Hans-Christian Kossak Gisela Zehner Hypnose beim Kinder-Zahnarzt Verhaltensführung und Kommunikation
Hans-Christian Kossak Gisela Zehner
Hypnose beim Kinder-Zahnarzt Verhaltensführung und Kommunikation Mit 62 Abbildungen und 14 Tabellen
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Dr. med. Gisela Zehner Robert-Brauner-Platz 1 44623 Herne Deutschland/Germany
[email protected]
Dr. Dipl. Psych. Hans-Christian Kossak Schnatstraße 25 44795 Bochum Deutschland/Germany
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Die kostenfreien Online-Videos finden Sie unter http://www.springer.com/978-3-642-17737-8 ISBN 978-3-642-17737-8 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. SpringerMedizin Springer-Verlag GmbH ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Monika Radecki, Heidelberg Projektmanagement: Sigrid Janke, Heidelberg Lektorat: Dr. med. Karen Strehlow, Berlin Layout und Umschlaggestaltung: deblik Berlin Einbandabbildung: links: © Fotolia; rechts: © Alena Ozerova / shutterstock Abbildungen: Crest Premedia Solutions (P) Ltd., Pune, India Satz: Crest Premedia Solutions (P) Ltd., Pune, India SPIN: 80023635 Gedruckt auf säurefreiem Papier
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Geleitwort Es tut gut, so ein Buch in den Händen zu haben, einmal wegen des Umfangs, was eine wirklich grundlegende Information zum Thema ermöglicht, wegen der Einbeziehung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse, wegen des praxisnahen Vorgehens, das die liebevolle und fantasiereiche Autorin in ihrer langjährigen Arbeit mit den Kindern perfektioniert hat. Es tut aber auch gut zu sehen, wie die Arbeit mit der Hypnose in der Medizin und Zahnmedizin einen bisher nie dagewesenen Aufschwung erlebt, und sich nun ein renommierter Verlag dem speziellen Thema Kinderhypnose annimmt. Vor 30 Jahren gab es nahezu keine Hypnoseanwendung in der Medizin, Hypnose war verteufelt als Manipulationstechnik und minderwertige Unterhaltung unter Missachtung der Menschen. Dieses Buch zeigt, wie Hypnose wirklich wirkt, wie durch die Übertragung von Einfühlsamkeit und Liebe ganz natürlich Trancezustände erzeugt werden können, weil die Kinder als interessante Partner gesehen und in ihrem Verhalten verstanden werden. Die Eltern sind als unfreiwillige Verursacher vieler Probleme ihrer Kinder nicht unsere »Gegner«, sondern werden über die heutigen Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt, in die Behandlung mit einbezogen und dabei überzeugt, dass geduldige und liebevolle Hypnosezahnbehandlung die bessere Lösung ist, als die Kinder einfach mithilfe der Vollnarkose ruhigzustellen. Gisela Zehner ist eine der wichtigsten Protagonistinnen der zahnärztlichen Kinderhypnose, sie hat weit darüber hinaus durch Integration bekannter und neuer Verfahren in die Kinderbehandlung die Möglichkeiten, Kinder zahnärztlich gut behandeln zu können, bereichert. Ihre QuickTimeTrance gibt ein leicht nachvollziehbares Modell der Kinderhypnose, das durch seine Systematik auch für Hypnoseanfänger praktikabel ist. Die kindgerechte Anwendung der Akupunktur und der energetischen Psychologie (EP), auch Klopfakupressur genannt, geht weit über die übliche kinderhypnotische Ablenkungsstrategie hinaus. Sie zeigt, wie eine Vielzahl von Strategien immer noch einen individuellen Ansatz für jedes Kind finden lässt. Gisela Zehner ist nicht nur eine sorgfältige Autorin, sie bewältigt auch täglich in ihrer Praxis den zahnmedizinischen Alltag mit all seinen heutigen Herausforderungen. Sie hat den Mut, sich auch zum Misserfolg (den sie sicherlich selten hat) zu bekennen, und scheut sich nicht, auf einem ihrer unzähligen Seminare, Vorträge und Workshops darüber zu berichten. Sie führt ganz selbstverständlich – durch Ausstrahlen einer großen Ruhe, durch Erzeugung mütterlich-warmherziger Gefühle und durch Vermittlung von Sicherheit und Liebe. Und genau auf diese Qualitäten kommt es beim Führen an, nicht nur bei der Behandlung von Kindern. Hans-Christian Kossak ist der Grandseigneur der Hypnosebuchautoren. Sein Standardwerk »Hypnose« ist in der 4. Auflage samt CD auch für den erfahrenen Hypnoseanwender eine Fundgrube sowohl in praktischer wie auch in wissenschaftlicher Hinsicht, seine Beiträge zur Showhypnose und zur Hypnose im Comic ragen heraus aus der Vielzahl der üblichen Hypnotherapie-Veröffentlichungen. Bemerkenswert ist seine in der Fachwelt neue Methodenkombination von Verhaltenstherapie und Hypnose, die hypno-behaviorale Therapie, die sich im Laufe ihres dreißigjährigen Bestehens immer mehr durchsetzte. Durch seinen noch länger dauernden Tätigkeitsbereich als Kinder- und Jugendlichenverhaltenspsychotherapeut ist er mit den Sorgen und Problemen der jungen Patienten und deren Eltern sehr vertraut, so auch mit ihrer Behandlung in Hypnose. Entsprechend beherrscht er seine Fach-
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Geleitwort
gebiete der Entwicklungspsychologie, Verhaltenstherapie und Hypnose in Theorie und Praxis bestens, was sich hier im Buch durch klare Aussagen und Vorschläge verdeutlicht. Angeregt und unterstützt durch den engen freundschaftlichen Kontakt, haben beide Autoren nun dieses Buch geschaffen, das das Zeug zu einem Standardwerk hat. Kossaks profunde Praxis, Organisation- und Autorenerfahrung, verbunden mit Gisela Zehners Energie, so ein umfangreiches Werk zu beginnen und im Anwendungsbereich praxisnah und leicht nachvollziehbar zu gestalten, ist eine glückliche Symbiose zweier Experten. Gleichzeitig kann dieses Buch einen hervorragenden Beitrag leisten, die Möglichkeiten und Grenzen der medizinischen Hypnose zu definieren, denn auch heute noch besteht darüber ein erheblicher Aufklärungsbedarf. Alle, die Interesse an einer einfühlsamen, schonenden und vor allem liebevollen Behandlung von Kindern haben, sollten aus diesem Fundus an Grundlagen, Informationen und praktischen, nachvollziehbaren Anleitungen neue Bausteine zum vorhandenen Wissen hinzufügen, damit immer mehr Kinder sagen: »Ich gehe gerne zum Zahnarzt«! Dr. Albrecht Schmierer
Präsident DGZH e. V.
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Vorwort »
Fang nie an aufzuhören, höre nie auf anzufangen. Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.), römischer Staatsmann
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Um es vorwegzunehmen: Dieses Buch soll zum Wohlbefinden von Menschen in der Zahnarztpraxis beitragen – und befasst sich deshalb mit einem Thema, das in der Therapieforschung und -praxis von Zahnmedizin, Medizin und Psychotherapie bislang nur wenig berücksichtigt wurde. Inadäquate Behandlungsstrategien im Kindesalter erzeugen häufig Widerwillen gegen den Zahnarztbesuch bis hin zu Angst- und Panikzuständen im Erwachsenenalter. Daher richtet sich der Fokus der Aufmerksamkeit in diesem Buch über die Vermittlung von Methoden und Behandlungstechniken hinausgehend auf die Befindlichkeit der kleinen Kinderpatienten mit ihren Problemen, Ängsten, Schmerzen und Nöten beim Zahnarzt. Nur wenn diese Kinder sich angenommen und individuell wohl fühlen, werden sie immer besser kooperieren und in späteren Zahnarztbesuchen weiterhin ruhig, entspannt und zuversichtlich bleiben. Es wird sich eine positive Zahnarztbeziehung herausbilden – bis hin zu späteren regelmäßigen Prophylaxeinterventionen oder auch größeren Eingriffen im Erwachsenenalter. Auch die begleitenden Eltern sollen sich in der Kinderzahnarztpraxis wohlfühlen. Sie leiden mit ihrem Kind und wollen natürlich, dass ihr Kind liebevoll behandelt wird. Es hat ein Recht darauf. Im zweiten Aufmerksamkeitsfokus ist dieses Buch an die professionellen Therapeuten gerichtet – hier Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie das zahnärztliche Fachpersonal, die optimale Bedingungen für ihre Kinderpatienten anbieten wollen. Zusätzlich sehen sie berechtigt auch die Qualitätssicherung ihrer Praxis und sollten darüber hinaus auch zur Qualitätssicherung ihrer eigenen beruflichen Befindlichkeit beitragen. Kinderpatienten, die für den Erwachsenen über eine reduzierte Kommunikation verfügen, reagieren sehr emotional und sind zudem gerade beim Zahnarzt mit ihren Schmerzen und Ängsten misstrauisch und naturgemäß wenig kooperativ. Dies kann bei konventionellem Vorgehen zu einer großen Berufsbelastung werden, die das berufliche Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen kann, denn dieser Zahnarzt wird auf die Dauer Gefühle der Hilflosigkeit, Aggression und Schuld entwickeln, die sich in Resignation, Zynismus oder Depression umwandeln können. Andererseits können Kinder sehr dankbare und anhängliche Patienten werden, wenn sie adäquat mit verhaltensführenden Maßnahmen und Kinderhypnose an die Zahnbehandlung herangeführt und einfühlsam therapiert werden. Das positive Feedback der kleinen Patienten sowie der Spaß und die Freude, die eine solche Behandlung dem gesamten Praxisteam bereitet, sind ein Ausgleich für den anfänglichen Mehraufwand an Zeit und Geduld. Wenn es auch anfangs bei einzelnen Kindern erforderlich ist, mehrere Termine nur zum Eingewöhnen ohne Behandlung verstreichen zu lassen, zahlt sich diese Zeitinvestition später doppelt und dreifach wieder aus. Nachdem guter Rapport aufgebaut ist und die kleinen Patienten die ersten Hypnoseerfahrungen gemacht haben, lassen sie sich in der Regel zügig und entspannt behandeln. Die Begeisterung der Kinderpatienten zieht meistens nach und nach die gesamte Familie, Freunde und Bekannte in die Praxis. Diese Mund-zu-Mund-Propaganda ist die beste Mar-
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ketingstrategie, was sich nicht zuletzt auch in höheren Umsatzzahlen niederschlägt. Kinder sind außerdem Langzeitpatienten, sie bleiben der Praxis bis ins Erwachsenenalter hinein treu und kommen später oft sogar mit ihren eigenen Kindern wieder zur Behandlung, weil sie es schätzen gelernt haben, durch Hypnose und Entspannungsverfahren die Zahnbehandlung schmerz- und stressfrei zu erleben. Das gesamte Praxisteam profitiert ebenso von einer entspannten Zahnbehandlung mit Kinderhypnose, insbesondere das zahnärztliche Fachpersonal. Diese Personen sind in gleicher Weise dem vorgenannten Stress ausgesetzt und wünschen sich ebenfalls Lösungen, die auch zu ihrem eigenen Wohlbefinden beitragen. Dieses Buch dient also dazu, den bislang rein störungsorientierten Blick zu erweitern und Wohlbefinden zu fördern – wie es Frank [2011: Den störungsorientierten Blick erweitern: Wohlbefinden fördern. In: R. Frank (Hrsg.), Therapieziel Wohlbefinden (S. 3–16). Berlin: Springer] für die Psychotherapie fordert. Dazu trägt mit Sicherheit die Aktivierung von Ressourcen bei – sowohl beim Zahnarzt und dem gesamten Praxisteam als auch bei ihren Kinderpatienten. Hypnose und Verhaltenstherapie bieten sich hier nachweislich als ideale Kombination an, diese Ressourcen zu erkennen und für die Behandlung nutzbar zu machen. Hypnose hat in den letzten Jahrzehnten nach ihrer Renaissance in Deutschland seit ca. 1975 an Bedeutung gewonnen, ist seriöser Forschungsgegenstand und in vielen Bereichen der Medizin, Psychotherapie und Zahnmedizin eine effektive Bereicherung in der Therapie. Analog begann sich die Kinderzahnheilkunde zu etablieren und wurde ebenfalls ein effektiver und florierender Fachbereich. Die Autorin bzw. der Autor waren durch ihre Vorträge, Seminare, Kongressbeiträge und Publikationen jeweils von Beginn an aktiv an diesen Entwicklungen beteiligt. Die logische Folge dieser beiden Entwicklungen bedeutet, durch eine Synthese von Hypnose, Verhaltenstherapie und Kinderzahnheilkunde neue Behandlungswege zu entwickeln und anzuwenden, die sich in ihrer jeweiligen Effektivität hervorragend ergänzen. Es zeigt sich hier immer wieder: das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile, wie bereits Aristoteles (384–322) sagte. Bei dieser Novität zeigten sich jedoch sehr schnell Grenzen, denn die Literatur zur Kinderhypnose und zur Kinderzahnheilkunde – besonders ihre Kombination – ist trotz langsam zunehmenden Publikationszahlen immer noch rar. Besonders die hier dargestellte Schnittmenge von Kinderzahnbehandlung, Hypnoseanwendung und Verhaltenstherapie ist extrem selten und vorwiegend durch kürzere Publikationen und Erfahrungsberichte repräsentiert. Mit diesen vielfachen gemeinsamen Zielorientierungen waren wir uns als Fachpersonen auf den Gebieten der zitierten Schnittmengen schnell einig, diese nun auch schriftlich komprimiert als Buch weiterzugeben. Das Anliegen der Hypnosebehandlung ist, gewohnte störende (dysfunktionale, pathologische) Denk-, Handlungs-, Emotions- und Bewertungsmuster zu erkennen und sie durch solche zu ersetzen, die mehr den gegenwärtigen Anforderungen entsprechen und zu einer Weiterentwicklung und Entfaltung des Individuums beitragen. Basierend auf dieser hilfreichen Grundorientierung soll dieses Buch ebenfalls Impulse für neue Denk- und Hand-
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lungsmodelle in der Kooperation mit Kinderpatienten auf dem Zahnarztstuhl geben. Hier ist neben der Fachkompetenz des Behandlungsteams eine ruhige, freundliche und wohlwollende Atmosphäre erforderlich, wobei der Humor dabei auch ein wichtiger Therapieaspekt ist, um das Vertrauen der Kinder nachhaltig zu gewinnen. Im weiteren Verlauf wird der Einfachheit halber fast immer die männliche Form Zahnarzt, Therapeut oder Behandler etc. gewählt, damit sind alle weiblichen und männlichen Kolleginnen und Kollegen unserer Berufsgruppen gemeint. Analog dazu wird oft stellvertretend für alle tapferen Väter, Großeltern, Onkel und Tanten, die ein Kind beim Zahnarztbesuch begleiten und unterstützen, die Mutter als Begleitperson der kleinen Patienten genannt, da sie in den meisten Fällen diese Aufgabe wahrnimmt. Nun wollen wir kurz das vorliegende Buch vorstellen: Zur methodischen und didaktischen Unterstützung, Aufarbeitung und Vertiefung bedient sich das Buch unterschiedlicher Informationsmethoden und Medien – soweit dies in den einzelnen Kapiteln hilfreich ist: Praxis konkret In diesen Kästen werden zur Vertiefung teilweise die vorherigen Texte zusammengefasst. Oft werden auch konkrete Verhaltensvorschläge eingefügt, die den Transfer vom Wissen zum konkreten Handeln in der Praxis erleichtern.
InternetInfo Im Zeitalter multimedialer Darstellung und globaler Verknüpfungen soll das geschriebene Wort durch Bilddokumente – hier auch Videodokumente – belegt oder veranschaulicht werden. Die zeitgemäße Informationsquelle des Internets nutzend haben wir zur Veranschaulichung z. B. verschiedener Entwicklungsaspekte und Lernprozesse ausgewählte Internetlinks angegeben, die über YouTube kurze Lehrfilme äußerst anschaulich vermitteln. Der Leser muss für die Recherche jeweils den von uns angegebenen Begriff eingeben, dabei auch die Länge des Videos ergänzen (ohne das »min« als Einheit anzugeben), da er nur dann exakt zu dem Video gelangt, auf das wir jeweils Bezug nehmen.
Kleine Selbsterfahrung Das vorliegende Buch soll als Lern- und Lehrbuch nutzbar sein. Deshalb sind an wenigen Stellen Hinweise als »Kleine Selbsterfahrung« für kurze Überlegungen, Reflexionen oder Übungen angegeben, die zum Verweilen einladen, um über den Text hinaus das gerade erarbeitete Thema dem eigenen Erleben näherzubringen.
Online-Videomaterial Mit einer Laufdauer von 1:44 h dokumentiert es die Anwendung zahlreicher Hypnosemethoden bei sehr unterschiedlichen Indikationen und Interventionen.
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Ein Abschnitt mit vielen Testsituationen rundet dieses audiovisuelle Lernpaket ab. Es eignet sich insbesondere auch für die praxisinterne Fortbildung und wird am Ende dieses Vorworts noch ausführlicher beschrieben.
Zahnärzte, die sich mit der Hypnose in der Kinderzahnbehandlung befassen oder befassen wollen, haben entweder bereits Grundkurse in Hypnose absolviert oder wollen sich vorher über dieses neue Gebiet informieren. Deshalb ist 7 Kap. 1 so konzipiert, dass Erstgenannte einem Repetitorium begegnen, der zweitgenannte Personenkreis Basiswissen angeboten bekommt, um die nachfolgenden Kapitel der Hypnosepraxis besser verstehen zu könnten. Somit sind anfangs die Grundbegriffe der Hypnose dargestellt – immer mit Blickrichtung auf die Themenschwerpunkte Kind – Hypnose – Zahnbehandlung. Da hierzu wenige Forschungsberichte vorliegen, muss dieses Kapitel mehr auf die Heuristik und die Theorie zurückgreifen. Die Behandlung von Kindern verlangt umfassende Kenntnisse in Entwicklungspsychologie und deren Umsetzung in angemessene Handlungen, die in Berufsbereichen wie Förderung, Therapie, Rehabilitation usw. selbstverständlich sind. Für Berufe wie Erzieherin, Pädagoge, Sozialpädagoge, Heilpädagoge, Psychologe, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut usw. ist dies ein Bestandteil ihrer Ausbildung und ihrer Approbation. Im Studium der Zahnmedizin werden kaum Aspekte der Entwicklungspsychologie vermittelt. Für Zahnärzte als naturwissenschaftlich sozialisierte Experten sind viele der oft im Kontext von Hypnose zitierten Theorien und Darstellungen zu Entwicklungspsychologie meist philosophisch-reflektierend, ungewohnt und daher nicht so leicht nachvollziehbar. Deshalb wird in 7 Kap. 2 die Entwicklungspsychologie – fokussiert auf die hier relevanten Problemstellungen der Zahnbehandlung – naturwissenschaftlich belegt und begründet. Differenzierte Anwender wie hier konkret Zahnärzte und deren Fachpersonal wollen nicht nur Theorien oder reine Handlungsanweisungen. Sie wollen wissen, warum sich ein Kind in einem bestimmten Alter so und nicht anders verhalten kann. Erst mit diesem Wissen können sie flexibel und individuell auf das Kind eingehen. Beobachtungen aus der vergleichenden Verhaltensforschung (Ethologie) zeigen hier auf, dass gerade in der kindlichen Entwicklung vieles angeboren ist, also transkulturell für alle Menschen weltweit gilt. Mitunter sind Kinder besonders schwierig, weil sie aufgrund ihrer Angst, ihrer Behinderungen, persönlichen psychischen oder physischen Problematik oder ihrer kindlichen Perspektive scheinbar unkooperativ sind. Gerade sie bedürfen besonderer Behandlung und Zuwendung – sie sollten nicht als schwierig bewertet werden, sondern als interessante Kinder und deshalb unsere Neugier und Kompetenzen besonders herausfordern. Da Eltern ihre Kinder normalerweise in die Praxis begleiten und auch mitleiden, müssen sie ebenfalls angemessen in die Behandlung einbezogen werden (7 Kap. 3). Ihr Erziehungsstil ist prägend und bestimmt lebenslang die Einstellungen, Werthaltungen und Handlungen des Kindes. Im Umgang mit Eltern Ungeübte können sich schnell von besorgt-angespannten Elternteilen angegriffen fühlen, sie wegen ihres Verhalten ablehnen oder sie überfordern. Deshalb werden in diesem dritten Kapitel besondere Hinweise über den Hintergrund elterlichen Verhaltens gegeben und gleichzeitig methodisch angemessene Kommunikationsformen mit ihnen beschrieben.
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Alle Lebewesen unterliegen bestimmten evolutionär bedingten Lerngesetzen. Sie sind die Basis von sehr vielen emotionalen, motivationalen, physiologischen und kognitiven Verhaltensweisen, also von Gefühlen, Beweggründen, Körperreaktionen und Gedanken (7 Kap. 4). Die darauf basierende Verhaltenstherapie hat entsprechende Erklärungs- und Behandlungsmodelle entwickelt. Diese werden hier im vierten Kapitel in Bezug auf die Entstehung, Aufrechterhaltung und Therapie von Angst, Schmerz und Stress vorgestellt – wieder verbunden mit zahlreichen konkreten Praxisvorschlägen. Das 7 Kap. 5 »Hypnose in der Kinderzahnheilkunde« bearbeitet das zentrale Thema des Buches. Es werden sehr konkrete Informationen und Vorschläge zur Kooperation mit Kindern in der Zahnarztpraxis gegeben – angefangen von der Praxiseinrichtung, der Begrüßung, bis hin zu differenzierten Methoden der Hypnoseanwendung und deren Modifikationen bei relevanten zahnmedizinischen Interventionen. Hierzu gehören neben der allgemeinen Zahnbehandlung (konservierende und chirurgische Maßnahmen) das Abgewöhnen von Habits (kieferorthopädische Prophylaxe) sowie die positive Beeinflussung des Verhaltens beim Tragen von Zahnspangen (kieferorthopädische Behandlung) und bei regelmäßigen Maßnahmen zur Mundhygiene (Karies- und Gingivitisprophylaxe). Es wird aufgezeigt, mit welcher Methodenvielfalt Hypnose hier zur Entspannung und zum Abbau von Angst und Schmerz führen kann. Es wird auch deutlich, dass hinter der vordergründig scheinbar spielerischen Vorgehensweise sehr viel Theorie, Übung und Praxiserfahrung stehen. Sedierung und Vollnarkose waren und sind die probaten Behandlungsformen bei besonderen methodischen Herausforderungen. In diesem 7 Kap. 6, das auf der Praxiserfahrung des Ehepaars Dr. Sabine und Dr. Jan Rienhoff beruht, ist zu erkennen, dass die Hypnose auch gerade bei Sedierung und Vollnarkose eine bedeutsame ergänzende Rolle spielen kann. Gleichzeitig werden auch die Grenzen der Kinderhypnose aufgezeigt, die bei besonderer Indikation vorliegen, und die Möglichkeiten, bei Sedierungsmaßnahmen Kinderhypnose begleitend einzusetzen. Mit dem 7 Kap. 7 der ergänzenden psychologischen und komplementärmedizinischen Methoden verlassen wir scheinbar die Basis der konventionellen Behandlungsmethoden. Aber die inzwischen immer stärker integrierte und etablierte Hypnose war noch vor wenigen Jahren ebenfalls ein exotisches und unbekanntes Außenseiterverfahren. Immer häufiger setzen Zahnärztinnen und Zahnärzte ergänzend zur Hypnose beispielsweise auch Akupunktur, Akupressur oder psychoenergetische Methoden ein. Dies sollte nicht als zu modern oder esoterisch maskierte Hilflosigkeit angesehen werden. Es verdeutlicht vielmehr die ernste kontinuierliche intensive Weitersuche nach noch besseren Behandlungsmethoden, die auch von vielen mündigen Patienten gefordert werden. In der Verhaltenstherapie und Hypnose sind diese Vorgehensweisen in anderen Richtungen seit langem bekannt und als sog. eklektische Methoden etabliert [Lazarus 1998: The utilities and futilities of combining treatments in psychotherapy. Hypnos, Swedish Journal of Hypnosis in Psychotherapy and Psychosomatic Medicine, 25(4), 204–212]; sie sollten jedoch nicht aus Unsicherheit, Inkonsequenz oder Hilflosigkeit zu oft wechselnd oder sogar substitutiv angewandt werden. Exotisch mag das 7 Kap. 8 über das Zaubern anmuten. Aber wir kommen damit der magischen Welt des Kindes sehr entgegen und machen sie uns so nutzbar, dass das Kind vom Schmerz und seiner Angst abgelenkt wird und zunehmend entspannter kooperieren kann. Im Vordergrund steht hier also nicht – wie auf der Bühne – der Trick, sondern dessen psy-
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chologische Wirkungen durch die Faszination, die sich der aufgeschlossene Therapeut bzw. Zahnarzt zum Rapportaufbau gezielt für das Kind nutzbar macht. Letztlich – und damit an besonderer Stelle der Aufmerksamkeit – ist das Online-Videomaterial zu erwähnen. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Buches ist die Vermittlung neuer alternativer Behandlungsmethoden mit Hypnose. Sie lassen sich nur bedingt in Schriftform darstellen. Deshalb gehört es zur Didaktik, diese Methoden in ihren Grundzügen auch szenisch in Form von Videodemonstrationen zu vermitteln, damit sie anschaulich nachzuvollziehen sind. Aus dem Basismaterial von über 60 aufgezeichneten Stunden haben wir allerdings nur die wesentlichen Aspekte ausgewählt, die gezielt therapeutische Vorgehensweisen und kindliche Reaktionen hervorheben. Dadurch werden die Vorschläge des Buchtextes lebendig – wie man sehr deutlich an den Reaktionen der Kinder erkennen kann. Diese Aufnahmen sind authentische Dokumente aus der laufenden Praxisrealität. Deshalb können wir ihre Bild- und Tonqualität nicht mit denen vergleichen, die in einem Studio technisch perfekt, aber dafür atmosphärisch steril aufgenommen sind. In diesen Dokumentationen wird auch die wichtige Kooperation und Tätigkeit der zahnärztlichen Fachkräfte deutlich. Es begeistert immer wieder, auch ihre hohe Fachkompetenz im Umgang mit Kindern, Hypnose und zahnärztlichen Tätigkeiten beobachten zu können. Die Dokumentationen und Untertexthinweise im Film sollen durch das Lernen am kompetenten Modell Anregungen und Informationen geben. Im Glossar sind die wichtigsten oder seltener benutzten Termini zusammengestellt. Wir hoffen, die Leserinnen und Leser bei ihrer aktiven Suche nach neuen Informationen mit unserem Buch zu unterstützen und wünschen ihnen viel Neugier beim Lesen, mit Lust an Neuigkeit, Komplexität und Staunen. Nicht zuletzt wünschen wir allen Anwendern viel Spaß, Freude und Erfolg beim Umsetzen der beschriebenen Möglichkeiten mit dankbaren kleinen Patienten in ihrer Praxis. Gisela Zehner und Hans-Christian Kossak
Herne und Bochum, Sommer 2011 Die kostenfreien Online-Videos finden Sie unter http://www.springer.com/978-3-642-17737-8
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Danksagung Ist ein so umfassendes Werk wie das vorliegende Buch abgeschlossen, erfolgt ein froher Blick auf den Stapel an Manuskriptseiten, verbunden mit einem Aufatmen der Erleichterung. Gleichzeitig geht der Blick auch zurück auf die einzelnen Entstehungsphasen und zu den Personen, die dabei direkt und indirekt beteiligt waren. In diesem Rückblick ist unser Dank an sie alle gerichtet und chronologisch aufgeführt. Gedankt sei all den kleinen Patienten und ihren Eltern, die in den unterschiedlichsten Fragestellungen und Therapieanforderungen dazu beitrugen, unsere Erfahrungen zu erweitern. Ihre freundliche Erlaubnis, das während der Behandlungen aufgenommene Bild- und Videomaterial zu publizieren, ermöglichte eine sehr anschauliche und praxisnahe Vermittlung unserer Anliegen. Auch die Mitarbeiterinnen der Kinderzahnarztpraxis der Autorin trugen zum Gelingen der Therapien und der Videodokumentationen mit bewundernswerter Geduld und großem Einfühlungsvermögen bei. Hinzu kommen die zahlreichen Fachkollegen, die als Autoren von Artikeln über zahnärztliche Kinderhypnose, Referenten der DGZH, Seminarteilnehmer und in informellen Gesprächen persönliche Anregungen gaben, die mit in das Konzept einfließen konnten. Frau Dr. med. dent. Sabine Rienhoff und Herr Dr. med. dent. Jan Rienhoff erklärten sich spontan bereit, in 7 Kap. 6 des vorliegenden Buches mitzuwirken. Sie berichten darin fundiert aus ihrer Kinderzahnarztpraxis über den Einsatz von Hypnose bei Sedierungsmaßnahmen bzw. Vollnarkose. Ihnen sei für diesen Aufwand neben der alltäglichen Arbeit ganz besonders herzlich gedankt. Auch Herrn Norbert Riemer wollen wir dankend nennen, der die Musik eigens für den Vorspann unserer Videodokumentation komponierte. Frau Monika Radecki, M.A., gilt unser Dank hinsichtlich Ihrer spontanen Begeisterung für unser Buchprojekt, das sie zügig in ihre Programmplanung einbezog. Auch unsere weitere Zusammenarbeit war beeindruckend zügig, unbürokratisch und äußerst kooperativ. Auch hierfür möchten wir ihr herzlich danken. Frau Sigrid Janke gab als Projektmanagerin durch klare Informationen gute Orientierung vor, die bei dem umfassenden und mehrdimensionalen Projekt mit Text und Online-Videolehrmaterial sehr hilfreich war. Auch an sie unseren besten Dank. An nahezu letzter Stelle dieses Produktionsprozesses stand die Gesamtüberarbeitung des Manuskriptes. Frau Dr. med. Karen Strehlow übernahm als Fachredakteurin und Lektorin diese komplexe Aufgabe. In ihrer klaren Kompetenz lag es, während der Korrekturen gleichzeitig auch das Gesamtkonzept und die Detail- und Gesamtgestaltung des Endproduktes im Blick zu haben. Für ihre hervorragende Arbeit sind wir sehr dankbar. Nachdem alle Fachbegleiter in unsere Rückschau einbezogen wurden, richtet sich nun die Aufmerksamkeit auf unsere jeweiligen Ehepartner, Silke Kossak und Ralf Zehner. Sie haben
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Danksagung
uns in der langen Zeit des Schreibens unterstützt, beraten, aber auch ertragen. Habt besonders herzlichen Dank dafür, insbesondere für Eure liebevolle Geduld. Wahrscheinlich ist es sehr ungewöhnlich, wenn sich Autoren bei sich selbst bedanken; aber unsere Zusammenarbeit war äußerst konstruktiv, kooperativ, freundschaftlich und harmonisch, wodurch das Buch überhaupt erst möglich wurde. Dafür sind wir uns gegenseitig dankbar, gestehen aber auch ein, dass wir jetzt erleichtert sind, das gemeinsame Projekt abzuschließen und uns nun auch wieder privat austauschen zu können, wofür während des Schreibens kaum Zeit blieb. Gisela Zehner und Hans-Christian Kossak
Herne und Bochum, Sommer 2011
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Die Autoren Hans-Christian Kossak
Dr. phil., Diplom-Psychologe 5 Approbationen als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Psychologischer Psychotherapeut 5 Fachzertifikate als: Verhaltenstherapeut, Hypnosetherapeut, Gesprächspsychotherapeut 5 Über 36 Jahre Leiter der »Kath. Beratungsstelle für Erziehungs- und Familienfragen« (Bochum), zusätzlich Gründer und Leiter der »Kinderhilfeambulanz Pluspunkt für Kinder und Jugendliche, die von seelischen Behinderungen bedroht oder betroffen sind« (Bochum) 5 Begründer der Methodenkombination von moderner Hypnose und Verhaltenstherapie und Promotion zu ihrer Theorie und Praxis 5 Dozent an verschiedenen Ausbildungsinstituten und Kongressen 5 Zahlreiche Fachpublikationen, Handbuchbeiträge, Fachbuchautor zu Hypnose und Verhaltenstherapie, Lern- und Leistungsproblemen, Prüfungsängsten. Sein Standardwerk seit über 2 Jahrzehnten: Hypnose. Ein Lehrbuch Gisela Zehner
Dr. med., Fachzahnärztin für Kinderstomatologie 5 Approbation als Zahnärztin 5 Fachzahnarztausbildung im Bereich der Kinderzahnheilkunde sowie intensive Weiterbildung in Kieferorthopädie 5 Spezialisierung auf ganzheitliche zahnärztliche Behandlung und systemische Kieferorthopädie 5 Über 35 Jahre praktische Erfahrungen in konservierend-chirurgischer und kieferorthopädischer Kinderbehandlung 5 Niederlassung in eigener Praxis in Herne mit Schwerpunkt Kinderzahnbehandlung und Kieferorthopädie unter Anwendung zahnärztlicher Kinderhypnose, Akupunktur und energetischer Psychologie 5 Fortbildung mit Zertifikat/Diplom in Hypnose, Akupunktur und prozessorientierter energetischer Psychologie (PEP) 5 Referentin bei mehreren Zahnärztekammern, bei der Deutschen Gesellschaft für zahnärztliche Hypnose (DGZH), der Gesellschaft für ganzheitliche Zahnmedizin (GZM) und anderen Fachgesellschaften 5 Fachpublikationen über den Einsatz von Hypnose in der Kinderzahnbehandlung, die Kombination von zahnärztlicher Kinderhypnose und Akupressur sowie Akupunktur/Akupressur zur Erleichterung der Zahnbehandlung
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Inhaltsverzeichnis 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.5 1.5.1 1.5.2 1.6 1.6.1 1.6.2 1.7 1.7.1 1.7.2 1.7.3 1.8 1.8.1 1.8.2 1.8.3 1.8.4
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Hypnose – Einführung in die Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschichte, mediale Wirkungen und Erklärungsmodelle der Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . Geschichte der Hypnose – unter dem Aspekt Kinder und Jugendliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypnose in den Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theorien der Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition der Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung der Hypnose und theoretische Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Einleitung der Hypnose – Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rapport als tiefe Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Sinnesmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommunikation in Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beendigung der Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Suggestion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formen der Suggestion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezialfall Negation und ironischer Fehler – Folgerungen aus 7 Erklärungsmodellen . . . . . . Suggestionen mit Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypnotisierbarkeit und Trancetiefe – Skalen und Messprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Suggestibilität und Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypnotisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Messung mit Skalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Faktoren der Hypnotisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trance und Trancetiefe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rolle des Therapeuten bzw. des Zahnarztes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapeutenvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen an den Zahnarzt durch die Hypnosesitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Verhalten in Hypnose – Hypnosephänomene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Phänomene und Verhaltensweisen in Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Relevanz der Hypnosephänomene in der Kinderzahnheilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen der Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypnose als Therapieform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationsbereiche der Hypnose – allgemein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikation der Hypnose in der Zahnheilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kautelen, Gefahren und Grenzbereiche der Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kautelen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontraindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 3 3 5 6 7 7 7 9 10 12 14 14 14 15 16 23 24 24 24 25 27 28 29 29 29 30 30 32 32 32 32 33 35 36 37 37 38 39
Psychologie des Kindes- und Jugendalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Historische Aspekte – Wege zur Kindheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungspsychologie – Theorien im Kurzüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen der Entwicklungspsychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Moderne Forschungsbereiche der Entwicklungspsychologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45 46 47 47 48
XVIII
Inhaltsverzeichnis
2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7 2.3.8 2.3.9 2.3.10 2.3.11 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.5
Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pränatale Entwicklung und Säuglingszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die kognitive Entwicklung (Stadien nach Piaget) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherheitsbedürfnis, Bindung, Nähe und Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konstanz von Emotion, Raum, Objekt, Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitbegriffe und Kausalverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufmerksamkeit und Konzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorstellung – Fantasie – Imaginationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstbeobachtung, Selbstkontrolle, Autonomiestreben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neugierverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Jugendlichenalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kinder und Jugendliche mit Problemen und Problemkinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kinder- und Jugendprobleme und ihre relevanten Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychische Störungen, Verhaltensstörungen und Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exemplarische Darstellungen dreier Störungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschließende Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4
Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.2 4.2.1
Bedeutung der Elternrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erziehungshaltungen – elterliche Erziehungsstile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autoritative Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autoritäre Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laissez-faire-Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Erziehungsstile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen des Erziehungsstils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elternerwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erwartungen und Erziehung im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erwartungen der Eltern an den Therapeuten/Kinderzahnarzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erwartungen der Eltern an Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angst der Kinder und die Rolle der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elterngespräche – die psychologische Situation der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Erstkontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elterngespräche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Praxisbeispiel aus der Kariesprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50 50 53 56 60 63 64 66 75 77 78 80 83 83 85 85 94 94
100 100 100 101 101 101 101 102 103 103 104 105 106 106 108 109 110 110
Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Lerngesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassisches Konditionieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operantes Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lernen durch Modellpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstverstärkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhaltenskontrakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuropsychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Hirnfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113 113 114 118 119 119 120 120
Inhaltsverzeichnis
4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.2.7 4.2.8 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.6.4 4.6.5 4.7
5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 5.3 5.3.1 5.3.2
XIX
Spiegelneuronen – Lernen, Empathie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angstneuronen und Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lernen und Emotionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lernen und Neugier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frühe Umwelterfahrung und Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Priming – unterschwelliges Lernen und Erinnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuropsychologie und Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121 123 123 124 124 125 125
Schwerpunktthema: Erlernte Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Evolution der Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Protektive Faktoren für Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kognitiv-behaviorale Elemente – Systemwirkungen bei Lernen und Angst . . . . . . . . . . . . . . . . Häufige Folgen der Angst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezialfall: Dentalängste bei Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen der Dentalängste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie – Angstabbau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhaltenstherapeutische Methoden zum Angstabbau in der Zahnarztpraxis – Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypnose – kombiniert mit Verhaltenstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodische Grenzen in der Zahnbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Triade Schmerz – Angst – Stress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schmerz – Geschichte, Theorie und Ethologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schmerz – Angst – Stress als Wechselwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aspekte der Neuropsychologie und Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kind und Schmerzbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kausaltherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Falldarstellung zum Angstproblem (Praxis Dr. Kossak) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
125 125 126 126 127 128 131 131 131 133 133 135 135
Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die psychologischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für Kind und Zahnarzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Situation in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konventionelle Kinderzahnbehandlung als Belastung für Kind und Zahnarzt . . . . . . . . . . . . . Entlastung durch Kinderhypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Kind in der Zahnarztpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundregel Vertrauensaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Praxis und ihr Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die erste Untersuchung des Kindes in der Zahnarztpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Eltern als Partner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Behandlungsvorbereitung bei Kindergarten- und Grundschulkindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die erste Behandlung – Kommunikation und Rapport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rapportvertiefung beim ersten Behandlungstermin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkrete Maßnahmen auf dem Behandlungsstuhl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136 138 139 140 140 140 141 143 144 144 145 151 152 152 155 156 158 159 159 163 170 172 177 177 179
XX
Inhaltsverzeichnis
5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.4.6 5.4.7 5.5 5.5.1 5.5.2
Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Behandlungskonzept »QuickTimeTrance« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Trancemöglichkeiten bei der Kinderzahnbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychophysiologische Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwierige Behandlungssituationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beendigung der Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung der Kinderhypnose bei der Prophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypnotische Interventionen in der Kieferorthopädie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die kieferorthopädische Prophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die kieferorthopädische Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3
Behandlung unter Sedierung und Vollnarkose – mit Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . 257
7 7.1 7.1.1 7.1.2 7.2 7.2.1 7.2.2 7.3 7.3.1 7.3.2 7.4
Ergänzende psychologische und komplementärmedizinische Methoden . . . 273
8 8.1 8.2 8.3 8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3 8.4.4
Sedierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen für die Behandlung mit Sedierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EAPD-Richtlinien zur Sedierung in der pädiatrischen Zahnheilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kooperativität und Gewöhnung der Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sedierung bei der Kinderzahnbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Behandlung in Vollnarkose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Verfahren und seine Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung bei der Zahnbehandlung von Kindern – Winken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energetische Psychologie – Klopfakupressur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Verfahren und seine Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehen bei der Behandlung von Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akupunktur und Akupressur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Verfahren und seine Indikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung bei der Kinderzahnbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
184 184 189 198 212 213 225 228 233 233 244 252
258 258 258 259 259 261 267 267 267 268 270
274 274 275 275 275 277 280 280 280 282 282
Zaubern in der Zahnarztpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Vorwort für Erwachsene – Traumwelt kontra Schulweisheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungspsychologische Aspekte des Zauberns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zauberei in der Zahnarztpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Zaubertricks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Zauberstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Schwebevogel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das magische Farbbilderbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Zaubergummis – Die springende Fridolina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
286 286 287 287 288 288 289 289
Inhaltsverzeichnis
8.4.5 8.4.6 8.4.7 8.5 8.5.1 8.5.2
9 9.1 9.1.1 9.2 9.2.1 9.2.2
XXI
Die magische Verschwinde- und Produktionsbox. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Der magische Knotentrick – mit einer Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Der schwebende Zauberstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
Therapeutische Wirkungen des Zauberns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zaubern und theoretische Erklärungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapeutische Effekte des Zauberns mit Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
291 292 292 294
Begleitinformationen zum Online-Videomaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Didaktik und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Einzelkapitel – Dokumentationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel Lernkontrolle: Fragen, Feedback, Vertiefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
296 296 296 296 297
Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303
1
Hypnose – Einführung in die Grundlagen Geschichte – Theorien, Anwendungen – Grenzen
1.1
Geschichte, mediale Wirkungen und Erklärungsmodelle der Hypnose – 3
1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4
Geschichte der Hypnose – unter dem Aspekt Kinder und Jugendliche – 3 Hypnose in den Medien – 5 Theorien der Hypnose – 6 Definition der Hypnose – 7
1.2
Durchführung der Hypnose und theoretische Konzepte – 7
1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5
Die Einleitung der Hypnose – Induktion – 7 Rapport als tiefe Kommunikation – 9 Die Sinnesmodalitäten – 10 Kommunikation in Hypnose – 12 Beendigung der Hypnose – 14
1.3
Suggestion – 14
1.3.1 1.3.2 1.3.3
Definition und Abgrenzung – 14 Formen der Suggestion – 15 Spezialfall Negation und ironischer Fehler – Folgerungen aus 7 Erklärungsmodellen – 16 Suggestionen mit Hypnose – 23
1.3.4
1.4
Hypnotisierbarkeit und Trancetiefe – Skalen und Messprobleme – 24
1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5
Suggestibilität und Hypnose – 24 Hypnotisierbarkeit – 24 Messung mit Skalen – 25 Faktoren der Hypnotisierbarkeit – 27 Trance und Trancetiefe – 28
1.5
Rolle des Therapeuten bzw. des Zahnarztes – 29
1.5.1 1.5.2
Therapeutenvariablen – 29 Anforderungen an den Zahnarzt durch die Hypnosesitzungen – 29
1.6
Das Verhalten in Hypnose – Hypnosephänomene – 30
1.6.1 1.6.2
Die Phänomene und Verhaltensweisen in Hypnose – 30 Relevanz der Hypnosephänomene in der Kinderzahnheilkunde – 32
Hans-Christian Kossak, G. Zehner, Hypnose beimKinder-Zahnarzt, DOI 10.1007/978-3-642-17738-5_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
1
1.7
Indikationen der Hypnose – 32
1.7.1 1.7.2 1.7.3
Hypnose als Therapieform – 32 Indikationsbereiche der Hypnose – allgemein – 32 Indikation der Hypnose in der Zahnheilkunde – 33
1.8
Kautelen, Gefahren und Grenzbereiche der Hypnose – 35
1.8.1 1.8.2 1.8.3 1.8.4
Kautelen – 36 Gefahren – 37 Grenzbereiche – 37 Kontraindikationen – 38
Literatur – 39
1.1 • Geschichte, mediale Wirkungen und Erklärungsmodelle der Hypnose
» Logik bringt Dich von A nach B. Imagination bringt Dich überall hin. Albert Einstein (1879–1955), theoretischer Physiker
«
Dieses Kapitel ist als Repetitorium zur Hypnose konzipiert und somit als Ergänzung zu einer umfassenden Hypnoseausbildung. Schwerpunkt soll dabei in den einzelnen Unterkapiteln die Kinderhypnose mit Anwendung in der Kinderzahnheilkunde sein. Es folgen eine Kurzdarstellung der Hypnose, ihrer Geschichte, der Probleme ihrer Erforschung und der große Bereich der Hypnoseanwendungen. In einer intensiven Analyse, wird der Frage nachgegangen, wie und warum Negationen so intensiv wirken. Letztlich werden die Grenzen, Gefahren und Kontraindikationen aufgezeigt, gefolgt vom Grenzbereich der Show- und Tierhypnose.
1.1
Geschichte, mediale Wirkungen und Erklärungsmodelle der Hypnose
In diesem Kapitel werden die Geschichte, Theorien und Definition der Hypnose besprochen.
1.1.1
Geschichte der Hypnose – unter dem Aspekt Kinder und Jugendliche
Bereits in vorgeschichtlicher Zeit haben Naturvölker Rituale unter sehr unterschiedlichen Namen durchgeführt, die wir heute als Hypnose bezeichnen würden. Schriftliche Dokumente darüber sind in den frühen Kulturen so beispielsweise 4000 v. Chr. bei den Chinesen und Sumerern zu finden (Gravitz 1991). Ziel war es fast immer, mit Ritualen wie monotonen Gesängen, Tänzen und Sprüchen Geister auszutreiben, die Kranke beherrschten. Hinzu kamen Beschwörungen zur Verbesserung mentaler und physischer Fähigkeiten z. B. bei der Jagd. Heiler, Fakire, Schamanen und Priester vieler Naturvölker und großer Religionsgemeinschaften
3
1
(z. B. Hinduismus in Indien) wenden sie heute weiterhin an (Kakar 1984). Diese Vorgehensweisen wurden in kulturell modifizierten Formen in Europa von Mönchen und ähnlichen spirituellen Würdenträgern mindestens bis ins 18. Jahrhundert ausgeübt. Über die Aufklärung und Franz Anton Mesmer (1735–1815) wurden diese Vorgehensweisen und ihre Trancephänomene zunehmend wissenschaftlicher untersucht, bis sie schließlich seit Mitte des 20. Jahrhunderts in vielen Universitäten und Kliniken fast aller Länder aus sehr vielen Wissenschaftsperspektiven seriös erforscht wurden. Die Hypnotherapie ist inzwischen ein wissenschaftlich anerkanntes Psychotherapieverfahren (Revenstorf 2006), wie auch vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie nach § 11 PsychThG (2006) belegt ist.
Geschichte der Kinderhypnose Differenziertere Berichte über Kinder und Hypnose sind erstmalig im 18. Jahrhundert zu finden, als die Französische Akademie der Wissenschaften sich mit der Untersuchung der Wirkung des Magnetismus des F. A. Mesmer befasst. Neben Erwachsenen nahm man auch Kinder als Versuchspersonen und stellte bei ihnen keine Wirkung des Magnetismus fest, was u. a. zur Ablehnung dieser Methode durch die Kommission führte. Heute wissen wir, dass den Kindern als naiven Versuchspersonen nichts von den damals stark wirksamen sozialen Erwartungskomponenten bekannt war. James Braid (1795–1860), der den Namen »Hypnose« einführte, und über dieses Phänomen experimentell arbeitete, wandte sie auch bei Kindern an, benutzte hier jedoch die für Erwachsene erprobten Induktionsmethoden (Braid 1843). Spätere Berichte zur Kinderhypnose sind mehr anekdotisch; erst Hull (1933) wandte sich dem Thema wieder systematisch zu, indem er Suggestibilitätsitems für Kinder entwickelte. Mehr dazu ist im Abschnitt über Hypnotisierbarkeit abgehandelt. In den späteren Hypnoseforschungen treffen wir weiterhin wenige Untersuchungen mit Kindern an. Sie sind für Examens-, Doktorarbeiten und Publikationen nicht so leicht zu erreichen wie studentische Versuchspersonen. Dies scheint jedoch weniger ein Problem der Kinderhypnose zu sein, denn auch allgemein werden nichtpharmakologi-
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Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
sche Anwendungen beim Verhaltenstraining von Kindern (z. B. Modelling, Tell-Show-Do, Distraktion, 7 Abschn. 4.5.1) noch nicht häufig eingesetzt (Newton et al. 2003). Es gibt jedoch wenige Studien, die sich mit der Schmerzbehandlung mittels Hypnose bei Kindern befassen; sie sind häufig auf onkologische Erkrankungen beschränkt (Zeltzer u. LeBaron 1983; Tsao u. Zeltzer 2005). Die klinische Anwendung der Kinderhypnose wird auch von Gold et al. (2008) wegen ihrer Effektivität sehr begrüßt, sie beklagen jedoch ebenso wie die beiden Autoren des vorliegenden Buches, dass zu wenig Forschung hierzu betrieben wird. Zusätzlich zu diesen pragmatischen Begrenzungen gibt es wesentlich weniger Psychotherapeuten, die sich mit Kinderpatienten und Hypnose befassen, als solche, die mit Erwachsenen arbeiten. So bestimmte auch hier der Bedarf die Forschungsschwerpunkte. Erickson (1958) verwendete den Begriff der »pädiatrischen Hypnotherapie«, um zu verdeutlichen, dass die begrenzten und vom Erwachsenen unterschiedenen Sichtweisen von Kindern in der Hypnotherapie besonders zu berücksichtigen sind, auch wenn die Methode grundlegend gleich bleibt. Letztlich gab es dann doch zum Thema Kinderhypnose umfassende Kapitel in Lehrbüchern (z. B. Revenstorf u. Peter 2001; Kossak 1989, 2004) und in speziellen Fachbüchern wie z. B. Gradner u. Olness (1981) und seine Überarbeitung Olness u. Cohen (2001), sowie dazu vertiefende Spezialthemen (Holtz et al. 2007; Mrochen et al. 1997; Kossak 2001).
Hypnose in der Zahnbehandlung Die Anwendung von Hypnose in der Zahnbehandlung wurde 1836 von Jean-Victor Oudet wahrscheinlich erstmalig schriftlich erwähnt (Burk 1986) und in zahlreichen öffentlichen Demonstrationen dokumentiert. Sie ist dann jedoch durch die Erfindung des Äthers verdrängt worden. Umfassende schriftliche Wissenschaftsberichte dazu sind weitgehend erst in den letzten Jahrzehnten in Lehrbuchkapiteln (z. B. Schmierer 2001; Kossak 1989, 2004) zu finden; spezielle Fachbücher kommen erst in neuerer Zeit auf (z. B. Gerschman et al. 1980; Schmierer 1993; Schmierer u. Schütz 2007). Das
Interesse an Hypnose hat in den letzten 2 Jahrzehnten im Zahnarztbereich deutlich zugenommen. Die Angebote zur Hypnoseausbildung für Zahnärzte entwickelten sich zunehmend – so beispielsweise in Schweden und USA –, sie sind jedoch immer noch relativ selten. Von allen Ausbildungsstätten für den Zahnarztberuf in Nordamerika (also USA und Kanada) bieten nur 26% Ausbildungskurse in klinischer Hypnose an, meist nur mit einer 1- bis 2-stündigen Einführung in Hypnose (Clarke 1996). Die Zahl der behandelnd tätigen Zahnärzte in Deutschland liegt bei knapp 67.157 – mit zunehmender Tendenz, besonders bei den Zahnärztinnen (Statistik der Bundeszahnärztekammer 2010). Analog ist die Wissenschaftsrichtung der Kinderzahnheilkunde sehr jung, jedoch berichtet bereits Bernick (1972) kurz über die Anwendung von Entspannung, Suggestion und Hypnose in der Kinderzahnheilkunde und weist die Pädiater auf das hin, was sie über Kinderzahnheilkunde wissen sollten. Die in der Kinderzahnheilkunde mit Hypnose erzielten Therapieergebnisse sind beeindruckend und dokumentieren eindeutig deren große Wirkung und Berechtigung. Nach unseren Analysen gibt es zu diesem Spezialbereich bislang noch relativ wenig an Literatur. Meist sind es kürzere Berichte, die die Wirkung der Hypnose bei Kindern und Erwachsenen mit Dentalfurcht betonen und gleichzeitig ihre seltene Anwendung bedauern (Schmierer 1993; Shaw u. Niven 1996). Dies wird auch in Australien (Wright et al. 1991) und in Israel festgestellt (Peretz et al. 2003). In fast allen Untersuchungen oder Praxisberichten wird die Anwendung von Verhaltenstherapie, oft kombiniert mit Hypnose, als erfolgreich beschrieben (z. B. Vinckier u. Vansteenkiste 2003; Rinchuse u. Rinchuse, 2001). Dabei werden meist Imaginationstechniken bei der Unterstützung der Lokalanästhesie angewandt (Peretz u. Bimstein 2000). In der gesamten vorgenannten Literatur wird nicht erwähnt, dass Hypnose in der Kinderzahnheilkunde einen hohen Stellenwert einnimmt. Vereinzelt liegt deutschsprachige Literatur vor, wie der von A. Schmierer (2002 b) herausgegebene Sammelband »Kinderhypnose in der Zahnmedizin« und seine gleichnamige DVD (Schmierer
1.1 • Geschichte, mediale Wirkungen und Erklärungsmodelle der Hypnose
2006), sowie andere Publikationen beispielsweise von Schoderböck und Benecke (2002), Zehner (2004) und Stein (2009). In diesen Veröffentlichungen gibt es konkrete Darstellungen, die die zentrale Bedeutung der Hypnose in der Praxis des Kinderzahnarztes verdeutlichen.
1.1.2
Hypnose in den Medien
Bei der Darstellung der Geschichte der Hypnose soll auch deren Auswirkung auf die unterschiedlichen Medien und Modewirkungen aufgezeigt werden, denn diese wirkten sich ihrerseits rückkoppelnd auf das Meinungsbild aus, das sich die Öffentlichkeit über Hypnose machte und immer noch macht. Die Informationen aus den Printmedien (wie Illustrierte, Regenbogenpresse, Comics) und aus Fernsehsendungen über Show- und Tierhypnose sind wahrscheinlich breiter gestreut und meinungsbildender als das Wissen über die wissenschaftliche und klinische Hypnose. Diese Medieninformationen können zu Widerständen gegenüber Hypnose führen – oder Neugier erwecken. Deshalb sollte jeder Fachmann, der mit Hypnose arbeitet, auch über die Darstellung der Hypnose in den Massenmedien informiert sein.
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Im Comic werden fast alle Phänomene der Hypnose überhöht dargestellt, um sie dramatisch ins Bild zu setzen, dazu auch solche, die es nicht gibt und nur Vorurteile bestätigen wie Schnelligkeit der Induktion, Energieblick und Irresein in Hypnose. Eine reale Hypnoseszene, bei der der Patient ruhig sitzt und bei der kaum etwas äußerlich Sichtbares zu erkennen ist, ist für den Comic dramaturgisch wenig interessant (Kossak 1999). Da gerade Kinder Comics lesen, sind sie durch die darin enthaltenen Aussagen positiv oder negativ beeinflusst, was es zu wissen und zu nutzen gilt.
Showhypnose Über Showhypnose erhitzen sich stets die Gemüter, da man die angebliche Wirkung der Hypnose konkret im Fernsehen oder auf der Bühne sehen kann. Der Autor (H.-C. Kossak) konnte sich als Hobbyzauberer mit den Hintergründen dieses Showgeschäfts befassen. Da der Showhypnotiseur durch seine Effekte beeindruckt, ist seine Show bei vielen Personen, besonders Kindern, unkritisch meinungsbildend. Deshalb sollte sich jeder Hypnosefachmann damit auseinandersetzen, um mit den dadurch geformten Vorurteilen umzugehen und durch Aufklärung Angst abbauend zu wirken.
Wirkfaktoren der Showhypnose
Literatur und Comic Bereits von William Shakespeare (1564–1616) wird Hypnose in »Der Sturm« erwähnt. Zwei Jahrhunderte später begegnen wir Hypnose in der Literatur der Romantik. In Deutschland greift E. T. A. Hoffmann (1776–1822) das Thema des Magnetismus z. B. in den Novellen »Der Magnetiseur« und »Sandmann« auf. Hierdurch wurde eine ganze Lawine von Literatur ausgelöst, die sich mit gespaltenem Bewusstsein, unerklärlichem Verhalten etc. befasst wie z. B. Stevenson (1850–1894) im Roman »The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde« (1886). Hypnose wird auch in der neuzeitlichen Literatur oft dann erwähnt, wenn etwas Unerklärliches passiert oder Personen starr fasziniert von etwas und dann »… wie hypnotisiert …« sind. In Kriminalromanen und ähnlichem Genre dient Hypnose als dramaturgisches Mittel, um Mörder und ähnlich schlimme Kriminelle ohne Fingerabdrücke agieren zu lassen.
Primäre Wirkfaktoren der Showhypnose sind: Erwartungshaltungen, Selektion der Mitwirkenden, Gruppendruck auf der Bühne, Gefälligkeitsreaktionen, Wichtigtuerei, Eingeweihte und (apparative, chemische, manipulative) Zaubertricks. Der Showhypnotiseur lässt nur die Verhaltensweisen zu, die für die Show dienlich sind. Dies alles schließt nicht aus, dass einige Mitwirkende tatsächlich in »Trance« sind. Da der Showhypnotiseur deren Vorgeschichte nicht kennt und er nie individuell auf sie eingeht, können unkontrollierte Reaktionen ausgelöst werden, die mit starken psychopathologischen Folgen verbunden sind (ausführlich zur Showhypnose in: Kossak 2004).
Tierhypnose Als Zeichen der Tierhypnose wird gern die Schlange zitiert, die das Kaninchen hypnotisiert. Man schließt hier von der Körperstarre des Kaninchens und dem starren Blick der Schlange auf ein bislang
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Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
unerklärbares Hypnoseverhalten. Aber: Das Kaninchen bleibt bei Gefahr stets starr sitzen (auch ohne Schlange), da es dadurch am besten getarnt ist. Die Schlange kann aufgrund ihres optischen Apparates nicht anders als starr zu blicken und bleibt ruhig, um sich dadurch ebenfalls zu tarnen. Bei vielen anderen Tierbeispielen können ähnliche Körperstarren sehr unterschiedlich erklärt werden, so mit Kopulationsstarre, Schreckstarre, Mimikry etc. Keinesfalls ist hier Hypnose nachzuweisen, wie sie von Fachleuten definiert wird. In der angloamerikanischen Fachliteratur der Medizin und Pharmakologie bezeichnet der Terminus »animal hypnosis« jedoch keinesfalls die hier gemeinte Hypnose, sondern dem griechischen Wortstamm folgend ein Tier, das mit z. B. Pharmaka (unterschiedlicher Art) in Schlaf versetzt bzw. narkotisiert wurde. Dieser Sprachgebrauch führt mitunter zur Verständnisverwirrung und lässt fälschlicherweise auf Tierhypnose im eigentlichen Sinne schließen (7 Abschn. 6.1.5).
1.1.3
Theorien der Hypnose
Nach dieser Form der Aufklärung, was Hypnose meist nicht ist, können wir uns nun ihren wissenschaftlichen Theorien und Definitionen zuwenden. Von je her versuchte man, das Phänomen der Hypnose mit seinen Wirkmechanismen wissenschaftlich zu erklären. Fallberichte und Experimente aus den Bereichen der Gedächtnisforschung, Hirnforschung, der allgemeinen und speziellen Physiologie, Immunologie, Psychotherapie etc. tragen dazu bei. F. A. Mesmer erklärt im 18. Jahrhundert die Wirkung der Hypnose noch mit scheinbar materiellen Faktoren wie z. B. Magnetismus oder Fluidum. Spätere Erklärungen sind zunehmend mehr empirisch-naturwissenschaftlich ausgerichtet und basieren auf psychologischen und sozialen bis hin zu hirnphysiologischen Modellen. Unter den zahlreichen Theorien sind die Neo-Dissoziationstheorie, psychoanalytische Theorien und Modelle der Verhaltenstheorie und Sozialpsychologie zu nennen. Bevorzugt wird zurzeit das Modell des radikalen Konstruktivismus. Danach bilden externe Reize energetische Randbedingungen für die Inhalte,
die das kognitive System selbstrefenziell erzeugt: Wahrnehmung und Bedeutungszuweisung sind intern generiert, also von unserem Gehirn konstruiert – und werden von dort aus extern auf die Dinge projiziert (Kruse u. Stadler 1990). Auch seelische Störungen werden als z. B. kognitive Konstruktionen der Wirklichkeit erklärt. In Hypnose soll eine alternative Wirklichkeit konstruiert werden, mit der die Person neue Erfahrungen sammelt, die sie dann für die »normale« Wirklichkeit übernehmen kann (Peter 2001). Da man bislang annahm, dass Hypnose durch einen veränderten Bewusstseinszustand erklärbar ist, fand dies auch Widersacher. Grob orientierend konnte man danach die Theorien in die beiden Lager »State« (Hypnose ist ein besonderer Bewusstseinszustand) und »Non-state« (kein besonderer Bewusstseinszustand) einordnen. Die immer wieder aufkommenden Ergebnisse und Forschungen dazu führen gegenwärtig zu einer Revision dieser Dichotomie. Dazu trugen in hohem Maße die modernen neuropsychologischen Untersuchungsmethoden des Gehirns mit PET, SPECT und fMRT bei. Sie lassen differenzierte Aussagen über unterschiedliche Hirnaktivitäten in Hypnose zu. Danach ist Hypnose ein psychologischer Zustand mit unterschiedlichen neurologischen Mustern (Halsband 2004). Dieser Zustand ist somit nichts Einzigartiges, kein »besonderer Prozess« oder »spezieller Prozess«, der nur unter besonderen Bedingungen im Alltag zu erreichen ist (Barabasz 2004). Hypnose ist vielschichtig und auf einem Kontinuum von Erlebens- und Reaktionsmöglichkeiten anzusiedeln. Bei Hochhypnotisierbaren ist sie ein Bereich ihres Alltagslebens.
Bedeutung für die Praxis Für den Praktiker haben diese vermeintlichen Polarisierungen der Hypnosetheorien jedoch kaum praktische Bedeutung. Aus der Perspektive der Theorie und der Praxis ist Hypnose die Folge mehrdimensionaler Ursachen, die als Erwartungshaltungen, Sozialfaktoren und Suggestionen bestehen – je nach intendierter Zielrichtung mit unterschiedlichen Ausprägungen (Killeen u. Nash 2003). Je nach seiner Theorieorientierung wird der Praktiker z. B. als psychoanalytisch oder verhal-
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1.2 • Durchführung der Hypnose und theoretische Konzepte
tenstherapeutisch ausgerichtete Fachperson mehr zu Konzepten mit z. B. unbewussten Modellen oder anderen Denkrichtungen wie Lerngesetzen neigen und dadurch die bestimmten Erklärungsmodelle der Hypnose bevorzugen, die diesen entsprechen.
1.1.4
Moment ihre Konzentration auf einen andern Fokus richten. Für die Kinderzahnbehandlung bedeutet das nicht nur, dass der kleine Patient sich durch Kinderhypnose entspannen und seine Wahrnehmung auf häufig wechselnde angenehme Imaginationen richten kann (QuickTimeTrance, 7 Abschn. 5.4.2). Auch das Behandlungsteam wird bei der Kinderhypnosebehandlung durch fokussierte Aufmerksamkeit selbst in Trance gehen und störende periphere Einflüsse ausblenden. Somit kann es sich ganz der Aufgabe widmen, das zu behandelnde Kind in einem guten Zustand zu erhalten und gleichzeitig die Behandlung seiner Zähne fachlich korrekt durchzuführen.
Definition der Hypnose
Bei der Vielfalt der durch Hypnose bewirkten kognitiven, physiologischen, motorischen oder emotionalen Verhaltensweisen gab es je nach Theorierichtung der einzelnen Experten sehr zahlreiche und sehr unterschiedliche Definitionen der Hypnose. Die unterschiedlichen Bedeutungen in der Verwendung des Begriffs »Hypnose« 5 Hypnose als die Kurzbeschreibung eines bestimmten Einleitungsrituals wie z. B. die Augenfixation eines Punktes im Raum (= Induktion). 5 Hypnose als tiefe Entspannungsform. Meist erfolgt diese sofort auf die Einleitung. 5 Hypnose als Behandlungsform. In dieser dritten Phase erfolgt die therapeutische Intervention. 5 Hypnose als Erlebensform bezeichnet die bei der hypnotisierten Person erzeugten Verarbeitungsprozesse wie Wahrnehmungs-, Zeit- und Gefühlsveränderungen.
Zu beachten ist, dass Hypnose nur dann mit Entspannung gleichzusetzen ist, wenn die dafür relevanten Suggestionen wie Ruhebilder (z. B. am Meeresstrand) befolgt werden. Praxis konkret – Kurzdefinition Die sehr komplexe Vorgehens- und Erlebensweise bei der Hypnose ist als ein Zustand aufmerksamer, rezeptiver, intensiv fokussierter Konzentration bei gleichzeitig herabgesetzter peripherer Bewusstseinslage zu bezeichnen (Spiegel u. Spiegel 1978, S. 23). Kinder können diesen Zustand spontan erreichen, aber ebenso spontan im nächsten
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1.2
Durchführung der Hypnose und theoretische Konzepte
Dargestellt werden die Einleitung der Hypnose und Kommunikationsformen in der Hypnose.
1.2.1
Die Einleitung der Hypnose – Induktion
Bemerkungen zur Induktion Wie bereits erwähnt, ist die Einleitung der Hypnose ein bestimmtes Ritual zur Einengung der Aufmerksamkeit, die immer mehr nach innen gerichtet werden soll. Dazu müssen geeignete Wortformulierungen oder Interventionen gefunden werden. Dies führte häufig dazu, komplexe Sammlungen von zahlreichen Induktionsmethoden anzubieten, die als eine Art »Trickkiste« alle Beeinflussungsmöglichkeiten abdecken sollten (z. B. Teitelbaum 1969). Entsprechend werden zu dieser Vielfalt zahlreiche Erklärungs- und Handlungsmodelle formuliert bzw. angeboten. Da letztlich die Kooperation in eine bestimmte Richtung hin erreicht werden soll, sind allgemein diejenigen Methoden sinnvoll und wirksam, die beim Patienten die Kooperation genau für diese Verhaltensweisen (wie z. B. Entspannung) bewirken.
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Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
Hinweise für die Kinderpraxis Für Kinder sind solche Induktionsmethoden sinnvoll und effektiv, die die sprachlichen und entwicklungsbedingten Möglichkeiten des Kindes berücksichtigen. Nur dann wird der Therapeut die Aufmerksamkeit des Kindes erreichen und über einige Zeit aufrechterhalten können. Somit kann das präverbale Summen für das Kleinkind bedeutungsvoll sein, die Handpuppe für das Grundschulkind usw. Gerade Kinder sind schnell ablenkbar, schwanken also in ihrer Aufmerksamkeit. Deshalb sollte der Therapeut immer sehr permissiv vorgehen und flexibel unterschiedliche Methoden oder Objekte bereithalten, die von diesem Kind akzeptiert werden bzw. seine Aufmerksamkeit anziehen. Hinzu kommt, dass diese Methoden zusätzlich die Aufmerksamkeit von der Angst des Kindes oder von seinen Schmerzen weglenken sollen. In 7 Kap. 5 befassen wir uns ausführlich mit der Praxis der Induktion für Kinder bei der Zahnbehandlung.
Formen der Induktion Punktfixation Die klassische Form ist die Punktfixation, bei der der Patient durch ruhige permanente Instruktionen veranlasst wird, einen Punkt mit den Augen zu fixieren. Dadurch tritt eine Augenermüdung ein, die als Suggestion der Müdigkeit und Entspannung formuliert wird, bis der Patient nach wenigen Sekunden die Augen schließen wird und nun anweisungsgemäß seine Aufmerksamkeit nach innen richtet.
Direkt oder indirekt – »Erickson« oder »Klassik«? Milton H. Erickson (1901–1980) entwickelte eine moderne Hypnosemethode, die sich wohltuend von der bisher autoritär geführten Hypnose und ihren Befehlssuggestionen unterscheidet. Seine Methode ist u. a. durch sein indirektes Vorgehen gekennzeichnet, wie es vor ihm bereits Carl R. Rogers (1902–1987) propagierte und in die Therapie und Kommunikation einführte. Begeistert von der Erickson-Methode grenzten sich dessen Anhänger anfangs stark ab und sahen andere Hypnosemethoden als »direkt« oder sogar »autoritär« an. Bei dieser Gegenüberstellung »direkt versus indirekt« begegnen wir einem zentralen Aspekt der
Methode Ericksons: Änderungen und Suggestionen möglichst indirekt zu bewirken und dadurch Widerstände zu verringern. Diese durchaus effektive, aber auch von Erickson flexibel und nach Bedarf angewandte Methode wurde fast zur Ikone späterer Hypnoseanwender. Zu schnell wurden alle Suggestionen oder Vorgehensweisen, die nicht »indirekt« waren, als autoritär oder unmodern verpönt, obwohl sie fachlich richtig und effektiv durchgeführt wurden. Diese »Tyrannei der Indirektion« (Hammond 1986, S. 7) wurde dadurch gemildert, dass auch in zahlreichen klinischen Vergleichsstudien keine der beiden Methoden durchgängig als effektiver ermittelt wurde (z. B. Fourie 1997; Matthes u. Isenberg 1992). Die Effektivität von direkten oder indirekten Suggestionen wurde von zahlreichen Forschern untersucht; viele Autoren fanden keine Unterschiede in ihren Auswirkungen (z. B. Matthes u. Isenberg 1992; Spinhoven 1988). Bongartz (1997) konnte dagegen eine stärkere Wirkung indirekter Suggestionen auf tiefere physiologische Entspannung nachweisen. Die Frage nach der besten Formulierung kann also noch nicht beantwortet werden (Peter u. Revenstorf 2000). Beide Vorgehensweisen oder Hypnoseformen haben ihre Schwächen und Stärken; es sollte demnach keine »Idealkonkurrenz« zwischen ihnen geben, da sie je nach Klienten- und Störungsstruktur sinnvoll eingesetzt äußerst effektiv sind. Der gute Therapeut sollte deshalb in beiden Formen so bewandert sein, dass er sie dem Bedarf entsprechend flexibel einsetzt (Hole 2003). Dies entspricht auch unserer Einstellung als Zahnärztin und Psychotherapeut, die mit unterschiedlichen Hypnosemodellen arbeiten, sich in ihrer Arbeit jedoch gern ergänzen und dadurch bereichern – auch zum Wohle ihrer kleinen und großen Patienten. Praxis konkret – Hypnosemethoden Für den Praxisanwender ist es wesentlich, die für seinen Patienten und seine geplante Intervention vorteilhafte Methode zu finden. Im Bereich der Kinderhypnose ist zu bedenken, dass indirekte Aufforderungen Verunsicherungen bewirken können; andererseits sind Kinder gerade über Figuren und Märchen indirekt gut zu erreichen.
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1.2 • Durchführung der Hypnose und theoretische Konzepte
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Fraktionierung
Exkurs
Oskar Vogt (1895) entwickelte die fraktionierte Induktion. Dabei wird die Hypnose eingeleitet und unvollständig zurückgenommen. Der Patient berichtet dann über seine Hypnoseerfahrungen, die vom Therapeuten in die gewünschte Richtung verstärkt werden. Anschließend wird die Hypnose fortgesetzt. Durch mehrfache derartige Unterbrechungen (Fraktionierungen) der Hypnose erfolgt ein systematischer Aufbau der Kooperation in Hypnose, die immer tiefer wird. Im verhaltenstherapeutischen Sinn liegt hier eine Verhaltensformung bzw. ein Verhaltensaufbau im Sinne eines Shapings vor (Kossak 2004).
Basierend auf dem Nachweis der funktionalen Hemisphärenunterschiede werden rechtshemisphärische Inhalte (Fantasie, Emotionalität, Denken in Bildern) in das linke Ohr und linkshemisphärische Inhalte (logisches Denken, Abstraktionsfähigkeit) in das rechte Ohr gegeben. Hierbei muss kritisch angemerkt werden, dass diese Form der Doppelinduktion nur bei sog. dichotischem Hören wirksam sein kann, wenn also die beiden Induktionen über Kopfhörer getrennt auf jedes Ohr gegeben werden. Andernfalls hören beide Ohren beide Instruktionen (Springer u. Deutsch 1999). Praxis konkret – Doppelinduktion
Praxis konkret – Fraktionierung Die Methode der Fraktionierung ist besonders bei konzentrationsschwachen, wenig aufmerksamen Patienten, also besonders bei Kindern angezeigt. Da Kinder häufig von sich aus die Kontinuität der Induktion oder die der gesamten Hypnose öfter unterbrechen, erfolgt dadurch bereits eine Fraktionierung. Kinder lieben Wiederholungen und Rituale, somit ist die Fraktionierung für sie in doppelter Weise hilfreich. Dieser Aspekt wird noch durch die bewusste Unterbrechung der Behandlung unterstützt, wie in 7 Abschn. 5.4.1 ausführlich beschrieben.
Handlevitation Oft wird die Suggestion der Handleichtigkeit oder des Armhebens zur Induktion verwandt. Meist reicht es sogar aus, wenn der Therapeut eine Hand des Patienten ergreift und anhebt, um in Verbindung mit entsprechenden Suggestionen, z. B. der Entspannung, die Hypnose einzuleiten (7 Abschn. 1.4.5).
Doppelinduktion Bei dieser Induktionsform erfolgt die Einleitung der Trance durch 2 Personen, die sich jeweils links und rechts vom Patienten befinden und synchron unterschiedliche verbale Induktionsinformationen geben. Dadurch erfolgt eine Überladung der Wahrnehmung und gleichzeitig Konfusion, was eine tiefere Trance bewirken soll.
Aus unserer Perspektive der Praxiserfahrung wird das Kind auf die Doppelinduktion häufig mit Ablenkung von seiner Angst oder seinem Schmerz reagieren und ist deutlich im gewünschten Sinne tranceförderlich verwirrt.
1.2.2
Rapport als tiefe Kommunikation
Rapport bezeichnet allgemein die wechselseitige Beziehung zwischen Menschen – hier Patient und Therapeut – und die mit ihr verbundenen verbalen und nonverbalen Kommunikationsvariablen als Grundvoraussetzungen in jeglicher Psychotherapie (Kossak 2004). Bereits in den wissenschaftlichen Anfängen der Hypnose ist der Rapport bedeutsam, da der Patient nur in einer vertrauensvollen Beziehung so kooperieren wird, dass er auch den Kontakt mit den Inhalten zulässt, die bislang mit Angst oder Schmerz besetzt waren. Je besser der Rapport gestaltet ist, umso stärker wird sich die Person an ihren Gesprächspartner anpassen. Zur Förderung der Hypnose sollte der Therapeut die vom Patienten verwandte Sprache und auch seine darin benutzten Bilder übernehmen, also so viel an vorhandenen Patientenressourcen nutzen wie möglich.
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Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
Praxis konkret – Rapport
Praxis konkret – Pacing
Begegnet der Therapeut der magischen Eigenwelt des Kindes in dessen Entwicklungsstufe und damit mit dessen Themen und Figuren (Märchen, Comic etc.), wird er vom Kind schneller akzeptiert und eine vertrauensvolle Unterhaltung entsteht, die die Hypnoseinterventionen begünstigt.
Gerade Kinder benötigen in der Behandlungssituation Verständnis und Mitgefühl, das aus der aktuellen Situation heraus zu »pacen« ist (Schmierer u. Schütz 2007). Besonders für Kinder sind hier Handpuppen sehr geeignet, die das Verhalten des Kindes begleiten.
Ja-Haltung – Yes-Set In der Hypnosekommunikation mit dem Patienten verwendet der Therapeut möglichst solche Formulierungen, die dem Klienten nicht nur geläufig sind, sondern die solche Allgemeinplätze beinhalten, dass er ihnen nur zustimmen kann (= Truismen); dazu gehören auch alltägliche Binsenwahrheiten (Bongartz u. Bongartz 1998). Beispiele dazu sind »Das (Instrument) hier glänzt so silbern; das Licht da oben ist hell; ah, das Wasser plätschert (im Becken); heute ist es aber schön warm draußen.« Ebenso werden Verneinungen vermieden (7 Abschn. 1.3.2) und durch positive Formulierungen ersetzt. Dadurch wird der Rapport verbessert und Widerstände reduziert.
Auch wenn das Kind seinen Mund nicht öffnen will, kann dieses Verhalten von der Puppe übernommen werden, um es dann zu verändern – und dem Kind dadurch die Angst zu nehmen.
Leading (Führen)
Zur Verbesserung des Rapports wird 2 Aspekten besondere Bedeutung beigemessen, die den Rapport und die Hypnosevertiefung verbessern sollen – dem Pacing und dem Leading.
Nachdem der Therapeut erfolgreich im Pacing war, kann er den Patienten nun darin verbal oder nonverbal anleiten, mit ihm bestimmte therapeutische Verhaltensweisen aufzubauen. So kann er die geplante Intervention einleiten, indem er z. B. seine Atmung verlangsamt und den Patienten dadurch zu einer langsameren und tieferen Atmung, also zur tieferen Entspannung führt (z. B. Erickson u. Rossi 1999). Die Prinzipien des Folgens und Führens als psychologische Aspekte u. a. des Denkens, Fühlens und der Interaktion werden von vielen Therapeuten als zentrale Elemente der Methode von Erickson angesehen (Bandler u. Grinder 1975). Sie werden häufig benutzt, da ihre Wirkungen anschaulich nachvollziehbar sind, die experimentellen Belege dazu sind bislang jedoch noch nicht erbracht worden.
Pacing (Folgen, Angleichen, Begleiten, Mitgehen)
1.2.3
Begleiten und Führen – Pacing und Leading
Mit der Methode des Pacing erfolgt eine Widerspiegelung des Patientenverhaltens. Direkt und verbal wird z. B. die Körperhaltung des Patienten beschrieben, indirekt und nonverbal wird seine Körperhaltung nachgeahmt. Zur nonverbalen Vertiefung sollte der Therapeut auch seinen Atemrhythmus mit dem des Patienten synchronisieren. Auf der verbalen Ebene werden Stimme, Tonlage, Lautstärke und Sprechrhythmus gespiegelt.
Die Sinnesmodalitäten
Soll der Rapport aufgebaut, aufrechterhalten oder vertieft werden – oder soll Verhalten in Hypnose (z. B. als Halluzination) erzeugt werden, benutzen wir die Sprache wie z. B. »Du bist jetzt im Zauberwald.« Es sollen damit Erlebnisse und Gefühle angeregt werden, deren Bedeutungsgehalt nur indirekt über Worte und grammatikalische Konstruktionen kodiert und dekodiert werden können. Dies ist ein sehr komplexer, störanfälliger und wenig direkter Weg. Sprechen wir dabei jedoch die zur Szene gehörenden elementaren Sinnesmodalitäten
11
1.2 • Durchführung der Hypnose und theoretische Konzepte
1
. Tab. 1.1 Wahrnehmungsbereiche und Sinneskanäle. Unsere Wahrnehmung erfolgt über die verschiedenen Sinneskanäle bzw. über die Wahrnehmungsorgane Wahrnehmungsbereich
Sinneskanal
1
Visuelle Wahrnehmung
Sehen
2
Auditive Wahrnehmung
Hören
3
Kinästhetische Wahrnehmung
Bewegung, Lage, Kraft und ihre Richtungen
4
Olfaktorische Wahrnehmung
Riechen
5
Gustatorische Wahrnehmung
Schmecken
6
Taktile Wahrnehmung
Tasten
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Temperatursinn
Thermorezeption
8
Schmerzempfindung
Nozizeption
9
Vestibuläre Wahrnehmung
Gleichgewichtssinn
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Körperempfindung
Propriozeption
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Viszerale Wahrnehmung
Eingeweideempfindungen
an (»Bunt glitzernde Bäume, Tiere, der Duft nach Blumen und Früchten, das Rauschen des Zauberwindes, das Gefühl von Leichtigkeit und Wohlbefinden«), werden sehr direkt die damit assoziierten Affekte evoziert, die ein plastisch ganzheitliches und emotional nahes Erlebensszenario entstehen lassen. Die Imaginationswelt wird dadurch umso realitätsnaher konstruiert bzw. erlebt – und das Kind befindet sich dann »tatsächlich« in dieser Szene. Auch Handlungen und Interaktionen in Hypnose wie z. B. das Probehandeln aus der Verhaltenstherapie sind dabei so erlebensintensiv, dass sie die zu den Handlungen gehörenden Hirnaktivitäten und Lernprozesse aktivieren (z. B. Halsband 2004). Diese in Hypnose neu erworbenen Handlungs- oder Bewertungsmuster stehen dann nach der Hypnoseintervention wie gemachte Realerfahrungen zur Verfügung, so z. B. bei der Angstbewältigung. In Hypnose müssen demnach je nach Problemund Zielstellung unterschiedliche Sinnesmodalitäten angesprochen werden. Ihrer Bedeutung wollen wir uns jetzt zuwenden (. Tab. 1.1). Bei der Einteilung der Sinne begegnen wir sehr unterschiedlichen Systemen und Nutzungsmodellen:
5 Klassisch werden 5 Sinne genannt (. Tab. 1.1, Nr. 1–2 und 4–6); 5 durch die Physiologie werden weitere Sinne hinzugefügt (Nr. 7–11); 5 Nahsinne sind: Sinnesorgane der Haut und der Geschmacksinn (Nr. 3, 6, 7); 5 Kinästhetik: Wesentlich sind taktile, vestibuläre und propriozeptive Sinne (Nr. 3, 9, 10); 5 NLP: Bedeutungsvoll sind hier die 5 Sinnesmodalitäten VAKOG (Nr. 1, 2, 3, 5, 6, s. unten). Allein diese Einteilungen machen deutlich, dass den unterschiedlichen Sinnen sehr unterschiedliche Bedeutungen in ihrer Verarbeitung und Beziehung zu Veränderungsstrukturen beigemessen werden.
VAKOG Eine alte schulpädagogische Weisheit ist, einen Lerninhalt über möglichst viele Sinne zu vermitteln, um ihn dadurch »begreifbar« zu machen und im Gedächtnis stabil zu verankern. Dies wird vom neurolinguistischen Programmieren (NLP) aufgegriffen. Danach werden die Fernsinne visuell, akustisch (. Tab. 1.1, 1 u. 2) und die Nahsinne kinästhetisch, olfaktorisch, gustatorisch (3, 4, 5) als bedeutsam benannt. Abgekürzt
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1
Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
wird diese Gruppierung von Sinnesmodalitäten mit ihren Anfangsbuchstaben: VAKOG. Diese Gruppierung kann nur als Merkhilfe gedacht sein, da z. B. der Berührungssinn (taktil) und der Temperatursinn nicht berücksichtigt sind – und je nach Symptomatik sind andere Gruppierungen als sinnvoll zu erachten, so z. B. sind bei Verdauungsproblemen (Colon irritabile) die viszeralen Wahrnehmungen äußerst bedeutsam. Für die Eingrenzung auf die 5 Wahrnehmungsbereiche gibt es auch keine empirischen Belege; sie sollen eine rein pragmatische Konstellation sein. Sie soll daran erinnern, in hohem Maße die für den Patienten individuell bevorzugten Wahrnehmungsmodalitäten zu verwenden, was therapeutisch eigentlich selbstverständlich sein sollte.
Sinnesmodalitäten für Kinder Die Wahrnehmungspräferenzen (z. B. VAKOG) können verbal exploriert werden, jedoch gerade von Kindern oft nur vage genannt werden. Nach unseren Praxiserfahrungen haben Kleinkinder noch keine ausgesprochenen Wahrnehmungspräferenzen. Deshalb sollten alle Sinnesmodalitäten einbezogen werden: »Stell Dir vor, was Du im Zauberwald siehst, hörst, riechst, schmeckst usw. – und wie toll sich das anfühlt, im Zauberwald zu sein. Vielleicht gibt es hier bunte Elefanten ….« Hier sollten dann möglichst konkrete Angebote gemacht werden. Anstatt einer Befragung ist es also wesentlich aussagekräftiger, mit einer »Testszene« zu arbeiten wie z. B. »Zauberwald; Das Märchen von Hasen und Igel« und dabei die Reaktionen des Kindes zu beobachten. Allein durch die unterschiedliche spontane Kooperation, evtl. auch durch sein Schnüffeln oder Kopfanheben, sind die Bevorzugungen des Kindes schnell zu erkennen. Sie können dann durch den spontanen Erfahrungsbericht des Kindes ergänzt werden.
1.2.4
Kommunikation in Hypnose
Der Rapport als Basis der therapeutischen Kommunikation ist – wie bereits oben dargestellt – auch in der Hypnose besonders wichtig. Wir befassen uns nun mit den Aspekten, die auf die (ebenfalls
bereits dargestellte) Induktion folgen. Sie wurden teilweise von M. H. Erickson als Grundbestandteile der Hypnotherapie angesehen, teilweise sind sie davon unabhängige Elemente jeder Therapie bzw. Psychotherapie – dort nur unter anderen Namen gebräuchlich. Teilweise wurden sie über den Umweg des NLP unter anderen Namen wieder reimportiert. Die Kommunikationsmöglichkeiten für unseren Bereich der Kinderhypnose beim Zahnarzt sollen nachfolgend umrissen werden.
