HUSSERLIANA EDMUND HUSSERL GESAMMELTE WERKE
BAND III/2
IDEEN ZU EINER REINEN PHÄNOMENOLOGIE UND PHÄNOMENOLOGISCHEN PHILOSOPHIE ERSTES BUCH
ERGÄNZENDE TEXTE
(1912-1929)
AUF GRUND DES NACHLASSES VERÖFFENTLICHT VOM HUSSERL-ARCHIV (LEUVEN) IN VERBINDUNG MIT RUDOLF BOEHM UNTER LEITUNG VON
SAMUEL IJSSELING
EDMUND HUSSERL IDEEN ZU EINER REINEN PHÄNOMENOLOGIE UND PHANOMENOLOGISCHEN PHILOSOPHIE ERSTES BUCH
ALLGEMEINE EINFÜHRUNG IN DIE REINE PHÄNOMENOLOGIE
NEU HERAUSGEGEBEN VON
KARL SCHUHMANN
2. HALBBAND ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929)
DEN HAAG
MARTINUS NIJHOFF 1976
DIE AUSGABE DER GESAMMELTEN WERKE EDMUND HUSSERLS - HUSSERLIANA - WURDE BEGRÜNDET VON H . L. V Ä N BREDA
© 1976 by Martinus Nijhoff, The Hague, Netherlands All rights reserved, including the right to translate or to reproduce this book or parts thereof in any form ISBN 90 247 1912 7 90 247 1914 3 (2. Halbband)
PRINTED IN THE NETHERLANDS
INHALT DES 2. HALBBANDS ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929) I. RANDBEMERKUNGEN AUS DEN HANDEXEMPLAREN Vorbemerkung des Herausgebers 477 ANHANG: Husserls Randnotizen zum „Ausführlichen Sachregister" von G. Walther 517
II. MANUSKRIPTE ZUR NIEDERSCHRIFT DER IDEEN Ι
Α. TINTENMANUSKRIPTE 1: Ergänzungen aus den ersten Ausarbeitungen (Mai 1912) 2: Eidetik der Natur und Eidetik des Geistes (wohl Juni 1912) BEILAGE 3: Aus einem Entwurf zu § 11 (um Juni 1912) BEILAGE 4: Selbstverständigung über meinen Gang in den Ideen (wohl Juni 1912) BEILAGE 5: Rationale Psychologie und Phänomenologie (um Juli 1912) BEILAGE 6: Entwurf einer Einleitung zu den Ideen I (um Juli 1912) BEILAGE 7: Aus einem Einleitungsentwurf (um Juli 1912) . . . . BEILAGE 8: Unmittelbare Anschauung als letzter Rechtsgrund der Erkenntnis (um Juli 1912) BEILAGE 9: Erfahrung und Erfahrungswissenschaft gegenüber Wesensforschung und Bewußtseinsforschung (um Juli 1912) . . . BEILAGE 10: Dogmatische und phänomenologische (kritische) Wissenschaft (um Juli 1912) BEILAGE 11: Phansisch und ontisch; reell Enthaltenes, ideell Enthaltenes ; Aktcharakter und Stoff (primärer Inhalt) (nach Mitte Juli 1912) BEILAGE 12: Zur phänomenologischen Methode und Problematik (um Juli 1912) BEILAGE 13: Disposition (nach Mitte Juli 1912) BEILAGE 14: Disposition (28. August 1912) "BEILAGE BEILAGE
519 523 524 526 529 530 532 534 534 541 542 546 558 559
VI
INHALT DES 2. HALBBAXDS B. AUS DEM BLEISTIFTMANUSKRIPT
15: Altes Ende des Ersten Stückes über Eidetik (September 1912) BEILAGE 16: Aus dem Manuskript zu Ideen I, §§ 56-58 (Ende September 1912) BEILAGE 17: Eingeklammertes Urteil und Urteil über Eingeklammertes (September/Oktober 1912) BEILAGE 18: Die Reduktion des Seinscharakters auf bloßen Inhalt (September/Oktober 1912) BEILAGE 19: Einleitungsentwurf für das Schlußkapitel der Ideen I (Oktober 1912) BEILAGE 20: Phänomenologie der Wahrnehmung und Phänomenologie der Denkoperationen (Oktober 1912) BEILAGE
560 560 564 565 566 567
C. AUS DEN DRUCKVORLAGEN 21: Gliederungsentwurf für die Ideen I (Ende Januar 1913) 22: Einleitungsentwurf für den IV. Abschnitt (Anfang Februar 1913) BEILAGE 23: Erster Entwurf zur Anmerkung über Messer und Cohn (Februar/März 1913) BEILAGE 24: Messer — Cohn. Zweiter Entwurf (Februar/März 1913)
568
BEILAGE BEILAGE
568 571 572
III. BEIBLÄTTER AUS DEN HANDEXEMPLAREN BEILAGE
25: Indexblatt über Erfahrung (um 1913)
575
BEILAGE 26: Abschrift von S. 151 (um 1914)
576
BEILAGE 27: Zu Ideen, S. 22ff. (1918) BEILAGE 28: Zu S. 23 (um 1913) BEILAGE 29: Nähere Ausführung zu §
577 577
10, S. 21 unten (auch zu § 13,
S. 26) (um 1913) 578 30: Substrat und Wesen (1918) 580 31: Zu Ideen, S. 24-25(1918) 583 32: Zu § 11 (nach Mitte Dezember 1917) 584 33: Einwand gegen das ganze 1. Kapitel des I. Abschnitts (bisS.32)(uml923) 584 BEILAGE 34: Beilage ad S. 51 der Ideen (um 1924) 585 BEILAGE 35: Einlage zu S. 56 (Herbst 1929) 586 BEILAGE BEILAGE BEILAGE BEILAGE
BEILAGE 36: Zu S. 59 (Herbst 1929)
587
BEILAGE 37: Einlage zu S. 59 (Herbst 1929) BEILAGE 38: Zu S. 59 (Herbst 1929)
589 590
1 Diese wie die folgenden Seitenangaben in den Beilagentiteln beziehen sich auf die O r i g i n a l p a g i n i e r u n g der Ideen 1, die in dieser Ausgabe (1. Halbband) am Seitenrand verzeichnet ist.
INHALT DES 2. HALBBAXDS BEILAGE BEILAGE BEILAGE BEILAGE
39: Beilage zu S. 64 (Herbst 1929) 40: Beilage zu S. 67 (Herbst 1929) 4 1 : Beilage zu S. 69 (Herbst 1929) 42: Zwei Einschübe zu S. 70 (Herbst 1929)
VII 594 594 595 597
BEILAGE 43: Zu S. 81 (um 1924)
597
BEILAGE 44: Zu Ideen, S. 86 (um 1917)
598
BEILAGE 45: Beilage zu §46, p. 87 (Herbst 1929) BEILAGE 46: Beilage zu S. 97 (Herbst 1929) BEILAGE 47: Einlage zu § 52 (Herbst 1929)
598 601 601
BEILAGE 48: Zu S. 100 (Herbst 1929)
603
BEILAGE 49: Drei Einschübe zu S. 103 (Herbst 1929)
604
BEILAGE 50: Zu S. 169 der Ideen (um 1914)
605
BEILAGE 5 1 : Zu S. 179 (um 1923)
BEILAGE 52: Beilage in Ideen I, S. 179ff. (um 1914)
606
606
BEILAGE 53: Zu § 98 (um 1914) BEILAGE 54: Zu S. 206 (um 1914)
607 608
BEILAGE 55: Beilage zu S. 228, § 113 (um 1914) BEILAGE 56: Zu Ideen,S. 228, § 113 (um 1914)
609 610
BEILAGE BEILAGE BEILAGE BEILAGE
611 611 612 612
57: Beilage zu S. 232 der Ideen (um 1914) 58: Beilage zu S. 233 der Ideen I (um 1914) 59: Einlage zu Ideen, S. 234 (um 1914) 60: Zu S. 236 unten der Ideen (um 1914)
BEILAGE 6 1 : Zu S. 239, § 116 (um 1914)
613
BEILAGE 62: Beilage zu S. 242 der Ideen oben (um 1916) BEILAGE 63: Beilage zu S. 246 der Ideen (um 1914) BEILAGE 64: Zu S. 248, 2. Zeile von oben (um 1914)
613 614 615
BEILAGE 65: Zu § 122, S. 253f. (um 1914) BEILAGE 66: Beilage ad p. 270 (um 1914) BEILAGE 67: Beilage ad S. 273, § 132 (um 1915)
615 616 616
BEILAGE BEILAGE BEILAGE BEILAGE
68: Zu S. 283-284 der Ideen (um 1914) 69: Zu S. 284 unten der Ideen (um 1914) 70: Ideen, zu S. 284ff. (um 1914) 71: Zu S. 290 oben der Ideen (um 1914)
618 618 619 622
BEILAGE 72: Zu S. 297, § 143 der Ideen (um 1914) BEILAGE 73: Zu § 144, p. 298 der Ideen (um 1914)
623 624
BEILAGE 74: Zu S. 308 der Ideen oben (wohl Anfang 1915) BEILAGE 75: Zu S. 311 oben der Ideen (wohl Anfang 1915)
625 626
I V . AUS DEM „GIBSON-KONVOLUT" BEILAGE 76: II. Abschnitt, 2. Kap., S. 57ff.: Gang der Untersuchung (um 1925) 627 BEILAGE 77: Was ist der Grundgedanke des 2. Kapitels „Bewußtsein und natürliche Wirklichkeit" ? (1927) 630 BEILAGE 78: Gedankengang des 2. Kapitels des II. Abschnitts bei Unterlassung einer Stellungnahme zum transzendentalen Idealismus (um 1928) 633
VIII
INHALT DES 2. HALBBANDS
BEILAGE 79: Die Forderung einer phänomenologischen Psychologie
(Herbst 1929) 80: Beüage zu S. 60 (Herbst 1929) 81: Zur Terminologie (Herbst 1929) 82: Terminologisches (Herbst 1929) 83: Die phänomenologisch-psychologische Reduktion als Ausschaltung der äußeren Erfahrung, darunter der Menscherfahrung (Herbst 1929) BEILAGE 84: Beüage zu S. 62 (Herbst 1929)
BEILAGE BEILAGE BEILAGE BEILAGE
640 641 642 642 643 651
TEXTKRITISCHER ANHANG ZUR TEXTGESTALTUNG
655
TEXTKRITISCHE ANMERKUNGEN
657
NACHWEIS DER ORIGINALSEITEN
707
NAMENREGISTER
708
I. RANDBEMERKUNGEN AUS DEN HANDEXEMPLAREN Vorbemerkung des Herausgebers
Das Husserl-Archiv zu Löwen bewahrt vier Exemplare der Ideen I aus Husserls Nachlaß auf, die er zwischen 1913 und 1929 mehr oder minder stark annotiert hat. Diese handschriftlich eingetragenen Randnotizen von sehr variablem Inhalt und Charakter werden im Folgenden vollständig abgedruckt. Und zwar werden für jedes der vier Exemplare alle auf die gleiche Seite der vorliegenden Ausgabe bezüglichen Notizen separat gegeben. Dies vor allem wegen des als D bezeichneten Exemplars, das Husserl größtenteils in einem Zuge im Herbst 1929 annotiert hat (vgl. die „Einleitung des Hrsg." im 1. Halbband dieser Ausgabe, S. LI-LII). Den in ihm befindlichen Bemerkungen liegt ein einheitlicher Umarbeitungswille zugrunde. Ähnliches gilt für mehrere Notizenkomplexe im sog. Exemplar A, das indessen, da im Verlauf einer über sechzehn Jahre sich hinziehenden Beschäftigung Husserls mit dem Werk annotiert, in seiner Gesamtheit nicht ein bestimmtes Umarbeitungsvorhaben widerspiegelt. Die separate Wiedergabe der Randbemerkungen eines jeden der vier Exemplare läßt die schnelle Gewinnung einer Übersicht über die Notizen in jedem einzelnen Exemplar zu. Außerdem wurden zur Erleichterung des Vergleichs dieser Bemerkungen mit dem im 1. Halbband vorliegender Ausgabe wiedergegebenen Drucktext der Ideen I die Randbemerkungen aus den vier Husserlschen Handexemplaren gleich zu Beginn des vorliegenden 2. Halbbands abgedruckt. Dabei erwies es sich als notwendig, für die Angabe bzw. das Auffinden der Stelle im Drucktext der Ideen I, auf die sich die Randbemerkungen jeweils beziehen, jene Seiten- und Zeilenzahl anzugeben, auf welcher der in Frage kommende Text im 1. Halbband vorliegender Ausgabe sich findet. Diese Seiten-
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ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929)
und Zeilenangaben sind ebenso wie aller sonstiger vom Herausgeber stammender Text im Folgenden kursiv gedruckt. Aller Husserlscher Text dagegen erscheint im Normaldruck. Obzwar also für die Bezeichnung der Seiten- und Zeilenzahlen, auf die sich Husserls Bemerkungen beziehen, aus technischen Gründen vom Prinzip der vorliegenden Ausgabe, nach Möglichkeit stets auf die Originalpaginierung der Ideen I zu rekurrieren, abgewichen werden mußte, sei doch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß alle von Husserl stammenden — also in Normaldruck gesetzten — Seitenangaben in seinen Randbemerkungen sich auf die O r i g i n a l p a g i n i e r u n g des Werks beziehen, die in vorliegender Ausgabe am Rande angegeben ist. Bei der Wiedergabe von Husserls Randbemerkungen werden die folgenden Zeichen und Abkürzungen verwendet: Α Husserls „Handexemplar" der Ideen I (gebundener „Sonderdruck'' aus dem Jahrbuch I/l, 1913), annotiert von 1913 bis 1929 Β Bd. I von Husserls Reihe des Jahrbuchs (Jahrbuch 1/1, 1913), annotiert zwischen 1914 und 1921 C broschiertes Exemplar von Jahrbuch I/l (1913), annotiert ca. 1921 D Exemplar der 2. Auflage der Ideen I (1922), annotiert vor allem im Herbst 1929 Anni. Anmerkung F. Der zitierte Teil des Drucktexts wird im betreffenden Exemplar durch den nachfolgenden handschriftlichen Zusatz Husserls fortgeführt Rb. handschriftliche Randbemerkung Husserls V. Veränderung gestr. gestrichen /.S. folgende Seite m. Blaust, mit Blaustift m. Bietst, mit Bleistift. — Alle handschriftlichen Notizen Husserls sind, sofern nicht anders angegeben, mit Bleistift ausgeführt m. Rotst. mit Rotstift ] Der vor der Klammer zitierte Text ist im betreffenden Exemplar durch den nachfolgenden ersetzt < > Alle Zufügungen des Herausgebers sind in spitze Klammern gesetzt
RANDBEMERKUNGEN AUS DEN HANDEXEMPLAREN
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Zu S. 3 dieser Neuausgabe Α 32 In bis f.S., 21 einzugehen eingeklammert Zu S. 4 d. Neuausg. D 2ff. Rb. Psychologie und Phanomenologie Zu S. 5 d. Neuausg. D 6 mit dem ,,Bewußtsein"] mit dem Ich und Bewußtsein 29/. Bewußtsein] Ichbewußtsein Zu S. 6 d. Neuausg. Α 2j „Welt" F. und eine reale Welt überhaupt D 2iff. Rb. Im voraus Scheidung der Reduktionen in eidetische und spezifisch phänomenologische 27 Rb. Die Ausdrucksweise ist gefährlich. Zu S. 7 d. Neuausg. C i6f. zu Metaphysik Rb. Über solche Sätze hat man immer wieder hinweggesehen. D 5/. Rb. Erst im zweiten <Buch> reales und zeitliches Sein unterschieden 12-18 zu Eben bis können zweimal Rb. m. Blaust. NB 25/. Rb. Nur ein Bruchstück ist wirklich gegeben. Zu S. 8 d. Neuausg. D iff. Rb. Phanomenologie als erste Philosophie 6 zu Metaphysik Rb. also auch für Metaphysik Zu S. 10 d. Neuausg. Α 7//. Rb. vgl. Schlußparagraph 17 dieses Abschnitts, S. 32. Vgl. auch Beilage 33 C 22 Genesis F. im natürlichen Sinn dieser Rede D 10 zu theoretischen Einstellung Rb. Und die natürliche praktische Einstellung ? Zu S. 11 d. Neuausg. Α 3 und mindestens partiell] und, mindestens partiell, 6 Rb. zu Erfahrung ein Indexblatt < = Beilage 2$> 9 „gewahren" und gestr. 12-21 Am Rand Wellenlinie und Rb.
andere Mensch ist genommen, das andere Ichsubjekt und seine Erlebnisse nicht. Insoweit <wäre?> das Gesagte hier korrekt. 13 uns selbst und eingeklammert, am Rand Deleaturzeichen 14}. Anderen und von eingeklammert, am Rand Deleaturzeichen ig-21 bei Der andere bis gegeben Fragezeichen am Rand D yf. zu in dem gewöhnlichen Sinne Rb. im gewöhnlichen Sinn, wo von Rechtsausweisung ohne theoretische Erfahrung die Rede ist Zu S. 12 d. Neuausg. D 2 Erfahrungswissenschaften F. im gewöhnlichen Sinn
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ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929)
Zu S. 13 d. Neuausg. Α 14 Rb. Hier fehlt die Erstreckung des Wesensbegriffes aus die logische Form (vgl. die bei S. 15 liegende Beilage < = Beilage 2g>) i6ff. Rb. Wesen als Was im Individuum. Wesen in Idee gesetzt = reines Wesen oder Eidos. 26 Rb. adäquate Erschauung G i6ff. Rb. cf. § 143, S. 297 25 Wesen F. in einer schlichten, abgeschlossenen Erscheinung D 2 relative] zufällige; dies als besser und als zur Übersetzung bemerkt bezeichnet Zu S. 14 d. Neuausg. Α 33 Rb. originär = leibhaftige Selbst erfassend. Vgl. auch Beilage 2$ Zu S. 1$ d. Neuausg. Α 7 Rb. Gegenstand j5/. Rb. dunkel = nicht mehr anschauend. Vgl. auch Beilage 25 Zu S. 16 d. Neuausg. Α j - 5 Rb. Tatsache und Eidos; Existenz — Essenz 13 bei das reine Wesen Verweis auf 5. 10 D 3-5 Rb. Existenz und Essenz Zu S. 18 d. Neuausg. Α 14 bei Erfahrung Rb. Erfahrung 37 bei Sein Rb. Basein Zu S. ig d. Neuausg. D 20 bei heißt Rb. Apodiktisch cf. <S.> 285 „heißt..." sowie Rb. Apodiktizität <S.> 15 285; muß wohl gebessert werden. Zu S. 20 d. Neuausg. Α ly Fiktion F. und Variation 2jf. Rb. Also treten da Wesen von Wesen auf und Wesen von Individualität als solcher. Zu S. 21 d. Neuausg. Α jr Rb. Erfahrung D 36 exakter] „exakter", dazu Rb. Aber es zeigt sich, daß dieses mathematische Ideal nicht überall gültig sein kann, so nicht für die Phänomenologie. Zu S. 22 d. Neuausg. D 10 Disziplinen, F. die deduktiven, Zu S. 23 d. Neuausg. Α 15 Rb. Region D 18 Rb. Ontologie
RANDBEMERKUNGEN AUS DEN HANDEXEMPLAREN
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Zu S. 26 d. Neuausg. Α 6ff. Rb. Siehe Beilage bei <S.> 15 über das Wesen des Wesens <—Beilage 2g> Zu S. 2j d. Neuausg, Α igff. Rb. Bedeutungskategorien — formale gegenständliche Kategorien Vgl. auch die Beilagen 2j und 28 36 F. der Anm. Neue Auflage § 11 D 6f. Rb. m. Blaust. Definition der logischen Kategorie i6f. Rb. m. Blaust, analytische Kategorien Zu S. 2Q d. Neuausg. Α J logisch eingeklammert 24 Ableitungen F. der Abwandlung; außerdem Anm. Von einer Erweiterung des Begriffes Ableitung, so daß er die Generalisierung befaßt, ist S. 29 gesprochen || zu Substrate Anm, Daß Substrate unselbständige Gegenstände sind, ist S. 28 unten ausdrücklich gesagt. Vgl. Beilage 32 D 36 F. der Anm. m. Blaust. Philosophie der Arithmetik Zu S. 30 d. Neuausg. Α ι Termini, auf] Termini, und mit ihnen auf 2 enthalten F. In der logischen Bedeutungssphäre kann es keine ungeformten Termini geben, wie meine Vorlesungen richtig s. Aber die Termini weisen auf Gegenstände zurück, die nicht syntaktisch gef, sondern allen Syntaxen gegenüberstehen ?> Vgl. Beilage 31 6 leeres] formales, sachleeres D 34f. Rb. m. Blaust, cf. Formale und transzendentale Logik dazu m. Bietst. Verweis auf die neue Schrift Formale und transzendentale Logik gefordert Zu S. 31 d. Neuausg. Ό 2 zu e n t h a l t e n Rb. „enthalten" im weitesten Sinn Zu S. 32 d. Neuausg. D 11 Bedeutung] Syntagma und Rb. Bedeutung, Bedeutungskategorien: das bedarf besserer Präzisierung. 38 einen eidetischen] einen sachhaltig eidetischen Zu S. 34 d. Neuausg. Α 25 Rb. (cf. <S.> 27, 2. Absatz) Zu S. 3$ d. Neuausg. Α i3f. Rb. Die Begriffe sind gegenüber denen der Logischen Untersuchungen etwas modifiziert, ly und ig ,Abwandlung*' gestr.; dazu Rb. Ableitung heißt es in der Definition <S.> 24 28ff. Rb. Dieses Gesetz ist mir zweifelhaft geworden. Sich mischende Arten! 38 Rb. Aus dem Text geht hervor, daß ich die III. Untersuchung in einer Einschränkung auf Verhältnisse ,,eigentlicher" Inexistenz in Anspruch nahm. D 18 Rb. Individuum als Urgegenstand ig das logisch] das rein logisch
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ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929)
Zu S. 36 d. Neuausg. Α ΐ6 Rb. Phantom Zu S. 38 d. Neuausg. Α j-io Ausrufezeichen am Rand. Vgl. Beilage 32 Zu S. 39 d. Neuausg. D 6f. zu wesentliche Grundlagen für unseren Aufbau der Idee einer reinen Phanomenologie Rb. m. Blaust. NB? 32J. zu philosophische εποχή Rb. m. Blaust, nicht zu verwechseln mit derjenigen, die Philosophie selbst als Methode gestaltet; cf. phänomenologische Reduktion Zu S. 40 d. Neuausg. Α 35/. die das] die in einer gewissen Wendung das Zu S. 42 d. Neuausg. Α 3 E r f a h r u n g F. im gewöhnlichen Sinn 10 den wir Erfahrung] den wir gewöhnlich in der neuzeitlichen Wissenschaft Erfahrung D 10 zu Erfahrung Rb. m. Blaust. Erfahrung = Naturerfahrung Zu S. 43 d. Neuausg. Β 24 ihres] eines ? Ό ι zu „Sehen" Rb. m. Blaust. NB νοεΐν Zu S. 44 d. Neuausg. Α uff. vor Wahrheit eine (nicht geschlossene) Klammer geöffnet; dazu Rb. Ändern. Das ist überflüssig und gehört nicht hierher. Vgl. auch Beilage 25 Zu S. 46 d. Neuausg. Α 3rff. Rb. Bedeutung der Aussage als Oberschicht. Vgl. den Schlußabsatz der Beilage 28 D 7 zu ganz so Rb. m. Blaust. Das darf nicht mißdeutet werden. 52/. Sachverhaltsintuition F. m. Blaust, als „kategorialer Anschauung" Zu S. 47 d. Neuausg. Α 9 wir als F. angeblich 30 zu bestimmender ist Rb. Zitat aus Logische Untersuchungen I! 34 der Sätze] der mathematischen Sätze. Dazu Rb. mathematische Sätze Zu S. 48 d. Neuausg. Α 6 Rb. Falsch. Hier ist Idee und Wesen identifiziert und die Bedeutungen als Wesen hingenommen. 55/. wofern sie als strenge und eigentliche verstanden sein soll.] wofern sie verstanden sein soll als Bildung eines psychologischen Vorkommnisses, eines seelischen Zustands. Zu S. 4g d. Neuausg. Α 2-5 Fragezeichen am Rand
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Β i8ff. Rb. falsch, bessern! Außerdem Besserungshinweis Es gibt reale und ideale Erzeugnisse. Eine Erzeugung eines ,,Kentauren" in der Phantasie ist Erzeugung eines Idealen und nicht Erzeugung des psychischen Aktes (der verwechselt wird mit seinem noematischen „Gegenstand"). Ebenso ist Wesen ein ideales Erzeugnis. Zu S. 50 d. Neuausg. Α 3ff. Rb. NB? ? yff. Rb. Das kann noch gebess<ert> werden! Β j / / . Fragezeichen am Rand und Rb. NB Zu S. 52 d. Neuausg. Α ρ zu an erfahrenen Rb. bessern Zu S. 53 d. Neuausg. D 7//. Rb. m. Blaust. Die Meinung ist reine, unbedingte Allgemeinheit, deren Ausweisung in sehender Wesensintuition läge. Mag auch sein, daß die Mathematik voreilig Wesensallgemeinheit antizipiert, die sich nur beschränkt einlösen läßt. Zu S. 5$ d. Neuausg. Α 28 aller F. originärer Zu S. 56 d. Neuausg. Α I4ff. Rb. Wir stehen jetzt nicht in einer eidetischen Einstellung, sondern jeder für sich sage Ich und sage aus mit mir, was er ganz individuell vorfindet. G i6f. anschaulich vor F. als daseiend, D I4ff. Rb. m. Blaust. Vorhandenheit des Weltlichen 30 zu Wahrnehmungsfelde Rb. m. Blaust. Wahrnehmung in einem erweiterten Sinn; derart, daß gewahrende, erfassende Wahrnehmung ein besonderer Vollzugsmodus ist Zu S. $y d. Neuausg. Α ίο sich erst] sich andererseits erst ig minder F. obschon immer nur unvollkommen 34 Rb. unendlich D 12 zu in ein klares Anschauen Rb. m. Blaust, in ein, Wahrnehmen im erfassenden Sinn ebenso betätigendes Erfahren 34 unendlich. Der] unendlich, d.h. der Zu S. 58 d. Neuausg. Α 2g Umgebung F. hinsichtlich ihrer sozialen Charaktere. D 2jff. Rb. m. Blaust. Ich und Menschen überhaupt sind also vorhanden, als Weltlichkeiten. Zu S. $g d. Neuausg. Α 7/. Rb. Auch die sozialen Akte wären zu nennen. i2ff. Rb. Natürliche Einstellung ist hier auf die vorhandene reale Welt bezogen. Die Welt ist
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ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929)
ein Universum des ,,an sich Seienden". Erweitert muss sie aber auf alles „uns" gegenüber ,,an sich seiende" „Ideale" bezogen werden, es ist freilich aus Spontaneitäten her, als Gebilde, für uns da, aber dann doch auch „geistig vorh ΐγ bis f.S., g Immerfort bis kann eingeklammert; dazu Deleaturzeichen und Üb. Vielleicht am besten erst nach dem nächsten Paragraphen. Gilt für die Intersubjek jz//. Rb. Ändern! Beilage < = Beilage J4> 32 und solange ich arithmetisch eingestellt bin.] und seit ich „Arithmetik studiert" habe, in mir arithmetische Ideen systematisch gebildet, erschaut habe und mir damit bleibend zugeeignet mit einem universalen Horizont. 33 ist F. und war 34 dahinlebe] dahinlebte 38}. Einstellungen] Akte D iy bis /.5., 9 Immerfort bis kann eingeklammert 32 bin; F. ich habe von ihr nicht immer Erfahrung und Miterfahrung wie von der realen Welt. Zu S. 60 d. Neuausg. Α 2 Einstellungen eingeklammert 3 Rb. Jede Welt hat ihren offenen Horizont. 24ff. Rb. Zweiter Begriff von „subjektiver Umwelt". Jeder von uns hat seine ihm geltende Umwelt, dieselbe gemeinschaftliche Welt, so wie sie in meiner Erfahrung mir gilt. 32 hier Vormeinungen] hier theoretische Vormeinungen D 8 Ichbeziehung F. und davon, daß die arithmetische Welt Wrelt der arithmetischen Forschung etc, ist, Zu S. 61 d. Neuausg. Α ig finde ich F. als waches Ich in nie abweichender zusammenstimmender Erfahrung 2öff. Rb. Ja, die Modalisierungen müssen vorher ausführlich eingeführt werden. Die Welt ist beständig da meiner Erfahrung, aber das, trotzdem meine Erfahrungen zweif<elhaft> werden etc. 28 naive] bloße 3if. Einstellung. F. Es sind die gewöhnlich so genannten „positiven" Wissenschaften, Wissenschaften der natürlichen Positivität. D 7 zu bisher kaum gesehene Rb. Heidegger sagt das Gegenteil. 3if. zu Wissenschaften der natürlichen Einstellung Rb, = positiven Wissenschaften Zu S. 62 d. Neuausg. Α 4 in einem artikulierten Urteil] etwa in einem artikulierten prädikativen Urteil 6 zu wachen Rb. Hier ist die Wachheit betont. Zu S. 63 d. Neuausg. Α 28-30 zur ursprünglichen schlichten Thesis <. .. > hinzutritt] auf die ursprüngliche schlichte Thesis <... > sich bezieht 34 unverträglichen] verträglichen Zu 5. 64 d. Neuausg. Α 28 zu so und so Anm. Würden wir als Skeptiker ernstlich zweifeln, ob die Welt sei oder nicht sei, so würder wir es mit der Annahme, sie sei,
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oder mit der, sie sei nicht, probieren (Wir brauchen das Sein nun nicht auszuschalten, da 22 lebendigen und lebendig verbleibenden] uns geltenden 30 zu setzenden] irgendwie gesetzten Zu S. 65 d. Neuausg. Α 9 unmodifizierte eingeklammert 18 setzen wir in Klammern] setzen wir in einem Schlage Reich des Ansich und jedes Ansich in Klammern D J phänomenologische] transzendental-phänomenologische 25 übe die] übe eine im eigentümlichen Sinn 26f. die mir jedes Urteil über räumlich-zeitliches Dasein völlig verschließt gestr.; zu ersetzen durch eine Einlage <=Beilage 3$> 31 ich aus] ich damit aus Zu S. 66 d. Neuausg. Α 7 zu Positivismus Rb. der Comtesche y-8 von und gegen bis verstößt eingeklammert 12 Vorfindlichkeiten F. der objektiven Erfahrung i8f. gilt uns jetzt nichts] sei jetzt außer Geltung gesetzt 32 Welt, eingerechnet uns selbst] Welt als setzbare, als im weitesten Sinne seiende, eingerechnet uns Menschen selbst 33 Rb. Ist das Weltall nicht All des Seienden überhaupt? Hat es einen Sinn, nach dem, was ,,übrig" bleibt, zu fragen ? In der Tat, der Ausdruck ist bedenklich, da er, aus der sinnlichen realen Welt genommen, den Gedanken mit sich führt eines Wegtuns eines Teiles aus einem Ganzen, aus einem realen Zusammenhang. Die Frage darf aber in der Form ihren guten Sinn behalten: Was kann als Sein noch setzbar sein, wenn das Weltall, das All der Realität eingeklammert bleibt ? D 1 habe F. in Konsequenz davon, daß ich schon jedwede natürliche Erfahrung, auf die als Dasein ausweisende alle wissenschaftliche Begründung letztlich zurückweist, der Modifikation der Einklammerung unterworfen habe. 2 Urteilsausschaltung m. Blaust, verbessert in Urteilseinklammerung 18 Erfahrungen F. unter Ausmerzung von Scheinen i8f. gilt uns jetzt nichts] sei hinfort „außer Geltung gesetzt" 29-55 inwiefern mit der im Vorstehenden gegebenen Begrenzung der Gesamtsphäre der εποχή wirklich eine Einschränkung ihrer Universalität gegeben sei. Was kann denn übrig bleiben, wenn die ganze Welt, eingerechnet uns selbst mit allem cogitare, ausgeschaltet ist ?] inwiefern mit der im Vorstehenden gegebenen Zeichnung des Umfangs der εποχή eine Einschränkung der universalen Sphäre erfahrbaren Seins und möglicher Urteile gegeben sei. Kann nach Ausschaltung des universalen Bodens der natürlichen Erfahrung, der Erfahrung im gewöhnlichen Sinn, überhaupt noch eine mögliche Erfahrung und ein Erfahrungsboden übrig sein, und damit ein Seinsboden für eine mögliche Wissenschaft? Was kann denn übrig bleiben, wenn die ganze Welt ,,ausgeschaltet" ist? 32 uns selbst] uns Menschen selbst
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Zu 5. 6y d. Neuausg. Α 12 zu individuellen Seins ist Anm. Individuelles Sein ist aktuell gegeben durch Erfahrung. Korrelativ ist also auch gesagt, es handle sich um die Entdeckung einer gegenüber der objektiven, deutlicher gesprochen: der mundanen Erfahrung völlig neuartigen Erfahrung, einer universalen, endlosen Erfahrung, in deren einstimmigem Gang sich diese neue Seinssphäre konstituiert. 18 dem Ich] demjenigen Ich 21 Ich F. (das psychologische Ich) 31 Gewohnheiten unterringelt 32 auch im wissenschaftlichen Denken sind] und wie alle Menschen bisher es waren, wie wir und alle Menschen es auch im wissenschaftlichen Denken sind, es je waren in allen historisch gewordenen, „positiven" Wissenschaften 3g entspringt F. bzw. wir merken nicht, daß sich in der Methode absolut aler Epoche* die das psychologische Bewußtsein selbst gebende psychologische Erfahrung wandelt in eine neuartige Erfahrung. D iof. nicht abgegrenzten] nie aufgewiesenen 12 Seins ist, F. ursprünglich zugänglich in einer ihr zugeordneten Erfahrungsart. 75/. aus wesentlichen Gründen] in einem besonderen Sinne jrp/.gegeben F. und aus ihr in Reinheit zu schöpfen 25/. übrigen Erlebnisse] übrigen rein psychischen Erlebnisse 30 alle Erlebnisse] alle diese Erlebnisse 33 der psychologischen Reflexion] (und das charakterisiert sie auch in der psychologischen Reflexion) Zu 5. 68 d. Neuausg. Α ι diesen Sphären] diesen natürlich-psychologischen Sphären 5/. Bewußtseinssphäre F. mit dem von ihr untrennbaren ,,Tch" 21 Phänomenologie F. Natürlich erfassen wir das Bewußtsein in seiner Eigenwesentlichkeit in völliger Originalität nur (jeder für sich) als unser selbsteigenes Bewußtsein, und zunächst wird dieses (das eigene, meine) von der phänomenologischen Epoche nicht betroffen. Erst sehr viel später gewinnen wir die Erkenntnis, daß dann auch vom universalen All subjektiven Bewußtseinslebens gilt. 26 Region, F. zunächst als die unseres eigenen Bewußtseinslebens, 27 Region und] Region eine neue ist und 34 nach bleiben Rb. Ergänzungen! <^vielleicht Beilage 80 oder Beilage 83> D 7 ohne die] ohne jene eigenartigen 10-12 Einsicht in das Wesen des Bewußtseins ü b e r h a u p t und ganz besonders auch des Bewußtseins,] Einsicht in das aus rein „innerer Erfahrung" bzw. rein innerer Anschauung überhaupt zu schöpfende Wesen des Bewußtseins überhaupt. Ganz besonders interessiert uns dieses Bewußtsein, 15-18 von in sich bis es als, dann auch nochmals bis 20 eigenartige eingeklammert; am Rand Deleaturzeichen und Rb. Einlage < ^vielleicht Beilage 3J oder Beilage 36 bzw. Beilage j5> 20 einer neuen] einer prinizpiell neuen 22-26 vonRrstbis macht eingeklammert und gestr. 22 ,,phänomenologische"] transzendentale 24 die notwendige] die unbedingt notwendige 24/. das ,,reine"] das transzendental „reine" 33/. phänomenologische Welt] transzendentale Seinssphäre 34 ja kaum] und höchstens 36 Problematik i7. der Neuzeit 57/. von dem soviel die Rede sein wird] das wir dem psychologisch-reinen gegenüberstellen 3g Operation] Methode
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Zu S. 6g d. Neuausg. Α 14 Am Rand m. Blaust. Verweis auf S. 168 i? „Außenwelt"] „Welt" 2if. Rb. also eidetisch-phänomenologische Psychologie 35 Rb. oder auch in einer Einfühlung, wofern wir nur Anschauungen von Anderer Seelenleben gewännen ? 37 reinen Wesen] reinen allgemeinen Wesen C 3j zu adäquater Ideation Rb. Wenn sie adäquat ist, so haben wir, wie sich herausstellt, eigentlich nicht mehr „Psychisches". D 1 gewonnen wird, F. gegenüber ihrer psychologischen Parallele, der rein psychologischen, 2 Operation F. (wie auch ihre Parallele) 5/. Rb. klären < ?> Vgl. auch Beilage 81 und 82 j-10 von der bis unsere gestr. und [ab 8 also) eingeklammert. Deleaturzeichen am Rand und Rb. verbessert in b < = Schlußabsatz der Beilage j8> 11 werden F. müssen, 14 als Thema] als psychologisch-phänomenologisches Thema 14//. Rb. cf. auch „Funktion" S. 176 15 Wir beginnen F. die näheren Ausführungen 26 phänomenologischcn] transzendentalen iy „Außenwelt"] reale Welt i8f. psychologische] rein psychologische 18f. psychologische Reflexion] psychologische Reflexion; dazu m. Blaust, bemerkt: und die radierte Stelle <=eine an dieser Stelle radierte Bemerkung>: der phänomenologischen Reflexion. Ausdrücklich betonen, daß hier eine psychologische Untersuchung eigener Art — eine rein intentionale — durchgeführt wird, die vielleicht für eine echte Psychologie eine grundlegende Reform andeutet. 20 neuen] transzendentalen 2if. des „Bewußtseins] des reinen Bewußtseins 22 Daseins von F. menschlichen Gemeinschaften, 24 sind. F. Wir sind in der Einstellung der beschriebenen phänomenologischpsychologischen Reduktion, in der alles das reine Bewußtsein der Bewußtseinssubjektivität Transzendierende auf Seiten des jeweilig im Bewußtsein Bewußten und nach Seiten des Ich ausgeschaltet bleibe. || Wir folgen F. zugleich 29 u. dgl. F. schon rein gefaßt 36 klarer F. und reiner 36/. fixieren wir F. (frei variierend und im reinen Überhaupt das Invariante, das > verbleibende Allgemeine herausschauend). Vgl. auch Beilage 83 Zu S. yo d. Neuausg. Α 3 vollziehen F. — während wir doch die natürliche Einstellung nicht verlassen haben. 31 f. erfassendes Wesen] erfassendes individuelles Wesen 33 betrachten F. und in einer eidetisch generellen Wesensbetrachtung einbeziehen läßt, die uns ein allgemeines Wesen, die reine Wesensartung ergibt. 33/. diesen Eigengehalt] diesen singulären Eigengehalt D 3 Forschung] Erschauung 6 Sinne, auf] Umfang 7 es zum Glück nicht ankommt] uns notwendig noch fehlt ig zunächst F. ganz und gar 20 Sinne, F. in dem es der rein psychologischen Sphäre verbleibt. ]| Späterhin F. (in den späteren Teilen des Werkes) 2of. Späterhin wird es uns noch gründlich beschäftigen eingeklammert; außerdem Rb. m. Blaust. NB 21 der Analyse] der rein psychologischen Analyse 26 Die Bewußtseinserlebnisse] Die reinen Bewußtseinserlebnisse || ganzen F. noch aufzuweisenden 27 in ihrem] für jedes Ich in der Totalität eines 29 Wesen
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F. kontinuierlich 30 wird dann] ist |j des Stromes gestr. 34]': ab in (und nochmals ab zu) bis und eingeklammert 35 charakterisieren F. bzw. Wesensarten, reine Typen von cogitationes zu unterscheiden 37//. Rb. m. Blaust. NB Zu S. yi d. Neuausg. Α 3 „Akt" F. im prägnanten Sinn uff. Am Rand Ausrufezeichen und Rb. Da ist eine Unklarheit. Das Papier selbst, das in objektiver Wahrheit seiende oder auch vielleicht nichtseiende, als was es in seiner Wahrheit ist, mit seinen evtl. in objektiver Wahrheit ihm zukommenden Beschaffenheiten, ist nicht das Erlebnis, obschon zu ihm untrennbar gehört, daß in ihm „dieses Papier" der „Raumwelt seiend" gehört. Das Erlebnis ist Wahrnehm<en ?>. 18f. Sein von total verschiedener Seinsart] Seiendes von total verschiedener Art. Und doch ist es klar, daß die cogitatio in sich cogitatio von ihrem cogitatum ist und daß dieses als solches, und so wie es das ist, von ihr untrennbar ist. 55 liegt. F. Im kontinuierlichen Übergang von der einen zur anderen Modalität der Anschauung haben wir in Evidenz trotz der Erlebnisänderung das Bewußtsein „dasselbe" Papier etc. 36 „objektiv" in dem objektiven] in objektiver Wahrheit in dem seienden objektiven D 2 sein können; F. und dabei einsichtig zu machen, daß eine reine Bewußtseinserfahrung derart möglich ist, daß sie, von reinem Erlebnis zu reinem fortschreitend, nie Anderes berührt und mit aufnimmt als wieder Bewußtsein — wohin alle Bewußtseinssynthesen gehören. Also mit anderen Worten, ein universales Feld reinen Bewußtseins, zunächst meines in psychologischem Sinn reinen Bewußtseins, soll als ein in sich geschlossenes lreld möglicher Erfahrung und Erfahrungsausweisung herausgestellt werden; als solches ein Feld zu vollziehender reiner Ideation. 13 heißt, F. das, wie ich gewiss bin, real existiert, || sondern] obschon 18 Papier, F. wenn es ist, ig Seinsart, F. im Erlebnis als real seiend bewußt, aber nicht als reales Bestandstück darin enthalten. So verfällt es mit allem ihm Eigenen der phänomenologischen Epoche. Danach bemerkt Fortsetzung <siehe> Beilage <=Beilage 84> 21 Rb. tn. Blaust, „eigentliches Wahrnehmen" = Gewahren 55 Rb. m. Blaust. Hintergrund 36 „objektiv"] überhaupt real Zu S. 72 d. Neuausg. Α ι dinglichen Vorkommnissen, die gültige und fortschreitende] dinglichen Eigenschaften und sonstigen Vorkommnissen die gültige, in Einstimmigkeit, also Selbstbewährung fortschreitende 14 Dinge sind wie in der Wahrnehmung, so auch] Dieselben Dinge, die in der Wahrnehmung gegeben sind, sind auch 16 Phantasien. F. Im Übergang, der ein einheitliches Bewußtseinserlebnis ist, erschauen wir evident „dasselbe" als früher erinnert und dann wahrgenommen etc. Ebenso sind wir in der Phantasie phantasierter Dinge bewußt, vielleicht gleicher wie in der Wahrnehmung, und erkennen „synthetisch" die Gleichheit, ig „Charakterisierungen" vor] Modalitäten des Seinsglaubens vor und geben sich darin 24 Nixen
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F. in ihrem phantasierten objektiv Wirklich- und Wahr<sein> 28 Rb. Zugewendet<sein> D 5/. zum Wesen] zum reinen Wesen 5 Wahrnehmung F. bzw. zum Wahrgenommenen als solchem 7 möglich sind] mir möglich, die mir (im „ich kann") frei erzeugbar sind; dazu m. Blaust, als andere Umarbeitungsmöglichkeit vermerkt ichlich möglich, von mir „gekonnt" <sind> 18 „dunkler" F. „leerer", „unanschaulicher" ig fingierte F. Dinge 23 b e w u ß t e n , F. in ihnen als Wirklichkeit oder Fiktion geltenden 25 sind. F. Darin verfällt wieder das Gelten als Wirklich- oder Nichtigkeit der Reduktion, während überall doch eine jede in ihrer Weise Bewußtsein von ist, in ihrer Weise „meinend", Vermeintes als solches in sich tragend, als untrennbar zugehörig zu ihrem reinen Eigenwesen. 33 bereits erscheinen m. Blaust, geändert in bereits anschaulich erscheinen oder unanschaulich irgendwie vorstellig sein 36 in besonderem Sinne] in irgendeinem besonderen Sinne betrachtend, urteilend, gefühlsmäßig bewertend, handelnd Zu S. 73 d. Neuausg. Α 7 zu E r l e b n i s s t r o m Rb. Ich habe ja noch gezeigt, wie ich zu dem Erlebnisstrom komme. 20 des cogito] des Aktus cogito 23 tierische] „tierische" 36 und von] und, wie jedes im Übergang übergreifend vereinigende Bewußtsein evident macht, von D nf. Rb, m. Blaust, prägnanter Sinn von Akt 11 Sinn des Ausdrucks] Sinn des A u s d r u c k s 13 festen Begriff] Aktbegriff ly anzeigen. F. In diesem ausgezeichneten Sinn haben wir erfahrende Akte, Gefühlsakte, Willensakte, ausdrückliche und nicht ausdrückliche. i8ff. Rb. Es scheidet sich dann waches Ich im engeren Sinne der Positionalität und wachströmendes Ich. Zu S. J4 d. Neuausg. Α 5/. Rb. Ausdrücklich hinweisen auf diese Synthesen der Einigung, wobei wir sie selbst wieder wandeln können in die Form des auf das eine Achtens und <des> das im einen Modus Gegebensein und im anderen Identifizierens und evtl. ausdrücklich Identität prädikativ Herausstellens. 8 irgendeinem F. realen 11 psychologischen] realen IJ von etwas F. und von seinem jeweiligen Etwas 20-25 das Erlebnisfaktum bis erfaßte Wesen.] das Erlebnisfaktum an, sofern es in die Welt eingeflochten und mit dem und jenem ihm äußeren Weltlichen real verflochten ist, sondern es selbst rein nach seinem eigenen inneren Gehalt, wie es dieses Lebensmoment selbst ist und in reiner Anschauung zu fassen. Eben darum geht es seiner Form nach in die Ideation ein: Jedes Erlebnis in sich selbst als intentionales ist überhaupt Bewußtsein von seinem jeweiligen Was Momenten" von Er D 11 psychologischen] psychophysischen und sonstwie realen 13 Vielmehr ist von Erlebnissen rein ihrem Wesen nach] Vielmehr ist hier
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und überall von phänomenologisch reinen Erlebnissen 14 reinen] ihrem || den] ihrem ig ,wirklichen] ,.daseienden" 20-23 das geht nicht bis erfaßte Wesen.] das geht das reine Erlebnis in seinem Eigenwesen an. Also wesensmäßig — d.h. in der Ideation: die Wahrnehmung überhaupt, Phantasie überhaupt; in formalster Allgemeinheit: Intentionales überhaupt — ergibt, findet es sich invarianter Bestand der erschauten allgemeinen Wesen. Dasselbe gilt bis zu der niedersten Konkretionsstufe. 22 pure Idee] pures Eidos 23 Wesen des] Wesen jedes 24/. in welchem bestimmten oder unbestimmten Sinne es das ist.] in welchem Inhalte, Sinne es das ist, wobei freilich zu berücksichtigen ist, wie jeweils der ihm untrennbar zugehörige Horizontsinn mitbestimmend ist. Danach bemerkt Dazu evtl. Beilage <=Beilage 3Q> 25 Somit] So 31 alles und jedes im Erlebnisstrom Vorfindliche; also gestr. Zu S. J5 d. Neuausg. Α 5 Dieses Weiß, F. nicht , das wir ohne Reflexion am Dinge finden, ig Subjekt] Ichsubjekt 20 Objekt. F. Vom cogito untrennbar ist der Ichpol, <.., > cogito, das <... > gerichtet, sowie zu ihm selbst gehört der Blick-auf. D 5 Blickwendung F. und in phänomenologischer Reduktion auf das rein Psychische 8 darstellender] „darstellender" 13 beschreibende F. psychologische ig Subjekt F. (das,,Ich") 22 Ichblick auf etwas] Ichblick auf etwas 25 des Aktes] des spezifischen Aktes 30 daß F. (wie schon S. 64 berührt worden ist) 33/. des Objektes (des Gegenstandes überhaupt)] des Bewußtseinsobjektes (des intentionalen Gegenstandes) Zu S. y6 d. Neuausg.
Α 2if. der Wert] der vermeintliche Wert 35 ein Achten] ein gegenständliches Achten 37 Rb. Vorstellen D 23 volle m. Blaust, gestr. 25 Wert F. und was ihm zugehört 33 ein zwiefaches Zugewendetsein.] und eventuell ein zwiefaches Zugewendetsein, in der Einheit eines cogito intentional verflochten ein doppeltes cogito. 37/. umschließende F. und für es mitfungierende 38 Aktualität. F. Offenbar hat das achtende Sachvorstellen, wenn es ein wertend Zugewendetsein fundiert, einen anderen Modus der Achtsamkeit (des den Gegenstand erfassenden Vorstellens), als wenn es nicht solche dienende Funktion hat. Zu 5. yy d. Neuausg. Α ig Rb. Objektivation 27 Wir fügen ferner bei: gestr. 3if. schlichterfassenden, F. und zwar gewahrend erfahrenden 33 Rb. innere Wahrnehmung 35 Mißbilligung usw. F. Doch ist zu bemer, daß innere Wahrnehmung hier ein erfassendes wie gewahrendes Wahrnehmen besagt, was nicht ausschließt, sondern, wie sich zeigen läßt, D 6 erfahren F. oder erfahren können. 8 Akt F. im prägnanten Sinn ig Objektivation] ,,Objektivation" 2off. Rb. m. Blaust. NB 24 nach
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usw. einzufügen eine Beilage < = Beilage 40> 28 nicht bewußt] nicht aktuell bewußt 30 „reflektiven" Blickwendung] reflektiven Blickwendung 36 wirklichen] lebendig gegenwärtig verlaufenden 3? bis f.S., 6 Rb. Reflexion „in" modifizierten Akten Zu S. j8 d. Neuausg. Α 2 Wir können, F. was eine besondere und sehr merkwürdige intentionale Eigenheit ist, 25 Rb. Realität 32 nur abstraktiv,] (nur abstraktiv,) D 3 Erinnerung, F. in der Phantasie, in der 6 Modifikationen. F. Eine genauere Erörterung würde tiefliegende Analysen erfordern. I2ff. Rb. 1) Rein psychisch gerichtete Akte; rein Psychisches, in seiner Intentionalität auf rein Psychisches gerichtet; 2) Akte, die das rein Psychische (<der> rein phänomenologischen Sphäre) transzendieren. Die ersteren zerfallen in egologische Akte und in Akte, die wir rein intersubjektive nennen. 28 Wahrnehmung] Erfahrung 29 Wahrnehmung und Wahrgenommenes] Erfahrung und Erfahrenes 33 unselbständiges F. Moment Zu S. J9 d. Neuausg. Α ΐ8~20 außer bis gewinnen eingeklammert; Rb. Es muß doch möglich sein, das anders noch auszudrücken sowie Beilage <= Beilage 4i> 18 wesentlichen] eigenwesentlichen 20 eigenen] absolut-eigenen 20//. Rb. Ich bleibe immer bei dieser Rede von „eigenem W<esen>" stecken. Die ganzen Betrachtungen> bis <S.> 96 sind aber die Auseinandersetzung ?> 24 die eigenen] die absoluten, eigenen 26 seine große] seine eigentliche und große 26 gewinnen] enthüllen D 2-4 zu auszeichnendes bis Stellungnahmen Rb. nicht unterstreichen! 4 Fällen F. immanenter Erfahrung und 5 Erlebnissen F. überhaupt 14-ig Ganz bis vorausgesetzt eingeklammert und gestr. 20 eigenen F. singularen 25 fundiert] „fundiert" 2$f. an Klarheit zunehmen und gestr. 2g von Erlebnis] von reinem Erlebnis 30 notwendige] auf dem eingeschlagenen Wege über die Herausarbeitung der „rein psychischen" Erfahrungssphäre — wir können sagen, als Anfang einer „reinen Psychologie" — 32 Wesens jenes „reinen"] Sinn jenes „transzendentalen" 36 gehörten <... > an] gehörten immer noch mit zu Zu S. 80 d. Neuausg. Α 2 verflochten ersatzlos gestr. 23 Tierseelen F. und die Kulturgeistigkeit Β 2i bei Fundamentalschicht Fragezeichen am Rand ö 5--TJ Was bis Inwiefern soll eingeklammert und gestr. 5-6 Was besagt bis realen Welt] Wie ist nun diese Verflechtung mit der realen Welt Vgl. Beilage 42 13-15 Inwiefern soll bis Und wenn sie das ist] Wenn zunächst die materielle Welt ein prinzipiell Andersartiges, aus der immanenten Eigenwesenheit der Erlebnisse Ausgeschlossenes ist 26 verbundenes F. physisches und nur so konkretes 33 suchen wir] suche ich 35 vollziehe F. in beständigem natürlichen Vollzug 36f. Dingwelt vorfinde,] Dingwelt als eine konsequent sich nach ihrem Sein bestimmende vorfinde. Dahin gehört, 38 nun gestr.
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39 bis f.S., ι Es genügt aber für unsere Zwecke, die sinnliche Wahrnehmung zu betrachten] Es ist dabei die sinnliche Wahrnehmung zu beachten. Der gleiche (?) Text auch noch folgendermaßen ersetzt: In welcher Bewußtseinsart ich immer Weltliches bewußt : wenn sie dabei Sein dieses Weltlichen als wirkliches meint, kann die Frage nach der Richtigkeit dieser Meinung gestellt werden, und jede Ausweisung führt dann letztlich auf Erfahrung zurück. Und da die tragende Grundschicht aller Realität die Körperlichkeit ist, so kommen wir auf sinnliche Erfahrung. Betrachten wir die sinnliche <Wahrnehmung> Zu S. 8i d. Neuausg. Α 4 zu begründenden Rb. Evidenz, vgl. später den Abschnitt über Vernunft und Wirklichkeit Β 3 bei Urerfahrung Fragezeichen am Rand D 13 ist ein] trägt in sich 75 da] ,,da" || nun aus] nun uns ursprünglich erfahrungsmäßig aus ij in sich, F. und immer wieder bestätigen 30 Das Wahrnehmen] Das ich-nehme-wahr 31 wie] fast wie 32 Wesenloses ersatzlos gestr. 33 berührt, F. es selbst unmittelbar erfaßt, bei ihm selbst ist. Zu S. 82 d. Neuausg. Α 4 zu ,,naiver Mensch*', Rb. (oder F.?) als vorwissenschaftlicher, 14 Qualitäten F. als die wahren. 25 Vielmehr F. die Meinung könnte nur die sein, 27 ist] sei 28 ist gestr. 2g das gegebene] das in der sinnlichen Erfahrung gegebene 39//. Rb. vgl. <S.> 99 D 28 ist F. dann in der hier leitenden Auffassung Zu S. 83 d. Neuausg. A4f. gibt das bloße „dies", ein leeres x, das um] indiziert bloß mit seinem erfahrungsmäßigen Dasein und So<sein> das wahrhaft Seiende Soseiende, das objektiv nur ist als 10 Dimensionen F. Das wäre also der korrekte Sinn der Lehre von der Indikation des physikalisch wahren Seins durch das sinnlich erfahrene, iyf. der sinnliche] der gesamte sinnliche iQ-22 gilt bis wird eingeklammert; dazu Rb. Paßt das? Text verbessert in aber immerfort indiziert, in der Art, wie physikalische Methode das sinnlich Gegebene ,,bearbeitet*\ jedes sinnlich Erfahrbare ein entsprechendes, durch sie herauserkanntes theoretisch (mathematisch) „Wahres". 3off. Verweis auf S. 180, 201f. 31 reellen Bestände m. Blaust, in Anführungszeichen gesetzt Β 9 bei nur symbolisch vorstellbaren Fragezeichen am Rand D 2 das gegeben] das direkt gegeben 4 gibt, F. wäre also zu sagen, 8 objektiven] objektiv-physikalischen 30/. Verweis auf S. 181, 201f. 33 transzendent gegenüber] transzendent sogar gegenüber Zu S. 84 d. Neuausg. D 1 eben] oben 2 Dinges F. der bloßen sinnlichen Erfahrung, des Dinges, das vor der Wissenschaft im alltäglichen Leben als das Ding gilt,
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Zu S. 8$ d. Neuausg. Α 2j abschatten] darstellen bzw. abschatten 33 haben diese selbst] in der Einstimmigkeit der Wahrnehmungskontinuität als seiende und mit <dem> und dem sinnlich anschaulichen Merkmalsbestand wahrgenommen, haben die Wahrnehmungsmannigfaltigkeiten selbst 37/. ,, Ε m ρ f i ndungsdaten", Daten] „Empfindungsdaten". Hier schöpfen wir ja, aus den Wahrnehmungserlebnissen selbst schöpfend, den korrekten, rein psychologischen Begriff von Empfindungsdaten. Es <sind> Daten D ig in denen, F. wenn sie aktuell gelten, 22 Momente sich F. im Bewußtsein der Identität Zu S. 86 d. Neuausg. Α 13 Identifikation; F. deutlicher, Synthesen des einen Gegenstandes, der einen Farbe, der einen Gestalt — der einen, in immer neuen Darstellungen dargestellten. 14 behalten, F. was schon in den Logischen Untersuchungen hervorgetreten ist, 27 tut, F. eine durch die psychologische Literatur beständig hindurchgehende Verwechslung, 37 des Dinges] des sinnlichen Erfahrungsdinges Zu S. 8y d. Neuausg. Α ίο Erlebnis] Subjektivität überhaupt und subjektives Erleben 25 immer, F. auch immanente C 2gff. Rb. dagegen Logische Untersuchungen II/2, 232ff. D 34f. Darin bekundet sich eben die prinzipielle Unterschiedenheit der Seinsweisen] Darin kündigt sich mit der prinzipiellen Unterschiedenheit der Bewußtseinsweisen schon auch der Seins<weisen an> Zu 5. 88 d. Neuausg. Α 14 wahr F. — in leibhaftiger Gegenwart nur dadurch da, und das für jede Momentangegenwart, J 6 a b ; F. seine Gegenwart ist nicht durch gegenwärtige Abschattung abgeschattet, ig an und herankommen ersatzlos gestr. 31 Erscheinungen F. und schließlich — und das alles weist zurück auf das Sichdarstellen — D 2 zu R e a l i t ä t Anm. Doch wir sind noch nicht so weit, ihn schon rein fassen zu können. Auf dem natürlichen Boden, auf dem wir uns bewegen, ist ja mein Bewußtsein, mein Bewußtseinsstrom, auch rein immanent gefaßt, und mein ihm zugehöriges reines Ich noch weltliche Bestimmung des realen Menschen. 3 diesem] diesem J 6 sich F. in dieser Art (nämlich durch Empfindungsdaten sich darstellend) 20 Abschattungen] Empfindungsabschattungen 23 durch Abschattung] durch sinnliche Abschattung 27 durch Abschattung] durch immanente sinnliche Abschattung 55 kann nur F. anschaulich sein, Zu S. 8g d. Neuausg. Α 8 kontinuierliche] kontinuierlich einstimmige 74/. Wahrnehmungsdinge, F. das, solange die Einstimmigkeit nicht durchbrochen ist und daher die notwendige Präsumption des Fortgangs in ihrem Stil mit sich
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trägt, das Ding im Modus gewissen Daseins und voraussichtlich Weiterseins gibt, und entsprechend hinsichtlich der Soseinsbestimmungen. 15 Kaumding F. seinem durch die äußere Erfahrung und ihren Stil gestifteten allgemeinen Sinn nach i? kann, F. zunächst aber für mich — wenn ich von Anderen noch nicht spreche. D 6 Wahrnehmungen F. (wesensmäßig verflochten in ihrer Funktion mit sonstigen, stilmäßig zugehörigen Intentionalitäten und , »transzendenten'* ontischen Korrelaten) Zu S. go d. Neuausg. Α yff. Rb. Wesentliche Ergänzungen <S.> 97, besonders <S.> 99 i$f. oder schlichten Phantasie eingeklammert; Rb. positionalen < Phantasie > 18 f. nicht Auffassungen] nicht mittelbare Auffassungen in 21 darum F. oder in dieser Hinsicht 24/. oder freien Phantasie eingeklammert Zu S. gi d. Neuausg. Α ι oder Phantasie eingeklammert 10 Sein] Gegebensein J J absolutes Sein] als-Absolutes-gegeben-Sein dazu Rb. Titel! Gezeigt ist, daß Transzendenz prinzipiell nur gegeben ist als Phänomen, das Immanente aber als „Absolutes0. Zu S. g2 d. Neuausg, Α yff. Rb. Der ganze Paragraph 44 unbrauchbar 9 Weise] Form iy transzendentes Sein] transzendentes reales Sein 18-20 verstanden als Sein für ein Ich, nur zur Gegebenheit kommen kann in analoger Weise wie ein Ding, also nur durch Erscheinungen] für ein Ich nur zur wahrnehmungsmäßigen Gegebenheit kommen kann durch Erscheinungen. Danach F. Das darf freilich nicht besagen, jedes Reale sei selbst ein Ding, selbst nach allem, was es ist, sich durch Abschattung darstellend, Menschen, andere Personen sind mir freilich nach ihrem Ichsein und ichlichen Leben nicht selbst als Abschattungseinheiten gegeben, aber sie können für mich nur dasein durch <... > ihre Leiber <...>, die sich abschattende Dinge sind und durch sie „appräsentiert" 21 aber F. für mich 28ff. Rb. unzureichend Vgl. Beilage 43 30 stellt sich F. als wahrnehmungsmäßige Gegenwart nicht dar nach seinem ganzen gegen<wärtigen> Gehalt (und so in jedem Moment) 33 durch Abschattung] durch einseitige Abschattung 36 nicht ab] nicht einseitig ab 57 zu es hat keine Seiten Rb. Ja, woran auf der nä Seite angeknüpft ist, auf Seitengegebenheit kommt es an; damit auf die offene Präsump und die Möglichkeit des Nichtseins. D 3 Ding] „Ding" 20 durch Erscheinungen] durch sinnlich abschattende Erscheinungen 25 durch Erscheinung] durch sinnliche Erscheinung 31 etwas, das F. in seiner Gegenwart, in jedem Punkte seines Jetzt 33 durch Abschattung] durch gegenwärtige Empfindungsdaten als absch 34ff. Rb. bessern dazu der Hinweis das Absolut besagt zugleich: Seitengegebenheit ist nur vorbehaltlich, es ist immer offen, ob andere Seitendarstellungen einstimmig ,,Dasein" geben. Anders beim Immanen-
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ten. Dazu Rb. Das wird aber <S.> 85 aufgewiesen! Vgl· Beilage 43 37 habe ich F. für jeden Punkt seiner kontinuierlichen Gegenwart Zu S. g3 d. Neuausg. Α ι absolut da, F. nicht präsumptiv einseitig erfahren, uff- Am Rande 0 <~ ungültiger Text> 15-20 Wellenlinie am Rand 16 sekundärer] intermediärer 27 nicht in] nicht präsumptiv in 27-31 Es bis sind eingeklammert 32ff. Rb. Deutlicher! 34 adäquat gestr. 36 aus F. gleichsam 39 bzw. in] bzw. auch in D 25 gibt F. und somit undurchstreichbar, vorbehaltlos 27 kann F. und so als absolut, selbst undurchstreichbar <erscheint>. Dazu Rb. Das wird <S.> 85 besonders erörtert. 31 sind; F. und daß, während das Sein des Wahrnehmungsdings als Schein durchstreichbar ist, sie selbst in ihrem absolut Sein unfraglich sind. Zu S. g4 d. Neuausg. Α 8 Erscheinung. F. Jede Gegenwart ist absolut undurchstreichbar; hinsichtlich des Realen aber ist jede Gegenwart präsumptiv seiend. Zu S. g$ d. Neuausg. Α 9 Rb. Reflexion. Deutlicher: Erlebnisreflexion außerdem m. Blaust, cf. § 77, S. 144. D 15 vorhanden ersatzlos gestr. 23 Blickfeld] ,,Blickfeld" 55 selbstverständlich. F. Worin es wesensmäßig gründet, daß <der> aufmerkende Blick sich auf dies oder jenes aus dem hintergründlichen Blickfeld richtet („Affektion" und Wesensbedingungen der Affektion), ist eine besondere, hier nicht zu erörternde Frage. Zu S. g6 d. Neuausg. D 25 der Erlebnisse.] der mir jeweils gegenwärtigen und höchstens unabgehobenen und unbeachteten Erlebnisse. 35 Denkenden] „Denkenden" Zu S. gy d. Neuausg. Α 4 dieses Leben] dieses mein Leben 7 Möglichkeit F. der Bürgschaftsleistung 18 Kein F. aus möglicher Erfahrung zu schöpfender i8f. Rb. Genauer! 32 ist nie] ist in einstimmig verlaufener und noch gegenwärtig einstimmig fortströmender Erfahrung nie D 1 hinblicke F. und es rein als es selbst nehme 21 ist F. als strömende Gegenwart 25 geben. F. Nichts darf ich dabei aber meinen Erlebnissen zumuten, was ich nicht absolut erfasse, was sie nicht selbst in ihrer Eigenwesentlichkeit ausmacht — Daß sie Bestandstücke des realen Menschen sind, psychophysisch eins mit seinem Leib, daß die Empfindungsdaten natural, physisch und psychophysisch kausiert sind u.dgl. sind, das gehört nicht selbst zu den Erlebnissen in ihrem eigenen absoluten Wesen; und wenn ich davon ein Wissen habe, wenn ich meine Erlebnisse so als zum Menschen (ich als Mensch) gehörig ,,auffasse", darüber noch so sichere Meinungen habe, so sind eben diese Auffassungen, Meinungen neue Er-
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lebnismomente, die ich als Erlebnisdaten aufweisen kann, und dann absolut, während ich die reale Welt und darunter all mein Menschliches selbst nur transzendent erfahre und nicht apodiktisch. — Diese Darstellung treibt zwar weiter, und sie ist nicht wirklich zulänglich, aber man nehme, was hier geltend gemacht ist, nicht leicht. Es mag zum Sein der Erlebnisse Identifizierbarkeit und somit ein wieder Zurückgehenkönnen gehören, es mag sein, daß die Absolutheit von Beständen der Wiedererinnerung und ein apodiktischer Gehalt vorausgesetzt ist, und vor allem auch, wenn ich von meinem Leben, meinem Erlebnisstrom, meinem identisch Ichsein in eigenwesentlicher Reinheit sprechen soll: Aber man sieht voraus, daß hier eine Antwort möglich sein kann und daß ein Gehalt, und ein in sich absoluter, konkreter, geschlossen einheitlicher, in sich undurchstreichbarer seiend ist als der, in dem ich Welt und mein Menschsein als weltlich reales überhaupt erfahren, wissen, handelnd voraussetzen kann, und so ein reines, eigenwesentliches Sein vor dem der Welt. Zu S. g8 d. Neuausg. Α 4f. Rb. nähere Ausführung! 18 kann F. während seiner einstimmig bestätigten leibhaften Gegenwart i8f. Rb. Erläuterung für die eigentliche leibhafte Gegenwart sowie zu nicht sein eine Anm. 1), die aber nicht hier, sondern in Beilage 44 ausgeführt ist. D 6 Sphäre F. lebendiger, immanenter Gegenwart 9 Dingwelt F. in der Kealitätenwelt überhaupt, 11 f. (unter Ausschluß dessen, was ,,νοη mir" der Dingwelt zurechnet)] unter Ausschluß all der Realitätsauffassungen, richtigen und falschen Meinungen, in denen ich im natürlichen Leben mir den Sinn Mensch in der realen Welt zuspreche 18 kann F. trotz dieser leibhaften Gegebenheit 27 eines Erlebnisses] eines reinen Erlebnisses Zu S. gg d. Neuausg. Α i-3 kämen, aber in dem Sinne, daß ein Zweifel denkbar ist, und das ist er, weil die Möglichkeit] kämen, sie hat sogar eine empirische Zweifellosigkeit, sofern es eine apodiktische Unmöglichkeit , während der Einstimmigkeit der Erfahrung ein Nichtsein der Erfahrungsdinge und der <Welt> zu glauben; aber Zweifelhaftigkeit besteht in dem Sinne, daß ein Zweifelhaftwerden und Nichtigwerden denkbar ist und die Möglichkeit 7 vorausgesetzt. F. Ich bin und bin in meinem Sein erkenntnismäßig ,,früher". 8ff. Rb. Hier das Vorangehen der Subjektivität vor der realen Objektivität. 27/. daß er unsere Vernunft zwingt,] daß er uns zwingt, wenn wir theoretisch den, in Absicht auf Einsicht gew in Gang zu setzen — mit einem Worte: auf Erfahrung gegründete Wissenschaft —, D 21 Verweis auf eine Beilage <= Beilage 4$> Zu 5. 100 d. Neuausg. Α 7 ausschlössen. F. Sagt man, wahres Sein der Erfahrungswelt sei Korrelat der Möglichkeit einer Wissenschaft — die Bedingungen der Möglichkeit der Wissenschaft müßten notwendig erfüllt sein, es könne also die
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Erfahrung nicht beliebig laufen, sondern so, daß <sie> eben Wissenschaft möglich <ma>cht —, so antworten wir, daß dieser im Wesentlichen kantianisierende danke sehr wichtig sein mag, regressiv die Strukturform <mög>licher Erfahrung als Erfahrung einer sich seienden objektiven Welt enthüllen — daß er keineswegs im voraus die apodiktische Notwendigkeit bestätige, <es?> müsse in dieser Welt eine ektive Wahrheit oder, was gleichwertig, eine wahre Welt sein; das aber unter der bloßen Voraussetzung, daß uns einstimmige Erfahrung eine Welt erscheinen läßt. Nicht den kantischen Begriff der Erfahrung dürfen wir zugrunde legen, sondern <den> der vortheoretischen Erfahrung, zunächst der fortgehenden einstimmigen Wahrnehmung, so wie sie im vorwissenschaftlichen Leben wirklich Erlebnis ist. Daß uns Dinge im Raum, in der Raumzeit, in Kausalität miteinander flochten erscheinen, auf die wir <. . . > rechnen können, dasselbe könnte alles beständig, während wir <praktisch hiervon leben . . . Rest verstümmelt> 16 Einheiten; F. durchhaltend, d.i. in konsequenter Bewährung während unseres aktuellen und überschaubaren Lebens. lyf. in der gedanklichen] in der phantasiemäßigen gedanklichen D 16 Einheiten. F. So in mir und in den Erscheinungsmannigfaltigkeiten der in mir sich zunächst für mich ausweisenden Anderen, sich ausweisend als reine Subjekte reiner, für mich ,,einfühlungsmäßig", also in Vergegenwärtigungen eigener Art sich bietender Erscheinungsmannigfaltigkeiten. Zu S. ιοί d. Neuausg.
