kerulac, Laluk, Latrase) die Laktosetoleranz gesteigert werden. Patienten mit Fruktosemalabsorption sollten große Mengen reiner Fruktose meiden. Die gleichzeitige Resorption von Fruktose und Glukose, wie in Haushaltszucker, scheint dagegen unproblematisch, da diese wahrscheinlich über einen anderen Carrier erfolgt. Obstsorten mit hohem Fruktose- und niedrigem Glukosegehalt sind z. B. Äpfel, Weintrauben, Melonen, Mango. Auch bei der Fruktosemalabsorption muss die individuelle Verträglichkeit ausgetestet werden, nachdem Obst und Obstsäfte für einige Wochen ganz gemieden werden. Weiterhin enthalten Limonaden und Süßigkeiten oft Fruktosezusätze. Die meisten Patienten reagieren auch auf Sorbit, das in Kindernahrung in der Regel keine große Rolle spielt (Süßstoff). Bei einem Teil der Patienten kommt es zu Spontanremissionen, so dass die Diagnose alle 12– 24 Monate überprüft werden sollte.
Zöliakie Epidemiologie Aufgrund neuerer epidemiologischer Untersuchungen (Serienuntersuchungen von Blutspendern oder Schulklassen) wird die Prävalenz der Zöliakie in Europa und den USA inzwischen auf etwa 1:500 bis 1:1.000 geschätzt. Verbesserte diagnostische Möglichkeiten ermöglichen zunehmend die Diagnose atypischer oder oligosymptomatischer Patienten. Eine erhöhte Inzidenz findet man bei Angehörigen von Zöliakiepatienten, Patienten mit Autoimmunerkrankungen, Turner- und Down-Syndrom.
Pathophysiologie Der Zöliakie zugrunde liegt eine Überempfindlichkeit gegenüber Gliadin, der alkohollöslichen Fraktion des Weizenklebers Gluten, die zur einer T-Zell-vermittelten Entzündungsreaktion in der Dünndarmmukosa führt. Ursächlich scheinen sowohl eine genetische Disposition als auch exogene Faktoren eine Rolle zu spielen (Konkordanzrate bei eineiigen Zwillingen 75%).
406
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
⊡ Tabelle 10.6. Symptome der Zöliakie. (Keller 2003)
10
Symtome
Häufigkeit [%]
Durchfall Übellaunigkeit Gewichtsverlust Appetitlosigkeit Erbrechen Bauchschmerzen Dystrophie Müdigkeit Ausladendes Abdomen Häufige Infekte Eisenmangel Obstipation Kleinwuchs IgA-Mangel
63 58 49 48 33 33 31 30 29 17 12 9 9 7
Klinik Die klassische Zöliakie manifestiert sich mit Gewichtsverlust/-stillstand, ausladendem Abdomen, Durchfällen und Übellaunigkeit nach Einführung glutenhaltiger Beikost, d. h. in den ersten 2 Lebensjahren. Die atypische Zöliakie mit oligosymptomatischem Verlauf wird oft später, teilweise auch erst im Erwachsenalter diagnostiziert, betrifft aber heutzutage bis zu 50% der neu diagnostizierten Fälle. Die Symptome der Zöliakie zeigt ⊡ Tabelle 10.6 (Keller 2003). > Aufgrund des sehr variablen klinischen Bildes und der hohen Rate oligosymptomatischer Verläufe sollte eine Zöliakiediagnostik bei allen Patienten mit chronischen gastrointestinalen Beschwerden erfolgen.
Diagnostik Grundlage der Diagnostik sind die Bestimmung der zöliakiespezifischen Antikörper und die Dünndarmbiopsie. Die zur Verfügung stehenden Antikörper zeigt ⊡ Tabelle 10.7. Folgendes ist bei der Antikörperbestimmung zu beachten: ▬ Zur Optimierung der Diagnostik empfiehlt sich eine Kombination der Anti-Gliadin-IgG und Anti-IgA-Antikörper mit Endomysium-IgA- (EMA-) oder »tissue-transglutaminase-« (tTG-)Antikörpern.
407 10.3 · Nahrungsmittelunverträglichkeiten
10
⊡ Tabelle 10.7. Antikörper zur Zöliakiediagnostik
Sensitivität [%]
Spezifität [%]
Anti-Gliadin-IgG
57–100
42–98
Anti-Gliadin-IgA
53–100
65–100
Endomysium-IgA (EMA)
75–98
96–100
Humane Gewebstransglutaminase-IgA (tTG = tissue-transglutaminase)
98,5
98
▬ Patienten mit Serum-IgA-Mangel können lediglich Anti-Gliadin-IgG-,
nicht aber die übrigen Antikörper bilden. Somit sollte Serum-IgA immer mit bestimmt werden. ▬ Bei Patienten in den ersten 2 Lebensjahren sind EMA und tTG oft falschnegativ. ▬ Unter glutenfreier Diät zeigt die Antikörperbestimmung (und auch die Histologie) falsch-negative Befunde. Bei positiven Antikörpern wird die Diagnose durch die Dünndarmbiopsie (endoskopisch oder per Saugkapsel) bestätigt. Trotz der hohen Spezifität der Antikörperdiagnostik ist die Biopsie auch heute noch Goldstandard der Diagnostik. Histologisch findet man eine Zottenatrophie, Kryptenhyperplasie und Vermehrung intraepithelialer Lymphozyten.
Differenzialdiagnosen Bei deutlich positiven Antikörpern und eindeutiger Histologie kann die Diagnose zweifelsfrei gestellt werden. Eine leichte Erhöhung der AntiGliadin-Antikörper ist unspezifisch (sofern ein IgA-Mangel ausgeschlossen ist, oben).
…Therapie Die Therapie der Zöliakie besteht in einer lebenslangen glutenfreien Diät. Glutenhaltige Getreidesorten sind Gerste, Roggen, Weizen, Dinkel, Malz und Grünkern. Nicht glutenhaltig sind Reis, Mais, Fleisch, Fisch, Eier, Milch und Milchprodukte, Obst und Gemüse, sofern sie in reiner Form vorliegen (d. h. Fleisch nicht paniert, Joghurt ohne Zusätze usw.). Meist ist der Glutengehalt
408
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
von Lebensmitteln jedoch nicht eindeutig zu erkennen, da geringe Mengen Gluten nicht zwingend auf der Verpackung angegeben werden müssen. > Eine glutenfreie Diät ist daher praktisch nur mit Hilfe einer Aufstellung glutenfreier Lebensmittel möglich. Diese ist zu beziehen über die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft, Filderhauptstr. 61, 70599 Stuttgart, http://www.dzg-online.de.
10
Weiterhin werden einige Lebensmittel durch den Hersteller als »glutenfrei« deklariert und/oder tragen das Symbol der durchgestrichenen Ähre (d. h. Glutengehalt weniger als 10 mg/100 g). Die diätetische Therapie sollte lebenslang durchgeführt werden, auch wenn einige Patienten nach Jahren der Diät und erneuter Reexposition keine oder nur geringe Symptome entwickeln. Dennoch kann die chronische Entzündung der Mukosa zu subtilen Mangelerscheinungen führen. Weiterhin steigt das Risiko für Malignome des Gastrointestinaltrakts an. Häufig findet man bei Diagnosestellung der Zöliakie passager eine sekundäre Laktoseintoleranz und einen Eisenmangel. Die Patienten sollten daher darauf hingewiesen werden, dass relevante Mengen an Milch oder Milchprodukten zu Beschwerden führen können und diese dann gemieden werden sollten. Es ist nicht sinnvoll, zusätzlich zu der bereits aufwändigen glutenfreien Diät noch eine strikte Laktosekarenz zu fordern ( Abschn. »Laktoseintoleranz«). Auch der Eisenmangel sollte nur behandelt werden, wenn eine symptomatische oder ausgeprägte Anämie vorliegt. Da es sich um eine Resorptionsstörung und nicht um eine mangelnde Aufnahme mit der Nahrung handelt, ist eine Substitution nur zum Zweck der »Laborwertkosmetik« nicht sinnvoll. Sowohl Laktoseintoleranz als auch Eisenmangel bessern sich nach Monaten, wenn die Dünndarmmukosa sich regeneriert. Wie bei allen chronischen Krankheiten ist der Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe (Adresse oben) aus mehreren Gründen hilfreich. Zusätzlich zu Informationen über glutenfreie Nahrungsmittel oder geeignete Restaurants bzw. Hotels, hilft der Austausch mit Betroffenen, insbesondere bei Jugendlichen, die Compliance zu erhöhen.
Sonstige Nahrungsmittelintoleranzen Relativ häufig findet man noch pharmakologische Unverträglichkeiten durch Nahrungsmittel und pseudoallergische Reaktionen. Pharmakologische Reaktionen entstehen durch die direkte Wirkung von in den Nahrungsmitteln
409 10.4 · Gastroösophagealer Reflux
10
auftretenden Mediatoren, wie z. B. Histamin, das in altem Thunfisch oder verwandten Fischsorten enthalten sein kann. Pseudoallergische Reaktionen werden häufig durch Konservierungsstoffe, Farbstoffe oder Geschmacksverstärker ausgelöst, wie z. B. Glutamat (»Chinese food syndrome«). Der Pathomechanismus ist unklar. Diagnostisch wegweisend ist in beiden Fällen die Anamnese.
10.4
Gastroösophagealer Reflux
S. Razeghi, R. Behrens
Definition ▬ Gastroösophagealer Reflux (GÖR): Rückfluss von Mageninhalt (Säure,
Nahrung, Gallenflüssigkeit) in die Speiseröhre, innerhalb gewisser Grenzen physiologisch, insbesondere beim Säugling. ▬ Gastroösophageale Refluxkrankheit (GÖRK): GÖR plus klinische Symptome oder Schleimhautschädigung.
Epidemiologie Die Inzidenz liegt im (Klein-)Kindesalter bei etwa 1:1.000 bis 1:3.000 vs. 1:800 bei Erwachsenen. Eine erhöhte Prävalenz des GÖR findet man bei Säuglingen (meist, aber nicht immer physiologisch) sowie bei Patienten mit neurologischer Grunderkrankung (z. B. Zerebralparese bis zu 75%) oder angeborenen Fehlbildungen des Ösophagus oder Magens (Ösophagusatresie bis zu 100%, Zwerchfellhernie, Laparoschisis).
Ätiologie Maßgeblich für die Säureexposition der Speiseröhre und damit für die Ausbildung einer GÖRK sind Frequenz und Dauer saurer Refluxepisoden. Risikofaktoren für einen vermehrten Reflux sind Störungen im Bereich von ▬ Ösophagusmotilität und -schleimhautbarriere, z. B. Operationen. ▬ Kardiaverschluss, z. B. Änderung des His-Winkels durch Skoliose oder Operationen, Hiatusgleithernie. ▬ Magenmotilität und Säuregehalt, z. B. Erhöhung des intraabdominellen Drucks und verminderte Motilität bei Zerebralparese.
410
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
Klinik Die Symptome variieren je nach Alter und ggf. Grunderkrankung. Bei gesunden Säuglingen zeigt sich typischerweise rezidivierendes Erbrechen. Gedeihstörung oder anormale Schreiattacken sind häufig Zeichen eines ausgeprägteren, abklärungsbedürftigen GÖR. Ältere Kinder klagen zusätzlich zum Erbrechen oft über Bauch-/retrosternale Schmerzen oder Sodbrennen. Das gemeinsame Auftreten von respiratorischen Erkrankungen (insbesondere Asthma bronchiale) und vermehrtem GÖR wurde immer wieder berichtet; die Frage des Kausalzusammenhangs ist aber noch nicht endgültig geklärt. Patienten mit Zerebralparese zeigen oft unspezifische Symptome, wie Unruhe, Appetitlosigkeit, Anämie (Ösophagitis), vermehrte Krampfanfälle. Als Sandifer-Syndrom bezeichnet man stereotypische Drehungen und Überstreckungen des Kopfes als atypische Manifestation des GÖR.
Diagnostik
10
Zur Verfügung stehen verschiedene, im Folgenden aufgeführte apparative Untersuchungen. Die 24-h-pH-Metrie ist der Goldstandard der Refluxdiagnostik, da sie eine quantitative Analyse der ösophagealen Säureexposition ermöglicht. Die Messsonde wird im distalen Ösophagus (Durchleuchtung) platziert. Die Auswertung erfolgt in erster Linie anhand des Refluxindex. > Refluxindex [%]=Zeitdauer saurer Episoden (pH<4)/Gesamtmessdauer × 100
Der obere Grenzwert für den Refluxindex liegt beim Säugling bei 10% und fällt bis ins Erwachsenenalter auf 4% ab. Mit der Endoskopie kann die Schädigung der Ösophagusschleimhaut makroskopisch beurteilt werden. Die Indikation zur Endoskopie besteht insbesondere bei größeren Kindern mit Bauchschmerzen, bei denen differenzialdiagnostisch auch eine Gastritis oder ein Ulkus des Magens in Betracht kommen. Die Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel ist lediglich indiziert bei Verdacht auf Hiatusgleithernie. Zur Diagnostik eines GÖR sind sowohl die Röntgenuntersuchung als auch die Sonographie nicht geeignet, da sie nur kurzzeitige Momentaufnahmen liefern. Ein GÖR kann damit weder diagnostiziert noch ausgeschlossen werden (niedrige Sensitivität und Spezifität).
411 10.4 · Gastroösophagealer Reflux
10
Indikationsstellung Bei Säuglingen mit rezidivierendem Erbrechen ohne weitere Symptome (insbesondere vermehrte Schreiattacken oder Gedeihstörung) ist ein Therapieversuch mit physikalischen oder diätetischen Maßnahmen ohne weitere apparative Diagnostik gerechtfertigt. In der Regel bessert sich die Symptomatik gegen Ende des ersten Lebensjahres. Bei Säuglingen mit rezidivierendem Erbrechen und weiteren Symptomen ( oben) oder Persistenz über den 18.(–24.) Lebensmonat sollte eine weitere Abklärung mithilfe der pH-Metrie erfolgen. Bei Kindern und Jugendlichen mit typischen Symptomen des GÖR (Sodbrennen) ist ebenfalls ein Versuch mit diätetischen Maßnahmen gerechtfertigt. Bei unspezifischen Beschwerden (Bauchschmerzen) oder vor Beginn einer medikamentösen Therapie sollte eine Diagnostik mithilfe pH-Metrie oder Endoskopie erfolgen. Da Patienten mit Zerebralparese sehr unspezifische Symptome zeigen und weiterhin ein erhöhtes Risiko für peptische Erkrankungen des Magens haben, sollte hier die Indikation zur Gastroskopie großzügig gestellt werden. Die Diagnostik von Patienten mit respiratorischen Symptomen ist schwierig: Eine endoskopisch regelrechte Schleimhaut oder eine normwertige pH-Metrie im distalen Ösophagus schließen rezidivierende Mikroaspirationen von Mageninhalt nicht aus. Zur Platzierung der pH-Metrie-Sonde im proximalen Ösophagus gibt es wenig Normwerte für Kinder und Jugendliche. Eventuell kann bronchoskopisch der Verdacht auf rezivierende Aspirationen von Mageninhalt gestellt werden.
…Therapie Zur Verfügung stehen Allgemeinmaßnahmen, eine diätetische, medikamentöse und, in therapierefraktären Fällen, eine chirurgische Therapie.
Allgemeinmaßnahmen Beim Säugling führt die Oberkörperhochlagerung, insbesondere in Bauchlage, zu einer nachgewiesenen Verbesserung des GÖR. Aufgrund des erhöhten »Sudden-infant-death-syndrome- (SIDS-)Risikos« muss von der Bauchlagerung aber abgeraten und die (weniger wirksame) Hochlagerung auf dem Rücken empfohlen werden. Auch beim älteren Kind kann eine Hochlagerung des Oberkörpers oder Linksseitenlage versucht werden, sofern diese praktikabel ist. Weiterhin soll-
412
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
te bei Übergewicht eine Gewichtsreduktion angestrebt werden. Jugendliche sollten ggf. das Rauchen beenden.
Ernährungstherapie Beim Säugling kommt es zu einer nachgewiesenen Reduktion des GÖR durch Eindicken der Formulanahrung. Zur Verfügung stehen Zusätze, wie Reisschleim oder Nestargel, sowie fertige Nahrungen, wie Aptamil AR. Weiterhin empfohlen wird das Füttern vieler kleinerer Mahlzeiten. Bei einem Teil der Patienten kommt es zu einer Besserung nach Umstellung auf hypoallergene Hydrolysatnahrung, so dass hier wahrscheinlich eine Kuhmilchallergie Ursache des Erbrechens ist. Der Nutzen von Sojanahrung ist nicht nachgewiesen. > Das sukzessive Ausprobieren verschiedener Formulanahrungen hat keinen nachgewiesenen Nutzen und führt nur zu einer Verunsicherung von Mutter und Kind.
10
Auch beim älteren Kind sollten zu üppige Mahlzeiten durch mehrere kleine Mahlzeiten ersetzt werden. Vermieden werden sollten: ▬ Koffein, ▬ Schokolade, ▬ scharfe Gewürze, ▬ Alkohol.
Medikamentöse Therapie Ist eine diätetische Therapie nicht ausreichend bzw. zeigen pH-Metrie oder Endoskopie einen ausgeprägten GÖR (z. B. Refluxindex ↑↑ bzw. makroskopisch sichtbare Ösophagitis), ist eine medikamentöse Therapie indiziert. Mittel der Wahl ist der Protonenpumpeninhibitor (PPI) Omeprazol in einer Dosis von 1 mg/kg KG und Tag auf 1–2 Einzeldosen, der in Deutschland ab dem 2. Lebensjahr zugelassen ist. Andere PPIs sind im Kindesalter bisher nicht zugelassen und werden in Therapiestudien evaluiert. ! Bei Patienten mit schwerstem GÖR, wie er gehäuft bei Kindern mit Zerebralparese auftritt, sind evtl. Dosissteigerungen bis 3,5 mg/kg KG und Tag zur Säuresuppression notwendig. Bei diesen Patienten ist der Therapieerfolg mit der pH-Metrie zu überprüfen und die richtige Dosis durch Titration zu ermitteln.
413 10.5 · Colitis ulcerosa, Morbus Crohn
10
Die Therapiedauer beträgt in der Regel 3–6 Monate, bei tetraspastischen Patienten oft mehrere Jahre. Gegebenenfalls sind pH-Metrie-Kontrollen nach Therapieende sinnvoll. H2-Rezeptorantagonisten (Ranitidin, Cimetidin) sind weniger wirksam als PPIs und im Kindesalter nur eingeschränkt zugelassen. Ebenso werden Antacida (Magnesiumhydroxid, Aluminumhydroxid) i. Allg. nicht mehr empfohlen, da ihre Wirkung nur wenige Stunden anhält und eine Gabe 6-mal/Tag nicht praktikabel ist. Prokinetika sind nicht mehr Mittel der ersten Wahl zur Behandlung des GÖR: Cisaprid wurde wegen des Nebenwirkungsprofils (insbesondere Rhythmusstörungen) in Deutschland vom Markt genommen, Metoclopramid und Domperidon sind im Kindesalter nur eingeschränkt zugelassen, zeigen eine hohe Nebenwirkungsrate und keinen eindeutig nachgewiesenen Nutzen beim GÖR.
Chirurgische Therapie Beim schweren therapierefraktären GÖR ist die Indikation zur Fundoplikatio zu erwägen, meist mit gleichzeitig durchgeführter Pyloroplastik zur Verbesserung der Magenentleerung. Da bis zu 50% der Patienten postoperativ weiterhin einen Reflux zeigen, sollte das Operationsergebnis mithilfe der pH-Metrie überprüft werden. Auch mehrere Monate nach einer Operation kann es erneut zu einer Refluxsymptomatik kommen. Weitere mögliche Komplikationen sind eine vermehrte intestinale Luftansammlung (»bloating«) oder eine Stenose der Kardia bei zur enger Manschette. Letzteres kann endoskopisch mit der Ballondilatation therapiert werden.
10.5
Colitis ulcerosa, Morbus Crohn
S. Razeghi, R. Behrens
Definition Beim Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa handelt es sich um Autoimmunerkrankungen des Gastrointestinaltrakts, deren Genese bisher nicht umfassend geklärt ist. Die C. ulcerosa bleibt dabei immer auf das Kolon beschränkt. Die Entzündung ist auf die Schleimhaut begrenzt und breitet sich kontinuierlich vom Anus nach oral aus.
414
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
Beim Morbus Crohn findet man dagegen eine transmurale Entzündung mit Neigung zur Fistelbildung in diskontinuierlicher Ausbreitung; hierbei kann der gesamte Gastrointestinaltrakt befallen sein. Bei beiden Erkrankungen können zusätzlich extraintestinale Manifestationen auftreten.
Epidemiologie Die Inzidenz chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. In Deutschland sind etwa 800 Neuerkrankungen/Jahr bei Kindern und Jugendlichen anzunehmen, etwa 40% davon bereits vor dem 10. Lebensjahr.
Klinik
10
Während bei Patienten mit C. ulcerosa der blutige Durchfall fast obligat ist, findet man Patienten mit Morbus Crohn oft ein heterogenes klinisches Bild (⊡ Tabelle 10.8). Daher werden pädiatrische Patienten mit Morbus Crohn leider häufig noch verspätet diagnostiziert (diagnostische Latenz vom Symptombeginn bis zur Diagnosestellung 12 Monate bei Morbus Crohn vs. 7 Monate bei C. ulcerosa). Ein geeigneter Screeningparameter sind die bei Patienten mit Morbus Crohn häufig pathologischen Laborwerte (⊡ Tabelle 10.8). ! Bei Patienten mit chronischen gastrointestinalen Beschwerden sollte daher frühzeitig die Bestimmung von Blutbild, CRP und BKS und, bei pathologischen Laborwerten, eine weiterführende Diagnostik (Endoskopie) erfolgen. Verdächtig auf einen Morbus Crohn sind insbesondere die Kombination von gastrointestinalen Beschwerden (Bauchschmerzen, Durchfall) mit Gewichtsverlust/-stillstand oder perianalen Veränderungen.
Extraintestinale Manifestationen betreffen in erster Linie den Morbus Crohn (ca. 40% vs. ca. 10% bei C. ulcerosa). Im Vordergrund stehen Wachstumsstörungen und Gelenkbeschwerden; seltener betroffen sind Haut, Auge, Leber oder Niere.
Diagnostik Die Verdachtsdiagnose »chronisch-entzündliche Darmerkrankung« kann oft bereits aufgrund von Anamnese, körperlichem Befund und Laborwerten ver-
415 10.5 · Colitis ulcerosa, Morbus Crohn
10
⊡ Tabelle 10.8. Symptome und Laborbefunde bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen im Kindesalter. (Mod. nach Behrens 2001)
Symptome
Morbus Crohn
Colitis ulcerosa
Durchfall Blut im Stuhl Bauchschmerzen Gewichtsverlust Fieber Perianale Läsionen Anämie CRP und oder BKS ↑
77 40 81 75 39 40 43 82
91 95 46 44 12 41 59
mutet werden. Zur endgültigen Diagnosestellung erfolgt die Endoskopie mit Biopsie und ggf. Röntgenuntersuchung. Bei Patienten mit C. ulcerosa zeigt die Koloskopie eine kontinuierliche, ulzerierende Entzündung mit Beginn im Rektum. Aufgrund des diskontinuierlichen Befallsmusters bei Patienten mit Morbus Crohn ist hier die Untersuchung des gesamten Gastrointestinaltrakts notwendig (Gastroskopie, Koloskopie, radiologische Doppelkontrastdarstellung des Dünndarms nach Sellink). Nicht immer kann eindeutig zwischen beiden Krankheiten differenziert werden. Im weiteren Verlauf wird die Krankheitsaktivität in erster Linie anhand von klinischen Symptomen und Laborwerten beurteilt. Die erneute apparative Diagnostik wird notwendig bei Therapieresistenz, geplanten Operationen oder unklarem klinischen Bild.
…Therapie Die Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen erfolgt in erster Linie medikamentös. Gleichzeitig sollte aber auch immer eine psychosoziale Unterstützung erfolgen. Zur Verfügung stehen weiterhin die chirurgische Intervention und die Ernährungstherapie.
Medikamentöse Therapie Verschiedene Substanzen können systemisch oder topisch angewandt werden.
416
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
5-Aminosalicylate (z. B. Mesalazin). Dosis (oral) 50–60 mg/kg KG und Tag in 2–3 Dosen. Antientzündliche Wirkung im distalen Ileum und Kolon bei oraler Gabe, im distalen Kolon bei rektaler Applikation. Eine Kombination von Mesalazin (oder Salazosulfapyridin, unten) mit Steroiden ist nicht wirksamer als die Monotherapie mit Steroiden und somit nicht sinnvoll. Salazosulfapyridin. Zwei Moleküle 5-Aminosalicylat gekoppelt, ähnliche
Wirkung bei erhöhter systemischer Resorption. Daher vermehrt systemische Nebenwirkungen, aber gute Wirksamkeit bei Arthritiden.
10
Glukokortikoide. Dosierung je nach Krankheitsaktivität. Prednison und Derivate p.o. eignen sich wegen der systemischen Wirkung zur Therapie des oberen Gastrointestinaltrakts bei Morbus Crohn oder extraintestinalen Manifestationen, außerdem zur Therapie des unteren Gastrointestinaltrakts bei fehlendem Ansprechen auf 5-Aminosalicylate. Zur topischen Therapie eignen sich Budesonid p.o. (Wirkung im distalen Ileum bis Colon ascendens) oder Betamethason bzw. Hydrokortison als Klysmen. Azathioprin. Zieldosis 2,5 mg/kg KG und Tag, in den ersten 4 Wochen 50%ige Dosis. Wirkungseintritt in 2–4(–6) Monaten. Mittel der ersten Wahl bei chronisch-aktivem Verlauf, wenn eine Steroidreduktion unter die Cushing-Schwelle nicht gelingt. Häufigste Nebenwirkung sind Knochenmarksuppression und Pankreatitis, regelmäßige Kontrolle von Blutbild und Lipase in den ersten 2 Monaten. Metronidazol. Dosis 20 mg/kg KG und Tag beim Morbus Crohn zur Therapie
von Fisteln. Probiotikia. Die Beeinflussung der Darmflora durch die orale Gabe lebender Bakterien scheint einen remissionserhaltenden Effekt zu haben (E.-coliStamm Nissle 1917). Weitere Immunsupressiva. Bei schwerem therapierefraktären Verlauf ste-
hen weiterhin Ciclosporin A, Methotrexat und der Tumor-Nekrose-Faktor(TNF-)α-Antikörper Infliximab zur Verfügung. Deren Einsatz erfolgt in erster Linie in Zentren mit entsprechender Erfahrung.
417 10.5 · Colitis ulcerosa, Morbus Crohn
10
⊡ Tabelle 10.9. Übersicht über die medikamentöse Therapie chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
Morbus Crohn
Colitis ulcerosa
Remission
Keine Therapie notwendig, evtl. Probiotika?
Verlängerung der Remission durch 5-Aminosalicylate, Probiotika?
Geringe Aktivität
5-Aminosalicylate, Budesonid (je nach Befallsmuster)
5-Aminosalicylate
Mittlere Aktivität
Glukokortikoide
Chronische Aktivität Steroidreduktion durch Azathioprin Hohe Aktivität
Glukokortikoide hochdosiert i.v., evtl. Ciclosporin A
Therapiestrategien Die Medikamentenauswahl bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen richtet sich nach der Krankheitsaktivität (⊡ Tabelle 10.9). Bei lokalisiertem Befall ist eine topische Therapie sinnvoll, ansonsten kommen Medikamente mit systemischer Wirkung (in erster Linie Glukokortikoide oder Azathioprin) zur Anwendung.
Psychosoziale Unterstützung Die Diagnose einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung ist für Patienten und Familie meist belastend (Angst vor Schmerzen, Operationen, Medikamentennebenwirkungen, Ausgrenzung aus dem sozialen Umfeld). Durch die gemeinsame Betreuung durch einen Kindergastroenterologen und Kinderpsychologen/-psychiater kann bei einem Großteil der Patienten eine Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Entwicklung aber vermieden oder zumindest gemindert werden. Ein Teil, aber nicht alle Patienten empfinden weiterhin den Austausch mit anderen Erkrankten als hilfreich. Die größte Selbsthilfegruppe in Deutschland ist die DCCV e.V., Deutsche Crohn und Colitis Vereinigung, Paracelsusstraße, Leverkusen, http://www.dccv.de.
Chirurgische Therapie Die Indikation zur chirurgischen Therapie beim Morbus Crohn besteht bei ▬ Fisteln und Abszessen,
418
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
▬ lokalisiertem, therapierefraktärem Befall, ▬ narbigen Stenosen (d. h. keine Besserung nach antientzündlicher Thera-
pie, negative Entzündungszeichen). Bei der C. ulcerosa besteht die seltene Indikation zur chirurgischen Therapie (Kolektomie) im Kindes- und Jugendalter in erster Linie bei fulminanter, therapierefraktärer Colitis.
Ernährungstherapie
10
Die Mehrzahl der Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen bzw. deren Familien äußern nach Diagnosestellung die Befürchtung, dass sie nun längerfristig eine spezielle Diät oder »Schonkost« durchführen müssen. Dies ist, wie im Folgenden beschrieben, nicht richtig. ▬ Bei Patienten mit Morbus Crohn scheint eine ausschließliche Ernährung mit Elementarkost zu einer Remissionsinduktion zu führen. Diese Therapieform kommt aber selten zur Anwendung, da sie schlecht toleriert wird und hierzu bisher nur wenige prospektive pädiatrische Studien vorliegen. Die zusätzliche Gabe von Elementarkost zur normalen Ernährung ist bisher nur unzureichend untersucht. ▬ Bei Patienten mit C. ulcerosa ist eine Ernährungstherapie nicht wirksam. ▬ Vielmehr sollten die Patienten zu einer ausgewogenen, altersentsprechenden Mischkost angehalten werden. Eine übermäßige diätetische Einschränkung ist nicht sinnvoll (abgesehen von Fällen mit sekundärer Laktoseintoleranz usw.) ▬ Essenziell ist ein regelmäßiges Monitoring des Ernährungszustands, um einen Nährstoffmangel, z. B. bei ausgedehntem Dünndarmbefall, rechtzeitig aufzudecken (Einzelheiten Kap. 11).
Durchführung Eine Übersicht über eine Auswahl geeigneter Nahrungen gibt ⊡ Tabelle 10.10. Meist wird die ausschließliche Ernährung mit einer Spezialnahrung über 4–8 Wochen durchgeführt. Zusätzlich dürfen lediglich Wasser, ungesüßte Tees und Diätkaugummis zugeführt werden. Anhand des altersentsprechenden Energiebedarfes wird die Menge an Trink-/Sondennahrung bestimmt (Fallbeispiel, unten, und Kap. 3). Die im weiteren Verlauf durchgeführten Ge-
419 10.5 · Colitis ulcerosa, Morbus Crohn
10
⊡ Tabelle 10.10. Nahrungen zur Ernährungstherapie bei Morbus Crohn (Auswahl)
Modulen IBD (mit TGF-β2)
Elemental O28
Peptamen
Hersteller
Nestle
Nutricia
Nestle
Energiegehalt [kcal/100 ml]
100
86
100
Eiweiß [g/100 ml]
3,6 (Kasein)
3 (Aminosäuren)
3 (Molkenproteinhydolysat)
Kohlenhydrate [g/100 ml]
11
11
13,8
Fett [g/100 ml]
5
3,5
3,85
Osmolalität [mosmol/kg]
370
~720
310
TGF »transforming growth factor«
wichtskontrollen ermöglichen die Anpassung der Nahrungsmenge. Anschließend erfolgt über weitere 4–8 Wochen die Rückstellung auf Normalkost, bei der alle 1–2 Tage ein neues Lebensmittel eingeführt wird. Bei fehlender Akzeptanz ist eine Applikation über Sonde möglich. Beispiel Morbus Crohn Im Alter von 11 Jahren Erstdiagnose eines Morbus Crohn mit Bauchschmerzen, Obstipation, chronischem perianalen Ekzem und BKS-Erhöhung. Endoskopisch Diagnose einer Ileitis terminalis. Nach Therapiebeginn mit Prednison 2 mg/kg KG klinische und laborchemische Remission. Nach langsamer Reduktion der Prednisondosis unter die Cushing-Schwelle erneut Bauchschmerzen im rechten Unterbauch und Anstieg der Entzündungsparameter. Daraufhin Therapie mit Azathioprin bei chronisch-aktivem Verlauf, die wegen Pankreatitis beendet werden musste. Nach Therapie mit Ciclosporin erneute Remission, dabei aber ausgeprägte Hypertrichose mit großem Leidensdruck. Daher Entschluss zur Ernährungstherapie. Über 6 Wochen ausschließliche Ernährung mit Elemental O28 [Kalorienbedarf nach DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) 2.200 kcal/Tag, somit ca. 2.600 ml Elemental O28/Tag]. Wöchentlich Kontrolle von klinischem Befund (Gewicht!) und
▼
420
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
Entzündungswerten. Anschließend Realimentation über 6 Wochen. Seitdem klinische und laborchemische Remission. Die konsequente Ernährungstherapie war dabei nur mit großer Überwindung und großem Durchhaltevermögen möglich.
10.6
Kurzdarmsyndrom
M. Krawinkel
Ätiologie und Pathogenese
10
Der Begriff Kurzdarmsyndrom wird verwendet für alle Zustände des Gastrointestinaltrakts, bei denen im Rahmen einer Darmresektion große Teile des Dünndarms entfernt wurden. Nicht selten umfasst die Resektion auch Teile des Kolons, z. B. eine rechtsseitige Hemikolektomie. Zustände nach Kolektomie, z. B. bei medikamentös intraktabler Colitis ulcerosa, werden in der Regel nicht als Kurzdarmsyndrom bezeichnet. Die Länge des Resektats oder des verbliebenen Darms sind nicht scharf definiert. Eine Reihe von Fehlbildungen und sekundären Störungen führen zu der Indikation, eine ausgedehnte Entfernung des Dünndarms vorzunehmen (⊡ Tabelle 10.11). Bei Verschluss der A. mesenterica superior erstreckt sich – wenn er nicht so früh erkannt wird, dass eine Rekanalisierung möglich ist – das Resektionsgebiet auf den Dünndarm unterhalb des Treitz-Bands (duodenojejunaler Übergang) bis zur Mitte des Querkolons.
⊡ Tabelle 10.11. Ätiologie des Kurzdarmsyndroms
Angeborene/Neonatale Ursachen
Postneonatale Ursachen
Multiple Darmatresien Fetaler Volvulus Nekrotisierende Enterokolitis Mesenterialarterienverschluss
Volvulus Stumpfes Bauchtrauma Neuronale intestinale Dysplasie mit Ileus Medikamentös intraktabler MorbusCrohn
421 10.6 · Kurzdarmsyndrom
10
Prognostische Bedeutung für die Chance, mittelfristig oral ernährt werden zu können, hat nach Daten einiger Untersucher, ob die Bauhin-Klappe (ileokolischer Übergang) postoperativ vorhanden ist. Im Übrigen sind prognostische Aussagen aufgrund der Darmlänge höchst problematisch. Als Regel kann gelten: je jünger das Kind bei der Entstehung des Kurzdarmsyndroms, desto größer die Chance für eine enterale Adaptation, d. h. orale Ernährung. Bereits bei Kleinkindern ist, z. B. nach Volvulus diese Chance gering, während Kinder mit konnatal oder neonatal herbeigeführtem Kurzdarmsyndrom selbst bei sehr kurzer Restdarmlänge eine gute Prognose haben. In erster Linie führt der Verlust des Dünndarms zu einem Verlust an Verdauungskapazität und resorbierender Oberfläche. Vom Darm führen die enterohepatischen Gefäße des Pfortadersystems die Nährstoffe zur Leber. Wenn die Nährstoffe nicht über den Magendarmtrakt aufgenommen werden, gelangen sie auch nicht auf diesem Weg zur Leber, sondern über den großen Kreislauf. Das Leberläppchen ist aber so aufgebaut, dass die Nährstoffaufnahme über die Zentralarterie erfolgt, während die A. hepatica nur die Leberzellen mit Sauerstoff und Substraten versorgt. An die Fehlanlieferung von Nährstoffen bei parenteraler Ernährung passt sich die Leber – nach derzeitiger Kenntnis – nie voll an. Weitere Folgen des Kurzdarmsyndroms betreffen die Bildung von Enterohormonen, z. B. die Produktion von Neuropeptide YY u. a.
…Klinik und Management Nach der ausdehnten Darmresektion wird die Möglichkeit zu oraler/enteraler Nahrungszufuhr in der Regel vom Kinderchirurgen oder einem interdisziplinären Team (Chirurg, Kinderarzt, Anästhesist) geprüft. Je nach Ausmaß der Resektion müssen Kinder mit Kurzdarmsyndrom zunächst immer parenteral ernährt werden ( Kap. 7) Sowohl für den Erhalt und die Förderung der Darmschleimhaut als auch für die Stimulation des Gastrin-Sekretin- und Gastrin-Cholezystokinin-Systems ist aber entscheidend, dass so früh wie möglich eine »minimale enterale Ernährung« eingeführt wird. Dies ist eine der wichtigsten Maßnahmen, um die Überbesiedelung mit Keimen zu vermeiden, einer Zottenatrophie vorzubeugen und den Gallefluss (Cholerese) zu fördern.
422
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
Orale Zufuhr Art und Menge der oralen Zufuhr bei Kindern mit Kurzdarmsyndrom müssen individuell an die Verdauungskapazität, die subjektive Verträglichkeit und psychosoziale Aspekte angepasst werden. Nur bei metabolischen Anomalien oder Schleimhautschäden sind Diäten oder spezielle Nahrungsmittel (z. B. hydrolysierte Säuglingsnahrungen) angezeigt. Ansonsten gilt es wesentlich, die Bereitschaft zur oralen Nahrungsaufnahme zu fördern. Selbst wenn die orale Zufuhr nicht verdaut oder resorbiert werden kann, ist die Teilnahme an Mahlzeiten zu unterstützen. Manche Kinder bedürfen initial einer physiotherapeutischen Förderung nach Castillo-Moralez um die Zungen- und Mundmotorik und deren subjektive Kontrolle zu entwickeln. Hinsichtlich der Geschmackspräferenzen sind auch scharfe, salzige und bittere Nahrungsmittel in Betracht zu ziehen.
