Atlan - Der Held von
Arkon
Nr. 180
In der Hand des Henkers Sie wollen den Kristallprinzen retten - die Toten Augen s...
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Atlan - Der Held von
Arkon
Nr. 180
In der Hand des Henkers Sie wollen den Kristallprinzen retten - die Toten Augen sollen ihnen helfen von Clark Darlton Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man eine Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht. Imperator des Reiches ist Orbanaschol III. ein bruta ler und listiger Mann, der seinen Bruder Gonozal VII. töten ließ, um selbst die Nach folge antreten zu können. Gegen den Usurpator kämpft Atlan, der Kristallprinz des Reiches und rechtmäßige Thronerbe, mit einer stetig wachsenden Zahl von Getreuen. Doch mit dem Tag, da der junge Atlan erstmals Ischtar begegnet, der schönen Varganin, die man die Goldene Göttin nennt, hat er noch mehr zu tun, als sich mit Orbanaschols Schergen herumzuschlagen oder nach dem »Stein der Weisen« zu suchen, dem Kleinod kosmischer Macht. Atlan – er liebt Ischtar und hat mit ihr einen Sohn gezeugt, der sich im embryona len Zustand in einem Lebenserhaltungssystem befindet – muß sich auch der Nach stellungen Magantillikens, des Henkers der Varganen, erwehren, der die Eisige Sphäre mit dem Auftrag verließ, Ischtar zu töten. Um die Varganin vor dem Henker zu bewahren, begibt sich Atlan an Ischtars Statt in die Gewalt Magantillikens. Dann überlistet er diesen und flieht zum Planeten der Stürme. Dort wartet Atlan auf Rettung. Doch er wartet vergeblich, denn bald befindet er sich IN DER HAND DES HENKERS …
In der Hand des Henkers
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Die Hautpersonen des Romans:
Atlan - Der Kristallprinz in der Gewalt des Henkers.
Chapat - Ein Ungeborener wird entführt.
Magantilliken - Henker der Varganen.
Ischtar, Fartuloon und Ra - Die Varganin, der »Bauchaufschneider« und der Barbar suchen Atlan.
Kara - Königin der Koniden.
Teron - Ältester der Koniden.
1. Eine der unterirdischen Kammern war so wie die andere. Atlan wußte kaum mehr, wie lange er hier unter der Oberfläche des Planeten Sogant vort herumirrte, immer auf der Flucht vor seinem Verfolger Magantilliken, dem Hen ker der Varganen. Nur um Ischtar, die Gol dene Göttin und die Mutter seines noch un geborenen Sohnes, zu retten, hatte er sich in seine Gewalt begeben und war dann geflo hen. Aber er hatte Chapat mitnehmen kön nen, seinen ungeborenen Sohn, der in dem zylinderförmigen Behälter in der Nährflüs sigkeit schwamm und mit seinem Vater in telepathischer Verbindung stand. Aber der Behälter mußte in bestimmten Abständen an entsprechende Kontrollgeräte angeschlossen werden, damit Chapats Leben nicht erlosch. Chapat war es auch gewesen, der Atlan in die ehemalige Station der längst verscholle nen Varganen geführt hatte. Sie hatten eine Funkstation entdeckt und Notsignale ausge schickt, aber sie konnten nicht wissen, wer sie aufgefangen hatte: Ischtar und Fartuloon oder der Henker Magantilliken. So blieben sie also in der riesigen Anlage und warteten. Die Ungewißheit war kaum noch zu ertra gen. So alt die vergessene Station der Varga nen auch sein mochte, in technischer Hin sicht arbeitete sie noch wenigstens teilweise. Die Notbeleuchtung reichte aus, Atlan seine Umgebung erkennen zu lassen. Doch das dämmerige Licht konnte seine Ungewißheit nicht vertreiben. Magantilliken kannte keine Gnade, und es war sein fester
Entschluß, Atlan zu töten und diesen Em bryo ebenfalls. Beide waren gefährlich für ihn und seine Pläne, und vor allen Dingen waren sie gefährlich für seine Aufgabe, die freien Varganen zu liquidieren. Denn zu ihnen gehörte auch Ischtar, die Goldene Göttin. An einer Stelle mußte die Decke undicht sein, denn Wasser tropfte auf den Boden der Gewölbekammer. Die Tropfen kamen in re gelmäßigen Zeitabständen, aufreizend und mit ermüdender Sicherheit. Sie unterbrachen die absolute Stille der Station. Aber sie stör ten auch Atlans Konzentration. Ob Chapat schlief? Er fragte ihn laut: »Störe ich, Chapat?« Die Antwort kam sofort, und da der Em bryo ein Hypnotelepath war, der seine Ge danken auch einem Nichttelepathen übermit teln konnte, verstand Atlan, was sein »Gesprächspartner« an ihn dachte: Nein, ich schlafe nicht. Magantilliken plant Unheil. Es wird nicht lange dauern … »Warne mich rechtzeitig, Chapat!« Wenn ich kann natürlich. Die Verbindung brach wieder ab. Wahrscheinlich, vermutete Atlan, mußte sich der Embryo auf die Ge danken Magantillikens konzentrieren, um seine Spur nicht zu verlieren. Vorsichtig setzte er den Zylinder mit der Nährflüssig keit auf den Boden, um mehr Bewegungs freiheit zu erhalten. Durch den Gang, den er gekommen war, wollte er nicht zurückkeh ren. Er mußte einen anderen finden, viel leicht sogar einen, der empor zur Oberfläche führte. Oder zu einer anderen Funkstation. Solange Fartuloon nicht wußte, wo er sich befand, konnte er ihm keine Hilfe bringen. Die Kammer, in der sie sich verborgen hatten, war ungewöhnlich geräumig und be
4 saß eine hohe Decke. Aber sie war leer, und jede Einrichtung fehlte. Wenn es in den massiv wirkenden Mauern noch weitere Tü ren gab, so sah Atlan sie nicht. Sie mußten hervorragend getarnt sein. Systematisch suchte er jeden Winkel ab, immer in der Hoffnung, irgend etwas zu fin den, das ihm weiterhelfen konnte. Er trug nur eine Raumkombination, in deren Ta schen nur noch wenige Hydropillen und Konzentratpäckchen verblieben waren. Eine Waffe besaß er nicht. Der telepathische Impuls Chapats erreich te ihn: Magantilliken hat etwas vor. Er will nicht mehr weitersuchen, weil das unterirdische Labyrinth zu groß ist. Er will sprengen. »Sprengen? Die Station?« Atlan kehrte hastig zu dem Platz zurück, an dem er den Behälter abgestellt hatte. »Er kann doch nicht die ganze Station zerstören!« Nicht die ganze, aber den Teil, in dem wir uns aufhalten. Er muß es wissen es ist aber nicht sicher. »Was rätst du?« Warten! Atlan sah ein, daß sie keine andere Wahl hatten als zu warten. Der Rat des Embryos war logisch. Flucht hatte wenig Sinn, solan ge Fartuloon nicht in der Nähe war und ih nen beistehen konnte. Ohne Waffen waren sie dem Henker hilflos ausgeliefert, wenn er sie fand. Die Zeit verging in quälender Langsam keit. Chapat warnte noch mehrmals, konnte aber auch keine näheren Angaben machen. Er wußte nur, daß Magantilliken irgendwo hoch über ihnen damit beschäftigt war, ih nen das Leben in der Unterwelt schwerzu machen. Dann hörte Atlan plötzlich ein fernes Grollen, das zu einem Orkan anschwoll und den Boden unter seinen Füßen erbeben ließ. Gleichzeitig ertönten mehrere Detonationen, die mit Druckwellen verbunden waren. At lan nahm den Behälter mit dem Embryo und hielt ihn fest, damit er nicht umgeworfen und zerbrochen werden konnte.
Clark Darlton Dann schloß er geblendet die Augen. Genau ihm gegenüber brach die Mauer in der Mitte auseinander, so als sei sie mit ei nem gigantischen Beil zertrennt worden. Ei ne grelle Lichtflut brach in die bisher däm merig erleuchtete Kammer, aber die zerstö rerische Wucht einer nahen Explosion blieb aus. Von der Decke herab fielen Felsbrocken, und in ihr entstanden lange, gezackte Risse. Die gespaltene Wand blieb, und das Licht dahinter auch. Atlan überlegte nicht lange. Hier waren sie nicht mehr sicher, denn jeden Augen blick konnten neue Erschütterungen erfol gen. Schnell durchquerte er das bisherige Versteck und trat durch den breiten Spalt, der sich so unvermittelt vor ihm aufgetan hatte. Dahinter lag ein breiter Korridor, aber das Licht stammte nicht aus ihm, sondern seine Quelle mußte weiter vorn liegen. Atlan ging weiter. Er glaubte, ein gleich mäßiges, weit entferntes Summen oder Brausen zu hören, das ihm irgendwie be kannt schien, aber er war sich nicht sicher. Das hat Magantilliken sicher nicht ge wollt … Chapat dachte es, und Atlan verstand es, aber er stellte keine Fragen. Wahrscheinlich hätte er auch keine Antwort erhalten. Das Brausen wurde deutlicher, und jetzt erinnerte es an den Gesang von vielen Kin derstimmen. Es wurde lauter und schriller, bis Atlan sich am liebsten die Ohren zuge halten hätte. Aber er trug in seinen Händen den wertvollen Behälter. Der breite Korridor endete abrupt in einer riesigen Halle, die so mit Licht erfüllt war, daß Atlan im ersten Augenblick nichts er kennen konnte. Gleichzeitig verspürte er ei ne eisige Kälte, die wie mit Nadelspitzen in seine Haut eindrang. Er hatte das Gefühl, das seine Hände steif wurden und er den Be hälter nicht mehr halten konnte. Er sah, daß sich Reif auf dem Behälter niederschlug. Dieser seltsame Gesang, dieses Licht und diese eisige Kälte …
In der Hand des Henkers Wo hatte er das schon erlebt? Und wann? Und plötzlich wußte er es wieder: auf der versunkenen Welt Margon, auf der ihm zum ersten Mal Magantilliken begegnet war. Dort war es eine kristallene Kugel gewesen, die eine rätselhafte Verbindung zur Eisigen Sphäre der letzten Varganen herstellte. Eine Verbindung, die offenbar auch hier bestand. Selbst wenn er jetzt seinen Füßen den Be fehl gegeben hätte, ihn in die ursprüngliche Kammer zurückzutragen, sie hätten ihm nicht mehr gehorcht. Er stand wie gelähmt, den Behälter im Arm, inmitten tanzender Eiskristalle und von dem eintönigen Sings ang eingehüllt. Seine Augen hatten sich an die Helligkeit gewöhnt. Er konnte nun besser als vorher se hen und auch Einzelheiten erkennen Einzel heiten jedoch, mit denen er nichts anzufan gen wußte. Die Mauern waren dick mit Reif überzogen. Auf dem Boden lagen die Eiskri stalle wie frisch gefallener Schnee. Aus dem Nichts heraus materialisierten plötzlich Gestalten aber sie materialisierten nicht vollständig, sondern verharrten in ei nem halb verstofflichten Zustand. Ihre Füße schienen den Boden nicht zu berühren, sonst hätte Atlan Spuren sehen müssen. Sie wirkten wie Geister, wie ätherische Wesen, durchaus humanoid und fast fraulich zart. Durchsichtige Schleier umwehten sie wie eine Aura, als sollten sie vor den tanzen den Eiskristallen geschützt werden. »Was ist das?« fragte er Chapat fassungs los. Die Antwort kam sofort: Es sind die zwölf varganischen Erinnyen, Atlan! Erinnyen? Was war das denn nun wieder? Chapats Impulse verrieten Erregung und Emotion. Aber auch Verwirrung und Unent schlossenheit. Es würde wenig Sinn haben, ihm jetzt weitere Fragen zu stellen. Wieder versuchte er, die Halle zu verlassen, aber es war, als hielte ihn etwas fest. Chapats Gedankenimpulse teilten mit: Seit undenkbaren Zeiten wurde kein Var
5 gane mehr geboren … Atlan überlegte, was das mit dem Erschei nen der zwölf Geistergestalten zu tun hatte, die von Chapat »Erinnyen« genannt worden waren. Stellten sie die Verbindung zur Eisi gen Sphäre her, in der die letzten Varganen lebten? Und wieder kamen Chapats Impulse: Ich bin für sie wertvoll und unersetzbar! Atlan wußte, daß er nun umkehren mußte. Aber er konnte sich nicht von der Stelle rüh ren. Unbeweglich stand er da und sah zu, wie die zwölf Gestalten immer näher ge schwebt kamen, langsam und unaufhaltsam. Ihm war, als streckten sie ihre Arme nach ihm aus, so als wollten sie ihn mit sich neh men in ihr Reich der ewigen Kälte. Jezt waren sie bei ihm und kamen nicht mehr weiter, so als sei er wie eine Mauer für sie. Aber sie streckten ihre halb durchsichti gen Arme aus und sie nahmen ihm den Be hälter mit Chapat ab. Während sie langsam wieder zurück schwebten, von wirbelnden Eiskristallen eingehüllt, erreichten Atlan wieder die Ge dankenimpulse des Embryos. Sie verrieten diesmal Entsetzen und Todesangst. Atlan! Informiere meine Mutter! Nur sie kann mich aus der Eisigen Sphäre befreien, in die man mich bringen wird. Sie muß mich retten! Fliehe! Atlan versuchte laut zu antworten, aber er konnte seine Lippen nicht bewegen. Er dachte: Ich kann nicht fliehen! Aber ich werde versuchen, Ischtar zu finden und es ihr zu sagen. Kann ich jetzt nichts tun? Du kannst nichts tun, Atlan! Aber bald wirst du frei sein, doch dann ist es zu spät, mir zu helfen. Tu, was ich dir sagte … Es war Atlan, als würden die zwölf Ge stalten undeutlicher. Auch der Behälter mit Chapat verlor an Substanz und wurde all mählich durchsichtig. Die Wolken der Eis kristalle waren nicht mehr so dicht wie zu vor, und spürbar ließ die furchtbare Kälte nach, die Atlan an seinen Platz bannte und bewegungsunfähig machte.
6 Als der seltsame Gesang schließlich ver stummte, waren die zwölf Gestalten ver schwunden und mit ihnen auch der Behälter mit Chapat. Vorsichtig versuchte Atlan, sich zu bewe gen. Die Starre verlor sich nach und nach, und bald war er in der Lage, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Aus dem Gang strömte warme Luft an ihm vorbei in die Halle, die nun völlig leer war. Das Licht erlosch. Die Dunkelheit kam so überraschend, daß Atlan unwillkürlich stehenblieb und wartete, bis seine Augen sich an die Umstellung ge wöhnten. Aber nichts geschah. Es blieb dun kel und lichtlos. Vorsichtig tastete er herum, bis seine suchenden Hände die Mauer des Ganges berührten. Schritt für Schritt trat er den Rückzug an, aber in ihm war keine Hoffnung mehr, ungeschoren die Oberfläche zu erreichen. Irgendwo wartete Magantilli ken auf ihn, um ihn zu töten. Was aber war mit Chapat geschehen? Hatte man ihn wirklich in die Eisige Sphäre geholt und warum? Er war selbst ein halber Vargane, oder er würde es zumindest sein, wenn er den Behälter einst verlassen konnte. Er war Ischtars Sohn, und sie war eine Var ganin. Er aber, Atlan, war ein Arkonide und er war Chapats Vater. Er tastete sich weiter, und seiner' Schät zung nach mußte er bald die Stelle erreicht haben, an der er sich vorher versteckt gehal ten hatte. Er war noch immer blind und konnte nichts sehen. Die Notbeleuchtung war endgültig ausgefallen. Irgendwo waren Geräusche, die er nicht identifizieren konnte. Einmal glaubte er, schleichende Schritte zu vernehmen, dann wieder ein unbestimmtes Scharren und Knir schen. Hatte Magantilliken es aufgegeben? Daran glaubte Atlan nicht. Der Henker der Varganen gab niemals auf, wenn er sein Opfer jagte. Und er wollte Ischtar haben, er mußte sie haben. Ihr Tod war sein Auftrag. Atlan blieb wie angewurzelt stehen, als plötzlich Licht aufflammte und ihn zwang,
Clark Darlton die Augen zu schließen. Er hatte aber noch erkennen können, daß es sich um einen Scheinwerfer handelte, der genau auf ihn ge richtet war. Was dahinter lag, war in absolu te Finsternis gehüllt. Magantillikens Stimme sagte: »Es ist aus, Atlan! Sie würden niemals aus der Station herausfinden, zumindest nicht lebendig. Aber ich gehe kein Risiko mehr ein. Nein, ich töte Sie nicht noch nicht. Mein Paralysator ist auf Sie gerichtet, Sie können mir nicht mehr entkommen. Sagen Sie mir vorher, was geschehen ist. Wo ha ben Sie den Behälter mit Chapat?« Atlan öffnete vorsichtig die Augen. Die Helligkeit tat weh. »Das wissen Sie wirklich nicht, Magantil liken? Sie wissen nicht, daß ihn mir die Er innyen abgenommen haben, um ihn mit sich in die Eisige Sphäre zu nehmen. Chapat ist für Sie verloren.« »Nicht ganz, Atlan, nur vorläufig und spä ter brauche ich ihn nicht mehr. Ich brauche ihn überhaupt nicht mehr, denn ich habe ja Sie. Wenn ich Ischtar meinen Handel anbie te, wird sie darauf eingehen, denn Sie wer den von ihr geliebt. Ihr Leben gegen das Ih re.« »Täuschen Sie sich nur nicht, Magantilli ken!« »Wir werden sehen. So, und nun wollen wir die Unterhaltung beenden, damit wir sie unter bequemeren Verhältnissen im Schiff fortsetzen können. Sie werden federleicht sein, denn mein Antigrav funktioniert ein wandfrei. Fertig?« Atlan blieb ruhig stehen und gab keine Antwort. Er wußte, daß jeder Fluchtversuch seine Lage nur verschlimmern würde. Der Henker würde ihm kein Haar krümmen, so lange er als Geisel diente. Insofern war es von Vorteil, daß Chapat verschwunden war. Das Strahlenbündel des Paralysators hüll te ihn ein. Haltlos sackte er zusammen und konnte kein Glied mehr rühren, wenn er das Bewußtsein auch noch nicht verlor. Magan tilliken kam und hob ihn auf. Der Schein werfer war nun nach vorn gerichtet, aber At
In der Hand des Henkers lan sah nicht viel. Sein Kopf hing nach un ten. Er spürte, wie die Lähmung sich weiter ausbreitete und auch die Denkzentren an griff. Er wurde bewußtlos.
* Als er wieder zu sich kam, lag er gefesselt auf einem Ruhelager des Doppelpyramiden schiffs, das nun Magantilliken gehörte. Der varganische Henker war nicht zu sehen. Wahrscheinlich hatte er in der Kontrollzen trale zu tun, denn zweifellos hatte das Schiff die Oberfläche von Sogantvort bereits ver lassen. Atlan wußte, daß seine Lage hoffnungslos war, wenn Fartuloon mit der FARNATHIA nicht rechtzeitig eintraf. Aber auch Magan tillikens Schiff war gut bewaffnet. Der Aus gang eines eventuellen Duells war höchst ungewiß. Die Tür glitt auf, der Henker trat ein. Er trug wieder seinen Umhang mit dem gelben Möbiusstreifen. Mit seinen zwei Me tern Größe, dem wallenden rotblonden Haar, der bronzefarbenen Haut und den fast gol den schimmernden Augen sah er eindrucks voll aus. Er blieb in der Tür stehen. »Ich sehe, es geht Ihnen wieder gut. Wür den Sie nun die Freundlichkeit besitzen, mir noch einmal alles in Ruhe zu berichten. Jede Einzelheit ist wichtig für mich, auch wenn sie Ihnen unbedeutend erscheinen mag. Wenn Sie mir keine Schwierigkeiten berei ten, kann das nur gut für Sie sein.« »Aber nicht für Ischtar«, begehrte Atlan auf. Magantilliken lächelte maliziös. »Sie ist meine Angelegenheit, nicht die Ihre. Sie hat nichts damit zu tun. Es geht le diglich darum, ob ich Sie später leben lasse oder töte. Also fangen Sie an.« Er setzte sich und wartete. Atlan überlegte nicht lange. Es hatte we nig Sinn, den Zorn des Henkers unnötig her auszufordern. Außerdem wußte der bereits,
7 was in der Halle der tanzenden Eiskristalle geschehen war. Also berichtete er davon und beantwortete geduldig alle Fragen, die ihm gestellt wurden. Seine Frage allerdings, wer die geheimnisvollen varganischen Erinnyen waren, blieb unbeantwortet. Magantilliken schwieg lange, nachdem Atlan fertig war. Sein Gesicht war finster geworden. Es schien, als sei nicht alles so verlaufen, wie er sich das gewünscht hatte. Hatte Magantilliken Gegenspieler? Etwa diese Erinnyen? Endlich sagte er: »Ich werde Ihnen zu essen und trinken bringen, Sie aber gefesselt lassen. Wenn ich auf Sie aufpassen muß, fehlt mir die Bewe gungsfreiheit, das werden Sie bestimmt ver stehen. Ich weiß übrigens, daß Sie unten von der Station aus einen Funkspruch gesendet haben. Ich hoffe mit Ihnen, daß Ischtar und Fartuloon ihn empfingen. Dann brauchen wir hier nur zu warten.« »Und was werden Sie dann tun?« Magantilliken lächelte böse. »Na, was wohl? Ich werde Sie gegen Ischtar austauschen, wie ich schon erwähnte. Aber vielleicht fällt mir noch eine bessere Lösung ein. Auf jeden Fall kann mich nichts daran hindern, meinen Auftrag durchzufüh ren.« »Obwohl man Ihnen ins Handwerk pfuscht?« erkundigte sich Atlan. Magantilliken warf ihm einen wütenden Blick zu. »Was verstehen Sie schon davon, Atlan? Mir pfuscht niemand ins Handwerk, und wer es versucht, ist verurteilt. Ich bin der Hen ker, vergessen Sie das nie! Und ich werde auch Ihr Henker sein, wenn Sie nicht ver nünftig sind.« Er stand auf und ging, ließ aber die Tür geöffnet. Wenn Atlan sich ein wenig zur Seite drehte, konnte er in die Kommandozentrale sehen. Der Bildschirm lag genau in seinem Blickfeld. Die Oberfläche des Planeten So gantvort drehte sich langsam unter dem Schiff hinweg, also hielt es sich in einer
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Clark Darlton
Kreisbahn auf. Magantilliken nahm einige Korrekturen vor, ehe er Atlan einen Krug mit Wasser und einige Konzentrate brachte. Er löste die stählernen Fesseln so weit, daß der Gefange ne ohne fremde Hilfe essen und trinken konnte. Dann kehrte er in die Kommando zentrale zurück. Atlan stärkte sich und streckte sich dann auf dem Lager aus. Er wollte versuchen zu schlafen, aber er wußte schon jetzt, daß ihm das nicht gelingen würde. Seine Gedanken eilten zu Ischtar, der Goldenen Göttin, und zu seinem treuen Ge fährten Fartuloon, der ihm schon aus man cher Klemme geholfen hatte. Ob es ihm auch diesmal gelang. Und er mußte an Ra denken, den ehemali gen Barbaren von einem unbekannten grü nen Planeten, der unsterblich in Ischtar ver liebt war. Ra befand sich ebenfalls an Bord der FARNATHIA. Atlan schloß die Augen. Er wußte, daß er sich auf Ischtar verlassen konnte, denn sie liebte ihn. Aber erkannte auch das ungestü me Werben Ras, das keine Rücksicht kann te. In dieser Hinsicht war er der Barbar ge blieben, der sich die Frau nahm, die er haben wollte. Aber Ischtar hatte sich bisher seinem Drängen zu entziehen gewußt. Außerdem war da noch Morvoner Sprangk, der alte Haudegen, der auf Ra aufpaßte und vergeb lich versuchte, ihm Sitte und Anstand beizu bringen. Er würde stets in seiner Nähe blei ben und verhindern, daß es überhaupt zu ei nem Alleinsein der beiden kam. Obwohl er es nicht erwartet hatte, über mannte ihn die Müdigkeit. Atlan schlief ein …
* Er erwachte, als Magantilliken ihn heftig rüttelte. »Ihre Freunde, Atlan! Sie haben Ihren Notruf wahrhaftig empfangen und kommen.