Α iy zu motivierte Rb. vernünftig motivierte D 18 der „Motivation"] der rein immanenten Motivation Zu S. 102 d. Neuausg. D iy formaler] analytisch-formaler 23 wir, daß es notwendig erfahrbar] wir, oder deutlicher, erkenne ich, das jeweils reine Reflexion übende Ich, dass es notwendig für mich er fahr bar 2g ein] mein josein muß, i7. von dem ich überhaupt soll reden, das für mich überhaupt als anderes und ebenso als eines „der" offenen Vielheit Anderer soll Sinn und mögliches Sein haben können. Aus mir selbst schöpft auch der ,,Andere" seine Erfahrungs- und Rechtsquelle, in mir vollzieht sich seine Ausweisung (nicht etwa zunächst zu verstehen als irgendein logischer actus). Und wenn ich dann, wie bei mir, das natürliche menschliche Sein auf das Eigenwesentliche von Ich und Leben reduziere, so sehe ich dann, daß ich es ebenso bei jedem für mich sich auswei<se>nden anderen Menschen tun kann und so die reine Ich Vielheit gewinne. Zu S. 103 d. Neuausg. Α 32 Male sich] Male konsequent sich 3$ einbüßt — daß es keine Welt] einbüßt und daß das wirklich in infinitum so bleibt — daß es keine einstimmig setzbare, also seiende Welt D 3 der Menschengemeinschaft] der auf das reine Bewußtseinsleben und reines Ich reduzierten Menschengemeinschaft 8 jeden Ich] jeden in mir
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selbst sich ausweisendes reines Ich 20 Erfahrungen F. in mir und in meiner Intersubjektivität 26 de facto, F. d.i. wie es die Empirie in ihrer Art (also nicht etwa apodiktisch) zweifellos macht, 32 Dingsetzungen F. jemals Zu S. 104 d. Neuausg. Α 2j Bewußtsein, F. auf eine bewußtseinsmäßig lebende Subjektivität, 31 Gegeben ist] Gegeben, aber prinzipiell nur vorbehaltlich gegeben, ist 32 Direkt] Originär 35/. zu immer weiter Rb. Das „in infinitum" strenger hervorheben! 59 theoretischen gestr. \\ und Erfahrungsdenkens] und theoretischen Erfahrungsdenkens D 8ff. Rb. Man wird einwenden, das sei ein leichtsinniger Schluß. Es ist möglich, daß meine Erfahrungen Ausweisungen für eine Erfahrungswelt, die die meine ist, unmöglich machen. Aber darum kann doch sehr wohl eine mir unzugängliche Welt möglich sein und die Welt, die wirklich ist, nur daß ich verrückt bin — nichts weiter. Indessen, wenn ich das anerkennen soll, muß ich die Möglichkeit einer Welt einsehen können. Und wie soll diese Einsicht selbst, die doch eine Anschauung solcher Welt fordert, aussehen ? Eine anschauliche Vorstellung (gegenüber meinen konsequent unstimmigen Wahrnehmungen und Erfahrungen überhaupt) könnte die Stilgestalt einer einstimmigen Mannigfaltigkeit von Phantasien haben, in denen eine Phantasiewelt erschiene als eine vorstellbare Möglichkeit. Aber was liegt in solchen Phantasien ? Es sind Wahrnehmungen als ob, Fiktionen von Wahrnehmungen, von darin synthetisch zusammenhängenden Abschattungen, Erscheinungen — von, bezogen also auf einen phantasiemäßig mitphantasierten korrelativen Erlebnisstrom eines reinen Ich. Die mögliche Welt ist untrennbar bezogen auf ein mögliches Ich und Icherleben; und soll sie eine real mögliche sein, eine mögliche, die sich als eine mögliche Tatsache je soll ausweisen können, so muß in einem wirklichen Ich und Ichleben sich die reale Möglichkeit wirklich ausweisen können, d.i. es muß das wirkliche Leben dieses wirklichen Ich einen wirklichen Zusammenhang der Intentionalität bilden, in dem die eventuelle „Verrücktheit" als eine besondere Art des Scheines sich ausweist, der sein wirkliches Sein hinter sich hat. Entweder ich bin es selbst, der in seinem reinen Eigenwesen diese Möglichkeit erkennen kann, oder es ein anderes Ich etc. Dieses andere kann nicht für mich leere Möglichkeit sein, es müßte selbst in meinem Erleben begründet und begründbar sein. — Beweist auch irgendein verrückter Erfahrungsstil im Momente nichts für Nichtsein der Welt, so doch ein Universalstil, der überhaupt keine reale Möglichkeit einstimmiger Bewährung in sich hätte. 3g theoretischen gestr. Zu S. J05 d. Neuausg. Α ι wir den] wir immer den 4 wirklich F. in infinitum 5 nichts, F. und in infinitum, 23 abschattendes, F. prinzipiell nur mit präsumptiven Horizonten und 24 relatives] bewußtseinsrelatives 26 Erscheinung zu
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geben.] Erscheinung in präsumptiver Weise, die immerfort das Nichtsein des selbst Wahrgenommenen offen läßt, zu geben. D 1-3 (wobei wir den Sukkurs der Wechselverständigung mit anderen Ich und Erlebnisströmen mit in Rechnung zu ziehen hätten)] (es ist dabei zu beachten, daß wir in die in infinitum fortzuführende Einstimmigkeit der Wahrnehmungen, der Erfahrungen auch diejenigen mit einbeziehen, in denen sich andere Menschen, Wechselverständigung mit ihnen, mögliche Reduktion derselben auf reine Iche und Erlebniszusammenhänge für uns ausweist) 36 keinem Dinge] keinem als absolut gedachten, ihm vorangehenden Seienden Zu 5. 106 d. Neuausg. Α 5 für ein Bewußtsein hat.] „für" ein Bewußtsein hat als in Bewußtseinssubjekten durch Erscheinungen erfahrbares und sich als Bewährungseinheit von Ersch<einungen> möglicherweise in infinitum bewährendes. 7 von motivierten] von einstimmig motivierten 8 ein Nichts ist, F. oder genauer, für das ein Darüberhinaus ein widersinniger Gedanke ist. 28 Ausschaltung] „Ausschaltung" D 5 für ein] für 6 in seinen Erfahrungen setzt, das prinzipiell] im Modus des selbst-da, selbst gewesen, selbst kommend erfährt und in mannigfaltigen Bewußtseinsakten als selbiges bewußt hat, und so, daß dieses Bewußthaben zurückleitet auf Mannigfaltigkeiten möglicher selbstgebender Erfahrung, und das prinzipiell 8 ein Nichts] ein Widersinn 75 idearum] „idearum" 22 Vorstelliges, Erscheinendes ist.] als in dem reinen Ich motivierte Aktualität und Potentialität ist, bzw. Vorstellbares, in möglichen Erscheinungen zu Verwirklichendes. 26 natürlichen F. erfahrenden und 33 Akte, F. die wirklichen oder in vorgezeichneter Potentialität möglichen und zu verwirklichenden, 37 Thesen, F. die aktuellen und im voraus die potentiellen, Zu S. ioy d. Neuausg. Α 12 diesen thetischen] diesen aktuell thetischen 34/. derart wie wir sie durchgeführt haben gestr., am Rand Fragezeichen D 6 „ausgeschaltet" F. oder besser eingeklammert 8 Transzendenzen F. als intentionales Korrelat der ideell zu verwirklichenden und einstimmig fortzuführenden Akte habitueller Geltung 12 Dingeinheiten F. und Realitäten jeder Art 25 sind F. und mit allem, was in ihnen und von ihrem Eigensein unabtrennbar Vermeintes als solches, z.B. Erfahrenes als solches, ist. 34ff- Rb. Diese Betrachtungen motivierten mich, als vernunftkritische, einzusehen, daß eine transzendentale Epoche vollziehbar ist, die eine wohlbegründete und independente Transzendentalphilosophie ermöglicht. 55 bei sind also notwendig Frage- und Ausrufezeichen, dazu als V. dieses gestr. Textes führen uns erst dazu 36 Feld reinen] Feld transzendental reinen 37 kann, F. ein Bewußtsein, Zu S. 108 d. Neuausg. Α ii Naturforschung F. und überhaupt Weltforschung
13 Natur F. und
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das gesamte Weltall 35 einzige „Natur"] einzige Welt, und durch sie erstreckt sich die einzige „Natur" 38 Wesenheiten gestr. D J Natur, F. der realen Welt 3 sind notwendig] schaffen Motivationen 11 Naturforschung, F. Geistesforschung als Weltforschung 14 sind notwendig, um zu] lassen uns 23 Natürliches, F. überhaupt Weltliches 26 Seins, F. also nicht auf das im psychologischen Sinn reine Bewußtsein. 33 Psychologischen, JF. und abstrahiert eine zu begründende rein intentionale Psychologie vom Psychophysischen. 35 „Natur"] Realwelt 36 Naturwissenschaft, F. alle Weltwissenschaften, die Psychologie, Geisteswissenschaften jedes natürlichen Sinnes eingeschlossen. Zu S. 10g d. Neuausg. Α 3~Q Sie bis konstituierend eingeklammert; am Rand Wellenlinie und Rb. Das ist mißzuverstehen. Dazu 8 in und konstituierend in Anführungszeichen gesetzt. D 35 Naturbegriffs F. und Weltbegriffs Zu S. 110 d. Neuausg. Α 4 unerläßlich ersatzlos eingeklammert, dazu am Rand Fragezeichen äff. Rb. Das gehört wieder zum transzendentalen Idealismus. D 9 nach hauptsächlich einzuschalten eine Beilage < = Beilage 46 > 28 Fremden, und F. wenn nicht das, so jedenfalls Zu S. i n d. Neuausg. Α 13-14 wenn bis Iche eingeklammert, am Rand Deleaturzeichen G 13 andere F. mit uns zusammenhängende D n-2g Es bis auszuführen m. Blaust, eingeklammert, dazu Rb. tn. Blaust. Diesen Absatz streichen, dafür Einlage <= Beilage 47 > J5 logische Möglichkeit] formallogische Möglichkeit (Widerspruchslosigkeit) ly Des weiteren] Insbesondere ly Wahrnehmung F . jener Ursache-Realitäten Zu S. 112 d. Neuausg. Α 9 Rb. Diese Rede von leerem χ war schon Seite 72 als irreführend zu . 26 Selbst, F. es ist nicht selbstgebend. 32//. Rb. Bessern! 34 in] ,,in" Zu S. 113 d. Neuausg. Α 2 Erscheinungsweisen erscheint] Erscheinungsweisen selbst erscheint 6 unterwirft. F. Doch nicht bloß einer kausalen Analyse. Das erste ist die Geometrisierung. 18 Nur] Was das besagt, ist leicht klar zu machen: Denn nur D 38 vor gewisse und 3g nach Konstruktionen Trennungsstriche sowie am Rand ein senkrechter Strich. Vgl. Beilage 48 Zu S. 114 d. Neuausg. Α iy Erscheinungen F. (oder Rb.?) Das Unbekannte ist hier nur das Untheorisierte; das rechtmäßig theoretisch Erkannte ist bekannt, und wei-
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tere .Bekanntheit dahin zu suchen, ist Widersinn. 25//. Rb. Hier hätten die sinnlichen Dat<en> genannt werden sollen und die Verwechslung der sekundären Qualitäten und der immanenten sinnlichen Modalitäten. Zu S. 11$ d, Neuausg. Α ig Unanschauliche] Anschauliche 29//. Rb. Geyser C ig Unanschauliche] Anschauliche aber dazu bemerkt wohl falsch und Rb. Unanschauliche ist wohl richtig. Zu S. 116 d. Neuausg. D 3-8 Dieser Absatz durch horizontalen Trennungsstrich vom vorhergehenden Text abgetrennt; dazu Rb. Das kann hier noch nicht kommen. 3 Es bedarf keiner besonderen Ausführung] Es ist im voraus verständlich 4 Naturobjektivitäten F. (der relativen Wirklichkeiten, wie sie in aller gewöhnlichen Praxis Seinsgeltung haben, und der idealen, logifizierten der exakten Physik) y-8 Und bis überhaupt gestr. 10 Schranken] S c h r a n k e n 13 in den ersatzlos gestr. sowie nach ij psychophysische ein Trennungsstrich angebracht; beides verbessert in Beilage 48 3$f. die Verknüpfung von Bewußtsein und Leib zu einer naturalen] die Erfahrung einer Verknüpfung von Bewußtsein und körperlichem Leib zu einer im weiteren Sinne naturalen, einer weltlich-realen Zu S. ny d. Neuausg. C 23 als etwas, F. als Zustand, D 1 daß nur] daß ich nur 13 wäre. F. Was es wirklich annimmt, ist eine neue Bewußtseinsschichte. 26 Ichsubjektes] Menschensubjektes 31 Rb. Ergänzungen nötig hinsichtlich der Einigkeit! 37 auf das reine] auf sie selbst, das reine Zu S. 118 d. Neuausg. Α ΐβ-20 Wellenlinie am Rand, dazu Rb. Bessern! 34 eines persönlichen] eines menschlich und tierisch persönlichen D 3 die als Wesensmöglichkeit mitverflochtene] als Wesensmöglichkeit die 5 Setzungen ausschaltend] Setzungen nicht mitmachend (und in diesem Sinne „ausschaltend") 12 Erlebnis F. jenes Gefühls 16 an. F. Im reinen Bewußtsein besagt diese Änderung, daß statt des schlichten Gefühls das, was wir hier Auffassen des Gefühls als das eines Menschen bezeichneten, . 25 ungültige, F. im Gang weiterer Erfahrung durchstrichene: 34 persönlichen] menschlichen 55 persönliche] menschlich-seelische Zu S. 11g d. Neuausg. Α 8 nicht personales gestr. D 1-3 auflösen, die intentionalen Formen, die sie konstituieren, abtun und auf die reinen Erlebnisse reduzieren.] ihrer Seinsgültigkeit beraubt denken; dann bleiben sie mit da als reine Erlebnisse. Reduzieren wir von
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vornherein auf das transzendental Reine, so bleiben uns auch im Normalfall der Gültigkeit die konstituierenden Mannigfaltigkeiten. 8 personales] menschliche Leiblichkeit beseelendes 12 einer Person] einer objektiv realen Person 16 Erlebniszusammenhänge, F. genauer: Zusammenhänge wirklicher und als mögliche motivierter Erlebnisse iyf. alle sind] alle empirische Einheiten sind 23 dem empirischen Erlebnis] dem realen psychologischen Erlebnis, dem des Menschen in der Welt 31 Zustände F. reale, also im angegebenen Sinn Zu S. 120 d. Neuausg. Α 9 zu nicht selbst wieder durch Sinngebung am Rand Fragezeichen D 35 Generalthesis, F. d.i. der einheitlichen Seinsgewißheit, die zum beständig fortlaufenden Strom der Erfahrung als in ihm motivierte Einheit gehört; eine Einheit der vorsprachlichen, an derartigen Schichten, Sondergehalten, ,,Dingen", Eigenschaften etc. auftretenden Gewißheit des I s t und aller in den Hintergründen implizierten Seinsgeltung: der Geltung im Modus der Fortgeltung, der immanenten Tradition sozusagen, aus Quellen früherer Erfahrung und Assoziation. Zu S. 121 d. Neuausg. D 26/. uns die] uns nicht nur die leicht zu gewinnende 29 und] sondern Zu S. 122 d. Neuausg. Α 5 Ausschaltung ersatzlos gestr. \\ Natur] Thesis der Welt 11 Ausschaltung] Einklammerung 20 Ausschaltung ersatzlos gestr. 21 der physischen und psychophysischen] mit ihren Dingen, Animalien, Menschen 23 Gegenständlichkeiten F. aus unserem Urteilsfeld 29 Ausschaltung! 7 , aus unserer Urteilssphäre Zu S. 123 d. Neuausg. Α 2$-2j wenn bis Vergängliches eingeklammert; dazu Rb. Überlegen, falsch und 25 bezweifeln gestr. 33 Rb. Affektion! 36 Sprache F. (ich lasse dahingestellt, ob in seinem Sinn, und unbekümmert um seine Verwendungsweise dieses Satzes): Zu S. 124 d. Neuausg. Α 3 und dann] und, wenn wir hier passende Reservation machen, dann 4f. eigenartige — nicht] eigenartige — in gewissem Sinne nicht 22f. sehr mittelbar] in total anderer Weise D 5 bei nicht konstituierte Fragezeichen am Rand Zu S. 125 d. Neuausg. Α 30 universalis. F. Norm der Phänomenologie. Zu S. 126 d. Neuausg. Α 32 überhaupt F. nach allen kategorialen Ableitungen
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Zu S. 12J d. Neuausg. Α 14 Theorienformen] Theorien 18 Formenlehre] Wissenschaft von den gültigen Formen diese V. aber nur für eine Umarbeitung gedacht 27 könnte] müßte 32 zu in reiner Immanenz Rb. Das sieht so aus, als ob bloß reel Daten in Betracht . Zu S. 128 d. Neuausg. Α J7 wäre, F. in ihrer Ontologie Zu S. 12g d. Neuausg. Α ΐ8 Gehörige erforschen] Gehörige ontologisch erforschen sehen] ontologisch-eidetischen
2jf. eideti-
Zu S. 135 d. Neuausg. Ό 4ff. Rb. Ist das erste Kapitel nicht entbehrlich? Sein Gehalt aber zu beachten und zum Teil in die Darstellung der Phänomenologie selbst einzubeziehen. Zu S. 137 d. Neuausg. Α 30 mathematisierende Subjekt] mathematisierende menschliche Subjekt Zu S. 141 d. Neuausg. Α iff. Rb. gebendes Bewußtsein sowie Vgl. die „wesentlichen Ergänzungen" § 125, S. 260. Ό 1 zu Methode der Klärung Rb. m. Rotst. § 125 nochmals iff. Rb. Das gehört, wie die weiteren Paragraphen, doch auch in das Sachliche der Phänomenologie. Zu S. 142 d. Neuausg. Α uff. Rb. Gebendes Bewußtsein sowie Bewußtsein des ,,selbstM in Klarheit und Unklarheit, z.B. Erinnerung, und zwar erfassendes, cf. folgende Seite. 12 anschauliches] selbst-anschauliches iyff. Rb. Wie steht es aber mit den illustrierenden Anschauungen, den verbildlichenden ? 28f. Rb. Also die kategoriale Selbst-Anschauung ist mitbeschlossen. Zu S. 143 d. Neuausg. Α gf. Rb. m. Blaust. Wesen der Klärung Zu S. 144 d. Neuausg. Α 4f. zu Gegebenheitsweise Rb. Die neueren Untersuchungen sagen: eine Art der Modifikation, uff. Rb. zu kurz! Zu S. 146 d. Neuausg. Α 13 gekommen sind, F. und entsprechend der Vollkommenheit, in der sie es sind.
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Zu S. 147 d. Neuausg. Α 22-27 Rb. NB Zu S. 148 d. Neuausg. Α γ zu notwendig Rb. NB Zu S. 151 d. Neuausg. Α 32 am Rand (zu alle-3) Fragezeichen Zu S. 155 d. Neuausg. Α J7 zu „Abstraktion" Rb. Wieder eine andere Grundar der Abstraktion ist die der Bildung formal-ontologischer Wesensbegriffe. Zu S. i$6 d. Neuausg. Α 4 haben F. und ebenso < nicht mit> der in sich exakter formalontologischer Begriffe. Aber die kommen hier, in der materialen Sphäre, nicht in Betracht. 8ff. Rb. Das ist nicht korrekt, da der Unterschied zwischen Grenzideen und formalen nicht berücksichtigt ist. Andererseits kam es hier an auf materiale Disziplinen und materiale Wesensgesetze. Vgl. Beilageblatt zum Abschnitt über Vernunft < = Beilage 72 oder wahrscheinlicher Beilage /j> D uff. Rb. Das ist zu beschränkt. 12 Erlebnisse. F. Gegen das methodische Vorurteil der exakten Wissenschaft. Zu S. 158 d. Neuausg. Α 2$ nur eidetische] nur materiale eidetische D 22f. durchaus F. idealisierende Zu S. 160 d. Neuausg. Α ΐ6~2ΐ Rb. Undeutlich! Zu S. 162 d. Neuausg. Α 4 bei Reflexion m. Blaust, rückverwiesen auf S. 65, 83. 22 zu Jedes Rb. Die Mehrheit von Ich ist besser immer außer Spiel gelassen, da sie < ?> übrigens unnötige Zweifel erregen könnte. Zu 5. 163 d. Neuausg. Α iif. Rb. m. Blaust. Reflexion in der Erinnerung (auch <S.> 148) D 35 phänomenologische F. und eidetische Zu S. 166 d. Neuausg. Α 2j m. Blaust, rückverwiesen auf S. 145 Zu S. i6y d. Neuausg. Α ίο Erzeugung in Anführungszeichen gesetzt, dazu Rb. Das Wort Erzeugung besser hier vermei<den>. 20 bloßen Phantasie] bloßen reproduktiven Phantasie 28 gefaßten Modifikationen] gefaßten reproduktiven
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Modifikationen 35 zu Urerlebnisse Rb. = konkrete Erlebnisse, die nicht mehr reproduktive Modifikationen von konkreten Erlebnissen <sind>. 59 Rb. Ein originäres konkretes Erlebnis hat, heißt es, nur eine absolut originäre Phase. Ein reproduktives konkretes Erlebnis enthält hinsichtlich der reproduzierten Retentionen und Protentionen 22/23 Zu S. iyi d. Neuausg. Α 22 induktiven F. und dabei indirekten Zu S. ijy d. Neuausg. Α 2g wollte, F. was doch auf einen unendlichen Regreß führen würde. Zu S. ijg d. Neuausg. D i6f. was nicht notwendig mit dabei sein muß gestr.t am Rand Deleaturzeichen 34ff. Frage- und Ausrufezeichen am Rand Zu S. 180 d. Neuausg. D 8f. subjektiv-orientierte] ichlich-orientierte Zu S. 181 d. Neuausg. Α 2 zu kosmischen Zeit Rb. Kosmisch könnte doch irreführen. Raumzeit? 13-28 am Rand zwei Fragezeichen 39 bis f.S., 6 Rb. m. Blaust. Ausschaltung des Zeitproblems; cf. <S.> 171. Ό 6 zu eingebüßt Rb. eingebüßt?! Zu S. 182 d. Neuausg. Α lyff. m. Blaust, verwiesen auf S. 245 D 30 seines reinen Ich] seines reinen I c h Zu S. i8y d. Neuausg, Α 30//. m. Blaust, rückverwiesen auf S. 60 D 1 Wesensgehalt] W e s e n s g e h a l t (eigenartigen als Wahrnehmung) 6//. Rb. Also die individuelle Differenz liegt an der Umgebung und damit an der Zeitstelle. 13 zwei] zwei 20 zwei F. individuell bestimmte 27//. Fragezeichen am Rand Zu S. 191 d. Neuausg. Α 3j bis f.S.t 1 Rb. m. Blaust, cf. <S.> 162f.; weitergeführt m. Bietst. auch folgende Seite Zu S. ig2 d. Neuausg. Α 8 zu Intentionalität Rb. Das wäre also im Grunde eine höherstufige Intentionalität.
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Zu S. 194 d. Neuausg. Α ίο zu formt Rb. Bedenkliche Redeweise! n zu hereinbringt Rb. Unterschied <der> Erscheinungsweisen und Stellungnahmen ?! 18 Rb. Moment! und i8f. Fragezeichen am Rand 3off. Fragezeichen am Rand Zu S. 195 d. Neuausg, Α i-3 Fragezeichen am Rand D 30 empirisch] objektiv real Zu S. 196 d. Neuausg. Α iyf. Rb. Die konstitutiven Probleme D 37 Sensualismus, F. aber auch der feinere Sensualismus der Intentionalität Zu S. igy d. Neuausg. Α 28ff. Rb. M.a.W.: Jeder Region von Gegenständen> entsprechen wesensmäßig zugehörige und speziell zu ihnen gehörige, sie konstituierende.^ Bewußtseinsgestaltungen, die zu beschreiben und in ihrer not <wendigen> konstitutiven Funktion gerade für solche Gegenständlichkeiten zu sind. Und diese verständlichen <Scheidungen?> zu leisten, ist die große phänomenologische Aufgabe. D 6 so ziemlich gestr. 15 Rb, Verhüllung, implizit 23 zu Objektiven Rb. auch Erweiterung Zu S. 198 d. Neuausg. D 11 Wissenschaft F. und aller Kultur. 13 Verschmelzungen gestr. Unterklassen F . und naturalistisch als Unterlage für Erklärungen
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Zu S. 199 d. Neuausg. Α 12 wichtigen gestr. D 2 Rb. Der Begriff der formalen Phänomenologie — die Kontingenz des Hyletischen müßte hier erörtert werden. Zu S. 200 d. Neuausg. Α 2 Rb. cf. für den Terminus Noe<sis S.> 199 Vgl. Beilage 57 Zu S. 201 d. Neuausg. Α 4 noetischen] logischen Zu S. 202 d. Neuausg. Α iy konnte] durfte 28 noetisch.es; es] „noetisches"; das sagt: es D 8 eigentlichen Komponenten] reellen Komponenten Zu S. 203 d. Neuausg. Ό16 bei „ N o e m a " Rb. Einführung des Terminus
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Zu 5. 204 d. Neuausg. Α ΐ$ ausgeschaltet] eingeklammert 2J Ausschaltung] Einklammerung 31 entspricht. F. Hier haben wir keine der evtl. im Erfahrungszusammenhange sich motivierenden Durchstreichungen zu vollziehen, die eben Worte Illusion etc. mit ausdrücken: weder Sein noch Nichtsein in „der" Wirklich dürfen wir setzen (aktuell setzen oder auch „hinnehmen"). || thetische gestr. 32 nicht da F. und so auch nichts, was in bezug auf sie als gesetzte oder hingenommene Wirklichkeit noch zur Setzung oder Hinnahme kommen dürfte. Zu S. 20$ d. Neuausg, Α I2ff. Rb. Dasselbe gilt, wenn wir die Modifikation der Wahrnehmung betrachten würden >, die uns als vollbewußte Illusion (in dem Zusammenhange etwa: das eben als wahrnehmungsmäßige Wirklichkeit Hingenommene stellt sich <... > nach welchen > Momenten <...>, die zum Illusionären als solchen 24 zur Wahrnehmung] zur jeweiligen Wahrnehmung D 10 Sphäre. F. m. Rotst. Psychologisch-phänomenoiogische Reduktion. 33f. aller Psychologie ersatzlos gestr. Zu S. 206 d. Neuausg. D 5 dem psychologischen] dem rein psychologischen Zu S. 20J d. Neuausg. Α 4 die Überzeugung] die nachkommen<de> Überzeugung tes, F. sein so und so Bewußtes
7 Vorgestell-
Zu S. 20g d. Neuausg. Α 32 „Wirklichkeit als solcher"] „Wirklichkeit" als erscheinender Zu S. 210 d. Neuausg. Α 5 In] Z.B. in D 9 zu Sinn Rb. gegenständlicher Sinn 36 Rb. Kern und Sinn werden später geschieden! <S.> 273ff., vorher 197, 247ff. Zu S. 2x1 d. Neuausg. Α ιό Noema, F. sowie dann weiter auch von Gegenständlichkeit schlechthin — falls sie existiert (ist, besteht im weitesten Wortverst). Zu S. 212 d. Neuausg. Α 7 in Erinnerungen)] in Erinnerungen, die evtl. selbst wieder Erinnerungen zweiter oder höherer Stufe sein mögen) 20 in Phantasiewelten] in bloße Phantasiewelten 31 Erlebnisses F. ideal gesprochen 55 dieselbe Gegenständlichkeit, 30f. in denselben Erscheinungsweisen, 57 denselben Orientierungen, erscheinenden Merkmalen, 38 denselben Modis unbestimmter Andeutung, 39 unanschaulicher Mitgegenwärtigung sind alle zu sperren
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ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929)
Zu S. 213 d, Neuausg. Α 12 Bewußthabens. F. Natürlich haben wir hier einen idealen Grenzfall im Rahmen der Evidenz konstruiert (eine kantische Idee). Aber es ist auch evident, daß, selbst wenn wir die faktischen Wandlungen, die sich auch in der Sinngebung bei Wandel der Aufmerksamkeit vollziehen werden, in Rechnung ziehen, <...> die Dimensionen > des immanenten Sinnes und des attentionalen Modus und ihrer relativen > Independenz festzulegen ist — 30 daß zu] daß im idealen Grenzfall zu 34ff- Klammer geöffnet, Wellenlinie am Rand und Rb. Hier ist nicht geschieden zwischen der objektiven Aufmerksam, die notwendige Voraussetzung ist für die „aufmerkenden" Vollzüge der höheren Stellungnahmen, und diesen <selbst>. Zu S. 214 d. Neuausg, Α 5//. Rb. Die ganze Seite verbessern! 8 voraus, F. oder vielleicht sagen wir besser, schließt positive Aufmerksamkeit auf das ein, 16 Die] Aufmerksamkeit ist hier; Die 18 die Funktionen] die spontanen Funktionen Ό iy der Subjektivität] der Ichlichkeit 20 das Sein] das bloße Sein Zu S. 215 d. Neuausg. Α 59 gleich und 40 empirische ersatzlos gestr. D iy zu Noesen höherer Stufe Rb, Nicht Noesen, sondern Akte höherer Stufe Zu S. 217 d. Neuausg. Α iy bei Urteil als „Idee", als Wesen, Fragezeichen am Rand D 3 Rb. m. Rotst. Sinn iy als Wesen gestr.; am Rand Fragezeichen und Rb. Verbesserung! Zu S. 218 d. Neuausg. Α 24 das noematische] ein noematisches 31 Form ersatzlos gestr. Zu S. 21g d. Neuausg. Α 23ff. Rb. Urteil 33 Zahlbewußtsein; F. <man> kann auch sagen: aber nicht die ahl in Anführungszeichen. D 8 Rb. cf. <S.> 189, 273, 247ff. Zu S. 220 d. Neuausg. Κ 1 zu „Inhalt" Rb. Urteils, ,materie" 13 fortfallen] „fortfallen" 15 sein F. (freilich bringt das zugleich eine Modifikation, trotz der Identität) 18 aufschichtet] „aufschichtet" || fortfällt] „fortfällt" dazu Rb. Das sind aber Modifikationen! G 18 fortfällt. F. Doch gehen mit dem Wegfallen auch gewisse phänomenologische Modifikationen der Unterschicht vonstatten. Zu S. 221 d. Neuausg. Α 4ff. Rb. Sache, Wertheit, Wertverhalt
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Zu S. 222 d. Neuausg. Α 2$f. Rb. NB! Vgl. auch Beilage $i
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3J und Sache] und was Sache
Zu S. 225 d. Neuausg, D uff. Fragezeichen am Rand Zu S. 22J d. Neuausg. Α ii Änderung F. der wandelbaren Mannigfaltigkeit D iyff· Rb. Ja, relativ. Das hyletische Datum ist ja selbst Einheit, aber freilich immanente, subjektiv-reelle — andererseits dahinter ein Subjektives höherer Stufe, das diese Einheit Konstituierende. Zu S. 22g d. Neuausg. Α 8 usw. F. Natürlich gilt all das für Wahrnehmungen im allerweitesten Sinn und nicht etwa bloß für Dingwahrnehmungen; es gilt für alle originär gebenden Akte: Jeder Grundar von Gegenständlichkeit entsprechen wesensmäßig zugehöri Grundarten von ursprünglich konstituierendem^ d.i. ursprünglich gerade sie und keine anderen gebendem Bewußtsein, und dieses Bewußtsein hat wesens<mäßig> seine ganz bestimmten Strukturen, deren Erforschung die Aufgabe . D 9 Frage- und Ausrufezeichen am Rand Zu S. 230 d. Neuausg. Α 12 ff. vor Man eine (nirgends geschlossene) Klammer geöffnet; dazu Rb, von hier unbrauchbar Vgl. Beilage 53 und 5/ 25 bei haben Anm. Gemeint ist offenbar dies: Das Qualitätsnoema hat unter den realen Bestandstücken des Bewußtseins sein jeweiliges Korrelat in der Empfindung, aber eine Unendlichkeit von wechselnden Empfindungen dient vermöge der Funktion des die Empfindungsdaten, d.h. > Abschattungen bewußtseinsmäßig Beseelens > und Abschattung <. .. > Qualität
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Zu S. 237 d. Neuausg. Α 3ff. Rb. Bedenklich und näher zu charakterisieren als relative Rede D 21 oder wir reflektieren stufenweise auf die Noesen usw. eingeklammert, am Rand Fragezeichen Zu S. 238 d. Neuausg. Α 4ff. Rb. Der ganze Begriff des Noetischen ist eben problematisch, so wie er eingeführt . Zu S. 240 d. Neuausg. Α iy die Problemgruppen] die Hauptthemen und auf sie bezo die Problemgruppen Zu S. 248 d. Neuausg. Α iff. Fragezeichen am Rand I2ff. Deleaturzeichen am Rand 35 bei derjenigen nahe verwandt Rb. nein Zu S. 254 d. Neuausg. Α iff. Rb. Beilage <=Beilage S5> 6 Scheiden wir F. — immer in der doxischen Sphäre, auf sich vorläufig alle unsere Scheidungen Termini beziehen — i8f. wirklichen gestr., dazu Rb. kann gestrichen werden Vgl. auch Beilage 56. Zu S. 255 d. Neuausg. Α 7 attentionale] a t t e n t i o n a l e 18 in gewisser Weise und ähnlich eingeklammert ig aktuellen] wirklichen 22 Phantasie-Erlebnisgegenwart. F. Jedes Erlebnis ist eben im inneren Bewußtsein wahrgenommen. 32 wie] als Zu S. 256 d. Neuausg. Α ι inneres Reflektieren] inneres gewahrendes Reflektieren 13-15 Diese Aktualität der Daseinssetzung ist, nach dem früher Ausgeführten, neutralisiert im perzeptiven Bildbewußtsein.] Der Aktualität wirklicher Daseinssetzung <en>tspricht eine Aktualität neutralisierter Daseinssetzung im perzeptiven Bildbewußtsein. Vgl. den Schlußabsatz von Beilage $5 20 aktuelle] wirkliche 24 erfaßt] erfaßt 28f. (nicht neutrale, wirklich setzende) gestr.; am Rand zweimal Deleaturzeichen und Rb. Beirrend! Streichen! 34 setzende] setzende 35 In der Neutralitätsmodifikation der Erinnerungen, d.i. der] In den Neutralitätsmodifikationen von Erinnerungen, d.i. in den dazu Rb. Ändern, deutlicher! 38f. Setzungen] Quasisetzungen; dafür im Modus des Gleichsam eingeklammert Zu S. 2$y d. Neuausg. Α 2 ohne Aktualität der Setzung gestr. 4 wie in] wie sie in || Setzungsaktualität] Aktualität der Setzung 31 mit modalen] mit den modalen
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Zu 5. 258 d. Neuausg. Α 2jf. Das ist selbstverständlich unter allen Umständen möglich gestr.; stattdessen Beilage < = Beilage $j> Zu S. 25g d. Neuausg. Α I4f. statt in der Weise des B e w u ß t s e i n s v o l l z u g s innerhalb des Modus cogito ist besser: in der Weise des Bewußtseins innerhalb des Vollzugsmodus cogito ig~24 am Rand Wellenlinie und Rb. stattdessen Beilage <=Beilage 5#> 2of. zu „wirkliches", „wirklich s e t z e n d e s " Rb, stimmt nicht mit <S.> 236 Zu S. 260 d. Neuausg. Α 9 zu ist Rb. hat ?! 27 Wir werden, F. wie gesagt, Zu S. 261 d. Neuausg. Α ig-28 Und wieder bis enthält eingeklammert; Rb. dafür Einlage <=Beilage sg> D 28f. Rb. Aber die Position als Fiktum ? Zu S. 262 d. Neuausg. Α 25 explizite] sozusagen patente 29 expliziten] aktuellen te] aktuelle 34 explizite] aktuelle
30 explizier-
Zu S. 263 d. Neuausg. Α iy Akt] „Akt" 18 Gefallens usw.] Gefallens, sich Hineinphantasierens usw. 21 Aktualität F. des cogito 2if. Insofern scheiden wir deutlicher vollzogene Akte und n i c h t vollzogene] Insofern sprechen wir andererseits doch selbst m i t R e c h t in einem w e i t e r e n Sinne von A k t oder intentionalem Erlebnis und scheiden dann zwischen vollzogenem und nicht vollzogenem (was ohnehin besser klingt als aktuelle Akte aktuelle). 28-3g Die vollzogenen bis u.dgl. eingeklammert; vgl. als V. Beilage 60 31 „ S t e l l u n g n a h m e n " F. des Ich D 2i deutlicher F. vom Ich her Zu S. 264 d. Neuausg. Α ι Sinne F. der intentionalen Erlebnisse überhaupt 6ff. Rb. Es fehlt doch ein Herausheben der Setzung als ein besonderes Moment im intentionalen Erlebnis. 75/. Titel Neutralität F. trotz seiner Ausdehnung über das ganze Bewußtseinsgebiet 16 hatte ihren] hatte ja ihren 17 Potentialität F. doxischer Setzungen. 23f. nichtneutralisierte oder neutralisierte] positionale oder neutrale Zu S. 265 d. Neuausg. Α 28 vereinigten sinnlichen] vereinigten dunklen sinnlichen Zu S. 266 d. Neuausg. Α 14 neuartigen] neuen
J5 doxologische] doxische
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Zu S. 268 d. Neuausg. Α 3$ doch gestr. Zu S, 26g d. Neuausg. Α ι „intentionale Erlebnisse"] ,,intentionale" Erlebnisse 4-6 Im Vorbeigehen sagten wir oben ganz korrekt, Aktcharaktere überhaupt seien ,,Thesen"] Davon haben wir oben schon Gebrauch gemacht, Aktcharaktere überhaupt galten uns als ,,Thesen". -— Das Recht dieser Erweiterung gründet in der wesentlichen Analogie — außerdem zu oben Verweis auf S. 234, 237 5 zu Aktcharaktere Rb. Die Rede von Akt Charakteren als Thesen ist unpassend. 8f. Rb. Die Ausdrucksweise! 14 zu Setzungsarten Rb. Setzung ist doch nicht die ganze Noese, und wenn auch kein Stück, so doch ein abstrakt Hervorzuhebe 20 zu archontische Rb. Beilage < — Beilage 62> 22f. zu spezifischen ,»Aktcharaktere" Rb. Warum heißen sie spezifische Aktcharaktere ? Zu S. 2jo d. Neuausg. Α ii und zwar F. (hier liegt das Neue) 75 setzbar m. Blaust, in Anführungszeichen gesetzt 22 ,, Positionen"] Positionen Zu S. 272 d. Neuausg. Α ij Gemeintsein F. Aber dazu tritt nun freilich <der> besondere Vorzug des Doxischen: Objektivierung, um dessen willen doxischen Erlebnisse mit Recht die eigentlich objektivierenden genannt <werden>. Nämlich; C 32 Syntaktische] Synthetische aber auch Rb. synthetische? Zu S. 273 d. Neuausg. Α gff. Rb. m. Blaust. Synthesis des ursprünglichen Zeitbewußtseins 161 3off. am Rand Verweis m. Blaust, auf 5. 161 D gff. Rb. Zeitsynthese Zu S. 2J4 d. Neuausg. Α τ//. Rb. Beilage < = Beilage 62> D J5 Rb. Synthese wird im Weiteren meist gleichgesetzt mit Polythese. Zu 5. 275 d. Neuausg. Α 34ff. Schrägstrich am Rand. Vgl Beilage 64. Zu S. 2y6 d. Neuausg. D 38 Verweis auf Logische Untersuchungen, III. Band, <S.> 160. Zu 5. 277 d. Neuausg. Α 30 neutrales,] neutrales, z.B.
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Zu S. 2j8 d. Neuausg. Α i8f. „der Pseudo-Dionysius", F. oder in Negate 20 Syntaxen] Synthesen Zu S. 281 d. Neuausg. Α IO~14 Deleaturzeichen am Rand i$ff. Schrägstrich am Rand. Vgl. Beilage 65. Zu S. 283 d. Neuausg. Α 32f. bei urquellender Aktualität Rückverweis auf S. 253 37 zu es „fällt uns ein" Rb. Einfall, «welches sind> frühere Parallelstellen? Zu S. 28J d. Neuausg. Α 2j — /· 5., 5 Wellenlinie am Rand Zu S. 288 d. Neuausg. Α yff. am Rand Fragezeichen und Rb. Falsch. Das eigentliche Ausdrücken ist das Anpassen des Ausdrucks an das eigentlich Gegebene, Ausgedrückte (der < Unterschicht^). 31 zu Methode der Klärung Rb. m. Blaust, cf. § 67, p. 125 Β iof. leeren, bloß verbalen eingeklammert D 31 Rb. m. Rotst. § 67, Idee <der> Methode Zu S. 28g d. Neuausg. Α igjf. Rb. Da spielt etwas vom Fehler auf der vorigen Seite mit. 57 zu U n t e r s c h i c h t Rb. Sie ist oft und meist leer, also nur da in Form der Bedeutungsintention selbst. Zu S. 2go d. Neuausg. Α 2i~23 Rb. NB Zu S. 2gi d. Neuausg. Α 32 Fragezeichen am Rand Zu S. 2g3 d. Neuausg. Α ijff. Fragezeichen am Rand 23J. Rb. Das ist wohl nicht richtig. Zu S. 297 d. Neuausg. D 5 wirklich] „wirklich" 75 zu „Kerns" Rb. = gegenständlicher Sinn sowie m. Rotst. verwiesen auf S. 187ff., 208ff., 197 Zu S. 298 d. Neuausg. D xy Rb. Logische Untersuchungen III — {keine Seitenzahl angegeben) Zu S. 2gg d. Neuausg. Α 36 zu „noematischer Sinn" Rb. =a Materie im Sinne der Logischen Untersuchungen
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D 23 Kern F. im gegenständlichen Sinn 36 zu „noematischer Sinn" Rb. in den Vorlesungen: gegenständlicher Sinn Zu S. 300 d. Neuausg. D 26 „erinnerungsmäßig" gestr. 26ff. Rb. ausführlicher 209 Zu 5. 301 d. Neuausg. Α 5//. Rb. Beilage <=Beilage 66> 2of. bei von dem wir oben gesprochen haben Verweis auf 5. 269 oben Zu S. 302 d. Neuausg. D 23 „Akt", F. nicht nur eine unselbständige Aktphase 27 Kerne, F. gegenständliche Sinne dazu Rb. aber Kern und Sinn wird später geschieden, 273 Zu S. 303 d. Neuausg. Α 3/. zu „Gegenstand schlechthin" Rb. X 4f. zu „Gegenstand im Wie seiner B e s t i m m t h e i t e n " Rb. Χ (α, β, γ . . . ) 26f. Rb. Inhalt im zweiten Sinn (gegenüber Sinn) D ρ „Sinn" F. (gegenständlicher Sinn) Zu S. 304 d. Neuausg. Α i$ff. Rb. Sehr unvollkommen! Beilage! <=Beilage 6y> 2öf. zu zweiter Begriff von „Gegenstand im Wie" Rb. gegenüber: Χ (α, β, γ) 35 Rb. voller Kern D 4 s y n t h e t i s c h e n evsatzlos gestr. 6f. Rb. Das ist neu zu überlegen. J5 — /. 5., 2 § 132 bis Fülle eingeklammert; dazu Rb. Das wird nicht so bleiben können und (zu „Sinn"?) Dieser Begriff, so gefaßt, ist nicht haltbar. 16 Der Sinn] Der gegenständliche Sinn Zu S. 30$ d. Neuausg. Α 8-x$ Rb. Terminologische Änderung gegenüber den Logischen Untersuchungen. „Sinn oder Bedeutung" der Logischen Untersuchungen jetzt identifiziert mit Satz. D 3 Thetische und synthetische] Monothetische und polythetische 18 synthetische] polythetische Zu S. 306 d. Neuausg. Α 12 zu ein <.. .> Begriff von Erscheinung Rb. Ein Begriff von Erscheinungin Beziehung auf „Sinn". Hierher gehört wohl: die erscheinende Seite als „Erschei der betreffenden Merkmale des Ge und dem entsprechend der Gegenstand > ganz und gar als der, der da in der Seite und im Übrigen uns erscheint. D i2f. zu Erscheinung Rb. Apparenz 34 Sätze F. und der Apparenzen und der „Gegenstände selbst" in Anführungszeichen
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Zu S. 30J d. Neuausg. Α 13-15 Fragezeichen am Rand 25 zu Die analytisch-syntaktischen Operationen Rb. synthetische Operationen der analytischen Sphäre 27 Bestimmungsgehalt F. immer D 4 eingehenden F. variablen i6ff. Rb. Logische Untersuchungen IV 32f. synthetischen] polythetischen Zu S. 308 d. Neuausg. D 4 synthetischen] polythetischen Zu S. 30g d. Neuausg. Α 22ff. Rb. NB Zu S. 310 d. Neuausg. Α 34ff. Rb. Intersubjektivität in der Reduktion D 31 Rb. Apparenzen 32'ff, Rb. intersubjektive Konstitution Zu S. 311 d. Neuausg. D 6 entsprechen jedem Ding] e n t s p r e c h e n jedem Ding Zu S. 313 d. Neuausg. D 2jf. zu die noematisch „vermeinte" Identität des X „wirkliche" Identität Rb. nicht ganz korrekt und V. das noematisch „vermeinte" Identische des X „Wirkliches" Zu S. 316 d. Neuausg. Α 6-II statt Zu jedem bis „ v e r n ü n f t i g m o t i v i e r t " wäre korrekter: Zum Dingsinn, sofern er leibhaft erscheint, gehört die Setzung. Die Setzung als Setzung dieses Sinnes ist motiviert durch das leibhaft Erscheinen. Vgl. auch Beilage 68 Zu S. 31J d. Neuausg. Α i4f. eine „Fülle" in sich zu bergen] innerhalb des Vollkerns eine „Fülle" zu haben i6ff. Rb. cf. p. 15 sowie vgl. die Randbemerkungen im grauen ungebundenen > Jahrbuchexemplar <= in C> Vgl. auch Beilage 26 2gf. Wesen, im anderen um Individuelles] Wesen und Wesensverhalte, im anderen um I n d i v i d u e l l e s und individuelle Sachverhalte Vgl. auch Beilage 68 Β i4f. statt eine „Fülle in sich zu bergen die sachliche Besserung: innerhalb des Vollkerns eine Fülle zu haben i8ff. Rb. Widerspruch mit p. 15 Vgl. auch Beilage 26 C i8ff. Rb. Widerspruch der Terminologie mit S. 15 Vgl. auch Beilage 26 2gf. Rb. I. Eidetisches Sehen, II. Individuales Sehen 2iff. Rb. Oberster Gesichtspunkt: u n m i t t e l b a r e Evidenz: 1. Individuelles — 2. Wesen; m i t t e l b a r e Evidenz: 1. Individuelles evident als infolge der Setzung von anderem Individuellem, <2.> Übertragung von Wesensverhalten auf gegebene Fälle. Vgl. auch Beilage yo 36ff. Rb. 1. assertorisches Sehen, 2.
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apodiktisches Sehen als Einsehen des Seins eines Einzelnen auf Grund eines eidetischen (oder notwendigen) Seins Vgl. auch Beilage yo Zu S. 318 d. Neuausg. Α 2jf. Rb. Kreuzung sehender und einsehender, erfahrender und eidetischer (Evidenz mit der apodiktischen und assertorischen?) Vgl. auch Beilage 70 C 3ff. Rb. A) Wesensverhalt, B) Allgemeinheit? D 2ff. Rb. cf. S. 15 Zu S, 322 d. Neuausg. Β 35-37 und schließlich laufen alle Linien zurück zum Urglauben und seiner Urvernunft, bzw. zur „Wahrheit". Wahrheit ist offenbar das Korrelat] Alle doxische Wahrheit führt letztlich zurück zur Idee der absoluten ( = adäquaten) Wahrheit, der vollkommenen. Diese Wahrheit ist das Korrelat Vgl. Beilage yi C 35/. schließlich laufen alle Linien zurück zum Urglauben und seiner Urvernunft, bzw. zur „Wahrheit"] alle Wahrheit führt zuletzt zurück zur Idee der Urwahrheit. Zu S. 323 d. Neuausg. Α i$ der Wahrheit] der absoluten Wahrheit Β 3 zu entsprechenden Anm. Dem e n t s p r e c h e n d e n Glauben! = Es gibt eine absolute Evidenz (eine adäquate). Adäquate Wahrheit ist ein weniger guter Ausdruck; a b s o l u t e Wahrheit. Doch kann man ihn auch halten und sagen, die Adäquation besteht darin, daß sich die Wahrheit nach dem seienden Sachverhalt richtet. Das „es gibt" = das mathematische ,,es gibt". Vgl. Beilage yi Zu S. 324 d. Neuausg. Α 9 die Wahrheit] die doxoiogische (letztlich die Ur-)Wahrheit Zu S. 32y d. Neuausg. Α 3 bei Sinne Anm. Vgl. z.B. oben — (keine Seitenzahl angegeben) 13 im Zusammenhang] im anschaulich gewordenen Erinnerungszusammenhang Zu S. 33T d. Neuausg. Α i8f. unendliches, F. mehrdimensionales, Vgl. auch Beilage J2 Zu S. 332 d. Neuausg. Β 6 zu Idee Rb. vgl. im anderen Handexemplar (== eine radierte Bemerkung zu dieser Stelle in Α. Vgl. Beilage 75) Zu S. 334 d. Neuausg. Α 6 zu gewöhnlich Rb. Das hat Steinmann mißverstanden; als ob ich meine Theorie der Evidenz auch auf Urteile beschränken wollte.
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Zu S. 336 d. Neuausg. Α 28ff. zu Möglichkeit Rb. Das ist aber nur Möglichkeit im einen Sinn der Anmutlichkeit. Zu S. 340 d. Neuausg. Α 30 zu „dogmatisch" Anm. Vgl. I < = /. Abschnitt?>, S. — (keine Seitenzahl angegeben) Zu S. 34g d. Neuausg. Α ig Rb. Reflexion Zu S. 352 d. Neuausg. Α 25 Rb. intersubjektiv Zu S. 35g d. Neuausg. Α 55//. (zu 3j alle Bewußtseinsdeskriptionen gehörige?) Rb. Auch die Hyletik? ANHANG Husserls Randnotizen zum „Ausführlichen Sachregister" von G. Walther In Husserls Handexemplar D ist als Anhang auch das Ausführliche Sachregister von Gerda Walther abgedruckt. Die häufigen mit Rotstift vorgenommenen Unterstreichungen einzelner Stellen darin scheinen auf einen intensiven Gebrauch des Sachregisters hinzuweisen. Alle Eintragungen im Waltherschen Register hat Husserl, sofern nicht anders vermeldet, mit Bleistift vorgenommen. Im Folgenden werden sie in der Reihenfolge der Stichworte, auf die sie sich beziehen, wiedergegeben. Stichwort Analyse, Teil reelle Analyse: zur letzten Seilenangabe 265f. Rb. Bevorzugung reeller Analyse von der psychologischen Einstellung her Stichwort Anschauung: Rb. es fehlt kategoriale Anschauung als erweiterter Begriff von Anschauung p. 11 sowie Index fehlt bei der Walther sub Anschauung die kategoriale Anschauung 11 und dazu 260 unten Stichwort Einbildung: danach als neues Stichwort notiert Einfall: 255, 258 Stichwort Erlebnis, Teil immanente Einheit von Erlebnissen: Rb. Erlebnisstrom und immanente Zeit 163 Stichwort Explizieren: Rb. explizite Intentionalität 235 Stichwort Hintergrund, Teil Bewußtseins-Η, und reines Ich: statt der Seitenangabe 235 gibt Husserl an 235ff. Stichwort Ich, Teil Blick d. r. I siehe dort: verwiesen auf Ichblick Index 8 < = S. 8 des Waltherschen Registers, wo das Stichwort Blick verzeichnet ist> Stichwort phänomenologischer Idealismus, Teil Pro: Am Rand ein Frageund Ausrufezeichen Stichwort Intentionalität: Rb. explizite Intentionalität 235f. Stichwort Konstitution: Rb. intersubjektive Konstitution 279 Stichwort Modifikation: zu Beginn Rb. allgemeiner Charakter der Modifikation 215, 220
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Vor Stichwort Natur als neues Stichwort notiert Nähe (Gegebenheitsnähe) — Ferne 125 Stichwort Noema, Teil Def.: m. Roist. zugefügt die Seitenangabe 265 Stichwort Phänomenologie: Rb. Phänomenologie und erste Philosophie 121 sowie empirisch gerichtete psychologische Phänomenologie 171! Stichwort Psychologie: Rb. Psychologische Phänomenologie 171. Cf. 143, auch im Vorübergehen „immanent psychologisch" 180. 184 phänomenologische Reduktion für den Psychologen. Außerdem bei Teil P. u. Phänomenologie m. Rotst. zugefügt der Seitenverweis 105 Stichwort Realität: nach diesem Stichworttitel m. Rotst. eingefügt der Seitenverweis 6 Stichwort Reduktion: Rb. intersubjektive Reduktion 279 Stichwort Sinn: Rb. „gegenständlicher Sinn" 1881, 208, 272 Stichwort Synthese: Rb. Syntaktische Anschauung (kategoriale) 260 außerdem bei Teil Unterscheidung v. explikativer oder analytischer S. zu explikativ Rb. = bloße Explikation
II. MANUSKRIPTE ZUR NIEDERSCHRIFT DER IDEEN I A. TINTENMANUSKRIPTE* BEILAGE 1 5
ERGÄNZUNGEN AUS DEN ERSTEN AUSARBEITUNGEN2
<Mai 1912> In allen empirischen Aussagen kommen zum Ausdruck die Tempora. Z.B. Göttingen liegt an der Lahn. Die Rede ist vom jetzt seienden und in einer sich um das Jetzt herum ausbreitenden Dauer seienden Göt10 tingen. Und das Jetzt ist das aktuelle Tempus Präsens, das im Ist auch insofern zum Ausdruck kommt, als die Beschaffenheit als die dem Gegenstand in dieser Dauer zukommende gemeint ist, sich selbst über diese Dauer erstreckend. (Und das Jetzt ist die temporale Aktualität.) Göttingen war früher ein armseliges Nest. Da ist Göttingen evtl. ge15 dacht als das jetzige Göttingen, aber das nur in einer früheren (unbestimmten) Strecke seiner Dauer ein elendes Nest war. Dagegen Cäsars Gang über den Rubikon: das ist der gewesene Cäsar, dessen Gewesenheit ihren Sinn erhält durch die Beziehung zum erfahrenen (vom Urteilenden erfahrenen) Jetzt. 20 Die Tempora sind: ist jetzt, ist gewesen, ist sein werdend. Ebenso haben wir Ortsbestimmtheiten: ist dort, nach allen möglichen Raumrichtungen orientiert um das absolute Hier, das erfahrene Hier. Immer ist ein Erfahrungshof da, ein Raum-Zeitschema, das ein erfahrenes ist, das der Perzipierende und Urteilende sozusagen mit 25 sich herumträgt und das ihn wieder in gewisser Weise in sich trägt, sofern der Erfahrende sich selbst in das Jetzt und Hier als das seine setzt. Wie er das tut, das ist eine Frage für sich. Das Erfahrungsschema ist aber nicht leere Form ohne Inhalt. Das Jetzt und Hier und die darum sich gruppierende Umgebung ist immer30 fort erfüllt: ein originär räumlich-zeitlicher Horizont ist bestimmt als 1 Zu dieser und den folgenden Manuskriptbezeichnungen vgl. die ,,Einleitung des Hrsg", im 1. Halbband dieser Ausgabe, S. XXXIVff. — Anm. d. Hrsg. 2 Vgl. § 6 (und § 27) der Ideen I. — Anm. d. Hrsg.