Management der parenteralen Zufuhr
10
Neben der Verordnung der Zusammensetzung der Infusionslösung bestimmt die Durchführung der parenteralen Ernährung entscheidend die Vorteile und Risiken für die Patienten. Aspekte, wie Infusionsdauer und -frequenz, Handhabung des zentralvenösen Katheters (ZVK), Überwachung der Bedarfsdeckung und Verträglichkeit der Ernährungslösungen, prägen den individuellen Verlauf des Kurzdarmsyndroms wesentlich mit.
Zentralvenöser Zugang Voraussetzung für parenterale Ernährung ist ein sicherer zentralvenöser Zugang, über den auch hochosmolare Lösungen verabreicht werden können, ohne die Gefäßwand zu schädigen und thromboembolische Komplikationen zu verursachen. In der Pädiatrie hat sich generell als ZVK für Ernährungszwecke der Broviac-Katheter am besten bewährt (längste Liegedauer, geringstes Infektionsrisiko). Nur in Ausnahmefällen sollte ein Portsystem implantiert werden, bei dem es in der Portkammer zu einer starken Verwirbelung des Stroms der Infusionslösung kommt und das Ausfallen von Komponenten begünstigt wird. Außerdem ist die Kammer nur schwer zu spülen. Bewährt hat sich auch, den ZVK in der Regel nicht für die Entnahme von Blutproben zu nutzen; eine Ausnahme bildet die Erregersuche bei Sepsis. Nach Blutentnahme muss der ZVK mit einem Mehrfachen seines Volumens durchgespült werden.
423 10.6 · Kurzdarmsyndrom
10
Zyklisierung, Frequenz, Beendigung Ein Reihe von Berichten über bessere Verträglichkeit und Überlegungen zur Praktikabilität der langzeitigen parenteralen Ernährung legen die Einführung von Infusionspausen nahe. Wird jede parenterale Ernährung im Kindesalter zunächst über 24 h begonnen, so sollten – sobald eine erste Stabilisierung eingetreten ist – Infusionspausen eingeführt und individuell je nach Verträglichkeit verlängert werden. Gewöhnlich wird mit 30 min begonnen und dann langsam gesteigert bis auf max. 12- bis 16-h-Pause und 8- bis 12-hInfusion. Da sich unter der parenteralen Glukosezufuhr ein iatrogener Hyperinsulinismus entwickelt, kann es bei Beginn der Einführung von Pausen zu Hypoglykämien kommen, denen entweder durch orale Glukosegaben in der Pause (Glukose wird bereits in der Mundhöhle teilweise resorbiert) oder durch eine programmierte Reduzierung der Infusionsgeschwindigkeit vor der Pause vorgebeugt werden kann. Beim Übergang von der stationären Betreuung auf heimparenterale Ernährung sollte eine Infusionspause von mindestens 3–4 h täglich erreicht sein, um die Mobilität der Familie nicht völlig einzuschränken. Auch Reisen sind möglich, wenn unterwegs die Versorgung mit Infusionslösungen und Hilfsmitteln sowie im Notfall ein kurzfristiger Arztkontakt gewährleistet sind. Nähert sich der Patient der oralen Adaptation, d. h. kann er einen zunehmenden Teil der Nahrung nicht nur oral aufnehmen, sondern auch verdauen und resorbieren, so hat sich ein Vorgehen als vorteilhaft erwiesen, bei dem die Infusionshäufigkeit von 7-mal/Woche auf 6-, 5-, 4-, 3-, bis 2-mal/Woche reduziert wird. Diese Verminderung der Zahl der Infusionen ist der Reduzierung der Infusionsmengen auch aus Gründen der Praktikabilität für die Familien vorzuziehen.
Zentralvenenkatheter (Katheterpflege) Bei langzeitiger parenteraler Ernährung ist die sorgfältige Pflege des zentralvenösen Zugangs lebenswichtig zur Vermeidung von Infektionen und zum Erhalt der Funktionsfähigkeit des ZVK für einen möglichst langen Zeitraum. Die Katheterpflege umfasst das Durchspülen nach der Applikation der Infusionslösung mit physiologischer Kochsalzlösung sowie die Pflege des Hautbezirks um die Katheterausleitung bei Brovic- und Hickmann-Kathetern. Die Anwendung von Heparin zur Spülung und Abstöpselung des ZVK wird unterschiedlich gehandhabt. Bei Heparingaben ist darauf zu achten, dass nicht
424
10
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
mehr als 100 IE/kg KG intravenös appliziert werden, um die Gerinnungsfunktion nicht zu beeinflussen. Auf ein Pflegeprotokoll, anhand dessen Ärzte, Pflegepersonal und Eltern bei der äußeren Katheterpflege einschließlich des An- und Abschließens der Infusion standardisiert angeleitet werden sollten, wird hier verwiesen (RoosLiegmann u. Brandstätter 2004). Die sorgfältig trainierte und durchgeführte Katheterpflege vermag Infektionen effektiv vorzubeugen. Kommt es dennoch zu einer Infektion, so ist eine frühe und schnelle Diagnose die Voraussetzung für einen Erhalt des ZVK. Nach der Entnahme von Blutproben für bakterielle Kulturen aus dem ZVK und aus einer peripheren Vene wird mit einer breit wirksamen Antibiotikatherapie begonnen, die dann nach positivem Ergebnis der Kulturen umgestellt werden kann. Neben der systemischen Antibiotikatherapie ist die Instillation von Antibiotika in den Katheter (z. B. Vancomycin) bei katheterassoziierter Sepsis sinnvoll. Lediglich beim Nachweis von Pilzen im ZVK oder beim Auftreten einer Verbrauchskoagulopathie ist die primäre Entfernung des Katheters indiziert. Einige Autoren empfehlen regelmäßige Spülungen des ZVK mit konzentriertem Äthylalkohol und/oder mit hochprozentiger Salzsäure; beide Ausgangslösungen liegen zur intravenösen Verabreichung bzw. Zumischung zu Infusionen vor. Mit Alkohol können fetthaltige Ablagerungen gelöst werden; Salzsäure kann Kalzium aus Salz mit schwächeren Säuren lösen. Die Erfahrungen sind bislang kaum zu verallgemeinern; primär sollte versucht werden, Ablagerungen zu vermeiden, und nur im Einzelfall muss regelmäßig gespült werden.
Kontaminationen (Vermeiden von Glasampullen und PVC-Systemen) Bei langfristiger parenteraler Ernährung gewinnen nicht nur bakterielle Kontaminationen der Lösungen sondern auch chemische Verunreinigungen besondere toxikologische Bedeutung. Hier sind in erster Linie DEHT-Kontaminationen aus PVC-haltigen Infusionsbeuteln und -schlauchsystemen zu nennen, die durch konsequente Anwendung von (teuereren) Polyäthylenoder Polyurethanmaterialien vermieden werden. An zweiter Stelle stehen Aluminiumverunreinigungen aus Glasampullen und -flaschen, in denen Ausgangskomponenten für die Mischlösungen abgefüllt sind. »Good pharmaceutical practice« muss im Übrigen die Kontaminationsfreiheit der Mischlösungen sicherstellen.
425 10.6 · Kurzdarmsyndrom
10
Monitoring Wichtigste Parameter für die Überwachung der parenteralen Ernährung im Kindes- und Jugendalter sind Körpergewicht, Körperlänge und Kopfumfang. Voraussetzung für die normale Entwicklung sind – soweit die Grundkrankheit keine Einschränkungen mit sich bringt – die bedarfsgerechte Nährstoffund Energiezufuhr sowie die Vermeidung von metabolischen und infektiösen Komplikationen. An zweiter Stelle stehen Harnanalysen, bei denen die Ausscheidung von Natrium, Kalium, Kalzium und Phosphat im 24-h-Sammelurin erfasst werden (⊡ Tabelle 10.12). Bei den Blutuntersuchungen müssen die Parameter und die Frequenz an den individuellen Verlauf angepasst werden. Hat sich die metabolische Situation unter der parenteralen Ernährung stabilisiert, so sollten nur dann Blutuntersuchungen durchgeführt werden, wenn es mit hoher Wahrscheinlichkeit notwendig ist, die Verordnung der Infusionslösung zu ändern, um die iatrogenen Blutverluste so niedrig wie möglich zu halten. In der Praxis haben
⊡ Tabelle 10.12. Klinisch-chemische Untersuchungen aus Blutproben zur regelmäßigen Überwachung der Verträglichkeit der parenteralen Ernährung C-reaktives Protein Gesamtcholesterin
Quick-Wert
Gesamteiweiß
Aspartataminotransferase Blutzellenb (früher Glutamat-Oxalacetat-Transaminase)
Natrium
Alaninaminotransferase (früher Glutamat-Pyruvat-Transaminase)
Harnstoff
Kalium
γ-Glutamyltransferase
Harnsäure
Chlorid
Laktatdehydrogenase
Kupfera
Kalzium
Alkalische Phosphatase
Zinka
Phosphat
Bilirubin, gesamt
Selena
Blutzucker
Bilirubin, direkt
Gallensäurena
Hämoglobin A1a–c
Hämoglobin
Eiweißelektrophoresea
Triglyzeride
Ferritin
Gerinnungsfaktoren
a b
Nur einmal im Jahr Auch mittleres Erythrozytenvolumen (»mean corpuscular volume«, MCV) und Hämoglobingehalt des einzelnen Erythrozyten (»mean corpuscular hemoglobin«, MCH) sowie Segmentierung der neutrophilen Granulozyten (wegen Hypersegmentierung bei Folsäuremangel)
426
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
sich ab der 4. Woche regelmäßige Kontrollen im Abstand von zunächst 4 Wochen und dann ab dem 4. Monat im Abstand von 3 Monaten bewährt. Diese Empfehlung berührt nicht die Indikation zu Blutuntersuchungen beim Auftreten unerwarteter Symptome und bei Infektionen, aber Blutuntersuchungen sollten nicht primär zur Beruhigung besorgter Eltern oder unerfahrener Ärzte veranlasst werden. ⊡ Tabelle 10.12 gibt eine Übersicht über das Spektrum regelmäßiger Untersuchungen. Neben den klinisch-chemischen Untersuchungen sollte 1-mal/Jahr eine Sonographie der Leber und der Gallenblase sowie der Niere und Harnwege erfolgen. Durch eine Echokardiographie kann 1-mal/Jahr oder bei Bedarf die Lage der Katheterspitze am Eingang des rechten Vorhofs kontrolliert und eine Thrombusbildung an der Katheterspitze ausgeschlossen werden. Röntgenaufnahmen der linken Hand zur Erfassung der Knochenreifung sind nur bei Wachstumsverzögerung indiziert.
Chirurgische Intervention
10
In Kenntnis der Entwicklung von Operationsverfahren zur Darmverlängerung muss bei Patienten, die nicht innerhalb von ca. 3 Jahren eine enterale Adaptation erreichen, die Indikation zu einer solchen Operation geprüft werden. Es gibt mehrere Modifikationen des ursprünglich von Bianchi entwickelten Vorgehens; die Prüfung der Indikation und der Eingriff selbst sollten nur von erfahrenen Operateuren in spezialisierten Zentren durchgeführt werden.
Komplikationen der parenteralen Ernährung Der Vermeidung von Komplikationen bei der Behandlung des Kurzdarmsyndroms durch langzeitige parenterale Ernährung kommt besondere Bedeutung bei, weil 1. die Patienten evtl. über Jahrzehnte parenteral ernährt werden müssen; dies ist bei Vermeiden gravierender Komplikationen heute durchaus möglich; 2. den Patienten die Option einer zukünftigen Dünndarmtransplantation erhalten werden sollte, die einen möglichst guten Allgemeinzustand voraussetzt; und 3. den meisten Patienten die Chance erhalten werden sollte, eine volle enterale Adaptation zu erreichen.
427 10.6 · Kurzdarmsyndrom
10
Bei neu auftretenden Gesundheitsstörungen unter parenteraler Ernährung kann nicht immer eindeutig zwischen Folgen der Grundkrankheit und Folgen der parenteralen Zufuhr unterschieden werden. In beiden Fällen ist eine Überprüfung des Ernährungsregimes angezeigt, um die evtl. nicht zu bessernden Folgen der Grunderkrankung zumindest nicht durch eine suboptimale parenterale Ernährung negativ zu beeinflussen.
Infektionen Die häufigste und oftmals lebensbedrohliche Komplikation der parenteralen Ernährung ist die systemische Infektion (Sepsis) durch Erreger, die entweder durch das Katheterlumen oder durch Translokation aus dem Darm in die Blutbahn gelangen. Durch die sorgfältige Katheterpflege und durch die orale oder enterale Nahrungszufuhr kann das Risiko dieser Infektionen deutlich gesenkt werden. Bei ausgeprägten Transportstörungen des Magen-Darm-Trakts kann die langzeitige orale oder enterale Gabe eines schwer resorbierbaren Antibiotikums indiziert sein. Führt dies nicht zu einer Verbesserung der subchronischen oder rezidivierenden Infektionen, muss ggf. über lange Zeit ein Antibiotikum intravenös verabreicht werden, z. B. 1 Dosis Ceftriaxon täglich über 3–6 Monate.
Hepatopathie Dem Entstehen einer Hepatopathie kann ebenfalls durch die konsequente Prävention von Infektionen und ihrer konsequenten Behandlung vorgebeugt werden. Weiterhin muss die Exposition gegenüber toxischen Substanzen (z. B. DEHT) vermieden werden. Schließlich ist die Nährstoff- und Energiezufuhr optimal auf den Bedarf des Kindes oder Jugendlichen abzustimmen. Besondere Beachtung verdienen die Aminosäurelösungen, deren spezifische Zusammensetzung für die Pädiatrie u. a. die Zufuhr von Cystein gewährleistet. Neben der Optimierung der parenteralen Zufuhr ist das orale Nahrungsangebot für die Förderung der Cholerese von großer Bedeutung, insbesondere auch die Gabe von Fetten, die die Kontraktion der Gallenblase stimulieren. Bei Transportstörungen des Magen-Darm-Trakts, z. B. im Rahmen einer neuronalen intestinalen Dysplasie, können auch die Gallenwege betroffen sein, so dass nur eine Cholezystektomie und evtl. eine externe Gallenableitung das Bild der Cholestase bessern.
428
Kapitel 10 · Störungen des Gastrointestinaltrakts
Sonstige Durch ausreichende Flüssigkeits-, Kalzium- und Phosphatzufuhr sowie geringe Dosen an Vitamin D kann in den meisten Fällen die Entstehung einer Osteopathie und Nephropathie sowie Urolithiasis vermieden werden. Zur Durchführung der langzeitigen parenteralen Ernährung liegen nur wenige Publikationen vor. Neben den in Vorbereitung befindlichen Leitlinien kann die im Literaturverzeichnis aufgeführte Lektüre empfohlen werden.
Literatur
10
Abstracts des 10., 11. und 12. Workshops für heimparenterale Ernährung im Kindes- und Jugendalter (2002, 2003, 2004) Monatsschr Kinderheilkd 150: 126–128, 151: 118–120, 152: 109–111 Auricchio S (1996) Genetically determined disaccharidase deficiencies. In: Walker WA, Durie PR, Hamilton JR, Walker-Smith JA (eds) Pediatric gastrointestinal disease: pathophysiology, diagnosis, management. Mosby, Philadelphia Toronto, pp 761 ff Baker SS, Liptak GS, Colletti RB, Croffie JM, Lorenzo C di, Ector W, Nurko S (1999) Constipation in infants and children: evaluation and treatment. A medical position statement of the North American Society for Pediatric Gastroenterology and Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 29: 612–626 Behrens R (1997) Die gastroösophageale Refluxkrankheit. Paediatr Prax 52: 281–296 Behrens R (2001) Chronisch entzündliche Darmerkrankungen im Kindesalter. Unimed, Bremen Belohradsky BH, Sölder B (2003) Infektiöse Enteritis. In: Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie eV (Hrsg) DGPI-Handbuch, 4. Aufl. Futuramed, München Bindlev-Jensen C (1998) Food allergy. BMJ 316: 1299–1302 Brandstätter M (2002) Parenterale Ernährung – Indikationen – Techniken – Organisation. Urban & Fischer, München Fasano A, Catassi C (2001) Current approaches to diagnosis and treatment of celiac disease: an evolving spectrum. Gastroenterology 120: 636–651 Goriup U, Keller KM, Koletzko B, Lentze M, Stern M (1994) Therapie akuter Durchfallerkrankungen bei Kindern. Empfehlungen der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung. Monatsschr Kininderheilkd 142, 126–130 Goulet O, Ruemmle F, Lacaille F et al. (2004) Irreversible intestinal failure. J Pediatr Gastroenterol Nutr 38: 250–269 Grosse KP, Keller KM, Behrens R, Becker M (1990) Chronische Obstipation im Kindesalter. Richtlinien der Arbeitsgruppe Obstipation im Kindesalter der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung. Monatsschr Kinderheilkd 138: 231–233 Keller HW, Gawenda M (1994) Ambulante künstliche Ernährung. Pechstein, Dobersdorf Keller KM (2003) Klinische Symptomatik: »Zöliakie ein Eisberg«. Monatsschr Kinderheilkd 151: 706–715
429 Literatur
10
King CK, Glass R, Bresee JS, Duggan C (2003) Managing acute gastroenteritis among children: Oral rehydratation, maintainance and nutritional therapy. MMWR Recomm Rep 52(RR-16): 1–16 Lifshitz F, Ament ME, Kleinman RE et al. (1992) Role of juice carbohydrate malabsorption in chronic nonspecific diarrhea in children. J Pediatr 20: 825–829 Marteau PR, Vrese M de, Cellier CJ, Schrezenmeir J (2001) Protection from gastrointestinal diseases with the use of probiotics. Am J Clin Nutr 73[Suppl 2]: 430–436 Mofidi S (2003) Nutritional managment of pediatric food hypersensitivity. Pediatrics 111: 1645–1653 Niggemann B (1999) Allergien gegen Nahrungsmittel. In: Wahn U, Seeger R, Wahn V (Hrsg) Pädiatrische Allergologie und Immunologie, Urban & Fischer, München Niggemann B (2002) Nahrungsmittelallergie. In: Niggemann B (2002) Pädiatrische Allergologie auf einen Blick. Unimed, Bremen Razeghi S, Behrens R (2003) Nicht-IgE-vermittelte Nahrungsmittelintoleranzen. PAD Prakt Paediatrie 1: 46–49 Roos-Liegmann B, Brandstätter M (2004) Künstliche Ernährung bei Kindern, enteral und parenteral – ambulant und stationär. Elsevier, München Rudolph CD, Mazur LJ, Liptak GS et al. (2001) Guidelines for evaluation and treatment of gastroesophageal reflux in infants and children: recommendations of the North American Society for Pediatric Gastroenterology and Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 32 [Suppl 2]: S1–31 Sandhu BK for the European Society of Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition Workgroup on Acute Diarrhea (2001) Practical guidelines for the managment of gastroenteritis in children. J Pediatr Gastroenterol Nutr 33 [Suppl 2]: S36–39 Shulman RJ, Phillips S (2003) Parenteral nutrition in infants and children. J Pediatr Gastroenterol Nutr 36: 5: 587–607 Sonntag SJ (2000) Why do the published data fail to clarify the relationship between gastroesophageal reflux and asthma. Am J Med 108 [Suppl 4A]: 159S–169S Teefelen-Heithoff A van (2003) Diätetische Grundlagen der Zöliakiebehandlung. Monatsschr Kinderheilkd 151: 719–726 Vreese M de, Sieber R, Stransky M (1998) Laktose in der menschlichen Ernährung. Schweiz Med Wochenschr 128: 1393–1400 Zuberbier T (1999) Pseudoallergische Reaktionen durch Nahrungsmittel. In: Wahn U, Seeger R, Wahn V (Hrsg) Pädiatrische Allergologie und Immunologie. Urban & Fischer, München
11 Monitoring bei (teil-)parenteraler Ernährung F. Jochum
432
Kapitel 11 · Monitoring bei (teil-)parenteraler Ernährung
Je länger eine bilanzierte Ernährung durchgeführt werden muss, und je »aggressiver« der Zufuhrweg [oral, enteral, (teil-)parenteral] ist, desto schneller erschöpfen sich endogene Speicher, dekompensieren Regulationsmechanismen und desto höher ist der Stellenwert des Monitorings.
Kurzanleitung Monitoring bei parenteraler Ernährung und/oder Flüssigkeitstherapie
11
▬ Klinische Untersuchung, Flüssigkeitsbilanz täglich ( Abschn. 4.1). ▬ Somatische Daten: Körpergewicht (zunächst täglich), Kopf- und Längenwachstum (Verlaufskontrolle mit Perzentiltabellen) 1-mal/Woche. ▬ Blut: Blutgasanalyse, Elektrolyte (inklusive Magnesium und Phosphat) zunächst täglich. Wenn stabil, 1-mal/Woche (1-mal/14 Tage). Blutbild, Protein gesamt, Blutzucker, Triglyzeride, Bilirubin gesamt und direkt, γ-Glutamyltransferase (γ-GT), alkalische Phosphatase. Wenn stabil, alle 14 Tage. ▬ Urin: Volumen, Eiweiß, pH-Wert, spezifisches Gewicht, Ketonkörper. Wenn stabil, alle 14 Tage. ▬ Dual X-ray absorptiometry (DXA): bei Frühgeborenen unter 2.000 g Geburtsgewicht nach klinischer Stabilisierung und vor Entlassung (optimal bei schlechten Gedeihen). ▬ Kalorimetrie bei unklarem schlechten Gedeihen und Zweifel am Energiebedarf.
Das Monitoring für besondere Supplementierungen, wie Eisen, Kalzium, Phosphat usw., wird bei der Leitlinie zu der entsprechenden Supplementierung dargestellt. Bei enteraler bilanzierter Ernährung bestehen zusätzliche Regulationsmöglichkeiten bei der Resorption. Es bestehen die oben dargestellten Überwachungsmöglichkeiten, die entsprechend dem Schweregrad der Klinik/Erkrankung seltener angewendet werden können.
433 Monitoring bei (teil-)parenteraler Ernährung
11
Besonderheiten des Monitorings bei Früh- und Neugeborenen Bei Früh- und kranken Neugeborenen hat die Überwachung des Flüssigkeitshaushalts wegen des hohen Flüssigkeitsumsatzes, dem im Vergleich zu älteren Patienten hohen Körperwassergehalt und den unreifen Regulationsmechanismen einen besonderen Stellenwert. Die Überwachung muss die physiologischen Besonderheiten von Neonaten berücksichtigen: ▬ Die Messung des spezifischen Gewichtes oder der Osmolarität des Urins kann bei Früh- und Neugeborenen in den ersten Lebenswochen nur herangezogen werden, wenn hohe Werte gemessen werden. Niedrige (normale) Werte können durch die unreifebedingte geringe Konzentrierungsfähigkeit der Niere bedingt sein. ▬ Die Unreife der Niere bei Früh- und Termingeborenen führt bei einer Dehydratation als eines der ersten laborchemischen Zeichen zu einer Hyperchlorämie, bevor eine Acidose entsteht. ▬ Bei parenteraler Ernährung sind in der Initialphase in Abhängigkeit von Reife und Erkrankung der Neonaten tägliche klinische Untersuchungen, Flüssigkeitsbilanzierung, Kontrollen von Säure-Basen-Status, Elektrolyten und Blutzucker notwendig. Bei mittel- und langfristiger parenteraler Ernährung sollten neben der regelmäßigen klinischen Untersuchung, der Dokumentation der Gewichts-, Längen- und Kopfumfangentwicklung (in Perzentilbögen), 1-mal/Woche der Säure-Basen-Status, Blutzucker, Elektrolyte, Hämatokrit, Harnstoff, Kreatinin, mindestens eine Transaminase, γ-GT, Urinosmolarität oder spezifisches Gewicht (alkalische Phosphatase alle 2 Wochen), bestimmt werden. ▬ Wegen des geringen Blutvolumens bei Neonaten ist in Einrichtungen, in denen Neonaten mittel- und langfristig parenteral ernährt werden, ein Speziallabor mit Mikromethoden notwendig. > Die hier vorgeschlagenen Häufigkeiten für klinische Untersuchungen und Laborkontrollen können nur einer groben Orientierung dienen. Sie sind für den einzelnen Patienten nach Klinik, Krankheit und individuellem Krankheitsverlauf festzulegen.
Sicherheitshinweis Die vorliegenden Empfehlungen für eine bilanzierte Ernährung von pädiatrischen Patienten orientieren sich an dem Bedarf von gesunden Früh- und Reifgeborenen sowie gesunden pädiatrischen Patienten nach der Neonatal-
434
Kapitel 11 · Monitoring bei (teil-)parenteraler Ernährung
periode. Krankheiten können zu signifikanten Änderungen des Flüssigkeits-, Elektrolyt- und sonstigen Nährstoffbedarfes führen. Bilanzierte Ernährung, insbesondere parenterale Ernährung, muss kontinuierlich an die spezifischen Bedürfnisse des einzelnen Patienten angepasst werden. Der Flüssigkeits- und Elektrolytstoffwechsel unterliegt großen individuellen und krankheitsbedingten Veränderungen. Erkrankungen können im Einzelfall eine spezielle Behandlung zur Stabilisierung des Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalts notwendig machen, die von den beschriebenen Therapiegrundsätzen abweicht. Unangepasste Flüssigkeits-, Elektrolyt- und sonstige Nährstoffzufuhr kann zu schweren und dauerhaften gesundheitlichen Schäden bis zum Tod führen.
11
12 Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus 12.1
Bodymass-Index – 436 C. Fusch
12.2
Hautfaltendicke C. Fusch
12.3
Bioimpedanzanalyse C. Fusch
12.4
Stabile Isotope C. Fusch
12.5
Dual-X-ray-Absorptiometrie C. Fusch
12.6
Methoden aus der Forschung – 441 C. Fusch
12.7
Methoden zur Beurteilung von oxidativem Stress – 446 H. Topp Literatur
– 448
– 437
– 438
– 439
– 441
436
Kapitel 12 · Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus
Mit der im Kap. 11 »Monitoring« beschriebenen Überwachung ist es möglich, den aktuellen Stoffwechsel und Hydratationszustand der Patienten zu beurteilen. In der klinischen Routine und Forschung ist es manchmal wünschenswert, den Ernährungsstatus (z. B. Über- oder Unterernährung, Adipositas) zu erfassen. Dies kann durch die Messung der Körperzusammensetzung bzw. der Größe der verschiedenen Körperkompartimente ( Kap. 2) geschehen. Hierzu sind verschiedene, mehr oder weniger invasive und präzise Methoden verfügbar, die sich grundsätzlich unterteilen lassen in: ▬ Pars-pro-toto-Methoden: Von einem gemessenen Teil(Aspekt) wird auf das »Ganze« (Kompartiment) geschlossen). ▬ Komplettmessmethoden: Der gesamte Körper wird bei der Messung erfasst. Jede Methode geht von unterschiedlichen Grundannahmen aus, die z. T. nur für bestimmte Situationen validiert worden sind. Bei der Untersuchung von Kindern ist neben Aspekten, wie Genauigkeit, Aufwand und Praktikabilität, für den klinischen Alltag auch die kindliche Kooperationsbereitschaft/-fähigkeit in den verschiedenen Altersstufen zu berücksichtigen.
12
12.1
Bodymass-Index
C. Fusch Der Bodymass-Index (BMI), angegeben als [kg/m2], ist eine Verhältniszahl von Gewicht und (quadrierter) Körperlänge. Der BMI wurde als Näherungsmaß eingeführt, um den Ernährungszustand unabhängig von der Körpergröße einschätzen zu können. Er beschreibt jedoch kein Körperkompartiment im eigentlichen Sinne. ▬ Als Normalwert für Erwachsene gilt ein BMI zwischen <20 kg/m2 und 25 (28) kg/m2. ▬ Als Indikator für beginnende Unterernährung <19 kg/m2 und leichte Adipositas >30 (>32) kg/m2. Wegen der einfachen Ermittlung unter klinischen Bedingungen (es sind nur Körperhöhe bzw. Länge, das Körpergewicht, ein Nomogramm und ein Ta-
437 12.2 · Hautfaltendicke
12
schenrechner notwendig) hat der BMI eine weite Verbreitung in Klinik und Routine bekommen; seine Aussagekraft darf aber nicht überstrapaziert werden (Lazarus et al. 1996; Rolland-Cachera et al. 1991). Zwei Personen unterschiedlicher Größe können sich trotz identischem BMI in ihrer Fettmasse sowohl relativ als auch absolut erheblich unterscheiden (Konstitution); der BMI bildet daher das individuelle Risiko im Einzelfall nicht sicher ab. Im Kindes- und Jugendalter ist die Benutzung des BMI wegen der zunehmenden Körperlänge kritisch zu sehen. Es existieren zwar alters- und geschlechtsgematchte Perzentilenkurven (Kromeyer-Hauschild et al. 2001) und ein Methodenvergleich (BMI-Perzentile vs. DXA-%FM; Abschn. 12.5). Bei gesunden Kindern (n=198; Pietrobelli et al. 1998) fand sich eine gute Übereinstimmung. Bei kranken Kindern (n=400, Wiedenhöft et al. 1999) zeigte sich jedoch, dass die individuelle Einschätzung des Ernährungszustands mithilfe des BMI im Einzelfall erhebliche Fehler aufweisen kann. Berücksichtigt man diese Einschränkungen, so kann der BMI, zwar nicht zur absoluten Beurteilung des Ernährungszustands, wohl aber zur Verlaufsbeurteilung einzelner Patienten eine wertvolle Hilfe leisten.
12.2
Hautfaltendicke
C. Fusch Die Messung der Hautfaltendicke ist eine einfache, nichtinvasive «BedsideMethode», die mit einem Minimum an Kooperation auch bei Kindern, sogar bei Neugeborenen durchgeführt werden kann (Schmelzle u. Fusch 2002). Mit einem speziellen Kaliper, das unabhängig von seiner Auslenkung einen konstanten Anpressdruck von 10 g/mm2 generiert, wird die Dicke der subkutanen Fettschicht an verschiedenen Körperstellen (n=3 oder n=4) standardisiert gemessen (üblicherweise Bizeps, Trizeps, subskapular und iliakal). Über Regressionsgleichungen kann dann das Körperfett berechnet werden (Brook 1971; Deurenberg et al. 1990; Durnin u. Rahaman 1967; Johnston et al. 1988; Reiley et al. 1995; Slaughter et al. 1988). Um mit der Methode reproduzierbare Ergebnisse zu erzielen, muss die untersuchende Person zuvor gut trainiert werden. Die Methode ist eine klassische »Pars-pro-toto-Methode«, d. h. sie nimmt die Messung der Hautfaltendicke an den 3 bzw. 4 Körperstellen als repräsen-
438
Kapitel 12 · Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus
tativ und extrapoliert auf das Ganzkörperfett. Die Methode berücksichtigt nicht eine konstitutionsbedingte, unterschiedliche interindividuelle Fettverteilung und auch nicht das intraabdominelle Fett.
12.3
Bioimpedanzanalyse
C. Fusch
12
Die Bioimpedanzanalyse (BIA) misst den Körperwiderstand (»resistance«) für einen schwachen Wechselstrom, der zwischen den Händen und Füßen angelegt wird. Die BIA ist in erster Linie ein Verfahren für die Schätzung des Körperwassers, da die Leitung von Strom durch Wasser in Verbindung mit den Elektrolyten erfolgt. Im Übrigen gilt das Ohm-Gesetz: Der Widerstand ist proportional zur Länge des Leiters (Körpergröße) und umgekehrt proportional zum Leitungsquerschnitt (Körperwasser). Mithilfe einer Formel, die vorgibt, die spezielle Physiologie des zu messenden Patienten zu erfassen (Alter, Geschlecht, Körpermaße), wird aus dem Messwert das Körperwasser errechnet. Dieses Modell hat in der Praxis jedoch seine Limitationen (Hydratationszustand, unterschiedliche Arm bzw. Beinlänge, Elektrolytgehalt usw.). In der Praxis wurde versucht, die Korrelation von Resistance-Index (i.e. Körperlänge2/Resistance) und Körperwasser unter Berücksichtigung anderer Einflussgrößen gegen andere Methoden zu validieren. Die BIA-Messung eignet sich als Bedside-Methode auch für den Einsatz bei Kindern; vorausgesetzt sie halten still. Eine Vielzahl von kommerziell erhältlichen BIA-Geräten wurde in den letzten Jahren auf den Markt gebracht, v. a. um im Rahmen der zunehmenden Fitnesswelle individuelle Körperfettmessungen zu ermöglichen. In diesen Geräten werden jedoch Algorithmen benutzt, die »Firmengeheimnis« bleiben. Neuere Geräte dehnen die BIA-Messung von den üblichen 50 kHz auf mehrere Frequenzen zwischen 100 Hz–100 kHz aus, weil sich der Beitrag der einzelnen Wasserkompartimente durch differenzielle Messung besser erfassen lassen soll. Gute Kontrollstudien im Vergleich zu »Goldstandardmethoden« bei Kindern wären wünschenswert. Vergleichsmessungen zwischen verschiedenen Geräten und gegen andere Methoden haben gezeigt, dass die BIA-Körperfettmessung mit einem beträchtlichen zufälligen, aber auch systematischen Fehler behaftet sein können.
439 12.4 · Stabile Isotope
12
Zusammengefasst kann mit dem Resistance-Index nichtinvasiv direkt am Patienten (bedside) das Körperwasser geschätzt werden. Die Methode eignet sich für Gruppenvergleiche unter Feldstudienbedingungen (Wabitsch et al. 1996; Wuehl et al. 1996). Exakte Messungen der Körperzusammensetzung, v. a. der Fettmasse, überfordern die Methode und sind am einzelnen Indivduum mit den z. Z. vorhandenen Geräten nur in wenigen Situationen genau.
12.4
Stabile Isotope
C. Fusch Die stabilen Isotope gelten als Goldstandard für die Messung des Körperwassers. Die Methode differenziert aber nicht zwischen den verschiedenen Wasserkompartimenten (intrazellulär, extrazellulär: intravasal, extravasal). Die Technik basiert auf einer Verdünnungsmethode, bei dem in das Körperwasser eine definierte Menge stabil-isotopen-markiertes (D2O oder H218O) Wasser oral oder intravenös eingebracht wird. Aus der Konzentration, die sich nach konstanter und gleichmäßiger Verteilung (ca. 3–6 h) in allen Körperflüssigkeiten (auch im Urin) einstellt, kann die Größe des Verteilungsraums berechnet werden. Der zufällige Fehler der Traceranalyse mit Isotopenverhältnis-Massenspektrometrie (IR-MS) oder Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie (FT-IR) liegt weit unter 1%, der der gesamten Methode bei ca. 1% (Fusch et al. 1993a). Im Vergleich zur Messung mit dem extrem teuren H218O wird mit 2H2O das tatsächliche Körperwasser um ca. 3% systematisch unterschätzt, weil der Austausch der H-Ionen nicht nur an Wasser, sondern auch an N-H, S-H und Nicht-Wasser-OH-Gruppen stattfindet. Die Methode eignet sich wegen der fehlenden Strahlenbelastung für die Anwendung in der Pädiatrie. Unter Annahme einer konstanten Hydratation der fettfreien Masse (FFM, Abschn. 2.3) können aus dem Gesamtkörperwasser auch die FFM und Fettmasse (FM) berechnet werden. Für die Hydratation werden zwar altersabhängige Durchschnittswerte angegeben. Sie können aber im individuellen Fall stark abweichen und damit die Richtigkeit der Berechnung von FFM und FM beeinträchtigen. ⊡ Tabelle 12.1 gibt Normalwerte für »total body water« (TBW) (sowie FFM und FM) aus einer Querschnittsstudie an 180 Kinder im Alter von 6 Wochen bis 15 Jahre (Fusch et al. 1993b).
12
0,621 0,065
0,779 0,081
0,221 0,081 20
– –
–
0,841 0,071
0,160 0,070 5
– –
–
Bis 6 Monate
0,678 0,057
Bis 3 Monate
0,171 0,096 0,203 0,086 24 / 22
0,141 0,041 0,190 0,072 23 / 22
–
–
–
0,163 0,076 30
– –
0,133 0,043 27
– –
0,211 0,110 17
– –
0,837 0,076
0,632 0,057
Bis 9 Jahre
0,160 0,080 19
0,867 0,043
0,666 0,033
Bis 6 Jahre
0,171 0,085 13
0,657 0,060
Bis 3 Jahre
0,844 0,077
0,655 0,067
Bis 12 Monate
0,829 0,085
0,789 0,110
0,625 0,087
Bis 9 Monate
0,227 0,074 24 / 23
0,235 0,096
0,163 0,063 18
0,837 0,063
0,616 0,047
Bis 12 Jahre
0,282 0,077 25 / 22
0,169 0,104
0,187 0,057 16
0,813 0,057
0,598 0,042
Bis 15 Jahre
TBW-Daten gemessen mit der Deuteriumverdünnungmethode, FFM und FM berechnet mit alters- und geschlechtsspezifischen Faktoren für die Hydratation der FFM (Fusch 1993b). DXA-Fettmasse (%) nach (Lazarus et al. 1996)
TBW/BW Mittelwert SD FFM/BW Mittelwert SD FM/BW Mittelwert SD n FMDXA/BW Jungen Mittelwert SD Mädchen Mittelwert SD n
Alter
⊡ Tabelle 12.1. Angaben (Mittelwert und Standardabweichung, SD) zu Körperwasser (TBW), fettfreier Körpermasse (FFM) und Fettmasse (FM) bezogen auf das Körpergewicht (BW) für verschiedene Altersklassen
440 Kapitel 12 · Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus
441 12.6 · Methoden aus der Forschung
12.5
12
Dual-X-ray-Absorptiometrie
C. Fusch Die Dual-X-ray-Absorptiometrie (DXA) misst im Körper Punkt für Punkt die differenzielle Absorption eines sehr schwachen Röntgenstrahlers, der zwischen 2 Energieniveaus pulst. In den Bildpunkten, die Knochen enthalten, findet die Differenzierung (und Quantifizierung) zwischen Knochen und Weichteilgewebe statt. In den knochenfreien Bildpunkten wird zwischen Mager- und Fettmasse differenziert und quantifiziert. Die DXA-Methode macht dabei die Annahme, dass sich die Zusammensetzung des Weichteilgewebes in den knochenfreien Bildpunkten von den knochenenthaltenden nicht unterscheidet. Ein Ganzkörperscan dauert abhängig vom verwendeten Gerät zwischen 2 min und 15 min. Die Messung erfolgt berührungslos, ist aber empfindlich gegen Bewegungsartefakte. Der Patient muss daher kooperativ sein oder schlafen. Die DXA gilt z. Z. als der In-vivo-Goldstandard zur Messung von Mineralsalzgehalt sowie Fett- und Magermasse. Sie wurde in aufwändigen tierexperimentellen Studien für einen Gewichtsbereich von 800 g bis 120 kg gegen die chemische Carcass-Analyse validiert (Fusch et al. 1999; Mitchell et al. 1998a,b, 2000). Altersabhängige Normalwerte für das Körperfett (in %KG) liegen zwischen 14,1±4,1 und 23,5±9,6 (Jungen) und 19,0±7,2 und 28,2±7,7% (Mädchen; Lazarus et al. 1996). Die Indikation zur Anwendung der DXA im Kindesalter muss wegen der Anwendung von Röntgenstrahlen sorgfältig gestellt werden. Vor dem Hintergrund der niedrigen Dosisexposition (<1,5 mSv, entsprechend weniger als einem Zehntel einer konventionellen Thoraxaufnahme) erscheint eine Messung jedoch in ausgewählten Fällen vertretbar.