Sie funken, denn sie vermuten Sie unten auf Sogantvort und nehmen an, Sie sind noch ein freier Mann. Ich bin gespannt, was sie tun werden, wenn Sie nicht antworten.« Atlan wollte aufspringen, entsann sich aber noch rechtzeitig seiner Fesseln. Er sank auf das Polster zurück. »So nehmen Sie doch Verbindung auf, Magantilliken! Warum antworten Sie nicht? Soll ich mit Ischtar sprechen?« »Mit welchem Erfolg wohl?« Magantilli ken schüttelte den Kopf. »Das hätte wenig Sinn. Ich glaube, dieses Schiff ist gut genug bewaffnet, um das andere in einem Überra schungsangriff erledigen zu können und da mit hätte ich ja meinen Auftrag erfüllt. Ischt ar ist tot, und ich habe dann noch immer Sie. Ganz einfach, nicht wahr?« »Sie glauben alle Probleme mit Gewalt lösen zu können. Wenn Sie sich nur nicht ir ren. Jedenfalls werde ich später, wenn Ihr Plan mißlingt, wesentlich weniger Lust ha ben, mit Ihnen zu verhandeln …« »Sie können überhaupt nicht verhandeln, denn Sie sind mein Gefangener«, unterbrach ihn Magantilliken höhnisch. »Sie werden später genau das tun, was ich von Ihnen ver lange. Es gibt tausend Tode, die man sterben kann.« Er kehrte in die Kommandozentrale zu rück. Auf dem Bildschirm erkannte Atlan jetzt die FARNATHIA, den Kugelraumer seiner kleinen Flotte. Ahnungslos näherte sich das Schiff dem Planeten und sandte dabei pau senlos das vereinbarte Rufzeichen aus. Zwi schendurch ging Fartuloon auf Empfang, aber er wartete vergeblich auf eine Antwort. Magantilliken hingegen hatte sein Schiff aus der Kreisbahn zurückgezogen und ging auf Angriffskurs. Vielleicht hatte man ihn bereits geortet, vielleicht aber auch nicht. Die FARNATHIA war viel zu sehr damit beschäftigt, Atlan zu finden. Der sah die Katastrophe kommen. Die FARNATHIA hatte eine Besatzung von sechzig Mann, aber was nützte das, wenn der Kommandant, in diesem Fall Fartuloon,
In der Hand des Henkers nicht mit einem Überraschungsangriff rech nete? Selbst wenn er Magantillikens gestoh lenes Schiff sichtete, konnte er noch immer nicht wissen, ob der Vargane angriff. Die FARNATHIA war tiefer gegangen und näherte sich der Oberfläche Sogant vorts, damit begab sich das Schiff aber auch gleichzeitig in eine schlechtere Verteidi gungsposition. Atlan bemerkte es, aber er konnte nichts dagegen tun. Er war sich sel ten so hilflos vorgekommen wie in diesen kritischen Minuten. Er begriff nicht, warum Fartuloon nicht reagierte. Spätestens jetzt mußte er das von Magantilliken gestohlene Doppelpyramiden schiff bemerkt haben, das einst Ischtar ge hört hatte. Ischtar kannte die gefährlichen Waffen, mit denen es ausgerüstet war. Wa rum unternahm sie nichts? Magantilliken stürzte sich wie ein giganti scher Raubvogel auf die scheinbar ahnungs lose Beute.
* Morvoner Sprangk, der ehemalige Flotte noffizier, hatte selbst die Kontrolle über die FARNATHIA übernommen, als das Schiff im System des Planeten Sogantvort materia lisierte. Neben ihm saßen Fartuloon und Ischtar. Ra war zu den leitenden Navigationsoffizie ren gegangen und sah zu, wie sie mit Karten und Meßinstrumenten hantierten. Es war, als interessiere ihn die bevorstehende Rettungs aktion nicht. Morvoner sagte nach einem Blick auf den Bildschirm und die Kontrollen: »Die Koordinaten stimmen, Ischtar. Atlan muß von hier aus gefunkt haben. Aber wa rum antwortet er nicht?« Die Varganin, mit einer blauen und engsitzenden Kombination bekleidet, die ih re Formen nur noch mehr hervorhob, erwi derte zögernd: »Ich weiß es nicht. Fartuloon, übernimm die Orterzentrale. Sie soll feststellen, ob es außer uns noch ein zweites Schiff hier gibt.«
9 Fartuloon, der wie gewöhnlich in seiner uralten Rüstung herumlief, erhob sich unwil lig. Aber da er von der Zentrale aus mit den Ortern Kontakt halten konnte, brauchte er nur drei Sessel weiter zu gehen, um ans Ziel zu gelangen. Er begann sofort mit seiner Ar beit. Alle Daten wurden ihm simultan über mittelt. Die Funkpeilung wiederholte die Ergeb nisse ihrer Anmessung. Ischtar lehnte sich zurück, während die Oberfläche von Sogantvort schnell näher rückte. »Es gibt überall die unterirdisch angeleg ten Stationen meiner Vorfahren, so auch hier. In einer von ihnen muß Atlan sein. Er hat auch von dort aus gefunkt. Wir werden die Massetaster einsetzen, um die Station zu finden. Morvoner, weiter verlangsamen, bit te.« Nebenan kam Fartuloon aus seinem Sitz hoch, so schnell es ihm seine beachtliche Leibesfülle erlaubte. »Ortung!« rief er aufgeregt. »Ein Schiff! Ein Doppelpyramidenschiff! Dein Schiff, Ischtar!« Die Goldene Göttin zeigte keine Überra schung. »Also doch Magantilliken! Wie weit?« »Orbit um Sogantvort, Ischtar. Ich weiß nicht, ob er uns bemerkt hat.« »Gut«, empfahl sie. »Dann tun wir auch so, als hätten wir ihn nicht bemerkt. Wir ver suchen weiter, Atlan anzufunken.« Morvoner Sprangk, dessen Hände schon auf den entsprechenden Kontrollen gelegen hatten, sah unschlüssig zu Fartuloon hin über, der als der eigentliche Kommandant fungierte. »Tu, was sie sagt!« knurrte Fartuloon. Nun erschien das Pyramidenschiff auch auf dem Bildschirm. Es hatte den Orbit ver lassen und versuchte eine Position zu errei chen, die über jener der FARNATHIA lag. Der Zweck war klar: Magantilliken wollte eine bessere Ausgangsbasis für Verhandlun gen haben, oder er wollte angreifen. »Soll ich die Schutzschirme einschalten?«
10 fragte Morvoner. »Das wird nicht nötig sein«, lehnte Ischtar ab, obwohl Fartuloon gerade mit dem Kopf nicken wollte. »Selbst wenn der Henker an greift, wird er eine böse Überraschung erle ben. Aber warum sollte er uns vernichten wollen, ohne vorher zu verhandeln?« Sie glitten nun dicht über die Oberfläche des Planeten dahin, in der ungünstigsten Po sition, die man sich vorstellen konnte. Es gab keine Ausweichmöglichkeiten, falls Ma gantilliken wirklich angriff und von oben kam. Fartuloon, der protestieren wollte, schwieg verbissen, als er Ischtars Gesicht sah. In ihm war nicht die geringste Spur von Besorgnis zu erkennen, nur verhaltener Tri umph. Da die Orter überflüssig geworden waren, kehrte Fartuloon an seinen Platz zurück und setzte sich neben Morvoner, auf dessen Stirn einige Schweißperlen standen. »Immer mit der Ruhe, Haudegen. Ischtar weiß, was sie tut.« Die Varganin warf ihm einen kurzen Blick zu. »Du hast recht«, sagte sie nur. Fartuloon hatte nur noch Zeit für die Bild schirme, auf denen sich Magantillikens Flugmanöver ausgezeichnet verfolgen lie ßen. Seine Absicht wurde nun völlig klar. Es konnte kein Zweifel mehr daran bestehen, daß er einen Angriff flog. Er mußte anneh men, daß man ihn noch nicht bemerkt hatte. »Soll ich doch nicht lieber den Energie schirm …« begann Morvoner, wurde aber von Ischtar unterbrochen: »Nein!« Inzwischen war Magantillikens Schiff praktisch auf Nahkampfdistanz herangerast. Aber nichts geschah. Das Pyramidenschiff, das einst Ischtar ge hört hatte, schoß dicht an der FARNATHIA vorbei, änderte abrupt den Kurs und gewann erneut an Höhe. Morvoner drückte auf die Taste des Feu erleitkomputers und sah Ischtar fragend an. Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß, Morvoner, daß wir ihn jetzt ri-
Clark Darlton sikolos vernichten könnten, aber ich will wissen, was er uns zu sagen, hat. Er muß einen Trumpf in den Händen haben. Ich hof fe nicht, daß es Atlan ist.« Fartuloon übernahm die Funkzentrale. Inzwischen hätte sich Magantillikens Schiff entfernt. Fartuloon suchte die in Fra ge kommenden Frequenzen ab, bis er schwache Rufzeichen hörte. Sie konnten nur von dem Pyramidenschiff stammen, was durch eine automatische Peilung sofort be stätigt wurde. »Er will etwas von uns«, sagte er. Ischtar übernahm und teilte Empfangsbe reitschaft mit. Magantillikens Stimme war klar und deut lich: »Was war das für eine Teufelei? Ich hatte euch im Visier, aber die Geschütze sprachen nicht an. Schade!« Ischtar sagte voller Genugtuung: »Du vergißt, Henker, daß es mein Schiff ist, dem du den Befehl gabst, mich zu ver nichten. Kannst du dir nicht denken, daß ei ne entsprechende Sicherung eingebaut wur de? Du bist nicht in der Lage, auch nur einen einzigen Energieschuß auf mich abzugeben. Dafür sorgt die hypnotechnische Sperre. Doch nun werden wir dich jagen, und du wirst uns nicht entkommen. Wehre dich, Henker!« »Einen Augenblick!« kam es hastig zu rück. »Du willst Atlan töten?« Ischtars Gesicht blieb ausdruckslos. »Du bluffst mich nicht noch einmal, Hen ker! Atlan befindet sich in einer Station der Varganen, tief unter der Oberfläche von So gantvort. Das weißt du genausogut wie ich.« »Du irrst, Goldene Göttin! Soll ich es dir beweisen?« »Das mußt du schon, wenn ich dir Glau ben schenken soll.« »Na schön, dann werde ich die Bildüber tragung einschalten, damit du mich sehen kannst mich und deinen geliebten Atlan.« Der Telekomschirm leuchtete auf, als Ma gantiliiken die Kamera in seinem Schiff da zuschaltete. Deutlich war die Kontrollkabine
In der Hand des Henkers zu erkennen, dahinter die weit geöffnete Tür. Auf einer der Liegen saß Atlan, an den Händen gefesselt und er nickte stumm in die Kamera. »Nun sag schon etwas, damit sie nicht denken, es wäre eine Aufzeichnung«, for derte Magantiliiken ihn auf. Fartuloon rief: »He, Atlan, bist du gesund? Was sollen wir tun?« Der Gefangene lächelte mühsam. »Gesund bin ich schon, aber er hat mich geschnappt. Chapat ist auch fort, sie haben ihn in die Eisige Spähre geholt. Ischtar, bist du dort? Ja, jetzt kann ich dich sehen. Ihr seid dem Angriff entkommen?« »Darüber zerbrich dir nicht den Kopf«, riet sie. »Wir werden schon mit ihm fertig. Ich weiß jetzt, wo du bist und was ich zu tun habe. Ruhe dich aus. Magantilliken, ich war te auf dein Angebot.« Der Bildschirm erlosch. Der Ton blieb. »Ich will dich, das weißt du. Komm mit einem Beiboot her, und ich lasse Atlan frei. Das ist meine einzige Bedingung.« »Ich glaube dir kein Wort, Henker! Abge lehnt.« »Dann muß Atlan sterben!« Sie lachte spöttisch. »Ich kenne dich, Henker! Du wirst nie mals deinen einzigen Trumpf ohne Gegen leistung aus der Hand geben und auf keinen Fall wirst du ihn einfach wegwerfen. Wir können weiterverhandeln, wenn du einen besseren Vorschlag machst, der auch mich und Atlan absichert. Denke nach, du hast zehn Minuten.« Sie schaltete ab. Fartuloon, ein wenig blaß geworden, meinte stockend: »Du gehst ein großes Risiko ein, Ischtar. Atlans Leben liegt in der Hand des Henkers. Selbst wenn er dich nicht körperlich ver nichtet, so würde er dich moralisch töten, wenn er Atlan umbringt. Vergiß das nicht!« »Er wird ihn nicht umbringen, glaube mir. Sein Auftrag lautet, mich zu töten! Und dazu hat er nur eine Chance, wenn er Atlan als
11 Faustpfand behält. Ich will nur mehr Sicher heit, dann gehe ich auf seine Forderung ein.« »Das willst du wirklich?« Ra war nach vorn zu den Kontrollen gekommen. Er sah Ischtar aus engen Augen an. »Du willst von der Hand des Henkers sterben, um Atlan zu retten?« Sie drehte sich nicht um, als sie erwiderte: »Ich habe nichts davon gesagt, daß ich sterben will, um ihn zu retten. Ich habe nur gesagt, daß ich ihn retten will.« »Und wie?« »Das laß meine Sorge sein. Im übrigen ist es Zeit, wieder auf Empfang zu gehen. Der Henker wird sich gleich wieder melden.« Es war Fartuloon klar, daß Ischtar keinen festen Plan haben konnte. Immerhin beein druckte ihn ihre Sicherheit. Sie verhandelte mit Magantilliken, als könne sie die Bedin gungen stellen, nicht er. Der Henker meldete sich. Als er die Emp fangsbereitschaft erhielt, sagte er: »Ich will es kurz machen und gleich beto nen, daß es keine Alternative zu meinem Vorschlag gibt. Ischtar, wenn du Atlan le bend wiedersehen willst, komme mit der FARNATHIA nach Zercascholpek. Ich weiß, daß du die Koordinaten kennst, erspa re mir also weitere Erklärungen. Sobald du das System erreichst, geh auf Funkempfang und benütze dieselbe Frequenz wie jetzt. Ich werde mich melden und dir den Rest meiner Bedingung stellen. In genau zehn Sekunden gehe ich in Transition. Wir sehen uns wieder auf der Welt des Sehers.« Damit wurde die Verbindung unterbro chen. Fartuloon, der die Bildschirme nicht aus den Augen gelassen hatte, sah das Doppel pyramidenschiff allmählich transparent wer den, dann entschwand es urplötzlich seinen Blicken. Magantilliken ging in Transition. Er und Atlan waren Sekunden später viel leicht schon viele Lichtjahre entfernt, im Augenblick unerreichbar für die FARNA THIA.
12 »Zercascholpek? Ausgerechnet Zerca scholpek!« Morvoner Sprangk lehnte sich zurück und starrte auf seine Kontrollen. »Was ist damit? Kennst du eine Welt die ses Namens? Wärst du schon einmal dort?« »Ich kenne sie dem Namen nach, Morvo ner. Sie gehört zu den Versunkenen Welten und sie gehört dem Satan. Die Natur hat sie zurückerobert, aber in ihrer furchtbarsten Form. Ich kenne niemanden, der je lebend von ihr zurückkehrte. Dort also will er mir seine Bedingungen stellen …« »Muß ja eine hübsche Hölle sein«, kom mentierte Fartuloon trocken, obwohl ihm ganz anders zumute war. »Warum hat er sich ausgerechnet diesen Planeten Zer … Wie hieß er doch?« »Zercascholpek!«
»Ja, warum hat er sich ausgerechnet die
sen ausgesucht?« Ischtar schüttelte verzweifelt den Kopf. »Ich weiß es nicht! Stellt mir keine Fra gen, die ich nicht beantworten kann. Er wird schon seine Gründe haben, der Henker. Aber wir haben keine andere Wahl. Wir müssen seine erste Bedingung erfüllen. Atlan darf nicht sterben. Er hat noch einen langen Weg vor sich.« »Einen sehr langen!« bestätigte Fartuloon voller Ahnungen. »Was hat es mit diesem Seher auf sich, den Magantilliken erwähnte?« erkundigte sich Morvoner in fast sachlichem Ton. »Schon mal von dem gehört?« Ischtar brauchte keine Sekunde zum Überlegen. »Es ist Vrentizianex, der Kyriliane-Seher. Der Planet gehört ihm, sagt man. Er hat sich mit der Natur verbündet, sagt man auch. Ei ne gefährliche Welt und das sage ich! Wol len wir es wagen?« Fartuloon polterte: »Dumme Frage, Ischtar! Natürlich wagen wir es, du hast es doch eben selbst vorge schlagen. Vor einer hemmungslos sich ent wickelnden Natur habe ich keine Angst.« »Zercascholpek war schon in alten Zeiten
Clark Darlton berühmtberüchtigt«, warnte Ischtar trotz dem. »Man erzählte sich Geschichten dar über, aber es gab niemanden, der sie bestäti gen konnte. Denn, wie ich schon sagte: nie mand kehrte zurück wenigstens niemand, den ich kenne. Ich möchte wissen, was den Henker mit Vrentizianex verbindet.« Ra mischte sich wieder ein: »Eine Urwelt, sagst du, Ischtar? Ich kenne mich mit Urwelten aus, weil ich selbst von einer stamme, wie du sehr gut weißt. Und wenn ich mich recht erinnere, hatten wir bei de dort eine sehr schöne Zeit zusammen.« Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. »Inzwischen gibt es Atlan, Ra, vergiß das nicht! Damals kannten wir ihn beide noch nicht. Warum willst du nicht endlich die Vergangenheit ruhen lassen? Sie hätte auch ohne Atlan die Gegenwart nicht verändern können.« Sie lächelte ihm zu. »Ra, sei ver nünftig! Was wärest du ohne Atlan? Ein Barbar, den man auf einem der Sklaven märkte des Arkonidischen Imperiums ver kauft hätte. Er war es, der dich befreite und zu seinem Freund machte.« Ra nickte ein wenig beschämt. »Ich bemühe mich immer wieder, es nicht zu vergessen, Ischtar. Aber hast du nicht im Zusammenhang mit unserem Zielplaneten behauptet, die freie Natur sei stärker als alles andere?« »Man kann sie zähmen, Ra, wenn man das will.« Sie nickte ihm aufmunternd zu. »Und du willst es, nicht wahr?« Fartuloon unterbrach die fruchtlose Dis kussion: »Also, Ischtar, die Koordinaten! Ich muß sie programmieren. Wir gewinnen nichts, wenn wir noch mehr Zeit verlieren. Je länger wir warten, desto mehr Zeit bleibt Magantil liken, seine Fallen aufzubauen.« »Du hast recht«, stimmte auch Morvoner grimmig zu. »Wir sollten ihm so wenig Zeit wie möglich dazu lassen.« Ischtar zog den Datenaufzeichner zu sich heran, betrachtete ihn einige Sekunden und begann dann, einzelne Tasten einzudrücken. Das Ergebnis schob sie Fartuloon in Form
In der Hand des Henkers einer Plastikfolie hin. »Das sind die Koordinaten. Speise sie in den Transitionskomputer. Ich schätze, daß wir zwischen fünfzehn und zwanzig Sprün ge neu programmieren müssen. Die Entfer nung ist extrem groß. Ihr werdet verstehen, daß ich erschöpft bin. Ich ziehe mich in mei ne Kabine zurück und versuche zu schlafen. Vor der letzten Transition weckt mich, bitte! Ich muß dabei sein, und ihr werdet meinen Rat brauchen können.« Morvoner sagte: »Leg dich schlafen, Ischtar. Wir haben die Koordinaten, das genügt. Welcher Sonnen typ übrigens?« »Blaßgelb«, murmelte Ischtar und verließ die Kommandozentrale der FARNATHIA. Fartuloon sah ihr nach, bis sich die Tür geschlossen hatte. »Sie ist verwirrt und verzweifelt. Sie muß sich ausruhen, sonst versagt sie im entschei denden Augenblick. Wir schaffen das hier schon allein. Ra, übernimm die erste Wache, wenn wir die Transitionspause einlegen. Auch die Maschinen müssen ausruhen, wie du weißt. Morvoner bleibt vorerst hinter den Kontrollen.« Der alte Offizier nickte gelassen. »Natürlich tue ich das.«
* Nach der vierten Transition löste Fartu loon seinen Gefährten Morvoner Sprangk ab. Auch Ra erhielt die Erlaubnis, sich schlafen zu legen. Er ging mit Morvoner in die Messe, um zu essen. Über den Tisch hin weg entwickelte sich ein kurzes Gespräch. »Ob wir es schaffen, Ra?« »Vor einem Urwald habe ich keine Angst.« »Du wirst uns helfen können?« »Ich hoffe es. Wenn es Urwald ist, was Ischtar meint.« »Wo die Natur sich entwickeln kann, ent stehen immer Wälder riesige und unüberseh bare Wälder.« »Das ist die Regel. Es gibt auch Ausnah
13 men.« »Du hast recht, Ra, es gibt auch Ausnah men. Vielleicht lernen wir eine kennen.« Er stand auf. »Also, dann bis später. Wir über nehmen nach der achten Transition.« Sie trennten sich, und Morvoner ging in seine Kabine, um sich aufs Ohr zu legen. Ra blieb hingegen vor seiner eigenen Kabine stehen, sah sich nach allen Seiten um und ging weiter. Er betätigte den automatischen Öffner von Ischtars Kabinentür. Anstandslos ge langte er in ihre Kabine und schloß die Tür hinter sich. Sie lag im Bett, nur mit einer leichten und halb durchsichtigen Decke bedeckt. Ihr Ge sicht verriet kein Erstaunen, als sie den Ein dringling erkannte. »Was soll das? Ich habe dir schon hun dertmal gesagt, daß es sinnlos ist.« Er näherte sich nur zögernd dem Bett und schien allen Mut verloren zu haben. Behut sam setzte er sich. »Ischtar, ich liebe dich, und du weißt es. Warum …« »Und ich liebe Atlan!« unterbrach sie ihn frostig. »Was also willst du hier?« »Hör zu, Ischtar, und unterbrich mich nicht. Bitte! Ich liebe dich, und du weißt selbst, daß die Natur oft stärker ist als jede Vernunft. Auch ich liebe Atlan, denn ich ha be ihm viel zu verdanken. Aber weiß er es, daß wir jetzt zusammen sind? Weiß es über haupt jemand? Nein, nur wir beide wissen es. Und es wird unser Geheimnis bleiben, das verspreche ich dir.« Sie drehte sich so, daß sie auf dem Rücken lag. »Unser Geheimnis? Und du meinst, damit seien alle Probleme gelöst? Ra, ich verstehe dich nicht. Du weißt, daß ich Atlan liebe und daß er mich liebt. Was hättest du davon, wenn ich deine Bitte erfüllte? Deine tieri schen Instinkte könnte ich vielleicht befrie digen, aber mehr nicht abgesehen davon, daß ich dich danach hassen würde.« Er lehnte sich ein wenig zurück. »Auf meiner Welt habe ich mir die Frau
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Clark Darlton
en auch dann genommen, wenn sie mich haßten. Es war mir egal.« Sie nickte. »Ja, damals konntest du das tun. Du warst ein Jäger, der weiterzog. Aber hier kannst du nicht allein weiterziehen. Wir werden stets um dich sein, und eines Tages Atlan auch. Könntest du ihm dann noch frei in die Au gen sehen oder mir?« »Wir könnten es vergessen, Ischtar.« Sie schüttelte den Kopf. »Du bist noch immer ein Barbar, Ra. Man kann nicht mit dem Gedanken lieben, um es gleich wieder zu vergessen. Du mußt versu chen, das zu verstehen. Ich bin kein Objekt, ich bin ein weibliches Wesen. Und nun bitte ich dich, mich zu verlassen. Ich bin müde und möchte schlafen.« Er zögerte. »Und wenn ich mich nur neben dich lege, um auch zu schlafen?« Sie wandte ihm abrupt den Rücken zu. »Geh, bitte! Ich wäre sonst gezwungen, Fartuloon zu rufen.« Er stand auf. »Gut, ich werde gehen, aber ich werde immer wiederkommen und dich fragen. Ein mal wirst du mich nicht wegschicken, des sen bin ich sicher.«
* Insgesamt benötigte die FARNATHIA siebzehn Transitionen mit entsprechenden Korrektursprüngen, um das von Magantilli ken angegebene Ziel zu erreichen. Sie waren alle in der Kommandozentrale versammelt, als sie außerhalb des Systems rematerialisierten. Die Orter und Masseta ster begannen sofort mit ihrer Tätigkeit. Der Bildschirm leuchtete auf. Die Sonne Zercascholpeks war in der Tat ein wenig beeindruckender blaßgelber Stern, der von vier Planeten umlaufen wurde. Der zweite war die gesuchte versunkene Welt, wie Ischtar bekanntgab. Die Vergrößerung zeigte nichts als eine durchgehende grüne Dschungelfläche, nur
von Vulkangebieten und größeren Sumpf seen unterbrochen. Von einer Besiedlung oder einer einst vorhandenen Zivilisation war nichts zu entdecken. Die Massetaster zeigten keine nennenswerten Erzansamm lungen an. Aber die Orter entdeckten in dem System ein von intelligenter Hand gesteuertes Ob jekt mit der ungefähren Masse von Ischtars ehemaligem Doppelpyramidenschiff. Die Berechnungen liefen an. Da die FARNATHIA mit Unterlicht flog und auf eine weitere Transition aus Sicher heitsgründen verzichten mußte, dauerte es einige Stunden, ehe sie in das ausgedehnte Sonnensystem eingedrungen war. Inzwi schen hatte das Objekt Kurs und Geschwin digkeit geändert. Es umkreiste nun auf einer stabilen Bahn den Planeten. Die energetischen Schutzschirme waren eingeschaltet. Ischtar bat Morvoner, Funkkontakt mit Magantilliken auf der vereinbarten Frequenz aufzunehmen. Die letzte Entscheidung stand kurz bevor. Zu ihrer aller Verblüffung blieb der Emp fänger stumm. Der Henker antwortete nicht. Das war gegen die Abmachung. Fartuloon sagte: »Es kann sein, daß er mit einem Beiboot das Schiff verlassen hat und zur Oberfläche hinabgeflogen ist. Er trifft seine Vorberei tungen, darum nehme ich auch an, er hat At lan mit genommen. Wir werden bald von ihm hören.« Ischtar war anderer Meinung: »Kann sein, daß er das Schiff verlassen und gesichert hat, aber wir werden nichts von ihm hören wenigstens vorläufig nicht. Er will, daß auch wir auf Zercascholpek lan den. Er will uns in eine Falle locken.« »Na schön«, schlug Morvoner vor, »dann tun wir ihm doch den Gefallen. Wir landen mit einem Beiboot und lassen die FARNA THIA ebenfalls im Orbit zurück, ebenfalls genügend abgesichert. Außerdem haben wir ja auch noch eine Mannschaft an Bord.«
In der Hand des Henkers »Ja, und dich als Kommandanten!« nickte Ischtar. Morvoner protestierte energisch: »Immer ich! Ich soll immer zurückblei ben, wenn etwas los ist! Man wird mich dort unten in der grünen Hölle brauchen …« »Hier wird man dich ebenfalls brauchen, Morvoner. Die FARNATHIA benötigt einen Kommandanten, auf den wir uns verlassen können. Fartuloon wird mich begleiten, weil er das Skarg besitzt, und Ra, weil er die Na tur kennt.« Sie warf ihm einen vielsagenden Blick zu. »Wir drei nehmen das Beiboot. Und wir bleiben in Kontakt mit dir, solange es möglich ist. Du darfst nichts unterneh men, Morvoner! Du wartest in der Kreis bahn. Diesen Rückhalt werden wir bitter nö tig haben!« Morvoner schwankte zwischen Ärger und Geschmeicheltsein. »Nun ja, meinetwegen, wenn die anderen zustimmen …« »Es ist am besten so«, sagte auch Fartu loon. »Und ich möchte dir noch einen Rat geben: Sobald wir die FARNATHIA mit dem Beiboot verlassen haben, schalte sämt liche Schutzschirme ein. Es könnte gut sein, daß Magantilliken auf dumme Gedanken kommt, und wenn Ischtar nicht an Bord ist, werden die Waffen seines Schiffes funktio nieren. Vergiß es also nicht!« »Ich vergesse es nicht«, versprach Morvo ner, nicht besonders froh gestimmt. »Funkfrequenz bekannt? Wir nehmen die al te.« »Ja, natürlich. Magantilliken muß nicht unbedingt mithören.« Sie zogen sich an und nahmen ihre Waf fen an sich. Das Beiboot wartete im Hangar. Als sich die Schleuse öffnete und sie hinaus fielen in den leeren Raum, sahen sie unter sich den grünen Teppich eines scheinbar un berührten Urplaneten. Aber sie wußten, daß dort unten der Tod auf sie wartete.