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erfüllter; seine Fülle liegt in der aktuell erfahrenen Gegenständlichkeit und dem immerfort aktuell erfahrenen Leib, der das Hier in sich trägt und das Jetzt. Ebenso das aktuell erfahrene Erlebnis mit seinem aktuellen Jetzt und die aktuellen, wenn auch partiell unbestimmten 5 Retentionen und Erinnerungen. Soweit die erfahrene Fülle, die eigentlich anschauliche reicht, soweit ist der Horizont ein klarer und bestimmter. Darüber hinaus erstreckt sich aber ein dunkler und unbestimmter endloser Horizont. Und da ist es der Aufklärung bedürftig, wie sich das Hineinsetzen etwa eines Gegebenen, einer Wiedererinne10 rung oder Einfühlung in den Horizont vollzieht, wie etwa ein erinnerter Horizont, der selbst seinen Mittelpunkt und seine klare und dunkle Umgebung hat, hineinbezogen wird in den aktuellen Horizont. So bei den singulären und so bei den partikulären und universellen empirischen Urteilen, auch bei den Gesetzesurteilen der Naturwissen15 schaft. Die Allgemeinheit als empirische besagt das Immer und Überall, und das enthält als Orientierungspunkt das Jetzt und Hier. Empirisch-psychologische Urteile haben auch Beziehung auf einen, und nicht nur einen temporalen Erfahrungsmittelpunkt. Ich empfinde, ich urteile, ich fühle: jetzt. 20 Ich habe empfunden, ich habe geurteilt: soeben, in der früheren Vergangenheit etc. * Ich werde empfinden, urteilen etc. Ein anderer empfindet, urteilt etc. oder hat geurteilt etc. Diese Empfindungen, diese psychischen Phänomene sind bezogen 25 auf ein Subjekt, das sein aktuelles Jetzt in ihnen selbst bewußt hat, oder in bezug auf ein aktuelles Jetzt seiner aktuellen Erlebnisse ein psychologisches Vergangen oder Künftig bewußt hat. Andererseits bin ich, der psychologisch Urteilende, da und habe mein Jetzt und Hier, in bezug darauf mein Raum-Zeitschema, darin orientiert die fremden 30 Leiber und mittelbar auch die fremden Ich. Und das fremde Zeitschema hat Beziehung auf mein aktuell erfahrenes Zeitschema und RaumZeitschema und hat mit Beziehung darauf sein „gleichzeitig", sein einfühlungsmäßig gesetztes Jetzt, das als „gleichzeitig" gesetzt ist mit dem erfahrenen Jetzt, und sein Vergangen oder Künftig, die wieder 35 ihre relative Anknüpfung haben an mein Jetzt und meine originäre und erfahrene Raumzeitlichkeit. Die reine Setzung setzt eben reine Einzelheiten, und das sind nichts anderes als ideale Möglichkeiten, als Vereinzelungen von Ideen, die kein reales Dasein solcher Vereinzelungen implizieren. Die empirische Setzung aber setzt ein reales Dasein, 40 das der Einzelheit den Charakter der reinen benimmt und sie zur daseienden stempelt. Einmal vollzieht sich die Setzung im reinen Bewußtsein der Idealität, ohne daß darum eine Idee zum Gegenstandworüber würde, das andere Mal im Erfahrungsbewußtsein, das nicht bloß seinssetzendes, sondern ins Dasein versetzendes ist, also einen 45 bewußten Daseinsboden voraussetzt. An Beispielen können wir uns die Sache klar machen. Jede in Diesheit vorstellige Einzelheit, z.B. wenn ich sage Göttingen, Napoleon,
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dieser Tisch, ist als individuelles Dasein bewußt dadurch, daß das Individuelle bezogen erscheint auf das aktuelle hie et nunc, das der absolut notwendige, wenn auch fließende Orientierungspunkt alles individuellen Seins ist. Mich selbst finde ich im Jetzt und Hier, und von ihm 5 ist das Ich in seiner Seinsaktualität unabtrennbar. Alles individuell Vorstellige ist notwendig in dieser Vorstellung in bezug auf mich orientiert eben durch das Jetzt und Hier, in bezug auf welches es notwendig orientiert ist. Das Ich und sein aktuelles Jetzt und Hier ist dabei nicht Gegenstand-worüber, aber es ist notwendig mit bewußt. Alles, was 10 individuell gegenständlich ist, ist bewußt als dazu orientiert. Das Hier und Jetzt ist nicht ein Gedachtes, nicht ein indirekt, etwa gar durch Begriffe, Vorgestelltes. Indirekt vorgestellt ist das Hier und Jetzt, das ich in der einfühlenden Erfassung einer anderen Person ihr als ihren Grundpunkt der Orientierung zuschreibe. Aber den Anderen 15 selbst und alles, was ich in bezug auf ihn als orientiert vorstelle, kann ich nur vorstellen in Orientierung zu meinem unmittelbaren, sozusagen lebendigen Hier und Jetzt als meine Umgebung. Wir können das auch so ausdrücken: Jedes individuelle Objekt ist nur vorstellig als Objekt meiner, des Vorstellenden, U m g e b u n g . Das ist nur ein an20 derer Ausdruck dafür, daß jedes in Diesheit vorgestellte Individuelle notwendig Orientierung zum Mittelpunkt der Umgebung , zum Hier und Jetzt, das mit dem vorstellenden Ich notwendig ineins bewußt, und zwar originär bewußt, wahrnehmungsmäßig bewußt ist, erfahrungsmäßig. Das ist also das Grundstück alles Erfahrungsbewußt25 seins. So wie ich nichts erfahren, nichts in Diesheit setzen kann, ohne meinen Erfahrungsmittelpunkt, mein Hier und Jetzt und einen endlosen raum-zeitlichen Horizont, der selbst erfahrener ist, zu setzen, so kann ich nichts einbilden, ohne es in Beziehung sei es auf das erfahrene Hier und Jetzt und den Erfahrungshorizont, also das erfahrene Orien30 tierungsschema, sei es in bezug auf ein eingebildetes Orientierungsschema einzubilden. Bleiben wir beim Fall der Erfahrung bzw. bei dem des nach Erfahrung sich richtenden Erfahrungsurteils. Jedes singuläre Urteil über individuelles Sein setzt die singulären Vorstellungen, das ist diejenigen, 35 die in ihm Diesheit vorstellen, in sein Orientierungsschema als Erfahrungsschema hinein, das ist in das aktuell erfahrungsmäßig gesetzte Zeitschema und Raumschema. Sage ich, Göttingen liegt an der Lahn, so deutet das Tempus Präsens die Einordnung in die aktuelle Gegenwart, die durch meinen zeitlichen Orientierungsmittelpunkt gesetzte 40 und erfahrene Gegenwart, an. Göttingen ist vorstellig als ein dauerndes Sein, und die Dauer gruppiert sich um diesen Aktualitätspunkt herum und wird dadurch selbst zur wirklichen, als wirklich gesetzten Dauer. Sage ich, Carthago war eine phönizische Pflanzstadt, so ist es als Gewesenes gesetzt. Das Wort gewesen weist wieder notwendig auf das 45 aktuelle Jetzt hin, in bezug auf das Gewesenheit ihren Sinn erhält: Von meinem Jetzt aus habe ich den endlosen Horizont der empirischen Vergangenheit und habe ich ebenso einen endlosen Horizont empirisch
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gesetzter Zukunft, und in dieser Zeitumgebung liegt alles, wovon ich als individuelles, wirkliches und empirisch mögliches Sein spreche. Und ebenso in räumlicher Hinsicht. Alles Räumliche ist ein Dort zum Hier in dreidimensionaler Mannigfaltigkeit. Nur sofern zwischen meinen 5 Orientierungen und denen eines Anderen gewisse Austauschbeziehungen bestehen, die jeder von seiner Orientierung aus erfassen und erkennen kann, sofern ist Verständnis und ist intersubjektives Setzen und Urteilen möglich. Urteilen wir nun in u n b e s t i m m t e r Vorstellung, partikulär oder universell, so können wir die unbestimmten Vor10 Stellungen mit einem solchen Sinn vollziehen, daß wir die vorstelligen Gegenstände als zu dem a k t u e l l e n , erfahrenen Ich bzw. Orientierungsmittelpunkt gehörige, also dem empirischen Horizont zugehörige auffassen. Dann ist die U r t e i l s s e t z u n g eine empirische. Sagen wir, alle materiellen Körper unterliegen dem Gravitationsgesetz, so ist 15 gemeint, alle Körper, die jetzt sind oder früher waren oder künftig sein werden: Damit ist die Universalität bezogen auf die empirische Wirklichkeit, auf den durch meine aktuelle Existenz, durch mein aktuelles Jetzt und Hier vorgezeichneten und gesetzten, weil erfahrenen Horizont. Das gilt also bei allen Erfahrungsurteilen, mögen sie auch Ge20 setzescharakter haben und mögen die Gegenständlichkeiten-worüber, die im Gesetz völlig unbestimmt gelassen und beliebig sind, selbst keine Setzung erfahren. Ich sage nicht aus, daß es materielle Körper gibt, und die Existenz solcher liegt nicht, oder braucht nicht zu liegen, in dem Sinn des Satzes. Ich kann bloß meinen, was überhaupt ein ma25 terieller Körper ist, muß schwer sein. Und doch ist das Urteil ein empirisches, doch enthält es einen Wirklichkeitsboden: Er liegt in der empirischen Bewußtseinsweise, darin, daß ich die Allgemeinheit der Körpervorstellung auf diesen erfahrenen Horizont beziehe. Es ist eine Daseinssetzung vollzogen, die ich ausdrücken kann, wenn ich sage: 30 Nicht alle Körper schlechthin und überhaupt in reiner Allgemeinheit, sondern alle Körper der Wirklichkeit, nämlich der im Raum und in der Zeit als unendlich formaler Horizont liegenden individuellen Wirklichkeit, sind schwer. Dieser Horizont ist nicht ein rein gedachter, sondern ein durch mein erfahrenes Hier und Jetzt als Erfahrungshorizont 35 gesetzter und selbst erfahrener. Schalten wir aber das aktuelle hie et nunc aus als Beziehungspunkt der Orientierung für die unbestimmten vorstelligen Gegenständlichkeiten, durchschneiden wir gewissermaßen die Verknüpfung mit dieser fundamentalen Erfahrungssetzung und damit auch die Setzung des 40 aktuellen räumlich-zeitlichen Horizonts, so verbleibt bei diesen Gegenständlichkeiten ein „bloß" g e d a c h t e r Horizont. Und nun können wir in bezug auf diese bloße Idee eines räumlich-zeitlichen Horizonts in reinem Denken unbestimmte allgemeine Setzung vollziehen, z.B. wenn wir urteilen, alle Körper sind ausgedehnt. 45 Jedes Ausgedehnte untersteht hinsichtlich seiner Ausdehnung den geometrischen Gesetzen u. dgl. Ich sprach von allen Körpern, aber nicht von Körpern, die ich zum
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aktuellen Hier und Jetzt orientiere, als ob ich von meinem Hier aus mich zu ihnen hinbewegen, als ob ich von meinem Jetzt aus sie im Durchlaufen der Zeit finden könnte. Körper kann ich ohne Orientierung zum Jetzt nicht erfahren, aber ich kann sie imaginieren und finde sie 5 zu einem imaginierten Orientierungspunkt orientiert. Und ich kann nun erwägen, völlig frei von aller aktuellen Daseinssetzung, was zu einem Körper als solchem, wie immer er orientiert gedacht ist und ob er in der Erfahrung vorkommt und nachweisbar ist oder nicht und ob es in Wirklichkeit überhaupt etwas gibt oder nicht, was zu einem Kör10 per als Körper gehört, was seine Idee ausmacht, was ihm als Vereinzelung, als „rein" der Idee des Körpers <entsprechendem > zukommt und was nicht. So in allem rein chronologischen, rein geometrischen, rein arithmetischen Urteilen. Sprechen wir von jeder beliebigen Geraden, daß sie als Radius eines 15 Kreises genommen werden kann etc., so sind wir von aller Beziehung zum erfahrungsbewußten hie et nunc frei. Das hie et nunc, das uns dabei vorschwebt, ist selbst ideal.
BEILAGE 2 <EIDETIK DER NATUR UND EIDETIK DES GEISTES>
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<wohl Juni 1912> Wir knüpfen unsere Überlegungen an den (oben § 6) 1 ausgesprochenen Satz, daß jeder obersten echten (materialen) Gattung von empirischen Gegenständen, jeder Region von empirischen Gegenständen ein regionales Wesen entsprechen <muß> und demgemäß jeder regionalen empirischen Wissenschaft eine regionale Wesenslehre, eine Eidetik. In diesem Sinne entspricht, sagten wir, der empirischen Wissenschaft (oder dem einheitlichen Komplex empirischer Disziplinen), die sich auf die materielle Natur beziehen, die Ontologie der Natur, die ,,reine" (das ist eidetische) Naturwissenschaft, in einem gegenüber dem Kantisehen erweiterten Sinn. Gehen wir von der erfahrenen Natur aus, so ist sie zeitliche, räumliche, und spezifisch materielle Natur, und damit drücken sich offenbar Gruppen von Bestimmungen aus, die zu jedem Naturobjekt als solchem wesentlich gehören. Gehen wir nun zum reinen Wesen, zum Eidos über, so ergeben sich eidetische Disziplinen in bezug auf das Wesen von Zeit als solcher, bzw. von Zeitlichem als solchem, in bezug auf den Raum und Räumliches als solches; in bezug auf Raumzeitliches als solches erwächst die Idee der Bewegung, die ihrerseits zu eidetischen Untersuchungen Anlaß gibt. Endlich auf das volle Wesen materiellen, spezifisch ,,physischen" Seins, das mehr als Zeiträumlichkeit in sich schließt, obschon notwendig auch diese, er1
Vgl. Ideen I, § 9. — Anm. d. Hrsg.
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geben sich neue eidetische Sätze, wie sie Kant unter dem Titel reine Naturwissenschaft im Auge hatte (bzw. Metaphysik der Natur). Also eidetische Chronologie, Geometrie, Phoronomie, Physik gehören hier zusammen als Wissenschaften, die zur „Idee" der Natur gehören, der Natur im engeren Sinn der physischen Welt. In eben dieser Weise hatte den empirischen Geisteswissenschaften, zunächst der empirischen Wissenschaft vom individuellen Geiste, eine Eidetik entsprochen, also der empirischen Psychologie eine rein rationale. Ob diese viel oder wenig mit der rationalen Psychologie des 18. Jahrhunderts zu tun hat, geht uns hier nichts an und desgleichen nichts die Kritik, die Kant an der letzteren übte. Wovon wir hier sprechen, ist ja eine in sich klare und verständliche Sache, eine Wesenslehre des Geistes in g e n a u dem Sinne, in dem die Geometrie eine Wesenslehre des Raumes ist: also nicht mehr und nicht weniger als diese „metaphysisch*'. Ist mit dieser Idee wirklich eine inhaltsreiche Wissenschaft bezeichnet, so eröffnen sich natürlich auch Aussichten auf wissenschaftstheoretische und wissenschaftspraktische Folgen für eine methodische Rationalisierung der empirischen Psychologie, analog denjenigen, die physische Naturwissenschaft der Neuzeit erfahren wird. So wie die nomologische und nomologisch erklärende physische Naturwissenschaft unserer Zeit in der Gruppe eidetischer Disziplinen, die zur reinen Idee der Natur gehören, die Quelle ihrer Rationalität findet, und wie sie sich aus diesen Quellen schöpfend mindestens in großen Gebieten über die niedere Stufe physischer „bloß beschreibender" Naturkunde und Experimentallehre zur Stufe rationaler Wissenschaft erheben konnte, genau so wäre es zu erwarten, daß durch Ausbildung der eidetischen Psychologie für die empirische Quellen der Rationalität erschlossen würden, wodurch letztere zu einer höheren Wissenschaftsstufe, zu einer in einem guten Sinn rationellen bzw. zu einer zu rationeller Erklärung befähigten Wissenschaft würde. Zur Erläuterung sei noch angemerkt, daß auf selten der physischen Natur uns die Chemie in ihren Anfängen und die medizinische Therapeutik die niedere Stufe illustrieren können, die „theoretische" oder „rationelle" Physik (wie sie früher genannt zu werden pflegte) die höhere, und ebenso die aus der rationellen Physik erklärende Naturhistorie, wie Mineralogie (soweit sie wirklich erklärt).
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Es bedarf jetzt einer wichtigen Unterscheidung im Gebiete der Gegenständlichkeiten im weitesten Sinne, welche sich spiegelt in einer fundamentalen Bedeutungsunterscheidung (oder „rein-grammati-
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sehen*' Unterscheidung) zwischen syntaktischen Formen und syntaktischen „Stoffen" oder „Substraten". Damit zeigt sich eine radikale Sonderung der analytischen Kategorien an, und zwar in syntaktische Kategorien und Substratkategorien. 5 Unter syntaktischen Gegenständlichkeiten verstehen wir solche, die aus anderen Gegenständlichkeiten durch syntaktische Formen (oder schlechthin ,,Syntaxen") abgeleitet sind. Die diesen Formen entsprechenden Kategorien nennen wir syntaktische Kategorien. Solche Kategorien sind Sachverhalt, Relation, Einheit, Vielheit, Anzahl, 10 Ordnung usw. Wir können die hier statthabende Wesenslage auch so bezeichnen: Jeder Gegenstand, sofern er explizierbar, auf andere Gegenstände beziehbar, kurz logisch bestimmbar ist, nimmt verschiedene syntaktische Formen an. Es konstituieren sich als Korrelate des bestimmenden Denkens Gegenständlichkeiten höherer Stufe, 15 Beschaffenheiten und beschaffenheitlich bestimmte Gegenstände, Relationen zwischen einem Gegenständlichen und anderem Gegenständlichem, Vielheiten von Einheiten, Glieder von Ordnungen, Gegenstände als Träger von Ordinalzahlbestimmungen usw. Ist das Denken prädikatives, so erwachsen schrittweise Ausdrücke und zugehörige 20 apophantische Bedeutungsgebilde, welche diese Gegenständlichkeiten mit ihren syntaktischen Formen eben in der Weise der Bedeutungen im Medium ihrer syntaktischen Bedeutungsformen spiegeln. Syntaktische Gegenständlichkeiten können, wie Gegenständlichkeiten überhaupt, abermals als Substrate syntaktischer Gebilde fungieren, diese 25 wieder usw. Umgekehrt weist jedes solche Gebilde evidenterweise auf letzte Substrate zurück, auf Gegenstände erster und unterster Stufe, also auf Gegenstände, die nicht mehr analytisch-kategoriale Gebilde sind, also in sich selbst nichts mehr von jenen ontologischen Formen enthalten, welche . . . . l sind. Die Gegenständlichkeiten überhaupt tei30 len sich also logisch ein in absolute Substrate und syntaktische Gegenständlichkeiten, wobei die letzteren notwendig absolute Substrate als syntaktische Stoffe ihrer syntaktischen Formen enthalten. In Relation zu den Substraten nennen wir die syntaktischen Gegenständlichkeiten auch ,,bloße logische Ableitungen". Wo wir von Substraten schlecht35 hin sprechen, sollen immer absolute Substrate gemeint sein, es sei denn, daß ausdrücklich von relativem Substrat gesprochen wird.
1 Gemäß § 11 zu ergänzen: ,,bloße Korrelate der Denkfunktionen (Zusprechen, Absprechen, Beziehen, Verknüpfen, Zählen usw.)". — Anm. d. HTsg.
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ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929) BEILAGE 4
SELBSTVERSTÄNDIGUNG ÜBER MEINEN GANG IN DEN IDEEN1
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Die erste Betrachtung ist naiv. Denn die erkenntnistheoretischen Probleme gehen ja die Möglichkeit einer Geltung der Erfahrung ebensowohl als die der transienten Anschauung jeder Art an. Das Transzendenzproblem wird zuerst gestellt als Tatsachenproblem. Es wird aber alsbald zum eidetischen Problem. Das muß ja nachher in der erkenntnistheoretischen Betrachtung selbst ausgeführt werden. Die naive Betrachtung muß also in ihrer erkenntnistheoretischen Naivität begrenzt sein. Die Betrachtung läßt sich wohl ohne einschneidende Änderung so halten. Naiv beginne ich mit der Gegenübersetzung von TatsachenWahrheiten — eidetische. Und ebenso Erfahrung und eidetische Erschauung bzw. Wesenseinsicht. Ich steige so auf zur Parallelisierung von eidetischer Wissenschaft von der Natur und vom Geiste und darin von Phänomenen. Nun Wendung gegen den N a t u r a l i s m u s . Er bestreitet die Ideen überhaupt und das reine Denken überhaupt. Wir können einsehen, daß das widersinnig und leichtfertig zugleich ist. Jede Art gebendes Bewußtsein hat sein Recht. Daß ich sehe, ist der letzte Erkenntnisquell. Nicht meine ganze Ausführung vorher liegt „vor aller Philosophie", oder mindestens nicht in jedem Sinn. Sondern so liegt die Sache: a) Solange ich nichts von Erkenntnistheorie weiß, solange ich naiv bin, kann ich im allgemeinen so argumentieren, daß ich sage: die Eigenheit eidetischer Erkenntnis bestreiten, das ist Vorurteil. So gut ich der Erfahrung traue und trauen muß, so gut auch dem reinen Denken. Ich brauche keine Philosophie als vorgegebene Philosophie, um diese Betrachtung anzustellen. Ich kann hinsichtlich aller Philosophie von Mißtrauen erfüllt sein und sie ihren Weg gehen und stehen lassen und mache mir klar: was ich sehe, das sehe ich. Ich mache mir klar: Eine Behauptung ist keine leere Behauptung, wenn sie sich nach Erfahrung richtet; und Erfahrung hat Kraft, solange nicht Gegenerfahrungen sprechen. Ebenso: eine Behauptung, die sich berechtigt durch bloßes Klarmachen des „Sinnes" (oder die dadurch als widersinnig charakterisiert ist), hat Recht (bzw. Unrecht). Und es gibt solche Aussagen; sie prinzipiell bestreiten, ist widersinnig. Das ist eine Art Argumentation, wie ich sie in den Prolegomena gegeben habe. Ich kann auch einsehen: Der „Einsicht" folgen, ist das Prinzip aller Prinzipien. Und Einsicht ist Urteilen aufgrund der Gegebenheit, sich ihr unmittelbar anmessend. 1
Als Vorbereitung zu ihrer Abfassung niedergeschrieben.
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b) Wenn ich mich in diesen Streit einlasse, so muß ich nun sagen: das ist ein erkenntnistheoretischer Streit. Und dem Allgemeinsten nach ist er entschieden, sofern ich auf das Sehen und seine Kraft hinweise, und sehend es selbst feststelle. Aber die Erkenntnistheorie selbst 5 ist damit nicht geleistet. Und was hierher gehört: Wenn ich von einer rationalen Naturwissenschaft und rationalen Psychologie spreche und ihre Möglichkeit behauptet habe, auch die Möglichkeit einer rationalen Arithmetik, rationalen Geometrie, so unterliegt das eben dem Streit, ob hier wirklich die „gebende Anschauung" spricht; und wenn sie 10 spricht, wieweit sie trägt und ob sie wirklich soweit trägt, diese Disziplinen zu ermöglichen. Da liegen ja die Probleme: Kann ein Ding „gegeben5*, selbst originär gegeben sein? Kann die „Idee** eines Dings gegeben sein? Es kann nur Immanentes gegeben sein und somit auch Wesen von Immanentem. Also wie ist Erfahrung möglich? Wie ist 15 Naturerkenntnis möglich, wie reine geometrische Erkenntnis? Etc. Also soll ich hier in die Erkenntnistheorie eintreten ? Das widerspricht meinem Gang. Ich will doch nicht durch die erkenntnistheoretische Problematik hindurch zur Phänomenologie führen. 20 Ich muß also im Stande der Unschuld bleiben. Wie kann ich das? Nun, einfach so, daß ich eben die Argumentation nicht über den Boden des naturwissenschaftlichen Chauvinismus hinausführe, über den Boden der Naivität. Und wohl noch dazufüge: Man treibt tatsächlich eidetisches Denken und läßt es tatsächlich 25 im naturwissenschaftlichen Zusammenhang gelten, und hinterher reflektiert man darüber und will es nicht anerkennen. Zum Teil infolge von außen her hineingekommener philosophischer Vorurteile. Insbesondere wären noch einige Sätze folgenden Inhalts einzufügen: Die1 Geometrie ist das große Instrument der Naturwissenschaft. De 30 facto verfährt sie nicht empirisch — begründet sie nicht durch Beobachtung und Versuch. Etwa Experimente in der Phantasie? Unsinn. Oder sagt man: „In der Erfahrung der Menschengeschlechter, in der bisherigen vorwissenschaftlichen Erfahrung hat sich ein Schatz von geometrischen Erfahrungen angesammelt, dem ich nur Ausdruck 35 gebe"? Aber die Wissenschaft begründet doch nicht durch vorwissenschaftliche, sonder wissenschaftliche Erfahrungen. Die vage empirisch allgemeine Erinnerung, daß Körper fallen, gibt keinen physikalischen Satz: zumal auch Körper steigen. Ich mache Beobachtungen und Experimente. Ich erfahre nach wissenschaftlichen Methoden. Aber wie in 40 der Geometrie ? Etc. Oder: wo sind die wissenschaftlichen Erfahrungen arithmetischer Sätze etc.?
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Vgl. dazu § 25. — Anm. d. Hrsg.
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Die1 Naturwissenschaft ist groß geworden dadurch, daß sie den philosophischen Skeptizismus beiseite geschoben hat. Ich sage, beiseite geschoben, und nicht: überwunden. Denn die skeptischen Probleme hat sie nicht gelöst, und die Art der Reaktion gegen den 5 Skeptizismus, so berechtigt sie ist, so geeignet sie , seinen Widersinn herauszustellen, ist doch noch nicht diejenige, die die Probleme löst, die durch ihn gestellt sind, und die Motive befriedigt, die in ihm ihren Auftrieb entfalteten. Die Naturwissenschaft hemmt den Fortgang wissenschaftlicher Erkenntnis, wenn sie den Skeptizismus nur 10 hinsichtlich der Erfahrung beiseite schiebt und nicht hinsichtlich des Eidetischen. Und wenn sie das Eidetische nur unter einer falschen empirischen Flagge in ihre Methode einschmuggelt. Denn dadurch verschließt sie uns, oder hemmt sie den Eingang in große eidetische Gebiete: diejenige, die nicht durch den Zwang der Intention ihrer 15 eigenen Methode gefordert sind in der physischen Natur (der klassischen Stätte der Naturwissenschaft), bzw. die durch den antiken Platonismus vorgebildet waren. Lassen wir also vollbewußt das Eidetische gelten, so haben wir freie Bahnen für eine rationale Psychologie und darin Phänomenologie: 20 zunächst freie Bahn für die eidetische Grundlegung der Psychologie. Der Weg erfordert also auch diese Ausführung und die ausdrückliche Betonung, daß der Vernunftwille, der gebenden Anschauung und speziell der Erfahrung folgen, nicht ausschließt, daß die Möglichkeit der Erfahrung große Dunkelheiten hat und schwierige Probleme, und 25 vielleicht auch die Möglichkeit eidetischer Anschauung. Und daß hier Motive liegen, das klar Gegebene wegzudeuten und so den Gang der objektiven Erkenntnis zu verwirren. Man kann sich aber zunächst auf das Prinzip der Gegebenheit stützen (als Grundprinzip der Methode) und einfach der Folge möglicher empirischer und eidetischer Diszi30 plinen nachgehen. Die Fortführung der Betrachtung liefe dann so, daß ich zunächst noch näher erörterte die eidetische Reduktion. Um rein eidetische Wissenschaft zu gewinnen und in jedem Schritt und vor allem im Anfang sicher zu sein, daß wir nichts faktischer Wissenschaft mitführen; 35 auch sicher zu sein vor Mißdeutungen, die das Eidetische von vornherein etwa in Faktisches umgedeutet haben, vollziehen wir prinzipiell „eidetische Reduktion". Darunter auch Ausschaltung des Ich als Faktum.
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Zu diesem Absatz vgl. § 26. — Anm. d. Hrsg.
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BEILAGE 5
Über das Verhältnis von rationaler Psychologie und Phänomenologie 5 muß ich mich sehr vorsichtig äußern. Es muß ausdrücklich gesagt werden, daß der Sinn meines Ausschlusses rationaler Psychologie nur der ist, daß ich das Ziel einer Erforschung der psychischen Realität, der Idee des Geistes und des dem Geiste Zugehörigen als solchen ausschließe und das „Bewußtsein" und die 10 Bewußtseinsphänomene rein nach ihrem eigenen Wesen und nach ihren Wesensbeziehungen erforschen will, ohne zu fragen, was sie zu Erlebnissen von Geistern macht, bzw. ohne diese Frage als Leitfrage zu stellen. Es mag sein, daß Erlebnisse nicht denkbar sind ohne Geister1: dann 15 muß das aus dem Wesen der Erlebnisse selbst hervorgehen. Wie überhaupt Phänomenologie und rationale Psychologie zueinander stehen, das bleibt von vornherein offen. Obschon man gleich sieht, daß die Wesenslehre der Erlebnisse sich in die rationale Psychologie einordnen muß, wofern wir nur die Idee des Geistes in allgemein20 ster Weise nehmen. Es fragt sich auch bei der Idee des Geistes (Nus), wie sie zu begrenzen ist. Ob wir
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Nein, das ist nicht das Wesentliche.
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ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929) BEILAGE 6 <ENTWURF EINER EINLEITUNG ZU DEN IDEEN I>
Das Ziel der nachfolgenden Überlegungen ist eine Emporleitung zur 5 Idee der reinen Phänomenologie, dieser erst jüngst zum Durchbruch gekommenen Grundwissenschaft der Philosophie und Psychologie. Einer solchen Emporleitung bedarf es gar sehr. Denn das eigentümliche Forschungsgebiet der Phänomenologie liegt nicht innerhalb des endlosen Erkenntnishorizontes, den die n a t ü r l i c h e E i n s t e l l u n g des 10 forschenden Blickes auf reales Sein umspannt. Innerhalb dieses Horizontes liegt alle Naturwissenschaft, alle Wissenschaft von räumlichzeitlich zu bestimmendem Dasein, von physischem und psychischem. Auch alle wissenschaftlichen Disziplinen, welche gleich der reinen Geometrie, reinen Zeitlehre, reinen Bewegungslehre und so überhaupt 15 der ,,reinen Naturwissenschaft" sich auf das Wesen (die reine Idee) der Natur überhaupt beziehen, also die Wahrheiten erforschen wollen, ohne welche reales Sein (sei es physisches oder psychisches) nicht gedacht werden kann, reichen höher, wie weit oder eng wir übrigens den Rahmen solcher Erkenntnis spannen mögen. All diese 20 Wissenschaften sind auf objektives Sein, auf Realität gerichtet, sie gehen als Wissenschaften der „natürlichen" Einstellung auf reale Sachen und nicht auf Phänomene im Sinne der reinen Phänomenologie. Wenn sie überhaupt, wie das von der Psychologie statt hat, auf Phänomene von Sachen gehen, so doch nicht auf ,,reine" Phänomene (son25 dem auf reale Phänomene), die vielmehr erst durch eigentümliche Reduktionsprozesse erwachsen, und das aufgrund von Reflexionen und Urteilsausschaltungen, die apriori, also notwendig, in Ansehung jedweder Gegenständlichkeit zu vollziehen sind. Es bedarf methodisch geleiteter Überlegungen, um die Möglichkeit, den Sinn und Zweck 30 solcher „phänomenologischen Reduktion" zur Evidenz zu bringen und damit das Arbeitsfeld der reinen Phänomenologie, dieser gegenüber allen,,natürlichen" Wissenschaften völlig neuartigen, aber auf alle sich beziehenden und sie ergänzenden Wissenschaft, zu gewinnen. Reine, transzendentale Phänomene sind nicht einfach aufzuweisen, es genügt 35 nicht für sie eine bloße Hinwendung des Blickes und allenfalls eine gewöhnliche Abstraktion bzw. Ideation, wie das für Gegenstände der natürlichen Erkenntnissphären der Fall ist. Damit ist zugleich gesagt, daß reine oder transzendentale Phänomenologie in dem hier behandelten Sinn von aller Psychologie scharf 40 unterschieden ist. In der deutschen Psychologie und Philosophie unserer Tage ist Phänomenologie ein beliebtes Wort. Man pflegt darunter aber zu verstehen eine Analyse der Bewußtseinsgestaltungen und der ihnen immanenten Phänomene im Rahmen der unmittelbaren inneren Erfahrung. Eine solche Phänomenologie wäre freilich nichts radikal 45 Neues, sondern die selbstverständlich unerläßliche Grundschicht aller
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empirischen Psychologie. Alle psychologische Erfahrungserkenntnis führt ja zurück auf die unmittelbaren Erfassungen psychischer Erlebnisse, die der Psychologe in seiner „Selbsterfahrung" vollzieht. Findet man einen Mangel der bisherigen Psychologie darin, daß sie es an einer 5 hinreichend umfassenden und systematischen Durchführung unmittelbarer Erfahrungsanalysen habe fehlen lassen, so würde die Bestätigung dieses Mangels doch auf keine p r i n z i p i e l l neue Wissenschaft, sondern höchstens auf eine fundierende Sonderdisziplin der gegebenen führen. Wir hier wollen die Position begründen, daß es gegenüber dieser psy10 chologischen Phänomenologie, die alle solche immanenten Deskriptionen des in psychologischer Erfahrung zu Gebenden umspannt, einer gewissen „reinen" oder transzendentalen Phänomenologie bedarf, mit der uns prinzipiell neuartige Erkenntnisse zuwachsen, die trotz aller Verwandtschaft mit den psychologischen und trotz aller Bedeutung, 15 die sie für eine radikale Begründung der letzteren beanspruchen, von der Psychologie prinzipiell abzusondern sind. Diese reine Phänomenologie nennen wir auch transzendental, weil alle echten transzendentalphilosophischen Probleme durch sie allein endgültig zu formulieren und zu lösen sind. Das peinliche Unbehagen, das jedermann empfinden 20 muß, der von den objektiven Wissenschaften (denjenigen der natürlichen Einstellung) mit ihren klaren Problemen und Methoden in das Dunkel der Vernunftkritik und Philosophie herabsteigt, hat seine Quelle darin, daß die für ein reinliches und klares Erfassen der vernunftkritischen und metaphysischen Problematik grundwesentliche Än25 derung der Einstellung mit der Reduktion auf das reine Phänomen nicht vollbewußt und in radikaler Reinheit vollzogen wird und so zunächst nicht vollzogen werden kann. Erst mit der Etablierung der reinen Phänomenologie gewinnt die Vernunftkritik und Philosophie ihre vollkommene innere Klarheit, ihre sichere Absonderung, ihre Frei30 heit von allen sie widersinnig verkehrenden Einmengungen des ,,Psychologismus" und des „Naturalismus" jeder Art. Erst durch sie wird es verständlich, warum alle Wissenschaften der natürlichen Einstellung, wie vollkommen ihre Ausbildung auch sein möge, notwendig „dogmatisch" sein müssen oder, was dasselbe ist, 35 daß sie ihrem Wesen nach eine Dimension von Problemen (die vernunfttheoretischen) offen lassen, die außerhalb ihrer eigentümlichen Domäne liegen; oder, was recht verstanden wieder dasselbe besagt: warum sie einer transzendentalen „Kritik" bedürfen, die etwas prinzipiell Verschiedenes ist von jeder im Rahmen der natürlichen Einstel40 lung zu vollziehenden Kritik. Indessen, mit all dem rühren wir an Interessen, die wir zunächst ausschließen wollen. Für die jetzige Art der Emporleitung zur Phänomenologie fassen wir den Vorsatz, alle Philosophie auf sich beruhen zu lassen. Wir rechnen mit dem verbreiteten Mißtrauen gegen Philoso45 phie, mag es übrigens, und in welchen Grenzen immer, berechtigt sein oder nicht. Insbesondere wünschen wir gerade diejenigen, die ihren Stolz daransetzen, aus dem Felde menschlicher Erkenntnisbemühun-
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gen alle „Metaphysik" auszuschalten oder, was für sie auf dasselbe hinauskommt, in prinzipieller Vorurteilsfreiheit zu forschen, zu einer unbefangenen Hingabe an unsere Darlegungen zu bestimmen. Sie mögen sich davon überzeugen, daß wir der Forderung vollkommenster Freiheit von jederlei Vorurteilen nicht nur zustimmen, sondern sie so radikal verstehen und erfüllen, wie sie kein Positivist je zu erfüllen vermöchte. Das Gesagte beträfe zunächst unsere Stellung zu all dem, was bisher Philosophie hieß und Daseinsrecht als Wissenschaft oder Weltanschauung beanspruchte. Es sei für uns k e i n e r l e i Philosophie vorgegeben, und am besten sprächen wir überhaupt nicht von Philosophie, oder höchstens in Parenthese. Unser einziges Interesse sei die Aufweisung der neuen Wissenschaft, die wir reine Phänomenologie nannten, mag sie mit sogenannter Philosophie viel oder wenig zu tun haben. Was überhaupt neben oder gegenüber den natürlichen Disziplinen einerseits und der Phänomenologie andererseits noch Philosophie heißen und sein könne, das wollen wir erst nachher überlegen und dann auch zusehen, ob nicht Interessen höchster Erkenntnisdignität, eben der philosophischen, an der Ausbildung der Phänomenologie hingen. Niemand bestreitet, daß jede Wissenschaft ihr eigenes Recht habe, ganz abgesehen von den ihr äußerlichen Motiven, die ihre Ausbildung wünschenswert erscheinen lassen, und von jederlei praktischem Nutzen, den sie hinterher haben mag. So wollen wir also jetzt im ersten Hauptteil dieser Arbeit nichts anderes tun, als einen Weg beschreiben, auf dem es evident wird, daß alle Erkenntnis sich der Stufenordnung natürlicher und phänomenologischer Einstellung fügt, und daß mit der letzteren sich ein prinzipiell eigenartiges Forschungsgebiet eröffnet, das somit zur Domäne einer eigentümlichen Wissenschaft werden muß mit eigentümlichen Methoden. All die übrigen berührten Fragen erörtern wir im zweiten Teil.
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Es sagt also, daß solange eine Wissenschaft der Vernunft und eine Wissenschaft vom Sein in jedem Sinn, z.B. in dem der Natur, sich als 35 Wissenschaft nicht etablieren kann, ohne daß das Gebiet spezieller Analysen in wissenschaftlich korrekter Weise durchgearbeitet ist, mit dem wir anheben. (Von einem berühmten Philosophen sind mir wiederholt Äußerungen über die Phänomenologie des Inhalts zu Ohren gekommen, es handelt sich da um ganz nützliche, aber in dieser Subtilität 40 übertriebene Spezialarbeit. Natürlich, geklärte Begriffe braucht jeder Philosoph. Aber die wird jeder im Zusammenhang seiner Arbeit und seiner Bedürfnisse sich schon selbst besorgen. Auf die großen Probleme der Vernunftkritik, der naturwissenschaftlichen Methode u. dgl. heiße
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es die Kräfte zu spannen und nicht im Kleinen hängen bleiben. So ähnlich möchten die in ihrer Zeit hochgeehrten Professoren und Geheimräte der Alchemie, Astrologie, Naturphilosophie usw. sich dereinst, und oft genug, über die kleinliche Spezialarbeit eines Galilei ge5 äußert haben. Geistreiche Männer waren es ja auch, reich an Gedanken, und ihren Schriften hat man in neuerer Zeit sogar wieder einige Berechtigung angedeihen lassen. Aber wir stehen darum doch auf Seiten Galileis und der strengen Naturwissenschaft. Es wird sich ja auch in unserem Fall bald herausstellen, ob die Phänomenologie aus 10 bloßer Andacht im Kleinen erwachsen ist, oder ob sie sich nicht höchster Ziele rühmen und diese in wissenschaftlicher Weise auch zu fördern vermag.) Im übrigen, auch ohne große Horizonte wird eine gewisse und nicht unbedeutende Nützlichkeit mindestens für begrenzte erkenntnistheo15 retische und psychologische Problemsphären Sachkundigen sehr bald aufleuchten, und so hoffe ich, daß der eine oder andere die Mühe einer ernsten Verarbeitung des im Nachfolgenden Dargebotenen nicht scheuen wird, die unerläßlich ist, wenn das Ziel eines wirklichen Verständnisses desselben erreicht werden soll. 20
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Die Psychologie ist eine Erfahrungswissenschaft, und darin liegt, bei der Bedeutung, die das Wort Erfahrung in dieser Verwendung hat, <ein> Doppeltes: 1) Sie ist eine Wissenschaft von Realitäten. Die Phänomene, die sie als psychologische Phänomenologie behandelt, sind reale Vorkommnisse, die als solche, wenn sie individuelles Dasein haben, sich wie die zugehörigen realen Subjekte der Einheit der Welt, als der omnitudo realitatis, einordnen. 2) Sie ist Tatsachen Wissenschaft (Tatsache im Humeschen Sinn eines matter of fact). Demgegenüber werden, um es vorweg anzudeuten, die reduzierten Phänomene charakterisiert werden als irreal: die Reduktion „reinigt" die realen Phänomene von dem, was sie als reale Phänomene, als Bestandstücke der Welt kennzeichnet. Die transzendentale Phänomenologie ist also keine Wissenschaft von Realitäten. Diese Reduktion ist die spezifisch transzendentale. Fürs Zweite: Die Phänomenologie ist keine Tatsachenwissenschaft, sondern eine eidetische Wissenschaft, eine Wissenschaft, die ausschließlich „Wesenserkenntnisse", Erkenntnisse des „reinen" Denkens und nicht Fakta feststellen will. Die zugehörige Reduktion ist die eidetische, die Änderung der Einstellung, die vom Singulären und „empirisch Allgemeinen" zum Eidos bzw. zur reinen Allgemeinheit (der unbedingten Allgemeinheit, die in der Anwendung auf Singuläres ihm den korrelativen Charakter der apodiktischen Notwendigkeit verleiht) überführt.
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Wir heben an mit der Beschreibung der natürlichen Einstellung, und wir vollziehen sie in der Weise, daß wir die allgemeinen Arten der Einstellung und die zu denselben gehörigen Vorfindlichkeiten generell besprechen und in einigen rohen Linien verfolgen. Wir gehen aus von der erfahrenden Einstellung, die am genauesten dem Titel „natürlicher" Einstellung entspricht, sofern sie die Erkenntniseinstellung auf die „Natur" ist. Allgemein können wir sagen: Erkenntnis, auf welche Gegenständlichkeitssphäre sie sich beziehen mag, ist, wie bekannt, unmittelbar oder mittelbar. Das sagt: Erkenntnisse, als Urteile, die einen, sei es auch vielleicht beschränkten Rechtsgrund haben, schöpfen ihr Recht entweder unmittelbar aus einem seinserfassenden, „gebenden" Akt, etwa so wie ein Wahrnehmungsurteil unmittelbar „ausdrückt" (bzw. auseinanderlegt und ausdrückt), was in einem Wahrnehmen als wirklich ,,gegeben" ist; oder sie ziehen ihr Recht aus einem schließenden Prozeß, der seinerseits bei der Frage nach dem Recht seiner „Prämissen" zuletzt auf unmittelbar gebende Akte zurückweist. Offenbar bestimmt danach die Art unmittelbarer Anschauung das Erkenntnisgebiet: Jede Grundart von „gebenden" Akten bestimmt ideell einen Umkreis möglicher Gegenständlichkeiten bzw. einen Umkreis von möglichen Erkenntnissen, die in so gearteten „gebenden" Anschauungen Rechtsgründe finden können, und damit begrenzt sich in weiterer Folge die sachliche Einheit einer Wissenschaft bzw. ein Umkreis zusammengehöriger wissenschaftlicher Disziplinen. Die erste und sozusagen natürlichste Art gebender Anschauungen ist die „Erfahrung". In ihr sind wir „natürlich" eingestellt — auf die N a t u r . Doch machen wir uns etwas bestimmter deutlich, was in erfahrender Einstellung vorgefunden wird. BEILAGE 9 <EKFAHRUNG UND ERFAHRUNGSWISSENSCHAFT GEGENÜBER WESENSFORSCHUNG UND BEWUSSTSEINSFORSCHUNG2>
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In der natürlichen Geisteshaltung steht uns die seiende Welt vor Augen, eine Welt, die sich endlos in Raum und Zeit ausbreitet. Sie 1 2
Ygl. § 1 (und § 27). — Anm. d. Hrsg. Vgl. das 1.-3. Kapitel des II. Abschnitts. — Anm. d. Hrsg.
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besteht aus einer endlosen Fülle von Dingen, mannigfaltig gestaltet und qualitativ geartet, bald sich bewegend, bald ruhend, bald sich qualitativ verändernd oder sich unverändert erhaltend, aufeinander Wirkungen übend und solche voneinander erleidend. In diese Welt, 5 die unmittelbar für uns da ist, in fragloser Selbstverständlichkeit existierend, ordnen wir uns selbst ein. So wie sie finden wir uns selbst unmittelbar und ganz selbstverständlich inmitten dieser Welt vor. Das Inmitten besagt hier eine ausgezeichnete Stellung, leiblich und geistig finden wir uns nämlich als ein Beziehungszentrum, zu dem die übrige 10 Welt die Rolle der ,,Umgebung" spielt. Zwar die Umgebungsobjekte mit ihren Beschaffenheiten, Verhältnissen, Veränderungen usw. sind, was sie sind, für sich; sie haben aber eine zu uns gehörige räumlichzeitliche Orientierung, nach hier und dort, nach rechts und links, vorwärts und rückwärts, nach nah und fern. Ebenso nach jetzt und dann 15 und vorher, nach zeitlich näher und ferner. Um das Jetzt und Hier gruppiert sich eine engere Umgebung als unmittelbar wahrgenommene, als unmittelbar gesehene, gehörte, getastete usw., bzw. als unmittelbar als gewesen gegebene, als etwas, das „soeben" gesehen, irgendwie wahrgenommen war und das, obschon nicht mehr wahrgenommen, 20 noch im Bück ist, noch im Griff als das unmittelbar Gewesene. Mit den wirklichen Wahrnehmungen und Retentionen verflicht sich dann das Spiel wechselnder vergegenwärtigender Anschauungen, von mannigfachen Wiedererinncrungen, mit denen uns frühere Wahrnehmungen bzw. Wahrgenommenheiten „wieder bewußt" werden, von 25 veranschaulichenden Vergegenwärtigungen, in denen wir uns, den in den anschaulichen Gegebenheiten liegenden Leitfäden folgend, selbst nicht Gegebenes und gegeben Gewesenes, sei es auch als Möglichkeiten und Vermutlichkeiten, anschaulich machen. Von der ersten Umgebung schreiten wir so zu immer neuen Umgebungen, in der festen Ordnung 30 der Räumlichkeit und Zeitlichkeit fortschreitend. Auch die Zukunft der Welt tritt dabei zu uns in Beziehung, zunächst durch die unmittelbar vorblickende Erwartung, die mit unmittelbarer Wahrnehmung verflochten ist, und dann durch antizipierende Veranschaulichungen dessen, was künftig Gegenwart bzw. künftig wirkliche, mögliche, ver35 mutliche Wahrnehmung bieten wird, bieten könnte. Über diese niederen Bewußtseinsbeziehungen zur Welt, über die der schlichten Erfahrung, bauen sich aber auch höhere auf; denkend, begreifend, urteilend, schließend gewinnen wir auf dem Grunde der Erfahrung ein ihren Bereich umspannendes, aber ihn übergreifendes 40 Wissen. Dazu kommen die vielartigen emotionalen Akte, mit denen sich neue Beziehungen herstellen, wir schätzen das Angenehme und Unangenehme, wir werten als nützlich und unnützlich, als moralisch gut und böse, wir greifen handelnd in die Welt ein usw. In dieser selben Welt finden wir neben unserem auch andere Ich, mit 45 anderen „Leibern", vielerlei Menschen und Tiere, „beseelte" Wesen, die wie wir zu der uns allen gemeinsamen Welt analoge Beziehung haben, jeder ein Ich mit einem Jetzt und Hier, Beziehungszentrum für
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eine Umgebung, die für jeden eine andere ist. Jeder hat seine Erlebnisse, seine Wahrnehmungen, Erinnerungen usw., einen Bereich unmittelbarer und mittelbarer Erfahrung, einen Bereich des Wissens, aber alles bezogen auf die eine, allen gemeinsame räumlich-zeitliche 5 Welt. Alle Dinglichkeiten dieser Welt sondern sich aus in zwei Klassen, in bloß physische Dinge und in Leiber. Die letzteren dadurch ausgezeichnet, daß sie einerseits selbst physische Dinge sind, daß sie andererseits aber zugleich Träger sind für mancherlei Leibes-,,Empfinden" und in höherer Stufe von mancherlei geistigen Erlebnissen, von 10 Anschauungen, Urteilen, Gefühlen, Wollungen, mittels deren sie sich auf sich selbst und auf die Umwelt beziehen. Zwischen den physischen Zuständen des Leibes und all seinen „psychischen" Erlebnissen bestehen dabei gewisse funktionelle Zusammenhänge, die zwischen Reiz und Empfindung usw. 15 So stellt sich die Welt dem natürlichen Auffassen dar, und zunächst vor aller Wissenschaft. Auf die so schon aufgefaßte Welt beziehen sich dann die mannigfachen Erfahrungswissenschaften. Die physische Naturwissenschaft beschäftigt sich mit den physischen Tatsachen, mit allen Dingen, soweit sie physische Beschaffenheiten haben, unter Ab20 sehen von allem „Geistigen", die Psychologie und Psychophysik beschäftigen sich mit den „psychischen Phänomenen", mit den Erlebnissen erlebender Wesen und Leibern, sofern sie Träger von „Seelischem" sind. Alle Erfahrungswissenschaften beziehen sich auf die Welt, in die wir 25 hineinsehen, die wir überhaupt erfahren. Mag die Weltauffassung der Wissenschaft sich noch so sehr entfernen von derjenigen der vorwissenschaftlichen Erfahrung, mag sie auch lehren, daß Sinnesqualitäten bloß subjektiv sind, daß die Dinge in den oder jenen Hinsichten nicht wirklich so sind, wie sie uns in unmittelbarer Erfahrung erscheinen: es 30 bleibt doch dabei, daß uns die unmittelbare Erfahrung die Dingwelt gibt, die Naturwissenschaft uns theoretisch bestimmt. Alle Wirklichkeitsurteile der Naturwissenschaft beziehen sich auf die erfahrene Natur. Sie gehen von den erfahrungsmäßig gegebenen Dingen und Dingbestimmungen und gründen sich in ihrem ganzen weiteren 35 Forschen auf Erfahrung. Sie überschreiten das unmittelbar Erfahrene, sofern sie über die Sphäre wirklicher Erfahrungsgegebenheit hinausreichen, und auch in dem Sinn, wie jede theoretische Bestimmung hinausreicht über sinnliche Erscheinung: andererseits ist ihr Feld doch nichts anderes als die eine einzige Natur, die, wie weit sie über das 40 Gebiet unmittelbaren Erfahrens hinausreicht, dasselbe doch auch umspannt, die das Gegebene besser und anders bestimmt, aber doch sein wahres Sein bestimmt. Es ist also dieselbe Natur, in der wir uns schon vor der Wissenschaft finden, die uns beständig und unmittelbar anschaulich umgibt, über die wir im gemeinen Leben reden, wieviel un45 vollkommener die Alltagsbestimmungen gegenüber den theoretischen der Naturwissenschaft auch sein mögen. Wir können uns nun denkend, und zuhöchst wissenschaftlich den-
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kend, in doppelter Richtung betätigen: Entweder wir verbleiben in natürlicher Einstellung, wir beteiligen uns an der Arbeit der Weltwissenschaften und erforschen als Naturforscher, desgleichen als Psychologen, als Soziologen, Historiker usw. die ,,gegebene" Wirklich5 keit. Oder aber wir üben hinsichtlich des D a s e i n s dieser gesamten Welt, der physischen wie geistigen, absolute Epoche, stellen uns also ganz heraus aus dem System der Naturwissenschaften und ihrer sämtlichen, und sei es noch so primitiven oder noch so begründeten Erkenntnis, ganz wie wenn wir hinsichtlich aller Skeptiker wären, und bewegen 10 uns ausschließlich in der Domäne reiner Wesenserforschung. Solche Wesensforschung können wir richten auf all das, was uns in der natürlichen Erkenntnissphäre als gegeben entgegentritt: überall die Faktizitat eben ausschaltend und das rein Wesensmäßige erwägend. Wir können also erforschen das Wesen von Raum und Zeit, das Wesen von 15 materiellem dinglichen Sein, das Wesen von physischer Natur überhaupt. Ebenso das Wesen von leiblichem Sein, das Wesen von leiblich getragener Geistigkeit, in allen zugehörigen und einsehbaren (zu Wesensgegebenheit zubringenden) Artungen und anderen Besonderungen. Ebenso auf das Wesen aller Gestaltungen geistiger Erlebnisse, auf das 20 Wesen von Wahrnehmen, von Dingwahrnehmen, Leibwahrnehmen, Geistwahrnehmen, von Wahrnehmen psychischer Erlebnisse usw., auf das Wesen der verschiedenen Artungen von Vergegenwärtigungen und so überhaupt auf das Wesen des Erfahrens von Erfahrbarem der oder jener Gegenständlichkeitskategorien. Desgleichen auf das Wesen des 25 Denkens und des im Denken Gedachten als solchen, das Wesen von Urteilen und Urteil, von Schließen und Schluß, von Beweisen und Beweis usw. können wir unsere Forschung richten, auf das Wesen aller Gemütsarten, auf die Korrelationen von Werten und Wert, von Wille und Handlung usw. So überhaupt auf alles Psychische, auf alle „Akte", 30 auf all das, was sie wesensmäßig, nach Gattungen und Arten, die in Wesensschauung erfaßbar und adäquat fixierbar sind, in sich selbst enthalten und was sie intentional als Korrelate verschiedener Stufe und verschiedener Dignität in sich bergen; und immer ohne mindeste Rücksicht darauf, ob singuläre Einzelheiten solcher Wesen wirklich 35 erfahren worden sind, ob sie in „der" Welt wirklich vorkommen, und was für solche Faktizitäten seinerseits dann bestehen und gelten mag. Dagegen gehört natürlich ganz in den Forschungskreis die Frage, was das wesensmäßig besagt: es sei etwas wirklich erfahren, es seien alle dergleichen Vorkommnisse der Welt „dagewesen", ak „bestehend", 40 „wirklich existierend" begründet. Wesensforschungen haben ihre natürlichen Zusammenhänge, sofern die erforschten Wesen solche haben, und zwar als Wesen haben. Jeder reine Wesenszusammenhang besagt hinsichtlich entsprechenden möglichen einzelnen Seins absolute Notwendigkeit, unbedingte Allgemeingültigkeit der Verknüpfung der 45 den Wesen entsprechenden Bestimmungen. Darin liegt die philosophische Bedeutung der reinen Wesenslehre, wofern sie in dem gehöri-
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gen, durch die Wesen vorgezeichneten Gesamtzusammenhang systematisch durchgeführt wird. < . . . >x Nämlich: Die ontologischen Wesen der Art wie die Zahlen, die Urteile und überhaupt die Gestaltungen der logischen Bedeutungen, wieder die Gestaltungen des Raumes, der Zeit, der reinen Bewegung, der reinen Dinglichkeit usw. lassen sich erforschen ohne in Erwägung zu ziehen, wie das Wesen etwa von Zahl und Zählen, von Urteil und Urteilen, von Schluß und Schließen zusammengehört, und wieder wie Raum und räumliches Anschauen, Ding und Dingerfahren usw. zueinander stehen. Demnach treten Arithmetik, reine Logik, reine Mannigfaltigkeitslehre, reine Raumlehre usw. als o b j e k t i v e Disziplinen auf, bei denen man an nichts weniger zu denken hat als an Psychologie oder an Wesenslehre von Psychischem. So steht es mit der Unterlage an Wesenserkenntnissen, welche die physische Naturwissenschaft, um exakte Wissenschaft sein zu können, erfordert. Ganz anders steht es, wenn wir das Bewußtsein selbst und seine Gestaltungen der Wesensforschung unterwerfen wollen. Das Wesen des Bewußtseins ist es, Bewußtsein „von etwas" zu sein, und das Wesen dieses Etwas ist nicht beziehungslos zum Wesen des Bewußtseins von ihm. Das Bewußtsein ist nicht eine Schachtel, ein gleichgültiges Behältnis gegenüber dem, wovon es Behältnis ist, das man beliebig herausnehmen und wieder hineinstecken könnte. Das Etwas ist ja auch nicht in einem echten Sinn etwas in dem Bewußtsein, und vor allem ist das Phänomen Wahrnehmung von einem Ding etwas seinem Wesen nach anderes wie Wahrnehmung eines Geistigen, und Wahrnehmung von einem Haus etwas anderes als Wahrnehmung von einem Baum usw. Dasselbe gilt von jederlei Bewußtsein hinsichtlich seiner Korrelate. Es ist gar keine Rede davon, daß man eine Phänomenologie der Wahrnehmung etablieren könnte, ohne auf das Wesen des Wahrgenommenen und auf das, was in diesem Wesen als Dingwesen, als Geistwesen etc. liegt, Rücksicht zu nehmen. Alle Wesenseigentümlichkeiten des Wahrgenommenen sind Titel für Wesensforschungen des Wahrnehmens. Eben damit hängt es zusammen, warum die Psychologie so viel mehr Affinität zur Phänomenologie und Philosophie hat als die physische Naturwissenschaft und sogar als die Wissenschaften der reinen Mathesis und der realen Ontologie, die doch selbst Wesenslehren sind und sich somit dem System aller Wesenslehren (das in der Tat ein Zusammenhang ist) einordnen. Sowie man, um die Psychologie als strenge Wissenschaft zu ermöglichen, das Bewußtsein überhaupt und nach allen seinen Grundgestaltungen wesensmäßig erforscht, ist man eo ipso genötigt, die Wesenskorrelate dieser Gestaltungen mit zu erforschen, und damit erblickt man eo ipso die transzendentalphilosophischen Probleme, die Probleme der „transzendentalen Deduktion", die eben durchaus Wesenszusammenhänge zwischen Bewußtseins1
Hier fehlt im ursprünglichen Blattzusammenhang ein Blatt. — Anm. d. Hrsg.
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eigentümlichkeiten und Eigentümlichkeiten von Bewußtseinskorrelaten angehen und mit der allseitigen Erforschung dieser Zusammenhänge ihre vollkommene Erledigung finden müssen. Natürlich ist es eine andere Frage, wie weit empirische Wirklichkeitsinteressen, wie sie die 5 psychologischen sind, das wirkliche Eintreten in diese Problemgruppen erfordern: obschon selbstverständlich, daß es im Interesse der Wissenschaft hier wie auf naturwissenschaftlicher Seite hegen wird, daß die Sphäre des Apriori unbekümmert um die praktischen und empirischen Interessen einer systematischen und möglichst vollständigen Behand10 lung unterzogen wird.
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Ob man nun von transzendentalphilosophischen bzw. metaphysischen Interessen getrieben wird oder von Interessen psychologischer Wissenschaft: es ist leicht zu sehen, daß der Wesensforschung des Bewußtseins eine gewisse Ordnung vorgezeichnet ist, ohne daß doch eine gewisse Wahrheit des Wortes vom unvermeidlichen Untersuchen im Zickzack aufgehoben wäre. 1, Ist man etwa geleitet von Absichten auf eine „Theorie der Erf a h r u n g " , so besagt das für uns, die wir die radikalen Probleme und die allein echten, von allem mythischen Ballast befreiten im Auge haben, offenbar Folgendes: Naturwissenschaft, soll sie wirklich exakte Wissenschaft sein, höchsten Anforderungen gerecht werden können, bedarf als Norm der Einsicht in die Bedingungen der Möglichkeit von Wissenschaft überhaupt, und zwar zunächst in objektiver Hinsicht. Das besagt, sie bedarf einer reinen Logik, erweitert zur reinen formalen Mathesis, und Mannigfaltigkeitslehre: wie jede Wissenschaft. Sie bedarf aber als Wissenschaft von der Natur der Einsicht in die Bedingungen der Möglichkeit einer Natur überhaupt, das ist des Wesens von Natur überhaupt, mit anderen Worten einer Ontologie der Natur, mit einschließend die Wesenslehre von Raum, Zeit und reiner Bewegung. Das ist aber nicht eine ,,Theorie der Erfahrung", sondern eine Theorie, die das Wesen des Seins überhaupt und erfahrbaren Seins überhaupt und rein für sich betrachtet entwickelt. Im eigentlichen und echten Sinn zielt „Theorie der Erfahrung" auf nichts anderes als auf eine zu den Quellen reiner Wesensschauung zurückgehende Erforschung des s c h l i c h t e r f a h r e n d e n Bewußtseins und dann in höherer Stufe des auf Erfahrung sich gründenden , , V e r s t ä n d e s " b e w u ß t s e i n s (oder wissenschaftlichen Bewußtseins), wodurch in allen methodischen Schichten der Erfahrungserkenntnis das Wesen der Geltung gegenüber dem der Nichtgeltung, der empirischen Begründung gegenüber der Entgründung zu letztem Verständnis kommt und damit zugleich der notwendige Zusammenhang zwischen Wesen (oder „Sinn") des erfahrbaren Seins und des Erfahrens und Erfahrungsdenkens selbst. Es handelt sich, könnten wir kurz sagen, darum, das sich Beurkunden der Gegenstände möglicher Erfahrung in eben dieser Erfahrung zu voller Wesenseinsicht zu bringen.