Utilisation Grundlage ist hier der alte Spruch: »Hole den Patienten dort ab, wo er gerade steht.« So greift der Therapeut die Berichte oder Handlungen des Kindes auf und bezieht sie in seine Induktion und Suggestion mit ein (z. B. Holtz 2000). Dabei passt sich der Therapeut den Fähigkeiten und Möglichkeiten des Patienten an. Das heißt: Nutzung der vom Patienten vorgegebenen Werte und seines kogitiven, emotionalen und interaktionalen Stils. Dies beinhaltet auch Pacing und Leading (s. oben). Dadurch fühlt sich der Patient verstanden, akzeptiert, wird weniger Veränderungsangst und Widerstände aufbauen – und dann leichter Veränderungen zulassen.
Ressourcenerschließung Vorhandene Fähigkeiten des Patienten werden erkannt und als seine Stärke z. B. für die Induktion oder Aspekte der Therapie nutzbar gemacht. Aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen werden vom Patienten oft einseitige Bewertungen (von z. B. Situationen, Denkrichtungen, Gefühlen) vorgenommen, die Problembewältigungen erschweren; andererseits werden durch diese Erfahrungen Problembewältigungen ausgegrenzt, die hilfreich wären. Sie werden in der Therapie als Ressourcen wieder zugänglich gemacht. Praxis konkret – Beispiele für Ressourcen Berichtet das Kind von seiner Lieblingsbeschäftigung Reiten, wird dies aufgegriffen und in die Hypnoseinduktion einbezogen: »Du sitzt nun auf Deinem Pferd und spürst deutlich seine Bewegungen … und reitest über eine schöne Wiese. Dabei kannst Du wunderbar
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1.2 • Durchführung der Hypnose und theoretische Konzepte
abschalten, das Gras duftet, Du siehst bunte Blumen, hörst das Windrauschen ….« (VAKOG). Erzählt das Kind begeistert von seinem Lieblingsessen wie z. B. Schokoladenpudding, dann können im Zauberwald riesige Berge aus Schokoladenpudding erscheinen, die wunderbar duften und zur Entspannung und Ablenkung beitragen.
Beiläufigkeit Für die Therapie wichtige Suggestionen werden beiläufig geäußert, also indirekt, eingestreut, metaphorisch, anekdotisch. Es wird davon ausgegangen, dass sie dennoch unbewusst aufgenommen und verarbeitet werden und so zu Veränderungen beitragen. Hinzu kommt auch, dass dadurch das Wegrücken vom Aufmerksamkeitsfokus Widerstände reduziert und der Patient die Befolgung der Suggestionen eher zulässt.
1
sind. Derartige Muster sind: »Ein Zahnarzt ist gefährlich, fügt Schmerz zu.« oder »Sobald ich Geräusche oder Gerüche aus der Zahnarztpraxis höre, bekomme ich Angst.« Praxis konkret – Beispiele für Musterunterbrechung 5 Das Muster »Zahnarztpraxis = unangenehme Erlebnisse« wird unterbrochen durch Handpuppen und Geschichtenerzählen. 5 Die Beziehung von Geruch und Angst im Behandlungsstuhl wird aufgelöst. 5 Das Reaktionsmuster »Behandlungsgeräte sehen und verspannen« wird entkrampft. 5 Das Reaktionsmuster »Anspannung-Lippensaugen-Daumenlutschen« wird durch Alternativen unterbrochen wie Fingerspiele, Esspapierübung (7 Abschn. 5.2.3).
Minimale strategische Veränderungen
Ankern
Minimale Veränderungen reduzieren Widerstände und lassen so weitere Veränderungen zu. Werden sie an strategisch relevanten Problemstellen und Stellen des geringsten Widerstandes eingeführt, kann diese minimale Veränderung ausreichen, um eine Umstrukturierung und Neuorganisation des Problemverhaltens zu bewirken.
Der Begriff des »Reframing« – deutsch: »Umdeutung« (Neurahmung) – stammt aus der systemischen Familientherapie von Virginia Satir (Satir et al. 2000). Durch Umdeutung wird einer Situation, Gedanken oder Gefühlen eine andere Bedeutung oder ein anderer Sinn zugeteilt, indem man diese in einem anderen Kontext (= Rahmen) sieht. So kann der ängstigende Bohrer dann ein surrendes Bienchen oder rumpelnder Trecker werden, die Sonde als Zahnteufelchensucher usw. (Näheres dazu in 7 Abschn. 5.2.5).
Das NLP benennt als Ankern das, was lange schon als Assoziation oder Konditionierung bekannt ist: die erlernte Verbindung zwischen Sinneseindrücken und Gedanken, Gefühlen, Reaktionen – und umgekehrt. Pathologische Verknüpfungen müssen abgebaut werden, so z. B. »Gedanke an den Zahnarzt – Angstentfaltung«. Ebenso müssen oft neue Beziehungen hergestellt und etabliert (geankert) werden, so z. B. »Das Mundöffnen beim Zahnarzt ist angenehm, da es von schönen Geschichten begleitet wird.« Als Anker kann bei Patienten das Herunterfahren der Stuhllehne diese neue Gedankenverbindung auslösen (7 Abschn. 5.3.2), was besonders bei Kindern verbal unterstützt wird. Hierbei sind rituell wiederkehrende Handlungsweisen sinnvoll, um Sicherheit und Wohlbefinden zu erzeugen (7 Abschn. 2.3.4). Diese Rituale wirken ebenfalls als Anker, um die neu gelernten Assoziationen »Zahnbehandlung = angenehmes Erlebnis« zu festigen.
Musterunterbrechung
Seeding
Aufgrund bisheriger Erfahrungen werden Denkund Verhaltensmuster gebildet, die als selbstverständlich angesehen werden, jedoch bei der aktuellen Situations- und Lebensbewältigung hinderlich
Durch das beiläufige Einstreuen (Seeding) von mit späteren Inhalten sinnverwandten Wörtern wird indirekt der Weg für die neuen Inhalte vorbereitet. Im lerntheoretischen Konzept werden also Asso-
Reframing
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1
Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
ziationen für Denkweisen und Handlungen angeregt, die dadurch dann leichter und widerstandfreier befolgt werden. (Wie grenzwertig derartige Vorgehensweisen ohne ethische Kontrollinstanz sein können, wird beim Online Viral Marketing deutlich. Als Seeding bezeichnet man dort das gezielte Säen/Platzieren einer viralen Botschaft auf relevanten »Brutstätten«, um seine meist schädigende Botschaft unterschwellig zu verbreiten.) Praxis konkret – Beispiele Seeding Während der Untersuchung spricht der Zahnarzt: 5 »Den geöffneten Mund sehe ich mir jetzt ganz entspannt an.« Damit verbindet er den offenen Mund mit Entspannung. 5 »Der Speichel wird nachher ja weniger.« Die Assoziation zur späteren Speichelkontrolle ist aufgebaut. 5 »Im Zauberwald wird alles schön, farbig und angenehm sein.« Er bereitet auf die spätere Intervention Zauberwald vor – und baut entsprechende Suggestionen auf.
1.2.5
Die Rücknahme der Hypnose (Beendigung, Dehypnose) ist meist einfach durch die Instruktion zu bewirken, dass die Hypnose beendet ist und gleich die Augen geöffnet werden sollen (Barber 1969). Oft wird dabei mit lauterer Stimme rückwärts von 3 bis 0 gezählt, um den Patienten auch bei tiefer Trance zu erreichen. Falls eine größere Benommenheit zu beobachten ist, wird im Gespräch mit dem Patienten eine Rückorientierung bewirkt, z. B. mit der Frage, was er anschließend und am gesamten Tag noch erledigen wird; ein Händedruck oder eine Berührung am Arm des Patienten ist dabei ebenfalls hilfreich. Praxis konkret – Hypnoserücknahme 5 Für Kinder ist die Beendigung der Hypnose meist ähnlich schnell realisiert wie die Einleitung. Sie fliegen einfach wieder zurück in den Behandlungsraum. 5 Wenn das Kind nun seine Hypnoseobjekte wie Zauberstab oder Handpuppe aushändigen soll, ist das ebenfalls ein deutliches Zeichen für die Beendigung dieser Kommunikationsform. 5 Ein kräftiges Händeschütteln und -drücken, bei dem das Kind zeigt, wie viel Kraft es im Zauberwald bekommen hat, ist zur Rückorientierung bei Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter völlig ausreichend.
Metaphern Metaphern (gr. meta-phérein = anderswohin tragen) sind übertragbare bildliche Ausdrücke. Sie sollen Gedanken, Ideen, Botschaften indirekt und damit wirkungsvoll vermitteln. Die Dichtkunst, heilige Schriften, Allegorien, Geschichten und Märchen bedienen sich der Metaphern. In der Hypnose Ericksons (Erickson u. Rossi 1979) sollen damit indirekte Suggestionen erteilt werden, die über die Metapher direkt auf die rechte Gehirnhälfte wirken, in der mehr imaginative und emotionale Prozesse verarbeitet werden und dort mit dem Unbewussten kommunizieren. Der Nutzen von Metaphern in der Kindertherapie unterschiedlicher Symptome und Problemstellungen ist ausführlich belegt (Mills u. Crowley 1996). Im Bereich der Kinderzahnhypnose begegnen wir Metaphern der Angstfreiheit, der Bewältigung, des Mutes und der Heilung (z. B. Heilmetaphern, 7 Abschn. 5.4.5).
Beendigung der Hypnose
1.3
Suggestion
Suggestionen sind der zentrale Kommunikationsweg der Hypnose. Nach ihrer Geschichte und Definition werden ihre verschiedenen Formen vorgestellt.
1.3.1
Definition und Abgrenzung
Erstmals hat Liébeault (1866), einer der Urväter der modernen Hypnose, versucht, Suggestion als
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1.3 • Suggestion
1
. Tab. 1.2 Formen der Suggestion – verbal, nonverbal. (Mod. nach Kossak 1999, S. 261) Suggestionen Ohne Hypnose Verbal
ĺ
ĺ
ĺ
ĺ
Mit Hypnose ĺ
ĺ
Non Verbal
Primär verbal
Double Bind
Uniform
z. B. Induktion
Selffulfilling Prophecy
Zertifikate
Müdigkeit
Der kluge Hans
Einrichtungen (Zimmer, Praxis, Gebäude)
Entspannung
Meerschweincheneffekt
Gruppendruck
Altersregression
Plazebopräparate
Sozialereignis, z. B. Magie
Halluzination
Werbung, Reklame
Negation
Posthypnotische Suggestion Time Distorsion Dissoziation Distraktion
Erzeugung von Vorstellung zu definieren, die den »Schlafenden« zu einer körperlichen oder geistigen Handlung veranlasst. Wie in der gesamten Hypnose, so werden auch hier später sehr unterschiedliche Theoriemodelle bemüht. Gheorghiu (1987) betont den Kommunikationsaspekt und den darin enthaltenen Aufforderungscharakter, von den angebotenen Möglichkeiten nur die eine zu gebrauchen, um das Denken, Erleben, Verhalten direkt oder indirekt zu lenken. Konkurrierende Lösungen werden dadurch ausgeklammert. Aus konstruktivistischer Sicht ist die Suggestion ein kognitiver Hauptmechanismus, um Ambiguität abzubauen und Stabilität zu erreichen (Gheorghiu u. Kruse 1991).
getroffenen Entscheidung stets im Sinne des Fragenden ausfällt (7 Abschn. 5.3.1). Die Frage »Willst Du einen roten oder einen grünen Zauberstab?« impliziert die indirekte Suggestion, einen Zauberstab zu nehmen. In dem Märchen »Des Kaisers neue Kleider« von Hans Christian Andersen verwenden die betrügerischen Webergesellen ein Double Bind, denn die Kleider »sollen für jeden Menschen unsichtbar sein, der nicht für sein Amt tauge oder der unverzeihlich dumm« sei. In der Hypnosetherapie wird die damit verbundene Verhaltensbeeinflussung genutzt: Der Double Bind »Willst du mittel oder stark entspannen« impliziert, dass sich der Klient entspannen wird. Selffulfilling Prophecy Geben wir eine Vorhersage
1.3.2
Formen der Suggestion
Nachfolgend wollen wir einige Suggestionsformen kurz umreißen (. Tab. 1.2).
Übersicht über die Suggestionsformen Die in . Tab. 1.2 aufgeführten Suggestionsaspekte sollen hier stichwortartig erwähnt sein.
ab, dann können wir uns leicht so verhalten, dass sie auch zutrifft. Beispiele: »Ich muss mich heute vor einem Unfall in Acht nehmen« oder die Bemerkung aus der Kindheit: »Der Junge ist doch unmusikalisch …«. Je häufiger eine solche Aussage getroffen wird, desto häufiger wird ihre Auftretenswahrscheinlichkeit. Der kluge Hans In den zwanziger Jahren des 20.
Double Bind Es werden Suggestionen zu einer Al-
ternativauswahl gegeben, die unabhängig von der
Jahrhunderts trat ein Herr Pfungst in Varietés auf,
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1
Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
da sein Pferd Hans rechnen konnte und die richtige Lösung mit seinen Hufschlägen mitteilte. Zahlreiche Skeptiker konnten keinen Trick entdecken. Letztlich wurde festgestellt, dass Hans auf die minimalen Körpersignale des Publikums reagierte und dann an der richtigen Stelle sein Hufeklopfen beendete. Solche minimalen Signale (minimal cues) sind bei Patienten stets zu beachten, um unmittelbar darauf zu reagieren.
starken Bestrafungen neigten, wenn ihre »Untergebenen« nicht kooperierten. Hier ist auch die starke Wirkung der Gruppe Gleichaltriger anzusiedeln. Sozialereignis, z. B. Magie Ein Großteil der Wirkef-
fekte in der Showhypnose basiert auf dem Sozialdruck, dem ein Mitspieler ausgesetzt ist, wenn er sich auf der Bühne befindet, sich nicht blamieren will und nun ein merkwürdiges Verhalten produzieren soll.
Meerschweincheneffekt (Versuchsleitereffekt) Meer-
schweinchen (und auch Versuchspersonen) verhalten sich nach den Erwartungen ihres Versuchsleiters, wenn der Versuchsplan für sie zu durchschauen ist. Zur Vermeidung dieses Effektes z. B. bei Medikamentenuntersuchungen werden Doppelblindversuche durchgeführt. Plazebopräparate Ähnlich
suggestiv wirksam können Scheinpräparate (aus Stärkemehl) sein; sie können neben der angekündigten Wirkung auch die Nebenwirkungen des Echtpräparates hervorrufen. Somit müssen auch hier Doppelblindversuche diesen Suggestionseffekt ausschließen – oder die Pharmaindustrie muss bei bestimmten Präparaten deren alleinige Suggestivwirkung eingestehen (Eccles 2007).
Nonverbale Suggestionen Neben den nonverbalen Suggestionen wie Uniform begegnen wir auch Bildern, Figuren, Abbildungen, die uns über ihre Inhalte Stimmungen oder Handlungen vermitteln sollen. In 7 Abb. 4.7 in 7 Abschn. 4.2.2 ist die Wirkung der Spiegelneurone veranschaulicht. Das Gemüse im Hintergrund und der bereits abgeschnittene Gurkenteil suggerieren nonverbal, dass die handelnde Person mit dem Messer mitten in einer Schneidetätigkeit ist, sich gleich gefährlich weiterbewegen und in den eigenen Finger schneiden wird.
Praxis konkret – Praxiseinrichtung 5 Für die Anwendung in der Praxis des Kinderzahnarztes sollten die Einrichtungsgegenstände im Wartezimmer zum Spielen einladen oder die Aufmerksamkeit erregen, sich mit ihnen zu befassen. 5 So werden auch Bilder mit positiven Inhalten ein stärkeres Wohlbefinden suggerieren. 5 Auch die lustigen, gemütlichen oder kuscheligen Handpuppen des Zahnarztes suggerieren beruhigende Emotionen.
Werbung, Reklame Werbeslogans und die damit verknüpften Bilder suggerieren uns in diffizil aufgebauter Weise die Vorteile des Produktes. Hierher gehört auch die in der Wissenschaft umstrittene Wirkung der subliminalen (unterschwelligen) Reize. Uniform, Zertifikate, Einrichtungen Kleidung, besonders Uniformen, suggerieren Kompetenzen, so im Roman »Kleider machen Leute« (Keller 1873). Aber auch die im Wartezimmer aufgehängten Zertifikate und die Einrichtung einer Praxis oder einer Wohnung informieren nonverbal über dessen Besitzer und wirken suggestiv. So soll die Einrichtung einer Kinderzahnarztpraxis eine positive Atmosphäre vermitteln. Gruppendruck Wie stark der Sozialdruck einer
Gruppe wirken kann, wurde bereits von Milgram (1965) experimentell belegt, da Normalbürger zu
1.3.3
Spezialfall Negation und ironischer Fehler – Folgerungen aus 7 Erklärungsmodellen
»
Stelle Dich vor eine Wand und denke an keinen weißen Bären. Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821–1881)
«
1.3 • Suggestion
Wie wirkt die Negation »Du musst keine Angst haben«? – Wissenschaftliche Erklärungsversuche Bei der Behandlung von Angst, Stress, Schmerz werden dem Betroffenen spontan meist Instruktionen oder Ratschläge gegeben wie »Du musst keine Angst haben – Du musst nicht aufgeregt sein – Das tut nicht weh«. Das sind Verneinungen der bestehenden oder zu erwartenden Situation. Viele – sowohl Ratgebende als auch Betroffene – sind dann enttäuscht, wenn diese gut gemeinten Ratschläge nicht wirken oder sogar das Gegenteil bewirken. Hier trifft das Zitat von Oscar Wilde (1854–1900) zu:
» Jeder Gedanke, den wir zu erdrücken suchen, brütet in unserem Kopf und vergiftet uns. « Deshalb wollen wir diese allgemeine Erfahrung nun genauer wissenschaftlich analysieren, um sie in ihren Ursachen und Auswirkungen belegbar erklären zu können. Dann wird es wahrscheinlich leichter fallen, dem Patienten tatsächlich hilfreiche Instruktionen zu geben. Folgende Fragen sollen u. a. untersucht werden: 5 Bewirken Verneinungen tatsächlich das Gegenteil? 5 Warum formulieren wir so häufig Verneinungen, obwohl diese evtl. nicht hilfreich sind? 5 Sind Verneinungen sinnvoll – oder sollten sie durch andere effektivere Formulierungen ersetzt werden? Auf dieser Suche erscheinen Betrachtungsaspekte verschiedener Wissenschaften sinnvoll. Da diese Negationen im Alltagsgeschehen – auch der Therapeuten – spontan ausgesprochen werden, soll ihrer Analyse ein besonders breiter Raum gegeben werden. z
Die Zehn Gebote – Historische Grundlage unserer Sozialisierung?
Grundlegend für die Geschichte des Juden- und Christentums, unsere abendländisch-tradierte Kultur und die damit verbundene Sprache, Moral und Handlungsweisen sind wahrscheinlich die Zehn Gebote (= Dekalog), die ursprünglich 17 zählten (Exodus 20,2-17). Die Gläubigen gehen dabei davon
17
1
aus, dass die Gebote direkt von JHWH stammen (2. Moses 31:18). Die ersten 2 Gebote (nach Zählung der Katholiken und Lutheraner) sind Prohibitive, also unbedingt ausschließende Verbote und werden in ihrer Vorform auf das 8. Jahrhundert v. Chr. datiert. Ihnen folgen die 7 einzelnen Sozialgebote aus der nomadischen Zeit Israels (1500–1000 v. Chr.). Es sind Weisungen. Sie sind apodiktisch formuliert, d. h. unumstößlich geltend, nicht widerlegbar, unbedingt richtig, unmittelbar gewiss, logisch notwendig. Nur das 3. Gebot (»Gedenke, dass du den Sabbat heiligst«) und das 4. Gebot (»Du sollst Vater und Mutter ehren.«) sind affirmativ positiv formuliert. Primär sind es jedoch Verbote, die konkrete Verhaltensweisen klar ausschließen, ohne dabei jedoch das damit positiv intendierte Verhalten konkret zu formulieren und damit festzulegen (z. B. Veijola 2000; Pöhlmann u. Stern 2000). Im Koran des Islam und im Buddhismus finden wir dem Dekalog ähnliche moralische Verhaltensregeln, die ebenfalls vorwiegend als Verneinungen, also als Verbote formuliert sind (Weber 1996). Unsere Alltagsformulierung »Du musst keine Angst haben« wird über 100-mal in der Bibel, davon über 20-mal im Neuen Testament zitiert als »Fürchte dich nicht/Fürchtet euch nicht«. So spricht z. B. ein Engel zu den Frauen am leeren Grab Christi (Markus 16, 1–8) und will damit deutlich eine Beschwichtigung vornehmen und eine Botschaft geben. Als Christus am Sonntag nach seiner Auferstehung bei seinen Jüngern erscheint, trifft er die positive Aussage »Friede sei mit Euch« (Joh. 20: 19). Dies ist jedoch nicht die Alternative zum Furchtabbau, sondern die gebräuchliche morgenländische Begrüßung. Degen (2007) sieht in unserer Gesellschaft einen »positivistischen Drall«, wodurch die Aufmerksamkeit abgelenkt wird von Ereignissen, die durch Wegfallen oder Nichtsein gekennzeichnet sind. »Vielleicht ist das der Grund, warum die wichtigsten Gebote der Religionen und Morallehre uns vorschreiben, »Böses zu unterlassen (»Du sollst nicht töten!«), anstatt uns zu guten Taten aufzufordern.« (Degen 2007, S. 150).
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1
Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
Fazit Aus dieser Analyse, die keinesfalls eine theologische Interpretation sein soll, wird deutlich, dass »Du musst keine Angst haben« nicht ein Ver-bot oder Gebot ist, sondern eine Anweisung oder Beschwichtigung.
z
Psychoanalyse
Breuer und Freud (1895) stellten fest, dass im Alltagsleben Versprecher und ungewollte Äußerungen auftreten, die Freud später als unbewussten Gegenwillen bezeichnete (Freud 1892/93, 1901). Je stärker Patienten dagegen angingen und je mehr sie Angst davor hatten, unpassende Kommentare abzugeben, umso mehr passierte es ihnen. Freud (1925) leitet ab, dass die Verneinung wie z. B. die assoziationsbedingte Aussage des Patienten »Die Mutter ist es nicht« eine Form der Verdrängung ist. Hierbei handelt es sich um eine Verneinung, die von der Person selbst ausgesprochen wird wie z. B. »Ich habe keine Angst« und hat dadurch einen anderen Aussage- und Deutungswert als die Aussage: »Du hast keine Angst«, die einen Imperativ darstellen kann. Das »Unbewusste« kennt überhaupt nichts Negatives, keine Verneinung – Gegensätze fallen in ihm zusammen – und kennt darum auch nicht den eigenen Tod, dem wir nur einen negativen Inhalt geben können. Es beherrscht jedoch den Gegensatz, wenn im manifesten Traum oder im Witz jedes Element auch sein Gegenteil bedeuten kann (Wilk 2004; Freud 1940). Da das Unbewusste mehr die mystische Seite des Realen ist, folgt es einer symmetrischen Logik; nur das naturwissenschaftliche Denken, das einer asymmetrischen Logik folgt, kennt die Negation (Matte Blanco 1988). Demnach wird die Instruktion »Du hast keine Angst« im Unterbewusstsein nur den Begriff »Angst« anregen. Erreichen wir durch derartige Instruktionen überhaupt das Unterbewusstsein? Fazit Die Verneinung kann unbewusste Prozesse auslösen, so die Ausübung des Gegenteils.
z
Ethologie
In der vom Autor so gern bemühten Ethologie gibt es zahlreiche mimische oder körperliche Aus-
drucksverhaltensweisen, die transkulturell übereinstimmend Freude, Schmerz, Angst etc. und Zustimmung oder Ablehnung ausdrücken. Sie dienen zur Kommunikation, zur Information oder Beschwichtigung. Eine sprachfreie Verneinung wie z. B. »Keine Angst haben« durch z. B. Mimik oder Gestik, Rituale etc. ist jedoch nicht zu finden. Evtl. kann die offen ausgestreckte oder erhobene Hand in diese Richtung interpretiert werden; sie drückt aus, dass man ohne Waffen, also nicht feindlich, sondern friedlich ist (Eibl-Eibesfeldt 1995). Fazit Die Aufforderung, einen Gefühlszustand nicht zu haben (»Du hast keine Angst«), kann indirekt als Beschwichtigungsgeste erkennbar sein wie z. B. bei Hominiden als Streicheln, Umarmung.
z
Entwicklungspsychologie
Das Kind im Alter von 12 Monaten besitzt bereits ein klares Kommunikationsverhalten: Die Zeigegeste und nonverbales Verhalten wie z. B. Kopfschütteln bei »nein« wird verstanden. Später benutzt das Kind die Verneinung selbst in der neu erreichten Stufe der Autonomie des Persönlichkeitsaufbaus. Zunehmend wird es dann Negationssysteme zu differenzieren wissen (Spitz 1957). Erzieher benutzen gerade bei kleineren Kindern sehr häufig Verneinungen wie: »Finger weg vom Messer; Finger weg vom Elektrogerät«. Das sind eindeutig Warnrufe, die dazu auffordern, gefährliche (oder unerwünschte) Handlungen zu unterbinden. Sie sind äußerst sinnvoll, da meist arterhaltend. »Nein« sagen und Selbstwirksamkeit (self-efficacy)
Die Abgrenzung, der Entzug, die Verneinung, die expressiv mitgeteilt und verstanden werden, bestätigen dem Kind seine Eigenwirksamkeit und damit das Gefühl einer eigenständigen Identität. Das Kind lernt, dass es die Kraft hat, nicht zu wollen, zu frustrieren und zu verweigern, oder aber einzuwilligen und mitzugestalten. Dadurch lernt das Kind, dass es die Fähigkeit hat, in bestimmten Situationen angemessene Leistungen erbringen zu können (Selbstwirksamkeit, self-efficacy; Bandura 1994). Diese wiederum beeinflusst die Wahrnehmung,
19
1.3 • Suggestion
Motivation und Leistungsbereitschaft und damit die Erwartung, die gewünschte Handlung selbst erfolgreich ausführen zu können (Selbstwirksamkeitserwartung). Die Erfahrung der eigenen Wirksamkeit ist grundlegend für das spätere Lernverhalten. Erziehung In der Kindererziehung (und auch bei
manchem Erwachsenen) führt eine Negation, die zur Verhaltenskontrolle dienen soll (z. B. »Bitte nicht anfassen.«) meist zum Gegenteil des Intendierten (Brehm u. Brehm 1981). Als Erklärung kann hier die Reaktanztheorie (Brehm 1966) dienen, nach der verbotenes Verhalten besonders attraktiv wird. Nach der Annahme der Propositionaltheorie laufen in der Vorstellung ähnliche Prozesse ab wie in der Wahrnehmung (Kosslyn u. Pomerantz 1977). Danach geht das Begreifen des Kindes wir folgt vor: Um die Negation zu verstehen, muss das Kind den negierten Sachverhalt mental simulieren, bevor es sich mit der Frage befassen kann, welche Handlung es anstatt des Verbotenen vornehmen soll. Da Kinder diese mentale Simulation jedoch noch nicht angemessen beherrschen, führen sie die »Simulationssituation« offen sichtbar aus. Neumeyer (1995) formulierte deshalb ihren Artikel: »Warum Kinder vom Klettergerüst fallen, obwohl wir ihnen immer wieder sagen, dass sie nicht herunterfallen sollen.« Fazit Wie hier deutlich wird, dienen diese Varianten der Verneinung zur Warnung, Abgrenzung und indirekt zur Entfaltung. Sie sind damit von der hier untersuchten Negation von Angst noch weit entfernt.
z
Linguistik – Sprechakttheorie
In der Sprechakttheorie (z. B. Austin 1989) werden unterschiedliche Akte unterschieden. Dabei wird der sog. illokutionäre Akt (auch: illokutiver Akt) definiert und bezeichnet den Vollzug einer konventionellen Handlung, die der »Aufnahme« bedarf, wie beispielsweise einer Frage, Bitte, Warnung, Empfehlung, Drohung etc. Hierbei ist die Verneinung als retraktiver Akt (Zurücknahme) einzuordnen (Wunderlich 1976). Danach soll »Du hast keine Angst« dazu auffordern, die Angst zurückzunehmen.
1
Fazit Dieser Aufforderung können wir zustimmen. Damit wird jedoch nicht erklärt, warum sie die Angst nicht reduziert – oder sie sogar vergrößert.
z
Psychologie – Psycholinguistik
Unsere Fragestellung führt uns weiter zur Psycholinguistik und Psychologie. In diesem Wissenschaftsbereich gibt es sogar die Forschungsgruppe »Zur Psycholinguistik von Negation« an der Universität Tübingen. Insgesamt wird versucht, diese Problemstellungen experimentell zu untersuchen. Unserem Problem begegnen wir klar von Dostojewski (1863) formuliert: »Wie kann man die Gedanken an einen weißen Bären aufhalten?« Versucht man, nicht an den weißen Bären zu denken, wird man erst recht intensiv an ihn denken. Hierbei entsteht der paradoxe Effekt der Gedankenunterdrückung, mit dem sich erstmals Wegner et al. (1987) befassen. Sie instruieren ihre Versuchspersonen u. a. tatsächlich, an keinen weißen Bären zu denken. Diese Gedankenunterdrückung führt zu einer signifikanten Erhöhung der negierten Gedanken (Wegner u. Erber 1992). Die Personen zeigen deutlich mehr Unbehagen bezüglich des Gedankens als eine Vergleichsgruppe. Je mehr man versucht, die Gedanken zu unterdrücken, desto stärker können sie sich aufdrängen und unangenehmer werden (Trinder u. Salkovskis 1994). Die Wirkung dieser Effekte wird durch 2 kognitive Mechanismen erklärt: 5 Es besteht ein kontrollierter Prozess, eine Art innerer Zensor, der die unliebsamen Gedanken meldet und versucht, die unerwünschten einströmenden Gedanken zu vermeiden, indem er nach Distraktoren, also Ablenkungen, sucht. Dies erfordert kognitive Bemühungen, mit dem Ziel, diese Ablenkung im Bewusstsein zu halten. 5 Es tritt dann ein automatischer Vorgang ein, um die negierten Gedanken zu unterdrücken; er arbeitet außerhalb der Bewusstheit, ohne bewusste Steuerung und nimmt eine automatische Zielsuche hin zum unerwünschten Gedanken vor. Wenn das Ziel automatisch gefunden wurde, setzt die kontrollierte Distraktorsuche (= Ablenkungssuche) ein, um den Gedanken zu eliminieren. Dies führt ironi-
20
1
Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
scherweise dazu, dass die Person zunehmend empfindsamer für genau den unerwünschten Gedanken wird (Hyperakzessibilität). Diese beiden Prozesse können als Komponenten eines Feedbackprozesses angesehen werden, die zur Gedankenkontrolle dienen (Uleman 1989). Nach dieser »Ironic Process Theory« ist ein Prozess der Gedankenunterdrückung möglich, der dann gerade an das erinnert, was unterdrückt werden soll. Dadurch wird der unerwünschte Gedanke für das Bewusstsein zugänglich (Wegener u. Erber 1992). Diese postulierten Prozesse werden unter verschiedenen experimentellen Bedingungen bestätigt (Kaup et al. 2006, 2010). Vorstellung, Aufmerksamkeit und Angst Sollen
bestimmte Vorstellungen von Handlungen unterdrückt werden, dann setzt ebenfalls der »ironische Fehler« ein. Wird unsere Aufmerksamkeit besonders beansprucht, so sind die dann auftretenden Negationen besonders häufig. So auch bei Angstpatienten. Sie machen für sie typische automatische Fehler in der Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitung (= Bias), sodass sie die für sie spezifischen Reize aufmerksamer als alternative Reize wahrnehmen (Amir et al. 1998). Sie nehmen eine automatische Aktivierung der Wahrnehmung bedrohlicher Informationen vor, benutzen jedoch Kontrollstrategien, um deren bedrohliche Bedeutung zu hemmen. Artikulieren Personen ihre Angst verbal, zeigen sie geringere autonome Reaktionen als wenn sie die Angst mit Imaginationen verbinden. Grübeln über die Angst trägt zur Vermeidung angstbezogener Imaginationen bei und auch zur Vermeidung ihrer physiologischen Komponenten (Borkovec u. Hu 1990). Grübeln verhindert demnach die emotionale Informationsverarbeitung und dadurch auch die Veränderung der Angststruktur. Hier begegnen wir wieder dem Phänomen, das Breuer und Freud (1895) vor 100 Jahren als »Gegenwillen« bezeichnet hatten.
Fazit Gedankenunterdrückung erhöht die Anzahl der abgelehnten Gedanken und auch das mit ihnen verbundene Unwohlsein. 5 Diese Zunahme der Auftretenshäufigkeit unterdrückter Gedanken kann über lange Zeit wirken. 5 Die Aufforderung zur Negation führt also deutlich zum paradoxen Effekt und zur Verschlimmerung. 5 Wichtig ist, sich intensiv abzulenken. Dabei kann alles, was uns interessiert, aber nicht überfordert, wirksam werden, um ironische Fehler zu vermeiden (Wegner 2009).
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Hypnose – stets ohne Negation
Die vorgenannten Untersuchungen von Wegner (1994) wurden bezüglich ihrer Gültigkeit in Hypnose untersucht (Bowers u. Woody 1996), indem in Hypnose die Suggestion der Amnesie für das entsprechende Wort etc. gegeben wurde. Dabei traten in Hypnose keine Negativgedanken auf. Das weist daraufhin, dass während der hypnotischen Amnesie andere Prozesse wirksam sind als bei der Gedankenunterdrückung ohne Hypnose. Die automatische aktive Suche nach Distraktoren wird dabei wahrscheinlich umgangen. Bei der hypnotischen Amnesie ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass ziel- oder aufgabenorientierte Suggestionen (»Die Zahl 3 ist dir gleichgültig; die Berührung im Mund wird dir gleichgültig.«) wirkungsvoller sind als die Negationen (»Du vergisst die Zahl 3; die Berührung im Mund tut nicht weh.«). Demnach bewirken die ziel- oder aufgabenorientierten Suggestionen (Instruktionen) kaum Gedankenunterdrückung oder paradoxe Reaktionen (Barber u. Calverley 1962; Chaves 1993), sondern eher Bewältigungsstrategien (Chaves 1999); in unserem Beispiel bedeutet dies, die Zahl 3 bzw. die unangenehme Berührung im Mund im Bewusstsein zu löschen. Instruktion, Imagination, Lernen, Assoziation Ge-
danken an ein Ereignis oder das Imaginieren eines Ereignisses (= unsichtbares/verdecktes kognitives Verhalten) bewirkt kognitives (unsichtbares) Verhalten wie Erwartungen und physiologische Reaktionen sowie das dazu korrespondierende offene
21
1.3 • Suggestion
1
Ebenen von Reiz und Reaktion
Wahrnehmung
Hören
Verarbeitung – Bewertung
Reaktionen
Assoziation einzelner
komplexe Angstreaktion
Komponenten von Angst und
komplexe Schmerzreaktion
Schmerz
Imagination
Zahnarztinstruktion:
Emotion
»Du musst keine Angst
Eigenbewertung
haben.«
Gedanken
»Es wird nicht weh tun.«
Motivation Physiologie Motorik
. Abb. 1.1 Wirkung von Negationen. Negationen lösen die damit verbundenen Assoziationen aus: Wird die Negation »Du musst keine Angst haben« gehört, werden dadurch die zahlreichen mit Angst verbundenen Assoziationen (mit ihren zahlreichen Komponenten) ausgelöst, bis schließlich Angst auftritt
(= sichtbare) Verhalten wie Motorik und Mimik (Barber et al. 1974). Gerade Hypnose und imaginative Verfahren bedienen sich dieser Wirkungen, um durch Worte (= Suggestionen) die damit assoziierten Emotionen, Kognitionen und physiologischen Reaktionsmuster anzusteuern und zu verändern. Demnach bewirkt die Instruktion »Du wirst keine Angst/Schmerzen haben« Reaktanz, also Gedankenunterdrückung mit ihrer paradoxen Wirkung, und löst das Erfahrungssystem Angst mit seinen kognitiven, emotionalen etc. Komponenten aus. Also ist eine Negativformulierung kontraproduktiv, da sie in hohem Maße gerade das pathologische bzw. unerwünschte Verhalten provoziert und weiter begünstigt. Sie bewirkt keine therapeutischen, sondern pathogene Effekte. Diese sehr komplexen Zusammenhänge sind in . Abb. 1.1 grob-schematisch veranschaulicht.
Zusammenfassende Folgerungen zur Negation Aus den vorherigen Wissenschaftsbetrachtungen lassen sich zu unserem Thema vorsichtig folgende Aussagen ableiten: 5 Die Aussage »Habe keine Angst etc.« ist als Imperativ formuliert. Sie könnte somit als Anweisung zu einem aktiven Tun verstanden werden, also als Gebot. 5 Diese Aussage ist jedoch positiv orientiert. Sie will auf eine potenzielle Gefahr aufmerksam machen und indirekt eine Anweisung geben. Als Analogie dazu soll die Aussage »Glatteis, rutsche nicht aus!« als kurze Botschaft eine Warnung aussprechen und auf eine Gefahr aufmerksam machen, die man aktiv verhindern oder vermeiden sollte.
22
1
Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
. Tab. 1.3 Auswirkungen von Negation und positiver Formulierung auf Angst und Schmerz Beispiele
Negation
Gewünschte positive Zielrichtung
Schmerz
»Das wird gleich nicht weh tun.«
»Du wirst gleich nur noch eine kleine Berührung, vielleicht ein Kitzeln spüren.«
Angst
»Du brauchst keine Angst zu haben.«
»Du wirst gleich ganz locker sein und ganz mutig den Mund öffnen.«
Prüfung
»Sie werden keine Angst in der Prüfung haben.«
»Sie haben sich gut vorbereitet und werden entspannt auf Ihr Wissen zurückgreifen.«
5 Die Aussage beinhaltet, dass der Ratgeber eine Problem- oder Gefahrensituation bei seinem Gegenüber erkannte. Er besitzt also Empathie und möchte nun der Person einen prägnanten Ratschlag zur Verbesserung oder sogar zur Bewältigung geben. 5 Durch weit zurückgreifende Sozialisierungsprozesse, die in alten tradierten Geboten, Gesetzen und Verboten (nicht zuletzt aus der Bibel) begründet sind, neigen wir zur Verneinung von Aussagen, um ihr Gegenteil zu betonen. Dabei sind die direkten Vorbilder der Gegenwart ebenfalls prägend (= Modelllernen). 5 Die in der menschlichen Entwicklung bereits früh auftreten Verneinungen können ggf. diese Form von Anweisung mitbestimmen. 5 Unser im Laufe des Lebens über Monate und Jahre erlerntes Erfahrungssystem ist komplex und kann teilweise bereits durch einfache Reize aktiviert werden. So wird bei der verbalen Erwähnung von »keine Angst/Schmerz/ Aufregung« reflektorisch das zur erwähnten Situation gehörende Gesamtrepertoire an kognitiven, emotionalen, imaginativen, physiologischen usw. Reaktionen ausgelöst.
Die Lösung: Positive Handlungsanweisung 5 Da die Aussage »Du wirst keine Angst etc. haben« keine Warnung, sondern ein gut gemeinter Ratschlag zur Verbesserung (zum Angstabbau) ist, müsste sie positiv formuliert sein und eine klare Handlungsanweisung (evtl. im Sinne eines Gebotes) enthalten. 5 Derart positive Formulierungen müssen sich über tradierte Denk- und Formulierungs-
weisen hinwegsetzen (s. oben). Sie erfordern ein recht hohes Maß an kognitiver Kontrolle, anders als tradiert (= mit Verneinung) zu reagieren. Die Auswirkungen von Negation und positiver Formulierung auf Angst und Schmerz sind in . Tab. 1.3 dargestellt. Dabei fokussieren Negationen die Aufmerksamkeit auf die Problematik, positive Formulierungen geben Zielorientierungen. 5 Positive Formulierungen setzen weiter voraus, dass der Ratgeber das Ziel und den dazu gehörenden Weg kennt, das Verneinte zu verhindern oder zu verändern, also Selbstkontrolle auszuüben, die möglichst individuell gestaltet ist. 5 Positive Formulierungen erfordern einen höheren sprachlichen und zeitlichen Aufwand und werden deshalb wahrscheinlich besonders in Notsituationen selten benutzt. 5 Erst in der modernen Pädagogik und Therapie hat man erkannt, dass Ziele nur durch positive Instruktionen wirksam erreicht werden. Sie erhöhen die Handlungsmotivation und geben klare Verhaltensanweisungen. 5 Gerade therapeutische Situationen erfordern ein hohes Maß an Empathie und individuellen Lösungen, die dem Patienten helfen, positive Alternativen zur Negativsituation zu finden und zu realisieren. 5 Die Praxiserfahrung in der Ausbildung von Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichentherapeuten sowie Kinderzahnärzten zeigt, dass auch diese Fachleute gegen ihre tradierten Handlungsschemata arbeiten müs-
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1.3 • Suggestion
sen. Auch sie bedürfen eines speziellen Trainings und häufiger Selbstkontrolle – oder auch Supervision – um ihren Patienten an Stelle von noxischen Negationen positive, motivierende und hilfreiche Handlungsanweisungen zu geben.
Praxis-Alternative für den Zahnarzt: Affirmation und Selbstwirksamkeit Die pädagogischen und therapeutischen Ziele des Zahnarztes sind bei diesem oben diskutierten Problemkomplex: 5 Abbau von Angst, Schmerz und Stress des Patienten, um sein Leid zu reduzieren, erträglich zu machen – mit dem Endziel des Wohlbefindens (Kossak 2007). 5 Dieser Abbau beinhaltet den Abbau erworbener Erfahrungssysteme, erlernter Gewohnheiten, konditionierter Reaktionen. 5 Zumindest passagere Linderung der Angst (etc.) wird angestrebt, um zahnmedizinische Interventionen zu ermöglichen, die ihrerseits wieder kausal zum Wohlbefinden beitragen. 5 Interventionen anzuwenden, die im Sinne von Linderung sofort wirken. 5 Instruktionen zu geben, die der Patient selbst anwenden kann, um Linderung und damit Kontrolle über seine Verarbeitungsmechanismen von Emotion, Kognition (etc.) und physiologische Reaktionen zu bewirken (CopingStrategien). Dadurch erlebt er Selbsteffizienz (»Ich habe das geschafft, habe es im Griff«) und kann sich Instruktionen geben, die nicht nur Compliance bewirken, sondern bei ihm auch in hohem Maße stabile Bewältigungsstrategien aufbauen. Die vom Therapeuten initiierten affirmativen Instruktionen wie z. B. »Du wirst gleich entspannt sein wie im Sommer auf der Wiese …« beinhalten bzw. bewirken: 5 Klare positive Anweisungen, die direkt verstanden und auf emotionaler, kognitiver, imaginativer, physiologischer (etc.) Ebene eindeutig zugeordnet werden können. 5 Klare Zielorientierung für den Patienten.
1
5 Positive Formulierungen sind dann besonders wirksam, wenn sie anschaulich sind und auf konkreten Erfahrungen des Patienten basieren. 5 Einfache und realisierbare Methoden bzw. Verhaltensweisen zur Selbstkontrolle. 5 Erhöht dadurch die Selbstwirksamkeit der Patienteninterventionen. 5 Verbessert dadurch die Compliance und dauerhafte Therapiemotivation des Patienten. 5 Der Patient kann auf seine positiven Erfahrungssysteme zurückgreifen.
Praxis konkret – Zielrichtung der Suggestionen 5 Für unsere therapeutischen und erzieherischen Kommunikationen sollten wir stets bewusst vorher überlegen, welche Ziele anzustreben sind. 5 Diese Ziele sollten dann positiv formuliert werden, denn sie sollen die Handlungsrichtung anzeigen, und klare Orientierung auf dieses Ziel hin geben. 5 Die Ziele sollten das konkrete persönliche positive Erfahrungssystem des Patienten als Ressource nutzen. 5 Therapeuten (sowohl Zahnärzte und ihre Mitarbeiterinnen als auch Kinderärzte und Psychotherapeuten) verwenden auf der Grundlage ihrer Sozialisierung oft Negationen. Deshalb sollten gerade sie die alternativen und therapeutisch effektiveren positiven Handlungsanweisungen und Suggestionen besonders üben, damit sie im Therapiealltag spontan gegeben werden können.
1.3.4
Suggestionen mit Hypnose
Wie deutlich wurde, ist der Großteil der Suggestionen primär außerhalb der Hypnose vorzufinden. Suggestion kann bei der Hypnose als Erklärungsprinzip und als Methode der Induktion verstanden werden – oder als ein Mittel, das Erscheinungsbild der Hypnose zu bestimmen (Gheorghiu 1985).
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1
Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
Suggestionen sind somit ein Bestandteil der Kommunikation in Hypnose, die sehr viele Aspekte beinhalten kann, die nachfolgend dargestellt sind. Das Problem der Suggestibilität wird im Abschnitt danach erörtert. Praxis konkret – Kinderhypnose Hypnosesuggestionen beim Kinderzahnarzt beinhalten meist: 5 Anleitungen zur Entspannung und Atemvertiefung. 5 Fokussierung der Aufmerksamkeit auf eine Wohlfühlsituation. 5 Distraktion weg von der Angst und dem Schmerz.
Suggestionen zur kognitiven und psychophysiologischen Steuerung Für unseren Bereich der Kinderhypnose beim Zahnarzt sind therapeutische Suggestionen wesentlich. Es sind einerseits Suggestionen zur kognitiven Kontrolle wie z. B. zur Ablenkung weg vom Schmerz hin zur Entspannung und damit ein Anheben der Schmerzschwelle. Andererseits sind es Suggestionen, die der psychophysiologischen Steuerung dienen wie im einfachsten Fall zur Entspannung, aber auch zur Reduktion von Blutungen und zur Reduktion des Speichelflusses und z. B. des Würgereflexes.
Posthypnotische Suggestionen Diese Suggestionen werden in Hypnose gegeben und beziehen sich auf das Verhalten danach. Für das Kind beim Zahnarzt sind das ebenfalls Suggestionen der zukünftigen Entspannung, der Heilung und des Wohlfühlens, der Kooperation. Bei unangemessenen Gewohnheiten wie beispielsweise Daumenlutschen enthalten sie Instruktionen zur Verhaltenskontrolle und zum Verhaltensabbau; bei der Mundhygiene beinhalten sie Anleitungen zur Compliance.
1.4
Hypnotisierbarkeit und Trancetiefe – Skalen und Messprobleme
Nun befassen wir uns mit dem Problem der Suggestibilität und Hypnotisierbarkeit und ihrer Messung durch entsprechende Skalen, gefolgt von der Trancetiefe und ihrer Messung.
1.4.1
Suggestibilität und Hypnose
Suggestibilität ist die Fähigkeit, auf Suggestionen zu reagieren (Gheorghiu 1996) und wird in der Sozialpsychologie oft mit der Beeinflussbarkeit in Verbindung gebracht, die durch Persuasion bewirkt wird (Gheorghiu 2000), wodurch der Eindruck der Manipulierbarkeit entsteht. Deshalb grenzt Gheorghiu diese Suggestion in Bezug auf Hypnose ab und verwendet dort den Begriff »Suggestionalität«. Wesentlich ist, dass hypnotische Suggestionen nicht explizit instruieren, sondern passiv nahelegen, eine Reaktion zu zeigen, die eintreten kann. Die Person wird also eingeladen, sich im Widerspruch zur Situation zu verhalten, wodurch sie ihre eigenen Handlungen nicht mehr als selbst ausgelöst oder als zielgerichtet erlebt. Beim Akzeptieren dieser hypnotischen Suggestionen ignoriert die Person gleichzeitig dazu ablenkende Reize (Dezentrierung). Die Suggestibilität für Hypnose ist die Fähigkeit, ablenkende Stimuli zu ignorieren. Sie ist bei Personen unterschiedlich stark ausgeprägt – sie haben eine unterschiedliche Fähigkeit in der Suggestibilität für Hypnose. Bei der Zahnbehandlung von Kindern stellen wir das ebenfalls fest. Es fällt manchen der kleinen Patienten schwer, ablenkende Reize auszublenden, während andere wiederum durch Suggestionen schnell und intensiv vom Geschehen auf dem Zahnarztstuhl weg zu angenehmen Gedanken und Empfindungen hingelenkt werden können.
1.4.2
Hypnotisierbarkeit
Von jeher war mit vielen Fragen verbunden, wodurch Personen unterschiedlich stark auf Hypnose
1.4 • Hypnotisierbarkeit und Trancetiefe – Skalen und Messprobleme
reagieren; ist es die Therapeutenfähigkeit, ein Persönlichkeitsmerkmal oder eine Patientenfähigkeit?
Der Therapeut und Hypnotiseur In der Hypnoseforschung stellte sich relativ schnell die Frage, ob es bestimmte Fähigkeiten des Therapeuten oder des Patienten gibt, die das Ausmaß der unterschiedlich starken Hypnotisierbarkeit von Personen bedingen. So stellte man fest, dass der Therapeut lediglich sein Handwerk bei der Induktion und den nachfolgenden Interventionen gut beherrschen muss, da keine seiner Persönlichkeitsvariablen mit der Hypnotisierbarkeit seiner Patienten korreliert (Kirsch 1999).
Erwartungshaltungen von Kindern gegenüber Hypnose Ein Großteil des Hypnoseverhaltens wird durch Erwartungen bestimmt, besonders die allgemeine Anfangskooperation. Bestehen zu viele Negativerwartungen gegenüber Hypnose, wird die weitere Kooperation erschwert sein. Befragt nach ihren Einstellungen zur Hypnose sind viele Kinder begeistert, stellen sie aber dem Schlaf und der Magie gleich. Ihre Negativurteile sind ähnlich denen Erwachsener, die z. B. Willensbeeinflussung und ihre Unkontrollierbarkeit etc. befürchten (Elkins 2000). Nach einer Analyse aus der Praxis der Kinderpsychotherapie hängen diese Bewertungen in hohem Maße von Berichten aus der Peergroup, aus dem Fernsehen, Zeitschriften und Comics ab (Kossak 1999). In der Praxis des Kinderzahnarztes stehen andere Behandlungsaspekte im Vordergrund als in der Psychotherapie bei Kindern. Deshalb ist es wahrscheinlich wenig sinnvoll, den Namen »Hypnose« überhaupt zu erwähnen – es sei denn, er ist für das Kind so positiv besetzt, dass die Therapie dadurch nur noch erfolgreicher sein kann (Kossak 1994).
1.4.3
Messung mit Skalen
Zur Messung von Hypnotisierbarkeit wurden zahlreiche Beobachtungs-, Mess- und Berichtsskalen entwickelt. Die bekannteste und Stammform vieler späterer ist die Stanford Hypnotic Susceptability
25
1
Scale (SHSS, Weitzenhoffer u. Hilgard 1959). Sie enthält insgesamt 11 Items, von denen einige das subjektive Erleben abfragen (z. B. bei Halluzinationen), andere sichtbare motorische Reaktionen (z. B. Armkatalepsie; Wagstaff et al. 2008). Die SHSS wurde in den folgenden Jahrzehnten in allen europäischen und nahezu auch allen Überseeländern normiert; diese Formen korrelieren hoch miteinander.
Skalen für Kinder und ihre Bedeutung Für Kinder wurden nur wenige Skalen entwickelt; ihre Geschichte beginnt mit den Untersuchungen von Stukát (1958), gefolgt von Londons (1963) Studie, der die Children’s Hypnotic Susceptibility Scale CHSS für Kinder von 5 bis 12 Jahre und 13 bis 16 Jahre entwickelte (London 1963). Die Stanford Hypnotic Clinical Scale for Children – SHSC: Children – (Morgan u. Hilgard 1978/1979) ist für Kinder von 4–8 Jahren und 6–16 Jahren. Im Vergleich mit Erwachsenen zeigten Kinder höhere Werte, waren also ansprechbarer für Hypnose. Das kann damit erklärt werden, dass Kinder in diesem Alter die Testaufgaben sowohl in Trance als auch in der Simulation (= Rollenspiel) erreichen können. London (1965) fand ebenfalls, dass die Standardabweichungen innerhalb der einzelnen Altersgruppen sehr groß waren. Das lässt sich wahrscheinlich darauf zurückführen, dass gerade bei jüngeren Kindern Entwicklungsdaten nur innerhalb einer Altersstreubreite zutreffen, die evtl. hier gegeben war. Letztlich waren die Werte bei jüngeren Kindern weniger vorhersagestabil. Bei der Darstellung ihrer Skalen erwähnen Morgan und Hilgard (1978/1979) den Begriff der »Reaktionsfähigkeit«. Damit heben sie erstmals hervor, dass diese Möglichkeit, Trance erleben zu können, eine individuelle Fähigkeit oder Begabung der Person ist und nicht vom Therapeuten/Hypnotiseur erzeugt wird (Olness u. Kohen 2001). Weiter konnte in den Studien erkannt werden, dass die Messwerte der Kinder sehr von ihrer Induktionsmethode abhingen, man hier also kindgerechte Induktionsmethoden benötigte, die entsprechend flexibel sein mussten. Letztlich können die mit den Skalen ermittelten Werte für Hypnotisierbarkeit nicht mit denen Erwachsener verglichen werden, da Kinder aufgrund ihrer Entwicklungspsycholo-
26
1
Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
gie andere »hypnotische Phänomene« zeigen können als Erwachsene. So ist z. B. der Lidschluss für Kinder besonders schwierig durchzuführen, nicht jedoch für Erwachsene (London u. Cooper 1969). Ebenso können Items je nach Anforderung bei Kindern sehr unterschiedliche Reaktionen auslösen. Direkte Suggestionen (z. B. Handabsenkung) und kognitive Aufgaben (z. B. Fliegenhalluzination) werden von ihnen leichter befolgt als Items der Herausforderung (z. B. Armimmobilisierung), die evtl. mehr mit oppositionellem Verhalten beantwortet werden (Morgan u. Hilgard 1978/1979). Praxis konkret – Hypnotisierbarkeit: Skalen für Kinder Diese zahlreichen Differenzierungen bestätigen ebenfalls, wie stark gerade bei Kindern Reaktionen von deren psychischem Entwicklungsstand abhängen. Gleichzeitig ist zu erkennen, dass diese Tests zur allgemeinen Reaktionsfähigkeit in Hypnose nicht unbedingt Aussagen über die spezifische Reaktionsfähigkeit in der Therapiesituation zulassen.
Folgerungen Als Fazit ist festzuhalten: 5 Für jüngere Kinder gibt es wenig zuverlässige Testaussagen über deren hypnotische Reaktionsbereitschaft. 5 Hier ist es Aufgabe des Therapeuten, die geeigneten Methoden individuell für dieses Kind herauszufinden. 5 Gerade jüngere Kinder verlangen einiges an therapeutischer Kreativität; so wird man bei ihnen kaum verbale Formen wählen, sondern beruhigende nonverbale wie Summen, Streicheln, Musik, leichte Vibrationen, Schaukeln etc. Wird Hypnose bei Erwachsenen durch Ablenkung von äußeren Reizen hin zur Fokussierung auf die innere Aufmerksamkeit bewirkt, so muss dies bei Kindern anders erfolgen: durch die Fokussierung auf äußere Reize als Ablenkung wird eine Zuwendung auf das innere Erleben erreicht, also durch Geschichtenhören, Verbalspiele, Aktionen mit dem
Zauberstab etc. Dies kann als Protohypnose bezeichnet werden (Olness u. Kohen 2001). Praxis konkret – Kinderhypnose Kinderhypnose erfordert: 5 Vom Therapeuten ein hohes Maß an differenziertem Beobachten; 5 Wissen um entwicklungspsychologische Aspekte des Kindes; 5 Nutzung der spontanen Angebote (= Ressourcen) des Kindes; 5 Spezielle Methoden, die individuell zu adaptieren sind. 5 Dies macht die Fachkompetenzen von speziellen Therapeuten erforderlich, die im Bereich der Entwicklungspsychologie, Kindertherapie und Kinderhypnose geschult sind.
Das Messproblem Hypnotisierbarkeit bzw. Suggestibilität Die Diskussion zur Messung der Hypnotisierbarkeit hat eine lange Geschichte, die bis zur Gegenwart reicht. Im unscharfen Sprachgebrauch werden Suggestibilität (s. oben) und Hypnotisierbarkeit oft synonym verwandt. Es muss jedoch auf der einen Seite auch unterschieden werden zwischen Suggestibilität im Wachzustand (also ohne Hypnose) und mit Hypnose. Diese Unterscheidung schafft wiederum Probleme bei der Messung der Hypnotisierbarkeit. Die klassischen Skalen (s. oben) messen die Auswirkung einer Hypnoseinduktion, die Suggestionen z. B. für Entspannung oder Amnesie enthält. Kritisch ist hier anzumerken, dass hierbei Hypnotisierbarkeit vermischt wird mit der Suggestibilität ohne Hypnose (z. B. Braffman u. Kirsch 1999). Wenn diese Tests angewandt werden, wissen wir also nicht, in welchem Ausmaß man die vor der Hypnoseinduktion liegende »Wachsuggestibilität« misst. Um dieser Problematik zu entgehen, könnte man die Reaktionsbereitschaft auf Suggestionen mit und ohne eine hypnotische Induktion prüfen. Diese Differenzmaße bringen jedoch methodische und statistische Probleme mit sich. Als Alternative zur Messung der Hypnotisierbarkeit kann eine einfache verbale Hypnosetiefenskala dienen, die das
1.4 • Hypnotisierbarkeit und Trancetiefe – Skalen und Messprobleme
Vorhandensein von Hypnose ohne formales hypnotisches Induktionsverfahren misst (Graham et al. 2008). Hier begegnen wir jedoch dem Problem der Messbarkeit der Trancetiefe (s. unten).
» Die Neo-Ericksonianische Bewegung, d. h. Schüler von Milton H. Erickson der zweiten Generation, suggerieren des Öfteren, dass die Trance-Erfahrungen eines gegebenen Patienten eine Funktion der Fähigkeiten des jeweiligen Hypnotherapeuten bzw. der Hypnotherapeutin seien, nicht aber der Suggestibilität/Hypnotisierbarkeit dieses individuellen Patienten. Eine solche Haltung ist sehr therapeutenunfreundlich … Dies könnte vermieden werden, wenn der Suggestibilität/Hypnotisierbarkeit wieder vermehrt Bedeutung beigemessen würde (Piesbergen u. Peter 2005, S. 155).
«
1.4.4
Faktoren der Hypnotisierbarkeit
Es wurde kein Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Persönlichkeitsvariablen und der Hypnotisierbarkeit von Personen gefunden. Wahrscheinlich ist es ein über die Lebensdauer einer Person stabiles Merkmal, das von zahlreichen situativen Sozialfaktoren wie Erwartung und Vorinformationen über Hypnose oder Sozialstatus des Therapeuten beeinflusst wird (Rhue u. Lynn 1987).
Maßgebliche Faktoren für die Hypnotisierbarkeit Absorptionsfähigkeit Es ist die starke nach innen
gerichtete Aufmerksamkeit mit Einengung oder Ausweitung des Aufmerksamkeitsfokus (Tellegen u. Atkinson 1974; Kihlstrom et al. 1989). Imaginative Fähigkeit Dies ist die Vorstellungsfä-
higkeit oder Fantasiebegabung (Barber 1999), die alle Wahrnehmungsbereiche betrifft. Zielgerichtete Fantasien Schon die Vorstellungen von z. B. einer Bewegung kann diese bewirken. Also muss eine Imagination genau auf das gewünschte Ziel abgestimmt sein, um es zu erreichen.
27
1
Holistische Denkform Die ganzheitliche kognitive
Verarbeitung einer z. B. Imagination ist wesentlich, d. h. dass sich die Person ein ganzheitlich-komplexes Bild vorstellen kann; Geringhypnotisierbare haben mehr analytische Denkstrategien (Crawford u. Allen 1983). Für wissenschaftliche Zwecke werden meist die im Test Hochhypnotisierbaren und die Geringhypnotisierbaren miteinander in unterschiedlichen Leistungen, wie z. B. Schmerzbewältigung (Therapieerfolg etc.) mit und ohne Hypnose verglichen.
Folgerungen für die Therapie mit Kindern In der Therapiepraxis ist natürlich jeder Therapeut froh, hochhypnotisierbare Patienten behandeln zu können. Diese Kinder erleben Trancephänomene in ihrem Alltag, wenn sie spielen oder tagträumen. Man erkennt sie sofort an ihrer spontanen Reaktion auf Suggestionen und Trancegeschichten. Rein aus zeitökonomischen Gründen wird deshalb sehr selten vor der Therapie ein formaler Test zur Hypnotisierbarkeit durchgeführt. Da geübte Therapeuten bereits während der Induktion an der Kommunikationsfähigkeit der Patienten deren Hypnotisierbarkeit erkennen, kann auf dieses Testen verzichtet werden. Falls die Kinder gering hypnotisierbar sind, wird der Therapeut dennoch seine Behandlung ohne formale Hypnose mit Geschichtenerzählen weiterführen. Praxis konkret – Hypnotisierbarkeit 5 Ein Test zur Hypnotisierbarkeit würde für manche Kinder viel zu lange dauern. 5 Der Test wäre gerade bei Angst- und Schmerzproblemen in der Zahnarztpraxis nicht kooperationsförderlich, ja sogar kontraindiziert. 5 Also muss der Zahnarzt die Reaktionsbereitschaft zur Hypnose spontan während der Intervention erkennen und danach handeln. 5 Ist eine Hypnosezahnbehandlung aufgrund geringer Hypnotisierbarkeit des Patienten nicht in vollem Umfang möglich, kann dennoch eine leichte Trance durch Geschichten erreicht werden.
1
28
Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
1.4.5
Trance und Trancetiefe
Trance und ihre Tiefe in Hypnose hat immer schon das Interesse der Forscher und der Praktiker erregt, ist allerdings mit zahlreichen Problemen behaftet.
Methodische Probleme Als Trance wird der Erlebens- und Bewusstseinszustand in Hypnose bezeichnet. Aussagen über die in Hypnose erlebte Tiefe der Trance bereiten in der experimentellen Erforschung zahlreiche methodische Probleme, da besonders subjektive Berichte schwer klar zu quantifizieren sind. So berücksichtigen Experimente zur Trancetiefe kaum das therapeutische Setting, in dem massiv Emotionen aufkommen können. Es wird davon ausgegangen, dass angemessene hypnotische Tiefe vorliegen sollte, wenn ein schwieriger medizinischer Eingriff toleriert werden soll (Barabasz 2004). Pragmatische Vergleiche von Trancetiefe und Therapieerfolg werden jedoch sehr selten vorgenommen.
Bedeutung für die Praxis – Trancemerkmale Kirsch (1999) weist daraufhin, dass die Anzeichen für Tiefe Entspannungsmerkmale wie verlangsamte Atmung und gelockerte Gesichtsmuskulatur (Trancemimik) sind; es gebe jedoch keine zuverlässigen Daten dafür, dass diese Anzeichen auch mit der Reaktionsfähigkeit auf Suggestionen korreliert. Für die Praxis ist es bei vielen medizinischen und psychologischen Interventionen wesentlich, mit Entspannung zu beginnen, die sich u. a. in der Gesichtsmuskulatur darstellt. Also ist die lockere Gesichtsmuskulatur ein Signal dafür, dass mit der Intervention fortgefahren werden kann.
Handlevitation Als Trancemerkmal gilt auch die deutlich sichtbare Handlevitation. Zur kritischen Diskussion steht hier offen, ob diese Reaktion unwillkürlich, ungewollt, automatisch, unbewusst, gewollt etc. erfolgt (Kirsch u. Lynn 1999). Rein pragmatisch gesehen müssen wir berücksichtigen, dass es je nach Situation, Anforderung, Induktion etc. sehr unterschiedliche Hypnosezustände mit schwankenden Tiefen gibt.
Praxis konkret – Trancemerkmale 5 Die Handlevitation mit anschließender Armkatalepsie und die entspannten Gesichtszüge können als Zeichen für hypnotische Kooperation und Trancetiefe angesehen werden. 5 Die Anzeichen der Tiefe signalisieren in der Praxis die Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit im vorgegebenen Kontext. 5 Diese nonverbalen Anzeichen sind gerade in der Zahnarztpraxis wesentliche Tranceindikatoren, da bei entsprechenden oralen Interventionen die verbale Kommunikation entfällt.
Trancetiefe bei Kindern Wie bereits bei den Skalen zur Hypnotisierbarkeit dargestellt, bedürfen Kinder besonderer Interventionen; ihre Anzeichen für Trance sind anders als bei Erwachsenen. Wie bereits dargestellt (7 Abschn. 1.2.1), wechseln sie häufig und schnell von einer kurzen Trance in einen Wachzustand und können andererseits spontan wieder in Trance gehen, was bei der Zahnbehandlung berücksichtigt werden muss. Im Verlauf der Kinderzahnbehandlung werden durch Fokussierung der Aufmerksamkeit auf Angenehmes (Zauberwald, Tiere, Lieblingsbeschäftigung) immer wieder neue kurze Trancezustände erzeugt, je nachdem, wie lange sich das Kind auf das gewünschte Thema konzentrieren kann (QuickTimeTrance, 7 Abschn. Kap. 5.4.2). Durch diesen ständigen Wechsel bleibt das Kind kooperativ und geht bereitwillig immer wieder in eine kurze Trance, die für die Behandlung genutzt wird. Praxis konkret – Trance bei Kindern Hypnose- bzw. Tranceanzeichen bei kleineren Kindern (nach Gardner 1977, S. 158 f.): 5 Motorisch ruhiges Verhalten des wachen Kindes, die einer sanften, eintönigen Stimulation folgen; sie können (müssen aber nicht) zum Schlaf führen. 5 Aktive Beteiligung an lebhaften Vorstellungsbildern während der Induktion.
1.5 • Rolle des Therapeuten bzw. des Zahnarztes
5 Erhöhte Aufmerksamkeit bei eingeengtem Fokus mit einer begleitenden Veränderung des Bewusstseinszustandes. 5 Fähigkeit, posthypnotischen Suggestionen zu folgen, was durch Verhaltensweisen überprüft werden kann, die vom normalen Verhalten des Kindes in bestimmten Situationen abweichen.
Rolle des Therapeuten bzw. des Zahnarztes
1.5
Es erfolgt eine Darstellung der Therapeutenrolle bei der Hypnose, besonders für den Kinderzahnarzt.
1.5.1
Therapeutenvariablen
Während man in den Anfängen der Hypnose von der besonderen Kraft des Hypnotiseurs und seines Hypnoseblickes überzeugt war, wurde dies spätestens mit der Studie von Morgan und Hilgard (1979) widerlegt (s. oben). Letztlich kommen beim Hypnotiseur allein die Variablen zum Tragen, die für das Therapeutenverhalten relevant sind wie Empathie, Wärme, Aktivität, Zugewandtheit, Kommunikationsfähigkeit, aber auch interaktive Aspekte (Hilgard 1979).
1.5.2
Anforderungen an den Zahnarzt durch die Hypnosesitzungen
Die konkreten Anforderungen an die Kompetenzen des Zahnarztes können schnell umrissen werden. Praxis konkret – Anforderungen 5 Die Hypnosesitzung ist eine relativ intime Konstellation, da bei körperlicher Nähe des Therapeuten sehr private Verhaltensweisen wie Augenschluss und Berichte von Imaginationen verlangt werden.
29
1
5 Diese Art der Nähe kann Vertrautheit und den Wunsch nach mehr Nähe bewirken, aber auch Angst auslösen. 5 Die reduzierte Kritikfähigkeit des Patienten während der Hypnose kann erhöhte Empfindlichkeit bedingen.
Deshalb sollte der Hypnosetherapeut verschiedene Anforderungen erfüllen (Kossak 2004): 5 Sicherheit im Umgang mit Hypnose – sowohl in der Indikation, Induktion, Durchführung und Abgrenzung. 5 Flexibilität in der Anwendung der Hypnose, die er stets den Bedürfnissen und aktuellen Verhaltensweisen des Patienten anpassen muss. Bei Kindern muss er den häufigen und schnellen Wechseln zwischen »Wachzustand« und Hypnose folgen können. 5 Reaktionsfähigkeit bei spontanen Veränderungen im Verlauf, bei Konflikten und Belastungen des Klienten. 5 Aktivität ist erforderlich, um Vorgaben zu machen und Hilfen zu geben, sonst treten Verunsicherungen beim Patienten auf, besonders bei Kindern. 5 Selbstbeobachtung ermöglicht es dem Therapeuten, sein verbales, nonverbales und emotionales Verhalten kritisch zu reflektieren und ggf. zu korrigieren. 5 Konstanz beinhaltet Ausgeglichenheit und Stabilität im Verhalten, um für den Patienten verlässlich zu sein, besonders für Kinderpatienten. 5 Akzeptanz bedeutet, Ablehnungen und Zuneigungen des Patienten hinzunehmen, ohne persönlich betroffen darauf zu reagieren. Besonders Kinder sprechen ihre Abneigung spontan und ungefiltert aus. 5 Klarheit in den Aussagen, Absprachen und im Gesamtkonzept, das auf einem deutlich zielgerichteten Plan beruht. Dies vermittelt dem Kind Sicherheit. 5 Kongruenz im verbalen und nonverbalen Verhalten mit und ohne Hypnose wird vom Patienten als Ehrlichkeit und Offenheit erlebt, besonders von Kindern.
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1
Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
Die Kommunikation mit Kindern – Bedeutung für den Kinderzahnarzt Zusätzlich zu den vorgenannten Aspekten muss der Kinderzahnarzt berücksichtigen, dass seine kleinen Patienten noch nicht so gut abstrahieren können wie Erwachsene; sie nehmen seine Aussagen und Verhaltensweisen für wahr und verbindlich an – sonst hat er schlichtweg gelogen! Diesen Vertrauensbruch später wieder auszugleichen, verlangt viel Geschicklichkeit. Also sollte der Kinderzahnarzt seine Einstellung zum Beruf, zu seinen Methoden, zur Hypnose und zu seinen Kinderpatienten besonders gründlich reflektieren. Er sollte nicht die Rolle »lieber Onkel/liebe Tante Doktor« spielen, sondern ein zugewandt lieber Mensch sein. Nur dann wird er als echt wahrgenommen – nur dann wird er sich auch in seinem Beruf wohl fühlen. Das gesamte 7 Kap. 2 befasst sich mit Erklärungen der kindlichen Psyche, um Kinder besser zu verstehen und dadurch optimal mit ihnen zu kommunizieren.
Motorikreaktionen Ideomotorik Bereits
Vorstellungen von einer Handlung können deren Aktivierung auslösen; sie laufen ohne ihre bewusste Wahrnehmung ab. Therapeutisch nutzbar sind sie, indem z. B. über Fingerzeichen unbewusste Antworten gegeben werden. Praxis konkret – Ideomotorik Instruktion: »Über Deine Finger kannst Du mir ganz viel mitteilen – auch wenn Du vielleicht nur wenig sprechen magst. So kann Dein rechter Zeigefinger sich heben, wenn Du etwas magst. Auch wenn ich Dich frage, ob alles o. k. für Dich ist, kann Dein Finger aufzeigen. Wenn Du etwas nicht magst, dann wird Dein linker Zeigefinger hoch zeigen.«
Katalepsie Die unwillkürliche Unbeweglichkeit
1.6
Das Verhalten in Hypnose – Hypnosephänomene
In Hypnose treten zahlreiche motorische, physiologische, kognitive und emotionale Verhaltensweisen auf, die zwar auch durch andere Methoden erzeugt werden können, jedoch selten so präzise, tiefgreifend und verblüffend schnell. Die Diskussion hält demnach an, ob es für Hypnose typische »Phänomene« sind. Sie sollen hier nur sehr knapp umrissen werden.
1.6.1
Die Phänomene und Verhaltensweisen in Hypnose
Wir begegnen hier sehr unterschiedlichen Verhaltensweisen, die sich grob in übergeordnete Kategorien zusammenfassen lassen.
Kommunikation – Rapport Dieser wechselseitige Beziehungsaspekt zwischen Therapeut und Patient wurde bereits in 7 Abschn. 1.2.2 und 1.5 dargestellt.
oder Biegbarkeit einer Extremität dient als Armkatalepsie dazu, einen motorischen (sichtbaren) Beweis für die eingetretene Hypnosewirkung anzuzeigen. Armlevitation Auf entsprechende Suggestion hin hebt sich der Arm (unwillkürlich) und schwebt nach oben und dient ebenfalls als Kooperationstest, der besonders beim Kinderzahnarzt häufig eingesetzt wird.
Praxis konkret – Armlevitation und Armkatalepsie für Kinder Luftballonreise: » … je entspannter Du wirst … und je höher Du mit deinem Luftballon fliegst, umso mehr wird sich Deine rechte Hand und sogar Dein ganzer rechter Arm hochheben. … Ganz hoch kann der dann schweben … und Du fühlst Dich dabei immer wohler.«
Mit angehobenem Arm Malen eines imaginären Bildes oder Ostereier anmalen führt zur Armlevitation mit anschließender Armkatalepsie.
1.6 • Das Verhalten in Hypnose – Hypnosephänomene
31
1
Automatisches Schreiben Der Patient schreibt oder malt unbewusst Botschaften, die therapeutische Informationen geben können.
5.4.2). Gustatorische Wahrnehmungen (Lieblings-
Psychophysiologische Reaktionen und Hirnfunktion
Hypnotische Blindheit, Taubheit, Anosmie Durch Suggestionen wird die optische, akustische oder olfaktorische Wahrnehmung beeinträchtigt bzw. unterbunden.
Kardiovaskuläre Reaktionen Hierunter fallen sug-
gestionsbedingte Veränderungen des Blutdrucks, der Herzrate, der peripheren Durchblutung, Thermoregulation und Blutchemie. Sie sind bei zahlreichen relevanten Erkrankungen therapeutisch sehr bedeutsam. Die Reduktion der Speichelsekretion ist besonders beim Kinderzahnarzt relevant, ebenso die schnelle Blutgerinnung nach z. B. Zahnextraktionen. Immunsystem Allergie- und Hautreaktionen wie
Asthma, Neurodermitis und Heuschnupfen sowie das Immunsystem können durch Hypnose angesprochen werden. Hirnfunktionen Von den sehr zahlreichen und äußerst differenzierten Hirnuntersuchungen sei global erwähnt, dass durch Hypnose die für das jeweilige Verhalten (Schmerz, Angst) verantwortlichen Hirnareale angesprochen werden können. Da das Gehirn dabei nicht zwischen Imagination und Realereignis unterscheiden kann, werden dort in Hypnose Veränderungen bewirkt, die sich dann ihrerseits auf das Verhalten auswirken – also wird eine kausale Top-down-Regulierung vorgenommen (Spiegel u. Kosslyn 2004). Letztlich konnte man feststellen, dass mit Hypnose typische Aktivitäten im Gehirnstamm, Thalamus und im anterioren zingulären Kortex auftreten (z. B. Halsband 2004). Dies spricht dafür, dass Hypnose doch ein besonderer Bewusstseinszustand ist.
eis) sind gerade bei Kindern schnell und intensiv durch entsprechende Suggestionen hervorzurufen.
Analgesie und Anästhesie Berührungsempfind-
lichkeit und Schmerz werden reduziert oder sogar ausgeschaltet, z. B. durch die Handschuhanästhesie. Es erfolgt hier die Suggestion, dass die Hand immer kälter und schließlich schmerzunempfindlich wird. Veränderung des Körperschemas Suggestionen bewirken eine veränderte Körperwahrnehmung. Analgesie und Anästhesie Die Schmerzempfin-
dung wird zentral – also top-down – im Gehirn beeinflusst. Zum Beispiel werden im anterioren frontalen Kortex inhibitorische Schleifen angesprochen, wodurch die Schmerztoleranz erhöht wird. In der Forschung wird versucht herauszufinden, ob für Hypnose typische neurophysiologische Reaktionsmuster auftreten, die also auf bestimmte neurologische Substrate im Gehirn hinweisen. Bislang konnten nur vereinzelte derartige Anzeichen gefunden werden. In zahlreichen Befunden konnte sehr deutlich gezeigt werden, dass bei der Schmerzkontrolle mit Hypnose die Intensität der Schmerzwahrnehmung und das unangenehme Gefühl des noxischen Reizes im anterioren Zingulum des Kortex (ACC) moduliert wird, d. h. (in Weiterfühung von Rainville et al. 1997) sowohl affektive als auch sensorische Reaktionen auf eine noxische Stimulation werden in diesem spezifischen Areal des Kortex reduziert (Faymonville et al. 2000).
Veränderung der Wahrnehmung Halluzination Bei der negativen Halluzination
wird ein objektiv vorhandener (physikalischer oder physiologischer) Reiz durch die Suggestion nicht wahrgenommen, so nach der Suggestion der Schmerzunempfindlichkeit. Bei der positiven Halluzination wird ein objektiv nicht vorhandener Reiz subjektiv wahrgenommen, so bei der Entspannungsszene am Strand oder der Suggestion des Zauberwaldes (7 Abschn. 2.3.8 und
Veränderungen von Gedächtnis und Zeiterleben Altersregression Erinnerungen an bestimmte frü-
here Altersbereiche und damit verbundene Wahrnehmungen und Emotionen werden wachgerufen. Altersprogression Mehr als kognitive Konstruk-
tion oder als kognitive Therapiemethode werden
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1
Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
Gefühle, Gedanken etc. in Bezug auf zukünftige Ereignisse, Befürchtungen etc. durchgearbeitet.
thesie, Dissoziation und posthypnotische Suggestionen.
Zeitverzerrung Das subjektive Zeiterleben wird
Indikationen der Hypnose
verlangsamt oder beschleunigt.
1.7
Amnesie Erinnerungen, die u. a. die Hypnosesit-
Der Abschnitt informiert über die breiten Anwendungsbereiche der Hypnose besonders in der Zahnheilkunde.
zung, das unter Hypnose Erlernte oder Hypnoseerlebnisse betreffen, werden vergessen.
Weitere psychologische Veränderungen Dissoziation Abspaltung von Erlebnissen oder Wahrnehmungen zwischen unterschiedlichen kognitiven Systemen, so z. B. zur Analgesie oder Anästhesie. Posthypnotische Suggestionen In Hypnose erteilte
Suggestionen werden nach der Hypnose (automatisch) ausgeführt, ggf. ohne sich an diesen Auftrag zu erinnern. Speziell für Kinder sind diese Suggestionen z. B. zur Schmerzreduktion nach Zahnextraktionen, zur Habitkontrolle und bei der Motivation zur Zahnbehandlung oder Mundhygiene geeignet.
1.6.2
Relevanz der Hypnosephänomene in der Kinderzahnheilkunde
Allein durch die relativ wenigen Erkrankungsmöglichkeiten im Kindesalter (im Vergleich zum gesamten Erwachsenenalter) begegnen wir in der Forschung der Kindertherapie weniger Hypnoseanwendungen und somit weniger Hypnosephänomenen. Sie sind wahrscheinlich deshalb wesentlich seltener systematisch erforscht. Prinzipiell sind jedoch nahezu alle der bekannten Phänomene auch bei Kindern zu erzeugen. Ob dann jedoch z. B. eine Halluzination vorliegt oder die reine Auswirkung normal kindlicher Fantasie, kann wahrscheinlich kaum bewiesen oder differenziert werden. Ganz unpolemisch sollte hier das pragmatische Ergebnis zählen. Bedeutsam für die Anwendung beim Kinderzahnarzt sind Phänomene wie z. B.: Armlevitation, Wahrnehmungsveränderung, Halluzination, Anäs-
1.7.1
Hypnose als Therapieform
Hypnose wird mit vielen gängigen psychotherapeutischen Verfahren kombiniert, um sie dadurch effektiver zu gestalten, sodass sie dann z. B. als hypno-behaviorale Therapie bezeichnet wird. Davon unterscheidet sich die als Hypnotherapie bezeichnete Form, bei der man davon ausgeht, dass sie ein eigenständiges Therapieverfahren ist, da sie zahlreiche Methoden verwendet, die sie als für sich typisch proklamiert. Hierzu zählt der indirekte Ansatz, der sich besonders in der Anwendung von Metaphern verdeutlicht. Damit sollen in Trance unbewusste Such- und Heilungsprozesse angesprochen werden. Bislang konnten jedoch noch keine eindeutigen Belege dafür erbracht werden, dass Hypnose ein eigenständiges Verfahren ist, da solche grundlegenden Aspekte wie Theorie (Erklärung der Ätiologie von Störungen und ihre Wirkmodelle), Praxis (Interventionsformen und exploratives Vorgehen) und Empiriedaten (z. B. Effektivitätsstudien und Aussagen über die Wirkmechanismen) noch nicht ausreichend vorliegen. Es bestehen aber »gute Chancen, sie als eigenständiges Therapieverfahren zu etablieren« (Bongartz 2003, S. 11).
1.7.2
Indikationsbereiche der Hypnose – allgemein
Hypnose ist bei sehr zahlreichen Symptomen, Erkrankungen oder Problemstellungen anzuwenden, die hier nur in einer Grobübersicht darzustellen sind.
1.7 • Indikationen der Hypnose
Psychotherapie
33
1
Dentalbereich kritisch sein (Lynn u. Kirsch 2006). Das schmälert jedoch nicht die Effektivität von Hypnose in der allgemeinen Schmerzbehandlung und im Gesundheitsbereich.
Hypnoseindikationen sind z. B.: Angststörungen, Zwangsstörungen, Stressfolgen, somatoforme Störungen, Schmerzen, dissoziale Identitätsstörungen, sexuelle Funktionsstörungen, Essstörungen, Schlafstörungen, affektive Störungen, Lern- und Leistungsstörungen, Ticstörungen, Ausscheidungsstörungen, Verhaltensstörungen, Behinderungen und Rehabilitation, Suchtprobleme usw.
Allgemeine Indikationen
Medizin und Psychosomatik
Entspannung, Angstabbau, Stressreduktion Für all
Mögliche Hypnoseindikationen: Kardiovaskuläre Störungen, gastrointestinale Störungen, Rheumatoide Arthritis, Allgergiereaktionen, div. Erkrankungen aus den Bereichen Dermatologie, Onkologie, Neurologie, Gynäkologie, Augenheilkunde, Ohrenheilkunde, Chirurgie und Anästhesie, Orthopädie und chronische Erkrankungen.
jene Faktoren, die dem Patienten den Kontakt mit dem Zahnarzt erschweren, ist Hypnose angezeigt – das sind meist diejenigen, die auch die Arbeit des Arztes erschweren.
Im gesamten zahnärztlichen Bereich begegnen wir einem breiten Spektrum von Hypnoseanwendungen:
Schmerzbewältigung Hypnose für jede Art von
Intervention vor, während und nach der zahnärztlichen Behandlung.
Sportpsychologie Hypnoseindikationen sind hier: Wettkampfangst, Optimierung motorischer Fähigkeiten und mentaler Einstellungen, Aufbau und Aufrechterhaltung von Wettkampfkondition und -fertigkeiten, Rehabilitation usw.
1.7.3
Indikation der Hypnose in der Zahnheilkunde
Nach der vorhergehenden Übersicht über die einzelnen Indikationsbereiche sollen nun die Indikationsbereiche der Hypnose in der Zahnheilkunde differenziert betrachtet werden. Die Forschungen i. S. von empirischen Studien auf diesem Gebiet sind immer noch sehr selten, in Bezug auf Kinderhypnose nicht existent – und wenn, dann anekdotisch, als Fallbericht (Lynn u. Kirsch 2006). Die erstaunliche Wirkung der Rapid Induction Analgesia (RIA) von J. Barber (1977) war sehr verheißungsvoll, konnte in späteren Überprüfungen jedoch nicht repliziert werden (Lynn et al. 1993). Randomisierte Kontrollstudien, in denen Hypnose mit traditionellen Behandlungen und Plazebokontrollgruppen verglichen wird, sind bislang sehr selten (Chaves 1997); somit sollte man gegenüber machen publizierten Behandlungserfolgen im
Operativer Bereich: Schmerzkontrolle, Schmerzmanagement Dazu gehören z. B. die Zahnextraktion
und Wurzelbehandlungen. Durch Hypnose wird dem Patienten der Eingriff körperlich und psychisch erleichtert; gleichzeitig wird eine Verringerung der Gewebeschädigungen und Verbesserung der Wundheilung erreicht (Schmierer 1986). Die Patientenzufriedenheit ist deshalb nach der chirurgischen Behandlung mit Hypnose besonders hoch (Hermes et al. 2007). Kontrolle von Blutungen, Herzsynkopen, Würgeanfällen Es sind ebenfalls sehr beeinträchtigende
Störungen, die subjektiv sehr unangenehm sind, die Behandlung erschweren und mit Hypnose gut kontrollierbar sind. Problempatienten Patienten mit langer Krank-
heits- oder Leidensgeschichte können durch die Hypnosebehandlung eine Musterunterbrechung ihrer verfestigten somatischen und psychischen Reaktionsweisen erlernen. Bei speziellen Erkrankungen wie z. B. Parkinson kann eine motorische Ruhigstellung durch Hypnose die Behandlung ermöglichen. Veränderung von Verhaltensgewohnheiten (Habits) Unangemessene Gewohnheiten können
34
1
Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
Zahnbeeinträchtigungen bedingen, so z. B. Daumenlutschen, Zungenfehlstellungen, Wangenbeißen. Mit Hypnose und posthypnotischen Suggestionen lassen sich auch hier Behandlungen vornehmen (7 Abschn. 5.5.1). Funktionsstörungen des stomatogenen Systems
Der Patient kann bei Bruxismus durch z. B. Selbsthypnose Entspannung oder Stressbewältigung erreichen. Bei funktionellen Myoarthropathien können Entspannung und psychische Stabilisierung bewirkt werden (Schmierer 2002), besonders in Kombination mit behavioralen Methoden (Orlando et al. 2007). Gewöhnungskontrolle Bei der Prothesen- und Zahnspangenanpassung sind Fremdheitsgefühle und Würgereize sowie die subjektive Entstellungsproblematik im Behandlungsfokus (7 Abschn. 5.5.2). Oralhygiene Mundhygiene kann gerade bei Kindern mit Suggestionen gut aufgebaut werden, um Karies und Zahnfleischentzündungen zu verhindern (7 Abschn. 5.4.7).