2.
15 Obwohl Kara die Königin des Stammes war, mußte sie heute für Nahrung sorgen. Die Reihe kam an jeden von ihnen, auch an die Königin. Das war ein ungeschriebenes Gesetz, dem sich auch die jeweiligen Stam meshäuptlinge zu beugen hatten, ob sie nun weiblichen oder männlichen Geschlechts waren. Kara führte ihren Stamm seit vielen Monden. Sie hatte nicht so viele Finger und Ze hen, um sie zählen zu können, aber bisher war es ihr stets gelungen, jeden eventuellen Nachfolger, der sie zum Kampf stellte, zu besiegen. Und das sollte so bleiben. Sie duckte sich in der mächtigen Astgabel des Baumes nieder und beobachtete das Reptil, das sich träge aus dem Uferschlamm des Sees herausarbeitete, bis es trockenes Land erreichte. Das Land aber gehörte Karas Stamm. Kara verhielt sich absolut ruhig. In ihrer freien Hand hielt sie den faustgroßen Gegen stand, der noch von den »Alten« stammte und von denen es nicht mehr viele gab. Wenn man ihn auf die Beute warf, gab es einen lauten Krach, und die Beute war tot und zerfetzt. Nur der jeweilige Häuptling durfte die restlichen »Mongods« bewachen. Das Fenar erreichte das Land, tief unter Kara, die zur ersten Ebene hinabgeklettert war. Ein Baum hatte viele Ebenen, und Ka ras Stamm lebte in der obersten, dicht unter dem Himmel, aus dem ihre Vorfahren, die »Alten«, einst gekommen waren. Doch das war schon lange her, viele Ge nerationen und unzählige Monde. Denn es gab zwei dicht nebeneinanderste hende Monde, die ihre Welt umkreisten. Sie standen viele Nächte am Himmel, ehe sie für die gleiche Zeitspanne verschwanden, um dann wiederzukehren. Sie waren die Uhr von Karas Stamm. Ein dumpfes Grollen ließ Kara zusam menzucken. Sie hielt sich fest, als der Ast erzitterte und ein plötzlicher Wind über ihr die Blätter aufrauschen ließ. Unter ihr drehte das Fenar um und kroch in sein Element zu
16 rück. Für heute war die Beute verloren, denn die Feuerberge wollten es nicht anders. Auf der anderen Seite des Sees glomm ein rötlicher Feuerschein auf, dann erfolgte eine plötzliche Eruption, die glühende Steine und Lava in die Höhe schleuderte. Das meiste fiel in den See, aber an manchen Stellen be gann der Wald zu brennen, der aus nur we nigen Bäumen bestand, die allerdings so rie sig waren, daß man sich keinen Begriff da von machen konnte. Sie waren dreihundert Mal so hoch wie ein Mann von Karas Stamm, und die Äste und Zweige bedeckten ein Gebiet, das zehnmal so groß war wie der See. Aber sie brannten nicht lange, dazu waren sie zu feucht. Feuer bedeutete keine Gefahr in dieser Urwelt, denn überall gab es das Wasser, auch in den Zweigen und Blättern der lebenden Bäume, die eine ganze Welt bedeckten. Kara wartete, bis der Ausbruch des Vul kans vorüber war, dann ging sie erneut auf Pirsch. Sie tat es, ohne einmal den sumpfi gen Boden unter sich berühren zu müssen. Sie war in einer Astgabel geboren worden, und der Baum war ihre Heimat. Aber sie kannte auch einige andere Bäume in der Nachbarschaft. Man konnte viele Monde wandern, ohne auf den festen Boden hinab steigen zu müssen. Bald wurde es dunkel, aber sie konnte nicht ohne Beute zurückkehren. Es wurde immer dann dunkel, wenn die Sonne unterging, und das geschah sechzig mal während eines Mondes. Es gab also dreißig helle und dreißig dunkle Nächte und natürlich sechzig sehr helle Tage. Die bei den Monde spendeten nicht viel Licht, aber es genügte für die Jagd. In dieser Nacht je doch standen sie nicht am Himmel. Es wür de richtig dunkel werden. Kara hatte nur einen einzigen Mongod bei sich. Sie würde ihn nur dann werfen, wenn sie sich ihrer Beute sicher war. Sie war nur mit einem Tierfell bekleidet, Beine und Oberkörper waren frei. Um ihren Hals hing die Kette mit Zähnen, das Zeichen
Clark Darlton des Häuptlings. Im Gürtel aus Leder steckte ein Messer. Die Haare reichten bis über ihre Brüste. Sie hatte es nicht allein ihrer für eine Frau ungewöhnlichen Körperkraft zu verdanken, daß sie die Königin geworden war, sondern wohl mehr ihrer Klugheit und vor allen Din gen ihrer Schönheit. Jeder Mann des Stam mes der Koniden hätte sie gern besessen, darum gab er ihr seine Stimme, als der letzte Häuptling starb. Nebenbuhler gab es keine mehr, aber Kara hätte sich nicht vor einem Zweikampf gefürchtet. Kara blieb ihrem Grundsatz »teile und herrsche« treu. Sie nahm sich keinen Mann, so daß sie alle weiter hoffen konnten. Trotz dem zog sie sich damit die Mißgunst der an deren Frauen zu, die sie jedoch ihrer Kamp ferfahrung wegen fürchteten und nichts ge gen sie zu unternehmen wagten. Vorsichtig wanderte sie weiter und hielt sich in der Nähe des Seeufers. Nachts kamen die Fenare gern an Land, und es gab sogar welche, die auf den Baum kletterten. Vor ih nen mußte sich Kara besonders in acht neh men, denn ein Schlag des kräftigen Schup penschwanzes genügte, sie in den Sumpf stürzen zu lassen. Wenn das geschah, war sie verloren. Die unteren Äste waren breit, so daß man bequem auf ihnen laufen konnte, bis man den nächsten erreichte und überwechseln konnte. Über Kara war undurchdringliches Grün, das selbst am Tage die Sonne kaum bis in diese Tiefe vordringen ließ. Nur am Ufer des Sees war es hell und sonnig, denn im See wuchs der Baum nicht. Doch jetzt war die Sonne schon unterge gangen. Die Monde kamen nicht, also wurde es allmählich finster. Vielleicht sollte sie doch zum Stamm zurückkehren, es würde besser sein. Morgen war noch immer Zeit zur Jagd, und niemand würde bis dahin ver hungern. Sie nahm den nächsten Ast, der nach oben führte, und erreichte bald die mittlere Regi on. Sie hätte den Lichtstab mitnehmen sol len, aber nun war es zu spät, darüber Be
In der Hand des Henkers trachtungen anzustellen. Der Stamm besaß nur noch einen einzigen funktionierenden Lichtstab, der ebenfalls noch von den Alten stammte. Niemand wußte heute noch, wa rum er einen grellen, weißen Lichtschein er zeugte, wenn man einen Knopf verschob. Auf allen vieren kroch sie immer höher, bis sie die oberste Ebene erreichte. Hier wa ren die Äste nicht mehr so dick und stark, aber dafür hatten die Schlingpflanzen regel rechte Matten und Netze gebildet, auf denen man gehen konnte. Allerdings lauerten hier auch die gefährlichen Schillerblumen, die von Fleisch lebten. Kara schob den Mongod in die winzige Tragtasche am Gürtel und zog das Messer. Die Schillerblumen verrieten sich in der Dunkelheit durch ihre schwach leuchtenden Blüten, und wenn man geschickt war, schnitt man einfach ihren Stengel durch, bevor sie angriffen. Dann starben sie. Weit vor sich sah Kara Licht durch das Dickicht schimmern. Das war das Lager. Sie nahm den gewohnten Pfad über die Schlingpflanzen, mit denen ihr Stamm in Freundschaft lebte. Selbst wenn man den Halt in dieser Höhe unter dem Himmel ver lor und abrutschte, würde man nie den Bo den erreichen. Früher oder später landete man in einem Netz und konnte sich retten. Das Schillern der Blüte warnte Kara rechtzeitig. Am Tage hatte sie den Gegner nicht bemerkt, aber jetzt verriet er sich. Das phosphoreszierende Leuchten kündigte höchste Angriffsbereitschaft an und Hunger. Kara nahm das Messer fester in die Hand und bewegte sich langsamer und vorsichti ger. Sie hätte dem tödlichen Feind auswei chen können, denn er konnte ihr nicht fol gen. Seine Wurzeln saßen in einem mor schen Ast oder in einer der vielen feuchten Astgabelungen. Aber Kara wußte, daß jede am Leben gelassene Schillerblume schon am nächsten Tag eines der Kinder erwischen konnte. Die Blüte das eigentliche Maul des Unge heuers hatte einen Durchmesser von der hal ben Länge eines Mannes. Es öffnete sich,
17 bereit, die willkommene Beute zu verschlin gen und wartete. Kara lächelte grimmig, als sie daran dach te, welches Glück es doch sei, daß die Schil lerblumen ohne Intelligenz waren. Sie blieb ein kleines Stück vor dem drohenden Unge heuer stehen und dann schoß ihre Hand mit dem Messer blitzschnell vor. Mit einem ge konnten Hieb säbelte sie den armdicken Stengel durch und sprang zurück. Die Blüte schloß sich sofort, während die Blume selbst umkippte und im Pflanzen dickicht liegenblieb. Nun war sie ungefähr lich, denn ohne die Befehle ihrer Wurzel konnte sie nicht mehr handeln. Morgen schon würde sie vertrocknet sein. Kara ging weiter, auf das ferne Licht zu. Über ihr waren nur noch wenige dünne Äste und Blätter. Darüber war der dunkle Him mel, nach dem Ausbruch des Feuerberges wieder mit schwarzen Wolken verhangen und nach Schwefel riechend. Selbst wenn die Monde dort gewesen wären, Kara hätte sie nur wie durch einen Schleier wahrneh men können. Als sie den Rand des Lagers erreichte, blieb sie stehen. Es war immer gut zu wis sen, was der Stamm während der Abwesen heit seiner' Königin trieb. Die Hütten standen auf Plattformen aus Holz, die von den größeren Ästen getragen wurden. Dicke Äste und Schlingpflanzen wiederum bildeten einen festen Untergrund für die Steine, die mühevoll bis hier oben heraufgeschleppt worden waren. Man hatte sie so gelegt, daß sie ebenfalls eine Platt form bildeten, auf der das Feuer brannte. Einige Männer hockten um das Feuer, an dere saßen vor ihren Hütten, die man aus Ästen und Blättern errichtet hatte. Es war wenig sinnvoll, festere Behausungen zu bau en, weil der Flammenregen der nahen Feuer berge schon mehr als einmal das Baumdorf vernichtet hatte. Zwei Frauen kamen mit Behältern von unten. Sie hatten Wasser geholt. Nur wenn es regnete, sammelte es sich in Astgabeln, und man mußte es nicht vom See holen.
18 Kara wartete nicht mehr länger. Sie kam auf die Lichtung und ging zum Feuer, wo sie sich zwischen die Männer setzte, die sie er wartungsvoll ansahen. Sie konnten an ihr kein Stück der erhofften Beute entdecken, das sie zum Zeichen einer erfolgreichen Jagd mitgebracht hätte. »Gerade als ich das Fenar töten wollte, brach der Feuerberg aus«, sagte sie, als sie die Fragen in ihren Augen las. »Es floh und entkam. Dann war es zu dunkel zum Jagen. Wir müssen bis morgen warten.« »Wir haben noch Fleisch«, meinte einer begütigend. Sie nickte. »Sicher haben wir noch Vorräte, aber auch sie gehen einmal zur Neige. Übrigens müßt ihr morgen die Schillerblüten vernich ten. Es sind wieder mehr geworden seit der letzten Ernte. Sie drohen unsere Siedlung einzuschließen. Die Kinder werden nicht mehr sicher sein.« Sie besprachen noch einige ihrer Proble me, die für den Stamm lebenswichtig waren, dann erhob sich Kara. »Ich gehe schlafen. Hat noch jemand et was zu sagen?« Teron erhob sich. »Ich muß noch mit dir sprechen, Kara. Heute noch.« Er warf den anderen Männern einen Blick zu. »Allein, in deiner Hütte.« Teron war der älteste Mann des Stammes und hatte die besten Erinnerungen. Er allein wußte noch, was damals geschehen war be hauptete er wenigstens. Und da er alt war, kam niemand auf dum me Gedanken, wenn er nachts mit Kara al lein war. Sein Rat galt viel beim Stamm. Kara nickte. »Gut, Teron, dann komm mit mir. Ich bin neugierig, was du mir zu berichten hast. Du weißt, daß ich gern deinen Geschichten zu höre, das tat ich schon als Kind.« Die Männer blickten ihnen nach, bis sie in der Hütte verschwanden. Ein Fettlicht ver breitete trübe Helligkeit, aber sie genügte, um die Einzelheiten erkennen zu lassen. Da war das einfache Lager der Stammesköni-
Clark Darlton gin, ein paar Zweige mit dürrem Laub und ein Fell. Daneben so etwas wie ein Regal, in dem ein Ersatzmesser und einige Mongods lagen. In der Wand steckte ein kurzer Ast, der als Haken diente. Der wertvolle Licht stab lag auf einem Balkenvorsprung, für jeden zugänglich, der ihn im Notfall brauchte. Teron setzte sich auf den wackeligen Schemel, während Kara sich ungeniert auf ihrem Lager ausstreckte. Sie sah ihn fragend an. »Ich habe schon immer gesagt, Kara, daß sie eines Tages wieder kommen jene näm lich, die unsere Vorfahren zu dieser Welt brachten, die wir nun als unsere Heimat be trachten. Du weißt, daß ich noch die alten Aufzeichnungen kenne, die uns die Alten hinterließen. Sie wurden von einem Feuer berg vernichtet, als wir fliehen mußten. Dei ne Mutter war damals noch ein Kind so lan ge ist das schon her. Aber ich erinnere mich noch gut. Und auch daran, was ich gelesen habe.« Sie seufzte. »Das hast du mir und den anderen schon oft genug erzählt, Teron. Warum immer wieder diese alten Geschichten? Wir leben ein anderes Leben heute, und die Vergan genheit ist tot.« »Sie ist niemals tot, denn ohne sie gäbe es die Gegenwart und die Zukunft nicht, Kara. Was aber, wenn diese Vergangenheit zu uns zurückkehrte? WTas dann?« »Ich verstehe dich nicht.« Er nickte. »Das kommt daher, weil du nicht zuhören möchtest, Kara.« Nur Teron konnte sich er lauben, so mit der Königin zu reden. Sie hät te jeden anderen aus der Hütte geworfen und vielleicht sogar aus dem Stamm verstoßen, was sicheren Tod für den Unglücklichen be deutet hätte. »Ich muß dir leider noch einmal von dem berichten, was einst geschah, damit du verstehst, was morgen oder übermorgen geschehen wird. Unsere Vorfahren kamen aus dem Himmel, sagt man noch heute. Und das stimmt. Sie kamen wirklich aus dem Himmel, mit großen Schiffen, die von Stern
In der Hand des Henkers zu Stern flogen, und sie waren wie die Göt ter. Sie brachten unsere Vorfahren hierher und verließen sie dann wieder. Den Grund kenne auch ich nicht. Sie gaben ihnen nur einige Dinge mit, von denen wir heute noch ein paar besitzen die Mongods, den Licht stab, die Messer. Und das Ding, mit dem wir Feuer machen. Das ist alles, was geblieben ist.« »Ich bin müde von der Jagd«, erinnerte ihn Kara. »Du wirst schnell wieder munter werden, wenn ich dir sage, daß ich gestern nacht ei nes dieser Schiffe gesehen habe, mit denen unsere Vorfahren zu dieser Welt kamen.« Sie richtete sich überrascht auf, sank dann aber wieder in die Blätter zurück. »Du hast ein solches Schiff gesehen und berichtest mir erst heute davon? Warum?« »Weil ich erst alles gut überlegen mußte, ehe ich mein Geheimnis preisgab. Du weißt, daß die Männer über mich lachen und daß sie nicht wissen wollen, was einst geschah. Auch der Priester ist dagegen. Der Zauberer erst recht. Dir aber muß ich es sagen, Kara. Ich habe das Schiff gesehen. Es war klar ge stern nacht, und die Sterne waren gut zu se hen, weil die Monde nicht da sind. Und ei ner dieser Sterne wanderte von Horizont zu Horizont.« Kara wirkte enttäuscht. »Warum soll ein Stern nicht über den Nachthimmel wandern? Ich habe schon wel che sehr schnell wandern sehen.« »Das ist etwas anderes, Kara. Dieser Stern wanderte langsam und in einer geraden Bahn, so als umkreise er unsere Welt. Es kann kein Stern gewesen sein, sondern nur ein Schiff der Ahnen.« »Warum sollte es wie ein Stern ausse hen?« »Auch das habe ich in den alten Auf zeichnungen gelesen. In großer Höhe sehen sie aus wie Sterne, wenn die Sonne unterge gangen ist und sie noch anstrahlt. Sie wer den zurückkommen.« »Und warum sollten sie, wenn sie unsere Vorfahren hier absetzten und sich selbst
19 überließen falls deine Geschichte überhaupt wahr ist, was ich bezweifle.« »Ich weiß nicht, warum sie zurückkehren, Kara. Vielleicht sind es auch andere, die nichts von uns wissen. Fremde, weißt du …« »Fremde?« »Ja, Fremde! Ich habe gelesen, daß es Wesen gibt, die uns fremd sind, so wie uns auch die Fenars und die Schillerblumen fremd sind. Diese Wesen haben auch Schif fe, mit denen sie von Stern zu Stern eilen können. Wenn sie es sind, die da kommen, müssen wir uns verbergen, denn sie würden uns töten. Das ist es, was ich dir sagen woll te. Sie dürfen uns nicht finden!« Kara wandte ihm ihr Gesicht zu. »Hör zu, Teron! Wenn ich deiner Ge schichte Glauben schenken würde, so müßte ich doch versuchen, erst einmal herauszufin den, ob das Schiff Fremden gehört oder den Nachkommen unserer Ahnen. Wie aber soll ich das tun, wenn ich mich verstecke?« Teron machte eine abwehrende Handbe wegung. »Noch kann ich nicht sicher sein, ob das, was ich gesehen habe, wirklich ein Schiff ist. Doch ich bin davon überzeugt. Und wenn es landet, irgendwo hier, dann werde ich hingehen und Fragen stellen. Ich bin ein alter Mann, Kara, und ich habe nicht viel zu verlieren.« »Nein!« Sie richtete sich wieder auf, sichtlich erregt. »Du wirst nicht gehen, denn wenn es Fremde sind, werden sie dich aus fragen, und du wirst uns verraten. Wir wer den warten.« Sie legte sich wieder hin. »Aber ich glaube nicht an deine Geschichte. Du hast einen Stern gesehen, der gewandert ist. Was soll daran so Besonders sein? Und nun geh schlafen oder zu den anderen ans Feuer. Ich bin müde.« Er stand auf. »Das Feuer sollte nachts gelöscht wer den«, sagte er noch und ging. Sie blickte ihm nach und sah, daß er sich zu den anderen Männern ans Feuer setzte und mit ihnen sprach. Jetzt, nachdem er Ka
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ra berichtet hatte, durfte er auch ihnen mit teilen, was er beobachtet hatte. Sollte er, sie würden ihn ja doch nur auslachen. Keiner nahm ihn ernst, wenn ihn auch jeder achtete. Ob er vielleicht doch recht hatte? Kara wußte von ihrer Mutter, daß Teron der einzige von ihnen war, der die verbrann ten Unterlagen noch kannte. Er mußte mehr wissen als sie alle. Aber die Geschichten, die er oft erzählte, waren einfach zu phanta stisch. Sie drehte der offenen Tür den Rücken zu und versuchte zu schlafen. Aber sie konnte den Stern nicht vergessen, von dem Teron gesprochen hatte.
* Am anderen Tag schickte Kara die Jäger aus. Es ging ihr weniger darum, daß sie Beu te machten, vielmehr sollten sie feststellen, ob sich in der näheren Umgebung etwas ver ändert hatte oder dabei war, sich zu verän dern. Teron hatte den Männern von dem wandernden Stern erzählt und von dem, was er vermutete. Eine Gruppe wanderte nördlich um den See herum bis zu den Feuerbergen und dem riesigen, einzelnen Baum, der selbst die höchsten Gipfel überragte und der als heilig galt. Eine andere Gruppe wanderte nach Sü den, ein Stück am See entlang und dann in das unerforschte Gebiet der grünen Hölle. Wenn Teron recht hatte und es wirklich flie gende Schiffe gab, dann konnten diese zwar hier nie landen, aber vielleicht sah man sie wenigstens dicht über den Wald dahinstrei chen. Die restlichen Jäger verteilten sich und blieben ebenfalls in Wipfelnähe, um den Himmel ständig im Auge behalten zu kön nen. Kara blieb im Lager und beaufsichtigte die Frauen, die Holz sammelten und Wasser holten. Dann nahm sie einige von ihnen mit, um die neu gewachsenen Schillerblumen zu töten.
Später setzte sie sich zu Teron, der vor der noch warmen Asche des Feuers hockte und döste. »Ich habe alles getan, was du vorgeschla gen hast, Teron. Bist du zufrieden?« Er nickte. »Ich möchte wissen, was damals vor vie len Generationen geschah und warum unsere Vorfahren auf dieser Welt blieben. Wenn man den Berichten Glauben schenken kann, gibt es schönere Welten als diese. Es war aber auch von Krieg die Rede und von Meu terei.« »Unser Leben hier ist auch nicht leicht.« »Aber wir sind frei, Kara. Wir haben Gegner, aber wir werden mit ihnen fertig.« »Und doch willst du, daß wir das Schiff von den Sternen finden?« »Aus vielen Gründen, Kara. Ich will Fra gen stellen, falls es welche gibt, die darauf antworten. Und wenn das nicht möglich ist, wissen wir wenigstens, daß die verbrannten Berichte nicht gelogen haben.« »Vielleicht ist es besser, wir bleiben in unseren Verstecken.« »Das kannst du noch immer entscheiden, wenn wir mehr wissen.« Den Rest des Tages verbrachte sie damit, den Kindern zu zeigen, wie man sich am leichtesten einer Schillerblüte näherte und sie mit dem Messer abschnitt. Dann ging sie auf die Jagd und erlegte ein noch junges Fe nar. Die Frauen zerlegten die willkommene Beute, während die Königin das Feuer ent zündete. Es würde erst in einigen Stunden dunkel werden, und bis dahin konnten die Jäger heimkehren. Sie kamen einzeln oder in Gruppen, und keiner von ihnen hatte etwas gesehen, das anders als sonst gewesen wäre. Erschöpft und hungrig von der langen Wanderung durch die Wipfelebene des Waldes ließen sie sich am Feuer nieder und verschlangen ha stig ihre Portionen, die ihnen von den Frauen zugeteilt wurden. Teron, der abseits hockte, würdigten sie keines Blickes. Es wurde allmählich dunkel, aber Kara
In der Hand des Henkers ließ das Feuer brennen. Jene Jäger, die nach Norden zu den Feuer bergen gezogen waren, ließen auf sich war ten. Der Feuerschein sollte ihnen den Weg weisen. Es wurde später und später, aber die Er warteten kamen nicht. Erst gegen Mitternacht hörte Kara das Ra scheln von Zweigen, das langsam lauter und deutlicher wurde. Jemand näherte sich auf dem bekannten Weg dem Lager, es konnte also nur einer der noch vermißten Männer sein. Endlich trat er in den Schein des Feuers, ein noch junger Mann mit Lendenschurz. Er schob das Messer in den Gürtel zurück und setzte sich zwischen Kara und die anderen noch wachen Krieger. »Es ist zu unserer Welt gekommen, wir haben es mit unseren eigenen Augen gese hen«, sagte er, nach Atem ringend. »Die an deren bleiben in der Nähe, mich haben sie ins Lager geschickt, damit ich berichte. Te ron hatte recht.« Kara schickte einen der Jäger, um Teron zu wecken. Der Alte hatte sich schon in sei ne Hütte zurückgezogen. Dann sagte sie zu dem jungen Mann: »Warte, bis Teron bei uns ist.« Der alte Mann kam bereits nach wenigen Sekunden herbeigestürzt und wäre fast über einen Stein gestolpert, so eilig hatte er es. Noch bevor er sich setzen konnte, fragte er: »Wer ist es, der das Schiff gesehen hat? Du, Bron? Wie groß ist es? Wie sieht es aus? Wo?« »Ja, es war Bron«, sagte Kara und warte te, bis er sich endlich setzte. »Unterbrich ihn nicht, er wird uns alles erzählen.« Teron bezähmte sich und hielt den Mund. Bron aber berichtete, was er gesehen hat te: »Unsere Gruppe hielt sich in der Nähe des Ufers, weil es dort heller ist. Der eine Feuer berg raucht noch immer, und wir hatten Angst, er könnte wieder ausbrechen. Doch sein Gipfel blieb unsichtbar, weil er von den Ästen des Heiligen Baumes überragt wird.