12.6
Methoden aus der Forschung
C. Fusch Die im Folgenden beschriebenen 5 Methoden sind wegen ihrer Komplexität vorwiegend für die Forschung geeignet und werden darum hier nur kurz vorgestellt. Sie liefern z. T. sehr genaue Daten zur »body composition«.
442
Kapitel 12 · Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus
Densitometrie Durch Eintauchen in eine spezielle mit Wasser gefüllte Messapparatur (z. B. das »Ulmer Fass«) wird das Volumen des Körpers bestimmt und sein spezifisches Gewicht errechnet. Dieses korreliert mit der Menge an Fettmasse. Problematisch bei diesem Messverfahren ist die Korrektur für gashaltige intrakorporale Volumina (Atemwege, Darm). Bei der Interpretation der Messwerte wird immer noch auf sehr alte Daten an einem nichtrepräsentativen Kollektiv (z. T. Leichen) zurückgegriffen (Siri 1961). Auch das im Ansatz theoretisch zugrunde gelegte spezifische Gewicht für die FFM von 1,100 schwankt in praxi zwischen 1,079 kg/l und 1,111 kg/l (⊡ Tabelle 12.2). Die Messung von Kindern setzt eine starke Kooperationsbereitschaft voraus.
»Total-body-electric-conductivity-Messung« Bei der »Total-body-electric-conductivity-Messung« (TOBEC) wird die Verstimmung einer Ganzkörperspule beim Durchschieben des menschlichen Körpers gemessen (de Bruin et al. 1995). Sie korreliert mit der Menge an Körperwasser. Die Messung ist aufwändig und weltweit nur an wenigen Geräten möglich. Die TOBEC wurde gegen die Messung mit schwerem Wasser ( Abschn. 12.4) validiert. Die Messung mit TOBEC ist ungefährlich und prinzipiell an Kindern möglich.
12
Kalium-40-Methode Hier wird mit einem speziellen Ganzkörperdetektor der Ganzkörperbestand an K-40, dem natürlich vorkommenden radioaktiven Isotop des Kaliums, gemessen. Es wird angenommen, dass Kalium in konstanter Konzentration praktisch nur intrazellulär vorkommt und das erhaltene Messsignal damit ein Maß für die Körperzellmasse ist. Es existieren jedoch nur wenige Bestimmungen zur intrazellulären K-Konzentration. Insbesondere ist für die korrekte Anwendung der Methode im Kindesalter die Altersabhängigkeit der intrazellulären K-Konzentration nicht genügend untersucht. Diese Unsicherheit, die wenigen vorhandenen Geräte und die benötigte, sehr gute Kooperation bei der Untersuchung im »whole body counter« machen eine Anwendung im Kindesalter praktisch nur schwer möglich.
Magnetic resonance imaging/spectrosopy Hier handelt es sich prinzipiell um viel versprechende Methoden, die ein differenziertes Fett-Wasser-Signal direkt und vom ganzen Körper erhalten und
Konzentration von Indikatorsubstanz (z. B. D2O, H218O)
Spezifisches Gewicht mit Atemgaskorrektur
TBW
TBW
FM + FFM
FFM
FM + FFM + BMC
BIA
Stabile Isotope
Unterwasserdensitometrie
K-40
DXA
Absorption von Röntgenstrahlen
Ganzkörperkaliumbestand
Wechselstrom-Wderstand (Resistance)
Dicke der Fettschicht an mehreren Körperstellen
FM
Hautfaltendicke
Modifizierte Ratio Gewicht/Länge2
–
Gemessenes Gemessener Parameter Kompartiment
BMI
Methode
Direkt
Direkt –
–
Indirekt –
–
–
–
+/–
–
Direkt
+
ja
+
+
+
+
–
–
+
+
+/–
+++
+++
+++
+++
??
++
Komposition der BMCPixel identisch mit den anderenf
FM, Knochen: K-frei; FFM: intrazell. [K] = 68.1 meq/le
ρFM=0,900 kg/l, ρFFM=1,100 kg/ld
4% Isotopensequestration, FFM:H2OGehalt=0,732c
Resistance ~ 1/TBW
FM-Verteilung identischa; Wahl der Körperstellen repräsentativb
–
Präzision Zugrunde liegende Annahmen
k.A. Beschränkt
Pars- Bedside- Für pro- Technik Pädiatrie toto
Indirekt +
Direkt
Direkt
Messart
⊡ Tabelle 12.2. Übersicht über Methoden zur Messung der Körperzusammensetzung
12.6 · Methoden aus der Forschung 443
12
Direkt – –
–
–
–
+/–
+++
+++
++
g
g
g
Präzision Zugrunde liegende Annahmen
FM Fettmasse; FFM fettfreie Körpermasse; TBW Gesamtkörperwasser; BMC Knochenmineralsalzgehalt, k.A. keine Angaben; TOBEC »total body electric conductivity«; IVNAA In-vitro-Neuronen-Aktivierungsanalyse; BMI Bodymass-Index; BIA Bioimpedanzanalyse; DXA DualX-ray-Absorptiometrie a FM-Verteilung von Konstitution abhängig b Intraabdominelles Fett wird nicht erfasst c Gemessener (DXA + D2O) Wassergehalt der FFM:0,694–0,784 l/kg (Fusch 1994) d Gemessene (DXA + Densitometrie) ρFFM:1,079–1,111 kg/l e Intrazelluläre [K]: altersabhängig f Annahme nicht immer korrekt (»Sharp-edge-Artefakte«), Schädelkomposition muss angenommen werden g Physikalisch anspruchsvolle Messverfahren mit z. T. sehr elaborierter Technik, Forschungsmethoden
EM-Strahlung von angeregten Elementen
Elemente (TB-Ca, -N )
–
IVNAA
Direkt
Anteil Pixel (MRI), Fett-/ Wassersignal (MRS)
FM + FFM + Knochen
Magnetresonanz (MRI/MRS)
–
Pars- Bedside- Für pro- Technik Pädiatoto trie
Ganzkörperkonduktivität Indirekt –
Messart
FFM / TBW
Gemessenes Gemessener KomparParameter timent
12
TOBEC
Methode
⊡ Tabelle 12.2 (Fortsetzung)
444 Kapitel 12 · Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus
445 12.6 · Methoden aus der Forschung
12
somit eine exzellente Richtigkeit aufweisen (Fusch 1998). Beim »magnetic resonance imaging« (MRI) werden sequenzielle oder dreidimensionale Ganzkörperaufnahmen angefertigt. Anschließend werden mit Sortieralgorithmen die Pixel nach ihrem Signalverhalten den verschiedenen Kompartimenten zugeordnet und dadurch quantifiziert. Die Methode eignet sich hervorragend für die volumetrische Messung von FM und FFM inklusive der Identifikation von intraabdominellem Fett – ein Parameter, der sonst eher schwer zu fassen ist. Bei der »magnetic resonance spectrosopy« (MRS) wird mithilfe einer ausgeklügelten Sequenz aus vielen Volumenelementen (»Voxeln«) ein hoch aufgelöstes Fett-/Wassersignal erzeugt, das dann zu einem Ganzkörpersummensignal zusammengesetzt werden kann. Beide Methoden arbeiten ohne belastende ionisierende Strahlen, verlangen aber neben einer speziellen Ausstattung und auch kooperative Probanden.
In-vitro-Neutronen-Aktivierungsanalyse Eine im Prinzip sehr elegante Methode ist die In-vitro-Neutronen-Aktivierungsanalyse (IVNAA), die ihr Signal von den einzelnen chemischen Elementen nach entsprechender atomarer Anregung erhält. Enormer apparativer Aufwand ist nötig, der weltweit auch nur an wenigen Stellen vorgehalten wird. Für Kinder ist der Einsatz wegen der Kooperativität und auch wegen der Strahlungsinduktion nicht realisierbar. > Von den oben dargestellten Methoden zur Messung der Körperzusammensetzungen ist jeweils diejenige auszuwählen, die der individuellen Situation (Klinik, Forschung) gerecht wird und das Zielkompartiment mit ausreichender Genauigkeit messen kann. Da die Methoden häufig an »gesunden« Erwachsenen validiert wurden, kann das Messergebnis bei Kindern fehlerhaft sein. Es darf nur unter Kenntnis und Prüfung der Modellannahmen geschehen. Häufig wird es daher sogar sinnvoll sein, für die Messung mehrerer Kompartimente auch mehrere Methoden zu verwenden, statt sie unter nichtsicheren Annahmen aus einer zu berechnen. Für die Fragestellungen in der Pädiatrie sind nur wenige Methoden geeignet. In fallender Präzision: DXA, stabile Isotope, Hautfaltendicke, BIA und BMI.
446
Kapitel 12 · Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus
12.7
Methoden zur Beurteilung von oxidativem Stress
H. Topp
12
Schädigende Wirkungen von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS, z. B. Superoxidanionradikal, Hydroxylradikal) auf den Organismus werden mit der Genese und dem Verlauf von zahlreichen Krankheiten in Zusammenhang gebracht (z. B. Atherosklerose, zystische Fibrose, chronische Polyarthritis, Enteritis regionales Crohn, Alzheimer-Krankheit, Ischämie-ReperfusionsSchädigungen, Retinopathia praematurorum, bronchopulmonale Dysplasie, Entstehung von Krebs). Reaktive Sauerstoffspezies werden ständig beim aeroben Stoffwechsel des Organismus gebildet (z. B. in der mitochondrialen Atmungskette; durch enzymatische Reaktionen, polymorphkernige Leukozyten, Makrophagen, exogene Einflüsse). Demgegenüber verfügt der Organismus über ein komplexes antioxidatives Schutzsystem, das die ROS weit gehend zu entgiften vermag: antioxidativ wirksame Enzyme (z. B. Superoxiddismutasen, Katalase, Glutathionperoxidasen, DNS-Reparaturenzyme), endogene Stoffwechselprodukte (z. B. Transferrin, Ferritin, Ceruloplasmin; Harnsäure; Bilirubin; Glutathion, Coenzym Q10) sowie Nahrungskomponenten (z. B. Vitamine E, C; Lycopin, phenolische Pflanzeninhaltsstoffe). Der normale aerobe Stoffwechsel befindet sich in einem annähernden Fließgleichgewicht zwischen Bildung und Entgiftung von ROS. Oxidativer Stress liegt vor bei einem verstärkten Ungleichgewicht zwischen Bildung und Entgiftung von ROS aufgrund erhöhter Bildung und/oder verminderter Entgiftung von ROS. Die Folgen von oxidativem Stress sind erhöhte Schädigungen von Makromolekülen, wie der Lipide, Proteine und DNS. Besonders Frühgeborene können oxidativem Stress ausgesetzt sein, aufgrund der potenziellen Unreife ihres eigenen antioxidativen Schutzsystems (z. B. geringe Gehalte antioxidativ wirksamer Enzyme sowie des Eisen- (Fe-)transportproteins Transferrin) und/oder aufgrund potenziell prooxidativ-wirksamer exogener Faktoren (z. B. Beatmung, Gabe von Fe, Vitamin C, mehrfach ungesättigten Fettsäuren). Zur Prävention möglicher (Spät-)folgen von oxidativem Stress bei Frühgeborenen ist eine Beurteilung der Belastung mit ROS notwendig. Die Belastung des Organismus mit ROS lässt sich nicht direkt bestimmen. Im Folgenden werden einige Methoden zusammengefasst, die zur Beurtei-
447 12.7 · Beurteilung von oxidativem Stress
12
lung von oxidativem Stress Anwendung finden. Diese Methoden basieren darauf, dass endogen durch den Angriff von ROS an Lipiden, Proteinen sowie der DNS spezifische Abbau-/Reparaturprodukte dieser Makromoleküle entstehen, die sich in Urin, Plasma oder der Atemluft quantifizieren lassen. Die Bestimmung von Malondialdehyd (MDA) in Urin und/oder Plasma wird häufig als Indikator für Lipidperoxidation verwendet. Malondialdehyd entsteht als ein Produkt der Oxidation von »polyunsaturated fatty acids« (PUFAs) (hauptsächlich Arachidonsäure und Docosahexaensäure). Malondialdehyd kann verhältnismäßig einfach mithilfe der »high performance liquid chromatography« (HPLC) bestimmt werden (Draper et al. 1984). Bei der Interpretation von Befunden ist Vorsicht geboten, da MDA teilweise endogen verstoffwechselt wird und mit der Nahrung zugeführte PUFAs sowie zugeführtes MDA die Gesamtausscheidung von MDA direkt beeinflussen können (Draper u. Hadley 1990; Draper et al. 1984). Als weiterer potenzieller Indikator für Lipidperoxidation lässt sich 4-Hydroxynonenal (HNE), das bei der Oxidation von n-6 PUFAs (Linolsäure und Arachidonsäure) entsteht, im Plasma mit der HPLC bestimmen. Auch im Fall von HNE muss die teilweise endogene Verstoffwechselung dieser Verbindung mit in Betracht gezogen werden. F2-Isoprostane entstehen aus Arachidonsäure durch Angriff von ROS. F2-Isoprostane bzw. ihre Derivate wurden in Plasma bzw. Urin mit der Gaschromatographie/Massenspektrometrie (GC/MS) in mehreren Studien als Indikatoren für die Lipidperoxidation gemessen (Fam u. Morrow 2003; Roberts u. Morrow 2000). Als weitere Indikatoren für Lipidperoxidation kann die Exspiration von Ethan (Herkunft n-3 PUFAs) bzw. Pentan (Herkunft n-6 PUFAs) mit der GC bestimmt werden. Ethan wird im Vergleich zu Pentan endogen geringer verstoffwechselt und ist gering löslich in Gewebe. Daher dürfte die Bestimmung von Ethan gegenüber Pentan vorteilhaft sein (Kritzler et al. 1998). O-Tyrosin entsteht durch ROS aus dem Proteingrundbaustein Phenylalanin. Mit dem Urin ausgeschiedenes o-Tyrosin lässt sich mit der HPLC quantifizieren und gilt als Marker für die Oxidation von Proteinen und freiem Phenylalanin (Lubec et al. 1997). Als weitere Indikatoren für oxidative Schädigungen von Proteinen können Proteincarbonyle in Plasma spektrophotometrisch oder mithilfe des »enzyme-linked-immunosorbent assay« (ELISA) bestimmt werden (Jacob et al. 2003). In der DNS kann 8-Oxo-7,8-dihydro-2′desoxyguanosin (oxo8dG) durch ROS aus dem Grundbaustein Desoxyguanosin gebildet werden. 8-Oxo-7,8-dihydro-2′-desoxyguanosin wird aus der DNS
448
12
Kapitel 12 · Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus
durch enzymatische Reparatur eliminiert. Mit dem Urin ausgeschiedenes oxo8dG lässt sich mit der HPLC quantifizieren und gilt als Marker für die oxidative Belastung der DNS mit freien Sauerstoffradikalen (Topp et al. 2002). 8-Oxo-7,8-dihydro-2′-desoxyguanosin ist in eingefrorenen (–20°C) Urinproben stabil. Obwohl die frühzeitige Erkennung von oxidativem Stress sowie dessen Verlaufsbeurteilung unter gezielt eingesetzten antioxidativ-wirksamen Gegenmaßnahmen eine wichtige Aufgabe der Forschung darstellt, lässt sich die Frage nach der besten Methode zur Bestimmung von oxidativem Stress für die klinische Praxis z. Z. noch nicht beantworten. Gleichzeitige Bestimmungen von Abbau-/Reparaturprodukten aus Lipiden, Proteinen und DNS wären wünschenswert, weil dadurch eine umfassende Beurteilung der Belastung von verschiedenen Zellbestandteilen und Kompartimenten mit ROS möglich ist. Die dazu notwendigen Methoden ( oben) erfordern sehr gut ausgestattete Laboratorien sowie ausreichend und hochqualifiziertes Personal. Alternativ ist durch Kooperationen die Möglichkeit gegeben, die in bestimmten Arbeitsgruppen etablierten speziellen Methoden zur komplexen Untersuchung von oxidativem Stress einzusetzen. Bestimmungen von spezifischen Kataboliten im Urin, wie z. B. das oxo8dG, haben den Vorteil, dass die Proben nichtinvasiv gewonnen werden und im eingefrorenen Zustand leicht transportiert werden können. Falls die quantitaive Sammlung von Urinproben über längere Zeiträume, z. B. 24 h, nicht möglich ist, lassen sich in unterschiedlich konzentrierten Spontanurinproben die Marker für oxidativen Stress durch Bezug auf Kreatinin (klassisch) oder möglicherweise auf bestimmte RNS-Kataboliten (neu) normieren (Topp et al. 2002, 2003).
Literatur Brook CG (1971) Determination of body composition of children from skinfold measurements. Arch Dis Child 46: 182–184 Bruin NC de, Velthoven CA van, Stijnen T, Juttmann RE, Degenhart HJ, Visser HK (1995) Body fat and fat-free mass in infants: new and classic anthropometric indexes and prediction equations compared with total-body electrical conductivity. Am J Clin Nutr 61: 1195– 1205 Deurenberg P, Pieters JJ, Hautvast JG (1990) The assessment of the body fat percentage by skinfold thickness measurements in childhood and young adolescence. Br J Nutr 63: 293–303
449 Literatur
12
Draper HH, Hadley M (1990) A review of recent studies on the metabolism of exogenous and endogenous malondialdehyde. Xenobiotica 20: 901–907 Draper HH, Polensek L, Hadley M, McGirr LG (1984) Urinary malondialdehyde as an indicator of lipid peroxidation in the diet and in the tissues. Lipids 19: 836–843 Durnin JV, Rahaman MM (1967) The assessment of the amount of fat in the human body from measurements of skinfold thickness. Br J Nutr 21: 681–689 Fam SS, Morrow JD (2003) The isoprostanes: unique products of arachidonic acid oxidation – A review. Curr Med Chem 10: 1723–1740 Fusch C, Dreyer E, Wenzel E, Wechsler RG, Moeller H (1992) Body composition: Vergleich von Impedanz-, Infrarot- und Caliper-Messung mit der D2O-Methode bei normalgewichtigen und adipösen Erwachsenen (abstract). 88. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde, September 1992, Hamburg. Monatsschr Kinderheilkd 140: 583 Fusch C, Spirig N, Moeller H (1993a) Fourier transform infrared spectroscopy (FT-IR) measures 1H/2H ratios of native water samples with a precision comparable to that of isotope ratio mass spectrometry (IRMS). European Journal of Clinical Chemistry and Clinical Biochemistry, 31: 639–644 Fusch C, Scharrer B, Hungerland E, Moeller H (1993b) Total body water, lean mass and fat mass of healthy children. Isotopenprax – Isotopes Environment Health Stud 29: 125– 131 Fusch C, Jensen E, Horber F (1994) A 4-compartment model of body composition: combining deuterium dilution (D2O) with dual-energy X-ray absorption (DXA). European Society for Pediatric Research, Pediatric Week, Rotterdam, July 1994. Pediatr Res 36: 14A Fusch C, Slotboom J, Fuehrer U et al. (1999) Neonatal body composition: dual-energy X-ray absorptiometry, magnetic resonance imaging and three-dimensional chemical shift imaging vs. chemical analysis in piglets. Pediatr Res 46: 465–473 Jacob RA, Aiello GM, Stephensen CB, Blumberg JB, Milbury PE, Wallock LM, Ames BN (2003) Moderate antioxidant supplementation has no effect on biomarkers of oxidant damage in healthy men with low fruit and vegetable intakes. J Nutr 133: 740–743 Johnston JL, Leong MS, Checkland EG, Zuberbahler PC, Conger PR, Quinney HA (1988) Body fat assessed from body density and estimated from skinfold thickness in normal children and children with cystic fibrosis. Am J Clin Nutr 48: 1362–1366 Kritzler K, Schöch G, Topp H (1998) Expiration of ethane in rats under variously elevated inspiratory O2-concentrations. Arch Toxicol 72: 244–246 Kromeyer-Hauschild K, Wabitsch M, Kunze D et al. (2001) Perzentile für den Body-Mass-Index für Kinder im Alter von 0 bis 18 Jahren. Monatsschr Kinderheilkd 149: 807–818 Lazarus R, Baur L, Webb K, Blyth F (1996) Body mass index in screening for adiposity in children and adolescents: systematic evaluation using receiver operating characteristic curves. Am J Clin Nutr 63: 500–506 Lubec G, Widness JA, Hayde M, Menzel D, Pollak A (1997) Hydroxyl radical generation in oxygen-treated infants. Pedriatics 100: 700–704 Mitchell AD, Scholz AM, Convay JM (1998a) Body composition analysis of small pigs by dual energy x-ray absorptiometry. J Anim Sci 76:2392–2398 Mitchell AD, Scholz AM, Convay JM (1998b) Body composition analysis of pigs from 5 to 97 kg by dual energy X-ray absorptiometry. Appl Radiat Isot 49: 521–523
450
12
Kapitel 12 · Erweiterte Methoden zur Beurteilung des Ernährungsstatus
Mitchell AD, Scholz AM, Pursel VG (2000) Dual energy X-ray absorptiometry measurements of the body composition of pigs of 90- to 130-kilograms body weight. Ann N Y Acad Sci 904: 85–93 Pietrobelli A, Faith MS, Allison DB, Gallagher D, Chiumello G, Heymsfield SB (1998) Body mass index as a measure of adiposity among children and adolescents: a validation study. J Pediatr 132: 204–210 Reilly JJ, Wilson J, Durnin JV (1995) Determination of body composition from skinfold thickness: a validation study. Arch Dis Child 73: 305–310 Roberts LJ, Morrow JD (2000) Measurement of F(2)-isoprostanes as an index of oxidative stress in vivo (review). Free Radic Biol Med 28: 505–513 Rolland-Cachera MF, Cole TJ, Sempe M, Tichet J, Rossignol C, Charraud A (1991) Body Mass Index variations: centiles from birth to 87 years. Eur J Clin Nutr 45: 13–21 Schmelzle HR, Fusch C (2002) Validation of neonatal skinfold thickness using dual-energy x-ray absorptiometry. Am J Clin Nutr 76: 1096–1100 Siri I (1961) Body composition from fluid spaces and density: analysis and methods. In: Brozek J, Henschel A (eds) Techniques for measuring body composition. National Academy of Sciences. Washington, DC, pp 223–234 Slaughter MH, Lohman TG, Boileau RA et al. (1988) Skinfold equations for estimation of body fatness in children and youth. Hum Biol 60: 709–723 Topp H, Armbrust S, Lengger C et al. (2002) Renal excretion of 8-oxo-7,8-dihydro-2‘-deoxyguanosine, degradation rates of RNA and metabolic rate in humans. Arch Biochem Biophys 402: 31–37 Topp H, Unverzagt S, Rudloff S, Schöch G, Manz F, Fusch C (2003) Diurnal variation in the renal excretion of modified RNA catabolites in humans. Clin Sci 105: 195–202 Wabitsch M, Braun U, Heinze E, Muche R, Mayer H, Teller W, Fusch C (1996) Body composition in 5–18 year old obese children and adolescents before and after weight reduction assessed by deuterium dilution and bioelectrical impedance measurement. Am J Clin Nutr 64: 1–6 Wiedenhöft A, Schröder C, Schmelzle HJ, Armbrust S, Fusch C (1999) Body mass index (BMI) vs. %Körperfett mittels Dual-Energy X-ray Absorptiometrie (DXA) bei chronisch kranken Kindern (abstract). 95. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde, München, September 1999. Monatsschr Kinderheilkd 147 [Suppl 2]: 50 Wuehl E, Fusch C, Schärer K, Mehls O, Schäfer F (1996) Assessment of total body water in paediatric patients on dialysis. Nephrol Dial Transplant 11: 75–80
13 Materialien zur Ernährungstherapie P. Thul
13.1
Intravenöser Zugang (peripher und zentral) – 452
13.2
Ernährungssonden – 455 Literatur
– 457
452
Kapitel 13 · Materialien zur Ernährungstherapie
Die Wahl eines geeigneten Zugangs zum Gefäßsystem oder zum Magen-DarmTrakt erspart dem kranken Kind Leid, wenn es gelingt mit einer einzigen Punktion das gewünschte Ziel zu erreichen. Die Entscheidung für ein bestimmtes Kathetersystem darf sich nicht nur an den aktuellen Bedürfnissen orientieren; sie muss sich nach längerfristigen Zielen richten. Ist eine langfristige Therapie, z. B. eine heimparenterale Ernährung oder eine Chemotherapie, erforderlich, sollte ein dauerhafter Zugang, z. B. ein BroviacKatheter, implantiert werden. Dies erleichtert die Pflege und erspart dem Kind immer wieder auftretende Schmerzen bei der Punktion einer Vene oder eines Portsystems. Ähnlich ist die Situation beim Zugang zum Magen-Darm-Trakt. Wird das Kind in einer anderen Einrichtung weiterversorgt, sind die Erfahrungen dieser Institution bei den in Betracht kommenden Sondensystemen mitzuberücksichtigen.
13.1
13
Intravenöser Zugang (peripher und zentral)
Der Zugang richtet sich nach der geplanten Dauer und der Art der Infusionstherapie. Bei einer kurzfristigen Dauer wird man eher einen peripheren Zugang wählen; die Nutzung dieses Weges ist jedoch durch die Osmolalität der Infusionslösungen eingeschränkt. Bei einer Osmolalität über 800 mosmol/kg und langfristiger Infusion wird man einen zentralen Zugang wählen.
Kathetermaterial Zur Katheterisierung der Nabelschnur werden ein- und zweilumige Katheter aus Polyurethan mit einem Durchmesser von 2,5–8 F angeboten. Für die parenterale Ernährung und Langzeittherapie mit intravenös zu applizierenden Medikamenten werden Katheter mit einem Außendurchmesser von 0,3 mm (1 F) und Längen von 8–50 cm offeriert (Premicath). Für Neugeborene über 1.000 g KG sind unter Umständen Flussraten erforderlich, die von diesen Kathetern nicht erreicht werden. Für Neugeborene über 1 kg KG stehen Katheter aus Silikon bzw. Polyurethan mit einem Außendurchmesser von 0,6 mm mit Flussraten von 4–8 ml/ min zur Verfügung (Epicutaneo-Cava-Katheter).
453 13.1 · Intravenöser Zugang (peripher und zentral)
13
Im Bereich der Neonatologie werden periphere Venenverweilkatheter aus Polyurethan mit einem Durchmesser von 0,6 mm (2 F) und einer Länge von 15 cm bzw. 30 cm angeboten (Nutriline Vygon). Zur parenteralen Ernährung und Langzeittherapie ist ein ähnlicher Katheter aus Silikon erhältlich, der bei gleichem Durchmesser eine mehr als doppelt so hohe Durchflussrate hat (Epicutaneo Vygon). Diese Katheter für neonatale Patienten können elegant über eine periphere Venenverweilkanüle (gelb/24 G) von peripheren Venen in zentrale Position vorgeschoben werden. Wird ein peripherer Zugang bei Kindern, älter als ein Jahr, erforderlich, kann dies mit einem 3-F-Polyurethan-Katheter erfolgen, der durch eine spaltbare Stahl- oder Kunststoffkanüle eingeführt wird. Zur simultanen Verabreichung von nichtkompatiblen Medikamenten oder von Lösungen mit unterschiedlichen Durchflussraten stehen zwei- bzw. dreilumige Katheter zur Verfügung. In den letzten Jahren sind Katheter auf den Markt gebracht worden, deren Wand antimikrobiell beschichtet oder z. B. mit Silber dotiert ist, das langsam freigesetzt wird. Das gesamte Schlauchsystem soll vor Bakterienkolonisation geschützt werden (Olimpicc). Mit solchen Kathetern konnten geringfügig längere Verweildauern im Vergleich zu unbehandelten Kathetern erreicht werden.
Kathetersysteme Ist eine langfristige Infusionstherapie erforderlich, stehen prinzipiell 2 verschiedene Kathetersysteme zur Verfügung. Es sind Katheter mit einem externen Segment und einem subkutanen Tunnel bis zum Gefäßeintritt (System Broviac, Groshong, Hickman) sowie das vollkommen subkutan liegende Portsystem. Broviac-Katheter. Je jünger das Kind ist, desto eher wird man sich für ein getunneltes System entscheiden. Der Broviac-Katheter aus Silikon ist mit einer Dacron-Manschette, die kurz vor dem Eintritt in das Gefäßsystem positioniert wird, armiert. Die Dacron-Manschette dient der Verhinderung von aufsteigenden Infektionen und der festen Fixierung des Kathetersystems mit dem Unterhautgewebe. Über einen einige Zentimeter langen subkutanen Tunnel führt der Katheter zur Hautoberfläche. Das externe Segment mit Katheterkonus ist ausreichend lang, um eine einfache Handhabung für die pflegende Person zu gewährleisten.
454
Kapitel 13 · Materialien zur Ernährungstherapie
Hickman-Katheter. Das Kathetersystem nach Hickman hat 2 Dacron-Man-
schetten, deren Abstand konstruktionsbedingt fest vorgegeben ist; die Lage des Kathetersystems im Unterhautgewebe ist somit von vornherein festgelegt. Das System ist in Deutschland nicht auf dem Markt. Groshong-Katheter. Der Katheter nach Groshong gleicht dem Broviac-System. Die Katheterspitze ist abgerundet. Kurz vor der Spitze ist ein Ventil konstruiert, das im Ruhezustand geschlossen ist, jedoch bei Druck oder Sog öffnet. Da das Kathetersystem am proximalen Ende nicht gekürzt werden kann, ist der Abstand zwischen Katheterspitze und Dacron-Manschette für den in Europa üblichen Gebrauch zu lang. Es wird nur in wenigen Einrichtungen in Europa verwendet. Der Broviac-Katheter, z. B. Lifecath (Fa. Vygon) steht mit Außendurchmessern von 1 mm, 1,4 mm, 1,7 mm und 2,2 mm zur Verfügung. Quinton bietet einen Katheter mit einem Außendurchmesser von 1,3 mm an. Für spezielle Zwecke scheint das Füllvolumen von Bedeutung zu sein. Beim vorgenannten Katheter beträgt das Füllvolumen/cm Katheterlänge 0,0047 ml. Die von den Herstellern angegebenen Durchflussraten beziehen sich stets auf den gesamten Katheter, der mit intravasalen Längen von ca. 50 cm geliefert wird. Durch das Kürzen des sog. Segmentes auf eine übliche Länge, beim Kind deutlich weniger als 20 cm, ergeben sich weit höhere Durchflussraten als die deklarierten.
13
Portsystem. Das vollständig subkutan versenkte Portsystem bietet auf den ersten Blick scheinbare Vorteile, die sich jedoch in der Klinik nicht verwirklichen. Ein Nachteil des Portsystems ist, dass zu jeder Benutzung die Haut mit einer speziellen Nadel durchstochen werden muss. Die Punktionen sind für das Kind schmerzhaft. Die Konnexion des Portsystems mit einer Infusionsleitung ist wesentlich unsicherer als die eines Broviac-Systems. Bei dauerhafter Benutzung bietet das Portsystem entgegen der häufig geäußerten Meinung keinen kosmetischen Vorteil. Aus psychologischen Gründen kann sich bei Schulkindern ein Vorteil ergeben, wenn das System, z. B. beim Sport, nicht sichtbar ist. Wird die Nadel mit anhängendem ca. 15 cm langem Schlauch nicht bei jedem Anschluss gewechselt, was aus Gründen der Schmerzzuführung und der hohen Kosten in der Regel der Fall sein wird, ist der externe Teil des Katheters deutlicher sichtbarer als beim Broviac-Katheter.
455 13.2 · Ernährungssonden
13
Gravierender als die kosmetischen Nachteile sind die weit höheren Infektionsraten des Portsystems im Vergleich zum Broviac-System. Im Erwachsenenbereich liegen multizentrische Untersuchungen aus Europa vor, die eine eindeutige Überlegenheit des Broviac-Systems zeigen. Infizierte getunnelte Systeme sind in der Regel sanierbar, während infizierte Portsysteme selten erhalten werden können. Erfahrungen aus dem onkologischen Bereich bei Erwachsenen können nicht auf die Situation bei Kindern, die heimparenteral ernährt werden, übertragen werden. Die Portsysteme unterscheiden sich im Wesentlichen durch die Größe und das Material des Portgehäuses. Bei korrekter Handhabung ist die Form der Portkammer ohne Bedeutung. Die dazugehörigen Kathetersysteme haben Außendurchmesser zwischen 1,3 mm und 2,2 mm und einen Innendurchmesser von 0,8 mm bzw. 1,1 mm. Portsysteme mit einem Durchmesser von 20 mm und einer Höhe von 8 mm eignen sich besonders für Kinder oder die periphere Platzierung. Das Modell Micro-Sitimplant wiegt lediglich 3 g und ist bei einem Portgehäuse aus Titan nicht störend bei Magnetresonanz- und Computertomographieuntersuchungen. Zur Punktion der Portsysteme sind spezielle Nadeln mit einem sog. Huber-Schliff erforderlich, die eine Punktion des Portseptums ohne Ausstanzung ermöglichen. Gerade oder 90° abgewinkelte Nadeln von 0,7- bis 0,9mm-Durchmesser stehen zur Verfügung, ebenso Nadeln mit angeschweißtem Polyurethanschlauch zur längerfristigen Infusionstherapie. Die Implantation von Portsystemen erfolgt über das Freilegen einer Vene und Einführen des Portkatheters bzw. durch blinde Punktion bevorzugt der V. subclavia und Einführung eines Seldinger-Drahtes mit nachfolgender Dilatation des Eintritts in die Vene und Vorschieben des Katheters durch ein »Pull-apart-« oder »Break-away-Besteck«.
13.2
Ernährungssonden
Die Zugangswege für die enterale Ernährung des Kindes sind prinzipiell die Gleichen wie beim Erwachsenen. Die Wahl des enteralen Zugangs richtet sich nach der zu applizierenden Sondennahrung und der mutmaßlichen Dauer der Zufuhr ( Abschn. 6.4). Sonden für eine enterale Ernährung sind aus Polyurethan oder Silikon gefertigt. Sonden aus Polyvinylchlorid enthalten Weichmacher, der aus der
456
Kapitel 13 · Materialien zur Ernährungstherapie
Sonde diffundiert; dies hat eine Verhärtung der Sonden und Drucknekrosen zur Folge. Diese Sonden sollten bei Kindern nicht verwandt werden. Sie sind lediglich kuzzeitig als Magenablaufsonden geeignet.
Nasogastrale Sonden Ist eine kurzzeitige Ernährung über eine Sonde erforderlich, ist eine nasogastrale Sonde indiziert. Voraussetzung ist eine geordnete Magenentleerung. Die Nährstoffapplikation kann physiologischerweise als Bolus erfolgen. Bei kontinuierlicher Zufuhr wird das Risiko einer Aspiration minimiert. Nasogastrale Sonden werden typischerweise blind vorgeschoben. Je dünner die Sonde ist, um so wahrscheinlicher ist die Fehllage. Bei Armierung der Sonde mit einem Draht ist das Risiko einer Fehlplatzierung erhöht. Vor jeder Applikation von Sondennahrung ist die korrekte Lage zu überprüfen, z. B. durch Insufflation von Luft und Auskultation oder/und Aspiration von Magensaft und pH-Wert-Bestimmung. Im Einzelfall ist eine radiologische Dokumentation erforderlich.
Nasojejunale Sonden
13
Bei kritisch kranken Patienten ist eine jejunale Nährstoffzufuhr einer gastralen Applikation vorzuziehen, da Magenentleerungsstörungen häufig sind und das Aspirationsrisiko geringer ist. Nasojejunale Sonden lassen sich selten durch blindes Vorschieben platzieren. Die Platzierung erfolgt durch spontane Migration; nach einem Tag ist bei 86% der Patienten eine Passage des Pylorus zu erwarten. Die Beschwerung der Sondenspitze mit einem Wolframgewicht oder die Armierung mit einem Zugballon erbringt keine wesentlich besseren Ergebnisse. Alternative Methoden zur spontanen Migration sind die endoskopische Platzierung und die Positionierung unter Durchleuchtung. Beide Verfahren erscheinen jedoch beim Kind nicht indiziert. Die Führung der Sonde, an deren Spitze sich ein Magnet befindet, durch einen äußeren Magneten, hat sich nicht durchgesetzt. Die Gabe von Prokinetika kann eine Passage über den Pylorus erleichtern. Jejunale Sonden lassen sich mit dem Endoskop bis in den Dünndarm vorschleppen. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Platzierung der Sonde über einen endoskopisch in den Dünndarm vorgebrachten Seldinger-Draht, der jedoch von oral nach nasal gewendet werden muss. Vorteilhaft sind Sonden, deren Spitze offen ist. Bei Fehllage, jedoch noch im Darmtrakt, kann die Sonde leicht über einen eingelegten Seldinger-Draht ausgetauscht werden.