Hypnose bei Kindern in der Zahnheilkunde Die internationale Fachliteratur zur Hypnose in der Kinderzahnheilkunde hat in den letzten Jahren zwar zugenommen, ist jedoch weiterhin recht überschaubar. Von dem zunehmenden und sehr breiten Anwendungsspektrum der Hypnose in den unterschiedlichen medizinischen und psychologischen Behandlungsbereichen (Barnes u. Kohen 2006; Signer-Fischer 2006) fokussiert sich die Kinderhypnose in der Zahnarztpraxis auf wenige Probleme: Angst, Schmerz, Blutungen, Abbau von Gewohnheiten, Aufbau von Oralhygiene (s. unten). Hinzu kommen hier Problemkinder, die aus unterschiedlichsten Gründen wenig kooperativ und daher problematisch sind, die z. B. sich verweigern, trotzen, aggressiv sind. Praxis konkret – Hypnosemethoden 5 In der Zusammenarbeit mit Kindern sind gerade beim Kontaktaufbau, dem Rapportaufbau und der Induktion der Hypnose
sehr differenzierte Hypnosemethoden erforderlich. 5 Sie verlangen ein umfangreiches Wissen um entwicklungspsychologische Aspekte der Kinder. 5 Diese Hypnosemethoden bringen für das Kind und seine Eltern, aber auch für den behandelnden Zahnarzt Erleichterungen.
Zusätzlich begegnen wir hier – im deutlichen Unterschied zur Erwachsenenbehandlung – der starken Schutzbedürftigkeit des Kindes, seinem hohen Misstrauen gegenüber den zahnärztlichen Interventionen und seinen schlechten oder geringen Erfahrungen im zahnmedizinischen Bereich. Dazu gehört auch, die Eltern als Kooperationspartner zu gewinnen, die bislang die Behandlung durch ihre protektiven und die Angst begünstigenden Verhaltensweisen beeinträchtigten oder sogar verhinderten. Nicht zu vergessen sind geistig behinderte oder körperbehinderte Kinder, die ebenfalls besonderer Behandlungsmethoden bedürfen, die von der Hypnose gut unterstützt werden. Praxis konkret – Vertrauensbildung Letztlich legt der Kinderzahnarzt durch seine gute Arbeit Grundlagen für das spätere Wohlbefinden und die Motivation des Kindes (und zukünftigen Erwachsenen), die Zähne zu pflegen und weiterhin angstfrei und vertrauensvoll Zahnärzte zu konsultieren, selbst wenn dann größere Interventionen erforderlich sind.
Kinderhypnose – vergleichende Betrachtungen Wie bereits vorher mehrfach kurz erwähnt, unterscheidet sich die Kinderhypnose in einigen Aspekten deutlich von der Hypnose bei Erwachsenen. So sind bei Kindern mehr ihre Kommunikationsfähigkeit und ihr psychosozial bedingtes Sprachverständnis, also ihr Entwicklungsstand zu berücksichtigen. Daran muss sich jeder Therapeut orientieren, wenn er kooperieren will. Dazu wird er sich dann sehr unterschiedlicher Induktionsmethoden
35
1.8 • Kautelen, Gefahren und Grenzbereiche der Hypnose
und Suggestionen bedienen, die sich stark an diesen Faktoren orientieren. Zusätzlich wird das Kind stets in Begleitung Erwachsener zur Behandlung kommen, die ebenfalls mit einzubeziehen sind.
Unterschiede in den Fachbereichen der Kinderhypnose Davon unabhängig müssen wir nun unterscheiden, bei welchem Fachmann und mit welchem Anliegen das Kind vorgestellt wird, so zur Psychotherapie, zum Kinderarzt oder zum Kinderzahnarzt. Bei Fachpersonen aller 3 Bereiche ist davon auszugehen, dass sie in ihrem Fach diverse Ausbildungen zur Diagnostik und Therapie absolvierten und darin kompetent sind. Somit ist es selbstverständlich, dass die Diagnose- und Therapieplanungsphase weitgehend abgeschlossen ist, wenn die Indikation der Hypnoseanwendung gestellt wird. Dadurch erübrigt es sich, diese Fachleute darauf hinzuweisen, sich über die vorliegende Problematik zu informieren, weil nun Hypnose angewandt wird – auch unabhängig davon, ob Hypnose als Kombinationsmethode oder eigenständige Therapieform angesehen wird. In den Bereichen Psychotherapie, Kinderheilkunde und Kinderzahnheilkunde gibt es jedoch zahlreiche und mitunter deutliche Unterschiede bei der Hypnoseanwendung, die hier – trotz vieler Gemeinsamkeiten – genannt werden sollen. Dadurch soll besonders pointiert bewusst werden, welche Indikationen und Grenzen der Hypnose in der Kinderzahnheilkunde zugesprochen werden müssen, aber auch welche besonderen Stärken in ihrer Indikation liegen. Diese Vergleiche der 3 Anwendungssäulen in der Kinderhypnose sollen hier nur sehr kurz umrissen werden. Wir gehen dabei davon aus, dass sich diese Bereiche überlappen können, sich also nicht gegenseitig ausschließen müssen; Übergänge sind dabei selbstverständlich anzutreffen. Zum Vergleich wollen wir hier die Unterschiedlichkeiten in den jeweiligen Hauptaspekten aufzeigen.
Diagnostik – Therapiefokus – Therapiedauer – Ziele
Die Psychotherapie nimmt bei der Kinderhypnoseanwendung den breitesten Raum ein, da hier
1
umfangreiche Psychodiagnostik betrieben werden muss, die zur Erklärung von Genese- und Kausalfaktoren erforderlich ist. Im Kontrast dazu ist die Diagnostik in der Kinderzahnheilkunde wesentlich umrissener; hier ist Hypnose in der Diagnostik sehr selten erforderlich. Entsprechend ist der Haupttherapiefokus in der Psychotherapie darauf ausgerichtet, eine Traumatisierung und Probleme zu lösen und kausalorientiert zu behandeln. In der Kinderheilkunde mit meist (psycho-)somatischen Erkrankungen stehen mehr das Symptom und dessen Veränderung im Vordergrund. Der Kinderzahnarzt befasst sich vorwiegend mit den Problemen Schmerz, Angst, Stress. Entsprechend ist die Dauer der einzelnen Sitzungen und die gesamte Behandlungsdauer einer Psychotherapie wesentlich länger als beim Kinderzahnarzt. Auch die Ziele sind sehr unterschiedlich, da der Psychotherapeut mit der Gesamtpersönlichkeit arbeiten und ihre Aspekte »verändern« soll, der Kinderarzt davon meist nur somatische Teilaspekte bearbeitet, während der Kinderzahnarzt den Fokus auf die Probleme richtet, die mit Mund und Zahn verbunden sind – also Angst, Schmerz, Stress, Entspannung, Zahngesundheit und Kooperation bei der späteren Prophylaxe. Demnach ist das Hypnosearbeitsfeld des Kinderzahnarztes auf einen engeren Bereich fokussiert, innerhalb dessen er sich in hohem Maße spezialisiert hat. Dieser Vergleich stellt somit keinesfalls eine Wertung der Bedeutsamkeit der 3 Bereiche der Kinderhypnose dar, sondern soll primär deren Hauptschwerpunkte in Bezug auf Hypnose hervorheben. Zur starken Verkürzung sind die wesentlichen Aspekte in . Tab. 1.4 in Stichworten gegenübergestellt.
1.8
Kautelen, Gefahren und Grenzbereiche der Hypnose
Das Kapitel informiert abschließend über die Vorsichtsmaßnahmen, Gefahren und Grenzbereiche der Hypnose.
Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
36
1
. Tab. 1.4 Unterschiede in den 3 Hauptanwendungsbereichen der Kinderhypnose (Vergleich der jeweils typischen und häufigsten Hauptaspekte in den Bereichen) Aufgaben, Formen, Ziele etc.
Therapiebereiche Psychotherapie
Medizin/Psychosomatik
Zahnmedizin
Diagnostik
Psychodiagnostik Genese, Ursachen
Somatodiagnostik Genese, Ursachen
Symptomdiagnostik Selten: Genese, Ursache
Therapiefokus
Traumabehandlung: Problemorientiert
Krankheitsbehandlung: Problemorientiert
Zahnbehandlung: Anspannung, Angst, Schmerz, Stress
Kausal, symptomorientiert
Kausal, symptomorientiert
Verhaltensänderungen, symptomorientiert
Psychotherapie
Somatotherapie
Verhaltensführende Maßnahmen, Entspannungsverfahren, Angst-SchmerzTherapie
Methode
Hypnose
Hypnose
Hypnose
Suggestion
Aufdeckung Umänderung Problembearbeitung
Psychophysiologische Beeinflussung
Wohlfühl- und Entspannungssuggestionen, primär Dissoziation, Distraktion, Ablenkung, Fokussierung auf Ressourcen
Dauer der Hypnose
Lange Phasen mit Problembearbeitung
Mittlere Phasen mit Coping-Funktion
Kurze Phasen mit CopingFunktion
Dauer der Therapie
Meist viele Sitzungen Lange Therapiephasen
Mehrere Sitzungen Mehrere Therapieintervalle
Mehrere Sitzungen Kurze Interventionsphasen
Oft lange Interventionen
Mitunter lange Intervention
Meist kurze Interventionen
Traumabearbeitung Tiefgreifende psychische Veränderungen
Symptombearbeitung Psychophysiologische Coping-Strategien Somatische Veränderungen
Kooperation, Wohlbefinden, Stressabbau, Angstabbau, Schmerzabbau, Entspannung
→Psychische Gesundheit
→Physische Gesundheit
→Zahngesundheit, Prophylaxe
Primäre Ziele Problembearbeitung
1.8.1
Kautelen
Kautelen (cautela lat. = Vorsicht, Schutz) beinhalten Vorsichts- und Schutzmaßnahmen, die bei angemessener Berücksichtigung Probleme verhindern können. Wie bereits erwähnt, kann nicht oft genug betont werden: Hypnose verlangt ein gutes Beziehungsverhältnis zum Therapeuten, das auch in
hohem Maße von Vertrauen bestimmt wird. Entsprechend ist ein behutsames, einfühlsames Vorgehen erforderlich, das sich immer nach der Befindlichkeit und dem Tempo des Patienten richtet, insbesondere bei der Kinderhypnose.
37
1.8 • Kautelen, Gefahren und Grenzbereiche der Hypnose
Praxis konkret – Kautelen 5 Bevor die Zahnbehandlung mit Kinderhypnose begonnen wird, muss guter Rapport aufgebaut sein. 5 Beim Verdacht auf psychische Probleme des Kindes, die eine Behandlung stark beeinträchtigen könnten, sollte bereits nach wenigen erfolglosen Sitzungen die Konsultation eines Psychologen empfohlen werden. 5 Bei sehr jungen Kindern mit großem Behandlungsbedarf oder extrem schwierig hypnotisierbaren Kindern ist Hypnose nur zur Unterstützung von Sedierungsmaßnahmen angezeigt (7 Kap. 6).
1.8.2
Gefahren
Mehrfach geprüft von offiziellen amerikanischen Organen der Gesundheit und Erziehung wurden die möglichen unerwünschten Folgen einer Hypnosebehandlung wie Kopfschmerzen oder Benommenheit. Sie sind seltener als bei anderen Therapieverfahren (z. B. Brentar et al. 1992). Bei Kindern wird die spielerische Neugier und spontane Trancefähigkeit genutzt, die keine Gefahren mit sich bringt, wenn sie richtig geleitet wird. Gefahren in der Hypnoseanwendung sind bei Missbrauch der Methode zu sehen, wenn sie z. B. unethisch und nicht zum Vorteil des Patienten gehandhabt wird – was jedoch auf viele medizinische und psychologische Methoden zutrifft. Aber mehr als jede andere psychotherapeutische Methode wird Hypnose auch unprofessionell praktiziert (Scholz 2005). Dazu gehören auch potenzielle kriminelle Anwendungen. Zahlreiche Experimente belegen jedoch, dass man auch unter Hypnose nicht die Verhaltensweisen zeigt, die man ohne Hypnose ebenfalls ablehnen würde (z. B. Orne 1983). Die bisherigen Experimente dazu konnten aus ethischen Gründen nur Simulationen der Realität sein, die wahrscheinlich von der Versuchsperson durchschaut werden konnten. Einzelberichte aus dem Bereich der Showhypnose und der Forensik weisen daraufhin, dass es hier sowohl einer sehr
1
tiefen Trance, entsprechenden manipulativen Suggestionen und einer gewissen Bereitschaft des Patienten bedarf, sich oder andere Personen in Gefahr zu bringen. Diese Grenzbereiche des menschlichen Handelns sind jedoch auch in sozialpsychologischen Experimenten wie z. B. dem von Milgram (1965) vorzufinden. Hier wurde allein durch hohen Status und herrisches Verhalten des Versuchsleiters erreicht, dass die Versuchsperson andere Menschen mit hohen elektrischen Stromschlägen bestraften.
Die Anwesenheit Dritter Gerade beim Zahnarzt ist Fachpersonal anwesend, bei der Kinderbehandlung meist zusätzlich ein Elternteil. Der Therapeut ist dadurch besonders beansprucht, da er alle Anwesenden mit berücksichtigen muss. So können diese möglicherweise ebenfalls von den Suggestionen betroffen werden und sich danach verhalten. Eine indirekte Suggestion für sie ist nicht auszuschließen. Entsprechend sollten sie am Ende der Sitzung ebenfalls eine formelle Auflösung der Hypnose erfahren. Da in Hypnose Informationen wörtlich genommen und deshalb missverstanden werden können, sollte die Unterhaltung mit Dritten nur neutral oder im Sinne der Therapieziele erfolgen (Levinson 1965). Wir befassen uns mit diesem Thema ausführlich in 7 Abschn. 3.5.2 und 7 Abschn. 5.2.4.
1.8.3
Grenzbereiche
Obwohl Hypnose euphemistisch nachgesagt wird, dass sie nahezu in allen therapeutischen Bereichen einzusetzen sei, begegnen wir auch zahlreichen Grenzbereichen.
Reine Symptombehandlung Wie bei jeder Therapie im Bereich der Medizin, Zahnmedizin und Psychotherapie ist eine Behandlung nur erfolgreich, wenn nach einer Diagnose die entsprechende Indikation gestellt wird, der dann eine Ursachenbehandlung folgt. Bei vielen Schmerzbehandlungen muss oft eine reine Symptombehandlung mit Hypnose erfolgen, die jedoch auch eng verbunden mit der Behandlung der relevanten Einstellungen und Bewertungen sein sollte (Seemann 2005).
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1
Kapitel 1 • Hypnose – Einführung in die Grundlagen
Bei der Zahnbehandlung beschränkt sich gerade bei Kindern die Hypnoseintervention oft auf die Angst- und Schmerzreduktion. Hier sollte der erfahrene Zahnarzt auch die Ursachenvielfalt dieser kindlichen Probleme kennen, um in Zusammenarbeit mit den Eltern – falls erforderlich – die notwendigen erziehungsbedingten Probleme anzusprechen und ggf. psychologische Beratung zu empfehlen.
Grenzen des Therapeuten Jeder der medizinischen und psychologischen Experten hat seine spezifische Ausbildung und Approbation, die er optimal nutzen sollte. Dazu gehört auch, seine darüber hinausgehenden Grenzen zu kennen und zu respektieren. Praxis konkret – Grenzen Der Kinderzahnarzt muss unbedingt in den für diesen Altersbereich spezifischen Kinderproblemen und deren entwicklungspsychologischen Zusammenhängen und Kommunikationsmustern geschult sein – die Kompetenzen in Kinderhypnose hierbei vorausgesetzt (7 Abschn. 2.4). Da in einigen Fällen seelische Probleme vorliegen, sollte der Zahnarzt diese grob orientierend kennen und – trotz seiner Hypnosegeschicke – auf die Konsultation eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten verweisen. Bei psychisch stark beeinträchtigten Patienten liegen hypnotische Interventionen und auch jegliche psychotherapeutische Intervention außerhalb des Kompetenzbereiches der Zahnärzte (Mehrstedt 1999). So haben ungefähr die Hälfte sehr ängstlicher Patienten zusätzlich noch andere psychopathologische Diagnosen (Aartman et al. 1997).
Auf eine Aufzählung oder systematische Darstellung der zahlreichen Probleme, seelischen Störungen und Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter soll hier verzichtet werden, ebenso auf die Darstellung der umfangreichen erzieherischen Störungsbereiche. Verwiesen sei hier auf die Fachliteratur
(z. B. Lauth et. al. 2008; Petermann 2008; Remschmidt 2008).
Grenzen des Patienten Kognitive Minderleistung des Patienten kann die Kommunikation und dadurch Hypnose erschweren, stellt jedoch nicht unbedingt ein vollkommenes Hindernis dar. Auch zurückliegende Traumatisierungen und Kontrollverlustängste erschweren die Behandlung und müssen in hohem Maße berücksichtigt werden (7 Abschn. 4.7 den Fall). Psychosen erfordern unbedingt die Spezialisierung des Hypnosetherapeuten für die hier erforderliche Kommunikation (Lynn et al. 1996). Hypnose bei Sucht- und Abhängigkeitsproblemen sollte bei damit verbundener Realitätsflucht besonders kritisch gesehen werden, da sie dann sogar kontraindiziert sein kann.
Grenzen der Hypnose Für die mögliche Reinkarnation in seriös durchgeführter klinischer Hypnose gibt es bislang keine streng empirisch belegten Berichte. Die physische oder psychische Leistungsfähigkeit kann nicht direkt von Hypnose verbessert werden, sondern primär über mentale Einstellungen während des Wettkampfes oder des Examens.
1.8.4
Kontraindikationen
Bei Borderline-Patienten ist schnell an eine Kontraindikation der Hypnose zu denken, ebenso bei Agitiertheit und natürlich, wenn der Patient durch die reine Symptombehandlung Symptomverschiebungen erleiden kann. Suizidgefährdungen erfordern meist eine stationäre Behandlung. Lehnt ein Patient trotz ausführlicher Aufklärung die Hypnoseanwendung ab, so ist sie damit automatisch kontraindiziert.
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43
1
45
Psychologie des Kindes- und Jugendalters Grundzüge der kindlichen Entwicklung – Basis für die Kommunikation mit Kindern
2.1
Historische Aspekte – Wege zur Kindheit – 46
2.2
Entwicklungspsychologie – Theorien im Kurzüberblick – 47
2.2.1 2.2.2
Grundlagen der Entwicklungspsychologie – 47 Moderne Forschungsbereiche der Entwicklungspsychologie – 48
2.3
Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis – 50
2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7 2.3.8 2.3.9 2.3.10 2.3.11
Pränatale Entwicklung und Säuglingszeit – 50 Die kognitive Entwicklung (Stadien nach Piaget) – 53 Sicherheitsbedürfnis, Bindung, Nähe und Distanz – 56 Konstanz von Emotion, Raum, Objekt, Zeit – 60 Zeitbegriffe und Kausalverständnis – 63 Aufmerksamkeit und Konzentration – 64 Kommunikation – 66 Vorstellung – Fantasie – Imaginationen – 75 Selbstbeobachtung, Selbstkontrolle, Autonomiestreben – 77 Neugierverhalten – 78 Das Jugendlichenalter – 80
2.4
Kinder und Jugendliche mit Problemen und Problemkinder – 83
2.4.1
2.4.3
Kinder- und Jugendprobleme und ihre relevanten Auswirkungen – 83 Psychische Störungen, Verhaltensstörungen und Beeinträchtigungen – 85 Exemplarische Darstellungen dreier Störungsbereiche – 85
2.5
Abschließende Zusammenfassung – 94
2.4.2
Literatur – 94
Hans-Christian Kossak, G. Zehner, Hypnose beimKinder-Zahnarzt, DOI 10.1007/978-3-642-17738-5_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
2
46
Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
» Es gibt kein Alter, in dem alles so intensiv erlebt 2
wird, wie die Kindheit. Wir Großen sollten uns gelegentlich daran erinnern, wie das war. Astrid Lindgren (1907–2002), Kinderbuchautorin
«
Die Zusammenarbeit mit Kindern in der Erziehung, Pädagogik, Medizin, Zahnmedizin oder Psychotherapie setzt eine Kommunikation mit dem Kind voraus, die sich nicht nur auf die eigene Intuition verlassen kann. Hier sind umfangreiche und solide Grundkenntnisse über Entwicklungspsychologie unbedingt erforderlich, d. h. Wissen um kindlich angemessenes Verhalten wie kindliches Denken, Bewerten, Sprache, Verständnis und seine Verarbeitungsmechanismen in den verschiedenen Altersstufen. Dazu gehören auch die komplexen Handlungskompetenzen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen in den verschiedenen Altersbereichen. Nur auf dieser Basis sind die gesteckten Ziele wie Erziehung, Diagnostik und Therapie generell oder sogar optimal möglich. Das folgende Kapitel ist somit eine Kurzdarstellung der Entwicklungspsychologie, die besonders für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen in der Zahnarztpraxis konzipiert ist. Zur Vertiefung dienen dabei die zahlreichen konkreten Praxishinweise für die entwicklungsgerechte Kommunikation mit Kindern in unterschiedlichen Altersbereichen, die speziell für die Interaktion mit Hypnose erforderlich sind.
2.1
Historische Aspekte – Wege zur Kindheit
Bereits in der Antike gab es Ratschläge zur Erziehung, aber Kindheit wurde bis zum Mittelalter keiner besonderen Altersgruppe zugeordnet, man maß ihr keine Bedeutung bei. Das erste in der Geschichte beschriebene Entwicklungsexperiment wurde von Friedrich II dem Staufer (1194–1250) durchgeführt. Auf der Suche nach der Ursprache habe er mehrere Säuglinge von der Außenwelt isoliert aufwachsen lassen. Ihren ernährenden Ammen und Betreuerinnen wurde verboten, verbalen Kontakt aufnehmen, sie zu liebkosen oder ihnen
sonstige Zuwendung zu geben. Derartige Experimente hatte bereits der ägyptische König Psammetich I. (664–610 v. Chr.) durchgeführt und Herodot (490/480–425) berichtete von ähnlichen Versuchen (Ecco 1995). Nach dem Franziskaner Salimbene, dem Chronisten Friedrich II., starben alle Kinder sehr jung, da sie ohne körperliche Zuwendung nicht leben konnten. Diese Folgen werden erst im 20. Jahrhundert durch René Spitz (1945) wissenschaftlich erkannt (s. unten). Kindheit endete im Mittelalter mit 7 oder 8 Jahren; Kinder mussten sich wie kleine Erwachsene verhalten und wurden von ihren wohlhabenden Eltern auch so gekleidet. Bis ins 17. Jahrhundert hinein wurden Kinder kaum beachtet; selbst in adeligen Kreisen kümmerte man sich um sie kaum mehr als um die Hundemeute. Bislang war das Kindheitskonzept im westlichen Kulturkreis also ein defizitäres Erwachsenenmodell (Keller 2003). So werden auch heute noch viele Kinder erst dann mehr als Person angesehen, wenn sie älter werden und dem Erwachsenen gleichen. Vielleicht war die Beziehung und das Wissen über Kinder damals so, wie Schnuller (1988) die Entstehung und Merkmale der Kindheit satirisch als Symptome kennzeichnet: 1. Beginn mit der Geburt, 2. Zwergwuchs, 3. emotionale Unausgeglichenheit und Unreife, 4. Wissensdefizite, 5. Spinatphobie. Im 17./18. Jahrhundert wurde eine Abgrenzung zwischen Kindheit und Erwachsensein durchgeführt und Spielzeuge, Kleidung und Bücher für Kinder wurden nun »erfunden«. Richtungsweisend ist John Lockes Buch »Some Thoughts Concerning Education« (1693) und Jean Jaques Rousseaus (1693) Werk »L`Emile« (»Emile oder über die Erziehung«). Das Kind war hier das ungeformte Geschöpf, der ungezähmte Wilde. Man entdeckt nun den natürlichen Entwicklungsdrang des Kindes, handelte dieser Erkenntnis jedoch noch über die folgenden Jahrhunderte hinweg durch eine tradierte negative Erziehung entgegen.
47
2.2 • Entwicklungspsychologie – Theorien im Kurzüberblick
Wilhelm T. Preyer (1841–1897) befasste sich erstmalig in seiner Publikation »Die Seele des Kindes« (1882) mit psychologischen Hintergründen. Nach seiner Rekapitulationsidee ist die Ontogenese eine wiederholte Phylogenese. Erst Sigmund Freud (1856–1939) machte auf die Bedeutung der frühkindlichen Erfahrung für die spätere Entwicklung aufmerksam und René A. Spitz (1887–1974) zeigte durch seine Waisenhausstudien über Hospitalismus auf, wie wichtig körperliche und emotionale Zuwendung ist (Spitz 1945/1996). Diese ersten Überlegungen zur Kindheit und Entwicklung waren meist pädagogischphilosophisch orientiert. Vom 20. Jahrhundert an begann man, gezielte Beobachtungen und nach klar gestalteten Versuchplänen Experimente zur Entwicklung von Kindern durchzuführen. Entsprechend wurden sehr unterschiedliche Theorien und Modelle zur Entwicklung aufgestellt.
2
und Wachstum vorangetrieben. Danach bestimmen nicht allein biogenetische Faktoren (Gene) die Entwicklung; auch interaktive endogene (Körper) und exogene Faktoren (Umwelt) wirken auf sie ein. Neben der biologischen Veränderung (z. B. Wachstum) kommt es zu differenziertem Umgang mit Emotionen und Verhalten (z. B. Trotz). Wünschenswert ist aus Sicht der Gesellschaft eine damit einhergehende Sozialisation. Ein relativ neuer Ansatz, der sich aus interdisziplinärer Sicht mit der menschlichen Entwicklung beschäftigt, ist die Entwicklungswissenschaft. Gleichzeitig versucht die vergleichende Verhaltensforschung (= Ethologie) zu ergründen, welche Verhaltensweisen transkulturell und damit unabhängig von Umwelterfahrungen vererbt »typisch menschlich« sind – oder sogar überartlich bei unseren nächsten Verwandten, den Hominiden, zu finden sind.
Anlage und Umwelt 2.2
Entwicklungspsychologie – Theorien im Kurzüberblick
Nach der Definition von Entwicklung befassen wir uns mit ihren grundlegenden modernen Theorien und Modellen. Auf dieser Basis werden die entwicklungsbedingten Verhaltensweisen von Kindern transparenter, die letztlich das Gelingen der Kommunikation mit Kindern und damit der Hypnosebehandlung bestimmen.
2.2.1
Grundlagen der Entwicklungspsychologie
Definition: Entwicklungspsychologie Die Entwicklungspsychologie ist ein Teilgebiet der Psychologie. Ihr Gegenstand ist die Beschreibung und Erklärung sowie die Vorhersage und Beeinflussung menschlichen Erlebens und Verhaltens unter dem Aspekt der Veränderung über die gesamte Lebensspanne. Dieser Veränderungsaspekt ist – nun unabhängig vom Alter – auch ein wesentliches Ziel der Psychotherapie und Pädagogik. Die Entwicklungspsychologie wurde aufgrund der biogenetischen Beobachtungen wie Reifung
Grundlegend für die unterschiedlichen Aspekte der Entwicklung sind stets die Unterscheidungen und Untersuchungen dazu, inwiefern Anlage (Vererbung, Gene, Reifung) oder die Umwelt (Lernen, Sozialmilieu, Erziehung) bedeutende Einflüsse auf die Entwicklung eines Kindes haben. Die wesentlichsten Begriffe zur Entwicklung: Wachsen (Wachstum) Ist die quantitative Verände-
rung des Organismus im Sinne der Vergrößerung der Masse in der Ontogenese; es ist eine irreversible Herausbildung der biologischen Konstitution und des gesamten Organismus. Reifung Ist ein Prozess qualitativer Veränderungen des gesamten Organismus bzw. seiner Teile, wobei die endogene Bestimmtheit in der Abfolge der qualitativen Veränderungen biologisch vorprogrammiert ist. Lernen Ist individueller Erfahrungserwerb aus der
Umwelt und die entsprechende Verhaltensmodifikation des Menschen. Dies beinhaltet ein lebenslanges Lernen als Grundvorgang der Persönlichkeitsentwicklung. Sowohl beim Wachstum als auch bei der Reifung liegt eine gengesteuerte Entfaltung der biolo-
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
gischen Strukturen und Funktionen in bestimmter artspezifischer Abfolge vor.
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lich auch moderne Modelle immer nur Vereinfachungen der Realität sein (Gottlieb et al. 1998).
Reifungsprozesse – Beispiele Als Beispiele für verschiedene Reifungsprozesse lassen sich nennen: 5 Bildung des Skelett- und Muskelsystems, 5 Knochenkernbildung (Ossifikation), 5 Zahnbildung (Dentition), 5 Kapillarreifung der Gefäße, 5 Markscheidenbildung (Myelisierung der Nervenfasern, Myelogenese), 5 Reifung der Geschlechtsorgane, 5 Ausreifung des Gehirns, 5 Reifung der Stimmbänder.
Entwicklungsmodelle Je nach ihren historischen Wurzeln und ihrem Forschungsfortschritt werden in den Theorien und Modellen zur Entwicklung sehr unterschiedliche Ansichten darüber getroffen, ob primär Reifung oder Lernen bei der Entwicklung beteiligt sind. Während man in dieser jungen Wissenschaft in anfänglichen Theorien (z. B. Gesell u. Armatruda 1947) allein die Reifung im Vordergrund sah, ging man später über zu Dispositionsmodellen (z. B. Piaget 1983), in denen sich nur das Individuum aktiv verhält, bis man nun zu Interaktionsmodellen (z. B. Kriz 1997) gelangt, nach denen sich Individuum und Umwelt in einem aktiven Austausch befinden. Hierzu gehören auch soziale Regulationsmodelle und die modernen lerntheoretischen Modelle, in denen nun auch emotionale, kognitive, attributionale, motivationale und imaginative Aspekte des menschlichen Verhaltens integriert werden. Mit diesen relativ komplexen Ansätzen sind auch Therapie, Förderung und Rehabilitation zu erklären und zu realisieren, die den jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes berücksichtigen. Sie sind weitgehend diejenigen, die auch die moderne Psychotherapie in Form der Verhaltenstherapie bestimmen – und werden uns bei unseren Darstellungen öfter zur Erklärung verschiedener Methoden dienen (Lauth u. Mackowiak 2008; Petermann 2008; Petermann et al. 2004). Da gerade die Entwicklung des Menschen sehr komplexe Verhaltensweisen umfasst, können letzt-
2.2.2
Moderne Forschungsbereiche der Entwicklungspsychologie
Die moderne Entwicklungspsychologie gewinnt ihre Aussagen aus den Wissenschaftsergebnissen von Medizin, Psychologie, Verhaltensforschung und Neuropsychologie. Grundlegend sind dabei Langzeitbeobachtungen großer Kinderpopulationen. Sie machen konkrete Aussagen über bestimmte Verhaltensweisen in unterschiedlichen Altersbereichen möglich, die sich in sog. Entwicklungsgitter einordnen lassen. Gleichzeitig lassen sie Schlussfolgerungen auf die Diagnose von Entwicklungsdefiziten zu. Auch wenn bei den Aussagen von Modellen oder Entwicklungsgittern Altersbereiche angegeben werden, innerhalb derer ein bestimmtes Verhalten auftritt, so muss dieser Zeitraum als ein breiteres Intervall von mehreren Monaten betrachtet werden. Entwicklung verläuft nicht bei allen Kindern pünktlich auf den Monat genau und ist somit zeitlichen Schwankungen unterworfen, was u. a. von ihrer Disposition und ihren Umwelteinflüssen (Ernährung, Erziehung) abhängt. Zu beachten ist, dass Entwicklung kein einheitliches Geschehen ist, sondern aus zahlreichen einzelnen Bereichen besteht (. Tab. 2.1).
Aufgaben der Entwicklungspsychologie Theorienübergreifend ist die bedeutsamste Aufgabe der Entwicklungspsychologie, individuelle Entwicklungsverläufe zu erkennen und deren Gemeinsamkeiten so zu generalisieren, dass sie für möglichst viele Menschen zutreffen. Daraus sind dann Ratschläge ableitbar, wie sie z. B. hier für Kinder in der Zahnarztpraxis getroffen werden sollen. Letztlich ist die Entwicklungspsychologie auch in der Lage, klare Aussagen über Entwicklungsverläufe und alterstypische Verhaltensweisen zu machen und Bewertungen von Abweichungen vorzunehmen, die als auffällig, problematisch bzw. förder- oder behandlungsbedürftig einzustufen sind (Borg-Laufs u. Trautner 1999). Dies sind die
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2.2 • Entwicklungspsychologie – Theorien im Kurzüberblick
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. Tab. 2.1 Aspekte kindlicher Entwicklung. (Die hier aufgestellte Reihenfolge ist beim Arbeitsverhalten und beim kreativen Verhalten mehr älteren Vorschulkindern zuzuordnen) Entwicklungsbereich
Verhaltensweisen
1 Motorik
Grobmotorik, Feinmotorik, Koordination
2 Wahrnehmung
Visuell, auditiv, taktil, körperlich, Orientierung im Raum
3 Sprache
Sprechfähigkeit (Artikulation, Sprachfluss, -rhythmus), Gesprächsfähigkeit (Sprechen und Zuhören), Sprachfähigkeit (Wortschatz, Grammatik), Schriftgebrauch etc.
4 Kognition
Elementares Wissen, fachliche Kompetenzen, Mathematik etc.
5 Sozialverhalten
Kommunikation, Kooperation, Selbstständigkeit
6 Emotionalität
Erkennen, Verarbeiten und Zeigen von Gefühlen
7 Arbeitsverhalten
Spiel- und Lernverhalten, Kommunikationsfähigkeit
8 Kreativität
Umgang mit neuen Situationen, Gestaltungen
Forschungs- und Anwendungsbereiche der Entwicklungsdiagnostik und Fördertherapie.
Kritische und sensible Phasen Erst durch die moderne Entwicklungspsychologie und Verhaltensforschung wurde festgestellt, dass es im Entwicklungsverlauf des Individuums kritische und sensible Phasen gibt, in denen nahezu ausschließlich sehr konkrete Entwicklungen ablaufen. Diese Phasen sind oft auf enge Zeitbereiche begrenzt. Hier ist also eine genetische Reifungskomponente ohne Umwelteinflüsse wirksam.
Die sensiblen Phasen in der menschlichen Entwicklung Embryonale Phase Ausbildung und Wachstum
der Organe, Extremitäten, des ZNS etc. Störungen (durch Medikamente, Infekt) führen zu Fehlen oder Missbildung der Organe. Diese Schäden sind irreversibel (z. B. bei Contergan-Schädigung in einer dafür kritischen Entwicklungsphase). Vier Monate Während Kinder bislang Satzgrenzen
in verschiedenen Sprachen erkannten, können sie dies ab dem 4. Monat nur noch in der Muttersprache. Die sensible Phase für den Zweitspracherwerb ist dann überschritten (Karmiloff-Smith 1996). Erste Lebensjahre Die frühe emotionale Bindung des Säuglings ist grundlegend wichtig. Fehlende
oder gestörte emotionale Bindung kann zu gestörter Bindungsfähigkeit führen und damit auch zu gestörten Lern- und Anpassungsprozessen für zwischenmenschliche Bindungsfähigkeit. Diese frühkindlichen Schäden sind weitgehend irreversibel (Cummings u. Davies 1996). Zirka 12 Monate Sensible Phase für das Gehen.
Auch ohne Erfahrungserwerb kann das Kind nun laufen. Wird es durch Krankheit (Bettruhe, Gipsbein) in dieser Phase am Gehen gehindert, muss dies später mühevoll trainiert werden. 5 Jahre Wurde eine erste Sprache bis zu diesem
Zeitpunkt nicht erlernt, treten nun sehr starke Lerngrenzen auf. Erste 12 Lebensjahre Ohne menschlichen Kontakt
aufgewachsene Kindern sollen nach dem 12. Lebensjahr nicht mehr die menschliche Sprache erwerben können. Hier begegnen wir dem Problem der Früherkennung und möglichst frühen Sprachförderung – auch für Kinder mit Migrationshintergrund. Vorpubertät In diesem Zeitraum erfolgen ggf. Prä-
gungen auf Sexualität, Sexualverhalten und Sexualpartner. Treten innerhalb dieses sensiblen Zeitrahmens Störungen auf, kann es zu empfindlichen Fehlent-
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
. Tab. 2.2 Voraussetzungen für eine Behandlung und gleichzeitig Therapieziele. (Mod. nach Borg-Laufs u. Trautner 1999; links der besonders für den Kinderzahnarzt relevante Bereich)
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Lernfähigkeit
Fähigkeiten zum Aufbau sozialer Beziehungen
Kognitive Fähigkeiten (Denken, Gedächtnis)
Soziale Perspektivenübernahme
Aufmerksamkeit
Moralische Entwicklung
Vorstellungs- und Imaginationsfähigkeit Sprachliche und kommunikative Fähigkeiten Motivation und Handlungssteuerung Selbstbeobachtung und Selbstkontrolle
wicklungen führen. Dies erklärt auch, warum gerade frühkindliche Schädigungen therapeutisch kaum zu beeinflussen sind. Für Laien (oder Außenstehende) in diesem Bereich ist das oft schwer nachzuvollziehen.
Repräsentanz und als Erinnerungsbilder mit auf die Welt bringt, um sie dazu zu nutzen, sich in der Welt zurechtzufinden (Hüther 2006). Das Lernen beginnt also schon vorgeburtlich.
Physiologische Einwirkungen 2.3
Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis
Die nachfolgenden Entwicklungsaspekte sind in den Bereichen ausgewählt und aufbereitet, die für die Praxis des Kinderzahnarztes relevant sind. Nur wenn es erforderlich ist, werden Altersangaben zu den verschiedenen Verhaltensweisen gemacht. Andernfalls sind primär diese Verhaltensweisen generell von Bedeutung. Für die von uns empfohlene Hypnosekommunikation sind sie besonders bedeutsam. Wenn wir unsere Betrachtungen allein auf die Behandlung von Kindern in der Zahnarztpraxis beschränken, dann begegnen wir zahlreichen Faktoren, die sowohl Voraussetzungen für eine Behandlung, aber auch therapierelevante Ziele sein können (. Tab. 2.2).
2.3.1
Pränatale Entwicklung und Säuglingszeit
In der pränatalen Entwicklung sind für unsere Betrachtungen die folgenden Aspekte bedeutsam. Zu beachten ist dabei, dass das Kind bereits im Mutterleib Sinneserfahrungen macht und diese als innere
Bereits in der Bibel (Richter 1; 44) wird davon berichtet, dass der Fötus auf die Freude seiner Mutter Maria mit Bewegungen reagierte. Tatsächlich werden durch psychische Ausgeglichenheit oder Stress der Mutter Endorphine bzw. Adrenalin ausgeschüttet. Bei Dauerstress kann es evtl. zu einer vorgeburtlichen Schädigung kommen, die sich später im Kindesalter bemerkbar machen kann. Hat die Schwangere soziale Unterstützung, so wird ihr Kind ein höheres Geburtsgewicht haben (McLean et al. 1993). Erhält sie während der Geburtsvorbereitung Hypnose zu Entspannung und Geburtsbegleitung, ist das fötale Wohlbefinden verbessert und die APGAR-Werte des Neugeborenen sind deutlich besser als bei nicht in dieser Weise Unterstützten (Fuchs et al. 1990).
Nahsinne Mit 18 Wochen saugt der Fetus an seinem Daumen, wenn dieser gerade den Mund berührt (Siegler et al. 2008). Eine sehr frühe Erfahrung des Fötus ist das Schmecken. Auch Druckempfindungen werden nun wahrgenommen; bei Störungen versucht das Ungeborene, sich bequemer zu legen.
2.3 • Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis
Fernsinne Die Fernsinne wie Hören und Lichtwahrnehmung sind erst später entwickelt. So reagiert der Fetus von der 28. Woche an auf eine Vielzahl von Tönen (Siegler et al. 2008). Bekannt ist, dass sich das Kind im Mutterleib durch laute Geräusche oder plötzliche Lichteinstrahlung erschrecken kann. Wie weit dadurch eine Prädisposition für spätere Angstreaktionen bestimmt wird, ist noch unerforscht. Bereits ein Vierteljahr vor seiner Geburt kann das Kind die Muttersprache erkennen.
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InternetInfo – Angeborenes Verhalten beim Neugeborenen Bei YouTube bitte folgende Suchzeile eingeben: 5 »Breast Feeding – Cradle Hold« (1:22 min) Der jungen Mutter wird demonstriert, wie sie am besten ihr Kind an die Brust legen kann. Das Baby zeigt sofort sein angeborenes Suchverhalten und beginnt reflektorisch zu saugen.
Pränatales Lernen
Gehörsinn Neugeborene können zwischen ho-
Das Kind lernt bereits im Uterus die Stimme seiner Mutter zu differenzieren und reagiert auch nach der Geburt darauf besonders interessiert (DeCasper u. Fifer 1980). Ungeborene reagieren auch auf die Sprachmelodie ihrer Mutter, also darauf, welche Sprache sie spricht (Cooper u. Aslin 1990). Wahrscheinlich werden hier die Grundlagen für Sprache und Sprachverständnis gelegt. Demnach hört das Kind bereits im Uterus sehr differenziert und kann darauf aufbauend Differenzierungslernen vornehmen. Treten bislang ängstigende Geräusche öfter auf und bleiben ungefährlich (die Mutter wird nicht erregt, produziert kein Adrenalin), dann lernt das Kind dessen Ungefährlichkeit und gewöhnt sich daran = Habituation (7 Abschn. 4.5.1; Thompson u. Spencer 1966).
hen und tiefen Frequenzen unterscheiden, haben gegenüber tiefen jedoch noch Schwächen; wahrscheinlich sprechen Erwachsene deshalb mit ihren Kindern mit hoher Stimme. Geschmack- und Geruchssinn Bereits im Mutter-
leib können spätestens im 7. Monat Geruchs- und Geschmackswahrnehmungen deutliche Gefühlsreaktionen auslösen (Schaal et al. 2009). Neugeborene können die Geschmackselemente süß, sauer, bitter, salzig und auch angenehme und unangenehme Gerüche differenzieren. Ebenso erinnern sie sich an ihre Geschmackpräferenzen in utero und behalten diese auch nach der Geburt bei (Marlier u. Schaal 1997). Primär ist jedoch der Duft der milchgebenden Brust attraktiv (Schaal et al. 2009). Orale Beruhigung Bereits seit pränataler Zeit kann
Zeit kurz nach der Geburt Nahrungssuchreflex Erste postnatale Erfahrun-
gen werden im oralen Bereich gemacht. Sofort nach der Geburt erfolgt das reflektorische automatische Suchen nach der Nahrungsquelle, der Brustwarze. Auslösereize für dieses Suchverhalten sind: Wangenberührung, Wärme und Mundkontakt (Prechtl u. Schleidt 1950). Hier handelt es sich um ein grundlegendes, die Art erhaltendes Verhalten, das alle Säugetiere unabhängig von ihren anatomischen Spezialisierungen als gemeinsames Verhaltensmerkmal haben.
sich das Kind durch Daumenlutschen selbst stimulieren. Besonders durch die Nahrungsaufnahme erfolgt neben der Sättigung eine Beruhigung (= Stillen), was auch durch engen Körperkontakt wie Streicheln erreicht werden kann. Exploration mit dem Mundbereich Auf der Basis
seiner sehr frühen oralen Erfahrungen (Schmecken, Daumenlutschen, Nahrungssuche) exploriert das Baby seine Nahwelt weiterhin im Oralbereich. Er ist für den Säugling ein gewohnter und einfach zu handhabender Erfahrungsraum. Da der Fernsinn Sehen anfangs noch nicht gut ausgeprägt ist, kann das Baby nur im Nahbereich die wichtigsten Informationen einholen.
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
Gesichter erkennen Schon mit 3 Tagen kann der Säugling die Stimme der Mutter erkennen (DeCasper u. Fifer 1980) und kann sie ab 2 Wochen ihrem Gesicht zuordnen. Während bis zum Alter von 2 Monaten noch ein einfaches Schema aus Rundung und 3 Punkten (Gesichtsattrappe mit Punkt, Punkt, Komma …) als Gesicht angelächelt wird, ist das dazu gehörende menschliche Sozialverhalten schon früher ausgeprägt: Bereits Neugeborene können (nach 36 h) die Mimik des Erwachsenen wie Ausdruck des Erstaunens (geöffneter Mund), des Schmollens (vorgestreckte Lippe) und der Freude (lächelnd geöffnete und geweitete Lippen) nachahmen (Field et al. 1982). Für diese Wahrnehmungsund Imitationsleistung sind keine statischen Bilder (Fotos, Zeichnungen), sondern bewegte Vorbilder (Menschen, Filme) auslösend (Vinter 1985). Dies erklärt auch, warum die oben erwähnten gezeichneten Gesichtsattrappen erst im höheren Alter als Fake erkannt werden.
InternetInfo – Angeborenes Verhalten beim Neugeborenen Bei YouTube bitte folgende Suchzeile eingeben: 5 »Neonate Imitation« (0:55 min) Ein Neugeborenes, gerade 10 min alt, kann schnell die Mimik des Vaters (Zunge herausstrecken etc.) nachahmen. Gegebenenfalls ist das auf die Spiegelneuronen (7 Abschn. 4.2.2) zurückzuführen. Siehe hierzu auch oben in 7 Abschn. 2.3.1 und zur angeborenen/erlernten Angst die Internetadressen in 7 Abschn. 4.3.3.
Früher nahm man an, hier handle es sich um einen Angeborenen Auslösenden Mechanismus (AAM; Eibl-Eibesfeldt 1997); neuere Forschungen im Bereich der Neuropsychologie lassen jedoch den Schluss zu, dass es sich um die Aktivität von Spiegelneuronen handelt (Rizzolatti u. Sinigaglia 2008; Bauer 2006; 7 Abschn. 4.2.2). Sie steuern die neuropsychologische Fähigkeit, Handlungen und auch Emotionen bei anderen Menschen zu erkennen und so zu registrieren, als ob wir selbst so handeln würden. Das beinhaltet, imitieren zu können, die
Logik einer Handlung zu erkennen, aber auch Mitgefühl für andere so zu empfinden, als wenn wir es selbst wären (7 Abschn. 4.2.2). Praxis konkret – Pränatale und frühkindliche Erfahrungen 5 Der Mund- und Gesichtsbereich ist durch die Evolution bedingt besonders bedeutsam. 5 Der Mundbereich des Menschen ist seit seiner Embryonalzeit ein empfindlicher Raum. Er dient zur Informationsgewinnung über die Außenwelt, zur Nahrungssicherung, Emotionszufuhr und Beruhigung. 5 Der Oralbereich ist ein höchst sensibler Ort für vorwiegend positive Gefühle. 5 Bittet der Zahnarzt das Kind, den Mund zu öffnen, so verlangt er Zugang zu diesem sensiblen Bereich, der mit sehr persönlichen Gefühlen verbunden ist. Das Kind soll dennoch kooperieren. Also kann hier relativ schnell Angst vor Übergriffen in die Intimsphäre auftreten. 5 Hat das Kind bereits vor der Intervention des Zahnarztes Ängste, dann wird es besonders darauf bedacht sein, diesen Raum durch Verschließen abzusichern. 5 Bevor Instrumente in den Mund eingeführt werden, sollte das Kind diese genau explorieren können: ansehen, anfassen, selbst manipulieren, selbst in den Mund nehmen. 5 Die Mimik des Erwachsenen wird bereits vom Säugling erkannt – damit auch ihre nonverbale Botschaft. 5 Deshalb begegnen Sie dem Kind mit ehrlich-freundlicher Mimik, Empathie und seien Sie kongruent (7 Abschn. 2.3.7). 5 Die Sprache ist bereits für das sehr junge Kind von zentraler Bedeutung. Daher ist es wichtig, auch mit sehr kleinen Kindern direkt zu sprechen und die Eltern vorerst nur am Rande in das Gespräch mit einzubeziehen.
Die traumatische Assoziation von Gerüchen wird nach neueren Fallberichten auch bei starken Angststörungen zum Gegenstand hypnotherapeutischer
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2.3 • Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis
Interventionen (Abramowitz u. Lichtenberg 2009). Mehr darüber wird in 7 Abschn. 4.1.1 und 4.4.2. zum Lernen berichtet.
2.3.2
Die kognitive Entwicklung (Stadien nach Piaget)
Für unsere weiteren Praxiszwecke greifen wir auf die konkreten Beobachtungen Piagets (1962) zurück – unabhängig von seinen Modellvorstellungen. Er unterscheidet 5 Phasen, in denen die Welt vom Kind immer mehr aufgenommen und verarbeitet wird. Seine Schlussfolgerungen sind heute teilweise experimentell widerlegt (z. B. Vygotsky 1962, 1978; Topal et al. 2008; Nanez 1988; Eibl-Eibesfeldt 1997), seine Systematik zur kognitiven Entwicklung ist jedoch weiterhin sinnvoll. Altersangaben bei einzelnen Entwicklungsbereichen dürfen deshalb nie als genaue Grenzen angesehen werden, sondern nur als Richtwerte, denn Kinder entwickeln sich in einzelnen Bereichen unterschiedlich schnell. Hinzu kommen auch Lernfaktoren, die bei Piaget nicht berücksichtigt werden.
Sensomotorisches Stadium (0–2 Jahre) Im Vordergrund steht die Koordination der sensorischen Wahrnehmung mit dem einfachen motorischen Verhalten; das ist der Erwerb von sensomotorischer Koordination. Verhalten entsteht ausschließlich durch das Zusammenspiel von Wahrnehmung, gefolgt von motorischer Reaktion (= Aktivität). Der Säugling lernt seine Welt über seine Handlungen kennen, stellt gewisse Gesetzmäßigkeiten in der Außenwelt fest und fängt an, mit ihr zu interagieren. Am Ende der Phase beginnen das Denken und die Sprache. Das Kleinkind kann nur konkrete Handlungen verrichten, verfügt also weder über eine Vorstellungstätigkeit, noch über eine rationale Einsicht. Praxis konkret – Das Kind im Alter von 0–2 Jahren 5 Das Kind sollte über die Wahrnehmung einfacher Reize und über seine motorischen Aktivitäten erreicht werden, z. B.
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Faszination über Farben, Klänge, Summen, Agieren mit Puppen. Zu den einfachen Reizen gehören auch Berührungen, die Schutz und Sicherheit geben (7 Abschn. 2.3.3). Kinderlieder, die das Kind von zu Hause bereits kennt, bereiten eine vertraute Atmosphäre und erleichtern den Rapport. Instruktionen wie »Stelle dir vor …« überfordern das Kind und sollten ersetzt werden durch Kontakt mit einer Puppe und »Das ist der Bär, der dir bei … hilft.« Erklärungen zum Behandlungsprozess können nicht angemessen rational verarbeitet werden; besonders das sehr kleine Kind versteht unsere Erklärungen nicht.
Präoperationales Stadium (2–7 Jahre) Bildvorstellungen Immer mehr an sprachlichem
Ausdruck und Bildvorstellungen werden beherrscht. Das Kind agiert nun auch in Gedanken. Es benutzt Vorstellungsbilder, Worte und Gesten. Mengen- und Objektkonstanz ist möglich (die Perlenmenge bleibt für das Kind nun beim Umschütten in ein anders gestaltetes Gefäß gleich). Es verfügt über systematischen Spracherwerb, kann symbolische Spiele durchführen, Handlungen imitieren und sich einfache Sachverhalte vorstellen. Egozentrismus Das Kind kann die Welt nur aus
seiner Perspektive sehen/erkennen. So kann es nicht fremde Geschichten für andere verständlich erzählen und kann sich nicht in andere Personen hineinversetzen. Animismus Alles Bewegte ist für das Kind le-
bendig, auch Objekte; sie haben Gefühle und Bedürfnisse. Der Tisch, an dem man sich gestoßen hat, wird als böse bezeichnet und er wird zurückgeschlagen. (Manche Fußballspieler treten heute noch gegen den Torpfosten, wenn sie mit dem Ball daneben trafen. Wir nehmen hier positiv an, dass sie nur in diesem hohen Erregungszustand so stark regredieren.) Das Kind empfindet ein Einssein mit der Welt; so wird Personen oder Gegenständen eine
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
magische Allmacht zugeschrieben. Hier sind der Magieglaube und das Märchen mit seinen Wünschen beheimatet.
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Zeitbewertung Worte wie »früher/nachher/später« und deren Folge werden nicht als Zeitbegriffe verstanden. »Du kannst nachher weiterspielen« wird erlebt als »nie mehr weiterspielen«. Das verunsichert und kann Trotzausfälle auslösen (s. unten). Kritische Anmerkung Die altersbezogene Phaseneinteilung Piagets wird durch moderne Experimente teilweise angezweifelt, denn wenn ein Modell (anderes Kind, Eltern, Teddybär) die Aufgabe richtig vormacht, können Kinder schon ab 4–5 Jahren (und nicht erst mit 6–7 Jahren) das Verhalten verstehen und nachahmen. Dies ist besonders wirksam, wenn dazu die Erklärung für die Aufgabenlösung gegeben wird.
Konkret-operationales Stadium (7–11 Jahre) Das Kind kann nun in Gedanken und Vorstellungen operieren. Der Erwerb von Dezentrierung ist möglich, d. h. Abnahme der egozentrischen Sichtweise, denn das Kind kann nun auch andere Perspektiven einnehmen. Es kann kombinieren, trennen und zuordnen, ist jedoch noch auf die konkret-anschauliche Ebene beschränkt, mentale Operationen müssen also mit konkreten (greifbaren) Gegenständen (Rechnen mit Äpfeln, Plättchen) durchgeführt werden und beinhalten noch keine abstrakten Aussagen. Das Denken wird von der direkten Wahrnehmung beeinflusst. Reversibilität ist nun möglich, beispielweise in Gedanken rückwärts zu gehen oder Operationen rückgängig zu machen, werden nun beherrscht. Praxis konkret – Das Kind im Altern von 7–11 Jahren
Praxis konkret – Das Kind im Alter von 2–7 Jahren 5 Nutzen Sie Magie, Märchen und Faszination zum Kontaktaufbau und auch in der weiteren Kommunikation. Verwenden Sie dazu einen Zauberstab. 5 Handpuppen werden als Realperson erlebt. Benutzen Sie sie zum Kontakt- und Kommunikationsaufbau. Eine zentrale Rolle spielt in unserer Praxis das immer wiederkehrende Äffchen Bimbo (7 Abschn. 5.2.3). 5 Handpuppen können als Vorbild dienen. Sie sind die Krafttiere, die besondere Fähigkeiten haben. 5 Verwenden Sie kindgerechte Bezeichnungen für alle Materialien, Instrumente und Geräte. 5 Gegenstände wie Sonden oder Bohrer werden als reale Übeltäter erlebt. Sie sollten deshalb anfangs nur positive Rollen spielen und einen kindgerechten Namen erhalten. 5 Beachten Sie die noch nicht beherrschte Zeitperspektive des Kindes. 5 Näheres dazu in 7 Abschn. 2.3.5.
5 Das Kind ist nun für logische Argumente zugänglich, sollte darin jedoch nicht überfordert werden. 5 Verbinden Sie immer noch Aussagen mit konkreten Figuren und anschaulichen Beispielen. 5 Verwenden Sie die anschauliche Methode Tell-Show-Do zur Vorbereitung auf die Zahnbehandlung – 7 Abschn. 4.5.1 und 5.2.5.
Formaloperationales Stadium (11 bis ca. 16 Jahre) Abstraktes Denken, logische Beziehungen, Schlussfolgerungen sind nun möglich. Das Kind kann nicht nur über Dinge, sondern auch über Gedanken nachdenken. Es hat nun Interesse an abstrakten Idealen; kann über komplexe hypothetische Probleme nachdenken. Bedingt durch das zunehmende Zeitverständnis ist Geschichtsdenken nun möglich. Von diesen Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie lassen sich nun wieder ganz konkrete Vorschläge für die Kommunikation mit Kindern in der Zahnarztpraxis ableiten.
2.3 • Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis
Praxis konkret – Formaloperationales Stadium (11 bis ca. 16 Jahre) 5 Nun können Bilder und Entspannungsszenen benutzt werden, die (in kindlicher Sprache) denen der Erwachsenen entsprechen, z. B. grüne Wiese, Strandspaziergang. 5 Die Lieblingsbeschäftigung bietet immer umfangreiche Gesprächsthemen. 5 Handlungsaspekte der Lieblingsbeschäftigung führen zur Trance-Kooperation (Aktiv-Anästhesie-Hypnose; Schmierer u. Schütz 2007).
Die sehr abstrakt anmutenden Schilderungen der entwicklungsbedingten Denk- und Handlungsweisen des Kindes sind sehr klar in einigen Lehrvideos dargestellt. Besonders deutlich wird auch, dass Erwachsene diese »andere Denkwelt« des Kindes verstehen lernen müssen, um mit dem Kind eine angemessene Kommunikation zu erreichen. Die amerikanischen Aufnahmen verdeutlichen zusätzlich, dass es sich hier um transkulturelle Verhaltensweisen handelt. InternetInfo – Dokumentationen zu den Stadien nach Piaget Bei YouTube bitte folgende Suchzeile eingeben: 5 »Piaget – Stage 1 – Sensorimotor, Object Permanence2« (1:04 min) Vor den Augen des Babys wird ein Gegenstand unter einem Tuch verborgen und ist dann für das Kind nicht mehr vorhanden. 5 »Piaget – Stage 2 – Preoperational, Lack of Conservation« (2:16 min) Sehr anschaulich wird das bekannte Experiment des Umschüttens von Flüssigkeiten gezeigt: sobald die Flüssigkeit in ein hohes schmales Glas gegossen wird, ist sie mehr geworden. Ähnliche Experimente werden mit einer Reihe von Münzen und mit Keksen durchgeführt. 5 »Developmental Psychology: Categorization Inability« (2:28 min)
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Das 4-jährige Kind bekommt 4 Bilderkarten vorgelegt, von denen jeweils eine (z. B. Karre) nicht zu den 3 anderen (z. B. Tieren) dazu passt. Das Kind kann diese beiden Unterscheidungskategorien noch nicht bilden. 5 »Egocentrism« (1:28 min) Das Kind befindet sich vor einer kleinen Spielzeuglandschaft mit einem Vulkanberg in der Mitte, rundherum sind Gegenstände wie Tiere oder Bäume. Das Kind kann nur die Dinge auf seiner Seite beschreiben. Nach einem Platzwechsel mit der gegenübersitzenden Experimentatorin wird es gefragt, was diese nun sieht. Das Kind kann sich nicht in ihre Sichtweise eindenken, sondern beschreibt die Dinge auf seiner Seite. 5 »Piaget – Stage 3 – Concrete, Reversibility« (0:57 min) Das ältere Kind erkennt nun beim Umfüllen der Flüssigkeiten in andere Gefäße, dass die Menge gleich bleibt. 5 »Piaget – Stage 4 – Formal – Deductive Reasoning« (0:59 min) Das Kind erkennt die Auswirkung verschiedener Stoffe aufeinander und kann diese angemessen zuordnen.
Auch wenn wir diese beeindruckenden Lehrvideos gut verstanden haben, sind sie vielleicht dennoch nur kognitiv verarbeitet. Zum besseren tieferen Verständnis dieser eigenen Denk- und Erlebenswelt des Kindes lassen Sie sich nun bitte für einige Minuten durch kleine Aufgaben dazu motivieren, sich auch auf Ihre Erlebniswelt mit den dazugehörenden Innenbildern und Emotionen zu konzentrieren. Am besten gelingt das, wenn wir Ereignisse aus Ihrem eigenen kindlichen Erlebnisbereich wählen. Kleine Selbsterfahrung – Eigene Kindheit Nehmen Sie bitte ein Blatt Papier und schreiben Sie Ihren Namen mit der linken Hand (Linkshänder mit der rechten Hand).
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
5 Welche Gefühle stellen sich nun bei Ihnen ein? 5 Sehr viele Personen sind nun erstaunt, wie schnell und intensiv die motorische Ungeschicklichkeit eines Erstklässlers wieder zu spüren ist. 5 Erinnern Sie sich bitte an diese Zeit. 5 Welche Personen verbinden Sie mit dem Schreibenlernen von damals? 5 Wo haben Sie damals Ihre Hausaufgaben gemacht? Besorgen Sie sich bitte einige Glasmurmeln (Knicker, Schusser etc.) und lassen diese durch die Hand gleiten. 5 Welche Gefühle stellen sich nun bei Ihnen ein? 5 Sehr viele Personen sind nun erstaunt, wie schnell und intensiv das Spielfeld (z. B. im Hof ) und ehemalige Freunde erinnert werden. Auch Spielregeln, Erfolge etc. werden erinnert. Erinnern Sie sich bitte an Ihr Lieblingsspielzeug in verschiedenen Altersbereichen (als kleines Kind/ als Grundschulkind/als älteres Schulkind): 5 Warum war gerade das Ihr Lieblingsspielzeug? 5 Erinnern Sie sich bitte an Erlebnisse und Sinnesqualitäten dazu (Oberfläche, Farbe, Form, Geruch)? 5 Welche Gefühle und Erinnerungen können Sie nun bemerken? 5 Welche Personen, Räume und Situationen werden plötzlich als Bilder wach? Besuchen Sie in den nächsten Tagen einen Spielzeugladen. 5 Nehmen Sie Kontakt mit Spielzeugen auf, die denen Ihrer Kindheit ähneln. 5 Welche Gefühle und Erinnerungen können Sie nun bemerken? 5 Nehmen Sie auch Kontakt zu den modernen Spielsachen der Gegenwart auf. 5 Stellen Sie die Unterschiede zu früher fest.
Nachfolgend wenden wir uns den zahlreichen weiteren Entwicklungsbereichen zu und leiten aus ihnen weiterhin Kommunikationsvorschläge für den Kinderzahnarzt ab.
2.3.3
Sicherheitsbedürfnis, Bindung, Nähe und Distanz
Das Grundbedürfnis nach Sicherheit ist in allen Altersbereichen festzustellen. Es ist angeboren (Bowlby 1969; Grossmann u. Grossmann 2003). Die menschliche Nähe und damit verbunden das Gefühl der Geborgenheit ist für das Kind von Geburt an ein bedeutsames Grundbedürfnis. Deshalb verbringt das Kleinstkind möglichst viel Zeit direkt bei seiner Mutter oder in deren unmittelbarer Nähe. Mit zunehmendem Alter wagt es sich in weitere Entfernungen, um seine Umwelt mehr explorieren zu können. Treten Schmerzen oder Ängste auf bzw. sind sie oder andere Bedrohungen zu erwarten, sucht das Kind durch seine angeborene Disposition automatisch seine Mutter auf. Selbst die von ihren Müttern misshandelten Kinder suchen diese weiterhin zum Schutz auf, da sie auf sie geprägt sind (Rajecki et al. 1978). Eine sichere emotionale und soziale Bindung wird durch die verlässliche, liebevolle und warmherzige Betreuung durch die Mutter (oder eine feste Beziehungsperson) gestaltet. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen sicherer Bindung und psychischer Stabilität des Kindes und späteren Erwachsenen. So bewirkt eine feindselige und vernachlässigende Kindererziehung eine gestörte Bindung, größere psychische Verletzlichkeit und sogar größere Krankheitsanfälligkeit (Maselko et al. 2010; Zimmermann 1996). Ihre neuropsychologischen Auswirkungen sind in 7 Abschn. 4.2.6 dargestellt. Während beim Kleinkind körperliche Sicherheit und soziale Geborgenheit im Vordergrund stehen, sind es mit zunehmendem Alter kulturbedingte Aspekte wie Bildung, Beruf und Existenzsicherung. In der Psychotherapie für Erwachsene wird diesem Sicherheitsbedürfnis mit unterschiedlichen Methoden in hohem Maße Rechnung getragen, so z. B. in der Hypnoseanwendung u. a. mit dem Bild des sicheren Ortes oder Bild des geheimen Ortes, in
2.3 • Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis
den sich der Patient zurückziehen kann, um von dort aus geschützt Problemsituationen zu beobachten (z. B. Kossak 2004; Maaß 2004).
Aspekte der Sicherheit Die nachfolgenden Aspekte gelten für jüngere Kinder, können aber je nach Grundbefriedigung bzw. Defiziten in diesen Bereichen und je nach Belastung des Kindes (z. B. viel Angst) bis weit ins Schulalter reichen. Je jünger ein Kind ist, umso mehr benötigt es Stabilität und Einbindung, die ihm Sicherheit vermitteln, d. h. existenzielle Unversehrtheit. Körperliche Geborgenheit Wichtig sind Körper-
kontakt wie Umarmung, auf dem Arm sein, kuscheln, streicheln, an der Hand gehalten werden. Emotionale Geborgenheit Wird vermittelt durch freundliche Zusprache, Küssen, Streicheln, ruhigen Sprachtonfall. Ständige Verfügbarkeit der Bezugsperson Die begleitende Mutter/der Vater sollen möglichst nah bei dem Kind sein, damit es durch die Nähe schnell Schutz bekommen kann. Ersatzobjekte Ist die primäre Bezugsperson wie
die Mutter nicht verfügbar, benötigt das Kind andere »Objekte«, die es sofort und intensiv zur Beruhigung und Vermittlung von Geborgenheit benutzen kann. Diese Ersatzobjekte sind meist: Daumen, Schnuller, Schmusedecke, Teddy, Talisman.
Praxis konkret – Sicherheitsbedürfnis Körperkontakt 5 Lassen Sie die Anwesenheit der Bezugsperson (Mutter) zu, damit das Kind sich beruhigen kann und Vertrauen in die Interaktion mit dem Zahnarzt bekommt. 5 Ermöglichen Sie dem Kind Körperkontakt zu seiner Mutter: auf dem Schoß sitzen, ihre Hand halten. 5 Bei großer Angst, Unsicherheit oder Unruhe und bei sehr kleinen Kindern sollte sich
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die Mutter in den Behandlungsstuhl legen und dann ihr Kind so auf ihren Bauch legen, dass der Zahnarzt es weiterbehandeln kann. 5 Streicheln sollte entfallen, denn Streicheln erhöht die Sensibilität des Kindes, da es mit Trösten und Leid verbunden wird; somit erhöht Streicheln auch die Schmerzempfindlichkeit. 5 Besser ist hier dann Akupressur (7 Abschn. 7.3). Dabei behält die Mutter durch die Berührung der Hand den Körperkontakt zum Kind und gibt ihm Sicherheit. In gleicher Weise wirkt die Akupressur durch die Assistentin und den Behandler. 5 Ermöglichen Sie dem Kind Körperkontakt, wenn seine Mutter abwesend ist, z. B. durch Handhalten der Helferin oder durch Berühren und Halten während der Zahnbehandlung (7 Abschn. 5.4.1). Sprache 5 Halten Sie den Kontakt durch permanentes Sprechen aufrecht. 5 Bleiben Sie ruhig, sprechen Sie ruhig und beschwichtigend. Ersatzobjekt 5 Das Kind sollte das Ersatzobjekt (Teddy etc.) mitbringen, das ihm wichtig ist. 5 Lassen Sie mitgebrachte Ersatzobjekte wie den Teddy zu. 5 Nehmen Sie das Ersatzobjekt ernst, beziehen Sie es in die Interaktion mit ein. 5 Sprechen Sie mit dem Teddy. 5 Kommunizieren Sie auch indirekt über den Teddy. 5 Geben Sie Beruhigung und Suggestionen über den Teddy, der ebenso wie das Kind untersucht und behandelt wird. 5 Falls nicht vorhanden, bieten Sie ein Ersatzobjekt wie z. B. eine Fingerpuppe an.
Gerade durch den vorhergehenden Lernkasten mit seinen vielen Vorschlägen zur Kommunikation mit Kindern wird deutlich, wie vielschichtig schon bereits ein einziger Aspekt wie Sicherheit sein kann. Es ist aber auch sehr plastisch zu erkennen, dass das
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
Verhalten des Kinderzahnarztes auf unterschiedlichen Ebenen erfolgt und sehr facettenreich sein sollte. Ist man den Umgang mit Kindern nicht gewohnt, so werden diese Verhaltensvorschläge weiter dazu beitragen, parallel zur »handwerklichen« zahnärztlichen Intervention das eigene Kommunikationsverhalten auf die kindlichen Bedürfnisse abzustimmen, bis sie schließlich selbstverständlich werden und in den Gesamtkomplex der ärztlichen Interaktion mit dem Kind integriert sind. Die nachfolgende kleine Selbsterfahrung soll diese Lernprozesse ebenfalls unterstützen. Kleine Selbsterfahrung – Haben Puppen eine Seele? Erinnern Sie sich bitte an Ihre frühere Puppe oder Ihren Teddybären: 5 Welchen Namen hatte die Puppe oder der Teddybär – evtl. auch mehrere Puppen/ Bären? 5 Welche emotionale Beziehung hatten Sie damals zur Puppe/zum Teddy? 5 Welche Persönlichkeit und Fähigkeiten haben Sie der Puppe oder dem Teddy zugesprochen? 5 Welche Rollen oder Funktionen hatten Ihre Puppe oder Ihr Teddybär? 5 In welchen Situationen waren die Puppe oder der Teddy besonders erwünscht? 5 Gab es Situationen, in denen Sie diese Puppe oder den Teddy vermisst haben? 5 Wo befindet sich diese Puppe oder der Teddy heute?
. Tab. 2.3 Kritische Distanzräume. (Mod. nach Altman 1975 u. Hall 1966) Art der Distanz
Entfernung
Betroffene Personen
Intimdistanz
0 bis 0,40 m
Nahestehende Personen: kann auch mit physischem Kontakt verbunden sein
Persönliche Distanz
0,40 bis 1,20 m
Persönlich Bekannte
Soziale Distanz
1,20 bis 4 m
Personen außerhalb des Intimkreises
Öffentliche Distanz
4 bis 8 m
z. B. öffentlicher Redner gegenüber dem Publikum
Gruppendistanz
variabel
Gruppen am Strand, Straßengangs, Nachbarn usw.
Bedürfnis, sich zeitweilig ein störungsfreies und entspanntes Feld zu schaffen, indem man sich mit dem Blick oder dem gesamten Körper abwendet. Dieses Verhalten entspricht auch dem junger Hunde oder Katzen, die durch Anstarren verunsichert werden, Angst bekommen und sich dann sogar angegriffen fühlen. Ergänzend zum Nähebedürfnis erkennen wir in dem Suchen nach Distanz ein Bedürfnis nach Privatheit, nach Entspannung und Ruhe, das kulturübergreifend vorhanden ist, jedoch jeweils kulturspezifisch ausgeprägt ist (Mazur 1977).
Distanzbedürfnis Der Blickkontakt ist bei der Suche nach körperlicher/sozialer Geborgenheit besonders in der Kleinstkindzeit von großer Bedeutung. Mit zunehmendem Alter misst das Kind dem Blick nicht nur eine beruhigende Wirkung bei. Blickt es Fremde an, so steigt sein Pulsschlag und nimmt bei Abwendung sofort wieder ab. Diese Form der Erregung wird meist von einer Entspannungsphase des Wegsehens und Entspannens gefolgt (Waters et al. 1975). Dies entspricht der Angst, dass Anstarren Bedrohliches beinhaltet, gefolgt und verbunden mit dem
Kritische Distanzräume Ethologen stellten sogar fest, dass es kritische Distanzräume gibt, die wir gewahrt haben möchten (Altman 1975). »Den Individualraum tragen wir immer mit uns wie eine unsichtbare Blase.« (EiblEibesfeldt 1997, S. 480). Aspekte der Territorialität, des Revierbesitzes und Sozialprestiges werden hier deutlich (. Tab. 2.3).
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2.3 • Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis
Mutter + Kind
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Außenbedrohung Kritischer Distanzbereich
Annäherung
Mutter Kind
Fremdheit
. Abb. 2.1 Nähe zur Mutter/Bezugsperson und kritische Distanz. Je größer die Nähe zur Mutter bzw. Bezugsperson ist, umso geringer kann die kritische Distanz für eine Annäherung Fremder sein. Je enger die Mutter-Kind-Beziehung ist (oben), umso mehr kann sich ein Fremder nähern
Kritische Distanzräume sind nicht nur räumlich zu verstehen; Distanzüberschreitungen können auch durch folgende Aspekte erfolgen: 5 Blick: Zu langes, intensives Anschauen, Anstarren, bzw. angestarrt werden (s. oben); 5 Körperhaltung, die eine Intimität vortäuscht; 5 verbales Verhalten: distanzloser Sprachgebrauch, »Du« anstatt »Sie«, Nennen des Vornamens, Spitznamens, Kosenamens, Auslassen der Anrede, des akademischen Titels; 5 Kleidung kann distanzlos wirken, wenn sie nicht angepasst ist an die Gruppe oder die Situation, so die zu konservative oder zu progressive Garderobe; 5 Körpergeruch (Schweiß, Hormone) und Parfüm, Rasierwasser etc. können distanzierend wirken. Überschreiten Personen diese Grenzen, werden sie nicht nur als aufdringlich, sondern auch als Eindringlinge und evtl. als Aggressoren und Bedrohung erlebt (»Hey, was guckst du?! Willst wohl Ärger, oder was?«). Sie bewirken somit negative Erregungen. Je ängstlicher eine Person ist, umso
mehr will sie Distanz zu Fremdem erhalten – und umso mehr Nähe zu ihrer engen Bezugsperson benötigt sie. Befindet sich das Kind z. B. auf dem Schoß der Mutter, fühlt es sich sicherer und kann die Annäherung Fremder (z. B. Arzt) besser ertragen (. Abb. 2.1 u. Abb. 2.2). Praxis konkret – Kritische Distanzräume 5 Je ängstlicher ein Kind ist, desto mehr Distanz zu Fremden und Nähe mit Geborgenheit bei Vertrauten benötigt es. 5 Akzeptieren Sie den Distanzbedarf des Kindes. 5 Durch zu große körperliche Nähe (des Arztes) wird das Distanzbedürfnis des Kindes missachtet. 5 Distanzüberschreitung kann Angst und Aggressionen auslösen. 5 Neutralisieren Sie die Annäherung durch positiv besetzte Aktionen wie Puppen, Märchen etc. 5 Gewöhnen Sie das Kind an die neue Situation durch langsame Annäherung.
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
Kritischer Distanzbereich
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Mutter + Kind
Angst Flucht
Stress Misstrauen
Annäherung an das Kind bis über die kritische Distanz hinaus . Abb. 2.2 Kritische Distanz und Verhalten des Kindes. Mit zunehmender Annäherung des Fremden an die kritische Distanzgrenze vergrößern sich Angst, Stress und Misstrauen des Kindes (rechtes Dreieck als Größensymbol). Wird die kritische Distanz überschritten, wird die Angst so bedrohlich, dass nun Fluchtverhalten beginnt und mit der weiteren Annäherung des Fremden zunimmt (linkes kleines Symbol)
5 Puppen dürfen eher in den kritischen Distanzbereich eindringen als der Behandler. 5 Achten Sie auf Signale, die Distanzbedarf fordern. 5 Zeigen Sie Handlungen, die Angst verringern wie z. B. ruhige Bewegungen, entspannte Körperhaltung, verbale Freundlichkeit, neutrale Kleidung, neutrale oder positive Gerüche. 5 Vermeiden Sie zu langes Anstarren des Kindes.
Das Problem von Nähe und Distanz spielt in allen Altersbereichen eine durchaus bedeutsame Rolle – denken wir hierbei daran, wie unwohl wir uns fühlen, wenn uns jemand zu nahe »auf den Leib rückt«. In kleinen Personenaufzügen wird dies besonders hautnah erlebt. Wie existenziell diese Thematik ist, verdeutlicht das folgende Lehrvideo sehr eindrucksvoll.
InternetInfo – Beispiel zu Nähe-Distanz, Bindung Bei YouTube bitte folgende Suchzeile eingeben: 5 »Strange Situation« (1:56) In dem Kurzvideo wird sehr klar deutlich, in welcher Entfernung für das Kleinkind die Grenzen für Nähe und Distanz zwischen vertrauter Mutter und fremder Person liegen. Die Bindung an die Mutter gibt dem Kind Sicherheit – auch wenn sich eine fremde Person nähert.
2.3.4
Konstanz von Emotion, Raum, Objekt, Zeit
Kinder benötigen Konstanz, d. h. eine stabile und stets vorwiegend gleichbleibende Umwelt. Dadurch
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2.3 • Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis
erfahren sie, dass ihre Umwelt zuverlässig ist und Geborgenheit bietet; kommen sie in eine fremde Umgebung, sind sie meist verschüchtert und ängstlich, da ihnen diese Raumkonstanz fehlt.
Kinder benötigen Konstanz zur Erfahrungsbildung Umweltverständnis Nur durch Wiederholungen, also identische Erfahrungen, kann das Kind sich räumlich und inhaltlich orientieren. Begriffslernen Um Begriffe zu erlernen, Kategorien zu bilden, werden stets identische Objekte benötigt. Nur wenn für gleiche Objekte, Tätigkeiten oder Personen stets identische Begriffe verwandt werden, kann das Kind dafür die richtigen Namen, Funktionen etc. angemessen zuordnen, also zuverlässig erlernen (= zuverlässige Synapsenbildung). Stabilität der Umwelt Sowohl die räumliche als
auch die soziale Umwelt muss möglichst konstant sein, um sie als zuverlässig zu erleben. Sicherheit Kontinuität und Konstanz z. B. von
Raum und Bezugsperson geben Geborgenheit und Sicherheit.
Folgerungen: Rituale schaffen Sicherheit Stete Wiederholungen wie z. B. immer die gleiche Abendgeschichte und Rituale z. B. beim Anziehen oder beim Essen geben dem Kind die Gewissheit, dass alles stabil ist und es sich geborgen fühlen kann. Wird dieses Konstanzbedürfnis besonders bei jüngeren Kindern (bis ca. 5–6 Jahre) nicht beachtet, können Ängste entstehen. So kann ein anderer als der gewohnte Sitzplatz beim Essen Verwirrung auslösen, was sich als sog. Trotzanfall äußert. Wahrscheinlich ist das Zählen (»Ich zähle von 1 bis 3 und dann ist der Schmerz vorbei.«) ebenfalls ein gewohntes Ritual, das sowohl einen Spannungsbogen aufbaut, aber sofort wieder abbaut. Praxis konkret – Konstanz gibt Sicherheit 5 Bieten Sie besonders jüngeren Kindern viel Konstanz = Sicherheit für das Kind.
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5 Begrüßen Sie das Kind möglichst immer gleich = »Begrüßungsritual« mit der gleichen Handpuppe (Bimbo). 5 Benutzen Sie immer den gleichen Behandlungsraum. 5 Planen Sie möglichst immer die gleiche Helferin ein. 5 Benutzten Sie stets die identischen Begriffe für die relevanten Tätigkeiten und Objekte. 5 Akzeptieren Sie, wenn das Kind immer die gleichen Objekte (Handpuppen, Zauberstab) wählt. 5 Führen Sie bei der Intervention ebenfalls Rituale und immer ähnliche Prozeduren ein = gleiche Geschichten (Zauberwald, Zahnteufel Hacki und Dicki) erzählen und dabei stets die gleichen Behandlungsabläufe (Karies excavieren mit Carisolv 7 Abschn. 5.2.5). 5 Die Fraktionierung der Hypnoseinduktion (Zahnteufel wegsaugen durch das Kind) ist in diesem Sinn eine Ritualisierung und wird von Kindern deswegen geschätzt (7 Abschn. 1.2.1 und 5.4.2).
Exkurs: Trotzverhalten Bereits mehrfach wurde das kindliche Trotzverhalten erwähnt. Es wird von Erwachsenen oft fehlinterpretiert und als unangemessenes oder sogar aggressiv-böses Verhalten gewertet, das den Erwachsenen zum Widerstand oder zu Gegenaggressionen provoziert. Gelegentliche Trotzanfälle gehören bis zum Alter von ca. 3 Jahren zum normalen Reifungsprozess. Meist spricht man hier von der Entwicklung des kindlichen Eigenwillens und dem Akt der Selbstwerdung, um ähnlich wie in der Pubertät gegenüber elterlichen Begrenzungen aufzutreten (Papousek et al. 2007). Gerade zum Trotzverhalten begegnen wir schon seit langem ähnlich interpretativen Ansätzen, die Trotz als Willensbekundung und nahezu Machtkampf ansehen. Metzger begegnete bereits 1956 diesen Interpretationen wissenschaftlich-ex-
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
perimentell, indem er die Trotzverhaltensweisen von Kindern in unterschiedlichen Kontexten systematisch beobachtete. Dabei stellte er fest, dass Trotzanfälle immer dann auftreten, wenn von dem Kind etwas verlangt wird, was seine entwicklungsbedingten Fähigkeiten überforderte, so, wenn z. B. seine Zeitperspektive oder sein Wunsch nach Immerwiederkehrendem (Rituale) nicht beachtet wurden. Die klinischen Beobachtungen aus der Praxis der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie bestätigen dies bei jüngeren Kindern deutlich.
Auslöser für primäre Trotzanfälle im frühen Kindesalter Geringe Zeitperspektive Beispielsweise »Du kommst jetzt zum Essen; nachher kannst du weiterspielen.« Das Kind versteht dieses Angebot nicht und meint, für immer sein Spiel aufhören zu müssen. Bedürfnis nach Ritualen, Konstantem Bekommt
das Kind nicht seinen gewohnten Platz, Teller, die gewohnte Geschichte, ist es irritiert und reagiert diffus affektiv mit sog. Trotz. Bedürfnis, Handlungen fortzusetzen bzw. abzuschließen Wird das Kind z. B. vom Spielplatz ge-
holt oder in einer Handlung unterbrochen, kann Trotzverhalten folgen. Bedürfnis nach Eigenständigkeit Hier ist mehr die Freude gemeint, etwas »alleine« zu können, wie z. B. »Ich will alleine groß sein und die Jacke anziehen.« Plötzlicher »Liebesverlust« Ist die geliebte Bezugsperson nicht da, weil sie z. B. während des kindlichen Sandkastenspiels ihren Platz gewechselt hat oder beim Aufwachen nicht sofort erreichbar ist. Das sog. Trotzverhalten ist hier der Ausdruck einer starken Irritation, Hilflosigkeit, Ratlosigkeit, das sich in Schreien und Weinen ausdrückt. Je mehr man versucht, auf das Kind einzugehen, umso stärker wird sein emotionaler Ausbruch (Metzger 1956).
Das Kind ist während dieses Ausbruchs emotional erschüttert und wird umso stärker verängstigt, je mehr Erwachsene darauf reagieren, es kann sogar aggressiv werden. Praxis konkret – Primäres Trotzverhalten der kleinen Kinder 5 Das primäre kindliche Trotzverhalten ist Ausdruck einer Hilflosigkeit des Kindes, weil seine entwicklungspsychologisch bedingten Grenzen nicht respektiert wurden. 5 Während des Trotzanfalls helfen kaum Beruhigung oder sogar Zuwendung (sie können sogar zur Verschlechterung führen, s. unten). 5 Das Kind benötigt nun Ruhe. Der Erwachsene sollte in Ruhe abwarten, bis der »Anfall« vorüber ist. Die darin enthaltene Dramatik sollte wenig beeindrucken. Manche Kinder schreien, bis sie blau werden – hier hilft ebenfalls nur Ruhe. 5 Derartige »Anfälle« dauern meist nur wenige Minuten. 5 Der Erwachsene sollte in der Nähe bleiben, um dem Kind die nötige Sicherheit zu geben, wenn es wieder aufnahmefähig ist. Dann bekommt es die gewohnte Zuwendung. 5 Nach wenigen Minuten kann es zum sog. Nachtrotzen kommen, d. h. das Kind benötigt nochmals Zeit, sich wieder in die Gegenwart mit ihren Anforderungen einzufinden. 5 Stellt man sich auf die oben erwähnten entwicklungsbedingten Bedürfnisse des Kindes ein und berücksichtigt sie, werden Trotzanfälle deutlich seltener auftreten.
Sekundäres Trotzverhalten bei älteren Kindern – und Erwachsenen Ältere Kinder setzen ihren Trotz gezielt ein, um z. B. Zuwendung zu erreichen. Durch operante Verstärkung haben sie von ihren erwachsenen Bezugspersonen genau gelernt, dass sie durch ein bestimmtes Verhalten (Trotz) gezielt etwas erreichen können.
2.3 • Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis
Typische Situationen für sekundäres Trotzverhalten: 5 Im Supermarkt an den sog. Kinderfängern Süßigkeiten haben zu wollen, 5 zu vermeiden, dass man sein Zimmer aufräumt, 5 zu vermeiden, altersgemäße Aufgaben zu übernehmen, 5 eine Vergünstigung zu ertrotzen wie Taschengelderhöhung, Fernsehen dürfen. Oft liegen als Ursachen Defizite an Aufmerksamkeit und Zuwendung durch Eltern vor, die durch das Symptomverhalten Trotz »erzwungen werden«; dabei kann bei großen Zuwendungsdefiziten sogar die Wut und Aggression des Erwachsenen die erhoffte Zuwendung erbringen. Diese Verhaltensstörung kann sich bis ins Erwachsenenalter fortsetzen, um bestimmte Ziele zu erreichen oder etwas zu vermeiden. Hier sind meist gezielte familientherapeutische Behandlungen erforderlich, um erlösende Veränderungen für alle Beteiligten zu bewirken.