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Das sind die Probleme der „Möglichkeit" der Erkenntnis, die eo ipso die Probleme des „Ansich" des Erkenntnisgegenstandes in Beziehung auf die Erkenntnis umspannen. Um nun solche Probleme zu lösen, wird man selbstverständlich zunächst auf eine Phänomenologie der Erfahrungserkenntnis niederster Stufe, also zuletzt auf eine Phänomenologie der schlichten Erfahrung und Anschauung überhaupt sowie ihrer Wesenskorrelate verwiesen. la) Auf eben dasselbe wird man aber verwiesen, von welchen transzendentalen Aufgaben sonst man zunächst ausgehen mag, sei es von den Aufgaben einer Phänomenologie der Denksphäre und ihrer Bedeutungskorrelate (und welcher Korrelate dieser Sphäre sonst) oder von den Aufgaben der Gemütssphäre in ihren verschiedenen Schichten. Denken weist uns zurück auf Vorstellen, auf Anschauen oder Leervorstellen dieser oder jener Art. Ist das Denken auf Wesensgegenständlichkeiten gerichtet, so werden wir auf Schauen von Wesen zurückgeführt, und dieses wieder hängt so nah mit Anschauen im gewöhnlichen Sinn zusammen, daß ohne Klärung des letzteren auch das Wesen des ersteren und so des Denkens selbst in vollkommener Weise nicht erzielt werden kann. 2. Und endlich auch wenn wir statt von irgendwelchen transzendentalen vielmehr von p s y c h o l o g i s c h e n I n t e r e s s e n unsere Antriebe erfahren haben, so werden wir doch sehr bald darauf aufmerksam, daß Bewußtsein überhaupt ein Stufenbau ist und daß, allgemein zu reden, die unteren Stufen in der Wesenserforschung vorangehen müssen derjenigen der höheren. Anschauen und alles ihm verwandte schlichte Vorstellen aber gehört zum Bewußtsein unterer Stufe. Freilich, einiger Einschränkung bedarf das Gesagte. Es ist nicht so, daß, was wir zunächst anschauen nun (woran wir alle unter diesem Titel denken, ist: Wahrnehmen, sich Erinnern, bildlich Anschauen, Phantasieren) schon Bewußtsein im allerinnersten und allermeisten Sinn ist, in das wir vielmehr von solchem Anschauen ausgehend allererst durch eigentümliche Reflexionen eindringen müssen. Aber vom Standpunkt der natürlichen Einstellung, den wir als phänomenologische Anfänger alle teilen, in der ihr geläufigen inneren Reflexion (inneren Erfahrung), ist sie das Erste in der Bewußtseinsordnung, und so haben wir mit ihr zu beginnen. Alle Problemantriebe, die einer Phänomenologie zustreben, verlangen also von uns als erstes eine Phänomenologie der empirischen Anschauung und der ihr unmittelbar wesensverwandten Erlebnisse.
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E r k e n n t n i s geht auf Gegenstände, und Erkenntnis selbst (ideah'ter gesprochen natürlich jede) kann Gegenstand der Erkenntnis werden. Erkenntnis ist ein Bewußtsein, ist ein Titel für mannigfache Bewußtseinsgestaltungen, Wahrnehmungen, Erinnerungen, Erwartungen, Denkakte etc., zu deren reellem und intentionalem Gehalte mancherlei 10 Daten (oder Dabilien) gehören wie Empfindungsdaten, Auffassungscharaktere, Bedeutungen, Phantome, Sehdinge usw., die wir als zur jeweiligen Erkenntnisweise des Gegenstandes gehörig vorfinden, wissenschaftlich analysieren, beschreiben können und die wir sämtlich als Bewußtseinsdaten im weitesten Sinne bezeichnen. Stellen wir über15 haupt gegenüber Gegenstand und Gegenstandsbewußtsein, so rechnen wir auf der letzteren Seite alle Bewußtseinsdabilien mit, die im Bewußtsein vom Gegenstand, welcher Art immer es sei, vorfindbar sind. Die 1 Erforschung irgendwelcher (wahrhaft seiender) G e g e n s t ä n d e ist offenbar etwas Verschiedenes von der Erforschung des Bewußt20 seins, wirklichen und möglichen, das sich auf solche Gegenstände bezieht. Gibt das zur Sonderung von Wissenschaften Anlaß, etwa dadurch, daß wir exklusiv scheiden zwischen Gegenständen im engeren Sinn (solchen, die nicht Bewußtsein sind bzw. Bewußtseinsdaten, mit denen, durch die Bewußtsein sich auf Gegenständliches bezieht) und 25 Bewußtsein selbst ? Man2 wird hier zunächst sagen: Bewußtsein ist Sache der Subjektivität und gehört in die Psychologie. Psychologie zwar ist nicht bloß Wissenschaft vom Bewußtsein, sie ist Wissenschaft von der Seele, vom Geiste, sie handelt von Personalität, Charakteranlagen, erworbenen 30 Dispositionen usw. Aber ist Bewußtsein ohne Geist, ohne Bewußtseinssubjekt denkbar? Jedenfalls kommen wir auf die Scheidung zwischen Psychologie und nichtpsychologischer Wissenschaft. Indessen3, eine fundamentale Scheidung werden wir durchführen müssen, die ihre Quelle hat nicht in verworrenen, spekulativ philoso35 phischen Motiven, sondern in schlichten, völlig klaren Gegebenheiten, nämlich die zwischen reinem oder transzendentalem Bewußtsein und realem Bewußtsein im Sinne der Psychologie als Naturwissenschaft. Dieser Scheidung läuft parallel diejenige zwischen d o g m a t i s c h e r 4 und p h ä n o m e n o l o g i s c h e r Wissenschaft bzw.5 zwischen dogma40
ι Zur Ausarbeitung! Zur Ausarbeitung! 3 Zum folgenden Absatz vgl. § 62. — Anm. d. Hrsg. 4 Dogmatisch weiter zu nehmen als kosmologisch! 5 Zur Ausarbeitung! 2
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tischer Erkenntnisstellung und phänomenologischer. Sobald das Erkenntnistheoretische (das Vernunfttheoretische überhaupt) maßgebend ist, das von vornherein keineswegs leitend sein muß für alle diese Unterscheidungen, enthüllt sich die bezeichnete Wissen5 schaftsscheidung als solche zwischen1 Wissenschaften, die einer Kritik, einer vernunfttheoretischen Auswertung, Aufklärung bedürfen, die sie aus sich selbst heraus zu liefern nicht imstande sind, und andererseits der Wissenschaft, die jede vernunfttheoretische Frage, die an sie (wie an jede Wissenschaft) zu stellen ist, aus <sich> selbst heraus beantwor10 tet, die also keiner außerhalb ihrer eigenen Domäne liegenden „Kritik" fähig und bedürftig ist. Mit anderen Worten: Die phänomenologische Wissenschaft, die abgesehen von allen vernunfttheoretischen Problemen zu konstituieren ist als Wissenschaft vom reinen Bewußtsein, erweist sich auch als die von diesen Problemen geforderte Wissenschaft, 15 und ihr gegenüber sind alle anderen Wissenschaften dogmatisch und bedürfen einer durch Phänomenologie und nur durch sie zu leistenden „Kritik". Erkenntnistheoretisch haben wir den Gegensatz von Sachen und Erkenntnis der Sachen, d.h. theoretisches Vernunftbewußtsein über 20 die Sachen. Allgemeiner vernunfttheoretisch: Sache (Gegenstand überhaupt) und auf die Sache bezogene Vernunft (vernünftige, rechtmäßige Stellungnahme). Es scheiden sich Urteile über Sachen und Urteile über das Recht von Stellungnahmen über die Sachen. Die Erforschung des Vernunftbewußtseins führt aber auf die Erforschung des Wesens 25 des Bewußtseins überhaupt, und zwar auf diejenige des reinen Bewußtseins im Sinne der Phänomenologie. BEILAGE 11 PHANSISCH UND ONTISCH; REELL ENTHALTENES, IDEELL ENTHALTENES; AKTCHARAKTER UND STOFF (PRIMÄRER INHALT)2
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Eine große Rolle spielt die fundamentale Unterscheidung der Phänomene im Sinne der Phänomenologie als der cogitationes nach ihren phansischen und ontischen Daten. 35 Jede wesensmäßige Erwägung der Phänomene kann diese doppelte Richtung haben, sie kann das Phänomen wesensmäßig analysieren und deskribieren nach seinen phansischen Komponenten und andererseits die vermöge dieser Komponenten bewußten ontischen Korrelate her1 2
Zur Ausarbeitung! Vgl. §§ 84-85. — Anm. d. Hrsg.
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ausheben und evtl. als Ideen für sich hinstellen: Ideen, die Korrelatideen sind, sofern zu ihnen idealiter Ideen von Phänomenen mit phansischen Komponenten „gehören", die aber, wie es die Art von Ideen überhaupt ist, an sich erwogen und nach ihrer idealen Konstitution 5 immanent analysiert und nach idealen Gesetzen beschrieben werden können. Sofern Bewußtsein unter Normen steht und es von ihm heißt, daß es auf wahrhaft Seiendes, wirklich Seiendes (in gültiger Weise, in normalem Bewußtsein) gerichtet ist, und in diesem Sinne „triftig", haben 10 wir auch „wirkliches" Sein, haben wir „wirkliche" Onta als ontische Korrelate gewisser Bewußtseinsarten. Den Ideen dieser wesensmäßig zu charakterisierenden Phänomene bzw. Phänomenzusammenhänge entsprechen dann Ideen von hyparchontischen Onta als Korrelatideen. Man kann sagen: Die idealen Zusammenhänge herauszustellen, die 15 zwischen Bewußtsein und Sein schlechthin (ov, das ist hyparchontisches Sein) bestehen, und dabei die sämtlichen idealen Zusammenhänge herauszustellen, die zwischen phansischen Wesenskomponenten der Bewußtseinsarten ihren verschiedenen ontischen Korrelaten bestehen, und mit Rücksicht darauf die Wesenszusammenhänge her20 auszustellen, die speziell die ideale Beziehung von Bewußtsein auf gültiges Sein jeder Grundart , das ist die Aufgabe der Lehre von der K o n s t i t u t i o n . Ontische Korrelate sind: Gegenstand und Sachverhalt schlechthin und als Vermeintheitskorrelat verstanden; Gegenstand und Sachverhalt „im Wie", Erscheinung, eigent25 lieh und uneigentlich Erscheinendes als solches, Klarheitsunterschiede, attentionale Unterschiede etc; auch Unterschiede zwischen „Gegenstand" (Inhalt) und Charakter etc. Phansische Komponenten sind die Modi der Spontaneität, das sich Zuwenden, sich Richten auf usw. I. Für die Unterscheidung von phansischen und ontisch-idealen 30 Daten ist Folgendes von Wichtigkeit: Der Ausgang ist der von den vollen cogitationes, etwa der vollen konkreten Gesamtwahrnehmung, die ich jetzt habe. Dieses Ganze ist eine Phansis, und phansisch nennen wir alle reellen Teile derselben bzw. alle reellen Bestimmtheiten derselben. Und in 35 idealer Erwägung: die ihnen entsprechenden Ideen, z.B. die Idee Wahrnehmung, die Idee aufmerkender Zuwendung, die Idee der Auffassung usw. Ihnen stehen g e g e n ü b e r alle Gegenständlichkeiten, auf die sich die Phansen in irgendeiner Weise beziehen, von denen sie in irgendeiner Weise Bewußtsein sind und die rein aufgrund ihres Wesens 40 durch entsprechende „Einstellung", „Blickrichtung" aus ihnen entnommen und als zu ihnen wesensmäßig zugehörig erfaßt werden können. II. Wir können fragen: Was ist die Wahrnehmung in sich selbst, was für Komponenten hat sie, was für innere Prädikate, die sie als das 45 Seiende, das sie ist, konstitutiv bestimmen. Wahrnehmung ist eine Einheit des inneren Bewußtseins, als das ist sie ein Dauerndes, in ihrer Dauer sich Veränderndes und hat wie jedes zeitliche Objekt ihre Zeit-
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fülle und ihre zeitlich-einheitlichen Beschaffenheiten. Wenn wir in dieser Richtung beschreiben, so beschreiben wir phansisch. Also bei der sogenannten „äußeren Wahrnehmung": daß sie einen gewissen Bestand an Empfindungsinhalten einschließt, daß diese Empfindungsinhalte in gewisser Weise bewußt sind, nämlich nicht Zielpunkte der Richtung-auf sind, daß sie Träger von Auffassungen sind, durch welche in der Wahrnehmung im gewöhnlichen Sinne der Gewährung die Zuwendung-auf hindurchgeht, daß je nachdem gewisse Auffassungslinien durch die beseelende Zuwendung ausgezeichnet sind, andere nicht usw., gehört hierher. Auch dies, aber nicht mehr rein: daß Wahrnehmung Gewahrung von einem Gegenstand, Bewußtsein von ihm ist. Ebenso, daß die Empfindungsinhalte gegenständliche Momente darstellen usw. Da beschreiben wir zugleich die Korrelate und die Beziehungen der immanenten Momente, in denen Korrelate, oder durch welche sie bewußt sind, und die Korrelate, die da bewußt sind. Wir können sagen: Bei dieser Gegenüberstellung ist maßgebend (und war für mich immer maßgebend) A) der Unterschied zwischen Reellem und Ideellem, letzteres gemeint als nicht reelles Korrelat. Wenn wir Wahrnehmung, wenn wir eine Phansis überhaupt beschreiben, so scheiden sich uns überhaupt B) adäquat zu erfassende Gegebenheiten, 1 die durch reine Wesensanalyse, also apriori aus dem Gesamtwesen des Phänomens zu entnehmen sind. Es scheidet sich uns im adäquat Gegebenen das „reell Gegebene", „reell Enthaltene" und das ideell Gegebene, als bloß ideales Korrelat „Enthaltene", was besagt, nicht enthalten im eigentlichen Sinn, eben dem reellen. Daß die Tischwahrnehmung Wahrnehmung von dem Tisch und so wie sie ist, Wahrnehmung von dem Tisch in einer bestimmten Orientierung ist, in der er sich von einer gewissen Seite zeigt, daß er als so und so geformt, gefärbt erscheint usw., das ist, wofern ich nur getreu ausdrücke, als was der Tisch da erscheint und „wie" er erscheint und nicht über das in dieser Wahrnehmung selbst Erscheinende hinausgehe, eine zweifellose Wahrheit. Rein Gegebenes wird beschrieben, und so für jedes Bewußtsein. Aber nicht der erscheinende Tisch, seine erscheinenden Merkmale, seine erscheinende Orientierung usw. (und zwar genommen nicht als wirkliche Wirklichkeit, sondern rein als „Wahrgenommenes als solches") ist „reelles" Bestandstück der Wahrnehmung und nicht in dem Sinn in ihr, wie die Empfindungsinhalte in ihr sind, wie die Auffassung in ihr ist, die gesamte Erscheinung jetzt verstanden nicht als Erscheinendes, sondern als Bewußtsein von dem Erscheinenden. Daß Wahrnehmung Wahrn ehmung von dem so und so zu Bezeichnenden ist, das gehört zu ihr, das so Bezeichnete aber, als ihr Korrelat, ist nicht reell in ihr. Gebraucht man den naheliegenden, aber sehr vieldeutigen Ausdruck Vermeinen für jedes Bewußtsein, so würde man sagen, das den Gegenstand Vermeinen ist Sache, ist reelle Eigentümlichkeit der 1
Reelles ist also nicht soviel wie adäquat Gegebenes.
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cogitatio. Ihr Wesen ist eben zu vermeinen, aber Vermeintes als solches ist nicht selbst in ihr „reell" zu finden, sondern nur ideell als Korrelat zu finden. Dieses Sein idealer Korrelate bzw. ihr Finden im Phänomen mag seine Probleme haben, es ist jedenfalls zunächst etwas absolut 5 Gegebenes und in der echten Evidenz vom Sein und Gehalt der cogitatio beschlossen. Man muß es sehen, daß das erscheinende Objekt und seine Erscheinungsmerkmale als Vermeintheiten absolut gegeben sind, daß ich beschreiben kann, was im Wahrnehmen wahrgenommen ist, als was und als wie Bestimmtes die „Sache" dasteht, daß die Sache 10 selbst sich nur einseitig darstellt und sich darstellt durch Darstellungen, daß sie nicht selbst gegeben ist, daß auch nicht ihre Idee gegeben ist, daß aber gegeben ist „die vermeinte Sache als solche" und daß diese Vermeintheit doch nicht gegeben ist in der Weise „reeller" Bestandstücke der cogitatio, daß das Vermeinen und das Bewußtsein mit 15 all dem, was reell bewußt ist wie Empfindungsinhalte, Auffassung etc., nicht einerlei ist mit Vermeintem als solchem, dem idealen Korrelat. Aber freilich, der Unterschied kann nur dem klar werden, der schon ein Stück meiner Analysen durchgearbeitet hat. III. Dieser wichtige Unterschied zwischen phansisch und korrela20 tiv-ontisch darf nun aber nicht vermengt werden mit anderen wichtigen Unterschieden. In gewisser Weise könnte man diesen Unterschied auch bezeichnen als den zwischen „Reellem und Ideellem" oder auch reell Bewußtem und ideell Bewußtem, ein verlockender Ausdruck, der aber wegen seiner Vieldeutigkeit doch besser vermieden bleibt. Vor 25 allem gibt es hier einen anderen kardinalen Unterschied zwischen „Reellem" und Ideellem, der sich a u s s c h l i e ß l i c h in der phansischen S p h ä r e bewegt, demgemäß (gleichgültig, ob in allen „Akten", allen konkreten cogitationes) unterschieden wird zwischen „Aktchar a k t e r e n " und dem Stoff, 1 der durch diese Charaktere eine gewisse 30 Formung erhält, vermöge deren das ganze Gebilde sich intentional auf etwas bezieht, und dies wieder so, daß durch verschiedene wesensmäßig mögliche Blickrichtungen aus ihm verschiedene intentionale Richtungen zu unterscheiden bzw. zu aktualisieren sind, und in jeder wieder Komponenten von Stoff und solche von Form konstitutiv sind. 35 In den Logischen Untersuchungen war öfters von „Aktcharakteren": von Aktcharakteren der Setzung, der Auffassung u. dgl. die Rede und an einer Stelle wurde darauf hingewiesen, daß sich jedes Bewußtsein reell auflöse in Komponenten, die von zwei Grundarten sind: „primäre Inhalte" und „Reflexionsinhalte" (welches letzteres doch wieder nur 40 ein zusammenfassender Ausdruck für mancherlei „Aktcharaktere" war). Das soll uns zur Leitung dienen. E m p f i n d u n g s i n h a l t e wie Rotinhalt und seine Komponenten, z.B. die zu ihm gehörige Ausbreitung, sein Moment der Farbigkeit und Abstufung etc., gehören in eine ganz andere Dimension hinein wie all 45
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das, was in spezifischem Sinn B e w u ß t s e i n ist und B e w u ß t s e i n von macht, wie Auffassung als das und das, wie Hinweis auf etwas, Aufmerksamkeit auf usw. Man sieht schon, daß hier sehr wesentlich Verschiedenes zusammensteht, daß aber doch eine gewisse Gemeinsamkeit hervortritt, wenn wir es kontrastieren mit der Empfindung. IV. Doch sehr wichtig ist es, hier sogleich folgenden Unterschied heranzuziehen. Der Unterschied zwischen „Phansischem" und „Ontischem" kann in doppelter Weise gemacht werden: 1) in der Sphäre der cogitationes als Einheiten des inneren Bewußtseins. Und das ist der gewöhnliche, oder sagen wir lieber der erste und nächstliegende Begriff von cogitatio. 2) Was in der ersten Sphäre als Phansis auftritt, ist selbst ein bloß „Intentionales" in der Stufe des inneren Bewußtseins, ebensogut wie die Empfindungseinheit sich konstituiert als Einheit einer Mannigfaltigkeit im inneren Bewußtsein. Gehen wir auf den Fluß des „inneren" Bewußtseins, des die immanenten Zeiteinheiten konstituierenden, zurück, so können wir bei ihm auch unterscheiden Reelles und Ideelles, zu letzterem gehörig alles sich im reellen Fluß vermöge seiner Wesenheit konstituierende „Gegenständliche' \ Dann gehört zum Reellen, zur absoluten Phansis selbst das Spiel originär auftretender und sich abschattender Empfindungsstoffe, in dessen Fluß sich das Empfindungsrot als Einheit konstituiert, nicht aber diese selbst. Und ebenso die Bewußtseinsflüsse, die die Komponenten der Phansis im ersten Sinn und sie selbst als ganze Einheit konstituieren. Natürlich entspricht beiden Gebieten auch ein verschiedener Sinn von Stoffen (primären Inhalten) und „geistigen Verarbeitungen", formenden, und zwar „Synthesis" leistenden „Aktcharakteren". Im Bewußtseinsfluß kommen wir zur Idee letzter Stoffe und letzter Formen, beide nicht als Dinge zu denken, als Sachen, die einmal etwas sind und dann im Bewußtsein zusammenkommen, sondern ihrem Wesen nach in gewissen zu beschreibenden Weisen aufeinander bezogen, vor allem die Stoffe bloß ideelle Abstrakta, die ohne Form überhaupt nichts sind.
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BEILAGE 12 ZUR PHÄNOMENOLOGISCHEN METHODE 1
Hinsichtlich der phänomenologischen Methode ist ein- für allemal auf Folgendes genau zu achten. Die exemplarischen Einzelheiten von 40 Wahrnehmungen und so von allen in Erwägung stehenden cogita1
Vgl. das 1. und 2. Kapitel des III. Abschnitts. — Anm. d. Hrsg.
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tiones, welche der Ideation dienen sollen, nehmen wir nicht in der Leerheit oder Vagheit, in der sie sich uns (bzw. in der sie sich dem Leser in der Lektüre der beschreibenden Worte) zunächst darbieten werden. Vielmehr bringen wir sie uns zu lebensvoller K l a r h e i t , genau so weit 5 als es nötig ist, die Ideation wirklich und eigentlich zu vollziehen, und zwar so, daß die Idee zu absoluter Gegebenheit kommt. Wir bewegen uns durchaus in Gebieten, wo alles Festzustellende aus absoluter Selbstgegebenheit zu schöpfen ist, und daß es das ist, muß selbst vollbewußt und klar erfaßt sein. Nicht alle Ideen sind unmittelbar gegeben 10 und zu intuitiver Gegebenheit zu bringen, und selbst soweit sie es sind, muß die Gegebenheit keine absolute, „adäquate" sein. Beispiele für das eine und andere liegen nahe: große Anzahlen, die unendliche Anzahlenreihe, die höheren geometrischen Gebilde, der unendliche Raum, die unendliche Zeit, auch das wirkliche Naturding als Idee. Mit 15 all dem hat phänomenologische Forschung auch zu tun, und solche Ideen bedeuten Haupttitel für transzendentalphilosophische, in höchst umfassenden phänomenologischen Zusammen hangsforschungen sich lösende Probleme. In allen phänomenologischen Grundfeststellungen aber handelt es sich, wie es sein muß, um Wesen und Wesenszusam20 menhänge, die voll und ganz zutage liegen, „absolut selbstgegeben" sind, so daß jeder Zweifel an ihrem Haben, an ihrem Selbsterfaßtsein sinnlos wäre. Das schließt nicht aus, daß solche Selbstgegebenheit in G r a d e n d e r D e u t l i c h k e i t und K l a r h e i t erfolgt, daß nämlich die exemplarische Unterlage hinreichend klar ist für die Selbsterfas25 sung eines allgemeinen Wesens, während die Selbsterfassung von spezielleren, inhaltlich „bestimmteren" Wesen ein weiteres Klären erfordert, womit aus dem zur Allgemeinheit gehörigen Hof der bestimmbaren Unbestimmtheit ein spezialisierendes Moment zu exemplarischer Klarheit und Deutlichkeit und in weiterer Folge eine zugehörige beson30 dere Idee zu reiner Gegebenheit kommt. In jedem Fall haben wir selbstverständlich in der Klärung soweit zu gehen, daß wir die betreffenden Ideen wirklich haben, in ihrem Selbst erfassen; jede unserer Feststellungen fixiert so Erfaßtes. Nach dem orientieren sich die sprachlich bezeichnenden Ausdrücke, die, wenn 35 auch aus dem alten Schatz der Sprache genommen, doch nicht nach der allzeit vagen und fließenden Sprachüblichkeit, sondern nach der Fixierung in strenger Zuordnung zu den erfaßten und in ihrer Identität wieder zu erkennenden Wesen verstanden werden müssen. ι 2 40 Das Hauptabsehen der Phänomenologie geht natürlich in erster Linie auf die a l l g e m e i n s t e n W e s e n s u n t e r s c h i e d e des Bewußtseins, die eben vermöge ihrer Allgemeinheit in allen besonderen phänomenologischen Gebieten eine entscheidende Rolle spielen müssen. 1 Zwischen diesem und dem folgenden Absatz fehlen im ursprünglichen Textzusammenhang etwa 20 Blätter. — Anm. d. Hrsg. 2 Gut, aber zum Teil parallel mit <dem verlorenen vorhergehenden Blatt> 23.
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Diese allgemeinsten Unterschiede sind aber auch darum wichtig, weil sie entscheidend sind für die A l l g e m e i n h e i t der p h ä n o m e n o logischen Methode. Diese Methode ist ja selbst ein Werk der Phänomenologie und setzt in ihrer Ausbildung schon phänomenologische 5 Einsichten voraus. So ergibt sich mir z.B. aus der Gruppierung folgender allgemeinster Wesenserkenntnisse eine bestimmte Methode, die ich bezeichne die der phänomenologischen Analyse unter dem Gesichtspunkt der „ K o n s t i t u t i o n " des G e g e n s t ä n d l i c h e n im B e w u ß t s e i n oder kurzweg die Methode konstitutiver Bewußtseins10 forschung. Jedes Erlebnis hat Beziehung auf Gegenständliches durch Intentionalien. Und zum Wesen jeder Bewußtseinsart gehört es, daß sie gerade auf eine gewisse und keine andere Gegenstandsart (evtl. beiderseits bei passender Allgemeinheit: Gegenstandskategorie) Beziehung hat, so daß Wesen solcher Gegenständlichkeit und Wesen 15 solchen Bewußtseins notwendig zusammengehören. Desgleichen die Einsicht, daß zu jeder Kategorie von Gegenständlichkeit zunächst gewisse Grundarten von „Anschauungen", „gebenden" Erlebnissen gehören, daß, wie überhaupt zu allen Erlebnissen, so zu diesen verschiedene mögliche Stufen der Klarheit (unbeschadet der bestimmten In20 tentionalität der betreffenden Erlebnisse) gehören. Andererseits aber auch, daß mannigfaltige solche Anschauungen, mannigfaltig ihrem unterscheidbaren Wesen nach, kontinuierlich ineinander übergehend Einheitsbewußtsein bilden können, kontinuierliche Synthesen also, zu deren Wesen es gehört, selbst in ihrer Ganzheit intentionale Erlebnisse 25 zu sein und zwar von dem einen und selben Gegenständlichen, das in all den mannigfaltigen Erlebnisphasen der Kontinuität gegenständliches Korrelat ist, das sich aber in jeder von ihnen „in verschiedener Weise darstellt". Und wieder die Einsicht, daß solche Synthesen sich verschieden erweitern können, daß sie in verschiedenen Dimensionen 30 selbst wieder kontinuierlich sich abwandeln und so immer wieder dasselbe Gegenständliche in verschiedener Richtung darstellen können. Dies gibt zur Methode Anlaß, alle Untersuchungen in der Sphäre möglichster Klarheit der Anschauung (so klar, daß Wesenserfassung statthaben kann) derart zu führen, daß von seiten der Erlebnisse aus 35 die Analyse niemals in der Vereinzelung geführt, sondern das Einzelne immer zugleich in Hinsicht auf seine möglichen kontinuierlichen Einheitsbildungen betrachtet wird, daß man also allen synthetischen Einheitsbildungen nachgeht, in die sich die Anschauungen der betreffenden allgemeinen Art (Anschauungen von Gegenständlichem 40 einer gewissen Kategorie, und als Anschauungen von einem bestimmten Typus, sagen wir Wahrnehmung) ausbreiten und ihren Gegenstand „allseitig" darstellen können; bzw. vom Standpunkt des Gegenstands gesprochen ist es die Methode, ihn als Gegenstand ihn gebender Anschauungen, als reines Korrelat derselben anzusehen und sich zu 45 fragen: wie sieht das kontinuierliche Bewußtsein aus in all seinen möglichen kontinuierlichen Sonderabwandlungen, in dem dieser Gegenstand als eins und identisch, sich dabei allseitig Zeigendes gegeben
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wäre, in welche Schichten zerfallen diese kontinuierlich-einheitlichen Anschauungsreihen, wie entsprechen Schichten im Wesen des gegebenen Gegenständlichen, das in solchen Erlebniskontinuen Anschauung findet, Schichten der diese selbe gegenständliche Schichte einheitlich und vollkommen gebenden Anschauungskontinuität, und wie sind diese wissenschaftlich und wesensmäßig zu bestimmen? Die Probleme setzen sich in höheren Stufen fort, sowie die Wesenserkenntnis fortgeschritten ist und man erkennt, daß kontinuierlich einheitliche Anschauungszusammenhänge auch in neuen Weisen synthetisch einheitlich werden können, in Weisen der synthetischen Diskretion, wie damit sich Gegenständlichkeiten höherer Stufe konstituieren usw. Und so wird die Methode der Konstitution schließlich zur allgemeinen Methode der gesamten Phänomenologie; aus keinem anderen Grunde, weil die teleologische Konstitution des Bewußtseins (das ist der möglichen Zusammenhänge einzelnen Bewußtseins, mit denen sich Gegenständliches konstituieren kann) es so fordert. Natürlich ordnen sich dieser Methode auch die Gegenstücke ein, die da möglich sind, Gegenstücke, die mit den Unterschieden der Normalität und Anomalität offenbar zusammenhängen: die Kontinuität kann fortlaufen im Sinne ungebrochener Darstellung desselben, sich nur näher bestimmenden Gegenstandes, sie kann aber auch fortlaufen als,, Anders"bestimmung desselben, und sie kann durchbrochen werden in der Form des Nichtigkeitsbewußtseins. ι Mit den eben angedeuteten Studien verflechten sich alsbald sehr wichtige andere: Die Rede von Wahrnehmung (und was von diesem Urakt der Anschauung gilt, gilt analog von anderen Anschauungen) kann nach verschiedenen miteinander verwobenen Wesenseigentümlichkeiten orientiert werden. I n n e r e W a h r n e h m u n g verstehen wir gewöhnlich als innere Reflexion, somit als eine gewisse Blickzuwendung und zugleich Erfassung. Ein Erlebnis kommt in seiner „Gegenwart" zur Selbsterfassung. Ebenso kann innere Retention („frische" Rückerinnerung) verstanden werden als ein im Blick noch Festhalten eines soeben innerlich wahrgenommen Gewesenen, das vom Zeitmodus der aktuellen Gegenwart („jetzt") herabgesunken ist in den der aktuellen „Soebengewesenheit". Ebenso kann innere Wiedererinnerung verstanden sein als „erneute" ins Auge Fassung eines Erlebnisses; es ist nun bewußt als vergegenwärtigte Gegenwart, in der Vergegenwärtigung vom „Jetzt" (nicht dem aktuellen, sondern eben vergegenwärtigten Jetzt) herabsinkend in das „gegenwärtig gewesen", wobei die „Wieder"-Erinnerung, das „Erneut"-sein mitbesagen kann, daß im Sinn solchen Bewußtseins auch liegt, daß die vergegenwärtigte Gegenwart den Charakter wahrgenommen gewesener im vorigen Sinn, also einer im Blick, in der Erfassung gewesenen Gegenwart hat, usw. 1 Zwischen diesem und dem folgenden Absatz fehlen im ursprünglichen Textzusammenhang etwa 5 Blätter. — Anm. d. Hrsg.
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In all dem liegen Implikationen, die auf einfachere Fälle zurückweisen. Sprechen wir von innerer Wahrnehmung als innerer Reflexion, also einer Rückwendung des Blickes, so liegt dieser bildlichen Rede doch der Gedanke zugrunde, daß Reflexion ein eigenes Vorkommnis des Sichrichtens auf etwas ist, was nicht von vornherein Zielpunkt dieses Sichrichtens ist, was jedenfalls, wenn wir das Richten nicht als neu auftretenden Vorgang interpretieren, nicht notwendig Zielpunkt sein müßte, daß sich der Blick auch abwenden und auf Anderes, vordem nicht im Blick Liegendes richten kann usw. In der Tat unterscheiden wir, und doch mit gutem Grund, zwischen E r l e b n i s s e n s c h l e c h t h i n und i n n e r l i c h e r f a ß t e n , im Richtungsstrahl innerer Reflexion liegenden Erlebnissen. Und wir meinen, es braucht nicht einmal irgendwelche innere Reflexion vollzogen zu sein; sind wir z.B. der Betrachtung eines äußeren Gegenstandes zugewendet, so wird dies so ausschließlich sein können (und ist es ja in der Regel), daß keinerlei „cogitatio", kein ,,Erlebnis" zum Objekte wird, nicht das äußere Wahrnehmen selbst und keines sonst. Andererseits kann sich Reflexion etablieren, und tut sie es, so tritt damit, meinen wir, <ein> neues Erlebnis auf, das offenbar nicht selbst wieder Gegenstand einer Reflexion ist, obschon nachträglich dazu werden kann: Wollten wir annehmen, jedes Erlebnis sei reflektiv erfaßt, so gerieten wir ja sogleich in einen unendlichen Regreß. Wie sind nun Erlebnisse bewußt, während sie nicht Objekte eines reflektierenden Bewußtseins sind? Können wir darüber etwas aussagen? Nun doch, sie sind, können wir z.B. sagen, bewußt als aktuelle Gegenwärtigkeiten, als jetzt gegenwärtig, dauernd, mit dem Inhalt jedes neuen, des aktuellen Jetzt dieser Dauer in die Gewesenheit herabsinkend usw. Ist Wahrnehmung Blickrichtung auf, Erfassung von einem als „aktuell gegenwärtig" Bewußten, ist Retention Blickrichtung auf, Erfassung von einem als ,,aktuell gegenwärtig gewesen" Bewußten, so ist jenes Bewußtsein vor der Blickrichtung kein Wahrnehmen, keine Retention. Andererseits kann auch das originäre Bewußtsein, das der originären Gegenwart bzw. das der originären Gewesenheit selbst als Wahrnehmungsbewußtsein bzw. frisches Erinnerungsbewußtsein verstanden sein (obschon die Tendenz der sprachlichen Ausdrücke mehr in die erstere Richtung geht, also die Zuwendungen hineinnimmt). Fragen wir nach dem Rechtsgrund solcher Unterscheidungen, die doch voraussetzen, daß der Gehalt jenes unreflektierten Bewußtseins für uns irgendwie faßbar wird, und überlegen wir andererseits, daß sie nicht auf empirischen Schlußweisen beruhen sollen, da wir als Phänomenologen alles Empirische ausgeschaltet haben, so lautet offenbar die Antwort: von der Zuwendung, die als ,,neues Ereignis" auftritt, und davon, daß sie etwas erfaßt, das vorher nicht erfaßt war, wissen wir dadurch, daß eine Reflexion möglich ist, welche von dem Erlebnis, das nun Objekt des Zugewendetseins, erfaßtes Objekt ist, zurückgeht fürs erste auf das Erfassen selbst und auf dasselbe als Erfassen dieses jetzt Erfaßten in seiner
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Dauer. Fürs zweite aber kann der reflektierende Blick auch zurückgehen auf das „vorhin", auf die früheren Phasen des Objekts und seiner Erfassung; und darin zurückgehend findet diese Reflexion den Anfang des Erfassens dieses Objekts und Zeitstrecken desselben, die 5 vorher liegen und der Erfassung entbehrten. Z.B. eine Sorge regt sich, ich wende mich ihr zu. Davon weiß ich; rückblickend finde ich nämlich vor der erfaßten Sorge die Sorgenregung, eine Zeitstrecke derselben Sorge vor dem Einsatzpunkt der Erfassung. Wir finden in dieser Reflexion (die wir natürlich selbst wieder zum reflektiven Objekt 10 machen und exemplarisch als Unterlage für unsere Wesensbetrachtung nehmen) fürs erste als Gegenstand ein vergangenes Erlebnis, das einer Zeitstrecke nach bewußt war ohne Zuwendung und einer Zeitstrecke nach mit Zuwendung. Wir haben aber Bewußtsein ohne Zuwendung offenbar auch gesondert und nicht als Stück einer selben Dauer15 strecke, in der dasselbe Erlebnis Zuwendung erfährt. So mögen wir in der Reflexion „gleichzeitig" mit der Sorgenregung vor der Zuwendung auch finden Wahrnehmungen oder sonstige Erlebnisse, die jeder Zuwendung zu ihnen entbehren. Fürs zweite, die Reflexion selbst, die wir zum Objekt einer zweiten Reflexion machen, finden wir als 20 ein Erlebnis, das jetzt anfängt und fortdauert, sich aber bezieht auf ein vergangenes Erlebnis, das ebensowohl in seinem Vergangenheitsbestand Objekt einer in derselben vergangenen Dauer stattgehabten Reflexion sein kann als auch ohne solche sein kann. Die Reflexion geht in eine Erlebnisvergangenheit zurück, und zum Wesen des als ver25 gangen Bewußten gehört es, daß es gegenwärtig gewesen ist. Es kann aber im Sinn dieser zurückgehenden Reflexion bzw. dessen, was sie erfaßt, liegen, daß das Gewesene entweder zwar gegenwärtig war, aber nicht erfaßt war (nicht innerlich wahrgenommen im bevorzugten Sinn), oder daß es eben nicht nur überhaupt gegenwärtig, sondern 30 auch Objekt der Erfassung war. Das ergibt also wesentlich verschiedene Modi dessen, was da der Titel E r i n n e r u n g s b e w u ß t s e i n befassen kann, abgesehen von dem Unterschied zwischen Retention und Wiedererinnerung; sie werden erzeugt durch die verschiedenen Weisen, wie Reflexion (nicht in Rechnung gesetzt die Reflexion, die das Erin35 nerungserlebnis wie jedes Erlebnis, das aktuelle Gegenwart ist, zum innerlich „wahrgenommenen" macht) ,,in" der Erinnerung auftreten, als aktuell gegenwärtige Reflexion in sie hineinleuchten, oder zum Erinnerten selbst gehören kann. Und dabei gibt es offenbar näher zu überlegende Iterationen. 40 Das Studium solcher Unterschiede ist nicht nur, wie auch hier wieder zu betonen ist, von Interesse in der Hinsicht, daß sich mit denselben Typen sehr allgemeine Bewußtseinsgestaltungen kennzeichnen und es die selbstverständliche Aufgabe der Phänomenologie sein muß, alle Grundgestaltungen intentionaler Erlebnisse sowie alle 45 allgemein fixierbaren Typen von Komplexionen herauszustellen und einer Wesenserforschung zu unterziehen. Vielmehr treten uns hier fundamentale W e s e n s e i g e n t ü m l i c h -
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keiten des Bewußtseins-überhaupt entgegen, die allen erdenklichen Erlebnissen eignen unangesehen ihrer besonderen Wesensartungen, und zugleich (oder eben darum, wie wir auch sagen können) Eigentümlichkeiten, welche den Grundcharakter phänomeno5 logischer Methode mitbestimmen. In letzterer Hinsicht ist es ja ein Hauptstück phänomenologischer Forschungsmethode (für ihr Absehen auf erkenntnistheoretische, metaphysische und psychologische Anwendungen höchst bedeutsam), daß der Blick der Wesenserfassung auch reflektiv unvergegenständlichte Erlebnisse treffen und sie in 10 dieser Gegebenheitweise erforschen kann. Was aber den anderen Punkt anlangt, so ist zunächst zu beachten, daß es eine Grundeigenschaft aller Erlebnisse ist, die sich in der Möglichkeit der Reflexion auf sie und ebenso in der Möglichkeit der Zuwendung zu ihren reellen Teilen, zu ihren Intentionalien, darunter 15 zu ihren Gegenständen, ausspricht. Was wir meinen, wird in empirischobjektiver Wendung sofort verständlich. Das Hinsehen auf ein Haus, das Wahrnehmen oder ursprüngliche Erinnern desselben, tut ihm, dem Haus selbst, nichts an, modifiziert es nicht, schafft auch keine neue Tatsache in der physischen Welt der Häuser. Dagegen Reflexion 20 auf ein Erlebnis schafft ein neues Erlebnis, in das das unreflektierte eingegangen, und nicht ohne Wesensänderung eingegangen ist. Ebenso natürlich jede aktuelle Zuwendung zu irgend was, das in einem aktuellen Erlebnis reell oder intentional „liegt". Und das nehmen wir nun, passend begrenzt, in den Rahmen der phänomenologischen Reduktion 25 auf. Es handelt sich dann, wie wir sehen, um mögliche Bewußtseinsmodifikationen, die im Wesen des Bewußtseins überhaupt apriori gegründet und somit für Phänomenologie fundamental sind. Aber nicht diese allein kommen hier in Frage, diese sozusagen notwendig möglichen Bewußtseinsmodifikationen, sondern auch um an30 dere notwendige wirkliche Modifikationen, um eine allherrschende apriorische Gesetzmäßigkeit unablässiger, wirklich durch alle Erlebnisaktualität hindurchgehender Umgestaltungen < handelt es sich>, die ihre zusammenfassende Einheit finden in der rätselvollen Form des ursprünglichen Zeitbewußtseins. 35 Was ein Erlebnis in sich selbst ist, das erfassen wir in der reflektiven Intuition, und in der Ideation erfassen wir sein Wesen. Richten wir unsere Wesenserfassung auf das allgemeinste Wesen von Erlebnis überhaupt, von konkretem Bewußtsein überhaupt, so finden wir als unaufhebbar dazugehörig, daß es „dauert", daß es ist, was es ist, nur 40 als Einheit seiner Dauer. Diese Dauer kann begrenzt oder unbegrenzt sein. Ist sie begrenzt, so heißt es, das Erlebnis fängt an, ,»dauert seine Zeit" und hört schließlich auf. Darin aber liegt, als etwas im Wesen notwendig Beschlossenes, daß das Erlebnis ein erstes „Jetzt" als „Anfang" hat, erfüllt mit einem gewissen Wesensgehalt, und alsbald 45 geht dieses Jetzt in ein soeben Gewesen über, während ein neues originäres Jetzt, sei es mit gleichem oder verwandeltem Wesensgehalt auftritt. Mit diesem Jetzt geht es ebenso, kontinuierlich geht es und
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doch ohne jedes Dazwischen in ein Vergangen über, während das Vergangene des ersten Jetzt in ein Weiter-vergangen sich wandelt und so kontinuierlich weiter, bis ein letztes erfülltes Jetzt auftritt, das ein Letztes ist, sofern das neue Jetzt nur die Kontinuität der Vergangen5 heiten, aber keine neue Fülle als Fortführung der Dauer des Erlebnisses mit sich bringt. Die Dauer könnte unbegrenzt sein, sagten wir: Dann aber gilt mit leicht ersichtlichen Modifikationen eben dasselbe von irgendeinem herauszuschauenden Stück der Dauer: und es gehört offenbar zum Wesen unbegrenzter Dauer, daß aus ihr begrenzte 10 herauszuschauen bzw. „herauszudenken" ist. Jedes Erlebnis hat notwendig seine Dauer in dieser sich in lebendiger kontinuierlicher Produktion von immer neuen Gegenwartspunkten und von immer neuen Vergangenheitspunkten (als unaufhörlichen Umbildungen der Gegenwartspunkte und jedweder schon gebildeten Vergangenheits15 punkte) konstituierenden Form. Dabei ist die Erlebnisdaucr notwendig Ausschnitt einer unendlichen Erlebniszeit, die eine numerisch einzige Form ist für alle Erlebnisse, die beziehbar sind auf dasselbe reine Ich. Man kann auch sagen, daß einheitliche Beziehung auf das reine Ich äquivalent ist mit Einfügbarkeit von Erlebnissen mit ihren Dauern in 20 einen Fluß der Zeit, der intuitiv erfaßbar ist in einer einheitlich sie umspannenden Reflexion: Alle Erlebnisse, die in einer reflektiven Anschauung sich einfügen lassen einem und demselben sie intuitiv befassenden Fluß der lebendigen Zeitkonstitution, gehören einem reinen Bewußtsein, einem reinen Ich an. Die Zeit, von der hier 25 die Rede ist, ist die zum reinen Wesen der Erlebnisse selbst gehörige Zeit-Form, die ihrerseits lebendig gegeben ist nach einer ursprünglichen Notwendigkeit im beständigen Fluß der Gegenwärtigkeiten und Vergangenheiten. Wir scheiden diese Zeit als phänomenologisch gegebene Form scharf von der Zeit der Natur, von der hier gar keine Rede 30 ist, die für uns ausgeschaltet ist und hier selbst als Idee nicht in Frage kommen kann. Wie diese phänomenologische Zeit als Form dauernder Erlebniseinheiten und die Gegebenheitsweise dieser Zeit im Fluß lebendiger Erzeugungen der flüchtig angedeuteten Art zur „objektiven" Zeit und ihren Gegebenheitsweisen steht, das bleibt hier völlig 35 problematisch. Die zum Erlebnisstrom gehörige Zeit ist reine intuitive Form und enthält als solche nichts Mathematisches, keine mathematischen Punkte, keine mathematischen Strecken, keine mathematische Gleichheit usw. Intuitiv gehören zu ihren abgrenzbaren Dauern bloß vage graduelle Verhältnisse des länger dauernd oder kürzer und 40 gleichlang Dauern, die jeder Exaktheit entbehren, wie denn die anschauliche Teilung nur endliche Anzahlen von Teilen unterscheiden läßt. Man muß sich hüten, den anschaulichen Gegebenheiten in der Untersuchungssphäre, in der das Gegenständliche rein als Korrelat des Anschauens genommen sein will, Eigenschaften zuzumuten, die 45 ihnen als solchen Korrelaten prinzipiell widerstreben. Und in diesem Sinn also dürfen wir auch die Zeit nur nehmen als das rein zum Wesen der Erlebnisse, so wie uns dieses Wesen in der reflektiven Intuition
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bzw. Ideation zur Gegebenheit kommt, Gehörige und müssen sie dann hinnehmen mit der wunderbaren Gegebenheitsweise (die nicht sie selbst ist) in der Form der Produktion der Gegenwart und Vergangenheit. Wir scheiden dabei also ausdrücklich zwischen der Zeitform selbst und dieser Gegebenheitsweise. Die Zeitdauer ist Dauer eines Erlebnisses. Sprechen wir von demselben Erlebnis als der Einheit der Dauer, das, nachdem es vergangen ist, beliebig oft in erneuernder Wiedererinnerung gegeben sein kann, dann ist wie das Erlebnis so seine Dauer ein Identisches, das starr ist und verbleibt trotz des stetigen Flusses der lebendigen Gegebenheitsweise, in der „das" Erlebnis und seine Dauer sich ursprünglich konstituierte, da es lebendig gegenwärtige Dauer war, und in der es in jeder Wiedererinnerung sich in der Weise der Vergegenwärtigung in lebendig wiedervergegenwärtigter Dauer (wiedervergegenwärtigtem Jetzt-Produzieren, In-die-Vergangenheit-Sinken usw.) von neuem erzeugt, obschon eben in Modifikation. Zum Wesen all dieser Verhältnisse gehört, daß jede Wiedererinnerung mit ihrem neuen aktuellen Jetzt dem wiedererinnerten Jetzt Vergangenheits-Distanz gibt, und bei gleichem Wiedererinnerten gehört in die Einheit eines umspannenden Bewußtseins notwendig zu der jetzt aktuellen Wiedererinnerung die größere Distanz im Vergleich mit der eben vorher vollzogenen und selbst wieder wiedererinnerten. So gewinnt jede Dauer ihre beständige Zurückschiebung, während sie doch immerfort als dieselbe Dauer desselben Erlebnisses starr und unverändert bleibt. Wir dürfen also nicht die Dauer selbst und die Gegebenheits weise der Dauer (zu der das Spiel der produktiven Konstitution der Dauer, aber auch der reproduktiven Konstitutionen gehört) vermengen und demnach auch nicht die Zeit der Erlebnisse (als Einheiten ihrer Erlebnisdauern) und die Gegebenheitsweise dieser Zeit. Aber nun heißt es: Das Jetzt ist ein kontinuierlich neues und kontinuierlich sich wandelndes. Was ist da neu und wandelt sich? Der Zeitpunkt mit seiner Zeitfülle, der im Jetzt gegeben, im soeben Vergangen ,,noch im Blick" ist, ändert sich nicht, er ist der starre Punkt der starren Dauer, eingeordnet der starren Zeit. Er ist absolut derselbe im Fluß der hier statthabenden Modifikationen. Man wird sich gedrängt sehen zu sagen: Das wirkliche und eigentliche Erlebnis ist nicht das, was in der starren Zeit einheitlich und identisch ist, sondern dasjenige, das dieses Identische bewußt macht und das die Rede von der Form der Gegebenheitsweise des identischen Zeitpunkts als Jetzt und als sich wandelndes Vergangen möglich macht. In der Tat, ist, möchte man sagen, nicht eine Reflexion möglich, welche den Blick auf das Phänomen richtet, in dem in abklingender Klarheit ineins gegeben ist das „Jetzt" mit dem Kontinuum des „Vergangen" ? Und welche dieses Phänomen insgesamt in stetiger Wandlung findet? Diese Wandlung geht nicht das Objektive, die erfüllte Zeitdauer, z.B. das in immer neuer Zeitperspektive sich Darstellende, sich vom Jetzt immer weiter zurückschiebende Wahrnehmungserlebnis, Ur-
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teilserlebnis etc. an, nämlich als diese erfüllte Zeitdauer in sich selbst (die ja objektiv identisch bleibt), sondern geht das im eigentlichen Sinn statthabende Erleben und seine Bewußtseinsweisen an, in denen sich identische Einheit eines immer wieder in anderer Perspektive, in anderer Gegebenheitsweise Erscheinenden als notwendiges Korrelat „konstituiert*'. Müssen wir also nicht unterscheiden die Erlebniskontinuität, in der die immanente Zeitlichkeit, die des einheitlichen, dauernden Erlebnisses bewußt wird, in der sie sich als intentionale Gegenständlichkeit konstituiert, und diese Gegenständlichkeit selbst, die als reines Korrelat genommen Identisches ist mit wechselndem Charakter des Wie der Darstellungsweise: analog wie wir es bei allen Identitätskorrelaten finden, und notwendig finden? In solche merkwürdige Probleme geraten wir. Es ist die Aufgabe der Phänomenologie nun überhaupt, die rätselvollen Geheimnisse des Zeitbewußtseins zu enthüllen, und nur sie ist dazu befähigt durch ihre Methode der reinen Wesensintuition. Schon die kleinen Andeutungen, die hier zur Bezeichnung der allgemeinen Eigenschaften des Bewußtseins, die Titel für unsere Untersuchung sein sollen, notwendig waren, reichen weit über alles hinaus, was die Psychologie in ihrer Unfähigkeit, WesensVerhältnisse zu sehen, ohne die sie doch nichts leisten kann, zu sagen wußte. Aber1 wir sind noch lange nicht genug vorbereitet, um so schwierige Untersuchungen als es die des Zeitbewußtseins sind, mit Aussicht auf Erfolg in Angriff zu nehmen, ja auch nur die tieferen Probleme desselben klar formulieren zu können. Wir Anfänger der phänomenologischen Wissenschaft (denn das sind wir in der Tat alle) müssen erst mancherlei primitive Unterschiede voll erfaßt und uns zu freier Beherrschung zugeeignet haben, da wir sonst unvermeidlichen Vermengungen unterliegen und die Bewußtseinsschichten, auf die es in der Analyse ankommt, nicht unverwirrt erhalten können. Nehmen wir jetzt zusammen, was unsere einführenden Betrachtungen uns als Vordeutungen zu notwendigen und gleich im Eingang der Phänomenologie sich aufdrängenden Untersuchungen allgemeiner Bewußtseinseigentümlichkeiten ergeben haben, so wurde unser Interesse erregt für die Idee der „cogitatio", des intentionalen Erlebnisses mit seinen Grundeigentümlichkeiten, phansische und ontische Seiten zu haben, in letzterer Hinsicht Intentionalien in sich zu bergen und sich durch sie auf Gegenständlichkeit zu beziehen. Da handelt es sich um die Erforschung der verschiedenen Grundtypen von Intentionalien und zugleich um die Aufklärung und wesensmäßige Charakteristik der verschiedenen Beziehungsweisen dieser Erlebnisse, sowohl der primitiven als der komplexen, auf Gegenständliches. 1 Die drei folgenden Absätze hat Husserl später mit Bleistift leicht durchgestrichen und dazu am Rand bemerkt: ,, 33 und 34 <= S. 555, Zeile 22 — S. 558, Zeile 6> kürzen und neu ausarbeiten. Wirkliche Rekapitulation und anknüpfen den Übergang zur besonderen Anschauungsanalyse!" — Anm. d. Hrsg.
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Was hier zu studieren ist, das kann nur in gründlichem Studium einzelner Typen von cogitationes, die der Analyse nächste und günstigste Ansatzpunkte liefern, mit ihren besonderen Beziehungsweisen, ihren besonderen Formen von Intentionalien und phansischen Eigentümlichkeiten, klar gemacht werden. Hat sich so der Blick geschärft und schon Besonderheiten klar erfaßt, dann kann weitergegangen und an die großen Probleme Hand angelegt werden, welche die alten Titel Sinnlichkeit und Verstand, Denken und Anschauen, aber auch Verstand und Gemüt, Gemüt und Wille u. dgl. dunkel andeuten. Wir stoßen aber auch auf andere Eigentümlichkeiten, die uns in dieser Hinsicht die Direktion auf günstige < ? > Anfänge geben, auf Unterschiede der Klarheit und Unklarheit bei allen Erlebnissen, ferner auf gewisse höchst merkwürdige besondere Bewußtseinsweisen, die doch in Absicht auf allgemeine Bewußtseinsanalysen, die des Zeitbewußtseins etc., eine besondere Bedeutung beanspruchen. Jedes wirkliche Erlebnis hat seine Bewußtseinswirklichkeit als Einheit einer lebendigen Dauer und konstituiert sich bewußtseinsmäßig als aktuelles Jetzt und immer neues Jetzt in der Form des Zeitbewußtseins. Darin ahnten wir schon, daß zwischen Erlebnis als Einheit der lebendigen Dauer und dem die Dauer konstituierenden Bewußtsein (das nicht Erlebnis im selben Sinn sein kann) zu unterscheiden ist, und daß gegenüber dem nächsten Erlebnisbegriff (dem der lebendig dauernden Einheit) und anderen, tieferen Begriffen (also auch Bewußtsein als Dauerndes und Bewußtsein als Dauer Konstituierendes) wird unterschieden werden müssen1. Das führt auf die tiefsten Probleme des Zeitbewußtseins. Andererseits nötigt die Erwägung der Weise der Zeitgegebenheit zur Unterscheidung zwischen gegenwärtigendem Bewußtsein, in dem das Jetzt bewußt ist, und vergegenwärtigendem Bewußtsein, in dem das soeben gewesene Jetzt bewußt ist als vergangen (und das natürlich mit seinem zeitfüllenden ,,Inhalt"). Wieder unterscheidet sich aber Vergegenwärtigung (in ihren verschiedenen Modis) von jener merkwürdigen Modifikation, die da bloße Phantasie heißt: dem „wirklich" als vergangen Bewußten steht gegenüber das als vergangen „Vorschweben" ohne Wirklichkeitscharakteristik. Dazu kommen die Unterschiede innerhalb dessen, was allgemein als Vergegenwärtigung bezeichnet sein kann: so der Unterschied des „originär" Vergangen, mit dem das Korrelat der Retention charakterisiert ist, dasjenige Vergangen, das ,,noch festgehaltenes" Jetzt ist, ein Jetzt, das aber doch nicht mehr jetzt, sondern eben vergangen ist, und andererseits dasjenige „sekundäre" Vergangen, das die Wiedererinnerung bietet, das das frühere Jetzt wieder vergegenwärtigt und wieder vergegenwärtigt seinen Abfluß in das originäre Vergangen. 1 Dieser Satz wurde von Husserl mit Bleistift durchgestrichen; dazu Bemerkung: ,,Die Rekapitulation ist zu ändern". — Anm. d. Hrsg.
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Es handelt sich in der Erforschung solcher Unterschiede um Lösung alter Probleme, die uns Hume's Unterscheidung zwischen Impression und Idee als allgemeine Unterscheidung aller „Perzeptionen", das ist aller Erlebnisse, gestellt hat, wobei er der Vielfältigkeit der hier spielenden Unterschiede nicht inne geworden ist. Diese1 Probleme gehen sogleich in umfassendere über, damit zusammenhängend, daß die Unterschiede, die hier als universell insofern auftreten, als sie an der Konstitution eines jeden Erlebnisses in der Einheit der Erlebniszeit beteiligt sind, doch wieder spezieller sind von dem Gesichtspunkt aus, daß Gegenwärtigung und Vergegenwärtigung und all die genannten Erlebnisformen nicht nur im Erlebnisreich in dieser Weise auftreten als Gegenwärtigung, Vergegenwärtigung etc. von Erlebnissen, vielmehr auch als Gegenwärtigung z.B. von Dingen, von physischen Ereignissen usf. Mit anderen Worten: Unter den Erlebnissen, die da als gegenwärtig oder vergegenwärtigt bewußt sind, treten wieder solche auf, die Gegenwärtiges oder nicht Gegenwärtiges bewußt machen, und zwar auch solches, das nicht selbst Erlebnis ist. Also wird man dahin geführt, was auch aus anderen Gründen von großem Nutzen ist, die Phänomenologic der Gegenwärtigung und aller zugehörigen Modifikationen in der letzteren Richtung allgemeiner zu behandeln. Damit aber wieder ist verflochten die Problemgruppe, die sich um die Titel Wahrnehmung, Vorstellung, Bildbewußtsein, Erinnerung usw. gruppiert, wobei der normale Sinn dieser Worte etwas wesentlich Neues hereinbringt: „Aufmerksamkeit", Zugewendet sein, Meinen, Erfassen von gegenwärtiger oder vergangener Wirklichkeit, dann weiter Explikation, Zusammennehmung, Aufeinanderbeziehung usw. Ferner in anderer Linie: Unterschiede zwischen gewisses Wirklichkeitsbewußtsem, Anmutungsbewußtsein, Zweifelsbewußtsein, Nichtigkeitsbewußtsein und Fragen, ob sie wesentlich zu den Zuwendungen gehören oder wie sie zu den Zuwendungen stehen. Weitere Titel allgemeiner, mit jedem Bewußtsein irgendwie verflochtener Unterschiede sind die Titel Klarheit, Deutlichkeit, Lebendigkeit in ihren verschiedenen Bedeutungen. Alle solche Unterschiede sollen sich uns aufdrängen und sollen zu einer ersten Fixierung kommen in einem relativ beschränkten Gebiet. Wir nehmen das Gebiet der uns alles in allem am nächsten liegenden, relativ noch am leichtesten zu analysierenden äußeren Anschauung. Alle Beschreibungen suchen wir von vornherein möglichst allgemein zu halten, so daß sich im Besonderen zugleich ein Allgemeineres eben besondert. Vor allem das allgemeinste Gebiet der Anschauungen, der Gegen wart igungen, Vergegenwärtigungen und der zu ihnen sich gesellenden und sie phänomenal modifizierenden Zuwendungen und Stellungnahmen werden wir beständig im Auge haben und von dem 1 Zum Folgenden hat Husserl später mit Bleistift nochmals vermerkt: „Kürzen!". — Anm. d. Hrsg.
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erwählten Gebiet aus möglichst die Grundlinien zu ziehen suchen einerseits für eine Erforschung des Zeitbewußtseins, andererseits für die des Raumbewußtseins und des Bewußtseins vom räumlichen Dasein. Und endlich wieder Linien, die emporführen zu einer Theorie der 5 Aufmerksamkeit, einer Phänomenologie der Synthesen höherer Stufe, die die Ursprungsstätten des Sinnes der Prädikation enthalten.
BEILAGE 13 DISPOSITION
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1) Idee der Philosophie als Wissenschaft, die das Interesse der absoluten Erkenntnis vertritt; — Idee der Philosophie als Wissenschaft, die das Interesse des absolut wertvollen personalen Lebens vertritt: Anfang der Vorlesungen von 1911 Sommer1. 2) Idee der Wissenschaftslehre: Ende der Vorlesungen über Logik 15 1910/11; Ende: die Noetik2. 3) Ausgang von der Beschreibung der Gegebenheiten der natürlichen Erkenntnis. Was ist da zu erforschen. A) Welches sind die Wissenschaften der natürlichen Einstellung. Zunächst der Erfahrungseinstellung, dann der eidetischen Ein20 Stellung. B) a) Die neue Dimension: das Bewußtsein-von; die Phänomenologie und phänomenologische Reduktion; Ausschaltung der Natur, auch der psychischen, b) Die Noetik. 25 4) Die skeptischen Probleme. Lotze3.
1 Im Sommer 1911 hatte Husserl über ,,Grundprobleme der Ethik und Wertlehre" gelesen. Der Anfangsteil dieser Vorlesung befindet sich unter der Signatur F I 14 im Husserl-Archiv. — Anm. d. Hrsg. 2 Das Schlußstück von Husserls Vorlesung ,,Logik als Theorie der Erkenntnis" vom Winter 1910/11 liegt im Husserl-Archiv unter der Signatur V I 12. — Anm. d. Hrsg. 3 Husserl bezieht sich dabei auf das Seminar über ,,Lotzes Erkenntnistheorie im Anschluß an das 3. Buch der Logik Lotzes" vom Sommer 1912, Vgl. die Blätter 26-28 von Ms. F I 42 und 61-69 von Ms. Β II 18. — Anm. d. Hrsg.