457 Literatur
13
Nasojejunale Sonden sind für eine Bolusgabe nicht geeignet. Hier ist die kontinuierliche pumpengesteuerte Zufuhr erforderlich.
Gastrostomie Soll eine Ernährung über einen Zeitraum von mehr als 3 Wochen durchgeführt werden, ist eine perkutane Applikation zu erwägen. In Betracht kommen endoskopische Verfahren und die perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) im Rahmen einer Laparotomie. Ist eine langfristige Sondenernährung evtl. über Jahre erforderlich, ist die perkutane Gastrostomie das Verfahren der Wahl. Vorteile der perkutanen Gastrostomie sind die geringe Komplikationsrate, leichte Handhabung und der kosmetische Vorteil gegenüber einer für die Umgebung sichtbaren Sonde. Zur perkutanen endoskopisch kontrollierten Gastrostomie stehen prinzipiell 3 Methoden zur Verfügung: ▬ Fadendurchzugsmethode (Pull-Technik), ▬ Direktpunktion (Introducer-Technik), ▬ Durchschubverfahren (Push-Technik). Die Kathetersysteme sind vielfältig, mit geringen Variationen von Hersteller zu Hersteller. Der Trend geht zu großlumigeren Sonden, obwohl bei kleinlumigen Sonden die Komplikationsrate niedriger war. Bei normaler Pflege tritt selbst bei 9-Charr starken Sonden keine Okklusion auf. Großlumige Sonden werden in anderen Ländern genutzt, um pürierte Speisen einzugeben. Dieses Vorgehen ist in Deutschland aus hygienischen Gründen und auch aus Kostengründen unbedeutend. > Keiner Implantationstechnik ist ein klarer Vorzug zu geben; die Entscheidung ist individuell.
Literatur Bozzetti F, Mariani L, Bertinet DB et al. (2002) Central venous catheter complications in 447 patients on home parenteral nutrition: an analysis of over 100.000 catheter days. Clin Nutr 21: 475–485
14 Ethische und rechtliche Aspekte A. Dörries
14.1
Ethische Aspekte
14.2
Rechtliche Aspekte Literatur
– 467
– 460 – 463
460
Kapitel 14 · Ethische und rechtliche Aspekte
Kinder stehen unter einem besonderen Schutz, den Eltern, Ärzte und auch der Staat gewährleisten müssen. Die Sorge um das Kindeswohl (»best interest standard«) ist handlungsleitendes Prinzip bei medizinischen Behandlungen. Neben der Beachtung des Kindeswohls wird heutzutage verstärkt der Kindeswille berücksichtigt. Jede ärztliche Maßnahme bedarf der Aufklärung und Zustimmung des einwilligungsfähigen Patienten oder seines Sorgeberechtigten (Eltern, Betreuer). Die Beachtung des Kindeswohls (aber auch des Willens einwilligungsfähiger Kinder) kann es notwendig erscheinen lassen, eine Therapie aufgrund der Aussichtslosigkeit oder sehr großer Belastungen für das Kind nicht weiterzuführen. Ethisch und rechtlich umstritten ist bisher, ob die langfristige Ernährung durch eine Magensonde als Basisversorgung eines Patienten zu bewerten ist oder ob sie eine therapeutische Maßnahme darstellt, die unter bestimmten Bedingungen eingestellt werden darf. Bei einer Änderung des Therapieziels von der kurativen zur palliativen Versorgung eines Kindes sind in jedem Fall eine adäquate Schmerztherapie, gute Pflege sowie soziale, emotionale und kulturell sensible Unterstützung von Kind und Familie zu gewährleisten.
14.1
Ethische Aspekte
Kindeswohl
14
Das Kindeswohl basiert auf dem tradierten Prinzip der Fürsorge für schutzbedürftige Minderjährige (»best interest standard«). Kinder stehen unter einem besonderen Schutz, den Eltern, Ärzte und auch der Staat beachten und gewährleisten müssen. Die Sorge um das Kindeswohl ist handlungsleitendes Prinzip bei medizinischen Behandlungen. In die Abwägung des Kindeswohls fließen in der konkreten klinischen Situation medizinisch-physiologische Befunde des Kindes und langfristige Folgen der Entscheidungen für das Kind ein. Aber auch familiäre Belange und gesellschaftliche Aspekte spielen eine Rolle. Das Kindeswohl ist individuell für eine konkrete Situation zu bestimmen und kann sich im Laufe einer Behandlung ändern. Die Interessen und Belastungen anderer Personen (Eltern, Geschwister, Gesellschaft) sind einzubeziehen, stehen aber hinter dem Kindeswohl zurück. Ökonomische Aspekte
461 14.1 · Ethische Aspekte
14
dürfen in individuellen Entscheidungsprozessen keine Rolle spielen. Bei der Bestimmung des Kindeswohls wirken üblicherweise Eltern, Arzt und ggf. weitere Mitglieder des Behandlungsteams zusammen. Bei einem komplexen Entscheidungsverfahren oder bei Dissens kann – falls vorhanden – ein klinischer Ethikberater bzw. ein klinisches Ethikkomitee hinzugezogen werden.
Kindeswille Neben der Beachtung des Kindeswohls findet heutzutage verstärkt die selbstbestimmte Entscheidung von Kindern und Jugendlichen, der Kindeswille, Berücksichtigung. In der klinischen Praxis hat sich bewährt, Kinder jeden Alters in angemessenem und entwicklungsmäßig gerechtem Umfang zu informieren und ihre Ablehnung einer medizinischen Maßnahme ernst zu nehmen. Grundsätzlich gilt: Je notwendiger die Behandlung, desto eher können kindliche Bedenken übergangen werden; je mehr es sich um einen elektiven Eingriff handelt, desto wichtiger ist die kindliche Beteiligung. An den jeweiligen Extremen kann die Entscheidung einerseits dem (einwilligungsfähigen) Jugendlichen überlassen werden oder andererseits vollständig bei den Eltern liegen. Im ersten Fall sind die Schweigepflicht des Arztes gegenüber dem Jugendlichen und das Informationsinteresse bzw. die Fürsorgepflicht der Eltern sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Im zweiten Fall ist sicherzustellen, dass das Wohl des Kindes im Mittelpunkt steht. Dazwischen gibt es verschiedene Grade der Einbeziehung des Kindes oder Jugendlichen, die von dessen Verständnis und auch von der Art und Schwere des Eingriffs abhängig sind. Hier bietet sich eine Vielzahl von Gestaltungsspielräumen zwischen Arzt, Kind und Eltern. Stellungnahme zum »informed consent«: American Academy of Pediatrics (1995).
Achtung der Würde eines Patienten Therapiemaßnahmen sind in einem Rahmen vorzunehmen, der die Würde des Kindes respektiert. Dabei ist die Autonomie des Kindes zu achten. Aller Voraussicht nach erfolglose Therapiemaßnahmen (»futile treatment«) sollten nach dem Nichtschadensprinzip sorgfältig bezüglich Nutzen und Schaden überdacht werden (z. B. bei anhaltendem Wachstumsstillstand eines Kindes mit Kurzdarmsyndrom). In den Entscheidungsprozessen sind die gegenwärtige und voraussichtliche intrapersonale Lebensqualität des Kindes (z. B. bei
462
Kapitel 14 · Ethische und rechtliche Aspekte
vollständiger künstlicher Ernährung) und die Prognose nach einer anderen medizinischen Maßnahme (z. B. nach Dünndarmtransplantation) zu berücksichtigen. Für die Diskussion über Behandlungen bei Anorexia nervosa wird auf entsprechende kinderpsychiatrische Fachbücher verwiesen.
Therapiebegrenzung
14
Die Beachtung des Kindeswohls (aber auch die Beachtung des Willens einwilligungsfähiger Kinder) kann es notwendig erscheinen lassen, dass eine Diagnostik oder Therapie aufgrund der Aussichtslosigkeit oder sehr großer Belastungen für das Kind nicht weitergeführt wird. Ethisch ist das Absetzen einer Therapiemaßnahme gleichzusetzen mit der primären Nichtaufnahme einer Therapie, auch wenn dies häufig intuitiv aus Gründen der Kausalität anders beurteilt wird. Ob künstliche Ernährung zur Basisversorgung eines Patienten (und damit nicht absetzbar) oder zur Therapie (und damit ggf. absetzbar) zu rechnen ist, ist ethisch umstritten und sollte individuell nach dem Kindeswohl entschieden werden. Entscheidungen gegen Reanimationsmaßnahmen müssen gemeinsam mit dem Kind (soweit möglich), Eltern und Behandlungsteam getroffen und dokumentiert werden. Bei einer evtl. Änderung des Therapieziels von der kurativen zur palliativen Versorgung eines Kindes sind in jedem Fall eine adäquate Schmerztherapie, gute Pflege sowie soziale, emotionale und kulturell sensible Unterstützung von Kind und Familie zu gewährleisten. Berufsethische Empfehlungen liegen mit den »Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung« der Bundesärztekammer (2004) vor (http://www. bundesaerztekammer.de/). Stellungnahmen pädiatrischer Fachgesellschaften zur Therapiebegrenzung: American Academy of Pediatrics (1994, 2000); Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (1999); Kurz (2001); Royal College of Paediatrics and Child Health (1997).
Arzt-Kind-Eltern-Verhältnis Für die Versorgung des Kindes und einen guten Kontakt zu dessen Eltern sind Verschwiegenheit, Wahrhaftigkeit, Zuverlässigkeit und Erreichbarkeit notwendige vertrauensbildende ärztliche Tugenden. Entscheidungsprozesse sollten gemeinsam mit Eltern und – soweit möglich dem Kind – erfolgen (»shared decision making«). Elterliche Forderungen finden ihre Grenzen
463 14.2 · Rechtliche Aspekte
14
durch rechtliche Vorgaben und berufsethische Standards; u. a. wenn Ärzte zu Maßnahmen gezwungen werden sollen, die ihrem beruflichen Selbstverständnis zuwiderlaufen.
Qualitätssicherung Krankenhäuser und ihre Mitarbeiter sind ethisch und rechtlich zur Qualitätssicherung bei der Patientenversorgung verpflichtet. (Spezielle rechtliche Vorgaben zum Qualitätsmanagement für die Ernährung von Kindern liegen derzeit nicht vor.) Krankenhäuser können folgend der Innocenti-Deklaration von WHO/ UNICEF (1990) unter bestimmten personellen, räumlichen, sozialen und psychologischen Voraussetzungen den Titel »stillfreundliches Krankenhaus« erwerben. Die Nationale Stillkommission am Bundesinstitut für Risikobewertung und -kommunikation gibt regelmäßig Empfehlungen zum Stillen und zur Stillförderung heraus (http://www.bfr.bund.de/). Eine angemessene und altersentsprechende Ernährung der kindlichen Patienten während des stationären Aufenthalts sollte gewährleistet sein. Für die Ernährungsberatung adipöser Kinder und entsprechende Schulungsprogramme aktuelle Literatur. Für industriell hergestellte Säuglingsnahrung (Flaschennahrung, Beikost) gilt aufgrund des besonderen Schutzbedürfnisses des Säuglings nach dem Nichtschadensprinzip eine spezielle Sorgfaltspflicht. Für Empfehlungen und Stellungnahmen zur Ernährung Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (http:// www.dgkj.de/), Forschungsinstitut für Ernährung (http://www.fke-do.de/) und European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition, Committee on Nutrition (ESPGHAN; http://www.meb.uni-bonn.de/esphan).
14.2
Rechtliche Aspekte
Lebensmittel Nahrungsmittel unterliegen dem Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG; http://www.bundesrecht.juris.de/). Lebensmittel sind Stoffe, die in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt werden. Kennzeichnend ist die Magenpassage. Zum Gesundheitsschutz werden an Lebensmittel besondere Anforderungen bezüg-
464
14
Kapitel 14 · Ethische und rechtliche Aspekte
lich Gewinnung, Herstellung, Zubereitung, Vertrieb und Inverkehrbringen gestellt. Lebensmittel müssen nicht zugelassen werden, werden aber durch die zuständigen Landesbehörden überwacht und an das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) übermittelt. Die Kosten für Lebensmittel werden – außer bei bestimmten medizinischen Indikationen – nicht durch die gesetzliche Krankenkasse übernommen. Diätetische Lebensmittel entsprechen besonderen Ernährungserfordernissen bestimmter Personengruppen (z. B. Säuglinge, Patienten mit Stoffwechselstörungen) und unterscheiden sich für den angegebenen Zweck deutlich von allgemeinen Lebensmitteln (Diätverordnung, DiätV, http://www. bundesrecht.juris.de/). Bestimmte diätetische Lebensmittel unterliegen der Anzeigepflicht beim Bundesamt für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Säuglingsnahrungen (industriell hergestellte Flaschennahrung und Beikost) sind diätetische Lebensmittel, für die besondere gesetzliche Regeln für Zusammensetzung, Zusatzstoffe, bakteriologische Anforderungen und Schadstoffgrenzwerte bestehen (§ 14 Diät V). Es gilt zusätzlich das Säuglingsnahrungswerbegesetz (SNG). Vollständige und ergänzende bilanzierte Diäten (z. B. Sondennahrung, Säuglingsspezialnahrung, Nahrung bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen) sind diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke. Sie müssen beim Bundesinstitut für Risikobewertung und -kommunikation unter Angabe der Erkrankungsindikation angezeigt werden und dürfen nur unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden (Diätverordnung, http://www. bundesrecht.juris.de/; auch http://www.dgkj.de/Stellungnahmen). Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel, die einen oder mehrere Nährstoffe in konzentrierter Form (Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente) enthalten und eine lebensmitteluntypische Form (z. B. Kapseln) aufweisen. Wenn sie einem bestimmten diätetischen Zweck dienen, gilt neben dem LMBG die Diätverordnung mit Anzeigepflicht. Die Kosten von Vitaminpräparaten werden nicht durch die gesetzliche Krankenversicherung übernommen. Derzeitige Ausnahmen lt. ArzneimittelRichtlinien (AMR; http://www.g-ba.de/) sind die Gabe von Vitaminen bei therapeutisch verursachtem Mehrbedarf, irreversiblem Malassimilationssyndrom, bei parenteraler Ernährung und Sondenernährung sowie bei länger andauernder Infusionstherapie.
465 14.2 · Rechtliche Aspekte
14
Sondennahrung, Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate und Elementardiäten sind nach den Arzneimittel-Richtlinien (AMR; http://www. g-ba.de/) bei bestimmten Erkrankungen medizinisch indiziert und werden von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. Die Abgrenzung zwischen Arznei- und Lebensmitteln kann im Einzelfall rechtlich strittig sein. Für die langfristige Heimernährung wird auf entsprechende Fachbücher bzw. Stellungnahmen der Fachgesellschaften verwiesen. Für europäische Institutionen und Richtlinien Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft bzw. European Food Safety Authority (EFSA; http://www. efsa.eu.int/). Für internationale Vereinbarungen Codex-Alimentarius-Kommission (CAC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Welternährungsorganisation (FAO; http://www.bfr.bund.de/ oder http://www.codexalimentarius.net).
Arzneimittel Arzneimittel unterliegen dem Arzneimittelgesetz (AMG; http://www.bundesrecht.juris.de/). Das Arzneimittelrecht richtet sich nach EU-Richtlinien. Arzneimittel werden in Deutschland i. Allg. vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen. Im Sozialgesetzbuch (§ 31 SGB V) ist die Arzneimittelversorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung geregelt. Gesundheitsreformgesetze regeln die jeweiligen Änderungen. Ausführungsbestimmungen legt der gemeinsame Bundesausschuss fest (http://www.g-ba.de/); die Genehmigung erfolgt durch das Bundesministerium für Gesundheit. Infusionen sind Arzneimittel. Die Anordung und ordnungsgemäße Durchführung von Infusionen sowie die Auswahl und Überwachung von Hilfskräften gehören zum Verantwortungsbereich des Arztes (Stellungnahme der Bundesärztekammer vom 16.2.1974). Die Ausführung kann nach sorgfältiger Prüfung auf ausreichend ausgebildete Pflegekräfte übertragen werden. Die Durchführungsverantwortung trägt dann das Pflegepersonal. Die Leitung des Krankenhauses haftet für mangelhafte Organisation. Für aktualisierte Empfehlungen Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut (http://www.rki.de/).
Medizinprodukte Medizinprodukte sind Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Stoffe und Zubereitungen aus anderen Stoffen oder andere Gegenstände, die beim
466
Kapitel 14 · Ethische und rechtliche Aspekte
Menschen u. a. zur Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten und der Ersetzung oder Veränderung eines physiologischen Vorgangs bestimmt sind [z. B. Infusionssysteme, perkutane endoskopische Gastrostomie- (PEG-)Sonden]. Sie unterliegen dem Medizinproduktegesetz (MPG; http://www.bundesrecht.juris.de/). Siehe auch Stellungnahme der Ernährungskommission der DGKJ vom 17.4.2002 zu Infusionssystemen (http://www.dgkj.de/Stellungnahmen).
Aufklärung und Einwilligung (»informed consent«)
14
Jede ärztliche Maßnahme bedarf der Aufklärung und Zustimmung des einwilligungsfähigen Patienten oder seines Sorgeberechtigten (Eltern, Betreuer). Grundlage dafür sind der Heilauftrag des Arztes und das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Grundsätzlich sind beide Elternteile sorgeberechtigt; ein Elternteil kann aber den anderen zu Entscheidungen ermächtigen. Ausnahme sind besonders eingreifende und schwer wiegende Eingriffe. Ein Missbrauch des Sorgerechts liegt bei einer Gefährdung des Kindeswohls vor und erfordert die Einbeziehung des Vormundschaftsgerichts. Nach geltender deutscher Rechtsprechung sollen Jugendliche an sie betreffende Entscheidungen beteiligt werden; hierbei ersetzt mit zunehmender Reife des Jugendlichen das Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen allmählich das elterliche Personensorgerecht. Rechtlich entscheidendes Kriterium für eine selbstbestimmte Entscheidung eines Minderjährigen bei medizinischen Maßnahmen ist die Feststellung der Einwilligungsfähigkeit, d. h. der Urteils- und Einsichtsfähigkeit. Obwohl es primär um die Anerkennung von individuell gewachsener Selbstständigkeit und Selbstbestimmung geht, wird in der Regel eine Altersgrenze bei 14 Jahren, sicher aber bei 16 Jahren, angesetzt. Es besteht in Deutschland ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit bezüglich der Einwilligungsfähigkeit Jugendlicher, das in der Praxis sowohl die Behandlung Jugendlicher ohne Wissen der Eltern als auch das Haftungsrisiko des Arztes betrifft. Es ist zwischen Einwilligung und Zustimmung zu unterscheiden. Liegt Einwilligungsfähigkeit vor, kann der Jugendliche in der Regel selbstverantwortlich über bestimmte medizinische Maßnahmen entscheiden; dem Arzt obliegen aber weit reichende Aufklärungspflichten. Liegt keine Einwilligungsfähigkeit vor, ist die Entscheidung der Eltern ausschlaggebend, aber die Zustimmung (»assent«) oder das Veto des Kindes oder Jugendlichen sind zu berücksichtigen. Chronisch-kranke Kinder können i. Allg. auch altersunab-
467 Literatur
14
hängig stärker in Entscheidungen einbezogen werden, da sie meistens sehr gut über ihre Erkrankungen informiert sind, ihre körperlichen und psychischen Reaktionen kennen und ohne ihre Mitwirkung eine aussichtsreiche Therapie nicht möglich ist. Die Feststellung der Einwilligungsfähigkeit bei medizinischen Entscheidungen erfolgt i. Allg. durch den behandelnden Arzt. Wichtige Kriterien sind dabei in Deutschland das Verständnis von Wesen, Bedeutung und Tragweite der Maßnahme durch den Jugendlichen. Der Arzt hat in jedem Einzelfall die Einsichtsfähigkeit des Kindes in die beabsichtigte konkrete Maßnahme, logisches Denkvermögen, Kenntnisse der Konsequenzen der Entscheidung, Fähigkeit zur Entscheidung und Freiwilligkeit zu berücksichtigen.
Therapiebegrenzung Eine Therapiebegrenzung im Sinne einer passiven bzw. indirekten Sterbehilfe ist bei Zustimmung des einwilligungsfähigen Patienten bzw. im Falle des nichteinwilligungsfähigen Kindes seiner Eltern keine »unterlassene Hilfeleistung« (§ 323c StGB). Die Entscheidungsfindung ist sorgfältig zu dokumentieren. In den seltenen Fällen eines unüberbrückbaren Dissenses zwischen Arzt und Patient/Eltern, z. B. bei offensichtlichem Missbrauch des elterlichen Sorgerechts, ist die Einbeziehung eines Vormundschaftsgerichts erforderlich. Aktive Sterbehilfe, d. h. Tötung auf Verlangen, ist verboten (§ 216 StGB), desgleichen ärztlich begleiteter Suizid. Rechtlich umstritten ist bisher, ob die langfristige Ernährung durch eine Magensonde als Basisversorgung eines Patienten zu bewerten ist, oder ob sie eine therapeutische Maßnahme darstellt, die unter bestimmten Bedingungen eingestellt werden dürfte. Deshalb ist auch das Absetzen von Medikamenten, wie z. B. Antibiotika oder Katecholamine, rechtlich nicht ohne weiteres mit dem Absetzen von Sonden- oder parenteraler Ernährung gleichzusetzen.
Literatur American Academy of Pediatrics (1994) Guidelines on forgoing life-sustaining medical treatment. http://www.aap.org/. Cited März 2004 American Academy of Pediatrics (1995) Informed consent, parental permission, and assent in pediatric practice. http://www.aap.org/. Gesehen März 2004 American Academy of Pediatrics (2000) Palliative care for children. http://www.aap.org/. Cited März 2004
468
Kapitel 14 · Ethische und rechtliche Aspekte
British Medical Association (2001) Consent, rights and choices in health care for children and young people. BMJ Books, London Deutsch E (1999) Medizinrecht, 4. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York Bundesärztekammer (2004) Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung. http://www.bundesaerztekammer.de/. Gesehen März 2004 Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (1999) Frühgeburt an der Grenze der Lebensfähigkeit des Kindes. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, AWMF-Reg.-Nr. 024/019 Glover JJ, Caniano DA, Balint J (2001) Ethical challenges in the care of infants with intestinal failure and lifelong total parenteral nutrition. Semin Pediatr Surg 10: 230–236 Kurz R (2001) Decision making in extreme situations involving children: withholding or withdrawal of life supporting treatment in paediatric care. Statement of the ethics working group of the Confederation of the European Specialists of Paediatrics (CESP). Eur J Pediatr 160: 214–216 Nelson LJ, Rushton CH, Cranford RE, Nelson RM, Glover JJ, Truog RD (1995) Forgoing medically provided nutrition and hydration in pediatric patients. J Law Med Ethics 23: 33–46 Royal College of Paediatrics and Child Health (1997) Withholding or withdrawing life saving treatment in children. A framework for practice. http://www.rcpch.ac.uk/. Cited März 2004 Wiesemann C, Dörries A, Wolfslast G, Simon A (Hrsg) (2003) Das Kind als Patient. Ethische Konflikte zwischen Kindeswohl und Kindeswille. Campus, Frankfurt New York
14
15 Programmiert die frühkindliche Ernährung die langfristige Gesundheit und das spätere Adipositasrisiko? B. Koletzko, D. Oberle, A. M. Toschke, R. von Kries
15.1
Frühkindliche metabolische Programmierung des Adipositasrisikos im späteren Lebensalter? – 472
15.2
Ergebnisse epidemiologischer Studien – 473
15.3
Probleme epidemiologischer Studien zu Auswirkungen der Säuglingsernährung auf die spätere Adipositas – 482
15.4
Biologische Plausibilität des postulierten Zusammenhangs zwischen Übergewicht bzw. Adipositas – 484
15.5
Schlussfolgerungen – 485 Literatur
– 487
470
Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
15
Zu kaum einem anderen Zeitpunkt sind Zufuhr und Utilisation der Nahrung von größerer biologischer Bedeutung als während der frühen kindlichen Entwicklung (Koletzko 2004). Während die Nährstoffzufuhr beim Erwachsenen lediglich den Erhaltungsbedarf für die Organfunktionen und den zusätzlichen Bedarf für körperliche Arbeit decken muss, kommt beim Kind der hohe Energie- und Substratbedarf für das Körperwachstum hinzu. Das enorm rasche Wachstum, mit einer Verdopplung des Körpergewichtes reifer Neugeborener in nur 4–5 Monaten nach der Geburt (bei Frühgeborenen sogar in nur ca. 6 Wochen) und auch die rasante Differenzierung der Gewebe und Organe hängen von einer sehr hohen Nährstoffzufuhr pro kg KG ab. Ein junger Säugling benötigt v. a. aufgrund seiner hohen Wachstumsgeschwindigkeit im Vergleich zum Erwachsenen pro kg KG fast die dreifache Energiezufuhr. Eine marginale oder im Verhältnis verschiedener Nährstoffe untereinander unausgewogene Substratzufuhr ist bei einem wachsenden, sich entwickelnden Organismus sehr viel kritischer als bei Erwachsenen in einer Gleichgewichtssituation, zumal Säuglinge nur sehr begrenzte Kompensationsmöglichkeiten haben: Einerseits sind nur geringe körpereigene Nährstoffreserven vorhanden, andererseits besteht eine Unreife verschiedener Stoffwechselwege (z. B. Aminosäurestoffwechsel: Cystein kann im frühen Lebensalter nicht endogen synthetisiert werden und wird zur essenziellen Aminosäure) und physiologischer Homöostasemechanismen (z. B.Nierenfunktion:Die geringe Fähigkeit zur Urinkonzentrierung bei jungen Säuglingen führt zu hoher Anfälligkeit gegen niedrige Wasser- bzw. hohe Salzzufuhr). Entsprechend treten bei gesunden, aber auch bei chronisch kranken Kindern sehr rasch klinisch offensichtliche Auswirkungen einer unausgewogenen Ernährung auf, deutlich erkennbar z. B. durch eine gestörte Gewichts- und Längenzunahme. Die Qualität der Ernährung beeinflusst zudem Wachstum, Differenzierung und Funktionen einzelner Organsysteme, wie z. B. des Nervensystems.
Neben den unmittelbaren und oft direkt erfassbaren Auswirkungen der frühkindlichen Ernährung, wie z. B. der kindlichen Gewichts- und Längenzunahme, erhalten besonders die langfristigen Auswirkungen der frühen Substratzufuhr auf die spätere Gesundheit und Entwicklung in jüngerer Zeit
471 Prägung durch frühkindliche Ernährung
15
große Aufmerksamkeit (Koletzko et al. 2005). Schon in den 1960er- und 1970er-Jahren beobachteten McCance und Widdowson, dass bei verschiedenen Tierspezies eine Unterernährung während begrenzter, sensibler Phasen der prä- und postnatalen Entwicklung einen dauerhaften Effekt auf das Gewicht der Tiere im Erwachsenenalter hat, während eine Phase der Unterernährung nach diesem empfindlichen Zeitfenster ohne Langzeitwirkung blieb (McCance u. Widdowson 1974). Für dieses physiologische Phänomen prägte G. Dörner vom Institut für Experimentelle Endokrinologie der Humboldt-Universität Berlin Mitte der 1970er-Jahre den Begriff der »Prä-Programmierung« aufgrund klinischer und experimenteller Beobachtungen, dass Hormone, Metabolite und der Neurotransmitter in kritischen, empfindlichen Zeitphasen der frühen Entwicklung lebenslange Auswirkungen auf Regulationssysteme und Funktionen des Organismus haben (Dörner 1975). In der Folgezeit wurde diese Hypothese durch zahlreiche experimentelle und epidemiologische Studien gestützt und die Begriffe »Programmierung durch frühkindliche Ernährung« (Lucas 1991) sowie »metabolische Prägung« (Waterland u. Garza 1999) etabliert. Bei Tieren führen kurz dauernde Veränderungen der Nahrungszufuhr im Säuglingsalter bzw. in der Fetalzeit zu programmierenden Effekten auf physiologische Endpunkte im Erwachsenenalter, wie z. B. Blutlipidkonzentrationen, Blutdruck, Diabetesrisiko, Körperfettgehalt und Adipositas, kardiovaskuläre Erkrankungen, Verhalten und Lernfähigkeit sowie Lebensdauer (Waterland u. Garza 1999). Bei Menschen zeigen Observationsstudien Langzeiteffekte der intrauterinen und der postnatalen Nährstoffzufuhr und des frühkindlichen Wachstums auf die spätere Prävalenz der Adipositas (von Kries et al. 1999), Diabetes (Virtanen u. Knip 2003), Bluthochdruck, Hypercholesterinämie, koronare Herzkrankheit und anderer Erkrankungen im Erwachsenenalter (Barker 2004). So zeigten beispielsweise Studien in Großbritannien einen signifkanten Zusammenhang zwischen dem Körpergewicht im Alter von 1 Jahr und der späteren Sterblichkeitsrate an koronarer Herzerkrankung bis zum Alter von 65 Jahren (⊡ Abb. 15.1; Barker 1994).
472
Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
⊡ Abb. 15.1. Beispiel für eine mögliche metabolische Programmierung der Gesundheit im Erwachsenenalter durch die frühkindliche Ernährungsweise: Das Körpergewicht mit 1 Lebensjahr, das von der Säuglingsernährung abhängt, ist ein signifikanter Prädiktor der Sterblichkeitsrate an koronarer Herzerkrankung bis zum Alter von 65 Jahren bei 10.141 in den 1910er- bis 1930er-Jahren in England geborenen Männern. (Nach Daten von Barker 1994)
15.1
15
Frühkindliche metabolische Programmierung des Adipositasrisikos im späteren Lebensalter?
In Deutschland und anderen Industrieländern hat die Prävalenz von Übergewicht bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in den letzten 4 Jahrzehnten sehr stark zugenommen (Koletzko et al. 2002a). Adipositas in der Adoleszenz ist assoziiert mit erhöhten kardiovaskulären Risikofaktoren (Freedman et al. 1999; Dyslipidämie, Glukoseintoleranz, Bluthochdruck), beeinträchtigtem Selbstwertgefühl (French et al. 1995) und negativen sozioökonomischen Auswirkungen im frühen Erwachsenenalter (Gortmaker et al. 1993). Als Folge der raschen Zunahme extremer Adipositasformen wurde auch von einem alarmierenden Anstieg der Fälle von Typ-2-Diabetes bei Jugendlichen berichtet (Pinhas-Hamiel et al. 1996). Das individuelle Adipositasrisiko wird durch die genetische Disposition und durch Lebensstilfaktoren beeinflusst. Entscheidend für die Entwicklung einer Adipositas ist eine chronisch-positive Energiebilanz, d. h. ein Übermaß an Energiezufuhr im Vergleich zum Energieverbrauch. Die steigende Adipositasprävalenz wurde mit
473 15.2 · Ergebnisse epidemiologischer Studien
15
einer verstärkt sitzenden Lebensweise mit geringer körperlicher Aktivität sowie Veränderungen des Essverhaltens in Verbindung gebracht (Kalies et al. 2001; Koletzko et al. 2002a; Fisberg et al. 2004). Die Erfolge der verfügbaren Therapieansätze bei kindlicher Adipositas sind alles andere als zufrieden stellend. Deshalb kommt der Entwicklung von Strategien für eine wirksame Prävention große Bedeutung zu, und die Möglichkeit einer langfristigen Prägung des späteren Adipositasrisikos durch die frühkindliche Ernährungsweise gewinnt zunehmendes Interesse. Tierversuche zeigen, dass die Substratzufuhr in der Postnatalperiode dauerhafte Effekte im späteren Leben haben kann (Metges 2001). In einer 1999 veröffentlichten Querschnittstudie fand unsere Arbeitsgruppe bei in den ersten Lebensmonaten gestillten Kinder ein deutlich geringeres Risiko für das Auftreten von Übergewicht und Adipositas im späteren Schulalter als bei nach der Geburt nichtgestillten Kindern (von Kries et al.1999). Eine Bestätigung eines solchen präventiven Effektes des Stillens wäre von großem Wert, denn eine wirksame Prävention durch Stillen könnte ohne Nachteile und kostengünstig umgesetzt werden. Deshalb soll hier ein Überblick über die Studien gegeben werden, die einen Zusammenhang zwischen Stillen und späterem Übergewicht gefunden haben. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen kritisch beleuchtet und das Potenzial für mögliche Präventionsstrategien abgeschätzt werden.
15.2
Ergebnisse epidemiologischer Studien
Im Jahre 2003 führten wir eine elektronische Literatursuche in der National Library of Medicine, Bethesda, MD, USA (Medline/PubMed) durch, um epidemiologische Studien zum Zusammenhang zwischen der Ernährung im Säuglingsalter und dem späteren Adipositasrisiko zu identifizieren (⊡ Tabelle 15.1; Oberle et al. 2003). Schon im Jahr 1981 wurde im Rahmen einer kleinen Fall-Kontroll-Studie an 12–18 Jahre alten Jugendlichen (639 Fälle/533 Kontrollen) der Zusammenhang zwischen frühkindlicher Ernährung und Adipositas postuliert (Kramer 1981). Die Analyse der Daten zeigte ein signifikant erhöhtes relatives Risiko für Adipositas bei Jugendlichen, die als Baby nicht gestillt wurden. Dabei war das Risiko für Adipositas umso größer, je kürzer die Kinder gestillt worden waren.