21 Immer mehr näherten wir uns der Grenze. Wir blieben in der obersten Ebene, um bes ser sehen zu können. Niemand von uns glaubte, daß Teron recht behalten würde und daß der wandernde Stern, den er gesehen ha ben wollte, ein Schiff der Ahnen war. Und dann sahen wir es. Wir hatten die Grenze erreicht. Vor uns war das Gebiet des Heiligen Baumes, das verzaubert sein soll. Wir hielten an, um uns zu beraten. Über uns waren keine Äste und Blätter mehr, nur der Himmel, an dem keine Wolken mehr standen. Vor uns, etwas tiefer als wir, lag das grüne Dach des Heiligen Baumes, unermeßlich weit und selbst die Kegel der Feuerberge verdeckend. Einige wollten weitergehen, andere waren dagegen. Das Betreten des Heiligen Baumes ist nicht ausdrücklich von dir verboten wor den. Kara, aber wir taten es nie. Niemand von uns weiß, warum er heilig ist, aber schon unsere Vorfahren mieden ihn. Doch heute war das etwas anderes. Noch während wir berieten, es war kurz nach dem höchsten Sonnenstand, erblickten wir hoch über uns einen schimmernden Punkt im Himmel, fast sah er aus wie ein Stern. Aber es war hell, und da gibt es keine Sterne. Er wurde schnell größer, und wir sa hen, daß er sich auf den Heiigen Baum her absenkte.« Teron hielt es nicht mehr aus. Er rief: »Ein Stern? War es wirklich ein Stern?« »Nun warte doch ab!« rief Kara erbost. »Du machst die Geschichte nur noch länger, wenn du immer unterbrichst.« Sie nickte Bron zu. »Rede weiter!« Bron fuhr fort: »Wir saßen versteckt in den Zweigen und sahen zu, wie der Gegenstand immer näher kam, und schließlich über dem Heiligen Baum schwebte, so als kenne er sein Ziel nicht genau. Jetzt erst war zu erkennen, was es war. Teron hat uns immer vom Schiff der Vorfahren erzählt, das von Stern zu Stern fliegen konnte. Dies war so ein Schiff, nur war es viel kleiner, als Teron beschrieb. Fünf oder sechs Mannslängen Durchmesser,
22 nicht mehr. Wie eine Scheibe sah es aus, und in der Mitte war es dicker. Das Schiff ging dann langsam tiefer und landete mitten auf den obersten Ästen des Heiligen Bau mes. Dort blieb es eine Weile reglos stehen. Nichts rührte sich. Wir aber blieben in unse rem Versteck und warteten. Endlich, viel später, öffnete sich eine Tür in dem kleinen Schiff. Ein Mann kam heraus, und wir er schraken, als wir ihn sahen. Er war unge mein dick und trug in der Hand ein gewalti ges Schwert so wie uns Teron die alten Waf fen unserer Vorfahren beschrieb. Er war von oben bis unten bekleidet und sah wirklich furchterregend aus. Ihm folgte ein anderer Mann, stark und kräftig gebaut, mit seltsa men Gegenständen am Gürtel seiner Klei dung. Und schließlich entstieg noch eine Frau dem Schiff.« Er machte eine kleine Pause, aber nie mand stellte eine Frage. Selbst Teron blieb schweigsam, wenn seine Augen auch vor Erregung fast aus ihren Höhlen quollen. Der Traum seines Lebens hatte sich verwirklicht. Bron fuhr in seinem Bericht fort: »Eine sehr schöne Frau, so schön wie eine Göttin! Sie trug einen blauen Anzug und Waffen. Und sie gab die Kommandos. Sie muß also eine Königin sein. Die Tür des Schiffes wurde geschlossen, und als sich die beiden Männer und die Frau ein Stück ent fernt hatten, flammte plötzlich ein grelles Licht auf, das das Schiff einhüllte. Wir mußten eine Zeitlang die Augen schließen, um nicht geblendet zu werden, und als wir sie wieder öffneten, waren die beiden Männer und die Frau verschwunden. Das Schiff aber, von dem Lichtschein umge ben, blieb stehen. Und es steht noch jetzt dort. Ich kam, es euch zu sagen. Das ist al les.« Kara sah die heftige Debatte voraus und griff vor: »Teron hat das Wort. Er soll uns erklären, warum das Schiff so klein ist, wie Bron es beschrieb. In so einem kleinen Schiff kön nen unsere Vorfahren niemals auf diese Welt gekommen sein.«
Clark Darlton Teron nickte. »Natürlich nicht, Kara. Es handelt sich um ein Beiboot. Das sind kleine Flugkörper, mit denen man das Mutterschiff verlassen kann, um auf einer fremden Welt Erkundi gungen einzuziehen. Das Mutterschiff könn te nie auf den Bäumen landen, und wir ha ben nur wenig freies Land.« »Hast du das auch aus den Aufzeichnun gen der Alten?« »Dort stand es so, Kara. Die beiden Män ner und die Frau sind nur eine Vorhut. Die anderen warten im Mutterschiff. Sie werden folgen.« »Und wir? Was sollen wir tun?« Teron überwand seine persönliche Neu gier und dachte in erster Linie an das Wohl des Stammes. »Es ist gefährlich, in die Nähe des Licht scheins zu kommen, den Bron erwähnte. Er ist wie kaltes Feuer, das sofort tötet. Wir können nur beobachten. Und nachts sollten wir unser Feuer löschen.« »Wir befolgen deinen Rat, Teron. Bron, du wirst schlafen und morgen mit weiteren Männern zum Heiligen Baum zurückkehren. Haltet euch gut versteckt und schickt jeden Tag einen zurück, der uns berichtet.« Das Feuer war niedergebrannt und erlosch allmählich. Einer nach dem anderen ver schwanden sie in den Hütten, um zu schla fen. Teron begleitete Kara bis zu ihrem Lager. »Nun sind sie da, und wir können nichts tun«, sagte er mit unterdrückter Enttäu schung. »Wenn ich nicht so alt wäre, würde ich selbst zu ihnen gehen und meine Fragen stellen. Was mögen sie hier nur wollen?« Kara legte sich hin. »Wenn wir sie nicht fragen, werden wir es nie erfahren«, murmelte sie übermüdet.
3. Zweimal umrundeten sie den Planeten Zercascholpek, ohne auch nur die geringste Spur von Magantilliken oder Atlan zu ent decken. Auch die Massetaster sprachen nicht
In der Hand des Henkers an. Die Oberfläche selbst bestand aus einer einzigen Wildnis, die keinen Durchschlupf bot. Es gab keinen Landeplatz, wenn man nicht gerade in einem Vulkankrater nieder gehen wollte. Ischtar überhörte die Flüche Fartuloons und sagte: »Wenn wir überhaupt landen wollen, dann nur im Wipfel eines Baumes. Sie er scheinen mir kräftig genug dazu. Außerdem können wir das Gewicht mit einem Anti gravfeld verringern.« »Ich bin noch nie in Bäumen gelandet«, knurrte Fartuloon wütend. »Man muß alles zum ersten Mal tun«, er klärte Ischtar gelassen. »Ich suche den ›Baum der Erinnerungen‹, und genau auf ihm werden wir landen.« Fartuloon warf ihr einen fragenden Blick zu. »Was ist denn das nun wieder? Baum der Erinnerungen?« »Dort sind die Toten Augen des Kyrilia ne-Sehers. Sie müssen wir finden!« »Davon hast du vorher nichts erwähnt, Ischtar. Ich muß schon sagen, du bist voller Überraschungen.« »Ich weiß nicht viel über ihn, aber er be deckt mit seinen Ästen und Zweigen mehr als zwei Dutzend Vulkane, so groß ist er.« »Hört sich nach einem Märchen an«, be zweifelte Fartuloon Ischtars Angaben. »So einen großen Baum gibt es überhaupt nicht.« »Du wirst ihn sehen«, versprach die Var ganin. Fartuloon studierte die von der automati schen Aufnahmekamera gefertigte Karte und entdeckte in der Tat die gigantischen schwarzstämmigen Bäume, deren Ausmaß alles übertraf, was er je in seinem Leben ge sehen hatte. Ein einziger Baum mußte viele Quadratkilometer Fläche bedecken, und dann wuchs auch schon der nächste. Ihre äu ßeren Zweige überlappten sich und bildeten ungenaue Grenzen. »Wird dir aber schwerfallen, ihn zu fin den, denn es gibt überall Vulkane. Was hat
23 es übrigens mit diesen Toten Augen auf sich, wie du sie nennst?« »Das sage ich dir später, Fartuloon. Ra, gib mir bitte die Daten des Planetenanalysa tors durch, damit wir wenigstens in der Hin sicht nicht überrascht werden können.« Zercascholpek war ein relativ junger Sau erstoffplanet mit einer mittleren Temperatur von 30,5 Grad Celsius, einer Gravitation von 1,3 Gravos und einer Eigenrotation von 32 Stunden. Die beiden eng zusammenstehen den Monde, die eine identische Kreisbahn besaßen, hatten keine Namen und waren be deutungslos. Die Atmosphäre selbst war durch die ständige vulkanische Tätigkeit ge trübt und an manchen Stellen rauchverhan gen. Es gab Binnenmeere, eigentlich mehr große Seen. Sie allein unterbrachen die un gehemmt wuchernde Wildnis der Bäume und der pflanzlichen Schmarotzer, die auf ihnen lebten. Intelligentes Leben oder gar Spuren einer Zivilisation zeigten die Instru mente nicht an. Auch die Massetaster blieben in ihrem Resultat negativ. Ischtar meinte: »Ich verstehe das nicht. Es hat auf dieser Welt Stationen der Varganen gegeben. Wo sind sie?« Hier hatte Fartuloon eine logisch klingen de Erklärung: »Sieh dir nur die Vulkane an, Ischtar! Sie bilden regelrechte Gruppen und stehen oft dichter als die Riesenbäume. Es könnte doch sein, daß die Station oder die Stationen von ihnen verschüttet wurden. Sie liegen viel leicht unter einer kilometerdicken Schicht von Lava und Asche, und da versagen auch unsere Instrumente. Ich glaube, du kannst diese Reste eurer Zivilisation vergessen. Um so größer wäre das Wunder, wenn dein Baum der Erinnerungen noch existiert.« »Das wäre überhaupt kein Wunder, Fartu loon, denn die Bäume hier scheinen mir wi derstandsfähiger gegen die Naturgewalten zu sein als Stationen, die zudem noch unter irdisch angelegt wurden. Wenn sich ein Spalt auftut, können sie bis zum flüssigen
24 Kern absinken. Ich glaube, wir geben die Suche nach ihnen auf.« Morvoner meldete sich verabredungsge mäß auf der FARNATHIA. Er berichtete, daß sich weder Magantilliken noch Atlan gerührt hätten. Das Doppelpyramidenschiff umkreiste unverändert den Planeten. Ra sah interessiert hinab auf die grüne Hölle. Fartuloon vermutete: »Das erinnert dich wohl an deine Heimat welt, wie?« »Ja, ein wenig. Aber auf meiner Welt gab es auch Steppen und weite Prärien, große Meere und viele Ströme. Dort unten ist hauptsächlich Wald. Ein paar Seen und Vul kane das ist alles. Trotzdem möchte ich sie kennenlernen. Sie ist mir lieber als Betonge birge.« Ischtar nickte ihm zu. »Du wirst sie kennenlernen, Ra, denn wir werden landen. Achtet auf einen gewaltigen Baum, der die Spitzen der Vulkane über ragt.« Fartuloon grunzte unwillig: »Ich bin nicht besonders scharf auf diesen Urdschungel, und wenn ich daran denke, daß Atlan vielleicht in ihm herumirrt, von dem Henker begleitet oder verfolgt, wird mir ganz anders. Auf der anderen Seite frage ich mich, was das alles soll? Warum stellt Magantilliken nicht einfach seine Bedingun gen? Warum diese Umstände?« »Magantilliken hat immer seine Gründe«, sagte Ischtar. »Er tut nichts ohne logischen Gedankengang. Wir werden es noch erfah ren. Aber unabhängig jetzt von Magantilli ken und Atlan müssen wir den Baum der Er innerungen finden. Er hilft uns weiter!« Fartuloon wollte etwas sagen, aber dann schwieg er doch. Ischtar mußte wissen, was sie tat. Sie kannte das Erbe ihrer verscholle nen Zivilisation besser als er oder ein ande rer. Und sie liebte Atlan. Sie würde alles tun, um ihn zu retten. Das Beiboot sank tiefer und glitt nun dicht über die grünen Wipfel dahin. Diese Wipfel wiegten sich immerhin noch zwi schen zwei und fünfhundert Meter über der
Clark Darlton eigentlichen Oberfläche. Was dazwischen lag, war nicht zu erkennen. Die Massetaster zeigten keinerlei Materie anorganischen Ur sprungs an. Ein großer See kam in Sicht. Unwillkür lich verringerte Fartuloon die Höhe und ging tiefer. Die Ufer wurden von undurchdringli chem Dickicht begrenzt, das auf und zwi schen den Ästen der Bäume wucherte. Im Wasser selbst entdeckte Ra die ersten Lebe wesen der Urwelt Echsen. Sie lagen träge irn seichten Sumpfwasser oder krochen faul am Strand herum. Fartuloon sah nach vorn und stieg höher. Er registrierte abermals die Kegel der Vul kanberge und achtete kaum auf sie. Einer von ihnen rauchte. Ischtar hatte einen schär feren Blick. Sie deutete in Flugrichtung und rief erregt: »Das muß er sein der Baum der Erinne rungen! Genau vor uns!« »Ein Baum wie alle anderen«, erwiderte Fartuloon. »Die sind hier alle so groß …« »Ja, sie sind alle so groß, aber er steht al lein! Und seine Wipfel umschlingen mehr als zwei Dutzend Vulkane. Das ist sein be sonderes Kennzeichen, Fartuloon! Nur ganz oben berühren seine Zweige die Zweige der anderen Bäume. Kannst du dort landen?« »Landen?« Fartuloon schüttelte voller Be denken den Kopf. »Wo soll ich denn da lan den außer auf dem Baum selbst?« »Eben, das meine ich ja! Versuche, einen günstigen Platz zu finden.« Fartuloon hatte sich nie viel aus Frauen gemacht. Er hielt auch nicht viel von ihrer Logik. Das war ein Irrtum, wie er viel später noch einsehen mußte. Seine Sorge galt jetzt nur Atlan und dessen Schicksal. Er hatte ihn als Kind zu sich genommen und erzogen, und Ischtar liebte ihn. Die Kraft der Liebe war auch Fartuloon nicht unbekannt. Also wußte er, daß Ischtar alles tun würde, um Atlan zu retten und sie kannte Magantilliken besser als er. »Ich werde es versuchen«, sagte er. Das Beiboot besaß einen Durchmesser von zehn Metern, war in der Mitte vier Me
In der Hand des Henkers ter dick und hatte vier Landebeine. Die Kommandokuppel saß in der Mitte auf der Oberseite und war transparent. Die Schleuse lag auf der Unterseite. Der riesige Baum ein ganzer Wald für sich war nun genau unter dem Beiboot, das sich langsam herabsenkte. Mit dem bloßen Auge war nicht abzuschätzen, ob das grüne Dach die Last tragen würde, selbst wenn die Antigravfelder halfen. Die Blätter und Zwei ge mußten auch die drei Personen halten können, denn sie trugen keine Kampfanzüge mit der entsprechenden Ausrüstung. Fartuloon bemerkte die Netze der Sch lingpflanzen, die regelrechte Hängematten bildeten und die stabil wirkten. Darunter lag das undurchdringliche Dunkel einer unbe kannten Urwelt. Er entsann sich, einmal eine ähnliche Welt besucht zu haben, auf der die Pflanzen die Tiere bekämpften. Die Tiere lebten von den Pflanzen und umgekehrt. Hier würde es Tiere geben, sie hatten sie schon in den Seen bemerkt. Was aber konnte sich in dieser undurchdringlichen grünen Hölle am Leben erhalten? Sie selbst viel leicht für ein paar Tage. Fartuloon fuhr die vier Landestützen aus, obwohl er wußte, daß sie auf dem Pflanzen teppich keinen festen Halt finden und ihn durchdringen würden. Aber sie konnten für Stabilität auf dem schwankenden Unter grund sorgen. Das Beiboot setzte unendlich sanft auf. Wie erwartet, sanken die Landestützen durch das Dickicht hindurch, erst der flache Körper des Schiffes selbst fand festen Halt. Die dichte, grüne Fläche schwankte zwar hin und her, kam jedoch allmählich zur Ru he. Fartuloon schaltete den Antrieb ab und das Antigravfeld ein. Er lehnte sich zurück. »Wir sind gelandet«, erklärte er überflüs sigerweise. »Um uns und unter uns ist nichts als Vegetation, nur über uns haben wir den Himmel.« Ischtar sagte:
25 »Und irgendwo ist auch fester Boden.« Fartuloon nickte. »Ja.« Er deutete nach unten. »Dort!« Ra drückte sich an der Sichtkuppe] fast die Nase platt. »Ich habe gute Augen. Ganz bestimmt ha be ich dort drüben, hinter uns, etwas gese hen, das sich bewegte. Aber jetzt sehe ich nichts mehr. Es muß sich also versteckt ha ben.« »Vielleicht der Wind, der Zweige beweg te«, vermutete Ischtar. »Und selbst, wenn dort etwas ist«, warf Fartuloon ein, »so kann es uns nichts anha ben. Magantilliken ist bestimmt nicht auf die Bäume geklettert. Es kann sich also nur um ein Tier handeln.« »Was immer es auch sein mag, wir müs sen nach unten«, sagte Ischtar bestimmt. »Wenn ihr hier bleiben wollt ich jedenfalls versuche es.« Fartuloon überprüfte die Ortszeit und stellte fest, daß die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte. Es würde noch etwa sieben Stunden hell bleiben. Früh genug je denfalls, einen ersten Ausflug zu starten. Wortlos schnallte er das Skarg um und stand auf. »Na, dann wollen wir mal …« Ra überprüfte seinen Energiestrahler und schob einige Konzentrate in seine Tasche. Sein Messer vergaß er auch nicht. Ischtar bewaffnete sich ebenfalls und nickte dann Fartuloon zu. »Öffne die Schleuse. Schalten wilden Energieschirm ein?« »Ja, es ist besser. Ich habe die Automatik programmiert. Sobald wir das Boot verlas sen haben, schaltet sie den Schirm ein. Und auch wieder ab, sobald wir zurückkehren. Die Automatik reagiert auf unsere Gedan kenmuster.« Die Luft war würzig und warm, roch aber ein wenig nach Schwefel. Das kam von den vielen Vulkanen und war nicht weiter ver wunderlich. Das Boot ruhte auf einem dich ten Gewirr von Ästen, die durch Schling pflanzen fest miteinander verbunden waren.
26 Das Ganze bildete einen Teppich, der an die Oberfläche eines verfilzten Moorsees erin nerte, über den man hinweggehen konnte. Es war schwer, eine Lücke zu finden. Fartuloon zog kurz entschlossen sein Skarg, das Schwert mit den vielen seltsamen Eigenschaften. Er stieß es in den grünen Teppich und er zeugte in Sekundenschnelle ein Loch, durch das sie hinabsteigen konnten. Ra, der den Dschungel der Urwelt kannte, gab der Be fürchtung Ausdruck, daß man vielleicht nicht mehr zurückfände, aber Ischtar konnte ihn beruhigen. Mit Hilfe ihres kleinen Mas setasters, den sie mitgenommen hatte, war das Beiboot jederzeit wieder zu orten. Sie erreichten unter dem dichten Dach des grünen Teppichs eine Ebene, die von dicke ren Asten durchzogen war und die damit das weitere Vordringen einfacher gestaltete. Da für wuchsen die merkwürdigsten Pflanzen in den fauligen Astgabeln. Farbenprächtige Blüten reckten sich in die Höhe, dem schwa chen Licht der Sonne entgegen, und ein fast betäubender Duft ging von ihnen aus. »Sie sind schön, aber auch gefährlich«, warnte Ischtar. »Geht nicht zu nahe an sie heran. Sie leben von Fleisch.« Fartuloon war stehengeblieben. Nach denklich betrachtete er den weit geöffneten schillernden Kelch einer solchen Blume. »Sie fressen Fleisch?« vergewisserte er sich. »Was für Fleisch?« Ischtar zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. Aber man sagt, daß sie sich von Fleisch ernähren. Also muß es hier auch Tiere geben. Vielleicht nur Insekten.« »Müssen aber große Insekten sein, damit die Blumen satt werden«, kommentierte Far tuloon und kletterte weiter, immer tiefer hin ab ins halbdunkle Ungewisse, das tausend unbekannte Gefahren in sich bergen mochte. Einmal glitt Ischtar aus und wäre in die Tiefe gestürzt, wenn Ra sie nicht geistesge genwärtig festgehalten hätte. Immerhin ge riet ihr Fuß in die Nähe einer bunten Blüte, die sofort vorschnellte, den Fuß umklam merte und sich dann schloß.