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BEILAGE 14 DISPOSITION (28. AUGUST 1912) 1
I Emporleitung zur Domäne der Phänomenologie ohne Hereinziehung 5 irgendwelcher philosophischer bzw. vernunftkritischer Interessen und Probleme. 1. Einleitung. Was ich im weiteren beabsichtige. 2. Natürliche und phänomenologische Denkhaltung (oder auch „ontologisch"-real und „phänomenologisch"). 10 Beschreibung der ontologischen (realen) Denkhaltung und des in ihr Gegebenen und zu Erforschenden. Die Felder der ontologischen (Real-) Wissenschaften. Diese Wissenschaften können sein empirische Wissenschaften und eidetische Wissenschaften (rationale). Hier bedarf es aber sogleich der 15 Verteidigung des Rechtes eidetischer Forschung. 3. Die phänomenologische Einstellung und das phänomenologische Residuum. Das Bewußtsein und seine Korrelate. Der Unterschied der Einstellung auf das singuläre Dies-da! und der eidetischen Einstellung. Die Verbindung der phänomenologischen und 20 eidetischen Reduktion. Eidetik des reinen Bewußtseins. Ob sich nicht nach Begründung einer eidetischen Bewußtseinsforschung Wege eröffnen könnten für die Erforschung des singulären phänomenologischen Seins (des Dies-da), bleibe dahingestellt. 4. Was ist in dieser Eidetik zu erforschen. Welche Probleme sind die 25 Eingangsprobleme. Charakteristisch für phänomenologische Forschung und Methode. II Philosophie {bzw. Vernunftkritik) und Phänomenologie 1. Idee der Philosophie bezogen auf das ideale Ziel absoluter 30 Erkenntnis. Was ist das für ein ideales Ziel? Die Mathematik, die Naturwissenschaft bietet keine „absolute" Erkenntnis. Und so überhaupt jede „ontologische" Wissenschaft. Man stellt gegenüber: Naturwissenschaft und Philosophie der Naturwissenschaft, Mathematik und Philosophie der Mathematik. Die natürlich erwachsene, ontologisch 35 gerichtete Naturwissenschaft und der Streit um ihre Interpretationen. Die Schwierigkeiten erwachsen aus Reflexionen über das Verhältnis von Natur und Bewußtsein von Natur. Ebenso: Die Mathematik und Logik,, so wie sie rein objektiv gerichtet ist: andererseits der Streit um 1
Disposition vom 1. Juli 1912. Abschrift.
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verschiedene Interpretation (Psychologismus und Naturalismus). Im Anschluß daran: Formulierung des Erkenntnisproblems in seinen ersten und nächstliegenden Formen. Damit verbunden der Ausgang vom Skeptizismus. Idee der absoluten Erkenntnis. Was gehört zur 5 Realisierung dieser Idee. Welches sind die Bedingungen ihrer Ermöglichung. Schließlich kulminiert alles in der Vernunftkritik und Phänomenologie.
B. AUS DEM BLEISTIFTMANUSKRIPT BEILAGE 15 ALTES ENPE DES ERSTEN STÜCKES ÜBER EIDETIK 1
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< September 1912> Was wir soeben, in Absicht auf eine Erwägung der Idee einer reinen Phänomenologie, vorausgeschickt haben, einer eidetischen und nicht empirischen Disziplin von den Phänomenen, muß streng in dem 15 Sinne verstanden werden, in dem es hier festgestellt worden ist. Wir haben nicht philosophische Theorien aufgestellt, wir haben nicht von einem metaphysischen Standpunkte aus doziert, sondern selbstverständliche Folgen aus einigen prinzipiellen Feststellungen gezogen. Was diese aber anlangt, so haben wir einfach beschrieben, was wir in 20 der Intuition als direkt gegeben vorfanden, und haben es genau in dem Sinne beschrieben, in dem es sich gab, ohne jede interpretierende Hineindeutung, ohne Hinzuziehung von solchem, was uns durch gelehrte Traditionen, durch alte und neue Vorurteile zugemutet, statt eben am Gegebenen selbst zu sehen war. So Festgestelltes mag für die 25 Philosophie wichtig sein, aber setzt keine Philosophie voraus, wie es überhaupt nichts Vorgegebenes voraussetzt.
BEILAGE 16 AUS DEM MANUSKRIPT ZU IDEEN I, <§§ 56~58>
<Ende September 1912> 30
Wir vollziehen nun eine notwendige Erweiterung des Rahmens der phänomenologischen Reduktion. Die ganze natürliche Welt haben wir aus dem Urteilsfeld ausgeschaltet, und was wir von ihr zurückbehalten 1
Zu § 18. — Anm. d. Hrsg.
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haben, waren die die natürliche Welt bewußtmachenden Erlebnisse und Erlebniszusammenhänge; und haben wir diese einmal in Reinheit, so haben wir damit eo ipso das gesamte reine Bewußtseinsfeld, wir haben den Blick für das Transzendentale gewonnen und gehen an 5 seinen eigenen Leitfäden weiter. In diesem Sinn haben wir sogleich das Ganze als unser eigen betrachtet und demgemäß auch gesprochen. Indessen ist es in systematischem Interesse notwendig, die Idee der Reduktion erweitert durchzuführen und auf den weitesten Kreis des Bewußtseinstranszendenten auszudehnen, auf den, der übrig bleibt, 10 nachdem die räumlich-zeitliche Welt schon transzendentaler Epoche verfallen ist 1 . Formal gesprochen erstrecken wir unsere Einklammerung auf alles, was wir anschauend, vorstellend, erkennend, dabei wertend und praktisch behandelnd, kurzum in welchen Bewußtseinsweisen immer 15 als im weitesten Sinne individuell seiend setzen und von <dem> wir uns einsichtig überzeugen können, daß es nicht selbst Bewußtsein (und nun schon von aller Weltsetzung gereinigtes Bewußtsein) ist. Daß mit der Ausschaltung der Setzung der Natur, der physischen und psychischen, auch alle durch wertenden und praktische Bewußtseins20 funktionen sich konstituierenden individuellen Gegenständlichkeiten ausgeschaltet sind, alle Kulturgestaltungen, Künste und Kunstwerke, Wissenschaften und wissenschaftlichen Abhandlungen, Waren, jederzeitliche> Nutzwerte usw., ist selbstverständlich. Desgleichen gibt es in unserer Domäne keine gegenständlichen Wirklichkeiten wie 25 Staat, Sitte, Recht, Religion; aber auch Anderes verfällt nun der Ausschaltung. Alle bisher ausgeschalteten Transzendenzen sind Realitäten, an deren Konstitution im Bewußtsein Abschattungsmannigfaltigkeiten bzw. Erscheinungsmannigfaltigkeiten wesentlich beteiligt sind. 30 Wie steht es nun, kann man fragen, mit dem ,,reinen" Ich? Das menschliche Ich und das tierische Subjekt verfällt als solches der phänomenologischen Reduktion. Wird infolge derselben das Ich ganz und gar, und etwa auch das vorfindende, phänomenologische Ich selbst zu einem transzendentalen Nichts? Reduziert es sich auf den 35 bloßen Lauf des Bewußtseins ? Jede cogitatio nimmt in der Reflexion die Form cogito an; verliert es diese Form, fragen wir, wenn sie zur transzendentalen Reflexion wird ? Klar ist von vornherein so viel, daß, wenn wir das transzendentale Residuum des natürlichen Ich suchen, 1 Dieser ganze Absatz wurde von Iiusserl wieder gestrichen und durch folgenden, allerdings unvollständigen Text ersetzt: „Wir gehen nun dazu über, den Rahmen der phänomenologischen Epoche" nach gewissen Richtungen zu erweitern. Bisher haben wir sie definiert durch Ausschaltung der gesamten natürlichen Welt. Und auf die Frage nach dem Residuum lenkte sich unser Blick auf die Domäne des absoluten Bewußtseins. Es ist aber gut zu bemerken, daß bei Ausschaltung der natürlichen Welt noch Transzendenzen übrig bleiben, die, wenn wirklich bloß das reine Bewußtsein übrig bleiben soll, ebenfalls ausgeschieden sein müssen. Wir beginnen mit einer näheren < . . . > " — Anm. d. Hrsg.
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wenn wir die Setzung Leib ausschalten und ihr die den Leib konstituierenden Bewußtseinszusammenhänge substituieren, wenn wir dann auf den weiteren sie (soweit sie aktuell sind) umspannenden transzendentalen Bewußtseinslauf stoßen, wir in diesem kein Ich als Bewußts e i n s d a t u m finden können. Jedes Erlebnis ist das meine, jedes fasse ich in der Form „ich denke", in jedem aktuellen cogito lebe ich, und mein Blick geht „durch" seinen Inhalt auf das Gegenständliche. Aber nicht kann dieses Ich dabei selbst ein S t ü c k oder Moment an jeder cogitatio <sein>, und wiederum ein Stück oder Moment an dem merkwürdigen Ichstrahl, an dem „Blick auf". Jedes Erlebnis ist etwas Zufälliges, prinzipiell betrachtet, jedes kann wechseln, kommen und gehen, wie wir ja faktisch die Erlebniswelt als eine Welt beständigen Flusses vorfinden. Demgegenüber soll aber das Ich ein Prinzip der Notwendigkeit sein. Das Ich braucht nicht zu reflektieren und braucht nicht im Hinblick auf die reflektiv erfaßte cogitatio zu sagen: ich denke, aber die Ichzugehörigkeit der cogitatio und die Zugehörigkeit aller cogitationes, die in dem einen und selben individuellen Bewußtseinsstrom dahinfließen, zu dem identisch einen individuellen Ich (für jeden Bewußtseinsstrom zu einem andern) gibt sich als eine Notwendigkeit des Wesens. Das Ich denke muß alle „meine" cogitationes begleiten können. Es scheint doch, daß davon durch die phänomenologische Reduktion nichts verloren geht und ein reines Ich als Prinzip dieser Notwendigkeit übrig bleibt. Denkbar mag sein ein sich im geschlossenen Strom meines Bewußtseins identisch durchhaltendes, in der immanenten Zeit desselben identisch dauerndes Phänomen: z.B. ein in stupider Identität fortdauerndes Tonempfinden. Aber dergleichen ist kein Ich und nichts dem Ich Analoges. Eine solche konstante cogitatio bedarf ja ihrerseits noch eines dauernden Ich, das ihr identisches Subjekt wäre, und es bliebe bei einem doch prinzipiell möglichen Sichverändern und Verschwinden dieses zufällig dauernden Phänomens. Andererseits ist es klar, daß, wenn es unvermeidlich wird, als Residuum der Weltreduktion auch ein identisches reines Ich im reinen Bewußtseinsstrom anzuerkennen (worüber wir hier übrigens keine Feststellungen machen), dieses Ich etwas prinzipiell Anderes wäre als irgendein Objekt der Welt. Diese bliebe ihm allzeit ein Gegenüber, während zugleich eben dieses Ich den Menschen und in ihm das empirische Ich setzte und in der natürlichen Reflexion sich in diesem naturalisierte. Jedes Weltobjekt ist ein Objekt durch Abschattung (und Bekundung). Es ist entweder bloßes sich abschattendes und schematisch sich bekundendes Objekt, bloßes Objekt der Erscheinung, mit einem Wort: räumliches Objekt, oder es ist ein im räumlichen Objekt Fundiertes, wie ein Mensch, dabei selbst eine Unterschicht von Raumdinglichkeit einschließend. Also das Ganze doch wieder ein Ganzes durch Abschattung 1 . Das Ich a b e r s c h a t t e t sich n i c h t ab, es ι Das empirische Ich hat aber auch seine Bekundung.
MANUSKRIPTE ZUR NIEDERSCHRIFT DER IDEEN I
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erscheint nicht, es lebt in seinen Akten und ist das Subjekt des Lebens. Das sagt: Die Erlebnisse stehen da als die seinen, die Aktgebilde als seine Leistungen, die Empfindungsinhalte als seine Stoffe, die Erlebnisse als Hintergründe, als seine Felder der Freiheit, 5 <seine> Verhaltungsweisen und der ganze Erlebnisstrom nicht als Mannigfaltigkeit seiner es abschattenden Erscheinungen, sondern als Strom, in dem es lebt, in dem es sich kontinuierlich als identisches Subjekt bekundet1. Gilt das nicht nur für das empirische Ich und Icherleben, sondern auch für das transzendentale, somit für das em10 pirische, weil es schon radikal für das transzendentale gilt, dann hätten wir hier eine grundwesentlich andersartige Transzendenz als der Welt bzw. der Transzendenz durch Erscheinung. Diese hypothetische Erörterung genügt für unsere Zwecke vollkommen. Wir brauchen für das vielumstrittene Ich des reinen Bewußtseins keine Partei zu er15 greifen: Wir erstrecken im voraus unsere transzendentale Reduktion darauf. Das Ich wäre ja nicht selbst reines Bewußtsein, sondern ein darin sich „Bekundendes", und wo immer wir in Form des cogito das Ich vorfinden, da adjungieren wir unserer Sphäre eben dieses Vorfinden und ebenso die vorgefundene cogitatio. Das Ich selbst ist der 20 cogitatio und ihrer Domäne in eigener Weise transzendent, auch diese Transzendenz schalten wir aus. Doch muß bemerkt werden, daß eine Fassung der Phänomenologie wohl möglich ist, die diese Transzendenz nicht ausschaltet. Aber nur soweit, als die mit dem reinen Bewußtsein gegebene unmittelbare Evidenz reicht, nur soweit nicht Lehren über 25 reine Ich aufzustellen sind, die direkt der Bewußtseinssphäre zu entnehmen sind, wobei sie als uns zugehörig anerkennen
Noch auf eine andere Transzendenz stoßen wir, eine Transzendenz, die nicht wie das Ich ineins mit dem Bewußtsein gegeben ist, sondern 30 mittelbar zur Erkenntnis kommt. Ich meine die Transzendenz Gottes. Die Reduktion der empirischen Welt ins Bewußtsein ergibt faktische Zusammenhänge von Bewußtseinsströmen als solchen, in denen sich eine Welt konstituiert, und schon darin liegt eine auffällige Teleologie. Die systematische Erforschung aller Teleologien, die von der empiri35 sehen Welt aus, von der Entwicklung des Kulturlebens der Menschheit aus usw. sich ins reine Bewußtsein übertragen, führt zur Idee eines Grundes, also nicht als dinglicher Ursache für den faktischen Lauf alles absoluten Bewußtseins in seiner Teleologie. Ich übergehe, was sonst noch von Seiten des religiösen Bewußtseins auf dieses selbe Subjekt hin40 führen, und als Vernunftmotiv hinführen mag: offenbar ist, daß dies außerweltliche göttliche Prinzip dem Bewußtsein selbst in seiner Absolutheit transzendent und in einem total anderen Sinne absolutes 1
Das reine Ich und das sich bekundende Ich ist zweierlei!
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Wesen wäre. Auf dieses erstrecken wir natürlich die phanomenologische Reduktion, es wird aus dem zu schaffenden Urteilsfeld ausgeschaltet, sofern es ein Feld des Urteilens über das reine Bewußtsein selbst sein soll. Da damit auch all das, was in bezug auf Ich und Gott als 5 transzendent apperzipierte freie Tat, Schöpfung u. dgl. ausgeschaltet ist, so haben wir nun alle möglichen individuellen transzendenten Wirklichkeiten ausgeschaltet: die hinsichtlich des Bewußtseins sozusagen polar gegenübergeordnet sind als Welt der Erscheinung und als Welt der absoluten Subjektivität oder Welt der Freiheit.
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BEILAGE 17 <EIXGEKLAMMERTES URTEIL UND URTEIL ÜBER EINGEKLAMMERTES^
< September/Oktober 1912> Nun, diese Vorzeichenänderung ist uns nicht unbekannt. Das ,,Εϊη15 klammern" der phänomenologischen Reduktion betrifft mit jeden wahrgenommenen Dinggegenstand als Wirklichkeit und gibt ihm durch die „Klammer" genau die Modifikation, die hier in Frage ist. Also anstelle des Gegenstandes, dieses blühenden Baums schlechthin, haben wir nun diesen blühenden Baum in Klammern (oder, wie wir in schriftlichem 20 Ausdruck es zumeist bevorzugen werden, in Anführungszeichen), so wie wir anstelle des Urteils über den Baum ein neues Urteilen haben, das über den Inhalt der Klammer. Das erstere Urteil ist unser phänomenologisches Objekt, das zweite ist ein Urteil, das wir als phänomenologische Forscher vollziehen und mit dem wir als phänomenolo25 gisches Objekt das im ersteren beurteilte Wahrnehmungsobjekt uns nicht als Wirklichkeit, sondern als wahrnehmungsmäßig Bewußtes phänomenologisch zueignen. Man muß also scharf unterscheiden den Baum schlechthin und das zur gegebenen Wahrnehmung gehörige Wesenskorrelat: den vermeinten Baum als solchen. In der Tat darf 30 man nicht so tun, als wäre das nichts. Es ist Subjekt gültiger und sehr wichtiger Aussagen: eben der Sinnesaussagen, der Aussagen über den „Sinn" der Wahrnehmung, das ist über das Wahrgenommene als solches, ebenso über den „Sinn" der Phantasie, über das Phantasierte als solches usw. Im Falle der freien Phantasie bedarf es insofern keiner 35 eigenen phänomenologischen Reduktion, als wir „frei" phantasierend keine Wirklichkeitssetzung vollziehen, das Phantasierte, etwa den Zentaur, nicht für wirklich halten. Indessen zeigt eine genauere Betrachtung, daß im Phantasieren eine gewisse Setzungsmodifikation enthalten ist, so daß der Zentaur als modifizierte Wirklichkeit, als 40 Ding einer „Phantasiewelt" dasteht. Und auch diese Quasiwelt bedarf 1
Zu §§ 88 und 89. — Anm. d. Hrsg.
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phänomenologischer Reduktion. Denn eine Phantasiemodifikation darf aber ja nicht verwechselt werden mit der Klammermodifikation; und das Urteilen „in" der Phantasie nicht verwechselt werden mit dem Urteilen, das das Korrelat des Phantasie5 erlebnisses setzt und beschreibt. Das Urteilen in der Phantasie ist selbst eine Phantasie, und aktuelles Erlebnis ist das Urteilsphantasieren. Das Urteil über das Phantasierte als solches, über das noematische Korrelat das Phantasieerlebnisses, ist aber kein phantasiertes Urteil und keine Phantasie von einem Urteil, sondern ein innerliches aktuelles 10 Urteil wie irgendein anderes. Ebenso darf man übrigens auch nicht verwechseln im Falle der Wahrnehmung und ähnlich setzender Erlebnisse das Urteilen in der Klammer, also das phänomenologische Residuum eines natürlichen Urteilens über die Gegenstände der Natur, mit dem Urteilen über das Klammerphänomen und über den in der 15 Klammer stehenden Inhalt als solchen. Das erstere ist das transzendental gereinigte Urteilserlebnis, das letztere <... >
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< September/Oktober 1912>
In der phänomenologischen Reduktion nehme ich das Erlebnis in sich selbst und in seinem Erlebniszusammenhang, ich lasse jedes Urteil über seine Realität. Und ist es als Realität aufgefaßt, so nehme ich das Erlebnis mit dieser Auffassung, aber so, daß ich die Setzung dieser 25 Auffassung nicht mitmache und nur das erweiterte Phänomen nehme, das ist ich vollziehe eine Ideation, in der ich den Blick richte auf das in meiner inneren Wahrnehmung und Setzung des E als real Gegebene, und zwar den „Inhalt", also auf „reales Ε mit seinem Seinscharakter". Also ich nehme das, aber bloß als Inhalt. Als Phänome30 nologe nehme ich also lauter solche Inhalte; ich setze aber als „Metaphysiker", als Dies-da-Setzer, mehr. Ich mache das Realitätsurteil nicht mit, aber ich setze das Ε und die innere Wahrnehmung des Ε in seiner Eigenheit und Diesheit. Das Ausschalten der phänomenologischen Reduktion ergibt Reduk35 tion auf den bloßen Inhalt und lauter bloße Inhalte, wenn die Reduktion eben eidetische ist.2 Wenn ich ein Wahrnehmen vollziehe und dann seine Setzung nicht mitmache, mich aus der Setzung „zurückziehe", so blicke ich auf das Wahrgenommene, das Dies-da ist, mit seinem Seinscharakter: Aber 40 dieser Inhalt mit seinem Seinscharakter ist bloß „Inhalt" derart, daß 1 2
Vorentwurf zu § 90. — Anm. d. Hrsg. Von vornherein ist Eidos nicht „Überhaupt"!
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ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929)
der Seinscharakter auch bloßer Inhalt ist. Ebenso überall: Ich blicke auf das Urteil hin, das ich nicht selbst mitmache etc. Das kann ich aufgrund der Wahrnehmung, des Urteilens etc. machen. Die Impressionen sind ebensogut aufgrund der Quasiwahrnehmungen etc. Ich mache 5 auch nicht die Quasisetzung mit.
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<EINLEITUNGSENTWÜRF FÜR DAS SCHLUSSKAPITEL DER IDEEN I> 1
< Oktober 1912> Wir können zweierlei Motive der vernunfttheoretischen Problematik 10 unterscheiden, die von vornherein verflochten auftraten, aber in ihrer Auswirkung sich trennten, um sich erst in der Idee der phänomenologischen Vernunftlehre, die überhaupt alle möglichen Wesensforschungen der Vernunft umspannt, zu vereiningen. Fürs erste die Motive der logischen und parallel damit der axiologischen und ethisch-praktischen 15 Noetik, fürs zweite die Motive der Transzendentalphilosophie, speziell der Problematik der Möglichkeit der Erkenntnis bewußtseinstranszendenter Realitäten. (Ich möchte dabei sogleich bemerken, daß hier immer das Wort Transzendenz in dem natürlichen und unentbehrlichen Wortsinn genommen wird, der Gegenstände transzendent nennt, 20 die nicht selbst Bewußtseins„erlebnis", Einzelheiten der Idee Bewußtsein (Vorstellen, Urteilen usw. und deren unabtrennbare Bestände) sind.) Beschränken wir unsere Erörterung der ersten Motivengruppe auf die logische Sphäre. Es war oben von der Wesenskorrelation zwischen 25 Urteilen und Satz (Urteil im gewöhnlichen Sinn der formalen Logik), zwischen einsichtigem bzw. richtigem Urteilen und Wahrheit u. dgl. gesprochen worden, zu der die Vermengung der Korrelate Anlaß gab. In den Reflexionen über Erkenntnis, Wahrheit, Sein, die die Begründung einer wissenschaftlichen Erkenntnis und wissenschaftlichen The30 orie, andererseits der Kampf gegen den Skeptizismus vollzog, wurde man beständig vom Noematischen zum Noetischen und umgekehrt geführt. Die Wahrheit war Erwerb und Gewinn einer Denkarbeit, die im reflektiven Blick zu erfassen und zu beschreiben war und sich als wesentlich verschieden zeigte gegenüber den unechten Vernunftbetäti35 gungen der δόξα, des vagen Meinens, der verworrenen Vorurteile mit ihren verworrenen Begriffen und daraus in vager Weise gezogenen unechten Schlüssen. Darüber war natürlich viel die Rede in der Weise einer Reflexion über die wahre Methode der Gewinnung von Wahrheiten. Aber sowie Stücke objektiver Wissenschaft, Stücke zusammen40 hängender Theorien erwachsen waren, die der geschulten Einsicht Vgl. § 147. — Anra d. Hrsg.
MANUSKRIPTE ZUR NIEDERSCHRIFT DER IDEEN I
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leicht zugänglich waren, überwucherte das sachliche und noematische Interesse, und während die Wissenschaften Fortschritte machten, blieb das erkennende Bewußtsein selbst, das sehr viel schwerer die richtige Methode wissenschaftlicher Theoretisierung finden konnte, 5 auf der Stufe vorwissenschaftlicher, vereinzelter Reflexionen und Bemerkungen. Von vornherein wirksam waren nur die Äquivalenzen noetischer und noematischer Einsichten, die so selbstverständlich waren, daß ihre Gegenglieder nicht zur Trennung kamen.
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Ist die Phänomenologie der möglichen Perzeptionen und perzeptionalen Noemata, der „Erscheinungen", mit all den zugehörigen Set15 zungsmodis in der Methode der Konstitution, dem systematischen Leitfaden der materialen Urkategorien folgend, vollzogen, so verbinden sich ihre Ergebnisse mit den Leistungen der Phänomenologie der höheren, der spezifischen Verstandessphäre mit ihren beziehenden und verbindenden Synthesen und ihren neuen, den ,,mittelbaren'' Begrün20 dungsformen. Nun kann hinsichtlich der Gegenständlichkeiten, die in bloßen schlichten Wahrnehmungsthesen als gegeben angenommen waren, das Spiel der kollektiven, explizierenden, beziehenden Operationen angehen, oder es kann unter Heranziehung von Phantasievergegenwärtigtmgen das Spiel der Operationen des hypothetischen 25 Denkens, des Voraussetzens, es sei das so und so Phantasierte oder es sei das Wahrgenommene „angesetzt" anders als es wirklich ist, angehen; es können Vergleichungen und Unterscheidungen vollzogen, begriffliche Wesen in der leeren und vollen Ideation (einer neuen Denkoperation) gesetzt, es können Ausdrücke ineins mit begrifflichen Fas30 sungen vollzogen werden, Schlüsse, Beweise in vielfältiger Art sich anschließen usw. All die zugehörigen phänomenologische Analysen, die allgemeineren in Form leerer oder
Zu § 153. — Anm. d. Hr*g.
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C. AUS DEN DRUCKVORLAGEN BEILAGE 21
<Ende Januar 1913> 5 II. Die Fundamentalbetrachtung der Phänomenologie 1. Kap. Die Thesis der natürlichen Einstellung und ihre Ausschaltung <S.> 33 1 bis 41 2. Kap. Bewußtsein und Realität 41-63 10 3. Kap. Das phänomenologisch reine Bewußtsein 63-78 4. Kap. Die phänomenologischen Reduktionen 78-90 III. Zur Methodik und Problematik der Phänomenologie 15 1. Kap. Methodische Vorerwägungen 90-111 2. Kap. Allgemeine Bewußtseinseigentümlichkeiten IV2. Noesis und Noema 1. Kap. Allgemeine Unterscheidung zwischen 20 Noematischem und Noetischem 111-127 2. Kap. Die durchgehenden noetisch-noematischen Strukturen 3. Kap. oder V. Abschnitt Idee einer Phänomenologie der Vernunft
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BEILAGE 22 <EINLEITUNGSENTWURF FÜR DEN IV. ABSCHNITT>3
< . . . > ein schichtenartiger Aufbau, der im Parallelismus in den Noesen wie in den noetischen Korrelaten waltet. Ihn zu finden und streng 30 zu beschreiben ist die Aufgabe, und die Erkenntnis allgemeinster Strukturen ist zugleich bestimmend für die ganze Methode des Vorgehens im Besonderen. Man kann geradezu von einer Methode der 1 Alle Seitenzahlangaben dieser Beilage beziehen sich auf Husserls (verlorenes) Kurrentschriftmanuskript, das dem Drucktext der Ideen I zugrunde lag. — Anm. d. Hrsg. 2 Diese Ziffer wurde von Husserl wieder gestrichen. — Anm. d. Hrsg. 3 Vgl. §§ 128 und 146. — Anm. d. Hrsg.
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Schichten sprechen, nämlich von einem methodischen Vorgehen, das systematisch je eine einzige, sei es auch nur durch Abstraktion abzuhebende Schicht zum Forschungsfeld macht, in ihr die relativen Concreta heraushebt, ihre Typen fixiert, an ihnen Elemente, Seiten, Inten5 tionalien unterscheidet, an ihnen in frei beweglicher Intuition modifizierende Operationen übt, die Typik dieser Operationen und ihrer Ergebnisse fixiert und so zu einer möglichst vollkommenen Erkenntnis der in diese Schichte fallenden Erlebnismomente zu gelangen sucht. Dabei ist es keineswegs erforderlich, zunächst die im Bewußtseinsbau 10 zuunterst liegenden Concreta aufzusuchen, mit ihnen die systematische Arbeit anzufangen und die auf sie bezüglichen Probleme vor allen anderen zu lösen: oder, was hier gleichwertig ist: die Ausführung der Hyletik ist keineswegs das Erste was nottut, als ob damit das Fundament gelegt wäre, das den ganzen weiteren Bau der Phänomenologie 15 zu tragen berufen wäre. Im Gegenteil ist eine gewisse Einsicht in das Wesen der Gesamtschichtung und in die Eigenheit der höheren Schichten, bzw. der Funktionen, in die die niederen (speziell die hyletische) Schichten verflochten sind, ganz unentbehrlich, um zu einem reinen Erfassen der Gegebenheiten der Unterschichten durchzudringen, um 20 Vermengungen von solchem, was in Wahrheit den Oberschichten zugehörig ist, zu verhüten. In der Tat, zunächst gegeben und bis zu einem gewissen Grade gleich zugänglich sind die mannigfaltigen konkreten Phänomene. Erst durch Analyse lernen wir die verschiedenen Dimensionen unterscheiden, nach denen sie sich teilen und schichten. Bei der 25 außerordentlichen Komplikation des Baues, die in der ersten sozusagen makroskopischen Betrachtung sich als solche gar nicht ankündigt, geht die Analyse sehr langsam weiter, erst allmählich und nach langer Übung lernt man die wesentlichen Gemeinsamkeiten sehen, welche die Rede von der Einheit einer durchgängigen Schicht rechtfertigen, lernt 30 man die Irrtümer kennen, die da drohen, die Versuchungen verstehen, die zur Verwechslung wesentlich zu sondernder und doch sich ähnlich anmutender Schichten geneigt machen. Man lernt überhaupt den allgemeinen Ähnlichkeiten unanalysierter Komplexe mißtrauen, welche die Hauptquellen aller phänomenologischen Verirrungen sind, immer 35 wieder stellt es sich durch Analyse solcher Komplexe heraus, daß Ähnlichkeiten von Komplexen ihre Gründe in sehr verschiedenen der unanalysierten Komponenten haben können. Die phänomenologische Forschung bewegt sich in ihren Anfängen, und sie wird noch langehin im Stadium der Anfänge bleiben, unvermeidlich im Zick-Zack. Man 40 hebt sich durch rohe Analyse eine Schichte ab, man erkennt eine Identität gegenüber mehrfachen Dimensionen möglicher Modifikationen, man findet im Abgehobenen ein Feld der Arbeit und kommt ein Stück vorwärts. Aber plötzlich zeigt sich eine Art von Vorkommnissen, die man nicht einzuordnen vermag, man wird unsicher in Betreff dessen, 45 was wirklich zur erwählten Dimension gehört und was nicht, man sieht, daß die Schichte noch nicht reinlich abgeschieden ist, man ist genötigt, in eine analytische Untersuchung einzutreten, die tief in eine neue
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Schicht hineinführt, sofern sich nämlich herausstellt, daß eben, was man dem eigenen Felde zugerechnet hatte, einem neuartigen zugehöre, daß überhaupt was man als eine Struktur angesehen hatte, ein Ineinander grundwesentlich verschiedener Strukturen sei usw. Es ist dies ja auch sonst die Art struktureller Untersuchungen, da Strukturen durcheinanderzugehen, sich nicht überall scharf abzuheben pflegen; von der einen Struktur, der das Interesse gilt, muß man öfters in das Studium anderer Strukturen übergehen, wobei, was als andere und als dieselbe Struktur gelten darf, oft erst durch lange und in den Ergebnissen schwankende Untersuchungen festzustellen ist. Vielfältige Beispiele für das hier Gesagte bieten schon die Analysen der vorliegenden Schrift. Um nur Eins hervorzuheben, so ist es leicht, damit anzufangen: „Bewußtsein ist Bewußtsein von etwas", und allenfalls auch zwischen Bewußtsein selbst und Vermeintem als solchen zu unterscheiden. Aber wie nun dieses „immanente" Korrelat als Gegenständliches fassen ? Ist es als Wesenszugehöriges nicht eo ipso Bestandstück des Erlebnisses, also mit dessen reellen Komponenten in einer Ebene liegend ? Dann weiter: man entschließt sich etwa, hier eine sozusagen ideelle, eigenartige Schicht zu statuieren. Aber was nun ihr zurechnen? Da macht die „Setzung" Schwierigkeit. Sie ist, sagt man sich, doch Sache des Bewußtseins, das Ich setzt den Inhalt, das Setzen ist Subjektives, und das Subjektive muß man doch zum reellen Bewußtseinsbestand rechnen. Dann berücksichtigt man den Unterschied der Reflexionsrichtung auf das Ich und die noetische Schicht und die auf das Noematische, und wird darauf achtsam, daß am Noematischen selbst, in der Blickrichtung, die dem Noetischen abgewandt ist, sich das „gewiß" oder „vermutlich" usw. zeigt. Damit scheidet sich, was Sache der parallelen Strukturen ist und was zunächst verworren durcheinanderging. — Im Verfolge phänomenologischer Untersuchungen, deren Hauptthema ja die Intentionahtät ist, stoßt man notwendig auf die von Erkenntnistheoretikern oft behauptete, aber nie in dem einzig zulässigen eidetisch-phänomenologischen Sinn erkannte Korrelation zwischen Sein und Bewußtsein. Die Phänomenologie lehrt in dieser Hinsicht, daß das phänomenologisch reine Bewußtsein durch sein eigenes, intuitiv faßbares und analysierbares Wesen gegenständliche Beziehung, und zwar Beziehung auf seine Gegenständlichkeit habe. Ist es ein Allgemeinheitsbewußtsein, so ist das Gegenständliche eine Allgemeinheit, ist es ein Individualbewußtsein, so ein Individuelles, also etwa dieser Gegenstand, dieses Ding hie et nunc. Der große Schritt ist hier der, die Trivialität auf das Niveau phänomenologischer Wesenseinsicht zu erheben. Bewußtsein und Gegenstand sind, wie wir mehrfach betont haben, nicht zwei Fakta, die zufällig zusammenkommen, sondern phänomenologisch, „transzendental" zusammengehören. Das Apriori, die Wesenszusammengehörigkeit reicht bis in die niederste Konkretion, die als „Inhalt" des Individuums immer noch ein Wesen ist. Klammern wir als Phänomenologen den Gegenstand seinem Dasein
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nach ein, so verbleibt vom Standpunkt des jeweiligen reinen Bewußtseins der „Sinn" bzw. „Satz", der in sich selbst die gegenständliche Beziehung hat, sein X, als Bestimmungssubjekt, mit dem Bestimmungsgehalt, in dem es „vermeinter Gegenstand" ist, der je nach Art 5 der Sinnesfülle seine anschauliche oder dunkle Gegebenheitsweise hat. Wir können nun zwei Richtungen der Untersuchung einschlagen. Entweder wir gehen dem Sinn nach < . . . >
BEILAGE 2 3 <ERSTER ENTWURF ZUR ANMERKUNG ÜBER MESSER UND 0ΟΗΝ>! 10
Über meine Erörterungen des Begriffes Wesen und des Sinnes einer Wesensanalyse hat Messer einfach weggelesen, und so hat er von allen prinzipiellen Ausführungen wirklich kein Wort verstanden. Das macht sich in seinem neuen Aufsatz natürlich wieder bemerkbar.
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Cohn wirft mir eine Äquivokation vor, entstanden durch die Gleichsetzung des Allgemeinen mit dem nicht durch einen individuellen (räumlichen und zeitlichen) Ort Bestimmten. „Wenn nämlich das Phänomen in jenem unermeßlichen Flusse des Geschehens (im Erlebnisfluß) fließt, so ist ein Stück dieses Flusses gewiß nicht durch einen chronometrischen Ort bestimmt; aber mit diesem Mangel ist doch nicht notwendig der Vorzug verbunden, daß das jetzt im Flusse Friessende wesensidentisch sei mit anderen, in anderen Flüssen oder an anderen Stellen des gleichen Flusses Befindlichen." Darauf ist zu antworten: Ich setze nicht das Allgemeine, nämlich das Wesen, darum mit dem durch einen individuellen (nämlich realen) Ort in der Weltzeit und im Weltraum Bestimmten gleich, weil ich betone, daß ein Wesen einen solchen Ort prinzipiell nicht hat. Ein Wesen ist gegeben der Wesenserschauung, und was das heißt, kann jeder vorurteilsfrei direkt erfassen, er braucht sich nur den „klaren Sinn" von „Farbe überhaupt" und „Ton überhaupt" zur Gegebenheit zu bringen. Darüber ist hier weiter kein Wort zu verlieren. Wichtiger ist der weitere Satz. Die Phänomene im reduzierten und noch nicht eidetischen Fluß haben natürlich keinen chronometrischen Ort. Aber daß sie ihn nicht haben, spielt hier keine Rolle und spielte auch keine in den Darstellungen des Logos-Aufsatzes. Was behauptet wird, ist die Möglichkeit einer Wesenserkenntnis, der Erfassung von Wesen selbst und der Erfassung von E r l e b n i s wesen, dann weiter die Erkenntnis von unbedingt allgemeingültigen Sätzen 1
Zu § 79, S. 168 der Originalpaginierung, Anm. 2. — Anm. d. Hrsg.
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über Wesen und speziell über Erlebniswesen. Die Möglichkeit einer Wesenserkenntnis kann nicht erwiesen, sie kann nur eingesehen werden. Sie ist selbst eine Wesenserkenntnis. Nach einem Beweis fragen, das hieße schon einen Widersinn begehen, da der Beweis das zu Beweisende voraussetzen würde und so in infinitum. Wenn es sich heute darum handelt, die reine Arithmetik oder reine Geometrie zu verteidigen, so würde ein Cohn denselben Einwand machen können: Die Geometrie bezieht sich auf die Kontinuität der empirisch in beständigem Fluß befindlichen Raumding-Gestaltungen. Die geometrische Wesenserschauung erfaßt am Empirischen das Wesen und stellt unbedingt allgemeine geometrische Satze fest. So behauptet der Idealist. Aber eine solche Wesenserkenntnis unterliegt dem Einwand, so würde der Empirist, dessen Sachwalter diesmal Cohn wäre, sagen, daß mit der reinen Erfassung des Wesens, die eine Ablösung der reinen Idee vom empirisch individuellen räumlich-zeitlichen Sein ist, nicht notwendig der Vorzug verbunden ist, daß das jetzt im Fluß Fließende wesensidentisch sei mit dem anderen in anderen Flüssen etc. Ebenso die arithmetische Erkenntnis, sofern sie sich auf Empirisches, also Fließendes bezieht. Wäre es nun sehr weise, wenn man gegen die Etablierung dieser reinen Disziplinen aus solchen Gründen argumentieren und die gewaltige Bedeutung der unbedingt gültigen reinen Erkenntnis für die empirische Naturforschung verkennen würde? Dahinter spielt auch beständig, auch bei Cohn, das Mißverständnis, als ob die phänomenologische Methode die empirische ersetzen sollte. Sie hat für Psychologie gar nicht mehr zu leisten als das Apriori der Natur, speziell z,B. das mathematische Apriori, für die empirische Naturwissenschaft. Sie spielt bei allen streng wissenschaftlichen Daseinsfeststellungen eine Rolle, aber sie ist keine physikalische Methode, und so ist die phänomenologische das Fundament streng wissenschaftlicher Psychologie und doch kein Dasein <erweisend>.
BEILAGE 2 4 MESSER — COHN. 1
Die während der letzten Korrektur des Drucksatzes dieser Blätter 35 erscheinenden Artikel von J. Cohn und A. Messer im ersten Bande der „Jahrbücher für " zeigen wiederum, wie schwer es auch gründlichen Forschern wird, sich vom Banne der herrschenden Vorurteile zu befreien und die Eigenart einer reinen Wesenslehre zu erfassen. Was Messer anlangt, so ist hier nicht der Ort, auf seine wiederholten 40 Einwände gegen meine Erörterungen über psychologische Methode 1
Zu § 79, S. 158 der Originalpaginierung, Anm. 2. — Anm. d. Hrsg.
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einzugehen. Nur kurz sei, und mit großem Bedauern, sagt, daß er den Sinn meiner Darstellungen so vollständig verfehlt hat, daß ich (soweit irgend Prinzipielles in Frage ist) alle seine Referate über meine Lehren k o n t r a d i k t o r i s c h umkehren müßte, um in ihnen einiger5 maßen meine wirklichen Lehren wiederzuerkennen. Selbst in seinen Zitaten bekundet sich das vollkommene Mißverständnis darin, daß er (natürlich ohne es zu merken) entscheidende Sätze wegläßt, so daß sich ihr Sinn geradezu in den entgegengesetzten verwandelt (vgl. sein Zitat im „Archiv , S. 120 10 im 2. Absatz mit dem Original). Alle meine Ausführungen hinsichtlich der Begriffe Wesen, Wesensanalyse, reine Bewußtseinsanalyse bleiben ohne Wirkung, er versteht sie als S e l b s t b e o b a c h t u n g und meine Phänomenologie als eine vermeintlich verbesserte Auflage der Selbstbeobachtungs-Psychologie. Darüber ist hier weiter nichts zu sagen. Ich 15 hoffe, daß die ausführlicheren Darstellungen der vorliegenden Arbeit ähnliche Mißverständnisse bei dem geschätzten Forscher nicht mehr aufkommen lassen werden. J. Cohn wirft mir „eine Äquivokation" vor, entstanden „durch die Gleichsetzung des Allgemeinen mit dem nicht durch einen individuellen 20 Ort Bestimmten" (gemeint ist das reale Sein im Weltraum und der Weltzeit), und er fügt nun den Einwand bei: „Wenn das Phänomen in jenem unermeßlichen Fluß des Geschehens fließt (im Erlebnisstrom), so ist ein Stück dieses Flusses . . . > a Darauf ist fürs erste zu sagen: daß es mir nie eingefallen ist, eine G l e i c h s e t z u n g des Allgemeinen, das 25 ist des Wesens, mit dem nicht durch den individuellen Ort Bestimmten zu vollziehen. Das bedarf hier keiner Ausführung. Natürlich wird man bei der Beschreibung des Wesens zu sagen nicht unterlassen, daß es kein räumlich-zeitliches Dasein hat. Besagt das aber eine Gleichsetzung ? 30 Ferner: Gerne gestehe ich zu, bisher noch nicht dargetan zu haben, daß sich die Gültigkeit der Resultate meiner „Wesensschau", geschweige denn ihrer Vollständigkeit, beweisen lasse. Ich verstehe nur nicht, wie J. Cohn mir hat die Absicht zumuten können, einen solchen Beweis, der eine vollkommene Absurdität wäre, führen zu wollen. Auch er hat 35 also den ganzen Sinn meiner Darstellungen nicht verstanden, oder, was gleich gilt, den Sinn von „Wesen" und Wesenserkenntnissen nicht erfaßt. Es ist nicht richtig und keineswegs, wie es in Cohns Darstellungen scheinen könnte, meine Ansicht, wenn es in ihnen a.a.O. <S.> 226 heißt, die „Phänomenologie soll das reine Bewußtsein untersuchen, 40 m u ß aber dafür vom e m p i r i s c h e n Bewußtsein ausgehen und m u ß . . . vorerst an die in der Sprache fixierten Unterscheidungen anknüpfen." Im Gegenteil habe ich den größten Nachdruck schon im LogosArtikel darauf gelegt, daß die Phänomenologie wie jede Wesenslehre nicht vom empirischen Bewußtsein, d.i. doch von einem erfahrenden 1 Vgl. die Fortführung dieses Zitats in der vorigen Beilage 23 (oben S. 573). —Anm, d. Hrsg.
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und als solchem Daseinssetzung vollziehenden, ausgehen muß. Vgl. unsere Ausführungen über Phantasie und Wesenserfassung. Mit diesem Nicht-Verstehen hängt aber zusammen, daß Cohn von der Phänomenologie Auskunft darüber erwartet (oder so spricht, als ob ich der Phänomenologie solche Auskunft zumutete), ob sein jetzt im Bewußtseinsfluß V o r h a n d e n e s mit dem früher Vorhandenen wirklich wesensidentisch sei. Das wäre ebensogut, wie wenn man vom Geometer Feststellungen darüber erwarten wollte, ob im Fluß der empirischen sinnlichen Dinggegebenheiten ein Räumliches, etwa ein jetzt hier und dann dort Gegebenes, unter demselben geometrischen Wesen falle, also geometrisch identisch Bestimmtes sei. Oder von einem Arithmetiker Auskunft darüber, wie man sich empirisch der Identität der Zahl versichere. Gesetzt es wären die rein mathematischen Disziplinen noch nicht etabliert und es würde jemand gegen die Neubegründüng des Postulats einer von aller Empirie losgelösten, in reiner Anschauung und reinem Denken zu vollziehenden mathematischen Wesenslehre des Matemathischen den „Beweis" der „Gültigkeit der Resultate der Wesensschauen" für die Empirie verlangen ? Oder man würde die Behauptung, daß reine Erkenntnis hier selbstverständlich grundlegend sein muß für die entsprechenden empirischen Wissenschaften, so mißverstehen, als ob die reinen Wissenschaften Daseinsfeststellungen und die Methoden für Daseinserweise als solche aus sich hergeben sollten ? Nicht triftiger kann ich den weiteren Einwand Cohns finden: daß die exakte Beschreibung eine Zerlegung des Erlebnisses in einzelne Momente fordere, daß aber eine solche Zerlegung unter verschiedenen Gesichtspunkten in verschiedener Weise möglich sei. Die exakte Beschreibung des faktischen Erlebnisses ist die Aufgabe der empirischen Psychologie, so wie die exakte Beschreibung eines gegebenen Dinges der empirischen Naturwissenschaft. Sofern aber im Wesen von Ding überhaupt mit Raumgestalt, Zeitgestaltung, Bewegungsgestalt, Substanzialität, Kausalität usw. höchst umfassende Wesensallgemeinheiten und Gesetzlichkeiten vorgezeichnet sind, ohne die eben ein Ding nicht möglich ist, werden die zugehörigen apriorischen Disziplinen den Naturforscher mit einem System „exakt beschreibender" Begriffe versehen, die er in der Erfahrung anwendet, aber nicht aus ihr entnimmt. Dieses Apriori beiseite schieben und alle Begriffe an der Erfahrung ausbilden zu wollen, das hieße exakte Naturwissenschaft, Naturwissenschaft höchster Stufe unmöglich machen. Und analog auch (mutatis mutandis) in unserem Fall.
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Natürliche Erkenntnis <S.> 7 1 Natürliche, theoretische Einstellung — Welt, Natur, Allheit der Realitäten, der Gegenstände möglicher ,,Erfahrung*' <S.> 7 Gegenstand im weitesten Sinn <S.> 11 E r f a h r u n g = natürliche Erfahrung <S.> 7 und S. 35; originär gebende Erfahrung — gewöhnliche Wahrnehmung, -> auch „originäre Erfahrung" <S.> 8 Originäre Gegebenheit = Bewußtsein, den Gegenstand in seiner „leibhaftigen'* Selbstheit zu erfassen <S.> 11 Äußere Wahrnehmung = von physischen Dingen Selbstwahrnehmung <S.> 70: Wahrnehmung = Urerfahrung Einfühlung als Ansehen der Erlebnisse Anderer kein originär gebender Akt <S.> 8 Der Andere nicht bewußt als „originär gegeben", obschon als selbst da in eins mit seinem Leib. <S.> 10: individuelle Anschauung = Anschauung im gewöhnlichen engeren Sinn <S.> 11 — Wesensschauung (Ideation), auch Wesenserschauung. Originär gebende Erschauung, adäquate — inadäquate. Dunkles Bewußtsein <S.> 11 Anm. identifiziert mit ,,nicht mehr anschauend". Z.B. <S.> 16 wird originäre Gegebenheit eines Wesensverhaltes verstanden als Evidenz, als Einsicht in die kategoriale Gegenständlichkeit. Es wird also nicht geschieden das Erfassen des Wesensverhaltes als Gegenstand aufgrund der Evidenz von der Evidenz selbst. Ebenso wie 1 Diese wie alle weiteren in den Titeln oder im Text der folgenden „Beiblätter aus den Handexemplaren" auftretenden Seitenzahlen beziehen sich auf die Originalpaginierung der Ideen I, die in vorliegender Ausgabe am Rande wiedergegeben ist. — Anm. d. Hrsg.
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nicht geschieden wird die „Anschauung" als das Hinsehen und Erfassen des Sachverhalts (Nominalisierung) und die Evidenz, in der der Sachverhalt originär konstituiert ist, aber nicht Objekt ist für ein Erfassen. 5 Fortsetzung: Erfahrung ausführlich behandelt im 2. Kapitel, I. Abschnitt. S. 37 wird vom Begriff der Erfahrung ausgeschlossen das Kategoriale: Die Ausführung müßte aber geändert werden. Der Empirismus mit seiner These, daß alle Erkenntnis auf Wahrnehmung sich gründet, 10 nimmt natürlich dazu, daß nur solche kategoriale Akte (Urteile, Schlüsse), die sich nach Wahrnehmungen „richten", Wert haben. Also Erfahrung umgreift auch das Urteilen nach den schlichten Akten der „Erfahrung" (Wahrnehmung etc.). Es kommt also nur auf die Argumentation an: wie es mit den Prin15 zipien der Schlußweisen steht. BEILAGE 26 ABSCHRIFT S. 15
Jede eidetische Besonderung und Vereinzelung eines eidetisch all20 gemeinen Sachverhalts heißt, sofern sie das ist, eine Wesensnotwendigkeit. Wesensallgemeinheit und Wesensnotwendigkeit sind Korrelate. Doch schwankt die Rede von Notwendigkeit den zusammengehörigen Korrelationen entsprechend: auch die entsprechenden Urteile 25 heißen notwendige. Es ist aber wichtig, die Sonderungen zu beachten und vor allem nicht Wesensallgemeinheit, wie es gewöhnlich geschieht, als Notwendigkeit zu bezeichnen. Das Bewußtsein einer Notwendigkeit, näher ein Urteilsbewußtsein, in welchem ein Sachverhalt als Besonderung einer eidetischen 30 Allgemeinheit bewußt ist, heißt ein apodiktisches, das Urteil selbst, der Satz, eine apodiktische Folge (auch apodiktisch notwendige Folge) des Allgemeinen, auf das es bezogen ist. Die ausgesprochenen Sätze über die Verhältnisse zwischen Allgemeinheit, Notwendigkeit, Apodiktizität können auch allgemeiner ge35 faßt werden, so daß sie für beliebige und nicht nur für rein eidetische Sphären gelten. Offenbar gewinnen sie aber in der eidetischen Begrenzung einen ausgezeichneten und besonders wichtigen Sinn. Verbindung von eidetischen Urteilen mit Daseinssetzungen von Individuellem. Anwendung geometrischer Wahrheiten auf Fälle der 40 Natur. Der Fall Tatsache. Er ist aber eidetische Notwendigkeit, sofern er Vereinzelung einer Wesensallgemeinheit ist.
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BEILAGE 27 IDEEN, <S.> 22//.
Bedeutungskategorient Bedeutung
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„Die zum Wesen des Satzes gehörigen Grundbegriffe" etc.: Die letzte Klärung von Satz, die letzte Reinigung, führt doch gerade im Sinne der Ideen darauf, hier noch zwischen Bedeutung und Satz zu scheiden und, wie es doch da schon geschieht, Satz ontologisch zu verstehen. Das muß also zu einem eigenen Thema gemacht und voll10 endet werden. BEILAGE 28
23 Ad Bedeutung
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S. 23 unterscheide ich bei den „Kategorien" Begriffe im Sinne von Bedeutungen, andererseits die Wesen selbst (hier die formalen), die in diesen Bedeutungen Ausdruck finden. Das ist wohl nicht befriedigend. Z.B. die formale Kategorie „Sachverhalt". Da hätten wir die Bedeutung Sachverhalt und das formale 20 Wesen Sachverhalt. Ich kann auch den verbalen Ausdruck nehmen „roter Sachverhalt", wiewohl es dergleichen nicht gibt, und das entsprechende „Wesen" — das es eben nicht gibt. Wir unterscheiden: Das mit den Worten Vermeinte als solches. Die Worte können in normaler Urteilsfunktion stehen — qualitativ un25 modifiziert. Oder in anomaler Funktion — qualitativ modifiziert. Sie stehen darum doch, wie man sagt, in derselben Bedeutung. Der Sinn, das Wesen des Vermeinten, abgesehen von der Qualität, ist dasselbe. Das Wesen ist das kategorial Vermeinte als solches. Andererseits, ist das Meinen ein mögliches oder ein wahres, so entspricht dem das dem 30 Meinen bzw. der Meinung (dem Gemeinten als solchen) zugehörige Wahre, wahrhaft Seiende; der „Meinung" Sachverhalt überhaupt die Idee, das Wesen „Sachverhalt". Ich muß aber in ganz umfassender Weise und in voller Allgemeinheit all die Verhältnisse Satz, Wesen etc. zum Objekt einer eigenen Darstellung machen. 35 Ich scheide abschließend: kategoriale Begriffe — kategoriale Wesen. Besser doch Begriffe von Kategorien, allgemeine Worte, und Begriffe, die Kategorien nennen (nicht ausdrücken, das paßt doch nicht), und Kategorien selbst. Ich habe die Worte, die Ausdrücke: Sachverhalt überhaupt, Vielheit
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überhaupt etc. — das formale Wesen „Sachverhalt". Nehme ich die Worte Sachverhalt schlechthin etc., so beziehen sie sich auf Sachverhalte, auf material bestimmte, auf einzelne überhaupt etc. vermöge ihres Wesens, das selbst nicht gegenständlich wird.
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S. 40. Evidenz von Urteilen (Aussagen)
Unterschied von Evidenz und Nichtevidenz von Aussagen: „Eine gleiche Oberschicht, die des gleichen Aussagens als bloßen bedeutungsmäßigen A u d r ü c k e n s , ist das eine Mal Schritt für Schritt angepaßt einer „Klar einsehenden" Sachverhaltsintuition, während das 10 andere Mal als Unterschicht ein ganz anderes Phänomen, ein nicht intuitives, evtl. verworrenes, ungegliedertes Sachverhaltsbewußtsein fungiert". BEILAGE 29 NÄHERE AUSFÜHRUNG ZU § 10, S. 21 UNTEN U.f. 15
(AUCH ZU § 13, s.
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Wesen des Wesens; Wesens-Aussagen über Wesen als formalontologische Aussagen. Jedes Wesen hat einen Inhalt und eine Form, so wie jeder Gegen20 stand. Die Gattungen und Arten betreffen den Inhalt und im echten Sinn die absoluten Substrate, desgleichen alle echten Teilverhältnisse. Was Wesen und Wesen im eigentlichen Sinn „gemeinsam" haben wie das, was sie im inhaltlichen, eigentlichen Sinn unterscheidet, ist ihre Eigenheit, 25 Andererseits, wenn wir von „Wesen überhaupt" sprechen, so ist das Allgemeine „Wesen'' nicht selbst wieder ein Inhalt, sondern eine Form. Und wenn wir Gattung und Art überhaupt nehmen in Abstraktion vom „Inhalt", so sind diese Titel und die zu ihnen gehörigen Verhältnisse formale. Sprechen wir von dem, „was zum Wesen des Wesens" 30 gehört, so betrifft das dasjenige, was die Form „Wesen überhaupt" mit sich bringt, welche Gestaltungen zu dieser Form gehören. Ebenso wenn wir von „Inhalt'* (Materie) überhaupt sprechen, in Relation zur „Form" überhaupt, und so auch im besonderen, so ist Inhalt selbst wieder eine „Form". 35 Die Form selbst im Vergleich mit anderen Formen, sofern das Allgemeine „Form" herauszuheben und zu betrachten ist, ist selbst wieder eine „Form", die Form „Form überhaupt". Der Unterschied bezeichnet sich mit den Worten:
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Es gibt rein formale Betrachtungsweisen, bezüglich auf das Formale als solches, und was dabei herausgestellt ist, steht selbst wieder unter formalen Betrachtungsweisen, die Formen zum Inhalt haben, und so in infinitum — und andererseits gibt es materiale Betrachtungsweisen, das ist solche, die am bestimmten Gegenständlichen, am bestimmten Wesen sich vollziehen, etwa den Wesen „Rot" oder „Ausdehnung", „Ding" etc. Es ist die Weise der formalen Ontologie, über reine Formen zu handeln, also über Inhalte nur zu handeln, als „Inhalte überhaupt", und dann über die Formen der Inhalte, sei es als Formen von Inhalten überhaupt, sei es in bestimmter Aufweisung von Formen: Ihre Bestimmtheit ist besondere Form und ihr Allgemeines ist Form überhaupt, also bezogen auf in der Weise der Bestimmtheit gesetzte Substrate überhaupt. Formale Betrachtungsweisen, deren Korrelate formale Wesen sind, sind also Wesen einer total neuen Dimension gegenüber den material bestimmten Wesen mit ihren sie kategorial gestaltenden Formen. Wir haben demgemäß, wie ich es in den Vorlesungen seit vielen Jahren auszudrücken pflege, zwei grundverschiedene Arten der Verallgemeinerung1: 1. die logisch-mathematische Verallgemeinerung, die zu den puren Formen dadurch führt, daß sie die Vollkerne durch Leerkerne, die bestimmten Materien durch unbestimmte Etwas (Materien überhaupt), die bestimmten Gegenstände durch „Gegenstände überhaupt", die bestimmten Wesen durch „Wesen überhaupt" ersetzt; 2. die materiale Verallgemeinerung und bei den reinen Wesen die reine Generalisierung, die von den Arten zu den Gattungen emporsteigt, den echten Gattungen, die selbst ein Materielles sind und reine Materien unter Abstraktion von allen sie umwebenden syntaktischen Formen. Die formale Betrachtung (oder Form-Betrachtung), welche Wesen dadurch zulassen, daß sie unter das Allgemeine „Wesen überhaupt" faßbar sind (ein Allgemeines, das kein „Teil" ist wie die echte Gattung), ist also eine ganz eigenartige. Das Wesen des Wesens ist also n i c h t im selben Sinn Wesen wie das Wesen schlechthin. Das Formale ist überall Form-von und andererseits doch wieder als Eidos, als F o r m Eidos zu behandeln, und das in allen Stufen. Die Intuition, die das Formwesen ergibt, ist eine wesentlich andersartige wie die Intuition, die das materiale Wesen, das Wesen im ersten Sinn ergibt. Aber ein Gemeinsames bleibt bestehen: die völlige Freiheit vom Dies-da, von aller individuellen Setzung, die unbedingte Allgemeinheit bzw. Notwendigkeit, die zum Eidos überhaupt nach Form wie nach Materie gehört, und die Möglichkeit, auch Form-Wesen wie Gegenι Das ist ja auch weiter unten (in § 13 der Ideen) ausgeführt.
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ständlichkeiten zu behandeln, über sie reine Aussagen zu machen, auf sie bezügliche Sachverhalte zu erfassen in dem ihnen eigenen Charakter eidetischer Gegebenheit, die sich umwandeln läßt in absolute oder unbedingte Geltungen für Individuelles überhaupt, und die dabei selbst 5 in formaler Allgemeinheit Gedachtes ist. Wo immer wir hier in diesen Betrachtungen reine Aussagen machen über Materiales, sind diese Aussagen selbst keine materialen, sondern formale. M.a.W. wir bewegen uns durchaus in der Sphäre <der> formalen Ontologie.