15
2.656
2.126
677
32.200
33.768
918
USA
Deutschland
Neuseelanda
Schottland
Tschechische Republik
Deutschlanda
Referenzgruppe: nichtgestillte Kinder a Prospektive Studien
15.341
6
6–14 0,53 (0,31–0,89)
0,80 (0,71–0,90)
–
3
0.66 (0.52–0.87) 0,71 (0,44–1,14)
9–10 3
0,63 (0,41–0,96)
0,78 (0,66–0,91)
3–5
9–14
0,79 (0,68–0,93)
5–6
USA
0,85
12–18
517
9.357
Kanada
b Üergew icht R(9 O 5% -KI)
lAter [a J hre]
tSichprobengröß e (n)
Deutschland
Land
0,46 (0,23–0,92)
0,80 (0,66–0,96)
0,70 (0,61–0,80)
–
–
0,84 (0,62–1,13)
–
0,75 (0,57–0,98)
0,57
d Aipositas
–
Ja, nur Übergewicht
–
Ja
Ja
–
Ja
Ja
Ja
D osis-W irkungsBeziehung
Bergmann et al. 2003
Toschke et al. 2002
Armstrong u. Reilly 2002
Poulton u. Williams 2001
Liese et al. 2001
Hediger et al. 2001
Gillman et al. 2001
Von Kries et al. 1999
Kramer 1981
u Ator/a J hr
⊡ Tabelle 15.1. Für Störfaktoren adjustierte Odd-Ratio (AOR) und 95%-Konfidenzintervalle (KI) für Übergewicht und/oder Adipositas
474 Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
475 15.2 · Ergebnisse epidemiologischer Studien
15
⊡ Abb. 15.2. Prävalenz von Übergewicht und Adipositas bei in Bayern eingeschulten Kindern in Abhängigkeit von der Stilldauer. (Nach von Kries et al. 1999)
Die erste große Studie zum Zusammenhang zwischen Stillen und Übergewichtsrisiko untersuchte die Daten der in Bayern im Jahre 1997 durchgeführten obligatorischen Einschulungsuntersuchungen durch den öffentlichen Gesundheitsdienst (von Kries et al. 1999). Aus den Messwerten von Körpergröße und -gewicht aller 134.577 im Einschulungsjahrgang 1997 untersuchten Kinder wurden die Werte für den Bodymass-Index (BMI) erhoben und die Perzentilverteilung berechnet. Als Kriterium für Übergewicht wurde ein BMI >90. Perzentile, für Adipositas ein BMI >97. Perzentile gewählt. In einer Subgruppe von 13.345 Kindern wurden von den Eltern auf freiwilliger Basis Fragebögen zu frühkindlicher Ernährung, jetzigen Essgewohnheiten und Lebensstilfaktoren ausgefüllt. Die Analyse der Daten wurde auf 9.357 Kinder im Alter von 5 Jahren und 6 Jahren mit deutscher Nationalität beschränkt. Die Ergebnisse zeigten eine Adipositasprävalenz von 4,5% bei Kindern, die niemals gestillt worden waren, aber nur von 2,8% bei zuvor gestillten Kindern. Dabei konnte ein klarer Dosis-Wirkungs-Effekt der Stilldauer auf die Adipositasprävalenz beobachtet werden (⊡ Abb. 15.2). Bei bis zu 2 Monaten gestillten Kindern lag die Adipositasprävalenz bei 3,8%, bei einer Stilldauer von 3–5 Monaten bei 2,3%, bei 6–12 Monaten bei 1,7% und bei mehr als 12 Monaten bei 0,8%. Ein vergleichbarer Dosis-Wirkungs-Effekt fand sich auch für die Prävalenz von Übergewicht (⊡ Abb. 15.2). Der protektive Effekt des Stillens war nicht auf Unterschiede im sozioökonomischen Status oder im Lebensstil
476
Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
⊡ Abb. 15.3. Für Störfaktoren adjustierte Odd-Ratio (AOR) für Übergewicht und Adipositas bei 9.357 in Bayern eingeschulten Kindern in Abhängigkeit von der Stilldauer. (Nach von Kries et al. 1999)
15
zurückzuführen. Auch nach Adjustierung für mögliche Störfaktoren (»confounding«) erwies sich ausschließliches Stillen als unabhängiger protektiver Faktor gegen die Entwicklung von Adipositas (Odd-Ratio 0,75, 95%-KI 0,57– 0,98) und Übergewicht (Odd-Ratio 0,79, 95%-KI 0,68–0,93), wiederum mit einer deutlichen Dosis-Wirkungs-Beziehung (⊡ Abb. 15.3). Aus diesen Ergebnissen ist zu folgern, dass ein mehrmonatiges Stillen in industrialisierten Ländern die Adipositasprävalenz in der Kindheit senken kann. Da adipöse Kinder ein hohes Risiko tragen, auch im Erwachsenenalter ihre Adipositas zu behalten, könnten solche präventiven Maßnahmen zur Reduktion der Prävalenz kardiovaskulärer Erkrankungen und anderer langfristig mit Adipositas assoziierter Störungen beitragen. Die Stärken dieser bayerischen Studie liegen in dem großen Kollektiv untersuchter Kinder (n=9.357) und im Nachweis einer Dosis-Wirkungs-Beziehung, die einen kausalen Zusammenhang plausibel macht. Allerdings wurden die Daten retrospektiv erfasst. Hierbei können immer Unschärfen auftreten, beispielsweise eine unsichere Erinnerung der Mütter an die Stilldauer im ersten Lebensjahr. Auch kann die Möglichkeit einer »umgekehrten Kausalität« (»reverse causality«) nicht sicher ausgeschlossen werden: Man kann nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, dass Kinder mit von vornherein geringerem Adipositasrisiko, z. B. durch niedrigeres Gewicht bei der Geburt, beson-
477 15.2 · Ergebnisse epidemiologischer Studien
15
ders lange gestillt wurden. Dieser Einwand lässt sich nur im Rahmen einer prospektiven Studie ausräumen. Nach der Publikation unserer Daten der bayerischen Kinder ist eine Reihe anderer Arbeitsgruppen der Frage eines möglichen protektiven Effektes des Stillens nachgegangen. In den Vereinigten Staaten untersuchten Gillman et al., welchen Einfluss die Qualität der frühkindlichen Ernährung (Stillen vs. Flaschenmilch) und die Stilldauer auf die Prävalenz von Übergewicht im Jugendalter haben (Gillman et al. 2001). Analysiert wurden Daten von 8.186 Mädchen und 7.155 Jungen im Alter zwischen 9 Jahren und 14 Jahren, die an der »Growing Up Today Study« teilnahmen, einer nationalen Kohortenstudie zu Ernährung, Aktivität und Wachstum bei den Kindern der Teilnehmerinnen der »Nurses’ Health Study«. Im Herbst 1996 wurde jedem der Teilnehmer ein Fragebogen zugeschickt, und im Frühjahr 1997 erhielten die Mütter einen ergänzenden Fragebogen. Hauptzielkriterium dieser Studie war Übergewicht, definiert als BMI >95. Perzentile auf der Basis nationaler, nach Alter und Geschlecht stratifizierter US-Daten. Die Auswertung der Daten zeigte, dass in den ersten 6 Lebensmonaten 9.553 Kinder (62%) ausschließlich oder überwiegend Muttermilch erhielten, nur 4.744 (31%) wurden ausschließlich oder überwiegend mit der Flasche ernährt. Insgesamt 7.186 Kinder (48%) wurden mindestens 7 Monate lang gestillt, während 4.613 (31%) Kinder 3 Monate oder kürzer gestillt wurden. Im Alter von 9–14 Jahren waren 404 Mädchen (5%) und 635 Jungen (9%) übergewichtig. Die Wahrscheinlichkeit für Übergewicht war bei zuvor gestillten Jugendlichen deutlich niedriger als bei zuvor nichtgestillten Adoleszenten: Bei früher gestillten lag die Odd-Ratio für Übergewicht bei 0,78 (95%-KI: 0,66–0,91) nach Adjustierung für Alter, Geschlecht, sexuelle Reife, Energiezufuhr, Fernsehdauer, körperlicher Aktivität, mütterlichem BMI, Sozialstatus und anderen Lebensstilfaktoren. Verglichen mit bis zu 3 Monate lang gestillten Individuen hatten früher 7 Monate und mehr gestillte Jugendliche eine adjustierte Odd-Ratio (AOR) für Übergewicht von 0,80 (95%-KI: 0,67–0,96; ⊡ Abb. 15.4). Der Zeitpunkt der Einführung fester Nahrung, von Formel- oder Kuhmilch war nicht mit einem Risiko für Übergewicht assoziiert. Die Autoren zogen den Schluss, dass Kinder, die Muttermilch erhielten bzw. die über längere Zeit gestillt wurden, ein signifikant geringeres Risiko für Übergewicht in der Adoleszenz hatten. Die Stärken dieser Studie liegen im großen Umfang des Analysekollektivs, der Erhebung und Adjustierung für nahezu alle relevanten Störfaktoren sowie der Untersuchung von Dosis-Wirkungs-Beziehungen. Allerdings sind die Daten der für diese
478
Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
⊡ Abb. 15.4. Für Störfaktoren adjustierte Odd-Ratio (AOR) für Übergewicht bei 15.341 amerikanischen Kindern (9–14 Jahre) in Abhängigkeit von der Stilldauer. (Nach Gillman et al. 2001)
15
Studie rekrutierten Teilnehmer von 2 verschiedenen Kohortenstudien keine prospektiven Daten, sondern unterliegen allen Limitationen der Daten einer Querschnittstudie. Zur Prüfung der gleichen Fragestellung wurden auch Daten zu frühkindlicher Ernährung und Übergewicht von 2.685 in den Vereinigten Staaten geborenen Kindern im Alter zwischen 3 Jahren und 5 Jahren untersucht, die in der dritten National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES III) erhoben wurden, einer Querschnittstudie mit Datenerhebung von 1988–1994 (Hediger et al. 2001). Ein BMI zwischen der 85. Perzentile und der 94. Perzentile wurde als Übergewicht und ein BMI≥ der 95. Perzentile als Adipositas angesehen. Nach Adjustierung für mögliche Störfaktoren zeigte sich auch in dieser Studie ein reduziertes Risiko für Übergewicht bei ehemals gestillten Kindern (AOR 0,63; 95%-KI 0,41–0,96) im Vergleich zu niemals gestillten Kindern. Für die Zielvariable Adipositas zeigte sich ein ähnlicher, aber statistisch nicht signifikanter Trend (AOR 0,84; 95%-KI: 0,62–1,13). Die Autoren fanden keine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Dauer des Vollstillens und späterem Übergewicht oder Adipositas und auch keinen Schwelleneffekt. Der stärkste Prädiktor für Übergewicht war das aktuelle Körpergewicht der Mutter. Bei mütterlichem Übergewicht war der Anteil übergewichtiger Kinder nahezu dreimal so groß wie bei Kindern mit normalgewichtigen Müttern (BMI 25,0–29,9 kg/m2; AOR 2,95; 95%-KI: 1,35–6,42). Die Prävalenz übergewichtiger Kinder vervierfachte sich gar in der Gruppe von Kindern, deren Mütter Adipositas hatten (BM≥30,0 kg/m2; AOR 4,34; 95%-KI: 2,50–7,54). Wei-
479 15.2 · Ergebnisse epidemiologischer Studien
15
terhin zeigte sich in der Studie ein deutlicher Unterschied im Stillverhalten von Müttern unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit: Schwarze Kinder nichthispanischer Abstammung waren nur zu 26,8% überhaupt gestillt worden, während der Anteil bei den weißen Kindern nichthispanischer Abstammung 61,5% und bei den Kindern mexikanischer Abstammung 52,2% betrug. Auch bei der Stilldauer zeigten sich deutliche ethnische Unterschiede: Mütter weißer Hautfarbe stillten am längsten (zu 12,8% 9 Monate oder länger), gefolgt von Frauen mexikanischer Abstammung (7,8%) und Frauen schwarzer Hautfarbe (2,2%). Eine Limitation dieser Studie liegt im sehr niedrigen Alter der untersuchten Kinder von 3–5 Jahren, d. h. die Kinder wurden überwiegend vor dem kritischen Wiederanstieg des BMI im Vorschulalter (»obesity rebound«) untersucht. Somit könnte diese Studie von Hediger et al. den protektiven Effekt des Stillens unterschätzt haben. An einem deutschen Kollektiv von 9–10 Jahre alten Kindern, die 1995/1996 in Dresden (n=1046) und in München (n=1062) die vierte Klasse besuchten, wurde im Rahmen einer großen Querschnittstudie über Allergien im Kindesalter (ISAAC-Study) auch eine Analyse zum Zusammenhang zwischen Stillen und Übergewicht durchgeführt (Liese et al. 2001). Übergewicht wurde definiert als BMI ≥ der 90. alters- und geschlechtspezifischen Perzentile deutscher Referenzwerte. Der Anteil übergewichtiger Kinder war in Dresden deutlich niedriger (Mädchen 9,1%, Jungen 12,5%) als in München (beide 17%). In beiden Städten beobachteten die Autoren eine deutlich geringere Prävalenz an Übergewicht bei gestillten im Vergleich zu nichtgestillten Kindern. Nach Adjustierung für Alter, Geschlecht und Ort (Dresden/München) betrug die Odd-Ratio für Übergewicht im Alter von 9–10 Jahren bei ehemals gestillten Kinder 0,55 (95%-KI 0,41–0,74). Die Ergebnisse fielen nach Kontrolle für Nationalität, sozioökonomischen Status, Geschwisterzahl und Rauchen der Eltern etwas moderater aus mit einem OR von 0,66 (95%-KI 0,52–0,87). Eine längere Gesamtdauer und die Dauer ausschließlichen Stillens waren signifikant mit einer sinkenden Übergewichtsprävalenz assoziiert. In Dunedin, Neuseeland untersuchten Poulton u. Williams (2001) eine Kohorte von 1.037 in den Jahren 1972 und 1973 geborenen Kindern im Rahmen einer prospektiven Studie zu Gesundheit und Entwicklung. Anthropometrische Daten wurden bei der Geburt und im Alter von 3, 5, 7, 9, 11, 13, 15, 18, 21 und 26 Jahren erhoben. Informationen zur Stilldauer wurde von den Müttern erfragt, als die Kinder 3 Jahre alt waren. In ⊡ Tabelle 15.1 sind nur die OR für
480
15
Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
Kinder im Alter von 3 Jahren dargestellt; an dieser Untersuchung nahmen 677 Kinder teil. Es wurde nicht erhoben, wie lange die Mütter ausschließlich gestillt haben. Die Autoren fanden eine leichte, im Gesamtkollektiv nach Adjustierung für Störfaktoren allerdings nichtsignifikante Reduktion des Risikos für Übergewicht. Es zeigte sich auch ein Schwelleneffekt, d. h. ab einer Stilldauer von >6 Monaten war eine signifikante Risikominderung im Vergleich zu nichtgestillten Kindern festzustellen. Limitierend an dieser prospektiven Studie ist, dass der wichtige Parameter der Stilldauer nicht zeitnah erfragt wurde. In einer schottischen Querschnittstudie zu Adipositas bei Kleinkindern im Alter von 39–42 Monaten mit sehr großen Fallzahlen (n=32.200) war die Adipositasprävalenz nach Adjustierung für mögliche Störfaktoren (sozioökonomischer Status, Geburtsgewicht, und Geschlecht) signifikant niedriger bei gestillten als bei nichtgestillten Kindern (Armstrong u. Reilly 2002). Die AOR für Adipositas (BMI ≥98. Perzentile) war 0,70 (95%-KI 0,61–0,80). Die besondere Stärke dieser Studie ist das große Analysekollektiv von über 30.000 Kindern. Um die Frage zu prüfen, ob die in den zitierten Studien gefundene Assoziation von Stillen und reduziertem Adipositasrisiko durch mit dem Stillen verbundene westliche Lebenstilfaktoren bedingt sein könnten, untersuchte unsere Arbeitsgruppe die Ergebnisse einer Querschnittstudie in einer osteuropäischen, sozialistisch geprägten Gesellschaft (Toschke et al. 2002). Eine sehr große Population von 33.768 Schulkindern wurde in der Tschechischen Republik im Jahre 1991 im Alter von 6–14 Jahren untersucht. Diese Kinder waren in einer Gesellschaft aufgewachsen, die sich durch geringe Unterschiede im sozioökonomischen Status und vergleichsweise homogene Lebensstilfaktoren auszeichnete. Hauptzielkriterien waren die Prävalenz von Übergewicht, definiert als BMI >90. Perzentile, und von Adipositas, definiert als BMI >97. Perzentile. Die Prävalenz von Übergewicht war wiederum bei gestillten Kindern deutlich niedriger (9,3%; 95%-KI: 8,9–9,6) als bei niemals gestillten Kindern (12,4%; 95%-KI: 11,3–13,6). Ebenso war die Prävalenz der Adipositas bei ehemals gestillten Kindern geringer (3,2%; 95%-KI: 3,0–3,4 gegenüber 4,4%; 95%-KI: 3,7–5,2). Besonders bemerkenswert ist, dass der Effekt des Stillens auf Übergewicht und Adipositas mit zunehmendem Alter bis zu 14 Jahren nicht geringer wurde. Auch konnten potenzielle Störfaktoren, wie elterliche Bildung, Adipositas bei den Eltern, Rauchen der Mutter, hohes Geburtsgewicht, Fernsehen, Zahl der Geschwister und körperliche Aktivität den
481 15.2 · Ergebnisse epidemiologischer Studien
15
Schutz durch das Stillen nicht erklären. Die AORs bei ehemals gestillten Kindern waren für Übergewicht 0,80 (95%-KI: 0,71–0,90) und für Adipositas 0,80 (95%-KI: 0,66–0,96). Diese Ergebnisse zeigen, dass der protektive Effekt des Stillens nicht durch den sozioökonomischen Status und westliche Lebensstilfaktoren erklärt werden kann. Retrospektive Querschnittstudien sind hilfreich, um Hypothesen zu generieren, aber sie bergen die Gefahr der Vertauschung von Ursache und Wirkung (»reverse causality«), da zeitliche Abläufe nicht berücksichtigt werden können. Dieses Problem besteht nicht in der Auswertung einer prospektiven Kohortenstudie zur Stillen und Adipositas mit 1.314 ab Geburt untersuchten Kindern, die primär mit dem Ziel der Identifikation von Risiken allergischer Erkrankungen untersucht wurden (Bergmann et al. 2003). Aus dieser Kohorte konnten 918 Kinder bis zum Alter von 6 Jahren nachverfolgt werden. In regelmäßigen Abständen wurden Größe, Gewicht und Hautfaltendicke gemessen. Als Kriterien für Übergewicht und Adipositas wurden die 90. Perzentile und die 97. Perzentile des BMI und der Hautfaltendickenmessungen herangezogen. Eltern mit einem BMI ≥90. Perzentile (≥27 kg/m2) wurden als übergewichtig angesehen. Kinder, die von der Geburt an Flaschennahrung bekamen oder weniger als 3 Monate gestillt wurden, wurden als mit der Flasche ernährte Gruppe klassifiziert, und mindestens 3 Monate lang Muttermilch ernährte Kinder als gestillt angesehen. Bei der Geburt war der mittlere BMI in beiden Gruppen nahezu gleich. Im Alter von 3 Monaten hatten mit der Flasche ernährte Kinder bereits einen signifikant höheren BMI und eine stärkere Hautfaltendicke als gestillte Kinder. Vom 6. Monat an gab es in der mit der Flasche ernährten Gruppe von Kindern einen drastisch höheren Anteil von übergewichtigen und adipösen Kindern, verglichen mit der gestillten Gruppe. Zwischen dem 4. und 5. bzw. 6. Lebensjahr verdoppelte bzw. verdreifachte sich die Adipositasprävalenz nahezu (⊡ Abb. 15.5). Der protektive Effekt des Stillens wurde also nach dem Alter des Obesity rebound im Vorschulalter besonders deutlich. Mit 6 Jahren war die AOR für Übergewicht (BMI ≥90. Perzentile) in der Gruppe der früher gestillten Kinder bei 0,53 (95%-KI: 0,31–0,89), für Adipositas (BMI ≥ 97. Perzentile) bei 0,46 (95%-KI: 0,23–0,92). Diese prospektiv erhobenen Daten verdeutlichen, dass Übergewicht der Mutter, Rauchen während der Schwangerschaft, Ernährung mit der Flasche und ein niedriger sozioökonomischer Status zu den wichtigsten Risikofaktoren für Übergewicht und Adipositas im Alter von 6 Jahren gehören. Frühes Zufüttern von Flaschennahrung begünstigt ein höheres Ausmaß des BMI-Wieder-
482
Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
⊡ Abb. 15.5. Altersabhängige Prävalenz von Übergewicht bei Kindern, die an der prospektiven multizentrischen Allergiestudie (MAS) teilnahmen. Ab dem Alter von 5 Jahren zeigt sich deutlich häufiger Übergewicht bei Kindern, die nie oder nur kurz gestillt wurden, als bei Kindern mit einer Stilldauer von mindestens 2 Monaten. (Nach Bergmann et al. 2003)
anstiegs im Alter von 5–6 Jahren (Obesity rebound), der als zuverlässiger Prädiktor für das Adipositasrisiko im Erwachsenenalter angesehen wird (Koletzko et al. 2002a).
15.3
15
Probleme epidemiologischer Studien zu Auswirkungen der Säuglingsernährung auf die spätere Adipositas
Querschnittuntersuchungen unterliegen der Gefahr von Fehlern bei der retrospektiven Datenerhebung, denn ein gewisses Maß an Fehleinschätzungen bei rückwirkenden Angaben zur Stilldauer durch die befragten Eltern ist wahrscheinlich. Allerdings kann angenommen werden, dass eine solche mögliche Fehleinschätzung wahrscheinlich nicht zur systematischen Beeinflussung des Studienergebnisses zugunsten eines protektiven Stilleffektes führt, wenn die Fragestellung eines Zusammenhanges mit der späteren Adipositas den Studienteilnehmern nicht bewusst ist, wie es offenbar bei allen hier zitierten retrospektiven Erhebungen der Fall war. Auch bei der Messung von Länge und Gewicht in großen Kohortenstudien ist eine begrenzte Präzision einzuräumen, da nicht immer standardisierte anthropometrische Messungen eingesetzt
483 15.3 · Probleme epidemiologischer Studien
15
wurden; auch hier ist keine systematische Beeinflussung des Studienergebnisses zugunsten eines protektiven Stilleffektes anzunehmen. Das als wichtiger Prädiktor für Übergewicht und Adipositas angesehene Ausmaß körperlicher Aktivität (Koletzko et al. 2002a) ist nur schwer zu erfassen. Die beispielsweise mit Fragebogen zu erhebende Zeitdauer des Spielens im Freien ist kein zuverlässiger Marker für das Ausmaß körperlicher Aktivität insgesamt. In einigen Studien fand sich eine Assoziation des Stillens mit Indikatoren der Familienstruktur und des Lebensstils, Frühgeburtlichkeit, niedrigem Geburtsgewicht sowie aktuellen Ernährungsgewohnheiten. Oft wurden mögliche relevante Einflussfaktoren nicht erhoben. Damit nimmt man ein erhebliches Risiko für unkontrollierbares Confounding in Kauf. Fragen zur aktuellen Ernährungsweise sind in den Fragebögen oft auf eine semiquantitative Erfassung der Verzehrshäufigkeit beschränkt. In retrospektiven Studien kann man naturgemäß nicht differenzieren, welche Faktoren ursächlich mit Übergewicht zusammenhängen, und welche Aspekte der Nahrungsgewohnheiten von den Kindern und ihren Familien als Folge des Übergewichtes mit dem Ziel einer Gewichtsreduktion gewählt worden sind. Zum Teil stehen keine Angaben zum Gewicht oder BMI der Eltern zur Verfügung, einem Indikator für ein familiäres Risiko und einem wichtigen Einflussfaktor auf die Wahrscheinlichkeit für kindliches Übergewicht. Elterliches Übergewicht ist ein wichtiger Indikator für das genetische Risiko für Übergewicht und Adipositas bei ihren Kindern, und übergewichtige Mütter weisen im Mittel eine geringere Stillhäufigkeit und -dauer auf (Hilson et al. 1997). Prospektive longitudinale Beobachtungsstudien vermeiden das Problem einer möglichen Vertauschung von Ursache und Wirkung, da man die Veränderung von Zielkriterien zu festgelegten Zeitpunkten bestimmen kann. Dennoch erlauben auch die Ergebnisse solcher Studien nicht den sicheren Nachweis eines Kausalzusammenhanges. Da die Zugehörigkeit zur jeweiligen Gruppe (Stillen vs. Flaschennahrung) aufgrund aktiver mütterlicher Entscheidung bestimmt ist, könnte sich trotz Kontrolle für mögliche Confounder ein grundlegender Unterschied zwischen den Gruppen mit Auswirkung auf das Zielkriterium ergeben. Dieses Problem ist nur durch Randomisierung (zufällige Zuteilung der teilnehmenden Mütter auf die Studiengruppen) zu lösen; dies ist aus ethischen und praktischen Gründen für das Stillen natürlich nicht realisierbar. Auch muss diskutiert werden, dass das Studienpersonal. z. B. bei Interviews, unbewusst auf Studienergebnisse Einfluss nehmen könnte, d. h. Teilnehmerinnen der einen Gruppe würden anders behandelt als die Teilneh-
484
Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
merinnen der anderen Gruppe. Diesem Problem kann man durch Verblindung der Säuglingsnahrung begegnen; im Falle des Vergleiches des Stillens mit der Flaschenernährung ist dies nicht praktikabel. Die verlässlichsten Ergebnisse liefern doppelblinde (weder der Arzt noch der Patient weiß, ob der Patient Verum oder Placebo erhält) randomisierte (zufällige Zuteilung zu einer Studiengruppe) prospektive (Kontrolle des Zeitverlaufs) Studien, die bei der Arzneimittelzulassung zwingend vorgeschrieben sind, während ein solches Vorgehen in der epidemiologschen Forschung meist nicht realisiert werden kann.
15.4
15
Biologische Plausibilität des postulierten Zusammenhangs zwischen Übergewicht bzw. Adipositas
Die mögliche Risikominderung für Übergewicht und Adipositas könnte durch denkbare Auswirkungen der mit dem Stillen verbundenen, von der Flaschenernährung deutlich unterschiedlichen Fütterungsweise auf das spätere Trink- und Essverhalten oder aber durch metabolisch prägende Wirkungen von Bestandteilen der Muttermilch bedingt sein. Inhaltsstoffe der Muttermilch, die hier eine Bedeutung haben könnten, sind beispielsweise bioaktive Faktoren und Hormone mit dem Potenzial der Modulation von Gewebewachstum und -differenzierung (Kunz et al. 1999; Rodriguez et al. 1999). So enthält Muttermilch für biologische Wirkungen ausreichende Konzentrationen an »epidermal growth factor« und an »tumor necrosis factor α«, die in vitro die Differenzierung von Adipozyten hemmen können. Denkbar sind auch Effekte unterschiedlicher Zufuhren an Makronährstoffen. Die für das Kind nutzbare Energie- und Proteinzufuhr ist nach neueren Analysen bei Muttermilchernährung deutlich niedriger als in der Vergangenheit angenommen wurde, u. a. aufgrund der Berücksichtigung nichtresorbierter Anteile der Frauenmilch, und wesentlich geringer als die mittlere Zufuhr in Populationen flaschenernährter Säuglinge (Kunz et al. 1999). In der DONALD-Studie des Dortmunder Forschungsinstitutes für Kinderernährung fand sich bei flaschenernährten Kindern im ersten Lebenshalbjahr eine 1,6- bis 1,8fach höhere Gesamteiweißzufuhr pro kg KG und Tag als bei gestillten Säuglingen (Alexy et al. 1999). Es erscheint möglich, dass diese großen Unterschiede in der frühkindlichen Nährstoffzufuhr Langzeiteffekte auf den späteren Substratstoffwechsel ausüben könnten.
485 15.5 · Schlussfolgerungen
15
In Longitudinaluntersuchungen zeigten Rolland Cachera et al. eine signifikante Beziehung der Proteinzufuhr im Alter von 10 Monaten mit dem BMI und der Körperfettverteilung im Schulalter (Rolland Cachera et al. 1995, Parizkova et al. 1997). Ein früher Wiederanstieg der nach dem ersten Lebensjahr abfallenden BMI-Kurve, der Obesity rebound, gilt als zuverlässiger Prädiktor eines hohen Adipositasrisikos im Erwachsenenalter (Rolland Cachera et al. 1984). Ein früher Obesity rebound war in einer Studie mit einer hohen Proteinzufuhr mit 2 Jahren, nicht aber die Zufuhr an Energie, Fett oder Kohlenhydraten korreliert (Parizkova et al. 1997). Rolland Cachera et al. postulieren vor dem Hintergrund dieser Befunde, dass eine hohe, den metabolischen Bedarf deutlich überschreitende Proteinzufuhr im frühen Kindesalter zu einer späteren Adipositas prädisponiert. In Übereinstimmung mit dieser Hypothese zeigen Beobachtungen bei Tieren, dass die Proteinzufuhr während der fetalen und postnatalen Entwicklung langfristig prägende Effekte auf den Glukosestoffwechsel und die Körperzusammensetzung im Erwachsenenalter ausübt (Metges 2001). Eine sehr hohe Proteinzufuhr kann die Sekretion von Insulin und Insulin-ähnlichem Wachstumsfaktor 1 (IGF 1) stimulieren. Tatsächlich wurden bei flaschenernährten Säuglingen signifikant höhere Insulinkonzentrationen im Plasma beobachtet als bei gestillten Kindern (Lucas et al. 1980, 1981). Eine vermehrte Insulinausschüttung fördert die Fettdeposition und könnte die frühe Adipozytenentwicklung beeinflussen, das Längenwachstum besonders während der ersten beiden Lebensjahre fördern (Karlberg et al.1994) sowie die adipogene Aktivität und die Adipozytendifferenzierung steigern (Wabitsch et al.1995). Diese Hypothesen eines langfristig prägenden Effektes der frühen Proteinzufuhr oder anderer Charakteristika der Frauenmilch, die von großer praktischer Relevanz sind, können allerdings auf der Grundlage der bisher vorliegenden Daten nicht schlüssig überprüft werden. Hierzu sind gezielte Untersuchungen mit an diesen Hypothesen orientiertem Studiendesign erforderlich.
15.5
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse einiger Querschnittstudien und von 2 prospektiven Longitudinalstudien zeigen, dass früher gestillte Kinder eine in den meisten Studien um 20–35% niedrigere Wahrscheinlichkeit für Übergewicht aufweisen als früher nichtgestillte Kinder. Damit sprechen diese Ergebnisse für einen wei-
486
15
Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
teren, programmierenden Langzeiteffekt der frühkindlichen Ernährung auf die langfristige Gesundheit. Dieser mit dem Stillen assoziierte Effekt ist nicht durch einen schon bei der Geburt manifesten Unterschied des BMI-Mittelwerts bedingt. Ebenso wenig spielt die Veränderung des BMI-Mittelwerts über die Zeit eine Rolle, sondern der Effekt wird durch einen höheren Anteil von früher nichtgestillten Kindern am oberen Ende der BMI-Verteilung hervorgerufen. Es gibt biologisch plausible Argumente für die Hypothese, dass das verminderte Adipositasrisiko gestillter Kinder mit Eigenschaften der Muttermilch zusammenhängen könnte. Allerdings können wir derzeit nicht ausschließen, dass andere mit dem Stillen assoziierte Confoundingfaktoren, wie z. B. das elterliche Gewicht, sozioökonomische Faktoren und mütterliches Rauchen in der Schwangerschaft, einen Einfluss haben. Obwohl die vorliegenden Daten für die Möglichkeit eines wichtigen protektiven Effektes des Stillens auch in den Industrieländern sprechen, sind andere Studienansätze notwendig, um die wissenschaftlich und praktisch wichtige Frage der programmierenden Langzeiteffekte durch den frühkindlichen Substratstoffwechsel zu überprüfen. Experimentelle Studien mit randomisierten, möglichst doppelblinden Studien sind von essenzieller Bedeutung, um sicher zu belegen, dass spezifische nutritionelle Interventionen im Säuglingsalter gesundheitsfördernde Langzeiteffekte haben. Angesichts der möglichen enorm wichtigen Auswirkungen für die Gesundheit der Bevölkerung sind solche Studien von enorm großer Relevanz, um eine evidenzbasierte Praxis der Säuglingsernährung zu etablieren. Zahlreiche Studien zur Effektivität und Sicherheit von Ernährungsinterventionen bei früh- und reifgeborenen Säuglingen sind auf der Grundlage des Modells moderner pharmazeutischer Untersuchungen als randomisierte kontrollierte Studien nach den Regeln guter klinischer Praxis durchgeführt worden (Koletzko et al. 2002b). So wird derzeit mit Unterstützung der europäischen Kommission eine multizentrische Studie an 1.250 gesunden Säuglingen in 5 europäischen Ländern durchgeführt, um die Frage zu prüfen, ob eine unterschiedliche Proteinzufuhr im Säuglingsalter Auswirkungen auf das spätere Adipositasrisiko hat (www.childhood-obesity.org). Neben einer Referenzgruppe gestillter Säuglinge werden flaschenernährte Kinder aufgenommen und doppelblind randomisiert der Ernährung mit Formelnahrungen mit unterschiedlichem Proteingehalt zugeordnet. Nachdem Kinder aus 5 europäischen Ländern mit ganz unterschiedlichen Beikosttraditionen und damit auch einem breiten Spektrum an Proteinzufuhren mit der Beikost eingeschlossen werden, sollte
487 Literatur
15
durch die Analyse dieser Daten eine zusätzliche externe Validierung der »Protein-Hypothese« möglich sein. Es ist vorgesehen, dass die an dieser Studie teilnehmenden Kinder bis zum Alter von 8 Jahren prospektiv verfolgt werden. Viele weitere prospektive, kontrollierte Studien sind notwendig, um eine sorgfältige wissenschaftliche Überprüfung der vorliegenden Hypothesen zur frühkindlichen metabolischen Programmierung der langfristigen Gesundheit zu ermöglichen und damit das Potenzial einer sehr langzeitigen Gesundheitsprävention durch eine optimale Ernährung im frühen Lebensalter zu nutzen. Danksagung. Die dargestellten Untersuchungen der Autoren wurden in Teilen
finanziell gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz, München, die Europäische Kommission, Generaldirektorat Forschung, Brüssel (QLK1–2001–00389), das Ministerium für Gesundheit der Tschechischen Republik, Prag, und die Stiftung Kindergesundheit, München (www.kindergesundheit.de).
Literatur Alexy U, Kersting M, Sichert H, Manz F, Schoch G (1999) Macronutrient intake of 3- to 36-monthold German infants and children: results of the DONALD Study. Dortmund Nutritional and Anthropometric Longitudinally Designed Study. Ann Nutr Metab 43: 14–22 Armstrong J, Reilly J (2002) Breastfeeding and lowering the risk of childhood obesity. Lancet 359: 2003–2004 Barker DJ (1994) Maternal and fetal origins of coronary heart disease. J R Coll Physicians Lond 28: 544–551 Barker DJ (2004) Developmental origins of adult health and disease. J Epidemiol Community Health 58: 114–115 Bergmann K, Bergmann R, von Kries R et al. (2003) Early determinants of childhood overweight and adiposity in a birth cohort study: role of breast-feeding. Int J Obes Relat Metab Disord 27: 162–172 Dörner G (1975) Perinatal hormone levels and brain organization. Anatomical neuroendocrinology. Int. Conf. Neurobiology of CNS-Hormone Interactions. Karger, Basel, pp 245–252 Fisberg M, Baur L, Chen W et al.; Latin American Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition (2004) Obesity in children and adolescents: Working Group report of the second World Congress of Pediatric Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 39 [Suppl 2]:S678–687 Freedman D, Dietz W, Srinivasan S, Berenson G (1999) The relation of overweight to cardiovascular risk factors among children and adolescents: the Bogalusa Heart Study. Pediatrics 103: 1175–1182
488
15
Kapitel 15 · Prägung durch frühkindliche Ernährung
French S, Story M, Perry C (1995) Self-esteem and obesity in children and adolescents: a literature review. Obes Res 3: 479–490 Gillman M, Rifas-Shiman S, Camargo CJ et al. (2001) Risk of overweight among adolescents who were breastfed as infants. JAMA 285: 2461–2467 Gortmaker S, Must A, Perrin J, Sobol A, Dietz WJ (1993) Social and economic consequences of overweight in adolescence and young adulthood. N Engl J Med 329: 1008–1012 Hediger ML, Overpeck MD, Kuczmarski RJ, Ruan WJ (2001) Association between infant breastfeeding and overweight in young children. JAMA 285: 2453–2460 Hilson J, Rasmussen K, Kjolhede C (1997) Maternal obesity and breast-feeding success in a rural population of white women. Am J Clin Nutr 66: 1371–1378 Kalies H, Koletzko B, Kries R von (2001) Übergewicht bei Vorschulkindern. Der Einfluss von Fernseh- und Computerspiel-Gewohnheiten. Kinderarztl Prax 4:227–234 Karlberg J, Jalil F, Lam B, Low L, Yeung C (1994) Linear growth retardation in relation to the three phases of growth. Eur J Clin Nutr 48 [Suppl 1]: 25–43 Klesges R, Klesges L, Eck L, Shelton M (1995) A longitudinal analysis of accelerated weight gain in preschool children. Pediatrics 95: 126–130 Koletzko B (Hrsg) (2004) Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Begründet durch G-A von Harnack, 12. Aufl, (ISBN 3–540–44365–7). Springer, Berlin Heidelberg New York, S 1–788 Koletzko B, Girardet JP, Klish W, Tabacco O (2002a) Obesity in children and adolescents worldwide: current views and future directions. J Pediatr Gastroenterol Nutr 35 [Suppl 2]: 205– 212 Koletzko B, Ashwell M, Beck B, Bronner A, Mathioudakis B (2002b) Characterisation of infant food modifications in the European Union. Ann Nutr Metab 46: 231–242 Koletzko B, Dodds P, Akerblom H, Ashwell M (eds) (2005) Early nutrition and its later consequences: new opportunities. Springer, Berlin Heidelberg New York Kries R von, Koletzko B, Sauerwald T, Mutius E von (1999) Breast feeding and obesity: cross sectional study. BMJ 319: 147–150 Kramer M (1981) Do breast-feeding and delayed introduction of solid foods protect against subsequent obesity? J Pediatr 98: 883–887 Kunz C, Rodriguez P, Koletzko B, Jensen R (1999) Nutritional and biochemical properties of human milk. Part I: general aspects, proteins, and carbohydrates. Clin Perinatol 26: 307–333 Liese A, Hirsch T, Mutius E von, Keil U, Leupold W, Weiland S (2001) Inverse association of overweight and breast feeding in 9 to 10-y-old children in Germany. Int J Obes Relat Metab Disord 25: 1644–1650 Lucas A (1991) Programming by early nutrition in man: In: Bock GR, Whelan J (eds) The childhood environment and adult disease. (CIBA Foundation Symposium 156). Whiley, Chichester, UK, pp 38–55 Lucas A, Sarson D, Blackburn A, Adrian T, Aynsley G, Bloom S (1980) Breast vs bottle: endocrine responses are different with formula feeding. Lancet 1: 1267–1269 Lucas A, Boyes S, Bloom S, Aynsley G (1981) Metabolic and endocrine responses to a milk feed in six-day-old term infants: differences between breast and cow’s milk formula feeding. Acta Paediatr Scand 70: 195–200 McCance RA, Widdowson EM (1974) The determinants of growth and form. Proc R Soc Lond B Biol Sci 185: 1–17
489 Literatur
15
Metges C (2001) Does dietary protein in early life affect the development of adiposity in mammals? J Nutr 131: 2062–2066 Oberle D, Toschke AM, Kries R von, Koletzko B (2003) Metabolische Prägung durch frühkindliche Ernährung: Schützt Stillen gegen Adipositas? Monatsschr Kinderheilkd 151 [Suppl 1]: S58–64 Parizkova J, Rolland Cachera MF (1997) High proteins early in life as a predisposition for later obesity and further health risks [editorial]. Nutrition 13: 818–819 Pinhas-Hamiel O, Dolan L, Daniels S, Standiford D, Khoury P, Zeitler P (1996) Increased incidence of non-insulin dependent diabetes mellitus among children and adolescents. J Pediatr 128:608–616 Poulton R, Williams S (2001) Breastfeeding and risk of overweight (letter). JAMA 286: 1449 Rodriguez P, Koletzko B, Kunz C, Jensen R (1999) Nutritional and biochemical properties of human milk: II. Lipids, micronutrients, and bioactive factors. Clin Perinatol 26:335–359 Rolland Cachera MF, Deheeger M, Bellisle F, Sempe M, Guilloud B, Patois E (1984) Adiposity rebound in children: a simple indicator for predicting obesity. Am J Clin Nutr 39: 129– 135 Rolland Cachera MF, Deheeger M, Akrout M, Bellisle F (1995) Influence of macronutrients on adiposity development: a follow up study of nutrition and growth from 10 months to 8 years of age. Int J Obes Relat Metab Disord 19: 573–578 Toschke A, Vignerova J, Lhotska L, Osancova K, Koletzko B, Kries R von (2002) Overweight and obesity in 6- to 14-year-old Czech children in 1991: protective effect of breast-feeding. J Pediatr 141:749–757 Virtanen SM, Knip M (2003) Nutritional risk predictors of beta cell autoimmunity and type 1 diabetes a young age. Am J Clin Nutr 78: 1053–1067 Wabitsch M, Hauner H, Heinze E, Teller W (1995) The role of growth hormone/insulin-like growth factors in adipocyte differentiation. Metabolism 44 [Suppl 4]: 45–49 Waterland RA, Garza C (1999) Potential mechanisms of metabolic imprinting that lead to chronic disease. Am J Clin Nutr 69: 179–197
Anhang F. Jochum
Übersichtstabellen zur Nährstoffzufuhr A.1 A.1.1 A.1.2 A.1.3 A.1.4 A.1.5
Empfehlungen für die enterale/parenterale Ernährung – 493 Flüssigkeitszufuhr – 493 Energiezufuhr – 496 Nährstoffzufuhr (Glukose, Aminosäuren, Lipide) – 497 Enteraler Nahrungsaufbau bei Früh- und reifen Neugeborenen – 500 Supplementation der enteralen Nahrung von VLBWund ELBW-Frühgeborenen in der Phase des stabilen Wachstums (Phase III) – 501
Übersichtstabellen zum Nahrungsaufbau A.2 A.2.1 A.2.2 A.2.3 A.2.4
Empfehlungen für den Nahrungsaufbau und/oder die intermittierende (teil-)parenterale Ernährung – 503 Für Frühgeborene <1.000 g Geburtsgewicht – 503 Für Frühgeborene mit 1.000–1.500 g Geburtsgewicht – 506 Für Frühgeborene >1.500 g Geburtsgewicht und kranke Reifgeborene – 509 Für Kleinkinder, Jugendliche und Erwachsene – 512
A.3
Zusammenfassung: Nahrungsaufbau Früh- und kranke Reifgeborene – 514
B
Verordnungsbogen
– 516
C
Referenzwerte M. Schmitt
– 518
D
Hilfreiche Formeln und Tabellen M. Schmitt
E
Adressensammlung zum Thema Diätetik und Ernährung – 529 M. Lange
– 527
493 A.1 · Empfehlungen für die Ernährung
Empfehlungen für die enterale/parenterale Ernährung
A.1
Sicherheitshinweis: Die vorliegenden Empfehlungen für eine bilanzierte Ernährung von pädiatrischen Patienten sind an den Bedarf von gesunden Früh- und Reifgeborenen und gesunden pädiatrischen Patienten orientiert. Krankheiten können zu signifikanten Änderungen des Flüssigkeits-Elektrolyt und sonstigen Nährstoffbedarfs führen. Bilanzierte Ernährung, insbesondere parenterale Ernährung muss kontinuierlich an die spezifischen Bedürfnisse des individuellen Patienten angepasst werden. Der Flüssigkeits- und Elektrolytstoffwechsel unterliegt großen individuellen und krankheitsbedingten Veränderungen. Erkrankungen können im Einzelfall eine spezielle Behandlung zur Stabilisierung des Elektrolyt und Flüssigkeitshaushalts notwendig machen, die von den beschriebenen Therapiegrundsätzen abweicht. Unangepasste Flüssigkeits-, Elektrolyt- und sonstige Nährstoffzufuhr kann zu schweren und dauerhaften gesundheitlichen Schäden bis zum Tod führen.