Clark Darlton Fartuloon hörte den Schrei und kam sofort zurück. Ra hielt Ischtar fest, mehr konnte er nicht tun. Fartuloon schätzte die Entfernung ab und hob sein Schwert. Mit einem zielsi cheren Schlag trennte er die Blüte vom dicken Stengel. Ischtar kam sofort frei und konnte von Ra auf den Ast zurückgezogen werden. Sie war etwas blaß geworden. »Danke, Ra«, sagte sie. »Und dir auch Dank, Fartuloon.« Er knurrte so etwas wie »nicht der Rede wert« und ging weiter. Sein Skarg verbrachte wahre Wunderdin ge. Wo immer sich ihm ein Hindernis entge genstellte, das Schwert beseitigte es in weni gen Sekunden. Meistens brauchte Fartuloon nicht einmal stehenzubleiben, so geschickt war er im Umgang mit seiner Waffe. Ischtar hielt sich in der Mitte. Ihre erste Erfahrung mit der fleischfressenden Pflanze hatte sie vorsichtiger gemacht. Sie schien einen Teil ihrer ursprünglichen Sicherheit verloren zuhaben. Ra bildete den Abschluß. Er hielt sich dicht hinter Ischtar und verfolgte jede ihrer Bewegungen mit brennenden Augen. Er stellte sich vor, wie es wäre, wenn er jetzt mit ihr allein sein könnte. Fartuloon war stehengeblieben. Sie befan den sich alle auf einem fast waagerecht ver laufenden Ast, der mehr als einen Meter breit war. Unter ihnen waren Pflanzenteppi che, die sanft hin und her schwankten. »Da vorn ist etwas«, teilte Fartuloon mit, das Skarg in der Rechten. »Ein Tier, halb so groß wie einer von uns, aber humanoid. Sieht nicht sehr gefährlich aus.« »Dann geh doch weiter!« meinte Ischtar. »Nicht bevor ich weiß, was es ist. Wartet hier. Ra, paß auf sie auf!« Der Dicke hob sein Schwert, bis die Spit ze nach vorn zeigte, dann ging er vorsichtig weiter. Mit der linken Hand hielt er sich an den lianenartigen Gewächsen fest, die wie Brückengeländer wirkten. Selbst wenn er vom Stamm rutschte, würden sie ihn halten. Er schrak zusammen, als von oben herab etwas Dunkles auf ihn fiel und sich an sei
In der Hand des Henkers nem massigen Körper festklammerte. Die kleinen, dunklen Hände spannten sich um seinen dikken Hals, aber wohl weniger in der Absicht, ihn zu erwürgen, als sich viel mehr festzuhalten. Dabei stieß das Wesen pausenlos schrille Laute aus, als wolle es damit seine Artge nossen herbeirufen. Fartuloon kam es so vor, als teile das Tier seinem Stamm mit, daß es eine im wahrsten Sinne des Wortes fette Beute gemacht habe. »Dir werde ich helfen!« knurrte er wütend und versuchte, den lästigen Begleiter abzu schütteln. Als das nichts half, blieb er ruhig stehen und fuhr fort: »Ich weiß nicht, ob du intelligent genug bist, mich zu verstehen, aber ich rate dir, eiligst zu verschwinden. Wir wollen nichts von euch, also laßt uns zufrieden. Nun, was ist?« Der kleine Kerl mit fast menschlichen Händen und einem koboldhaften Aussehen kicherte schrill, als lache er Fartuloon aus. Das brachte diesen natürlich erst richtig in Rage. Mit der linken Hand griff er nach hin ten und erwischte das zottige Fell. Mit ei nem harten Ruck riß er das Tier von seinem Rücken und hielt es mit ausgestrecktem Arm vor sich, um es genauer zu betrachten. Es war in der Tat menschenähnlich, wenn es auch mehr einer Karikatur glich. Die fünf Finger waren beweglich und zum Greifen sehr geeignet, aber auch an den Füßen waren Finger, keine normalen Zehen. Das dunkle Fell war dicht und verfilzt. Das Tier war höchstens einen Meter groß. Mit seinen run den, braunen Augen sah es Fartuloon furcht los an. »Kommt her!« rief er Ischtar und Ra zu, die gewartet hatten. »Das müßt ihr euch an sehen. Harmlos, aber frech und lästig. Ich kann es nicht umbringen.« Ischtar nickte, als sie es betrachtet hatte. »Habe von ihnen gehört. Es gibt sie mas senweise hier. Sie leben vegetarisch und vertilgen mit Vorliebe die fleischfressenden Pflanzen, aber die revanchieren sich und sorgen dafür, daß sich die Botiks nicht allzu sehr vermehren.«
27 »Botiks?« »So nennen sie manche, den offiziellen Namen kenne ich nicht. Laß ihn laufen, Far tuloon.« »Natürlich lasse ich ihn laufen, aber ich bin davon überzeugt, daß wir weder ihn noch seine Freunde so schnell loswerden. Sie scheinen ungemein neugierig zu sein. Wenn ihr euch vorsichtig umseht, dann wer det ihr bemerken, daß sie uns regelrecht um zingelt haben. Überall stecken sie hinter dem Laub und dem Dickicht und beobachten uns. Sollte mich nicht wundern, wenn sie bald über uns herfallen.« »Was willst du denn tun? Vielleicht hilft es, wenn du sie anbrüllst.« Fartuloon grinste und setzte seinen Gefan genen auf den Ast und ließ ihn frei. Er sagte zu ihm: »Verschwinde, mein Kleiner! Und teile deinen Freunden mit, daß wir keine Zeit für sie haben. Wir haben genug mit uns selbst zu tun. Bleibt uns fern, sonst muß ich euch leider eine Lektion erteilen.« Der kleine Botik oder wie immer sie auch hießen machte einen Satz zur Seite und lan dete sicher auf einem anderen Ast. Er drehte sich noch einmal um, zog eine Grimasse, als wolle er Fartuloon ärgern, und verschwand mit einem zweiten Satz im nächsten Dickicht. Fartuloon schüttelte den Kopf und ging weiter. Hinter Ischtar flüsterte Ra heiser: »Ist das hier nicht ein Paradies? Hier möchte ich leben, für immer und mit dir, Ischtar. Ganz allein mit dir.« Sie drehte sich nicht um, als sie erwiderte: »Dieses mag deine Welt sein, aber es wä re nicht die meine. Sie ist mir zu wild, zu unberechenbar. Ich möchte hier nicht für den Rest meiner Tage leben. Selbst nicht mit Atlan!« Ra starrte auf ihren wohlgeformten Nacken, enttäuscht über ihre Reaktion. Dann biß er die Zähne zusammen, verzichtete auf eine Antwort und folgte ihr schweigend. Fartuloon war inzwischen damit beschäf
28 tigt, einen Stamm zu finden, der weiter nach unten führte. Seiner Schätzung nach hatten sie bisher etwa einen Kilometer zurückge legt. Sie befanden sich noch immer einige hundert Meter über dem festen Boden. Die Botiks hielten sich in respektvoller Entfernung, aber ihr Geschnatter machte Fartuloon langsam nervös. Er befolgte Ischt ars Rat und brüllte sie einigemal heftig an, mit dem Erfolg, daß zwar für einen Augen blick Ruhe herrschte, dann aber das Gekeife mit doppelter Lautstärke fortgesetzt wurde. Die Botiks schienen Fartuloons Reaktion für eine Art Spiel zu halten. Sein Schwert schuf immer wieder neue Lücken in dem dichter werdenden Pflanzen dickicht. Er schwang es mit einer Beharr lichkeit und Regelmäßigkeit, als habe er nie im Leben etwas anderes getan. Die Wirkung war derart, daß man hätte glauben können, die Pflanzen wichen vor dem Skarg zurück, noch ehe sie Bekanntschaft mit der Schneide machen konnten. Einer der Botiks war zu unvorsichtig. Er näherte sich von vorn und brachte sich dann nicht rechtzeitig wieder in Sicherheit. Jeden falls schlug Fartuloon dem kleinen Kerl ver sehentlich den Kopf ab. Die Leiche stürzte in die Tiefe, blieb aber schon nach zwei Dutzend Metern in einer Matte aus Schling pflanzen hängen. Der Erfolg des Unglücks war ein ohrenbe täubendes Gekreische, das aus allen Rich tungen kam und so schrill und laut wurde, daß Fartuloon stehenblieb und sich entsetzt die Ohren zuhielt. Auch Ischtar und Ra ver zogen ihre Gesichter, als bereite ihnen der Lärm körperliche Schmerzen. Und dann stürzten sich mehr als hundert Botiks auf Fartuloon. Ra und Ischtar waren etwa zwanzig Meter entfernt. Sie standen am Rand einer Astga bel, die mit trockenem Laub gefüllt war. Si cher handelte es sich dabei um ein Schlafla ger der Botiks, in deren Revier sie einge drungen waren. Als der Überfall erfolgte, wollte Ra Fartu loon zu Hilfe eilen, aber Ischtar hielt ihn
Clark Darlton fest. »Bleib! Er wird allein mit ihnen fertig, und den Strahler kannst du nicht einsetzen. Ich habe keine Lust zu verbrennen.« Als ob Fartuloon es geahnt hätte, rief er: »Bleibt dort, da seid ihr sicher. Ich verja ge sie schon …« In der Tat bemühte er sich, die Angreifer in die Flucht zu schlagen, ohne sie zu ver wunden oder gar zu töten. Er schrie sie an, schwang drohend sein Schwert und betonte immer wieder, natürlich völlig zwecklos, daß es sich um einen bedauerlichen Unfall gehandelt habe. Die schiere Masse der Angreifer erdrück te ihn geradezu. Er hätte sein Skarg kreisen lassen können, dann wäre kein Botik lebend an ihn herange kommen, aber er brachte es einfach nicht fertig, die im Grunde harmlosen Tiere abzu schlachten. Wären sie bösartig gewesen, hät te es für ihn keine Probleme gegeben, aber so hart Fartuloon einem echten Gegner ge genüber auch sein konnte, in diesem Fall war er hilflos. Er verlor den Halt, rutschte vom Stamm ab und stürzte in die Tiefe. Ra, der sich vor beugte, verfolgte seinen Sturz und stellte fest, daß die Pflanzen seinen Fall immer wieder abbremsten, bis er auf einem Tep pich landete, ihn allerdings mit seinem enor men Gewicht durchbrach und dann ver schwand. Zurück blieb nur ein Loch, das seinem Körperumfang entsprach. Die Botiks stießen schrille Schreie aus und verschwanden blitzschnell. Ra war mit Ischtar allein.
4. Es gelang Fartuloon, endlich seinen Sturz abzufangen und zwischen dichten Lianen und bunten Pflanzen hängenzubleiben, die ihm allerdings gefährlicher schienen als die Botiks. Er blieb ganz ruhig liegen und wartete, bis der schwankende Untergrund sich beruhigt
In der Hand des Henkers hatte. Dann sah er auf die Uhr und drückte auf den Knopf des kleinen Telekoms am Armband. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Ischtar sich meldete. »Bist du noch lebendig, Fartuloon?« »Es gehört mehr dazu, mich umzubrin gen. Seid ihr noch oben an der alten Stelle?« »Ja.« »Dann hör gut zu, Ischtar. Ich glaube, von hier aus, wo ich jetzt bin, kommt man relativ leicht hinab zum Boden. Aber es ist in einer halben Stunde dunkel. Es wäre zu gefährlich für euch, den Abstieg jetzt zu beginnen, und ich habe keine Lust, nach oben zu klettern und die Nacht irgendwo dazwischen zu ver bringen, abgesehen davon, daß ich dann morgen wieder herabklettern müßte. Bleibt also dort, wo ihr jetzt seid. Gibt es einen Platz zum Übernachten?« »Da ist eine Astgabel, trocken und ziem lich groß. Gehört sicherlich den Botiks.« »Nehmt sie, und wenn die Botiks kom men, verjagt sie mit einem Paralyseschuß. Das wird wirken. Morgen früh gebe ich euch von hier aus Anweisungen, wie ihr klettern müßt. Ich habe mir während des Sturzes al les genau angesehen.« »Und das soll ich dir glauben?« Ihre Stimme klang skeptisch. »Es ging doch alles viel zu schnell.« »Immerhin fiel ich fast hundert Meter. Wir bleiben in Verbindung. Ich suche mir einen sicheren Platz und schalte auf Emp fang. Wenn bei euch etwas los ist, brauchst du nur zu sprechen. Ich höre euch schon.« »Also gut, Fartuloon. Wir bleiben bis morgen. Und du kannst dich darauf verlas sen, daß ich mich melden werde, wenn mir etwas nicht paßt. Ende!« Fartuloon lauschte dem Tonfall nach und glaubte, Bedenken daraus hören zu können. Bedenken wegen der Botiks? Wohl kaum. Ra vielleicht? Er schüttelte den Kopf und sah sich um. Es galt, bevor es dunkel wurde, ein sicheres Versteck zu finden und den bunten Blüten aus dem Weg zu gehen. Er schob das Skarg in die Scheide, um es nicht zu verlieren. Da
29 für zog er das Messer, schnitt alle in der Nä he stehenden Blüten ab und warf trockene Zweige, von denen es genügend gab, in eine Mulde des Pflanzenteppichs. Die Dunkelheit kam so schnell, wie er es befürchtet hatte. Weit vor sich sah er einen rötlichen Schein durch die Blätter dringen. Das mußte der Vulkan sein, der noch tätig war und jeden Augenblick erneut ausbre chen konnte. Der Baum der Erinnerungen so hatte Isch tar ihn genannt. Was bedeutete das? Welche Erinnerungen waren gemeint? Und warum ausgerechnet auf diesem Urplaneten, auf dem es nicht die geringste Spur einer ehe maligen Zivilisation gab? Rätsel über Rätsel, aber Ischtar schwieg. Sie gab immer nur dann eines ihrer Ge heimnisse bekannt, wenn ihr keine andere Wahl mehr blieb. Was bedeuteten zum Beispiel die »Toten Augen« des Sehers Vrentizianex und was hatten sie mit Atlans Rettung zu tun? Fartuloon gab es auf, darüber nachzuden ken, als er die ersten Botiks bemerkte, die sich langsam an ihn heranschlichen. Schliefen denn die Biester überhaupt nicht? Er schaltete seinen kleinen Handstrahler auf schwächste Leistung. Er wollte keines der possierlichen Tiere mehr töten, aber er mußte sie verscheuchen. Schließlich mußte er ein paar Stunden schla fen, um morgen wieder fit zu sein. Der paralysierende Strahl erzeugte gerade soviel Licht, daß er die Opfer, die sein Kegel erfaßte, erkennen konnte. Er sah die Botiks in die Tiefe purzeln, einer nach dem ande ren, bis keiner mehr vorhanden war. Gleich zeitig trat Ruhe ein. Der Wind hatte sich auch gelegt, kein Blatt rührte sich. Fartuloon grunzte befriedigt und streckte sich erneut auf seinem provisorischen Lager aus. Sein Telekom war auf Empfang. Er hatte es auf höchste Lautstärke gestellt, und wenn Ischtar oder Ra nur in ihr eigenes Gerät flü stern würden, gäbe das einen Krach, der ihn
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aus dem tiefsten Schlaf riß. Beruhigt schloß er die Augen. Er schlief das erste Mal in mehr als zwei hundert Meter Höhe auf einem Baum.
* Ra schüttelte das trockene Laub zurecht und sagte zu Ischtar: »Leg dich hin, ich werde mich inzwischen umsehen. Ich bin sicher, das Nest gehört den Botiks. Sie werden kommen und uns sehen, und das gibt Ärger. Vielleicht wäre es gut, wenn ich ein paar Stunden wach bleibe, bis sie einsehen, daß ihr Bett für diese Nacht uns gehört.« »Tu das, Ra. Ich lege mich hin, denn ich bin müde. Hoffentlich wird es nachts nicht zu kalt, wir haben keine Decken mit.« Er lächelte. »Keine Sorge, Ischtar. Ich werde dich wärmen.« Sie schwieg und streckte sich in der Ast gabel aus. Den Telekom hatte sie abgeschal tet, aber ein geringfügiger Druck auf den Knopf genügte, um den Sender einzuschal ten. Dann würde Fartuloon jeden Laut hören können. Sie hoffte, daß sie das Gerät nicht brauchte. Ra hatte eigentlich zwei Gründe, sich noch nicht sofort zur Ruhe zu begeben, ei gentlich sogar drei. Erstens wollte er die Bo tiks verscheuchen, falls sich wirklich einige von ihnen in der Nähe aufhielten. Dann fehl te ihm der Mut oder die Frechheit, sich jetzt sofort Ischtar zu nähern, und drittens hoffte er, sie leichter überrumpeln und überreden zu können, wenn sie halb schlief. Nie und nimmer aber würde er seine Ab sichten auf geben. Er entdeckte einige Botiks, die er paraly sierte. Die restlichen tauchten im Dunkel der Nacht unter und kehrten nicht zurück. Mor gen würden sie feststellen, daß ihre Gefähr ten nicht tot waren und ihr Nachtlager wie der frei war. Vorsichtig näherte er sich wieder der Ast gabel. Obwohl es finster geworden war, hat-
ten sich seine Augen daran gewöhnt. Er konnte das Laublager erkennen, und auch Ischtars Umrisse. Noch war es warm, aber sie hatte nicht einmal die Bluse ihrer Kom bination geöffnet. Ra hatte man einen Barbaren genannt, weil er von einer Urwelt stammte, von der er geraubt worden war. Das erklärte seine Ein stellung. Um ihn und sein Verhalten jedoch gerecht zu beurteilen, sollte nicht vergessen werden, daß Ischtar sein erster Kontakt mit der Zivilisation gewesen war. Sie hatte ihn in ihr Raumschiff gelassen und sich ihm hin gegeben. Das war es, was er niemals verges sen konnte, auch wenn es nun Atlan gab, den Ischtar liebte. Er betrachtete sie voller Begierde, aber da war noch immer etwas, das ihn davon ab hielt, sich einfach auf sie zu stürzen: seine Treue zu Atlan, der ihn aus den Händen der Sklavenhändler befreit hatte. Er befand sich in einem Zwiespalt, mit dem er nicht fertig werden konnte. Auf der einen Seite das Gefühl der Loya lität, auf der anderen sein unbezähmbares Verlangen, Ischtar erneut zu besitzen und sei es nur noch für ein einziges Mal. Wirklich nur noch einmal? Würde sein Verlangen nach ihr nicht nur noch größer werden, wenn sie ihm jetzt nachgab? Würde er es vor Atlan verbergen können, falls er noch lebte? Je länger er Ischtar betrachtete, desto bes ser konnte er sie erkennen. Es war, als würde es heller, aber außer dem fernen Schein des Vulkans gab es kein Licht. Endlich nahm er allen noch verbliebenen Mut zusammen und stieg vorsichtig in die Astgabel hinab. Das trockene Laub raschel te, und Ischtar drehte sich auf die andere Seite, wobei sie etwas Unverständliches murmelte. Er legte sich unmittelbar neben sie, ohne sie dabei zu berühren. Fast hoffte er, sie würde aufwachen und sich umdrehen. Aber sie blieb liegen und atmete regelmä ßig weiter. Schlief sie, oder tat sie nur so?
In der Hand des Henkers Er lag neben ihr und wußte nicht, was er nun tun sollte. Sie waren allein im Urwald, fast allein auf einer ganzen Welt. Auf einer Welt allerdings, auf der vielleicht Atlan noch lebte. Und auf der Fartuloon für Ischt ars Sicherheit mitverantwortlich war. Doch er selbst war es gewesen, der ihnen geraten hatte, die Nacht in dieser Astgabelung zu verbringen. Behutsam legte Ra seinen Arm um Ischt ars Schulter. Sie rührte sich nicht und atmete immer noch gleichmäßig. »Ischtar?« flüsterte er. »Schläfst du schon?« Keine Antwort. Der Druck seines Armes wurde etwas stärker. Er drehte sich auf die Seite und fühlte die Wärme ihres Körpers. Aber er beherrschte sich, denn immer wieder tauchte Atlan vor seinem geistigen Auge auf. Aber Ischtar war auch da, und sie war wirklich da. Und das Verlangen nach ihr wurde unerträglich und war nicht mehr zu bändigen. Er riß sie mit einem Ruck an sich. Sie wehrte sich nicht, aber sie sagte: »Ra, du tust unrecht! Ich hatte gehofft, du wärest mit meiner Nähe zufrieden. Ich bin bei dir, genügt dir das nicht? Du kannst mich beschützen und neben mir schlafen. Das ist alles, was ich dir geben kann und darf. Nimm deine Hand zurück und bleib ru hig.« »Ich kann es nicht. Ischtar«, erwiderte er. »Die Erinnerung an dich ist noch zu frisch, sie ist lebendig wie du und ich lebendig sind. Warum erlaubst du mir nicht wenig stens …« »Ich erlaube dir nichts, Ra, gar nichts! Nur, daß du neben mir liegst. Vergiß Atlan nicht! Muß ich dich immer wieder an ihn er innern?« Der Griff seiner Hand lockerte sich. »Nein, das mußt du nicht. Ich vergesse ihn nicht, denn ich habe ihm viel zu verdan ken. Aber das hat hiermit nichts zu tun!
31 Morgen sind wir vielleicht schon tot, Ischtar. Wäre es dann Atlan nicht egal, was gesche hen ist falls er noch lebt?« »Es wäre ihm nicht egal, Ra. Aber wir werden leben, und auch Atlan wird leben. Und du wirst leben, Ra mit der Erinnerung an diese Nacht. Könntest du mit ihr leben, wenn ich deine Wünsche erfüllte?« »Du würdest mich sehr glücklich machen …« »Nein!« Sie wandte sich ihm zu und sah ihn an. »Ich habe dir das bereits oft zu erklä ren versucht, und ich werde es nicht noch einmal tun. Glaubst du, Fartuloon würde es riskieren, mich mit dir in dieser Nacht allein zu lassen. Sein Telekom ist auf Empfang. Ich brauche nur den Knopf bei meinem Ge rät einzudrücken, und er wird jedes Wort hö ren, das wir sprechen. Noch habe ich den Sender nicht aktiviert, aber ich werde es tun, wenn du nicht sofort zu schlafen versuchst.« Ra blieb regungslos liegen und erwiderte nichts. Er wußte, daß Fartuloon in der Fin sternis nicht so schnell zu ihnen heraufkom men konnte, aber das war es nicht, was ihn fast lähmte. Selbst wenn Fartuloon zu spät kam, um Ischtar zu helfen, so war er, Ra, verloren. Sie würden ihn allein auf dieser Urwelt zurücklassen. Seine Freundschaft mit Atlan war dann beendet. »Ischtar«, flüsterte er schließlich. »Du mußt mir verzeihen, aber ich kann nicht an ders. Deine Nähe, die Wärme deines Kör pers, deine Schönheit … Ich liebe dich, das ist es!« »Wandele das, was du Liebe nennst, in Freundschaft um, Ra, dann habe ich nichts dagegen, wenn du mich in den Arm nimmst und mich wärmst. Und morgen können wir uns und auch Fartuloon in die Augen sehen, ohne uns schämen zu müssen. Nein, keinen Einwand jetzt, Ra! Es ist mein letztes Wort! Oder ich schalte den Telekom ein!« Er gab keine Antwort, aber er lockerte den Griff seiner Hand. Er ließ es auch zu, daß sie sich nun auf den Rücken legte und seine Hand dabei unter ihren Nacken rutsch
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te. So blieb er liegen, und sie auch. Über sich sah er nur das dunkle Dach des Baumes. Kein einziger Stern war sichtbar in dieser dunkelsten aller Nächte, nur von der Seite her kam der rötliche Feuerschein des Vulkans. Manchmal raschelte es in der Finsternis. Vielleicht waren es Botiks, die nach Nah rung suchten. Er spürte die Wärme ihres Körpers, der ihm nie mehr gehören würde, und allmäh lich übermannte ihn die Müdigkeit. Er sch lief ein. Als er am anderen Morgen erwachte, lag Ischtar noch genauso da wie zu Beginn der Nacht. Sie schlug die Augen auf und sah ihn an. Ohne Scheu und Scham erwiderte er ihren Blick und lächelte.
* Fartuloon meldete sich, als Ischtar ihn über Funk rief. »Alles in Ordnung bei mir. Und bei euch?« »Kein Zwischenfall«, erklärte Ischtar mit einem Seitenblick auf Ra. »Sollen wir nach unten kommen und wie?« Fartuloon lachte dröhnend. »Das Einfachste wäre, ihre ließet euch fallen, dann kämt ihr problemlos bei mir an. Aber vielleicht ist es doch besser, ihr klet tert. Da führt ein breiter Ast nach unten, gleich an der Stelle, an der ich abstürzte. Habt ihr heute schon Botiks gesehen?« »Nur in einiger Entfernung. Sie scheinen genug von uns zu haben.« »Gut, dann macht euch auf den Weg. Ich frühstücke inzwischen in aller Ruhe. Übri gens kann man den Feuerschein des Vulkans jetzt schon am Tage sehen. Ich fürchte, er wird uns noch Ärger bereiten.« »Und wir müssen die Wurzeln dieses Baumes finden«, sagte Ischtar mit Beto nung. »Über den Wurzeln beginnt der ei gentliche Stamm. In ihm finden wir die Toten Augen des Sehers.«
Fartuloon erwiderte: »Vielleicht erklärst du mir bei Gelegen heit, was es mit diesen Toten Augen auf sich hat. Soweit mir bekannt ist, können tote Au gen nichts mehr sehen.« »Diese sehen mehr als lebendige«, teilte Ischtar kurz angebunden mit und fügte hin zu: »Wir machen uns jetzt auf den Weg. Bleib auf Empfang.« Diesmal ging Ra voran, den Strahler schußbereit in der Rechten. Mit der Linken hielt er die Zweige solange fest, bis Ischtar gefahrlos vorbei war. Die Botiks hielten sich in respektvoller Entfernung. Sie schienen aus den Ereignissen der vergangenen Nacht gelernt zu haben. So wie Ra auch. Der Ast war breiter als der, den sie nun verließen. Er führte schräg nach unten, und zwar in einem recht steilen Winkel. Ischtar klammerte sich an Ra fest, um den Halt nicht zu verlieren. Seine kräftigen Arme hielten sie, wenn sie ausrutschte, aber er zit terte nicht dabei. Es war, als hätte er die Kri se überwunden, aber er selbst wußte am be sten, daß sie jeden Augenblick wieder aus brechen konnte. Endlich konnten sie Fartuloon sehen. Er stand auf einer grünen Wiese wenigstens sah es so aus. Um ihn herum lagen die geköpf ten bunten Blumen, die so gefährlich werden konnten, wenn man ihnen zu nahe kam. »Schön langsam, gleich habt ihr es ge schafft«, rief er ihnen zu. »Ich habe schon den Weiterweg erkundet. Wir werden bald den Boden erreichen. Bin gespannt, wie es dort weitergeht.« »Wir haben noch etwa zehn Kilometer bis zum Stamm«, vermutete Ischtar. »Hoffentlich treffen wir nicht auf Sumpf.« »Dann klettern wir eben wieder in den Baum«, gab Fartuloon zurück. Endlich waren sie bei Fartuloon, der sie gelassen begrüßte und keine weiteren Fra gen mehr stellte. Ohne ein Wort zu sagen, übernahm er wieder die Spitze, das Skarg in der Hand und wie es schien voller Zuver sicht und Optimismus.