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BEILAGE 30 SUBSTRAT UND WESEN
Schwierigkeiten „Rot" ist einmal Prädikat, wie in dem Sachverhalt „dies ist rot". 15 Das andere Mal Subjekt, wie in dem Sachverhalt „Rot ist eine Spezies von Farbe". Im letzteren Fall liegt dem Urteil zugrunde das Wesen als Gegenstand worüber, so wie es da selbst gegeben ist in der vergleichenden Betrachtung und Deckung der roten Dinge, näher der RotFlächen: das Rot hebt sich heraus und „wird zum Gegenstand" für 20 mein Urteilen und für das Urteil: zum Gegenstand worüber. Es wird zum nominalen Subjekt. Hier finde ich in den beiden logischen Verhalten („Sachverhalten") — den beiden logischen Verhalten, die mir in Wahrheit gegeben sind oder gegeben als quasi bestehende, als Möglichkeiten — vergleichend 25 das „rot" und „Rot", das Prädikat hier, das Subjekt dort, in zwei „logischen Formen", in zweierlei Syntaxen (formal-ontologisch) „dasselbe Substrat"; in den beiden Sätzen (als Urteilen) denselben logischen „ K e r n " (rein grammatisch) (das Bedeutungssubstrat der Bedeutungssyntaxe). Dem „Substrat" in der Bedeutungssphäre, im noe30 matischen Gehalt des „Urteilens" (auch im Ausdruck), entspricht das „Substrat" im Sachverhaltsglied (und natürlich auch eine Parallele im Bewußtsein, Erlebnis). Bleiben wir im Ontischen. Ist da Substrat etwas anderes als Wesen Rot? Es ist das Identische gegenüber verschiedenen „logischen Funk35 tionen", es ist das, was in verschiedenen logischen Formen gefaßt sein kann und mit diesen in verschiedene logische Verhalte eintritt als aufbauendes Glied. Wir meinen doch alle, daß ein Wesen nicht Subjekt sein muß. Weist man darauf hin, daß das Rot sich mannigfaltig darstellt und mit diesen Darstellungsweisen in das Bewußtsein und sein 40 Noema eintritt, so ist zu sagen: Zum „Sinn" des Noema gehört das Rot als Einheit dieser Darstellungen, und diese Einheit ist es, die in
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logische Form eintritt und mit dieser den logischen Sinn des SatzBewußtseins ausmacht. (Geht man hinter das logische Bewußtsein zurück in das sinnliche Bewußtsein, so mag ein sinnlicher Gegenstand, der rot ist, aber nicht 5 als rot seiend aufgefaßt ist, erscheinen, seine sinnliche Einheit durchhalten, worin also das implizierte Rot seine Einheit durchhält. Das Wesen vereinzelt sich in diesem Gegenstand und liegt gewissermaßen in ihm: aber implicite. Dem Wesen selbst ist es gleichgültig, ob es hier oder dort an Exempeln erfaßt, ob diese oder jene als seine Vereinzelun10 gen gegeben sind, ob es so oder so „kategorial" gefaßt wird.) Schwierigkeiten liegen hier aber durch den Unterschied zwischen Moment (singulärem unselbständigem Moment) und Wesen. Mit Beziehung auf die Frage, was die prädikative Synthese (die ist-Synthese) zur Einheit bringt: das individuelle vorausgesetzte Subjekt und das 15 Moment, oder das Subjekt und das entsprechende Wesen. Im einen Fall habe ich eine der (natürlich phänomenologisch unterschiedenen) Synthesen von Ganzem und Teil. Sie ist natürlich eine charakteristisch andere und doch dem allgemeinen nach gleich für Ganzes und Stück und Ganzes und Moment. Bei jedem Fall einer partialen Identifikation 20 kann der Teil als Teil des und des Wesens (allgemein: „Begriffes") dastehen. Diese Auffassung eines Moments oder eines Teils durch sein Wesen, kann diese selbst als prädikativ gedacht werden (und dann als eine aus der prädikativen hervorgegangene attributive) ? Natürlich nicht, wenn zur Prädikation schon die Wesensfassung (begriffliche 25 Auffassung) gehört, nämlich für das Prädikat, also Prädikat und Wesen untrennbar zusammengehören. Aber wie? Werden wir von Prädikationen wie „dies ist rot" zurückgeführt auf Synthesen, die, weiter zurückliegend, sich zirkumskriptiv mit den Worten ausdrücken: dies Moment ist ein Einzelfall von Rot 30 (nämlich des Wesens, das in der Gegenüberstellung solcher Momente zur ideativen Abhebung kommt mit Beziehung auf einen offen unendlichen Umfang) ? Und wenn ich sage „Rot ist eine Farbe", habe ich da zu scheiden die verschiedenen Farbenspezies und in jeder eine besondere Speziali35 sierung von „Farbe" als Gattungswesen, und habe ich dann für die Prädikation im Wesen Farbe das spezialisierte Moment Farbe, das allererst als „spezieller" Fall des Gattungswesens Farbe erkannt werden müßte? Danach scheinen die primitiven Prädikationen: dies ist Haus, jenes ist Haus, Baum etc., dies ist Farbe, dies ist Rot etc., und 40 dann: dies Α ist rot, dies Rot ist eine Farbe etc., oder auch: dies ist rot, dies ist eine Art Farbe etc. Was wäre es dann aber mit den „Substraten"? Wir hätten dann Subjektgegenstände als Träger von Momenten diese Momente selbst. Dies, das Haus, als Subjektgegenstand, in partialer Identifika45 tion erfaßt sein Moment, etwa die Gestalt; oder diese farbige Fläche, individuell als Subjekt erfaßt, an ihr die Kreisform, diese als Kreis erkannt, also in „Erkenntnis-Synthese" zum Wesen in Beziehung ge-
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setzt, und dann das Subjekt als Subjekt des Prädikates: was wäre das? Nicht das individuelle und als grün erkannte Moment. Das Moment in seiner individuellen Einzelheit tritt nicht ins Prädikat. Sage ich ,,dies ist grün", so ist das Subjekt durch den Begriff, das Wesen 5 Grün „bestimmt", es etwas des Wesens Grün. Man möchte sagen, es ist in Beziehung gesetzt zum Wesen als ein individuelles Subjekt, das als eine Vereinzelung des Wesens in sich als Moment tragend eine eigene Beziehung zum Wesen hat. Aber ein relationeller Sachverhalt ist nicht prädiziert, relationelle prädikative Sachverhalte sind ein en10 ger Kreis von Sachverhalten, und sie stehen gegenüber Sachverhalten wie „dies ist grün". Man sieht, wie große Schwierigkeiten hier sind (worüber meine früheren Ausarbeitungen), demnach auch Schwierigkeiten für das Verhältnis von syntaktischen Gegenständlichkeiten und prädikativen 15 Denkgegenständlichkeiten. Wenn ich an der Anschauung kolligierend zusammennehme, oder teils zusammennehme, teils ausnehme (Ausschlüsse vollziehe), wenn ich von einem Gegenstand zu seinen Teilen und Momenten übergehe, Synthesen der Identifikation vollziehe, oder vergleichend zusammenhalte, Ähnlichkeiten hervorgehen lasse oder 20 Gleichheiten, mich auf den Boden eines Gliedes stelle etc., so ist es klar, was da letzte „Substrate" sind für solche verknüpfenden oder beziehenden Operationen. Aber wenn ich im besonderen Sinne denke und etwa ein Dreieck überhaupt denke, wobei mir ein Exempel vor Augen steht, gehört dies auch ins Substrat, da ich es im Denken nicht 25 „meine"? Und wenn ich denke: dieser Tisch hat Löwen-Füße, so sind in der Unbestimmtheit dieser Prädikation doch nicht diese individuellen Füße gedacht, in ihrer individuellen und konkreten Bestimmtheit gemeint: Sind sie Substrate ? Wir haben hier anschauliche Gegenstände und Verknüpfungen, die mit ihnen vollzogen werden, mit ihnen 30 „als" angeschauten Gegenständen (sei es der Wahrnehmung oder Phantasie usw.), und wir haben eine höhere Schichte des Denkens und denkenden Meinens, wir haben da konstituiert Denkverhalte, die in den anschaulichen Gründen auf sie zurückbezogen sind: aber sie nicht ohne weiteres in sich enthalten. Darum scheidet sich ja Anschauung 35 und Denken, Sache und Sachverhalt an sich, angeschauter, gedachter Sachverhalt usw. Hier ist getreue Beschreibung alles, und diese erfordert eine Sonderung der Schichten. Und ein systematisches Vorgehen von unten an.
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BEILAGE 31 IDEEN, <S.> 24-25
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Syntaktische Gegenständlichkeiten, Korrelate der Denkfunktionen (Funktionen der „syntaktischen"' Identifizierung) und ihre letzten Substrate als Substrate der Syntaxen. Syntaktische Ableitungen der entsprechenden Substrate.
Die Darstellung <S.> 24 f. ist unvollkommen. Die syntaktischen Gegenständlichkeiten werden identifiziert mit den kategorialen Gegen10 ständlichkeiten der Logischen Untersuchungen. Dahin gehören aber auch Gattung, Art usw. Ich vermisse aber, daß im § 12 dies ausdrücklich gesagt ist, daß also die Scheidungen, die da durchgeführt werden, zur „syntaktischen'' Sphäre gehören. Dazu aber das Bedenken bezüglich des Schlusses des § 11, S. 25. Die 15 logische Scheidung in letzte Kerne und syntaktische Form betrifft z.B. das Adjektiv grün, das die Prädikatform oder Attributform hat und insofern Syntagma ist; ferner kann das „grün"' nominalisiert werden, zum Subjekt oder Objekt werden. Wir haben hier verschiedene syntaktische Funktionen, denen zu20 gründe liegt ein letzter Kern, der seine Kernkategorie hat, die eine andere ist für „grün" als für „Haus". Wie steht es nun mit diesen Kernkategorien? In Hinsicht auf die Syntaxen, von denen wir hier ausgegangen sind im Anschluß an meine logischen Vorlesungen, haben wir in den Kernen verschiedener Kategorie ein Letztes. Aber ent25 spricht dem Bedeutungskern „rot" nicht die Spezies Rot, entspricht dem Kern „Baum" nicht die konkrete Gattungsidee Baum? Ich nannte aber Gattung und Art Kategorien. Und wie steht es mit dem Verhältnis von Konkretum und Abstraktum (selbständige und unselbständige Wesen) ? Das sind doch auch Kategorien. Oder sollen letzte 30 Substrate sein selbständige und unselbständige Gegenstände als individuelle Gegenstände? Substrate, heißt es, sind Gegenstände, die nicht mehr kategoriale Gebilde sind, die in sich selbst „nichts mehr von den ontologischen Formen enthalten", welche bloß Korrelate der Denkfunktionen sind. 35 Aber wie gibt es das, wie ist so etwas denkbar? Es fragt sich, was da „Denkfunktion" heißt, wie das zur Abhebung zu bringen ist. Eventuell ist es doch etwas Unselbständiges. Das „X" im Noema ist hier heranzuziehen, aber das ist doch nicht gemeint, denn aus dem wird doch nicht der volle Gegenstand durch Syntaxen. 40 Aus Gegenständen können wir neue Gegenstände syntaktisch bilden. Gewiß., wir müssen auf letzte Gegenstände kommen. Diese konstituieren sich anders als die „syntaktisch" produzierten Gegenstände. Wir haben gegenüber den syntaktischen Kategorien nicht-syntaktische, Kernkategorien oder Substratkategorien. Auch da kommen wir
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(Vergleichung etc.) auf „Synthesen", aber nicht auf Syntaxen. Das alles ist ja angedeutet, sofern eben syntaktische und Substratkategorien unterschieden werden. Aber es ist nicht zu voller Reinheit herausgearbeitet. Vielleicht wegen der Kürze der Darstellung.
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Sachhaltiges letztes Wesen, syntaktisch nicht verbundenes Individuum. Abstraktum, Konkretum, τόδε τι. Die unselbständigen Gegen10 stände. Gegenstände das Unterschiedene und Identische. Das individuelle sinnliche Datum — seine Dauer, seine Qualität etc. Die individualisierende Zeitbestimmung — die Qualität als Qualitätsmoment — das Qualitätsmoment hier und dort, jetzt und dann. Das Qualitätsmoment in sich selbst „hat keine Individualität". Ist es also ein 15 Wesen? BEILAGE 3 3 EINWAND GEGEN DAS GANZE 1. KAPITEL DES I. ABSCHNITTS (BIS <S.> 32)
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Die Betrachtungen gehen aus von der natürlichen Erfahrung, stehen auf dem natürlichen Boden. Das Universum des Seienden überhaupt, des Etwas überhaupt ist die Welt. Alle eidetisch idealen Gegenständlichkeiten sind auf die Welt bzw. auf eine mögliche Welt überhaupt bezogen. 25 Die formale Logik ist also die formal allgemeine Realitätenlogik wie bei Aristoteles. Es ist genau lesend zu überlegen, ob das wirklich durchgehalten ist. Wie steht es mit der Evidenz dieser ganzen Betrachtung auf dem Grund dieser Voraussetzung? Beansprucht diese Betrachtung, ein end30 gültiges Apriori zu geben ? Bedingt nicht die ungeklärte Voraussetzung Schwankungen und Schwierigkeiten ? Kann ich wissen, daß alles Seiende überhaupt sich in eine solche regionale Austeilung einfügt, daß Wissenschaften darauf zu gründen sind? Sind nicht die Regionen die universalen Weltstrukturen, wäh35 rend doch der Begriff der Weltstruktur, da nicht die Welt als einheitliches Universum vorangestellt ist, überhaupt nicht zur Erörterung kommt ? Dazu der große Fehler, daß von der natürlichen Welt (ohne sie als Welt zu charakterisieren) ausgegangen wird und sogleich übergegangen
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zum Eidos — als ob man nun schon ohne weiteres zu den exakten Wissenschaften käme. Die Idealisierung ist verschwiegen.
BEILAGE 34 AD <S.> 51 IDEEN
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Ist, was hier gesagt ist, korrekt?
Die „Welt" arithmetischer Gebilde, die unendliche Reihe reiner Zahlen und die theoretischen Gebilde der reinen Arithmetik waren für mich nicht da, „existierten" für mich in keiner Weise, solange ich 10 nicht in <der> Schule und in meiner wissenschaftlichen Ausbildung Arithmetik betrieben hatte. Und aktuell ist jetzt diese Welt für mich, ernstlich „vorhanden", nur, während ich arithmetisch beschäftigt bin. Nur da, nur im ursprünglichen Arithmetisieren, im Erzeugen arithmetischer Gebilde, habe ich sie als arithmetische Wirklichkeiten vor 15 Augen und im Hinblick auf fertige Erzeugnisse, etwa von Formeln, die ich verstehe, und im unklaren Erinnerungsbewußtsein an umfassende weite Zusammenhänge, in die sie sich einordnen, habe ich ein mittelbares Bewußtsein von einer weiteren mir zugänglichen arithmetischen Welt, in der ich jetzt Posto gefaßt habe. Anders hinsichtlich 20 der realen Welt. In meinem wachen Leben ist sie immerzu aktuell vorhanden, sofern ich „von ihr" immer irgend etwas, diese oder jene Realitäten wirklich in meinem Erfahrungsfeld habe. Ich brauche nicht erst in ihr Posto zu fassen, ich habe immerzu meine aktuelle Stellung und Erfahrung in ihr, möge diese Erfahrung auch nicht aktuell be25 tätigt sein. Das aktuell Erfahrene ist zwar umgeben von Unerfahrenem, aber in der Weise eines vom Erfahren aus zugänglichen endlosen Horizonts unerfahrener Nähen und Fernen, die ich jederzeit in ihrer Ordnung in Verwirklichung bringen, in die ich schrittweise eindringen kann. Die reale Welt war also für mich direkt und indirekt durch 30 wirkliche und mögliche Erfahrung vorhanden, auch zur Zeit, da ich eine „ideale Welt" mir noch nicht erworben hatte, und sie bleibt vorhanden, auch wenn ich mich, z.B. in meinem arithmetischen Tun, ganz in die ideale Welt des Arithmetischen „verliere" etc.
Schluß des Paragraphen <28>: 35
Die beiden Welten sind „außer Zusammenhang", die arithmetische ordnet sich nicht in den Horizont meiner Erfahrungsrealität ein. Aber das muß genauer gefaßt werden: Die arithmetische Welt habe ich mir einmal, wie oben gesagt, er-
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worben, und damit hat sie für mich eine Zeitbeziehung — Beziehung zu der Zeiträumlichkeit, in der ich als Lernender war. Sie hat auch für mich ihre sinnliche Gestalt als geschriebene, gedruckte — als System von objektiven, also in der realen Welt jeweils lokalisierter Aussage5 sätze als geschriebener etc. Aber das Arithmetische „selbst", die idealen Gebilde selbst sind nicht im Raum und in der Raumzeit, ordnen sich nicht selbst wie das allein wesentlich Raumzeitliche in raumzeitliche Zusammenhänge, sind nicht selbst da und dort und mit Realem, dem sie evtl. „beiwohnen", real verbunden. Ihr zeitliches Dasein ist 10 uneigentlich, sie können beliebig oft und an beliebig vielen Stellen zugleich da sein unbeschadet ihrer Identität.
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das ist: Die mir beständig als seiend vorgegebene Welt nehme nicht so hin, so wie ich es im gesamten natürlich-praktischen Leben tue, darunter auch so wie ich es in den positiven Wissenschaften tue: als eine im voraus seiende Welt, und in letzter Hinsicht nicht als den universalen Seinsboden für eine in Erfahrung und Denken fortschreitende Erkenntnis. Keine Erfahrung von Realem vollziehe ich hinfort naiv-geradehin. Wras sie mir bietet als seiend schlechthin, als vermutlich oder wahrscheinlich seiend, als zweifelhaft, als nichtig (als Schein), nehme ich nicht so auf. Die im naiven Erfahren betätigten Geltungsmodi, deren naiver Vollzug das ,,auf dem Boden der Erfahrung stehen" (ohne sich in einer besonderen Vornahme und Entscheidung auf ihren Boden stellen) ausmacht, setze ich außer Vollzug, ich versage mir diesen Boden. Das betrifft Erfahrungen von Weltlichem nicht bloß einzelweise. Schon jede einzelne hat wesensmäßig ihren universalen Erfahrungshorizont, der, obschon unexpliziert, die offen endlose Totalität der seienden Welt als beständig mitgeltende mit sich führt. Eben dieses im natürlichen Leben aktuell und habituell immerfort mich tragende, mein gesamtes praktisches und theoretisches Leben fundierende im voraus Gelten bzw. im voraus Für-mich-Sein „der" Welt inhibiere ich, ich nehme ihm die Kraft, die mir bisher den Boden der Erfahrungswelt gab. Und doch geht der alte Gang der Erfahrung weiter wie bisher — nur daß diese Erfahrung, in der neuen Einstellung modifiziert, mir eben den „Boden" nicht mehr liefert, auf dem ich bisher stand. So übe ich phänomenologische εποχή, die mir also hinfort und eo ipso den Vollzug jedes Urteils, jeder prädikativen Stellungnahme zu Sein und Sosein und allen Seinsmodalitäten von räumlich-zeitlichem Dasein, von „Realem", verschließt.
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< Herbst 1929> Wir gehen in diesen Studien fort, soweit es nötig ist, um als erstes 5 die Einsicht zu gewinnen, daß Bewußtsein rein für sich unangesehen aller psychophysischen realen Zusammenhänge zu erfahren und in seinem reinen Eigenwesen eidetisch zu erforschen ist. Das aber nicht nur in Einzelheit als Bewußtseinserlebnis. Es ist einzusehen, daß in abstraktiver Einstellung auf das Seelische eines Menschen und zu10 nächst meiner (des jeweiligen psychologischen Forschers) eine rein psychische Erfahrung (wissenschaftlich fungierend psychologische Erfahrung zu nennen) zu vollziehen ist, in der die reine Bewußtseinssubjektivität im reinen Bewußtseinsleben erfaßt und erfaßbar wird. Es zeigt sich dann, daß diese Erfahrung, konsequent fortgeführt, ein in 15 sich geschlossenes Erfahrungsfeld liefert. Genauer gesprochen, das einzelne Bewußtseinserlebnis, das diese Erfahrung zur Erfassung bringt, erweist sich als wesensmäßig unselbständig, aber die stetig fortzuführende Erfahrung von bewußten zu immer neuen liefert nicht bloß Haufen von Erlebnissen, sondern in Wesensnotwendigkeit ist jedes 20 Erlebnis Moment eines konkret ganzheitlichen Zusammenhanges, und zwar eines offen endlosen Bewußtseinsstromes, in dem das jeweilige Ich in Reinheit erfahren und stetig erfahrbar ist als darin lebend. Der damit hervortretende evident einheitliche Zusammenhang reiner Bew u ß t s e i n s s u b j e k t i v i t ä t als Einheit eines zu einer Totalität abge25 schlossenen Erfahrungsfeldes begründet hier wie bei jedem solchen Erfahrungsfeld (z.B. der raum-dinglichen Erfahrung, der Natur als einheitlichem Erfahrungsfeld) die Möglichkeit einer Wesensforschung. Bewußtseinserlebnis überhaupt in eidetischer Reinheit, als wesensmäßig nur einem Totalfeld eines Bewußtseinsstromes möglich, 30 und Wesen eines Bewußtseinsstromes, einer Bewußtseinssubjektivität überhaupt, kann thematisch werden. <Es> erwächst so die Einsicht der Möglichkeit einer eigenen Wissenschaft, die die menschliche Subjektivität konsequent nur als solche jener „rein seelischen" Erfahrung, rein als Bewußtseinssubjektivität 35 erforscht und insbesondere nach dem Wesensmäßigen (apriori) erforscht, ohne sich im mindesten um psychophysische Zusammenhänge zu kümmern — als ob sie nicht da wären. Man wird hier sagen, von ihnen konsequent abstrahierend. Es ist also möglich, im Ausgang von exemplarischen erfahrenden 40 Anschauungen von rein Psychischem, wie es reine Erfahrung bietet, in freier Phantasieabwandlung und in Hinblick auf das in solcher rein immer wieder zu Erschauungen bloßer Möglichkeiten eines Bewußtseins Invariante, eine Wesenstypik von Bewußtseinsgestaltungen zu entwerfen, und zwar so, daß schließlich die invarianten und invariablen 45 Wesen, Wesen einer reinen Bewußtseinstotalität konkret anschaulich
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zu erforschen <sind> als eine nicht leere, sondern konkrete Allgemeinheit oder als eine konkrete Wesensform, Wesensgesetzlichkeit, an die jedes erdenkliche individuelle Bewußtseinsleben erdenklicher reiner Erfahrung unbedingt gebunden ist. 5
In dieser reinen Psychologie, die, um ihr exemplarisches Material zu gewinnen, mit einer abtastenden Erfahrungsanalyse von empirischen Vorkommnissen in seelischer Erfahrung und unter freier Abwandlung derselben in der Phantasie mit der anschaulichen Gestaltung eidetischer Möglichkeiten anheben wird, ist das Augenmerk allzeit auf rein 10 Seelisches gerichtet, sie hält sich also im Rahmen beständiger Abstraktion von allen in realer Wirklichkeit und Möglichkeit anschaulich mitverflochtenen Komponenten (physische Leiblichkeit, in weiterer Folge Natur überhaupt) der realen Konkretionen. Ähnlich also wie die physische Natur (bzw. mögliche physische Natur) in einer parallelen Ab15 straktion, in der von aller weltzugehörigen Geistigkeit abgesehen wird, als rein physische Natur thematisch wird als eine in sich geschlossene Region kontinuierlich fortzuführender Erfahrung bzw. Phantasievorstellung, und wie diese Region sich dabei als ein unendlicher, für sich eigenwesentlich geschlossener Einheitszusammenhang darbietet, des20 sen ungebrochene Kontinuität sich in der kontinuierlich fortschreitenden Anschauung enthüllt: so ähnlich kann, wie zu zeigen ist, in der korrelativen Abstraktion rein psychische Erfahrung, rein psychisch gerichtete Phantasie in infinitum kontinuierlich zusammenhängend fortschreiten, und es erschließt sich dann ein ungebrochener eigen25 wesentlich geschlossener Zusammenhang, das regional in sich abgeschlossene Anschauungsfeld rein psychischen Seins als Wirklichkeit und reine Möglichkeit. Mit anderen Worten, auch hier kann man in rein psychischer Erfahrung konsequent verbleiben, in ihr, ohne NichtPsychisches zu durchschreiten, in einer rein psychisch verbundenen 30 Sphäre bleiben. Auf der einen Seite wird die rein physische Natur (als die in kontinuierlicher rein physischer Erfahrung sich ursprünglich gebende) zum Gebiet einer puren Physik (in einem weitesten Sinn), und vorstellbare Natur überhaupt (als in kontinuierlicher Einstimmigkeit rein physi35 scher Phantasieanschauung vorstellbare) zum Gebiet einer apriorischen Wissenschaft, einer Wissenschaft von der eidetischen Wesensform einer puren Natur überhaupt. Auf der anderen Seite ist dasselbe zu erwarten, wenn rein psychische Erfahrung möglich, kontinuierlich zusammenhängend fortzuführen ist: die parallele Möglichkeit einer reinen Psy40 chologie als Tatsachenwissenschaft und einer eidetischen reinen Psychologie als apriorischer Wissenschaft von der notwendigen Wesensform einer möglichen reinen Subjektivität. So wie Physik als „exakte", als rationale Naturwissenschaft nur möglich werden konnte auf dem Fundament der für sie als logische Methode fungierenden apriorischen 45 Geometrie, apriorischen Zeitlehre und Kraftlehre als zusammenhän-
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genden Disziplinen einer apriorischen Naturwissenschaft, wie sie aus jenen ihre „exakten" Grundbegriffe, ihre rein rationalen Normen bezieht, so würde dann die eidetische (die „apriorische") reine Psychologie die logische Funktion haben, an Stelle der unreinen und vagen Begriffe 5 der psychologischen Empirie „exakte" rein rationale Grundbegriffe zu schaffen für eine eventuelle reine Psychologie (als Tatsachenwissenschaft) und in weiterer Folge für eine konkrete Psychologie, ihren zweiseitigen Begriffen nach der rein psychischen Seite Rationalität verleihend. 10 Weiter gefaßt: Die eidetische Psychologie hätte die Funktion, die Psychologie durch Rückbeziehung auf die Wesensform, die das eidetische Wesen der psychischen Region als ihre reine ratio herausstellt, Tatsachenwissenschaft vom Psychischen als rationale möglich zu machen, und zwar in abstrakter Hinsicht auf das Psychische rein in 15 sich selbst. Schon die Psychologie des 19. Jahrhunderts zeigte eine starke Tendenz auf eine reine Psychologie, nämlich unter den Titeln deskriptive, auch phänomenologische Psychologie oder Psychognosie (Brentano). Aber es fehlte an allen prinzipiellen Klärungen der Methode und des Sinnes dieser Reinheit und der Erkenntnis des notwendigen 20 Absehens auf eine reine und dabei eidetische. Der Mangel dieser Klärungen verhinderte eine ernste Durchführung.
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< Wir gehen in diesen Studien soweit, als es nötig ist, die Einsicht zu vollziehen, auf die wir es abgesehen haben, nämlich die Einsicht,> daß Bewußtsein in einer konsequenten inneren Erfahrung als in sich wesensmäßig zusammenhängend, eine offen endlose und doch für sich abgeschlossene Seinssphäre zu erfassen ist, mit ihrer eigenen Form 30 einer,,immanenten" Zeitlichkeit. Und es wird zu zeigen sein, daß eben diese Seinssphäre durch die oben beschriebene phänomenologische Ausschaltung nicht betroffen ist. Genauer gesprochen: Durch den Vollzug der phänomenologischen Außer-Spiel-Setzung der Seinsgeltung der objektiven Welt verliert diese „immanente" Seinssphäre zwar den 35 Sinn einer realen Schichte an der Welt zugehörigen und Welt schon voraussetzenden Realität Mensch (bzw. Tier). Sie verliert den Sinn des menschlichen Bewußtseinslebens, wie es jedermann in rein „innerer Erfahrung" fortschreitend erfassen kann. Aber sie geht nicht einfach verloren, sondern in der geänderten Einstellung jener Epoche erhält sie 40 den Sinn einer absoluten Seinssphäre, einer absolut eigenständigen, die in sich ist, was sie ist, ohne Frage nach Sein oder Nichtsein der Welt und ihrer Menschen, unter Enthaltung der Stellungnahme in dieser Hinsicht, also einer im voraus schon in sich und für sich seienden, wie
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immer die — nur in ihr zu stellende und zu beantwortende — Seinsfrage der Welt und ob mit guten oder schlechten Gründen beantwortet werden mag. Somit bleibt die reine Bewußtseinsphäre mit dem von ihr Unabtrennbaren (darunter dem „reinen Ich") als „phänomenologi5 sches Residuum" zurück, als eine prinzipiell eigenartige Seinsregion, die als das zum Feld einer Bewußtseinswissenschaft eines entsprechend neuen — prinzipiell neuen — Sinnes werden kann — der Phänomenologie.
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<Wir gehen in diesen Studien soweit, als es nötig ist, die Einsicht zu vollziehen, auf die wir es abgesehen haben, nämlich die Einsicht, > daß Bewußtsein überhaupt, bzw. Einheit einer Bewußtseinssubjektivität, 15 die in der natürlichen und so auch der psychologisch fungierenden Erfahrung als eine reale Komponente der in der Welt unter dem Titel Animalien vorhandenen Realitäten ursprünglich gegeben ist und als das, als „selische" Seite derselben, als seelische Individualität, als Seelenleben in der Psychologie das Thema ist, auch in einem t o t a l 20 a n d e r e n Sinne und in einer radikal geänderten Einstellung erfahrbar und erforschbar ist. Ist nämlich, wie es die Psychologie bei ihrer Zielstellung schon unbedingt fordert, das psychische Sein und Leben in eigenwesentlicher Reinheit und eigenwesentlicher Verbundenheit, obschon eben abstrak25 tiv als Komponente der Welt, gefaßt, so ist durch im voraus umschriebene eigentümliche Epoche als einer a priori allgemein zu vollziehenden Einstellungsänderung des Forschenden der dieser eigenwesentliche Zusammenhang als ein absolut eigenständiges Sein, in sich, an und für sich konsequent zu erfahren und zu erforschen, also 30 herauszustellen als eine prinzipiell neuartige absolute Seinsregion, Erfahrungsfeld einer prinzipiell neuartigen und absolut eigenständigen Wissenschaft — der transzendentalen Phänomenologie. So wird sich die vorangestellte Frage beantworten, was denn noch übrig bleiben kann, wenn jene phänomenologische Epoche das 35 Weltall — wie wir zunächst doch meinen, das All des Seienden überhaupt — außer Geltung gesetzt wird. Es verbleibt, oder vielmehr es wird durch diese Epoche allererst eröffnet, die absolute Seinsregion, die der absoluten oder „transzendentalen" Subjektivität — nicht eine partiale Region der totalen Realitätenregion Weltall, vielmehr von ihr 40 und allen ihren Sonderregionen prinzipiell geschieden, aber keineswegs geschieden im Sinne einer Angrenzung, als ob sie sich ergänzend mit der Welt verbinden, mit ihr ein umfassendes Ganzes bilden könnte. Die Welt ist in sich eine Totalität, die ihrem Sinn gemäß eine Erweiterung
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nicht zuläßt. Und doch wird sich zeigen, daß die Region der absoluten oder transzendentalen Subjektivität in einer besonderen, ganz einzigartigen Weise das reale Weltall bzw. alle möglichen realen Welten und alle Welten jedes erweiterten Sinnes „in sich trägt", nämlich in sich durch wirkliche und mögliche „intentionale Konstitution". Erst durch diese Einsicht wird sich die einzigartige Bedeutung der beschriebenen phänomenologischen Epoche verstehen, ihr vollbewußter Vollzug wird sich als die unbedingt notwendige methodische Operation zeigen, welche uns mit der absoluten Region einer absolut eigenständigen Subjektivität den Erfahrungs- und Seinsboden zunächst erschließt , auf den mit der neuen Phänomenologie alle radikale Philosophie zurückbezogen ist und < der > ihr als absoluter Wissenschaft Sinn gibt. Doch um das einzusehen, und zwar, wie es erforderlich ist, im Ausgang von der wesensmäßig früheren natürlichen Einstellung und der in ihr erwachsenen bzw. radikal zu gestaltenden Psychologie aus, bedarf es tiefgehender und umständlicher Überlegungen, deren Gang wir zunächst allgemein vorzeichnen: 1. Es wird gezeigt werden, daß menschliche (und immer mit dazugenommen tierische) Bewußtseinssubjektivität in der Tat ineigenwesentlicher Reinheit an und für sich herauszuerfahren ist, und daß in einer entsprechenden Methode „rein psychologischer" Erfahrung ein eigenwesentlich zusammenhängendes unendliches Erfahrungsfeld bzw. Seinsfeld sich erschließt und somit zum Thema werden kann einer reinen Psychologie. Es sei gleich beigefügt, daß hier das nicht nur Erst-Notwendige, sondern auch Erst-Zugängliche eine eidetische reine Psychologie ist (eine eidetische Wissenschaft von den Möglichkeitsabwandlungen der Erfahrung von rein Psychischem), und nur auf diese kommt es für uns an. Statt in der faktischen Welt faktischer Menschen und Tiere stehen wir dann in einer eidetisch möglichen Welt überhaupt mit anschaulichen, aber als eidetische Möglichkeit „vorstellbaren" Menschen und Tieren überhaupt, und das eidetisch mögliche rein Psychische ist dann mögliche reale Komponente in diesen möglichen Konkretionen. Zwar unter beständiger Abstraktion von den mitverflochtenen Realitätsmomenten (physische Leiblichkeit, Natur überhaupt). Ähnlich also wie die physische Natur in einer parallelen Abstraktion von aller weltzugehörigen Geistigkeit zu einer in sich geschlossenen Region wird und die in konsequenter Einseitigkeit rein physischer Erfahrung und rein physischer Phantasie als ein unendliches zusammenhängendes Feld wirklicher Erfahrung oder zu fingierender Quasierfahrung zu verflechten und zu durchlaufen ist, bzw. auf Grund dieser konsequenten Erfahrung oder Quasierfahrung zum Gebiet einer universalen theoretischen Wissenschaft, einer apriorischen und empirischen werden kann, so ähnlich kann, wie zu zeigen ist, in der Gegenrichtung durch eine konsequente rein psychische Erfahrung abstraktiv ein regional geschlossenes Erfahrungsfeld — das einer „reinen" Bewußtseinssubjektivität — herausgestellt werden, welches dann für eine regional geschlossene Wissenschaft, eine „reine" Psychologie, den
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Arbeitsboden herstellte. Schon die Psychologie des 19. Jahrhunderts strebte unter den unklaren Titeln deskriptive Psychologie, Psychognosie, obschon unsystematisch und ohne prinzipielle Klärungen des eigentümlichen Sinnes solcher Reinheit, auf eine reine Psychologie hinaus, 5 die eben um des Mangels solcher Klärungen willen nie zu einer ernstlichen Ausführung durchdrang. Das zu ihr hindrängende Motiv liegt offenbar darin, daß alle konkrete anthropologische und überhaupt biologische Forschung vermöge der Zweiseitigkeit ihrer Realitäten einer nach jeder dieser Seiten und 10 dann auch für die Ganzheit-Eigenheiten selbst gerichteten konsequenten Erfahrung und Möglichkeitsanschauung bedarf. Letzteres zur ursprünglichen Schöpfung der regionalen Grundbegriffe, die als Grundbegriffe der Biologie fungieren. Aber, <wie> angedeutet, die Leistung der Exaktheit (das Analogon der physikalischen Exaktheit) fordert 15 dann die systematische Ausbildung einer eidetischen Wissenschaft, welche auf Grund der Möglichkeitsabwandlung der Erfahrung die Wesensform der Region animalisches Lebewesen erforscht. Das fordert für die psychische Seite dieser zweiseitigen Region in Hinsicht auf die psychische Seite eine Eidetik möglicher rein psychischer Erfahrung, 20 das ist eben eine eidetische und „rein phänomenologische" Psychologie. Hier kommt alles auf Möglichkeit und Sinn dieser rein psychischen Erfahrung („inneren Erfahrung") an bzw. auf die Methode dieser Reinigung und dessen, was sie als rein Erfahrenes behält, desgleichen 25 die Nachweisung der Möglichkeit einer geschlossenen Unendlichkeit und Kontinuität solcher Erfahrung mit dem Korrelat eines unendlichen und doch allheitlich abgeschlossenen Erfahrungsfeldes (in erster Linie: des Bewußtseinsstromes). F ü r s Zweite: Reine Bewußtseinssubjektivität, reines Bewußtsein, 30 dasselbe, das in der vorhin angedeuteten methodischen Abstraktion den Sinn einer eigenwesentlichen geschlossenen Region i n n e r h a l b der vorgegebenen realen Welt hat, läßt sich, in einer Abänderung der methodischen Einstellung der Psychologie, und im besonderen eines „reinen" Psychologen, in einem grundwesentlich neuen Sinne einsehen. 35 Sie bezeichnet dann nicht mehr eine bloß abstrakte Region innerhalb der Welt, vielmehr nimmt sie in der neuen Einstellung (der „transzendentalen") den grundwesentlich neuen Sinn einer absolut eigenständigen Region an, deren Erfahrungsgegebenheiten rein, also unweltlich, unreal <sind>, weil in dieser neuen Einstellung alle Welterfahrung 40 methodisch außer Geltung gesetzt ist. Die auf t r a n s z e n d e n t a l e r Selbsterfahrung ruhende Wissenschaft von der transzendentalen Subjektivität (die transzendentale Phänomenologie) hat nicht wie die reine Psychologie als vorgegebenen Boden die Erfahrungswelt gegeben als im voraus seiend, sie hat also auch nicht in Erfahrungsgeltung und 45 als wissenschaftliche Themen Menschen und Tiere; und doch hat sie reines Bewußtsein, aber nun nicht mehr als abstrakte Komponente, sondern absolut seiendes. Die Einstellungsänderung in ihrer eigentüm-
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liehen methodischen Leistung wandelt den methodisch gegründeten Sinn rein psychologischer Erfahrung in den neuen einer transzendentalen und in neuer Weise reinen Erfahrung. Das in der ersteren als geschlossene, kontinuierlich zusammenhängende Region sich heraus5 stellende psychologisch reine Erfahrungsfeld, das der psychologisch reinen Bewußtseins-Subjektivität bzw. zunächst des psychologisch reinen Stromes der eigenen Bewußtseinserlebnisse, wandelt sich in das entsprechende universal geschlossene Feld der transzendentalen Bewußtseinssubjektivität, bzw. den transzendental reinen Strom meiner 10 eigenen transzendentalen Bewußtseinserlebnisse. Die „Ausschaltung", die ich als transzendentaler Phänomenologe vollziehe, „schaltet" mit der konkreten Erfahrungswelt überhaupt auch die psychologisch reine Subjektivität aus. Aber eben durch diese transzendentale Epoche eröffnet sich der erfahrenden Anschauung und der Anschauung über15 haupt die transzendentale Subjektitvität als absolut eigenständige Region, <wird> als Region des „absoluten Seins" zugänglich. Sie wird zugänglich auf dem Wege über die rein psychologische Reduktion (also über die methodische Reinigung, in der wir uns das rein psychologische Erfahrungs- und Forschungsfeld zueignen) durch eine a priori jederzeit 20 mögliche Einstellungsänderung ihr zugehörige Sinnesabwandlung der rein psychischen Region, die doch ihren eigenen Wasgehalt unberührt läßt. So, wiederholen wir, wird sich durch genauere Auslegung des Gesagten die vorangestellte Frage beantworten, was denn noch „übrig 25 bleiben" kann, wenn die vorgegebene Welt, das All des im gemeinen Sinne „Seienden", außer Geltung gesetzt, oder, was dasselbe, als Boden einer naiv vollzogenen Erfahrung und Erfahrungsforschung prinzipiell verwehrt wird. Was verbleibt, ist nicht das Reich der rein-psychologischen Anschauung, sondern in einer Sinnesabwandlung ihr gesamtes 30 Eigenwesen. Es verbleibt die die psychologische Region selbst prinzipiell mit ausschaltende transzendentale, absolut eigenständige Seinsregion. Wie diese transzendentale Region in ihrer Unweltlichkeit doch in einem gewissen Sinne die Welt und in Wesensbetrachtung alle mögliche Welt in sich trägt, wird uns noch ausführlich beschäftigen. 35 Aber nun kommt alles darauf an, was hier angedeutet ist, zu einem wirklich einsichtigen Verständnis zu bringen.
59, 3. Absatz: Um dessentwillen werden wir von transzendentalen oder phänomenologischen Reduktionen sprechen. Das Wort Phänomenologie und 40 seine Ableitungen sind vieldeutig. Hier ist es abgesehen auf eine, wie aus den bisherigen Andeutungen hervorgeht, völlig eigenartige Phänomenologie, deren bestimmtere Bezeichnung transzendentale Phänomenologie lautet. Besonders betonen möchte ich, und gerade für alle diese
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Ausdrücke (in Sonderheit für den des Transzendentalen), daß sie (wie alle weiter einzuführenden Termini) < ausschließlich gemäß dem Sinne verstanden werden <müssen>, den ihnen u n s e r e Darstellungen vorzeichnen . . . x >
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aber auch, in welchem Gegebenheitsmodus es <== das Ding> darin bewußt ist, so z.B. in welchem Modus zeitlicher Gegebenheit — als jetzt und selbst gegenwärtig, als soeben selbst dagewesen und „noch" bewußt, als „soeben selbst kommend" (unmittelbar erwartet) usw. Oder auch, in welchem Darstellungsmodus es sich 15 zunächst in lebendiger wahrnehmungsmäßiger Gegenwart gibt, z.B. als perspektivisch abgeschattet, als nah oder fern, bzw. sich nähernd oder entfernend, als oben oder unten und dgl. Ferner, in welchem Geltungsmodus, als in schlichter Gewißheit „seiend" oder als möglich, vermutlich oder auch als wahrscheinlich seiend, als nichtiger Schein, 20 als freie Fiktion usw. Wesensmäßig sind auch ichliche Möglichkeiten, das (im „ich kann" und „ich tue") frei erzeugende Durchlaufen wesensmäßig zusammengehöriger Modi.
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Zum Abschluß des § <3?>:
So nicht nur für konkrete reale Objekte, sondern auch für Vorgänge, Beziehungen, Verbindungen, Ganze und Teile usw. Z.B. wir haben nicht nur Natur Vorgänge, sondern auch Handlungen, Veränderungen 30 von Geisteswerken, von Kulturobjekten jeder Art und als solchen (z.B. Entwertung von Kunstwerken durch „Verderben", oder UnbrauchbarWerden von Maschinen), Zusammenhänge von literarischen Werken, nicht als bloßen Naturdingen, sondern als Kapitel eines Buches oder als Zusammenhang von Werken einer nationalen Literatur, bezogen 35 auf Autoren, Leser, Nationen usw. In Hinsicht auf die Gegebenheits1
Vgl. S. 60 der Originalpaginierung. — Anm. d. Hrsg.
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weisen finden wir dann nicht bloß dingliche „Horizonte" als Horizonte möglicher naturaler Erfahrung, sondern auch wertliche und praktische Horizonte; z.B. der praktische Horizont, den der Handelnde in seinem zwecktätigen Tun jeweils hat, bezogen auf die Einheit eines Zweckes, 5 der selbst in weiteren Zweckzusammenhängen steht. Dazu kommen aber auch wesensmäßig mögliche Einstellungsunterschiede (immer im Gesamtrahmen der natürlichen Einstellung), nämlich sofern alle wie immer hoch fundierten Objektivitäten, etwa aus der ursprünglich wertenden oder praktischen Einstellung, übergeführt werden können 10 in die „theoretisch" erfassende und so zu Themen vorübergehenden oder konsequenten „Vorstellens", im besonderen eines Erfahrens, Explizierens, Prädizierens usw. werden können.
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D a ß ein solcher „Erlebnisstrom" in Wesensnotwendigkeit alle Erlebnisse überhaupt, die je die meinen sollen sein können — d.i. mir in möglicher immanenter Erfahrung als sie selbst zugänglich sind — reell verbindet, oder daß ein Erlebnisstrom mir zugehört als ein offen 20 endloses, rein im Eigenwesentlichen seiner Erlebnisse fundiertes und in sich allheitlich abgeschlossenes Ganzes, ist andeutungsweise auf folgendem Wege evident zu machen. Wesensmäßig gehört zu einem Erlebnis überhaupt, das ich in immanenter Reflexion anschaulich als meines erfasse, ein „Leerhorizont", zweiseitig enthüllbar als Horizont 25 einer unanschaulichen („dunklen") Zukunft und Vergangenheit. In ursprünglichster Anschaulichkeit, innerlich wahrnehmungsmäßig, erfasse ich etwa zunächst eine jeweilige immanente Gegenwart, die strömend lebendige. Assoziative Weckung, eventuell willkürlich dirigiert, macht seinen Horizont in Einzelheiten klar, und dabei wird evident, 30 was dieser Rede von Horizonten Sinn überhaupt gibt, nämlich, daß die jeweils auftauchenden Einzelheiten, die einzelnen Erinnerungen oder Vorerwartungen, nur zur Selbstanschauung bringen, was vordem schon zur lebendigen Gegenwart mitgehörte, nämlich als dunkle, obschon ganz unabgehobene Mitmeinung eines ineins mit dem jetzt lebendig 35 Gegenwärtigen im Modus „nicht mehr" oder „noch nicht" Gegenwärtigen. Jedes so hervortretende Klare (erfüllend die vorgängige Leere und doch noch Leeres unerfüllt übrig lassend) tritt selbst wieder mit einem ihm zugehörigen Horizont auf, der sich in ähnlicher Weise nach seinem Sinn klärend enthüllen läßt. Diese Enthüllung hat, wie evident zu 40 machen ist, die Wesensart der Iterierbarkeit; in Richtung auf den jeweilig zum schon Klaren gehörigen Zukunftshorizont ist wesensmäßig eine Enthüllung im kontinuierlichen Fortschreiten zu < weiteren Erlebnissen >, in denen eine Strecke kontinuierlicher immanenter Zeitlich-
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keit <sich enthüllt, > möglich, womit ein kontinuierlicher Strom von Erlebnissen zur Selbstgegebenheit kommt. Es ist weiter evident, daß je zwei solche Ströme, die ein Erlebnis identisch gemein haben, als Teile in die Einheit eines umfassenden Stromes eingehen; ferner, daß von jedem zu jedem Erlebnis ein verbindender Strom führt und enthüllbar ist, schließlich daß ein Strom alles umspannt als mein universales Leben, worin ich bin. Alle Beziehungen und Verbindungen, die zu Erlebnissen nach ihrem immanenten Eigenwesen gehören, haben den Charakter Hume'scher relations of ideas, sie liegen a priori im Erlebnisstrom selbst als dem konkreten, in sich selbst durchaus eigenwesentlich geschlossenen Strom. Er ist ein endlos offenes Ganzes — eine apriorische Totalität —, das ausschließlich durch die eigenen Wesensgehalte der Erlebnisse selbst bestimmt ist. Auf den genaueren Gang des Stufenbaus der Evidenz, die vermöge der wesentlichen Unterschiedenheit der Klärung des Wesenszuges des vergangenen Erlebnisstromes und des zukünftigen (vieldeutig-unbestimmt antizipierten) ihre Umständlichkeiten hat, wollen wir nicht eingehen. Klar ist, daß was für mich als offen endlose Totalität meines Lebens enthüllbar ist, durch Einfühlung in jeden Anderen übergeht, daß jedes andere Ich ihrem Sinn gemäß für mich nur denkbar ist als Wesensabwandlung meines Ich, als „meinesgleichen". Was wir ausführten, betraf die Erlebnisse, wenn wir uns rein an das halten, was uns die reine Reflexion auf die jeweilige cogitatio als reines und somit ihr selbst eigenes Wesen bietet, das ist, was adäquat anschaulich wird in der reflektiven Anschauung und mit diesem selbstgegebenen Inhalt für das reflektierende Ich Wirklichkeit ist, gegenwärtige, erinnerungsmäßig vergangene, künftige. Zu diesem Gehalt, z.B. hinsichtlich einer immanenten Wahrnehmung von einer „äußeren" Wahrnehmung, gehört das reale Ding, das in ihr ,,äußerlich" Wahrgenommenes ist, nicht, und nicht nach irgendeinem Teil oder abstrakten Moment. Zwei Erlebnisse haben eventuell dasselbe allgemeine Wesen, aber jedes hat in seiner Singularität sein eigenes Wesen, seine Wesensvereinzelung, seinen „Inhalt". Dasselbe Ding kann nun eventuell in mehreren Wahrnehmungen mit völlig gleichen Bestimmungen, etwa mit genau derselben Farbe oder Gestalt wahrgenommen sein, aber dann sind die Wahrnehmungserlebnisse selbst inhaltich getrennt, sie haben bestimmtenfalls gleiche (obschon nie absolut gleiche) eigenwesentliche Bestände, in denen numerisch identisch dasselbe „vorstellig" ist. Eine Dingwahrnehmung ist ein Erlebnis, in welchem ich das betreffende Wahrgenommene im Modus der leibhaften Selbsterfassung bewußt habe, und in immanenten Synthesen mit neuen Wahrnehmungen meine ich es zudem im Modus „desselben", das jede dieser Wahrnehmungen je als „leibhaft selbst" erfaßt. Aber das leibhaft erfaßte Ding selbst ist und bleibt „transzendent". So für die gesamte reale Welt, die „in mir", innerhalb meines Erlebnisstromes bewußt wird, in welchen intentionalen Gestalten auch immer.
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Was für mich gilt, gilt für jedermann, von dem ich bewußtseinsmäßig eine Vorstellung und im besonderen ein Wissen soll haben können. Er mit seinem ganzen Erlebnisstrom ist dem meinen transzendent, andererseits, was er in dem seinen je bewußt hat, anschaulich 5 oder unanschaulich, ist, sofern es nicht reines Erlebnis ist, geschöpft aus reiner Reflexion auf sein immanentes Leben, auch seinem Bewußtsein transzendent; anders kann ich mir ihn a priori nicht denken, sofern ich ihn doch als anderes Ich, also mir in allem meinem eidetischen Wesensallgemeinen gleich — als Ich, als von meiner Wesens10 artung — denken muß. Transzendenz besagt also die Eigenart intentionaler Gegenständlichkeiten, die das singuläre Eigenwesen der puren Erlebnisse überschreiten, also ihnen sich nicht mit ihrem Wesen einfügen wollen.
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Wie ist aber diese Verflechtung zu verstehen? Ist nicht die reale Welt, die für uns seiende und so seiende, ausschließlich als die in unserem Bewußtsein vorgestellte, erfahrene, irgendwie bewußte? Ist es 20 nicht das Bewußtsein selbst in seinem eigenwesentlichen Zusammenhang, das in seinen mannigfaltigen Modis und Synthesen in uns der Welt als der uns geltenden, in uns sich evtl. ausweisenden, überhaupt ihren Sinn gibt, und ist diese Sinngebung mit allen Evidenzen, Ausweisungen, Begründungen — im Bewußtseinsstrom selbst, im jewei25 ligen Bewußtseinsleben des Ich (das all sein reines Leisten umspannt) verlaufender Zusammenhang? <Was ihr <— der Welt> noch fehlt, sind die> Menschen- und Tierseelen und was von diesen her weltlich Bestimmtes , z.B. die gesamte Kultur als personal erwachsende Geisteswelt. — Da doch 30 Person selbst nichts anderes sein kann als Eigenheit, ist das Neue das Bewußtseinsleben, als bewußtseinsmäßiges Bezogensein des Ich in passiven und aktiven cogitationes auf ihre Umwelt.
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81 Die absolute Gegebenheit und ihr Korrelat, das „Absolute", ist falsch definiert.
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Das, worauf es ankommt, ist doch, daß Dinggegebenheit nicht nur als Gegebenheit durch Abschattung ist, sondern immerzu und notwendig präsumptive Gegebenheit, und zwar hinsichtlich jedes Gegenwartpunktes, jedes Punktes, in dem das Ding leibhaft als jetzt seiend und 5 so seiend gegeben ist. Was immer von ihm gegeben ist: es kann sein, daß es falsche Prätention war, das hängt vom Fortgang der einstimmigen Wahrnehmung ab. Für immanentes Sein entfällt das. Mag eine Präsumption auf künftiges Sein nicht stimmen, mag es aufhören; soweit es erfahren ist, ist es auch notwendig, der Erfahrungsglaube für 10 das wirklich Erfahrene ist nicht durch den Gang weiterer Wahrnehmung betroffen. Ich habe aber immer nur das Ding in der möglichen Wahrnehmung betrachtet — nicht aber in der synthetischen Verknüpfung getrennter Erfahrungen. 15
BEILAGE 44 IDEEN, S. 86
Anmerkung zum großgedruckten Satz: ,,Alles leibhaft Gegebene k a n n auch n i c h t sein": 20
Man beachte, in welchem Sinn; und welchen besonderen Sinn diese Zufälligkeit der Thesis der Welt besitzt (siehe oben auf dieser Seite). Man darf solche Sätze nie aus dem Zusammenhang reißen. Das Ding m u ß sein, wenn der Erfahrungszusammenhang einstimmig fortläuft ins Unendliche. (Fräulein Stein meint, daß das mißverstanden werden 25 könne.)
BEILAGE 45 ZU § 46, p . 87
< Herbst 1929> Doch wir müssen zugestehen, daß diese Betrachtung, so Wichtiges 30 sie zur Geltung bringt und zudem solches, was nie beachtet worden ist, keineswegs ausreicht. Wir hatten immer die Wahrnehmung von Erlebnissen (ihre originale Selbstgebung) und die von realen Dingen (zunächst materiellen) kontrastiert. Aber dürfen wir uns auf einzelne Dingwahrnehmungen beschränken und andererseits auf einzelne Din35 ge? (Haben wir nicht immerzu vorausgesetzt, daß wir einen Erlebnisstrom — einen endlosen strömenden Zug eines reinen Lebens haben, daß ich, also der Wahrnehmende, nicht nur dieses und jenes Erlebnis
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wahrnehme, sondern eine einheitliche Erfahrung von meinem Leben habe, von der her ich desselben zweifellos gewiß bin?) Und haben wir nicht vorausgesetzt, daß wir beständig als „Wir" reden, daß wir sind — liegt darin nicht die Voraussetzung, daß mir als Wahrnehmendem und überhaupt Erfahrendem nicht nur mein Ich und Leben sondern auch das der Anderen gegeben ist ? Die gesamte Betrachtung — die mit § <27> anging — vollzog sich in der n a t ü r l i c h e n E i n s t e l l u n g , vollzog, deutlicher gesprochen, jeder von uns in der natürlichen Einstellung, in der er die Welt in seiner umweltlichen Gegebenheitsweise hatte, in der sie ihm schlechthin galt, in der er auf sich reflektierend sich und sein Leben als menschliches, als psychophysisches, als an einem materiellen Leib sich wie immer ,,abspielendes" vorfinden kann, als ein „reales", in einer nicht bloß dinglichen sondern psychophysischen (menschlichen) Erfahrung. Stellen wir in den Mittelpunkt: die Welt ist — aber daß sie ist, ist doch meine Aussage, und rechtmäßige Aussage, sofern ich die Welt erfahre. Hätte ich keine Welterfahrung, keine ursprüngliche Weltwahrnehmung, in der mir Welt als „kontinuierlich" lebendige Gegenwart gegeben wäre, so wäre Welt für mich kein Wort mit Sinn und keine Weltaussage aussagt mit zu rechtfertigendem Seinssinn. Aber Weltwahrnehmung vollzieht sich doch nur in einer Weise und wesensmäßig, in der mir nur einzelne Dinge in einem beschränkten Dingfeld als Wahrnehmungsfeld wirklich wahrnehmungsmäßig gegeben sind. Daß Welt mehr ist als dieses strömend wechselnde Feld, verweist mich auf den „Horizont", der es weitet, und daß er in seiner wahrnehmungsmäßig unerfüllten Leere Dinghorizont ist, verweist seinerseits auf meine Möglichkeiten (auf mein Können), in diesen Horizont „einzudringen", das ist, mir durch gewisse vergegenwärtigende und nicht etwa bloß fingierende Akte eine Dingfülle zu verschaffen, von der ich gewiß bin, daß die dabei anschaulich vorstelligen Dinge, sei es bekannte Wirklichkeiten, obschon ja nicht original selbstgegebene, sind oder vermutliche, unbekannte, aber als seiend auszuweisende durch nachkommende Wahrnehmungen. Erst recht vergangene und zukünftige Wirklichkeiten (zukünftig nicht bloß als nachträglich meine Präsumption unbekannten gegenwärtigen Daseins erfüllende) sind mögliche und nur partiell wirkliche Gegebenheiten von Erfahrungen der Art der Erinnerung und Vorerwartung. Dinge und Welt sind für mich in beständiger Geltung, und nicht bloß aus einer beschränkten einzeldinglichen und schon als das mit Horizonten ausgestatteten Wahrnehmung, sondern aus einem Geltungsbewußtsein der Art eines universalen Horizontbewußtseins. Also auch dieses bedarf einer Kritik, sofern ich wie oben in Fragen eingehe, welcher Art das Recht ist, das Welterfahrung für mich hat, die Erfahrung, aus der ich den ursprünglichsten Sinn und das Recht für meine Weltgewißheit überhaupt gewinne — ob ihm apodiktische Zweifellosigkeit eignet, die das Nichtsein absolut ausschließt, oder nicht, und das in universalem Kontrast mit einer reinen Ich- und Erlebniserfahrung. Was andererseits diese an-
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langt, so durften wir, durfte ich doch nicht den natürlich-naiven Sinn meines Erlebnisstromes voraussetzen. Auch er ist ein Universum, „aus" dem nur Einzelheiten wirklich, und sei es auch apodiktisch, gegeben sind, auch da muß ich in die Horizonte meines Lebens ein5 dringen und müßte eine Kritik der immanenten Erfahrung als Erfahrung meines Seins und des Seins meines Lebens in die immanente Erinnerung, Erwartung, kurz in die ganze immanente und konkrete Selbsterfahrung hineintragen. All das weist in der Tat auf umfassende und schwierige Untersu10 chungen hin, deren zureichende konkrete Ausführung erst spät gelungen ist. Im ersten Entwurf der Ideen war sie noch nicht befriedigend durchgeführt. Indessen, ist nicht vorauszusehen, und zwar ursprünglich > aus dem in der lebendigen Gegenwart schon Ersichtlichen, daß das Sein 15 der Welt für mich nur Seinsgeltung hat aus dem ,,Subjektiven" der Erlebnisse her, in denen die Welt „erscheint", und daß alle weitergehende Ausweisung mich immer wieder auf Subjektives verweist, auf Phänomene der verschiedenartigen und synthetisch sich verknüpfenden Erfahrungen und auf einen gewissen Stil der Ausweisung, die 20 selbst ein durchaus subjektives Vorkommnis ist? Ist es nicht evident, daß dieses Subjektive rein in seiner Eigenwesen tlichkeit gefaßt werden kann, die nichts von Welt zur Mitsetzung bringt, sondern rein sich an das hält, was Erscheinung von Welt, Erfahrung, Erfahrungsausweisung von Welt bietet? Geht also nicht 25 wesensmäßig für mich mein Sein und Bewußtsein dem Sein der Welt vorher, darunter auch dem weltlichen Sein, das ich in gewöhnlicher Rede als Ich — Ich, der Mensch in der Welt, Reales unter den Realitäten der Welt, bezeichne ? Das Vorhergehen ist offenbar apriorische Fundierung und nicht 30 etwa eine logisch-urteilsmäßige und überhaupt in eigenen Akten vollzogene Gründung des einen auf das andere. Mein Sein, in seiner immanent zeitlichen Universalität, in seiner voll konkreten Eigenwesentlichkeit: Wäre ich nicht, so wäre für mich keine Welt, das klingt wie eine Tautologie. Aber indiziert sich damit näher besehen nicht die 35 w u n d e r b a r s t e T a t s a c h e , daß die Welt, die für mich ist und nach allem Bestimmten, das sie für mich ist, eine Einheit ist, die sich in meinen subjektiven Erlebnissen und darin auftretenden „Darstellungen" darstellt und von dieser Korrelation nicht loszulösen ist? Nun macht freilich die Struktur der Apodiktizität meines Seins als 40 des reinen Ich meines reinen Lebens und dieses selbst auf das zeitliche, immanent zeitliche Ganze dieses Seins und Lebens ihre Schwierigkeiten. Da doch z.B. immanente Erinnerung sehr wohl täuschen kann, also Widerstreit, Täuschung, Anderssein (als selbst anschauliche Erinnerung zeigt) sehr wohl möglich ist außerhalb der lebendig anschau45 liehen immanenten Gegenwart. Aber wie, wenn trotz solcher Möglichkeiten das konkrete Sein meines Bewußtseinsstromes apodiktisch wäre, und wesensmäßig einsichtig zu machen, daß hier und an erster
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Stelle das apodiktische Prinzip gälte: Jedem Schein liegt Sein zugrunde, und nicht ein beliebiges, sondern ein immanentes Sein, mit einem apodiktischen Gehalt ausweisbar, der doch die volle Bestimmtheit dieses Seins nur als unendliche „Idee*' zugänglich macht. 5 Aber ist auch all das durchführbar, so bleibt nun doch fühlbar die Schwierigkeit, daß Ausweisung einer Welt nicht meine eigene Erfahrungssache ist, sondern Sache der intersubjektiven, sich wechselseitig ergänzenden, bereichernden <Erfahrung>, und so erst Welt als die da ist, die für uns die seiende ist, ausweisbar. Indessen, bin ich es nicht, 10 in dessen Leben ,,Andere" Sinn und Seinsgeltung erlangen müssen, und in dem das Mit-Anderen-Sein, Mit-Anderen-Erfahren etc. seine erste und letzte fest wurzelnde Ausweisungskraft erhält ? In mir letztlich weist sich die Welt auch als intersubjektive aus — wie, das ist freilich ein großes Problem.
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BEILAGE 46 < BEILAGE ZU S.> 97
< Herbst 1929> <Wir führten die letzte Reihe unserer Überlegungen hauptsächlich > an der materiellen Welt durch, die aber die bloße Kernschicht der 20 Welt selbst, der Welt der Realitäten ist. Diese Welt, die unser aller gemeinsame Umwelt ist, ist zwar in jedem einzelnen ihr zugehörigen Realen auch materiell, aber im allgemeinen nicht bloß das, nicht Mensch und Tier, die ja materiell-körperliche Leiber, aber nicht bloße Leiber <sind; bei> Sprache, Kunst, Staat usw., obzwar sie körperlich 25 als reale Weltvorkommnisse der realen Welt in jedem einzelnen realen Bestand auch ihre physische Schicht haben. Aber eben auch eine ,,geistige". Indessen, selbst wenn wir nur das spezifisch Naturale bevorzugten, scheint unsere Betrachtung unzureichend. Das Naturobjekt, das materielle Ding nahmen wir nur als das der bloß sinnlichen 30 Imagination (der sinnlichen Erfahrung).
BEILAGE 47 <EINLAGE ZU § 52*>
< Herbst 1929> Es ist ja leicht einzusehen, daß, wenn die unbekannte angeblich 35 mögliche Ursache überhaupt ist, sie prinzipiell wahrnehmbar sein müßte, wenn nicht für mich, so für andere, besser und weiter schauen1 Als Ersatz für den vierten Absatz von § 52 (auf S. 98 der Originalpaginierung) edacht. — Anm. d. Hrsg.
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de Iche. Die Richtigkeit des Existentialurteils besagt Möglichkeit der Anpassung der Ursache-Meinung als Bedeutung an die Ursache selbst, als originale Selbstgcbung dem Urteilenden entgegentretend. Ein mögliches Ich gehört also zur Möglichkeit der Wahrheit bzw. eines wahrhaft Seienden, hier wie bei irgendwelchem wahrhaft Seienden sonst. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine leere Möglichkeit im Sinne einer bloß widerspruchslosen „Denkbarkeit" oder einer bloßen Vorstellbarkeit (Fingierbarkeit) eines solchen urteilenden Subjekts und seines möglichen Erfahrens. Denn soll ich, der all das Erwägende, die Möglichkeit der fraglichen Ursache, wenn auch als einer mir faktisch unzugänglichen, zugestehen, soll ich diese Möglichkeit als eine in Wahrheit bestehende behaupten, also einsehen können, so muß doch für mich die Möglichkeit eines diese Ursache selbst erfahrenden Ich einsehbar sein, das ich selbst nicht bin. Es müßte also die Möglichkeit einer Einfühlung bestehen und ihre sehr weitreichenden zugehörigen Wesensbedingungen müßten erfüllt sein. Sie sind beschlossen in der formal andeutenden Aussage: daß jeder für mich möglicherweise seiende Andere im Horizont meiner faktischen Erfahrungswelt mitenthalten sein müßte in der Weise, wie etwa menschenartige Wesen für mich als offene Möglichkeiten bestehen, lebend auf den für mich direkt unzugänglichen, aber meiner Umwelt doch zugehörigen Gestirnen. Solche Möglichkeiten sind nicht bloße Vorstellbarkeiten (Fingierbarkeiten). Sie besagen, daß im Motivationszusammenhang meiner faktisch verlaufenden Erfahrungen mir empirisch notwendig vermutende oder empirisch gewisse Antizipationen erwachsen könnten von Erfahrungen mit Erfahrungsgegenständen, deren wirkliches Erfahren durch die faktischen Reglungen meines Erfahrungslebens — aber eben nur in der Zufälligkeit der Faktizität — für mich nicht vollziehbar werden, während sie doch als antizipierende empirische Gewißheiten oder Vermutlichkeiten, Wahrscheinlichkeiten, ihre Tragkraft haben und induktive Erfahrungsaussagen (Aussagen über induktive Wirklichkeiten, Vermutlichkeiten, Wahrscheinlichkeiten) berechtigen. Was dann wiederum die Möglichkeit für das Eintreten aller Antizipationen anlangt, so ist sie selbst motiviert durch die allgemeine Struktur meines Erfahrungslebens, sofern ich auch in meinem näheren Erfahrungsumkreis immer wieder auf Unterschiede zwischen faktisch Erfahrbarem und Nicht-Erfahrbarem stoße; nämlich derart, daß in wohlvertrauter Typik Hemmungen die Freiheit meines erfahrenden Zugehens auf das Antizipierte unterbinden, während sie doch als motivierte für mich ihre Geltung haben, evtl. Induktionen möglich machen, die sich vielfältig bestätigen, evtl. auch durch Verwirklichung eigener direkter Erfahrungen, auf die sie als Antizipationen vorweisen, oder solcher Erfahrungen anderer Menschen, die mir aus eigenen Einfühlungen zugänglich geworden sind. So stehen wir also in der universalen Sphäre empirisch-induktiver Gewißheiten, Vermutlichkeiten, Wahrscheinlichkeiten, die über den allumspannenden Zusammenhang meiner möglichen Erfahrungen,
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meiner wirklichen (der eigentlichen, direkten) und meiner Antizipationen nicht hinausreichen und es auch nicht tun, wo auf mögliche Erfahrungen Anderer rekurriert wird: da, wie gesagt, jeder Andere als für mich in Gewißheit oder Möglichkeit (Vermutlichkeit) seiender 5 Andere seine Seinsgeltung für mich hat aus der Erfahrungsart der unmittelbaren oder selbst schon mittelbaren, antizipatorisch motivierten Einfühlung, also eo ipso mit zugehört zum universalen Reich meiner möglichen Erfahrung. Doch man wird einwenden, daß die Ursache-Realitäten, die der 10 Naturforscher als exakter Physiker supponiert und als die wahre Natur ansieht, weder für uns noch für andere Subjekte direkt sinnlich erfahrbar sind, nämlich sie seien nicht die sinnlich anschaulichen Dinggegebenheiten (die ,,Sinnendinge"), sondern diesen prinzipiell transzendent. Diese Transzendenzen höherer Stufe seien die wahren Natur15 objekte, die da an sich sind, während die Sinnendinge noch bloße subjektive Gebilde sind.