2.3.5
Zeitbegriffe und Kausalverständnis
Vor dem 4.–5. Lebensjahr werden Zeitbegriffe wie »früher«, »später«, »nachher« nicht sinngemäß verstanden. Das heilige und ernste Versprechen der Eltern: »Du kannst nachher weiterspielen« wird deshalb verstanden als »Ich muss das Spiel für immer beenden.« Das schafft Verwirrung, setzt Affekte frei, die sich als sog. Trotzanfall zeigen (s. oben). Erst ab dem 11.–12. Lebensjahr gibt es ein Geschichtsverständnis als abstraktes Zeitverstehen. Während für jüngere Kinder frühere Zeiten nur durch personifizierte Geschichten (»Der Tag eines Neandertalers«) zu vermitteln sind, kann das ältere Kind Begriffe wie »Mittelalter« oder »Industrielle Revolution« nun abstrakter sehen und sowohl inhaltlich als auch historisch auf einem Zeitstrahl anordnen. Die freundliche und inhaltlich korrekte Information »Isst Du weiterhin Zucker, dann wirst Du in 10 Jahren Karies haben« überfordert das Zeitverstehen des Kindes; zusätzlich wird das Verständnis
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zwischen einer lustvollen Handlung und einer fast abstrakten biochemischen Reaktion (= Karies) gefordert. Diese Konstellation überfordert auch viele Erwachsene. Praxis konkret – Zeitverständnis, Kausalzuordnung Zeitverständnis 5 Wenn das Kind sein Spiel für die Behandlung abbrechen soll: Besser als Ablenken vom Zahnarzt ist hier das Hinlenken zum Zahnarztspiel: »Wir machen jetzt ein anderes Spiel. … Kennst Du schon das Zahnarztspiel mit Bimbo, dem Äffchen?« Sinnverständnis 5 Lange oder komplizierte Informationen überfordern das Kind kognitiv – und in Belastungssituationen auch emotional. 5 Verbal vermittelte Bilder sollten möglich kurz und prägnant sein und aus dem Erfahrungsbereich des Kindes stammen. 5 Je jünger das Kind ist, umso konkreter müssen die benutzten Bilder sein. 5 Benutzen Sie konkrete Fotos anstatt Comics. Comics bedürfen einer Vorerfahrung, die emotional (negativ) besetzt sein kann. Comics bedürfen einer weiteren dazwischengeschalteten Abstraktionsstufe. 5 Nur für ältere Kinder (mit höherem Abstraktionsvermögen) können Comicbilder oder Comicfilme geeignet sein. Mundhygiene 5 Je jünger ein Kind ist, um so mehr sind seine Bezugspersonen für die Einhaltung von so lang überdauernden Handlungen wie die tägliche Mundhygiene verantwortlich. Sie sollten entsprechend aufgeklärt werden und ihre Erziehung zur Mundhygiene liebevoll, aber konsequent durchführen. 5 Konkretes motorisches Einüben ist wirkungsvoller als langes abstraktes Erklären. 5 Anschauliche Geschichten (7 Abschn. 5.4.7) können die Motivation zur Mundhygiene verbessern.
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2
Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
5 Die Mundhygiene sollte mit festen Signalen verbunden werden wie z. B.: – Morgens sofort nach dem Waschen/ nach dem Frühstück Zähne putzen, – abends sofort nach dem Waschen Zähne putzen.
der Aufmerksamkeit in Relation zur Entwicklung des Kindes kann sehr breit angelegt werden. Für unsere rein pragmatischen Zwecke zur Behandlung des Kindes in der zahnärztlichen Praxis reicht es aus, zwischen unwillkürlicher (s. nachfolgenden Text) und willkürlicher (s. oben) Aufmerksamkeit zu unterscheiden.
Formen der Aufmerksamkeit Unwillkürliche Aufmerksamkeit 2.3.6
Aufmerksamkeit und Konzentration
Begriffsbestimmung Aufmerksamkeit bedeutet, Reize auszuwählen, aufzunehmen und sie anschließend angemessen zu verarbeiten. Aufmerksamkeit ist also eine breitere, prinzipielle Fähigkeit. Konzentration ist ihr Spezialfall und beinhaltet die Bündelung, also Einengung, geistiger Anstrengung auf einen Inhaltsbereich (Lauth et al. 2001). Wir begegnen hier einem Bereich der Informationsverarbeitung und -speicherung, der dafür verantwortlich ist, ob und welche Informationen in den Kurzzeitspeicher und darüber hinaus in das Langzeitgedächtnis gelangen. Bereits junge Säuglinge können ihre Aufmerksamkeit in gewissen Grenzen steuern, so wenn sie sich den Finger gezielt zur Beruhigung in den Mund stecken oder ihre Augen bei belastenden optischen Reizen schließen. Die im engeren Sinne willkürliche Aufmerksamkeit ist erst im höheren Kindergartenalter bzw. frühen Schulalter möglich und hängt von der Attraktion, Dauer und dem (Stör-)Umfeld der Reize ab. Da sich diese frühe Aufmerksamkeit noch nicht auf komplexere Sachverhalte beziehen kann, ist sie meist selektiv, richtet sich also auf die für das Kind wichtigen Aspekte. Die längere Aufrechterhaltung der willkürlichen Aufmerksamkeit ist erst dem Schulkind möglich. Dabei spielen jedoch nicht nur Attraktivität und Dauer (= Langeweile, Gewöhnung) des Geschehens eine Rolle, sondern auch psychosozialer Druck, der sich wiederum u. a. auf die Affektregulation – und damit auf das Aufmerksamkeitsverhalten – auswirkt (Wyman et al. 1993). Die Betrachtung der unterschiedlichen Theorien und der damit verbundenen Begrifflichkeiten
Sie wird durch unvorhersehbare oder außergewöhnliche Reize bewirkt. So zieht der Schornsteinfeger auf dem Dach oder die Katze auf der Fensterbank einer Schulklasse die unwillkürliche Aufmerksamkeit an, die von der Aufmerksamkeit gegenüber den Lehrermitteilungen abgezogen wird. So lassen Actionhandlungen im Film mit entsprechender Musik unterlegt mehr aufmerken. Erfolgen sie zu oft, müssen immer stärkere oder abwechslungsreichere Aktionen gezeigt werden. Dies führt zu einer Eskalation von Aktionen, wie sie immer häufiger auch in der schnellen Schnittfolge in Film und Fernsehen zu beobachten ist.
Aufmerksamkeitsspanne Sie ist die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit für eine gewisse Zeitdauer auf bestimmte Ereignisse gerichtet zu halten. So gelingt es dem jüngeren Vorschulkind noch nicht, externe oder interne Störreize (z. B. Geräusche bzw. Gedanken) auszugrenzen und sich ihnen gegenüber abzuschirmen (Harnishfeger 1995).
Selektive Aufmerksamkeit Vom 6. Lebensjahr an gelingt es dem Kind zunehmend mehr, seine Aufmerksamkeit vorwiegend auf die für ihn bedeutsamen Reize auszurichten. Es kann nun also zwischen relevanten und irrelevanten Informationen differenzieren (Siegler et al. 2008).
Aktive und willkürliche Aufmerksamkeit Die willkürliche Aufmerksamkeit ist erforderlich, um sich auf einen Inhalt oder ein Geschehen zu fokussieren. Es ist die Fähigkeit, Informationen gezielt zu beachten, zu bewerten, auszuwählen und damit konkurrierende Handlungen (oder Handlungstendenzen) nicht auszuüben.
2.3 • Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis
Die willkürliche und selektive Aufmerksamkeit setzt Fähigkeiten voraus: 5 Das Alter, sich »Selbstinstruktionen« zu geben, Selbststeuerung vorzunehmen, 5 erfordert Motivation, Energieaufwand, dadurch Selbststeuerung, 5 erfordert Differenzierung von wichtigen und unwichtigen Reizen, 5 Kinder zeigen schnell Ermüdung; ihre Aufmerksamkeit schwankt stark und ist nur über kurze Zeit möglich, 5 Beeinträchtigungen sind leicht möglich durch: Angst, Schmerz, Stress, Sorgen, Hunger, Müdigkeit, Hypoglykämie, Adrenalin, kognitive Defizite, neuropsychologische Defizite, Verhaltensstörungen. Das Risiko hierzu ist bei Frühgeborenen bzw. bei niedrigem Geburtsgewicht (unter 2000 g) auch im späteren Alter besonders hoch (Stevenson et al. 1994).
Aufmerksamkeitsschwankungen und Anstrengungsvermeidung Im Normalfall sind bei Kindern sehr schnelle und häufige Aufmerksamkeitsschwankungen festzustellen – je jünger, umso häufiger. Diese Schwankungen (wie auch die gesamte Aufmerksamkeitssteuerung) sind jedoch nicht nur von Entwicklungsfaktoren und physiologischen Umständen abhängig. Motivation und Vermeidung spielen ebenfalls eine bedeutsame Rolle. Kinder lernen – je nach ihren vorhergehenden Lernerfahrungen – relativ schnell, Anstrengungen zu erkennen und sie zu vermeiden. Diese Anstrengungsvermeidung kann sich durch das ganze Leben ziehen. Andere Kinder wiederum haben die unangenehmen Konsequenzen ihrer eigenen körperlichen oder kognitiven Defizite erfahren und meiden deshalb Tätigkeiten, die damit verbunden sein können. Wieder andere haben es gelernt, nur unter mütterlicher Kontrolle und Ermahnung Aufmerksamkeit aufzubringen, weil sie dadurch die ihnen sonst fehlende Zuwendung erhalten. Wir sehen: die Ursachen für Aufmerksamkeit, ihre Defizite und Schwankungen sind vielfältig.
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Praxis konkret – Aufmerksamkeit 5 Nutzen Sie die passive, unwillkürliche Aufmerksamkeit – bewirken Sie Attraktion durch Farbe, Bewegung, CDs mit Kinderliedern, Entspannungsmusik, Trancegeschichten. 5 Für Kinder beinhaltet Attraktion: – Faszination z. B. ansehen von: Pop-upBüchern, Kaleidoskop, Zauberstäbe, 3D-Viewer, – lustiges Gesicht auf dem Daumennagel des Therapeuten sehen oder auf den eigenen Daumennagel malen lassen (bei Versiegelungen und Habit abgewöhnen), – spannende Geschichten hören oder erzählen, – Kontakt mit einer aktiven und interessanten Puppe, Figur etc. aufnehmen, – Zaubern beobachten und selbst zaubern. Aufmerksamkeit und Therapie 5 Nutzen Sie die unwillkürliche Aufmerksamkeit für die Hypnoseinduktion. 5 Akzeptieren Sie die normale schwankende Aufmerksamkeit der Kinder. Gehen Sie darauf ein, kehren Sie jedoch immer wieder zum geplanten Grundthema (Intervention, Distraktion etc.) zurück. 5 Nutzen Sie die unwillkürliche Aufmerksamkeit zur Ablenkung. 5 Ablenkung der Aufmerksamkeit ist therapeutisch hilfreich: – Sie bewirkt Wahrnehmungsdistraktion, – sie lenkt die Aufmerksamkeit weg von Angst/Schmerz, hin zu Faszination durch Attraktion der Aufmerksamkeit und hin zu anderen Wahrnehmungen (= Dezentrierung). 5 Folgen davon sind: Reduktion der Angstwahrnehmung und des Angstverhaltens, Anhebung der Angst- und Schmerzschwelle, Abnahme der Erwartungsangst (bez. Schmerz) – und damit verbunden eine bessere Prognose für die weitere Kooperation.
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
Unaufmerksamkeitsblindheit
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Altersunabhängig kommt es relativ häufig vor, dass wir Gegenstände oder Handlungen nicht wahrnehmen bzw. bemerken, wenn wir auf sie keine Aufmerksamkeit richten. Da das Gehirn nur eine begrenzte Verarbeitungskapazität besitzt, muss es die ankommenden Reize daraufhin selegieren, ob sie relevant oder sogar unwichtig sind. Erst wenn ein Reiz mit Aufmerksamkeit aufgenommen wird, wird er bewusst und als solcher wahrgenommen. Deshalb kann es vorkommen, dass wir Veränderungen nicht wahrnehmen (change blindness; Beispiel: Kollege trägt keinen Bart mehr) oder bei Unaufmerksamkeit sogar Objekte nicht wahrnehmen (inattentional blindness; Neisser 1979; Mack u. Rock 1998). Bekannt ist das Experiment von Simons und Chabris (1999), die ein Basketballspiel mit der Aufgabe beobachten lassen, die Ballabgaben in einer Mannschaft zu zählen. Mit dieser Absicht erfolgt eine intentionale Blindheit, denn während des Spiels läuft z. B. ein Mann im Gorillakostüm oder eine Frau mit Regenschirm durch das Spielfeld, die nur von sehr wenigen Versuchspersonen wahrgenommen werden. In der praktischen Anwendung bedeutet dies in unserem Themenbereich: Je mehr die Kinder von der Handpuppe, dem Zauberstab oder der Geschichte vom Zauberwald fasziniert sind, umso weniger Aufmerksamkeit verwenden sie auf die zahnärztlichen Interventionen. Sind sie dabei zusätzlich mit einer Aufgabe beschäftigt wie: Zaubermöwe balancieren, die Tiere im Zauberwald beobachten oder ihrem Lieblingsfußballspieler zusehen, umso mehr wird ihre Aufmerksamkeit für die Eingriffe reduziert. InternetInfo – Unaufmerksamkeitsblindheit Bei YouTube bitte folgende Suchzeile eingeben: 5 »Count the number of passes« (0:33 min) Dieses klassische Experiment von Simons und Chabris (1999) zeigt, wie die Aufmerksamkeit auf eine Tätigkeit die Wahrnehmung anderer Handlungen oder Objekte beinträchtigen, ja sogar überdecken kann.
Bitte lassen Sie sich einfach naiv auf die Ihnen gestellte Aufgabe ein: Zählen Sie die Anzahl der Ballabgaben einer Mannschaft. 5 »Color Changing Card Trick« (3:09 min) Nun endlich auch einmal Zaubern. Der vorgeführte Kartentrick zieht die Aufmerksamkeit der Betrachter sehr stark an und … mehr wird nicht verraten, da es im Video selbst sehr anschaulich demonstriert wird.
2.3.7
Kommunikation
Ein kurzer Exkurs über die Kommunikation soll über unsere täglich genutzten Möglichkeiten des zwischenmenschlichen Austausches informieren. Er kann in erheblichem Maße zur positiven wie zur negativen oder missverstandenen Mitteilung beitragen. Gerade bei sprechenden Berufen (Arzt, Psychotherapeut, Vertreter, Verkäufer usw.) ist die Kommunikation ein unabdingbares Werkzeug und muss entsprechend geschult sein. In der Therapie mit Kindern ist sie auch für den Zahnarzt von besonderer Bedeutung. Kommunikation beinhaltet, dass Sender und Empfänger nahezu identische Signale verwenden und dekodieren (= verstehen), um darüber identische Informationen (weitgehend ohne große Missdeutungsmöglichkeiten) auszutauschen. Die beiden Ebenen der Kommunikation sind in . Tab. 2.4 zusammengestellt. Signale auf der Inhaltsebene enthalten Informationen, sind meist sehr komplex und können klar kommuniziert werden. Sie beinhalten jedoch keine klaren Aussagen über Beziehungen. Signale auf der Beziehungsebene enthalten Informationen über die Informationen. Sie informieren über Beziehungsaspekte und sind evolutionär sehr früh entstanden.
Nonverbal: Körpersprache In der Geschichte der Menschheitsentwicklung beruht die Körpersprache und Stimmsprache auf sehr alten evolutionären Wurzeln. Besonders die Ethologie (vergleichende Verhaltensforschung) befasst
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2.3 • Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis
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. Tab. 2.4 Die beiden Ebenen der Kommunikation, ihre Vermittlung und Formen Ebene
Transportart
Formen
Inhaltsebene
Digital
Gesprochenes Wort
Beziehungsebene
Analog
Körpersprache (Mimik, Gestik, Sprachmelodie, Tonfall)
sich damit. Die grundlegenden modernen Abhandlungen stammen bereits von Darwin (1872). In unseren Emotionen sind körperliche Erregung, gedankliche Bewertung und der Ausdruck des subjektiven Erlebens miteinander verbunden, also Physiologie, Kognition, Attribution und Emotion mit mimischer Motorik. Emotionen sind demnach keine isolierten Geschehnisse, sondern komplexe Lebensabläufe. Da die Emotionen so stark mit ihren gedanklichen Bewertungen verbunden sind, resultiert daraus eine sehr große Bandbreite von Gefühlszuständen (LeDoux 2001).
male zu achten, die mit Emotionen verbunden sind. Furcht und Überraschung wird dabei ausschließlich an der oberen Gesichtshälfte erkannt, Freude, Trauer und Ekel dagegen an der Mundpartie. Sehen wir also den gesamten Ausdrucksverlauf im Gesicht, sind wir in der Lage, die Emotionen unserer Artgenossen richtig zu interpretieren, ihre Absichten vorauszuahnen und darauf entsprechend zu reagieren (Kessler et al. 2002; Hoffmann et al. 2006), da unser System der Spiegelneuronen dann reagiert (7 Abschn. 4.2.2).
Kommunikationsfeld Gesicht – Mimik
Lächeln
Das Gesicht ist bei den meisten sozial lebenden Säugetieren (Katzen, Hunde, Affen, Mensch) ein sehr differenzierter Kommunikationsträger; entsprechend ist das Gesicht mit zahlreichen Muskeln ausgestattet, die allein für die Mimik tätig sind (s. oben). Am Gesichtsausdruck können wir innerhalb von wenigen Millisekunden die Gefühle der Mitmenschen erkennen. Dabei werden Freude, Ärger und Überraschung oft genau interpretiert, während das Erkennen von Angst, Ekel und Trauer schwieriger ist. Menschen unterscheiden sich auch darin ziemlich intensiv, wie genau sie Emotionen im Gesichtsausdruck erkennen können. Dabei werden die Dekodierungen von Gesichtsmimik und Emotionszuordnung besser, wenn man nicht ein statisches Foto, sondern die gesamte Gesichtsbewegung im Zeitverlauf (im Video etc.) betrachtet, was ja auch mehr der natürlichen Situation entspricht. Der kleine Gehirnbereich der Amygdala spielt dabei eine bedeutsame Rolle, da sie insgesamt für die Erkennung und Bewertung von Gefühlen zuständig ist. Beim Gesicht kommt es dabei mehr auf dessen Bewegungen an. Die Amygdala gibt dann dem Sehsinn die Anweisung, auf bestimmte Merk-
Das Lächeln des Säuglings ist bereits kurz nach seiner Geburt festzustellen und erfreut die gesamte Verwandtschaft, da sich jeder persönlich angesprochen fühlt. Bereits Lorenz (1943) stellte fest, dass wir auf das Lächeln des Säuglings mit Betreuungsverhalten reagieren. Gleichzeitig werden dadurch mögliche Aggressionen des Erwachsenen blockiert; das Lächeln hat demnach eine beschwichtigende Wirkung. In zahlreichen Beobachtungen vieler Völker wurde festgestellt, dass dies ein transkulturelles Verhalten ist, also für alle Bewohner des Erdballs identisch wahrgenommen und beantwortet wird (Eibl-Eibesfeldt 1997). So gibt es eine universelle Sprache des Mienenspiels, die nur etwas kulturell variiert. Lächeln ist somit nicht nur ein motorischer Ausdruck guter Laune, sondern hat für soziale Wesen wie den Menschen einen deutlichen kommunikativen Charakter. Vom vorgenannten sozialen Lächeln müssen wir andere Formen des Lächelns unterscheiden wie z. B. Verlegenheitslächeln, aggressives Lächeln, Beschwichtigungslächeln, Flirtlächeln, Überheblichkeitslächeln. Je nach Mitbeteiligung der Augen-
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
brauen, Stirnfalten etc. können wir es relativ leicht erkennen. Von der großen Vielfalt unserer menschlichen nonverbalen Kommunikation über Mimik und Gestik können nur die für unseren Themenbereich wesentlichsten kurz erwähnt werden. Wir begegnen hier dem großen Bereich der Ethologie, besonders der Kulturethologie.
Kommunikationsfeld Körper – Pantomimik Mit unserem gesamten Körper signalisieren wir Wünsche und Gefühlszustände wie Ängste oder Aggressionen, die uns mitunter wenig bewusst sind. Begleiterscheinungen
von
Erregungszuständen
Hierzu gehören Zittern, Erröten, Erblassen, ggf. Erstarren usw. Drohgebärden Dies sind u. a.: Anspringen, Schlagen, Schlag antäuschen, Faust heben, Treten, Tritt andeuten, Körperanspannung, Zähne fletschen, Anstarren, Augenbrauen senken und zusammenziehen. Ablehnungsgebärden Hände nach vorn strecken, Oberkörper zurücklehnen, Kopf nach hinten ziehen, Zunge kurz herausstrecken (als Zeichen der symbolischen Nahrungsverweigerung), Zunge lang herausstrecken. Beschwichtigungsgesten Lächeln, Hand entgegen-
strecken, offene (leere) Handflächen zeigen. Flirtverhalten Kurzes Züngeln mit kurzem Augen-
brauenheben (und vieles anders mehr), kurz »verlegen« wegblicken und sich kurz abwenden. Kontaktbereitschaft Augenbrauenheben, offen Lä-
cheln, (kurzer) Blickkontakt (jedoch nicht starren), ggf. Mund öffnen, mehr gleitend-weiche Bewegungen, Körperzuwendung, offene Arme, entspannte Körperhaltung.
Praxis konkret – Nonverbale Kommunikation - Körpersprache 5 In sozialen Situationen kann man sich nie nicht verhalten; man kommuniziert immer. 5 Benutzen Sie die Kommunikationsform, die der Kommunikationspartner verstehen kann. 5 Nonverbale Kommunikation (Körpersprache) wird von allen Personen – auch von kleinen Kindern – immer verstanden. 5 Authentisches Verhalten bewirkt entsprechende körpersprachliche Signale. 5 Plötzliche Veränderung der Körperhaltung kann eine plötzliche Veränderung der inneren Haltung widerspiegeln. Sie kann deshalb je nach Veränderungsrichtung erschrecken oder beruhigen. 5 Verwenden Sie ruhige und gleitende Bewegungen. 5 Bleiben Sie in der Bewegung relativ konstant. 5 Zeigen Sie »offenes« Lächeln. 5 Nehmen Sie Augenkontakt auf. Er schafft sozialen Kontakt und signalisiert (in Verbindung mit der »richtigen« Mimik) Offenheit, Interesse, Zugewandtheit. 5 Vermeiden Sie zu langen Augenkontakt oder sogar Anstarren. Das kann als Bedrohung und Überschreitung einer persönlichen Distanzgrenze und so als Aufdringlichkeit erlebt werden (s. oben, 7 Abschn. 2.3.3).
Körpersprache bei Angst, Aggression und Konflikten Wird der Distanzraum eines Individuums überschritten oder erfolgt die Konfrontation mit einer Problemsituation, kann beim Individuum Angst oder Aggression ausgelöst werden. Diese ist nicht immer offen sichtbar, teilweise auch nicht der Person selbst bewusst. Je nach Situation und erlaubten Handlungsmöglichkeiten kann ein Individuum sehr unterschiedlich reagieren. Diese unbewussten Verhaltensweisen können dann zu Missverständnissen führen. Vorab sei noch erklärt, warum Schmerz, Angst oder Frustration Aggressionen auslösen können.
69
2.3 • Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis
Bei Frustration wird eine Person daran gehindert, eine Aktion auszuführen; Angst und Schmerz engen den Verhaltensspielraum ein, machen hilflos und können ebenfalls zur Frustration führen. Diese Frustration wiederum kann bei Wiederholung dazu beitragen, u. a. aggressiv oder regressiv zu reagieren (z. B. Dollard et al. 1939; Barker et al. 1941).
Drohgebärden
Ist der vermeintliche Opponent, Fremde, Aggressor weit entfernt oder durch bestimmte soziale Regelungen nicht angreifbar, so droht die angegriffene Person mit bestimmten Gebärden (z. B. Eibl-Eibesfeld 1997): 5 Drohblicken als Anheben der Augenbrauen und Freilegen des Augenweiß, 5 Drohstarren als aggressives Imponieren: Hochreißen der Augenbrauen, Zusammenpressung der Lippen und Absenkung der Mundwinkel, 5 Anwinkeln der Ellenbogen, evtl. Hände in die Hüfte stemmen, 5 Drohen mit erhobenem Zeigefinger oder mit ausgestrecktem Mittelfinger (Stinkefinger), 5 Fäuste ballen und in Richtung des Eindringlings schütteln, 5 Werfen von Gegenständen in Richtung auf den Eindringling (= Abwehr, Verteidigung), 5 Benutzung von Schimpfworten und verbalen Drohungen,
Abreaktion: Ersatzhandlung, Symbolhandlung
Ist ein entsprechender Erregungszustand erreicht und kann nicht in relevante lokomotorische Betätigung oder andere Handlungen umgesetzt werden, können Abreaktionen auftreten. Das heißt die angestaute Energie (Aggression, Erregung, neuronale Aktivität) wird in Form ähnlicher Handlungen abreagiert: Zerstören von Gegenständen, Autoaggressionen, Toben, Werfen von Gegenständen, Beschimpfungen, Angriffe von (unbeteiligten) Personen. Der Begriff der Ersatzhandlung (redirection activity) stammt aus der Psychoanalyse und bezieht sich auf Handlungen, die durch Verdrängung oder
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äußerliche Hemmung nicht ausagiert werden können. Auf dieser psychischen Ebene können auch symbolische Handlungen erfolgen wie z. B. Töten der Puppe – anstatt des Vaters.
Mitleidsweinen
Weinen löst bereits bei Neugeborenen Mitweinen aus. Dieses Weinen kann als Hilferuf oder Unterwerfungsgeste interpretiert werden. Nach einer Untersuchung von Kindergartenkindern hatten weinende Kinder immer recht – Unbeteiligte ergreifen deren Partei (Grammer u. Eibl-Eibesfeldt 1990), und der Aggressor, der das Weinen auslöste, wird in seiner weiteren (aggressiven) Handlung gehemmt. Da hierdurch ein aversiver Zustand (z. B. Bedrohung, Anforderung) beendet werden kann, wird das Weinen dann negativ verstärkt. Das Kind wird das Weinen später operationalisieren, um damit etwas zu bewirken.
Übersprungsverhalten als Resultierende
Da die beiden Gefühle Angst und Aggressionen sehr entgegengesetzt sind, kann es bei ihrem gleichzeitigen Auftreten zum Konflikt kommen, so z. B. Wut und gleichzeitig Angst vor der Auseinandersetzung haben. Dieser Konflikt kann sich dann als Überspringen in Verhaltensweisen aus ganz anderen Bereichen äußern, so Sich-Kratzen, Kinnstreichen, Herumnesteln (Eibl-Eibesfeldt 1997). Diese Konfliktbewegungen oder Verlegenheitsgesten werden deshalb als Übersprungshandlungen (displacement activity, substitute activity, behavior out of context) bezeichnet. Sie stammen meist aus dem Repertoire des Reinlichkeits- und Putzverhaltens und sind uns allen bekannt: Bei Betreten des Restaurants (oder anderer fremder Territorien) streichen sich viele Personen über ihre Kleidung, ihr Haar, ihren Bart. Dies Verhalten ist auch bei Prüfungen, in unangenehmen Besprechungen etc. zu beobachten und kann sich sogar in Gähnen und Müdigkeit äußern – als Zeichen für Überforderung und für das Bedürfnis nach vollkommener Kontaktunterbrechung. Bei Kindern zeigen sich Konfliktbewegungen meist als häufiges Gähnen, Kratzen, Rumfingern,
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
Hypermotorik, Fingernägel- und Lippenbeißen – trotz Ermahnungen der Mutter. Diese »Verlegenheitsgesten« versucht man immer noch mit sehr unterschiedlichen Theoriemodellen zu erklären, so aus der Perspektive des kognitiven neoassoziationistischen Modells (Miller et al. 2003). Praxis konkret – Körpersprache bei Konflikten 5 Beim Erstkontakt in der Zahnarztpraxis befindet sich das Kind in einer ungewohnten Umgebung, hat Angst und wahrscheinlich auch Schmerzen. Es möchte deshalb am liebsten weglaufen oder sich wehren, wird aber (von der Mutter) daran gehindert. 5 In dieser subjektiv bedrohlichen Situation treten bestimmte Verhaltensweisen auf: – Drohgebärden wie Beschimpfungen, Fäuste ballen, Gegenstände werfen, – Ersatzhandlungen wie Angriffe, Zerstörungen, sogar Autoaggressionen, – Weinen als Ausdruck der Hilflosigkeit oder »Machtmittel«, – Übersprungsverhalten wie das Gähnen, Kratzen, Rumfingern, Rumräkeln, Hypermotorik, Fingernägel- und Lippenbeißen. 5 Werten Sie diese Verhaltensweisen als die Körpersprache, mit der das Kind nonverbal und unmittelbar mitteilt, dass es Angst hat. 5 Benutzen Sie das Pacing des kindlichen Verhaltens mithilfe der Handpuppe (7 Abschn. 1.2.2).
Kleine Selbsterfahrung – Emotionen Ausdrucksverhalten - Hintergründe Ein Kind ist depressiv, weinerlich: 5 Wie kann sich die Depression bei einem Kind allgemein äußern? 5 Welches konkrete Verhalten zeigt das Kind, das auf seine Depressionen schließen lässt? 5 Ist das depressive Verhalten der Situation angemessen?
5 Welche Gründe kann es für sein Verhalten geben? 5 Welche Verhaltensweisen der Erwachsenen sind hier sinnvoll (Eltern, Fachpersonal, Zahnarzt)? Ein Kind ist aggressiv: 5 Wie kann sich die Aggression allgemein äußern? 5 Welches konkrete Verhalten zeigt das Kind, das auf seine Aggressionen schließen lässt? 5 Ist das aggressive Verhalten der Situation angemessen? 5 Welche Gründe kann es für sein Verhalten geben? 5 Welche Verhaltensweisen der Erwachsenen sind hier sinnvoll (Eltern, Fachpersonal, Zahnarzt)? Ein Kind ist sehr kooperativ: 5 Worin kann sich kooperatives Verhalten allgemein äußern? 5 Welches konkrete Verhalten zeigt das Kind, das auf seine Kooperation schließen lässt? 5 Ist das kooperative Verhalten der Situation angemessen? 5 Welche Gründe kann es für sein Verhalten geben? 5 Welche Verhaltensweisen der Erwachsenen sind hier sinnvoll (Eltern, Fachpersonal, Zahnarzt)?
Verbale Kommunikation – gesprochene Sprache Intonation – Teil der verbalen Kommunikation Stimmliche Kommunikation ist auf verhaltensbiologischer Ebene bereits bei einigen Singvogelarten und auf höherer Ebene bei Schimpansen festzustellen. Beim Menschen haben sich jedoch die Sprache zu einem einzigartigen System von komplexer und wechselseitiger Kommunikation entwickelt – auf der Basis von audiovokalen, kommunikativen, kognitiven und neuroanatomischen Vorformen (Papousek 2008).
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2.3 • Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis
2
. Tab. 2.5 Emotionale Zuordnungen, die signifikant mit akustischen Parametern der Sprache korrelieren. Hier nur eine kleine Übersicht der Faktoren. (Nach Scherer u. Oshinsky 1977) Akustische Parameter
Stärkegrad
Emotionale Zuschreibung
Amplitudenvariation
Gering
Glück, Fröhlichkeit, Aktivität
Stark
Furcht
Gering
Ekel, Ärger, Furcht, Langeweile
Stark
Glück, Fröhlichkeit, Aktivität, Überraschung
Abwärts
Langeweile, Fröhlichkeit, Traurigkeit
Aufwärts
Furcht, Überraschung, Ärger, Stärke
Tonhöhenvariation
Änderung des Tonhöhenverlaufs
Hier begegnen wir bereits pränatal dem Erkennen von Sprachmelodien (s. oben); nach der Geburt dann zuerst vorsprachlichen Mustern, wie Lallen, Brummen und Gurren, die langsam zu kulturell relevanten Lauten geformt und kombiniert werden. Zusätzlich zu ihren Inhalten vermittelt Sprache auch zahlreiche Befindlichkeitsaspekte, die u. a. über Sprachmelodie, Lautstärke und Sprachtempo erfolgen. Diese Intonation entwickelt sich beim Kind als erstes linguistisches Kommunikationsmittel. Hier begegnen wir ebenfalls transkulturell wirksamen Kommunikationsmustern. Je nach Stärke von Amplitude, Tonhöhenvariation und Tempoveränderung der Sprache erfolgen genaue emotionale Zuschreibungen. Beispiel: Geringe Tonhöhenvariationen drücken Ekel, Ärger, Furcht, Langeweile aus; hohe Tonhöhenvariationen signalisieren Glück, Fröhlichkeit, Aktivität, Überraschung (Scherer u. Oshinsky 1977; . Tab. 2.5). Praxis konkret – Verbale Kommunikation: Sprachintonation und -modulation 5 Sprache als Kommunikation vermittelt über die Intonation ähnlich wie die Mimik und Gestik Befindlichkeiten und Beziehungsinformationen. 5 Benutzen Sie die Sprache – unabhängig von ihren Inhalten – als wichtigen Informationsträger für die Mitteilung von Entspannung, Ehrlichkeit und Zuwendung.
Sprachmodulation 5 Bei der Begrüßung des Kindes mit hoher Stimmlage sprechen. 5 Bei der Zahnbehandlung mit langsamer und mit tiefer, beruhigender Stimme sprechen (7 Abschn. 5.2.3 und 5.4.1).
Kindergerechte Sprache Die für das Kleinkind passende Sprache fällt unter anderem durch seine systemische Vereinfachung und eine melodische Struktur auf (Petermann et al. 2004). Sie ist durch folgende Aspekte gekennzeichnet: Vereinfachung Kurze, einfache Äußerungen, viele
Wiederholungen. Prosodie Höhere Stimmlage, Langsamkeit, stereo-
type Melodie mit oft aufsteigender Intonation (Szagun 1996). In der vorsprachlichen Phase kann eine sprachliche Kommunikation mit dem Kind erfolgen, die jedoch vorwiegend durch prosodische Elemente (s. oben: Mimik, Gestik, Tonfall) bestimmt wird. Im 2. Lebensjahr werden Klangmuster mit Bedeutungen verknüpft (Juszyk 1999). Mit 4 Jahren ist das Erlernen der Grammatik der Muttersprache weitgehend abgeschlossen. Im 3. bis 5. Lebensjahr ermöglicht die Sprachbeherrschung nun, auch Empathie mit abwesenden oder unbekannten Menschen (bei Märchenfiguren) zu haben, die nur indirekt übermittelt werden (Bilder, TV, Erzählungen; Hoffman 1991).
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2
Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
Bis zum 6. Lebensjahr verfügt ein durchschnittlich entwickeltes (und sozial angemessen gefördertes Kind) über einen Sprachschatz von 20.000 Wörtern, die auch grammatisch angemessen in Satzstrukturen (Syntax) und zunehmender Satzlänge genutzt werden. Praxis konkret – Verbale Kommunikation mit Kindern (Begriffe, Syntax) 5 Die Sprache beinhalte im Kontakt mit Kindern: – Kurze Sätze, – einfache Sätze, – kein Konjunktiv. 5 Als Grundlage sprachlicher Kommunikation sollten Sie Kenntnisse haben von: – Relevanten Figuren aus Comic und Scifi (Micky Maus, Mangas, Aliens), – TV-Sendungen, Serien (GZSZ), Figuren (Winnie Pooh, Yakari mit seinem Pferd kleiner Donner etc.), – Kinderbüchern (Räuber Hotzenplotz, Pippi Langstrumpf mit ihrem Pferd kleiner Onkel und ihrem Äffchen Herr Nilsson etc.), – Freizeitverhalten von Kindern.
Fehler und Störungen in der Kommunikation Bei der Kodierung und Dekodierung der Kommunikation kann es zu Übertragungsfehlern kommen.
Unklarheit in der Semantik/Wortbedeutung Mit zunehmendem Alter wird der Wortschatz mit der dazu gehörenden Semantik erlernt. Doppelbelegungen schaffen anfangs Verwirrungen wie z. B. Stock (= Etage/Zweig); einen Korb geben (= jemanden ablehnen/ein geflochtenes Gebinde überreichen). In der Kommunikation wird meist davon ausgegangen, dass die Partner über einen gleichen Wortschatz/Semantik verfügen. Je nach Bildung, soziokulturellem und ethnischem Hintergrund kann die Semantik sehr verschieden sein und zu Missverständnissen führen. Beispiel in verschiedenen deutschen Sprachbereichen:
5 Bonbon, Bonsch, Bonschen, Bömsken, Gutsle; 5 Knickel, Knicker, Murmel, Marmel, Schusser. Nicht kindgerechte Sprache eines Zahnarztes: 5 Der Zahnarzt verwendet Fachausdrücke, die im Kollegenkreis, aber nicht im Patientenkontakt verstanden werden. 5 Er ist sich nicht über die große Angst des Patienten im Klaren und geht zu burschikos vor. 5 Er benutzt Erwachsenenworte, die das Kind auf seinem Behandlungsstuhl nicht verstehen kann.
Alternativfragen Kindern werden sehr häufig Alternativfragen gestellt – wahrscheinlich, um mit ihnen Kontakt aufzunehmen und sie zur Konversation anzuregen. Alternativfragen sind jedoch meist sehr unklar zu verstehen, da der Gefragte selten weiß, zu welchem der beiden angebotenen Aspekte man die Zustimmung oder Ablehnung geben soll. Beispiele für Alternativfragen: 5 Willst Du einen grünen oder einen roten Zauberstab? 5 Bist Du ein Junge oder ein Mädchen? 5 Möchtest Du ein Kissen oder eine Nackenrolle? Will sich jemand nicht festlegen, so verwendet er missverständliche Informationen, die sowohl Zusage als auch Absage beinhalten (gern benutzt in Politikerantworten) – und verunsichert seinen Kommunikationspartner. Alternativfragen sind gerade bei kleineren Kindern Kommunikationskiller. Ebenso verhält es sich mit einfachen Fragen wie: »Isst Du gerne Eis?« Das Kind wird darauf mit dem Kopf nicken und weiter schweigen. Größeren Kindern (im Schulalter) wird bei der Zahnbehandlung allerdings durchaus die Wahl zwischen zwei oder mehr Alternativen gelassen (7 Abschn. 5.3.1), die im Sinne einer Double-BindSuggestion (7 Abschn. 1.3.2) Rapport aufbauen. Die Kinder fühlen sich dadurch nicht als Opfer, sondern als Partner bei der Zahnbehandlung.
2.3 • Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis
Praxis konkret – Klare Fragen stellen – und klare Antwort erhalten 5 Benutzen Sie zum Kontaktaufbau (die sonst in der Pädagogik abgelehnten) WFragen (Prior 2002): – »Welche Lieblingsbeschäftigung hast Du?« – »Was machst Du …, wie …, wann machst Du das?« 5 Das Kind muss darauf in ganzen Sätzen antworten und nicht nur mit ja/nein oder mit Kopfschütteln oder Nicken.
Mehrdeutige Fragen/Antworten – Ironie Sie können sehr leicht fehlinterpretiert werden und zu falschen Aussagen führen. Beispiel: »Das sind aber schöne Aufgaben« kann Bewunderung oder ironische Kritik beinhalten. Die Ironie des Erwachsenen ist für Kinder fremd und somit nicht verstehbar.
Versteckte Botschaft Die Mitteilung wird nicht direkt ausgesprochen, sondern über ein Beispiel oder eine indirekte Aufforderung. Beispiel: »Hier drin ist es aber kalt …« enthält meist die unausgesprochene Bitte oder Aufforderung an den Gastgeber, die Heizung hochzuregeln, das Fenster zu schließen etc.
Fehlinterpretation Objektiv angemessene Aussagen können als Vorwurf, Kritik, indirekte Aufforderung verstanden werden. Sagt beispielsweise ein Kind: »Das ist aber nicht schön hier …« kann das vom Zahnarzt entsprechend negativ aufgefasst werden. Während das Kind innerhalb seines Sprachspektrums lediglich damit aussagen will, dass es nur die Beleuchtung, das Bild oder die Situation nicht schön findet – oder sein Missfallen über die Gesamtsituation geradeheraus ausspricht.
Differenzierungsprobleme Mit zunehmender Sprachentwicklung erwirbt das Kind akustische und sprachliche Differenzierungen von Phonemen, den kleinsten sinnvollen Lauteinheiten in der gesprochenen Sprache. Durch ihre
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Veränderungen können vollkommen neue Worte entstehen. Beispiel: Lob – Los; Laus – Haus; Brett – Bett; Wurm – Turm. Im Spracherwerb sind diese Differenzierungen sehr bedeutsam; ohne sie ist die geschriebene Sprache kaum angemessen möglich. Kommunikationsprobleme können bei akustischen oder sprachlichen Differenzierungsschwächen auftreten, also besonders bei gleich und ähnlich klingenden Phonemen. Betrachten wir Kinder mit Migrationsproblemen und die zunehmende Zahl sprachgestörter Kinder, so wird ein Zahnarzt auch mit ihren Diffenzierungsproblemen konfrontiert werden. Mütter sind hier bisweilen ausgezeichnete Dolmetscher. Ursachen können sein: Bei jüngeren Kindern ist die akustische Lautdifferenzierung noch nicht so gut ausgebildet. Bei geringem Wortschatz unterschiedlicher Genese (z. B. Retardierung, kognitive Defizite, soziokulturell armes Milieu) werden phonetisch ähnliche Worte den bekannten Worten zugeordnet. Akustische Wahrnehmungsdifferenzierungsstörungen unterschiedlicher Genese (s. oben) oder neurologische Defizite bedingen Missverständnisse und falsche Zuordnungen. Praxis konkret – Kommunikationsstörungen 5 Die Sprache beinhalte im Kontakt mit Kindern: – Sätze ohne Fremdwörter, – wenige Fragen, dafür gezielte W-Fragen, – keine Alternativfragen stellen (bis zum Schulalter – wenn sie nicht fehlverstanden werden können), – Kommunikation ohne Ironie. 5 Der Wortschatz sollte angepasst sein an: Alter, Entwicklungsstand, kognitive Fähigkeiten, sozio-kulturellen Hintergrund. – Begriffe (Wortschatz) sollten dem landschaftlich bedingten Dialekt angepasst sein. 5 Kommunikationsprobleme können durch akustische und sprachliche Differenzierungsschwächen des Kindes oder durch
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
unangepassten Sprachgebrauch des Zahnarztes bedingt sein.
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Kommunikationsstörungen mit Kindern können auch dadurch auftreten, dass besonders eingeschüchterte oder zurückhaltende Kinder wenig antworten oder nur mit Kopfschütteln oder Kopfnicken reagieren. Sie fragen selten nach, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Bitte verweilen Sie einen kleinen Moment und lassen Sie sich wieder auf eine Übung ein, die das Thema der Verständlichkeit von Mitteilungen zusätzlich durch eine kurze Selbsterfahrung vertiefen soll. Kleine Selbsterfahrung – Informationsverständnis Sie sind beim Arzt oder Zahnarzt; er informiert Sie über Ihre Angst vor Eingriffen bei ihm. Bitte lesen Sie den nachfolgenden Text langsam durch. »Sie haben Angst! Sie leiden unter einer Dentalphobie, denn Sie nehmen keine normalen, sondern pathologische Attribuierungen der Gesamtsituation vor. Dadurch führten Ihre ursprünglichen somatisch konditionierten Reaktionsmuster zu Generalisierungen, die nun auch noch Ihre kognitiven Reaktionsmöglichkeiten tangieren und restringieren. Letztlich sind das zwar nur Reaktionen unserer Amygdala, die diese starken aversiven affektiven Reaktionen nun zu vegetativen Alarmreaktionen umformen …. usw..« »Sollen wir bei dem linken oder dem rechten Zahn beginnen?« Fühlen Sie sich ausreichend gut informiert? 5 Welche Gefühle empfinden Sie beim Hören dieser Informationen? 5 Was möchten Sie nun am liebsten tun? 5 Reflektieren Sie bitte, inwiefern Erwachsene in ähnlicher Weise mit Kindern sprechen: angewandte Fremdwörter, Grammatik, Empathie?
Inkongruenz in der Kommunikation Stimmen digitale (Worte) und analoge Information (Körpersprache, Tonfall) bei der Kommunikation in ihren Aussagen nicht überein, besteht Inkongruenz. In der Gesprächspsychotherapie von Carl R. Rogers (1902–1987) wurde dieser Aspekt unter anderem als ein Zeichen angesehen, das auf Unechtheit in der Aussage und der dahinter liegenden Einstellung weist. Besonders Therapeuten sollten auf die Kongruenz ihrer Aussagen und damit ihre Echtheit im Ausdruck achten (Rogers 1942/1972, 1983).
Aspekte der Inkongruenz 5 Meist besteht für den Sender Unklarheit über die Situation (s. oben). Beispiele: Er ist angespannt und lächelt, will aber mit Worten Ruhe und Zuwendung mitteilen. Seine Körpersprache signalisiert seine Anspannung. 5 In der Zahnarztpraxis: Dem Patienten wird verbal erklärt, dass die Behandlung in Ruhe und ohne Zeitdruck verlaufen wird – der Zahnarzt ist aber voller Anspannung, weil er an sein volles Wartezimmer denkt. 5 Mitunter hat der Sender sich widersprechende Wünsche, die ihm nicht bewusst sein müssen. Beispiel: Er kann z. B. von einer Einladung sprechen, dabei gleichzeitig eine abwehrende Geste machen. 5 Man will bewusst/unbewusst falsche Informationen geben. Beispiel: Jemand kann seinen Gesprächspartner nicht leiden, ist jedoch verbal freundlich zu ihm – und zeigt eine abweisende Geste. Sacks (1987) beobachtete auf einer Aphasie-Station Patienten, die gerade die Rede des amerikanischen Präsidenten im Fernsehen verfolgten und dabei laut lachten. Der Präsident als geschulter Rhetoriker war von ihnen entlarvt worden. Die Patienten hatten erkannt, dass er seine Zuschauer belog. Aphasie ist eine sensorische Sprachstörung, bei der die Patienten nicht die Bedeutung der Worte verstehen, aber an der Sprachmodulation und der sichtbaren Mimik und Gestik den Bedeutungsgehalt entnehmen. Sie bemerkten deshalb schnell die Inkongruenz des Präsidenten.
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2.3 • Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis
Ich habe Sorgen. Hoffentlich kann ich das.
»Du bist entspannt. Es ist alles prima.«
Da stimmt was nicht!
2
»Ich will hier weg!«
Inkongruente Botschaft
Angst Anspannung Stress
Unsicherheit Angst Misstrauen
Fühlen – Denken – Handeln Therapeut: Inkongruenz
Fühlen – Denken – Handeln Patient: Kongruenz
. Abb. 2.3 Inkongruenz des Therapeuten. Die Inkongruenz von Fühlen, Denken Handeln bewirkt falsche Botschaften, gefolgt von nichtintendierten Reaktionen. Links ist der Therapeut. Seine Gefühlslage (Kasten mit Pfeil) und seine Gedanken sind inkongruent mit seiner Aussage. Dies bewirkt beim Patienten (rechts) Unsicherheit, Angst und Fluchtgedanken
Praxis konkret – Unstimmigkeiten in der Botschaft und Inkongruenz 5 Unstimmigkeiten in der Botschaft: – Wird besonders von Kindern schnell bemerkt, – wird als Störung erlebt, – kann fehlinterpretiert werden, – wird als Gefahrensignal erlebt, erzeugt bei Kindern Angst, – wird als Verlogenheit erlebt, – führt deshalb zur Ablehnung von Kommunikation und Kooperation und zur Behandlungsverweigerung. 5 Bemerken Sie die verborgenen Botschaften. 5 Meist beinhaltet die nonverbale Information die wichtigste Botschaft. 5 Der Therapeut sollte gerade in der Kommunikation mit Kindern kongruent in seinem Körperverhalten mit seinen verbalen Aussagen sein.
Die Auswirkungen der Inkongruenz beim Therapeuten (Zahnarzt) auf den Patienten – und umgekehrt – sind in . Abb. 2.3 und 2.4 grafisch verdeutlicht.
2.3.8
Vorstellung – Fantasie – Imaginationen
Rein akademisch gesehen müssen wir die begrifflichen Unterscheidungen treffen zwischen Vorstellung, Fantasie und Imagination (z. B. Singer u. Pope 1986). Sie können sehr unterschiedlichen Realitätsgehalt haben und dienen zur Entspannung (z. B. als Ruhebild der grünen Wiese) oder speziell ausgewählt zu Such- und Handlungsprozessen innerhalb der Therapie. Sie kommunizieren mit der Wahrnehmung, Emotionen, Gedanken, Körperreaktionen etc. (s. Kossak 2004). Für unsere pragmatisch orientierten Zwecke wollen wir diese Begriffe als Synonyme ansehen. Aussagen zur kindlichen Imagination, Vorstellung und Fantasie sind in der Literatur zur Entwicklungspsychologie kaum zu finden, wie Holtz und
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2
Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
Was will der von mir?
»Ich habe keine Angst!«
Versteckte Botschaft! Er hat Angst!
»Ich erzähle Dir eine schöne entspannende Geschichte.«
Inkongruente Botschaft
Ich habe Angst! Hilf mir! Lass mich in Ruhe!
Empathie durch Schulung
Fühlen – Denken – Handeln Patient: Inkongruenz
Fühlen – Denken – Handeln Therapeut: Kongruenz
. Abb. 2.4 Inkongruenz des Patienten. Der Patient (links) ist in sich inkongruent. Obwohl er Angst hat und hilfsbedürftig ist, sagt er das Gegenteil. Der geschulten Therapeuten (rechts) erkennt diese Inkongruenz und die darin enthaltene Angstbotschaft. Deshalb gibt er dem Patienten Zeit und bietet ihm Entspannung an
Mrochen (2005) in ihren Recherchen zu diesem Themenbereich ebenfalls bedauern.
Entwicklungsaspekte 5 Das neugeborene Kind kann noch nicht zwischen inneren und äußeren Bildern oder Wahrnehmungen unterscheiden. 5 Vom 2. Lebensjahr an benutzen Kinder ihre Spielobjekte auch als Symbole für andere Objekte (z. B.: der stehende grüne Baustein ist ein Jäger; fällt der Baustein um, kann er sofort ein Krokodil sein). 5 Träume sind oft Realität (wie bei Naturvölkern). 5 Kinder haben viel Fantasie und leben in einer inneren und äußeren Bilderwelt. 5 Vom 3. Lebensjahr an beginnen Rollenspiele, die jedoch mit nicht vorhandenen (gedachten) Gegenständen erfolgen. 5 Bis zum ca. 5. Lebensjahr ist die Unterscheidung zwischen Realität, Traum, Märchen nicht immer möglich. 5 Ungefähr vom 5. Lebensjahr an können Techniken wie Imagination verwandt werden, die das Augenschließen erfordern (Wall 1991).
Für die Arbeit des Zahnarztes benutzen wir Imagination weniger als Spiegel der inneren Lebensprozesse. Dies sollte mehr der Psychotherapie vorbehalten sein, die damit Probleme aufdeckt und bearbeitet. Im zahnärztlichen Bereich sind sie mehr der Spiegel der bestehenden Ängste und Befürchtungen des Kindes, die sie in der Vorstellung bearbeiten können. Meist dienen die Imaginationsszenen zur Ablenkung, zur Distraktion der Aufmerksamkeit: weg vom Schmerz oder weg von der Angst und hin zu einer faszinierenden Geschichte. Der Fantasie von Zahnarzt und Kinderpatient sind hier keine Grenzen gesetzt. Praxis konkret – Imagination 5 Nutzen Sie die Bilderwelten der Kinder! – Für die allgemeine Kommunikation und für ein gemeinsames Thema wie: ein Märchen, Bilderbücher, Comics, TV-Figuren, Zaubertrick, Schwebemöwe. 5 Beachten Sie bitte: Imaginationen beziehen sich nicht nur auf »Bilder im Kopf«, sondern auf alle Wahrnehmungsbereiche.
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2.3 • Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis
– Beziehen Sie alle Sinne mit ein: »Was siehst Du, hörst Du, schmeckst Du … in der entsprechenden Szene?« (VAKOG) – Imaginationen können Einzelwahrnehmungen sein, aber auch komplexe Szenerien beinhalten, in denen sich das Kind befindet und darin agiert. 5 Durch ihre Mitbeteiligung in der Imaginationsszene werden die Kinder mit ihrer Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Emotion so involviert, dass sie die reale Umgebung und ihre eigene Problematik (Schmerz, Angst) nahezu ausblenden. – Nutzen Sie Imaginationen zum Ablenken, zur Distraktion weg von der Angst. – Beziehen Sie das Kind aktiv mit in den Zaubertrick oder das Märchen etc. ein. 5 Zur verbalen Anregung von Imaginationen: – Benutzen Sie nur konkrete Begriffe. – Benutzen Sie nur Begriffe aus der Erfahrungswelt der Person. – Wählen Sie möglichst nur positive Imaginationen. – Benutzen Sie konkret-anschauliche Wortformulierungen. – Geben Sie Imaginationen und imaginierte Handlungen vor, damit das Kind sich darin orientieren kann.
Exkurs: Märchen Das Grundphänomen »Märchen« bzw. Geschichtenerzählen, in denen Stereotypen vermittelt werden, ist wahrscheinlich transkulturell verbreitet (Gottschall u. Wilson 2005). Sie entführen in eine andere gedankliche Welt, lassen gefahrlose Probehandlungen zu und vermitteln die Spielregeln der Gesellschaft. Besonders wichtig ist dabei ihr psychologischer Realismus, d. h. die Emotionen der Charaktere müssen nachvollziehbar und ihre Handlungen glaubwürdig sein, um das Interesse zu wecken. Derartige Märchen und Geschichten mit transkulturellem Hintergrund werden von Peseschkian (z. B. 1979) in der »positiven Psychotherapie« verwendet.
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Geschichten fesseln Zuhörer am meisten, wenn sie in das Innenleben des Protagonisten führen. Dies führt zur »Theory of Mind«, die beinhaltet »wenn-ich-du-wäre« – und sagt, dass wir vom Gegenüber annehmen, er habe die gleichen Gefühle, Absichten, Hoffnungen wie wir selbst. Kinder entwickeln diese Theorie im Alter von 4 bis 5 Jahren. Geschichten befähigen, über fiktionale Welten die Komplexität sozialer Beziehungen zu durchschauen. Sie sind somit ein Gesellschaftssimulator, der Übungen für das Realleben ermöglicht (Oatley 1999), was auch mittels Hirnscans im fMRT nachgewiesen wurde. In Handlungen – also Geschichten – eingebettete Botschaften werden besser aufgenommen bzw. beachtet als reine Argumente (Escalas 2007). Praxis konkret – Märchen und Geschichten 5 Märchen sind ein Bestandteil der Kinderwelt. Sie sind ein Teil des kindlich-subjektiven Reallebens 5 Sie sind eine bedeutsame Kommunikationsform. 5 Mit Märchen, Figuren, Handpuppen können wir beim Kind Gefühle auslösen – und somit zur Beruhigung beitragen. 5 Märchen ziehen die Aufmerksamkeit des Kindes an und erleichtern damit die Distraktion von Reizen, die Angst oder Schmerz bewirken. 5 Gerade bei Kindern helfen selten Argumente; man kann sie nicht immer intellektuell überzeugen. Durch Märchen vermittelte Botschaften werden vom Kind wesentlich besser aufgenommen und befolgt.
2.3.9
Selbstbeobachtung, Selbstkontrolle, Autonomiestreben
Wir begegnen hier wesentlichen Aspekten der modernen kognitiv-behavioralen Selbstmanagementtherapie (Kanfer et al. 1991), 7 Abschn. Kap. 4.1.5 f und 4.1.4.
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2
Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
Selbstbeobachtung ist die gezielte Wahrnehmung des eigenen (verbalen, motorischen, emotionalen, kognitiven etc.) Verhaltens und dessen situationaler Bedingungen. Selbstkontrolle ist die kontrollierte Handlung der Person in einer bestimmten Situation (z. B. zur Angstbewältigung) und ist ein Sonderfall der Selbstregulation. Sie ist ein Aspekt der Selbstmanagementtherapie, die die aktive Beteiligung des Patienten im therapeutischen Prozess bedeutet. Aufgabe des Therapeuten ist es, den Patienten darin anzuleiten, Strategien zur Problemlösung zu entwickeln und anzuwenden. Für Kinder und Jugendliche gibt es eine Anzahl entwicklungsbedingter Grenzen in der Anwendung von Selbstmanagementstrategien (Harter 1982); werden sie berücksichtigt, so können auch Kinder therapeutische Selbstverantwortung übernehmen. Dabei sollte man sich auf die relevanten und altersbezogen machbaren Therapieaspekte beschränken.
Entwicklungsaspekte der Selbstkontrolle 5 Das einjährige Kind reagiert auf externe Instruktionen zur Verhaltensregulation (»Fasse hier nicht an, denn es ist heiß.«) 5 Vom 2. Lebensjahr an können die Kinder immer mehr Instruktionen verinnerlichen. 5 Vom 3. Lebensjahr an nimmt der Wunsch des Kindes nach Unabhängigkeit zu (»Ich will alleine groß sein.«), was wiederum die Entwicklung der Selbstkontrolle beschleunigt. Vorschulalter: 5 Das Kind kann seine Impulsivität zunehmend besser selbst kontrollieren. 5 Das Kind kann sich so weit kontrollieren, dass es begehrte Belohnungen zeitlich aufschieben kann. Es kann auf eine sofortige Bedürfnisbefriedigung verzichten.
5 Fähigkeiten und Bereitschaft zur verbalen und nonverbalen Kommunikation, 5 Bereitschaft des Kindes, auf die soziale Beziehung zum Therapeuten einzugehen, 5 Bereitschaft und Wunsch, Veränderungen vorzunehmen, 5 Die oft erforderliche Ziel- und Werteklärung für die Therapie und die Selbstkontrolle ist bei Kindern in der Zahnarztpraxis sehr begrenzt und bewegt sich vorwiegend in den Bereichen Angstabbau, Schmerzkontrolle, Maßnahmen der Mundhygiene und Verhaltensänderungen (z. B. beim Daumenlutschen). Praxis konkret – Selbstmanagement 5 Die Therapieziele in der zahnärztlichen Behandlung sind über die rein dental bezogenen Ziele hinausgehend relativ eng und klar umrissen und entsprechen meist denen der Eltern. 5 Die Therapieziele sollten auch vom Kind akzeptiert und angestrebt sein, um dann erfolgreich zu kooperieren 5 Selbstkontrollmethoden setzen die aktive Mitarbeit des Kindes voraus: – Das Kind sollte bereit sein für Selbstkontrolle, – das Kind strebt zunehmend mehr nach Autonomie, sein Bedürfnis nach Geborgenheit, Zuwendung und ggf. Nähe der Mutter besteht jedoch weiterhin, – je älter das Kind ist, umso länger kann es eine Belohnung hinausschieben – falls es vom therapeutischen Plan so gewollt sein sollte.
2.3.10
Neugierverhalten
Evolution und Exploration Selbstkontrolle – Minimalanforderungen an den Patienten bzw. das Kind Wenn von Kindern Selbstkontrolle gewünscht ist, dann sollte man an sie weitgehend nur Minimalanforderungen stellen; zu nennen sind hier nach Kanfer et al. (1991):
In der Natur der Lebewesen ist es angelegt, aktiv nach Reizen zu suchen, die es erlauben, bestimmte Verhaltensweisen auszuführen; meist sind es diejenigen, die zur Befriedigung von Grundbedürfnissen führen. Dieses Appetenzverhalten (Craig 1918) ist beim Menschen als Neugier besonders ausge-
2.3 • Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis
prägt. Es strebt nicht nur nach Herstellung eines physiologischen Gleichgewichts, sondern sucht Erregung, Anreize und Impulse für die menschliche Fantasie (Risikoappetenz, Funktionslust; Eibl-Eibesfeldt 1984). Gleichzeitig ist dieses Verhalten eine Basis für zahlreiche Lernvorgänge (Lorenz 1943); so exploriert das gesunde Kind ständig in seiner Umwelt aktiv, um Neues zu erleben. Dieser Trieb bleibt beim Menschen bis ins hohe Alter erhalten. Die arterhaltende Bedeutung des Neugierverhaltens wird auch neuropsychologisch belegt, da im Hippocampus bestimmte Nervenfasern für Neuheiten die Lernfähigkeit und Merkfähigkeit für Neues erhöhen (Schweizer 2006). Das können wir uns im Lernalltag nutzbar machen.
Entwicklungsaspekte Die Neugier ist bereits beim Säugling festzustellen, für den es dann schon mit 2 Monaten belohnend und lustvoll ist, etwas bewirken zu können, so z. B. ein Mobile zu bewegen (Watson 1971, 1972). Das Interesse bleibt länger erhalten, wenn es dabei selbst aktiv sein kann, anstatt nur zuzusehen (Papousek 1984). Bei dieser Exploration will das Kind den Dialog mit der Mutter und ist auf deren Vorbild (Modelllernen) und Verstärkung angewiesen. Diese angeborene Bereitschaft zum Erkunden entwickelt sich in Abhängigkeit von Fertigkeiten und der zunehmenden geistigen Fähigkeiten.
Funktionslust Zur Neugierde gehört auch die Funktionslust, das Interesse daran, die Funktion von Gegenständen zu erkunden. Gibt man einem Säugling, der gerade sitzen kann und dadurch die Hände frei gebrauchen kann, einen Stock, so wird er gleich damit auf Gegenstände oder den Boden schlagen, damit herumfuchteln oder stochern. Später wird er seine Grabe- und Hebelfunktion erkennen. Spielt das Kind mit ca. 10 Monaten intensiv das Geben und Nehmen, so ist dies eine soziale Exploration, die ebenfalls transkulturell zu beobachten ist (Eibl-Eibesfeldt 1984). Wenn das Kind später mit anderen kooperativ zusammenspielen kann, erweitert sich sein Experimentierraum. Dabei sind auch unterschiedlichste Spiele sehr bedeutsam, u. a. soziale, motorische, kognitive Erfahrungen zu erproben
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2
und zu sammeln; diese Spiele sind meist einem Entwicklungsstadium zuzuordnen. Bei allen Kulturen besteht bei beiden Geschlechtern die Neigung, das eigene Geschlecht selektiv nachzuahmen. Diese Art von Spiel benötigt auch im Tierreich ein »entspanntes Feld«, um es überhaupt durchzuführen, was bereits von Bally (1945) erkannt wurde. Das kranke oder ängstliche Kind wird deshalb wesentlich seltener Neugierverhalten zeigen.
Neugier und Angstverhalten Bedingt durch Entwicklungsunterschiede unterscheiden sich die Kinder in Ausmaß, Art und Dauer, aber auch in ihrer Freude im Neugierverhalten. Wir begegnen hier kognitiven und motivationalen Komponenten, sich mit neuen Reizen oder Situationen auseinanderzusetzen. Die Beziehung zwischen Angst und Neugier bei Kindern ist noch wenig untersucht: 5 Größere Angst kann bedingen, die Exploration lieber aus größerer Distanz vorzunehmen als direkt zu manipulieren (Lugt-Tappeser u. Schneider 1987). 5 Starke Ängstlichkeit hemmt die Neugier und führt zur Einschränkung der Informationssuche (Gibas u. Scheps 1995). 5 Neugier bei weniger ängstlichen Kindern hat Einfluss auf den Umfang der aufgenommenen, verarbeiteten und behaltenen Informationen (Trudewind et al. 1996). 5 Ängstliche Kinder verstehen allerdings mehr vom Spielgeschehen als weniger ängstliche. Das überrascht; möglicherweise bewirkt die Angst eine Verhaltenshemmung, die wiederum die Informationsaufnahme begünstigt (Trudewind et al. 1996). 5 Ein hohes Neugiermotiv fördert auf lange Sicht gesehen kognitive Prozesse der Informationsgewinnung und verbessert dadurch Problemlösekompetenzen (Mackowiak u. Trudewind 2001). 5 Das aktive Erkunden von Sachverhalten und Ereignissen begünstigt deutlich die Erfahrungsbildung und Entwicklung geistiger Strukturen (Mackowiak u. Trudewind 2001).
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
Praxis konkret – Neugier und Funktionslust
2
Es ist normales Explorationsverhalten, wenn das Kind überall rumschnüffelt und Gegenstände anfasst, damit rumspielt und sie ausprobiert: 5 Ein neugieriges Kind ist aufgeweckt und will sein Umfeld erkunden. 5 Geben Sie dem Kind Gelegenheit, sich durch seine Neugier mit dem neuen Umfeld der Praxis vertraut zu machen. 5 Angst reduziert das Neugierverhalten – also sollten dem Kind Gegenstände zum Explorieren aktiv angeboten werden, damit es darüber seine Angst abbauen kann. Das Rollenspiel »Zahnarzt« beim Erstkontakt ist hier sehr hilfreich (7 Abschn. 5.2.3). 5 Zum Angstabbau gehört auch die Erkundung und Manipulation mit den Behandlungsinstrumenten, denn Bekanntes ängstigt nicht mehr (Tell-Show-Do-Methode, 7 Abschn. 4.5.1).
Praktische Konsequenzen für die Praxiseinrichtung Da Neugierverhalten intrinsisch so motivierend ist, kann es gerade bei Kindern benutzt werden, um ihre Aufmerksamkeit anzuziehen und wegzulenken von Gedanken oder Wahrnehmungen, die mit Angst oder Schmerz verbunden sind. Neugier dient hierbei zur Dissoziation. Die nachfolgenden Aspekte sind z. T. an Mackowiak und Trudewind (2001) orientiert. 5 Stellen Sie Materialien zur Verfügung, die dem Entwicklungsstand angemessen sind und die Neugier des Kindes wecken. Sie sollen eine bewältigbare Herausforderung darstellen. 5 Die Materialien müssen nicht teuer, »pädagogisch wertvoll« oder in Mengen vorhanden sein, sondern sollten lediglich Neugier wecken und Anreiz zur Auseinandersetzung geben. 5 Bieten Sie möglichst unterschiedliche Explorationsmodalitäten an; benutzen Sie Material, das jeweils unterschiedliche Sinneskanäle anspricht. Dadurch werden unterschiedliche Explorationsqualitäten angeregt. Jedes Kind
kann sich das für es relevante und interessante Explorationsfeld auswählen. 5 Gerade ängstliche Kinder haben ein eingeschränktes Explorationsrepertoire. Sie bekommen durch die Vielfalt der Explorationsmodalitäten eine bessere Neugiermotivation (Mackowiak 1998). 5 Das Angebot von Materialien, die unterschiedliche Lösungsstrategien erfordern, erhöht das Explorationsverhalten.
Das Blickfeld des Kindes Im Wartezimmer sollten sich möglichst beruhigende, jedoch auch die Neugier anregende Gegenstände oder Bilder befinden. Gleichzeitig sollte Bekanntes (Märchenfiguren, Bücher, Schaukelpferd) Sicherheit geben, ebenso die Beschäftigung mit bekannten Dingen wie Malen, Vorlesen, Schaukeln, Kugelspiel, Bausteine, Puzzle (7 Abschn. 5.2.2). Der Anblick von Behandlungsgeräten kann das unerfahrene Kind auf die Angstproblematik sensibilisieren (Melamed 1979), ebenso noch so gut gemeinte Poster und Comics mit zahnmedizinischen Motiven. Die Farbgestaltung sollte den Grundprinzipien der Farbpsychologie folgen, gezielt zur Aufmerksamkeitssteuerung und Beruhigung (Grün) eingesetzt sein; also helle Farben benutzen, die Wärme vermitteln (Goldgelb) und Raumgröße (Grün).
2.3.11
Das Jugendlichenalter
Im zahnärztlichen Bereich der Hypnoseanwendung für Jugendliche begegnen wir fast den Methoden und Vorgehensweisen, die auch im Erwachsenenbereich möglich sind. Dennoch wollen wir diesen für Menschen so wesentlichen Entwicklungsbereich zum besseren Verständnis der Jugendlichen etwas näher betrachten.
Pubertät und Jugend – ein Kulturphänomen Zahlreiche anthropologische Analysen über Teenager zeigen, dass die uns bekannten Pubertätsprobleme in der vorindustriellen Gesellschaft nicht zu finden waren und der Begriff »Adoleszens« u. ä. nicht einmal bekannt war (Schlegel u. Barry 1991).
2.3 • Entwicklungspsychologie für die Zahnarztpraxis
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2
Die in unserer Gegenwartskultur auftretenden psychischen Störungen, Aggressionen und Rebellion sind bzw. waren also nicht vorhanden. Jugendliche waren in die Gesellschaft der Erwachsenen integriert, bekamen früh Verantwortung und sie brachten sich ein. In unserer Kultur erfolgt eine künstliche Verlängerung der Kindheit – teilweise bis in das Studentenleben hinein (Epstein 2007). Lediglich die körperliche Reifung blieb weitgehend transkulturell konstant. Besonders anschaulich wird diese am Beispiel der Inuit: Jugendprobleme gab es erst ab 1980, als man bei ihnen das Fernsehen und das organisierte Schulwesen einführte. Um der Probleme Herr zu werden, musste dort schon 1988 eine erste feste Polizeistation eingerichtet werden. In den folgenden Betrachtungen beziehen wir uns also auf die für unsere Kultur typischen Jugendlichenprobleme.
und Zuwendungsbedürftigkeit, die schnell von Ablehnung gefolgt sein kann.
Körperliche Entwicklung
Alterstypische Egozentrik
Im Vordergrund stehen körperliche Veränderungen; verbunden mit einem Wachstumsschub erfolgt eine Umgestaltung des Körperschemas, die mit vorübergehenden juvenilen Dysproportionen einhergeht. Hinzu kommt die hormonelle Entwicklung zur Fortpflanzungsfähigkeit, die ihrerseits sichtbar sekundäre Geschlechtsmerkmale erkennen lässt, Akne bewirkt und andere lästige Folgeerscheinungen. Während der Zeit der Adoleszenz ändert sich auch die funktionelle Architektur des Gehirns grundlegend. Die Veränderungen der Hirnaktivitäten spiegeln eine Reorganisation der neuronalen Netzwerke der Großhirnrinde wider. Dies führt vorübergehend zu einer Destabilisierung kortikaler Netzwerke. Dadurch lässt sich nun die häufige Unausgeglichenheit und ihre Schwankungen zwischen kindlichem und erwachsenem Verhalten erklären (Ulhaas et al. 2009).
Jugendliche sehen sich vorwiegend im Mittelpunkt ihrer Betrachtungen, was wahrscheinlich mit ihrer Identitätssuche verbunden ist. Sie werden sich ihrer Person bewusster (= selbstbewusst), beobachten sich deshalb mehr, wie sie sind oder wie sie auf ihr Umfeld wirken. Sie entwickeln ihr Selbstbild, das selten der Realität entspricht. Damit sind stets Vergleiche verbunden, die zur Unter- oder Überschätzung der eigenen Wirkungen führen können und wörtlich zum reduzierten oder überhöhten Selbstbewusstsein. Dazu werden andere Menschen – meist Gleichaltrige und »Idole« – beobachtet und kopiert, um deren bewunderte soziale Wirkung zu erzielen. In der Egozentrik sind auch die Allmachtsgedanken vieler Jugendlicher, ihr Glaube an Einzigartigkeit und Unverwundbarkeit, gefolgt von Überheblichkeiten begründet. Gleichzeitig werden Missgeschicke so erlebt, als ob alle sie wahrnehmen würden – das vermeintliche Publikum, das nichts bemerkt hat oder daran kaum interessiert ist. In diese Zeit fällt auch das starke Engagement für Vereine, Gruppierungen, Bands etc., das gleichzeitig mit zahlreichen Widersprüchen verbunden ist.
Psychische und soziale Veränderungen Diese körperlichen und hormonellen Veränderungen wirken sich direkt und indirekt auf die Emotionen und ihre Verarbeitung aus. Stimmungsschwankungen mit Depressionen treten auf, Ungeschicklichkeiten, Verwirrung, Wut, Spontaneität
Praxis konkret – Jugendliche 5 Viele Erwachsene nehmen die spontanen und momentanen Änderungen Jugendlicher als Angriff auf sie selbst wahr und reagieren mit Ablehnung oder Gegenaggressionen. 5 Dieses Verhalten der Jugendlichen sollte man aber als passager in gewissen Grenzbereichen tolerieren. 5 Je mehr ein Jugendlicher derartige Abweisungen zeigt, umso mehr wird er diskrete Zuwendung benötigen; je mehr er Abweisungen als Reaktion auf sein Verhalten erfahren wird, umso mehr wird er sich zurückziehen.
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
» Anmerkungen zur Jugend 2
Von Helmut Gustav Friedrich Qualtinger (1928– 1985), Österreichischer Schriftsteller, Kabarettist: Jugendliche stehen wie so oft längere Zeit schweigend am Straßenrand zusammen. … Dann sagt einer: »Lasst uns losfahren.« Nach längerer Zeit des Schweigens fragt ein anderer: »Wohin denn?« Schweigen… Dann antwortet der erste: »Ist egal. Aber dafür sind wir früher dort.« Jugendliche neigten schon zu allen Zeiten zu Pubertätlichkeiten.
«
Sozialbereiche Da man sich von Erwachsenen unverstanden fühlt, möchte man sich ihnen gegenüber abgrenzen und findet ähnlich Gesinnte in »seiner« Clique wieder. Hier fühlt man sich gegenseitig bestätigt, kann teilweise als Märtyrer seiner Erziehung Zuwendung erhalten und will sich außerhalb der Clique auch anderen gegenüber abgrenzen, um seine Einmaligkeit zu betonen. Das hohe Risikoverhalten des Jugendlichen in Verbindungen mit seinen Gruppenbedürfnissen kann zu Gruppenexzessen führen wie Krawalle, Belästigung durch Mopedfahren und Bandentätigkeit. Im Jugendheim, in der Kirchengemeinde, Musikgruppe bzw. Band oder dem Verein in richtige Bahnen gelenkt entstehen beispielsweise Spielplatzgestaltungen, Hausaufgabenbetreuung, Gemeindefeste oder Musikauftritte. In dieser Zeit entwickeln sich deshalb auch gruppenspezifische Vorlieben für Kleidung, Frisur, Musik, Verhalten. Im anderen Extrem ist die Jugendzeit die der Vereinsamung, wenn sich der Heranwachsende nicht angenommen und nicht anerkannt fühlt und sich dann vollkommen zurückzieht. Die zahlreichen Protestmöglichkeiten wie Demonstrationen, Musiklautstärke, Türknallen können übergehen in Hilferufe mit starker Gefährdung wie Anorexie, Bulimie, Depression und Suizidabsichten. Spätestens hier ist die Kompetenz des Kinderund Jugendlichenpsychotherapeuten erforderlich. Zahlreiche geschlechtstypische Unterschiede in Interessen wie Bedürfnis nach Geborgenheit in der Gruppe, Stärkeorientierung usw. bilden sich
kulturübergreifend heraus. Interessant ist, dass ein Großteil der genannten Pubertätsprobleme jedoch nicht in allen Kulturkreisen vorkommt (Eibl-Eibesfeldt 1997). Praxis konkret – Kommunikation mit Jugendlichen 5 Die vorgetragenen Probleme des Jugendlichen bitte ernst nehmen. Abgrenzungen 5 Die Abgrenzung gegenüber Erwachsenen kann auch auf den Zahnarzt übertragen werden. 5 Deshalb mögliche Ablehnungen und Provokationen nicht persönlich nehmen. 5 Am besten ist, sie freundlich verflachen zu lassen (anstatt einen Zweikampf auszufechten bzw. auf sein eigenes Problem mit Jugendlichen anzuspringen). 5 Den Wunsch berücksichtigen, dass Eltern nicht in die Praxis mitkommen. 5 Den Wunsch berücksichtigen, dass Gleichaltrige als Begleitung mitkommen. Verständnis 5 Bei manchen seiner vorgetragenen Probleme möchte der Jugendliche vorwiegend Verständnis erfahren – ohne dass unbedingt Ratschläge folgen müssen. 5 Reflektieren Sie parteiliche Stellungnahmen zum elterlichen Erzieherverhalten; sie können von den Eltern als Einmischung, Angriff und Kritik verstanden werden. 5 Kennen Sie etwas von der »Szene«, deren Sprache, Mode, Musik – es benötigt regelmäßige »Updates« dazu. 5 Versuchen Sie bitte nicht, ein Berufsjugendlicher zu sein. Sprache 5 Der Wortschatz sollte angepasst sein an: Alter, Kultur, Entwicklung. 5 Benutzen Sie weiterhin einfache Sätze, d. h. eine relativ einfache Grammatik. 5 Verwenden Sie auch »Szenebegriffe« (wie cool, krass), die sich jedoch schnell ändern können.
2.4 • Kinder und Jugendliche mit Problemen und Problemkinder
5 Haben Sie möglichst Kenntnisse von: – Idolfiguren aus den Bereichen Musik, TV-Serien, TV-Figuren, Mangas, Comics, – Schule (Schultypen und deren Anforderungen, Name der Schulen im Umkreis, Schulfächer, moderne Angebote etc.), – Freizeitverhalten und -angebote, – Jugendlichenszene (Treffs, Angebote) im Wohnfeld des Jugendlichen. Bitte versuchen Sie immer noch nicht, ein Berufsjugendlicher zu sein.
2.4
Kinder und Jugendliche mit Problemen und Problemkinder
Kinder und Jugendliche können aus unterschiedlichen Gründen Probleme mit sich und ihrer Umwelt haben. Ein kurzer Einblick in ihre Welt soll zum Verständnis ihrer Gesamtsituation beitragen. Zusätzlich soll der Bereich der Verhaltensstörungen und Behinderungen von Kindern und Jugendlichen angesprochen werden, verbunden mit Empfehlungen für spezifische Vorgehensweisen in der Zahnarztpraxis – mit Schwerpunkt Hypnose.
2.4.1
Kinder- und Jugendprobleme und ihre relevanten Auswirkungen
Die Entwicklung innerhalb eines gesellschaftlichen Sozialrahmens verlangt eine gewisse Einordnung. Dazu verhilft das Erziehungsverhalten der Eltern, der Familie etc., die Schulausbildung, gefolgt von dem Berufsleben mit seinen Anforderungen. In diesem Beziehungsgefüge treten immer wieder Veränderungen auf, die neue Anforderungen mit sich bringen. Sie sind jedoch nicht immer für die Seele und individuelle Ausstattung des Kindes hilfreich oder sind sogar negativ. Hier sind wir dann bei dem Bereich der psychischen Störungen, Verhaltensstörungen und Beeinträchtigungen von Kindern und Jugendlichen. Diese Anforderungen sind so vielfältig geworden, dass für Eltern, Kinder und
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2
Schulen eigene Fachinstitutionen der Erziehungsberatungsstellen und der Kinder- und Jugendpsychiatrie etabliert wurden. Hier können über Diagnostik, Beratung und Therapie neue Lösungswege aufgezeichnet und erlernt werden. Nach Schätzungen dieser Institutionen haben in Deutschland ca. 25% der Kinder und Jugendlichen beratungs- und behandlungsbedürftige Probleme. Die Angebote dafür können jedoch bei weitem nicht den Bedarf abdecken, denn von 1991–2005 verdoppelte sich die Anzahl der Klienten auf 309.357 pro Jahr (Statistisches Bundesamt 2007). Eine Analyse von mehreren Erhebungen zeigt, dass ein hoher Prozentsatz der Kinder bereits bei der Einschulung umfangreiche und behandlungsbedürftige Probleme hat: 5 10–15% leiden noch unter Einnässen; die Dunkelziffer ist hier sehr hoch, da dieses Problem mit Tabus belegt ist, 5 15–25% haben Beeinträchtigungen in der Grob- und Feinmotorik, Bewegungsdefizite und reduzierte Motorikerfahrungen, 5 über 20% zeigen Sprachprobleme – auch in der eignen Muttersprache, 5 bis zu 15% werden jetzt schon auffällig im Bereich des Lesens, Schreibens und Rechnens (Legasthenie, Dyskalkulie). Besonders Motorik- und Sprachprobleme nehmen zu; hierbei sind nicht einmal die Kinder einbezogen, die bereits vorher aufgrund von Behinderungen als bedürftig für Sonder- und Förderschulen erkannt wurden. Eine bessere Früherkennung im Vorschulbereich ist äußerst dringlich. Betrachten wir bei älteren Kindern deren Befindlichkeiten, die allein im Zusammenhang mit der Schule stehen, so zeigt die Forsa-Umfragen der DAK-Studie auf (Meiners 2008), dass 42% der Eltern bei ihren Schulkindern häufig Stresssymptome feststellen; bei 20% treten sie häufig bis sehr häufig auf. Jeder Zweite kommt häufig oder gelegentlich in Stress. Die Schüler klagen über folgende Probleme: 5 Über 50%: Unkonzentriertheit, Nervosität, Kopf- und Bauchschmerzen, 5 43% verspüren Traurigkeit, Rückzug, Gereiztheit, Aggression,
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2
Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
5 30% leiden unter Lern- und Leistungsstörungen, 5 30% wollen wegen der Probleme und Anforderungen nicht mehr in die Schule gehen, 5 20% haben Schlafstörungen. Diese Ergebnisse zeigen deutlich, wie angespannt Schülerinnen und Schüler sind. Da Stress die Angst- und Schmerzschwelle senkt, können Schüler allein durch ihren Schulstress Problempatienten sein (7 Abschn. 5.4.5). Die Befragung der Jugendlichen zeigt ihre häufigsten Probleme auf: 5 Leistungsprobleme: Zensuren, Schule, Schuleschwänzen, Schulverweigerung; 5 Sozialprobleme: Freunde, Freundin, Klasse, Eltern, Geschwister; 5 Emotionsprobleme: Angst vor Ablehnung, vor Versagen, vor Objekten, Situationen; Depressionen, Autoaggressionen; 5 Essstörungen: Anorexie, Bulimie, Adipositas; 5 Angst vor der Zukunft: Ausbildung, Beruf, soziale Einbindung, eigene Entwicklung. Da Jugendliche noch keine feste Orientierung, kein stabiles Sozial- und Wertesystem gefunden haben und ihr Selbst weiterhin suchen, können sie viel weniger als Erwachsene mit Problemen umgehen und z. B. Hilfen finden. Somit haben Jugendliche schwerer an Problemen zu tragen, wenn sie nicht ausreichende Hilfen in der Familie, im Freundeskreis oder bei Fachleuten finden. Praxis konkret – Probleme von Kindern und Jugendlichen beim Zahnarzt Mögliche Auswirkungen von Kinder- und Jugendproblemen und Schulstress im zahnärztlichen Bereich: 5 Senkung der Angst- und Schmerzschwelle, 5 Ablehnung von Hilfen: – Abwehr, Aggression, Depression, – Wunsch nach Verständnis, Geborgenheit, Zuwendung, Anerkennung. Nehmen Sie die Probleme ernst, überbewerten Sie diese jedoch nicht. 5 Geben Sie eventuell einen Ratschlag.
5 Erkundigen Sie sich beim nächsten Termin wieder nach dem Problem. 5 Vergleiche mit der eigenen Jugend sind nicht immer hilfreich. 5 Die Zahnbehandlung wird durch Hypnoseanwendungen interessant und gleichzeitig erträglicher. Das motiviert Jugendliche, sich trotz Abneigung der zahnärztlichen Prozedur zu unterziehen. 5 Hinweise auf die Vorteile von Entspannungsverfahren (autogenes Training, progressive Muskelrelaxation und Selbsthypnose) können für die Jugendlichen auch zur Bewältigung anderer als der zahnärztlichen »Probleme« hilfreich sein. Nähe und Distanz: 5 Der nahe Körperkontakt des Arztes, besonders im sehr sensiblen und intimen Orofazialbereich, vergrößert meist Ängste. 5 Bei Kindern mit besonders großen emotionalen und sozialen Defiziten kann diese Nähe als Vertrauens- und Beziehungsangebot verstanden werden. Dies kann für die Behandlungs-Compliance hilfreich sein. Aber: Mitunter kann diese Nähe Fantasien auslösen, die nicht erfüllt werden oder das Kind zu Fehlbeurteilungen führen können. 5 Der Zahnarzt sollte für das Kind eine Vertrauensperson sein, die jedoch nur für den kurzen Behandlungszeitraum zur Verfügung steht. Kooperation mit den Eltern: 5 Ein Zahnarzt kann nicht die Verantwortung für Probleme außerhalb seines Fachbereiches übernehmen. 5 Informieren Sie die Eltern über die Problemmitteilungen ihres Kindes; sie müssen ihre elterliche Verantwortung übernehmen. 5 Eltern benötigen mitunter Ratschläge und Unterstützung. 5 Mit Empathie kann der Zahnarzt leichter beurteilen, ob und in welchem Umfang derartige Empfehlungen etc. gegeben werden können.
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2.4 • Kinder und Jugendliche mit Problemen und Problemkinder
5 Bei besonderen Anforderungen, die die Problematik des Kindes mit sich bringt (z. B. Medikation, methodische Vorgehensweisen oder Abgrenzungen) sollte auch der Fachaustausch mit den behandelnden medizinischen oder psychologischen Therapeuten erfolgen.
Kleine Selbsterfahrung – Seelische Probleme von Kindern und Jugendlichen 5 Welche Probleme für Kinder und Jugendliche bestehen heute? 5 Welche Probleme gab es für Sie, als Sie im Jugendlichenalter waren? 5 Welche gesellschaftlichen und politischen Bedingungen haben sich im Vergleich von früher (Ihre Kindheit) zu heute verändert?