In der Hand des Henkers Sie drangen immer weiter nach unten vor, und über ihnen wurde das Dach des Baumes undurchdringlicher und dunkler. Vom Him mel war keine Spur zu sehen, aber man konnte die Sonne ahnen. Ihre Strahlen waren noch immer stark genug, das Pflanzen dickicht zu durchdringen, wenn auch nur in Form einer fahlen Dämmerung. Gegen Mittag sahen sie zum ersten Mal den Waldboden unter sich. Sie erkannten ihn nur an einem kleineren Sumpfsee und einigen nackten Felsen, auf denen keine Vegetation wuchs. Überhaupt schienen hier unten, wo es nur wenig Licht gab, weniger Pflanzen zu sein als in dem Baum selbst. Das versprach ein besseres Vorankommen. Fartuloon machte halt. »Ich will versuchen, Morvoner zu errei chen. Er dürfte jetzt über uns sein.« Nach ei nigen Anrufen erhielt er auch Antwort. »Immer noch nichts?« Morvoner erwiderte: »Ich bin ständig auf Empfang, aber Ma gantilliken meldet sich nicht. Sein Schiff oder vielmehr Ischtars Schiff umläuft unver ändert den Planeten. Es ist mit Sicherheit niemand an Bord. Der Henker und Atlan müssen sich auf dem Planeten aufhalten, dessen Namen ich mir nicht merken kann. Was soll ich tun?« »Weiterkreisen«, erwiderte Fartuloon trocken. »Und vor allen Dingen: gib Be scheid, wenn du eine Spur von Magantilli ken entdeckst oder er sich meldet. Wir sind immer auf Empfang, wenn du über uns bist.« »Gut. Viel Glück! Ende!« Fartuloon schaltete ab. Er nahm wieder sein Skarg und kletterte weiter, diesmal steil nach unten. Er nahm das letzte Hindernis mit einem Sprung und landete am Ufer des Sumpfsees im weichen Boden. Mit feierli cher Gebärde hob er beide Arme, zusammen mit dem Schwert, in die Höhe und rief aus: »Damit nehme ich dich, Zercascholpek, in Besitz!« Ischtar kletterte mit Hilfe Ras zu ihm hin
33 ab. »Zercascholpek gehört den Toten Augen und den Erinnerungen, Fartuloon. Du kommst zu spät. Wie geht es nun weiter?« Ra stand auch auf festem Boden und sah sich forschend um. »Wenn wir den Stamm finden wollen, müssen wir uns nach der Stärke der Äste richten. Je näher dem Hauptstamm, desto dicker.« Fartuloon deutete auf die andere Seite des kleinen Sees. »Also nach dort, klar. Aber wer weiß, was unter der Wasseroberfläche auf uns lauert. Ich glaube, wir überqueren den Sumpf auf althergebrachte Weise im Baum.« Die beiden anderen stimmten zu. Das ru hige und trübe aussehende Wasser wirkte wenig vertrauenerweckend. Sie fanden einen Ast, der wie eine Brücke zum anderen Ufer führte und sich dann im Dickicht verlor. Mühelos kletterten sie hinauf. Da er an eini gen Stellen schon angefault war, riet Fartu loon, daß sie einzeln und nacheinander den Sumpfsee überqueren sollten. »Wenn ich heil drüben ankomme, dann ihr bestimmt«, versicherte er. Das Skarg in der Scheide, machte er den Anfang und befand sich bald mitten über dem nicht sehr breiten See, der allerdings rechts und links in Morast endete. Fartuloon balancierte sein Körpergewicht geschickt aus und wirkte fast graziös. »Gleich haben wir es geschafft«, verkün dete er stolz und machte den nächsten Schritt, ohne darauf zu achten, daß der Stamm eine dunklere Farbe angenommen hatte. Er rutschte aus und strauchelte. Mit bei den Armen fuchtelte er haltsuchend in der Luft herum, aber keine Schlingpflanze war in der Nähe. Seine letzte Rettung sah er wohl darin, sich blitzschnell zu bücken, um sich mit den Händen festzuhalten. Aber auch das ging daneben. Zwar krallten sich seine Finger in das morsche Holz, aber er zog sie sofort mit ei nem Aufschrei wieder zurück, wollte sich
34 aufrichten und fiel dann kopfüber in die sumpfige Brühe, keinen Meter unter der Na turbrücke. Es platschte nicht besonders, und die trä gen Wellen verrieten den moorigen Charak ter des Sees. Fartuloon kam schnaufend wie ein Walroß wieder an die Oberfläche. Er stand bis zum Bauch im Wasser, sackte aber langsam immer tiefer ein. »Nun steht nicht so herum!« rief er und versuchte, sich nicht zu bewegen. »In zehn Minuten spätestens bin ich erledigt. Ra, du mußt aufpassen! In dem Ast hausen finger lange Insekten, die verflucht unangenehm stechen. Hol mich hier heraus!« Ra, der schon unterwegs war, blieb ste hen. »Insekten? Haben sie dich gestochen?« »Was meinst du wohl, warum ich in den Dreck gefallen bin?« Ra sah sich suchend nach allen Seiten um, dann entdeckte er das Stück einer lose her abhängenden Schlingpflanze. So schnell er konnte, rannte er hin und zog an ihr, bis er ein etwa zehn Meter langes Stück abschnei den konnte. Das dauerte einige Minuten, und als er zum Ufer des Sumpfsees zurückkam, reichte das Wasser Fartuloon bereits bis zur Brust. Ra stieg auf den Ast und ging so weit, bis Fartuloon ihn warnte. Dann warf er ihm das provisorische Seil zu, daß Fartuloon nur mit Mühe auffing und dabei wieder einige Zenti meter an Boden verlor. Aber er hielt die Lia ne fest. Ra schlang das andere Ende mehr mals um den Ast und begann zu ziehen. Unendlich langsam gab der Schlamm auf dem Grund des Sees sein Opfer wieder frei. Fartuloon half mit eigener Kraft nach, bis er endlich unter dem Ast war und ihn mit Hilfe Ras erkletterte. Hastig kehrte er zum Ufer zurück, wo Ischtar wartete. »Ein Schlammbad!« sagte er und betrach tete seine verschmierte Kleidung. »Ist auch nicht das Gesündeste hier …« »Du hast Glück gehabt«, erinnerte ihn Ra. »Wenn ich nicht schnell genug die Schling pflanze gefunden hätte, wärest du unterge-
Clark Darlton gangen.« »Mistbrühe!« schimpfte Fartuloon und deutete auf den See, dessen Oberfläche wie der wie erstarrt wirkte. »Wie kommen wir jetzt auf die andere Seite? Über diesen Ast können wir nicht. Wir müssen einen anderen weiter oben nehmen.« Ra machte ihn auf andere niedrige Äste aufmerksam, die weiter rechts den Sumpf überspannten. Es war nicht notwendig, daß sie auf den Baum kletterten und ihre Kräfte vergeudeten. Ohne große Diskussion über nahm nun Ra die Führung und brachte sie si cher auf die andere Seite. Die nächsten zwei Kilometer waren ein fach zu bewältigen und boten kaum nen nenswerte Hindernisse. Von einem nahen Vulkan her war der Lavastrom herabgeflos sen und dann erstarrt. Auf ihm wuchs nichts, aber das dunkelgrüne Dach des Baumes spannte sich auch über ihn und bildete ein undurchdringliches Dickicht. Manche der gewaltigen Luftwurzeln hatten versucht, in die Lava einzudringen, um Nahrung und Wasser für den Baum zu finden, aber sie waren nie tiefer als nur einige Zentimeter gelangt. Wie Seile hingen sie von oben her ab und schaukelten im schwachen Wind halb vertrocknet hin und her. »Erstaunlich«, stellte Fartuloon fest. »Man kommt sich vor wie in einer riesigen Halle mit einer Decke und Wänden aus Pflanzen. Ich würde mich überhaupt nicht wundern, wenn uns jetzt von dort drüben ein Zauberer entgegenschritte, in der Hand einen Zauberstab, mit dem er uns in Vögel oder Würmer verwandelt …« Ischtar sagte spöttisch: »Du scheinst das Schlammbad gut über wunden zu haben, zumindest hat deine Phantasie nicht darunter gelitten. Einem Zauberer werden wir wohl kaum begegnen, aber vielleicht einem größeren Wunder und Rätsel, nämlich den Toten Augen. Weiter, Fartuloon, Ra!« Erneut drangen sie in das dichte Unter holz ein. In der Tat war deutlich zu bemer ken, daß sich die Äste allmählich verdickten.
In der Hand des Henkers Ohne Zweifel näherte man sich dem Stamm. Ra blickte immer wieder nach links, wo der Feuerschein des nächsten Vulkans inten siver geworden war. Aus dem Kegel kamen dunkle Rauchwolken und verpesteten die Luft. Überhaupt war das Dickicht in dieser Richtung dünner und spärlicher, manchmal kam sogar ein Stück Himmel durch das ewi ge Grün der Pflanzen und Schwarz der Stämme. »Die Rauchwolken gefallen mir nicht«, sagte Ra und blieb stehen. »Sie sind ein Warnzeichen. Nicht mehr lange, dann kommt ein Ascheregen oder ein flüssiger Lavastrom. Wir müssen deinen Erinnerungs baum bald finden, Ischtar, oder wir errei chen ihn nie.« »Wir sind unter ihm«, erinnerte sie ihn fast kühl. »Noch fünf Kilometer, nicht mehr. Sieh dir die Äste an! Es gibt keine dünnen mehr. Im Wipfel vielleicht, aber nicht hier unten.« Fartuloon sah ebenfalls zu dem Vulkan hinüber, der nur teilweise sichtbar war. Der Rest wurde von dem grünen Vorhang ver deckt. »Ra hat recht, das sieht ganz nach einem bevorstehenden Ausbruch aus. Wir müssen weiter, Freunde. Und wenn es gefährlich wird, klettern wir einfach wieder in den Baum. Hoffentlich schaffen wir es noch, be vor es wieder dunkel wird. Übrigens ist es gleich Zeit, Kontakt mit Morvoner aufzu nehmen. Vielleicht hat er Neuigkeiten.« Aber Morvoner Sprangk hatte nichts für sie. Er teilte ihnen lediglich mit, daß er sich fast zu Tode langweile und liebend gern mit ihnen in den Bäumen herumklettern würde. »Wir bringen dir einen Botik mit«, ver sprach Fartuloon und unterbrach die Verbin dung, ehe Morvoner fragen konnte, was das sei. Am späten Nachmittag brach der Vulkan aus. Sie merkten es an der plötzlichen Finster nis über ihnen, als der Ascheregen von oben in das Dach des Baumes fiel. Die trockenen Blätter und Äste fingen sofort Feuer, das
35 aber zum Glück in den tiefer gelegenen Re gionen keine Nahrung mehr fand und all mählich erstickte. Vom Vulkan selbst näherte sich ein rot flüssiger Lavastrom. Er walzte die auf dem sumpfigen und teils felsigen Grund recht spärliche Vegetation nieder und setzte sogar einige dickere Äste des Baumes in Brand, dem er damit jedoch nicht viel anhaben konnte. Das Holz hier un ten war feucht und zäh, und ehe es Feuer fangen konnte, war die Lava bereits abge kühlt. Aber für Fartuloon, Ra und Ischtar war sie noch immer zu heiß. Und für die Tiere, die nicht oben im Baum lebten. Nun erst zeigte sich, daß Zercascholpek eine reiche Fauna besaß. Riesige Echsen, sonst träge und faul, kamen aus den kochen den Sumpfseen und suchten ihr Heil in eili ger Flucht. Sie beachteten die drei Zweibei ner nicht, sondern hasteten an ihnen vorbei und verschwanden in der entgegengesetzten Richtung. Insekten wanderten in regelrechten Ko lonnen daher und suchten nach einem dicken Ast, der bis zur Erde herabreichte, um dann in den Baum hinaufzuklettern. Es gab Schlangen und gefährlich ausse hende Großinsekten, kleine und größere vierbeinige Tiere, die alle vor dem Feuer flohen, aber nur die wenigsten von ihnen ka men auf den Gedanken, in den Baum zu steigen, der ihnen Sicherheit geboten hätte. Fartuloon begann zu laufen, und das sah sehr komisch aus. Trotz der ernsten Situati on mußte Ischtar lachen, als der dicke Bauchaufschneider nach einem herabhän genden Ast angelte und ihn endlich erwisch te. Er zog ihn so weit nach unten, bis ein dickerer Ast in Reichweite kam, der ihn tra gen konnte. Er begann, wie ein Affe daran emporzuklettern. »Nun kommt doch endlich!« rief er zu rück. »Wollt ihr vielleicht gebraten wer den?« Er hatte einen dicken Nebenstamm er
36 reicht und setzte sich. Ra hob Ischtar empor, damit sie mit ihren Händen den rettenden Ast ergreifen konnte. Dann schob er nach, bis sie neben Fartuloon saß. Für Ra war das alles kein Problem. Geschickt zog er sich an dem Ast in die Höhe, den er wie ein Raub tier angesprungen hatte. Sie blickten nach unten. Der Lavastrom kroch schon langsamer, aber er kam noch immer voran. Er schob un geschmolzene Steine vor sich her, nahm sie allmählich in sich auf und verflüssigte sie. Eine unerträglich werdende Hitze ging von ihm aus, und Fartuloon sagte: »Es wird wohl Zeit, daß wir höhersteigen und unseren Weg fortsetzen.« Sie fanden einen schräg nach oben füh renden Stamm, der allerdings von Lebewe sen aller Art bevölkert war. Eine fast zwei Meter lange Echse kroch langsam an ihm hoch und machte Platz, als Fartuloon sie mit der Spitze des Skarg kitzelte. Botiks prote stierten mit schrillem Gekreische gegen die Invasion. Fartuloon brüllte ihnen ein paar Schimpfworte zu, dann waren sie für eine Weile ruhig. Etwa fünfzig Meter über dem Lavastrom hielten sie an. Selbst in dieser Höhe war die Hitze noch deutlich bemerkbar, und einige der bunten, fleischfressenden Blüten ließen schon die Köpfe hängen. »Hat also wenigstens auch etwas Gutes, der Vulkan«, stellte Ischtar voller Genugtu ung fest. Sie hatte den Zwischenfall, der sie fast einen Fuß gekostet hätte, nicht verges sen. »Weiter, Fartuloon! Wir müssen die Wurzeln des Baumes finden.« Fartuloon rührte sich nicht vom Fleck. Er stützte sich auf sein Skarg und sagte: »Liebe Ischtar, du bist eine wunderschöne Frau, und Atlan liebt dich. Ich bin für deine Sicherheit verantwortlich und tue alles, um meinen diesbezüglichen Auftrag zu erfüllen. Ra übrigens auch. Aber ich wäre dir unend lich dankbar, wenn du endlich mit diesem verdammten Versteckspiel aufhören wür dest. Was ist mit diesen Toten Augen, von denen du dauernd redest? Wäre es nicht bes-
Clark Darlton ser, wir versuchten, Atlan zu finden, indem wir mit dem Gleiter diesen Urplaneten syste matisch absuchen?« Ischtar war vor Überraschung starr. Auch Ra schien sich über den Wutausbruch seines Freundes zu wundern, denn er war ebenfalls sprachlos. Verlegen spielte er mit seinem Handstrahler, den er aus dem Gürtel gezo gen hatte. Fartuloon grunzte und fuhr fort: »Du findest keine Worte, holde Göttin? Soll das heißen, daß du mit meinem Vor schlag einverstanden bist und wir umkeh ren?« »Durchaus nicht!« fauchte Ischtar ihn an. »Wir gehen weiter, bis wir die Wurzeln ge funden haben. Du kannst mir glauben, daß wir dann früher etwas über Atlan erfahren werden, als wenn wir mit dem Gleiter her umgondeln und planlos suchten. Nun, wor auf wartest du?« »Auf eine Erklärung!« Ischtar seufzte. »Ihr Männer behauptet immer, wir Frauen wären neugierig. Ich muß feststellen, daß Männer manchmal noch neugieriger sind. Du bist in dieser Hinsicht ein Musterbei spiel. Ich weiß doch selbst nicht, was diese Toten Augen des Sehers sind. Ich weiß nur, daß sie uns helfen werden. Zufrieden?« »Absolut nicht!« »Dann kann ich dir auch nicht helfen.« Sie wandte sich Ra zu. »Ra, ich gehe weiter. Wirst du mich begleiten?« Damit brachte sie Ra in eine arge Verle genheit. Er sollte sich zwischen ihr und Far tuloon entscheiden, und das war gar nicht so einfach. Rein instinktiv drängte alles in ihm danach, mit ihr allein zu sein, und wenn er nun ihrer Bitte folgte, wäre das der Fall ge wesen. Vielleicht hätte sie sich ihm gegen über sogar dankbar erwiesen und wäre sei nen Wünschen nachgekommen. Auf der anderen Seite war da Fartuloon, der beste Freund Atlans. Wenn er sich ihm entgegenstellte, hatte er nicht nur einen, son dern gleich zwei Todfeinde erworben. Lohn te sich das wirklich? Doch ganz abgesehen
In der Hand des Henkers von dieser Tatsache sagte ihm sein Men schenverstand, daß er und Ischtar verloren waren, wenn sie auf eigene Faust weitergin gen. Die Aussicht, mit Ischtar allein auf die ser Urwelt zu sein, war mehr als verlockend. Aber noch verlockender war die Gewißheit, noch einige Jahre leben zu können. »Ich werde dich begleiten, Ischtar«, sagte er endlich. »Aber nur dann, wenn auch Far tuloon mit uns geht. Ich finde seine Fragen überflüssig. Du wirst uns schon alles erklä ren, wenn die Zeit kommt.« Fartuloon nickte und deutete in die alte Richtung. »Na schön, Ra, gehen wir weiter. Ich hof fe nur, daß du recht hast und Ischtar beizei ten den Mund aufmacht.« Sie wanderten wieder in der ursprüngli chen Formation in der untersten Region des Baumes. Die »Landschaft« hatte sich geän dert. Etwa fünfzig bis achtzig Meter über der Oberfläche, über die noch immer der Lava strom hinwegkroch, hatte sich praktisch eine zweite Oberfläche gebildet. Die Äste waren derart verfilzt und von Pflanzen überwu chert, daß sich eine feste und stabile Unter lage gebildet hatte. Fartuloon marschierte als erster durch das hohe Gras, das hier wuchs. Selbst Erde hatte sich angesammelt und bot Nahrung für Hunderte von verschiedenen Pflanzenarten. »Die Wurzeln können nun nicht mehr weit sein«, sagte Ischtar hoffnungsvoll. »Bald werden wir wissen, wo Atlan ist.« Fartuloon öffnete schon den Mund, um ei ne Frage zu stellen, aber dann schloß er ihn wieder und schüttelte den Kopf, als wolle er sich selbst bestätigen, wie sinnlos Fragen waren, wenn man doch keine Antwort er hielt. Wortlos ging er weiter und ver scheuchte einen Botik, der sich zu nahe an ihn heranwagte. Obwohl der Ascheregen nachgelassen hatte, war es dunkler geworden. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, daß die zweite Nacht anbrach. Die zweite Nacht im »Baum der Erinne rungen« …
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5. Die Nacht verlief ohne Zwischenfall. Fartuloon fand eine »Wiese«, um die her um die gefährlichen Blumen wuchsen und einen willkommenen Schutzwall gegen un gebetene Besucher bildeten. Mit dem Skarg hatte er eine schmale Gasse durch sie ge schlagen und danach wieder getarnt. Ischtar schlief zwischen den beiden Män nern, warm und geborgen. Als der Morgen graute, fand Ra ein riesi ges Blatt, in dem sich wie in einer Wanne Wasser gesammelt hatte. Damit war das Waschproblem gelöst. Nach dem frugalen Frühstück, das aus Konzentraten und einigen gutschmeckenden Früchten bestand, sagte Fartuloon: »Wir werden aller Wahrscheinlichkeit nach heute unser Ziel erreichen diese soge nannten Toten Augen, was immer das auch sein mag. Danach, meine liebe Ischtar, wer de ich mich nicht mehr davon abhalten las sen, intensiv nach Atlan zu suchen, der auf diesem Planeten sein muß. Das sollte auch in deinem Interesse liegen.« Sie nickte. »Natürlich tut es das, aber zuerst will ich die Augen des Sehers befragen. Sie werden uns Antwort geben.« »So, und woher willst du das wissen?« »Ich weiß es eben«, erwiderte sie kurz. Ihr Benehmen machte Fartuloon langsam, aber sicher rasend. Aber er beherrschte sich, warf Ra einen bezeichnenden Blick zu und erhob sich dann. »Machen wir uns auf den Weg«, sagte er nur. Sie fanden die Lücke in dem tödlichen Blumenwall und gelangten in ein relativ übersichtliches Gebiet der unteren Ebene, et wa fünfzig Meter über dem Erdboden. Der Lavastrom war abgekühlt und bewegte sich nicht mehr voran. Einige geflohene Tiere kehrten bereits in ihr ursprüngliches Revier zurück. Ra, der wieder den Abschluß bildete, rief
38 Fartuloon zu: »Die Äste siehst du sie? Sie gefallen mir nicht.« Fartuloon studierte die langen, dünnen Äste, die wie Schlingpflanzen von oben her abhingen, und erwiderte: »Ich kann nichts Verdächtiges an ihnen finden, Ra. Was ist mit ihnen?« »Sie sehen so lebendig aus, Fartuloon. Wie Schlangen.« »Der Baum ist harmlos, das wissen wir doch.« »Der Baum vielleicht, aber nicht alles, was in ihm wächst. Die dünnen Äste müssen nicht unbedingt zum Baum selbst gehören.« Fartuloon gab keine Antwort, nahm sein Skarg und ging weiter. Nach Ras Warnung wich er den dünnen Ästen aus, obwohl er nicht an eine Gefahr glaubte. Sie hingen lose von der höheren Ebene herab und bewegten sich nicht. Sie erinnerten an Luftwurzeln. Fartuloon wurde danach leichtsinniger, und als wolle er Ras Warnung betont in den Wind schlagen, schob er mit der linken Hand einige der dünnen Äste beiseite, als sie ihm im Weg waren. Nichts geschah. Er drehte sich um und lachte. »Siehst du, Ra? Sie tun nichts! Sie sind harmlos.« Er ging weiter. Ra ließ die verdächtigen Äste keine Se kunde aus den Augen, achtete dabei aber stets auf Ischtar, die unmittelbar vor ihm ging. In der Hand hielt er den Strahler, dies mal auf stärkere Energiestreuung eingestellt. Und dann geschah genau das, was er be fürchtet hatte. Ischtar war Fartuloon gefolgt und hatte den lichten Vorhang der dünnen Äste eben falls mit der Hand zur Seite geschoben, um nicht ausweichen zu müssen. Im gleichen Augenblick schnellten die Äste, so als wären sie wirklich lebendig, herab und umschlan gen die Varganin wie ein Dutzend Reptilien. Im Nu konnte sie sich nicht mehr rühren und hing hilflos in dem Gewirr der geschmeidi-
Clark Darlton gen »Äste«, die sie langsam in die Höhe zo gen. Fartuloon hatte den Hilfeschrei Ischtars gehört, war stehengeblieben und sah sich um. Sein Skarg war viel zu kurz, um in die sem Augenblick von Nutzen zu sein. Ra hingegen hob den Strahler und nahm Ziel. Fartuloon wollte ihm eine Warnung zuru fen, aber dann sah er zu seiner Erleichte rung, daß Ra die Waffe wieder sinken ließ, hastig in den Gürtel schob und dann an ei nem stabil wirkenden Ast in die Höhe klet terte. »Brenne sie weiter oben ab!« rief Fartu loon hinter ihm her, und seiner Stimme war anzumerken, wie sehr er sich darüber ärger te, nicht so gelenkig und geschickt zu sein wie der »Barbar«. Ra war bald auf gleicher Höhe mit Ischt ar, die bei Bewußtsein geblieben war und ihn mit ihren Blicken gespannt verfolgte. Die lebenden Zweige zogen sie immer wei ter in die Höhe. Wahrscheinlich stellten sie die Fangarme einer riesigen fleischfressenden Pflanze dar, die sich ihre Nahrung sogar von der untersten Ebene und vielleicht vom Boden selbst besorgte. Wenn man sie erledi gen wollte, dann nützte das Verbrennen der Fangarme nur wenig. Wenn schon, mußte das Zentrum des Ungeheuers selbst vernich tet werden. Das war der Grund, warum Ra das Risiko einging und Ischtar vorerst noch der Unge wißheit überließ. Er blieb in ihrer Nähe und rief ihr mehr mals beruhigende Worte zu. Sie gab keine Antwort und verhielt sich ruhig, auch wehrte sie sich nicht gegen die Umklammerung der Äste. Sie schien zu ahnen, was Ra plante. Als sie nach unten blickte, erkannte sie Far tuloon, der auf dem breiten Ast stand und ihr nachsah. Eine weitere Vegetationsebene befand sich in einer Höhe von etwa hundertfünfzig Metern. In ihr verschwanden die Fangarme. Aber es gab eine Öffnung in ihr, und dicht daneben wurde der Ast, an dem Ra empor
In der Hand des Henkers kletterte, unsichtbar. Das Grün umwucherte ihn. Trotzdem stieg er weiter, bis er sogar Ischtar überholte und zuerst die untere Seite der Ebene erreichte. Mit der Hand schob er das Moos und das Gras beiseite, kroch durch einen dichten Dschungel und stand dann auf nahezu festem Untergrund. Zehn Meter daneben war ein Loch, und mehr als fünf Dutzend eng gebündelter Fangarme füllten es fast aus. Sie alle ende ten in einem Monstrum von Pflanze, dessen Blütenmaul weit geöffnet die Beute erwarte te. Ra überlegte ernsthaft, ob es wohl eine Verständigung mit der Pflanze geben könne, aber ihm blieb zu wenig Zeit, es zu versu chen. Die Fangarme glitten langsam nach oben und verschwanden in dem gigantischen Körper des Schmarotzers. Ra zog den Strahler und stellte schärfste Energiebündelung ein. Dann wartete er, bis Ischtar in der dichten Vegetationsdecke er schien und eröffnete das genau gezielte Feu er in das Maul des Ungeheuers. Der Erfolg war verblüffend. Das Maul schloß sich abrupt mit einem schmatzenden Laut, während die Fangarme gleichzeitig ihren Halt zu verlieren schienen. Sie glitten aus der Pflanze zurück wie An kerketten aus dem Bug eines Schiffes. Ischt ar rutschte mit ihnen wieder auf das Loch in dem Vegetationsteppich zu und wäre in die Tiefe gestürzt, wenn Ra nicht blitzschnell gehandelt hätte. Mit einem Satz war er bei dem Bündel von Ästen und packte jene, die Ischtar hiel ten. Es gehörte eine fast übermenschliche Kraftanstrengung dazu, ihr Gewicht und das der Äste zu halten, aber es gelang ihm. Mit letzter Anstrengung zog er sie auf »festen Boden« und zerschnitt die Fangarme mit sei nem Messer, das er nun statt des Strahlers in der Hand hielt. Erschöpft und von dem Schreck ge schockt, lag sie schlaff in seinen Armen. In ihren Augen war Dankbarkeit. Vielleicht war es das, was Ra in diesem Moment miß
39 verstand. Er zog sie höher zu sich heran und küßte sie, so wie er es früher getan hatte. Sie öffnete die Augen, holte mit der Rech ten aus und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. Fast hätte Ra sie losgelassen, aber dann wäre sie vielleicht in das Pflan zenloch gerollt und in die Tiefe gestürzt. Al so hielt er sie fest. »Warum?« fragte er fassungslos. Sie fauchte: »Herzlichen Dank für die Rettung, Bar bar, aber du glaubst doch nicht, daß ich mei ne Meinung geändert hätte? Lieber würde ich sterben als Atlan untreu werden. Warum willst du das nicht begreifen?« Ra stammelte hilflos: »Ich glaubte … Ich …« »Denke lieber, Ra! Das ist besser als glau ben! Und nun bring mich zurück zu Fartu loon. Er wird sich Sorgen um uns machen.« Sein Griff war ungeschickter als vorher, denn er hatte sein Selbstvertrauen verloren. Trotzdem fand er den Ast wieder, an dem er herauf geklettert war. Obwohl es nun ab wärts ging, war es mit Ischtars Gewicht schwieriger, als vorher die Kletterpartie nach oben. Fartuloon stand auf seinem si cheren breiten Ast und gab gute Ratschläge. Er wirkte ungemein erleichtert, daß Ra mit Ischtar zurückkehrte. »Tut mir leid«, bekannte er, als die Var ganin sich niederhockte, um sich zu erholen, »daß ich nicht auf deine Warnung hörte, Ra. Wie konntest du nur wissen, daß sie die Fangarme einer fleischfressenden Pflanze waren?« »Es war mehr eine Ahnung, und dazu eine unlogische«, gab Ra zu. »Unlogisch? Wieso?« Ra grinste mühsam. »Hätte das Ungeheuer logisch gedacht, wärest wohl gerade du die bessere Beute ge wesen, denn du wiegst eine Menge mehr als Ischtar. Aber sie verschonte dich, was ich niemals begreifen werde.« Fartuloon verzog das Gesicht. »Du entwickelst in letzter Zeit einen merkwürdigen Sinn für Humor für einen
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Humor, den ich gar nicht besonders liebe.« »Humor?« Ra hatte aufgehört zu grinsen. »Ich meinte es gar nicht lustig. Es ist doch wirklich merkwürdig, daß sie dich weiterge hen ließ und ausgerechnet Ischtar schnappte, die viel weniger wiegt.« Fartuloon warf ihm einen bezeichnenden Blick zu. »Vielleicht liebt sie Frauenfleisch mehr als das unsere«, sagte er.