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Die Dinge, die uns in e i n s t i m m i g e r sinnlicher Erfahrung als leibhafte Wirklichkeiten erscheinen, haben den Sinn von verharrenden identischen Substraten identischer Bestimmungen — eben von Gegenständen im logischen Sinn —, die in diesen identischen Bestimmungen in beliebig fortgehender einstimmiger Erfahrung immer wieder bestimmbar wären. Aber genau besehen ergibt einstimmige Erfahrung, in Richtung auf den Gegenstand selbst fortschreitende, das Bestimmende, als identische Gegenständlichkeit Geltende, in fortschreitender ,,Genauigkeit". Darin liegt, daß sie nicht bloß neue und neue Bestimmungen zugänglich macht, sondern das jeweils schon Erfahrene in seinem anschaulichen Bestände nie Endgültiges, sondern nur Relatives ergibt, nach den wirklich anschaulich gewordenen Gehalten sich immerfort modifizierend, also nie die jeweilige Bestimmung in wirklicher Identität und in ihrem letztlich wirklichen Selbst ergebend. Und das alles zudem in Bezug auf Umstände, deren Wechsel Richtungen neuer und neuer Modifikationen bestimmen. Zu dieser Relativität gehören komplizierte Beschreibungen. Aber hier genügt, daß das Identische gegenüber allen diesen Relativitäten wesensmäßig immerfort in der Erfahrungsmeinung liegt (wo das Erfahren ,,theoretisches" ist, das nicht wie in der Praxis im Relativen sich Genüge tut, sondern das durch alle mögliche Praxis hindurchgehende Identische der Erfahrung als den Gegenstand selbst im Auge hat), daß diese aber nicht eine leere Meinung ist und trotz der Modifikationen nie den Charakter des Scheins hat, sondern eine sich gerade
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in diesem Wandel der anschaulichen Gehalte bestätigende Meinung, mit anderen Worten, Bewußtsein einer Selbsterscheinung des Gegenstandes, in wechselnden Stufen der Approximation sich selbst darstellend. Eben darauf bezieht sich die naturwissenschaftliche Methode und die durch den Stil solcher Erfahrung motivierte und bei expliziter Analyse und Beschreibung desselben verständlich zu machende Aufgabe, in kantischer Rede, gegenüber den bloßen „Wahrnehmungsurteilen" exakte „Erfahrungsurteile" anzustreben; das ist, in gewissen Idealisierungen und Begriffsbildungen neuartige,,,exakte" (mathematische), durch bloße sinnliche Abstraktion aus der Anschauung direkt zu schöpfende Begriffe und entsprechende Urteile zu bilden, die nach Art ihrer Bildung ,,Ideen" sind, in denen <der Stil> der Wandlungen der relativen sinnlichen Dinge (der sinnlichen Erscheinungen) fest indiziert ist und nach seinen Besonderungen mathematisch beherrschbar wird in seiner festen Rückbeziehung der sich besondernden exakten Begriffe auf besondere Erfahrungsgegebenheiten, Die exakte Bestimmung durch mathematisch-naturwissenschaftliche Begriffe ist ,,logische", „theoretische" Bestimmung der sinnlich erfahrenen Dinge als der in sinnlicher Erfahrung durch die anschaulichen Gehalte sich darstellenden Identitäten — der beständig theoretisch vermeinten und zu bestimmenden.
Die Rede ist hier, deutlicher gesprochen, von der theoretischen Erfahrung, der naturwissenschaftlichen Erfahrungspraxis und nicht der irgendeiner sonstigen Praxis zugrunde liegenden Erfahrung, als welche 25 bei jeder Praxis ihre besonderen Horizonte hat, ihre praktische Situation, mit der sich vorzeichnet, was relativ auf sie als erreichtes und erreichbares Erfahrungsziel zu gelten hat. Aber durch den Wechsel der Art der Praxis und ihrer situationsbestimmten Zwecke hindurch geht die Identität derselben Dinge; was in der einen schon es selbst ist, ist 30 in der anderen rohe Darstellung und so in infinitum.
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< Herbst 1929> haben wir für unsere Zwecke hinreichend geklärt — die Überzeugung, daß Natur in untrennbarer Relativität zur Natur erfahrenden, auf Erfahrungsgrund logisch erkennenden Subjektivität steht, ist schon auf Grund der bloß allgemeinen Strukturskizzen, die wir gaben, unvermeidlich.
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Die volle reale Welt ist nicht bloß physische, sondern psychophysische, und sie ist praktische Welt, Welt der mannigfaltigen Kulturgebilde, die ihrerseits auf psychophysische Subjektivität bezogen sind. Aber sowie wir dies in Rechnung ziehen, erwächst eine besondere Schwie5 rigkeit. Absatz: <Machen wir uns klar>, wie je mein Bewußtsein, das, in seiner immanenten Eigenwesentlichkeit in rein immanenter Erfahrung gesetzt, allem, was darin als Transzendenz zur Setzung und Ausweisung 10 kommt, vorangeht und damit <dem> vorangeht, was je unter dem Titel Welt für mich Sinn und Seinsgeltung hat, sozusagen in ,,die Welt", die für mich seiende, hineinkommt, <wie das an sich Absolute seine Immanenz preisgeben und den Charakter der Transzendenz annehmen kann.>
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Das Hintergrundfeld ist ein potentielles Wahrnehmungsfeld; es muß aber offen bleiben, ob immer (und nun gar wesensnotwendig) die Sinnesdata dinglich aufgefaßt seien. Im allgemeinen ist es der Fall. Es soll aber nicht behauptet werden, daß es undenkbar sei, daß der Hintergrund ein bloßer Empfindungshintergrund ist ohne dingliche Auffassungen. Auch das ist ein Problem, ob nicht die Hintergrundauffassungen, die verschiedentlich zu Hintergrundkomponenten gehören, Modifikationen von cogito's sind, d.h. so wie ein aktuelles Wahrnehmen angesehen werden kann als ein aktueller Vollzug einer Dingauffassung, wir können auch sagen als ein Aktualitätsmodus des Erscheinens, der, wenn wir das Wahrnehmen fallen lassen, uns ohne Festhaltung einem anderen Objekte zuwenden, -unaktuell wird, so daß> mit der Wahrnehmung eine Modifikation vonstatten geht, eine Änderung des Aktualitätsmodus in einen Hintergrundmodus. Man könnte sagen, die ganze Struktur des Aktes ist dieselbe, nur vollziehe ich nicht wirklich. Aber sogar das Ich ist in modifizierter Weise dabei, sogar das Erfassen, Zuwenden, aber alles das entseelt, inaktuell. Es scheint, daß es verschiedene Weisen des Hintergrundbewußtseins gibt oder geben kann, die ursprüngliche Weise, die nichts von solchen Modifikationen trägt, und das Hintergrundbewußtsein, das in Dunkel gesunkenes Vordergrundbewußtsein ist. Oder Wahrnehmungs,,regungen", Wahrnehmungstendenzen, die nicht Wahrnehmungen sind. Vgl. auch den folgenden Absatz über „Regungen". Etwas beschränkt, aber es gehört doch all das wirklich zusammen.
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ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929) BEILAGE 51 179
Erst S. 199 ist im Vorübergehen gesagt, daß „Noesis" soviel besagt 5 wie „konkret vollständiges intentionales Erlebnis" unter „Betonung seiner spezifisch noetischen Momente". Zur Noesis gehören also die h y l e t i s c h e n Momente, sofern solche Funktionen der Intentionalität tragen, Sinngebung erfahren, einen konkreten noematischen Sinn konstituieren helfen. 10 Das muß aber früher mit entsprechender Feierlichkeit gesagt werden. Ich bin selbst ins Schwanken gekommen, da ja früher noetische und hyletische Momente unterschieden wurden.
BEILAGE 52 15
BEILAGE IN IDEEN I, <S.> 179//.
Blickrichtung auf das Noetna, auf den „Gegenstand", welcher da bewußt ist, und auf die Bedeutung, den Gegenstand im Wie. Das Wie, die Weise im ,,Sinne", die ganze Bedeutung als „Materie". Die Materie ist aber bewußt in einem doxischen Modus, und da haben wir ein neues 20 Wie. Der Gegenstand, welcher mit dem und dem Sinn bewußter ist, ist mit diesem Sinn bewußt als seiend (gewiß), als vermutlich seiend etc. Schwierigkeit: Wenn ich die Materie zum Gegenstande mache, so erteile ich ihr die 25 Seinssetzung. Wenn ich den Gegenstand, den ich in diesem Sinn Μ vorstellig habe, als seiend setze, habe ich da nicht auch die Materie M, der ich die Seinssetzung, bzw. deren Gegenstand ich die Seinssetzung erteile ? Α ntwort: Im ersten Falle habe ich eine auf die Materie „gerichtete" Vorstellung. Die hat eine neue Materie und eine neue Qualität. Eine Seinssetzung, das ist ein vom Ich ausgehendes doxisches Bewußtsein, eine doxische These, die durch eine „Vorstellung" „hindurch"geht. Z.B. ich setze „dieser rote Tisch!" Man kann da sagen, 35 die These geht durch das „X" hindurch, das im Xoema, näher: der noematischen Materie, liegt. Die Charakterisierung als seiend ist nichts anderes als dieser vom Ich ausgehende Pfeil durch das X. In der Wendung des Blickes, in der ich das noematisch Gegebene zum Gegenstand mache, finde ich vor — ich gehe jetzt mit dem Pfeil 30
BEIBLÄTTER AUS DEN HANDEXEMPLAREN
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der Setzung, einem neuen Pfeil, in das,,innere Bewußtsein*'vom Erlebnis „dieser rote Tisch" und finde in ihm außer der Beziehung auf das Ich und dem vom Ich ausgehenden Noetischen: Das Was und seine Komponenten sind nun vorstellig in einem neuen Bewußtsein gegen5 über dem schlichten ,,dieser rote Tisch!" Es ist eine Reflexion, und nun ist die Materie und ist die Qualität des früheren Bewußtseins Gegenstand. Die Materie als Gegenstand erhält eine Seinssetzung. Aber die Materie dieser Seinssetzung ist nicht die Materie, die da gegenständlich ist, sondern eine Materie, die sich auf eine Materie bezieht.
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BEILAGE 53
Kurze Nota zur Umarbeitung Einheit des „vermeinten Gegenstandes" (im Sinn) — konstituieren15 de Bewußtseinsmannigfaltigkeiten, parallel: konstituierende
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Mannigfaltigkeiten.
Noema überhaupt, Noesis ü b e r h a u p t . S. 206: „Natürlich würden sich diese beiden Formenlehren keineswegs sozusagen wie Spiegelbilder zueinander verhalten oder wie durch eine bloße Vorzeichenänderung ineinander übergehen, etwa so, wie wir jedem Noema Ν substituierten ,Bewußtsein von N V Der weitere Satz ist schief. Es müßte etwa gesagt werden: Eine durchgängige Korrespondenz ist n i c h t so etwas wie Spiegelung. Und nun müßte neu ausgeführt werden: Um die Sachlage hier allgemein zu charakterisieren, muß man sich freilich von vornherein vor Schiefheiten, vor gewissen beirrenden Versuchungen hüten. Es sind im Verhältnis von Noesis und Noema verschiedene Parallelismen nicht zu vermengen. 1) Die einen betreffen die Verhältnisse von Einheiten zu den konstituierenden Mannigfaltigkeiten, 2) die anderen die Verhältnisse zwischen n o e m a t i s c h e n Komponenten im vollen Noema und noetischen Komponenten in der entsprechenden vollen Noesis, und damit die Verhältnisse zwischen vollem Noema und voller Noesis selbst. Ein gewisser Parallelismus besteht darin, daß der vermeinten Einheit im Noema, sagen wir der Einheit des Dinges in der Mannigfaltigkeit der Dingwahrnehmungen (oder auch einer Mannigfaltigkeit von Dingerinnerungen, kurz von Dinganschauungen), die einheitlich zusammengehen zum anschauenden Bewußtsein von dem einen und selben Ding (nur einmal so orientiert, das andere Mal anders, einmal nah, das andere Mal fern etc.), eben diese Mannigfaltigkeit von Noesen entspricht.
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ERGÄNZEKDE TEXTE (1912-1929)
Speziell entspricht in der Einheit einer solchen Wahrnehmungsmannigfaltigkeit der Einheit des sinnlich erscheinenden Dinges (als Komplex primärer und sekundärer Qualitäten) ein gegliedertes System von Mannigfaltigkeiten von hyletischen Daten und näher von Farben5 daten, Tastdaten etc. Näher besehen gehören zu den Abschattungen, in denen sich die erscheinenden Farben, Formen etc. abschatten, auch stetig sich modifizierende A u f f a s s u n g s c h a r a k t e r e . Also hier haben wir einen gewissen Parallelismus zwischen der gegenständlichen Einheit (dem Gegenstand in Anführungszeichen) und hy10 letischen und noetischen Mannigfaltigkeiten; jede Komponente der Einheit repräsentiert durch eine Mannigfaltigkeit, und der Komplex der Komponenten repräsentiert durch die Gesamtheit dieser Mannigfaltigkeiten. Dazu ist dann Einzelnes aus der Ausführung <S.> 267 (207?) zu 15 benutzen. Dann die Erörterung, daß wir zu unterscheiden haben die Einheit im Noema und das Noema voll und ganz.
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zu <s.> 206 Man merkt es im letzten Absatz, daß ich selbst in Verwirrung geraten bin und es nachher zurechtzustellen suchte. Die ganze Ausführung bis <S.> 208muß neu umgearbeitet werden; so wie sie da steht, ist sie unklar. S. 206 in der Mitte heißt es, die beiden Formenlehren seien nicht einfach Spiegelbilder. Dabei wird hingewiesen auf das Sichentsprechen von irgendeiner einfachen Dingqualität und den sie abschattenden hyletischen Mannigfaltigkeiten. Dann war es auch korrekt, wie es im ursprünglichen Entwurf geschehen war, beizufügen, daß auch die Auffassungsmomente nicht undifferenziert sein könnten (obwohl da nicht abzusehen ist, wie man diese Differenzen beschreiben könnte anders als in dieser Allgemeinheit). Aber der Hauptgedanke ist doch der: Es ist für den Begriff des Noema die Gefahr eines D o p p e l s i n n e s : 1) Der Sinn, der so und so bestimmbare Gegenstand als solcher (noematischer Sinn). 2) Dieser Sinn in seiner Gegebenheitsweise (volles Noema). Und wir haben eine Formenlehre der Sinne und parallel dazu eine Beschreibung der Mannigfaltigkeiten, in denen sich der Sinn konstituiert, in denen er zu anschaulicher Erfüllung kommt — wobei sich scheidet der Sinn überhaupt als evtl. leerer Sinn und der Sinn als gegebener Gegenstand in Anführungszeichen. Andererseits haben wir aber eine Fomenlehre der Noesen und ihrer
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gesamten Korrelate. In dieser Weite gilt doch das Bild vom Spiegelbild. Einmal haben wir Einheiten gegenüber Mannigfaltigkeiten, das andere Mal nicht. Die Umarbeitung müßte schon den vorletzten Absatz 206 5 betreffen. Es geht da durcheinander: 1) daß nicht für jedes noematische χ auf der anderen Seite bloß allgemein steht ,,Bewußtsein von x", 2) daß jeder „Einheit" im Noema eine konstituierende Mannigfaltigkeit entspricht, was etwas ganz anderes ist. 10 Hier ist das ganze Denken nicht zur Reife gekommen. Für eine Formenlehre kommt doch natürlich in Betracht eine Formenlehre der Sinne. Vom Sinn muß man sich doch durchaus leiten lassen. Es ist dann die Frage: welche Rolle spielt das Thema „Einheit — Mannigfaltigkeit". Es ist da zu sagen, daß es eine Aufgabe ist, die noetischen 15 Mannigfaltigkeiten zu beschreiben, die einer jeden Einheitskomponente im einheitlichen Sinn zugehören, bzw. zugehören zur intuitiven Konstitution der Einheit. (Aber eben dieser Unterschied zwischen intuitiver Gegebenheit und Nichtgegebenheit ist nicht ausreichend hervorgetreten im Bisherigen!) Ferner ist die Aufgabe, alle noematischen 20 Vorkommnisse, rein in ihrem Gebiet verbleibend, auch wieder zu ordnen unter dem Gesichtspunkt Einheit und Mannigfaltigkeit. Jedes Noema hat in sich den „Sinn", aber hat ihn in sich als Sinn in einem gewissen Modus, und wieder haben wir hier die Auszeichnung des „klaren Sinnes". Muß man da nicht sagen: Wir haben auf noematischer 25 Seite eine geschlossene Beschreibung Einheit — Mannigfaltigkeit, alle noematisch möglichen Abwandlungen, die zu einem Sinn gehören, dazu eine vorangehende Morphologie der Sinne. Dann eine parallele Behandlung der Noesen in hyletischer und noetischer Hinsicht und unter analogem Gesichtspunkt. Aber freilich setzt das schon tiefere Unter30 suchungen voraus. Vielleicht kann man hier nur andeuten: die Hauptunterschiede. Morphologie der Noemata überhaupt, zunächst als Morphologie der Sinne und noematischen Sinnesgegebenheiten etc. Zunächst bin ich nicht einmal sicher, wie das verfahrene Ding aus dem Dreck zu ziehen ist.
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BEILAGE 5 5
228, § 113
Der Begriff der aktuellen und potentiellen Setzung
Nicht hinreichend klar. Die Terminologie muß doch fest, ohne 40 Schwanken durchgeführt sein. Aktuelle und potentielle Setzung. Hier ist Setzung schlechthin die ,»wirkliche'* Setzung im Gegen-
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ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929)
satz zur neutral modifizierten, also positionale Setzung. (Es hätte eben von vornherein ein Gegenterminus zu neutral eingeführt werden müssen.) Jede, ob wirkliche oder neutrale Setzung ist nun aber in einem doppelten attentionalen Modus möglich, entweder in der Form 5 des cogito oder in dem Gegenmodus, das Ich lebt nicht als vollziehendes in dem Akte. Also aktuelle Setzung ist eine nicht neutrale Setzung im Modus des cogito. Die potentielle Setzung ist eine nicht neutralisierte Setzung im Modus der Unvollzogenheit, also nicht als 10 cogito. Ich gebrauche den Ausdruck attentionale Aktualität im Sinne von Vollzug eines intentionalen Erlebnisses im ,,darin leben", im Zugewendetsein auf das in ihm intentionale Korrelat. Also eine Setzung schlechthin (eine nicht neutralisierte) ist aktuell, 15 sie enthält eine attentionale Aktualität, oder sie ist potentiell, ihr fehlt die Aktualität der Ichzuwendung, etc. Der dritte Absatz ist nun irreleitend. Der Hinweis auf die Vieldeutigkeit von aktuell ist unnütz und verwirrt, und es kommt auch weiter die Betrachtung gar nicht auf Klärung solcher Vieldeutigkeiten hin20 aus. Das Richtige ist, niemals „aktuell" zu sagen, wo der Gegensatz zur Neutralitätsmodifikation in Frage ist, sondern gegenüberzusetzen: wirklich — neutral modifiziert. Evtl. gleich von vornherein das ,,positional" — neutral einzuführen und den Ausdruck positionale Setzung 25 nicht zu scheuen, wie unschön es klingt. Auch das wäre gut zu sagen: Scheide ich aktuelle und potentielle Setzungen, so muß ich parallel scheiden aktuelle und potentielle Quasisetzungen (neutralisierte). Der Positionalität entspricht die Quasipositionalität. 30
Dann <S.> 230: Verbesserung : Dieser Aktualität wirklicher Daseinssetzung entspricht nach dem früher Ausgeführten eine Aktualität neutralisierter Daseinssetzung im 35 perzeptiven Bildbewußtsein. BEILAGE 56 IDEEN, S. 228, § 113
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Die Darstellung ist nicht vollkommen klar. 3. Absatz: Der Unterschied zwischen Aktualität und Potentialität der Setzung ist ein Spezialfall des Unterschiedes zwischen Akten, in
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denen wir leben, und solchen, in denen wir nicht leben (in der Sphäre der Doxa ist es der Unterschied zwischen A u f m e r k s a m k e i t und U n a u f m e r k s a m k e i t — nachsehen, ob ich nicht von vornherein den Unterschied allgemein für alle Akte definiert habe!). Dieser Unter5 schied bezieht sich auf alle intentionalen Erlebnisse, ob sie ,,wirklich" setzend sind oder neutral modifiziert. Hier empfinden wir freilich eine störende Doppeldeutigkeit. Das „wirklich" weist ja in einer Klasse von Fällen auf ein Unmodifiziertes hin gegenüber einem Modifizierten. Haben wir also neutrale Modifikation im Auge, so kontrastierten wir 10 ,,wirkliche" Setzung (eben die unmodifizierte, die Setzung schlechthin) mit der neutral modifizierten. Das „wirklich" bezeichnet aber auch den Gegensatz zu möglich, und speziell in dem Sinne von vermögentlich, von einer im Wesen einer Sache liegenden F ä h i g k e i t , das Wirkliche durch eine Aktualisierung ans Licht zu bringen. Das Wirkliche 15 ist dann das Verwirklichte oder in Beziehung auf ein anderes evtl. als Verwirklichung seiner Fähigkeit Aufzufassendes.
BEILAGE 57 232 IDEEN
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i. Absatz § 114 <Statt „Das ist selbstverständlich unter allen Umständen möglich" :> Nun überträgt sich offenbar, was wir an den doxischen Erlebnissen und insbesondere auch an den doxischen Modalisierungen festgestellt haben, auf alle intentionalen Erlebnisse überhaupt.
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BEILAGE 58 ZU <S.> 233 IDEEN I
<Statt ,,Das Verhältnis der parallelen ,Akte' besteht darin, daß der eine von beiden ein »wirklicher Akt' ist, das cogito ein wirkliches', 30 ,wirklich-setzendes' cogito, während der andere ,Schatten' von einem Akte, ein uneigentliches, ein nicht ,wirklich' setzendes cogito ist." :> Das Verhältnis der parallelen „Akte" besteht darin, daß der eine von beiden ein wirklich setzender Akt ist (ein „wirkliches" Glauben, Zweifeln, Werten, Wünschen usw.), der andere hingegen ein nur „gleich35 sam" setzender Akt, ein solcher, dessen ,,Thesis" uneigentliche, nämlich neutral modifizierte ist, und das unbeschadet der attentionalen Form des cogito. (Wir erweitern also zugleich den Begriff der Thesis über alle dem „Aktcharakter" der Doxa (wie wir noch näher erörtern werden) parallelen Aktcharaktere.)
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ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929) BEILAGE 59 <EINLAGE ZU> IDEEN, S. 234
An Stelle des letzten Absatzes, dessen Anfügung nicht klar ist <„Und 5 wieder: so geartet ist Bewußtsein überhaupt, daß es von einem doppelten Typus ist . . . " > : Des Näheren gilt in dieser Hinsicht das Gesetz: Jedes Bewußtseinserlebnis überhaupt ist, gemäß seinem doppelten Typus als „Urbild" und „Schatten", als p o s i t i o n a l e s oder neutrales 10 Bewußtsein auch h i n s i c h t l i c h seiner d o x i s c h e n P o t e n t i a l i t ä t d o p p e l t g e a r t e t : Ist es vom positionalen Typus, so führt die Entfaltung seiner doxischen Potentialität auf lauter wirkliche doxische Akte, auf positionale; ist es vom neutralen Typus, auf lauter neutrale. Im letzteren Falle enthält es m. a. W. in seinem noematischen Bestan15 de gar nichts doxisch Faßbares, oder was gleichwertig ist, es enthält keinerlei „wirklich" Noematisches, sondern nur „Gegenbilder" von Noemen.
BEILAGE 60 236 UNTEN IDEEN
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<Statt „Die vollzogenen Akte, oder wie es in gewisser Hinsicht (nämlich in Hinsicht darauf, daß es sich um Vorgänge handelt) besser heißt, die Aktvollziehungen machen die »Stellungnahmen* im weitesten Sinne aus, während die Rede von Stellungnahmen im prägnanten Sinne auf 25 fundierte Akte zurückweist" :> Vorzüglich paßt die Rede vom Vollziehen auf das zum Wesen des Aktes gehörige Moment der Setzung (Thesis) bzw. auf die Wandlung, die im Übergang zur Form cogito gerade diesem Moment zuteil wird. Die vollzogene (nach der früheren Ausdrucksweise: aktuelle bzw. ak30 tualisierte) These bestimmt — in Beschränkung auf den Fall der Positionalität — einen weitesten Sinn der Rede von „Stellungnahme" bzw. stellungnehmenden Akte. Jedes Wahrnehmen, Urteilen, Werten usw. — jedes vollzogene und nicht neutralisierte — ist danach ein stellungnehmender Akt. Andererseits weist freilich die Rede von Stellung35 nahmen im prägnanten Sinn auf gewisse fundierte Akte zurück etc.
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BEILAGE 61
239, § 116 Die Scheidung n i e d e r e r und h ö h e r e r Stufe ist nicht klar um5 grenzt. Es ist kein radikaler Gesichtspunkt angegeben. Ich weiß auch nicht recht, wie.
BEILAGE 62 S. 242 IDEEN OBEN
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Ad archontische Thesis Der Terminus Thesis, Setzung (Stellungnahme in einem weiten Sinn) wird doch normalerweise verstanden als wirkliche Setzung, als Vollzug eines Glaubens etc. Aber Vollzug kann noch etwas verschiedenes besagen. Und es scheint mir, daß wir unter dem Titel Thesis immer an ein Einstrahliges denken. Ich vollziehe einen polythetischen Glauben, wenn ich Subjektglauben vollziehe und damit dem ,,Gegenstand" seine These erteile als seiend, daraufhin die Prädikatsetzung, womit ich, was der Gegenstand ist, daß er so ist, setze. Da habe ich zwei Thesen. Freilich in der Einheit eines Glaubensbewußtseins, das vollzogen ist, aber nur im Vollzug der beiden aufeinander gegründeten thetischen Schritte. Ich habe nicht noch eine eigene „Thesis" als übergreifendes Drittes. Potentiell liegt da eine These — ich kann nominalisieren, ich kann das polythetische Bewußtsein umwenden in ein monothetisches. Also brauchen wir einen doppelten Terminus. Einen allgemeinen, der jedes „positionale Moment" bezeichnet, das als solches entweder These schlechthin ist oder thetische Potentialität ist. Und dann „These" schlechthin, als ein Strahl der Setzung. Genau besehen ist dabei „thetische Potentialität" wieder mehrdeutig. Denn es darf sich nicht handeln um Vollzugsmodalitäten der Art, wie sie vorliegen, je nachdem ich eine These oder ein thetisches Moment einmal vollziehe, das andere Mal noch im Griff halte, das dritte Mal außer Vollzug lasse, fallen lasse. Da kann ich ja auch wieder die These neu aufnehmen und neu „vollziehen". Und das ist eine thetische Potentialität in einem Sinne. Hier aber handelt es sich darum, daß, wie immer solcher Vollzugsmodus besteht, eine polythetische Einheit in eine monothetische verwandelt werden kann. Jede polythetische Einheit hat ein positionales Moment, nämlich hat einen positionalen Gesamtcharakter, abgesehen von seinen wirklichen Thesen. Die Rede vom Archontischen geht nicht speziell auf Thesen im prägnanten Sinne wirklicher Thesen, sondern auf die po-
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sitionalen Gesamtcharaktere, die, wenn wir den einfachen Fall nehmen, wo keine Polythesis vorliegt, eben schlichte Thesen sind, so daß das Wort Gesamtcharakter dann nicht mehr paßt. Wo wir lauter doxische Thesen haben, da haben wir einen Gesamtcharakter, wenn wir eine 5 Polythese haben. Kann man darauf die Rede von archontisch beziehen ? Die Thesen sind sicherlich dienende. Ebenso, wenn Vermutungen in Überzeugungen gründen, oder Zweifel in Überzeugungen und Vermutungen etc. Wenn wir Gemütsakte wie Freuden in doxischen Akten gründend haben, da ist wieder ein Oberstes, das in den Unterlagen 10 gründet, die ihm „dienen". Wie steht es da mit den Gemütsthesen ? Haben wir da nicht auch wieder die zwei Fälle: die Gemütsthese ist wirklich These oder es ist eine polythetische Einheit des Gemütsbewußtseins, positional, aber nicht These? Aber wie sehr differenziert das sein mag: auf eine oberste Positionalität kommen wir doch, und 15 das sollte mit dem ,,archontisch" gesagt sein.
BEILAGE 63 246 IDEEN
Gegenübergestellt sind von mir: kontinuierliche und gegliederte 20 Synthesen. Aber was da gegliedert heißt, dürfte weitere Scheidungen zulassen. Vielleicht auszugehen wäre von dem Titel f u n d i e r t e r Akt, den ich doch viel verwendet habe. Vor allem ist zu bemerken: Es können 25 1) die Thesen fundierte sein in vollen Akten, die ihrerseits ihre These haben und ihre Materie. Es treten da bloß neuartige thetische Charaktere auf, die sich, wie etwa die Gefallensthese oder Freudenthese, auf die Materie des fundierenden Aktes keineswegs gleichmäßig beziehen müssen (oder auf 30 den Gegenstandsgehalt des letzteren Aktes). 2) Es können aber auch volle Akte in vollen Akten fundiert sein, wie im Zeichenobjekt konstituierenden Akt der bezeichnende, oder Bildobjekt — Bildsujet. Auch das Allgemeinheitsbewußtsein. Hier kann man doch im allgemeinen nicht sagen, daß die spezifisch 35 thetischen Charaktere in den thetischen der Unterstufe oder vielmehr der fundierenden Akte fundiert sind. 3) Aber da taucht ein neuer wichtiger und zu beachtender Punkt auf: nämlich eine These kann „als These" durch eine andere These „motiviert" sein: das Weil. 40 Bei der Freude: ein Gegenstand gefällt mir, und weil ich glaube, daß er ist, freue ich mich. Kann man das auf einer Stufe behandeln mit den beziehenden Akten des Wollens um eines anderen willen, des Sichfreuens, des Wertens, Wünschens um eines anderen willen? Das Wort
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„beziehend'* ist hier unpassend. Das Wollen, Werten etc. „mit Rücksicht auf'*, „mit Beziehung darauf", „auf Grund des". Dieses „Gründen" ist ein Setzen auf Grund eines Gesetzthabens, eines schon Gesetztseins. Es greift also in erster Linie die Thesen an. 5 Aber nicht die bloßen Thesen, die eben Thesen ihrer Materie sind. Aber die Materie spielt dabei eine ganz andere Rolle. Fraglich ist, ob und inwiefern Akte der Bevorzugung hierhergehören. Also das gibt schon mehrere Punkte und Fragen. 4) Akte der Kollektion, der Disjunktion, der Prädikation (Explika10 tion und Beziehung im gewöhnlichen Sinn). Nun ist aber hier die Frage, wie sie zu den Zweck-Mittel-Akten stehen und überhaupt: kollektives Wollen haben wir doch auch, ebenso die schließenden Akte, die Akte des „weil — so" beiderseits. Warum heißt es in der ersten Zeile des letzten Absatzes: „eine 15 a n d e r e Gruppe"? Also da bedarf es gründlicher Überlegungen.
BEILAGE 64 248, 2. ZEILE VON OBEN
muß wohl das ,,ursprünglich" näher erläutert werden.
BEILAGE 65
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zu § 122, <s.> 253/.
Den Titel T h e m a und thematisches Bewußtsein gebrauche ich hier nicht in dem besonderen Sinne meiner sonstigen Untersuchungen. Ebenso kann die Rede vom thematischen Griff noch anders ver30 standen sei. Thema kann auch in Bezug auf „theoretisches Interesse" interpretiert werden.
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ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929) BEILAGE 66 AD p . 270
Schluß des § 130: Es wäre hier gut beizufügen, daß die Sachlage natürlich keine wesentlich andere ist in der psychologischen Sphäre. Subjekte, wie Personen, ferner ihre psychischen Eigenschaften, ihre vorübergehenden oder bleibenden Dispositionen, endlich auch ihre Wahrnehmungen und sonstigen psychischen Zustände können zu Objekten werden, und auch 10 da ist zu unterscheiden das Objektive und seine ,,subjektive" Gegebenheitsweise. 5
BEILAGE 67 AD <S.> 273, § 132 15
Die noematischen Korrelate der Empfindungsdaten (hyletischen) in der Noesis
Man könnte hier so einsetzen: Während mir der wahrgenommene Gegenstand, dieses Tintenfaß hier, erscheint, achte ich auf mein Erlebnis, das < heißt > auf die wechselnden Empfindungsdaten, gegenüber 20 den identischen gegenständlichen Merkmalen, auf dies, daß mit den Empfindungsdaten sich gerade diese Merkmale darstellen, daß das Sichdarstellen ein Erlebnismoment ist usw. Beschreibe ich nun anderseits den mir hierbei erscheinenden Gegenstand, so kann ich einerseits beschreiben seinen „Sinn" im engeren 25 Sinn, den vermeinten als solchen, ich kann aber auch beschreiben die besondere Weise, wie er mir erscheint, er in seinem jeweiligen gegenständlichen Sinn. Nehme ich ein bestimmtes Merkmal, etwa eine farbige Fläche, die zum erscheinenden Gegenstand als solchem (dem „Sinn") gehört, so ist der bloß noematische Modus dieser Fläche, die 30 Weise wie sie erscheinende ist, eine andere je nach dem wechselnden repräsentierenden hyletischen Inhalte (aber auch der motivierenden hyletischen Daten). Hand in Hand damit geht der Unterschied der Orientierung, die Sache des Noema ist (und zwar der Hülle des Sinnes). Sie betrifft pri35 mär die erscheinende Gestalt und sekundär die qualitative Bedeckung. Nehmen wir den erscheinenden Gegenstand in seinem Orientierungsmodus fest, so kann hier (abgesehen vom Klarheitsmodus) nichts mehr wechseln? Doch käme auch, abgesehen von der (vieldeutigen) Klarheit in Betracht der Unterschied der ,,Fülle der Repräsentation", nämlich 40 der Reichtum der Darstellung, je nachdem ich direkt oder indirekt
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sehe, also je nach den motivierenden Daten (Augenrichtungen etc.). Im Gebiet des deutlichen Sehens haben wir Unterschiede der motivierenden Daten, aber auch im undeutlichen Sehen. Es sind also hier zwei Dimensionen: die der Deutlichkeit und Undeutlichkeit und die der 5 motivierenden Daten. 1 Die Ausführungen über Kern als Sinn im Modus der Fülle (S. 273) bedürfen also mehrfacher Ergänzungen.2 Wir werden nun wohl sagen müssen: Die hyletischen Daten selbst gehören nie zum noematischen Gehalt. Aber jedem Wechsel der fun10 gierenden hyletischen Daten entspricht vermöge der noetischen Funktionen auch ein Wechsel im Noema. Und wo an und für sich betrachtet ein hyletisches Moment in der Noese wechseln kann, ohne daß ein dadurch speziell konstituiertes gegenständliches Moment wechselt, da ist dieses doch in einem anderen Modus noematisch charakterisiert. Aber 15 diese geänderte noematische Charakteristik besagt dann zugleich, daß auch eine Änderung in dem übrigen gegenständÜchen Sinn statthat (wie Orientierung und dgl.). Das bedarf näherer Untersuchung! Dieselbe farbige Fläche kann sich mir in verschiedener Weise darstellen, also den wechselnden hyletischen Daten in ihrer Auffassung 20 entsprechen Unterschiede des Noema, aber nicht die repräsentierenden Daten gehören ins Noema, sondern die „Erscheinungsweise" des Gegenstandes. Ist „Erscheinungsweise" und Weise der Orientierung wirklich ein- und dasselbe? Der unveränderte Gegenstand ist das Identische aller Erscheinungsweisen, das Identische in allen Orientie25 rungen. Wie verhalten sich die Begriffe: Weise der Orientierung desselben unveränderten Gegenstandes und Erscheinungsweise desselben ? Hyletische Daten r e p r ä s e n t i e r e n , werden aufgefaßt. Apparenzen, Erscheinungen wechseln, und in ihnen „repräsentiert" sich derselbe Gegenstand. Ein total anderer Begriff von Repräsentation l 30 Im Noema haben wir z.B. hinsichtlich einer wahrgenommenen roten Fläche ihre wechselnden Apparenzen, „Erscheinungen". Der Gegenstand schlechthin ist nur gegeben in Form des sich von der und der Seite, in der und der „perspektivischen Abschattung", in der und der Farbenperspektive etc. Darstellenden. Im Noema haben wir also nicht 35 hyletisches Datum Farbe, sondern „Farbenperspektive", nicht das hyletische Datum Ausbreitung und Quasigestalt, sondern Gestaltperspektive. Immerhin kann man sagen, daß, wie wir in der Noese die pure Hyle haben ineins mit ihrer Auffassung, so in dem Noema das, was sozusagen „Leistung" der Auffassung der Hyle oder „Leistung" 40 des Bewußtseins ist, und diese Leistung enthält eine Komponente, die von der Hyle herstammt, und eine, die von den noetischen Momenten herstammt. Aber weiter können wir wohl nichts sagen3. 1 Ja, aber hier spielen die auf die Optima gerichteten „Repräsentationen" ihre Rolle! 2 45 3 Das alles reicht noch nicht hin! Neu untersuchen!
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ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929) BEILAGE 68
283-284 DER IDEEN Sehen und speziell Einsehen hat in meiner Darstellung einen 5 fühlbaren Doppelsinn, der sich mindestens darbietet, obschon ich mich bestimmt für die eine Alternative entscheide. 1) Das den Vernunftcharakter der Thesis Motivierende, das was ihr Recht gibt, der ,,Rechtsgrund'' als Grund der Rechtmäßigkeit der Setzung: das Sehen. 10 2) Der Vernunftcharakter selbst. So sagen wir j a auch: ich glaube das, weil ich es einsehe (bzw. sehe). Einmal liegt das Wesen des Sehens in der thetischen Materie, das andere Mal in der Thesis selbst vermöge der Materie. Endlich 3), wie es in der Mitte von <S.> 284 heißt: „Einheit einer 15 Vernunftsetzung mit dem sie wesensmäßig Motivierenden." Wir sprechen von evidenten Sätzen, evidenten Urteilen. Was heißt das eigentlich? Der Satz ist das Noema, das auch die noematische Thesis befaßt. Der Satz ist evident, er ist erfüllter Sinn, er hat den Charakter eines 20 sehend Gegebenen im Sinne 1). Er leuchtet ein, und selbstverständlich geben wir ihm auf Grund dessen die Thesis. Wir glauben, weil wir sehen. Aber freilich, schon im gewöhnlichen Reden von Wahrnehmen, Sehen liegt der Doppelsinn. Das Sehen braucht das Glauben nicht zu beschließen, tut es aber oft und gewöhnlich. 25
BEILAGE 69 ZU <S.> 284 UNTEN IDEEN
Der spezifische Vernunftcharakter kann doch selbst originär gegeben sein oder nicht. 30 Die Erinnerung an ein Gesehenhaben an ein Eingesehenhaben.
Zu § 137 Sachlich ist zwar alles richtig, aber die Terminologie ist unfertig und stimmt nicht ganz mit der von S. 15. Der Terminus apodiktisch 35 befaßt hier zweierlei: 1) Das Sehen eines Wesensverhaltes, etwa gelegentlich einer Aussage, in der über Wesen ausgesagt wird.
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2) Das Sehen eines u n b e d i n g t a l l g e m e i n e n (in unbedingte Allgemeinheit gewendeten eidetischen) Verhaltes, wie z.B.: ein Rotes überhaupt ist ein Ausgedehntes. Die Rede von „apodiktisch" wird aber gewöhnlich benützt bei Anwendung von Wesensgesetzen, eidetisch allgemeinen Sätzen auf thetisch gesetzte Einzelfälle oder eidetische Besonderungen. S. 15 wird geradezu der Begriff des Apodiktischen fixiert für Anwendungsfälle eidetischer Sachverhaltsgegebenheiten. Das ist auch ein sehr berechtigter Sinn. Und bei dem Worte „apodiktisch" denken wir doch immer an ein ,,es muß sein", und das weist uns zurück auf einen Obersatz, also eine Anwendung. Besser also scheiden wir: ο ν ί 1) das „erfahrende" Sehen, und zwar als rein erfahrend; { 2) das e i d e t i s c h e Sehen; 3) das E i n s e h e n einer „unbedingt allgemeinen" Allgemeinheit = Notwendigkeit. Das Einsehen einer reinen universellen Notwendigkeit ist d) erwachsen aus einer Umwendung eines eidetischen Sehens nach 2) oder b) hervorgegangen als Sonderfall, und zwar als reine Besonderung einer unbedingten Allgemeinheit. 4) das E i n s e h e n eines individuell Erfahrenen. Also: I. Sehen (empirisch und eidetisch) 11. Einsehen von reinen Allgemeinheiten und von Notwendigkeiten als Vereinzelungen und reine Besonderungen von Notwendigkeiten.
BEILAGE 70 IDEEN, ZU <S.> 284//.
Evidenz 30
Der angegebene Unterschied zwischen assertorischer und apodiktischer Evidenz reicht noch immer nicht aus. Wir haben 1) Erfahrungsurteile 2) apriorische Urteile. Bei den Erfahrungsurteilen haben wir a) beschreibende Urteile, in35 dividuelles Sein und Sosein ausdrückend; b) allgemeine Erfahrungsurteile; aber auch c) andere auf individuell Einzelnes bezogene Urteile, z.B. hypothetische, disjunktive. Wir kommen also auf die formallogischen Urteilsunterschiede in der Beziehung auf individuelle Erfahrungsthesen oder unbestimmt allgemeine Erfahrungsthesen. Bei 40 den apriorischen Urteilen haben wir aber die analogen Formen. Darauf müßte Rücksicht genommen werden. Wie viele radikal unterschiedene Evidenzformen haben wir? Und zwar:
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Formen unmittelbarer Evidenz, Formen mittelbarer Evidenz ? Es gehört doch zum Wesen eines allgemeinen Erfahrungsurteils, daß es Evidenz nur haben kann in Form mittelbarer Evidenz. Gibt 5 es eine andere Art unmittelbarer Evidenz in der Erfahrungssphäre als die dese infach beschreibenden Urteils? Ja nur des einfachsten, der Form etwa „dies ist rot*'? Also: erst müßte die unmittelbare Evidenz untersucht werden und dann wäre den Stufenfolgen und Stufenbildungen der Formenlehre nachzugehen und diesen gemäß die mittel10 bare Evidenz zu studieren und nachzuweisen, wie die Stufenfolge der Evidenzen den Rückweisungen entsprechend zu laufen hat, die in den attributiven etc. Modifikationen (also in den sukzessiven Formenbildungen) angedeutet sind. Ebenso bei eidetischen Urteilen. Die „beschreibenden" eideti15 sehen Urteile etc. Aber gibt es nicht hier auch andere unmittelbar evidente Urteile ? „Wenn etwas rot ist, ist es ausgedehnt", also hypothetische Formen. Satz vom Widerspruch, von der doppelten Negation etc., disjunktive Unmittelbarkeiten. Dann Mittelbarkeiten, die auf evidente Unmittel20 barkeiten, die keine Erfahrungsthesis einschließen (insofern also eidetisch sind), zurückführen. Hier tritt das „notwendige Folge-sein" auf. Folge-sein charakterisiert die Mittelbarkeit des Urteilens. Die einsichtige Mittelbarkeit ergibt einsichtige Folge — Einsicht als Folge —, dann können die Gründe 25 einsichtig sein etc. Das alles muß sorgsam erwogen werden. Es handelt sich hier um das Typische. Satz: Jede mittelbare Evidenz, die auf empirisch-evidenten Grundlagen beruht, ist durch diesen empirischen Charakter der Grund30 lagen affiziert, und das Abgeleitete hat empirischen Charakter. Jede mittelbare Evidenz, die auf apriorischen (eidetisch evidenten) Grundlagen beruht und nur auf solchen, hat einen eigentümlichen Charakter, eben den der eidetischen Notwendigkeit. Genauer betrachtet merken wir Differenzen. 35 Es wird im Text richtig Beziehung genommen auf den Unterschied zwischen Individuen und Wesen. Nicht aber ist Rücksicht genommen auf den sich damit kreuzenden Unterschied der logischen Abwandlungen. Eine Urgegenständlichkeit wird anders „gesehen" als eine logische Abwandlung derselben, als eine Beschaffenheit, ein 40 Inbegriff, eine Beziehung, ein Sachverhalt usw. Und jede Art Abwandlung wird anders „gesehen". Und wieder ist dabei die Bewußtseinsweise des Sehens eine wesentlich andere, je nachdem wir uns in der Sphäre individueller oder eidetischer Urgegenständlichkeiten bewegen. 45 S. 15 wird der Ausdruck apodiktisch ausschließlich begrenzt auf die Besonderungen von eidetischen Allgemeinheiten. Hier aber wird gegenübergestellt Sehen vom Individuellen (assertorisch) und
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eidetisches Sehen als apodiktisches, und dazu Mischungen. Hier handelt es sich um Bezeichnung der verschiedenen Bewußtseinsweise des Sehens. Das Wort „apodiktisch'* weist an sich auf die Bewußtseinsweise hin. Am besten, man sagt: Die Bewußtseinsweisen sind eben bei 5 Eidos und Individuum und wieder nach den verschiedenen Abwandlungen verschieden. Eine besondere und ausgezeichnete Weise des Bewußtseins ist die, daß etwas nicht nur überhaupt gesehen, sondern im Charakter des „infolge" gesehen wird als notwendig seiend. Der Seinsmodus ist ein verschiedener, und zurückgewiesen werden wir auf 10 Eidetisches. Jedenfalls muß die Verwirrung beseitigt werden. „Apodiktisches Sehen" darf nicht für jedes eidetische Sehen gebraucht werden. Da das Wort individuelles Sehen nicht brauchbar ist, so könnte gegenüber dem „eidetischen" Sehen oder der eidetischen Evidenz ge15 sprochen werden vom e r f a h r e n d e n Sehen, von der e r f a h r e n d e n E v i d e n z . Statt eidetische Evidenz — Einsicht. Aber kann man gut von einer E i n s i c h t bei einer Zahl sprechen? „Ich habe von der Zahl 2 eine unmittelbare Einsicht, von der Zahl 21 eine mittelbare". ,,Ich habe von einer Kurve zehnter Ordnung keine 20 Einsicht" etc. Jedenfalls gebrauchen wir das Wort E i n s i c h t nur für „Sachverhalte", Urteile, Seinsverhalte, und man wird sogleich bei den voranstehenden Beispielen einwenden: ich habe nicht von der Zahl, sondern vom Sein der Zahl Einsicht, von ihrer Existenz. 25 Ein Ding sehe ich, ich nehme es wahr (demgegenüber: ich erinnere es, es schwebt mir in der Reproduktion, und zwar als vergegenwärtigte Wirklichkeit vor). Ich sehe das Ding, nicht die Existenz des Dinges. Es kommt freilich vor, daß wir sagen: ich sehe, daß das Ding hier ist. Aber ich habe Evidenz davon, daß das Ding ist. 30 Sollen wir also scheiden: Anschauen und Vollzug von doxischen Thesen und sagen, die Einsicht und allgemeiner die Evidenz sei ein Modus (besser: Charakter?) im Vollzug doxischer Thesen, der ein verschiedener sei, je nachdem die Thesen Anschauungsunterlage haben oder nicht? Aber freilich, was heißt das, Anschauungsunterlage? Und 35 was heißt Vollzug? Es ist ein Unterschied, wahrzunehmen (nämlich den Gegenstand) und zu „urteilen", daß der Gegenstand ist. Evident ist das Urteil. Evident, evtl. einsichtig nennen wir auch das Urteilen. Andererseits das Urteil im Sinne des Geurteilten als solchen. Sein, Sosein, aber 40 auch andere Abwandlungen: wir „sehen", daß, wenn Α Β, C D ist etc. Überall kommen wir darauf zurück, daß die Probleme des Urteils vollkommen gelöst sein müssen. Es kommt dabei in Betracht, daß, wenn ich einen Gegenstand sehe, zwar das Sehen als originäre Gegebenheit die mitverflochtene Doxa sicherlich affiziert, daß ich aber 45 erst, wenn ich das „Urteil" vollziehe „A ist", ich an dem „ist", an der Thesis, den Vernunftcharakter erfassen kann, und erst wenn ich es tue, habe ich Evidenz. Freilich auch der Vernunftcharakter wird ge-
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sehen. Und andererseits, erst im Kontrast zur Seinssetzung und näher zum Vollzug von Urteilen, die den Charakter nicht haben, hebt sich mir der Vernunftcharakter ab: daher die Rede von Einsicht immer etwas Relatives, auf Kontrastierung Bezügliches an sich hat. Sage ich 5 aus „dieses Papier ist weiß", so ist das jetzt für mich ein rein beschreibendes Urteil, und dieses Urteil hat seine Evidenz. Ich sehe aber den Evidenzcharakter im Kontrast, ich muß ihn zur Abhebung bringen. Aber es hat ihn doch auch ohnehin. Wie steht es mit meiner Erweiterung der Idee der „Anschauung*' 10 auf die „kategoriale Sphäre"? Es bleibt doch wohl dabei. Auch die Sachverhalte sind Gegenstände, und sie werden gesehen. Aber freilich, ihr Sehen, wenn wir das als einen einstrahligen Akt fassen, weist zurück auf einen evidenten Vollzug des Urteils, als intuitiver Synthese. Sie ist ein synthetisches Sehen und hat den Vernunftcharakter. 15 Hierbei sind wir auf das Sosein auf Prädikatseite (um ein kategoriales Urteil zu nehmen) gerichtet, im hypothetischen auf das Wennsein — und das abhängige ,,so ist". Wir sind nur im schlichten Erfahren und auch im schlichten Erfassen von eidetischen Singularitäten nicht auf „Sein" gerichtet. Das ist nun freilich kein „Gegenstand" im 20 gewöhnlichen Sinn, aber es konstituieren sich eben im „beziehenden" Bewußtsein die kategorialen Gegenstände in den synthetischen Akten. Es wird also wohl mit den nötigen näheren Ausführungen alles in Ordnung sein. Zu bemerken ist aber noch, daß wir von Einsehen auch in der 25 empirischen Sphäre sprechen, allerdings nicht bei einfachen Erfahrungsurteilen, aber wohl bei Erfahrungsbegründungen und hinsichtlich der Gesetzesurteiie, die uns eben in der Erfahrungsbegründung zu „Einsichten" werden: während das einzelne empirische Urteil, das Urteil des „es ist hie et nunc so" selbst nicht einsichtig wird; einsichtig 30 wird, daß es unter den gegebenen Umständen so sein muß, daß das Ereignis eintreten müßte etc., also die Notwendigkeit des empirischen Soseins und Daseins wird einsichtig. Einsichtig ist jedes Axiom, jede eidetisch erschaute Wahrheit (jedes eidetisch intuitive Urteil). Einsichtig heißt dann auch jede Notwendig35 keit. Hier ist aber nicht alles durchsichtig. BEILAGE 71 S. 290 OBEN IDEEN
Der gesperrt gedruckte Satz oben <„und schließlich laufen alle Li40 nien zurück zum Urglauben und seiner Urvernunft, bzw. zur Wahrheit'"> muß lauten: und schließlich laufen... zurück zum Urglauben und seiner Urvernunft bzw. zur Urwahrheit, der Wahrheit im absoluten Sinn.
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Und dann der neue Anfang der Zeile < „Wahrheit ist offenbar das Korrelat des vollkommenen Vernunftcharakters der Urdoxa">: Absolute Wahrheit, vollkommene, Urwahrheit, usw, „Es gibt" — im ma5 thematischen Sinne von Existenz — eine Evidenz, und zwar eine adäquate.
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Hier liegen zentrale Schwierigkeiten vor, und es ist nicht zu übersehen, inwiefern sie gelöst sind. Fürs erste der Unterschied zwischen P h a n t o m und Ding. Zweitens die Frage, was die zur Idee eines Dinges (und wohl auch Phantoms] gehörige Erkenntnisunendlichkeit eigentlich besagt, also fordert. Man wird vielleicht sagen: ein Ding wird wahrgenommen: Es ist dabei ein räumlich-zeitlich-materielles Sein auffassungsmäßig bewußt, wobei die Auffassung mancherlei offen läßt. Ist aber nicht eine Auffassung denkbar, die keine U n b e s t i m m t e n mehr in sich schließt? Und ist es nicht denkbar, daß diese in sich bestimmte Auffassung sich dann immerfort bestätigt, erfüllt: daß also das Ding genau so und nicht anders sei, als wie es „erscheint" ? Und wie es bestimmt aufgefaßt ist? Allerdings liegt es im Wesen jeder solchen Auffassung, daß der Fortgang der Erfahrung nach den verschiedenen Auffassungsseiten ein „anders" ermöglicht, und Explosion ist auch immer möglich. Danach kann auch der Auffassung jederzeit substituiert werden eine Unendlichkeit möglicher Auffassungen, oder von geänderten Auffassungen von Möglichkeiten (die zusammen unverträglich sind), für deren jede etwas Allgemeines spricht (es sind ja allgemeine Möglichkeiten, die nicht leer sind, obwohl jetzt nichts „positiv" für sie spricht), und ebenso kann hinsichtlich irgendeiner der mitwahrgenommenen Bestimmtheiten jederzeit eine Unbestimmtheit substituiert werden, die sich im Rahmen der regionalen Form hält. Das ändert aber nichts daran, daß eine bestimmte Auffassung mit einer Gewißheitsthesis dazu denkbar wäre, die sich immerfort bestätigte. Oder, was dasselbe ist: denkbar ist (so kann ich jede Dingwahrnehmung schließlich umgewandelt denken) eine Wahrnehmung, die den Gegenstand vollbestimmt meint über das hinaus, was von ihm eigentlich wahrgenommen ist. So.könnte man sagen. Denn es ist ein Problem, ob das wirklich d e n k b a r ist. Freilich, ein Ding kann seinem regionalen Wesen nach mit unendlich vielen anderen Dingen in Beziehung treten, unendlich viele Kausalitäten entwickeln, unendlich viele besondere Eigenschaf-
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ten haben. Aber das kann doch unter so festen Gesetzen stehen, daß das Ding nur eine begrenzte Zahl gesetzmäßiger Kausalitätsrichtungen hat und in jeder seine festen gesetzlichen Möglichkeiten. Die Region läßt es offen, wie viele solcher Richtungen, in welcher Weise Abschluß 5 bestehe. Für die Erkenntnis bestehen also Unendlichkeiten insofern, als sie immer parat sein muß, neue Richtungen einzuschlagen. Aber an sich besteht keine Unendlichkeit. Und wenn nicht, so muß eine geschlossene Dingauffassung möglich sein. Das muß noch viel bestimmter überlegt, entwickelt, erörtert wer10 den. Könnte ich dann noch den Gegensatz machen „endliche Gegebenheit", Gegebenheit in Form einer Idee? Das ,,Idee" würde jetzt nicht besagen Unendlichkeiten des Wahrnehmens mit Unendlichkeiten, die immer neue und Andersbestim15 mungen brächten. Sondern für die Erkenntnis kann es nicht ausgemacht sein, ob das als Ding Konstituierte wirklich das letzte Ding ist, oder ob es nicht neue Eigenschaftsrichtungen fordert (bzw. auch: man kann nicht wissen, ob das Ding wirklich so ist, wie es gemeint ist. Das gehört aber in eine andere Linie). 20 Das Problematische liegt also nicht in der Behauptung, daß „Realitäten'' ,,in keinem abgeschlossenen Bewußtsein in vollständiger Bestimmtheit und ebenso vollständiger Anschaulichkeit gegeben sein könnten" (<S.> 297). Richtig ist das sicher. Insofern: schon in räumlicher Hinsicht sind 25 doch alle Erscheinungsmöglichkeiten eines Dinges nicht in einem kontinuierlichen Zuge zu durchlaufen: bloß hinsichtlich der Raumgestalt. Aber es bleiben eben schwierige Fragen übrig.
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IDEEN
Man könnte sagen: Auch das immanente Sein ist für die Erkenntnis gegeben nur als Idee, da es eines Prozesses der „Annäherung" bedarf. Die adäquate Gegebenheit ist eine Idee, die den Charakter einer Grenze hat, der man sich beliebig annähern kann. 35 Das transzendente Sein ist aber auch darin transzendent, daß es da keine Annäherung gibt. Es wurde ja festgestellt, daß es auch in der immanenten Sphäre Unterschiede der Klarheit und Unklarheit gibt. Also in dieser Hinsicht liegt die Idee vollkommener Klarheit. Das wäre also zunächst hervor40 zuheben und als ein Gemeinsames außer Betracht zu setzen. Endlich ist noch zu sagen: absolut und adäquat gegeben sein kann
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ein Eidos, obschon nicht jedes Eidos. Ich brauche ja nicht vollendetere Klarheit der Unterlage, um ein höheres Eidos zu erfassen. Und ich kann es vollkommen erfassen, so daß von einer höheren Klarheit nicht mehr gesprochen werden kann. Bei einem Individuellen, speziell bei 5 einem konkreten immanenten Sein kann das nicht behauptet werden. Es ist gesprochen worden von Ideen, wie die der vollkommenen Klarheit des Immanenten, die Grenzen sind. Wir scheiden genauer: Ideen zerfallen in solche: 1) die ideale Grenzen sind, denen sich evident gebende Akte, obschon 10 inadäquate, in infinitum annähern können — finite Ideen —, 2) in Ideen, die keine solchen Grenzen sind, bei denen also keine solche „Annäherung*' möglich ist: „infinite Ideen". Es fehlt ein Paragraph über den Typus. „Empirische" Wahrheit, Wahrheit in der Sphäre der t r a n s z e n -
15 denten Erfahrung. Demgegenüber der Typus (die Idee) der absoluten Wahrheit. Ferner über „objektive" Wahrheit im Gegensatz zu subjektiver. Die Intersubjektivität der objektiven Wahrheit und die Subjektivität der immanenten Wahrheit. 20 Mathematisch-logische Wahrheit, Wesenswahrheit (der „eigentlichen", materialen Wesen), Objektivität der ErfahrungsWahrheit, wenn sie die Form mathematischer Naturwissenschaft hat. Aber ist die ganze Diskussion schon so weit vorbereitet, um dieses 25 Thema hier zu erledigen ? BEILAGE 74 S. 308 IDEEN OBEN
<wohl Anfang 1915> „Im pluralen Urteilen tritt der Plural als plurale Thesis auf." Das plurale Urteilen weist zurück auf ein Kollektivbewußtsein bzw. auf ein plurales Bewußtsein schon vor dem Prädizieren. Durch nominalisierende Wendung wird der Plural zum Gegenstand Menge, und so entspringt der Grundbegriff der Mengenlehre. (In der Darstellung des Textes scheint es, als ob der Plural als singularisches Objekt erst 35 der Urteilssphäre, die doch hier überall als Sphäre des prädikativen Bedeutens verstanden war, entspränge.) 30
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ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929) BEILAGE 75 311 OBEN DER IDEEN
<wohl Anfang 1915> Es wäre dazu zu bemerken, daß wir unter „unvollkommene Ge5 gebenheit" eben eine Gegebenheit verstehen, die als solche keine Unstimmigkeiten einschließen kann, z.B. die inadäquate Erscheinung eines Gegenstandes, Unstimmigkeiten können hineinkommen durch Synthesen, z.B. wenn sich mit der Erscheinung des Gegenstandes verflechten weitere Vorstellungen, und zwar solche, die sich dem X nach 10 mit dem der Erscheinung decken. Wie wir das Wort Auffassung verstehen in allen Zusammenhängen, wo wir der Erscheinung eine Auffassung zumessen, da handelt es sich nicht um eine eigene Vorstellung, sondern um einen Charakter etc.