2.4.2
Psychische Störungen, Verhaltensstörungen und Beeinträchtigungen
Nun kommen wir zu den Kindern und Jugendlichen, die psychische Störungen, Verhaltensstörungen und/oder andere Beeinträchtigungen haben. Ihr Anteil wird auf ca. 14% in der Gesamtbevölkerung geschätzt. Diese Prozentzahl schließt auch einen Großteil der Kinder mit ein, die in den vorgenannten Studien erfasst wurden. Die . Tab. 2.6 soll einen kleinen Einblick von dem Umfang psychischer Störungen und Verhaltensstörungen von Kindern und Jugendlichen geben. Dabei sind einige Symptome für den Zahnarzt wenig relevant (z. B. F98 Enuresis, Enkopresis), während andere (z. B. F93 Emotionale Störungen) besonders bedeutsam sind und spezieller Vorgehensweisen bedürfen (z. B. F90 Hyperkinetische Störungen).
Ätiologie Allein die Übersicht von . Tab. 2.6 macht indirekt deutlich, dass die Ursachen der einzelnen Störungen äußerst unterschiedlich sind. Neben rein organischen Verursachungen wirken meist das psy-
2
chosoziale Umfeld (Familie etc.) und die Schule mit ihren unterschiedlichen Anforderungen zusammen mit den kognitiven, motivationalen und sozialen Kompetenzen des Individuums. Sie bewirken innerhalb dieses Netzwerks die Ursachen für Stabilität, Vulnerabilität, Resilienz oder Störung. Grob schematisch sind diese Zusammenhänge in . Abb. 2.5 zusammengefasst.
2.4.3
Exemplarische Darstellungen dreier Störungsbereiche
Die Fachliteratur zur Diagnose und Behandlung von Zahn- und Kiefererkrankungen sowie Anomalien bei behinderten Kindern ist sehr umfangreich. Auch über einen enormen Zuwachs an verhaltensgestörten Kindern wird mehrfach berichtet (Winterhoff 2009; Hüther 2009). Konkrete Vorschläge zur psychologischen Begleitung dieser Patienten sind im Vergleich dazu in der zahnärztlichen Fachliteratur selten, Publikationen im Bereich der zahnärztlichen Kinderhypnose extrem selten. Deshalb beschränken wir uns auf grundsätzliche Überlegungen und die Darstellung von nur wenigen Problemstellungen. Es wird hierzu also kein psychiatrisches oder psychologisches Grundseminar formuliert, das alle Störungen, Differenzialdiagnosen, Behandlungsmethoden und das Spektrum potenzieller individueller Ausformungen enthält. Das soll den relevanten Fachbüchern der Kinder- und Jugendpsychiatrie wie z. B. Remschmidt (2002) überlassen bleiben. Schließlich will der Zahnarzt nicht seinen Beruf wechseln, sondern seine Patienten besser verstehen. Entsprechend sollen Denkanstöße gegeben werden, die zum besseren Verständnis und damit zur besseren Kooperation führen. So ist bei Kindern und Jugendlichen mit größeren psychischen oder somatischen Komplikationen und besonderen methodischen Anforderungen dem Zahnarzt stets zu empfehlen, den darin behandelnden Facharzt oder Psychologen zu konsultieren. Er kann über die Medikation und ihre Wechselwirkung mit möglichen Sedativa etc. Auskunft geben; er kann beraten, auf welche Intervention und Kommunikation sich
Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
86
2
. Tab. 2.6 Psychische und Verhaltensstörungen nach ICD-10. Schwerpunkt F90–F98: Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme – 10. Revision – German Modification – Version 2010). Häufigkeit im Kinder- und Jugendalter (versch. Quellen) F00–F09
Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
F10–F19
Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
F20–F29
Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
F30–F39
Affektive Störungen
F40–F48
Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
2%
F50–F59
Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren
4%
F60–F69
Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
F70–F79
Intelligenzstörung
F80-F89
Entwicklungsstörungen F84 Autismus
F90–F98
Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
F90
Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens
10%
F91
Störung des Sozialverhaltens: Auf den familiären Rahmen beschränkt Fehlende soziale Beziehungen Bei vorhandenen sozialen Bindungen mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten
5%
F92
Kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen
F93
Emotionale Störungen des Kindesalters: Mit Trennungsangst Phobische Störung Mit sozialer Ängstlichkeit Mit Geschwisterrivalität Generalisierte Angststörung
F94
Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in der Kindheit und Jugend: Elektiver Mutismus Reaktive Bindungsstörung Bindungsstörung mit Enthemmung
F95
Ticstörungen: Vorübergehend; chronisch motorische oder verbale Ticstörung Kombinierte, vokale und multiple motorische Tics (Tourette-Syndrom)
F98
Sonstige: Enuresis (unwillkürlicher Harndrang); Enkopresis (Einkoten) Fütterstörung im frühen Kindesalter Pica (Verzehr nicht essbarer Substanzen) Stereotype Bewegungsstörung Stottern; Poltern
F99
Nicht näher bezeichnete psychische Störungen
5–15%
4%
11%
10%
87
2.4 • Kinder und Jugendliche mit Problemen und Problemkinder
2
Psychosoziales Umfeld Elternhaus Verwandte Peergroup Schulgruppen (Motivation, Leistungsbereitschaft, Modelllernen, Gruppendynamik)
System Körper/Seele
System Schule Als Lernfeld
Bildung
als Sozialfeld
Kompetenzen
Lernen u. Leistung
Entfaltung
Pädagogik, Konzepte
Vulnerabilität
Lehrerperson
Gesundheit, Störung
Anforderungen
Krankheit
Förderung
Kompetenzen
Medizin/Psychologie Organismus, Vererbung Entwicklung Krankheit, Medikamente Grenzen und Kompetenzen Förderung
Selbstkonzepte
Leistungsmotivation
Suggestion
Kognitiv-behaviorale Komponenten Individuum
. Abb. 2.5 Interaktion von Wirkfaktoren in der kindlichen Entwicklung. Soziales Umfeld, Schule, angeborene und erworbene Kompetenzen des Individuums bestimmen als Netzwerkteile die kulturelle, soziale etc. Entwicklung, Bildung und die Entstehung oder Verhütung von seelischen Störungen und Verhaltensstörungen
der Patient einlassen wird – auch, welche gerade bei diesem Kind problematisch ist. Die Auswahl von nur 3 Problembereichen erfolgt, da sie »Typisches« – sowohl Spezielles als auch Grundsätzliches – zur Kommunikation und Hypnose bei kranken bzw. behinderten Kindern vermitteln sollen.
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADS/ADHS) Symptomatik Bei Kindern mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADS/ADHS; ICD-10: F90) sind vermehrt expansive Verhaltensweisen festzustellen wie z. B. ein gestörtes Regelverhalten, oppositionelles Verhalten, Aggressivität, Probleme mit Gleichaltrigen, Einzelgängerdasein oder Auffälligkeiten bereits in der Vorschule.
Ätiologie Es ist von einer multifaktoriellen Verursachung (z. B. Erziehungs- und Milieufaktoren, Nahrungsmittelüberempfindlichkeit, neurologische Faktoren) auszugehen. Das Kind ist durch innere und äußere Reize leicht stimulierbar und fällt deshalb durch eine innere Unruhe, ständiges Suchen nach neuen Stimuli, Ablenkbarkeit und Konzentrationsschwäche auf. Dies sind die Ursachen für die neurobiologisch bedingte Störung der Selbstregulation und Impulskontrolle. Sie führt immer wieder zu Konflikten mit Eltern, Gleichaltrigen und Lehrern, was durch ungünstige Bedingungen in Familie und Schule noch verstärkt werden kann. Nach Hüther und Bonney (2009) ist allerdings bis heute keine ADHS-beweisende Diagnostik verfügbar. »Soll ein Kind mit dem Kürzel ‚ADHS‘ in Beziehung gebracht werden, muss das Denken der
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
Eltern und Fachleute anfangen, nicht aufhören« (S. 107).
2
ggf. wird durch Veränderung des Dopaminstoffwechsels die Grundlage für die Entstehung von Parkinson geschaffen (Hüther u. Bonney 2009).
Therapie Die Behandlung ist kausal: also Familientherapie, Diät und/oder medikamentös und auf jeden Fall das Erlernen von Selbstkontrolle (s. unten). Im Vergleich zu den mehr als 500.000 Forschungsberichten über die medikamentöse Behandlung von ADHS-Kindern befassen sich nur ca. 3000 mit dem Einsatz psychotherapeutischer Verfahren (Hüther u. Bonney 2009).
Psychotherapie
Stets ist die kognitive Therapie des Kindes/Jugendlichen angeraten, also ab dem Schulalter Verhaltenstherapie. Sie trägt über ein Selbstinstruktionstraining zur Verminderung von impulsiven und unorganisierten Aufgabenlösungen bei, und über die Anleitung des Kindes/Jugendlichen zum Selbstmanagement erreicht man eine Modifikation des Problemverhaltens. Dazu eignen sich verschiedene kognitive Formen der Selbstkontrolle, insbesondere Neurobiofeedbackmethoden zur Selbstkontrolle (Strehl et al. 2004), die Entspannungsbilder oder hypnotische Induktionen enthalten, die während des Trainingsprozesses verwendet werden sollen (Olness u. Kohen 2001).
Pharmakotherapie – Dopaminmedikation (Ritalin)
Nach klinischen Erfahrungen ist die ärztliche Diagnose bei ADS/ADHS sehr häufig allein symptomorientiert; deshalb beschränkt sich die Therapie häufig auf die Pharmakotherapie mit primär Stimulanzien (z. B. Methylphenidat), welche den Dopaminstoffwechsel im Gehirn beeinflussen, der (wahrscheinlich) gestört ist. Durch Ritalin wird das für die Umsetzung von Handlungsimpulsen verantwortliche dopaminerge System für ein paar Stunden abgeschaltet, die Kinder kommen zur Ruhe und können sich auf ihre Aufgaben konzentrieren. Die Neben- und vor allem Langzeitwirkungen von Ritalin (unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz) sind jedoch noch nicht ausreichend erforscht,
Hypnose und zahnärztliche Versorgung
Für den behandelnden Kinderzahnarzt ist bei dieser Symptomatik kaum die eindeutige Differenzialdiagnose relevant, als vielmehr das bei der zahnärztlichen Behandlung des Kindes gezeigte Verhalten. Nach einer Befragung in Texas wenden 54% der Kinderzahnärzte bei ADS/ADHS Lachgas zur Verhaltensregulation an (Kerins et al. 2007). Wenn diese Kinder an Selbstkontrollmethoden gewöhnt sind – falls sie einer solchen Behandlung zugeführt wurden und die Eltern sie konsequent einhielten – werden sie auf einfache und schnell wirksame Methoden zur Ablenkung von der Zahnbehandlung ansprechen.
Cave
Zu bedenken ist, dass diese Kinder hyperaktiv sind, um ihren individuellen Wohlfühlbereich zu erreichen. Entspannungsmethoden sind deshalb oft kontraindiziert, allerdings sind hypnotische Interventionen durchaus hilfreich, um Ängste zu verringern, Schlafstörungen zu beheben, Selbstkontrolle zu erreichen und die Einstellung gegenüber dem Lernen zu verändern (Olness u. Kohen 2001). Deshalb beinhaltet der ressourcenorientierten Umgang, möglichst viele motorische Komponenten einzubeziehen. Das Kind sollte also im Zauberwald mental herumrennen können und bei Bedarf mit dem Zauberstab ordentlich hantieren. Dann könnte der Gebrauch von Beruhigungs- und Narkosemitteln reduziert werden (Kerins et al. 2007).
Kognitive und körperliche Behinderungen Begriffbestimmung Wir befassen uns hier primär mit »geistigen« Behinderungen, da sie im zahnärztlichen Alltag häufiger sind. Da körperliche Behinderungen noch individueller ausgeprägt sind und weniger häufig den orofazialen Bereich betreffen, sollen sie hier subsummiert werden – zumal viele der genannten geistigen Behinderungen auch die Compliancepro-
89
2.4 • Kinder und Jugendliche mit Problemen und Problemkinder
bleme mit sich bringen, die auch Körperbehinderte haben können. Behinderung beinhaltet eine dauerhafte und gravierende Beeinträchtigung der Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben, die durch unterschiedliche Arten von Barrieren erschwert oder unmöglich ist. Der medizinisch geprägte Begriff »geistige Behinderung« wird heute immer seltener verwandt und durch den mehr sozialpädagogisch geprägten »kognitive Behinderung« ersetzt, da er weniger negativ diskriminiert und konkreter die Symptomatik erfasst, die je nach Ursache und Ausprägung sehr unterschiedlich sein kann.
Symptomatik Im Vordergrund stehen meist Lernschwierigkeiten, Verzögerungen in der kognitiv-intellektuellen Entwicklung und herabgesetztes Abstraktionsvermögen. Durch die nicht maximal erreichte Intelligenz und das damit oft verbundene reduzierte Anpassungsvermögen ist auch die soziale und emotionale Reife beeinträchtigt, wodurch auch die Kommunikation und Emotionsverarbeitung betroffen ist. Diese Beeinträchtigungen und Behinderungen sind oft mit Fehlbildungen des Gehirns und der Beeinträchtigung von Motorik und Sprache verknüpft. Exemplarisch sei das Down-Syndrom mit einer Häufigkeit von 1:500 bis 1:800 Geburten als häufigste geistige Behinderung erwähnt. Nur 10% von ihnen ist schwerbehindert. Unter anderem fallen sie mit ihrer orofazialen Pathologie auf: Hypotonie der Zungenmuskulatur, Hypoplasie des Oberkiefers, Hypoplasie des Mittelgesichtes und Hypotonie des M. orbicularis oris (fehlender Mundschluss, Zungenvorfall), scheinbar vergrößerte Zunge.
Ätiologie Die Ursachenbreite ist bei kognitiven/geistigen Behinderungen sehr weit wie z. B.: 5 Erbkrankheiten oder Chromosomenaberrationen wie z. B. das Down-Syndrom, 5 fetale Beeinträchtigung durch Erkrankungen, das fetale Alkoholsyndrom oder die Strahlungsembryopathie, 5 peri- und postnatal können es geburtsbedingter Sauerstoffmangel, Erkrankungen (z. B.
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Hirnhautentzündung, Diabetes), Unfall, Intoxikationen usw. sein. Am häufigsten sind das Down-Syndrom und das fetale Alkoholsyndrom anzutreffen. Körperliche Behinderungen können in ähnlicher Weise prä-, peri- und postnatal erworben sein.
Therapie Wie bereits zu erkennen ist, kann eine kausale Therapie kaum erfolgen, da neuronale Strukturen nicht angemessen aufgebaut oder zerstört sind und nicht wiederhergestellt werden können. Durch Methoden der Ergotherapie und Heilpädagogik können jedoch verschiedene Defizite reduziert werden. Insgesamt ist hier eine dem individuellen Bedarf des Kindes angemessene Förderung notwendig und stets sinnvoll, um kognitive, emotionale, soziale und motorische Kompetenzen zu erweitern. Dabei ist ein stabiles und förderndes familiäres Milieu besonders hilfreich, das evtl. durch familientherapeutische Maßnahmen unterstützt werden muss. Die Effektivität der Behandlungen ist abhängig von der Stärke der Symptomatik, ihrer Auswirkungen auf die Umwelt und deren Rückwirkungen – und natürlich von den Fördermöglichkeiten und deren Realisierung im Umfeld.
Zahnärztliche Versorgung Der orale Gesundheitszustand behinderter Personen ist meist schlechter als in der Allgemeinbevölkerung (Nunn 2000). Ursächlich wird beispielsweise durch angeborene oder erworbene Behinderungen die Mund- und Kaufunktion beeinträchtigt und die Mundhygiene nicht angemessen durchgeführt, die regelmäßige Konsultation des Zahnarztes wird nicht eingehalten und die Fähigkeit zur Kooperation während der zahnärztlichen Untersuchung ist eingeschränkt. Eine gezielte Prophylaxe, konsequente Mundhygiene, zuckerarme Ernährung und intensive Fluoridanwendungen sind hier erforderlich (Ben-Zur u. Marthaler 1974). Als Konsequenz daraus ergibt sich, gerade für diese Kinder ein besonders dichtes präventives und rehabilitatives System bereitzustellen (Waldman et al. 2001).
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
Fazit
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Wie deutlich wurde, haben Kinder mit seelischen, geistigen bzw. körperlichen Behinderungen oder Verhaltens- und Entwicklungsstörungen oft veränderte Verhaltensweisen, Einstellungen und Verarbeitungsmechanismen im Vergleich zu ihren nicht betroffenen Altersgenossen. Durch häufige unangenehme Untersuchungen und Behandlungen aufgrund ihrer Behinderung haben diese kleinen Patienten meistens auch eine negative Erwartungshaltung gegenüber der Zahnbehandlung.
Empfehlungen für die zahnärztliche Behandlung von geistig behinderten Kindern Petzold von der Charité in Berlin gibt Empfehlungen für die Behandlung von geistig behinderten Kindern (Petzold 2004), die auch für körperliche Behinderungen zutreffen können. Bereits für Neugeborene wird die Stimulation der Mundschleimhaut und Mundmuskulatur durch die Hand der Mutter nach Anleitung eines Therapeuten empfohlen (Therapie nach Castillo Morales 2000). Bei Kindern mit Down-Syndrom wird dabei mit entsprechenden Stimulationsplatten gearbeitet. Besonders in der Frühphase der Hirnreifung kann dadurch eine Beeinflussung der ZNS erfolgen. Auswirkungen sind: 5 Förderung der Entwicklungsimpulse für das Schlucken, Ausspucken und die Lautbildung, 5 Stimulierung der Zungen- und Kaufunktion, da der Speisebrei kürzer im Mund verweilt, 5 Bahnung für spätere Fremdmanipulationen im Mund, also zahnärztliche Interventionen, 5 Zungen- und Lippentraining, u. a. zur Sprachanbahnung. Für Säuglinge soll die Zahnreinigung mit der Lernzahnbürste erfolgen. Insgesamt wirkt sich die Mundhygiene als Stimulation oraler motorischer Funktionen aus.
Besonderheiten bei der Zahnbehandlung Lernen
Selbstverständlich sind kognitiv behinderte Kinder lernfähig – nur insgesamt langsamer.
Sie haben ein reduziertes Abstraktionsvermögen und müssen deshalb sehr konkrete Informationen erhalten, die in kurzen, einfachen Sätzen insgesamt ruhig und überschaubar knapp formuliert sind. Ihre Auffassung ist verlangsamt, also muss sich der Zahnarzt zurückhalten, langsam sprechen und nach kurzen Erklärungen Pausen einlegen und Wiederholungen einplanen. Verbale Suggestionen sind wirksam, ebenso das Lernen am Modell. Das kann durch die Handpuppen oder auch ein großes Zahnmodell realisiert werden, an dem beispielsweise das Füllung legen demonstriert wird. Viele gezielte Belohnungen sind erforderlich, die in hohem Maße kontingent sein müssen. Bezugspersonen
Begleitende Personen wie die Eltern sollten auf jeden Fall im Raum bleiben, sie geben den Patienten Konstanz und damit Sicherheit und Geborgenheit. Behandlung und ihre Vorbereitung
Im Vergleich zu normal entwickelten Kindern und Jugendlichen brauchen geistig behinderte Patienten zum Rapportaufbau deutlich mehr Zuwendung und Zeit. In besonderem Maße sollte man für eine ruhige und entspannte Atmosphäre sorgen, da diese Kinder schnell durch fremde Eindrücke irritiert und geängstigt werden können. Betroffene Jugendliche sind ihrem Entwicklungsstand nach zwar vielleicht wie die Kinder zu behandeln, auf deren Entwicklungsniveau sie sich befinden. Aber: Es sind Jugendliche mit spezifischen Interessen (z. B. Musik, Fernsehen) und Wünschen (z. B. Sozialkontakte, Tanzen) und sollten als solche in der Kommunikation respektiert werden.
Zahnärztliche Kinderhypnose bei körperlichen oder geistigen Behinderungen Aufgrund der dargestellten unterschiedlichen und oft sehr spezifischen Gegebenheiten und Anforderungen von behinderten Kindern ist es besonders wichtig, für die hypnotherapeutische Behandlung eine Vielzahl von Induktionsstrategien und Methoden zu kennen und kreative Modifikationen vorzunehmen, um den speziellen Bedürfnissen und Umständen gerecht zu werden (Olness u. Kohen 2001).
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2.4 • Kinder und Jugendliche mit Problemen und Problemkinder
Körperlich behinderte Patienten brauchen oft etwas mehr Zeit und Zuwendung beim Rapportaufbau, lassen sich aber dann genau so wie gesunde Kinder mit den oben beschriebenen Tranceinduktionen behandeln. Bei geistiger Behinderung ist die Fähigkeit, auf hypnotherapeutische Induktionen anzusprechen, zumindest eingeschränkt (Olness u. Kohen 2001). Zur Psychopathologie geistig behinderter Kinder, Jugendlicher und auch Erwachsener gehört oft ihre Leichtgläubigkeit. Deshalb werden Informationen schnell wörtlich genommen und als verbindlich angesehen. Also sind verbale Suggestionen durchaus einsetzbar (Petzold 2004). Metaphern sind demnach jedoch nicht angebracht, denn falls der Spaziergang im Zauberwald nicht die gewünschten (suggerierten) Wahrnehmungen bewirkt, kann dies starke emotionale Erregung erzeugen. Die Patienten werden verunsichert, sie denken möglicherweise »entweder habe ich versagt und bin deshalb traurig – oder der Zahnarzt hat gelogen, weil es dort nicht nach Bananen roch«. Bei der Hypnoseanwendung sind folgende Aspekte zu beachten: 5 Auch kognitiv stark eingeschränkte (debile) Kinder reagieren bei Schmerzerwartung wie gesunde Kinder (Petzold 2004). 5 Ist die geistige Behinderung so stark, dass eine verbale Kommunikation unmöglich wird, sind die Grenzen der Kinderhypnosebehandlung erreicht. 5 Oft sind diese Kinder aber gut in Trance zu führen (beispielsweise bei Down-Syndrom) und lassen sich dann auch sehr gut behandeln. 5 Metaphern sollten vermieden werden, da ihre Abstraktion evtl. überfordert und sie zu wörtlich genommen werden können. 5 Behandlungsverweigerung kann durch psychologisches Einfühlungsvermögen und guten Rapport vermieden werden. 5 Bei diesen Kindern sind die nonverbalen Trancetechniken (7 Abschn. 5.4.1) besonders intensiv und dauerhaft anzuwenden. 5 Besonders Kinder mit Down-Syndrom sind sehr zutraulich und interpretieren körperliche Nähe schnell als intime körperliche Zuwendung. Überschreitet der Therapeut ihre
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kritische Distanz, wollen sie ihn schnell küssen oder sind in ihn verliebt. 5 Bei geistig behinderten Kindern liegt oft eine Störung der situativen Orientierung vor; deshalb sollte gerade bei der Beendigung der Hypnose auf die Rückorientierung in Zeit und Raum geachtet werden.
Frühkindlicher Autismus Symptomatik Autismus (ICD-10: F84) ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung mit unterschiedlichen Formen, die nicht immer leicht gegeneinander abzugrenzen sind. Bei dieser Erkrankung unklarer Ätiologie steht die Kontaktstörung mit Rückzug auf die eigene Gedankenwelt im Vordergrund und dadurch bedingt die Isolation von der Umwelt. Entwicklungsverzögerungen, besonders der Sprache und Intelligenz, sind häufig. Dazu gehört oft auch die Unfähigkeit, Blickkontakt, Mimik, Körperhaltung und Gestik zur Regulation sozialer Interaktion zu verwenden, die Unfähigkeit, soziale Beziehungen zu Gleichaltrigen zu haben und das Verhalten angemessen zu modulieren, sowie die Unfähigkeit zum sprachlichen Kommunikationsaustausch. Typisch sind auch repetitive und stereotype Verhaltensmuster; Veränderungen werden oft verweigert. Zusätzlich finden wir bei diesen Kindern meist erstaunliche mathematische oder naturwissenschaftliche Sonderinteressen (Remschmidt 2002). Der Eigenbericht von Mukhopadhyay (2005) verdeutlicht einiges von dieser veränderten Lebenswelt des Autisten.
Ätiologie Die Erkrankung tritt bei ca. 1,2% der Bevölkerung auf. Verursachend ist wahrscheinlich eine angeborene veränderte Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitung im Gehirn, ggf. im Bereich des Spielgelneuronensystems, was zur Beeinträchtigung der Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeit führt.
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
Therapie
Zahnärztliche Kinderhypnose
Es sind ganzheitliche Therapienansätze erforderlich, die sich am individuellen Entwicklungs- und Störungsprofil orientieren. Besonders die Förderung sozialer Interaktionen und der Abbau der Stereotypien stehen im Vordergrund. Dabei haben sich Methoden der Verhaltenstherapie, besonders das operante Konditionieren, bewährt wie Applied Behavior Analysis (ABA, Lovaas 1987; Dillenburger u. Keenan 2009) und intensive Elterntrainings. Die Eltern müssen oft ihren Alltag stark auf die Bedürfnisse ihres Kindes abstimmen (Aarons u. Gittens 2005).
Bei autistischen Kindern wurde im Vergleich zu nichtautistischen Kindern der gleiche Gesundheitsstatus der Zähne festgestellt (Kopycka-Kedzierawski u. Auinger 2008). Bei jüngeren autistischen Patienten, besonders mit Zusatzdiagnosen, ist die Kooperation jedoch reduzierter (Loo et al. 2009). Für die zahnärztliche Behandlung mit Hypnose ergeben sich besondere Probleme, Folgen und Fragestellungen (Rienhoff u. Rienhoff 2010): 5 Der Körperkontakt ist problematisch → Grifftechniken sind schwierig; 5 Unerwartete Bewegungen → Verletzungsrisiko; 5 Verändertes Schmerzempfinden → Geräusche als Verursachung? 5 Abweisungsverständnis? → Unsicherheit für den Behandler; 5 Veränderungen sind problematisch → bewirken mögliche Aggressionen; 5 Keine Phantasie → Erzählungen sind schwierig; 5 Leicht aufbrechende Angst → plötzliche Affektausbrüche.
Sonderform: Asperger-Syndrom (F84.12) Das Asperger-Syndrom ist eine Form der autistischen Störung, bei der die betroffenen Kinder über eine normale Intelligenz, teilweise sogar eine intellektuelle Frühreife und ein gutes Sprachvermögen verfügen. Deshalb wird die autistische Störung bei ihnen häufig nicht als solche erkannt. Auffällig sind die emotionale Distanz und die ausgeprägte motorische Ungeschicklichkeit der Kinder. Sie fallen durch ihr ungeschicktes Sozialverhalten auf und haben oft keine Freunde. Der Umgang mit solchen Kindern ist schwierig, da man ihre Reaktionen nicht voraussehen kann. Aus dem Brief einer Patientenmutter – Kind mit Asperger-Syndrom (Praxis Dr. Zehner) Durch die unendliche Geduld des gesamten Teams, Zeit und Einfühlungsvermögen hat sich Henrik nie gedrängt gefühlt. Er wurde in die Arbeitsabläufe behutsam mit eingeführt, durfte meist das »Zeitmanagement« übernehmen. Henrik unterliegt immer wieder Zwängen (z. B. permanentes Mundausspülen beim Zahnarzt), dem wurde bei jeder Behandlung Rechnung getragen. Wichtig ist, dass man sich immer an Abmachungen hält. Ich glaube, er wurde darin in der Kinderzahnarztpraxis nie enttäuscht. Der Zahnarztbesuch ist für ihn überschaubar, da ihm genau erklärt wird, was gemacht wird – und das manchmal bis zu 10-mal … DANKE!!!
Fallbeispiel Mahmut, 8 Jahre (Praxis Dres. Rienhoff ) Mahmut hat über den Autismus hinaus auch eine geistige Behinderung und zeigt viele unkontrollierte Bewegungen, vor allem der Hände. So kam es am Anfang vor, dass er uns spitze Instrumente aus der Hand geschlagen hat. Um dies zu verhindern, haben wir uns mit dem Vater gemeinsam eine abgewandelte Balltechnik überlegt. Der Vater sitzt hinter dem Kopfende des Behandlungsstuhles, nimmt die Hände des Kindes und legt sie mit den Handrücken an die Schläfen, sodass die Finger nach vorn zeigen und die Handgelenke die Ohren verdecken. Darüber legt der Vater seine eigenen Hände. Dadurch werden die Hände des Kindes gehalten, unkontrollierte Bewegungen sind nicht mehr möglich, und es kommt zusätzlich zu einem beruhigenden Schläfengriff. Außerdem hat der Vater auch noch die Möglichkeit, dabei Mahmuts Ohren mit verschlossen zu halten, um laute Geräusche abzuhalten. Auf diese Art und Weise vom Vater gehalten ist Mahmut gut zu behandeln.
2.4 • Kinder und Jugendliche mit Problemen und Problemkinder
Die kooperativen Möglichkeiten des autistischen Kindes werden durch folgende Faktoren bestimmt: 5 Sprachverständnis – anstatt Echolalie. 5 Ruhig sitzen können ab einem Alter von 4 Jahren – anstatt Einnässen, Weglaufen. 5 Methoden der Verhaltensführung sollten gut möglich sein (Marshall et al. 2007). 5 Die Eltern können das Verhalten meist gut einschätzen und beherrschen diverse Methoden, ihr Kind beim Zahnarzt zu unterstützen wie z. B. Handhalten, Distraktion, Belohnung (Marshall et al. 2007). 5 In besonderem Maße sind auch bei diesen Patienten Konstanz und Sicherheit vermittelnde Maßnahmen (gleicher Behandlungsraum, gleiche Helferin, Behandlungsrituale) anzuwenden. 5 Häufig ist die Diagnosestellung sehr schwierig. Diese Patienteneltern haben eine lange Odyssee hinter sich, bevor sie Klarheit bekommen, aus welchen Gründen sich ihr Kind so und nicht wie normale gesunde Kinder verhält. 5 Deshalb können diese Eltern besonders ängstlich und misstrauisch bei ärztlichen Interventionen sein. 5 Bei Verdacht auf Asperger-Syndrom sollte den Kindern bei der Zahnbehandlung besonders einfühlsam begegnet und ihrem Bedürfnis nach Sicherheit, genauen Erklärungen und ausreichender Zeit Rechnung getragen werden. Dann kann durchaus guter Rapport entstehen und altersgemäße hypnotische Interventionen können erfolgreich durchgeführt werden. Fallbeispiel: Can, 8 Jahre (Praxis Dres. Rienhoff ) Can zeigt viele unkontrollierte und stereotype Bewegungen. Wir wollten zunächst lediglich eine Untersuchung der Zähne vornehmen, was er aus früheren Besuchen schon kannte. Immer wieder hat er uns die Instrumente durch seine Bewegungen aus der Hand geschlagen und hatte kurze aggressive Episoden. Auch ein Halten der Hände durch den Vater hatte keinerlei Erfolg. Wir haben Can dann etwa 10 bis 15 min mit einer Helferin und dem Vater im Behandlungszimmer gelassen. Währenddessen hat er sich auf den Zahnarztdrehstuhl
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gesetzt und die ganze Zeit im Kreis gedreht. Durch diese Zeit, in der er sich seinen stereotypen Bewegungen hingeben konnte, hat er sich offenbar so entspannt, dass die zahnärztliche Untersuchung danach problemlos möglich war. Es wurde dabei festgestellt, dass ein entzündeter Milchzahn extrahiert werden musste. Aufgrund der starken Bewegungen haben wir uns mit den Eltern gemeinsam dafür entschieden, die Extraktion durch eine Benzodiazepinsedierung zu unterstützen (7 Kap. 7). Durch das Benzodiazepin waren auch seine unkontrollierten Bewegungen etwas abgemildert. Bei der Behandlung haben wir vor allem mit der Zähltechnik gearbeitet. Die Mutter hat immer, wenn behandelt wurde, den Kopf in der Balltechnik gehalten. Sobald Behandlungspausen waren, durfte er sich hinsetzen und seinen Stereotypien nachkommen. Bei der Injektion und Extraktion hat die Helferin seine Hand gehalten und Hand und Unterarm leicht hin- und hergeschaukelt. Diese kleine Bewegung kam seinem natürlichen Bewegungsmuster sehr entgegen und hat ihn erheblich beruhigt. Durch diese vor allem nonverbalen Hypnosetechniken konnte der Zahn sehr einfach entfernt und somit eine Behandlung in Narkose vermieden werden.
Vorschläge für die zahnärztliche Behandlung 5 Vorbereitung der Sitzung durch häusliche Übungen wie z. B. Abdrucklöffel ausprobieren, mit dem Spiegel in den Mund sehen, Eltern üben bestimmte Grifftechnik ein. 5 Rituale schaffen: Möglichst vieles in der Umgebung sollte in allen Sitzungen identisch bleiben: Das Team, die Kleidung, der Raum, die Verhaltensweisen, das Spielzeug. 5 Ungewöhnliche Sitzhaltungen sollten akzeptiert werden (z. B. quer liegen im Stuhl, auf dem Schoß der Mutter, auf dem Boden. 5 Reizreduktion: möglichst wenige Reize sollten auf das Kind einwirken, ggf. auch keine »Entspannungs«-Musik. 5 Ablehnung von Körperkontakt muss akzeptiert werden! Ein leichter Halte- oder Berührungsdruck wird oft akzeptiert, insbesondere, wenn er von den Eltern ausgeübt wird.
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
5 Einfache Sprache: Gebrauch einer einfachen Sprache. Keine Metaphern, Redewendungen oder Witze, die nicht oder zu wörtlich fehlverstanden werden. 5 Stereotypien: Die mitunter gezeigten Sprachstereotypien können aufgenommen werden. Riehoff u. Rienhoff (2010) berichten von guten Erfahrungen im Umgang mit autistischen Kindern, wenn der Zahnarzt die Behandlung plant, indem er sich vorher überlegt, was das Kind verstehen kann, welche Vorlieben und Abneigungen es hat und welche seiner Behandlungstätigkeiten so modifiziert werden müssen, dass sie für das Kind hilfreich sind. Dies erfordert ein großes Maß an Kreativität, verbessert aber die Kooperation des Kindes zunehmend.
2.5
Abschließende Zusammenfassung
> Die richtige Kommunikation des Zahnarztes liegt darin, die individuellen Bedürfnisse des Kindes zu verstehen und seine Behandlung so individuell zu gestalten, dass er besonders die Fähigkeiten des Kindes berücksichtigt und weniger seine Unfähigkeiten.
Zusammenfassung der wesentlichen Aspekte in der Kinderzahnarztpraxis (teilw. nach Nathan 2001; Petzold 2004; Raposa 2009): 5 Alle Mitarbeiter, auch die Fachkraft an der Rezeption, sollten über die Philosophie ihrer Zahnarztpraxis informiert sein und sich danach verhalten. 5 Schaffen Sie eine positive Atmosphäre im Wartezimmer und in den Praxisräumen. 5 Minimieren Sie die Größe des Behandlungsteams, das direkt mit dem Kind befasst ist. 5 Für jedes Kind sollte stets das gleiche Behandlungsteam und der gleiche Behandlungsraum eingesetzt werden. 5 Erfassen Sie im Erstkontakt, welche körperlichen Funktionen der Patient beherrscht. 5 Ergründen Sie im Erstkontakt, über welches Kommunikationsniveau das Kind verfügt.
5 Es sollte dokumentiert sein, welche spezifischen Bedürfnisse, Problemsituationen, Fähigkeiten und Fertigkeiten erforderlich sind. 5 Geben Sie dem Kind ausreichend Zeit, um sich an die neue Umgebung mit ihren Geräuschen, Klängen und ihrem Aussehen zu gewöhnen. 5 Das Kind benötigt Sicherheit und Geborgenheit. Deshalb ist oft die Anwesenheit der Mutter (etc.) und ihre körperliche Nähe erforderlich. 5 Nehmen Sie evtl. erst nur Kontakt über das mitgebrachte Schmusetier auf. 5 Benutzen Sie zur Unterstützung nur anerkannte Methoden der Verhaltensführung. 5 Passen Sie Ihre Behandlung an die Fähigkeiten des Kindes an. 5 Gebrauchen sie die Sprache, Sprachintonation und das Sprachtempo, die das Kind seinem Entwicklungs- und Sozialisierungsniveau entsprechend verstehen und nachvollziehen kann. 5 Behandeln Sie das Kind respektvoll und mit Bedacht. 5 Suchen Sie die individuellen Fähigkeiten und fördern diese – lassen Sie seine Unfähigkeiten und Grenzen weitgehend unbeachtet. 5 Loben und verstärken Sie ständig angemessene Verhaltensweisen. 5 Ignorieren Sie unangemessenes Verhalten – soweit es möglich ist. 5 Eine Behandlungssitzung sollte stets positiv abgeschlossen werden.
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Kapitel 2 • Psychologie des Kindes- und Jugendalters
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99
Eltern Erziehung – Rollen – Angst – Erwartungen – Gesprächsmethodik
3.1
Bedeutung der Elternrolle – 100
3.2
Erziehungshaltungen – elterliche Erziehungsstile – 100
3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5
Autoritative Erziehung – 100 Autoritäre Erziehung – 101 Laissez-faire-Erziehung – 101 Weitere Erziehungsstile – 101 Folgen des Erziehungsstils – 101
3.3
Elternerwartungen – 102
3.3.1 3.3.2 3.3.3
Erwartungen und Erziehung im Wandel – 103 Erwartungen der Eltern an den Therapeuten/Kinderzahnarzt – 103 Erwartungen der Eltern an Hypnose – 104
3.4
Angst der Kinder und die Rolle der Eltern – 105
3.5
Elterngespräche – die psychologische Situation der Eltern – 106
3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4
Der Erstkontakt – 106 Elterngespräche – 108 Grenzbereiche – 109 Praxisbeispiel aus der Kariesprophylaxe – 110
Literatur – 110
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3
100
Kapitel 3 • Eltern
» Süßes muss oft sauer erarbeitet werden.
3.2
Abraham Lincoln (1809–1865), 16. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika
«
3
Der Kinderzahnarzt befasst sich zwar primär mit dem Kind, aber die begleitenden Eltern sind in seinem Behandlungsprozess von großer Bedeutung. Sie sind nicht nur bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Ängsten und deren Bewältigung zentrale Personen. Da das Kind mit seiner Bedürftigkeit im Vordergrund steht, wird die psychologische Situation der Eltern vor und während der Kinderbehandlung selten berücksichtigt und soll hier besonders beleuchtet werden. Ihr Erziehungsstil, verbunden mit Konsequenz oder Inkonsequenz, entscheidet über das Gelingen langfristiger Maßnahmen.
Unabhängig von der individuellen Ausgestaltung der Erziehung durch die Eltern, lassen sich wesentliche unterschiedliche Erziehungshaltungen feststellen. Ihre Forschung wurde erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts begonnen, als man Vorgesetzte, Machtpersonen und Erzieher in ihren Kompetenzen und Verhaltensweisen kritisch zu hinterfragen begann. Umfassende Untersuchungen und Darstellungen wurden von R. Tausch (1963/1998) vorgenommen, die hier nur punktuell genannt werden können.
3.2.1 3.1
Bedeutung der Elternrolle
Eltern sind die wichtigsten Menschen in der emotionalen, sozialen, intellektuellen, psychischen und moralischen Entwicklung des Kindes. Sie haben einen unausgesprochenen Erziehungsauftrag, um das Kind in die Gesellschaft in folgenden Bereichen zu integrieren: Kultur, Kulturtechniken, Emotion, Sozialverhalten, Leistungsverhalten, Gesundheitsverhalten. Die Mutter-Kind-Dyade war von Anfang der psychologischen Forschung an in deren Fokus, so bei Freud. Die moderne weiterführende Forschung geht von dem Modell der Bindung in der frühen Mutter-Kind-Beziehung aus und verbindet ethologisches, entwicklungspsychologisches, psychoanalytisches und systemisches Denken. Treten besonders in der frühen Kindheit Defizite oder Störungen auf wie z. B. körperliche oder psychische Vernachlässigungen oder Ablehnungen, können sie schwere Persönlichkeitsstörungen bedingen (Cassidy 1999). Hierdurch wird deutlich, dass eine feste, verlässliche, liebevolle und warmherzige Bezugsperson in der Entwicklung des Kindes von hervorgehobener Bedeutung ist. Sie ist die Grundlage für die psychische Stabilität, Stress- und Krankheitsbewältigung (7 Abschn. 2.3.3 und 4.2.6).
Erziehungshaltungen – elterliche Erziehungsstile
Autoritative Erziehung
Eltern mit autoritativem Erziehungsstil sind freundlich, emotional warmherzig, unterstützen ihre Kinder bei Schwierigkeiten und fördern sie in ihren Fähigkeiten; sie fördern die Achtung vor anderen Personen und vor sich selbst. Sie fördern die Selbstverantwortung des Kindes. Sie sind bereit, ihre Werte und Ziele zu diskutieren, haben aber auch eine klare Vorstellung zu ihnen. Im Kontrast zu anderen Erziehungsstilen sind sie konsequent und klar in ihren begründeten Anforderungen. Die Auswirkungen sind in einem hohen Selbstwertgefühl der Kinder zu erkennen, die ihrerseits ebenfalls sozial-integrativ, demokratisch und einfühlsam sind.
Beispiele zur Konsequenz der Eltern 5 Beobachten, informiert sein über Freunde, Vorlieben, Ängste, Hausaufgaben; 5 Regeln aufstellen (Tischsitten, Aufräumen, Mithilfe im Haushalt, Sozialverhalten etc.); 5 Regeleinhaltung beobachten und fordern; 5 Regelverstöße rückmelden und daraus resultierende Folgen (= Konsequenzen) wie angekündigt realisieren; 5 dem Kind gegenüber (relativ kurz, aber umfassend) begründen und auf altersgemäße Weise erklären, warum gewisse Regeln eingehalten werden müssen;
101
3.2 • Erziehungshaltungen – elterliche Erziehungsstile
5 das Kind ist für sein Handeln verantwortlich und soll sich entsprechend verhalten; 5 Versprechen und Vereinbarungen werden gegenseitig eingehalten. Der Erziehungsstil der Eltern beeinflusst auch die Möglichkeiten der Problembewältigung ihrer Kinder. Stellen Eltern Anforderungen, setzen Grenzen und geben Lob und Tadel angemessen, dann können ihre Kinder unangenehme Situationen besser meistern und allgemein eine bessere Kontrolle auf ihr Verhalten und ihre Emotionen ausüben (Venham et al. 1979).
5 Bedürfnisse sollen deshalb sofort befriedigt werden; 5 andere (Eltern/Umwelt) sind für sein Wohlbefinden verantwortlich; 5 Erwartungen eines permanenten Kinderparadieses ohne Verantwortung; 5 Regeln: sind gleichgültig und anstrengend; 5 Regeln werden nur eingehalten, wenn Lustgewinn naheliegt; 5 Regeleinhaltung beobachten und auch fordern ist für diese Eltern anstrengend.
3.2.4 3.2.2
Autoritäre Erziehung
Diese Eltern trauen ihren Kindern wenig zu, fordern viel, lassen nur ihre Meinung gelten, die sie, wenn es sein muss, auch mit körperlicher oder psychischer Gewalt durchsetzen. Die Folgen dieser Erziehung sind naheliegend und denen des Elternvorbildes ähnlich. Im Laufe der Zeitströmungen der letzten wenigen Jahrzehnte ist dieser Erziehungsstil seltener geworden. Unter autoritärer Erziehung hat man lange genug selbst gelitten und will sich nun konsequent anders verhalten. Leider ist dies meist nur konträr zum Gewohnten, meist nur ideologisch begründet, jedoch weiterhin pädagogisch, psychologisch und erzieherisch unangemessen.
3.2.3
Laissez-faire-Erziehung
Kinder und die damit verbundene Erziehung sind diesen Eltern evtl. lästig, so besonders das Aufstellen und Einhalten von Regeln. Das Kind soll vorwiegend nach seinem Lustprinzip leben. Als Ausdifferenzierung dieser Erziehungshaltung können wir folgende elterliche Verhaltensweisen beobachten: z
Instant Drive Reduction – sofortige Bedürfnisbefriedigung, Überfürsorglichkeit
5 Das Kind soll keine Frustrationen haben, immer glücklich sein, steht im Mittelpunkt der Familie;
3
Weitere Erziehungsstile
Zu den vorgenannten 3 wesentlichen Erziehungsstilen können aus ihrer Mischung beliebig viele benannt werden: 5 Ängstliche Eltern, 5 schwache Eltern, 5 Perfektionismus, 5 emotional kalte Erziehung, 5 zurückweisende Erziehung.
3.2.5
Folgen des Erziehungsstils
Erziehungsstile bewirken sehr unterschiedliche Verhaltensweisen. Als wesentliche sind hier nur stichwortartig zu nennen: 5 Bei Regelverstößen ist das Kind ungehalten; 5 das Kind kann durch Trotz u. Motz alles erreichen und dadurch oft Unangenehmes vermeiden; 5 die Eltern vermeiden Trotz u. Motz des Kindes, indem sie es gewähren lassen; 5 ein Versprechen einhalten erfolgt einseitig durch die Eltern; 5 beim Kind: Inkonsequenz, geringe Frustrationstoleranz, geringe Belastbarkeit, antisoziales Verhalten, Leistungsversagen, Depressionen, Aggression; 5 Erziehung ist hier für die Eltern Selbstbedienung des Kindes und Vermeidung von unangenehmen Auseinandersetzungen (Meckern, Nörgeln, Trotzen der Kinder); 5 egozentrische Verhaltensweisen, geringe soziale Verantwortung: Leistungsansprüche der
102
Kapitel 3 • Eltern
. Tab. 3.1 Faktoren zur Beeinflussung der Entwicklung des kindlichen Gehirns in Gegenüberstellung. (Mod. nach Hüther 2006)
3
Fördernde Faktoren
Hemmende Faktoren
Wissensaneignung, Bildung
Spaßgesellschaft
Aktive Gestaltung der Welt
Passiver Medienkonsum
Freiräume für Kreativität
Anpassung und Funktion
Verarbeitbare Reizkonfrontation
Reizüberflutung
Eigenerfahrung bei der Problembewältigung
Verwöhnung
Anregung für Bedürfnisse und Wünsche
Vernachlässigung
Kinder an ihre Umwelt, ohne Gegenleistung zu erbringen.
Lernen und Erziehungsstil
Überforderung – oft mit Laissez-faire verbunden Gerade bei zunehmenden wirtschaftlichen Problemen nehmen Bildungs- und Berufschancen ab. Dadurch sind Eltern sehr in Sorge, ob ihr Kind einen möglichst guten Schulabschluss erreicht. Relativ häufig machen sich deshalb Eltern bereits dann Gedanken um ein potenzielles Abitur ihres Kindes, wenn es noch im Kindergartenalter ist: 5 Hohe Erwartungen an die Fähigkeiten des Kindes – »Mein Kind soll Abitur machen«; 5 Angebote von Spielzeug, Sprache, Freizeit meist oberhalb des biologischen und psychologischen Entwicklungsstandes; 5 »Freizeitvermarktung« in Sport, Musik, Kreativität (Taxi Mama); 5 alles wird langatmig »pädagogisch wertvoll« erklärt; damit rechtfertigen Eltern stets ihre Erziehung vor sich selbst; 5 das Kind wird durch viele und abstrakte Erklärungen kognitiv überfordert (»Schokolade bringt Karies«). Folgen sind: 5 Das Kind fühlt sich allein gelassen, genügt nie den Anforderungen der Eltern, Hilflosigkeit, Depression, Versagensängste, Leistungsversagen; 5 das Kind zieht sich zurück, neigt zu Autoaggressionen (Selbstverletzungen, Suizid, Anorexie) oder Fremdaggressionen (Schlägereien, Mobbing).
Wie bereits deutlich wurde, wird das Verhalten des Kindes zusätzlich zu seinem Erbpotenzial durch das erzieherische Verhalten seiner Umwelt, also seiner engen Bezugspersonen bestimmt. Unterschiedliche Lernfaktoren wie z. B. das operante Lernen und das Modelllernen (7 Abschn. 4.1) werden hier wirksam. Eng mit dem Erziehungsstil verknüpft sind auch elterliche Verhaltensweisen, die die Entwicklung des kindlichen Gehirns beeinflussen (. Tab. 3.1).
3.3
Elternerwartungen
Alle Eltern und Patienten haben die Erwartung an ihre Therapeuten, fachlich angemessen und nach dem neusten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis behandelt und beraten zu werden – möglichst in einem zeitnahen Rahmen. Hinzu kommt auch, sich in einer fachlich geprägten und menschlichen Begegnung geborgen und akzeptiert zu fühlen. Diese berechtigten Grundbedürfnisse der Patienten sind wahrscheinlich zeitübergreifend konstant. Ansichten über Kommunikation, Partnerschaftlichkeit und Ansprüche an eigene Compliance bei einer Therapie verändern sich, ebenso Rollenverständnisse über Therapeuten. Dieser Wandel ist besonders stark in der Kommunikation mit Kindern und deren Eltern festzustellen. Ihr Erziehungsstil und ihre Ansprüche an Kommunikation, an ihre Kinder und an die Fachkompetenz von Therapeuten haben sich verändert.
103
3.3 • Elternerwartungen
3.3.1
Erwartungen und Erziehung im Wandel
Aus der Arbeit des Kinder- und Jugendlichentherapeuten und Leiter einer großen Erziehungsberatungsstelle kann der Autor auf über 4 Jahrzehnte Berufserfahrung zurückblicken. In diesem Zeitraum erlebte er den Wandel der vorgenannten Erziehungsstile und deren Auswirkungen sehr konkret. Diese Veränderungen haben zahlreiche sehr komplexe Ursachen, die nicht zuletzt auch durch wirtschaftliche und mediale Einwirkungen bedingt wurden und werden. Eltern bewerten ihren Erziehungsstil fast immer als angemessen und sinnvoll. Da es sich oft um über Generationen tradierte Einstellungen oder um bewusste Alternativverhaltensweisen handelt, ist man natürlich davon überzeugt. Zu kritischen Hinterfragungen gibt es vielleicht selten Anlass, es sei denn die Schule oder der Psychologe der konsultierten Erziehungsberatungsstelle raten dazu. Da die Großfamilie nicht mehr existiert und dadurch ein Regulativ fehlt, das über mehrere Generationen Erziehungserfahrung reicht, ist jede Kleinfamilie auf sich selbst gestellt. Ihr fehlen oft Vorbilder, Anleitungen, Vergleiche, um angemessene Erziehung in unterschiedlichen Bereichen wie Moral, Sozialverhalten, Konfliktregulation, Lernen, Anstrengungsbereitschaft etc. zu realisieren. Maßstäbe und Erwartungen in Bezug auf Moral, Sozialverhalten, Freizeitverhalten, Leistungsanforderung, Konsum und Normalität haben sich deutlich verschoben. So sehen manche Eltern das Verhalten ihrer Kinder als normal an, manche leiden darunter, manche betrachten sie z. B. als Tyrannen; so werden die einen vielleicht weiterhin zufrieden, die andern hilflosaggressiv sein, wieder andere verwöhnend – und letztlich holt sich ein kleiner Anteil von ihnen kompetenten Rat beim Fachmann in der Erziehungsberatungsstelle. Zur Vertiefung setzt sich Winterhoff (2009 a, b) mit diesem stets unerschöpflichen Thema auseinander. Hinzu kommen auch zunehmende wirtschaftliche Nöte, die weniger Freiraum für Kindererziehung lassen. Die Verursachungen von Erziehungsproblemen sind ein weites Feld und können im Gesamtrahmen des Buches – wie hier geschehen – nur kurz angerissen werden.
3
Insgesamt wird unangemessene Erziehung immer häufiger – und damit verbunden auch das davon abhängige Problemverhalten der Kinder (7 Abschn. 2.4.1). Eine kleine Unterstützung für Eltern kann das leicht verständliche Büchlein »Das Geheimnis glücklicher Kinder« von Biddulph (1994) sein.
Exkurs in den Leistungsbereich Untersuchungen der letzten Jahre (z. B. Tausch 2005) bestätigen, wie stark der elterliche Erziehungsstil auf das Leistungsverhalten von Kindern wirkt – und damit verbunden auf ihre Leistungsbereitschaft und Angst im Schulbereich (Fuß 2006). Schulbezogenes elterliches Engagement ist dabei ebenfalls eine bedeutende Ressource (Jullien 2006). Ängstlich fordernde Eltern bewirken signifikant mehr Prüfungsangst und ein schlechteres schulisches Selbstkonzept bei ihren Kindern als angstfrei fordernde Eltern. Ihre hohen Leistungsanforderungen bewirken deutlich Schulstress (Gartner u. Jirasko 1999). Fehlende oder unangemessene Bekräftigungsverhältnisse durch Eltern haben im Erziehungsprozess zugenommen, da Eltern ihre wichtige Rolle als Erzieher und Lernbegleiter immer weniger übernehmen wollen oder können.
3.3.2
Erwartungen der Eltern an den Therapeuten/Kinderzahnarzt
Zunehmend häufiger sind folgende teilweise unrealistische Elternerwartungen in Bezug auf den Arztkontakt anzutreffen: 5 Allein das Kind steht im Mittelpunkt. 5 Das Kind darf alles, muss sich entfalten können. 5 Das Kind darf nicht frustriert werden, muss seinen Bedürfnissen gerecht werden können. 5 Der Erwachsene – der Arzt – muss sich allein nach dem Kind richten. 5 Er soll mit dem Kind alles besprechen. 5 Er ist unvorbereitet, wenn er nicht bereits beim Erstkontakt alle Vorlieben etc. des Kindes kennt. 5 Er hat endlos Zeit nur allein für dieses Kind.
104
Kapitel 3 • Eltern
5 Das Kind soll zuerst begrüßt werden. 5 Der Arzt soll sich in Augenhöhe des Kindes begeben (in Hocke gehen). 5 Der Arzt soll nicht in Gegenwart des Kindes über das Kind reden.
3
Die 3 letzten Aspekte finden allgemeinen Konsens, die anderen Erwartungen sind sicherlich nicht für die kindliche Entwicklung förderlich, sondern unterstützen egozentrisches Verhalten. Die Ursachen für derartige Verhaltensweisen und Einstellungen sind mannigfaltig. Unter anderem hat die damalige berechtigte Bewegung gegen autoritäres Verhalten nicht angemessene Bahnen gefunden, um zuzulassen, dass Grundvariablen wie Konsequenz, Empathie, Rücksichtnahme und Eigenverantwortung im sozialen Kontakt und in der Reifung und Entwicklung eines Kindes erworben werden müssen, um eine reife und stabile Persönlichkeit zu werden, die sich innerhalb eines sozialen Raumes von Familie, Schule, Beruf und Staat auch sozial-integrativ verhält. Dass spätere unterschiedliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedingungen an der Werteveränderung im Erziehungsbereich mitwirkten, ist dabei stets zutreffend. Praxis konkret – Elternverhalten, Elternerwartung 5 Akzeptieren Sie die Erziehungsgrundeinstellungen der Eltern, wenn sie nicht den Behandlungsmethoden und -zielen konträr sind oder sie unmöglich machen. 5 Eltern sind zum Zahnarzt gekommen und nicht zum Erziehungsberater. 5 Reflektieren Sie eigene Grundeinstellungen zur Erziehung wie z. B. zur Konsequenz. 5 Überprüfen Sie, wieweit bestimmte eigene Grundeinstellungen im Beruf oder im Kontakt mit den Eltern bzw. den Kindern unbedingt gewahrt werden sollten, damit Sie sich weiterhin als geradlinig erleben können. 5 Überprüfen Sie, welche Grundverhaltensweisen für die Behandlung wesentlich sind und unbedingt eingehalten werden müssen (Beispiel: konsequentes Tragen
eines kieferorthopädischen Behandlungsgerätes). 5 Nach entsprechender Aufklärung müssen die Eltern die Verantwortung für die konsequente Einhaltung der Behandlungsvereinbarungen übernehmen.
3.3.3
Erwartungen der Eltern an Hypnose
Zur Einstellung von Patienten gegenüber Hypnose führten Hermes und Rauch (2009) eine Befragung an erwachsenen Patienten durch. Insgesamt hatten nur wenige der Befragten spezifische Kenntnisse über klinische Hypnose, hatten aber dennoch eine positive Einstellung ihr gegenüber. Dies fordert dazu auf, Patienten zukünftig besser über Hypnose aufzuklären, um ihnen den Zugang dazu weiter zu erleichtern. Gleichzeitig wird dadurch die Einstellung zur Hypnose weiter verbessert, die ihrerseits wiederum die Effektivität der zahnärztlichen Behandlungen erhöht. Die Erwartungshaltung der Eltern gegenüber der Kinderzahnbehandlung mit Hypnose ist wissenschaftlich kaum erforscht und sehr unterschiedlich. Die überwiegende Zahl der Eltern ist von der Hypnoseintervention begeistert. Einige Patienteneltern lehnen jedoch Hypnose völlig ab. Andere meinen, mit Hypnose könne man anstelle von Narkose das Kind völlig ruhigstellen. Sie sind nach einer Hypnosezahnbehandlung enttäuscht, weil sie die Hypnoseintervention als bloßes Ablenkungsmanöver empfinden. Wieder andere denken, wir können ohne Vorbereitung ein Kind hypnotisieren und damit behandlungswillig machen. Den Zeitaufwand für Rapportaufbau und einfühlsames Heranführen an die Behandlung wollen sie nicht aufbringen. Deshalb ist genaue Aufklärung der Patienteneltern durch spezielle Informationsschriften wie z. B. die von Schmierer (2002) unabdingbar, bevor Hypnose angewandt wird. Auch wenn die Begleitperson wechselt, sollte die Aufklärung nochmals erfolgen, da sonst leicht Missverständnisse auftreten können.
105
3.4 • Angst der Kinder und die Rolle der Eltern
Fallbeispiel: Patientin Nora, 10 Jahre alt, Praxis Dr. Zehner In den ersten Behandlungssituationen in Begleitung der Mutter reagierte das Mädchen auf Hypnose mit Entspannung und Kooperation. Als beim dritten Behandlungstermin der Vater das Kind begleitete, erfolgte die übliche Luftballonreise und das Kind ging wie gewohnt unmittelbar in Trance. Die Zahnbehandlung verlief für Kind und Behandlungsteam zügig, reibungslos und entspannt. Plötzlich sprang der Vater auf, ergriff meine Hand mit dem Schnelllaufwinkelstück und schrie aufgebracht: »Hören Sie sofort auf! Sie quatschen mein Kind ja vollkommen zu und es kann sich nicht wehren! Es kann mit offenem Mund ja nicht einmal antworten!« Offensichtlich erinnerte sich der Vater bei der Beobachtung seiner Tochter an seine eigenen schlechten Erfahrungen bei der Zahnbehandlung – wie später eruiert werden konnte. Er wollte seine Tochter beschützen, die vor Schreck anfing zu weinen. Eine Aufklärung über Kinderhypnose wurde von ihm wütend abgelehnt. Das Behandlungsteam konzentrierte sich nun darauf, die Tochter wieder in einen guten emotionalen Zustand zu bringen, was auch gut gelang. Der Rapport blieb erhalten – ein Zeichen für ihre gute Vorbereitung durch das Behandlungsteam. Die so unterbrochene Behandlung wurde auf einen Termin verlegt, zu dem die Mutter ihre Tochter begleiten konnte. Die Kinderhypnose konnte dann in gewohnter Weise fortgeführt und die Behandlung beendet werden. Das Behandlungsteam hatte in diesem Fall nicht registriert, dass der Vater noch nie bei einer Hypnosezahnbehandlung anwesend war. Eine entsprechende Information im Vorfeld hätte diesen Vorfall verhindern können.
3
beschränken uns im Sinne des Gesamtthemas nun wieder allein auf die Ängste, die im Zusammenhang mit dem Zahnarztbesuch auftreten können. z
Eltern – Entstehung und Aufrechterhaltung der Angst
Wie aus den Darstellungen am Anfang dieses Kapitels hervorgeht, können durch mannigfaltige Situationen Ängste verursacht werden, die niemand bewusst oder willentlich herbeiführen würde, wenn er deren Wirkungen antizipieren könnte. Durch Eltern bedingte Ursachen für Angst im Zahnbereich können nachfolgend dargestellte Aspekte sein: Zufällige Konditionierungen Sie können relativ
unwahrscheinlich durch Eltern verursacht sein. Verstärkungen Das Angst- oder Schmerzverhalten des Kindes wird durch Zuwendung der Eltern sozial verstärkt, was bei entsprechenden Zuwendungsdefiziten besonders schnell wirksam ist (s. oben). Eltern würden sich schnell als herzlos empfinden, wenn sie hier nicht trösten würden. Der Grat zwischen hilfreichem Trösten und fatalem Verstärken ist dabei oft sehr schmal – und kann meist erst nachträglich beurteilt werden. Kann das Kind durch sein Verhalten Unangenehmes vermeiden (Schule, Klassenarbeit etc.), erfährt sein Symptom dadurch eine negative Verstärkung (s. oben). Auch hier ist man als Eltern mitunter ratlos, welche der beiden Entscheidungsmöglichkeiten zu wählen sind: In die Schule gehen zu lassen und ungerecht den Schmerz zu akzeptieren (= Rabenmutter sein) oder das Kind zu Hause zu behalten und ihm die Möglichkeit des »Blaumachens« zu geben (= ausgetrickst werden).
Operante
Modelllernen Relativ häufig erwirbt das Kind
3.4
Angst der Kinder und die Rolle der Eltern
In den Darstellungen des 7 Kap. 4 wird deutlich, wie unterschiedlich Ängste entstehen und sich in ihrer Ausformung auf zahlreiche Situationen, Handlungen und Objekte beziehen können. Wir
Zahnarztängste, wenn es bei der Zahnbehandlung eines Elternteils anwesend war. Dazu gehört der Erlebenskomplex des Ausgeliefertseins der Bezugsperson, ihrer Anspannung und ggf. Schuldgefühle, ihr nicht helfen zu können. Aber auch die sinnlichen Erfahrungen wie Gerüche, Geräusche und der Anblick von Instrumenten oder Bildern im Sprechzimmer wirken später direkt oder unterschwellig angstauslösend. Ein Fünftel von Studenten hat ne-
106
3
Kapitel 3 • Eltern
gative Erwartungshaltungen gegenüber dem Zahnarzt, die auf Informationen von Familienmitgliedern und Freunden beruhen (Ingersoll 1987). Werden Modellpersonen (Freunde, Bezugspersonen) für ihr Angstverhalten etc. belohnt, so können sie vom Kind darin kopiert werden. Da man durch Gruselgeschichten wie Negativerlebnisse beim Zahnarzt stets im sozialen Mittelpunkt stehen kann, können also auch Verbalberichte von Freunden oder anderen Bezugspersonen auslösend und aufrechterhaltend für Zahnarztängste sein. Hierzu gehören auch entsprechend ängstigende Informationen oder Filme im Fernsehen. Falls man sich dieser Aspekte bewusst ist, wird man sich als Eltern ebenfalls Vorwürfe machen, derartige Konstellationen zugelassen oder sogar selbst dazu beigetragen zu haben. Unangemessene Bewertungen Wie oben deutlich
wurde, können auch Fehlbewertungen entstehen, die Ängste bedingen, so z. B. durch das Betrachten von relevanten Bildern, Lesen von Berichten, Auffangen von Gesprächsfetzen, die in ihrer Bedeutung falsch oder überstark bewertet werden und dadurch nicht über erfahrene Erlebnisse, sondern rein über die kognitive Konstruktion zu Ängsten führen können. Auch bei diesen scheinbar merkwürdigen Koinzidenzen sind elterliche Schuldgefühle möglich, welche Aspekte ihrer Erziehung diese Denkweisen bewirkten. Bewusst wurde hier nur ein kleiner Ausschnitt an Möglichkeiten aufgezeigt, da eine vollständige Darstellung nur systematisch-akademischen Sinn hätte. Das Grundprinzip wurde jedoch deutlich: Als Eltern kann man vieles falsch und vieles richtig machen, was man oft erst nachträglich besser erkennen kann. Praxis konkret – Einstellung zum Elternverhalten Das Grundprinzip bei derartigen vielschichtigen Verursachungen sollte sein, nicht in »Täter« und »Opfer« aufzuteilen, sondern – falls es überhaupt im Rahmen einer zahnärztlichen Behandlung möglich ist – lediglich Ursachen und Wirkungen zu finden. Versetzen wir uns kurz in die Lage jener Eltern: Wie würden wir uns fühlen, wenn wir
einen Teil der Ängste des Kindes verursacht oder mit verursacht hätten – oder dies zumindest annehmen?
Elterngespräche – die psychologische Situation der Eltern
3.5
Bei der Diagnostik und Therapie von Störungen im Kindes- und Jugendalter sind Ärzte oder allgemein Therapeuten stark auf die Informationen der Eltern angewiesen, die die Aussagen des Kindes ergänzen sollten, falls das Kind dazu überhaupt relevante Informationen geben kann.
3.5.1
Der Erstkontakt
Liegen keine Beschwerden vor und soll nur eine Routineuntersuchung erfolgen, kann die Situation theoretisch entspannt sein – wenn nicht die zahlreichen vorgenannten Erwartungsängste des Kindes und ggf. seiner Eltern wären. Kleine Selbsterfahrung – Elternverhalten und Hintergründe Reflektieren Sie bitte nachfolgende Emotionen und Situationen Gefühle der Eltern: 5 Wenn ihr Kind längere Zeit Schmerzen hat. 5 Wenn ihr Kind Angst vor dem Zahnarzt hat. 5 Mit ihrem Kind auf dem Weg zum Zahnarzt. 5 Beim Betreten die Zahnarztpraxis. 5 Bei der Begrüßung am Empfang/durch den Zahnarzt. 5 Beim Gang in den Behandlungsraum. 5 Wenn das Kind die Behandlung verweigert. 5 Wenn das Kind weint. 5 Wenn der Zahnarzt sich ruhig mit einer Handpuppe näher. Gefühle des Zahnarztes bei der Begrüßung, bei der Behandlung:
107
3.5 • Elterngespräche – die psychologische Situation der Eltern
5 5 5 5
Wenn ein Kind Angst hat vor ihm. Wenn ein Kind sich verweigert. Wenn ein Kind weint. Wenn das Kind aggressiv ist.
Emotionale Belastungen Lange bevor die konkrete Anmeldung beim Zahnarzt ansteht, können zahlreiche Probleme auftreten, die damit in Zusammenhang stehen und emotionale Belastungen darstellen: 5 Scham, dass man bei diesem Kind nicht besser auf die Mundhygiene (oder das Daumenlutschen etc.) geachtet hat; 5 Schuldgefühle, dass durch diese Versäumnisse beim Kind Zahnprobleme entstanden sind; 5 Verärgerung über die stillen oder lauten Vorwürfe zu diesem Thema, die vom Ehepartner oder sonstigen nahestehenden Verwandten geäußert werden; 5 Feinseligkeit und Empörung, die sich als Abwehr gegenüber diesen Personen aufbaut; 5 Ärger und Aggressionen wegen aller vorgenannten Ursachen, die gegenüber diesen Personen, aber auch gegenüber dem Kind und sich selbst gerichtet sind; 5 Hilflosigkeit, da man in einigen Bereichen nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat. Diese lang wirkenden Emotionen bündeln sich beim Erstkontakt in der Praxis. Die angenommenen oder realen Vorwürfe werden auch vom Arzt erwartet und bestehende Feindseligkeiten und Aggressionen werden auf ihn übertragen.
Problemverdichtungen Liegen Schmerzen oder größere Ängste vor, so besteht bereits seit Bekanntgabe des Konsultationstermins Anspannung auf vielen Ebenen: 5 Eltern wollen große Auseinandersetzungen vermeiden und informieren das Kind nicht über den Termin, sondern gehen plötzlich in die Praxistür. Das Kind ist überrumpelt und bekommt Panik, verweigert sich nachvollziehbar.
3
5 Eltern wollen ihr Kind breit aufklären und informieren es so langfristig vor dem Termin, dass es in der Zwischenzeit massive Angstfantasien entwickeln kann. 5 Das Kind hat Angst oder Schmerz, ist dadurch passiv-depressiv, weinerlich und weniger ansprechbar. 5 Das Kind trotzt, weint, weigert sich zu kooperieren und zum Zahnarzt zu gehen. 5 Das Kind will unterschiedliche Erklärungen, Unterstützungen, will getröstet werden und ist dadurch eine emotionale Belastung für seine Eltern.
Organisationsstress Hinzu kommen organisatorische Probleme, die es Eltern zu bewältigen haben: 5 Das Kind im Kindergarten oder der Schule abmelden, 5 sich im Beruf frei nehmen (beantragen, Vertretung besorgen etc.), 5 Geschwister des Kindes versorgen, z. B.: Aufsicht organisieren, es vom Kindergarten abholen; ggf. die alte Mutter im Haushalt versorgen usw., 5 Zeiten einhalten: im Beruf, in der Schule, zum Abholen von den vielen außerschulischen Aktivitäten (Sport, Geige etc.), 5 für öffentliche Verkehrsmittel Fahrpläne beachten und einhalten, 5 Folgetermine beachten wie: Logopädie, Ergotherapie, Krankengymnastik. Praxis konkret – Situation der Eltern beim Erstkontakt 5 Eltern sind zahlreichen Stressfaktoren ausgesetzt: – Durch Scham und Schuldgefühle des Versagens; angestaute Aggressionen gegenüber erlebten Vorwürfen der Familie und antizipierten Vorwürfen des Arztes. – Durch die Angst- und Schmerzprobleme des Kindes. – Durch die Organisation des Praxisbesuches. – Dadurch können sie leicht überfordert, gereizt, vorwurfsvoll, depressiv oder
108
Kapitel 3 • Eltern
aggressiv sein. Der Zahnarzt sollte das nicht persönlich nehmen! 5 Eltern und Kind benötigen gerade beim Erstkontakt viel Ruhe und wohlwollende Zuwendung.
3 Kleine Selbsterfahrung – Gefühle des Kindes – Angst/Schmerz Versetzen Sie sich bitte in die Situation eines Kindes, das Schmerzen oder Angst vor dem Zahnarzt hat. 5 Was fühlt das Kind? 5 Welche Bedürfnisse hat das Kind? 5 Was möchte es am liebsten vermeiden? 5 Welche Personen könnten nun hilfreich sein? 5 Welche Handlungen könnten nun hilfreich sein? Versetzen Sie sich in das Kind, das Schmerzen und Angst vor dem Zahnarzt hat. Dem Kind wird nun von der Mutter mitgeteilt, dass morgen der Zahnarzttermin sein wird. Versetzen Sie sich nun in die Gefühle des Kindes in folgenden Situationen: 5 Beim Gang mit einem Elternteil zum Zahnarzt. 5 Beim Betreten der Praxisräume. 5 Bei der Begrüßung am Empfang. 5 Bei der Begrüßung zum Zahnarzt. 5 Beim Weg in den Behandlungsraum. 5 Was wünscht das Kind sich in der Situation am meisten? 5 Wovor hat das Kind nun am meisten Angst?
3.5.2
Elterngespräche
Im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie wurden einige Aspekte erforscht, die für Elterngespräche bedeutsam sind. Sie lassen sich auf den zahnärztlichen Bereich übertragen. Generell besteht das Problem der Aussagekraft von Elternurteilen (Petermann u. Petermann
2005), da sie selbst betroffen sind und ihnen dadurch mitunter die kritische Distanz fehlt. Je nach Leiden ihres Kindes haben sie Schuld- und Versagensgefühle, haben selbst Leidensdruck und neigen deshalb zu extremen Darstellungen, in denen sie das Problemverhalten entweder dramatisieren oder bagatellisieren (Hungerige 2007). So werden kleine Rückschläge schnell als Katastrophen erlebt oder positive Veränderungen überbewertet und können zur vorzeitigen Therapiebeendigung führen. Die Kommunikation mit Eltern kann deshalb auch »die Gefahr des übermäßigen Problemtalks und der Anekdoteninflation« beinhalten (Hungerige 2007, S. 93), was unbefangene Gesprächspartner sehr befremdet, bei Zeitdruck sogar als überflüssiges Gerede und deshalb als Belastung empfunden werden kann. Hinter diesem Gesprächsverhalten verbirgt sich aus kommunikationstheoretischer Sicht der Wunsch der Eltern nach Verständnis ihrer besonderen Lage und Anerkennung ihrer bisherigen Bemühungen (Schulz von Thun 1994). Elternberatung beinhaltet auch, ihre mit der problematischen Situation assoziierten Kognitionen und Emotionen zu explorieren. Hier lassen sich oft dysfunktionale Emotionen wie Wut, Hilflosigkeit oder Resignation finden, aber auch Kognitionen wie Ratlosigkeit (Hungerige 2007). Praxis konkret – Therapeutische Beziehung Für die Elternarbeit ist es wichtig, dass man zu ihnen eine Beziehung aufbaut, die folgende Grundqualitäten besitzt: 5 Die Eltern merken, dass man ihre Sorgen erkennt und Verständnis dafür hat. 5 Die Eltern fühlen sich nicht belehrt, sondern informiert. 5 Ihre Ziele und Erwartungen sollen möglichst früh abgeklärt werden (Döpfner et al. 2002) 5 Es wird ihnen schnell Hilfe angeboten.
109
3.5 • Elterngespräche – die psychologische Situation der Eltern
3.5.3
Grenzbereiche
Werden den Eltern Ratschläge erteilt, so sollte auch daran gedacht werden, inwieweit ihr Problemverständnis und ihre Erziehungskompetenzen ausreichen, diese Ratschläge nachzuvollziehen bzw. sie angemessen umzusetzen (Borg-Laufs u. Hungerige 2007). Dies kann bereits an ihrer mangelnden Konsequenz dem Kind gegenüber scheitern. So können therapeutische Ratschläge auch daran scheitern, dass sie nicht die Kommunikationsmöglichkeiten der Ratsuchenden erreichen. Hier ist es dann Aufgabe des Therapeuten, sich ihren Möglichkeiten im Sprachgebrauch anzupassen. Wesentlich ist auch, die Bindungsqualität von Eltern und Kind zu erfassen, d. h. ihr aufeinander bezogenes Verhalten: wie sie miteinander umgehen, wie sie auf positive/negative Gefühle des Kindes/der Eltern reagieren, wird Kontakt gesucht oder gemieden – und wie reagieren das Kind/die Eltern darauf (Borg-Laufs u. Hungerige 2007). Hier begegnen wir schnell emotionalen Grenzbereichen: Eltern erwarten vom Zahnarzt sein Einfühlungsvermögen und seine fachspezifische »handwerkliche« Kompetenz, selten jedoch seine Einmischung in ihr familiäres Privatleben. Das heißt, würde der Zahnarzt innerhalb seines Zeitrahmens derartige Emotions-, Erziehungs- und Bindungsprobleme erkennen, so ist fraglich, ob er sie innerhalb seines Kontextes nennen dürfte. Auch wenn er richtig beobachtet und gefolgert hat, begeht er hier möglicherweise wohlmeinend eine Grenzüberschreitung, die einige Eltern nicht akzeptieren könnten. Dies könnte bei ihnen zu Ablehnungen oder sogar Aggressionen führen. Hier begegnen wir jedoch einem breiten und sehr bekannten Problem der zahnärztlichen, ärztlichen und psychologischen Therapie: Welchen Auftrag erteilt der Patient dem Therapeuten? Ist er darüber froh, wenn ihm auch andere Auftragsmöglichkeiten aufgezeigt werden – das wissen auch Therapeuten mitunter erst nach ihrer Mitteilung dazu. Analog zu den Eltern können sie dann ebenfalls Schuld- und Versagensgefühle haben, wenn sie gesprochen – oder wenn sie geschwiegen haben.
3
Reaktanz Es handelt sich um den Widerstand gegen innere oder äußere Einschränkungen, der sich als eine komplexe Abwehrreaktion äußert. Auslöser sind psychischer Druck (z. B. Zeitdruck, emotionale Argumentation) oder Einschränkungen (z. B. Gebote, Verbote). Das daraus resultierende reaktante Verhalten beinhaltet, diese verbotenen Handlungen nun offensichtlich (oder insgeheim) weiter auszuüben. Was zuvor unwichtig war, wird nun als besonders wichtig erlebt, was eine Aufwertung der eliminierten Alternativen beinhaltet. Erst durch speziell durchgeführte Beratungen, die auch diese Reaktionsmöglichkeiten berücksichtigt, kann das förderliche Prophylaxeverhalten von Eltern übernommen werden (Weinstein et al. 2004). Praxis konkret – Grenzbereiche in der Elternberatung 5 Beachten Sie mögliche sprachliche, soziale oder kulturelle Grenzbereiche, die die Kommunikation oder die Durchführung von Maßnahmen erschweren. 5 Respektieren und akzeptieren Sie bestimmte Grenzbereiche sensibel. 5 Reflektieren Sie, welcher Auftrag von den Eltern erteilt wurde. 5 Eltern haben weiterhin die Verantwortung für ihr Kind zu tragen.
Kleine Selbsterfahrung – Grenzen des eigenen fachlichen Handelns 5 Nennen Sie bitte in Ergänzung zum Buchtext weitere Symptome, Behandlungsformen etc., die die Grenzen des Zahnarztes aufzeigen. 5 Welche Gefühle hat der Zahnarzt, wenn er diese Grenzen feststellen muss? 5 In welcher Form bzw. mit welchen Informationen kann der Zahnarzt die Eltern auf diese Grenzen und mögliche Alternativen dazu hinweisen?
110
Kapitel 3 • Eltern
5 Welche Hilfsmöglichkeiten durch Fachleute gibt es in der nahen Umgebung der Praxis bzw. des Patienten?
3 3.5.4
Praxisbeispiel aus der Kariesprophylaxe
Einige Eltern wissen nichts über die Ursachen frühkindlicher Karies (Johnsen et al. 1984), für sie und viele andere ist somit Beratung zur frühen Kariesprophylaxe ihrer Kinder erforderlich. So fordert Prange (2002) klare Richtlinien für Eltern, die sich verstärkt um die Zahngesundheit ihrer Kinder bemühen sollten: »Kein Mitleid für überforderte Eltern, sondern klare Anweisungen.« Berichte zu derartigen Vorgehensweisen ergeben, dass einige Eltern sich dagegen wehren, wenn ihnen gesagt wird, was sie zu tun haben (Stott u. Pill 1990). Wird zu stark versucht, Eltern zu überreden, können sie in eine Abwehrhaltung geraten, die bis zur Reaktanz (s. oben) reichen kann (Brehm u. Brehm 1981).
Literatur Biddulph, S. (1994). Das Geheimnis glücklicher Kinder. München: Beust. Borg-Laufs, M. u. Hungrige, H. (2007). Der Prozess der Kinderund Jugendlichenpsychotherapie. In M. Borg-Laufs (Hrsg.) Lehrbuch der Verhaltenstherapie. Bd. 1: Grundlagen (S. 273–316). Tübingen: dgvt. Brehm, S.S. u. Brehm, J.W. (1981): Psychological reactance: A theory of freedom and control. New York: Academic Press. Cassidy, J. (1999). The nature of the child´s ties. In J. Cassidy u. P.R. Shaver (Hrsg.), Handbook of Attachment (pp. 3–20). New York: The Guilford Press. Döpfner, M., Schürmann, S. u. Lehmkuhl, G. (2002). Elternberatung, Elternanleitung, Elterntraining. Kindheit und Entwicklung, 3, 124–128. Fuß, S. (2006). Familie, Emotionen und Schulleistung. Eine Studie zum Einfluss des elterlichen Erziehungsverhaltens auf Emotionen und Schulleistungen von Schülerinnen und Schülern. Münster: Waxmann 2006. Gartner, F. u. Jirasko, M. (1999). »Ehrgeizige« Eltern und schlechte Schulleistungen. Fördern überhöhte elterliche Ausbildungswünsche die kindliche Prüfungsangst? Report Psychologie, 24 (4), 272–279.
Hermes D, Rauch C (2009). Hypnose in der zahnärztlichen Praxis. Was halten Patienten davon? Deutsche Zeitschrift für zahnärztliche Hypnose, (1), 15–21. Hüther (2006). Wie lernen Kinder? Voraussetzungen für gelingende Bildungsprozesse aus neurobiologischer Sicht. In G. Roth, M. Spitzer, M. u. R. Caspary (Hrsg.), Lernen und Gehirn. Der Weg zu einer neuen Pädagogik (S. 70–84). Freiburg: Herder. Hungerige, H. (2007). Das Explorationsgespräch mit Eltern. In M. Borg-Laufs (Hrsg.) Lehrbuch der Verhaltenstherapie mit Kindern und Jugendlichen. Bd. II: Diagnostik und Intervention (S. 49 –111). Tübingen: dgvt. Ingersoll, B.D. (1987). Ein Überblick über die psychologischen Aspekte der Zahnmedizin. In B.D. Ingersoll (Hrsg.) Psychologische Aspekte der Zahnheilkunde (S. 17–27). München: Quintessenz. Johnsen, D.C., Gerstenmaier, J.H., DiSantis, T.A. u. Berkowitz, R.J. (1986). Susceptibility of nursing-caries children to future approximal molar decay. Pediatric Dentistry, 8, 168–170. Jullien, S. (2006). Elterliches Engagement und Lern- und Leistungsemotionen. München: Utz, Psychologie, Band 23. Petermann, F. u. Petermann, U. (2005). Training mit aggressiven Kindern (11. Aufl.). Weinheim: Beltz. Prange, H. (2002). Zahngesundheit: Kinder brauchen ein Modell zum Nacheifern« Kein Mitleid für überforderte Eltern, sondern klare Anweisungen. Auftaktveranstaltung zum Tag der Zahngesundheit am 25. Sept. in Schwerin. Schmierer, A. (2002). Kinderhypnose in der Zahnmedizin. Stuttgart (Hypnos). Schulz von Thun, F. (1994). Miteinander reden. 1. Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Stott, N.C. u. Pill, R.M. (1990). »Advice yes, dictate no«: Parents´ views on health promotion in the consultation. Familiy Practice, 7(2), 125–131. Tausch, R. (1963/1998). Erziehungspsychologie, 11. Aufl. Göttingen: Hogrefe. Tausch, R. (2005). Wesentlich im Schulunterricht: Seelische Gesundheit und Leistungsfähigkeit bei Schülern und Lehrern. In: G. Büttner, G., F. Sauter, W. Schneider (Hrsg.), Empirische Schul- und Unterrichtsforschung. Beiträge aus Pädagogischer Psychologie, Erziehungswissenschaft und Fachdidaktik (S. 159–195). Lengerich: Pabst. Venham, L.L., Murray, P. u. Gaulin-Kremer, E. (1979). Child raring variables affecting the pre-school child´s response to dental stress. Journal of Dental Research, 58, 2042–2045. Weinstein, P., Harrison, R. u. Benton, T. (2004): Motivating parents to prevent caries in their young children. One-year findings. Journal of the American Dentist Association, 135(6), 731–738. Winterhoff, M. (2009 a). Warum unsere Kinder Tyrannen werden. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. Winterhoff, M. (2009 b). Tyrannen müssen nicht sein. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.
111
Lernen Theorien – Gesetze – Lernfaktoren – Angst – Schmerz – Stress
4.1
Lerngesetze – 113
4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5
Klassisches Konditionieren – 113 Operantes Lernen – 114 Lernen durch Modellpersonen – 118 Selbstverstärkung – 119 Verhaltenskontrakte – 119
4.2
Neuropsychologie – 120
4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.2.7 4.2.8
Allgemeine Hirnfunktionen – 120 Spiegelneuronen – Lernen, Empathie – 121 Angstneuronen und Angst – 123 Lernen und Emotionen – 123 Lernen und Neugier – 124 Frühe Umwelterfahrung und Gesundheit – 124 Priming – unterschwelliges Lernen und Erinnern – 125 Neuropsychologie und Hypnose – 125
4.3
Schwerpunktthema: Erlernte Angst – 125
4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5
Evolution der Angst – 125 Entwicklungsfaktoren – 126 Protektive Faktoren für Angst – 126 Kognitiv-behaviorale Elemente – Systemwirkungen bei Lernen und Angst – 127 Häufige Folgen der Angst – 128
4.4
Spezialfall: Dentalängste bei Kindern – 131
4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5
Definition – 131 Ätiologie – 131 Folgen der Dentalängste – 133 Epidemiologie – 133 Prävention – 135
4.5
Therapie – Angstabbau – 135
4.5.1
Verhaltenstherapeutische Methoden zum Angstabbau in der Zahnarztpraxis – Übersicht – 136 Hypnose – kombiniert mit Verhaltenstherapie – 138 Methodische Grenzen in der Zahnbehandlung – 139
4.5.2 4.5.3
Hans-Christian Kossak, G. Zehner, Hypnose beimKinder-Zahnarzt, DOI 10.1007/978-3-642-17738-5_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
4
4.6
Triade Schmerz – Angst – Stress – 140
4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.6.4 4.6.5
Schmerz – Geschichte, Theorie und Ethologie – 140 Schmerz – Angst – Stress als Wechselwirkungen – 140 Aspekte der Neuropsychologie und Hypnose – 141 Kind und Schmerzbewertung – 143 Kausaltherapie – 144
4.7
Falldarstellung zum Angstproblem (Praxis Dr. Kossak) – 144 Literatur – 145
113
4.1 • Lerngesetze
» Man kann einem Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken. Galileo Galilei (1564–1642), italienischer Astronom
«
Wie bereits in 7 Abschn. 2.3.1 kurz angerissen, erfolgen schon vorgeburtlich Lernprozesse. Im Laufe unseres Lebens wird dann der Großteil unseres weiteren Verhaltens erlernt. In diesem Kapitel sollen die Grundzüge der relevanten Lerntheorien dargestellt werden. Dabei beschränken wir uns wieder weitgehend auf die für den Zahnarzt relevanten Bereiche, also Abbau von Ängsten und Fehlverhaltensweisen und Aufbau von Kooperation und Compliance. Dazu gehört auch der Bezug zu Schmerzproblemen, die eng mit Angst und Stress gekoppelt sind. Letztlich wird durch kurze Fallberichte ein Einblick in die Komplexität der Genese der Angst und ihrer Behandlung gegeben.