A.1.1 Flüssigkeitszufuhr a) Empfehlungen für die Flüssigkeitszufuhr für Früh- und Reifgeborene in der Anpassungs-, bzw. Stabilisationsphase (Lebenstage 1-7) Flüssigkeitszufuhr [ml/kgKG/Tag]
Lebensalter in Tagen (LT) 1. LT
2. LT
3. LT
4. LT
5. LT
6./7. LT
<1.000 ga,b
90
110
130
150
160
160
1.000–1.500 ga,b
80
100
120
140
160
160
>1.500 ga,b
60
80
100
120
140d
160d
Frühgeborene
c
Reife Neugeborene a b c d
Geburtsgewicht (Berechnungsgrundlage bis aktuelles Gewicht > Geburtsgewicht) Nach Tsang et al. (1993) Nach DAKE/ÖAKE (1987) Expertenmeinung
494
Anhang
Definitionen: ▬ Phase I/Anpassung: 3.–5. Lebenstag. Perspiratio ↑. Verlust von Flüssigkeit und Elektrolyten von dem Extrazellularraum. Das Ende wird durch den Zeitpunkt mit dem maximalen Gewichtsverlust charakterisiert. ▬ Phase II/Stabilisation: 5.–7. Lebenstag. Die Kontraktion des Extrazellularraumes ist beendet. Die Konzentrationsfähigkeit der Nieren ermöglicht zunehmend konzentrierten Urin. ▬ Phase III/Stabiles Wachstum: Komplette enterale Nahrung wird toleriert. Ziel ist das Erreichen von Wachstum nahe intrauteriner Wachstumsraten. Ziele für Phase I (Anpassung): ▬ Lasse die Kontraktion des extrazellulären Kompartimentes zu (ohne Beeinträchtigung des kardiovaskulären Systems). ▬ Lasse eine negative Na und K Bilanz zu aber erhalte normale Elektrolyt– Plasma-Spiegel. ▬ Vermeide die Entwicklung einer Oligurie (<0,5–1 ml/kgKG/Tag für länger als 12 h). ▬ Stelle die Temperaturregulation durch ausreichende Flüssigkeitzufuhr für die transdermale Verdunstung sicher. Ziele für Phase II (Stabilisierung): ▬ Auffüllen der Körperspeicher nach den Na- und K-Verluste aus Phase I. ▬ Ausgleich der aktuellen Wasser-, Na- und K-Verluste aus Phase I. ▬ Enteraler Nahrungsaufbau. Ziele für Phase III (stabiles Wachstum): ▬ Ausgleich der Flüssigkeits- und Elektrolytverluste. ▬ Genug Flüssigkeit und Elektrolyte zum Aufbau von neuem Körpergewebe entsprechend intrauteriner Wachstumskurven anbieten.
495 A.1 · Empfehlungen für die Ernährung
b) Empfehlungen für die Flüssigkeitszufuhr für pädiatrische Patienten (Früh- und Reifgeborene in der Phase des stabilen Wachstums/Phase III (ab ca. 8. Lebenstag) Lebensalter
Flüssigkeitsbedarf [ml/kg KG und Tag]
Frühgeborene <1.000 ga,b,c 1.000–1.500 ga,b,c
80–180–(200) 80–160-(180)
>1.500 ga,e
100–140–160
Reife Neugeboreneb,d
100–140–160
Reifer Säugling ab 2. Monatd
100–140
2. Lebensjahrd
80–120
3.–5. Lebensjahrd
80–100
6.–10. Lebensjahrd
60–80
11.–14. Lebensjahrd
50–70
Erwachsene
40–70
a b c d e
Geburtsgewicht 7. Lebenstag bis Erreichen der nächst höheren Gewichtskategorie Nach Tsang et al. (1993) Nach DAKE/ÖAKE (1987) Expertenmeinung
Ziele für die Phase des stabilen Wachstums/Phase III ab ca. 8. Lebenstag (Definitionen oben).
c) Zusätze/Abzüge +20% bei Mangelgeburt (SGA). +20% bei Phototherapie, nur wenn Körpergewicht <2000 g. +20% bei Fieber. –20 ml/kg KG/Tag Respiratortherapie/N-CPAP mit angefeuchtetem Atemgas.
496
Anhang
A.1.2 Energiezufuhr a) Bezüglich der Energiezufuhr für Früh- und Reifgeborene in der Anpassungs- bzw. Stabilisationsphase (Lebenstage 1–7) Kap. 4.2 b) Früh- und Reifgeborene ab der Phase des stabilen Wachstums/Phase III (ab ca. 8. Lebenstag) Lebensalter
Energiezufuhr [kcal/kgKG/Tag]
Frühgeborene <1.500 ga,b
80–160
1.500–2.500 ga,b
70–140
Säuglingc
60–120
2. Lebensjahrc
60–90
3.–5. Lebensjahrc
60–70
6.–10. Lebensjahrc
50–60
11.–14. Lebensjahrc
45–60
Erwachsene
35–60
Der individuelle Energiebedarf kann von den Angaben erheblich nach unten (Sedierung, Beatmung) oder nach oben (Fieber, Unruhe, PDA, Leistungssport) abweichen a Geburtsgewicht b Nach (Tsang et al. 1993) c Nach DAKE/ÖAKE (1987)
Exkurs Energiegehalt von Glukose, Aminosäuren und Fett:
▬ Aminosäuren: ▬ Zucker (Glukose): ▬ Fett:
Kaloriengehalt Kaloriengehalt Kaloriengehalt:
1 g – ca. 4 kcal. 1 g – ca. 4 kcal. 1 g – ca. 9 kcal.
Bemerkung: 1 ml einer 10%igen Lösung entspricht ca. 1 g Nährstoff.
497 A.1 · Empfehlungen für die Ernährung
A.1.3 Nährstoffzufuhr a) Hauptnahrungsbestandteile Empfehlung zur Glukose-, Protein- und Lipidzufuhr für Kinder. (Nach DAKE/ÖAKE 1987)
Alter
Glukose [g/kgKG/Tag]
Aminosäuren [g/kgKG/Tag]
Lipide [g/kgKG/Tag]
1. Lebensjahra
8–15
1,5–2,5
2–3-(3,5)
2. Lebensjahr
12–15
1,5
2–3
3.–5. Lebensjahr
12
1,5
1–2
6.–10. Lebensjahr
10
1,0
1–2
11.–14. Lebensjahr
8
1,0
1
a
Nach Ende der Neonatalperiode
Aufbau der Zufuhr an Glukose, Aminosäuren und Lipiden bei Früh-und Reifgeborenen in der Anpassung- und Stabilisierungsphase (Phase I/II)
Alter
Glukose [g/kgKG/Tag]
Aminosäuren [g/kgKG/Tag]
Lipide [g/kgKG/Tag]
1. Lebenstag
4–8(–10)
1,0
1,0
2. Lebenstag
4–8(–10)
1,0
1,0
3. Lebenstag
5–9(–10)
1,0
1,0
4. Lebenstag
5–10(–12)
2,0
1,0
5. Lebenstag
6–12(–15)
2,5
2,0
6. Lebenstag
7–14(–16)
2,5
3,0
7. Lebenstag
7–16
2,5
3,5
Angaben in Klammern = max. Zufuhr für Frühgeborene >1.500 g Geburtsgewicht und Reifgeborene In Phase III (ab ca. 8. Lebenstag) weiter wie 7. Lebenstag.
498
Anhang
Aufbau einer (teil-)parenteralen Ernährung bei pädiatrischen Patienten jenseits der Neonatalperiode
(Teil-)parenterale Glukose Ernährung am [g/kgKG/Tag]
Aminosäuren [g/kgKG/Tag]
Lipide [g/kgKG/Tag]
1. Tag
5–10
1,0
1,0
2. Tag
6–12
2,0
2,0
3. Tag
6–15
2,5
3,0
4. Tag
6–15 (–18)
2,5
3,5
Steigerung nur bis zur maximalen Zufuhr für das entsprechende Patientenalter (⊡ Tabelle 4.6). Jeweils mit niedrigen Werten der Empfehlung beginnen und nach Stoffwechsel steigern
b) Zusätze zur (teil-)parenteralen Ernährung (Grundbedarf )
b1) Zusätze bei jeglicher parenteraler Flüssigkeitszufuhr Elektrolyte: ▬ NaCl*: 2–5(7) mmol/kgKG/Tag. Zufuhr als NaCl 5,85%ig. 1 ml = 1 mmol ▬ Kalium** 1–3(5) mmol/kgKG/Tag. Zufuhr als KCl 7,45%ig. 1 ml = 1 mmol Bedarfszahlen nach Tsang et al. (1993) bzw DAKE/ÖAKE (1987), nach Expertenmeinung.
* Bei Frühgeborenen <1.000g NaCl Zufuhr erst ab dem 2.–3. Lebenstag. Vorher nur Ersatz der Perspiratio durch Glukoselösung (10%/12,5%). ** Kaliumzusatz immer erst nach erster Miktion. Bei Frühgeborenen <1.500 g Zusatz frühestens ab dem 2.–3. Lebenstag und sinkenden Plasma-K-Spiegeln.
499 A.1 · Empfehlungen für die Ernährung
b2) Zusätze bei Nahrungsaufbau von Früh- Reifgeborenen oder langfristiger parenteraler Ernährung (oder langfristiger teilparenteraler Ernährung mit einem enteralen Anteil <50%) ▬ Vitamine/Spurenelemente: Wasserlösliche Vitamine: Soluvit N: Fettlösliche Vitaminea Spurenelemente:
1 ml/kgKG und Tag max. 10 ml/Tagb. Vitalipida: 1 ml/kgKG und Tag max. 10 ml/Tagb. Inzolen/Peditrace: 1 ml/kgKG und Tag max. 10 ml/Tagb.
a
nur bei parenteraler Lipidzufuhr supplementieren.
b
Beachte gesonderte Leitlinie bezüglich der Vitamin- bzw. Spurenelementsupplementation.
Bemerkungen: 4 Der Zusatz von Spurenelementen und Vitaminen ist bei kurzfristiger parenteraler Ernährung (<7 Tage) nicht notwendig (endogene Speicher). 4 Bei Frühgeborenen Supplementation ab dem 5. Lebenstag, wenn der enterale Nahrungsanteil <50%iger ist (Beginn mit der Gewichtszunahme zum Beginn der Phase des kontinuierlichen Wachstums wegen des gesteigerten Substratbedarfs). 4 Ab einem Anteil von ca. 50%iger enteraler Ernährung (und Weiterführung des enteralen Nahrungsaufbaus) Ende der parenteralen Vitamin- und Spurenelementzufuhr.
! Cave Nieren- oder Leberinsuffizienz mindern, interstinale Flüssigkeitsverluste und Stress steigert den Bedarf.
500
Anhang
b3) Zusätze bei langfristiger parenteraler Ernährung (>7d) (oder langfristiger teilparenteraler Ernährung mit einem enteralen Anteil <50%) ▬ Magnesium 0,3 mmol/kgKG und Tag. Zufuhr als MagnesiumSulfat, 10%ig. 1 ml = 0,315 mmol ▬ Phosphat 1,0 mmol/kgKG und Tag. Zufuhr als Na-Glycero-Phosphat. 1 ml = 1,0 mmol P; = 2 mmol Na ! Cave 1 ml Na-Glycero-Phosphat enthält 2 mmol Na.
b4) Zusatz regelmäßig nur bei liegendem ZVK. Ohne ZVK nur bei pathologischer, ansteigender alkalischer Phosphatase oder niedrigen Plasma-Spiegeln supplementieren. ▬ Kalzium
1,0 mmol/kgKG/Tag. Zufuhr als Ca-Gluconat, 10%ig. 1 ml = 0,22 mmol
A.1.4 Enteraler Nahrungsaufbau bei Früh-
und reifen Neugeborenen Zum Beginn der enteralen Ernährung 2 Gaben Maltoselösung anbieten (Menge vergleiche unten). Nicht bei reifen Neugeborenen zur Diagnostik. ▬ Frühgeborene <1.000 g Geburtsgewicht: Beginn nach ca. 12–24 Lebensstunden. Menge der tägliche Steigerung: 5–15 g/kgKG und Tag. Anzahl Mahlzeiten 12/Tag. Beginn unter parenteraler Ernährung. ▬ Frühgeborene 1.000–1.500 g Geburtsgewicht: Beginn nach 8–24 Lebensstunden. Menge der tägliche Steigerung: 10–20 g/kgKG und Tag. Anzahl Mahlzeiten 12/Tag. Beginn unter parenteraler Ernährung.
501 A.1 · Empfehlungen für die Ernährung
▬ Frühgeborene >1.500 g Geburtsgewicht und Reife Neugeborene »krank«: Beginn nach 0–48 Lebensstunden. Menge der tägliche Steigerung: 15–30 g/kgKG und Tag. Anzahl Mahlzeiten 8/Tag/bei eutrophen Reifgeborenen 6/Tag. Beginn unter parenteraler Ernährung. ▬ Reife Neugeborene »zur Diagnostik«: Beginn nach 0–6 Lebensstunden. Menge der tägliche Steigerung: ad libidum (Voraussetzung Kind trinkt selbst. Mindestmenge auf der Verordnung angeben). Anzahl Mahlzeiten 6/Tag.
A.1.5 Supplementation der enteralen Nahrung
von VLBW- und ELBW-Frühgeborenen in der Phase des stabilen Wachstums (Phase III) ▬ Muttermilchfortifier (FM 85/FMS): Wer: Alle Frühgeborenen <1.500 g mit Muttermilchernährung. Beginn: Ab einem enteralen Nahrungsanteil von >75% und einem alter von >7 Lebenstagen. Dosierung: Beginn mit 2,5%igem FM85 oder 2,1%igem FMS für 2 Tage. Wenn gut vertragen ab dem dritten Tag der Supplementierung Steigerung auf 5%iges FM 85 oder 4,2%iges FMS Dauer: Ende der Supplementation bei Entlassung oder einem Gewicht von 3.500g. Bemerkung: Bei schlechtem Gedeihen (nach Ausschluss von pathologischen Ursachen, wie z.B. Zinkmangel) und v.a. hohem Kalorienverbrauch (ggf. Kaloriemetrie durchführen) nochmalige Erhöhung der Fortifier erwägen (7,5%iges FM85/ 6,3%iges FMS). ▬ Enterale Vitaminsupplementation: Bemerkung: Bei (teil-)parenteraler Ernährung Abschn. 8.2.5. Wer: Alle Frühgeborenen Beginn: Ab dem 14. Lebenstag bei einem enteralen Nahrungsanteil >50%.
502
Anhang
Dosierung:
Multibionta 1 Trpf./500 g Körpergewicht verteilt auf 3 Gaben/Tag p.o. Dauer Weiterführung der Vitaminsupplementation bis zum korrigierten dritten Lebensmonat. ▬ Kalzium/Phosphat-Supplementation (zur Prophylaxe der Frühgeborenenosteopenie; Abschn. 8.2.3): Vergleiche eigene Abteilungsleitlinie Prophylaxe der Frühgeborenenosteopenie. Supplementation bei Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht <1.500 g erwägen. Start frühestens nach komplettem enteralen Nahrungsaufbau. Beginn mit 1 Einheit/Mahlzeit (1 Einheit = 1 Kaps. entspricht: Ca: 10mg (0,25 mmol); P: 7,5 mg (0,25 mmol)/Einheit.). Adjustierung nach Ca/KreaQuotienten (Zielbereich 20–35 Einheiten). ▬ Eisensupplementation: Vergleiche Abteilungsanleitung zur Prophylaxe einer Frühgeborenenanäme (in Arbeit). Alle Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht <2.500 g. Beginn am 28. Lebenstag. Dosis zur Prophylaxe 1 Gt Ferrosanol/100 g Körpergewicht verteilt auf drei Gaben/Tag (entspricht einer Zufuhr von ca. 5 mg/kgKG und Tag). Steigerung zur Therapie einer Eisenmangelanämie bis auf 9–12 mg/ kgKG und Tag unter Kontrolle von Retikulozyten und Transferinsättigung ( Abschn. 8.2.4 Monitoring). ▬ Definitionen: VLBW = Very low birth weight Frühgeborenes = Frühgeborenes mit einem Gewicht von <1.500 g. ELBW = Extremely low birth weight Frühgeborenes = Frühgeborenes mit einem Gewicht von <1.000 g.
503 A.2 · Empfehlungen für den Nahrungsaufbau
A.2
Empfehlungen für den Nahrungsaufbau und/oder inter mittierende (teil-)parenterale Ernährung
A.2.1 Für Frühgeborene <1.000 g Geburtsgewicht Zugang: Voraussetzungen:
Periphere Venenverweilkanüle (PVK), Magensonde. Kein weiteres Problem außer Frühgeburtlichkeit. Der Bedarf kann intra- und interindividuell stark variieren. Krankheitsbedingte Bedarfsveränderungen sind in der Empfehlung nicht berücksichtigt. Die Empfehlungen sind ausgelegt für Inkubatortherapie mit einer rel. Luftfeuchte von 80% an den ersten beiden Lebenstagen und langsame Rücknahme auf 60%. Zuschläge/Abschläge: Flüssigkeit +20% bei: Fieber/Fototherapie/small for gestational age (SGA). Flüssigkeit –20 ml/kg KG/Tag bei: Atemunterstützung mit angefeuchteter Atemluft. ▬ Beginn mit vollparenteraler Ernährung am ersten Vorgehen: Lebenstag wie unter Lebenstag 1 angegeben. ▬ Je nach Zustand des Kindes langsamer Beginn der enteralen Nahrungszufuhr, wenn verfügbar mit Muttermilch (MM), Spenderfrauenmilch (FM) oder »Frühgeborenenformula« (F). ▬ Nach der Berechnung des Nährstoffbedarfs ist der Anteil der enteralen Ernährung zu ermitteln und von der Bedarfsberechnung abzuziehen. ▬ Der errechnete Rest ist gemäß der Empfehlungen ( Tabelle) parenteral zuzuführen. ▬ Gesamtflüssigkeitsmenge für Formula, Protein, Fett und Supplemente errechnen. ▬ Differenz bis zur empfohlenen Flüssigkeitszufuhr als Glukose, 10%ig (12,5%), zuführen. ▬ Zufuhrempfehlungen nach Monitoring an den individuellen Patienten anpassen.
Kcal/kgKG und Tag
Energie
*
*
Orale Vitaminea
Fe-Supplementa
Ca/P-Supplementa *
ml//Tag
ml/kgKG und Tag
Flüssigkeit
MMb/FMb FG-Formula F
Einheit
Lebenstage
Enteral
110
3–6x0,5- 12x Malto 0,5
90
12x 0,5–1
130
3 1 2 Aufbauphase 160
5 160
6 160
7 160
28 160
I 160
II 160
III
120–250
80–160
120–250
Range
X
X
X
X
X
Beginn, wenn enteraler Nahrungsanteil > 75% Beginn, wenn enteraler Nahrungsanteil > 50%
Steigerung um 5-15 ml/kgKG und Tag bis auf 160 ml/kgKG und Tag
150
4
6 mg/kgKG und Tag
Multibionta 1 Gt/500 g KG und Tag, ab Ende parenterale Vit. Gabe
Abschn. 8.2.3 Prophylaxe der Frühgeborenenosteopenie.
504 Anhang
*
g/kg KG und Tag
Spurenelementea
Glukose, 10%ig
Fettlösl. Vitamine
*
*
Wasserlösl. Vit.a
a
mmol/kgKG und Tag
P
mmol/kgKG und Tag
Mg
mmol/kgKG und Tag
mmol/kgKG und Tag
KCl
Ca
p
mmol/kgKG und Tag
NaCl
p
p
1
1
p
p
1
1
{1–3}
{1–2}
1
2
X
X
X
(1)
(1)a
(0,3)
{1–3}
1–2
2
2,5
X
X
X
(1)
(1)a
(0,3)
1–3
2–3
3
2,5
(1)
(1)a
(0,3)
1–3
2–5
3,5
2,5
Ende wenn oraler Nahrungsanteil > 50%
(1)
(1)a
(0,3)
1–3
2–5
3,5
2,5
–
–
–
1–3
2–5
–
–
1–3
2–5
3,5
2,5
X
X
X
1
(1)a
0,3
1–3
2–5
3,5
2,5
KCl, 7,45%ig 1 ml = 1 mmol: K; 1 mmol Cl
NaCl, 5,85%ig 1 ml = 1 mmol; Na; 1 mmol Cl
4–18
X
X
X
(1)
(1)a
Angaben in {} bei sinkenden Plasmaspiegeln im Normalbereich Zufuhr beginnen. Angaben in () nur bei langfristiger parenteraler Ernährung (>7 Tage), oder langfristiger teilparenteraler Ernährung mit einem Nahrungsanteil von <50% zusetzen. MM Muttermilch, FM (Spender-)Fraumenmilch; F Formula; Vit Vitamine. p nur die Perspiratio, keine Elektrolyte ersetzen. I Kurzeit (<48h)-, II mittelfristige (<7 Tage), III langfristige (teil)parenterale Ernährung (>7 Tage). Zusätze, die nur bei Langfristiger parenteraler Ernährung verwandt werden, sind grau unterlegt. a In der Tabelle ist der empfohlene Beginn der Supplementation ersichtlich. Dosierung Text. b Anreicherung mit FM85 oder FMS bei FM oder MM Ernährung. Ab zwei Drittel enteralem Nahrungsanteil und >7. Lebenstag
Vit K (Konakion) 1 mg sc/(iv) an Tag 1/7/28
Inzolen oder Peditrace, 1 ml/kgKG und Tag, Text
Vitalipid 1 ml/kgKG und Tag; Text
Soluvit N 1 ml /kgKG und Tag; Text
Na-Glycero-P 1 ml = 2 mmol Na; 1 mmol P (31 mg)
Ca-Gluconat, 10%ig 1 ml = 0,22 mmol Ca (9 mg)
(0,1–0,5) Mg-Verla, 10%ig 1 ml = 0,315 mmol (7,7 mg)
1–3
2–5
3,5
2,5
Vitamin D 500 IU/Tag ab Ende parent. Vitaminsupplementation (wenn enteraler Nahrungsanteil >50%).
Nach Errechnung des Volumens der anderen Substrate (inkl. Medikamente) Restflüssigkeit als Glukose 10%
p
1
g/kgKG und Tag
Lipide
1
g/kgKG und Tag
Bemerkungen:
Parenteral
Protein
A.2 · Empfehlungen für den Nahrungsaufbau 505
506
Anhang
A.2.2 Für Frühgeborene mit 1.000–1.500 g Geburtsgewicht Zugang: Voraussetzungen:
Periphere Venenverweilkanüle (PVK), Magensonde. Kein weiteres Problem außer Frühgeburtlichkeit. Der Bedarf kann intra- und interindividuell stark variieren. Krankheitsbedingte Bedarfsveränderungen sind in der Empfehlung nicht berücksichtigt. Die Empfehlungen sind ausgelegt für Inkubatortherapie mit einer rel. Luftfeuchte von 80% an den ersten beiden Lebenstagen und langsame Rücknahme auf 60%. Zuschläge/Abschläge: Flüssigkeit +20% bei: Fieber/Fototherapie/small for gestational age (SGA). Flüssigkeit –20 ml/kg KG/Tag bei: Atemunterstützung mit angefeuchteter Atemluft. ▬ Beginn mit Vollparenteraler Ernährung am ersten Vorgehen: Lebenstag wie unter Lebenstag 1 angegeben. ▬ Je nach Zustand des Kindes langsamer Beginn der enteralen Nahrungszufuhr, wenn verfügbar mit Muttermilch (MM), (Spenderfrauenmilch (FM) oder »Frühgeborenenformula« (F). ▬ Nach der Berechnung des Nährstoffbedarfs ist der Anteil der enteralen Ernährung zu ermitteln und von der Bedarfsberechnung abzuziehen. ▬ Der errechnete Rest ist gemäß der Empfehlungen ( Tabelle) parenteral zuzuführen. ▬ Gesamtflüssigkeitsmenge für Formula, Protein, Fett und Supplemente errechnen. ▬ Differenz bis zur Empfohlenen Flüssigkeitszufuhr als Glukose 10% (12,5%) zuführen. ▬ Zufuhrempfehlungen nach Monitoring an den individuellen Patienten anpassen.
*
*
Orale Vitaminea
Fe-Supplementa
Ca/P-Supplementa *
MM /FM FG-Formula F
ml//Tag
Kcal/kgKG und Tag
Energie
b
ml/kgKG und Tag
Flüssigkeit
b
Einheit
Enteral
Lebenstage
3–6x0,5Malto
80
12x 0,5
100 140
4 160
5 160
6 160
7 160
28 160
I 160
II 160
III
110–200
70–140
110–200
Range
X X
X
X
X
Beginn, wenn enteraler Nahrungsanteil > 75% Beginn, wenn enteraler Nahrungsanteil > 50%
Steigerung um 10–20 ml/kgKG und Tag bis auf 12x 0,5–1 160 ml/kgKG und Tag
120
3 1 2 Aufbauphase
6 mg/kgKG/Tag
Multibionta 1 Gt/500 g KG und Tag, ab Ende parenterale Vit. Gabe
Abschn. 8.2.3 Prophylaxe der Frühgeborenenosteopenie..
A.2 · Empfehlungen für den Nahrungsaufbau 507
mmol/kgKG und Tag
mmol/kgKG und Tag
mmol/kgKG und Tag
mmol/kgKG und Tag
mmol/kgKG und Tag
*
*
*
KCl
Mg
Ca
P
Wasserlösl. Vit.a
Fettlösl. Vitaminea
a
NaCl (1)
(1)
1
1
(1–3)
(1–2)
1
2
X
X
X
(1)
(1)
a
(0,3)
1–3
1–3
2
2,5
X
X
X
(1)
(1)
a
(0,3)
1–3
2–3
3
2,5
(1)
(1)
a
(0,3)
1–3
2–5
3,5
2,5
Ende wenn oraler Nahrungsanteil > 50%
(1)
(1)
a
(0,3)
1–3
2–5
3,5
2,5
–
–
–
1–3
2–5
–
–
I
1–3
2–5
3,5
2,5
II
X
X
X
1
(1)
a
0,3
1–3
2–5
3,5
2,5
III
Vitamin D 500 IU/Tag ab Ende parenteraler Vitaminsupplementation ( >50% enteraler Nahrungsaufbau)
Nach Errechnung des Volumens der anderen Substrate (inkl. Medikamente) Restflüssigkeit als Glukose 10%ig (12,5%ig)
p
p
p
p
1
1
1
1
28
4–18
X
X
X
(1)
(1)
a
(0,1–0,5)
1–3
2–5
3,5
2,5
Range
Vit K (Konakion) 1 mg sc/(iv) an Tag 1/7/28
Inzolen oder Peditrace, 1 ml/kgKG und Tag, Text
Vitalipid 1 ml/kgKG und Tag; Text
Soluvit N 1 ml/kgKG und Tag; Text
Na-Glycero-P 1 ml = 2 mmol Na; 1 mmol P (31 mg)
Ca-Gluconat, 10%ig 1 ml = 0,22 mmolCa (9 mg)
Mg-Verla, 10%ig 1 ml = 0,315 mmol (7,7 mg)
KCl, 7,45%ig 1 ml = 1 mmol: K; 1 mmol Cl
NaCl, 5,85%ig 1 ml = 1 mmol; Na; 1 mmol Cl
Angaben in {} bei sinkenden Plasmaspiegeln im Normalbereich Zufuhr beginnen. Angaben in () nur bei langfristiger parenteraler Ernährung (>7 Tage), oder langfristiger teilparenteraler Ernährung mit einem Nahrungsanteil von <50% zusetzen. MM Muttermilch, FM (Spender-)Fraumenmilch; F Formula; Vit Vitamine. p nur die Perspiratio, keine Elektrolyte ersetzen. I Kurzeit (<48h)-, II mittelfristige (<7 Tage), III langfristige (teil)parenterale Ernährung (>7 Tage). Zusätze, die nur bei Langfristiger parenteraler Ernährung verwandt werden, sind grau unterlegt. a In der Tabelle ist der empfohlene Beginn der Supplementation ersichtlich. Dosierung Text. b Anreicherung mit FM85 oder FMS bei FM oder MM Ernährung. Ab zwei Drittel enteralem Nahrungsanteil und >7. Lebenstag
Bemerkungen:
Glukose, 10%ig
g/kgKG und Tag
g/kgKG und Tag
Lipide
Spurenelemente
g/kgKG und Tag
Protein
A.2.2 Für Frühgeborene mit 1.000–1.500 g Geburtsgewicht (Fortsetzung) Lebenstage 3 4 5 Einheit 6 7 1 2 Aufbauphase
Parenteral
508 Anhang
509 A.2 · Empfehlungen für den Nahrungsaufbau
A.2.3 Für Frühgeborene >1.500 g Geburtsgewicht
und kranke Reifgeborene Zugang: Voraussetzungen:
Periphere Venenverweilkanüle (PVK), Magensonde. Enteraler Nahrungsaufbau nur wenn Erkrankung und Zustand des Kindes dieses zulassen. Der Bedarf kann intra- und interindividuell stark variieren. Krankheitsbedingte Bedarfsveränderungen sind in der Empfehlung nicht berücksichtigt. Die Empfehlungen sind ausgelegt für Inkubatortherapie mit einer rel. Luftfeuchte von 80% an den ersten beiden Lebenstagen und langsame Rücknahme auf 60%. Zuschläge/Abschläge: Flüssigkeit +20% bei: Fieber/Fototherapie/small for gestational age (SGA). Flüssigkeit –20 ml/kg KG/Tag bei: Atemhilfe mit angefeuchteter Atemluft. ▬ Beginn mit Vollparenteraler Ernährung am ersVorgehen: ten Lebenstag wie unter Lebenstag 1 angegeben. ▬ Je nach Zustand des Kindes langsamer Beginn der enteralen Nahrungszufuhr wenn verfügbar mit Muttermilch MM oder Formula. ▬ Nach der Berechnung des Nährstoffbedarfs ist der Anteil der enteralen Ernährung zu ermitteln und von der Bedarfsberechnung abzuziehen. ▬ Der errechnete Rest ist gemäß der Empfehlungen ( Tabelle) parenteral zuzuführen. ▬ Gesamtflüssigkeitsmenge für Formula, Protein, Fett und Supplemente errechnen. ▬ Differenz bis zur Empfohlenen Flüssigkeitszufuhr als Glukose 10% (12,5%) zuführen. ▬ Zufuhrempfehlungen nach Monitoring an den individuellen Patienten anpassen.
*
*
*
Ca/P-Supplement
Orale Vitaminea
Fe-Supplementa
Kcal/kgKG und Tag
Energie
ml//Tag
ml/kgKG und Tag
Flüssigkeit
MMb Formula F
Einheit
Lebenstage
Enteral
–
–
–
6x 5–10
60 100 120
4 140
5 160
6 160
7 160
28 160
I
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
160
II 160
III
80–180
60–120
100–180
Range
Nur bei FG. Bei RG nur zur Therapie einer Anämie.
Nur bei FG, wenn enteraler Nahrungsanteil > 50%
Nicht indiziert.
6x Steigerung um 15–30 ml/kgKG und Tag bis auf 10–20 160 ml/kgKG und Tag
80
1 2 3 Aufbauphase
6 mg/kgKG und Tag
Multibionta 1 Gt/500 g KG/Tag, ab Ende parenterale Vit. Gabe
510 Anhang
g/kgKG und Tag
mmol/kgKG und Tag
mmol/kgKG und Tag
mmol/kgKG und Tag
mmol/kgKG und Tag
mmol/kgKG und Tag
*
*
*
g/kgKG und Tag
NaCl
KCl
Mg
Ca
P
Wasserl. Vitaminea
a
Lipided
Spurenelementea
Glukose, 10%ig (12,5%ig)
Parenteral
1–3
1–3c 1–3
2–5
1
1
1–3
2–5
1
2
X
X
X
(1)
(1)a
(0,3)
1–3
2–5
2
2,5
X
X
X
(1)
(1)a
(0,3)
1–3
2–5
3
2,5
(1)
(1)a
(0,3)
1–3
2–5
3,5
2,5
Ende wenn oraler Nahrungsanteil > 50%
(1)
(1)a
(0,3)
1–3
2–5
3,5
2,5
–
–
–
1–3
2–5
–
–
1–3
2–5
3,5
2,5
X
X
X
1
(1)a
0,3
1–3
2–5
3,5
2,5
4–15
X
X
X
(1)
(1)a
(0,1-0,5)
1–3
2–5
3,5
2,5
Vitamin D 500 IU/Tag ab ende Vitaminsupplementation parenterl (ca. 50% enteraler Nahrungsaufbau)
Nach Errechnung des Volumens der anderen Substrate (inkl. Medikamente) Restflüssigkeit als Glukose 10 (12,5) %
2–5
1
1
2–5
1
1
Vit K (Konakion) 1 mg sc/(iv) an Tag 1/7/28
Inzolen oder Peditrace, 1 ml/kgKG und Tag, Text
Vitalipid 1 ml/kgKG und Tag; Text
Soluvit N 1 ml /kgKG und Tag; Text
Na-Glycero-P 1 ml = 2 mmol Na; 1 mmol P (31 mg)
Ca-Gluconat, 10%ig 1 ml = 0,22 mmolCa (9 mg)
Mg-Verla, 10%ig 1 ml = 0,315 mmol (7,7 mg)
KCl, 7,45%ig 1 ml = 1 mmol: K; 1 mmol Cl
NaCl, 5,85%ig 1 ml = 1 mmol; Na; 1 mmol Cl
Angaben in {} bei sinkenden Plasmaspiegeln im Normalbereich Zufuhr beginnen. Angaben in () nur bei langfristiger parenteraler Ernährung (>7 Tage), oder langfristiger teilparenteraler Ernährung mit einem Nahrungsanteil von <50% zusetzen. MM Muttermilch, FM (Spender-)Fraumenmilch; F Formula; Vit Vitamine; FG Frühgeborene; NG Neugeborene; RG Reifgeborene. p nur die Perspiratio, keine Elektrolyte ersetzen. I Kurzeit (<48h)-, II mittelfristige (<7 Tage), III langfristige (teil)parenterale Ernährung (>7 Tage). Zusätze, die nur bei Langfristiger parenteraler Ernährung verwandt werden, sind grau unterlegt. a In der Tabelle ist der empfohlene Beginn der Supplementation ersichtlich. Dosierung Text. b Anreicherung mit FM85 oder FMS bei FM oder MM Ernährung. Ab zwei Drittel enteralem Nahrungsanteil und >7. Lebenstag c Zufuhr nach erster Miktion und Kaliumspiegeln im Normalbereich beginnen. d Bei NG mit unkompliziertem enteralen Nahrungsaufbau kann im Einzelfall auf eine parenterale Protein- und Fettzufuhr verzichtet werden.
Bemerkungen:
Fettlösl. Vitamine
g/kgKG und Tag
Proteind
A.2 · Empfehlungen für den Nahrungsaufbau 511
512
Anhang
A.2.4 Für Kleinkinder, Jugendliche und Erwachsene Zugang: Voraussetzungen:
Periphere Venenverweilkanüle (PVK), (Magensonde). Nahrungsaufbau nur wenn Erkrankung und Zustand des Kindes dieses zulassen. Der Bedarf kann intraund interindividuell stark variieren. Krankheitsbedingte Bedarfsveränderungen sind in der Empfehlung nicht berücksichtigt. Zuschläge/Abschläge: Flüssigkeit +20% bei: Fieber. Flüssigkeit –20 ml/ kg KG/Tag bei: Respiratortherapie mit angefeuchteter Atemluft. ▬ Beginn mit vollparenteraler Ernährung am ersVorgehen: ten Lebenstag wie unter Lebenstag 1 angegeben. ▬ Je nach Zustand des Kindes schrittweiser Aufbau der altersangepassten enteralen Nahrungszufuhr. ▬ Nach der Berechnung des Nährstoffbedarfs ist der Anteil der enteralen Ernährung zu ermitteln und von der Bedarfsberechnung abzuziehen. ▬ Der errechnete Rest ist gemäß der Empfehlungen ( Tabelle) parenteral zuzuführen. ▬ Gesamtflüssigkeitsmenge für Formula, Protein, Fett und Supplemente errechnen. ▬ Differenz bis zur empfohlenen Flüssigkeitszufuhr als Glukose, 10%ig (12,5%) zuführen. ▬ Zufuhr nach Verlusten und Monitoring auf den individuellen Patienten anpassen.
Erw.