* Das Dickicht wurde immer undurchdring licher, je mehr sie sich dem Hauptstamm nä herten. Es spielte keine Rolle, auf welcher Ebene sie sich bewegten, überall begegneten ihnen die Lebewesen dieser unheimlichen Urwelt, ob es nun Pflanzen oder Tiere wa ren. Die Tiere waren nicht so schlimm wie die heimtückischen fleischfressenden Pflanzen, deren Beweglichkeit selbst Ra verblüffen mußte. Aus dem Nichts kamen ihre Fangar me hervorgeschossen und suchten ihr Opfer, und nur den schnellen Reaktionen von Ischt ar und Ra war es zu verdanken, daß sie er folglos blieben. Fartuloon hatte genug damit zu tun, mit dem Skarg einen Weg durch den Dschungel zu schlagen. Obwohl es Mittag war und die Sonne am höchsten stand, war es dunkler geworden. Das Licht drang kaum noch bis in diese Tie fen vor. Alle Lebewesen, die hier unten ve getierten, hatten sich an das ewige Dämmer licht und an die nächtliche Finsternis ge wöhnt. Sie sahen besser als die drei Ein dringlinge und besaßen so gewisse Vorteile. Fartuloon hatte die Spitze wieder über nommen, nachdem Ra ihn eine Weile abge löst hatte. Er schwang sein Skarg, als befin de er sich inmitten einer Schlacht. Was ihm im Weg stand, schlug er nieder. Er wußte, daß die Zeit allmählich knapp wurde. Rücksichtnahme wurde langsam zum Selbstmord. Und noch etwas Unerklärliches kam hin-
zu, das Fartuloons Nervosität von Minute zu Minute steigerte: der Baum der Erinnerun gen war anders als die anderen Bäume. Er schien in seiner Art zu leben, auf seine Wei se vielleicht sogar zu denken und zu fühlen. Eine Atmosphäre der Drohung umgab ihn und alles, was in ihm lebte oder vegetierte. Es war, als hole er zum entscheidenden Schlag gegen die drei Fremden aus, die nicht auf diese Welt gehörten. Der Ast, auf dem sie vordrangen, besaß bereits einen Durchmesser von mehr als fünf Metern und war wie ein Pfad. Er mußte di rekt zum Hauptstamm führen. Und der Hauptstamm wiederum, das wußte jeder, en dete in den Wurzeln. »Wir haben es bald geschafft«, behauptete Ischtar optimistisch. Fartuloon blieb stehen und ruhte seinen Arm aus. »Ja, natürlich haben wir es geschafft, we nigstens bis zu deinem Baum der Erinnerun gen. Aber schließlich müssen wir den gan zen Weg wieder zurück, ganz abgesehen von den Schwierigkeiten, die uns der Baum selbst noch bereiten kann, und dann kom men noch die Toten Augen hinzu. Ich weiß nicht recht, Ischtar, ob es vernünftig war, deinem Rat zu folgen.« Die Varganin war ebenfalls stehengeblie ben. Hinter ihr war Ra mit dem schußberei ten Strahler. »Es war richtig, Fartuloon, das wirst du bald erkennen. Manchmal führt ein kleiner Umweg schneller zum Ziel, als würde man planlos suchen. Wir werden Atlan sehr bald gefunden haben, wo immer er auch sein mag.« Fartuloon knurrte etwas Unverständliches, sah auf seine Uhr und meinte: »Gehen wir weiter, ehe es Nacht wird. Ich möchte die Wurzeln sehen, solange es noch einigermaßen hell ist.« Obwohl das Grün immer intensiver und dichter wurde, gab es weniger Tiere, je wei ter sie vordrangen. Dafür begegneten sie im mer öfter verschiedenen Arten von fleisch fressenden Pflanzen. Das machte ihre Ent
In der Hand des Henkers deckung ebenfalls schwieriger. Nun benutzte auch Ischtar ihren Strahler, wann immer das möglich war. Pflanzen und Laub waren so feucht, daß sie nur schwer Feuer fingen, wahrscheinlich ein natürlicher Schutz gegen die ständigen Vulkanausbrü che. Allmählich gelangten sie wieder in die unterste Region über dem Erdboden. Dieser bestand aus nacktem Felsen und Sumpfseen, die mit pflanzenüberdeckten Mooren wech selten. In ihnen lagen große Echsen oder Saurier und lauerten auf Beute. Ihre Augen bewegten sich kaum, wenn sie die Bewe gung über sich sahen, aber sie warteten. Fartuloon tat ihnen nicht den Gefallen, noch einmal auszurutschen und in ihr weit geöffnetes Maul zu fallen. Er blieb doppelt vorsichtig. Aber dann, als sie schon den Hauptstamm vor sich sahen, passierte es.
6. Der Sumpf lag hinter ihnen, und der Bo den schien trockener geworden zu sein. Es wuchsen sogar vereinzelte Büsche mit fin gerlangen Dornen zwischen den gewaltigen Wurzeln des Baumes, die von dem Haupt stamm aus in alle Richtungen verliefen. Zwei solche Wurzeln mit einem Durch messer von mehr als drei Metern rahmten wie Säulen eine dunkle Öffnung ein, die in den Stamm hineinzuführen schien. Davor war glatter Felsen, wie ein künstlich erschaf fenes Plateau, in das Stufen eingeschmolzen worden waren. An einigen Stellen wuchs Gras aus den Ritzen. »Vorsicht, Fartuloon!« rief Ischtar plötz lich mit schriller Stimme. »Die Wächterin der Toten Augen! Sie hat uns bemerkt!« Fartuloon, der weitergegangen war, blieb ruckartig stehen. »Wächterin? Wo?« »Dort, beim Höhleneingang!« Angestrengt sah Fartuloon in das dämme rige Dunkel hinab, aber er konnte nur den Stamm, das Loch darin und die Wurzeln er
41 kennen. Eine dieser Wurzeln, kam ihm vor, schien sich zu bewegen. Genau auf ihn zu. Der Ast, auf dem er mit Ischtar und Ra stand, war höchstens acht Meter über dem Felsplateau. »Fartuloon! Sie kommt hoch zu uns! Ra, nimm den Strahler …« Aber es war zu spät, den Energiestrahler einzusetzen. Die »Wurzel«, gut zwei Meter dick, schnellte plötzlich fast senkrecht in die Höhe und prallte gegen den Ast, auf dem Fartuloon und die anderen standen. Die Er schütterung war so stark, daß Ra taumelte und in die Tiefe gestürzt wäre, hätte er nicht reaktionsschnell seinen Strahler fallen gelas sen und sich an den Schlingpflanzen festge halten. Ischtar, rechtzeitig gewarnt, war zur Seite gesprungen und klammerte sich an einem dünneren Nebenast fest, der ihr genügend Halt gab. Allerdings benötigte sie dazu bei de Hände, so daß es ihr unmöglich wurde, den eigenen Strahler einzusetzen. Am schlechtesten erging es Fartuloon, der am weitesten vorn stand und die ganze Wucht des Aufpralls mitbekam. Außerdem behinderte ihn das Skarg, das er in der rech ten Hand hielt. Seine linke genügte nicht, das Gleichgewicht wieder herzustellen oder sich irgendwo festzuklammern. Er rutschte ab und landete genau auf dem zuckenden »Etwas«, das alles andere als ei ne Wurzel war. Es war der kalte, schuppige Leib einer gi gantischen Riesenschlange, wie sie selbst Fartuloon noch nie in seinem Leben erblickt hatte. Er fand keinen richtigen Halt, zumal er nur die linke Hand zur Verfügung hatte, und glitt schräg nach unten, bis er das kleine Felsplateau direkt unter sich sah. Mit einem entschlossenen Sprung rettete er sich auf den festen Boden. Ein Blick zum Baum hinauf zeigte ihm, daß Ischtar und Ra in Sicherheit waren. Dann erst hatte er Zeit für die Schlange, de ren restliches Hinterteil nun die Höhle ver ließ. Sie war mindestens dreißig Meter lang.
42 Ihr Kopf kam von oben aus dem an dieser Stelle dicht belaubten Baum auf ihn herab gestoßen. Fartuloon packte den Griff seines Schwer tes fester und wich ein wenig zurück, um einen sichereren Stand zu bekommen. Ischt ar hatte nichts davon erwähnt, daß es verbo ten sei, die ›Wächterin der Toten Augen‹ an zugreifen oder zu töten. Außerdem handelte er in Notwehr. Der Kopf der Schlange war riesig. Das breit geöffnete Maul maß einen guten Meter, in ihm waren zwei Reihen scharfer und spit zer Zähne zu sehen, und eine mächtige, ge spaltene Zunge kam daraus hervor, als wolle sie die fette Beute abschmecken, die ihr in die Quere gelaufen war. Fartuloon verspürte wenig Lust, sich ver speisen zu lassen. Sein Schwert zuckte vor und schnitt einen Teil der Zunge glatt ab. Der Kopf der Schlange fuhr zurück. Das Monstrum hatte eine Lehre erteilt bekom men, die es sich merken würde. Der Leib ringelte sich zusammen, um dem Kopf mehr Bewegungsfreiheit nach allen Seiten zu ge ben. Weiter oben machte Ra Anstalten, den Baum zu verlassen. Fartuloon bemerkte es aus den Augenwinkeln heraus. »Oben bleiben!« rief er. »Paß auf Ischtar auf! Ich werde schon allein mit dem Biest fertig.« »Mein Strahler, er liegt dort, wo das Pla teau anfängt.« »Das Skarg genügt mir«, gab Fartuloon zurück und fixierte die schillernden Augen der Schlange. Sie schien ihn hypnotisieren zu wollen, wenigstens hatte er diesen Ein druck. Ischtar war auf den dicken Ast zurückge kehrt, auf dem auch Ra stand. Sie schüttelte den Kopf, als er ihren Strahler haben wollte. »Nein, Ra, Fartuloon hat recht. Wir wür den ihn nur gefährden, machten wir die Wächterin noch wütender. Wir greifen nur im Notfall ein.« »Ist das hier vielleicht keiner?« »Nein, noch nicht, Ra.«
Clark Darlton Wie gebannt sahen sie wieder auf das Pla teau hinab, wo Fartuloon sich auf den näch sten Angriff vorbereitete. Er hielt sein Schwert waagerecht mit der Spitze nach vorn, genau auf den Kopf der Schlange ge richtet, die noch zögerte. Aus der verletzten Zunge quoll eine dunkelrote Flüssigkeit, die auf den Fels tropfte. Dann stieß das Ungeheuer abermals zu. Aber Fartuloon war darauf gefaßt. Mit ei ner blitzschnellen Bewegung, der weder Ra noch Ischtar mit den Augen zu folgen ver mochten, sprang er einen Schritt auf den An greifer zu und ließ das Schwert einmal krei sen. Ein weiterer Teil der vorgestreckten Zunge fiel dem überraschenden Streich zum Opfer, außerdem ritzte die scharfe Spitze den Hals der Schlange an seiner empfind lichsten Stelle. Auch hier erschien sofort Blut in der tiefen Wunde. »Das nächste Mal schlage ich ihr den Kopf ab!« versprach Fartuloon, über die re lativ langsamen Reaktionen seines Gegners ein wenig verblüfft. »Ich glaube, da ist der Panzer am dünnsten.« Der Kopf der Schlange schaukelte lang sam hin und her, wobei die Augen Fartuloon unentwegt anstarrten. In der Tat ging von ih nen eine lähmende Wirkung aus, die er je doch erfolgreich abzuwehren verstand. Er wartete, bis der Hals in die günstigste Schlagposition kam, sprang einen weiteren Schritt vor und hieb mit aller Kraft zu. Das Ungeheuer reagierte abermals viel zu langsam. Es wich nicht einmal zurück, son dern riß das Maul nur noch weiter auf, so als wolle es Fartuloon in einem Stück schnap pen und herunterschlucken. Das Maul blieb auch offen, als der Kopf von seinem Rumpf getrennt auf den Fels kollerte und davonrollte. Er fiel in das Dor nengebüsch und verschwand darin. Fartuloon blieb stehen und wartete darauf, daß der Körper der Schlange, nun ohne Kopf, endlich in sich zusammensackte, aber er wartete vergeblich. Von oben herab rief Ischtar: »Sie ist nicht tot, Fartuloon! Aufpassen!
In der Hand des Henkers Die Wächterin hat nicht nur einen, sondern drei Köpfe! Sie greift wieder an …« Der Dicke wich vorsichtshalber ein paar Meter zurück, als die beiden angekündigten Köpfe ihn zu gleicher Zeit angriffen und aus dem Dickicht schnellten, genau auf ihn zu. Sie schienen mit dem abgeschlagenen identisch zu sein, wenigstens war kein Un terschied festzustellen. Aber sie kämpften mit einer anderen Taktik und vor allen Din gen gemeinsam. Jetzt wäre Fartuloon ganz froh gewesen, Ra mit dem Strahler neben sich zu wissen. Er hatte den Mund zu voll genommen, aber warum hatte ihm Ischtar auch nicht sofort gesagt, daß die Schlange drei Köpfe besaß? Vielleicht wußte sie es auch erst seit einer Minute. Die Köpfe kamen von beiden Seiten und nahmen ihn in die Zange. Um sie nicht nä her herankommen zu lassen, hob er das Schwert bis in ihre Höhe und drehte sich so schnell im Kreis, daß den Köpfen keine Zeit blieb, auf Fartuloon herabzustoßen, wenn er mal dem einen und mal dem anderen für ei ne Sekunde den Rücken zuwandte. Dann stieß er überraschend zu. Das Skarg drang fast bis zum Griff in das weiche Hals fleisch des einen Angreifers ein, und der nicht abgemilderte Schwung ließ die Schei de seitlich wieder herausdringen. Der Kopf wurde zwar nicht völlig vom Rumpf ge trennt, kippte aber nach unten und schien leblos geworden zu sein. Nun hatte die Schlange nicht mehr Köpfe als jede andere auch, allerdings war sie we sentlich größer und nun auch vorsichtiger. Sie begann, sich in die Höhle zurückzu ziehen, mit dem Schwanz voran. Ischtar rief: »Wenn sie ihr Versteck im Baum auf sucht, ist sie unbesiegbar. In der Höhle kön nen wir ihr nichts mehr anhaben. Töte sie, Fartuloon! Wir kommen jetzt und helfen dir!« »Ihr bleibt!« donnerte Fartuloon und folg te der Schlange. »Sie läuft doch vor mir weg …« »Sie lockt dich in eine Falle!«
43 Fartuloon winkte ab und bewegte sich schneller, um der Bestie den Rückzug abzu schneiden. Der halbe Körper war bereits in der Baumhöhle verschwunden, als er das Dornendickicht erreichte und darin ein drang. Zum Glück hielten seine Stiefel und der Lederrock den Angriffen der lebendig wirkenden Dornen stand, und als es ihm zu bunt wurde, hackte er eine Gasse in das Ge strüpp. Dann stand er neben den Säulenwurzeln, direkt neben der Höhle. Die Schlange schien seine Taktik nicht bemerkt zu haben. Der Kopf sah in eine an dere Richtung und schien ihn zu suchen, während der Leib weiter zurück in die Höhle glitt. Fartuloon hob das Schwert und packte es mit beiden Händen. Die scharfe Schneide schwebte über dem schuppigen Leib, der immer dünner wurde, bis er sich dreifach teilte. Ein Hals war ohne Kopf, am zweiten hing pendelnd der leblose nach unten, nur der dritte war noch voll aktiv vorhanden. Fartuloon wartete, bis der weiche Nacken genau unter dem Skarg war, dann ließ er es mit aller Wucht herabsanken. Später, wenn er die Geschichte von der Riesenschlange mit den drei Köpfen erzähl te, behauptete er immer, es sei wie eine Ope ration gewesen, so glatt habe er den Panzer, den Körper und die vorhandenen Knorpel durchschlagen. Ra half Ischtar, vom Baum zu klettern. Sie wirkte erschöpft, so als habe sie die Schlange besiegt, nicht Fartuloon, der sein Schwert an den Blättern säuberte und sich dann ihr zuwandte: »So, meine Gnädigste, zumindest erwarte ich nun eine Erklärung, was es mit dieser Wächterin auf sich hat. So hast du die Schlange doch wohl genannt, wenn ich mich nicht verhörte.« Sie nickte und lehnte sich gegen die Wur zel neben der Höhle. »Die Wächterin der Toten Augen des Se hers Vrentizianex richtig! Eine Mutation, die eigens für diesen Zweck gezüchtet und hier
44 her gebracht wurde irgendwann von irgend woher. Du hast sie getötet, aber das war die einzige Möglichkeit, in die Höhle zu gelan gen. Wir müssen über den Leib steigen, er versperrt den Eingang.« »Immer mit der Ruhe«, warnte Fartuloon und hielt sie fest. »Gibt es noch andere Wächter? Von dieser Schlange hast du uns ja auch nichts erzählt bis es beinahe zu spät war.« »Es gibt nur eine Wächterin, und ich wuß te nicht, ob sie noch hier war. Darum sagte ich vorher nichts.« »Aha, du wolltest uns nicht beunruhigen sehr rücksichtsvoll. Ra, du sorgst für Rückendeckung, ich werde versuchen, in die Höhle einzudringen.« »Ich komme mit!« sagte Ischtar bestimmt. Fartuloon nickte gleichmütig. »Dagegen habe ich nichts falls du den Schlangengestank aushälfst. Riecht nicht ge rade angenehm.« In der Tat schlug ihnen aus der Höhle ein Pesthauch entgegen, der ihnen fast den Atem raubte. Fartuloon schaltete seine win zige Stablampe ein, um besser sehen zu kön nen. Der Stamm des Baumes der Erinnerungen schien völlig ausgehöhlt zu sein, wenigstens im untersten Teil. Rohe Stufen führten in die Tiefe unter den Wurzeln, und zum Glück er reichten Fartuloon und seine Begleiter sehr bald den Schwanz und damit das Ende der toten Schlange. »Es stinkt bestialisch«, stellte Ra über flüssigerweise fest. »Halt einfach die Luft an«, riet Fartuloon. Die Stufen hatten aufgehört. Sie befanden sich nun etwa zehn Meter unter dem Fels plateau. Der Boden war weich und mit fah lem Moos bedeckt, das kein Licht benötigte. In der Dunkelheit leuchtete es sogar selbst ein wenig. Obwohl sie sich unter der Ober fläche aufhielten, sahen sie noch immer Baumwurzeln und verfaultes Holz. Die Höh le selbst war natürlichen Ursprungs, aber je mand hatte kräftig nachgeholfen. Der Kyriliane-Seher Vrentizianex, dessen
Clark Darlton Toten Augen hier verborgen sein sollen? Oder wer? Ra, der seinen Energiestrahler längst wie der an sich genommen hatte, blieb stehen, als Fartuloon und Ischtar den Rundraum er reichten, der zugleich das Ende der Höhle darstellte. Der Schein der kleinen Lampe wanderte über die verschlungenen Baum wurzeln an den Wänden, über den unebenen Boden und die Decke aus verfaultem Holz. Fartuloon sagte schließlich: »Du wirst endlich einsehen müssen, Ischt ar, daß es nicht gut war, auf dich zu hören. Drer Tage sind wir durch diese Bäume ge klettert und wären fast dreimal gestorben, nun sind wir endlich hier aber ich sehe nichts, was den Toten Augen eines Sehers auch nur ähnlich sähe. Du vielleicht?« »Lösch deine Lampe, Fartuloon.« »Ich soll was? Wozu denn das?« »Lösche sie, dann wirst du die Augen se hen, wenn du dich an die Dunkelheit ge wöhnt hast.« »Das ist aber nun auch das letzte Mal, daß ich auf dich höre, meine Liebe. Glaubst du, daß es ein Vergnügen ist, hier in der Finster nis herumzustehen und auf ein Wunder zu warten?« Er schaltete das Licht aus. Der Raum wurde nicht absolut dunkel. Selbst die Wurzeln schienen sanft zu glim men und verbreiteten eine diffuse Dämme rung, die allmählich intensiver zu werden schien. Das verfaulte Holz an der Decke und auf dem Boden leuchtete ebenfalls, fahl und unheimlich. Es herrschte eine richtige Gei sterstimmung. Am Ende des Raumes, so bemerkte Fartu loon nun, war das Leuchten ein wenig stär ker. Es kam aus einer Mulde an der Wand und spiegelte sich an der feuchten Decke wenige Meter darüber. »Geh hin und sieh es dir an«, riet Ischtar ruhig. Fartuloon zögerte. »Sind sie das?« fragte er unsicher. »Geh hin!« wiederholte sie. Er hatte sein Skarg längst in die Scheide
In der Hand des Henkers gesteckt, da es ihn hier innerhalb der Höhle nur behindert hätte. Die gelöschte Lampe behielt er in der Hand, um sie jederzeit wie der einschalten zu können. Als er näher an die kleine Mulde heran trat, sah er, daß es zwei fahle Leuchtquellen gab, nicht nur eine. Sie ruhten dicht neben einander in der mit Moos ausgefüllten Mul de und sie waren rund wie ein Ball. Oder rund wie Augen? »Siehst du sie?« fragte Ischtar. Fartuloon antwortete: »Ich sehe zwei Kugeln, aber sie sind zu groß für Augen.« »Dann sind sie es die Toten Augen von Vrentizianex! Wir sind am Ziel, Fartuloon, Ra!« Fartuloon blieb skeptisch. »Ich sehe nur zwei schwach leuchtende Kugeln, das ist alles. Wie sollen sie uns hel fen, Atlan zu finden? Und überhaupt: was soll das alles bedeuten? Willst du uns nicht endlich er klären …« »Man muß sie aus der Mulde nehmen, Fartuloon. Aber sehr vorsichtig! Sie dürfen nicht verletzt werden.« Fartuloon seufzte und schaltete die Lampe wieder ein, um sich die beiden rätselhaften Gegenstände genauer ansehen zu können. Sie lagen in einem richtigen Moospolster und schienen fest mit ihrer Unterlage ver bunden zu sein. Sie waren weißgelb und von feinen Äderchen durchzogen. Aber sie besa ßen keine Pupillen, sonst hätten sie in der Tat wie Augen ausgesehen. Ischtar war herbeigekommen, und auch Ra überwand seine Scheu und ging weiter, bis er neben ihr stand. Er starrte verständnis los auf die weißgelben Bälle. »Und jetzt?« erkundigte sich Fartuloon. »Aus der Mulde nehmen«, wiederholte Ischtar. »Aber das ist nicht so einfach, denn sie sind eine Symbiose mit dem Baum der Erinnerungen eingegangen und werden von ihm genährt. Du mußt die Wurzeln finden und durchtrennen.« »Schon wieder eine Operation?« be schwerte sich Fartuloon ungläubig. »Aber es
45 sind doch die Toten Augen, warum sollten die noch ernährt werden? Wenn es also wirklich Wurzeln gibt, die sie mit dem Baum und seinem Kreislauf verbinden, so erscheinen sie mir sinnlos.« »Schneide sie durch!« befahl Ischtar ohne Kommentar. Ra gab Fartuloon sein scharfes Jagdmes ser und hielt dafür die Lampe. Der Dicke war trotz aller Zweifel wieder in seinem Ele ment, denn er war ein guter Arzt und Chir urg gewesen ein echter Bauchaufschneider der vornehmen Arkoniden. Vorsichtig be rührte er den linken Augenball. Er hatte das Gefühl, daß er aus hartem Gummi bestand, oder aus einer Kunstmasse, die an Gummi erinnerte. Es gelang ihm, das Auge etwa zehn Zentimeter anzuheben, dann erst spürte er den Widerstand. Ra leuchtete, und sie alle sahen die fei nen, haardünnen Würzelchen, die in das Moos hineinführten. »Wahrhaftig!« wunderte sich Fartuloon. »Sie sind mit dem Baum verbunden!« »Schneide die Wurzeln durch«, bat Ischt ar drängend. Fartuloon zuckte die Schultern, zog das Auge ein wenig nach oben, damit die Wur zeln stramm wurden und schnitt sie durch, eine nach der anderen, bis der Ball frei war. »Halte ihn fest, Ra. Aber nicht fallen las sen! Ischtar kann leuchten.« Ra nahm den Gegenstand nur zögernd an. Er hielt ihn behutsam in beiden Händen und rührte sich nicht vom Fleck. Ischtar nahm die Lampe, beugte sich zu dem gebückten Fartuloon hinab und leuchtete. Die zweite Operation gelang ebenfalls, zumindest passierte nichts weiter. Das zwei te Auge kam frei, während sich die Wurzeln in das dichte Moospolster zurückzogen. Fartuloon nahm Ra das erste Auge wieder ab und gab ihm das Messer zurück. Ischtar betrachtete die unbedeutend wirkenden Bäl le, und wenn sie Enttäuschung empfand, so zeigte sie es nicht. Es schien, als warte sie auf etwas, aber sie schwieg. »Und nun?« erkundigte sich Fartuloon,