4.1
Lerngesetze
Die Lerntheorien entstanden in ihren Ursprüngen Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie wurden mit ihren Lerngesetzen experimentell-empirisch abgeleitet und begründet. Fast zur gleichen Zeit entstand die von Freud rein philosophisch basierte Tiefenpsychologie, nach der psychische Störungen (und auch psychosomatische Störungen) in der frühen Kindheit u. a. durch Verdrängung von Triebimpulsen entstanden. Von den zahlreichen Modellen zur Genese, Aufrechterhaltung und Therapie von z. B. Ängsten und Phobien bieten im Bereich der zahnärztlichen Praxis besonders die Lerntheorien die Erklärungsmodelle, die auch innerhalb eines engen Zeitrahmens therapeutisch umsetzbar sind. Die nachfolgend dargestellten grundlegenden Lerngesetze scheinen vordergründig sehr einfach zu sein. Ohne derartig schnell wirkende Mechanismen, die uns z. B. Gefahren meiden und Angenehmes aufsuchen lassen, könnte kaum ein tierischer Organismus überleben. Leider wird oft angenommen, das allein sei bereits die gesamte Lerntheorie. Für den Menschen treffen jedoch sehr komplexe
4
Lernsysteme zu, die in die modernen kognitiv-behavioralen Therapieformen einmünden.
4.1.1
Klassisches Konditionieren
Das klassische Konditionieren, erstmals erforscht von Iwan Petrowitsch Pawlow (1849–1936), ist bei der Angstentstehung sehr häufig zu beobachten (Pawlow 1927). > Das Paradigma des Klassischen (= instrumentellen) Konditionierens beruht auf der Gleichzeitigkeit von Reizen im Lernprozess.
Bekannt ist die klassische Versuchsanordnung Pawlows, der die Hunde darauf konditionierte, nach dem Glockensignal Speichel zu produzieren – wie sonst nur bei Futter. Ein Beispiel aus der Zahnarztpraxis ist in . Abb. 4.1 dargestellt.
Beispiele für klassisches Konditionieren im Alltag Während das Kind im Keller eine Wasserflasche holt, geht das Licht aus. Das Kind erschrickt und lässt die Flasche fallen. Von nun an hat das Kind eine Dunkelangst, da mit dem Reiz »plötzliche Dunkelheit« (durch Stromausfall) die Schreckreaktion auf den Flaschenknall gekoppelt = konditioniert wurde. So hatte eine Person mit einer Hundephobie in ihrer nahen oder fernen Vergangenheit ein Negativerlebnis mit einem Hund; sie wurde evtl. als Kind von einem Hund gebissen und die einmalige Konditionierung reicht hier aus, um lang andauernde und starke Angstprobleme zu bewirken. Sehr unterschiedliche Ängste, Phobien, psychosomatische Beschwerden wie Verdauungsstörungen, div. Herzbeschwerden, Asthma, Stressreaktionen entstehen durch zufällige Konditionierungen ähnlich. In der Psychotherapie werden entsprechende Konditionierungen mit kontrollierten Methoden abgebaut, um derartige Störungen oder sogar Erkrankungen zu behandeln. Im zahnärztlichen Bereich sind derartig konditionierte Reflexe z. B.:
114
Kapitel 4 • Lernen
a
Neutraler Stimulus
Neutrale Reaktion
Neutraler Stimulus
Noxischer Stimulus: Schmerz/Schreck
Angstreaktion Schmerzreaktion
Konditionierter Stimulus
Konditionierte Angst-oder Schmerzreaktion
4
b
c
. Abb. 4.1a–c Klassische Konditionierung einer Angstreaktion vor dem Bohrer. a Der bislang neutral erlebte Bohrer wird durch b Koppelung mit einem Angst- oder Schmerzerlebnis zum c konditionierten Auslöser von Angst oder Schmerz
5 Hören, Sehen des Objektes, Hören des Begriffes: z. B. Untersuchung, Mund öffnen, Bohrer, Injektion, Türschild mit der Aufschrift »Zahnarzt«. 5 Riechen des typischen »Zahnarztgeruchs«: Desinfektionsmittel, Chemikalien, Nelkenöl. 5 Hören und Gedanken von: Zahn, Zahnarzt, Untersuchung, Bohrer, Behandlungsstuhl, Lampe. Sehr oft liegen hier zusätzlich Generalisierungen von, die das Angstproblem weiter vergrößern (7 Abschn. 4.3.5).
4.1.2
Operantes Lernen
Mit dem Modell des operanten Lernens (Lernen am Erfolg; B. Frederic Skinner 1904–1990) und mit seinen modernen Erweiterungen (Schulte 1999; Reinecker 1999) können sehr viele Verhaltensweisen und auch psychische Erkrankungen erklärt
werden. Das Grundprinzip ist in . Abb. 4.2 veranschaulicht. > Das Paradigma des operanten Lernens beinhaltet, dass ein Verhalten häufiger wird, wenn es von einer Verstärkung gefolgt wird. Die Häufigkeitszunahme erfolgt dann meist relativ.
Verstärkungen können materielle Belohnungen (Nahrung, Spielzeug, Geld) sein und verbale Belohnungen wie Lob, aber auch soziale Zuwendung, Anerkennung. Diese Verstärkungen müssen der Bedürfnislage des Individuums entsprechen (bei einer satten Person wird Nahrung als Verstärkung kaum wirken) und müssen kontingent erfolgen, d. h. sie müssen sofort auf das relevante bzw. gewünschte Verhalten hin gegeben werden. Falls das gewünschte Verhalten nicht sofort verstärkt wird, ist die Vorgehensweise ineffektiv oder sogar gefährlich, da dadurch sonst spätere Verhaltensweisen ungewollt verstärkt werden.
115
4.1 • Lerngesetze
Basisverhalten
4
Operante Verstärkung bewirkt die Zunahme eines Verhaltens C+ Zuwendung Beruhigen Streicheln Trösten Beschenken
a
Weinerlichkeit Angst, Schmerz
Weinerlichkeit Angst, Schmerz
Beschwichtigen Zuwendung Geschenke
b
Sekundäres Trotzverhalten
Trotzverhalten Lob, Zuwendung Anerkennung Zaubertricks Belohnungskörbchen
c
Kooperation beim Zahnarzt
Kontinuierliche Kooperation beim Zahnarzt
d
Kontinuierliche Verstärkung bereits kleiner Annäherungen an das gewünschte Zielverhalten bewirkt den Aufbau komplexer Verhaltensformen = Shaping
. Abb. 4.2a–d Operantes Konditionieren durch Verstärkung des Verhaltens mit Lob, Anerkennung etc. a Folgt einem Verhalten eine positive Konsequenz (C+ = Zuwendung, Süßigkeit etc.), wird dessen Auftretenshäufigkeit verstärkt. b Dadurch können ungewollt auch unangemessene Verhaltensweisen wie Verhaltensstörungen (z. B. Weinerlichkeit, Angst, sekundäres Trotzverhalten) bedingt werden. c Die kontingente Verstärkung des gewünschten/angemessenen Verhaltens bewirkt die Zunahme und Stabilität dieses Verhaltens. d Shaping = Verhaltensformung bewirkt durch sofortige Verstärkung bereits kleiner Annäherungen an das Zielverhalten seinen Aufbau
Beispiele für operantes Lernen Schreiben, Rechnen, Radfahren, Sozialverhalten, Tischsitten, Hygiene usw. werden operant erlernt. Durch unangemessene oder zufällige Verstärkungen können jedoch auch unerwünschte oder sogar pathologische Verhaltensweisen wie Verhaltensstörungen (soziale Gehemmtheit, Lernstörungen, Aggressionen, Hilflosigkeit, Oppositionsverhalten) und Ängste in allgemeinen oder in speziellen Bereichen wie Schule, Sozialbereich, Angst vor Blut,
Wasser, Höhen oder auch vor dem Zahnarzt bewirkt werden. Im Alltagsleben sind relativ häufig Mischformen beider Lernprinzipien (klassisches und operantes Lernen) zu beobachten, wie z. B. bei Ängsten oder psychosomatischen Störungen bzw. Erkrankungen. Auch sehr komplexe Verhaltensweisen wie z. B. Orthografie werden durch differenzielle Verstärkungen und schrittweisen Aufbau kleinerer Verhal-
116
Kapitel 4 • Lernen
tenselemente erlernt, die dann zusammen ein umfassendes Verhaltenssystem ergeben (= Shaping).
Negative Verstärkung – Bitte die Definition beachten
4
Der Begriff »positive« Verstärkung wird schnell behalten, da die Person eine Belohnung/Verstärkung, also etwas »Positives« wie Zuwendung, Leckerchen, Lob, Taschengeld bekommt. Der Begriff »negative« Verstärkung wird jedoch leider oft falsch als Bestrafung verstanden. Bestrafung ist jedoch die Verabreichung eines unangenehmen Stimulus wie z. B. Schläge oder Beschimpfung. Die Attribute »positive« und »negativ« verleiten dazu, eine moralische Wertung vorzunehmen. Positiv bezieht sich hier darauf, dass eine Verstärkung im Sinne einer Belohnung gegeben wird und zur Zunahme der Verhaltenshäufigkeit führt. Negativ bezieht sich darauf, dass ein bislang aversiver/unangenehmer Zustand (Schmerz, Angst, Aggression) durch das Verhalten vermieden und beendet wird. Beispiele für negative Verstärkung: 5 Die Person mit Hundeangst sieht einen Hund und geht auf die andere Straßenseite. Sie beendet dadurch die für sie aversive Situation der Angst, fühlt sich nun erleichtert – und ist negativ darin verstärkt, demnächst noch häufiger und noch schneller die Nähe von Hunden zu vermeiden, also wegzulaufen. 5 Bei Angst vor dem Zahnarzt helfen oft Ausreden, den Termin zu vermeiden; sie führen vorübergehend zur Angstreduktion und Erleichterung und werden dadurch negativ verstärkt. Also wird die Person immer häufiger Ausflüchte benutzen, um die Konsultation zu vermeiden. 5 Das Kind mit Angst oder Schmerzen erlernt beim Zahnarzt, dass es z. B. durch Entspannung und Ablenkung aktiv Kontrolle über die Angst/den Schmerz bekommen kann und diese dadurch abnimmt. Sie ist dann negativ darin verstärkt, diese Selbstkontrollmethoden weiterhin bei Angst/Schmerz anzuwenden.
Exkurs: Implizites, d. h. unbewusstes Lernen Aus den vorgenannten Ausführungen leitet man vielleicht zu schnell ab, dass Lernen nur bewusst und auf Instruktion hin, also mit einer »pädagogischen« Intention erfolgt. In unserem Alltag lernen wir jedoch vieles auch unbewusst. Es erfolgt dabei keine konkrete Aufforderung, sondern wir lernen es nebenher, ohne gezielte Aufmerksamkeit und ohne Vorsatz, also weitgehend automatisch. Dieses unbewusste Lernen wird als »implizites Lernen« bezeichnet. So gelernt werden z. B.: grammatische Regeln der Muttersprache, Erkennen von Zusammenhängen, Treppensteigen, Sozialverhalten. Daraus ist zu schließen, dass dieses Lernen in einem eigenständigen kognitiven System stattfindet, das zwar selektive Informationsverarbeitung vornimmt, aber nicht besonderer Aufmerksamkeit und Energiebereitstellung bedarf; es ist auch nicht hypothesengeleitet. Hier wird ein Wissen erworben, ohne es zu wissen (Siegler u. Stern 1998).
Lob und Lebensalter Die Reaktion auf Lob hängt vom Lebensalter ab (Van Duijvenvoorde et al. 2008): 5 Jüngere Kinder sind besonders empfänglich für Lob. Fehlermeldungen steigern nicht ihre Leistungen. 5 Bei Kindern im Altern von 11–13 Jahren bewirken sowohl Lob als auch Kritik einen Anstieg ihrer Lernkurve. 5 Junge Erwachsene (18–25 Jahre) reagieren weniger auf Lob; sie wollen eher ihre Fehler erkennen und berichtigen. Praxis konkret – Lernen von Kooperation 5 Verstärken Sie (besonders bei ängstlichen Kindern) bereits jede kleine Form von Kooperation durch Lob, Zuwendung, Lächeln, »Mm«, sonstige Ermutigung (= Verhaltensaufbau). 5 Verstärken Sie das gewünschte Verhalten stets sofort (= kontingent). 5 Erhalten Sie die Kooperation und soziale Beziehung durch Verstärkung aufrecht. 5 Jede Sitzung sollte für das Kind erfolgreich abgeschlossen werden:
4.1 • Lerngesetze
– Eine Sitzung ist dann erfolgreich, wenn gerade in den Erstkontakten zumindest eine leichte Verbesserung, eine leichte Angstreduktion oder etwas an Kooperation auftritt. – Werden Sie deshalb sensibel für solche Zwischenziele und verstärken Sie sie. – Wird eine Sitzung mit Stress oder Angst abgeschlossen, dann wird das bestehende Angstverhalten zunehmen. – Betonen Sie am Ende der Sitzung diese verbesserte Kooperation und verstärken Sie sie durch eine kleine Belohnung aus der Geschenkebox (s. unten). 5 Die Hypnoseinduktion ist eine Kooperationsform. – Verstärken Sie auch hier bereits jede kleine Kooperation, die zu den Zielen Entspannung, Augenschluss und »hypnotisches Verhalten« oder Trance führt. – Auch das weitere »hypnotische Verhalten« bzw. das Tranceverhalten wird durch Verstärkung aufgebaut und aufrech erhalten. »Gut so … toll machst Du das … super, ganz Klasse, prima … das klappt gut.«
Die Belohnungsbox – für die Verstärkung danach Im pädagogischen oder therapeutischen Bereich sollten für die Kinder zusätzlich zu den sozialen Verstärkungen durch den Zahnarzt, sein Fachpersonal oder die Eltern auch materielle Verstärkungen in Form kleiner Geschenke bereitstehen. Dazu ist die Belohnungsbox mit einem Auswahlangebot an Geschenken zu empfehlen, aus der sich das Kind nach der Sitzung mit einem Objekt selbst bedienen kann. Diese kleinen Belohnungen sind dem kindlichen Wertesystem gemäß bunt, niedlich, attraktiv, interessant. Sie entsprechen oft nicht dem Erwachsenenwertesystem, nach dem alles »pädagogisch sinnvoll« sein soll. Kinder sind immer sehr stolz, wenn sie sich etwas aus der Belohnungsbox auswählen dürfen und sind dann für die nächste Sitzung wesentlich motivierter. Die langjährigen Erfahrungen aus der psychotherapeutischen und
117
4
zahnärztlichen Praxis bestätigen dies. Sie bestätigen auch, dass die Kinder diese Belohnung nicht als Bezahlung ansehen und dann nur noch dafür kooperieren wollen. Sie nehmen ganz deutlich wahr, dass die Belohnungen eine Anerkennung ihrer Leistung, ihrer Selbstkontrolle oder Überwindung sind; entsprechend sind sie stolz auf sich und sehen das Objekt als Symbol ihres Erfolges an.
Elternversprechen – gut gemeint, aber … Mitunter versprechen Eltern ihrem Kind eine größere Belohnung, wenn es zum Zahnarzt geht bzw. seine Angst überwindet oder die Behandlung erträgt. Dies bewirkt beim Kind zusätzlichen Druck, da es seine Angstemotionen wie ein Leistungsverhalten in den Griff bekommen soll. Die Elternmotivation hierzu ist: »Das Kind soll sich die Belohnung verdienen.« Zusätzlich will das Kind seine Mutter nicht enttäuschen. Diese Maßnahmen bauen Stress auf und erhöhen den Leidensdruck.
Weiterentwicklungen – Lernen und Verhalten sind natürlich noch mehr Die vorgenannten vor so vielen Jahren aufgestellten Lerngesetze haben bis heute ihre Gültigkeit behalten, wurden natürlich weiter erforscht und besonders in ihren modernen Anwendungen ergänzt und verfeinert. Die relativ neuen Wissenschaftsbereiche zur Erforschung von Kognition, Motivation, Attribution und Imagination entwickelten sich daraus (auch das der Kognitionsbiologe bei Tieren). Es sind Verhaltensweisen, die »verdeckt« sind, da sie sich nicht sichtbar »im Kopf« abspielen und ebenfalls unser Leben erheblich gestalten. Sie sind auch Aspekte in der Hypnoseforschung und begegnen uns in der Psychotherapie als z. B. kognitive Umstrukturierung, Distraktion, Perspektivenveränderung usw. Die für unser Thema der Kinderhypnose beim Zahnarzt relevanten Aspekte dieser Forschungsbereiche des Lernens sind nachfolgend und in 7 Abschn. 4.3.4 bei der Genese und Aufrechterhaltung der Angst ausführlicher dargestellt.
4
118
Kapitel 4 • Lernen
4.1.3
Lernen durch Modellpersonen
Personen werden in ihrem Verhalten (motorisch, emotional, kognitiv, sozial) unbewusst und ohne Aufforderung nachgeahmt; dies wird als Modelllernen (= Imitationslernen) bezeichnet (Bandura 1969). Bevorzugte Modellpersonen sind: Eltern, Gleichaltrige, Lehrer, Arzt, Onkel/Tante etc., insgesamt Personen von besonderer Bedeutung und hervorgehobenem Ansehen. Wahrscheinlich ist hier das neuropsychologische System der Spiegelneuronen (7 Abschn. 4.2.2) wirksam (Spitzer 2006 a, Bauer 2006), die als besonders dafür entwickelte Hirnnervenzellen diese unbewussten Prozesse hervorrufen. Personen mit bestimmten Eigenschaften, wie z. B. Macht oder Kompetenz, werden besonders häufig imitiert (s. nachfolgende Übersicht). Beeinflussende Faktoren des Imitationslernens – Eigenschaften von häufig imitierten Modellen: 5 5 5 5 5 5 5 5 5
Belohnung Macht Dominanz Wahrgenommene Ähnlichkeit Gleiches Alter bzw. Geschlecht Ernsthaftigkeit (bei Kindern) Kompetenz Freundlichkeit Begeisterungsfähigkeit (bei Lehrern)
Sogar bei sehr ängstlichen und weinenden Kindern wirkt sich das Lernen am positiven und erfolgreichen Modell durch Ansehen von Videos oder Zuschauen bei Kindern, die sich gut behandeln lassen, positiv aus und verkürzt die Verweildauer beim Zahnarzt (7 Abschn. 5.2.4 und 5.2.5). In gleicher Weise hilfreich sind diese Videos, wenn sie bereits im Wartezimmer gesehen werden können (Greenbaum u. Melamed 1988). Praxis konkret – Modelllernen 5 Stellen Sie in der Anamnese fest, welche Personen im Umkreis des Kindes ähnliche Ängste wie das Kind haben – oder welche Personen zur Ängstlichkeit neigen – und wie sie damit umgehen. Sie können vom
5
5 5
5
Kind imitiert werden bzw. wurden bereits imitiert. Oft ist es sinnvoll, das vom Kind kopierte Angstverhalten der Eltern und auch ihre Gespräche darüber (»Mein Kind kann diese Angst kaum aushalten.«) durch Beratung abzubauen. Eltern sollten ein positives Modell für Kooperation und Angstbewältigung werden. Nutzen Sie positive Modellwirkungen von (imaginierten) realen Freunden oder Geschwistern – Cave: Achten Sie darauf, dass diese tatsächlich positiv und angstfrei sind (7 Abschn. 5.2.5). Nutzen Sie Handpuppen, Comicfiguren oder Videodemonstrationen als positive Modelle.
InternetInfo – Beispiel zum Lernen: Konditionierung – Modelllernen Bei YouTube bitte folgende Suchzeile eingeben: 5 »Classical Conditioning« (1:24 min) Unter dem Begriff »Classical Conditioning« gibt es eine Anzahl von Videos. Für unsere Lehrzwecke ist das am interessantesten, das über die Demonstration mit einem 1 Jahr alten Kind informiert. Im Untertitel wird auf das Alter des Kindes hingewiesen. Leider müssen Sie dazu etwas suchen, aber es lohnt sich. Ein Kleinkind wird am Bein gekrabbelt; dabei wird lustig »Aah« gerufen. Das Kind strampelt und lacht daraufhin. Nach mehreren Wiederholungen erfolgt nur das Rufen von »Aah« und das Kind strampelt und lacht. 5 »Albert Bandura Bobo Doll Experiment« (5:03 min) Im Originalexperiment von 1961 wird eine fast menschengroße aufblasbare Clownaufstehfigur von einer Person in unterschiedlicher Weise aggressiv traktiert: Boxen, Schlagen, Umwerfen, mit dem Hammer schlagen. Nachdem Kinder diesen Film gesehen haben, traktieren sie die Bobo Doll intensiv in ähnlicher Weise.
119
4.1 • Lerngesetze
4.1.4
Selbstverstärkung
Je älter ein Kind wird, umso mehr kann es sich selbst regulieren. Dazu gehört, Handlungen durchzuführen oder zu unterlassen und sich auch selbst für seinen Erfolg zu bekräftigen (intrinsische Verstärkung). Man wird dadurch unabhängig von der extrinsischen Verstärkung = Verstärkung durch andere Personen. Beide hängen jedoch vom jeweiligen Anspruchsniveau, von Vergleichen und moralischen Bewertungen ab wie Zufriedenheit/ Unzufriedenheit, Erfolg/Misserfolg, Stolz/Enttäuschung, Freundlichkeit, Selbstkritik. Praxis konkret – Selbstverstärkung – Eigenlob 5 Manche Personen meinen, Eigenlob stinke. Das trifft dann zu, wenn man zu egozentrisch ist und Vergleichswerte aus den Augen verliert. Ansonsten ist besonders auch Eigenlob bzw. Eigenverstärkung ein Anzeichen von Selbstsicherheit (Kanfer et al. 1991). 5 Gerade an den Tagen, an denen scheinbar alles schiefgeht, sollte man sich häufig für die verbleibenden Erfolge selbst verstärken, um seine Bewertungen der Situation positiver zu gestalten und dadurch Ärger und Stress zu reduzieren. 5 Impulse für die Selbstverstärkung von Kindern sind z. B.: – »Du gibst Dir toll Mühe.« – »Du kannst stolz auf Dich sein.« – »Den Erfolg hast Du ganz allein erreicht.« – »Das kannst Du ganz stolz Deiner Mutter erzählen.«
4
und sind ein Teil des gesamten Therapieprozesses. Sie sind dann besonders sinnvoll, wenn sie vom Klienten freiwillig und zur Selbstregulation eingesetzt werden, um automatische gewohnte Verhaltensweisen abzubauen (Kanfer et al. 1991). Im Bereich der Kinderzahnarztpraxis bezieht sich diese Selbstregulation vorwiegend auf die Kontrolle des Daumenlutschens (7 Abschn. 5.5.1) und das Tragen von kieferorthopädischen Behandlungsgeräten (7 Abschn. 5.5.2). Insgesamt erweisen sich derartige Vereinbarungen als besonders effektiv, wenn die relevanten Kriterien bzw. Stufen berücksichtigt werden.
Die 4 Stufen des Verhaltenskontraktes (nach Kanfer u. Gaelick 1986) Stufe 1: Klare Vereinbarungen der Selbstkontrolle und seiner Konsequenzen Angestrebtes Verhalten Genaue Definition/Be-
schreibung des angestrebten erwünschten Verhaltens (Daumen etc. aus dem Mund lassen), also Zielverhalten positiv festlegen. Alternativen Genaue
Definition/Beschreibung, welche zusätzlichen Alternativen zum bisherigen Verhalten (z. B. Daumenlutschen) sinnvoll und realisierbar sind (z. B. sich ablenken, entspannen) = ausgeweitete Selbstkontrolle.
Konsequenzen Klare Beschreibung, welche Vortei-
le bzw. positiven Konsequenzen die Selbstkontrolle mit sich bringt (besserer Zahnwuchs, kurzfristig: Belohnung). Klare Beschreibung, welche aversiven Konsequenzen eine Nichteinhaltung bewirkt (schiefe Zähne, Gaumendeformierung, bzw. KFO mit festsitzenden Geräten).
Stufe 2: Festlegung und Kontrolle Dokumentation Schriftliche Festlegung von Ziel-
4.1.5
Verhaltenskontrakte
Zur Unterstützung und Einhaltung von Selbstkontrollvereinbarungen können therapeutische Verträge vereinbart werden. Diese Verhaltenskontrakte erweisen sich als flexibles und effektives klinisches Werkzeug (Kirschbaum u. Flanery 1983)
verhalten und möglichen Alternativen. Für manche Kinder sind die Unterschrift der Beteiligten und dann noch ein wichtiger Stempel bedeutsam, ebenso wenn alle Beteiligten eine Kopie des Vertrages erhalten. Auch wenn das Kind noch nicht lesen kann, ist dieses Vorgehen sehr beeindruckend und hebt die Bedeutung der Sitzung besonders hervor.
120
4
Kapitel 4 • Lernen
Kontrolle/Kalenderkontrolle In einem kindgerechten Monatskalender soll das Kind immer das betreffende Feld bunt malen (eine Sonne, Blume etc.), um so seinen Erfolg zu dokumentieren (= positive Verstärkung). Zusätzlich zu dieser Selbstkontrolle und Selbstverstärkung soll Kontrolle und Verstärkung durch die Eltern erfolgen. Falls die Selbstkontrolle nicht möglich ist, soll keinesfalls geschimpft oder bestraft werden, sondern genau erkundet werden, warum dies nicht möglich war.
Stufe 3: Verstärkung und Bonusklausel Verstärkungen Für jedes bunt ausgefüllte Feld/ jeden Erfolg gibt es sofort eine kleine Belohnung (Buntbild, Radiergummi etc.). Die Belohnung muss kontingent erfolgen, also sofort auf die Selbstkontrolle. Bonusklausel Kriterien für Zusatzbelohnungen
definieren, wenn die vereinbarten (Minimal-)Kriterien übererfüllt werden
Stufe 4: Kontrollphase Feedback und ggf. Modifikation Dieses Kalender-
blatt muss zur nächsten Sitzung mitgebracht werden und wird gemeinsam mit Kind und Mutter besprochen. Diese Analyse zeigt dann, auf welche Weise das Vorgehen modifiziert werden muss.
4.2
Neuropsychologie
4.2.1
Allgemeine Hirnfunktionen
Die Neuropsychologie befasst sich mit den Hirnleistungen und ihren Funktionen, die unser Verhalten wie Emotion, Wahrnehmung, Kognition, Handeln steuern. Nachfolgend können nur die für unser Thema relevanten Aspekte komprimiert dargestellt werden. Bislang konnte noch kein Computer die Denkleistungen des Gehirns überbieten; im Forschungsbereich der künstlichen Intelligenz versuchen wir, seine Verarbeitungsstrukturen etwas zu erkennen. Die Hirnphysiologie gibt im Vergleich zu den Erkenntnissen von vor 20 Jahren darüber große Aufschlüsse, die jedoch immer noch sehr bescheiden ausfallen.
Das Gehirn arbeitet vom Zeitpunkt seiner fetalen Entstehung an und baut sich ständig auf; dabei sind auch Außenreize wesentlich. Nur in einem anregenden und milde fordernden und fördernden Milieu kann es voll zu seiner Entwicklung gelangen (Hüther 2009). Das Gehirn lernt ständig; jeder Lernprozess ist mit Synapsenbildungen verbunden und bewirkt damit hirnphysiologische und anatomische Veränderungen. Nach diesem permanenten Wachstum erfolgt in der Pubertät ein großes Umstrukturieren und Umbauen des Gehirns (7 Abschn. 2.3.11). Danach ist das Gehirn jedoch weiterhin »lernfreudig« und entwickelt sich langsamer weiter. Gerade beim Kleinkind benötigt das Gehirn teilweise bis zu 50% der verbrauchten Gesamtenergie, beim Erwachsenen sind es ständig bis zu 20% (Spitzer 2006 b). Jeder ankommende Reiz wird im Gehirn vom Mandelkern (= Amygdala) überprüft, ob er gefährlich ist und gemieden oder weiter aufgesucht werden soll, wenn er hilfreich und sogar lustvoll ist (mehr dazu in 7 Abschn. 4.2.4). Nach dieser Eingangsüberprüfung erfolgt eine Bewertung, Kategorienbildung und Einordnung im Hippocampus, bis schließlich im Frontalhirn eine Langzeitabspeicherung zur Integration und Planung sinnvollen Handelns erfolgt. Dieser Ablauf ist sehr einprägsam im Buchtitel von G. Roth (2001) zu erkennen: Fühlen, Denken, Handeln, . Abb. 4.3). Jede Form von Aktivität und Lernen ist mit Aktivitäten in den Neuronen und in den Synapsen verbunden. Dadurch bewirken Tätigkeiten wie Lernen, Erfahrung, Zahnarztbehandlung, Psychotherapie, Unterricht etc. eine neuronale Veränderung, also Veränderungen im Gehirn. So werden bei kontrollierten Stressreaktionen neue neuronale Verschaltungen herausgebildet, die zur Angstbewältigung beitragen. Bei intensiver Angst oder Traumatisierung werden höhere kognitive Funktionen weitgehend blockiert und Fluchtverhalten bereitgestellt. Praxis konkret – Angst und Kognition (. Abb. 4.3 d) 5 Bei großer Angst oder Traumatisierung werden höhere kognitive Funktionen blockiert. Sie sind nicht überlebenswichtig.
121
4.2 • Neuropsychologie
4
Großhirnrinde
Präfrontaler Cortex
Balken Thalamus
Hippocampus Amygdala Medulla oblongata
a
Frontalhirn
Hippocampus
Schaltbrett Bewertung wichtig
Input
Input
b
Integration + Planung
Kognitive Karte
Integration + Planung Thalamus Amygdala
Kleinhirn
c
Kognitive Karte
Schaltbrett Bewertung wichtig Input TRAUMA Sympathicusaktivierung
d
. Abb. 4.3 Wesentliche anatomische Areale des menschlichen Gehirns. a Medialer Schnitt, b Hirnanatomie – grobschematisch vereinfacht dargestellte relevante anatomische Areale in ihrer Funktion zueinander bei Ankunft eines Reizes, c Hirnfunktionen – grobschematische Darstellung der Funktionsareale bei der Reizverarbeitung, im Frontalhirn erfolgt die Integration und Planung von Impulsen, d Blockierungen durch Trauma – traumatische Stimuli blockieren über die Amygdala die höheren kognitiven Funktionen
Dafür wird Adrenalin ausgeschüttet, das z. B. das Fluchtverhalten beschleunigt. 5 Deshalb helfen bei ängstlichen oder traumatisierten Menschen, hier besonders bei Kindern, keine Erklärungen. Diese Kognitionen werden blockiert. 5 Wichtig ist nun, Beruhigung zu bewirken. Erst dann werden Erklärungen wieder aufgenommen.
Betont werden muss, dass das Lernen bereits vorgeburtlich erfolgt und dabei zum Aufbau von Neuronen und Synapsen beiträgt (Hüther 2009; 7 Abschn. 2.3.1). Im Rahmen der hier intendierten Darstellungen können wir die äußerst komplexen und interessanten Vorgänge unseres Gehirns nicht näher erörtern. Sie sind bei Hüther (2009) ausführlich dargestellt. Exemplarisch wollen wir hier 2 The-
menbereiche Spiegelneuronen und Angstneuronen kurz anreißen.
4.2.2
Spiegelneuronen – Lernen, Empathie
Entdeckung, Anatomie und Funktion Sobald wir jemanden eine Handlung oder Handlungskette ausführen sehen, bekommen dessen Bewegungen unabhängig von unserem Wollen eine direkte Bedeutung für uns. Da dies auch in Gegenseitigkeit wirkt, befinden wir uns mit diesem Kommunikationspartner in einem gemeinsamen Handlungsraum. Rizzolatti et al. (1996) entdeckte bei Affen und später bei Menschen ein neuronales Netzwerk, das speziell in dieser Funktion tätig ist; er nannte es System der Spiegelneuronen (Rizzolatti u. Sinigaglia 2008). Die Spiegelneurone sind Resonanzmechanismen, die das Verstehen der Be-
122
4
Kapitel 4 • Lernen
deutung der Handlung anderer ermöglicht, also auch den Kontext und die Intention der Handlung. Dadurch ist ein Wörterbuch von Handlungen und ihren Bedeutungen angelegt, auf das wir bei Beobachtungen zurückgreifen (Rizzolatti u. Sinigaglia 2008; Liepelt et al. 2009). Nach dem Prinzip der ideomotorischen Kompatibilität besteht hier ein gemeinsames Repräsentationsschema. Es ermöglicht, visuelle Informationen in potenzielle motorische Akte zu transformieren (Iacoboni et al. 2001). Das heißt beobachtete Handlungen anderer Personen werden motorisch kodiert, gespeichert und liegen dann für Wiederholungen bereit. Die Spiegelneuronen im unteren Parietallappen und im Frontallappen übersetzen die einzelnen Akte der beobachteten Handlung in motorische Befehle, indem sie eine Wiederzusammenstellung der Einzelakte im Brodmann-Areal 46 vornehmen (Funahashi et al. 1990; Rowe 2000). Weiter wirkt im Frontallappen ein System der doppelten Kontrolle: ein erleichterndes System, das die Ausführung begünstigt, und ein hemmendes, das beobachtete Handlungen für eine sofortige Ausführung blockiert. Wenn Neugeborene die Mund- und Zungenbewegungen ihrer Eltern reproduzieren können (7 Abschn. 2.3.1), dann sind ihre Spiegelneuronen ungehemmt tätig. In Verbindung mit der Aktivierung des entsprechenden Spiegelneuronensystems werden im Brodmann-Areal F5 primär orofaziale, orolaryngeale und brachiomanuale Bewegungen kodiert, d. h. Mundbewegung, Stimme und Handbewegungen. Es ist mit Sicherheit ein angeborenes System, auf das alle Menschen transkulturell zurückgreifen, wie es die Ethologie schon lange durch ihre Beobachtungen belegte (Sturm et al. 2009). Die Wirkung der Spiegelneurone kann durch Betrachten der . Abb. 4.4 nachvollzogen werden.
Allgemeine Folgerungen – für die Therapie Hier wird eine Brücke zwischen Beobachtung, fremder Handlungsausführung und dem Verstehen der Intentionen fremden Handelns geschlagen. Das ist die Verbindung zwischen Akteur und Beobachter, zwischen Handlung und Kommunikation: Wir verstehen andere, während wir sie beobachten; das ist ein Fundament des Sozialverhaltens.
. Abb. 4.4 Wirkung der Spiegelneurone. Beim Betrachter dieses Fotos entsteht sofort Unbehagen, denn das Messer wird gleich in den Finger schneiden. Betrachter erleben die Handlung so, als ob es ihre eigene Aktivität sei und werden wahrscheinlich etwas zusammenzucken
Die Handlungen anderer Individuen kann nun ohne Zwischenschaltung komplexer kognitiver Prozesse direkt interpretiert werden. Die Intention anderer Individuen wird »automatisch« (unwillkürlich, unbewusst etc.) erfasst (Rossi u. Rossi 2006). Dadurch können die Emotionen anderer Menschen direkter verstanden werden – nämlich auf der Ebene, auf der das Gehirn viszeromotorische Reaktionen erzeugt (Rizzolatti et al. 2006). Das Prinzip des Modelllernens kann nun auch auf neuronale Korrelate zurückgeführt werden, ebenso Mitempfinden von Emotionen (Empathie) und die Nachahmung und Aspekte des Lernens von Handlungen. Das Gehirn simuliert dabei den angenommenen Handlungsspielraum anderer Personen (Liepelt et al. 2009) bzw. relevanter Figuren. Auf diesem Wege können gerade bei Kindern auch Handpuppen emotionale Botschaften übermitteln. Bauer (2006, S. 45) bezeichnet die Spiegelneuronen wegen dieser Wirkungen als »Eintrittskarte des Kindes in die Welt«.
Spiegelneuronen und Hypnose In dem System der Spiegelneuronen begegnen wir den von Pawlow und 50 Jahre später von Platonov (1955/1959) postulierten »Rapportzonen«, in denen durch Worte (= Suggestionen) physiologische Prozesse aktiviert werden. Auch die Beobachtung, dass
123
4.2 • Neuropsychologie
Hypnoseverhalten bei Gruppendemonstrationen imitiert wurde (Edmonston 1986; Tinterow 1970), findet nun moderne Erklärungsmodelle. Sie werden durch die Aktivierung von Spiegelneuronen bestätigt und unterstützen heute die Formulierung neuropsychologischer Modelle der therapeutischen Hypnose, der Rehabilitation (z. B. bei schweren Hirnschädigungen) und psychosomatischen Medizin. Dabei wirken u. a. das beobachtende Bewusstsein und die Hirnaktivität mit ihrer Plastizität zusammen (Rossi u. Rossi 2006; Siegel 2005). Hier zeigt sich die Möglichkeit, auf der Basis des natürlichen Handelns in der Hypnosepraxis völlig neuartige Zugänge zu finden (Antonelli u. Luchetti 2010). Die für Hypnose »resistenten« (geringhypnotisierbaren) Klienten lässt Erickson (1964/2006) während der Hypnoseinduktion Hochhypnotisierbare als Modellpersonen beobachten und erreicht damit eine Verbesserung ihrer Hypnotisierbarkeit. Diese Methode basiert wahrscheinlich auf der Aktivität der später entdeckten Spielgelneuronen. Die zukünftige Forschung wird zeigen, ob die vorgenannten Rückschlüsse bloß eine Metapher ist, Hypnose wie bisher zu erklären – oder ob das Konzept der Spiegelneuronen zu neuen Anwendungen der klinischen Hypnose und Rehabilitation führen wird (Rossi u. Rossi 2006). Praxis konkret – Spiegelneuronen und Empathie 5 Das Kind mit Angst vor Interventionen im Mundraum (z. B. Untersuchung mit dem Spiegel) kann diese Intervention an der Handpuppe Bimbo zulassen, da sie verfremdet, freundlich und kuschelig ist. 5 Gleichzeitig erkennt das Kind die Intention der Handlung, erlebt Bimbo dabei angstfrei, kann diese Bewertung übernehmen und nun ebenfalls angstfrei die Intervention bei sich zulassen. 5 Die Behandler erkennen intuitiv die Befindlichkeiten des Kindes, besonders seine Ängste. Auf dieser direkten Basis empfinden sie spontan Empathie und wenden dadurch spontan die angemessene Kommunikation und Intervention an.
4
Praktische Ausführungen hierzu sind in 7 Abschn. 5.2.3 und in 7 Abschn. 5.2.5 aufgeführt.
4.2.3
Angstneuronen und Angst
Wie dargestellt, spielt bei der Angstbewertung die Amygdala eine wesentliche Rolle. Über das Geben eines Angstsignals und das Erlernen von Angst ist unser Gehirn jedoch auch in der Lage, bestehende Angst wieder abzubauen. Früher nahm man an, dass dabei die Zeit alle Wunden heile – oder eine Therapie, die mit gezielten Methoden arbeitet. Nach neueren Untersuchungen sind es 2 Nervenzellpopulationen im unteren Teil der Amygdala, die dabei eine Rolle spielen. Beide Gruppen verarbeiten kontextuelle und sensorische Informationen. Doch die eine Gruppe, die »Angstneuronen«, erhält Informationen vom Hippocampus, die andere, die »Extinktionsneuronen«, erhält ihren Input vom sog. medialen präfrontalen Kortex. Wie Lüthi (2008) zeigen konnte, steuert die Balance der Aktivität dieser beiden Neuronengruppen das Furchtverhalten: Sind die »Angstneurone« aktiv, zeigt das Tier Furcht. Wird auf die »Extinktionsneurone« umgeschaltet, schwindet die Angstreaktion. Diese Löschung beruht auf einer Hemmung der Amygdala durch den präfrontalen Kortex.
4.2.4
Lernen und Emotionen
Auch Emotionen können – über die vorgenannten rein erbbiologischen Anteile hinweg – durch Erfahrung oder Modellbeobachtung erlernt werden. Insgesamt ist das Lernen auch phylogenetisch stark mit Emotionen verknüpft, was sich neuropsychologisch nachweisen lässt.
Lernen macht glücklich Damit Lernen durch Belohnung wirksam ist, setzt das Gehirn ein »internes Belohnungssystem« durch Neurotransmitter (hier die Endorphine) frei. Sie sind Opioidpeptide und bedeutsam bei der Auf-
124
Kapitel 4 • Lernen
merksamkeitsfokussierung, Freude, Schmerz und Motivation (Trevarthen u. Aitken 1994; Roth 2001).
Emotionen begünstigen das Lernen
4
Weiter wurde festgestellt, dass Lernen dann effektiver und dauerhafter im Gedächtnis verankert ist, wenn Emotionen daran beteiligt sind. Sie wirken als Verstärker neuer Informationen. Dadurch gelangen die Informationen besser in das Langzeitgedächtnis (Roth 2001; Spitzer 2006 a), ebenso bei emotionalen Bildern (Dolcos u. Cabeza 2002). Deshalb halten starke Angst- und Schmerzerfahrungen leider so lange an. Auch die Freude über die Angstbewältigung wirkt lange nach und macht gegen Rückfälle resistent. Deshalb ist es im Bereich des Zahnarztes noch wichtiger, Angst und Schmerz nicht nur abzubauen, sondern dann die damit verbunden positive Gefühle und Einstellungen auszubauen, damit weitere Konsultationen überhaupt erfolgen können und entspannt möglich sind. Deshalb ist es auch so wichtig, die Sitzung stets mit einem positiven Erlebnis zu beenden. Praxis konkret – Lernen und Emotionen 5 Erfolge bewirken die Ausschüttung von Glückshormonen und motivieren deshalb dazu weiterzumachen, das Lernen oder das dazu führende Verhalten zu wiederholen. 5 Deshalb trifft der Spruch zu: »Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg«. 5 Schaffen Sie Erfolge und fördern Sie dadurch die weitere Motivation für Therapeut und Patient. 5 Schaffen Sie eine frohe Atmosphäre, denn positive Emotionen begünstigen das Lernen 5 Gute Gefühle und Erfolge bewirken eine entspannte Behandlung – und das Kind wird gern zur nächsten Sitzung kommen.
4.2.5
Lernen und Neugier
Wie bereits in 7 Abschn. 2.3.10 kurz angesprochen, ist Neugier ein Motor in unserer Evolution. Bestimmte Areale im Hippocampus reagieren auf Neuheiten und erhöhen dadurch die Aufmerksamkeit. Begegnen wir also Unbekanntem, dann sorgt das Gehirn dafür, dass wir diese Neuigkeit besser behalten und auch zusätzlich die Umstände des Neuheitsgeschehens (Schweizer 2006). Bei einer guten Mutter-Kind-Beziehung fühlt sich das Kind sicher (Bowlby 1969); auf dieser Basis kann es neugieriges Explorationsverhalten zeigen. Praxis konkret – Lernen und Neugier 5 Die unbekannte Einrichtung der Kinderzahnarztpraxis löst Neugierverhalten aus. 5 Benutzt der Kinderzahnarzt Zaubertricks und Puppen, sind das Überraschungen für das Kind, da sie nicht seinen gewohnten Erwartungen entsprechen (Musterunterbechung, 7 Abschn. 1.2.4 und 7 Abschn. 5.2.3). 5 Da mit diesen Überraschungen positive Erlebnisse (schöne Geschichten) und Abnahme von aversiven Erlebnissen (Angst, Schmerz) verbunden sind, werden die Zahnarztbesuche mit ihrem interessanten und angenehmen Kontext intensiv im Gedächtnis behalten – und ihr positives Gefühl gleichzeitig operant verstärkt. 5 Weitere Zahnarztbesuche und die zukünftige Mundhygiene und Prophylaxe werden dadurch deutlich erleichtert.
4.2.6
Frühe Umwelterfahrung und Gesundheit
Bei der frühkindlichen Gehirnreifung bestimmen Umwelteinflüsse und Erfahrungen, welche Gene aktiviert werden und damit die Ausbildung verschiedener körperlicher Eigenschaften. So können Kinder in einer warmherzigen Beziehung mehr Rezeptoren für Stresshormone bilden. Diese zahlreichen Andockstellen für Alarmmoleküle bewir-
125
4.3 • Schwerpunktthema: Erlernte Angst
ken eine schnellere Reduktion möglicher Stressauswirkungen, wodurch sich eine größere psychische Stabilität und geringere Krankheitsanfälligkeit einstellt (Maselko et al. 2010; Meaney 2001; Zimmermann 1995; 7 Abschn. 2.3.3 und 4.3.3).
4.2.7
Priming – unterschwelliges Lernen und Erinnern
Das Phänomen des Priming (Bahnung) ist aus der Neurophysiologie bekannt und beinhaltet, dass eine wiederholte Erregung von Nervenbahnen den Wirkungsgrad von Reizen gleicher Stärke erhöht. Danach können bereits schwächere Reize eine Nervenerregung bewirken. Im Bereich der Semantik und des Gedächtnisses ist Priming ebenfalls zu beobachten. So kann ein Gedächtnisinhalt schneller erreicht und abgerufen werden, wenn ein damit assoziierter Reiz vorher gegeben wird (Reason 1992). Diese Primingeffekte können sehr subtil sein – und sogar unterschwellige Stimuli haben Einfluss auf die Interpretation von Ereignissen (Merikle u. Joordens 1997) und sogar auf komplexe soziale Verhaltensweisen (Wilson u. Capitman 1982). Methoden wie das »story telling« oder »seeding« (Gerl 2001) basieren auf diesen Erkenntnissen, denn dabei werden Begriffe angeboten, die dazu dienen, Assoziationen wachzurufen, die bestimmte Reaktionen wie Erinnerung (Gedächtnis), Einordnung oder Zuordnung (Semantik) erleichtern.
Copingmethoden der Hypnose eingesetzt. Deshalb lassen sich deren Wirkungen nur äußerst schwierig abbilden.
4.3
Schwerpunktthema: Erlernte Angst
4.3.1
Evolution der Angst
Für den Erhalt des Individuums und seiner Art hat die Natur biologisch vorgebahnte Furchtreize bereitgestellt, die als automatische Warnsignale bei drohender Gefahr reflexhaft wirken. Dabei besteht bei bestimmten Reizen eine erhöhte Konditionierbarkeit, wie z. B. bei Gerüchen, Speisen, Kleintieren, Höhen, lauten Geräuschen, Feuer usw., die für das Überleben besonders bedeutsam sind (= preparedness; Seligman 1971; Rachman 1990 b). Treten derartige Reize auf, erfolgt im Gehirn über die Amygdala eine Bewertung und im Neokortex die Bedeutungsanalyse, die besonders für emotionale Ereignisse selektive Aufmerksamkeit und selektive Gedächtnisprozesse bewirkt (Dolcos et al. 2004). Diesem folgt die schnelle Aktivierung der Erregungszentren, um Flucht einleiten zu können. Aufgrund dieser Disposition führen derartige Angsterfahrungen zu veränderten Wahrscheinlichkeitsannahmen und verzerrten Erwartungen und ganze – oft für Außenstehende schwer nachvollziehbare – Angstkomplexe können sich entwickeln. Praxis konkret – Grundlagen der Angst
4.2.8
Neuropsychologie und Hypnose
Wie bereits in 7 Abschn. 1.6.1 angesprochen, werden durch Hypnose Filter- und Steuerungsprozesse primär im Hypothalamus vorgenommen, der Schaltstelle zwischen zahlreichen wesentlichen Verknüpfungszentren des Gehirns, so z. B. dem Schmerzzentrum. In der Schmerzbehandlung sind relativ eng umgrenzte Hypnosemethoden sehr wirkungsvoll. Ihre Effektivität wird immer deutlicher und ist auch mittels bildgebender Verfahren nachweisbar (7 Abschn. 1.6.1). Angst und Stress sind dagegen neurophysiologisch relativ diffus lokalisiert; entsprechend werden hier häufig mehr kognitive
4
5 Ängste sind normal und arterhaltend. Jedoch ihre Stärke, Häufigkeit und ihr Situationsbezug kann dazu führen, dass sie pathologisch werden. 5 Wenn besonders Kinder beim Zahnarzt fremde Gerüche wahrnehmen, dann wird bei ihnen eine evolutionär bedingte Grundfurcht ausgelöst. Sie kann nicht übergangen oder als Negativverhalten bewertet werden. 5 Nur durch damit inkompatible positive Alternativerfahrungen wie angenehme Praxisatmosphäre, tolle Spielmöglichkeiten, schöne Geschichte hören, mit lustigen
126
Kapitel 4 • Lernen
Puppen spielen, kann hier ein Abbau erfolgen (= Gegenkonditionierung; s. unten)
4.3.2
4
Entwicklungsfaktoren
Im Verlauf der kindlichen Entwicklung treten altersabhängig unterschiedliche Ängste oder Angstsyndrome auf. Meist sind sie bei Übergängen zu neuen Erkenntnismöglichkeiten zu beobachten, sind dann jedoch temporär, wenn nicht Traumatisierungen oder Konditionierungen eintreten.
Typische Ängste in einzelnen Entwicklungsphasen 0–6 Monate Angst bei starken sensorischen Reizen, lauten Geräuschen. Acht-Monats-Angst Das Kind kann nun zwischen
fremd und vertraut unterscheiden, wodurch fremde Personen Angst auslösen oder das alterstypische Fremdeln auftritt. Trennungsangst Im 2. Lebensjahr kann das Kind
mehr die Welt explorieren, wodurch es Angst entwickelt, die Personen oder Strukturen zu verlieren, die ihm bislang Sicherheit gaben. Hier ist die Vermittlung von Eigenständigkeit wichtig, wobei die Sicherheit gebende Person (Mutter) im Hintergrund verfügbar sein sollte. Beispiel: Das Kind blickt auf dem Spielplatz oft nach der Mutter. Angst vor Fantasiegestalten, Dunkelheit und potenziellen Einbrechern. Umweltangst Im Kindergarten- und Vorschulalter entstehen Ängste vor vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren in der Umwelt des Kindes. Ängste können durch Nichterklären, Missverständnisse oder Missbrauch der kindlichen Fantasie entstehen. Sozialisationsangst Im Grundschulalter entstehen durch die Einschulung Ängste vor Sozialkonstellationen und Anpassungsproblemen; hinzu kommen Leistungsängste (Strittmatter 1997).
Realangst Ab dem 9./10. Lebensjahr können durch
die intensivere Auseinandersetzung mit der Umwelt Realängste in Bezug auf Tod, Krieg, Gewalt, Arbeitslosigkeit entstehen. Reifungsangst Angst vor Zurückweisung durch Gleichaltrige. In der Pubertät erfolgt Individuation und Neuorientierung, die mit Unsicherheit und Angst verbunden ist und zu Angst- und Zwangsneurosen führen kann.
InternetInfo – Angst – Anlage versus Umwelt = angeboren versus erlernt? Bei YouTube bitte folgende Suchzeile eingeben: 5 »Joseph Campos – Visual Cliff Experiment« (2:01 min) Ein Kind zwischen 9 bis 11 Monaten befindet sich auf einer mit einem Gittermuster versehenen Fläche, die plötzlich als Stufe nach unten geht. Diese Tiefe ist jedoch mit einer durchsichtigen Glasscheibe überdeckt, auf deren anderer Seite sich ein attraktives Spielzeug befindet. Die Mutter befindet sich dem Kind gegenüber jenseits vom Abgrund und nahe am Spielzeug. Anfangs hat das Kind Angst vor der visuellen Tiefe und krabbelt nicht auf die Glasplatte zum Spielzeug hin. Wird das Kind von der Mutter mimisch ermuntert, überwindet es den optischen Gefahrenreiz und krabbelt auf der Glasplatte weiter. Wird es von der Mutter jedoch gewarnt, bleibt es vor dem Abgrund stehen. Siehe hierzu auch in 7 Abschn. 2.3.3 das Video zur Trennungsangst.
4.3.3
Protektive Faktoren für Angst
Manche Menschen reagieren stärker auf Angstoder Schreckreize als andere. Das ist nicht nur mit entsprechenden Negativerfahrungen, also Konditionierungen, zu erklären. Lebt ein Kind in einem geborgenen Umfeld, hat dort sichere Bezugspersonen und sichere Bindungen, hat es auch Schutz und Unterstützung bei Gefahren. Es konnte Zutrauen in die Umwelt erfahren
lmagination
Imagination Kognition
Attribution
Motivation
4
127
4.3 • Schwerpunktthema: Erlernte Angst
Physiologie
Motorik
Kognition
Motorik
Attribution
Emotion
Physiologie
Motivation
Emotion
. Abb. 4.5 Bedingungsgefüge der zahlreichen kognitiv-behavioralen Komponenten der Angst. Links: Das gesamte Netzwerk (aus Kossak 1993, S. 305); rechts: Exemplarische Abfolge einer Verhaltenskette, hier beginnend mit Imaginationen
und erlebte, dass es bei eigenen Erfahrungen zuverlässig handeln kann. Hierdurch wird es wesentlich weniger Angst haben oder bekommen und leichter über Bewältigungsstrategien verfügen. Im Kontrast dazu steht die Abwesenheit vorgenannter protektiver Faktoren, also instabile Beziehungen etc., Vorhandensein von Angstmodellen, Überforderung, Traumata, mangelnde Kompetenzerfahrungen, Bedingungen erlernter Hilflosigkeit, Verlust und Trennung und letztlich eine Erziehung, die mit Bestrafung und ohne Verstärkung, Anerkennung etc. arbeitet. Ängstlichkeit oder häufige Angst werden somit durch das psychosoziale Milieu der frühen Kindheit begünstigt (Zimmermann 1995; 7 Abschn. 2.3.3 und 4.2.6). Praxis konkret – Milieufaktoren der Angst 5 Nicht jede Angst ist pathologisch, sondern kann grundlegend durch das Milieu des Kindes geprägt sein. 5 Deshalb können klassische Methoden zur isolierten Angstbehandlung ineffektiv sein. 5 Hier muss das Kind Vertrauen in den Therapeuten und die Gesamtsituation gewinnen. 5 Auch frühere traumatische Erlebnisse, die dem Kind (und seinen Eltern) inzwischen nicht mehr bewusst präsent sind, begünstigen das Angstverhalten. 5 Das Kind muss die Chance bekommen, Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten und in die eigene Autonomie zu erwerben. Hier
sollte nur in kleinen Schritten vorgegangen werden.
4.3.4
Kognitiv-behaviorale Elemente – Systemwirkungen bei Lernen und Angst
Früher nahm man an, Angst bestehe nur aus den 3 Reaktionskomponenten Motorik, Physiologie und Emotion. Entsprechend waren die Behandlungsmethoden nur darauf beschränkt. Die modernen Lerntheorien integrieren u. a. auch die Ergebnisse der Emotions-, Kognitions- und Motivationsforschung, nach denen Angst aus mehreren Komponenten besteht und darüber gesteuert wird. Sie sind in der Diagnostik und Therapie sehr bedeutsam und sollen kurz pragmatisch für den Lernbereich und die damit verbundenen Ängste dargestellt sein.
Die kognitiv-behavioralen Elemente des Verhaltens (Beispiel Angst) Grobschematisch sind bei nahezu allen komplexeren Verhaltensweisen zahlreiche Komponenten wirksam. Wir beschränken uns hier auf die 7 wesentlichen Komponenten, die bei der Angst wirksam, bzw. Teile des komplexen Angstverhaltens sind (. Abb. 4.5). Physiologie Bei Angst wird Adrenalin ausgeschüt-
tet, das die Magen- und Darmperistaltik aktiviert
128
Kapitel 4 • Lernen
(= Schiss haben), ebenso werden Atmung, Blutdruck und Puls angeregt. Motorik Körperstarre, Zittern, evtl. Tonusverlust
in den Beinen, Fluchtverhalten, Vermeidungsverhalten.
4
Emotion Das typische Gefühl der Enge (= lat. an-
gustia) tritt auf, verbunden mit dem Gefühl des Versagens, ggf. der Hilflosigkeit und des die Existenz bedrohenden Ausgeliefertseins. Attributionen Eigenbewertungen wie »Ich bin ein Versager – immer mir passiert das – ich sollte weglaufen«. Angenommene Fremdbewertung sind: »Er/sie meint, ich bin ein Versager – kann nichts – bin unbegabt in Mathe – bin ein Angsthase usw.«. Motivation Wünsche und Bedürfnisse wie: »Ich
will hier raus – es hat alles keinen Sinn – ich werde das für immer aufgeben – ich breche die Behandlung ab«. Kognition Gedanken wie »Ich bin feige – andere
können es besser – meine Eltern/der Zahnarzt werden schimpfen.« Imagination Vorstellungsbilder wie »Ich bin am Marterpfahl und alle starren mich an – der Zahnarzt ist ein Blutsauger – alle verfolgen mich und ich renne bald weg« werden lebhaft ausgestaltet. Diese (hier akademisch isolierten) Einzelkomponenten reagieren als Gesamtsystem von SeeleKörper-Geist ganzheitlich als eine Einheit, was in der Anamnese der Genese und bei der Planung der Therapie von großer Bedeutung ist. Bereits eine dieser Komponenten kann zum Auslöser des gesamten Angstsyndroms werden und kann die anderen dann in einer Kettenreaktion oder wie in einem Netzwerk steuern: »Sobald ich an den Zahnarzt denke → dann spüre ich meinen Puls → sehe den Zahnarzt mit dem Bohrer vor mir → und meine, ich sei zu feige → dann weine ich → etc.«
hinausgehenden unsichtbaren Gedanken und Innenbilder des Patienten. 5 Beziehen Sie sie in die Therapie mit ein und betonen Sie, dass z. B. Angst oder Schmerz normal sind und von vielen wahrgenommen wird (Pacing). Das reduziert oft die angenommene Fremdbewertung, man sei die schlimme Ausnahme, die ausgelacht wird.
4.3.5
Häufige Folgen der Angst
Im Gesamtsystem der Angst wirken wesentliche Grundgesetze, die sich wie nachfolgend sehr grob umreißen lassen. Bei großer Angstintensität oder längerer Zeitdauer können sie stärker werden. Die von allen erhofften Spontanremissionen treten selten auf.
Generalisierungen Stimulusgeneralisierung Bei starker oder lang andauernder Angst können bereits zum ursprünglich auslösenden Reiz ähnliche Reize die Angst auslösen. Beispiel: Allein der Geruch, das Geräusch oder das Ansehen des Praxisraums kann Angst auslösen, auch die damit verwandte Gerüche, Geräusche in anderen Lebensbereichen oder ähnlich aussehende Räume bewirken es später.
Reaktionsgeneralisierung Die ursprüngliche Angstreaktion wird im Laufe der Zeit zunehmend intensiver, bis hin zu Hilflosigkeit und Depression (Seligman 1975). Beispiel: Die bislang geringe Angst (nur unangenehmes Bauchgefühl) nimmt stetig zu, bis zum starken Herzklopfen, Würgen, Schweißausbruch, Schreien etc. Am hypothetischen Modell einer Katzenphobie ist diese Generalisierung in . Abb. 4.6 veranschaulicht.
Aufrechterhaltung von Ängsten Praxis konkret – Komponenten der Angst 5 Bedenken und berücksichtigen Sie auch die über die körperlichen Angstzeichen
Bestehende Ängste könnten mit der Zeit abnehmen, wenn keine relevanten Negativereignisse eintreten würden. Es gibt jedoch häufig Faktoren, die die Aufrechterhaltung von Ängsten begünstigen.
4.3 • Schwerpunktthema: Erlernte Angst
129
4
. Abb. 4.6 Angstgeneralisierung bei einer Katzenphobie. Die Angst vor einer Katze generalisiert zur starken Phobie: Bei Anblick einer kleinen Hauskatze entsteht das subjektive Gefühl der Bedrohung durch ein unberechenbares, unkontrollierbares und gefährliches Tier. Links: objektiver Stimulus, gestreifte Hauskatze, sitzt ruhig; Mitte: subjektive Veränderung, Übertreibung: gestreifte Großkatze, sitzt dort, rechts: subjektive Überbewertung kognitiv, emotional, attributiv: »Der Tiger greift mich gleich an!«. (Quelle © Corel Corporation, aus Corel Draw! 1993)
Vermeidungsverhaltensweisen – Flucht Beim Vermeidungsverhalten wird der Kontakt mit dem auslösenden und allen damit verbundenen Reizen vermieden, um das Auftreten der Angst zu verhindern. Typisches Vermeiden ist z. B. den Termin zum Zahnarztbesuch möglichst weit hinausschieben, zum Termin zu spät kommen, fern bleiben, nicht in das Behandlungszimmer gehen, nicht auf den Behandlungsstuhl wollen, den Schoß der Mutter nicht verlassen. Als Bockigkeit interpretiert wird oft, wenn man feststellt, das Kind »hört gar nicht zu … guckt weg«; meist ist es jedoch der Versuch, die unangenehmen optischen und visuellen Reize zu vermeiden. Bei der Flucht wird der bereits erfolgte Kontakt mit der ängstigenden Situation nicht ausgehalten, sondern man verlässt sie möglichst schnell. Werden Angstsituationen vermieden oder wird vor ihnen geflüchtet, so tritt anfangs beim Individuum eine Erleichterung ein wie z. B. »Ich fühle mich dann wohl, wenn ich vor dem Hund auf die andere Straßenseite gehe/meinen Zahnarzttermin hinausschiebe etc.« Diese subjektive Erleichterung wird jedoch ihrerseits für die Angstzunahme verstärkend (= negative Verstärkung). Positive oder neutrale Erfahrungen mit der Problemsituation werden dadurch verhindert – und die Angst wird folglich sogar stärker.
Praxis konkret – Den Folgen der Angst entgegenwirken 5 Bauen Sie Vermeidungsverhalten ab: – Ermöglichen Sie zumindest eine kleine Verbesserung i. S. von Annäherung an die Angstsituation oder Kooperation und verstärken Sie diesen Erfolg des Patienten. – Dadurch nimmt die Annäherung bzw. Kooperation zu und das Vermeidungsverhalten nimmt ab. 5 Als Folge davon werden nun zunehmend mehr neutrale Erfahrungen möglich, die also immer weniger Angst auslösen.
Krankheitsgewinn – Zuwendung und Vermeidung Kinder, aber auch Erwachsene können durch ihr Angstverhaltensweisen (Klagen, Wimmern, Zittern) Trost und Zuwendung bekommen, was wiederum verstärkend wirkt und die Angst aufrechterhält. Kann eine Person durch ihr Symptom (Angst) andere Konflikte vermeiden, dann wird dadurch die Angst ebenfalls weiter bestehen bleiben. Beispiel: Mit Schulangst oder Examensangst kann
130
Kapitel 4 • Lernen
auch vermieden werden, selbständig zu werden und Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.
Andauernde Belastungen
4
Bestehen emotionale, soziale, körperliche oder intellektuelle Überforderungen über längere Zeit, wird dadurch Hilflosigkeit und auch Versagensangst deutlich begünstigt.
5 Zusätzlich zum aufklärenden Elterngespräch darüber sollte der Arzt das Wehklagen ebenfalls negieren und durch Ablenkung eine Dezentrierung weg von der Problematik erreichen (7 Abschn. 1.4.1 und 2.3.6).
Kognitive Faktoren
Beispiele für Lernfaktoren
Mangelndes Wissen um das Objekt oder die Situation begünstigt das Weiterbestehen der Angst, ebenso die Fehleinschätzung ihrer Auftretenswahrscheinlichkeit. Hinzu kommen Fehler in der Eigenbewertung, also ein negatives Selbstkonzept, nach dem man sich hilfsbedürftig einschätzt und/oder kein Kompetenzvertrauen in das eigene Handeln hat (self-efficacy; Bandura 1977). Durch Angst kann sich das Selbstbild so verändern, dass das Selbstwertgefühl verringert wird, was zur Zunahme von Angst führt.
Die nachfolgend ausgewählten Verhaltensweisen wie Angst, Aggression und Moral werden durch zahlreiche und sehr unterschiedliche Studien erklärt. Im Rahmen unserer Darstellungen beschränken wir uns hier auf die Modelle der Lerntheorien.
Praxis konkret – Aufrechterhaltung der Angst erkennen und abbauen 5 Faktoren zur Aufrechterhaltung der Angst sind nicht immer leicht und schnell zu erkennen. In der Zahnarztpraxis fehlen dazu die Zeit und oft auch die Fachkompetenz. 5 Vorsichtige Gespräche mit den Eltern können hierbei evtl. Informationen erbringen. 5 Sind Faktoren zur Aufrechterhaltung von Angst erkennbar, sollten diese verändert werden. 5 Da es sich dabei um sehr komplexe Konstellationen handeln kann, werden Veränderungen nur durch grundlegende und umfassende therapeutische Maßnahmen möglich sein (hierzu ausführliche Darstellungen in 7 Abschn. 4.5.1). 5 Trotzdem kann dem Kind in einer ruhigen und liebevollen Atmosphäre die Gelegenheit zur Entspannung und zur neutralen Erfahrung gegeben werden. 5 Vermeiden Sie Krankheitsgewinn. 5 Erreicht das Kind durch sein Wehklagen die elterliche Zuwendung, kann auch die Zuwendung des Zahnarztes aufrechterhaltend für seine Angst wirken.
Gelernte Ängste: Phobien Ängste müssen nicht nur direkt durch Eigenerfahrung erworben sein. Sie können auch durch z. B. Modelllernen bedingt werden: 5 Affen lernten Angst vor Schlangen von ihren Artgenossen. 5 Gespräche mit Kindern mit Zahnarztphobie zeigten, dass sie die Ängste von Eltern lernten. Fragt man Phobiker nach dem Ursprung ihrer Ängste, sagen viele: gelernt durch Beobachtung anderer Personen mit den gleichen Ängsten. 5 Einige Kinder, die scheinbar eine Phobie vor etwas haben (wie z. B. vor der Schule oder vor dem Zahnarzt), leiden unter Trennungsängsten; sie wollen sich nicht von der Mutter trennen. Die Diagnose lautet hier nicht Phobie, sondern Trennungsangst oder »Mutterphilie«. 5 Meist kann sich aber die Mutter nicht vom Kind trennen. In solchen Fällen sollte eine Veränderung der mütterlichen Einstellungen und Ängste erfolgen, die nicht selten tiefgreifende Ursachen haben kann und einer Therapie bedarf. 5 Mehr zur Angst vor der Zahnbehandlung ist ausführlich in 7 Abschn. 4.4 dargestellt.
Gelernte Aggressionen Verschiedene Studien zeigen, dass viele unterschiedliche aggressive Verhaltensweisen erlernt sind:
131
4.4 • Spezialfall: Dentalängste bei Kindern
5 Kinder, deren aggressives Verhalten am härtesten bestraft wird, sind aggressiver! 5 Drohung und körperliche Gewalt durch Eltern führt zu den gleichen Verhaltensweisen gegenüber Gleichaltrigen. 5 Opfer von Kindesmisshandlung tendieren als Erwachsene selbst zu körperlicher Bestrafung. 5 Werden Modellpersonen für ihr aggressives Verhalten bestraft oder belohnt, so wird das Verhalten des belohnten Modells wesentlich häufiger imitiert. 5 Eltern wirken nicht nur als Kontrollfaktor, sondern als Modell für aggressives Verhalten (Nolting 2005; Bandura 1976).
Gelernte moralische Standards So wie offen sichtbares Verhalten sind auch emotionale und kognitive Verhaltensweisen wie Attributionen erlernt, meist erklärt durch das Modelllernen (Bandura 1963): 5 Kinder verhalten sich altruistischer, wenn sie vorher uneigennütziges, selbstloses Verhalten bei andern Personen gesehen haben. 5 Kinder und Erwachsene verstoßen eher gegen Regeln und Gesetze, wenn sie vorher ein entsprechendes Modell sehen (die Diskussion um die Wirkung der Videospiele und Filme ist bekannt). 5 Erhöhte Selbstmordrate nach dem Suizid eines beliebten Soap-Opera-Stars.
4.4
Spezialfall: Dentalängste bei Kindern
Nach der allgemeinen Darstellung von Ängsten und deren Lerngeschichte wenden wir uns nun speziell den Dentalängsten von Kindern zu, jedoch finden wir zu diesem Thema nur wenige ausführliche statistische Angaben.
4.4.1
Definition
Im englischen Sprachgebrauch finden wir dental phobia, dental anxiety und dental fear, im Deutschen: Dentalangst, Dentalphobie, Zahnarztangst,
4
Zahnbehandlungsangst und Oralphobie. Sie werden meist als Synonyme verwenden, wenn auch »Oralphobie« der am weitesten gefasste Begriff ist, der auch die Angst vor oder bei oralen Behandlungen bei Zahnlosen beinhaltet. Um psychodiagnostisch exakt zu sein, ist hier die Angst, die ein weniger starkes Gefühl darstellt, von der krankhaften Phobie zu unterscheiden; dabei sind jedoch fließende Übergänge die Regel. Für unseren weiteren Sprachgebrauch wollen wir die Begriffe Dentalangst, Dentalphobie, Zahnarztangst und Zahnbehandlungsangst als Synonyme verwenden, da auch in vielen Untersuchungen selten zwischen Angst und Phobie sauber unterschieden wird. Dentalphobien wurden von der American Psychiatric Association in das Diagnostische und Statistische Manual (DSM-IV) als »spezifische Phobie« aufgenommen (deutsche Version DSMIV-TR: 300.29; nach ICD-10 ist es 40.2): 5 Ausgeprägte und anhaltende Angst vor eng umschriebenen Objekten oder Situationen, die übertrieben oder unbegründet ist. 5 Konfrontation mit einem phobischen Stimulus ruft unmittelbare Angstreaktion hervor. 5 Es können in diesem Zusammenhang auch Panikattacken auftreten, wenn die Person dem auslösenden Stimulus nicht ausweichen kann. 5 Angstauslösende Situationen oder Objekte werden typischerweise vermieden oder nur unter starker Angst ertragen. 5 Erwachsene (bei Kindern nicht notwendig) erkennen, dass die Phobie übermäßig und unbegründet ist (wenn nicht, wird anstelle der spezifischen Phobie eine wahnhafte Störung diagnostiziert).
4.4.2
Ätiologie
Wie bei allen Ängsten sind auch bei den Dentalängsten bzw. -phobien keine monokausalen Erklärungs- oder Krankheitsmodelle anzuwenden; anstatt eines Reduktionismus müssen psychologische, biologische und soziale Faktoren berücksichtigt werden (Hoyer u. Margraf 2003). So täuscht auch manche universitäre Examensarbeit durch die Einengung ihrer Fragestellungen und Untersuchungs-
132
Kapitel 4 • Lernen
gruppen unbeabsichtigt vor, dass es vorwiegend Monosymptome gibt; in der Praxis erfahren deren Autoren dann sehr erstaunt die reale Komplexität der psychischen Erkrankungen. Unabhängig von den zahlreichen Ursachenmöglichkeiten für Dentalangst werden teilweise Ursachenbündelungen gefunden.
4
Physische Lernerfahrungen Vier Hauptfaktoren entscheiden, ob eine Konditionierung erfolgt: 5 Die Intensität des aversiven Stimulus (= großer Schmerz); 5 die Häufigkeit der früheren Konfrontation mit dem neutralen Stimulus ohne den aversiven Stimulus. Dies ist die latente Inhibition (s. unten), die ein Schutzfaktor für eine Dentalphobie sein kann; 5 die subjektive Bewertung der Situation durch den Patienten, die die Negativerfahrung überoder unterbewerten kann (= kognitive Faktoren, s. unten); 5 physiologische Erregungszunahme während der Zahnbehandlung (Kleinknecht et al. 1973). Als häufigste Ursache für die Entstehung der Dentalangst (bei Erwachsenen) nennen Lindsey und Jackson (1993) traumatische Erlebnisse während der Zahnbehandlung. Oft ist es ein sehr frühes in der Kindheit angesiedeltes traumatisierendes Erlebnis beim Zahnarzt (Wetzel 1982; Thompson 1999), das zu einer klassischen Konditionierung führte. Demgegenüber ist (bei Kindern in Taiwan) neben zahlreichen anderen Faktoren die direkte subjektive Konditionierungserfahrung mit Schmerz (auch unabhängig vom Dentalbereich) bei der Angstentstehung wesentlicher als die direkte Erfahrung von Dentalangst und die damit verbundene direkte Konditionierung (Lee et al. 2008). Eine schottische Studie erbringt gleiche Ergebnisse (Townend et al. 2000) – d. h. eine zur Dentalangst führende Schmerzkonditionierung (Engling et al. 2004).
Gerüche als Angstauslöser Der Geruchssinn steht in direkter Verbindung mit der Amygdala, die emotionale Prozesse verarbei-
tet (7 Abschn. 4.2.1). Somit können Gerüche Erinnerungen an traumatische Ereignisse auslösen (= Konditionierungen), wie z. B. bei traumatischen Belastungsstörungen (Vermetten et al. 2007). Ein Teil von Dentalängsten kann auf diese Weise assoziativ gespeichert sein und wird durch das entsprechende Setting – insbesondere auch durch Gerüche – ausgelöst. Der Geruchssinn wird selten bei der Hypnosetherapie eingesetzt, obwohl er in gleicher Weise wie z. B. visuelle Stimuli starke Gefühle und Erinnerungen wachrufen kann (Maylor et al. 2002). Abramowitz u. Lichtenberg (2009) verwenden deshalb in ihrer Methode das hypnotherapeutische olfaktorische Konditionieren (HOC). Dabei wird ein angenehmer Geruch bei der Hypnoseinduktion gewählt, um dadurch eine neue Konditionierung zu ermöglichen. Übertragen auf die zahnärztliche Praxis sollte einerseits der »klassische« oder »typische« Praxisgeruch bestimmter Behandlungsmittel möglichst vermieden werden; er kann negative Assoziationen/Emotionen aktivieren. Andererseits sollte mit angenehmen Gerüchen besonders in Hypnose eine zur Angst konträre Gegenkonditionierung erfolgen.
Kognitive Lernfaktoren Vulnerabilität – Katastrophisierung Ob Personen einen Stimulus als wesentlich für ihre Angst empfinden, hängt davon ab, ob sie den Stimulus als unkontrollierbar, unvorhersehbar, gefährlich und abscheulich wahrnehmen und dabei ihm gegenüber Verletzlichkeit aufbauen (Armfield 2006). Dabei korreliert die Schmerzerwartung hoch mit dem Ausmaß der Zahnbehandlungsangst (McNeil u. Berryman 1989; Kleinknecht et al. 1973). Weiter können körperliche Symptome fehlinterpretiert werden, wodurch dysfunktionale Gedanken entstehen und potenzielle Gefahren überschätzt werden. Da es sich hier um keine direkten Erfahrungen handelt, sondern um kognitive Muster, kann man von einer kognitiven Vulnerabilität ausgehen, die sich bei der Zahnarztangst in der subjektiven Wahrnehmung der Unkontrollierbarkeit, der Unvorhersagbarkeit und der Gefährlichkeit zeigt (Armfield et al. 2008). Die verschiedenen Vulnerabilitäts-Stress-Modelle stimmen darin überein,
133
4.4 • Spezialfall: Dentalängste bei Kindern
dass sie kognitive Störanfälligkeit als ein normalverteiltes Merkmal betrachten. Bei der Zahnhygienebehandlung kann die exzessive Fokussierung auf Schmerzempfindungen zu Katastrophisierungsgedanken (= Generalisierung) und dadurch zur Angst- und Schmerzzunahme führen (Sullivan u. Neish 1998). Spielen Erwartungen – also kognitive Faktoren – eine große Rolle bei der Aufrechterhaltung der Angst, so ist ein kognitives Therapieverfahren indiziert, also Hypnose.
Soziale Lernfaktoren Sowohl direkte Konditionierung als auch das Modellverhalten von z. B. Eltern oder Geschwistern und ihre negativen Schilderungen und nonverbalten Botschaften sind unabhängige Vorhersagevariablen für die Angststärke (Milgrom et al. 1995; Kleinknecht et al. 1973, 1984; Jöhren et al. 1997; Mehrstedt 1999). Der in 7 Abschn. 4.7 dargestellte Fall verdeutlicht diese Konditionierungen.
4.4.3
Folgen der Dentalängste
Vermeidung und damit die negative Verstärkung entscheidet über die Aufrechterhaltung der Dentalangst. Sie wird dann gefolgt von der Meidung regelmäßiger Zahnuntersuchungen, die zu Karies und unterschiedlichen Zahnerkrankungen führen (Skaret et al. 1999). Bei großer Angst ist diese Vermeidung größer als die Aussicht, durch den Arztbesuch eine Schmerzlinderung zu erfahren (Armfield et al. 2007) – damit wird ein Teufelskreis eingeleitet. Die unbehandelte Zahnbehandlungsangst bzw. die unbehandelten Zahnprobleme können als akute oder chronische Stressfaktoren wirksam sein. Wenn diese Menschen noch zusätzliche Einschränkungen (im biologischen, psychischen und/ oder sozialen Bereich) erleiden, besteht bei ihnen nach dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell ein erhöhtes Risiko, psychisch zu erkranken (Zubin u. Spring 1977). Risikofaktoren sind hier mangelnde soziale Unterstützung, mangelnde Überzeugung, von außen Hilfe zu erhalten, und eine selbstunsichere Persönlichkeit, . Abb. 4.7.
4.4.4
4
Epidemiologie
Häufigkeiten Auch zur Epidemiologie von Dentalängsten bei Kindern sind nur selten Angaben zu finden. Nach der Literaturanalyse von Hagenow (2007) liegt die Quote von Dentalängsten in Deutschland zwischen 10%–15% der Gesamtbevölkerung (z. B. Engling et al. 2006), in Schweden bei 5%. Jöhren et al. (2009) finden in Deutschland eine Prävalenz von 10% vor. In Australien werden 4,7% mit starker Angst ermittelt und 3,9% mit extremer Angst (Armfield et al. 2008). Von Macher (2000) werden 12% der Bevölkerung als manifest erkrankte Oralphobiker diagnostiziert. Kinder im Alter von 3–5 Jahren sind die größte Gruppe, die ein besonderes Verhaltens-Bewältigungs-Training benötigt (Abushal u. Adenubi 2000), was indirekt auf ihre Dentalangst schließen lässt. Unabhängig von vorgenannten Bevölkerungsbefragungen wird jeder dritte Zahnarztpatient vom Zahnarzt als ängstlich eingestuft und stellt für fast ein Viertel der Zahnärzte eine Belastung dar (Tönnies u. Heering-Sick 1989). Über die Altersverteilung von Dentalängsten ist wenig bekannt. Nach einigen Studien nimmt die Dentalfurcht mit zunehmendem Alter ab; dies hängt wahrscheinlich von den zunehmenden kognitiven Fertigkeiten des Kindes ab – und von ihren zunehmenden Möglichkeiten, den Ausdruck ihrer Angst zu kontrollieren.
Genderanalyse Der Zusammenhang zwischen Geschlecht und Zahnarztangst wird in der Literatur sehr kontrovers berichtet (Hagenow 2007; Bakarcik et al. 2007). In Singapur sind bei Mädchen 2,64-mal häufiger Dentalängste festzustellen als bei Jungen (Chellappah et al. 1990). In Australien hatten doppelt so viele Frauen (26,1%) als Männer (14,3%) Dentalangst (Armfield et al. 2008). In Deutschland berichten 3,2-mal mehr Frauen von ihrer Dentalangst als die Männer. Wahrscheinlich gestehen sich Frauen ihre Ängste eher ein oder geben sie eher zu (Wardle 1984).
134
Kapitel 4 • Lernen
Dekompensation Dekompensationsgrenze
Subjektiv kritischer Werte Dentaleingriff
4 Belastung
Bewältigung Kritische Ereignisse z. B. Konflikte in der Schule, Familie, Gruppe Dauerschmerz Dauerangst Alltägliche Stressoren
Mangelnde soziale Unterstützung
Lernmodelle
Emotionale und kognitive Informationsverarbeitung
Allg. und spez. Kompetenzen zur Bewältigung u.a. von Stress/Schmerz/Angst
Vorherrschende emotionale, kognitive und soziale Atmosphäre/Erziehung
Prä-und postnatale Entwicklungsfaktoren Anlage/Umwelt = angeboren – erworben/erlernt
. Abb. 4.7 Vulnerabilitätsmodell für Dentaleingriffe bei Kindern. Auf der Basis zahlreicher psychosozialer Faktoren wird ein bislang gewohntes Verhaltens- und Bewältigungssystem von Schmerz oder Angst durch innere und äußere belastende Situationen akut und abrupt überfordert. Die Überforderung kann das Resultat aus einer kurzfristigen starken oder aus einer lang andauernden kumulativen Belastung sein und kann sich beim Dentaleingriff in einer plötzlichen Dekompensation äußern
Soziodemografie Hagenow (2007) kann in seiner umfangreichen Literaturübersicht aufzeigen, dass durchgängig bei Erwachsenen und Kindern (in Holland, Skandinavien, Schottland) mit höherem sozialen Status geringere Angstwerte festzustellen sind. Bei Kindern (in Kroatien) mit einem armen sozialen Hintergrund ist die Dentalangst größer, ihre Erfahrung mit Zahntraumata am größten. Wahrscheinlich sorgen sich diese Eltern weniger
um die Zahnprobleme ihrer Kinder, verbringen weniger Zeit mit ihren Kindern; ihre geringere Bildung wird auch dazu beitragen, die Bedeutung der Zahngesundheit nicht angemessen einzuschätzen (Bakarcic et al. 2007). Im Extrem konnte es der Autor am Unterlauf des Amazonas feststellen; dort leben und ernähren sich die sehr armen Bauern vom Zuckerrohranbau und haben eine hohe Quote an Diabetes und Karies. Sie haben kein Geld, um sich
135
4.5 • Therapie – Angstabbau
Zahnbürsten und Zahnpaste zur Zahngesundheit zu leisten.
4.4.5
4
Vorrang (Bos et al. 2008). So ist die Frage, ob sie mit diesem Wertesystem zwingend die erforderliche Zahnprophylaxe konsultieren.
Prävention
Praxis konkret – Angst vor dem Zahnarzt 5 Ängste vor dem Zahnarzt können sowohl klassisch als auch operant erlernt sein. – Oft sind diese Ängste von ihrer Genese her Mischformen und durch frühere Schmerzerlebnisse bedingt. – Meist werden sie durch Zuwendung z. B. der Eltern operant aufrechterhalten. 5 Dentalängste werden in hohem Maße durch Erwartungsängste in Bezug auf ein Schmerzerleben bestimmt. 5 Ängste können auch durch Vorbilder, Erzählungen oder Bilder bewirkt werden. 5 Es werden Angstsysteme konstruiert, die Fehlbewertungen und Vermeidungsverhalten bewirken und dadurch besonders behandlungsresistent sein können. 5 Ängste müssen nicht immer komplexe »Zahnarztängste« sein, sie können auch auf Teilbereiche bezogen sein wie: – Angst vor einem Mann, – Angst vor der Spritze, – Angst zu ersticken, – Angst, ausgeliefert zu sein, – Angst, von der Mutter getrennt zu werden. 5 Dies ist jeweils von der individuellen Lerngeschichte bestimmt.
Prävention für die Zahnhygiene und damit Abnahme von Dentalängsten sollte möglichst früh erfolgen, indem bereits das Kleinkind möglichst häufig erfährt, wie unproblematisch Zahnarztuntersuchungen und -behandlungen sein können.
Latente Inhibition und Prävention Wird ein Reiz wiederholt folgenlos dargeboten, bevor er in einer Lernphase (Konditionierung) als konditionierter Stimulus (CS) mit einem unkonditionierten Stimulus (US) gepaart wird, schwächt dies seine Assoziierbarkeit mit dem US. Dies reduziert die spezielle selektive Aufmerksamkeit (Filsiner et al. 2002). Entsprechend kann man das Lerngesetz der latenten Inhibition zur Prävention von Furcht oder Phobien einsetzen (Rachmann 1990 a; Lubow 1998), indem Kinder möglichst früh und häufig neutrale Zahnerfahrungen machen. Dazu kann dann der Zahnarztbesuch simuliert und vom zahnärztlichen Fachpersonal durchgeführt werden. Zur Lernverfestigung sollte der Behandlungsraum stets konstant bleiben und bei wechselndem Personal auch die Kleidung (Kittel, Mundschutz etc.). Diese Methode erfordert 2–5 Sitzungen von je 20 min Dauer und reduziert die Möglichkeit einer Dentalphobie deutlich (Eiche u. Cook 2001).
Wertbeimessung der Prävention Inwieweit Prävention im Zahnbehandlungsbereich in der Realität greift, mag eine Untersuchung aus Holland verdeutlichen, in der Kinder im Altern von 9–13 Jahren über ihre Werte befragt wurden. Wenn sie von sich annahmen, attraktive Zähne zu haben, so nahmen sie von sich an, bessere Schulnoten zu bekommen, schlank zu sein, mehr Freunde und mehr Geld zu besitzen und eine bessere Gesundheit zu haben als diejenigen Kinder, die ihre Zähne als unattraktiv empfanden. Attraktiven Zähnen wurde danach zwar ein hoher Wert zu bemessen; dennoch gaben sie in ihrem Leben anderen Werten (Schulnoten, Freunde, Aussehen, Geld, Gesundheit) den
Am Ende dieses Kapitels ist ein Angstfall aus dem Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie beschrieben, der verdeutlichen soll, wie individuell unterschiedlich die Genese, Aufrechterhaltung und Therapie von Ängsten sein kann.