(1)c
(1)c
(1)c (1) (1)
(1)c
(0,3)
1–3
2–5
1,0
1,0
8
(1)
(1)c
(0,3)
1–3
2–5
1,0
1,0
6–8
Nach Errechnung des Volumens der anderen Substrate (inkl. Medikamente) Restflüssigkeit als Glukose in geigneter Konzentration zuführen
1 ml = 2 mmol Na; 1 mmol P (31mg)
1 ml = 0,22 mmolCa (9 mg)
1 ml = 0,315 mmol (7,7 mg)
1 ml = 1 mmol: K; 1 mmol Cl
1 ml = 1 mmol; Na; 1 mmol Cl
Bei ältern pädiatrischen Patienten kann es notwendig sein höhere Glukosekonzentrationen zu verwenden. Bei >15% ZVK-Anlage erwägen.
Inzolen oder Peditrace, 1ml/kgKG und Tag, (max. 10ml) Text
Vitalipid 1ml/kgKG und Tag; (max. 10 ml) Text
Soluvit N 1ml /kgKG und Tag; (max. 10 ml) Text
Na-Glycero-P
Ca-Gluconat, 10%ig
Mg-Verla, 10%ig
KCl, 7,45%ig
NaCl, 5,85%ig
Als 20%ige Fettlösung. Mit 1g/kgKG und Tag beginnen und in 1g/kgKG und Tag Schritten auf die max. Dosierung für das Lebensalter steigern.
Als 10%iger Aminosärelösung. Mit 1g/kgKG und Tag beginnen und in 1g/kgKG und Tag Schritten auf die max. Dosierung für das Lebensalter steigern.
Mit 10%iger Glukoselösung beginnen und Zufuhr langsam nach Blutzuckserspiegeln in den Zielbereich steigern.
Zusätze, die nur bei langfristiger (teil-)parenteraler Ernährung (>7 Tage) verwandt werden, sind grau unterlegt (bei enteralem Nahrungsanteil <50%). a Erstes Lebensjahr ohne Neonatalperiode. b Zufuhr nach erster Miktion und Kaliumspiegeln im Normalbereich beginnen. c In der Tabelle ist der empfohlene Beginn der Supplementation ersichtlich. Dosierung Text.
Glukose, 10% (12,5–60%ig)
X
(1)
(0,3)
1–3
2–5
1,0
1,0
8
35–60
Spurenelementec
(1)
(0,3)
1–3
2–5
1–2
1,0
10
40–60
X
g/kgKG und Tag
(1)c (1)
(1)c
(1)
(0,3)
1–3
2–5
1–2
1,5
12
45–60
Fettlösliche Vitaminec
mmol/kgKG und Tag
mmol/kgKG und Tag
Ca
P
(0,3)
(0,3)
1–3
2–5
2–3
1,5
12–15
50–60
X
mmol/kgKG und Tag
Mg
1–3
2–5
2–3 (3,5)
1,5–2,5
8–15
60–70
40–70
Wasserlösliche Vitaminec
mmol/kgKG und Tag
mmol/kgKG und Tag
g/kgKG und Tag
Lipide
NaCl
g/kgKG und Tag
Protein
KClb
g/kgKG und Tag
Glukose
60–90
45–70
60–120
11–14 15–17 50–70
Der Anteil der enteralen Nahrung ist zu ermitteln und vom parenteralen Teil der Ernährung abzuziehen. Bei längerfristiger (teil-)parenteraler Ernährung sollten die einzelnen Bestandteile der enteralen Nahrungsanteils regelmäßig errechnet werden (Kohlenhydrat-, Protein- und Lipidgehalt, Energie und Flüssigkeitsanteil).
6–10 60–80
ml/kgKG und Tag g/kgkg und Tag kcal/kgKG und Tag
3–5 80–100
Kcal/kgKG und Tag
2
Energie
1a
ml/kgKG und Tag
Flüssigkeit
Enteral
Parenteral
100–140 80–120
Einheit
Lebensjahr
A.2 · Empfehlungen für den Nahrungsaufbau 513
Tag 6
Tag5
Tag 4
Tag 3
Tag 2
Tag 1
A.3
160
160
FG1-1,5kgkG
NG ≥1,5kgkG
140
NG ≥1,5kgkG
160
160
FG<1000gkG
160
FG1–1,5kgkG
120
NG ≥1,5kgkG
FG<1000gkG
150
140
FG<1000gkG
100
NG ≥1,5kgkG
FG1–1,5kg
130
120
FG<1000gkG
80
NG ≥1,5kgkG
FG1–1,5kgkG
110
100
FG<1000gkG
60
NG >1,5kgkG
FG1–1,5kgkG
90
80
FG<1000gkG
[ml/ kgKG und Tag]
FG1–1,5kgkG
Geburtsgewicht
60–120
70–140
80–160
[Kcal/ kgKG und Tag]
Bedarf Flüss. a Energie
7–16
7–14
7–14
2,5
2,5
2,5
2,5
2,5
6–12
7–15
2,5
6–12
2,0
2,0
5–10
6–12
2,0
5–10
1,0
5–9
5–10
1,0
1,0
5–9
0
1,0
4–8
4–10
1,0
4–8
0
1,0
4–8
4–10
1,0
4–8
3,0
3,0
3,0
2,0
2,0
2,0
1,0
1,0
1,0
0
1,0
1,0
0
1,0
1,0
0
1,0
1,0
[g/kgKG und Tag]
2–5
2–5
2–5
2–5
2–5
2–5
2–5
2–5
{2–5}
2–5
{2–5}
0
2–5
0
0
2–5
0
0
1–3
1–3
1–3
1–3
1–3
1–3
1–3
1–3
{1–3}
1–3
{1–3}
0
1–3
0
0
1–3
0
0
(0,3)
(0,3)
(0,3)
(0,3)
(0,3)
(0,3)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
[mmol/kgKG und Tag]
(1)
(1)b
(1)
(1)
(1)b (1)b
(1)
(1)
(1)b (1)b
(1)
(1)b
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
[1ml/kgKG und Tag]
Infusionsbedarf Bedarf bei Vollparenteraler Ernährung Glua AS Fett NaCl KClc Mg NaCa Solu- VitaGlycevit lipid ro-P
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
SE
8/6x30–60 MM/ Pre
12x4,0 MM/H0
12x2,0 MM/H0
8/6x25–50
12x3,0 MM/H0
12x1,5 MM/H0
8/6x20-40 MM/ Pre
12x2,0 MM/H0
12x1,0 MM/HO
8/6x15–30 MM/ Pre
12x1,0 MM/H0
12x0,5 MM/H0
8/6x10–20MM/ Pre
12x0,5 MM/H0
6x0,5 MM/H0
8/6x5–10 MM/ Pre
0
0
[ml/Tag]
Enteral Nahrung Vit Fe Ca/ P
Zusammenfassung: Nahrungsaufbau Früh- und kranke Reifgeborene
Vit K
Vit K
Vit K
Sonstig
514 Anhang
160
160
FG1–1,5kgkG
NG ≥1,5kgkG
160
160
160
FG1–1,5kgkG
NG ≥1,5kgkG
FG<1000gkG
160
160
NG ≥1,5kgkG
FG<1000gkG
160
160
NG ≥1,5kgkG
FG1-1,5kgkG
60–120
70–140
80–160
60–120
70–140
80–160
60–120
70–140
80–160
[Kcal/ kgKG und Tag]
7–16
7–16
7–16
7–16
7–16
7–16
7–16
7–16
7–16
2,5
2,5
2,5
2,5
2,5
2,5
2,5
2,5
2,5
3,5
3,5
3,5
3,5
3,5
3,5
3,5
3,5
3,5
2–5
2–5
2–5
2–5
2–5
2–5
2–5
2–5
2–5
1–3
1–3
1–3
1–3
1–3
1–3
1–3
1–3
1–3
(0,3)
(0,3)
(0,3)
(0,3)
(0,3)
(0,3)
(0,3)
(0,3)
(0,3)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)b (1)
(1)
b
(1)
(1)
(1)b
(1)
(1)b (1)
(1)
(1)b
(1)b
(1)
(1)
(1)b
(1)
(1)b (1)b
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
Infusionsbedarf Bedarf bei Vollparenteraler Ernährung Glua AS Fett NaCl KCl Mg NaCa Solu- VitaGlycelipid vit ro-P [g/kgKG und [mmol/kgKG und Tag] [1ml/kgKG Tag] und Tag]
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
(1)
SE
X
≥1500g 8 MZ ≥2000g 6 MZ
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Vit Fe Ca/ P
<1500g 12 MZ
N Mahlzeiten:
Verteilt auf
Ziel: 160 ml/ kgKG und Tag
8/6x35–70
12x5,0 MM/Pre
12x2,5 MM/Fo
[ml/Tag]
Enteral Nahrung
Vit K
[F] Vit K
[F] Vit K
Vit K
[F] Vit K
[F] Vit K
Vit K
[F] Vit K
[F] Vit K
Sonstig
Flüssigkeit: +20% bei: Fieber Fototherapie, »small for gestational age« (SGA); –20 ml/kg KG/Tag bei: Respiratortherapie/N-CPAP mit angefeuchteter Atemluft. FG Frühgeborene; NG Neugeborene; [F] Fauenmilchfortifier. Zusatz nur, wenn enteraler Nahrungsanteil mindestens 75% und Lebensalter >7. Lebenstag; SE Spurenelementzusatz; Fo Frühgeborenenformula. Angaben in () nur bei langfristiger (7 Tage) totalparenteraler oder teilparenteraler Ernährung mit einem enteralen Anteil unter 50% zusetzen. Angaben in {} bei sinkenden Plasmaspiegeln Na/K-Zusatz beginnen. a Als Glukoselösung, 10%ig (12,5%ig) zuführen. b Regelmäßig nur bei ZVK zusetzen. Über periphere Venenverweilkanüle besonderes Vorgehen beachten ( Kap. 7.2). c Erst nach erster Miktion zusetzen.
Der Bedarf für Nahrungssubstrate kann stark variieren und muss auf den individuellen Patienten angepasst werden! Angaben für eutrophe Neugeborene. Vom Nährstoffbedarf ist der Anteil der enteralen Ernährung abzuziehen. Das Ergebnis ergibt den parenteralen Anteil.
! Cave
Tag 28
Tag 14
Tag 7
[ml/ kgKG und Tag]
Geburtsgewicht
Bedarf Flüss. a Energie
A.3 · Zusammenfassung: Nahrungsaufbau 515
Name:
Vorname:
Datum Lebenstag [n] Korr. Alter [SSW] Akt Gewicht [g] Differenz z.Vortag [±g] Ausfuhr in [ml/Tag] Ausfuhr in [ml/kgKG und Tag] Flüssigkeitsbedarf [ml/Tag] Abzüge/Zuschläge [±%] Tagesflüssigkeitsbedarf [ml/Tag] Nahrungsart [MM/FM/Formula] Anzahl Mahlzeit/ml/MZ Tagesvolumen [ml/Tag] Proteingehalt/Tag [g] Lipidgehalt/Tag [g] Supplemente enteral [ml] Supplemente enteral [ml] Bedarf Proteine/Tag [g/kgKG und Tag] Gesamtvolumen/Tag (Bedarf × Gewicht) IV-Prot.-Anteil (Prot. Gesamtbed – Enteral) Volumen AS-Lösung, 10%ig [ml] Bedarf Lipide/Tag [g/kgKG und Tag] Gesamtvolumen/Tag (Bedarf × Gewicht) IV-Lipidanteil (Lipide Gesamt – Enteral) Volumen Lipidemulsion, 20%ig [ml]
000070
B Verordnungsbogen
Urin
Flüss.B.
Enteral
Proteine
Lipide
000070
Geb.Gewicht: 000
Blatt Nr.: 0
516 Anhang
Elektrolyte
Zusätze
Vol.
Glukose
Kcal.
V
Energiegehalt Kohlenhydrate Proteingehalt Lipidgehalt
[kcal/100 ml]: [g/100 ml]: [g/100 ml]: [g/100 ml]:
Muttermilch(MM)*
71 7,1 1,1 4,0
Formula
NaCl, 5,85%ig [ml] 1 ml ≈ 1 mmol KCl, 7,45%ig [ml] 1 ml ≈ 1 mmol Ca-Gluconat, 10%ig [ml] 1 ml ≈ 0,22 mmol Mg-Verla, 10%ig [ml] 1 ml ≈ 0,32 mmol Na-Glycero-Phosphat [ml] 1 ml ≈ 1 mmol P+2 mmol Na Wasserl. Vit. [ml] Fettl. Vit. [ml] Spurenelemente [ml] Medikamentenvolumen [ml] Restvolumen [ml/Tag] Glukose, 5% [ml] Glukose, 10%ig [ml] Glukose % [ml] Glukosezufuhr/Tag [g/Tag] Glukosezufuhr in [mg/kgKG und min] Kalorien/Tag [kcal/Tag] Kalorien/kgKG und Tag [kcal/kgKG und Tag] Geschwindigkeit Mischinfusion [ml/h] Geschwindigkeit Lipidemulsion [ml/h] Kürzel Arzt +Fortifier
Kopiervorlage Vorordnungsbogen Jochum
* MM Werte nach: Zuppinger, K.: Berner Datenbuch der Pädiatrie. G. Fischer Verlag Stuttgart, 4. Aufl. 1992, s. 161.
B · Verordnungsbogen 517
518
Anhang
C Referenzwerte M. Schmitt Referenzwerte sind Bestandteil eines jeden Lehrbuches, obwohl Messwerte prinzipiell laborspezifisch und methodenabhängig differieren und daher nicht allgemein gültig sind. So kann auch die folgende Zusammenstellung nur als grober Anhalt dienen und von den lokalen »Normwerttabellen« abweichen. Die Tabelle bezieht vorwiegend Werte ein, die für das Thema dieses Buches wichtig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist bewusst zur besseren Orientierung vereinfacht. So wird z. B. nicht bei jedem Wert auf alle Alterstufen eingegangen. Die Quellen der Daten finden sich im Literaturverzeichnis ( unten). Parameter
Material
ACTH(Adrenokortikotropes Hormon) ADH (Antidiuretisches Hormon)
EDTA-Plasma (gefroren) EDTA-Plasma (gefroren)
AFP (α-Fetoprotein)
Albumin
Alkalische Phosphatase
α1-Antitrypsin {Neph.} α1-Glykoprotein α1-Mikroglobulin
Referenzbereich
1. Lebensw. 100–140 pg/ml 9–46 pg/ml Bei Plasmaosmolalität <280 mosmol/kg H2O: <1,5 pg/ml 290–300 mosmol/kg H2O: 2–12 pg/ml Serum 2–4 Wo: <9452 ng/ml 1–2 Mo: <323 ng/ml 3–5 Mo: <88 ng/ml >6 Mo; < 13 ng/ml Serum 1 T–1 Mo: 25–44 g/l 1 J–5 J: 38–54 g/l >5 J: 39–50 g/l Urin 0,3–14,5 mg/mmol Kreatinin Liquor 139–246 mg/l Serum 1–9 J: 145–420 U/l >9 J: 130–560 U/l >18 J: 38–126 U/l Serum 0,88–1,74 g/l Serum 0,4–1,5 g/l 2. Morgenurin <1,27 g/mol Kreatinin
519 C · Referenzwerte
Parameter
α2-Makroglobulin
Ammoniak
Amylase (α-Amylase)
Material
Referenzbereich
24-h-Sammelurin 2. Morgenurin 24-h-Sammelurin EDTA-Plasma (gekühlt)
<20 mg/24 h
Urin Zitratplasma
Neugeborene: 64–107 µmol/l Kinder u. Säuglinge: 21-50 µmol/l Erwachsene: 9–33 µmol/l Neugeborene: 0–44 U/l Erwachsene: 0–88 U/l 0–1150 U/24 h Neugeborene: 1,36–2,91 mmol/l Bis 15 J: 1,03–2,1 mmol/l Erwachsene: 0,87–1,45 mmol/l 10–33 mmol/24 h 26–36 s
Zitratplasma
70–125%
Serum Serum, lichtgeschützt
<2,2 mg/l Säuglinge: 0,37–1,3 µmol/l Kinder: 0,74–2,42 µmol/l Erwachsene: 1,12–3,72 µmo/l
Serum
Urin Anorganisches Phosphat Serum
APTT (aktivierte partielle Thromboplastinzeit) AT III (Antithrombin III) β2-Mikroglobulin β-Carotin
<0,79 g/mol Kreatinin <10 mg/24 h
Bilirubin Direkt Gesamt
Serum
Blei
Vollblut Urin
0–7 µmol/l 0–22 µmol/l Neugeborene (0–1 T): 0–150 µmol/l 1–2 T.: 22–193 µmol/l 2–3 T.: 12–217 µmol/l 4–6 T.: 2–216 µmol/l <48 mcmol/l <0,19 µmol/l
520
Anhang
Parameter
Material
Blutbild Erythrozyten
EDTA-Blut 1 Wo: 3,9–5,1×1012/l 6 Mo: 3,1–3,8×1012/l 6 J: 3,9–4,6×1012/l 1 Wo: 42–54% 6 Mo: 29–35% 6 J: 34–37% 1 Wo: 13,5-17,5 g/dl 6 Mo: 9,5–11,5 g/dl 6 J: 11,5–12,5 g/dl 1 Wo: 28–34 pg/Zelle 6 Mo: 25–30 pg/Zelle 6 J: 24–27 pg/Zelle 1 Wo: 28–33 g/dl 6 Mo: 30–33 g/dl 6 J: 31–34 g/dl 1 Wo: 88–107 fl 6 Mo: 74–91 fl 6 J: 75–81 fl 1 Wo: 5–21/µl 6 Mo: 6–17,5/µl 6 J: 5–14,5/µl 1 Wo: 60–680/nl 6 Mo: 100–500/nl 6 J: 150–350/nl
Hämatokrit (HKT)
Hämoglobin (Hb)
MCH (»mean corpuscular hemoglobin«) MCHC (»mean corpuscular haemoglobin concentration«) MCV (»mean corpuscular volume«) Leukozyten
Thrombozyten
Blutgase (Blutgasanalyse, BGA) Aktuelles Bikarbonat Basenüberschuss O2-Sättigung pCO2 pH pO2 C1-Esterase-Inhibitor
Referenzbereich
Heparinisierte Kapillare oder Spritze
Serum
21–26 mmol/l –2 bis 3 mmol/l 94–98% 4,66–5,98 kPa 7,35–7,45 9,98–13,3 kPa 174–214 mg/l
521 C · Referenzwerte
Parameter
Material
Referenzbereich
C3-Komplement C4-Komplement Chlorid Cholesterin Cholinesterase CK (Kreatinkinase)
Serum Serum Serum Urin Serum Serum Serum
CK-MB Coeruloplasmin
Serum Serum
CRP (C-reaktives Protein) D-Dimer Differenzialblutbild Basophile Eosinophile Lymphozyten Monozyten Neutrophile Digitoxin Digoxin Eisen (Fe) Elastase Endomysiumantikörper (IgA/G) Ferritin
Serum Zitratplasma
0,79–1,52 g/l 0,16–0,38 g/l 98–111 mmol/l 0,08–0,2 mmol/kg KG und Tag 0,5–5,2 mmol/l (110–230 mg/dl) 4.600–12.000 U/l Neugeborene: <712 U/l <12 J: <247 U/l Erwachsene: 30–159 U/l <25 U/l (<6% der Gesamt-CK) Neugeborene: 80–280 mg/l Säuglinge: 270–670 mg/l Kinder: 300–580 mg/l <5,1 mg/l Neugeborene: <1,6 mg/l 64–247µg/l
Serum Serum Serum Stuhl Serum
0–1% (0,0–0,1/nl) 1–8% (0,0–0,5/nl) 17–43% (1,1–2,8/nl) 2–12% (0,2–0,9/nl) 43–72% (1,8–7,2/nl) 10–30 µg/l 0,8–2,0 ng/ml 6,6–32,4 µmol/l >200 µg/g Stuhl <1:10
Fibrinogen
Serum
Zitratplasma
5. T: 110–503 µg/l Säuglinge: 4–405 µg/l Erwachsene (männlich): 30–400 µg/l Erwachsene (weiblich): 13–150 µg/l 1,8–3,5 g/l
522
Anhang
Parameter
Material
Referenzbereich
Folsäure Gallensäuren Gastrin
Serum Serum Serum
γGT (γ-Glutamyltransferase) GLDH (Glutamatdehydrogenase) Gliadinantikörper (IgA/G) Glukose
Serum Serum
4,2–19,9 µg/l 1,8–3,2 mg/l Neugeborene: 20–300 pg/ml Kinder: <125 pg/ml Neugeborene: 13–147 U/l Kinder: 7,8–49 U/l <5U/l
Serum
<1:10
Serum
Neugeborene: 2,2–3,6 mmol/l (45–100 mg/dl) Erwachsene: 3,3–5,8 mmol/l (60–105 mg/dl) 0–2,2 mmol/24 h 2,8–4,4 mmol/l Säuglinge: 20–65 U/l Kinder: 1–35 U/l Säuglinge: 1–54 U/l Kinder: 1–30 U/l Blutbild 0,3–2 g/l 38–488 µmol/l (0,6–8,20 mg/dl) 30-101 µmol/kg KG und Tag (5–17 mg/kg KG und Tag) 1,1–7,2 mmol/l (6,6–41 mg/dl) 10–335 mmol/24 h 0,6–20 g/Tag 4–6% vom Gesamt-Hb Neugeborene: 0,34–1,37 mmol/l (13–53 mg/dl) Kinder: 0,57–2,3 mmol/l (22–89 mg/dl) 0,45–2,76 µg/ml
Urin Liquor Serum
GOT (Glutamat-Oxalacetat-Transaminase) GPT (Glutamat-Pyruvat- Serum Transaminase) Hämatokrit (HKT) Haptoglobin Serum Harnsäure Serum Urin Harnstoff HbA1c HDL-(High-densitylipoproteins-)Cholesterin Homocystein
Serum Urin EDTA-Blut Serum
Serum
523 C · Referenzwerte
Parameter
Material
Referenzbereich
Homovanillinsäure
Urin
5-Hydroxyindolessigsäure Immunglobuline IgE (gesamt)
Sammelurin
Säuglinge: >32,6 mg/g Kreatinin 2–4 J: <22 mg/g Kreatinin 5–9 J: >15,1mg/g Kreatinin >9 J: <12,8 mg/g Kreatinin 2–9 mg/24 h
Serum
IgG
IgM Interleukin-6 Kalium Kalzium
Serum Serum Serum Urin Serum
Urin
Kortisol 8 Uhr 24Uhr Kreatinin
<0,85 kU/l 0–0,5 J: <2,89 kU/l 0,5–2 J: <7,63 kU/l 2–5 J: <25,4 kU/l 5–8 J: <28,5 kU/l 8–12 J: <30,5 kU/l 12–16 J: <33,9 kU/l Säuglinge: 1,8–10 g/l 1–6 J: 3–13 g/l Erwachsene: 6–16 g/l 0,1–3 g/l <9,7 pg/ml 3,6–5,0 mmol/l 1,0–4,2 mg/kg KG und Tag Frühgeborene: 1,5–2,5 mmol/l Kinder: 2,0–2,6 mmol/l Erwachsene: 2,1–2,7 mmol/l <0,03–0,19 mmol/kg KG und Tag Neugeborene: 6–30 mmol/g Kreatinin
Serum
Urin Serum Urin
80–250 µg/g 0–50 µg/g 7–25 µg/g Kreatinin 25–96 µmol/l (0,28–1,0 mg/dl) mg/kg KG und Tag = 15,4+(0,46×Lebensalter in J)
524
Anhang
Parameter
Material
Referenzbereich
Kreatinin-Clearance
Serum/ Sammelurin Serum
95–160 ml/min
Kupfer
0–6 Mo: 20–70 µg/dl 6 J: 90–190 µg/dl Urin <30 µg/Tag Laktat Serum 0,5–2,2 mmol/l (5–20 mg/dl) LDH (Laktatdehydroge- Serum Neugeborene: 160–1.500 U/l nase) Säuglinge: 150–360 U/l Kinder: 150–300 U/l LDL- (Low-density-lipo- Serum Neugeborene: 45–117 mg/dl proteins-)Cholesterin (1,16–3,03 mmol/l) 5–18 J: 59–217 mg/dl (1,53–5,61 mmol/l) Lipase Serum 23–128 U/l Lipoprotein a, (LP a) Serum <300 mg/l Magnesium Serum 0,5–1,05 mmol/l Urin 0,04-0,22 mmol/kg KG und 24 h Mangan EDTA-Blut Neugeborene: 0,44–1,75 µmol/l Kinder: 0,15–0,38 µmol/l Myoglobin Serum <35 ng/ml Natrium Serum Frühgeborene: 130–140 mmol/l Kinder: 135–148 mmol/l Urin 0,02–0,2 mmol/kg KG/24 h Osmolalität Serum Neugeborene: 265–305 mosmol/ kg H2O Erwachsene: 280–300 mosmol/ kg H2O Urin 50–1200 mosmol/kg H2O Parathormon, intakt EDTA-Plasma, 15–65 ng/l Serum Phenylalanin Serum Frühgeborene: 2,0–7,5 mg/dl Reifgeborene: 1,2–3,4 mg/dl Kinder: 0,8–1,8 mg/dl Urin 0–17 mg/24 h
525 C · Referenzwerte
Parameter
Material
Referenzbereich
Phosphat
Serum
Protein C Protein S Pyruvat Retikulozyten
Zitratplasma Zitratplasma Vollblut EDTA-Blut
Selen SerumproteinElektrophorese Albumin α1-Globulin α2-Globulin β-Globulin γ-Globulin T3 (Trijodthyronin) T3 frei T3 gesamt T4 (Thyroxin) T4 frei T4 gesamt Thyreoglobulin Thyreoglobulin(TG-)Antikörper Thyreoperoxidase(TPO-)Antikörper TPZ (Thromboplastinzeit) Quick-Wert INR (»international normalized ratio«) Transferrin Triglyzeride TSH (thyreoidstimulierendes Hormon)
Serum Serum
Neugeborene: 1,36–2,91 mmol/l Kinder: 1,03–2,1 mmol/l 70–140% 58–127,5% 0,3–0,9 mg/dl (0,03-0,1 mmol/l) Neugeborene: 0,1–6% Erwachsene: 0,5–1,5% 10–110 µg/l (0,13-1,4 µmol/l)
31,3–52,8 g/l (49,7–64,4%) 3,0–8,3 g/l (4,8–10,1%) 5,4–12,4 g/l (8,5–15,1%) 4,9–10,7 g/l (7,8–13,1%) 6,6–16,0 g/l (10,5–19,5%) Serum 2,8–7,1 pmol/l 1,3–3,1 nmol/l Serum
Serum Serum
13,0–23,0 pmol/l 66–181 nmol/l 1,7–55,6 µg/l <34 IU/ml
Serum
<12 IU/ml
Zitratplasma 70–120% 0,8–1,2 Serum Serum Serum
1,4–3,36 g/l <2,3 mmol/l (<200 mg/dl) 0,27–4,2 mU/l
526
Anhang
Parameter
Material
Referenzbereich
TZ (Thrombinzeit) Urin-pH Urobilinogen VMS (Vanillinmandelsäure)
Zitratplasma Urin Urin Urin
16–21 s 5,0–8,5 <3,2 mmol/l Säuglinge: >18,8 mg/g Kreatinin 2–4 J: <11 mg/g Kreatinin 5–18 J: >8,3 mg/g Kreatinin
Vitamine A
Serum, lichtgeschützt EDTA-Plasma, B1 lichtgeschützt B12 Serum Serum, lichtB2 geschützt, gefroren EDTA-Plasma, B6 lichtgeschützt 1,25-OH-D3 Serum Serum 25-OH-D3 E Serum, lichtgeschützt Von-Willebrand-Faktor Zitratblut Zink Serum Urin
0,2–0,72 mg/l (0,7–2,51 µmol/l) 0,53–0,79 µg/l (0,16–0,23 µmol/l) 130–785 ng/l (96–579 pmol/l) 0,37–1,37 µg/l (98–363 µmol/l)
8,6–22,6 µg/l (31–83 nmol/l) 25–45 pg/ml (60–108 pmol/l) 3,5–30 ng/ml (8–72 nmol/l) 5–20 mg/dl (11,6–46,4 µmol/l) 70–150% 70–150 µg/dl (10,7–22,9 µmol/l) 10,1–95,9 mg/mol Kreatinin (0,15–1,47 mmol/mol Kreatinin)
T Tag(e), Wo Woche(n), Mo Monat(e), J Jahr(e)
Literatur Behrman RE, Kliegman RM, Jensen HB (2004) Nelson textbook of pediatrics. Saunders, Philadelphia Lentze MJ, Schaub J, Schulte FJ, Spranger J (Hrsg) (2001) Pädiatrie: Grundlagen und Praxis. Springer, Berlin Heidelberg New York Siberry GK, Iannone R (eds) (2000) The Harriet Lane handbook: a manual for pediatric house officers, 15th edn. Mosby, St. Louis Thomas L (2000) Labor und Diagnose. TH-Books, Frankfurt/M
527 D · Hilfreiche Formeln und Tabellen
D Hilfreiche Formeln und Tabellen M. Schmitt Anionenlücke [Na+]–([HCO3–]+[Cl–]); normal: < 12 mmol/l BMI (Bodymass-Index)=Körpergewicht [kg]/Körperlänge2 [m2] Alter
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
95 Männ- 18,3 19,0 20,0 21,5 23,1 24,6 25,7 26,5 27,1 27,8 28,7 29,8 30,1 Perz. lich Weib- 18,5 19,3 20,4 21,7 23,0 24,5 26,1 27,5 28,6 29,3 29,6 29,9 31,3 lich
Osmolarität im Serum: 2×Na + Glukose [mmol/l]+Harnstoff [mmol/l] 2×Na + Glukose [mg/dl]/18+Harnstoff [mg/dl]/2,8 Flüssigkeitsdefizit: Gewicht vor Beginn der aktuellen Erkrankung – aktuellem Gewicht Na-Defizit (mmol) = Flüssigkeitsdefizit (l)×Prozent der EZF/100×Na (mmol/l) EZF (Extrazellulärflüssigkeit): bei Anamnese <3 Tage Flüssigkeitsverlust 80% EZF >3 Tage Flüssigkeitsverlust 60% EZF K-Defizit (mmol) = Flüssigkeitsdefizit. (l)×Prozent/100 der IZF×K IZF (entspr. K EZF×40 = ca. 150 mmol/l) IZF (Intrazellulärflüssigkeit): bei Anamnese <3 Tage Flüssigkeitsverlust 20% EZF >3 Tage Flüssigkeitsverlust 40% EZF mmol entspricht Masse [mg]/Molekulargewicht
528
Anhang
Medikamentenberechnung: 1 mg/kg KG/h=16,7 µg/kg KG/min entspr. 50 mg/kg KG auf 1 ml/h für Perfusoren 1 mg/kg KG in 50 ml entspr. 0,02 mg/kg KG/ h=0,33 µg/kg KG/min mg/kg KG in 50 ml=3×Dosis [µg/kg KG/min]/ Infusionsgeschwindigkeit [ml/h] mg/kg KG in 50 ml = 50×Dosis [mg/kg KG/h]/ Infusionsgeschwindigkeit [ml/h] Körperoberfläche: Näherungsformel und Tabelle m2=Quadratwurzel (Größe [cm]×Gewicht [kg]/3.600) Alter
Neug 3 Mo
Gewicht 3,5 [kg] Oberfläche 0,23 [m2] % Erw.12 Dosis
6 Mo 1 J
3J
7J
10 J
12 J
14 J
Erw Erw
6,0
7,5
10
14
22
30
38
50
60
70
0,31
0,38
0,47 0,61 0,86 1,1
1,3
1,5
1,65
1,8
15
20
25
75
80
100
100
Gewicht (Näherungsformel)
< 9 Jahre: > 9 Jahre:
33
50
60
Gewicht [kg] entspr. Alter [Jahre]×2+9 Gewicht [kg] entspr. Alter [Jahre]×3
529 E · Adressensammlung zum Thema Diätetik
E Adressensammlung zum Thema Diätetik und Ernährung M. Lange
Informations- und Dokumentationsstellen aid infodienst Verbraucherschutz, Ernährung, Landwirtschaft e.V. Friedrich-Ebert-Straße 3, 53177 Bonn Tel.: 0228-84990 Internet: http://www.aid.de/ E-Mail:
[email protected] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Ostmerheimer Str. 220, 51109 Köln Tel.: 0221-89920, Fax: 0221-8992300 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.bzga.de/ Diätverband e.V. Godesberger Allee 142–148, 53175 Bonn Tel.: 0228-308510, Fax: 0228-3085150 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.diaetverband.de/ Informations- und Dokumentationsstelle (IUD) Institut für Ernährungswissenschaft Justus-Liebig-Universität Goethestr. 55, 35390 Gießen Tel.: 0641-9939101, Fax: 0641-75517 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.nutriinfo.de/
530
Anhang
Internationale Gesellschaften und Verbände ESPGHAN European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition President Prof. Michael Lentze Zentrum für Kinderheilkunde Adenauerallee 119, 53113 Bonn Tel.: 0228-2873213, Fax: 0228-2873325 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.meb.uni-bonn.de/kinder/espghan ESPEN European Society of Parenteral and Enteral Nutrition c/o MCI Suisse SA 75, rue de Lyon, 1211 Geneva 13 Schweiz Tel.: +41-22-3399580, Fax: +41-22-3399621 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.espen.org Federation of European Societies on Trace Elements and Minerals Prof. Dr. Jean Néve Institut de Pharmacie Universite Libre de Bruxelles Campus Plaine 205-5, 1050 Bruxelles Belgique E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.festem.com World Health Organization (WHO) Avenue Appia 20, 1211 Geneva 27 Switzerland Homepage: http://www.who.int/en
531 E · Adressensammlung zum Thema Diätetik
World Health Organization Regional Office for Europe 8, Scherfigsvej, 2100 Copenhagen Denmark Tel.: +45-39-171717, Fax: +45-39-171818 Homepage: http://www.euro.who.int and http://www.euro.who.int/Nutrition
Nationale Gesellschaften und Verbände Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) Godesberger Allee 18, 53175 Bonn Tel: 0228-3776600 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://WWW.dge.de Deutsche Adipositas-Gesellschaft Prof. Dr. Joachim Westenhöfer Hochschule für angewandte Wissenschaften Fachbereich Ökotrophologie Lohbrügger Kirchstr. 65, 21033 Hamburg Tel: 040-428756124, Fax: 040-428756129 E-mail:
[email protected] Homepage: http://www.adipositas-gesellschaft.de Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. Prof. Dr. B. Koletzko Universitätskinderklinik Dr. von Haunersches Kinderspital Lindwurmstr. 4, 80337 München Tel: 089-51603967, Fax: 089-51603336 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.ernaehrungsmed.de
532
Anhang
Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie (AGPD) Prof. Dr. Thomas Danne Diabeteszentrum für Kinder und Jugendliche Kinderkrankenhaus auf der Bult Janusz-Korczak-Allee 12, 30173 Hannover Tel: 0511-8115340, Fax: 0511-8115344 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.diabetes-kinder.de Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung e.V. Prof. Dr. Stefan Wirth Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Helios Klinikum Heusnerstr. 40, 42283 Wuppertal Homepage: http://www.gpge.de E-Mail:
[email protected] Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie Dr. Johannes Spalinger Kinderspital, 6000 Luzern 16 Schweiz Tel: 041-2053209, Fax: 041-2053236 E-Mail:
[email protected] Niemann-Pick Selbsthilfegruppe e.V. Parallelstr. 53, 66125 Saarbrücken Tel. und Fax: 06697-72672 E-Mail:
[email protected] Christiane Herzog Stiftung (Mukoviszidose; CF) Geißstraße 4, 70173 Stuttgart Fax: 0228-4223526 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.christianeherzogstiftung.de
533 E · Adressensammlung zum Thema Diätetik
Diätverband e.V. Godesberger Allee 142–148, 53175 Bonn Tel.: 0228-308510, Fax: 0228-3085150 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.diaetverband.de Gesellschaft für Mineralstoffe und Spurenelemente (GMS) Univ.-Doz. Dr. Bernhard Michalke GSF Forschungszentrum für Umwelt & Gesundheit Institut für Ökologische Chemie Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg Homepage: http://www.gmsev.org British Nutrition Foundation High Holborn House 52-54 High Holborn, London WC1V Tel.: +20-74046504, Fax: +20-74046747 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.nutrition.org.uk Bund Deutscher Hebammen Gartenstr. 26, 76133 Karlsruhe Tel.: 0721-981890, Fax: 0721-9818920 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.liga-kind.de Gesellschaft Deutscher Lebensmitteltechnologen e.V. Godesberger Allee 142–148, 53175 Bonn Tel.: 0228-379080, Fax: 0228-376401 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.gdl-ev.de
534
Anhang
Verband der Diplom-Oecotrophologen e.V. (VDOE) Geschäftsführerin: Dr. Elvira Krebs Vorstandsvorsitzende: Dr. Andrea Dittrich Reuterstraße 161, 53113 Bonn Tel.: 0228-289220, Fax: 0228-2892277 E-Mail:
[email protected] Internet: http://www.vdoe.de Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Besucheranschrift: Rochusstr. 1, 53123 Bonn Postanschrift: Postfach 140270, 53107 Bonn Tel.: 0228-5290 oder 01888-5290, Fax: 0228-529-4262 oder 01888-5294262 Dienstsitz Berlin: Besucheranschrift: Wilhelmstr. 54, 10117 Berlin Postanschrift: 11055 Berlin Tel.: 030-20060 oder 01888-5290, Fax: 030-20064262 oder 01888-5294262 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.bml.de
Forschungseinrichtungen Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel Haid-und-Neu-Str. 9, 76131 Karlsruhe Tel.: 0721-66250, Fax: 0721-6625111 Internet: http://
[email protected] http://www.bfel.de Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIFE) Potsdam-Rehbrücke Arthur-Scheunert-Allee 114–116, 14558 Nuthetal Tel: 033200-880, Fax: 033200-88444 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.dife.de
535 E · Adressensammlung zum Thema Diätetik
Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund (FKE) Heinstück 11, 44225 Dortmund Tel: 0231-79221033, Fax: 0231-711581 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.fke-do.de
(Fach)Hochschulen mit Fachbereich Ökotrophologie/ Ernährungswissenschaften Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Institut für Ernährungswissenschaft Endenicher Allee 11–13 (AVZ I), 53115 Bonn Tel.: 0228-733680, Fax: 0228-733217 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.nutrition.uni-bonn.de/ und http://www.uni-bonn.de Technische Universität München Studienfakultät Ernährungswissenschaften und Ökotrophologie Am Hochfeldweg 2, 85350 Freising Tel.: 08161-713400 E-mail:
[email protected] Homepage: http://www.wzw.tum.de/sf-ernaehrung/infocenter.html Fachhochschule Fulda Fachbereich Ökotrophologie Marquardstr. 35, 36039 Fulda Tel.: 0661-9640500, Fax: 0661-9640505 Internet: http://www.fh-fulda.de Homepage: http://www.fh-fulda.de Justus-Liebig-Universität Institut für Ernährungswissenschaften Wilhelmstr. 20, 35390 Gießen Tel.: 0641-990 Homepage: http://www.uni-giessen.de/ernaehrung
536
Anhang
Christian-Albrechts-Universität Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde Olshausenstr. 40, 24098 Kiel Tel.: 0431-88000, Fax: 0431-8802072 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.agrar.uni-kiel.de Fachhochschule Osnabrück Fachbereich Ökotrophologie Tel.: 0451-9690, Fax: 0451-9692066 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.al.fh-osnabrueck.de Universität Potsdam Institut für Ernährungswissenschaft Arthur-Scheunert-Allee 114–116, 14558 Potsdam Tel.: 033200-88301 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.uni-potsdam.de Friedrich-Schiller-Universität Institut für Ernährungswissenschaft Dormburger Str. 25, 07737 Jena Tel.: 03641-949670, Fax.: 03641-949672 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.uni-jena.de Fachhochschule Weihenstephan Fachbereich Land- und Ernährungswirtschaft Am Hofgarten 4, 85354 Freising Tel.: 08161-713339, Fax: 08161-714207 Homepage: http://www.fh-weihenstephan.de