IV. AUS DEM „GIBSON-KONVOLUT" BEILAGE 76 II. ABSCHNITT, 2. KAP., <S.> STff. 1 : GANG DER UNTERSUCHUNG 5
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Im vorangehenden Kap. I war die phänomenologische Epoche als Einklammerung, als Epoche hinsichtlich der Generalthesis allgemein erklärt worden, p. 57-58: Die Meinung ist nicht die, die Welt als Tatsache „auszuschalten" in dem Sinn, wie eine mögliche Eidetik (eine Ontologie der Welt, also eine Wissenschaft von den wesensmöglichen Welten) von der tatsächlichen Welt nicht spricht und keinen Gebrauch macht. <S.> 58: Unser Ziel: Gewinnung einer neuen, in ihrer Eigenheit bisher nicht herausgestellten Seinsregion, einer Region individuellen Seins: die Region reines Erlebnis, reines Bewußtsein mit seinem reinen Ich (besser: reine Subjektivität mit allen ihr wesenseigentümlichen individuellen Momenten). Nota. ,,Region" bezieht sich auf konkrete Individuen. Das sind hier die konkreten Subjekte als Monaden, zu denen je ein Leben mit abzuhebenden Erlebnissen gehört und einem Ich, bezogen in seinen Erlebnissen als intentionalen auf intentionale Gegenständlichkeiten. <S.> 59: Vorgehen: Keine transzendentale Reduktion. Wir bleiben in natürlicher Einstellung; Einstellung auf das Ich bin, Subjekt von cogitationes, Subjekt mannigfaltigen „Bewußtseins" (also, wie ich sagen müßte: psychologische Einstellung, und speziell auf das Ich bin, bin in meinem Bewußtseinsleben). Übergang in die Wesensanalyse, also Erforschung des reinen und apriori erschaubaren Wesens von Bewußtsein überhaupt mit Ich überhaupt (bzw. Ichen überhaupt. Hier eine Ergänzung nötig: Originäre Erforschung meines eigenen Ichlebens und dann Erforschung des vergemeinschafteten). Ich will zeigen, daß Bewußtsein überhaupt (mein eigenes, einzel1 Diese wie sämtliche folgenden Seitenangaben beziehen sich auf die Originalpaginierung der Ideen I, die in vorliegender Ausgabe am Rande wiedergegeben ist. — Anra. d. Hrsg.
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personales, aber auch vergemeinschaftetes) ein Eigensein , das in seinem „absoluten Eigenwesen" durch die phänomenologische Epoche nicht betroffen wird. Mit Beziehung darauf die Rede von phänomenologischem Residuum. 5 Die phänomenologische Epoche oder Reduktion die notwendige Operation, welche, während wir auf natürlichem Boden stehen, das ,,reine Bewußtsein" uns zugänglich macht (besser: die reine Subjektivität), einerseits eine neuartige Seinsregion, eine nie rein geschaute und in ihrer universalen Einheit erfaßte und beschriebene, anderer10 seits die absolute Seinsregion, welche alle erdenklichen Seinsregionen in erst festzustellenden Weisen in sich trägt. — Hier stehen wir aber vor einer nicht ausgesprochenen Paradoxie. Auf dem natürlichen Boden haben wir es mit den Seelen und dem rein Seelischen zu tun — also mit dem geschlossenen Zusammenhang des seelischen Lebens als Be15 wußtseinslebens. Wir erfassen die Aufgabe, diesem Zusammenhang nachzugehen, dessen jedes Ich bewußt ist und den jedes in expliziten Erfahrungsakten enthüllen kann als den, in dem es lebt und dessen vergangenen (erinnerungsmäßig wieder zu erfassenden) Erlebnisweisen es eben gelebt hat — und zugleich die Aufgabe, die allge20 meine Form oder Wesensstrukturen dieses Zusammenhanges herauszustellen, damit seine Wesensgesetzüchkeiten, an die jedes seelische Leben eben apriori gebunden ist. Zunächst mein eigenes Ich und Ichleben: ich lebe es nicht nur, ich bin seiner bewußt; indem ich lebe, ist mein Leben nicht nur überhaupt 25 „bewußt" — ein weitfältiger < ?> Ausdruck —, sondern in der Weise der Wahrnehmung in seiner aktuellen Lebensgegenwart bewußt. Des soeben verflossenen Lebens bin ich in unanschaulicher Weise bewußt, auch das fernere Vergangenheitsleben ist nicht für mich ein Nichts, jedenfalls es wird mir, und zwar als meine Lebensvergangenheit, be30 wüßt in Form von zufällig geweckten oder von mir absichtlich geweckten Erinnerungen. Da wäre freilich noch viel zu sagen. Jedenfalls mein eigenes Leben ist für mich in der Weise des Originalen gegeben, evtl. in absichtlicher, erfassender, explizierender Erfahrung Erfahrenes und prinzipiell in seinem ganzen endlosen Strom Zugängliches, Er35 fahrungsmögliches, evtl. zu Beschreibendes und dann wohl auch zum theoretischen Thema zu machen. Vermöge der Einfühlung und geleitet von meiner eigenen Selbsterfahrung kann ich nun auch Anderer Seelenleben, als was es von ihnen Gelebtes, und zwar Bewußtseinsleben ist, zu beschreiben unternehmen, soweit eben die Einfühlungserfah40 rung jeweils reichen mag. Also wenn ich auch nicht weiß, wie weit zunächst die am Faktum hängenden Deskriptionen der allgemeinen ,,Innen"-Struktur des Seelenlebens reichen mag und gar die Möglichkeit einer Eidetik seelischer Wesensart, jedenfalls ist hier eine Aufgabe. Das ist es, was wohl die 45 Logischen Untersuchungen unter dem Titel deskriptive Psychologie — deskriptive Psychologie des Ich als Bewußtseins-Ich und seines Bewußtseinslebens — im Auge hatten und was dort also Phänomenologie
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hieß. Nun müßte also gesagt werden, daß zwar längst von Psychologie auf dem Grunde innerer Erfahrung sehr viel die Rede war und daß sogar Brentano, der Neuentdecker der Intentionalität, also der deskriptiven Eigenheit seelischen Eigenlebens (als Bewußtseinslebens), sogar schon unter dem Titel Psychognosie auf eine deskriptive Innenpsychologie des echten Sinnes hinstrebte — daß es aber trotzdem nie zu echten Deskriptionen hier gekommen war, weil die eigentümliche Art des Insich- und Fürsichseins des Lebens und der zu seinem Wesen gehörigen intentionalen Implikationen und dann jederzeit möglichen Explikationen nicht verstanden worden war. Also es müßte die echte Idee der rein innengewendeten, rein auf das Ich und Ichleben gerichteten deskriptiven Psychologie als Thema formuliert werden und gezeigt, daß, wenn wir reine Innenanschauung üben und uns an die in reiner Anschauung selbst zu erschauenden Möglichkeiten halten, wir unbedingte Notwendigkeiten bzw. Wesensallgemeinheiten gewinnen, Wesensgesetzlichkeiten, für jedes mögliche „Ich bin" notwendig gültig, bzw. den notwendigen Sinn und die notwendigen Formstrukturen jedes durch Möglichkeitsabwandlung unseres eigenen vor
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ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929) BEILAGE 77 WAS IST DER GRUNDGEDANKE DES 2. KAPITELS „BEWUSSTSEIN UND NATÜRLICHE WIRKLICHKEIT''?
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Die phänomenologische Reduktion als Epoche ist eingeführt in Kap. I, aber es ist noch nicht gezeigt, daß durch sie ein u n i v e r s a l e s , in sich geschlossen endloses und ein absolutes E r f a h r u n g s f e l d erwächst, welches, weil die Welt außer Spiel gesetzt ist, kein weltzugehöriges, reales Feld sein kann, also nicht etwa das psychologische 10 Bewußtsein. Dazu vollziehe ich eine ,,erkenntnistheoretische" Überlegung, die sich auf dem natürlichen Boden abspielt. (Jede Motivation, die zu einer Erkenntnistheorie hinleiten soll, muß zunächst auf dem natürlichen Erfahrungsboden und Erkenntnisboden erwachsen. Sollte Erkenntnis15 theorie als voraussetzungslose möglich, ja als das notwendig sein, voraussetzungslos hinsichtlich jeder Erkenntnisgeltung, also auch der der allgemeinen Erfahrung, so muß doch ein Weg von der natürlichen Einstellung, der naiv Welt voraussetzenden, hinleiten zur erkenntnistheoretischen (transzendentalen). Bedürfnisse des natürlich Denken20 den, natürlich Eingestellten müssen sich in ersten erkenntnistheoretischen Problemen aussprechen, die dann noch nicht die Gestalt der reinen und echten sind, der transzendentalen, voraussetzungslosen.) Demnach beginne ich mit natürlich eingestellten Überlegungen, die schon so weit führen, daß die Welt für uns nur da ist als Welt der 25 Erfahrung, als Welt, die Bewußtseinswelt ist. Woher weiß ich, woher wissen wir von einer Welt und zunächst einer räumlich-zeitlichen Natur? Aus unserer Erfahrung, das ist aus gewissen unserer subjektiven Erlebnisse. Gehen wir dem nach und dem aufgrund der Erfahrung vollzogenen und zu vollziehenden Den30 ken, theoretisieren in Methoden, die selbst in subjektiven Erlebnissen verlaufen, in Evidenzen, die wieder subjektive Erlebnisse sind. Diese subjektiven Erlebnisse sind nun selbstverständlich zur Welt gehörig — unserem Seelenleben als menschlich-personalem zugehörig, das seinerseits reales Dasein hat als Beseelung von physischen 35 Leibern. Aber woher wissen wir das? Wir sagten ja schon, daß wir von der Welt ü b e r h a u p t nur wissen können d u r c h unser Erfahren, Denken etc. Gewiß. Aber nun können wir scheiden das E i g e n w e s e n t l i c h e des jeweiligen Erlebnisses und das, was ihm in unseren Augen die 40 B e d e u t u n g und Geltung gibt eines menschlichen Erlebnisses als eines realen Moments in der Welt. Wie kann das gemeint sein? Wir können die Seelenerfahrung reduzieren auf das, was unter dem Titel Seele direkt in die Erfahrung fällt, als es selbst ganz original in die Wahrnehmung oder direkt in die Erinnerung, was direkt als kommend 45 erwartet wird und nicht indirekt in der Weise der Einfühlung. Und
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zwar finden wir als das vor die Bewußtseinserlebnisse in ihrem eigenen Zusammenhang. Doch bedarf es dabei der Vorsicht und der sorgsamen Rücksichtnahme auf das, was von einem Bewußtsein selbst unabtrennbar ist (phänomenologisch-psychologische Reduktion, würde ich jetzt 5 sagen). Die Seele ist mir in der Erfahrung gegeben an der Leiblichkeit — beim Anderen. Aber wenn der Andere, wie jedermann, seine Leiblichkeit unter anderem miterfährt, und sogar immer, so reduziere ich auf die E r f a h r u n g von ihr etc. Jedermann erfährt die Welt — die ganze Welt, die er erfährt, wird eingeklammert. Ich, das reduzierende, 10 muß da sagen: ich habe die Welt und erkenne sie, habe in ihr den Anderen, und um das reine Bewußtsein des Anderen als „Seelenleben" voll zu gewinnen, schalte ich die Welt, als die der Andere bewußt hat, in dem Sinne aus, daß sie bewußt ist für ihn, aber nicht in sein Bewußtsein reell hineingehört. Für mich selbst, da ist es merkwürdig. Ich habe 15 die Welt in natürlicher Geltung und danach bin ich, gelte ich mir als Mensch unter anderen Menschen etc. Aber mein reines Seelenleben zu gewinnen erfordert Reduktion auf mein Bewußthaben von ihr, während das darin mir Geltende als objektiv real ausgeschaltet wird als nicht dazu gehörig. (Aber es gehört doch zugleich in meiner Geltung 20 zu der Welt, die mir geltende bleibt, und sie gehört zu dem, was, wie ich, so jedermann, der ihr zugehört, als weltlich-real erfahren kann.1) (Dann finde ich als zum cogito in seiner Reinheit (der psychologischen Reinheit) gehörig das cogitatum qua cogitatum. Die Weltzugehörigkeit (die psychophysische Realität überhaupt) ist nicht mitzu25 rechnen zum rein psychischen Bestand, obschon sie zum ganzen > psychologischen Erfahren gehört. Die psychologische Erfahrung umfaßt auch das Psychophysische, aber die Reduktion auf das rein Psychische besagt Reduktion auf das davon, was durch „reine Bewußtseinserfahrung'1 zu fassen ist und offenbar k o n s e q u e n t zu verfol30 gen. Die Beschreibung dieser ,,rein psychologischen" Erfahrung (rein immanenten) ist das Wichtigste. Es wird auch geschieden werden müssen; Einschränkung der Mensch-Erfahrung auf das rein Seelische (wozu auch das rein Personale gehört), und die auf das reine Seelenleben, auf das Universum des 35 Bewußtseins. Im Grunde genommen war diese Reinigung (die phänomenologischpsychologische) auch am Anfang des 2. Kapitels vorgenommen und mit diesem Sinn reines Bewußtsein im psychologischen Sinn (genauer: reines Bewußtsein als ein gewisser Bestand der Psyche, die ihrerseits 40 Gegebenheit mundaner Erfahrung bleibt) herausgestellt. Dieses reine 1 Von „Für mich selbst" bis hierher hat Husserl den Text später gestrichen und dazu bemerkt: „Unklar! Ich spreche zunächst von beliebigen Menschen — aber nun muß ich mir sagen, daß Menschen mir nur durch m e i n e Erfahrung gegeben sind, daß die Welt, die ich in Geltung habe als seiend, die mir erscheinende, von mir erfahrene, bedachte etc., also darin beschlossen auch alle anderen Menschen und auch mein Sein als Mensch, als psychophysisches Wesen — alles, was für mich ist, für mich real ist, ich es durcli cogitationes." — Anrn. d. Hrsg.
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Bewußtsein ist nun der Boden für die transzendentalen Erwägungen des Kapitels.) Wie kommen wir Menschen zur Welterkenntnis? Nun, alles, was der Titel Welterkenntnis umspannt, gehört unter den Titel Bewußt5 sein (und allenfalls eine rein im Bewußtseinsleben erwachsende Erkenntnishabitualität). Alles Reale ist erkennbar und zunächst erfahrbar. Betrachten wir universal das Bewußtseinsleben, das meine und unseres in unserer gemeinschaftlichen Beziehung auf dieselbe Welt, und zwar als reines Bewußtseinsleben, so zeigt sich, daß in ihm selbst 10 die ganze Sinngebung und Seinsbewährung für unsere Welt liegt. Dieses Leben ist eine konsequent zu verfolgende, in sich geschlossene Einheit, und es zeigt sich, daß, wenn dieses Erkenntnisleben passend abgewandelt wäre, für uns, zunächst für mich, die Welt nicht existieren würde; es zeigt sich, daß mein Ich (so wie es im Bewußtseinsleben 15 selbst, als reines, liegt) und unser Ich konkret als Ich des Lebens und mit diesem Leben in seinem Eigensein von der Nichtexistenz der Welt nicht betroffen ist. Das betrifft zunächst die physische Natur als fundierende Unterschichte der Erfahrungswelt, und ihr entsprechend die physische Erfahrung in konsequenter Fortführung, als 20 durchgängige Unterschichte der Welterfahrung. Wäre keine Natur, so wäre auch kein Mensch —· ich, dieser Mensch, wäre auch nicht — und doch, ich bin. Dieses unzerstörbare Ichbin ist das Ich und Ichleben in seiner konkreten Eigenwesentlichkeit.1 Ich werde nun erst darauf aufmerksam, daß mein rein Psychi25 sches ,,Psychisches" (Beseelendes einer physischen Leiblichkeit) für mich nur ist durch eine zum Eigenen, eigen wesentlichen Inhalt meines „rein Psychischen" selbst gehörige naturale Apperzeption, die ihre Geltung verlieren kann. Dann verwandelt sich das rein Seelische, zunächst meines und dann unseres, das Transzendentale, das 30 nicht mehr als Seelisches gelten kann. Ich sehe dann aber auch, daß, wenn mir die Welt aus bewährter Erfahrung gilt, ich eine Reduktion als transzendentale vollziehen kann, die mein und das intersubjektive Seelische in seiner Eigenwesentlichkeit absolut setzt und dem Rechnung trägt, daß die Weltgeltung, auch bewährte, was ich vorher über35 sehen hatte, selbst im Rahmen des universalen Bewußtseins sich haltende Leistung ist.
1 Das konkrete Ich-bin — das auf Eigenwesentlichkeit reduzierte seelische Sein — ist offenbar in sich geschlossen, ein Ganzes, ein Unendliches, in infinitum zu Verfolgendes und zu Enthüllendes.
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BEILAGE 7 8 GEDANKENGANG BEI UNTERLASSUNG EINER STELLUNG ZUM TRANSZENDENTALEN IDEALISMUS
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Beschränkung des Gedankengangs auf einen Kern, der noch nicht für den transzendentalen Idealismus präjudiziert
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i. Kap.: Die Beschreibung der Epoche hinsichtlich der Generalthesis. 2. Kap.: Was kann „übrig" bleiben? Die transzendentale Subjektivität in ihrem transzendentalen Leben (das „übrig" freilich kein passender Ausdruck). Das Thema: Kehre ich wieder zurück auf den natürlichen Boden der Welthabe und mache ich die menschliche Subjektivität zum ausschließlichen Thema meiner Studien, so muß ich mich überzeugen, daß das Ichleben als Bewußtseinsleben ein eigenes Sein hat mit einem eigenen Wesen, das, wenn ich in die E p o c h e ü b e r t r e t e , von ihr nicht betroffen ist. Darin liegt: Subjektivität in rein eigenwesentlicher Betrachtung ist konsequent so zum Urteilsthema und zum Boden einer Wissenschaft zu machen, daß Sein und Sosein jedweder Realität und somit der Welt überhaupt außer Frage, außer irgendwelcher Voraussetzung oder Entscheidung bleibt. Mit anderen Worten: Diese reine Subjektivität ist absolut, ist absolut erfahrbar und erkennbar. Die reine Psychologie hält sich abstraktiv an das reine Bewußtsein, aber eben damit ist sie mit realem Sinn beladen und impliziert Sein der Welt und speziell psychophysisches Mitsein. Aber sind wir nicht Menschen in der Welt, und wenn ich jede Stellungnahme zur Welt außer Spiel setze, ist doch auch jede Stellungnahme zum Sein der Menschen außer Spiel gesetzt und zu dem aller menschlichen Eigenheiten, also auch zum Bewußtseinsleben der Menschen — ob es ist oder nicht ist ? Sehr richtig. Aber wie, wenn es zweierlei wäre, Bewußtseinsleben und Bewußtseinssubjekte rein an sich und für sich, absolut, als seiend zu erfassen, es zu erfahren und zu bedenken, und fürs zweite Bewußtseinssubjekt und Bewußtseinsleben als w e l t l i c h e s V o r k o m m n i s , als tierisches und menschliches zu erfahren — es „objektiv", ,,äußerlich", raumbezogen, naturbezogen, verleiblicht zu erfahren und zu bedenken? Nämlich so, daß Natur dabei erfahren ist als seiend und Subjektivität als in ihr als Komponente seiend. Vielleicht, daß sich zeigen läßt — und das wird im Weiteren gezeigt werden —, daß Ich, der ich im einstimmigen Erfahren einer Welt begriffen bin, also dieses natürliche Weltleben lebe, mir einen Fortgang meiner Erfahrungen vorstellen kann, derart, daß ich danach urteilen müßte, es sei diese Welt nicht und sie sei nie gewesen — trotz meiner
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einstimmigen Erfahrung. Von jedem Momente natürlichen Erfahrungslebens aus kann ich diese Möglichkeit des Nichtseins der — einstimmig erfahrenen — Welt als eine evidente Möglichkeit erkennen. Andererseits, mich selbst kann ich dabei nie als nicht seiend vorstellen. Während ich lebe und darunter Welterfahrung habe und evtl. die Möglichkeit des Nichtseins der Welt während der Erfahrung von ihr erkenne, bin ich und bin ich für mich notwendig als seiend in Evidenz anzuerkennen, in jedem Augenblick kann ich auf mich reflektieren und mein Leben, und in apodiktischer Notwendigkeit muß ich urteilen: ich bin, ich habe diese Erfahrungen, in denen mir eine Welt ,,gegeben" ist. Daß diese Welt nicht ist, ist immerfort offene Möglichkeit, trotzdem ihr Sein aus beständiger Erfahrung bestätigt ist; daß ich nicht bin, ist niemals für mich eine ebensolche Möglichkeit während der mit meinem Sein untrennbar gegebenen Selbsterfahrung. Nicht als ob je das Sein der Welt für mich zweifelhaft wäre und sein könnte, nicht als diese Zweifelhaftigkeit in der Erkenntnis beschlossen wäre, daß, während die Erfahrung so einstimmig verläuft, wie sie bisher verlaufen ist und soeben noch verlief, jederzeit die disjunktive Möglichkeit besteht, daß sie trotzdem entweder sei oder auch nicht sei. Im Gegenteil, ich kann schlechthin nicht zweifeln, ob sie sei oder nicht sei. Der Stil der Einstimmigkeit meines bisherigen Erfahrungslebens führt notwendig mit sich die Präsumption derselben Einstimmigkeit für die Zukunft, in solchem Erfahrungsstil lebend kann ich nicht anders als auf die Zukunft rechnen und das Sein der Welt, wie wir es alle ja tun, weil wir es tun müssen, glauben. Erst eine wirkliche Änderung dieses Erfahrungsstils, erst ein faktischer Fortgang der Erfahrungen, der ihn zerbrechen würde — so wie er als Möglichkeit mir evident geworden ist —, könnte den Zweifel und dann den Nichtglauben an die Welt bedingen. Aber die Wesensmöglichkeit der Abwandlung besteht. Indem ich diese Gedanken in Evidenz durchdenke, wird mir in wirksamster Weise klar, daß mein Bewußtseinsleben, darin mein zusammenhängend einheitliches Weiterfahren, wodurch für mich ,,die" Welt da ist und da ist mit < den > und den realen Gehalten, in sich ist — wie immer es mit wahrhaft Sein oder Nichtsein dieser Welt stehen mag. Und in sich ist, was es ist, welchen Akt der Epoche ich darin auch vollziehen mag, also in seinem Sein und seinem für mich notwendig Sein n i c h t betroffen wird, wenn ich die Epoche über das Weltall erstrecke. Es ist ja klar geworden, die mögliche Annahme des Nichtseins der Welt, während ich sie doch erfahre, steht nicht etwa in einem Widers p r u c h mit der notwendigen Selbstsetzung meines Ich und meines Erfahrens von der Welt — als ob mit dem Nichtsein der Welt auch beschlossen wäre mein eigenes Nichtsein. Wäre mein Sein in seiner Eigenwesentlichkeit, die eine reine Psychologie thematisch macht, nur rein psychologisch denkbar als rein seelisches Sein, so wäre auch in der Hypothese des Nichtseins der Welt das Nichtsein des Ich beschlossen,
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wie auch in der Inhibierung jedes Erfahrungs- und Seinsglaubens hinsichtlich der Welt die reine Bewußtseinssubjektivität inhibiert wäre. Die evidente, die wahrhaft bestehende Möglichkeit des Nichtseins der Welt w ä h r e n d meiner Erfahrung setzt das Sein meines Ich als erf a h r e n d e n voraus. Ich bin, selbst wenn die Welt nicht ist. Ich wiederhole, was ich schon mehrfach sagte, und doch, man muß dem, was hier vorliegt, durch solche Wiederholung fest ins Auge sehen. Der Strom meines Lebens, so wie es rein in sich selbst ist, ist, was es ist, während ich das Sein der Welt offen lasse; wie es auch wäre, wenn ich mich für das Nichtsein entscheiden müßte. Somit habe ich in meiner reinen Selbsterfahrung, die ich gewinne in der radikalen Epoche — als der zwingenden Methode, diese Reinheit zu gewinnen und zu wahren — ein eigenes, in eigener, von der Welterfahrung u n a b h ä n g i g e r Erfahrung gegebenes Seinsfeld, das nun eo ipso ein Feld möglichen Urteilens und dann wohl auch einsichtigen und wissenschaftlichen Urteilens werden kann. (Es kann das auch in derselben exemplarisch-eidetischen Weise werden, wie die mundane Erfahrung zum Feld eines eidetischen, z.B. geometrischen Urteilens wird. Das sagt: Statt über die faktische reine Subjektivität zu urteilen, die ich rein genommen als ich selbst bin, nehme ich das jeweilig Faktische zum Exempel für die Gewinnung von reinen Allgemeinheiten, und von da aus beschreite ich den Weg apriorischer Wissenschaft für möglichen Raum, mögliche Raumzeit, mögliche Bewegung und bewegende Kräfte, mögliche reale Welten überhaupt, und benütze dieses Apriori, um eine „exakte" Wissenschaft von der faktischen Welt zu schaffen. So kann ich unter Epoche hinsichtlich der Welt mein reines Ichsein im Ichleben zum Ausgang der Ideation nehmen und das Apriori möglicher reiner oder transzendentaler Subjektivität verfolgen, und nichts anderes. Eben damit vollzieht sich zugleich eine E p o c h e hins i c h t l i c h aller möglichen W e l t e n (bzw. möglicher Welterfahrungen), wir wollen ja nichts weiter als Wissenschaft vom reinen oder transzendentalen bewußten Sein und Leben, und zunächst eine apriorische. Zunächst - - denn in den Ideen ist auf eine empirische nicht etwa schlechthin verzichtet, sondern nur gesagt, daß die transzendentale Phänomenologie als eidetische Wissenschaft begründet werden soll — während erst nachher, im II. Abschnitt 1 , erwogen werden sollte, was mit ihr zu machen ist.) Das ist vorweg der Gedanke, der die Ausführungen des 2. Kap. der Ideen bewegt. Doch könnte es nützlich sein, noch folgende Überlegungen beizufügen. 1 Worauf sieh der Ausdruck ,,ΪΓ. Abschnitt" bezieht, muß offen bleiben. Um den II. Abschnitt der Ideen I kann es sich dabei nicht handeln, und auch eine Verschreibung für „III. Abschnitt" ist unwahrscheinlich. Meint Husserl vielleicht das in der „Einleitung" der Ideen I angekündigte „zweite Buch" der Ideen (vgl. besonders die heutigen Ideen III, veröffentlicht in Husserliana V)? — Anni. d. Hrsg.
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1) Dieser obige Gedankengang schränkt die Darstellung des 2. Kap. auf einen wesentlichen Kern ein, und so eingeschränkt nimmt er keine Stellung zum transzendentalen Idealismus, obschon er auf dem Wege zu diesem liegt und obschon in den Ideen diese Stel5 lung sogleich vollzogen worden ist. Das war unpraktisch. Auch war die Begründung unvollständig, da die Frage der,,objektiven" Existenz der Welt als intersubjektiv erfahrbarer und in dieser Erfahrbarkeit an sich seiender nicht erörtert war. Ja, schon die Frage des Ansich mir selbst gegenüber als seiend in nicht bloß wirklicher, sondern möglicher 10 Erfahrung war nicht ausreichend begründet bzw, geklärt worden. Der transzendentale Idealismus kann wohl hier ganz ausgeschaltet bleiben und seine Begründung müßte für sich gegeben werden. Die Kopernikanische Umwendung der Welterkenntnis ist die Folge der Umwendung in der erfahrenden Einstellung. 15 2) Es ist ferner sichtlich zu machen, daß es des Kachweises der evidenten Möglichkeit des Nichtseins der einstimmig erfahrenen Welt nicht bedarf. Weg der Kantrede.1 Daß die Welt ist, ist für mich Glaubenssache, Sache meines Erfahrens, meines Urteilens, evtl. Wissens. Das letztere, wenn ich mit Grund glaube. Er mag noch so guter Grund 20 sein, meine Evidenz mag noch so entscheidend sein — vor aller Erwägung der Gründe dieses Glaubens bin ich und bin ich für mich in absoluter Evidenz, die unmittelbar zwingend ist. Jeder Versuch, mich zu bezweifeln in meinem Sein, würde mein Sein voraussetzen; wie alles und jedes, was ich als sonst seiend begründen möchte und 25 vielleicht begründen kann, voraussetzt, daß ich vor der Entscheidung schon bin. Ich bin früher als alles und jedes, was für mich je gelten mag. Dieses Ich mit seinem Leben, das an sich vorangehende, will ich zum Thema machen, und so, daß ich also über nichts sonst eine Entscheidung, ein Urteil voraussetze; das ist, ich übe Epoche 30 usw. Wer bin ich als dieses überall Vorausgesetzte ? Leiblicher Mensch ? Etc. Das ist der direkte Weg in die transzendentale Sphäre; obschon nicht an dem natürlichen Vorurteil befangen, nicht so überzeugend (trotz seiner Zweifellosigkeit). 3) Der Weg, den ich den Ideen gegangen bin, bewegt sich zu35 nächst ganz auf dem Boden der natürlichen Welteinstellung. Es kann danach der Weg so geführt werden, daß er zunächst ganz wie ein Weg der Begründung einer eidetischen „reinen Psychologie" gestaltet wird, einer Psychologie reiner Innerlichkeit. Und zunächst einer reinen Selbsterfahrung als Urfundament für eine solche Psychologie, eine 40 Psychologie des reinen Ichseins im reinen Ichleben. Alles Psychophysische soll außer Frage bleiben. Hier sehe ich sogleich, daß ich eine eidetische Bewußtseins- und Ichlehre gewinne. Ich kann ja zunächst eingestellt sein auf reine Fakta, aber damit ist wenig anzufangen, es sei denn auf eine Individual- und Elementartypik ausgehe. JedenVeröffentlicht in Husserliana VII, S. 230-287. — Anm. d. Hrsg.
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falls kann ich jedes Fremde in mir anschaulich nacherzeugend und dadurch klar verstehend, es statt als Fremdes als eine Möglichkeit meines eigenen Lebens und dann eines rein möglichen Bewußtseinslebens überhaupt (einer erdenklichen Abwandlung meines eigenen und wirklich gelebten) betrachten und nun eidetisch vorgehen. Ich zeige nun, was da an wesensallgemeinen Strukturen und Strukturgesetzen zu erforschen ist, ohne die ein Bewußtseinsleben überhaupt nicht denkbar ist. Eine Wesenslehre möglicher Intentionalität und möglicher Enthüllung von Intentionalitäten. Dazu brauche ich psychologisch-phänomenologische Reduktion. Statt der transzendental reinen, der absoluten Sphäre, wird die psychologisch reine, und zwar als ein eigenes Erfahrungs- und Urteilsfeld herausgestellt. Da alle Möglichkeiten fremden Bewußtseinslebens nur anschaulich für mich sind durch eigene Möglichkeiten, so übe ich zuerst eine rein introspektive Bewußtseinseidetik, nur nicht eine Psychologie der Selbsterfahrung, sondern eine Wesenslehre möglicher, eidetisch möglicher Selbsterfahrung. Ich erfahre also in gewisser Weise egologisch. Ich weiß aber, als in der Welterfahrung stehend, daß Andere für mich da sind, und in einer generellen, ja genau besehen apriorischen Erwägung erkenne ich mit apodiktischer Evidenz, daß eine Erfahrung von Anderen für mich nur erdenklich ist, wenn ich innerhalb meiner Erfahrungswelt durch eine in ihr von mir erfahrene oder als erfahrbar indizierte Leiblichkeit, die nicht die meine ist, Motive gewinne, ein Analogon zugehörigen Bewußtseinslebens zu setzen und zu bewähren. Fremdes Seelenleben kann prinzipiell nur eine Analogie des meinen, also nur eine der in meinem eigenen Bewußtseinsleben beschlossenen eidetischen Möglichkeiten sein. So gilt die Eidetik, die ich egologisch begründe, notwendig für jedes für mich je setzbare fremde Subjekt, und wenn innerhalb der Idee eines Ich überhaupt oder einer Personalität überhaupt Typen möglicher reiner reduzierter Personalität apriori unterscheidbar sind, so sind es doch Abwandlungstypen meiner selbst und meines Typus, und jedes Fremde nach seinem Typus ist dann erkennbar durch die universale Eidetik unter der nach gegebenen Motiven zu vollziehenden Beschränkung und Anwendung, unter Heranziehung des besonders geforderten und innerhalb der Eidetik herausgestellten besonderen Typus. Freilich, wenn ich egologisch die Typik möglicher Erfahrungen und einstimmige Erfahrungszusammenhänge verfolge und der darin sich für mich ausweisenden oder möglicherweise ausweisenden Gegenstände, komme ich wie auf physische Natur als Einheit möglicher äußerer Erfahrung als bloß naturaler, so auch auf die mir äußere, die fremde Subjektivität als psychophysisch reale, als erfahrungsbewährte Gegenständlichkeit der Einfühlungserfahrung als psychophysisch zweiseitiger. .
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Übergang zum transzendentalen Standpunkt
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Aber gerade darauf kommt es an: Reine „Bewußtseinspsychologie1' durchführend folge ich rein den Zusammenhängen des Bewußtseins in der Ichzentrierung, und wenn ich auch auf dem Boden der natürlichen Einstellung verblieben bin, so muß ich doch alles Bewußtseinstranszendente „ausschalten", ich darf das jeweilig Erfahrene, Gedachte, Gewertete etc. nur als intentionale Gegenständlichkeit nehmen.1 Wenn ich das k o n s e q u e n t tue, im Exempel und in der eidetischen Möglichkeit überhaupt, so führt eine naheliegende, aber viel Konsequenz erfordernde Überlegung n o t w e n d i g zum t r a n s z e n d e n t a l e n Idealismus. Ich habe im Faktum mein reines Ich, und ich habe im Eidos reines Ich überhaupt und darin beschlossen alle Möglichkeiten, wie ich und wie ein abgewandeltes Ich (meiner selbst) Erfahrung und Erkenntnis einer möglichen Welt gewinnen könnte, rein als Zusammenhang oder im Zusammenhang seines Ichlebens, wobei nicht „die" Welt oder eine Welt vorausgesetzt ist, sondern in der Verfolgung der möglichen Gestalten des Bewußtseinslebens als motivierte Setzung und darin Gesetztes des und des Sinnes auftritt. Ich sehe auch: Um mein „rein Seelisches" zu erforschen, hatte ich die Überzeugung vom Sein der darin bewußten realen Welt, obschon ich sie für eine Psychologie voraussetze, so doch in diesen Betrachtungen rein psychologischer Analyse, so <wie> das Psychophysische, nur beständig mitgeführt, ohne das mindeste davon zu gebrauchen. Ja, ich durfte es nicht, ich mußte phänomenologische Reduktion üben — genau solange ich reine Bewußtseinsbetrachtung durchführte. Was würde sich ändern, wenn ich diese immer mitgeführte Voraussetzung, Geltung inhibierte der Welt, in Bezug auf welche ich eine Seelenforschung durchführte, die sie doch alsdann < ?>, was den Gehalt der Feststellungen anlangt, nie voraussetzen durfte? Offenbar nichts anderes, als daß meine FestStellungen nicht mehr die Bedeutung von Seelenforschungen hätten, das ist Erforschung reiner Bewußtseinsinnerlichkeiten, die zu dem vorgegebenen, durch äußere Erfahrung im gegebenen Fall feststehenden Leib psychophysisch gehört. All das fällt dahin, während rein bewußtseinstheoretisch dies verbleibt, daß all das Erfahrenes meiner Erfahrungen ist — nur daß ich eben als phänomenologisch forschendes
1 Die phünornenologisch-psychologische Reduktion vollziehe ich in dieser Art also zugleich „in" den Xebenmenschen, die mir gelten und nun reduziert als reine Andere gelten. Weiter: Menschen stehen in Gemeinschaft. Zunächst, sie sind nicht nur überhaupt füreinander da, sondern so, daß sie in einer wirklichen und möglichen Erfahrungs40 Vergemeinschaftung stehen, in der sie derselben ihnen gemeinsamen Welt als intersubjektiver Bewußtseinswelt inne werden. Diese Erfahrungsvergemeinschaftunii und ausweisende Konstitution derselben Welt, und einer solchen, in der jeder Mensch alle Anderen und sich wie die Anderen dieser Welt einordnet, unterliegt rein psychologischer Forschung. Endlich, alle Formen der personalen Verknüpfung, Herr und Diener, 45 Freund und Feind, Verabredung, Gemeinschaft dos Handelns, Werke als Gemeinschaftswerke etc.
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Ich die Geltung dieser Erfahrungen als bewußtseinstranszendenter einklammern muß. Ich behalte also, wenn ich nicht nur vorübergehend oder als Mittel für objektive Seelenforschung, sondern schlechthin die Seinssetzung der Welt außer Benützung stelle, mich ihrer schlechthin 5 enthalte, das reine Bewußtsein und die Eidetik des reinen Bewußtseins. Reines Bewußtsein ist, zeigt sich, durch die Leistung der Psychologie selbst unter Zuzug dieser Überlegung a b s o l u t s e t z b a r ohne V o r a u s s e t z u n g der Welt. 10 Andererseits finde ich in der reinen Bewußtseinseinstellung die Welt als gesetzte und als rechtmäßig gesetzte, aber eben als subjektives Korrelat, als intentionale Gegenständlichkeit im intentionalen Charakter der konsequent zweifellosen Antizipation, sich im Erfahrungsgang bewährend — und doch nie endgültig bewährend. 15 Aber ist die Welt, die wir nun so finden, eine andere als die Welt, die wir in der Natürlichkeit des Lebens beständig vorausgesetzt und die wir auch als Psychologen vorausgesetzt hatten ? Enthüllt uns die psychologische oder Bewußtseinsreflexion nicht, daß die Voraussetzung eben u n s e r e S e t z u n g war und daß die Welt für uns im 20 Voraussetzen eben nur war durch unser V o r a u s s e t z e n , nämlich durch unser beständiges und einstimmiges Erfahren, dem wir, es schlicht vollziehend, folgten? Es ist also klar, daß jetzt nur unsere Naivität überwunden ist, sofern wir eben, auf die Art unseres Bewußtseinstuns im reinen Bewußt seinsieben achtend, erkennen müssen, daß 25 es für uns keine andere Welt geben kann, daß eine Welt nur so für uns einen Sinn haben kann als eine in unserer eigenen Intentionalität sich mit dem und dem Sinn gestaltende und ausweisende Welt: wobei das Ausweisen nichts Mystisches ist, sondern eine verstehbare Leistung, die rein innerhalb des Bewußtseins selbst liegt mit allem, was da 30 den Charakter ,,wahre. Sein" ausmacht Ist damit die Welt in ihrem wahren Sein eine andere die sie war, und ist damit etwa das psychophysische Sein in einen Schein verwandelt oder als ein Schein — angeblich — enthüllt? Keineswegs. Die psychophysische Erfahrung ist selbst eine in der reinen Subjektivi35 tat als Möglichkeit und Wirklichkeit auftretende und sich im eigenen Leben und fremden Leben (als durch Einfühlung gegebene fremde psychophysische Subjektivität) bewährende Erfahrungsart. Ihr Korrelat ist eben die mundane Seinsgestalt psychophysisch Reales, Tier und Mensch. Und zu ihrer Artung gehört die jeweilige Möglichkeit, das 40 psychophysisch objektivierte Psychische rein zu betrachten und in der reinen Betrachtung und Setzung als eine reine Subjektivität zu erkennen, die als reine setzbar ist für sie selbst und zugleich in ihren reinen Bewußtseinszusammenhängen vermöge ihrer besonderen Struktur sich auffassen kann in der objektivierten Gestalt tierisches oder 45 menschliches Seelenleben. Ich bin zugleich transzendental reines Subjekt und Subjekt für die Welt und als absolut vorausgesetzt für alles als objektiv zu Setzende. Ich bin zugleich Mensch in der Welt: sofern
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ich als transzendental reines Ich mundane Erfahrung übend auch meinen Leib als Objektives finde und in ihm <mich> als mich objektiv Betätigenden und all mein rein Subjektives, das ich in den Blick bekomme, auf ihn empirisch Beziehenden. Während all dessen bin ich 5 doch reines Ich, und vor aller Objektivierung ist schon ein Leben, und die Objektivierung selbst ist neues reines Leben. BEILAGE 79 l
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< Herbst 1929> Psychologie überhaupt als Wissenschaft vom Seelischen muß, so sagt man Locke folgend, vor allem auf innere Erfahrung gegründet werden, eben als der Erfahrungsart, in der Seelisches sich selbst, wie unvollständig und unvollkommen auch, zeigt. Aus ihr schöpfen wir und schon das tägliche Leben alle ursprünglichen Begriffe von Seelischem, die notwendig in die psychophysischen Betrachtungen mit eingehen müssen, aber nicht in der vagen, unvollständigen, analytisch unexpliziten Gestalt der Alltagsbegriffe. Die Forderung einer deskriptiven, einer phänomenologischen Psychologie geht in ihren Intentionen weiter. Sie zielt auf eine für sich abgeschlossene Disziplin, in der das Seelische rein auf dem Grunde innerer Erfahrung erforscht werden soll, also unter Ausschluß aller im weitesten Sinne psychophysischen Problematik, also aller auf die konkrete Realität des Menschen oder Tieres im universalen Zusammenhang der Welt bezogenen Untersuchungen des Seelischen. Versteht man, wie jetzt üblich, unter einer phänomenologischen eine rein an die e r f a h r e n d e A n s c h a u u n g sich bindende Forschung, so wäre das eine phänomenologische Seelenforschung, und zwar, wie gesagt, rein auf dem Grunde innerer Erfahrung. Im übrigen gehen die Ansichten auseinander, ob sich seelisches Sein ideell in diesem Phänomenologisch-Deskriptiven erschöpft oder ob die Seele, im besonderen unter dem Titel „Ich", ein prinzipiell der inneren Erfahrung oder gar der direkten Erfahrung überhaupt unzugängliches Sein habe, eine unerfahrbare seelische „Substanz" u. dgl. Die ersten Versuche einer solchen phänomenologischen Psychologie finden wir in der Locke'schen Schule, nämlich als solche einer psychologischen Erkenntnistheorie bei Berkeley und noch reiner ausgestaltet bei Hume. Ihre Wirksamkeit, unbeschadet der Reaktionen gegen den erkenntnistheoretischen Psychologismus, gegen den psychologischen Idealismus und Skeptizismus, geht durch die Zeiten hindurch. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts lebt die Idee einer geschlossenen Wohl Vorentwurf zu Teilen der Beilagen 36, 38 und 82. — Anm. d. Hrsg.
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deskriptiv-phänomenologischen Psychologie als eine bewußte prinzipielle Forderung mit besonderer Kraft wieder auf im Zusammenhang mit den mit leidenschaftlicher Energie und immer neu immer wieder zerfließenden Gestalten unternommenen Versuchen, die Psy5 chologie endlich in den Gang einer strengen Wissenschaft zu bringen nach dem Vorbilde der strengen Naturwissenschaften. Indessen, zu einer wirklichen, einer ernstlich wissenschaftlichen Ausführung vermochte die geforderte phänomenologische Disziplin nicht zu kommen. Es müssen doch tiefliegende, ganz prinzipielle Schwierig10 keiten einem solchen Vorhaben im Wege stehen, es muß irgendwie an der Eigenart des Psychologischen liegen, daß die natürliche, die Alltagserfahrung von Psychischem nicht so leicht zu wissenschaftlicher Erfahrung und wissenschaftlicher Begriffsbildung werden kann, wie es hinsichtlich der Natur und der natürlichen Erfahrung der Fall war.
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Die neue Seinsregion ist die des Seins meines Ich (des Philosophierenden), in sich und für sich in absoluter Eigenständigkeit, die dem realen Ich der natürlichen und psychologischen Einstellung fehlt. Es wird sich zeigen, daß alles ,,an sich" Seiende jeden Sinnes, insbesondere alles reale Sein, und dann Sein als Welt, als Allheit der Realitäten, wesensmäßig relativ ist auf dieses absolute Sein. Doch muß gleich gesagt werden, daß im phänomenologisch reduzierten Ich-bin in gewisser Weise beschlossen sind andere Ich, daß mit anderen Worten der psychologische und psychophysische Sinn der Erlebnisse der Einfühlung sich reduziert auf einen transzendentalen Sinn, derart daß im Wesen des transzendental gefaßten Fremdbewußtseins auch ein transzendentales anderes Ich selbst begründet ist — also innerhalb der transzendentalen Epoche. Die Phänomenologie beginnt als Wissenschaft des transzendental reduzierten Ego — meines, des phänomenologisch Philosophierenden. Aber als Wissenschaft von allem dem, was in dieser wissenschaftlich unbekannten Konkretion Hegt, wird sie von selbst zur Wissenschaft von der in mir sich transzendental bekundenden fremden — transzendentalen — Subjektivität < ?>.
1 Weiterführung wohl nicht des letzten oder vorletzten, sondern des drittletzten Absatzes von § 33, der sich allerdings (ebenso wie der vorletzte Absatz) auf S. 59 der Originalpaginierung der Ideen I befindet. — Anra. d. Hrsg.
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ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929) BEILAGE 81 ZUR TERMINOLOGIE1
< Herbst 1929> Aber wir beschränken hier das Wort, indem wir als p h ä n o m e n o 5 logisch die Erforschung der reinen Subjektivität bezeichnen, ausschließlich wie sie sich als Phänomen an und für sich in ihrem puren Eigenwesen bietet, und zwar nach Wirklichkeit und Möglichkeit, und danach kontrastieren wir phänomenologische oder betonter: phänomenologisch reine P s y c h o l o g i e als die besprochene in sich geschlos10 sene fundamentale Disziplin jeder radikale Wissenschaftlichkeit anstrebenden Psychologie überhaupt, und transzendentale (transzendental reine) Phänomenologie. Ferner als die Zugangsmethoden zum beiderseitig Reinen die phänomenologisch-psychologische Reduktion und transzendental-phänomenologische Reduktion. So in der Kontrastie15 rung. Da das Absehen dieser Schrift ausschließlich auf die Begründung einer transzendentalen Phänomenologie (und damit einer transzendentalen Philosophie überhaupt) gerichtet ist, wofür die kontrastierenden Betrachtungen bloß Mittel des erleichternden Zugangs sind, wird späterhin, wo von Phänomenologie, phänomenologischer Reduktion usw. 20 schlechthin gesprochen wird, ausschließlich an die transzendentale gedacht.
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Die Wesensverwandtschaft der beiden Reduktionen, derjenigen auf die psychologisch reine und transzendental reine Subjektivität, und der Umstand, daß sogar die reduzierten Wesensbestände von identischem Wesen, obschon von grundverschiedener Seinsart sind, bedingt die Verwendung von parallelen Ausdrücken, wie wir sie schon bisher wie30 derholt verwendet haben. Beiderseits sprechen wir von Phänomenologie, sofern es die moderne Tendenz in der Verwendung dieses Ausdrucks ist, ein forschendes Verhalten anzuzeigen, das sich ausschließlich nach dem orientieren will, und für welche theoretischen Zwecke immer, was selbstgebende Anschauung der betreffenden Sachensphäre 35 lehrt, die also das Angeschaute genau als was es geschaut ist und wie, in welchen Erscheinungsmodis es sich in der Anschauung darstellt. 1 2
Zum Schlußabsatz von § 33 (auf S. 59 der Originalpaginierung). Arm. d. Hrsg. Zum Schlußabsatz von § 33. — Anm. d. Hrsg.
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Aber wir beschränken das Wort hier dahin, daß wir als phänomenologisch ausschließlich die anschauliche Erforschung der auf ihr Eigenwesentliches gereinigten Subjektivität bezeichnen, insbesondere der eidetisch erforschten. Danach kontrastieren wir phänomenologische Psychologie (betonter: phänomenologisch reine Psychologie) als die besprochene fundamentale Disziplin jeder radikale Wissenschaftlichkeit anstrebenden Psychologie, andererseits transzendentale (transzendental reine) Phänomenologie. Danach kontrastieren wir auch die Zugangsmethoden der beiderseitigen Reinheiten: die phänomenologisch-psychologische Reduktion und die transzendental-phänomenologische Reduktion. So in der Kontrastierung. Da aber das eigentliche Absehen dieses Buches die independente Begründung der transzendentalen Phänomenologie ist, wofür die kontrastierenden Betrachtungen und das Voranschicken der Umzeichnung einer phänomenologischen Psychologie bloß Mittel des erleichternden Zugangs zum Verständnis dieser Phänomenologie sind, wird späterhin in den Stücken eigenständiger Ausführung derselben, wo immer von Phänomenologie schlechthin die Rede ist, immer nur die transzendentale Sphäre gedacht, wie auch ,,phänomenologische1' Aufweisungen dann stets transzendentale meinen werden. BEILAGE 83
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Also an diese Überzeugungen knüpfen wir, ihren rechtmäßigen Gehalt evident machend, an. (Die Bewußtseinserlebnisse sind in der Tat in einer ,,inneren Erfahrung" an und für sich in kontinuierlicher Erfahrung anschaulich zu erfassen und für jedes einzelne Ich als Momente 30 eines Bewußtseinsstromes des offen endlosen Bewußtseinslebens des jeweiligen erfahrenden Ich, als ein Bereich, <der ein> kontinuierlich fortzuführendes, in sich abgeschlossenes Erfahrungs- und Seinsfeld ausmacht, in dem direkte innere Erfahrung sich bewegt und das sie nicht überschreiten kann.) 35 Aber innere Erfahrung, so wie sie hier gemeint ist und als wissenschaftliche Erfahrung gemeint sein muß, hat den Sinn einer gewissen R e i n h e i t , die sie von jeder s c h l i c h t e n auf Ich und Icherlebnisse reflektierenden anschauenden Reflexion unterscheidet. Die an sich erste, die schlichte „innere" Erfahrung (Selbsterfahrung) drückt sich 40 aus als ich sehe, ich höre, ich freue mich, ich stimme zu, ich lehne ab, Zu § 34 (und § 33). — Anm. d. Hrsg.
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ich will usw. Sie charakterisiert sich als Reflexion, sofern ich geradehin sehend, hörend, an einem Schönen mich freuend, urteilend, auch mit dem Urteil des Anderen miturteilend, mitwollend usw. nicht auf mich selbst und mein Sehen, Hören, Michfreuen, Urteilen usw. gerichtet bin und erst in einer Wendung des erfahrenden Blickes dergleichen zum Erfahrungsthema mache, zum Erfaßten. Aber dieses erste, rückgewendete Erfahren des Subjektiven ist nicht rein psychische Erfahrung und wird dazu erst durch eine reinigende Methode. Diese aber, als eine den Boden einer wissenschaftlichen Psychologie erst schaffende (und zunächst einer rein „phänomenologischen", in der offenbar alle und jede echte Psychologie gründet), darf nicht bloß naiv-selbstverständlich betätigte sein, sondern muß durch Reflexion und Kritik zur exakten Bestimmtheit ihres Sinnes und ihrer Tragweite gebracht und so logisch-bewußt geübt < werden >. Dazu gehört auch, daß allererst gezeigt werden muß, daß und wie im Ausgang von schon rein erfaßten Bewußtseinserlebnissen sich ein unendliches, kontinuierlich in sich zusammenhängendes, allheitlich geschlossenes Erfahrungsfeld erschließen läßt, nämlich das da Bewußtseinsstrom, Totalität (allheitliche Einheit) aller Erlebnisse des innerlich erfahrenden und sein eigenes Leben enthüllenden Ich heißt. Geht unsere Intention auf eine eidetische Wesensforschung, so soll diese innere Erfahrung das „Exemplar" liefern bzw. der in ihrer Betätigung sich erschließende Erlebnisstrom. Darin liegt aber, daß diese exemplarischen Fakta freier anschaulicher Variation unterworfen werden, um in dieser freien Variation das Wesensallgemeine herausschauen zu können als das, was das wirklich konkret Erfahrene zu konkreter stetiger Bedeckung bringt mit seinen konkreten Abwandlungen. Einer Deckung, in der im reinen Überhaupt das überhaupt rein innerlich Erfahrbare seine invariante Struktur zeigt; invariant, wie immer variiert werden möge. Die Variation verwandelt wirklich Erfahrenes in eine bloße Möglichkeit und in immer neue bloße Möglichkeiten, das ist sie bewegt sich nicht mehr in wirklicher Erfahrung, sondern in Modifikationen der Erfahrung, in bloßen Phantasieerfahrungen, Erfahrungen „als ob". Sonach handelt es sich um die Eröffnung einer Wesenslehre, einer Eidetik derjenigen psychologischen Innerlichkeit, die in „reiner" innerer Erfahrung als Faktum gegeben ist und die Wesensnotwendigkeiten und Wesensmöglichkeiten herausstellt, die für diese faktische Sphäre apriori gelten, nämlich für jede mögliche, erdenkliche psychologische Innerlichkeit als solche einer erdenklichen reinen Erfahrung und < eines > erfahrenden Ich gelten müssen. Mit einem Worte, es eröffnet sich die Idee einer (vielleicht unendlich reichhaltigen) apriorischen, rein phänomenologischen, aus Quellen einer reinen Anschauung wirklicher und möglicher reiner Erfahrung ausschließlich schöpfenden Bewußtseinspsychologie. Bewegt sich faktische innere und reine Erfahrung auf dem Boden der faktischen Welt und dem Faktum des diese Erfahrung betätigenden Menschen als realem in der Welt, so bewegt sich nun die eidetisch schauende Wesensbetrachtung auf dem Boden der Vorge-
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gebenheit möglicher Welten als Varianten der faktischen Welt, wobei die Variationen meines faktischen Seins als realer Mensch mit einbezogen sind. Fragen wir nun nach der reinigenden Reduktion, die, wie gesagt worden, notwendig ist, um innere Erfahrung zur reinen zu machen, so handelt es sich um eine gewisse „Ausschaltung", eine gewisse „AußerSpiel-Setzung" von Seinssetzung, von Mitmeinungen von Seiendem, die in d o p p e l t e r R i c h t u n g zu vollziehen ist und vollzogen sein muß, damit diejenige innere Erfahrung gewonnen wird, die das leistet, was die spezifisch psychischen Phänomene zur reinen Selbstgegebenheit bringt, und die rein „deskriptive" oder „phänomenologische" Psychologie beschreiben will. Jeder Psychologe weiß, daß äußere Erfahrung es ist, durch die für uns, für ihn selbst überhaupt eine Welt raumzeitlicher Realitäten da ist, eine Art mannigfaltiger Erlebnisse, die für das Ich vielerlei sonstige Erlebnisse motivieren, die zwar nicht äußere Erfahrungen, aber äußere, auf Reales bezogene Bewußtseinsweisen sind, Denkmeinungen, Willensentschlüsse und handelnde Wollungen, ästhetische Betrachtungen usw. Zwar nicht diese Bewußtseinserlebnisse, aber die Reales erfahrenden haben das Merkwürdige, daß sie in ihrem Sein ein evident anderes Sein „bewußt machen", bzw. daß die reflektive „innere" Erfahrung von einer äußeren Erfahrung, und unter letzterem Titel ein „inneres", ein Bewußtsein unmittelbar und adäquat erfaßt, das seinerseits den Charakter unmittelbarer Selbsterfassung eines Äußeren, eines Realen hat. Vor allen genaueren Auslegungen der Art dieser Realitätserfahrung ist es evident, daß das Außen, das da im jeweiligen Innen, im jeweiligen innerlichen Erfahren „selbst" erscheint, prinzipiell verschieden und in diesem n i c h t wirklich, als reelles Bestandsstück, sondern nur als „Idee", nur „intentional" enthalten ist. Natürlich gehört zur Deskription des Bewußtseins „äußere Erfahrung" rein an ihm selbst nichts von dem, was die äußere Deskription als dem in der äußeren Erfahrung als wirklich Seiendem Zukommendes in Erfahrungsurteilen feststellt. Wenn sie ihrerseits deskriptiv feststellt und feststellen muß, daß z.B. diese Wahrnehmung, die ich jetzt als Wahrnehmung einer grünen Unterlage erlebe, in sich selbst den Wahrnehmungssinn „grüne Unterlage" hat, daß sie davon Wahrnehmung ist, so ist in dieser Hinsicht nicht etwa eine Deskription auf dem Boden äußerer Erfahrung vollzogen. Denn offenbar ist dabei mein Erfahrungsglaube, die in der äußeren Wahrnehmung normalen Sinnes liegende Seinssetzung dieser „grünen Unterlage" außer Spiel gesetzt, die mir den Seinsboden für die normalen Beschreibungen als solche des wirklich Daseienden gibt. Die Beschreibung bleibt als innere ungeändert, ob die äußere Seinssetzung als richtig oder als Schein auszuweisen ist, sie präjudiziert weder für Sein oder Schein der Unterlage, sondern nur des Bewußtseins von als seiend gemeinter, geltender Unterlage. In diesem Sinne vollzieht der „deskriptive Psychologe" wie selbstverständlich eine „Epoche'' hinsichtlich dessen, wovon das Be-
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ERGÄNZENDE TEXTE (1912-1929)
wußtsein Bewußtsein ist, hinsichtlich aller Seinssetzungen von solchem, nicht Bewußtsein ist. Er gewinnt durch diese Epoche in Hinblick auf das das Bewußtsein dieses als rein inneres Erlebnis, und dazu gehört auch das Äußere, nicht als Seiendes, sondern als Seinsphänomen des und 5 des Sinnes, so und so als selbst-da Erscheinendes. Sofern das Thema reines Bewußtsein als ein universales gedacht ist und eine konsequente Beschreibung bzw. Eidetik reinen Bewußtseins auf dem Grunde innerer Erfahrung als Thema gelten kann, ist es selbstverständlich, daß in einer universalen Epoche, als einer univer10 salen thematischen Willenseinstellung, jedwedes vorkommende Bewußtsein, was immer es bewußt haben mag, auf seine Reinheit in der Richtung zu reduzieren ist, daß jede Seinsmeinung und darin irgendwie fundierte Stellungnahme „eingeklammert", nicht mitgemacht wird, die im natürlichen Vollzug des betreffenden cogito vollzogen ist, 15 soweit sie irgend dadurch ihr cogitatum als Sein setzt, das den reellen Bestand des cogito überschreitet. Also nur <so>weit ein Bewußtsein auf ein anderes irgendwie erfahrend oder meinend „intentional" bezogen ist und dieses letztere selbst der methodischen Reinigung schon unterzogen ist, verbleibt es mir als deskriptivem Psychologen — zu20 nächst ausschließlich meiner eigenen Erlebnisse. Ich als erfahrend Beschreibender, als darin wirkliches Sein Setzender setze auch mit jede z.B. in meiner normalen äußeren Erfahrung als Moment liegende äußere Setzung — die Setzung als innerlich Seiendes erfahrend setzen ist aber nicht, als ,,Phänomenologe" die Setzung mitvollziehen, mir 25 von ihr das ,,es ist da" des Realen geben lassen. Und so überall. Es ist evident, daß nur, weil solche Einstellungsänderungen für mich freie Möglichkeiten sind, ich überhaupt vom Eigensein eines Bewußtseins und Bewußtseinslebens rein in sich und für sich sprechen kann, und daß für die Klarheit über den Sinn und die Möglichkeit einer rein 30 phänomenologischen Betrachtung der psychischen Phänomene die Klarheit über diese Methode der Reinigung und die in ihr wissenschaftlich hervortretenden Unterscheidungen notwendig ist. 1 Doch wir sprachen von einer zweiseitigen Reinigung, die die Bewußtseinserlebnisse für ihre Reinheit erfordern. Fassen wir das Be35 wußtseinserlebnis unter dem Titel cogito, so haben wir die nach Seite des cogitatum erforderliche Reinigung betrachtet. Aber der Ausdruck cogito verweist auch auf das Ich, das seinerseits auch einer „Reduktion" bedarf. Umspanne ich thematisch deskriptiv mein eigenes „Seelenleben", und zwar in Absicht auf das reine Bewußtseinsleben, so ist 40 meine Seele, darin, was mich zur Person Ich macht mit meinen Vermögen etc. Thema, ja für mich überhaupt als Psychologen Ich in jedem Sinn, auch in dem, wo ich meinen körperlichen Leib mir selbst, wie gewöhnlich, zurechne. Aber dieses Zurechnen ist selbst ein Titel für Erlebnisse, und so jedes Bewußtsein, in dem ich meiner selbst, ι Die Fortführung dieser Methode betrifft das, was ,,übrig bleibt" und wie dieses zu behandeln ist.
AUS DEM „G1BSON-KONVOLUT"
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meines konkret menschlichen Daseins als zweiseitig psychophysischen, unter Absehen von der Leibesseite meiner Seele bewußt bin — und woher sonst als durch dieses Selbstbewußtsein weiß ich irgend etwas von mir und habe ich, hat all das für mich Sinn und Geltung ? Offenbar 5 ist aber, soweit ich als realer Mensch und meine psychische Seite als Seite des Realen, mit Körperlichem psychophysisch kausal Einigen in Frage kommt, wieder Bewußtsein in Form äußerer Erfahrungen im Spiel, so daß ich auch in dieser Richtung phänomenologische Epoche vollziehen muß. Psychologische Ausschaltung der Welt Ich sehe nun, daß es möglich und notwendig ist, um als universales Thema die Allheit meiner wirklichen und möglichen reinen Erlebnisse zu gewinnen, das reale Universum ganz und gar außer Geltung zu setzen, als das normal das für mich in meinem eigenen Bewußt15 seinsieben als seiende und soseiende Welt in Erfahrungen, in Urteilen, in Wertungen etc. Vorstellige, Vermeinte, Geltende ist, ohne Frage nach Reichweite des Rechtes meiner Meinung. Dabei bin ich als Mensch, als menschliche Person, als Seele eines Leibes „eingeklammert". Hierzu ist zu beachten: Als Psychologe und 20 in Gemeinschaft der Psychologen wissenschaftlich forschend erstrebe eine wissenschaftliche Erkenntnis psychophysischer Einheiten Menschen (bzw. Tiere) in Beziehung auf deren „Seelen", natürlich ganz unmetaphysisch verstanden als die realen animalischen Eigenschaften, die nicht zur bloß realen Körperlichkeit der animalischen 25 Wesen gehören und die in einer puren Biophysik erforscht werden. Da die Seelen in der realen Welt nicht eigene Realitäten für sich sind, aber doch eine „rein" psychologische Betrachtungsweise, und zunächst aus reiner Erfahrung, zulassen, so erfordert Seelenforschung zweierlei: rein seelische Erforschung und p s y c h o p h y s i s c h e . Die phäno30 menologische Psychologie, und zunächst als psychologische Phänomenologie des reinen Bewußtseins, vollzieht also mit ihren phänomenologischen Reduktionen bloß Methoden der Durchführung derjenigen Abstraktion, in der innerhalb der konkreten realen Welt und der konkreten realen Animalien das Psychische, und zunächst in Be35 wußtseinserfahrung, rein und unverfälscht durch sie Transzendierendes zur Selbsterfassung kommen, Wesenserkenntnis kommen kann und nach seinen Wesensgehalten zugänglich wird. Das rein gefaßte Bewußtsein mit allen davon in reiner Fassung zugehörigen Bewußtseinssynthesen ist also durch die thematische Reinigung nicht in 40 seiner Realität geändert worden, es ist zur Welt mitgehörig, obschon als ein unselbständiges, eine bloße abstrakte Komponente der konkreten Realitäten Mensch oder Tier. Die Begründung einer phänomenologischen Psychologie als einer Disziplin ausschließlich auf dem Boden, den innerpsychologische Er45 fahrung als rein liefert, hat ihren ersten Boden in demjenigen Feld