4.5
Therapie – Angstabbau
Die einzelnen therapeutischen Methoden zum Angstabbau sind teilweise sehr differenziert oder zeitintensiv. Meist benötigen sie klare Diagnosen und Indikationen und strikte Einhaltung bestimm-
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Kapitel 4 • Lernen
ter umfassender und systematisch anzuwendender verhaltenstherapeutischer Methoden. Sie sollten dann weitgehend den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten vorbehalten bleiben. Tiefenpsychologische Methoden werden in der Kindertherapie von Dentalängsten extrem selten angewandt.
4 4.5.1
Verhaltenstherapeutische Methoden zum Angstabbau in der Zahnarztpraxis – Übersicht
In der umfassenden und vielschichtigen Fachliteratur zu kindlichen Dentalängsten werden übereinstimmend verhaltenstherapeutische Interventionen empfohlen, da sie schnell anwendbar und höchst effektiv sind. Bei der Fülle von relevanten Interventionsmethoden können hier nur Kurzbeschreibungen erfolgen.
Klassische kognitiv-behaviorale Therapiemethoden Durchgängig werden für den zahnärztlichen Bereich Behandlungsmethoden empfohlen, die auf Verhaltenstherapie basieren (Thompson 1999) und selbstverständlich auch ihre imaginativen und kognitiven Konzepte einschließen. Wenn wir hier Barber (1969), dem Pionier in der Entwicklung der kognitiv-behavioralen Theorie der Hypnose, folgen, ist ihre Nähe zu zahlreichen kognitiv-behavioralen Methoden bestechend klar (Kossak 1989). Entsprechend ist die Kombination von moderner Hypnose und moderner Verhaltenstherapie nur äußerst logisch (z. B. Bowers 1982; Kossak 1991; Revenstorf 1991). Die nachfolgenden für die Zahnarztpraxis relevanten verhaltenstherapeutischen Behandlungsmethoden erscheinen auf den ersten Blick sehr einfach und verführen deshalb schnell dazu, sie unkritisch handwerklich anzuwenden, was zu Fehlern führen wird. Lässt man z. B. ein Kind längere Zeit allein im Behandlungsstuhl sitzen, so ist das gewiss kein verhaltenstherapeutisches Vorgehen, das man als Habituation bezeichnen könnte (wie in einer Publikation so angegeben). Jede kompetente Behandlung setzt auch hier eine qualifizierte Ausbildung voraus.
Abbau des Vermeidungsverhaltens Es wird gelernt, dass die als schlimm empfundene aversive Situation eigentlich harmlos ist. Darum wird ihr weniger Bedeutung zugemessen (Attribution) und im gesamten Bewertungssystem Angst/ Zahnarzt kann Beruhigung eintreten. Praxis: Der gesamte Komplex der psychologischen Interventionen des Zahnarztes trägt zum Angst- und Schmerzabbau und der neutralen Bewertung bei, sodass kein Vermeidungsverhalten mehr erforderlich wird.
Graduelle bzw. langsame Annäherung an die Angstsituation Es wird ebenfalls gelernt, dass die ehemals als angstbesetzt erlebte Situation harmlos ist. Praxis: Die behutsame und freundliche Vorgehensweise mit Handpuppen ermöglicht dies.
Gewöhnung (= Habituation) Durch häufigen oder längeren Kontakt mit der Situation bzw. mit den angstauslösenden Reizen erfolgt eine Gewöhnung, verbunden mit einer Angstabnahme. Praxis: Bereits im Vorfeld von Behandlungen wird den Eltern empfohlen, ihre Kinder beim abendlichen »Nachputzen« hinzulegen (s. abendliches Zahnputzritual, 7 Abschn. 5.4.7). Wird das Zähneputzen von den Eltern in dieser Liegeposition und dazu noch mit einer elektrischen Zahnbürste täglich durchgeführt, lernen die Kinder, spätere evtl. unangenehme Prophylaxemaßnahmen oder Zahnbehandlungen besser zu tolerieren. Sie sind dann bereits daran gewöhnt, dass im Liegen bei offenem Mund ein summendes, rotierendes Gerät an ihren Zähnen arbeitet. Befindet sich das Kind im Behandlungsraum oder sogar im Behandlungsstuhl, also in der kritischen Situation, so kann es sich beim Märchenerzählen, bei Zaubertricks in die Realsituation eingewöhnen.
Gegenkonditionierung Während der Angstsituation wird ein damit unvereinbarer positiver Reiz gegeben. Durch diese neue Konditionierung wird die alte Angstkoppelung von Reiz und Reaktion durch eine neutrale oder sogar positive Koppelung abgelöst.
137
4.5 • Therapie – Angstabbau
Praxis: Dies wird erreicht durch positive Erlebnisse wie Zaubertricks, Erlebnisse im Zauberwald, Belohnungen aus dem Krabbelbeutel etc.
Kognitive Umstrukturierung Die Methoden der kognitiven Umstrukturierung bewirken die Veränderung von ehemals negativen bzw. angstbesetzten Gedanken (und Attributionen, Motivation, Imaginationen) hin zu positiven Gedanken (Attributionen, Imaginationen) zu der Problemsituation. Da dem Geschehen eine andere Bedeutung zugeordnet wird, steht sie dann in einem anderen Bezugsrahmen (= Reframing). Praxis: Die Kinder erfahren die Behandlung als Zauber- oder Märchenveranstaltung; die technischen Instrumente erhalten kindgerechte Fantasienamen (7 Abschn. 2.3.8).
Probehandlungen Real, in Gedanken oder Imaginationen können Handlungen erprobt und durchgeführt werden. Sie führen ebenfalls zu kognitiven Umstrukturierungen, wenn sie aktive Lösungsstrategien und die Angst abbauende Verhaltensweisen und Gedanken usw. enthalten. Praxis: Das Kind selbst kann als Zahnarzt agieren und die Geräte oder Handpuppen manipulieren. In der Imagination oder Hypnose sind nahezu alle Probemöglichkeiten realisierbar.
Modelllernen Beobachtung eines angstfrei agierenden Modells in der kritischen Situation führt zur Angstabnahme und zum angstfreien Verhalten. Praxis: Hier können konkrete Personen, Handpuppen und Videofilme zum Thema relevante Bewältigungshandlungen vornehmen.
4
Distraktion Bei Angst und Schmerz erfolgt meist eine Aufmerksamkeitsfokussierung auf die Angst bzw. den Schmerz, die Auslösereize und die Gesamtsituation, was eine Symptomzunahme bewirkt. Die Aufmerksamkeitsdistraktion unterbricht meist diese Regelkreise. Erinnert sei daran, dass gerade Erwartungsängste in Bezug auf Schmerz sehr häufige Ursachen von Dentalängsten sind (7 Abschn. 4.6.2). Praxis: Auch hier helfen Zaubertricks, Geschichten und Hypnosesuggestionen, die ein intensives Erleben von angenehmen Ereignissen begünstigen – wie z. B. der Spaziergang im Zauberwald.
Erziehungs- und Milieuveränderungen Bei den zahlreichen aufrechterhaltenden Bedingungen der Angst muss die Beratung der Eltern erfolgen, um deren z. B. Überforderung, Modellverhalten oder Verstärkungen zu verändern. Praxis: Nur über intensive Elterngespräche und zeitaufwendige Vorbilddemonstrationen können derartige Veränderungen erreicht werden.
Die Tell-Show-Do-Methode Es ist eine Technik, die von Addelston (1959) erstmalig beschrieben wurde; sie benutzt verschiedene Konzepte der Lerntheorie zur Verhaltensformung, Habituation und kognitiven Umstrukturierung und beinhaltet: 5 Verbalerklärungen zu den Vorgehensweisen, die für das Entwicklungsalter des Kindes angemessen sind. 5 Demonstrationen (visuell, auditorisch, olfaktorisch, taktil) der einzelnen Vorgehensweisen auf vorsichtige und harmlose Weise. 5 Durchführung der Behandlungsschritte in gleicher für das Kind angemessener Weise – ggf. an oder mit Handpuppen realisiert.
Systematische Desensibilisierung Es ist die klassische Vorgehensweise. Kleine Angstreize werden systematisch im Wechsel mit Entspannung wiederholt, bis die Angst abnimmt. Im aufsteigenden Schwierigkeitsgrad werden so alle Angstintensitäten abgebaut. Praxis: Mittels Puppen und Geschichten erfolgt die graduelle Annäherung an die Angstsituation, um dadurch Angstabbau zu erreichen.
Vor der Durchführung der einzelnen Maßnahmen sollte das Kind immer erst gefragt und sein Einverständnis eingeholt werden (Yes-Set). Demzufolge ergänzen wir diese Methode und nennen sie »TellShow-Ask-Do-Methode«. Da Kinder – besonders bei Stress – nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne haben, sollte die Methode immer nur jeweils kurz vor der Interven-
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Kapitel 4 • Lernen
tion eingesetzt werden, sonst wird sie wenig effektiv sein.
Selbstmanagementfertigkeiten bei Angst
4
Ziel der Therapie ist es, den Patienten so zu behandeln, dass er zum eigenen Therapeuten wird. Dies beinhaltet für ihn, Fertigkeiten zu erwerben, die ihn in die Lage versetzen, erneut auftretende Probleme selbst zu bewältigen (Kanfer et al. 1991).
den sind, die auch das soziale Umfeld, so z. B. die Eltern, mit einbeziehen. Die hier konkret genannten Vorgehensweisen können deshalb nur Vorschläge sein, die bei einfacheren Ängsten wirksam sind. Bei psychotherapeutischen Interventionen sind sie differenzierter, komplexer strukturiert und deshalb nicht so einfach zu realisieren wie hier kurz dargestellt.
4.5.2
Für Selbstmanagementfertigkeiten sind folgende Abläufe erforderlich: 1 Selbstbeobachtung Identifikation von kritischen Situationen/Abläufen und Hinweisreizen, die Angst auslösen können. Zusätzlich erfolgt das Erlernen von der Entscheidung, ob eine Intervention erforderlich ist. Praxis: Das Kind erkennt, wann die Reize so stark sind, dass es Gegenmaßnahmen ergreifen muss; es erlebt physiologisch und emotional, dass die Interventionen immer harmloser werden.
Hypnose – kombiniert mit Verhaltenstherapie
Hypnose in Kombination mit den vorgenannten behavioralen Methoden der Angstreduktion bietet hier jedoch eine sehr gute Möglichkeit, ausgewählte Aspekte der Angst abzubauen. Einige dieser oft komplexen verhaltenstherapeutischen Vorgehensweisen sind in der Falldarstellung (7 Abschn. 4.7) differenziert dargelegt. Zur Kombination bieten sich zusätzlich an: EMDR, energetische Psychologie, Akupressur und Homöopathie (näheres hierzu ▶ Kap. 7).
2 Coping Erlernen von Entscheidungen über akti-
ves Verändern (der Situation) oder passive Anpassung oder den Einsatz von Bewältigungsstrategien. Praxis: Das Kind hat verschiedene Methoden zur Angstreduktion erlernt (z. B. Entspannung, Selbsthypnose) und kann diese sinnvoll einsetzen. 3 Evaluation der Bewältigungsstrategien Effektivi-
tätsbeurteilung des Handelns (des Coping). Praxis: Das Kind kann mit der Zeit genau beurteilen, welche Maßnahmen hilfreich und effektiv sind, die es dann sinnvollerweise anwendet. Kinder benutzen meist unterschiedliche Copingstrategien. Bei Angst- und Schmerzproblemen sind es mehrere Strategien (z. B. Entspannung, Ablenkung, Fernsehen), bei Angst mehr internale Strategien wie z. B. Distraktion (Versloot et al. 2004). Je nach Entstehung, Komplexität, Dauer und Intensität der bestehenden Ängste und ihrer sie aufrechterhaltenden Bedingungen können sie sehr viel an Therapieaufwand benötigen. So können die vorgenannten und einfach wirkenden Methoden sehr differenzierte Planungen und Durchführungen brauchen, die mit einer längeren und intensiven psychotherapeutischen Behandlung verbun-
Praxis konkret – Angstabbau durch neues Lernen in Hypnose 5 Bauen Sie das Vermeidungsverhalten ab durch Verstärkung des dazu alternativen Aushaltens der Angst. 5 Bauen Sie Angst und ihre Vermeidung ab durch Verstärkung der Annäherung an die Situation. 5 Schaffen Sie eine angenehme Situation, in der sich das Kind entspannen kann. 5 Durch Hypnose wird das Kind zur Entspannung geführt, was zur Gegenkonditionierung beiträgt. 5 Durch Probehandeln in Hypnose kann das Kind Angstbewältigung erlernen. 5 Durch kognitive Umstrukturierung in Hypnose kann das Kind eine andere Bewertung der Situation erlernen (= Reframing). 5 Durch das Verweilen in Hypnose und Entspannung gewöhnt sich das Kind an die Situation (= Habituation). 5 Das Kind kann im Video oder in Hypnose ein erfolgreiches Modell beobachten und es nachahmen (= Modelllernen).
139
4.5 • Therapie – Angstabbau
5 Eltern sollten in möglichst allen Aspekten kooperieren. Faszination 5 Bewirken Sie Faszination durch z. B. Handpuppen, Schwebevogel, spannende Geschichten, aktive Beteiligung des Kindes. 5 Halten Sie die Faszination aufrecht durch kontinuierliche Interaktion. 5 Auf Faszination und Distraktion sollten Suggestionen der Entspannung folgen. 5 Insgesamt kann das Kind eine Anzahl von Bewältigungsstrategien (Coping) erwerben, die es sinnvoll in Angstsituationen anwenden kann.
4.5.3
Methodische Grenzen in der Zahnbehandlung
4
rika benutzen diese Methode VC, auch wenn die Eltern sie als wenig akzeptabel ansehen (McKnightHanes et al. 1993).
Hand Over Mouth (HOM) Indem der Zahnarzt seine Hand über den Mund des Kindes legt, ohne die Nase dabei abzudecken, grenzt er das Kind im Zahnarztstuhl körperlich ein. Sobald es ruhig ist, wird die Hand wieder entfernt. Man geht wahrscheinlich davon aus, dadurch das angemessene Verhalten negativ zu verstärken (= Wegfall eines aversiven Stimulus), vergisst dabei jedoch, dass Ängste erzeugt werden. Die Effektivität der Methode wurde nie überprüft, ihre Legalität ist zweifelhaft; in Saudi-Arabien ist sie bei 60% der Zahnärzte und 64% der Kinderzahnärzte gebräuchlich (Abushal u. Adenubi 2000) – aber auch immer noch in vergleichbar hohem Maße in Nord-Amerika (Barton et al. 1993).
Selective Exclusion of Parents (SEP) Bei der zahnärztlichen Behandlung von Kindern werden nach zahlreichen repräsentativen Umfragen einige Methoden angewandt, die sehr kritisch zu bewerten und nur aus der Hilflosigkeit des Behandlers zu erklären, jedoch menschlich und fachlich nicht zu verstehen sind.
Problemmethoden Einige Methoden sind nicht nur als grenzwertig, sonder auch als kontraindiziert zu bezeichnen. Die gebräuchlichsten sollen hier genannt sein.
Voice Control (VC) Da besonders Kinder mehr auf den Tonfall der Stimme als auf Worte reagieren, wird empfohlen, durch Veränderung von Stimmvolumen, Tonfall und Redefluss das unkooperative Kinderverhalten zu beeinflussen. Dies soll die Aufmerksamkeit verbessern und die Autorität des Zahnarztes vergrößern, z. B. durch abrupte Lautstärkenzunahme. Der Übergang zum Anschreien ist hier fließend. Bei sehr kleinen Kindern und bei intellektuellen oder emotionalen Schwächen ist diese Methode besonders unangemessen. Empathischere Methoden wie z. B. Hypnose sind hier bestimmt auf vielen Ebenen hilfreicher (Roberts 1995). Jedoch 98% der Zahnärzte in Ame-
Verhalten sich die Kinder nicht angemessen, so werden ihre Eltern dann sofort aus dem Behandlungsraum geschickt. Sobald sich das Kind angepasst verhält, dürfen die Eltern wieder zurückkommen, um durch ihre Zuwendung nun das erwünschte Verhalten zu verstärken. Die lerntheoretische Idee mag richtig sein, aber nicht ihr moralischer Aspekt. Es verstößt gegen ethische Grundprinzipien, ein Kind in der Therapie mit Liebesentzug zu manipulieren. Wahrscheinlich sind diese Zahnärzte nur in der Kommunikation mit einer Person geübt und von einer mehrdimensionalen Kommunikation überfordert (Kamp 1992). Allein diese 3 relativ bekannten Methoden zeigen, wie die Lerntheorien falsch verstanden und missbraucht werden. Sie veranschaulichen auch, dass Kinder emotional misshandelt werden können, wenn man unter Stress steht, keine Alternativmethoden beherrscht und die Veränderung in der Erziehungshaltung – auch in der zahnärztlichen Praxis – in den letzten Jahrzehnten nicht mitbekommen hat (Long 2004; Sheller 2004). Hilflosigkeit und Unwissenheit führte zum Wiederaufleben der Schwarzen Pädagogik der zurückliegenden Jahrhunderte.
140
Kapitel 4 • Lernen
Grenzen der Behandler
4
Da jede Behandlung ihre Grenzen hat, sollte eine erfolglose Behandlung beim Kinderzahnarzt wegen zu großer Ängste oder wegen zu intensiver Verhaltensprobleme nach ungefähr 3 Sitzungen abgebrochen werden, denn dann sind andere und intensivere Behandlungen erforderlich. Bei intensiveren Ängsten oder nach vorgenannt begründetem Abbruch sollte deshalb ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut konsultiert werden. Erst wenn dort bereits Erfolge erzielt wurden und das Kind über zuverlässige Angstbewältigungsstrategien verfügt, kann wieder an eine begleitende Zahnbehandlung gedacht werden, in der die erprobten Strategien nun direkt in der kritischen Situation angewandt werden können.
4.6
Triade Schmerz – Angst – Stress
Wie in den zahlreichen Untersuchungen zur Genese der Dentalangst festgestellt wurde, haben frühere Schmerzerlebnisse die Wirkung von indirekten Konditionierungen. Bei diesem engen Zusammenhang muss auch hier die Schmerzproblematik umrissen werden.
4.6.1
Schmerz – Geschichte, Theorie und Ethologie
Schmerzreize geben Information über Verletzungen, Entzündungen oder Veränderungen und dienen als Signal, weitere Beeinträchtigungen zu verhindern, um so zur Erhaltung des Individuums beizutragen. Deshalb ist physischer Schmerz transkulturell ein Reiz dafür, Flucht, Abwehr oder Angriffsverhalten zu aktivieren und bei Mitmenschen Mitleid, Beruhigung und Ursachenerkundung spontan auszulösen (Eibl-Eibesfeldt 1997). Gerade das Schmerzproblem ist eng mit der Geschichte der Hypnose verbunden, da Hypnose z. B. bei Zahnschmerzen häufig angewandt wurde. Die Chirurgen Elliotson (1843) und Esdaile (1847) operierten vorwiegend nur unter Verwendung von Hypnose. Die Mortalitätsrate sank dadurch von 50% auf 5% (Bramwell 1903). Durch die Erfindung von schnelleren und immer wirksameren Mitteln
wie Äther oder anderen Narkosemittel wurde Hypnose dann verdrängt. Verbunden mit ihrer Renaissance in Deutschland hat auch die Hypnoseintervention bei Schmerzen in den unterschiedlichsten Organbereichen bzw. bei vielen Erkrankungen wieder einen hohen Stellenwert erhalten. Verbunden mit dem Bereich der Palliativmedizin haben sich zahlreiche Theorien und Behandlungsmethoden entwickelt.
4.6.2
Schmerz – Angst – Stress als Wechselwirkungen
Im Abschnitt über die Ätiologie der Dentalangst (7 Abschn. 4.4.2) wurde durchgängig deutlich, dass über Schmerzerlebnisse mit oder ohne Zahnarztinterventionen deutlich indirekte Konditionierungen von Erwartungsängsten gegenüber Dentalinterventionen erfolgen, also signifikant Dentalängste über Schmerzerfahrungen entstehen. Letztlich müssen wir auch Stress in dieses Behandlungssystem mit einbeziehen. Aus den o. g. Zusammenhängen wird sehr deutlich, dass auch Stress bzw. Ausgeglichenheit starken Einfluss auf die Schmerzschwelle ausüben (. Abb. 4.8).
Schmerz – seine beeinflussenden Faktoren Ohne Bemühung einer speziellen Stresstheorie sind hier ganz pragmatisch folgende Aspekte für Kinder und Jugendliche beispielhaft zu nennen (. Abb. 4.8): 5 Überforderungen in sozialen, intellektuellen, motorischen etc. Bereichen. 5 Beeinträchtigende psychosoziale Bedingungen wie z. B. Raumnot, Finanzen, Erkrankungen, Eheprobleme, Erziehungsstil usw. 5 Stress kann hierbei meist objektiv vorliegen, jedoch auch rein subjektiv, so z. B. bei chronischen (unbegründeten) Versagensängsten oder negativer Selbstbewertung. 5 Unterforderung und dadurch Langeweile, Kränkung und überstarke Selbstbeobachtung von beispielsweise möglichen Schmerzwahrnehmungen. 5 Unterforderung, gefolgt von mangelnden speziellen Kompetenzen, die zu Angst und/oder
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4.6 • Triade Schmerz – Angst – Stress
4
Stress
Lernen Vorerfahrungen Erwartungshaltungen Konditionierung Verstärkung Modelllernen
Angst
Sozialfaktoren Kommunikation Gruppennormen Kultur Erwartungen Anerkennung Ablehnung
Allgemeine Faktoren Kultur, Kontext Persönlichkeit AufmerksamkeitsFokussierung Erwartungen Motivation
Schmerz
. Abb. 4.8 Triade Angst – Schmerz – Stress. Grobschematische Darstellung der gegenseitigen Beeinflussung von Angst, Schmerz und Stress – und ihre gemeinsamen miteinander interagierenden Bestimmungsfaktoren
geringer Frustrationstoleranz führen. Bereits geringe Anforderungen können hier Stress in Form von Versagensängsten und als Gefühl der Überforderung auslösen. 5 Erziehungsstil: Der autoritäre Stil unterdrückt und überfordert, der Laissez-faire-Stil verunsichert und überfordert ebenfalls; durch ihn wird kaum Frustrationstoleranz erlernt. In der Triade von Angst – Schmerz – Stress kann bereits einer der Faktoren auslösend oder primär bestimmend sein, die anderen in hohem Maße bedingen und deren Schwelle ebenfalls senken. Somit wird hier stets eine Intervention sinnvoll sein, die grundsätzlich zur psychischen Beruhigung und zur physiologischen Entspannung dient. Hypnose bietet dabei ausgezeichnete Möglichkeiten, die bei Kindern nahezu spielerisch wirken, aber höchst effektiv sind. Hinzu kommen dann die für den individuellen Bedarf konzipierten behavioralen und
hypno-behavioralen Interventionen zur Angstoder Schmerzbehandlung.
4.6.3
Aspekte der Neuropsychologie und Hypnose
Bei großen Verletzungen oder bei starker emotionaler Erregung können Schmerzen nicht oder nur ausgeblendet wahrgenommen werden. Dies beinhaltet auch, dass Erwartungshaltungen, Bewertungen, Befindlichkeit und Spannung Wirkungen auf die Schmerzschwelle haben, so auch die Aufmerksamkeit, die emotionale Einschätzung, kognitive Bewertung, Imaginationen und das Erregungssystem (Miron et al. 1989). Aussagen über ganz spezielle kognitive oder emotionale Wirkfaktoren sind hier kaum möglich. Mit symptombezogener Hypnose wie Suggestionen der Taubheit, Abschalten, Verschieben oder Umdeuten des Schmerzes verändert sich das
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Kapitel 4 • Lernen
Erlebter Ort der Kontrolle
4
Zustand vor der Therapie
Zustand nach der Therapie
Erlebter externaler Ort der Kontrolle Umwelt, andere Personen, Symptome
Erlebter internaler Ort der Kontrolle Umwelt, andere Personen, Symptome
Person
Person
Ausgeliefert sein
Selbstbestimmung
Verhaltensabhängigkeit, erlernte Hilfosigkeit Vermeintliche keine Kontrolle »Ich bin ausgeliefert, kann nichts, muss abwarten...« Abnahme von Aktivitäten
Information gewinnen = Selbstbeobachtung Kognitiv: Veränderungen sind aktiv möglich »Ich kann mir helfen, kann Symptom verändern.« Zunahme von Aktivitäten und Autonomie
. Abb. 4.9 a, b Erlebter Ort der Kontrolle, a vor und b nach der Therapie. a Bei z. B. Angst, Schmerz, Depression, Zwangsverhalten etc. fühlt sich der Patient dem Symptom ausgeliefert und von außen kontrolliert, kann nicht oder kaum über sich selbst bestimmen; b nach der Therapie besitzt der Patient mehr an Autonomie; er kann aktiv am Leben teilnehmen, da er sich wieder selbstbestimmt erlebt
Schmerzgedächtnis, da sie positive oder neutrale Bewertungsschemata bewirken und dadurch eine Neubewertung des Schmerzes erzielen (Hoppe 1993; Ruoss 1998). Sehr vereinfacht erfahren nozizeptive Reize eine zentrale Modulation im anterioren Gyrus cingulus und im präfrontalen Kortex. Sie wirken über hemmende absteigende Schmerzbahnen modulierend auf die spinale Informationsweiterverarbeitung. Ein Schmerzgedächtnis ist dabei wesentlich; es vergleicht gegenwärtige Schmerzimpulse mit früheren Erfahrungen und nimmt anschließend eine Schmerzbewertung vor (Ruoss 1998). Siehe hierzu auch 7 Abschn. 1.6.1.
Kontrollerwartung, Locus of Control Nach dem Modell der Kontrollerwartung und des Locus of Control der sozialen Lerntheorie (Rotter 1966) werden Menschen, die für sich subjektiv das Gefühl haben, sich selbst (ihre Handlungen, Symptome usw.) bestimmen zu können, aktiver sein und in höherem Maße Prävention betreiben. Im Kontrast dazu stehen die Personen, die sich von anderen Personen, Glück, Schmerz, Symptomen oder höheren Mächten (dem Zufall) gesteuert fühlen. Das reduziert die Möglichkeit, den Schmerz und das Schmerz- und Angsterleben kontrollieren zu können. Deshalb ist es wichtig, dem Pa-
tienten Signale wie Handheben oder die »Ampelhand« (7 Abschn. 5.4.1) zu vermitteln, mit denen er die Arztinterventionen regulieren kann (Rotter 1966). Bei positiven Erwartungen, Selbstkontrollmöglichkeiten und Ausgeglichenheit steigt also die Schmerzschwelle; sie sinkt bei Negativerwartungen, Hilflosigkeit, Angst, Stress, Unruhe. Ebenso spielen auch antizipierte Folgekonsequenzen bei der Schmerzwahrnehmung und Schmerzbeurteilung eine Rolle (Rainville et al. 2001). Besonders chronische Erkrankungen, welche u. a. Verlust von Eigenkontrolle und Hilflosigkeit sowie Erwartungsängste zur Folge haben, sowie operante und respondente Konditionierungen führen zum Sinken der Schmerzschwelle. Hinzu kommen u. a.: Weinen, Rückzug, Gereiztheit, Aggressivität, Klagen, Schutz suchen. Die Auswirkungen von z. B. Schmerz auf den erlebten Ort der Kontrolle und seine Veränderungen durch eine Therapie sind in . Abb. 4.9 dargestellt.
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4.6 • Triade Schmerz – Angst – Stress
4.6.4
Kind und Schmerzbewertung
Zur Aufrechterhaltung des Schmerzes tragen bei Kindern und Erwachsenen zahlreiche psychische Faktoren bei (z. B. Ingersoll 1987).
Krankheitsgewinn durch Aufmerksamkeitszuwendung Das Kind erhält durch seine Schmerzen, besonders sein Klagen, seine Mimik usw. Zuwendung durch seine Bezugspersonen – besonders bei Zuwendungsdefiziten. Zusätzlich kann es die Nähe seiner Bezugsperson bewirken, was dann wahrscheinlich mehr ein Trennungsproblem der Bezugsperson ist. Mit Schmerzen kann man Statusgewinn erreichen und so in der Familie oder der Gruppe Gleichaltriger Zuwendung und gleichzeitig Verstärkung von Angst und Schmerz erfahren. Letztlich ist hier auch der Krankheitsgewinn anzusiedeln, der entsteht, wenn das Kind durch seinen Schmerz Kontrolle auf z. B. die Eltern ausüben kann. Dieser psychische Faktor der Aufmerksamkeitszuwendung und Schmerzzunahme hat in der psychologischen Behandlung von Schmerzen einen hohen Stellenwert. Erfolgt die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf äußere Reize, wird dadurch der Schmerz reduziert. Erfolgt eine allgemeine Aktivitätssteigerung hin zu schmerzinkompatiblen Verhaltensweisen, wird ebenfalls der Wahrnehmungsfokus weg vom Schmerzerleben gelenkt und bewirkt Schmerzreduktion (z. B. Ruoss 1998). Schmerzpatienten haben sogar ein höheres Aktivitätsbedürfnis (Schmied 1992). Bei Kindern bietet sich das Spiel mit seinen Ablenkungs- und Aktivierungseffekten besonders gut als Methode der Schmerzlinderung an (Lesky 2000).
Gewinn durch Vermeidung Durch die Schmerzen kann das Kind subjektiv aversive Situationen, Handlungen, Personen vermeiden – und erfährt dadurch negative Verstärkung (= Reduktion eines aversiven Zustandes) für sein Schmerzverhalten. Hierher gehört auch der Bauchschmerz vor Klassenarbeiten, der durch Versagensangst bedingt ist, dann jedoch öfter auftritt oder bestehen bleiben kann, wenn dadurch die Klassenarbeit vermieden werden kann. Auch das Weinen,
4
besonders das Mitleidsweinen (▶Abschn. 2.3.7), spielt hier eine bedeutsame Rolle.
Erwartungshaltungen Auch die Erwartungshaltungen des Kindes und seiner Umwelt sind sehr bedeutsam; gehen die Eltern liebevoll-fürsorglich, aber gelassen und eher beschwichtigend (auch mit Ablenkungen) auf den Schmerz ein, wird sich das Kind schneller beruhigen und eine Schmerzreduktion erleben. Hat das Kind häufigen Kontakt mit Ereignissen, die Schmerz bewirken können (z. B. Verbandwechsel, Injektionen, Bohren), wird seine negative Erwartungshaltung zunehmend mit Angst verbunden sein und die Schmerzschwelle sinken lassen. Der Weltenbummler, Aktivist und SurvivalSpezialist Nehberg berichtet mehrfach, dass bei seinen Expeditionen auf dem Blauen Nil in Äthiopien die sonst so mutigen Eingeborenen Kopfschmerzen vortäuschten, sobald nur einer von ihnen eine Tablette bekommen hatte. Tablettenkonsum war bei ihnen scheinbar mit Statusgewinn verbunden (Nehberg 2005).
Schmerztoleranz Die relative Ertragbarkeit von Schmerzen hängt von zahlreichen psychischen Faktoren wie z. B. den vorgenannten ab. Bewertungen aus dem Kulturkreis und der Familientradition spielen hier wichtige Rollen.
Religiöse und moralische Aspekte – Erwartungshaltungen Bewertet das Kind seinen Schmerz als (gerechte) Bestrafung für seine realen oder angenommenen Verfehlungen (= Sünden), dann hat der Schmerz ebenfalls seine »moralische« Funktion und muss bestehen bleiben, bis eine »Freisprechung« erfolgt. Hierher gehören auch Bewertungsmuster wie »Der Schmerz ist von Gott gewollt«. Aufklärungsgespräche hierzu können bis in das elterliche religiöse Glaubenssystem reichen. Praxis konkret – Schmerz 5 Schmerz ist nicht allein ein physiologisches Warnsignal. 5 Schmerz kann moralisch bewertet als Strafe erlebt werden.
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Kapitel 4 • Lernen
5 Schmerz und Schmerztoleranz kann kulturell bedingt sein. 5 Durch zahlreiche Lernprozesse kann Schmerz bestehen bleiben, weil er (unbewusst) Vorteile erbringt. 5 Schmerz kann durch Fokussierung auf andere Reize und/oder eine Aktivitätssteigerung hin zum schmerzinkompatiblen Verhalten reduziert werden (Hypnose und Entspannungsverfahren wirken dabei unterstützend).
4
4.6.5
Kausaltherapie
Diese wenigen Beispiele machen deutlich, dass Schmerz nicht unbedingt allein zu behandeln ist, sondern die ihn aufrechterhaltenden Bedingungen ebenfalls. Dazu gehören nicht nur die kognitiven Bedingungsmodelle des Kindes (z. B. Erwartungen, Bewertungen), sondern konkret auch die elterlichen verstärkenden Verhaltensweisen. Ohne ihre Veränderung sind bei Kindern selten dauerhaft erfolgreiche Schmerzbehandlungen zu erreichen. Hier sind deutliche Parallelen zur Aufrechterhaltung und Behandlung von Ängsten festzustellen.
4.7
Falldarstellung zum Angstproblem (Praxis Dr. Kossak)
Der nachfolgende Fall aus der psychotherapeutischen Behandlung von Angstproblemen im Kindes- und Jugendalter sollen die Komplexität und Vielfältigkeit in der Diagnostik der Entstehung und Aufrechterhaltung von Ängsten und ihrer Behandlung verdeutlichen. Auch wenn hier – wie dargestellt – Hypnose äußerst effektiv ist, stellt sie mitunter nur einen Teil der umfassenden Therapie dar. Oft ist gerade bei Dentalproblemen eine Methodenkombination von Verhaltenstherapie und Hypnose sinnvoll, die sich vor allem bei Ängsten in zahlreichen Studien als besonders effektiv erwiesen hat (Kirsch et al. 1995; Kossak 2004).
z
Armin – Zahnarztangst seit dem Babyalter
Zustandsbild Armin, 13 Jahre alt, verweigert von
klein auf jeglichen Zahnarztkontakt. Sein Gebiss ist seit langem in hohem Maße sanierungsbedürftig. Er hat große Angst, dass dort Schmerzen und »viel Schlimmes« auftreten können. Er hat auch diffuse Angst, ausgeliefert zu sein. Deutlich wird eine massive Blutphobie und Angst vor lauten Geräuschen. Genese Armin hat Kraniosynostosen, eine ext-
rem seltene (wahrscheinlich rezessive) Krankheit, bei der sich die Knochennähte des Kopfes zu früh schließen und zusammenwachsen, sodass das zunehmende Gehirnvolumen nicht ausreichend Raum findet und unter intrakranialer Drucksteigerung massiv geschädigt wird. Das erforderte im Alter von wenigen Monaten das Auffräsen der Schädelnähte, verbunden mit großen Blutungen, da die Kopfhaut dafür weggeklappt werden musste. Obwohl die Operation unter Narkose erfolgte, hat Armin seitdem die großen Ängste. Die Familie nimmt Rücksicht darauf. Als Auswirkung der beengten Zerebralentwicklung ist Armin geistig behindert, besucht eine Sonderschule und steht oft im Mittelpunkt der Familie. Therapie Die Kommunikation mit Armin erfolgt in kurzen, einfachen Sätzen, sodass er seine Ängste aus seiner Perspektive beschreiben kann. Nach anfangs ablehnender Haltung kann er Vertrauen zu mir fassen und es entwickelt sich schnell ein gutes Beziehungsverhältnis. So können wir uns langsam der Behandlung der einzelnen Angstbereiche nähern (Habituation): Wir schauen uns gegenseitig in den Mund, hantieren spielerisch mit dem Zahnarztspiegel und setzen ihn wie der Zahnarzt ein. Dabei werden stets kleine Spielpausen zur Entspannung eingelegt. Bei schwierigen Angstaufgaben (z. B. Blut sehen) wirkt gleichzeitiger Schokoladenverzehr als Gegenkonditionierung. Die aus dem Zauberladen besorgten Kapseln mit Kunstblut erregen Neugier und Ablehnung, da Blut in einer Kapsel und ohne Schmerzen zu beobachten ist; mit Interesse hört er zu, als ich ihm berichte, dass man in Filmen Verletzungen und Blut simuliert, also nicht alles schlimm ist, was danach aussieht oder rot ist (kognitive Umstruktu-
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Literatur
rierung). Über das Herstellen von roter Wasserfarbe und roter Brause kann er später das echt aussehende Trickblut handhaben, sich damit beklecksen und gewollt seine Eltern mit seiner »Verletzung« erschrecken. Diese sind wie vorher instruiert »geschockt« und reagieren anerkennend auf seinen »Mut«. Da die Zahnarztinterventionen auch Injektionen erfordern werden, erfolgt auch hier eine Habituation: gegenseitiges Nassspritzen mit Wasser aus Kunststoffspritzen bis hin zur Simulation des Ernstfalls. Die Behandlung der Angst vor lauten Geräuschen wird seinen Eltern anvertraut. Da beim Zahnarzt der ungewohnte Knochenschall als unangenehm erlebt wird, soll sein Vater mit ihm wie schon lange gewünscht Handwerken und dabei zunehmend öfter eine elektrische Bohrmaschine verwenden, die Armin später stolz selbst handhaben kann. Wirkungen Nach ca. je 6 Sitzungen Einzeltherapie
und Elternberatung ist Armin mit dem Zahnarztbesuch einverstanden. Da die Manipulation mit Kunststoffspritzen ihm immer noch Spaß macht – er fordert sich das Spiel öfter ein – soll er eine Spritze zum Angstabbau mitnehmen und den Zahnarzt ins Spiel einbinden. Der Zahnarzt ist entsprechend vorinstruiert, geht auf Armin wie besprochen ein und nimmt erst nur eine freundliche Inspektion des Mundraums vor. Armin berichtet danach sehr stolz von seinem Erfolg. Die weiteren Zahnbehandlungen werden von ihm sofort angstfrei absolviert. Katamnese Inzwischen ist Armin heute Mitte drei-
ßig und konsultiert den Zahnarzt wie besprochen regelmäßig. Er hat eine Botentätigkeit und eine kleine eigene Wohnung. Wenn wir uns ab und zu in der Stadt sehen, freuen wir uns darüber und halten ein Schwätzchen als alte Bekannte. Schlussbemerkung Hier wird die in der Literatur oft genannte Beziehung zwischen früherer Schmerztraumatisierung und späterer Dentalphobie, die bereits im Kleinstkindalter erfolgte und sich später generalisierte, sehr deutlich. Die Kommunikation musste auf dem kognitiven Niveau des geistig behinderten Kindes erfolgen. Durch Habituation, kognitive Umstrukturierung, Desensibi-
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lisierung und Probehandeln konnte das Problem erfolgreich und nachhaltig behandelt werden. Die emotional gute Beziehung von Patient und Therapeut war in der gesamten Therapie ein wesentlicher Faktor.
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4
151
Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde Voraussetzungen, Kommunikation, Vorgehensweise, Methodik, Problemstellungen
5.1
Die psychologischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für Kind und Zahnarzt – 152
5.1.1 5.1.2 5.1.3
Die Situation in Deutschland – 152 Konventionelle Kinderzahnbehandlung als Belastung für Kind und Zahnarzt – 155 Entlastung durch Kinderhypnose – 156
5.2
Das Kind in der Zahnarztpraxis – 158
5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5
Grundregel Vertrauensaufbau – 159 Die Praxis und ihr Personal – 159 Die erste Untersuchung des Kindes in der Zahnarztpraxis – 163 Die Eltern als Partner – 170 Behandlungsvorbereitung bei Kindergarten- und Grundschulkindern – 172
5.3
Die erste Behandlung – Kommunikation und Rapport – 177
5.3.1 5.3.2
Rapportvertiefung beim ersten Behandlungstermin – 177 Konkrete Maßnahmen auf dem Behandlungsstuhl – 179
5.4
Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung – 184
5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.4.6 5.4.7
Allgemeine Ausführungen – 184 Behandlungskonzept »QuickTimeTrance« – 189 Weitere Trancemöglichkeiten bei der Kinderzahnbehandlung – 198 Psychophysiologische Reaktionen – 212 Schwierige Behandlungssituationen – 213 Beendigung der Hypnose – 225 Anwendung der Kinderhypnose bei der Prophylaxe – 228
5.5
Hypnotische Interventionen in der Kieferorthopädie – 233
5.5.1 5.5.2
Die kieferorthopädische Prophylaxe – 233 Die kieferorthopädische Behandlung – 244
Literatur – 252
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5
152
Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
» Wenn du willst, was du noch nie gehabt hast, dann tu, was du noch nie getan hast. Nossrat Peseschkian (1933–2010), transkultureller Psychotherapeut, Begründer der positiven Psychotherapie
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Sehr viele Menschen leiden unter einer Dentalangst, die oft bereits im Kindesalter stark ausgeprägt ist (7 Abschn. 4.4). Eine auf die kleinen Patienten abgestimmte Kommunikation, vertrauenbildende Maßnahmen und besonders Hypnose können verhindern, dass die Zahnbehandlung vom Kind als unangenehm erlebt wird und später angstbesetzt bleibt (Schmierer 2002 a; Stein 2009; Zehner 2008, 2009). Auch der Zahnarzt und sein Team profitieren von der Anwendung der Hypnose, indem sie eine spannende und entspannende Behandlungserfahrung mit Kindern machen können. Daher bieten die Ausführungen in diesem Kapitel insbesondere auch für die zahnärztlichen Mitarbeiterinnen eine hilfreiche Unterstützung bei der Zahnbehandlung von Kindern. Nicht zuletzt bekommen auch die Eltern durch das Erleben einer fröhlichen und lustigen Hypnosezahnbehandlung ihrer Kinder eine positive Einstellung zur Zahnbehandlung und kommen stressfrei und entspannt in die Praxis. Aus der praktischen kinderzahnärztlichen Alltagserfahrung werden im Folgenden die grundlegenden Voraussetzungen zur Hypnoseanwendung bei der Kinderzahnbehandlung beschrieben. Die Vorgehensweise der Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung wird detailliert vorgestellt, wobei die verschiedenen Behandlungssituationen und Patientengruppen Berücksichtigung finden.
5.1
Die psychologischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für Kind und Zahnarzt
5.1.1
Die Situation in Deutschland
In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Menschen mit Dentalphobie, die entweder gar nicht oder nur
mit extrem großer Angst zum Zahnarzt gehen (7 Abschn. 4.4.4). Jöhren et al. (2009) bezeichnen das als ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko und geben für die Zahnbehandlungsphobie eine Prävalenz von 10% in der deutschen Bevölkerung an. Nach einer Untersuchung des Psychologischen Instituts der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gibt es schätzungsweise 12 Mio. Dentalphobiker, und 25–30% der Befragten konnten den Zahnarzt nicht angstfrei besuchen (Weigel 2007). Die Ursachen sind meist ein sehr frühes, bereits in der Kindheit angesiedeltes traumatisches Erlebnis beim Zahnarzt (Wetzel 1982; Thompson 1999) oder negative Schilderungen und nonverbale Botschaften anderer Menschen (Mehrstedt 1999; näheres dazu in 7 Abschn. 4.4.2). Heute wird zwar der Zahnbehandlung von Kindern verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet und die Zahl der auf dieses Fachgebiet spezialisierten Kollegen in Deutschland steigt von Jahr zu Jahr, aber es gibt noch immer sehr deutliche Unterschiede beispielsweise zu den staatlichen skandinavischen Systemen oder den privaten Systemen in den USA (Splieth et al. 2009).
Kinderzahnbehandlung im deutschen Gesundheitssystem Unser heutiges Gesundheitssystem wird den zahnärztlichen Versorgungsansprüchen jüngerer Kinder keineswegs gerecht (Splieth et al. 2009), und diese Situation ist sowohl für die Zahnärzte als auch für die jungen Patienten sehr unbefriedigend.
Spezialisierte Kinderzahnärzte Spezialisierte Kinderzahnarztpraxen mit einem breiten, auf die reine Kinderbehandlung abgestimmten Behandlungsspektrum sind bisher in Deutschland nur vereinzelt zu finden. Entsprechend ausgebildetes Personal, eine kindgerecht ausgestattete Praxiseinrichtung und die Möglichkeit zur allgemeinen Schmerzausschaltung (Lachgas, Analgosedierung, Narkose) unter Einsatz spezialisierter Kinderanästhesisten (7 Kap. 6) sind noch immer kein Standard. Es gibt im deutschen kassenzahnärztlichen System leider auch keinerlei wirtschaftlichen Anreiz für eine solche Spezialisierung auf die Kinder- und
5.1 • Die psychologischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für Kind und Zahnarzt
Jugendzahnmedizin, sondern es kommt im Gegensatz dazu häufig zu drastischen Honorareinbußen, wenn in einer Praxis nur Kinder behandelt werden. Derzeit werden die wenigen Kinderzahnärzte statistisch von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) nicht untereinander, sondern mit den allgemein zahnärztlich arbeitenden Praxen verglichen. Daher fallen natürlich Leistungen, die bei Kindern vermehrt erbracht werden, zwangsweise in der Statistik auf. Sie werden im Zuge von Wirtschaftlichkeitsprüfungen gekürzt, da man sich nach den Maßgaben der KZV am Durchschnitt der Zahnärzteschaft zu orientieren hat. Kleine prozentuale Zugeständnisse aufgrund der Praxisbesonderheiten (Kinderzahnbehandlung) verhindern diese Ungerechtigkeit nicht. Aufgrund dieser unbefriedigenden Situation, mit nachträglichen Honorarkürzungen für Leistungen, die oft unter erschwerten Bedingungen bei kleinen und ängstlichen Kindern erbracht und ohnehin nicht ausreichend honoriert wurden, haben in den deutschen Zahnarztpraxen bisher nur wenige Kollegen eine Spezialisierung auf die Kinderzahnbehandlung angestrebt. Es bleibt zu hoffen, dass diese Situation sich bald verbessert.
Kinderbehandlung in der allgemeinen zahnärztlichen Praxis Die unzureichende Honorierung im kassenzahnärztlichen Bereich erschwert natürlich die Behandlung von Kindern auch in den allgemeinen Zahnarztpraxen, da für die Kinderzahnbehandlung in vielen Fällen nicht ausreichend Zeit eingeplant werden kann. Kinder werden daher meistens nur »nebenbei« zwischen den Erwachsenen behandelt, das behindert sehr oft den reibungslosen Praxisablauf. Somit entstehen Situationen, in denen Stress und Überbelastung vorprogrammiert sind. Neben dem Zeitdruck wird in vielen Praxen der psychologischen Patientenführung bei der Kinderzahnbehandlung nicht ausreichend Rechnung getragen, denn häufig verfügt der behandelnde Zahnarzt nur über geringe Erfahrungen im Umgang mit Kindern. Die Kinderbehandlung wird außerdem häufig den Weiterbildungsassistenten oder weniger erfahrenen Kollegen überlassen, die oft noch sehr unsicher sind. Unter diesen Umständen entwickeln sich bei den kleinen Patienten schnell
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Ängste oder gar Phobien vor der Zahnbehandlung (7 Abschn. 5.1.2).
Narkosebehandlung Wenn Kinder sich nicht behandeln lassen wollen, unkooperativ und ängstlich reagieren oder sogar aggressiv werden, ist in der Regel eine Narkosebehandlung der letzte Ausweg. Die kleinen Patienten werden dafür häufig zu Kieferchirurgen ohne spezielle Fachkenntnisse im Bereich der Kinderzahnbehandlung überwiesen. In vielen Fällen beschränkt sich deshalb die Behandlung auf möglichst kurze Interventionen, also meistens nur auf die akute Schmerzausschaltung. Es erfolgen dabei die Extraktionen der schmerzenden und zerstörten Zähne oder auch nur eine Trepanation, wobei unversorgte Zähne mit kleineren Defekten belassen werden. Eine Füllungsbehandlung oder gar endodontische Maßnahmen und anschließende Versorgung mit Kinderkronen sind die absolute Ausnahme, ebenso eine adäquate kindgerechte Verhaltensführung oder gar Hypnose zur Unterstützung der Sedierungsmaßnahmen (7 Kap. 6). Derartige therapeutische Maßnahmen werden auch in diesem Bereich nur von den wenigen, auf die Zahnbehandlung von Kindern spezialisierten Kollegen durchgeführt. Dabei wird auch immer wieder die inadäquate Honorierung insbesondere der hinzugezogenen Anästhesisten beklagt.
Hypnosebehandlung Die oben beschriebene unzumutbare kassenwirtschaftliche Situation bei der Kinderzahnbehandlung kann durch den Einsatz von Kinderhypnose für das Behandlungsteam erträglicher und vor allem stressfreier werden. Die Freude bei der Behandlung und die Dankbarkeit der kleinen Patienten lassen den Ärger über die ungerechte Stellung der Kinderzahnärzte im deutschen Gesundheitssystem schnell in den Hintergrund treten. Den Kindern wird mit der Hypnosezahnbehandlung eine entspannte, angstfreie und lustige Begegnung mit der Zahnarztpraxis ermöglicht – allerdings müssen die Eltern bereit sein, die Zusatzkosten dafür privat zu tragen. Berichten zufolge werden in den USA die positiven Auswirkungen der Hypnose in der Kinder-
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
zahnheilkunde bereits seit 35 Jahren genutzt; eine Umfrage aus dem Jahre 1993 ergab allerdings, dass nur 2% der Zahnärzte in ihrer Arbeit Kinderhypnose anwenden (Olness u. Kohen 2001). In Deutschland wird diese Methode bisher ebenfalls nur von wenigen Zahnärzten bei der Behandlung von Kindern eingesetzt, sie ist noch relativ unbekannt, sowohl in der Bevölkerung als auch in zahnärztlichen Fachkreisen. Es gibt aber immer mehr Patienten, die darüber informiert sind und sich eine Hypnosebehandlung bei der Sanierung ihrer Zähne und der ihrer Kinder wünschen, und auch immer mehr Kollegen, die Interesse daran zeigen und sich in zahnärztlicher Hypnose ausbilden lassen. Eine solche Ausbildung ist in der Regel bei allen deutschen Hypnosegesellschaften möglich (www.hypnose.de), jedoch speziell für Zahnärzte bei der Deutschen Gesellschaft für zahnärztliche Hypnose (DGZH), die in Deutschland flächendeckend Regionalstellen betreibt. Im Rahmen dieser Ausbildung nimmt die zahnärztliche Kinderhypnose einen breiten Raum ein, und auch bei verschiedenen Zahnärztekammern werden bereits Seminare für das gesamte Praxisteam über den professionellen Umgang mit Kindern und die Zahnbehandlung mit Kinderhypnose angeboten.
Betriebswirtschaftliche Betrachtungen und Marketing Bei der betriebswirtschaftlichen Einschätzung der Kinderhypnosezahnbehandlung muss immer auch berücksichtigt werden, wie sich diese Spezialisierung insgesamt auf die Praxis auswirkt. Einerseits kann in Zahnarztpraxen, die der Kinderzahnbehandlung einen hohen Stellenwert beimessen, durchaus kostendeckend gearbeitet werden, wenn dabei Kinderhypnose eingesetzt wird. Der vermehrte Zeitaufwand, der anfangs dafür erforderlich ist, gleicht sich in der Regel später schnell wieder aus. Wenn die Kinder sich an die Behandlung in Trance gewöhnt haben und das Behandlungsteam darin geübt ist, kann meistens zügig gearbeitet und die anfänglich zusätzlich investierte Zeit wieder aufgeholt werden. So ist es durchaus möglich, die Kinderhypnosezahnbehandlung auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht effektiv und gewinnbringend durchzuführen.
Außerdem ergeben sich nebenher deutliche Marketingeffekte, die sonst nur mit erheblichem Aufwand zu erzielen sind. So führt die Kinderhypnose zu einer engen Patientenbindung, und nicht selten meldet sich nach der gelungenen Zahnbehandlung eines kleinen Angsthäschens die gesamte Familie des Kindes in der Praxis als Patienten an. Der gute Rapport sowie die Patiententreue zeigen sich nicht zuletzt darin, dass junge Mütter und Väter, die früher als Kinder in unseren Praxen selbst behandelt wurden, nun mit ihren eigenen Kindern gerne wiederkommen. Durch Mund-zu-MundPropaganda melden sich Kindergartenfreunde und Schulkollegen ebenfalls in der Praxis an, und wir erleben oft, dass zufällig aus einer Kindergartengruppe oder Schulklasse mehrere kleine Patienten gleichzeitig in der Wartezone spielen. Die Kinder berichten sich gegenseitig von ihren Tranceerlebnissen bei der Zahnbehandlung, was letztendlich auch die anderen wartenden Patienten positiv auf ihre bevorstehende Behandlung einstimmt. Diese wiederum berichten Bekannten und Kollegen von ihren positiven Eindrücken aus der Praxis und tragen damit ebenfalls zur Verbreitung eines positiven Praxisimages und der Anwerbung neuer Patienten bei.
Ausbildung in Kinderzahnheilkunde während des Studiums Eine weitere Ursache für die deutschlandweit unbefriedigende Situation bei der Zahnbehandlung unserer Kinder kann laut Splieth et al. (2009) möglicherweise auch in der Ausbildung der Zahnärzte gesucht werden. Nach einer randomisierten Querschnittsstudie stellten sie fest, dass bei den deutschen Zahnärzten zwar eine sehr hohe Bereitschaft von 90% besteht, Kinder zu behandeln, die Herangehensweise an die Kinderzahnbehandlung aber sehr stark durch die erworbenen Kenntnisse während des Studiums bestimmt wird. Es gibt deutliche Unterschiede bei den Zahnärzten, die ihre Ausbildung an Hochschulen der damaligen DDR mit stärkerem Fokus auf die Kinderzahnheilkunde absolviert haben, und den Kollegen, die in Westdeutschland studierten. Die Studie ergab, dass die Probleme bei der Sanierung von kleinen Kindern durch die nicht ausreichende
5.1 • Die psychologischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für Kind und Zahnarzt
Ausbildung im Studium an westdeutschen Universitäten bedingt sein können. Das wirkt sich scheinbar auch auf die Motivation der Eltern aus, mit ihren Kindern mindestens 2-mal im Jahr einen Zahnarzt aufzusuchen. In einer Studie zum Mundgesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (Schenk u. Knopf 2007) wurde festgestellt, dass der Anteil der Kinder, die weniger als 1-mal im Jahr einem Zahnarzt vorgestellt werden, in den alten Bundesländern höher ist als in den neuen Bundesländern. Deshalb fordern Splieth et al. (2009) eine deutlichere Fixierung und Intensivierung der Kinderzahnheilkunde im Zahnmedizinstudium und den Ausbau des Systems von Fachspezialisten für Kinderzahnheilkunde, die eine flächendeckende, die Erfahrung des Familienzahnarztes überschreitende Kinderzahnbehandlung möglich machen. In unserem Gesundheitssystem sollte außerdem der zahnärztlichen Versorgung jüngerer Kinder besser Rechnung getragen werden, wie das beispielsweise in den skandinavischen Systemen der Fall ist. Diese Länder schneiden im internationalen Vergleich bei der zahnärztlichen Prävention und Sanierung von Kindern am besten ab (Splieth et al. 2009).
5.1.2
Konventionelle Kinderzahnbehandlung als Belastung für Kind und Zahnarzt
Bei der Zahnbehandlung von Kindern besteht die besondere Herausforderung nicht nur darin, eine für die Kinderzähne adäquate Therapiemethode fachlich korrekt auszuführen. Es ist zwar erforderlich, aber keinesfalls ausreichend, fachlich und rein arbeitstechnisch auf die Besonderheiten der Kinderzähne und deren Therapiemöglichkeiten bei pathologischen Veränderungen spezialisiert zu sein. An jedem Zahn hängt ja noch ein kleiner Mensch mit all seinen Erfahrungen, die in Bezug auf die Zahnbehandlung bisher positiv, negativ oder auch noch gar nicht vorhanden sein können. Dementsprechend finden wir bei den zu behandelnden Kindern zum Teil einfach nur kindliche Neugier, aber auch Anspannung, Angst und Un-
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ruhe bis hin zu Aggression und Behandlungsverweigerung.
Umgang mit Kindern in einer konventionellen Zahnarztpraxis Die Zahnbehandlungsangst kann als ein erlerntes Verhalten angesehen werden (Mehrstedt 1999; 7 Abschn. 4.4). Die Art und Weise, wie ein Zahnarzt mit seinen kleinen Patienten umgeht, hat weitreichende Konsequenzen, besonders wenn er die falschen Strategien einsetzt. Zahnärzte ohne Spezialisierung auf die Behandlung von Kindern und entsprechendem psychologischen Training greifen in Stresssituationen meistens zu Behandlungsstrategien, die nicht besonders erfolgreich oder gar kontraproduktiv sind. Direktive, aber liebevolle Führung resultiert in Kooperation, während meist auf Unsicherheit des Behandlers zurückzuführende Nachgiebigkeit oder auch Zwang unkooperatives Verhalten der Kinder bewirken können. Zudem wirkt sich die Länge der Berufserfahrung des Zahnarztes bei der Kinderzahnbehandlung angstreduzierend auf das Kind aus (Folayan et al. 2004). Kritisch zu sehen ist deshalb die allgemein gängige Praxis, Kinder zur Behandlung den jungen Weiterbildungsassistenten anzuvertrauen. Wie eingangs erwähnt, konnten sie im Studium oft nur wenige Kenntnisse im Bereich der Kinder- und Jugendzahnmedizin erwerben, können daher natürlich auch nicht die entsprechende Sicherheit im Umgang mit Kindern aufweisen und haben selbstverständlich auch noch nicht die nötige Berufserfahrung.
Belastung des Behandlungsteams Das psychische Einfühlungsvermögen des Behandlungsteams wirkt sich auf die Behandlungsbereitschaft der jungen Patienten direkt aus und ist ein Beanspruchungsparameter, der sich bei der Kinder- und Erwachsenenbehandlung am stärksten unterscheidet. Kardung (1992) stellt bei seinen arbeitswissenschaftlichen Untersuchungen im Vergleich zwischen diesen beiden Patientengruppen fest, dass die Erwachsenenbehandlung stärker sachlich-rational geprägt ist, während bei der Kinderbehandlung die psychisch-emotionale Belastung des Zahnarztes
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
überwiegt. Das schlägt sich besonders im kommunikativ-interaktiven Behandlungsanteil nieder und ist »nicht tätigkeitsspezifisch, sondern von der kindlichen Angst- bzw. Behandlungsanspannung abhängig« (Kardung 1992, S. 16). Auch Mittermeier und Werth (2006) finden in ihrer Studie sehr deutliche Unterschiede in der geistigen und körperlichen Beanspruchung des Zahnarztes in Abhängigkeit vom Patientenalter oder auch der Patientencompliance. Die konzentrative Beanspruchung (geistige Anspannung) wurde grundsätzlich höher bewertet als die körperliche Beanspruchung (Anspannung des Stütz- und Bewegungsapparates). Eine zusätzliche Steigerung beider Parameter ist bei Behandlungsmaßnahmen mit Elternbegleitung und bei der Durchführung von invasiven Maßnahmen im Rahmen der Schmerzbehandlung zu verzeichnen. Durch abnehmende Patientencompliance kommt es hier zu einer zusätzlichen Erhöhung der geistigen Beanspruchung des Behandlers. Somit ist die affektive Belastung, der sich der Zahnarzt ausgesetzt fühlt, bei der Kinderzahnbehandlung wesentlich höher als bei »normaler« Erwachsenenbehandlung. Es ist anzunehmen, dass sich die erhöhte Anspannung des Behandlers auf das Kind und unter Umständen auch auf die Elternbegleitperson überträgt, die wiederum das Kind beeinflusst – es kann dann keine entspannte Zahnbehandlung mehr stattfinden.
Zwang und Aggressionen Peretz und Gluck (2002) berichten, dass 53% der amerikanischen Zahnärzte für die Behandlung 3-Jähriger eher Zwang als eine Sedierung anwenden. In einer Befragung von Mitgliedern der Israeli Society of Dentistry for Children 1999 empfand ein Drittel der befragten Behandler, insbesondere Zahnärztinnen, Aggressionen gegenüber ihren kleinen Patienten (Peretz et al. 2003). Hypnose wurde nur selten angewandt, was auch aus einer ähnlichen australischen Studie hervorgeht (Wright et al. 1991). Aus einem Waisenhaus in Rumänien wird sogar beschrieben, dass Kinder in eine Wolldecke eingewickelt und mit einem Lederriemen am Stuhl fest gebunden werden.
Selbst in hoch entwickelten Ländern werden sog. Papoose boards verwendet, auf denen die Kinder während der Behandlung festgeschnallt werden (Staehle u. Koch 1996). Diese angsterregenden »Folterbretter« sind heute noch in den USA im Alltagsgebrauch von Kinderzahnärzten, in den skandinavischen Ländern sind sie allerdings ausdrücklich per Gesetz verboten (EAPD Guidelines, Hallonsten 1997) und in Deutschland ebenso obsolet.
Verhaltenstherapeutische Maßnahmen Positiv sind dagegen Berichte von verhaltenstherapeutischen Methoden zu erwähnen (7 Abschn. 4.5.1), wie beispielsweise Modelling (Greenbaum u. Melamed 1988), die die konventionelle Behandlung unterstützen oder sie überhaupt erst möglich machen (Jöhren et al. 2009). Auch Mehrstedt (1999) gibt an, dass nach einer schwedischen Untersuchung Zahnärzte, die verhaltenstherapeutische Techniken anwenden, ängstliche Kinder in viel kürzerer Zeit behandeln können. Der Stress des Patienten und auch des Behandlungsteams kann also damit reduziert und der Teufelskreis durchbrochen werden.
5.1.3
Entlastung durch Kinderhypnose
Kinderhypnose führt ebenfalls zu einer stressfreien und entspannten Behandlungssituation, kann leicht mit verhaltenstherapeutischen Maßnahmen kombiniert werden und zeigt den kleinen Patienten, dass die Behandlung ihrer Zähne innerhalb ihres Kompetenzbereiches liegt.
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Wenn dem Zahnarzt zumindest teilweise bewusst ist, welche Ängste und Fantasien der Patient hat und wie er seine Kreativität und sein Verständnis für den Kontext der Begegnung einsetzt, dann kann er positive Suggestionen geben, negative Aspekte der Behandlung umgehen und gleichzeitig die Ressourcen des Patienten mobilisieren (Mehrstedt 1999, S. 92).
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5.1 • Die psychologischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für Kind und Zahnarzt
Verhindern von Zahnarztangst Mit dem Wissen über die Möglichkeiten der Verhaltensführung und den Einsatz von Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung kann der beschriebene Teufelskreis der Angstentstehung bis hin zur Dentalphobie gar nicht erst entstehen, denn Kinder sind Tranceexperten. Kleine Kinder können spontan in Trance gehen, wie sie tagtäglich zeigen, wenn sie ins Spiel vertieft das Geschehen um sich herum völlig vergessen. Sie haben viel Fantasie und ein gutes Vorstellungsvermögen, deshalb spielt sich ein Großteil ihres Alltages in Fantasiewelten ab (7 Abschn. 1.4.5, 2.3.2 und insbesondere 2.3.8). Wenn wir als zahnärztliches Behandlungsteam diese natürlichen Ressourcen nutzen und den Kindern die Erfahrung vermitteln, wie sie sich mithilfe von Trance vom eigentlichen Behandlungsgeschehen »wegträumen« und eine angenehme Zahnbehandlung erleben können, werden sie diese Kompetenz auch später als erwachsene Patienten nutzen können. So wird sich bei den kleinen Patienten gar nicht erst eine Dentalphobie entwickeln und es bleibt ihnen der lange Leidensweg mancher Angstpatienten erspart. Fallbeispiel Annika (Praxis Dr. Zehner) – Bericht der Patientenmutter Annika wurde bereits vom 2. Lebensjahr an regelmäßig zur Kontrolle einem Zahnarzt vorgestellt, was anfänglich auch stressfrei möglich war. Probleme traten auf, als die ersten Füllungen gelegt werden sollten. Annika war damals knapp 4 Jahre alt. Der Füllungstermin war um 17.30 Uhr. Bis die kleine Betäubung wirkte und der Zahnarzt endlich erschien, verging eine geraume Zeit. Annika war inzwischen müde und hatte keine Lust mehr auf die ganze Prozedur. Die Füllung wurde zwar gemacht, aber seitdem war Annika nicht mehr zu bewegen, zum Zahnarzt zu gehen. Es kam immer wieder zu Heulattacken, wenn Annika auch nur zu einer harmlosen Kontrolle den Zahnarzt aufsuchen sollte. Auch die damalige Assistenzzahnärztin hatte keinen großen Erfolg bei Annika. Obwohl diese mehr Zeit für die kleine Patientin hatte, kam es auch bei ihr bei der nächsten Füllung zu Weinattacken und der Weigerung, den Mund aufzumachen.
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Nach solch einer Behandlung waren sowohl die Assistenzärztin und ihre Helferin als auch Mutter und Kind schweißgebadet und »fertig«. Irgendwann gab man mir in dieser Praxis den Tipp, eine spezielle Kinderzahnarztpraxis aufzusuchen, in der auch mit Hypnose behandelt wird. Der erste Besuch in dieser Kinderpraxis erfolgte im Jahre 2003, Annika war damals 5 Jahre alt und sie wollte eigentlich auch diesen Zahnarzt nicht aufsuchen. Die Praxis gefiel ihr dann aber sehr gut und sie fand es äußerst interessant, dass sie die anderen Patienten bei der Behandlung beobachten konnte. Bei diesem ersten Besuch waren wir 3 h in der Praxis, denn es musste eine längst überfällige Füllung gelegt werden. Mir kam diese Zeit wie eine halbe Ewigkeit vor, aber Annika fand die Praxis total toll und hat sich letztendlich mit »Ablenkungsmanövern«, also Kinderhypnose, behandeln lassen. Ich erinnere mich an eine Möwe, die sie auf dem Finger balancierte und einen Linsensack mit darin versteckten Spielsachen, in dem sie herumwühlen und sich während der Behandlung etwas heraussuchen durfte. Der Zauberstab, mit dem Annika eine Luftballonreise zu den Tieren im Zauberwald unternommen hat, hinterließ bei ihr einen bleibenden Eindruck und musste fortan bei jeder Behandlung helfen. Es wurden immer wieder Pausen eingelegt, in denen ich ihr vorgelesen habe – somit war dieser erste Besuch zumindest für die kleine Patientin total stressfrei. Von Besuch zu Besuch entspannte sich für alle Beteiligten die Situation mehr und mehr, die Abfolge »Zahnarzt – Angst – Stress – Weinen – Behandlungsverweigerung« änderte sich schnell in »Zahnarzt – Neugier – Freude – interessante und entspannte Hypnosezahnbehandlung«. Musste mal ein Milchzahn entfernt werden, so kamen die Elefanten ins Spiel, die den »Baum« im Zauberwald entwurzelten, und die kleinen Häschen knackten die Äste ab. Fasziniert hat mich damals auch, dass während der Behandlung vom gesamten Behandlungsteam mit Annika zusammen der »Ketchup-Song« gesungen wurde.
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Vertrauen bekam Annika natürlich auch durch die Ampel, wodurch sie klarmachen konnte, dass sie eine Pause braucht. Da diese Signale vom Behandlungsteam auch sofort umgesetzt wurden, wuchs das Vertrauen von Mal zu Mal. Immer mehr verlor sie die Angst und ging immer entspannter zum Zahnarzt. Auch für mich wurde es immer leichter und die ganze Familie ist glücklich, da wir sonst nicht gewusst hätten, wie es mit dem Thema Zahnarzt weitergehen soll. Heutzutage freut sich Annika auf jeden Zahnarzttermin, lässt sich gut behandeln und liegt ganz entspannt im Behandlungsstuhl.
Dieser Bericht steht stellvertretend für viele kleine Patienten und ihre Eltern, für die ein Zahnarztbesuch oft zur Belastung wird, wenn die Kinder nicht adäquat behandelt werden. Er soll zeigen, wie entlastend die Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung sein kann und wie wichtig es ist, die Bedürfnisse der Kinder zu beachten und sie in das Behandlungsgeschehen einzubeziehen.
Hypnotische Interventionen Bei der Kinderzahnbehandlung werden Entspannungstechniken und hypnotische Interventionen auf spielerische und dem Kind gerechte, natürliche Art und Weise eingesetzt (7 Abschn. 5.4). Milton H. Erickson (zit. n. Holtz et al. 2007, S. 12 und 17) schreibt:
Dinge zu fokussieren, dass sie vom eigentlichen Geschehen abgelenkt werden und in eine entspannte Trance abtauchen. Je nach Alter des Kindes kommen unterschiedliche Methoden und Techniken zum Einsatz, um die Kinder während der Zahnbehandlung in Trance zu führen. Bei kleineren Kindern im Vor- und Grundschulalter sind Spiele mit Handpuppen oder Traumreisen sehr beliebt, es werden Geschichten erzählt, gezaubert oder auch gesungen. Größere Kinder und Jugendliche können oft schon wie Erwachsene mit formellen Induktionsmethoden von der Behandlung distrahiert und mit Hypnose zahnärztlich behandelt werden. Bei der Kinderhypnosezahnbehandlung sind also der jeweils aktuelle Entwicklungsstand, die Aufnahmefähigkeit und das Verständnis des Kindes zu berücksichtigen (7 Kap. 2) und dementsprechend eine mehr verbale oder nonverbale Tranceführung zu bevorzugen. Flexibilität und Kreativität des Praxisteams sind dabei ebenso erforderlich wie eine positive und respektvolle Einstellung zu den kleinen Patienten und eine vertrauensvolle, von Empathie getragene Beziehung. Selbst wenn die Zahnbehandlung letztendlich doch unter allgemeiner Sedierung erfolgen muss, beispielsweise bei sehr hohem Sanierungsbedarf mit schmerzhaften Eingriffen oder extrem unkooperativen Kindern, kann die Kinderhypnose dabei sehr hilfreich sein (7 Kap. 6).
» Kinder müssen als denkende und fühlende
5.2
Geschöpfe respektiert werden, die die Fähigkeit besitzen, Gedanken und Einsichten auszudrücken und sie in ihren eigenen Erfahrungszusammenhang zu integrieren.« … »Es ist selten … nötig, eine formelle oder rituelle Technik anzuwenden. Ihre Anschauungsbilder, ihre Auffassungsgabe und ihr Lernbedürfnis, ihr Eifer und ihr Wunsch, zu verstehen und sich an den Aktivitäten der Umwelt zu beteiligen, sowie die Chancen, die Imitations- und Vorstellungsspiele bieten, ermöglichen es den Kindern, ausreichend und kompetent auf hypnotische Suggestionen zu reagieren.
An dieser Stelle danke ich den vielen geschätzten Kolleginnen und Kollegen für ihre Anregungen, die ich in Seminaren, auf Kongressen oder durch Publikationen von ihnen erhalten habe (beispielsweise Behneke u. Schoderböck 2002; Butz 2002; Haustein 2002; Hulbert J 2002; Kant u. Bertzbach 2009; Schmierer u. Schütz 2007; Schmierer 2002 a; Schütz u. Freigang 2008; Stein 2002, 2009). Um den folgenden Textfluss nicht zu häufig mit ihren zahlreichen Literaturnennungen zu unterbrechen, werde ich sie weiterhin nur beispielhaft erwähnen.
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Zahnärztliche Kinderhypnose bedeutet, die Patienten durch hypnotische Suggestionen mit all ihren Sinnen so intensiv auf das Erleben angenehmer
Das Kind in der Zahnarztpraxis
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5.2 • Das Kind in der Zahnarztpraxis
5.2.1
Grundregel Vertrauensaufbau
Kinder sollten möglichst bereits mit Beginn der ersten Dentition dem Zahnarzt vorgestellt werden, um die Eltern frühzeitig über alle erforderlichen Prophylaxemaßnahmen aufklären zu können. Dieser erste Besuch bei einem Zahnarzt legt den Grundstein für die Compliance der Patienten bei künftigen Behandlungen und beim späteren Einsatz der Kinderhypnose. Wenn der erste Kontakt mit der Zahnarztpraxis sehr frühzeitig erfolgt, sind die besten Erfolge zu erzielen (Maiwald 2003).
Rapport Eine vertrauensvolle Beziehung (Rapport) zum Kind aufzubauen, ist bei der Kinderzahnbehandlung, insbesondere bei der Anwendung von Kinderhypnose, eine der wichtigsten Voraussetzungen. Das wird von zahlreichen Kinderzahnärzten (s. oben) bestätigt. Als Rapport wird »die Komplexität in den wechselseitigen Beziehungsaspekten zwischen Patient und Therapeut« bezeichnet (Kossak 2004, S. 118). Mrochen und Bierbaum-Luttermann (2007, S. 57) sprechen von einer »Arbeitsbeziehung zwischen den Beteiligten, die unter Umständen nur von einem für den konkreten Arbeitskontext notwendigen Vertrauen … gekennzeichnet ist« (7 Abschn. 1.2.2).
Angenehme Maßnahmen und ausreichend Zeit Diese vertrauensvolle Beziehung entsteht durch positiv-humorvollen, einfühlsamen und sensiblen Umgang mit den kleinen Patienten und muss sofort bei der ersten Begegnung aufgebaut werden. Für diesen Erstkontakt sollte vom Praxisteam ausreichend Zeit eingeplant werden, die sich später bei einer reibungslosen Behandlung wieder auszahlt. Dabei muss das kindliche Bedürfnis nach Ruhe und Ausgeglichenheit berücksichtigt werden. Den Kindern sollte deshalb Zeit zur Eingewöhnung gelassen werden, damit sie die Hektik und den Alltagsstress hinter sich lassen können. Kinder sind in unserer schnelllebigen und hektischen Zeit ohnehin ständigem Zeitdruck ausgesetzt und reagieren deshalb häufig unkooperativ, wenn sie Anspannung oder Stress verspüren.
5
Zum Rapportaufbau werden beim ersten Termin nach Möglichkeit nur angenehme und harmlose Maßnahmen durchgeführt (7 Abschn. 5.2.3), um dem Kind ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit zu vermitteln (Behneke 2003 a). Eine Zahnbehandlung wird erst für einen späteren Zeitpunkt eingeplant, wenn das Kind bereits Vertrauen aufgebaut hat. Nur bei gutem Rapport, also einer empathisch geprägten und vertrauensvollen Beziehung, können sich die Kinder später während der Hypnosezahnbehandlung auch gut entspannen und in Trance führen lassen. Praxis konkret – Vertrauensaufbau Das Zauberwort heißt ZEIT – am Anfang investiert, zahlt sie sich später wieder aus. 5 Zeit lassen zum Eingewöhnen in der Wartezone. 5 Beruhigende Musik abspielen, bei kleinen Kindern Kinderlieder. 5 Bücher oder Spielzeug wie Bausteine, Kugelbahn oder Handpuppen bereithalten. 5 Maltisch mit Buntstiften – Mandalas zum Ausmalen wirken beruhigend. 5 Möglichkeiten zur Bewegung wie Balancescheiben, Schaukelstuhl, Rutsche oder Kletterberg. 5 Mit Zaubern Kontakt aufbauen (7 Kap. 8 »Zaubern«). 5 Nur harmlose und angenehme Maßnahmen beim ersten Kontakt vornehmen. 5 Auf die Bedürfnisse des Kindes eingehen. 5 Alles kindgerecht erklären. 5 Gegebenenfalls die Kinder bei anderen Patienten zuschauen oder auch helfen lassen.
5.2.2
Die Praxis und ihr Personal
Die Praxisräume und ihre Einrichtung Durch eine kindgerechte Praxiseinrichtung wird der Rapportaufbau zu den kleinen Patienten enorm erleichtert. Die Kinder müssen sofort erkennen, dass sie in dieser Zahnarztpraxis willkommen sind. In einer präventiv ausgerichteten Kinderzahnarztpraxis sollte eine »Erlebniswelt Zahnarzt« für klei-
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
ne Kinder geschaffen werden (Splieth 2002), in der sie auf spielerische und kindgerechte Art und Weise mit der Zahnbehandlung vertraut gemacht werden. Wenn dabei bei den Kinderpatienten, insbesondere bei den kleinen »Angsthäschen«, ein »Wohlfühlerleben« erzeugt werden kann, ist der Grundstein für eine spätere vertrauensvolle Beziehung und Behandlung gelegt.
Wartebereich
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Bereits in der Wartezone wird dafür gesorgt, dass sich die kleinen Patienten in einer kindgerecht eingerichteten Ecke mit geeignetem Spielmaterial gut aufgehoben fühlen. Hier können sie sich vorerst in aller Ruhe mit etwas Angenehmem beschäftigen (Atzlinger 2008). Beruhigende und auch die kindliche Neugier anregende Beschäftigungsmöglichkeiten (Kinderbücher vorlesen, mit Bausteinen bauen, mit Plüschtieren spielen, Malen, Puzzeln u. ä.) tragen dazu bei, dass sich die Kinder akklimatisieren und in der Praxis wohlfühlen können. Diese Beschäftigung mit bekannten Dingen gibt den Kindern Sicherheit in der fremden Umgebung. Auch Bewegungsmöglichkeiten wie klettern, rutschen, schaukeln oder balancieren sind vor allem für besonders aktive Kinder während der Eingewöhnungszeit sinnvoll, wenn es die Platzverhältnisse im Wartebereich zulassen. Laute Geräusche oder unangenehme Gerüche können den ersten Zahnarztbesuch eines Kindes negativ beeinflussen, andererseits sorgen angenehme und beruhigende Musik oder auch Kinderlieder sowie ausreichend Frischluft durch häufiges Lüften für eine Wohlfühlatmosphäre. So kann die Praxisausgestaltung im Wartebereich bereits nonverbal über Plüschtiere, Bilder, Musik, angenehme frische Luft und beruhigende Beschäftigung tranceinduzierend auf Kinder wirken. Auch ein Aquarium kann mit seiner wohltuend beruhigenden Wirkung einen trancefördernden Einfluss auf die Kinder haben und dafür sorgen, dass sich die kleinen Patienten bereits im Wartebereich entspannen können.
Behandlungsräume Die Behandlungsräume sollten ebenfalls kindgerecht und farbig gestaltet sein, beruhigend und harmonisierend wirkende »Wohlfühlfarben« sind dabei zu bevorzugen (7 Abschn. 2.3.10). Besonders für
Kinder mit negativen Vorerfahrungen (Krankenhaus, Arztbesuche) ist dieser Aspekt wichtig, um entsprechende Assoziationen zu vermeiden. Bilder oder Informationstafeln mit angsterzeugenden Motiven gehören nicht in einen Kinderbehandlungsraum. Sie sollten mit Bildern ersetzt werden, die den Kindern bekannt sind (Sicherheitsaspekt) und Wohlbefinden erzeugen, beispielsweise Figuren aus bekannten Kinder- und Märchenbüchern. Dabei ist zu beachten, dass derartige Bilder auch auf der Augenhöhe kleinerer Kinder angebracht werden. In einer speziell auf die Kinderzahnbehandlung eingerichteten Praxis kann man natürlich relativ leicht durch kindgerechte Akzessoires und auch spezielle Einrichtungsgegenstände eine solche Wohlfühlatmosphäre erzeugen. Hier sind farbige Kinderbehandlungsliegen (Bürkle u. Meißner 2007) oder auch Universalbehandlungsliegen (Praxis Zehner: www.milchzahnarzt.de) zu empfehlen; dazu werden Hinterkopfbehandlungseinheiten oder auch mobile Geräte (Carts) eingesetzt, die aus dem Blickfeld geschoben werden können und deshalb bei den Kindern nicht sofort als Angstauslöser wirken (Praxis Rienhoff: www.magic-dental.de). Doch selbst ein normales Sprechzimmer kann schnell für einen Kinderbehandlungstag umgerüstet werden (Gottschalk 2009). Zur Kaschierung der weißen Wände oder zum Verdecken zahnärztlicher Informationstafeln werden Fensterrollos mit Kindermotiven verwendet, die an der Decke hinter einer Blende versteckt sind und bei Bedarf heruntergelassen werden können. Haken an der Decke werden genutzt, um Stofftiere daran aufzuhängen, und über den Behandlungsstuhl wird ein Bezug aus buntem Stoff gestreift. Die Turbine und die zugehörigen Schläuche können im leeren Bauch eines Plüschtieres verschwinden, aus dem die Wattefüllung entfernt wurde, und der Schwebetisch wird samt seiner furchterregenden Gerätschaften mit einem bunten Tuch abgedeckt. Es bleiben nur die Instrumente sichtbar, die dem Kind zur Vorbereitung auf die Untersuchung oder Behandlung gezeigt werden sollen. Dazu werden ebenfalls bunte Accessoires wie Becher, Sauger und Kinderservietten verwendet. Um es kleinen Kindern ganz bequem zu machen, wird empfohlen, eine mit Styroporkügelchen
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5.2 • Das Kind in der Zahnarztpraxis
gefüllte Auflage aus bunten Kinderstoffen für den Zahnbehandlungsstuhl anzufertigen. So wird er ohne großen Aufwand in einen gemütlichen Liegestuhl oder Königsthron und das gesamte Sprechzimmer in ein Märchenparadies verwandelt. In einem derartig umgestalteten Behandlungsraum werden der Rapportaufbau und die Heranführung der kleinen Patienten an die Zahnbehandlung zum Kinderspiel.
Erstkontakt am Telefon und an der Rezeption Nicht nur die Einrichtung, auch die Praxisatmosphäre ist für das Wohlbefinden der kleinen Patienten ausschlaggebend. Diese positive Atmosphäre sollte sich auch schon dann mitteilen, wenn die Eltern telefonisch einen Termin vereinbaren. Hier ist bereits die Stimme der Mitarbeiterin eine Visitenkarte für die Praxis. An ihrer Stimmlage ist zu erkennen, ob man willkommen ist oder als weiterer Stressfaktor verwaltet werden muss.
Informationen vor dem ersten Besuch Mit einem ausführlichen Informationsblatt (Elternbrief), das bei Schmierer (2002 a) in 13 Sprachen zur Verfügung steht, werden die Eltern auf den ersten Zahnarztbesuch ihres Kindes eingestimmt. Darin kann ihnen schon vorab Wissenswertes über die Praxis, das Personal und die speziellen Behandlungskonzepte vermittelt werden. Gleichzeitig erfahren sie, wie sie ihr Kind auf diesen Erstkontakt vorbereiten können und was dabei zu beachten ist. Ein solcher Elternbrief kann den Patienten vor dem ersten Kontakt zugeschickt werden, oder diese Vorabinformationen werden auf der Praxishomepage hinterlegt. Auch ein Ressourcenanamnesebogen wird empfohlen, den die Eltern vor dem ersten Zahnarztbesuch ausfüllen sollen und der dem Behandlungsteam Informationen über individuelle Abneigungen, aber insbesondere auch Vorlieben des Kindes wie beispielsweise Lieblingstier, Lieblingsheld oder Lieblingsbeschäftigung geben kann.
Orientierung in der Zahnarztpraxis Kommt das Kind in Begleitung einer vertrauten Person – im weiteren Verlauf wird als Begleitperson der Einfachheit halber oft die Mutter genannt, da sie
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diese Funktion am Häufigsten ausübt – zum ersten Mal in die Praxis, so sind beide noch etwas befangen, müssen sich beide noch räumlich orientieren. Möglicherweise befinden sich sowohl Mutter als auch Kind unter Anspannung. Die Mitarbeiterin an der Rezeption muss über solche Aspekte informiert und darin geschult sein, Mutter und Kind freundlich, offen und verständnisvoll zu begrüßen. Dazu gehört es auch, ihnen kurz die Räumlichkeiten und auch die Toilette (für Aufgeregte) zu zeigen. Haben sich die neuen Patienten in der noch fremden Zahnarztpraxis ausreichend räumlich orientiert, nimmt ihr Bedürfnis nach Absicherung ab, sie können nun ruhiger werden und sich wieder auf den Grund ihres Kommens konzentrieren.
Das Fachpersonal Die Mitarbeiterinnen einer Kinderzahnarztpraxis sollten eine natürliche, freundliche und empathische Art im Umgang mit Kindern und auch untereinander haben. Auf ein einheitliches und gleichmäßiges Auftreten gegenüber den Kindern und den Eltern sollten alle Praxismitarbeiterinnen besonders achten (Maiwald 2003). Sie sind neben ihrer speziellen fachlichen Qualifizierung insbesondere auch in kindgerechter Kommunikation (7 Abschn. 2.3.7) sowie in der zahnärztlichen Hypnoseanwendung bei Kindern zu schulen. Entsprechende Curricula und Seminare werden in Deutschland bei verschiedenen Zahnärztekammern und auch bei der Deutschen Gesellschaft für zahnärztliche Hypnose (DGZH) angeboten (www. dgzh.de), die sich als einzige der großen Hypnosegesellschaften auch der Ausbildung von zahnärztlichem Hilfspersonal widmet. Für die zahnärztliche Hypnosebehandlung, insbesondere die Kinderhypnose, ist es in der Praxis unerlässlich, die Mitarbeiterinnen mit einzubinden. Je besser sie in der Anwendung von zahnärztlicher Hypnose geschult sind, umso erfolgreicher verläuft die Behandlung.