537 E · Adressensammlung zum Thema Diätetik
Fachhochschule Münster Fachbereich Ökotrophologie Hüfferstr. 27, 48149 Münster Tel.: 0251-830, Fax: 0251/8364015 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.fh-muenster.de Fachhochschule Anhalt Fachbereich Ökotrophologie Bernburger Str. 55, 06366 Köthen Tel.: 03496-671000, Fax: 03496-671099 Homepage: http://www.hs-anhalt.de Martin-Luther-Universität Institut für Ernährungswissenschaften Emil-Abderhalden-Str. 25b, 06108 Halle/Saale Tel.: 0345-55227700, Fax: 0345-5527124 Homepage: http://www.uni-halle.de und http://www.landw.uni-halle.de Fachhochschule Hamburg Fachbereich Ökotrophologie Lohbrügger Kirchstraße 65, 21033 Hamburg Tel.: 040-25414740, Fax: 040-428756149 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.rzbd.haw-hamburg.de Universität Hohenheim Institut für Ernährungswissenschaften Garbenstraße 30, 70593 Stuttgart Tel.: 0711-4594112, Fax: 0711-4593822 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.uni-hohenheim.de
538
Anhang
Fachhochschule Niederrhein Fachbereich Ökotrophologie Rheydter Str. 277, 41065 Mönchengladbach Tel.: 02161-186501, Fax: 02161-186550 E-Mail:
[email protected] Homepage: http://www.hs–niederrhein.de Universität Wien Institut für Ernährungwissenschaften Althanstraße 14, 1090 Wien Österreich Tel.: +43-1-427754901, Fax: +43-1-42779549 E-Mail:
[email protected] Internet: http://www.univie.ac.at/nutrition/
Sachverzeichnis
540
Sachverzeichnis
A Abpumpen 109 Abstillen 134, 135 Absorption 14 – aktiver Transport 14 – passiver Transport 14 Acidose Azidose Adenosinphosphat 53 ADH-Sekretion, inadäquate 381–385 – Ätiologie 381, 382 – Klinik 383 – Respiratortherapie 382 – Therapie 383–385 Adipositas 280–290 – Anamnese 286–289 – Ätiologie 285 – Definition 280 – Diagnostik 286–289 – Entstehung 12 – frühkindliche Ernährung 469–485 – genetische Faktoren 285 – Gewichtsreduktion 289 – Psychotherapie 290 – Therapie 289, 290 agouti-related peptide 12 Ahornsirupkrankheit 245–252 – Ätiologie 246 – Definition 245, 246 – Differenzialdiagnostik 247 – Furosemidgabe 282 – Glukosegabe 282 – Natriumbicarbonat 284 – Stillen 121 – Symptomatik 246, 247 – Therapie 248–252 Akrozyanose 357 Akut-Phase-Proteine 189 Alkalose 370 – kompensierte 369 – metabolische 372 Alkohol, Muttermilch 118
Allergien, nutritive Primärprävention 127 Allopurinol, Ornithintranscarbamylasemangel 281 Alopezie 220 Amenorrhö, sekundäre 291 5-Aminosalicylate, Colitis ulcerosa 416 Aminosäuremischung 128, 129 Aminosäuren 38, 39 – essenzielle 38 – Imbalanz 39 Aminosäurestoffwechsel 46, 85 Aminosäurezufuhr, empfohlene 67, 68, 497, 498 Anämie – megaloblastäre hyperchrome 85 – Vitamin-B6-abhängige 85 Anfangsnahrung 122, 123, 125 Anionenlücke 527 Anorexia nervosa 290–298 – Ätiologie 291, 292 – Definition 290 – Diagnostik 292, 293 – Gewichtsnormalisierung 296 – PEG 144 – stationäre Aufnahme 297 – Therapie 296–298 Anpassungsphase 67, 75, 78, 158, 493 Anthropometrie 223, 224 antidiuretisches Hormon 26, 176 Antirefluxnahrung 131 Anurie 372–375 Argininhydrochlorid 279, 281 Argininsupplementation 163 Arthritis – juvenile idiopathische 305, 306 – rheumatoide 305 Arzneimittelgesetz 465 Arzt-Kind-Eltern-Verhältnis 462 Ascorbinsäure 46 Atopy-Patch-Test 400 Autoimmunkrankheiten, Ernährung 304–306 Azathioprin, Colitis ulcerosa 416 Azidose
541 Sachverzeichnis
– kompensierte 369 – metabolische 370, 371 – respiratorische 370, 371 Azidoseausgleich 267
B Baclofen, Glutarazidurie Typ I 281 Ballaststoffe 58 Basisbedarf Grundbedarf Basisdiät, oligoallergene 311, 312 Beikost 133, 134 Bifidobakterien 57 binge eating 291 Bioimpedanzanalyse 438 Biotin 46, 47 – Substitution 230, 281 Biotinidasemangel 228–230 Bioverfügbarkeit 15–17 Biphosphonate, Arthritis 306 Blutverlust, maximal akzeptabler 179 Body-Mass-Index (BMI) 280, 436, 437, 527 Bolusernährung 149 Broviac-Katheter 453 Bulimie 291–298 – Anamnese 293, 294 – Ätiologie 291, 292 – Definition 291 – Diagnostik 293 – Therapie 296–298 Button 149
C Carboxylasedefekt, multipler 228 Carnitin 41, 127, 163 – freies 256, 257 Carnitingabe 267, 277 – Ahornsirupkrankheit 281 – komatöser Patient 280 Chlorid, empfohlene Zufuhr 87
Cholerese 421 Cholestase 39, 52, 89 Cholezystokinin 421 Chrom 51, 89 Citrullin 282 Clearance, renale, gestörte 34 Clomethiazol 282 cocaine-and-amphetamine-related transcript Coeruloplasmin 50 Colitis ulcerosa 413–419 – Definition 413 – Diagnostik 414, 415 – Ernährungstherapie 418 – Klinik 414 – Therapie 415–419 Coma diabeticum 375–378 C-reaktives Protein 189, 251 Cystathionase 38 Cystathioninurie 85
D Darmatresie, multiple 420 Darmentleerungsstörung, neurogene 391 Dehydratation ( Flüssigkeitsverlust) 348–356 – Ätiologie 349 – Diagnostik 351 – hypertone 349, 350, 354 – hypotone 349, 355 – isotone 348, 349, 352 – Klinik 350 – lebensgefährliche 350 – Nierenunreife 432 – Therapie 348, 352–356 Democlocyclin 385 Densitometrie 442 Dermatitis, atopische 308, 309 Dextrometorphan 282 Diarrhö, Flüssigkeitsverlust 349
A–D
542
Sachverzeichnis
Diät – bilanzierte Ernährung, bilanzierte – diagnostische 310, 311 – Langzeitfolgen 320 – mittelallergie 308–320 – oligoallergene 311 – präventive 309, 310 – therapeutische 316–319 Dickdarmanastomose 186 Diffusion 14 Dinitrophenylhydrazin-Tropfentest 251 Diphenylhydramin 282 Diuretika – kaliumsparende 363 – inadäquate ADH-Sekretion 384 Doppelwandinkubator 70 Drei-Stufen-Modell 154–156 Dual-X-ray-Absorptiometrie 441 Dünndarmanastomose 186 Durchfall 349 Durstregulation, gestörte 10, 11 DXA 441 Dyspepsie 219, 220
E Einwilligung 466 Eisen 43 – Sport 331 – Supplementation 196, 206, 207, 502 Eiweiß Proteine Elektrolyte 41–43 Elektrolytlösungen 178 Elektrolytstörungen 359–369 Elektrolytverlust, postoperativer 183, 184 Elektrolytzufuhr – Coma diabeticum 377 – Dehydratation 352 – Empfehlungen 78–83 – Leistungssport 325, 330, 331 – Ziele 67 Elementardiät 310 Eliminationsdiät
– mittelallergie 313, 401 – rheumatische Erkrankungen 305 empfohlene Zufuhr Zufuhrempfehlung Energiebedarf 26, 27 – Leistungssport 321–326 Energiemangel 74 Energiezufuhr, empfohlene 73, 496 Enteritis, infektiöse 393–398 – Pharmakotherapie 397, 398 – Realimentation 395, 397 – Rehydratation 395, 396 – Therapie 395–398 Enterokolitis, nekrotisierende 56, 186, 420 Erbrechen – azetonisches 378, 379 – chronisches 143 – Flüssigkeitsverlust 349 – rezidivierendes 410 – selbstinduziertes 291 Erhaltungsbedarf 176 Ernährung, bilanzierte 10, 11, 146, 432 – Durchführung 98–100 – Qualitätssicherung 100, 464 – Säuglingsanfangsnahrung 127 – Standardisierung 98 – Verordnung 100 – Verordnungsbogen 99 – Zusammensetzung 99 Ernährung, enterale ( Sondenernährung) 12, 13, 105–150 – Indikationen 142, 143 Ernährung, orale 13 Ernährung, parenterale 13, 153–165 – bei Krebs 302–304 – Drei-Stufen-Modell 154–156 – ethische Aspekte 460–463 – Fertiglösung 157 – Infektionen 427 – Infusionslösung 157, 160–163 – intermittierende 503–505 – Katheterpflege 423, 424 – Kohlenhydratzufuhr 187 – Komplikationen 426, 427 – Kurzdarmsyndrom 422–426
543 Sachverzeichnis
– langfristige 162 – Lipidzufuhr 187 – minimale 164 – Monitoring 431, 432 – Nährstoffzufuhr 75–90 – Nebenwirkungen 164 – partielle 13 – Proteinzufuhr 187 – Qualitätssicherung 463 – rechtliche Aspekte 463–467 – Spurenelemente 162 – Supplementation 162, 163 – totale 13 – – Indikationen 186 – – postoperative 183, 186 – Vitamin D 201 – Vitamine 162 – Zugangswege 154 Ernährung, perioperative 172–187 Ernährung, postoperative 182 Ernährung, präoperative 172–175 Ernährungssonde Sonde Ernährungsstatus – Beurteilung 435–448 – Krebs 301 Ernährungstherapie – Colitis ulcerosa 41 – gastroösophagealer Reflux 41 – Morbus Crohn 41 – Obstipation 391 Ernährungsverhalten 290 Erythropoetin 208 Ethan, Exspiration 447 Extravasalraum 25 Extrazellularraum 25
F Farnochinon 45 Fast food 139 Fasten 141, 305 Fast-Food 285 Ferritin 207
D–F
Fertiglösung 157, 160 Fette Lipide Fettmalabsorption, chronische 85 Fettmasse 25 Fettsäuren – essenzielle 4 – mehrfach ungesättigte 4 – mittelkettige 15, 40 Fettsucht Adipositas Fibrinogen 189 Fieber, Flüssigkeitszufuhr 70 Filtrationsrate, glomeruläre 26 F2-Isoprostane 447 Flaschennahrung Säuglingsmilchnahrung Fluorid 52 Fluoridprophylaxe 52 Fluoridsupplementation 214 Flüssigkeit – extravaskuläre 28 – intravaskuläre 28 Flüssigkeitsaufnahme – über Atemluft 3 – über Haut 34 Flüssigkeitsbedarf, vermehrter 16 Flüssigkeitshaushalt Wasserhaushalt Flüssigkeitsmangel, Berechnung 394, 527 Flüssigkeitsumsatz 22–24 Flüssigkeitsverlust – Dehydratation – Wasserverlust – Diarrhö 349 – Erbrechen 349 – Reduktion 70 Flüssigkeitszufuhr – Dehydratation 352 – Empfehlungen 136, 138, 493–495 – empfohlene 66–71 – Fieber 70 – intraoperative 17 – intravenöse 395 – Leistungssport 320, 324 – Niereninsuffizienz 374 – parenterale 161 – Phototherapie 70, 71
544
Sachverzeichnis
Flüssigkeitszufuhr – postoperative 183, 184 – präoperative 174, 175 – Respiratortherapie 70, 71 – Verbrennung 387 Folgenahrung 122, 123, 125 Fölling-Krankheit Phenylketonurie Folsäure 4 – erhöhter Bedarf 8 – Sport 330 – Mangel 85 food programming 17, 285 Formulanahrung 121 – hydrolysierte 310 – hypoallergene 309 Frauenmilch, Supplemente 194 Frischplasma, gefrorenes 178 Frühgeborene – Eisensupplementation 206, 207 – Energiezufuhr 73, 496 – enteraler Aufbau 192, 193 – Ernährung 10, 192–219, 506–511 – Flüssigkeitstranssudation 187 – Flüssigkeitsumsatz 22 – Flüssigkeitszufuhr 69, 72, 493–495 – Frauenmilch 192 – Grundbedarf 176 – Hyperkaliämie 80, 217–219 – inadäquate ADH-Sekretion 385 – Kalziumbedarf 197–200 – Körperwassergehalt 20 – Nährstoffzufuhr 497–500 – supplementation 194 – Phosphat 197–200 – Sondenernährung 143 – Spurenelementsupplementation 89, 212–216 – Verdauung 15 – Vitaminsupplemenation 86, 208–212 Frühgeborenenosteopenie – Physiologie 197 – Prophylaxe 197–206, 502 – Risikogruppen 202 Fruktoseintoleranz
– hereditäre 113, 40 – intestinale 403 Fruktosemalabsorption 403, 404 Fundoplikatio 412 Furosemid 250, 365 – Ahornsirupkrankheit 282 – inadäquate ADH-Sekretion 384
G Galaktokinasemangel 121 Galaktosämie 121, 230–237 – Ätiologie 231 – Definition 231 – Differenzialdiagnostik 232, 233 – Symptomatik 231, 232 – Therapie 235–237 Ganglioside 54 Gastrin 421 Gastroenteritis 349 Gastrointestinaltrakt, Störungen 389–427 Gastrostomie, perkutane endoskopische 13, 144–149, 457 – PEG-Sonde – Bolusernährung 149 – Dauerperfusion 149 – Durchführung, 145, 146 – Entwöhnung 149 – jejunaler Schenkel 150 – Komplikationen 145 – Kontraindikationen 144, 145 – Pflege 148 Gedeihstörungen 223, 224 Gewichtsphobie 295 Gewichtszunahme, verminderte 74 Ghrelin 12 Glukokortikoide – Arthritis 306 – Colitis ulcerosa 416 Glukoneogenese, erhöhte 299 Glukoseintoleranz 299 Glukoselösung 37 Glukosetoleranzfaktor 51
545 Sachverzeichnis
Homocystinurie 85, 121 Hormon, antidiuretisches 26, 176 Hühnereiweißallergie 308, 313–315 Humanalbumin 178, 179 Hungerregulation, gestörte 10, 11 Hydratation Flüssigkeitszufuhr Hydroxylradikal 446 4-Hydroxynonenal 447 Hypalbuminämie 299 Hyperammonämie 247, 268,274 Hyperchlorämie 365 Hyperglykämie 37 – Prophylaxe 38 Hyperinsulinismus, fetaler 226 Hyperkaliämie 80, 363, 364 – Frühgeborene 217–219 Hyperkalzämie 367 Hyperkeratose, follikuläre 85 Hypermagnesiämie 81, 82 Hypermetabolismus 189 Hypernatriämie 361 Hyperosmolarität, Plasma 355 Hyperphenylalaninämie 238, 240 Hypervalinämie 247 Hypoglykämie 37, 379–381 – Akuttherapie 225 – hypoketotische 254 – Klinik 379 – neonatale 380 – persistierende 226 – Therapie 380, 381 Hypokaliämie 363 Hypokalzämie 366, 367 – Prävention 367 Hypoketonämie 254 Hypoketonurie 254 Hypomagnesiämie 81, 367 Hyponatriämie 78, 361, 362 – Coma diabeticum 377 – inadäquate ADH-Sekretion 384 Hyposensibilisierung, mittelallergie 401 Hypothyreose, Obstipation 391
Glukosezufuhr – Ahornsirupkrankheit 282 – empfohlene 67, 68, 497, 498 – intravenöse 226 – komatöser Patient 279 – orale 226 Glutaminmangel, Krebs 304 Glutarazidurie 258–264 – Stillen 121 – Ätiologie 258 – Baclofen 281 – Definition 258 – Differenzialdiagnostik 258, 259 – Symptomatik 258 Glutathionreduktase 46 Groshong-Katheter 454 Grundbedarf 175 gut feeding 164
H H2-Atemtest 403 H2-Rezeptorantagonisten, gastroösophagealer Reflux 413 Halbmilch 121 Hämatokrit 432 – kritischer 180 – präoperativer 179 Hämodiafiltration 267 Hämoglobin 43 HA-Nahrung 127 Haptoglobin 189 Hautfalte, stehende 350 Hautfaltendicke 437 Haysche Trennkost 141 Heilnahrung, Säuglinge 128, 130 Heißhungerattacke 295 Hemeralopie 85 Hepatopathie, parenterale Ernährung 427 Hickman-Katheter 454 Hirnödem 354, 355 Histaminrezeptor-Typ-2-Antagonisten
F–H
221
546
Sachverzeichnis
I Immunsuppressiva, Colitis ulcerosa 416 Infektion, parenterale Ernährung 427 Infusionslösung 157, 160–163 – Inkompatibilität mit Medikamenten 165 – intraoperative 178 – Medikamentenzusatz 165 – Notfallbehandlung 279 – Zusammensetzung 160 Infusionsmanagement 180, 181 Infusionstherapie – angeborene Stoffwechselstörungen 227–280 – Dehydratation 39 – Hirnödem 35 – intraoperative 175–181 – perioperative 172–187 – postoperative 181, 182 – präoperative 172–175 – Verbrennung 387 – Zugang 452–455 Insulin 283 Insulinmangel, relativer 375 Insulinresistenz 37, 299 Insulinsupplementation 38 Insulintherapie 377 Intelligenzentwicklung, Stillen 113 Interleukine 299 Intravasalraum 25 Intrazellularraum 25 Inulin 57 In-vitro-Neutronen-Aktivierungsanalyse 445 Isotope, stabile 439, 440 Isovalerianazidämie 247, 264–270 – Ätiologie 264 – Definition 264 – Differenzialdiagnostik 266 – Symptomatik 265 – Therapie 267–270
J Jejunostomie, perkutane endoskopische 150 Jod 52, 89 Johannisbrotkernmehl 131 Jugendliche, Lebensmittelauswahl 138, 139
K Kachexie 298 Kalium 41 – empfohlene Zufuhr 80 Kaliumdefizit, Berechnung 527 Kalium-40-Methode 442 Kaliumhaushalt 362 Kaliummangel Hypokaliämie Kalorienzufuhr ( Energiezufuhr) 74 Kalzitonin 45 Kalzium 42, 43 – Absorption 201 – Bedarf 197–200, 203 – empfohlene Zufuhr 82 – Sport 331 – Supplementation 202–205, 364, 502 – – parenterale 155 – – Risiken 203 Kalzium/Phosphat-Stoffwechsel 201–206 Kalziumglukonat 204 Kalziumglycerophosphat 204 Kalziumhaushalt 366 Kalziummangel Hypokalzämie Kardiaverschluss 409 Katecholamine, alkalische Stoffwechsellage 372 Kathetermaterial 452 Katheterpflege 423, 424 Kathetersysteme 453–455 Keratomalazie 85 Ketoazidose 266 – diabetische 375
547 Sachverzeichnis
Kinderernährung 135–139 – Lebensmittelauswahl 138 Kindeswille 461 Kindeswohl 460 Kleinkind – Ernährung 133–139, 512, 513 – Flüssigkeitsumsatz 22 Knochenstoffwechsel 45 Kobalt 52 Kochsalzlösung, isotone 178 Kohlenhydrate 37 – Leistungssport 323, 328, 329 – parenterale Ernährung 187 – Verdauung 14 Kohlenhydratmalabsorption 399 Kolloide 178 Koma, Notfallbehandlung 278, 279 Körperflüssigkeit – Elektrolytgehalt 185 – Verteilungsräume 25 Körpermasse, fettfreie 25 Körperoberfläche, Berechnung 528 Körperschemastörung 291 Körperwassergehalt 20, 21 Kortikosteroide – Arthritis 306 – Colitis ulcerosa 416 Kostaufbau, postoperativer 182 Kreatinin 432 Krebs – Ernährung 298–304 – – orale 301, 302 – – parenterale 302–304 – Ernährungsstatus 301 Kristalloide 178 Kuhmilch, Zusammensetzung 110 Kuhmilchallergie 129, 308, 316 Kupfer 50, 89 – Bioverfügbarkeit 50 Kurzdarmsyndrom 420–427 – Ätiologie 420, 421 – Klinik 421
L Lactobacillus GG 56 Laktasemangel, kongenitaler 402 Laktatazidose 229, 299 Laktation Milchfluss Laktoferrin 111 Laktoseintoleranz 402, 403 Laktulose 277, 283 – Obstipation 392 Lamotrigen 283 Längenwachstum, vermindertes 74 Laparoschisis 186 Laxanzienmissbrauch 291, 295 Lebensmittel ( Nahrungsmittel) – diätetische 46 – natürliche 13 – verarbeitete 139 Lebensmittelauswahl, Kinder 138, 139 Leistungssport – Elektrolytzufuhr 325 – Energiebedarf 321–326 – Ernährung 320–332 – Vitamine 324, 329 Leptin 11, 12 Leucin, empfohlene Zufuhr 270 Leucinose 245 Lipase, gallensalzabhängige 11 Lipide 40, 41 – empfohlene Zufuhr 67, 68, 497, 498 – Leistungssport 323, 329 – parenterale Ernährung 187, 497, 498 Lipidemulsion, intravenöse 40 Lipidoxidation 45, 447 Lysozym 111
M Magenmotilität 409 Magensonde 13 Magnesium 43 – empfohlene Zufuhr
81
I–M
548
Sachverzeichnis
Magnesium – vermehrter Bedarf unter Chemotherapie 304 Magnesiummangel Hypomagnesiämie Malondialdehyd 447 Maltodextrin 280, 283 Mandelmilch 121 Mangan 51, 52, 89 Medizinproduktegesetz 466 Menachinon 45 Mesenterialarterienverschluss 420 Metalloenzyme 43 Methotrexat – Arthritis 307 – Colitis ulcerosa 416 Metronidazol 283 Milch – Kuhmilch – Muttermilch Milchfluss 107 Milchpumpe 109 Mineralstoffe Elektrolyte Mischkost, optimierte 327, 328 Mittelketten-CoA-Dehydrogenase-Defekt 253–257 Molenlast 26 Molybdän 51 Morbus Crohn 413–419 – Definition 414 – Diagnostik 414, 415 – Klinik 414 – Therapie 415–419 Morbus Hirschsprung 391 Multivitaminemulsion, intravenöse 84 Mutter-Kind-Bindung, Stillen 114 Muttermilch 106–113 – Abpumpen 109 – Alkohol 118 – Antikörper 111 – entwicklungsfördernde Aspekte 112 – Fettsäuren 111 – immunologische Aspekte 113 – infektionspräventive Aspekte 111, 112, 192
– – – – – – – – – – –
Kalziumgehalt 198 Laktosegehalt 111 nutritive Aspekte 110 Phosphatgehalt 198 physiologische Effekte 109–113 Rauchen 118 Schadstoffe 118, 119 Spurenelemente 111 Supplemente 194, 501 Wachstumsfaktoren 112 Zusammensetzung 107, 110
N Nabelschnur, Katheterisierung 452 Nährstoffe – Bedarf 26, 27 – Kaloriengehalt 74 Nährstofflösung, fertige 77 Nährstoffzufuhr – Empfehlungen 15, 65–91, 497–500 – parenterale Ernährung 75–90, 497–500 aufnahme, Regulation 11, 12 ergänzungsmittel 328, 464 fasern Ballaststoffe karenz – postoperative 182 – präoperative 173, 174 mittel – glutenfreie 40 – Zusammensetzung 32, 33 mittelallergie 308–320 mittelallergie 400, 40 – Diagnostik 400, 401 – Diät 308–320, 401 – – diagnostische 310, 311 – – oligoallergene 311 – – präventive 309, 310 – – therapeutische 316–319 – Eliminationsdiät 40, 313 – Hochrisikokinder 30 – Hyposensibilisierung 40
549 Sachverzeichnis
– IgE-vermittelte 39 – Klinik 40 – Pharmakotherapie 401 mittelintoleranz 399, 402–409 mittelunverträglichkeit 399–409 – Definition 399 – Einteilung 399 substrat – biochemische Form 16 – Qualität 17 Naphthochinone 45 Natrium 41 – Bedarf 362 – empfohlene Zufuhr 87 Natriumbicarbonat 365 – Ahornsirupkrankheit 284 – Azidoseausgleich 267 Natriumdefizit, Berechnung 384, 527 Natriumhaushalt 361, 362 Natriumhydrogenkarbonat, Azidoseausgleich 250 Natrium-Kalium-ATPase 27 Nephrokalzinose 82 Neugeborene – Dyspepsie 219, 220 – Energiezufuhr 73 – enteraler aufbau 192, 193 – Ernährung, physiologische 106–109 – Flüssigkeitstranssudation 187 – Flüssigkeitsumsatz 22 – Flüssigkeitszufuhr 69, 72 – Grundbedarf 176 – Hyperkaliämie 80 – inadäquate ADH-Sekretion 385 – Spurenelementsupplementation 89, 212–216 – Vitaminsupplemenation 86, 208–212 Neuraminsäure 111 Neuropeptid Y 12 Neurotransmittersynthese 46 Niacin 46 Nicotinsäure 46 Niere, unreife 22, 26, 432 Niereninsuffizienz
M–P
– akute 372–374 – chronische 373 Nukleotide 53
O Obesitas Adipositas Obstipation – chronische 390–393 – Definition 390 – Ernährungstherapie 391 – neurogene 391 – Pharmakotherapie 392 Ödem, peripheres 28 Oligofruktose 57 Oligurie 372–375 – relative 24 Omphalozele 186 Optimix 135–137 Ornithincarbymoyltransferasemangel 121 Ornithintranscarbamylasemangel 270– 278 – Allopurinolgabe 281 – Ätiologie 271 – Definition 271 – Differenzialdiagnostik 272 – Symptomatik 271, 272 – Therapie 275–278 Ösophagusatresie 186 Ösophagusmotilität 409 Osteopenie 156, 197–206 O-Tyrosin 447
P Pankreasamylase 14 Pankreatitis 186 Pantothensäure 47 Paraffinum subliquidum 392 Parathormon 45 Patientenaufklärung 466 Patientenwürde 461, 462
550
Sachverzeichnis
PEG-Sonde 144–149 – Gastrostomie, perkutane endoskopische – Entfernung 149 – Medikamentengabe 148 – Peritonitis 144 Pektin 58 Pentan, Exspiration 447 Peritonitis, PEG 144 Perspiratio insensibilis 22, 36 Pharmakonutrition 17 Phenylalaninembryopathie 244 Phenylalaninhydroxylase 38 Phenylketonurie 16, 237–245 – Ätiologie 238 – Definition 237 – Differenzialdiagnostik 240 – klassische 238 – maternale 244 – milde 238 – Stillen 121 – Symptomatik 239 – Therapie 241–243 Phosphat 42 – Bedarf 197–200, 203 – empfohlene Zufuhr 82 – Supplementation 202–205, 502 Phosphatase, alkalische 206, 518 Phospholipidgehalt 41 Phototherapie, Flüssigkeitszufuhr 70, 71 Phyllochinon 45 Pinozytose 14 Plasma, Hyperosmolarität 355 Plasma-Aminosäure-Spiegel, parenterale Ernährung 39 Plasmaersatzmittel 178 Polydipsie 376 Portsystem 454, 455 Postaggressionsphase 189 Postaggressionsstoffwechsel 76, 188–191 – Akutphase 188, 189 – Reparationsphase 190 Präbiotika 56–58 – Säuglingsnahrung 126
Prick-Test 400 Probiotika 55, 56 – Colitis ulcerosa 416 – Definition 55 – infektiöse Enteritis 399 – Physiologie 55 – Säuglingsnahrung 126 Prokinetika 220 – gastroösophagealer Reflux 413 Prolaktin 108 Proopiomelanocortin 12 Proteincarbonyl 447 Protein 38, 39 – C-reaktives 189, 251 – Harnstoffzyklusstörungen 278 – Leistungssport 321, 322, 326 – parenterale Ernährung 187 – Hydrolysat 129 Proteolyse 14 Protonenausscheidung, renale 369 Protonenpumpenhemmer 221, 222 Pyloroplastik 412 Pyridoxal 46 Pyridoxamin 46 Pyridoxin 46 Pyruvatdehydrogenase 45
R Rachitisprophylaxe 212 Radioallergosorbenttest 400 Raum, dritter 25 Realimentation, infektiöse Enteritis 395, 397 Referenzwerte 518–526 Reflux, gastroösophagealer 409–413 Refluxindex 410 Refluxkrankheit, gastroösophageale 409 Refluxösophagitis 298 Rehydratation – intravenöse 39 – orale 356, 395 Reismilch 121
551 Sachverzeichnis
Renin-Angiotensin-Aldosteron-System Reparationsphase 190 Resorption Absorption Respiratortherapie – Flüssigkeitszufuhr 70, 71 – inadäquate ADH-Sekretion 382 Rheuma – Eliminationsdiät 30 – Ernährung 304–306 – Substitutionsdiät 306 rheumatoide Arthritis 305 Ringer-Lösung 178 Rohkost 139, 140 Ruheenergieumsatz 285
26
S Salazosulfapyridin, Colitis ulcerosa 416 Sättigungsgefühl, gestörtes 10, 11 Sauerstoff, reaktiver 446 Saugen, nichtnutritives 164 Säuglinge – allergiegefährdete, Nahrung 127 – Energiezufuhr 73 – Ernährung, physiologische 106–109 – Formulaernährung 121 – Heilnahrung 128, 130 – Spezialnahrung 127, 128, 464 – spuckende 221, 222 – Verdauung 15 Säuglingsanfangsnahrung 122, 123, 125 – Sojabasis 127 Säuglingsfolgenahrung 122, 123, 125 Säuglingsmilchnahrung 121–132 – Allergiegefährdung 127 – Kohlenhydrate 124 – Präbiotika 126 – Probiotika 126 – teiladaptierte 124 – Übersicht 125 – Zubereitung 130 Säuglingsnahrung – Aminosäuremischung 128
P–S
– Andicken 131 – Anforderungen 464 – Kalorienanreicherung 132 – Konzentration 132 – bei Verdauungsstörungen 128, 129 – Wasser 131 Säure-Basen-Haushalt – Coma diabeticum 377 – Störungen 34, 369–372 Schädelwachstum, vermindertes 74 Schluckstörung, neurogene 142 Schockphase 189 Schulkind, Ernährung 133–139 Schwartz-Bartter-Syndrom 381 SDIADHS 381–385 Seborrhö 228 Selen 50, 51 – Supplementation 88 Sepsis, parenterale Ernährung 427 Serumeisen 43 Sludge-Phänomen 82 Snack 139 Sojanahrung 127, 129 Sojaproteinisolat 124, 129 Sonde 455–457 – PEG-Sonde – nasogastrale 143, 456 – nasojenunale 144, 456 Sondenernährung 142–150, 455–457 – Ernährung, enterale – Indikationen 142, 143 – nasogastrale 143, 456 – nasojejunale 144, 456 – Zugangswege 143, 144 Sondennahrung 146, 147, 464 – Anforderungen 464 Sorbit, Obstipation 392 Spezialnahrung, Säuglinge 127, 128, 464 Speziation 15 Sport – Elektrolytzufuhr 325 – Energiebedarf 321–326 – Ernährung 320–332 – Vitamine 324, 329
552
Sachverzeichnis
Spurenelemente 47–53 – Bedarf 88 – Definition 47 – Eigenschaften 48 – empfohlene Zufuhr 87–90 – essenzielle 48 – Imbalanz 87 – Mangel 88 – nichtessenzielle 48 – Supplementation 88, 89, 162, 212–216 – – orale 213–216 Stabilisierungsphase 67, 75, 158, 493 Stärke – resistente 58 – Säuglingsnahrung 131 Steroidhunger 307 Stickstoffbilanz, positive 38 Stillen 108, 109 – Intelligenzentwicklung 113 – Kontraindikationen 121 – Mutter-Kind-Bindung 114 – psychosoziale Effekte 113 – Rauchen 118 – Übergewichtsrisiko 475 – Voraussetzungen 114, 115 Stillhindernis 109, 115–121 – kindliches 119–121 – medikamentöses 117 – morphologisches 117 – mütterliches 116–119 Stoffwechselstörungen, angeborene 227–280 Stress, oxidativer, Beurteilung 446–448 Substitutionsdiät, rheumatische Erkrankungen 306 Suchdiät 311 Superoxidanionradikal 446 Superoxiddismutase 50 Synbiotika 58 Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion 381–385
T Taurin 127 Temperaturregulation, gestörte 34 Therapiebegrenzung 462, 466 Thiamin 284 Thyroxin 52 Tocopherol 45 Total-body-electric-conductivity-Messung 442 Transferrin 207 Transfusion Bluttransfusion Trennkost nach Hay 141 Triglyzeride, Verdauung 14 Trijodthyronin 52 Trinkunlust 349 Tumorhyperkalzämie 367 Tumor-Nekrose-Faktor-α 299 Tumrokachexie 298 Tyrosinaminotransferase 38 Tyrosinmangel 238
U Übelkeit, chronische 143 Übergewicht – Krebserkrankungen 30 – Stillen 475 Ultraspurenelemente 48 Unterernährung – krebskranke Kinder 298, 299 – Risikofaktoren 300 Untergewicht – Anorexia nervosa 292 – krebskranke Kinder 298 Unterwasserdensitometrie 443 Uridyltransferase 232, 233 Urin – Osmolarität 432 – Volumenverlust 26 Ursodesoxycholsäure 39
553 Sachverzeichnis
V Vasopressin 26, 176 Veganismus 140 Vegetarismus 140 Venenkatheter 423, 424, 452, 453 Verbrennung 385–387 – Gradeinteilung 386 – Therapie 386, 387 Verbrühung 385–387 Verdauung 14 – Frühgeborene 15 – Säugling 15 Verstopfung Obstipation Verteilungsvolumen 267 Vigabatrin 284 Vitamin A – Mangel 85 – Supplementation 163, 212 Vitamin B1 45 Vitamin B12 46 Vitamin B2 46 Vitamin B6 46 – Mangel 85 Vitamin C 46 Vitamin D 45 – Mangel 85 – parenterale Ernährung 201 – Prophylaxe 212 – Sport 330 Vitamin E 45 – Mangel 85 – Supplementation 212 Vitaminbedarf 84 Vitamine 44–47 – Definition 44 – empfohlene Zufuhr 83–86 – fettlösliche 44, 45 – Leistungssport 324, 329 – Supplementation 162 – – Muttermilch 194, 195 – – Neugeborene 208–212 – – orale 209–211
– – parenterale 86 – wasserlösliche 45, 46 Vitamin-K-Prophylaxe 209 Vitaminmangel 85 Volumenersatztherapie 179 – präoperative 174, 175 Volumenmangel 179 – absoluter 356 – intravasaler 356 – relativer 356 Volumenmangelschock 356–359 – Ätiologie 357 – Therapie 357–359 Volumenverlust, über Urin 26 Volvulus 420
W Wärmestrahler 70 Wasser 33, 34 – metabolisches 36 Wasserhaushalt – Einflussgrößen 34 – Regulation 26 – Störungen 347–358 Wasserintoxikation 349 Wasserverlust ( Flüssigkeitsverlust) – über Atmung 36 – insensibler 22, 36, 69 – renaler 36 – sensibler 36 – mit dem Stuhl 36
X Xerophthalmie
85
S–X
554
Sachverzeichnis
Z Zellulose 58 Zentralvenenkatheter, langzeitige parenterale Ernährung 423, 424 Zerebralparese, gastroösophagealer Reflux 408, 409, 411 Ziegenmilch 124 Zink 49, 89 – Absorption 49 – fetaler Speicher 49 – Mangel 50, 156, 206 – Supplementation 88 Zöliakie 113, 399, 405–408 – Diagnostik 406, 407 – Symptomatik 406 – Therapie 407, 408 Zottenatrophie 421 Zufuhrempfehlung – Elektrolyte 78–83 – Energie 73, 496 – Flüssigkeit 69–71, 493–495 – Lipide 76, 77 – Makronährstoffe 75–77, 497, 498 – Spurenelemente 87–90 – Vitamine 83–86 – Wasser 66–71 Zytokine 299