46 und wer ihn genau kannte, hörte aus seiner Stimme den Unterton von Schadenfreude heraus. »Jetzt haben wir die Dinger. Kannst du mir verraten, wie sie uns helfen sollen, Atlan zu finden? Die Toten Augen eines Se hers … Pah!« »Urteile nicht voreilig«, ermahnte ihn Ischtar. »Sie müssen erst unsere Gedanken verarbeiten und erfahren, was wir von ihnen wollen. Alles dauert seine Zeit.« »Unsere Gedanken?« Fartuloon betrachte te die beiden Augen voller Skepsis. »Sind die vielleicht telepathisch?« Ischtar gab keine Antwort. Es schien, als konzentriere sie sich, so als wolle sie jeman dem einen stummen Befehl erteilen. Unent wegt blickte sie auf die beiden Augen, die ihren selbst weit geöffnet und fast starr wir kend. Endlich sagte sie: »Ra, du kannst die Lampe ausschalten. Es muß so dunkel sein wie möglich.« Fartuloon lehnte sich gegen die feucht kühle Wand der Höhle. Er hatte sich fest vorgenommen, den »Zirkus«, wie er es heimlich bei sich nannte, nur noch kurze Zeit mitzumachen, und wenn dann nichts Entscheidendes geschah, würde er Ischtar notfalls mit Gewalt zum Beiboot zurück bringen und sich auf die Suche nach Atlan machen. Das Beiboot vom Typ F1 war ihm lieber als sämtliche Toten Augen aller im Kosmos existierenden Seher. Ischtar sagte in die gespannte Stille hin ein: »Fartuloon, diese beiden Augen, die du in deinen Händen hältst und von denen du glaubst, daß sie wertlos sind, haben schon mehr gesehen als wir drei zusammen. Sie haben die Fähigkeit, uns überall dorthin zu führen, wo sie schon einmal waren. Ich weiß, daß sie auch schon den Stein der Wei sen gesehen haben …« Es war völlig still in der Höhle, nur das Atmen der drei Personen war zu hören, und das gelegentliche Herabfallen von Wasser tropfen. Fartuloon begriff sofort die Bedeu-
Clark Darlton tung von Ischtars Worten. Der Stein der Weisen! Wenn die Augen wirklich die Fähigkeit besaßen, die Ischtar ihnen vielleicht nur an dichtete, war Atlans größtes Problem gelöst, denn nur mit Hilfe des Steins der Weisen konnte eisernen verräterischen Oheim Orba naschol III, den Imperator, stellen und be strafen. Doch in erster Linie ging es jetzt darum, Atlan zu finden. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder mehr den Augen zu, die er in seinen geöff neten Händen Ischtar entgegenhielt. Sie leuchteten noch immer schwach, aber manchmal war es so, als huschten Schatten oder auch Lichtreflexe über sie hinweg. Die feinen Aderchen pulsierten wie sanft glü hende Drähte, und es sah so aus, als wollten sie sich zu ganz bestimmten Mustern ord nen. Das Erstaunlichste war, daß sich beide Augen gleich verhielten, so als wären sie identisch. Obwohl Fartuloons Geduld auf eine harte Probe gestellt wurde, verhielt er sich ruhig und abwartend. Immerhin hielt er keine leb losen Gummibälle in der Hand, wie er lang sam begriff. »Sie haben Atlan gefunden«, sagte Ischtar plötzlich und unterbrach das unheimliche Schweigen. »Jetzt haben sie ihn gefunden, und gleich werden wir wissen, wo er sich aufhält.« Nun starrten auch Fartuloon und Ra ange strengt auf die schimmernden und sich stän dig verändernden Augen des Sehers, auf de nen sich allmählich ein Bild abzuzeichnen begann. Einzelheiten waren noch nicht zu erkennen, denn die Teilstücke drehten sich zusammenhanglos um das Zentrum, wo die Pupille fehlte. Sie mußten sich erst ordnen. Das alles wirkte wie ein Fernsehschirm, der seine Zeilen nicht koordinieren konnte. Ein Bild war vorhanden, aber in chaoti schem Zustand und nicht zu definieren. Fartuloon erkannte den Kegel eines Vul kans, mehrfach geteilt und noch nicht zu sammengesetzt, dazwischen Bruchstücke ei
In der Hand des Henkers nes seltsam geformten Baumes, und dann ei ne Partie von Atlans Gesicht … »Es dauert nicht mehr lange«, flüsterte Ischtar triumphierend. Immer deutlicher wurde das Bild, aber Fartuloon konzentrierte sich in erster Linie auf Atlan. Er lebte! Aber er befand sich in Schwierigkeiten. Der Vulkan war nun vollständig und in seiner Form unverkennbar. Fartuloon wußte, daß er ihn schon gesehen hatte, als sie Zer cascholpek mit der F1 überflogen. Auch der Raum, der am Hang des Vulkans wuchs, war leicht wiederzufinden. Atlan war der Gefangene eines Baumes, der ihn mit seinen Zweigen umschlungen hielt. »Wir müssen den Vulkan und den Baum finden!« unterbrach Fartuloon die Stille. »Ischtar, ich glaube, das wird möglich sein. Wir müssen sofort zurück zum Boot.« Er zö gerte, während Ra die Lampe wieder ein schaltete. Dann fragte er: »Wie ist das alles möglich? Sind es wirkliche Augen, was ich in den Händen halte?« »Es sind die Toten Augen des Kyriliane-Se hers Vrentizianex«, erwiderte Ischtar. Er schnaubte wütend. »Ja, das hast du schon ein paarmal gesagt, aber das ist keine Erklärung. Ich möchte wissen, wie sie funktionieren und besonders nachdem wir die Wurzeln durchgeschnitten haben.« »Wir müssen jetzt gehen«, forderte die Varganin ihn auf. Fartuloon gab es auf. Er schob die Augen in seine Tragtasche, nahm Ra die Lampe ab und ging voran. Die beiden anderen folgten ihm.
* Es war ihnen allen dreien klar, daß Ma gantilliken ihnen eine perfekte Falle gestellt hatte. Er mußte wissen, daß sie den Vulkan baum finden würden, und dort würde er auch auf sie warten, um Ischtar, die Güldene Göttin, endlich töten und damit seinen Auf
47 trag erfüllen zu können, den er aus der Eisi gen Sphäre erhalten hatte. Trotzdem blieb ihnen keine andere Wahl, als Atlan zu helfen. Wichtig war, daß er längere Zeit durch hielt. Vielleicht schafften sie den Rückweg zur F1 auch schon in einem Tag, denn nun kannten sie den Weg und die Gefahren. Über den Kadaver der toten »Wächterin« gelangten sie ins Freie. Hier hatte sich nichts verändert. Es war früher Nachmittag, und über dem dicken Vegetationsteppich des Baumes konnte man die Sonne ahnen. Fartuloon deutete auf den nächsten Ast, der in die Höhe führte. »Den nehmen wir und halten uns nicht mehr länger auf. Wir steigen bis dicht unter den Wipfel, dort kommen wir am schnell sten voran. Ischtar wieder in die Mitte, und du, Ra, gehst dicht hinter ihr, den Strahler schußbereit. Schalte auf Lähmwirkung, das genügt. Sollten die Botiks uns aufhalten wollen, betäube sie. Fertig? Dann los!« Während des Aufstiegs nahm er Kontakt mit Morvoner in der FARNATHIA auf und unterrichtete ihn. Eine halbe Stunde später schien die Sonne durch das nur noch dünne Blätterdach des Baumes. Sie kamen gut voran, denn hier oben wuchsen kaum noch fleischfressende Pflanzen, weil sie zwischen den Ästen nicht mehr genug Nahrung und Halt fanden. Im merhin jedoch waren diese Äste noch stark genug, Fartuloon, Ischtar und Ra zu tragen. Die Botiks ließen sich kaum sehen. Ein mal nur, am späteren Nachmittag, tauchte ein ganzes Rudel von ihnen auf und ver sperrte ihnen den Weg. Es steckte keine bös artige Absicht dahinter, und Fartuloon hatte das Gefühl, daß sie einfach nur spielen woll ten. Doch zum Spiel war jetzt keine Zeit. Er brüllte sie an, und sie wichen ein we nig zurück. Aber dann hielten sie sein Ge brüll wohl für eine Art Aufforderung, und wie auf Kommando begann ein ohrenbetäu bendes Konzert aus mehreren hundert Keh len. Das war ein schrilles Gekreische mit
48 quietschenden Aufschreien und gellenden Pfiffen, die jedem Schiedsrichter bei einer Sportveranstaltung das Blut in den Adern hätten gefrieren lassen. Fartuloon hielt sich entsetzt die Ohren zu und nickte Ra zu. Ra zögerte. »Ich kann doch nicht einfach … Fartu loon, das wäre grausam. Sie sind so nett und harmlos …« »Atlan ist in Gefahr, wir dürfen keine ein zige Minute unnütz vergeuden! Schieß end lich! Es passiert ihnen ja nichts. Wir müssen weiter!« Ischtar hatte einen festen Halt gefunden und ihre eigene Waffe gezogen. Sie begann als erste zu feuern. Ra folgte nun auch ihrem Beispiel. Die Botiks purzelten gelähmt von ihren Ästen und verschwanden zwischen dem un durchdringlichen Grün der oberen Ebenen. Es war so gut wie ausgeschlossen, daß sie allzu tief stürzten, denn früher oder später wurden sie von den Vegetationsteppichen aufgefangen. Es mußte schon ein Zufall sein, wenn einer von ihnen ausgerechnet in das weit geöffnete Maul einer der bunten Blüten fiel, und wenn, dann würde die Wucht des Aufpralls der gefräßigen Blume kaum gut bekommen. Es war ein Spiel, daß den Botiks über haupt nicht gefiel. In wilder Flucht stoben die von den Lähmstrahlern Verschonten da von und brachten sich eiligst in Sicherheit. Fartuloon nickte seinen Begleitern zu und ging weiter. Als es dunkel zu werden begann, hatten sie eine größere Strecke zurückgelegt als vorher in zwei Tagen. Den Instrumenten zu folge waren sie nur noch zwei Kilometer vom Beiboot entfernt. Fartuloon blieb ste hen. »Ich glaube, wir legen eine Rast ein. Dann marschieren wir im Dunkeln weiter. Wir haben ja die Lampe, und jetzt kenne ich den Weg. Es ist derselbe, auf dem wir das Boot vor drei Tagen verließen.« Sie aßen von ihren restlichen Konzentra-
Clark Darlton ten und ruhten sich aus. Um sie herum war die grüne Hölle mit ihren Geräuschen. Über all raschelte es in den Zweigen, und manch mal hörten sie einen Botik kreischen. Aber das beunruhigte sie nicht. Ihre einzige Sorge war, Atlan rechtzeitig zu finden, ehe er seine Kräfte verlor und der Vulkanbaum ihn er würgte. Vor Mitternacht brachen sie wieder auf. Die Lampe spendete zwar viel Licht, aber der Schein reichte nicht sehr weit. Immerhin genügte es Fartuloon, immer den richtigen Ast zu finden, auf dem es weiterging. Ischtar war nun dicht aufgerückt und kletterte un mittelbar hinter ihm, gefolgt von Ra, der sei nen Strahler in den Gürtel geschoben hatte, um beide Hände frei zu haben. Fartuloon sah auf den kleinen Masseta ster. »Noch dreihundert Meter, und etwas nach links.« Sie fanden den richtigen Ast, und dann sa hen sie im Schein der Sterne die silbern glänzende Kuppel des Beiboots durch die letzten Zweige schimmern. Fartuloon, der sein Skarg längst in der Scheide trug, atmete erleichtert auf. Er hatte selbst nicht fest daran geglaubt, es so schnell schaffen zu können. Doch nun waren sie am Ziel, und nach einigen Stunden Schlaf konn ten sie mit der Suche nach Allan beginnen. Er blieb abrupt stehen, als er den Schatten vor sich sah. Vielleicht ein Botik? Er richtete den Strahl der Lampe auf den Schatten und hielt unwillkürlich die Luft an, als er den alten Mann im Lendenschurz vor sich sah. Er stand auf dem Ast vor der F1 und hatte beide Hände zum Zeichen des Friedens erhoben. Seine Augen waren weit geöffnet …
* Als der dritte Jäger mit seiner Meldung zurückkam, daß das Schiff aus dem Himmel noch immer unbeweglich und von seinen In sassen verlassen am gleichen Fleck stand,
In der Hand des Henkers wurde Kara ungeduldig. Sie rief Teron, den Ältesten, zu sich und sagte: »Was ist nun mit den Fremden? Sie stie gen in den Baum der Wunder, und sie ka men nicht zurück. Wurden sie bestraft? Hast du eine Antwort?« »Ich habe keine Antwort, Kara, aber ich bin bereit, sie für uns alle zu holen. Gib mir die Erlaubnis, den Heiligen Baum zu betre ten.« »Du willst …« Sie starrte ihn fassungslos an, dann schüttelte sie den Kopf. »Ich kann dir eine solche Erlaubnis nicht geben, aber ich werde es dir auch nicht verbieten. Ge nügt das?« »Sage den Jägern Bescheid.« »Einer von ihnen wird dich zum Heiligen Baum begleiten.« Teron brach sogleich auf, denn er wollte keine Zeit verlieren. Die Frage nach der Vergangenheit seines Volkes brannte ihm so auf der Seele, daß er die Antwort wissen mußte, wie immer sie auch ausfallen sollte. Die Fremden würden sie geben können, davon war er überzeugt. Sie erreichten das Grenzgebiet vor der Dämmerung. Die Jäger wurden unterrichtet und ließen Teron passieren. Sie sahen in ihm einen Todeskandidaten, denn niemand betrat ungestraft den Heiligen Baum. Teron aber kletterte mühsam auf der ober sten Ebene bis zu dem schimmernden Ob jekt, das vom Himmel gekommen war. Er hielt sich in respektvoller Entfernung, denn er wußte, daß der helle Schein den Tod be deutete. Auch das hatte er in den alten Auf zeichnungen gelesen. Es wurde dunkel und dann Nacht. Aber er blieb auf seinem Posten, wenn die Müdig keit ihn auch fast zu überwältigen drohte. Er saß in einer Astgabel, und selbst wenn er eingeschlafen wäre, hätte er nicht den Halt verlieren und abstürzen können. Kurz vor der Morgendämmerung hörte er ein ungewohntes Geräusch und Sprechen. Seine Stammesbrüder konnten es nicht sein, denn die hielten sich in der entgegengesetz ten Richtung auf und waren auch zu weit
49 entfernt. Vorsichtig erhob er sich und sah in der Ferne ein Licht durch die oberen Äste und Zweige wandern. Es war keine Fackel, das erkannte er so fort. Es mußten die Fremden sein, die von ihrem Ausflug zurückkehrten. Er umrundete das kleine Schiff in respekt vollem Abstand und ging ihnen ein paar Dutzend Meter entgegen, dann blieb er ste hen und erwartete sie.
* Fartuloon überwand seine Überraschung und wußte sofort, daß keine Gefahr von dem alten Mann drohte, wer immer er auch sein mochte. »Wer bist du?« fragte er verblüfft, und er war noch verblüffter, als der Alte ihm in sei ner eigenen Sprache antwortete: »Ich bin Teron, der Älteste meines Stam mes. Die Königin Kara schickt mich, damit ich dir Fragen stellen kann. Wirst du antwor ten?« Ischtar drängte sich neben Fartuloon: »Wer ist er und was will er? Wir haben keine Zeit …« Fartuloon schob sie ein wenig zurück. »Frage, aber beeile dich.« »Ihr seid mit einem großen Schiff gekom men, das nun um unsere Welt kreist? Wa rum kamt ihr?« »Wir suchen jemand. Was ist mit deinem Stamm? Lebt ihr schon immer hier?« »Das ist es, was wir wissen wollen. Es heißt, unsere Vorfahren kamen einst von ei ner anderen Welt, in einem Schiff, das sie hier absetzte und wieder wegflog. Aber das muß schon lange her sein, viele Generatio nen. Warum wurden unsere Vorfahren zu rückgelassen? Ihr müßt es wissen!« Fartuloon verneinte durch eine Kopfbe wegung. »Nein, wir müssen es nicht wissen, denn wir wissen nicht, was damals geschah. Und warum es geschah. Aber es ist möglich, daß eure Vorfahren Meuterer waren, die dazu verurteilt wurden, den Rest ihres Lebens auf
50 dieser unberührten Urwelt zu verbringen. Sie überlebten, ihr seid die Nachkommen.« »Ja, so ist es gewesen!« stimmte Teron zu. »Nun weiß ich, daß die Überlieferungen nicht logen. Ihr seid also nicht gekommen, um uns in die alte Heimat zurückzuholen?« Fartuloon erkannte mit einem Schlag die ganze Tragik der damals Ausgesetzten, aber er konnte ihr Schicksal nun auch nicht mehr ändern. Schon gar nicht das der Nachkom men, die eine neue Heimat gefunden hatten und sich im Großen Imperium der Arkoni den nicht mehr zurechtfinden würden. »Nein, deshalb sind wir nicht gekommen, aber wir werden von eurem Schicksal be richten. Vielleicht kümmert man sich darum. Grüße deine Königin und deinen Stamm. Wir müssen weiter.« »Warum wollt ihr nicht unsere Gäste sein? Es gibt noch viel zu berichten. Ver steht doch: Wir haben die Erinnerung verlo ren.« »Vielleicht ist das gut so, mein Freund.« »Ich bin Teron, der Älteste des Stammes, und ich bitte dich, unsere Einladung anzu nehmen: Kara würde mir zürnen, wenn ich ohne euch zurückkehrte.« »Sie wird nicht zürnen«, versprach Fartu loon und griff in seine Tasche. »Hier, nimm das für sie mit, als Geschenk von uns. Es ist ein Instrument, mit dem sich immer und ewig Feuer machen läßt. Du mußt nur auf den Knopf drücken. Ihr werdet es gebrau chen können.« Teron nahm das kleine, flache Kästchen und schob es in die Falten seines Lenden schurzes. »Ihr wollt uns also wirklich wieder verlas sen?« »Ja, denn wir müssen, Teron. Lebe wohl, und nochmals: grüße deinen Stamm und Ka ra. Und nun weiche zurück, bis die Zweige dich schützen. Wir gehen jetzt ins Schiff.« Teron zögerte, dann wandte er sich um und ging. Er tastete sich über den Stamm und hielt sich an den darüberhängenden Zweigen fest, bis er einigermaßen sicheren Boden in Form eines Pflanzenteppichs er-
Clark Darlton reichte. Da blieb er stehen und drehte sich wieder um. Die drei Fremden kletterten durch die Lu ke unter dem Schiff in dessen Inneres, nach dem der helle Schein wie durch ein Wunder erloschen war. Die Luke schloß sich, und wenig später schwebte das Schiff langsam nach oben, gewann dann schnell an Höhe und verschwand in den von dem Vulkan herantreibenden Wolken. Teron war wieder allein. In seiner Tasche fühlte er den kleinen Ka sten, mit dem man Feuer machen konnte. Natürlich kannten die Koniden das Feuer, aber es war immer schwer, eines zu machen, weil das Gerät dazu nicht mehr richtig funk tionierte. Jetzt würde es einfacher sein. Er fand in der Dunkelheit den Weg zu rück zu den wartenden Jägern und berichtete ihnen von seiner Begegnung mit den Frem den. Sie wollten ihm nicht glauben, aber sie mußten es, als er ihnen das Feuerzeug zeig te. Noch bevor der Morgen endgültig an brach und es hell wurde, erreichten sie das Lager hoch oben unter den letzten Zweigen. Das Feuer brannte nur mäßig, und einer der Jäger hielt Wache. Er sprang auf, als er die Rückkehrer bemerkte. »Wecke die Königin«, befahl Teron, sich seiner neuen Autorität vollauf bewußt. »Ich werde ihr dann berichten, was geschehen ist.« Kara wirkte verschlafen, aber als sie die Jäger und Keron am auflodernden Feuer sah, wurde sie munter. Schnell kam sie herbei. »Was haben die Fremden gesagt, Teron? Wo sind sie?« Er berichtete wortreich von seiner Begeg nung mit den beiden Männern und der Frau, wobei er reichlich übertrieb und seine Rolle als Vermittler hochspielte. »Nun gut, Teron, wir haben Gewißheit und werden sie unseren Kindern weiterer zählen. Doch unser Leben geht weiter. Wir gehören hierher, auf unseren Baum und in unser Dorf. Jene, die mit uns verwandt sein mögen, sind nun Fremde für uns. Wir haben
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nichts mehr mit ihnen gemeinsam und sie würden uns nur auslachen, wenn wir zu ih nen zurück wollten. Die Fehler der Vergan genheit lassen sich nicht mehr ändern. Sie lassen sich auch nicht rückgängig machen. Bron, du wirst morgen auf die Jagd gehen und ein Fenar mitbringen.« Damit war für Kara das Thema erledigt. Aber auch für die übrigen Jäger und Frauen des Stammes. Die Männer gingen schlafen, denn sie hatten drei Tage und Nächte ge wacht, während die Frauen sich an ihre ge wohnte Arbeit machten. Auf Teron achtete niemand mehr. Er war für einige Stunden der Held gewesen, nun vergaß man ihn bereits wieder.
* Und noch einen gab es, der mit sich und seinem Schicksal nicht vollauf zufrieden war: Morvoner Sprangk. Er hatte einige Stunden geschlafen und war in den Kontrollraum zurückgekehrt, ob wohl es nichts für ihn zu tun gab. Die FAR NATHIA umlief auf einer stabilen Kreis bahn den Planeten Zercascholpek, und das Doppelpyramidenschiff blieb immer in der gleichen Entfernung. Magantilliken war noch nicht an Bord zu rückgekehrt, was Fartuloons Verdacht be kräftigte, daß eine vorbereitete Falle auf ihn und seine beiden Begleiter wartete. Und er, Morvoner, war nicht dabei! Er versuchte, ständigen Kontakt mit Far tuloon zu halten, was aber immer nur für kurze Zeit möglich war, denn sobald die FARNATHIA unter den Horizont tauchte,
brach jede Verbindung ab. Fartuloon hatte ihm die ungefähre Lage des Vulkanbaums geschildert, in dem Atlan sich aufhielt, aber bisher waren seine Versu che, ihn auf dem Bildschirm zu entdecken, vergeblich gewesen. Trotz der starken Ver größerung war es ihm unmöglich, den Vul kan und den Baum an dessen Hang zu fin den. Sie sahen fast alle gleich aus. »Sie schaffen es diesmal auch ohne mich«, tröstete er sich selbst, als er vor den Kontrollen saß und der Funkkontakt durch den steigenden Horizont unterbrochen wur de. »Hoffentlich …« Unten aber, tief unter den dunklen Rauch wolken der Vulkane, glitt das Beiboot Fl über den Baumdschungel hinweg, nahm grö ßere Fahrt auf und überquerte einen großen See. Auf der anderen Seite erhoben sich die Kegel einiger Vulkane. Fartuloon deutete nach vorn. »Ich bin mir nicht sicher aber das könnten sie sein.« Ischtar warf Ra einen bezeichnenden Blick zu. »Es wird auch Zeit«, sagte sie nur und starrte wieder in Flugrichtung. Ra blieb stumm. Im Innersten seines Herzens begann er neut der unheilvolle Kampf zwischen dem Wunsch, Ischtar zu besitzen und seiner Freundschaft zu Atlan, der gerettet werden mußte.
E N D E
ENDE