Nonverbale Signale verraten die innere Einstellung Je jünger die Kinder sind, umso mehr spielt sich die Kommunikation auf der nonverbalen Ebene ab. Die vom Kind oder seinen Eltern nonverbal ausgesandten Signale, die Rückschlüsse auf deren Gedanken und Gefühle zulassen, müssen vom Be-
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
handlungsteam erkannt und beachtet werden. Die Fähigkeit, nonverbale und rein körpersprachlich ausgedrückte Gefühle der kleinen Patienten zu verstehen (7 Abschn. 4.2.2), steht in unmittelbarem Zusammenhang zum Erfolg bei der Behandlung (Mehrstedt 1999). Die innere Einstellung des gesamten Behandlungsteams zur Kinderbehandlung spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle für den Erfolg. Wer unsicher ist, Angst vor der Kinderbehandlung hat oder diese sogar als lästiges Übel betrachtet, kann keine entspannte und positive Behandlungsatmosphäre aufbauen (Behneke u. Schoderböck 2002). Cave: Was wir denken, drückt sich in der Körpersprache und Stimmlage aus, und negatives Denken überträgt sich unweigerlich auf die Kinder (Schmierer u. Schütz 2007). Deshalb wird auch »Dicke Luft« unter den Praxismitarbeiterinnen oder gar eine negative Einstellung manchen Patienten gegenüber nonverbal sofort von den Kindern wahrgenommen. Man hat oft den Eindruck, dass sie Gedanken lesen können! Worte, Wortmelodie, Mimik und Körpersprache sollten die gleichen Botschaften vermitteln, sonst entsteht Inkongruenz (7 Abschn. 2.3.7). Das wird von Kindern schnell bemerkt und als Unstimmigkeit bis hin zur Verlogenheit erlebt. Sie empfinden das als Gefahr und entwickeln Angst vor ihrem Gegenüber, was zur Behandlungsverweigerung führen kann. Deshalb ist darauf zu achten, dass jeder Patient so akzeptiert und angenommen wird, wie er ist. Nur durch Akzeptanz und gegenseitige Wertschätzung kann eine positive und vertrauensvolle Beziehung entstehen. Praxis konkret – Beispiel Wirkung von positiver und negativer Programmierung Positive Programmierung Bei manchen Patienten hat man spontan das positive Gefühl, »auf gleicher Wellenlänge« zu sein oder »einen guten Draht« zu ihnen zu haben. Diese positive innere Einstellung kann man ganz bewusst auch zu schwierigen Patienten einnehmen, indem man ihre positiven Seiten erkennt, sie wertschätzt oder zumindest so akzeptiert, wie sie sind. Mit einer solchen positiven Programmierung wird der Rapportaufbau wesentlich erleichtert.
Negative Programmierung Im Praxisalltag ist aber häufig das Gegenteil der Fall. Wenn es bei der Behandlung eines Patienten oder im Umgang mit ihm Probleme gab, ist das oft noch tagelang Pausenthema beim gesamten Praxisteam. Kommt dieser Patient nun zum nächsten Termin, wird sein Name im Bestellbuch zum »roten Tuch« für die Mitarbeiterinnen und alle haben bereits Vorurteile. Auf diese Weise wird das gesamte Praxisteam diesem Patienten gegenüber negativ programmiert, und es wird wahrscheinlich auch bei der nächsten Begegnung wieder zu Problemen kommen.
Diese Zusammenhänge sind allen Mitarbeiterinnen deutlich zu machen und diesbezügliche Unstimmigkeiten offen anzusprechen. Wenn die negative Wirkung solcher Vorurteile allen Mitarbeiterinnen bewusst ist, sind sie besser in der Lage, jedem Patienten positiv, offen und vorurteilsfrei zu begegnen, auch wenn es einmal Problemsituationen gibt. Hat eine Mitarbeiterin mit einem Patienten ausgesprochen negative Erfahrungen gemacht und es gelingt ihr nicht, bei der nächsten Behandlung eine positive Einstellung zu diesem Menschen zu entwickeln, wird empfohlen, dass dann eine andere Mitarbeiterin assistiert, die diese Situation nicht miterlebt hat. Sie wird besser in der Lage sein, dem Patienten offen und wertschätzend gegenüberzutreten, ihn zu akzeptieren und auch mit seinen Schwächen anzunehmen.
Praxisklima Darüber hinaus ist das gesamte Team immer wieder gefordert, für ein angenehmes, harmonisches und kindgerechtes Praxisklima, ein gutes Verhältnis unter den Mitarbeiterinnen und eine ausgeglichene und fröhliche Stimmung in der Praxis zu sorgen. Wenn sich die Mitarbeiterinnen gut verstehen, sich gegenseitig achten, bei ihrer Arbeit unterstützen und Freude daran haben, wird das Betriebsklima auch dementsprechend harmonisch sein. Jeder Mensch hat seine Schwächen und Stärken, und auch die Mitarbeiterinnen haben bei der Kinderbehandlung Abneigungen und Vorlieben, die man erkennen, akzeptieren und für die ge-
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5.2 • Das Kind in der Zahnarztpraxis
meinsame Arbeit nutzen sollte. So bekommt der Patient das gute Gefühl, dass in dieser Praxis alle »an einem Strang ziehen« und das gleiche Ziel verfolgen – nämlich die bestmögliche Betreuung und Behandlung der Kinder.
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Beim Übergang zum Leading und insbesondere bei der Tranceeinleitung und der Zahnbehandlung wird später mit tieferer Stimme und langsamer gesprochen (7 Abschn. 2.3.7).
Ja-Haltung oder Yes-Set 5.2.3
Die erste Untersuchung des Kindes in der Zahnarztpraxis
Die Begrüßung Der Begrüßung des kleinen Patienten ist beim ersten Kontakt besondere Beachtung zu schenken, denn die ersten Sekunden der Begegnung sind entscheidend für den späteren Behandlungsverlauf. Ist dieser erste Eindruck positiv, wird der Zahnarztbesuch als etwas Positives und Harmloses in Erinnerung bleiben. So wird nach und nach eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut. Es soll Neugier geweckt werden auf den nächsten Termin (7 Abschn. 2.3.10), denn wenn sich die kleinen Patienten beim ersten Mal wohlfühlen und Spaß haben, kommen sie auch später gern wieder.
Begrüßung auf gleicher Augenhöhe Das Kind wird vom Zahnarzt selbst oder einer kompetenten Mitarbeiterin aus dem Wartebereich abgeholt oder auch direkt in der Wartezone auf die Untersuchung vorbereitet. Die erste Begegnung mit dem Kind sollte auf seinem Niveau, also auf gleicher Augenhöhe erfolgen. Dabei beugt sich der Behandler zum Kind hinunter, um sozusagen als Partner mit ihm zu kommunizieren und ihm die volle Aufmerksamkeit zukommen zu lassen (7 Abschn. 3.3.2).
Mit dem Kind sprechen Um eine gute Beziehung aufbauen zu können, wird grundsätzlich zuerst nur mit dem Kind kommuniziert. Die Eltern oder Begleitpersonen werden nur indirekt mit in das Gespräch einbezogen, das Kind ist die Hauptperson. Alle Erklärungen und Ratschläge erfolgen ebenfalls kindgerecht und mit Humor direkt an den kleinen Patienten persönlich, bevor die Eltern instruiert werden (7 Abschn. 5.2.4). Die Körpersprache und Stimmlage werden dabei im Sinne des Pacing (7 Abschn. 1.2.2) dem Alter des Kindes angepasst. Man spricht mit kindgerechten Formulierungen und bei der Begrüßung kleinerer Kinder auch mit etwas höherer Stimme.
Der erste Kontakt soll beim kleinen Patienten sofort positive Assoziationen erzeugen, deshalb werden seine mitgebrachten Lieblingsspielsachen wie Teddy, Puppe oder ein anderes Spielzeug beachtet und entsprechend gewürdigt. Es sollte deutlich werden, dass wir dem Kind Respekt und Wertschätzung entgegenbringen und die Dinge, die ihm wichtig sind, auch ernst nehmen. Durch die so erzeugte Ja-Haltung oder das Yes-Set (7 Abschn. 1.2.2) kann die gesamte Empfindung des kleinen Patienten zur Zahnarztpraxis positiv eingestellt werden. Je jünger das Kind ist, desto ganzheitlicher kommuniziert es (Mrochen u. Bierbaum-Luttermann 2007). Auch wenn seine verbalen Möglichkeiten noch begrenzt sind, erkennen wir an der Körpersprache des Kindes, was es denkt und fühlt (7 Abschn. 2.3.7). Mit betont ruhig und langsam gesprochenen Sätzen, die bei dem kleinen Patienten Vertrauen und unbegrenzte Zustimmung bewirken sollen, wird deshalb der erste Kontakt angebahnt. Hierbei kann alles, »was man an einem Kind liebenswert und interessant finden kann, was originell oder witzig erscheint« (Mrochen u. Bierbaum-Luttermann 2007, S. 61), humorvoll angesprochen werden. Praxis konkret – Beispiel Ja-Haltung oder Yes-Set Das Kind wird zuerst gefragt, wie alt es ist und wie weit es schon zählen kann, oder wie das mitgebrachte Kuscheltier heißt, ob es auch Zähne hat und schon richtig beißen kann. Oder es werden die neuen Schuhe, die tolle Haarspange und der schicke Pulli bewundert, worauf die Kinder meistens sehr stolz sind. Ebenso wird das Kind dafür gelobt, wie groß es schon ist und was es bereits alles kann – das stärkt das Selbstbewusstsein und ist für die spätere Behandlung förderlich (Positive Verstärkung 7 Abschn. 4.1.2, s. hierzu auch die zahlreichen Beispiele in dem Online-Videomaterial).
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Es wird viel und manchmal auch recht laut gelacht, denn Freude und Spaß wirken sich in der Zahnarztpraxis nicht nur auf den neuen kleinen Patienten, sondern auch auf das gesamte Praxisteam positiv aus.
Die Annäherung
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Handpuppen helfen bei der Begrüßung, das Kind spielerisch an den nahen Kontakt zum fremden Zahnarzt zu gewöhnen und eventuelle Ängste abzubauen. Bei der Annäherung mit der Handpuppe ist ein vorsichtiges und langsames Überschreiten der individuellen Distanzgrenze des kleinen Patienten ratsam, und der Behandler sollte dabei immer die nötige Distanz zum Kind wahren (7 Abschn. 2.3.3). Selbst kleine und ängstliche Kinder tolerieren die Annäherung der Handpuppe meistens sehr gut, die zu Beginn der Kontaktaufnahme schon etwas näher an das Kind herangeführt werden darf, während der Behandler vorerst im Hintergrund bleiben kann.
Kind genau beobachten Bei den kleinsten Abwehrreaktionen ist ein sofortiges Innehalten erforderlich, um den ersten Kontakt für das Kind so angenehm wie möglich zu gestalten und den Rapport ausbauen zu können. Wir beobachten die kleinen Patienten von Anfang an ganz genau und prüfen, ob ein Kind in seiner Körpersprache nonverbale Zeichen von Angst oder Abwehr zeigt. Auf jedes auch noch so winzige Signal wird sofort und unmittelbar reagiert. Dem kleinen Angsthäschen wird verständlich gemacht, dass es völlig in Ordnung ist, unbekannten Dingen und Menschen gegenüber erst einmal ganz vorsichtig oder auch ängstlich zu sein (Pacing 7 Abschn. 1.2.2).
Lob, Lob, Lob … Ebenso wird jede noch so kleine positive Reaktion bemerkt und wohlwollend kommentiert – die Bereitschaft auf den großen Liegestuhl zu klettern oder auch ein leichtes Öffnen des Mundes sollte sofort mit anerkennenden Worten belohnt werden. Das Kind wird für alle kleinen Schritte ausgiebig gelobt; das führt zu einer positiven Verstärkung
seines Verhaltens und zur Stärkung des kindlichen Selbstwertgefühls (Maiwald 2003, 7 Abschn. 4.1.2).
Alles Bedrohliche vermeiden Alles, was den Kindern bedrohlich erscheinen und ihnen Angst einjagen könnte, ist beim ersten Kontakt unbedingt zu vermeiden. Dazu gehören neben zahnärztlichen Instrumenten und Geräten oder gar aversiven Maßnahmen auch entsprechende angsterzeugende Abbildungen, die sich im Sichtbereich der Kinder befinden, oder auch das Outfit und der Anblick des Praxispersonals. Ein farbiges T-Shirt wird von Kindern als wesentlich weniger bedrohlich empfunden als ein weißer Kittel. Man sollte auch bei der ersten Untersuchung abwägen, ob unbedingt spitze Instrumente oder Mundschutz und Handschuhe verwendet werden müssen. Gegebenenfalls ist dem Kind vorher zu erklären, wozu Mundschutz und Handschuhe erforderlich sind, bevor sie angelegt werden. Ängstlichen Kindern können diese für sie noch ungewohnten Utensilien zur Gewöhnung und zum »Zahnarzt spielen« mit nach Hause gegeben werden. Praxis konkret – Die erste Begegnung in der Zahnarztpraxis 5 Nach der Begrüßung an der Rezeption die Praxisräume zeigen – auch die Toilette! 5 Das Kind persönlich begrüßen bzw. aus dem Wartebereich abholen. 5 Auf gleicher Augenhöhe begrüßen – in die Hocke gehen! 5 Alles beachten und würdigen, was das Kind mitgebracht hat. 5 Langsame Annäherung, Handpuppen verwenden. 5 Die individuelle Distanzgrenze des kleinen Patienten beachten. 5 Alle Abwehrreaktionen beachten und darauf eingehen (Pacing). 5 Loben, loben, loben – Anerkennung für die kleinsten Kleinigkeiten! 5 Jeder Behandler sollte sich selbst genau überprüfen, ob er durch sein Auftreten bedrohlich und angsterzeugend auf kleine Kinder wirkt! 5 Weiße Kittel, Gummihandschuhe, Mundschutz und angsterzeugende, spitze Ins-
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5.2 • Das Kind in der Zahnarztpraxis
trumente möglichst beim ersten Kontakt weglassen oder genau erklären, wozu sie benötigt werden. 5 Nach der ersten Kontrolle ängstlichen Kindern Handschuhe, Mundschutz, Watterollen usw. für das häusliche »Zahnarztspiel« mitgeben. 5 Viel lachen und Spaß haben!
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fen. Beispielsweise nimmt der Behandler die Hand des Kindes und bewundert seinen Nagellack oder Fingerring (Behneke u. Schoderböck 2000, 2002). Dabei kann sofort eine Handkatalepsie entstehen, was Aufschluss über den Grad der Suggestibilität und Hypnotisierbarkeit des Kindes gibt (7 Abschn. 1.4.1). Solche Maßnahmen dienen dem Rapportaufbau und werden als Musterunterbrechungen bezeichnet (7 Abschn. 1.2.4). Im Folgenden werden einige dieser vertrauenbildenden Interventionen vorgestellt.
Die Erstuntersuchung mit Musterunterbrechungen Dieser erste Untersuchungstermin dient nur dazu, die Kinder an die Zahnarztpraxis und das Behandlungsteam zu gewöhnen. Neue kleine Patienten sind lediglich mit der Praxis, ihrem Personal und teilweise auch schon mit dem Behandlungsprozedere vertraut zu machen. Eine richtige Behandlung – Schmerzfälle natürlich ausgenommen – findet grundsätzlich erst nach diesem ersten Termin zum Kennenlernen statt. Wenn es möglich ist, wird die erste Untersuchung in einem neutralen Raum durchgeführt – evtl. vorerst nur in der Wartezone und nicht sofort auf dem zahnärztlichen Behandlungsstuhl (Mehrstedt 1999). An einem vertrauten und sicheren Ort, natürlich auf dem Schoß der Mutter, lässt sich auch bei ängstlichen und sehr kleinen Kindern recht schnell ein guter Rapport aufbauen. So kann man die Kinder schon ab einem Alter von 1 Jahr spielerisch mit Handpuppen an die regelmäßigen Untersuchungen gewöhnen, denn die erste Kontrolle sollte bereits erfolgen, sobald sich das erste Zähnchen zeigt. Bei dieser Erstuntersuchung werden nur harmlose und vertrauenfördernde Maßnahmen durchgeführt und kindgerechte, lustige Begriffe verwendet. Nicht umsonst heißt es im Volksmund: »Der erste Eindruck ist der Bleibende«. Nach diesem Motto ist den Kindern beim ersten Kontakt ein angenehmer Eindruck von der Zahnarztpraxis zu vermitteln.
Musterunterbrechungen Beim ersten Kontakt wird das Kind nicht sofort aufgefordert, seinen Mund zu öffnen, sondern durch positive und empathische Zuwendung wird vorerst eine vertrauensvolle Atmosphäre geschaf-
Wasserspiel
Den kleinen Patienten sollten vor der ersten Behandlung oder Untersuchung die Instrumente und Geräte teilweise schon auf spielerische Art und Weise gezeigt und vorgeführt werden. Das Wasserspiel führt eine Mitarbeiterin zusammen mit dem Kind durch, um den Speichelsauger mit seinen lauten Schlürfgeräuschen (Schlürfi) auszuprobieren. Dabei wird der Spülbecher gefüllt und anschließend mit dem Schlürfi wieder ausgesaugt (Behneke 2003 a). Diese Handlung vermittelt dem kleinen Patienten als Ritual auch vor allen späteren Begegnungen Sicherheit und führt ihn spielerisch an die Behandlung heran. Gleichzeitig wirkt sie als Musterunterbrechung, denn das Kind erwartet eigentlich, dass es sich jetzt hinlegen und für eine vielleicht unangenehme Untersuchung den Mund aufmachen muss – statt dessen wird beim Zahnarzt erst einmal nur gespielt!
Zahnarzt – Rollenspiel
Das Zahnarztspiel wird ebenfalls zu einem beliebten Ritual, das später bei jeder Untersuchung stattfindet und umgehend einen guten Rapport entstehen lässt. Zuerst bekommt das Kind den Zahnarztspiegel in die Hand und schaut bei einer Handpuppe nach, ob sie ihre Zähne gut geputzt hat. Danach darf die Handpuppe der Zahnarzt sein und die Zähne des Kindes untersuchen. Dieses Ritual gibt den Kindern bei jeder Kontrolluntersuchung durch den regelmäßig gleichen Ablauf Sicherheit, nimmt ihnen die Angst und trägt so zur Vertrauensbildung bei (7 Abschn. 2.3.4). Die Kinder lernen dabei den
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
5 . Abb. 5.1 Zahnarztspiel als Musterunterbrechung (1): Das Kind beim Zahnarzt – Rollenspiel: »Na Bimbo, hast du gut geputzt?«
Untersuchungsprozess kennen und dürfen selbst als kleiner Zahnarzt mitspielen. Darauf sind sie sehr stolz, das hebt ihr Selbstbewusstsein und baut ggf. noch vorhandene Ängste und Vorbehalte ab. Gleichzeitig lernen sie am Modell der Handpuppe, wie sie selbst sich bei der zahnärztlichen Untersuchung verhalten sollen (7 Abschn. 4.1.3). In unserer Praxis verwenden wir zur Untersuchung ein kleines Handpuppenäffchen, unseren Bimbo, mit dessen Hilfe die Kinder im Rollenspiel eine zahnärztliche Untersuchung simulieren können. Je nach eigener Vorliebe ist natürlich auch jede andere Handpuppe für dieses Rollenspiel geeignet. Auch dieses Spiel bewirkt eine Musterunterbrechung – statt eine unangenehme Behandlungssituation erleben zu müssen, darf das Kind selbst Zahnarzt sein und dem Äffchen Bimbo in den Mund schauen (. Abb. 5.1 und 5.2). Praxis konkret – Beispiel Rollenspiel Zahnarzt (Folgende Szene 7 Online-Videomaterial, Kap. 1 – Begrüßung: Julius, 2 Jahre alt) Die kleinen Patienten werden zunächst gefragt, ob sie selbst einmal der Zahnarzt sein möchten und nachschauen wollen, ob unser Äffchen Bimbo seine Zähne gut geputzt hat. Die meisten Kinder sind gern dazu bereit, nicken und spielen begeistert mit. Selbst sehr kleine oder ängstliche Kinder nehmen den Spiegel nach anfänglichem
. Abb. 5.2 Zahnarztspiel als Musterunterbrechung (2): Das Kind kann nun schon die Zahnuntersuchung durch die Handpuppe Bimbo zulassen
Zögern in die Hand und spielen die Zahnarztrolle voller Stolz. Oft lachen die Kinder bei diesem Rollenspiel und schauen dann ganz genau und ernsthaft mit dem Spiegel in Bimbos Mund. Sehr aufgeweckte und vorwitzige kleine Patienten finden bei dem Äffchen sogar noch Bananenreste vom letzten Frühstück – dann muss Bimbo natürlich sofort seine Zähne putzen! Wenn Bimbos Mundhöhle vom kleinen Zahnarzt gründlich inspiziert wurde, darf das Äffchen natürlich auch einmal der Zahnarzt sein, denn darauf freut es sich schon den ganzen Tag. Es schaut bei dem kleinen Patienten in den Mund und zählt die Zähne – und der Behandler schaut ganz nebenbei mit zu.
Bei dem Zahnarztspiel wird das Kind wieder für alles gelobt, was es zu loben gibt – wie toll der Mund geöffnet wird, wie schön blank die Zähne sind, weil sie so gut geputzt wurden usw. Selbst wenn bei sehr kleinen Kindern schon mehrere Zähne kariös sind, wird das Kind für das gute Putzen gelobt. Über die zerstörten Zähne und deren Behandlungsmöglichkeit kann anschließend mit den Eltern gesprochen werden, während das Kind von der Mitarbeiterin beschäftigt wird oder sich eine kleine Belohnung aussuchen darf. Mit dieser Musterunterbrechung erhalten wir zu den meisten Kindern sofort einen guten Rapport. Damit wird bei den kleinen Patienten bereits vor der
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5.2 • Das Kind in der Zahnarztpraxis
. Abb. 5.3 Esspapierübung als Musterunterbrechung (1): Zeigen des Esspapiers
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. Abb. 5.5 Esspapierübung als Musterunterbrechung (3): Förderung von Lippenschluss und Nasenatmung durch Esspapier zwischen den Lippen
Zaubern
Eine andere Möglichkeit der Musterunterbrechung beim ersten Besuch in der Zahnarztpraxis ist das Zaubern (Neumeyer 2000 u. 2009; Dammann 2002). Ausführlich werden im 7 Kap. 8 die psychologischen Aspekte sowie die therapeutische Wirkung des Zauberns erläutert.
Entspannungsübungen
. Abb. 5.4 Esspapierübung als Musterunterbrechung (2): Auflegen des Esspapiers auf die Unterlippe
eigentlichen Untersuchung auf spielerische Art und Weise ein Yes-Set erzielt (7 Abschn. 1.2.2).
Esspapierübung
Eine weitere harmlose, aber sehr effektive Maßnahme zur Musterunterbrechung ist die Esspapierübung (. Abb. 5.3 bis 5.5). Wir legen Kindern, die ständig durch den Mund atmen, zur Verbesserung des Lippenschlusses und zur Anregung der Nasenatmung einen kleinen Streifen Esspapier zwischen die Lippen. Diese leckeren »Obladen mit Fruchtgeschmack« machen auf die offene Mundhaltung aufmerksam, trainieren den Lippenschluss und die Nasenatmung – und schmecken auch noch gut.
Wenn wir spüren, dass die kleinen Patienten unter starker Anspannung stehen, ist es besonders wichtig, sie nicht weiter unter Druck zu setzen. Sie sollen sich vor der Untersuchung erst einmal entspannen, dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten, die auch als Musterunterbrechungen wirken: 5 Besondere Atemtechnik in Form einer tiefen Bauchatmung, verknüpft mit Wohlfühlsuggestionen und der Visualisierung von Traumreisen führen sehr schnell zu einer angenehmen Entspannung. 5 Autogenes Training wird bei besonders unruhigen Kindern empfohlen, diese bewährte Methode kann in Mutter-Kind-Kursen erlernt werden. 5 Die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson ist eine weitere sehr bewährte Entspannungsmethode. Dabei werden nach und nach alle Muskeln angespannt und wieder locker gelassen. Als Abschluss der Übung wird der gesamte Körper noch einmal total angespannt,
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
um danach völlig loszulassen und zu entspannen. Eine genaue Anleitung zur progressiven Muskelentspannung für Patienten ist bei Schmierer und Schütz (2007) zu finden. Um diese Methode zu erlernen und zum häuslichen Üben wird den jungen Patienten eine CD empfohlen (Ohm 1999) und den Eltern kleinerer Kinder ein Übungsbuch (Salbert 2006). 5 Zur Entspannung können auch sophrologische Übungen durchgeführt werden, die besonders bei Kollegen aus Österreich Anwendung finden (Simma-Kletschka 1998; Schoderböck 2007). Es handelt sich hierbei um kombinierte Atem- und Bewegungsübungen, die zu körperlicher und geistiger Entspannung und Harmonisierung führen.
Dampflok
Manche Kinder brauchen spontan eine Möglichkeit, vor der Untersuchung ihren »Dampf« abzulassen. Sie sollen ihre Arme mit geballten Fäusten ganz schnell wie ein Boxer vor- und zurückbewegen, und dabei tief und laut zischend ein- und ausatmen wie eine Dampflok (Stein 2009). Dabei können die Kinder sich auch durch den Raum bewegen oder vor den Spiegel stellen, was sie meist ganz schnell zu einem entspannenden Lachen bringt. Um effektiv eine Entspannung zu bewirken, sollte diese Übung eine gewisse Zeit lang, mindestens 1 min, durchgeführt werden.
Überkreuzbewegungen
Bewegungsübungen zur Aktivierung der beiden Hirnhälften (Dennison u. Dennison 2004) können ebenfalls als Musterunterbrechungen eingesetzt werden. Das sind einfach durchzuführende Bewegungsabläufe, die immer die Körpermitte kreuzen und zur besseren Integration der beiden Hemisphären des Gehirns beitragen. Diese Übungen bewirken neben einer deutlichen Entspannung, dass sich die Kinder infolge der bilateralen Hemisphärenstimulation auch besser konzentrieren können. Wir verwenden vorwiegend das Überkreuz gehen und hüpfen, wobei das Kind durch den Raum läuft oder hüpft und dabei im Wechsel zuerst eine Zeit
lang über Kreuz und danach gleichseitig auf seine beiden Knie klatscht. Es ist dabei zu beachten, dass man immer mit einer Überkreuzbewegung endet. Praxis konkret – Überkreuz hüpfen und gehen 5 Das Kind klatscht abwechselnd mit der rechten Hand auf das linke Knie und umgekehrt mit der linken Hand auf das rechte Knie und läuft oder hüpft dabei durch den Raum. 5 Dann wird rasch gewechselt zum gleichseitigen Klatschen – die rechte Hand klatscht auf das rechte Knie und die linke Hand auf das linke Knie, um danach wieder über Kreuz zu Klatschen. 5 Dieser schnelle Wechsel von gleichseitigen Bewegungen mit solchen, die die Körpermitte kreuzen, soll das Gehirn aktivieren und konzentrationsfördernd wirken. 5 Diese Übungen können Kinder ab 4–5 Jahre schon erlernen und auch selbstständig zu Hause bei belastenden Erlebnissen, Schulstress oder Lernschwierigkeiten einsetzen.
Musterunterbrechung bei Behandlungsverweigerung
Musterunterbrechungen werden auch eingesetzt, um bisher erfolgreiche Verhaltensmuster der Kinder zur Vermeidung der Zahnbehandlung zu durchbrechen. Wenn das Kind bisher seinen Willen durchsetzen konnte und durch Weinen, Schreien und Behandlungsverweigerung erreicht hatte, dass es sich nicht behandeln lassen musste, wird dieses Muster jetzt unterbrochen. Schmierer (2002) beschreibt beispielsweise, dass der Behandler mit weit geöffnetem Mund auf dem Zahnarztstuhl liegt, wenn der ängstliche und unwillige kleine Patient ins Sprechzimmer kommt, und nun darf das Kind im Mund des Zahnarztes mit Spiegel, Luftund Wasserspritze hantieren (s. auch bei Schmierer 2006 als Videodemonstration). Von Atzlinger (2008) wird ein Rollentausch zwischen Kind und Zahnarzt in dem Sinne empfohlen, dass der Zahn-
5.2 • Das Kind in der Zahnarztpraxis
arzt auf dem gemütlichen Behandlungsstuhl sitzt und dem Kind freundlich zu verstehen gibt, dass er gar keine Lust zum Behandeln hat und auf dem Stuhl zu liegen doch viel schöner ist. Unwillige oder ängstliche kleine Patienten werden dann gefragt, ob sie nicht auch einmal so schön bequem sitzen möchten – was häufig bejaht wird und zu einem Platzwechsel führt. Als Musterunterbrechung können Kinder, die den Mund nicht öffnen wollen, auch erst einmal aufgefordert werden, die Augen ganz weit zu öffnen und den Mund fest zu schließen. Behneke und Schoderböck (2000, S. 7) beschreiben dieses Vorgehen folgendermaßen:
» Zu einem Kind, das den Mund nicht aufmachen will, sagen wir: »Mach den Mund ganz fest zu und die Augen ganz weit auf. Augen noch weiter auf …, Mund noch fester zu …« Kind: »Geht nicht.« »O.k., probier’s mal umgekehrt: die Augen zu und den Mund auf ….«
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Wirkung der Musterunterbrechungen Die Kinder sind von einer derartigen Maßnahme angenehm überrascht, denn oft erwarten die kleinen Patienten in der Zahnarztpraxis eigentlich etwas ganz anderes. Besonders, wenn sie bereits negative Berichte über Zahnbehandlungen gehört oder sogar schon selbst schlechte Erfahrungen gemacht haben, sind sie jetzt dankbar, einen positiven Zahnarztbesuch zu erleben. So wird Angst und daraus resultierendes Vermeidungsverhalten mit der Zeit abnehmen, wenn keine relevanten Negativereignisse mehr eintreten (7 Abschn. 4.3.5). Die Musterunterbrechungen tragen nicht nur zur Ausbildung einer angstfreien und vertrauensvollen Beziehung bei, sondern lassen die kleinen Patienten auch neugierig auf den nächsten Termin werden. Es wird von Anfang an eine Atmosphäre geschaffen, in der die Kinder sich wohl fühlen, wobei spielerisch Vertrauen aufgebaut wird. Alles, was Spaß macht, verstärkt den Rapport, und die Kreativität des gesamten Behandlungsteams ist hierbei gefragt. Die kleinen Patienten sind danach zur eigentlichen Behandlung viel aufgeschlossener, freuen sich oft sogar schon darauf und können den nächsten Termin vor Neugierde kaum noch erwar-
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ten. Das erhöht ihre Motivation, sich dann später auch behandeln zu lassen (7 Abschn. 4.2.4)
Untersuchung auf dem Schoß des Behandlers Ist bei Kleinkindern oder sehr ängstlichen Kindergartenkindern, die noch nicht bereit sind, ihren Mund zu öffnen, eine Inspektion der Mundhöhle sofort und dringend erforderlich (Unfall, Schmerzen), wird das Hoppe-Reiter-Spiel zur Hilfe genommen. Man verwendet dabei 2 normale Stühle, auf die sich die Begleitperson des Kindes (Mutter) und der Behandler gegenüber setzen (Knie-zu-KniePosition). Das Kind sitzt mit dem Gesicht zur Mutter auf deren Schoß, das vermittelt ihm Schutz und Nähe. Zur Untersuchung wird das Hoppe-ReiterSpiel eingesetzt. Den meisten Kleinkindern ist dieses Spiel aus ihrem häuslichen Umfeld bekannt, es hat daher einen rituellen Charakter und vermittelt ihnen Sicherheit und Geborgenheit. Der bekannte Reim wird von den Eltern aufgesagt, danach fällt der Reiter »in den Graben« und mit dem Kopf auf den Schoß des davor sitzenden Zahnarztes. Dieser kann nun – ggf. mithilfe einer lustigen Handpuppe – eine kurze Inspektion der Mundhöhle vornehmen, um sich Klarheit über die Situation zu verschaffen. Der Oberkörper des Kindes kann auch seitlich in den Schoß des Behandlers fallen, während es mit der Mutter im Behandlungsstuhl sitzt und von ihr liebevoll gehalten wird. Das ist bei hochgestellter Armlehne ebenfalls ein praktikabler und wirksamer Untersuchungsmodus bei kleinen und ängstlichen Kindern. Praxis konkret – Ratschläge für den Rapportaufbau bei der ersten Untersuchung (Zusammenfassung) 5 Kindgerechte Praxiseinrichtung (Spielzimmer) und eine humorvolle Atmosphäre in der Praxis schaffen. 5 Genügend Zeit für jeden kleinen Patienten einräumen, sich zu akklimatisieren und Aufregung bzw. Ängste abzubauen. 5 Gelegenheit für neugierige Kinder schaffen, die Praxisräume zu erkunden. 5 Als Behandler kongruent sein, liebevoll und mit Empathie auf die kleinen Patienten zugehen.
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
5 Begrüßung des Kindes auf gleicher Augenhöhe, dabei die individuelle Distanzgrenze beachten und Handpuppen zum Rapportaufbau verwenden. 5 Die erste Untersuchung bei sehr kleinen und ängstlichen Kindern außerhalb des Behandlungsraumes in neutraler und sicherer Umgebung durchführen, ggf. das Hoppe-Reiter-Spiel anwenden. 5 Kinder ständig loben und beim ersten Kontakt nur harmlose und angenehme Maßnahmen durchführen. 5 Zum ersten Termin sollte mit Ausnahme von Schmerzfällen noch keinerlei Behandlung stattfinden. 5 Durch Musterunterbrechungen während der ersten Begegnung für Auflockerung und Vertrauensaufbau sorgen. 5 Ein Yes-Set erzeugen durch das Zahnarztrollenspiel, das bei späteren Kontrollen als Begrüßungsritual verwendet wird. 5 Alles kindgerecht mit neutralen und lustigen Begriffen erklären. 5 Das Kind spielerisch an die erste Behandlung heranführen (Wasserspiel). 5 Bei der ersten Begegnung Neugier auf die Behandlung wecken als Motivationsfaktor.
5.2.4
Die Eltern als Partner
Die Rolle der Eltern wird im 7 Kap. 3 ausführlich diskutiert. Bei der Zahnbehandlung können manche Eltern ihr Kind sehr gut zur Mitarbeit motivieren und hilfreich unterstützen, andere Eltern wiederum sind in dieser Beziehung weniger kooperativ. Eltern können Erwartungen, Befürchtungen und Fragen haben, auf die das Behandlungsteam eingehen sollte. Nur so kann verhindert werden, dass die begleitenden Eltern auf negative Art und Weise das Verhältnis zwischen dem Praxisteam und den kleinen Patienten beeinflussen.
Erziehungsstile und Zahnbehandlung Beim Gespräch mit den Patienteneltern in der Zahnarztpraxis ist der Erziehungsstil zu beachten
und auch zu tolerieren. Bei offensichtlichen Erziehungsdefiziten können dezente Hinweise auf die Möglichkeit, eine Erziehungsberatungsstelle aufzusuchen, oder auf entsprechende Bücher über dieses Thema gegeben werden (Biddulph 1993; Winterhoff 2009 a, b). Ansonsten sind die Eltern nicht zur Erziehungsberatung zum Zahnarzt gekommen, sondern mit einem Behandlungsauftrag – sie erwarten die Zahnsanierung ihrer Kinder. Der Fokus ist also im Elterngespräch vordergründig auf die Zähne der Kinder und deren Therapie zu richten, dabei sind die Hinweise aus 7 Abschn. 3.5 zu beachten.
Kindgerechtes Elterngespräch Das Gespräch mit den Eltern darf nicht über den Kopf des Kindes hinweg erfolgen (Mehrstedt 1999), das führt zur Verunsicherung und wirkt angsterzeugend, da vor allem kleinere Kinder meistens den Inhalt eines solchen Gespräches missverstehen. In unserer Praxis hat es sich bewährt, Fragen nach Diagnose und Therapie zuerst kindgerecht mit dem kleinen Patienten zu erörtern; dabei erfahren die Eltern bereits alles Wesentliche. Erst wenn dem Kind genügend Aufmerksamkeit geschenkt wurde und alle seine Fragen beantwortet und geklärt sind, übernimmt eine Mitarbeiterin das Kind. Es darf sich eine kleine Belohnung aussuchen und noch ein Bilderbuch anschauen oder in der Wartezone spielen, während den Eltern ausführlich der Behandlungsbedarf und die Therapiemöglichkeiten erläutert werden. So ist von vornherein ausgeschlossen, dass sich bei den Kindern Ängste und Unsicherheiten entwickeln, die durch für sie unverständliche Erklärungen an die Erwachsenen entstehen können.
Schriftliche Informationen Es hat sich bewährt, Informationsmaterial über alle behandlungsrelevanten Themen bereitzuhalten oder auf der Praxishomepage zu hinterlegen. Damit wird den Eltern die Möglichkeit gegeben, nach dem Zahnarztbesuch zu Hause noch einmal in Ruhe alles nachlesen zu können. Das macht das Elterngespräch entspannter und stressfreier und hinterlässt bei den Beteiligten ein positives Gefühl. Es gibt den Begleitpersonen die Sicherheit, alles richtig verstanden zu haben und dem Ehepartner zu Hause auch wiedergeben zu können. Über die
5.2 • Das Kind in der Zahnarztpraxis
zahnärztliche Hypnose werden die Eltern relativ umfassend in einem Ratgeber informiert (Freigang u. Schütz 2006) oder ausführlicher bei Schmierer u. Schütz (2008). Die Einstellung der Eltern zur Zahnbehandlung ihres Kindes, die unter Umständen von der eigenen Angst und Abneigung gegen Zahnarztbesuche geprägt war, verbessert sich so nach und nach. Das überträgt sich auf die Kinder und beeinflusst letztendlich auch deren Einstellung positiv.
Anwesenheit und Verhalten der Eltern bei der Zahnbehandlung ihres Kindes Mit den Eltern wird besprochen, dass dem Kind während der späteren Zahnbehandlung die Anwesenheit einer vertrauten Bezugsperson in jedem Fall ermöglicht werden sollte, um ihm ein sicheres Gefühl in der fremden Umgebung zu vermitteln. Wenn der kleine Patient selbst allerdings wünscht, allein behandelt zu werden, wird sein Wunsch natürlich respektiert. Nach unseren Erfahrungen ist das aber bei kleinen Kindern in der Regel selten der Fall. Die Eltern werden auch darauf hingewiesen, dass sie dem Praxisteam die Führung ihres Kindes überlassen sollten und das Sprechen mit dem Kind ausschließlich dem Behandlungsteam vorbehalten bleibt. Im Übrigen sollen sie sich an die Regeln halten, die im Elternbrief dargestellt sind (Schmierer 2002 a; Stein 2009).
Eltern mit Zahnarztangst Im Gespräch mit den Eltern ist zu erfragen, welche Ängste und Unsicherheiten sie bei der eigenen Zahnbehandlung haben und wie sie damit umgehen (Schmierer 1993). Sollte die Begleitperson, meist die Mutter, selbst unter starker Zahnarztangst leiden, wird ihr erklärt, dass während der Zahnbehandlung des Kindes eine Übertragung von Angst und Unruhe möglich ist. Ihre eigene Angst wird vom Kind meist wahrgenommen und erzeugt bei ihm Negativgefühle. Das System der Spiegelneurone des Kindes ist hierbei aktiviert, so können auch bei ihm negative Empfindungen bei der Zahnbehandlung erzeugt werden (7 Abschn. 4.2.2).
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Inkongruenz als Angstauslöser Eltern mit Zahnarztangst fühlen sich oft hin- und her gerissen von der Einsicht in die Notwendigkeit, dass die Behandlung ihres Kindes erforderlich ist, und der Erinnerung an ihre eigenen schmerzhaften und unangenehmen Zahnbehandlungen, die sie ihrem Kind ja nicht wünschen (Mehrstedt 1999). Sie wirken dann in ihrem Verhalten inkongruent, was beim Kind wiederum Misstrauen und Angst hervorruft (7 Abschn. 2.3.7). In einem solchen Fall empfehlen wir dem betroffenen Elternteil, die Begleitung des Kindes zur Zahnbehandlung mit einer anderen vertrauten, aber neutralen Person zu ermöglichen oder sich selbst im Behandlungsraum sehr im Hintergrund zu halten.
Akupressur durch die Begleitperson Die Begleitperson des Kindes wird über die Möglichkeiten der Akupressur und der Klopftechniken während der Zahnbehandlung aufgeklärt (7 Kap. 7); das ist während der Kinderzahnbehandlung sehr hilfreich: Das Massieren bestimmter Akupunkturpunkte, insbesondere an den Händen und Unterarmen, kommt dem Bedürfnis von Mutter und Kind entgegen, während der Zahnbehandlung Händchen zu halten – es hat aber gleichzeitig den beruhigenden und entspannenden oder auch schmerzlindernden Effekt der Akupressur (Zehner 2010 a; 7 Abschn. 7.3). Die Konzentration darauf bewirkt bei der Mutter Ablenkung und führt zu mehr Entspannung, das überträgt sich auf den kleinen Patienten und lässt ihn ebenfalls entspannter werden, wodurch die Akupressurwirkung ergänzt wird.
Entspannung der Begleitperson Die Begleitperson wird darauf hingewiesen, dass sie während der Behandlung durchaus selbst auch in Trance gehen kann, um ihre Entspannung an das Kind weiterzugeben. Das ist besonders wichtig, wenn kleine Kinder während der Behandlung auf der Mutter liegen und durch den unmittelbaren Körperkontakt die kleinste Anspannung der Mutter vom Kind zu spüren ist. Deshalb sollte die Mutter ggf. leise eine Melodie summen und ihre Entspannung durch eine intensive Bauchatmung und angenehme Imaginationen vertiefen. Die Mut-
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
ter kann auch in Trance geführt werden, indem nur mit dem Kind gesprochen wird (Schoderböck 2007). Mit den Worten »Deine Mutter kann sich jetzt ganz entspannen, sie kann die Augen schließen und darf auch an ein Pferd denken …« gibt man ihr den indirekten Auftrag und die Erlaubnis, in Trance zu gehen – und das Kind folgt meistens unverzüglich. Mit den in 7 Abschn. 5.4.3 beschriebenen Konfusionsmethoden geht die Begleitperson ebenfalls in der Regel recht schnell in Trance. Sie wird damit abgelenkt und kann sich besser entspannen.
Positive Verstärkung durch Videomitschnitte Die Kinderhypnosezahnbehandlung wird in unserer Praxis oft auf Video aufgenommen und der Film den Patienten später als CD mit nach Hause gegeben. Cave: Kritische Behandlungsszenen sollten herausgeschnitten werden! So erfolgt im Nachhinein beim Anschauen des Videofilmes nicht nur für die Kinder eine positive Verstärkung und eine Steigerung des Selbstbewusstseins, sondern auch der während der Behandlung abwesende, oft sehr ängstliche Elternteil kann sich von dem einfühlsamen Vorgehen des Praxisteams und der entspannten und lustigen Zahnbehandlung seines Kindes überzeugen. Wenn ängstliche Eltern nun aus der entsprechenden Distanz heraus eine entspannte Hypnosezahnbehandlung bei ihrem Kind miterleben können, werden sie schnell erkennen, dass der Vergleich mit ihrer eigenen unangenehmen Zahnbehandlung völlig irrelevant ist. Wir erleben oft, dass sie sich danach auch selbst mit Hypnose behandeln lassen möchten. Praxis konkret – Eltern und Begleitpersonen 5 Eltern bzw. Begleitpersonen sind wichtige Bezugspersonen, die dem Kind durch ihre Anwesenheit Sicherheit geben (können). 5 Die Begleitpersonen sollten sich an die Regeln halten, die ihnen in einer Elterninformation vor der Behandlung ausgehändigt werden. 5 Eltern sollten auch schriftlich über behandlungsrelevante Themen informiert werden.
5 Das Kind steht während der gesamten Behandlung im Mittelpunkt. 5 Die Führung des Kindes muss dem Praxisteam vorbehalten sein. 5 Begleitpersonen mit Zahnarztangst können beim Kind Ängste auslösen oder vergrößern. 5 Angespannte oder ängstliche Begleitpersonen sollten selbst Entspannung erfahren. 5 Begleitpersonen können aktiv durch Akupressur des Kindes hilfreich sein (Zehner 2010 b, 7 Abschn. 7.3). 5 Das Betrachten von Videomitschnitten der erfolgreichen und entspannten Zahnbehandlung gibt auch den ängstlichen Eltern mehr Sicherheit.
5.2.5
Behandlungsvorbereitung bei Kindergarten- und Grundschulkindern
Vorbereitungsliteratur Zur Vorbereitung auf die Zahnbehandlung ist es hilfreich, den Eltern geeignete Kinderbücher zu empfehlen, die das Kind zu Hause bereits auf den Behandlungstermin einstimmen. Es hat sich bewährt, in der Praxis während der Behandlung immer ein und dieselbe Geschichte zu verwenden, die allen Mitarbeitern und Kinderpatienten bekannt ist. Vor der ersten Behandlung sollte das Kind diese Geschichte bereits kennen und ist so mit entsprechender Unterstützung durch das Elternhaus zum Behandlungstermin schon bestens informiert. Wir haben in unserer Praxis die Geschichte von den Zahnteufeln Hacki und Dicki aus der Milchzahnstrasse ausgewählt (Russelmann 2008). Für uns ist diese Geschichte bei der Vorbereitung auf die Zahnbehandlung insbesondere deshalb sehr hilfreich, weil sich die Kinder mit den Zahnteufelfiguren nicht identifizieren und solidarisieren können. Hacki und Dicki werden von den kleinen Patienten zwar als liebenswerte, aber auch eklige kleine Schmarotzer angesehen, und sie haben tatsächlich große Ähnlichkeit mit den Kariesbröck-
5.2 • Das Kind in der Zahnarztpraxis
chen, die später bei der Behandlung mit der Zahnteufelangel (Excavator) aus den Kinderzähnen herausgeschabt werden. Praxis konkret – Hacki und Dicki als Pflichtliteratur Diese Zahnteufelgeschichte ist unsere Standardgeschichte und Pflichtliteratur für jeden neuen Patienten und auch für jede neue Mitarbeiterin. Es ist sehr vorteilhaft, wenn es in jeder Praxis eine solche Standardgeschichte gibt, die alle Helferinnen kennen und von der immer wieder erzählt wird. Selbst die jüngste Auszubildende kann ein solches Kinderbuch am Wochenende zu Hause auswendig lernen und ihr Wissen danach sofort hilfreich bei der Kinderhypnosezahnbehandlung einsetzen. Das ständige Benutzen der gleichen Geschichte, mit der kindgerecht während der Zahnbehandlung die einzelnen Schritte erklärt werden, kommt dem kindlichen Bedürfnis nach Wiederholungen (Rituale) und Konstanz entgegen (7 Abschn. 2.3.4). Es erweckt bei den Kindern ein vertrautes Gefühl, wenn in der fremden Umgebung der Zahnarztpraxis eine bekannte Geschichte erzählt wird; das gibt ihnen eine gewisse Sicherheit während der Behandlung.
Tell-Show-Ask-Do-Methode Vor der Behandlung wird dem Kind von der Helferin alles genau erklärt, was zum Reinigen und Reparieren der Zähne benötigt wird. Dabei kann es auch selbst die Instrumente und Geräte nach der Tell-Show-Do-Methode anfassen und ausprobieren (Einwag u. Pieper 2002; Splieth 2002). Mit dieser Methode werden die Kinder gut auf die Behandlung vorbereit. Ziel ist es, dem Kind das Behandlungsumfeld mit all seinen unbekannten und dadurch angsterzeugenden Geräten und Instrumenten vertraut und sicher zu machen 7 Abschn. 4.5.1. Allerdings wurde von uns noch ein Aspekt hinzugefügt: Bei der Vorbereitung auf die Behandlung ist zu beachten, dass die Kinder immer gefragt werden sollten (Ask), ob sie auch bereit sind, die einzel-
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nen Geräte auszuprobieren (Schoderböck 2004 u. 2009 b). Erst wenn ein Yes-Set besteht, darf weitergearbeitet werden. Die Frage nach der Bereitschaft des Kindes, die zahnärztlichen Gerätschaften selbst auszuprobieren, ist insbesondere bei sehr ängstlichen oder kleinen Kindern sinnvoll und wichtig. Zuerst wird also erklärt (Tell), welche Geräte und Instrumente verwendet werden. Danach wird alles genau gezeigt (Show), und die kleinen Patienten werden gefragt (Ask), ob sie vor der Behandlung alle Instrumente selbst ausprobieren möchten (Do). Da Kinder am besten am Modell lernen, verwenden wir zur Behandlungsvorbereitung spezielle Handpuppen mit Zähnen oder auch ein großes Zahnmodell – unseren Max. Bei ihm können der Pustewind, der Schlürfi und die Dusche ausprobiert und sogar ein Loch im Zahn mit Knetmasse gestopft werden.
Überforderung bei sehr kleinen und sehr ängstlichen Kindern Bei sehr ängstlichen oder kleineren Patienten sollte besonders vorsichtig bei der Tell-Show-Ask-DoMethode vorgegangen werden. Jede Maßnahme, die Angst und Misstrauen verstärken könnte, muss genau demonstriert und dabei in ihrer Harmlosigkeit erklärt werden (Maiwald 2003). Die Instrumente und Geräte sollten daher nicht schon in voller Bandbreite vor der Behandlung gezeigt werden, denn diese Kinder sind durch zu viele Eindrücke und Erklärungen leicht überfordert und können dadurch Angst entwickeln. Wenn wir während der Behandlung ein bestimmtes Gerät oder Instrument benötigen, wird es deshalb erst unmittelbar vor seiner Anwendung gezeigt und diese Demonstration mit in eine Geschichte eingebaut. Die oben beschriebene Geschichte von Hacki und Dicki aus der Milchzahnstraße, die kleinere Kinder immer wieder hören wollen, ist dafür bestens geeignet. Da bei diesen kleinen Patienten ein ganz besonders vorsichtiges Vorgehen angezeigt ist, wird die Karies ohnehin fast nur mit Handexcavatoren entfernt. Das kann gut anhand der Bilder aus diesem Kinderbuch demonstriert werden.
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Chemomechanische Kariesentfernung mit Carisolv
5
Das Excavieren der Karies mit Handinstrumenten, ggf. unter Verwendung von Carisolv (Splieth 2002, Mehrstedt 1999), bringt den entscheidenden Vorteil, dass in der Regel auf eine Lokalanästhesie verzichtet werden kann. Das anhaltende Taubheitsgefühl nach einer Lokalanästhesie wird von vielen Kindern als sehr unangenehm, möglicherweise sogar als Schmerz empfunden, da es ein für sie unbekanntes Druckgefühl ist. Daher wird eine Behandlung ohne Anästhesie von den kleinen Patienten bevorzugt. Rotierende Instrumente sind bei der Carisolvbehandlung entbehrlich, insbesondere wenn bereits ein ausreichender Zugang zur Kavität vorhanden ist. Gegebenenfalls wird zu Beginn der Behandlung vor der Carisolveinlage nur ganz kurz ein Schnelllaufwinkelstück benötigt, um störende Schmelzränder oder alte Füllungen zu entfernen. Mit entsprechenden kinderhypnotischen Suggestionen (7 Abschn. 5.4) wird eine solche kurze Intervention als Duschen oder Säubern des Zahnes bezeichnet und von keinem Kind als unangenehmes Bohren empfunden. Mikrobiologische Untersuchungen nach chemomechanischer Kariesentfernung ergaben nur noch eine geringe Keimbesiedelung, sodass dieses Verfahren als echte Alternative zum herkömmlichen Bohren angesehen werden kann (Kneist et al. 2002; Vongerichten 2001). Nach Splieth (2002, S. 143) »ist es wahrscheinlich, dass die Schmerzwahrnehmung und -toleranz durch die Aussage ‚es muss nicht gebohrt werden‘ deutlich verschoben werden«. Deshalb ist die Technik der chemomechanischen Kariesentfernung mit Carisolv insbesondere bei kleinen und behandlungsunwilligen Kindern zum schrittweisen Heranführen an die Behandlung gut geeignet.
Kindgerechte Begriffe Wir verwenden bei der Tell-Show-Ask-Do-Methode für alle Materialien, Instrumente und Einrichtungsgegenstände kindgerechte Namen, Angst besetzte Begriffe werden vermieden (. Tab. 5.1). Durch dieses »Umdefinieren« der zahnärztlichen Behandlungsgegenstände und Vorgänge werden sie vom Kind in einem anderen Kontext gesehen (Reframing 7 Abschn. 1.2.4).
Praxis konkret – Beispiel Standardgeschichte »Hacki und Dicki aus der Milchzahnstraße« 5 Bei der Behandlung wird die Demonstration der Behandlungsgeräte in die Geschichte Neues aus der Milchzahnstraße (Russelmann 2008) eingebaut. 5 Beim Excavieren der Karies wird die Geschichte von den Zahnteufeln erzählt, die sich in den Kinderzähnen eine Wohnung gebaut haben. Dabei wird den Kindern der Excavator als Zahnteufelangel vorgestellt und ein Kariesklümpchen aus dem Zahn geangelt, so wie es auch im Bilderbuch abgebildet ist. Das Zahnteufelchen wird dann vom Kind genau begutachtet. Manchmal hat es ebenso spitze Hörner wie der Zahnteufel Dicki, oder es sieht aus wie Hacki aus der Milchzahnstraße, der einer roten Wurst ähnelt. 5 Dann dürfen die Kinder die Zahnteufel selbst mit dem kleinen Schlürfi (Sauger) wegsaugen. Die Wirkungsweise des Saugers wird kleinen Kindern oft erst zu diesem Zeitpunkt und nicht schon vor der Behandlung demonstriert, um Erschrecken und Entwicklung von Angst durch das laute Geräusch des Saugers zu vermeiden. 5 Der Schlürfi kann zuerst außerhalb des Mundes zum Einsatz kommen (s. Wasserspiel 7 Abschn. 5.2.3), bevor die Kinder langsam daran gewöhnt werden, dass er im Mund auch ganz lustig kitzeln und dabei die Spucke und die Zahnteufel wegschlürfen kann. Hacki und Dicki schwimmen dann durch die Wasserleitung ins große Meer und legen sich am Sonnenstrand in den Sand, dort geht es ihnen richtig gut. 5 Nun werden aus der Zahnteufelhöhle noch alle Einrichtungsgegenstände heraus geangelt, bis es drinnen ganz sauber aussieht. Zwischendurch kann ein Putzlappen (Wattebällchen mit Carisolv; Splieth 2002) den Reinigungsprozess unterstützen. Der schmeckt wie das Wasser aus dem Schwimmbad in der Milchzahnstrasse.
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5.2 • Das Kind in der Zahnarztpraxis
5
. Tab. 5.1 Kindergerechte Begriffe für Einrichtungsgegenstände, Instrumente und Materialien Fachterminus
Kinderbegriff
Behandlungsstuhl
Königsthron, gemütlicher Liegestuhl
Behandlungsleuchte
Sonne wie im Urlaub
Turbine, rotes Winkelstück
Dusche mit Stäbchen aus Schmirgelpapier, Turbojet, Düsenflieger
Excavator
Zahnteufelangel
Rosenbohrer
Rillenputzer, Schaufelbagger, Rumpelstilzchen
Bürstchen zum Polieren
Straßenreinigungsauto
Matrize
Kuchenform, Sandform
Speichelsauger
Zahnteufelsauger, Schlürfi, Elefantenrüssel
Luftpuste
Zauberwind, Pustewind
Watterollen
Kuschelkissen für die Zunge
UV-Lampe
Zauberlampe, Blaulicht
Füllungsmaterial
Zauberzahnknete, Zauberstein
Versiegelungsmaterial
Zauberlack
Spritze
Kinderbetäubung mit Minileitungsröhrchen, Schlaftropfeneinfüller, Zahneinschlafgerät
Injektionsmittel
Schlafsaft, Schlafkügelchen, Eiskügelchen, Kitzeltropfen
Homöopathisches Mittel
Zauberkügelchen, Liebesperlen
5 Ist die Zahnteufelwohnung ganz sauber geputzt, kommt die Zahnpolizei und schließt die Tür dicht ab, damit keine Zahnteufel wieder dort einziehen können. Dazu verwandelt sie mit ihrem Blaulicht (UV-Lampe) die Zauberzahnknete in einen schönen bunten Zauberstein (Füllung). Wenn alles ganz fest und hart geworden ist, kann der Zahn noch schön lackiert werden und ist nun wieder zum Kauen und Beißen bereit.
Von Profis lernen Vor ihrer eigenen Behandlung dürfen ängstliche Kinder bei einem kleinen Kinderhypnoseprofi zuschauen oder sogar bei der Behandlung anderer Kinder helfen. Diese werden natürlich vorher um Erlaubnis gebeten, doch nach unseren Erfahrungen
sind die meisten Kinder sehr stolz darauf, anderen zeigen zu können, wie gut sie sich behandeln lassen. Die kleinen Zuschauer dürfen beispielsweise den Sauger oder die Zauberlampe halten oder auch Instrumente zureichen. So lernen sie ganz nebenbei die Geräte, die Instrumente und auch das Behandlungsteam kennen. Während ihnen die Praxismitarbeiterin mit den kindgemäßen Bezeichnungen alles erklärt, können die kleinen Angsthäschen erleben, wie lustig es bei einer Kinderzahnbehandlung zugeht und wie gut sich das andere Kind dabei fühlt. So wird gleichzeitig Rapport aufgebaut, das ängstliche Kind baut seine Ängste ab und wird positiv auf die spätere eigene Zahnbehandlung eingestimmt (Modelllernen 7 Abschn. 4.1.3). Cave: Das Zuschauen bei den eigenen Geschwistern ist allerdings häufig nicht so erfolgreich, vor allem wenn im häuslichen Umfeld schon fortwährend das mutigere Kind dem ängstlicheren als Vorbild hingestellt wird. Oft sind es sogar die älte-
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
ren Kinder, die ängstlicher reagieren als ihre jüngeren Geschwister, daher ist deren Selbstbewusstsein häufig ohnehin nicht besonders stark ausgeprägt. Bei ihnen führt das Zuschauen und Helfen bei der Zahnbehandlung fremder Kinder eher zum Angstabbau, zur Verbesserung des Selbstwertgefühls und zur Verhaltensänderung als das Modelllernen am Geschwisterkind.
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Das Zuschauen bei der Zahnbehandlung aktiviert die Spiegelnervenzellen Rizzolatti und Sinigaglia (2008) beschreiben das Resonanzsystem der Spiegelneurone (7 Abschn. 4.2.2). Diese Resonanzphänomene haben ganz praktische Bedeutung für die Kinderzahnbehandlung und sollten daher beachtet werden. Wenn nämlich ein kleines Angsthäschen ein anderes Kind während einer lustigen und kindgerechten Zahnbehandlung beobachtet, bei der Geschichten erzählt werden, Handpuppen helfen dürfen und vielleicht sogar gezaubert wird, treten seine entsprechenden Spiegelnervenzellen in Resonanz. Es empfindet das gleiche Wohlbehagen wie der kleine Patient, der mit Kinderhypnose behandelt wird. Cave: Viele Eltern meinen es gut und nehmen ihre Kinder zur Gewöhnung an den Zahnarzt zu ihrer eigenen Zahnbehandlung mit. Wenn ängstliche Kinder aber ihre Eltern während einer Zahnbehandlung beobachten und spüren, wie diese innerlich unruhig und angespannt sind, ruft auch das eine Aktivierung der entsprechenden Spiegelnervenzellen im kindlichen Gehirn hervor. Die Kinder empfinden unmittelbar das Unbehagen der Eltern auf dem Zahnarztstuhl, was natürlich noch durch den Anblick der Instrumente, durch die lauten Geräusche und unangenehmen Gerüche verstärkt wird. Wir erleben daher sehr oft, dass diese Kinder zur ersten Kontrolle voller Angst und Misstrauen in unsere Praxis kommen, obwohl sie selbst noch gar keine eigenen Zahnarzterfahrungen gemacht haben. Sie reagieren ausgesprochen unwillig und unkooperativ, und es ist schwer, Rapport zu ihnen aufzubauen. Die Eltern wundern sich darüber und erzählen, dass sie ihre Kinder »zum Gewöhnen an den Zahnarzt« von klein auf bei ihrer eigenen Zahnbehandlung zuschauen ließen und können sich nun gar nicht erklären, warum das Kind jetzt so reagiert, »es kennt ja schon alles«.
Ursache hierfür könnten nach Meinung der Autorin durchaus die beim Kind aktivierten Spiegelneurone sein, die in Resonanz treten, während es die verspannte und vielleicht auch etwas ängstliche Mutter auf dem Zahnarztstuhl beobachtet. Dafür sollte in jedem Fall Verständnis vom Praxisteam aufgebracht und die Eltern darauf hingewiesen werden, dass sie ihre Kinder nur dann zur eigenen Zahnbehandlung mitnehmen dürfen, wenn sie selbst wirklich sehr gern und völlig entspannt zum Zahnarzt gehen und sich darauf richtig freuen, wenn sie sich dort rundum wohl fühlen und auch nicht eine Spur von Unbehagen empfinden.
System der Spiegelneurone und Einfühlungsvermögen Unser Spiegelneuronensystem ist aber auch für das Hineinfühlen in die kindliche Gefühlswelt bedeutsam, denn wir erhalten darüber Informationen über den inneren Zustand der Kinder, über ihre Empfindungen und Gefühle. »Spiegelneurone benutzen das neurobiologische Inventar des Beobachters, um ihn in einer Art inneren Simulation spüren zu lassen, was in anderen, die er beobachtet, vorgeht« (Bauer 2006 a, S. 56). Intensives Einfühlungsvermögen ist insbesondere dann erforderlich, wenn ängstliche Kinder an die Zahnbehandlung herangeführt werden sollen – egal welcher Ursache ihre Ängstlichkeit ist. Über unsere Spiegelresonanz sind wir in der Lage, die kleinen Patienten spontan und intuitiv zu verstehen und dementsprechend zu handeln (Bauer 2006 a) Praxis konkret – System der Spiegelneurone und Vorbereiten auf die Zahnbehandlung 5 Ängstliche Patienten lässt man bei der Zahnbehandlung von anderen Kindern zuschauen oder sogar mit helfen, die Zahnteufel aus der Höhle zu angeln – dabei kann die Tell-Show-Ask-Do-Methode angewandt werden. 5 Wenn die kleinen Angsthäschen sehen, wie entspannt und lustig eine solche Behandlung ist, aktiviert das ihre Spiegelnervenzellen. Sie werden später bei der eigenen Zahnbehandlung ebenso entspannt sein und gut mitarbeiten.
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5.3 • Die erste Behandlung – Kommunikation und Rapport
5 Wenn Eltern ihre Kinder bei der eigenen Zahnbehandlung zuschauen lassen, kann sich allerdings auch deren Anspannung und Unruhe über das Spiegelneuronensystem auf das Kind übertragen. 5 Das Behandlungsteam nutzt die Spiegelresonanz als neurobiologische Basis für Einfühlungsvermögen und intuitives Verstehen der ängstlichen kleinen Patienten.
5.3
Die erste Behandlung – Kommunikation und Rapport
5.3.1
Rapportvertiefung beim ersten Behandlungstermin
Das während der ersten Untersuchung angebahnte Vertrauensverhältnis gilt es nun, für die eigentliche Behandlung weiter zu vertiefen, denn die wichtigste Voraussetzung für das gute Gelingen einer Kinderhypnosezahnbehandlung ist es, den Rapport zum Kind immer weiter auszubauen und zu verstärken.
Anregungen zum Rapportausbau Informationsbrief und Anamnesebogen In dem oben bereits erwähnten Informationsbrief für die Eltern (Elternbrief – Schmierer 2002 a) werden die Eltern über die Besonderheiten der Kinderhypnosezahnbehandlung aufgeklärt und erhalten Instruktionen, wie sie sich dabei zu verhalten haben. Informierte und dadurch auch kooperative Eltern können wesentlich zum Rapportausbau beitragen, während unkooperative Eltern, die zudem nicht ausreichend informiert wurden, den Rapport zwischen ihrem Kind und dem Behandlungsteam auch stören und gefährden können (7 Abschn. 3.3.2). Neben dem normalen Anamnesebogen, in dem besondere Krankheiten usw. erfasst werden, wird von einigen Autoren ein zusätzlicher Ressourcenanamnesebogen empfohlen (z. B. Stein 2009), den das Kind gemeinsam mit seinen Eltern vor der ersten Zahnbehandlung ausfüllen kann. Er kann für die erste Kontaktaufnahme zu Beginn der Behandlung ganz hilfreich sein und gibt dem Behand-
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lungsteam alle relevanten Informationen über das Kind, seine individuellen Abneigungen und besonders auch seine Vorlieben und Ressourcen. Cave: Dabei ist zu beachten, dass beispielsweise durch Fragen nach »schlechten Erfahrungen beim Zahnarzt« auch eine negative Konditionierung des Behandlungsteams erfolgen kann, insbesondere wenn Kinder sich bereits mehrfach in anderen Zahnarztpraxen erfolgreich gegen eine inadäquate Behandlung gewehrt haben und diese missglückten Behandlungsversuche im Anamnesebogen von den Eltern ausführlich beschrieben sind. Schoderböck beschreibt solche Kinder nicht als »unbehandelbar« oder »schwierig«, sondern höchstens als »interessant«, manchmal »hochinteressant«. Jedes Kind sollte ein »weißes Blatt Papier ohne Vorannahmen und Vorurteile« sein (Schoderböck 2004, S. 12). Er warnt deshalb vor Anamnese- und Fragebögen und beschreibt es als »Kunst«, diese durchzulesen und dabei »nicht ernst zu nehmen«. Das wird durch unsere Erfahrungen bestätigt; es ist dem Behandlungsteam nur möglich, einem kleinen Patienten offen und unvoreingenommen gegenüberzutreten und guten Rapport aufzubauen, wenn man vorher keine negativen Informationen über das Kind bekommen hat. Auch die von den Eltern aufgeschriebenen Ressourcen der Kinder sind kritisch zu hinterfragen. Man muss dabei beachten, dass die Vorlieben der Kinder einem ständigen Wandel unterliegen und die Ressourcen immer wieder neu erfragt werden sollten. Außerdem ist der Anamnesebogen oft zu sehr von den Vorstellungen der Eltern geprägt, er muss mit den wirklichen Vorstellungen des Kindes immer erst abgeglichen werden.
Zaubern Das Zaubern (7 Kap. 8) mit seinen therapeutischen und hypnotischen Wirkungen ist ein wunderbares Mittel zum Rapportaufbau, insbesondere auch zum ersten Behandlungstermin. Mit kleinen Zaubertricks wird eine angespannte Situation schnell entkrampft, zudem stärken sie insbesondere bei den kleinen Angsthäschen hervorragend das Selbstvertrauen. Außerdem können die jungen Patienten mit kleinen Zaubertricks schnell und wirkungsvoll zur Mitarbeit motiviert werden. Einige Zaubertricks zum Nachahmen werden in 7 Kap. 8 des
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5
Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Buches und im 7 Kap. 7 des Online-Videomaterials beschrieben und dargestellt. Eine hervorragende Zauberlehrmeisterin ist Annalisa Neumeyer. Sie trägt mit ihren Büchern und Artikeln (2000, 2007, 2009) sowie Workshops nicht nur dazu bei, die Technik der Zaubertricks weiterzugeben. Auf zauberhafte Art und Weise vermittelt sie ihren Zauberlehrlingen, zumeist zahnärztliche Mitarbeiterinnen, wie im Umgang mit Kindern durch das Medium Zaubern Kontakt und Rapport aufgebaut, die Kommunikation mit den kleinen Patienten verbessert sowie Kompetenz und Selbstwertgefühl der Kinder gestärkt werden können. Ängstliche Kinder werden manchmal richtig mutig gezaubert, und die kleinen Zauberer können es selbst oft nicht glauben, dass sie so tolle Zauberkräfte haben (7 Online-Videomaterial, Kap. 7, Beispiele – Lukas und Candar). Praxis konkret – Mutzauber (7 Online-Videomaterial, Beispiel – Candar) Das Kind bekommt einen Zauberstab und eine Fingerpuppe in die Hand: 5 Der Zauberspruch »Mut, Mut, Mut – Mut Du tust mir gut« wird unter kreisenden Bewegungen des Zauberstabes mehrmals laut ausgesprochen. 5 Danach horcht das Kind an der Fingerpuppe, ob schon Mut angekommen ist. 5 Wenn das Kind selbst noch nicht so richtig mutig dabei geworden ist, hat wenigstens die Fingerpuppe ganz viel Zaubermut bekommen und wird zur Mutübertragung bei der Behandlung eingesetzt. Die Videobeispiele zeigen deutlich, wie bei den Kindern durch Zaubern ein Yes-Set sowie guter Rapport aufgebaut werden. In einer Zauberpraxis ist der Weg zu Trance und Kinderhypnose bereits vorprogrammiert, und von der jüngsten Auszubildenden über die ausgelernten Mitarbeiterinnen bis zum Praxischef profitiert das gesamte Praxisteam von den gemeinsamen zauberhaften Erlebnissen mit den kleinen Patienten.
Zeitbedarf Für den ersten eigentlichen Behandlungstermin ist deshalb zum Rapportausbau immer zusätzlich noch etwas Zeit einzuplanen. Allerdings zahlt sich diese am Anfang investierte Zeit später doppelt und 3-fach wieder aus (Künkel 2000; Haustein 2002). Wenn ein guter Rapport aufgebaut ist, sind die meisten Kinder bereit, sich auch bei längeren und durchaus manchmal unangenehmen Therapiemaßnahmen immer wieder kurz in Trance führen und entspannt weiterbehandeln zu lassen. Somit kann später die Kinderzahnbehandlung mit Hypnose (7 Abschn. 5.4) sehr effektiv und zeitsparend durchgeführt werden.
Empathie, Ehrlichkeit, Grenzen setzen Für den weiteren Rapportausbau sind liebevolle Zuwendung und Ehrlichkeit unabdingbar. Der Behandler sollte zwar auf alle Bedürfnisse des Kindes eingehen, aber auch Grenzen setzen können (Biddulph 1993; Mehrstedt 1999). Es gibt immer mehr »unkooperative« Kinder, die nicht gelernt haben, schwierige Situationen zu bewältigen (Winterhoff 2009 a u. b), sie werden von uns aber allenfalls als »präkooperativ« bezeichnet. Sie stammen oft aus einem überbehüteten Elternhaus, in dem jede problematische Situation von den Eltern gelöst wurde (7 Abschn. 3.2.5). Diese Patienten sind bei der Behandlung schnell überfordert und werden dann erst zu »unkooperativen« oder besser gesagt zu »präkooperativ interessanten« Kindern. Ihnen sollte das Behandlungsteam mit liebevoller und empathischer Bestimmtheit begegnen, klare Anweisungen erteilen und in kleinen Behandlungsschritten vorgehen. Durch positive Verstärkung jedes kleinen Behandlungserfolges (7 Abschn. 4.1.2) wird der Rapport gefestigt und die Fähigkeit des Kindes gefördert, sich auch bei unangenehmen Situationen kooperativ zu verhalten. Bei überzogenen Erwartungen an den Behandler ist eine ehrliche Rückmeldung an das Kind, dass seine Ansprüche unangemessen sind und nur in einem bestimmten Rahmen erfüllt werden können, angebracht. Dieses ehrliche Verhalten ist besser, als wenn man alle Forderungen des kleinen Patienten nachgiebig zu erfüllen versucht und dabei inkongruent wird. Die Einstellung der Eltern ist dabei oft hinderlich, denn in solchen Fällen haben sie selbst
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5.3 • Die erste Behandlung – Kommunikation und Rapport
meistens auch überzogene Erwartungen an das Behandlungsteam (7 Abschn. 3.3.2). Deshalb sind sie zuerst von den Möglichkeiten und auch den Grenzen einer Kinderhypnosebehandlung bei ihrem Sprössling in Kenntnis zu setzen. Es ist ihnen deutlich zu erklären, dass auch vom Kind eine gewisse Kooperation erwartet werden muss. Nur wenn die Eltern ein solches durchaus liebevolles, aber auch bestimmtes Verhalten des gesamten Behandlungsteams unterstützen, wird es von den Kindern auch akzeptiert.
Partnerschaft bei der Behandlung Sinnvoll ist es, die Kinder in alle Behandlungsabläufe mit einzubeziehen. Es sollte ihnen durchaus das Gefühl gegeben werden, dass sie während der Zahnbehandlung mit entscheiden können, was gemacht wird. So dürfen sie meistens zwischen 2 oder besser noch 3 Alternativen wählen. Das ist aber nur eine Scheinwahl (Behneke 2003 a), denn die suggestiven Fragen beinhalten immer, dass das Ziel – die Zahnbehandlung – unabhängig von der getroffenen Entscheidung des Kindes später auch durchgeführt wird (Double-Bind-Suggestionen, 7 Abschn. 1.3.2). Durch diesen partnerschaftlichen Umgang fühlen sich die Kinder nicht als Opfer ausgeliefert, sondern als Partner bei der Behandlung anerkannt. Das einfühlsame Vorgehen vermeidet Ängste, verstärkt den Rapport und gibt den kleinen Patienten mehr Sicherheit und Selbstvertrauen. Praxis konkret – Beispiel Double-Bind-Suggestionen 5 Jedes Kind darf selbst wählen und bestimmen, ob es lieber auf dem Schoß der Mutter behandelt werden möchte oder schon ganz allein auf dem Königsthron (Zahnarztstuhl) klettern kann. 5 Die kleinen Patienten werden gefragt, ob zuerst im Oberkiefer oder im Unterkiefer behandelt werden soll. 5 Sie können auch wählen, welches Kuscheltier bei der Zahnbehandlung helfen soll und ob sie Kinderlieder hören möchten oder lieber eine schöne Geschichte. 5 Die Farbe des Saugers oder Spülbechers kann selbst bestimmt werden.
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5 Wenn der gemütliche Liegestuhl in die richtige Position gebracht wurde und die Sonne dem Kind ins Gesicht scheint, wird gefragt, ob das Kind vielleicht lieber eine Sonnenbrille bei der Behandlung tragen möchte, damit das Licht nicht so blendet. 5 Es darf auch bestimmen, bis zu welcher Zahl bei der Behandlung gezählt werden soll, bevor eine Pause eingelegt wird. 5 Eine Wahlfrage kann sein, ob wir die Zahnteufelangel (Excavator) oder die Zahndusche (Turbine oder rotes Winkelstück) zum Verjagen der Zahnteufel verwenden sollen. 5 Bei sehr sensiblen Kindern wird gefragt, ob die Zahnteufel (Karies) mit Akupressur an den Zauberpunkten oder lieber mit Schlafsafttröpfchen aus der Kinderbetäubung (Spritze) entfernt werden sollen. 5 Dem Vorschlag, vorerst einmal einen Zaubertrick durchzuführen, der viel Mut und Kraft gibt, wird fast immer begeistert zugestimmt.
Als Dankeschön erhalten wir häufig Bilder, Briefe und selbstgebastelte kleine Geschenke von den Kindern. Der folgende Brief (. Abb. 5.6), bei dem jedes Wort in einer anderen Farbe geschrieben ist, bestätigt, dass sich die Kinder in der Kinderzahnarztpraxis wohl fühlen und gern wiederkommen.
5.3.2
Konkrete Maßnahmen auf dem Behandlungsstuhl
Individuelle Sensibilität beachten und aversive Reize minimieren Manche Kinder fühlen sich in der fremden Atmosphäre schutzlos und möchten noch nicht allein auf dem großen Behandlungsstuhl Platz nehmen. Sie empfinden je nach bevorzugtem Sinnessystem Licht, Geräusche, Watterollen, die Liegeposition oder den Geschmack bei den Füllungen/Versiegelungen als störend. Darauf sollte in jedem Falle Rücksicht genommen und den kleinen Patienten nach Möglichkeit eine für ihn erträgliche Situation geschaffen werden, die er akzeptieren kann.
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
5 . Abb. 5.7 Urlaubsatmosphäre. Auf dem gemütlichen Liegestuhl beginnt die Luftballonreise bei strahlendem Sonnenschein. Die Sonnenbrille schützt vor dem blendenden Licht, und mehrere Fingerpuppen begleiten das Kind
. Abb. 5.6 Dankschreiben einer kleinen Patientin. »Liebe Zahnärztin, ich bin Ann-Jaqueline und neun Jahre alt. Ich schreib Dir diesen Brief weil ich Eure Praxis und Euch total super find! Ich hab mich sogar schon fast mit meiner Mutter geprügelt weil ich nicht zum Zahnarzt konnte. Tschüss Eure Ann-Jaqueline«
gehalten und es werden dabei kurze Behandlungssequenzen durchgeführt. Dieser Lagewechsel kann während einer Behandlung mehrmals erforderlich sein. Das als Bonding-Methode bezeichnete Behandlungsverfahren wird insbesondere bei unruhigen und weinenden Kindern oder bei Unfällen durchgeführt (Schoderböck 2007). Wichtig bei dieser Methode ist vor allem, die Mutter in Trance zu führen, damit sie ihre Entspannung auf das Kind übertragen kann (7 Abschn. 5.2.4).
Urlaubsatmosphäre Das Kind soll sich bei der Zahnbehandlung wohlfühlen – alles, was dabei stört, wird vom Behandlungsteam erkannt und möglichst abgeändert. Nur wenn dem Kind ein angenehmes Umfeld geschaffen wird, kann es auch während der Zahnbehandlung ausreichend entspannen und in Trance gehen.
Bonding-Methode bei Kleinkindern Sehr kleine oder ängstliche Kinder werden auf der Mutter liegend behandelt, da die Mutter-Kind-Beziehung noch sehr eng ist und das Kind diese Sicherheit braucht, um sich wohl zu fühlen. Dieser schützende Mutter-Kind-Kontakt kann zwischenzeitlich intensiviert werden, indem das Kind auf den Bauch gedreht wird und mit der Mutter kuscheln kann. Danach wird das Kind wieder auf den Rücken gedreht, von der Mutter sanft und liebevoll
Mit verschiedenfarbigen Kindersonnenbrillen, die an jedem Arbeitsplatz bereitgehalten werden können, lässt sich beispielsweise das blendende Licht dämpfen und gleichzeitig eine angenehme Sommer – Sonnen – Liegestuhl – Urlaubsatmosphäre herbeizaubern (. Abb. 5.7). Wenn kleine Kinder schon allein auf dem gemütlichen Liegestuhl sitzen möchten, wird die Lehne nur so weit nach hinten gestellt, wie es vom Kind toleriert wird. Zur bequemen Lagerung wird dem Kind ein Kopfkissen angeboten (7 Online-Videomaterial, Kap. 3, Beispiel – Julian). Während der Behandlung werden zur besseren Entspannung beruhigende Musik (Trancemusik) oder bei kleinen Kindern Kinderlieder gespielt. Damit ist es gut möglich, die Behandlungsgeräusche in den Hintergrund treten zu lassen. Sehr geräuschempfindliche kleine Patienten können auch wäh-
5.3 • Die erste Behandlung – Kommunikation und Rapport
rend der Behandlung Musik oder eine Geschichte über Kopfhörer hören, dann nehmen sie die lauten Behandlungsgeräusche nicht mehr so deutlich wahr. Die Vorstellung von einem schönen Urlaub und einer großen Eisdiele, in der das Kind sein Lieblingseis essen kann, lenkt vom unangenehmen Geschmack der zahnärztlichen Materialien ab. Nach der Behandlung sollten zur Geschmacksverbesserung auch immer ein zuckerfreies Bonbon, ein Kaugummi oder für kleine Kinder ein Schluck Fruchtsaft angeboten werden. Diese einfühlsame Vorgehensweise wird wie ein Ritual bei jeder Behandlung wiederholt, das gibt dem kleinen Patienten Sicherheit und ist Rapport fördernd. Das Kind assoziiert später mit dem Zahnarztstuhl eine Urlaubsatmosphäre im gemütlichen Liegestuhl, und diese Gedankenverbindung wird bereits beim Platz nehmen ausgelöst (Ankern, 7 Abschn. 1.2.4)
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Personifizierung von Gegenständen Für Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter ist es normal, mit unbelebten Gegenständen zu kommunizieren (Animismus, 7 Abschn. 2.3.2). So wird der Spiegel gefragt, was er im Mund sieht, und er kann antworten, dass da eine kleine braune Stelle am Zahn zu erkennen ist. Der Zahn wird gefragt, ob er ein schönes weißes Kleid bekommen möchte, und die zahnärztlichen Instrumente werden gebeten, bei der Zahnteufeljagd zu helfen. Sie werden gelobt, wenn sie die Zahnteufelhöhle schön sauber putzen, und die Zähne freuen sich und können sogar laut lachen, wenn sie gekitzelt werden. Die Instrumente und Zähne als lebende Wesen zu betrachten ist für die Kinder faszinierend, und der Behandler ist somit »am Geschehen im Mund nur am Rande beteiligt« (Schoderböck 2009 b, S. 8). Die Zahnbehandlung wird damit spielerisch eingeleitet, wobei auf das Wohlbefinden der Kinder geachtet und mit harmlosen zahnärztlichen Maßnahmen begonnen wird.
Praxis konkret – Gemütlicher Liegestuhl »Stell` Dir vor, das ist ein gemütlicher Liegestuhl, und Du bist im Sommer auf einer schönen Wiese. Jetzt legen wir den Stuhl ganz langsam nach hinten, damit es für Dich ganz bequem wird und Du gut entspannen kannst (Kopfkissen anbieten). Die Sonne (OP-Leuchte) scheint schön warm, und Du kannst auch eine lustige Sonnenbrille aufsetzen, damit kannst Du trotz der hellen Sonne alles gut sehen. Tu mal so, als ob beim Atmen in Deinem Bauch ein ganz großer Luftballon entsteht, mit dem Du in den Urlaub fliegen kannst. Das fühlt sich doch toll an, stimmt’s? Wo willst Du denn hinfliegen? Schau Dich um, was Du siehst – wie sieht es denn in Deinem Urlaub aus? Hörst Du auch die schöne Musik – oder hörst Du die Vögel zwitschern und den Wind rauschen? Bestimmt gibt es in Deinem Urlaub eine große Eisdiele, und Du kannst Dir vorstellen, dass Du dort ganz viele Kugeln von Deinem Lieblingseis essen wirst – das macht Deinen Mund ganz kalt und taub und unempfindlich und schmeckt natürlich gaaaanz lecker!«
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Praxis konkret – Individuelle Sensibilität berücksichtigen 5 Kind auf dem Schoß der Begleitperson behandeln (Bonding-Methode). 5 Stuhl nur so weit nach hinten stellen, wie es für das Kind angenehm ist, Kopfkissen anbieten (gemütlicher Liegestuhl). 5 Sonnenbrille aufsetzen wenn das Licht (die Sonne) blendet (. Abb. 5.7 u. 5.8). 5 Watterollen klein schneiden oder bei der ersten Behandlung weglassen, wenn sie stören. 5 Musik spielen oder Kopfhörer aufsetzen, wenn die Geräusche stören (bevorzugt Funkkopfhörer). 5 Mit den zahnärztlichen Instrumenten sprechen und sie als Partner bei der Behandlung nutzen. 5 Möglichst mit einer harmlosen kleinen Füllung oder Versiegelung beginnen. 5 Nach Füllungen oder Versiegelungen zur Geschmacksverbesserung je nach Alter des Kindes einen zuckerfreien Kaugummi, Zahnpflegebonbons oder einen Becher Fruchtsaft anbieten.
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Negative und positive Formulierungen
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Der 7 Abschn. 1.3.3 behandelt ausführlich alle Aspekte der Wirkung von Negationen. An dieser Stelle soll lediglich noch einmal darauf hingewiesen werden, dass Kinder sehr stark auf den bildlichen und emotionalen Gehalt von Worten reagieren (Schmierer 1993). Jedes Wort wird mit einem Bild assoziiert und produziert das jeweilige Bild im Gehirn, und diese Bilder erzeugen wiederum Gefühle, worauf die Kinder entsprechend reagieren. Deshalb rufen Sätze wie »Das tut nicht weh« oder »Du brauchst keine Angst zu haben« Assoziationen zu schmerzhaften und angsterzeugenden Situationen hervor. Im kindlichen Gehirn entstehen bei solchen Äußerungen zuerst automatisch Bilder von den ungewünschten, schmerzhaften oder angstbesetzten Situationen. Dann müssen diese Bilder wieder gedanklich »ungültig« gemacht werden, indem das Gehirn die Vorsilben »nicht« und »kein« durch eine bewusste Gedächtnisleistung erkennt und das entstandene Bild auslöscht. Das ist ein höchst umständlicher Vorgang, der oft nur bis zur Vorstellung der nicht gewünschten Bilder abläuft (Schmierer u. Schütz 2007). Es wird also bei derartigen negativen Formulierungen den Kindern das mitgeteilt, was sie nicht tun sollen, von ihnen aber erwartet, dass sie das tun, was ihnen nicht mitgeteilt wurde (Neumeyer 1995). Dabei werden die Kinder auf die ungewollten negativen Assoziationen und Bilder und somit auf ihr Fehlverhalten fokussiert. Deshalb führen diese Negationen nach Kossak (2004) häufig zum Gegenteil von dem, was beabsichtigt ist, und lösen entsprechende Kognitionen und physiologische Reaktionen aus. So denkt das Kind dabei an Angst und weh tun, ist sofort verkrampft, und der Rapport ist gestört. Positive Formulierungen hingegen lenken die Gedanken auf das gewünschte Verhalten und teilen den Kindern wirklich mit, was sie tun sollen. Sie fördern somit die Entspannung und verstärken den Rapport. Praxis konkret – Beispiel Negationen Das kindliche Gehirn versteht keine Negation. Bei folgenden Äußerungen wird das Kind auf das unerwünschte Fehlverhalten fokussiert: 5 »Du brauchst keine Angst zu haben.«
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»Es tut nicht weh.« »Spann Dich nicht so an!« »Mach Dir bloß keine Gedanken.« »Es ist nicht so schlimm.« »Du musst nicht weinen.« »Du musst nur nicht daran denken, dass es Dir beim Abdruck übel wird!« Positive Sätze sollen an Stelle von Negationen verwendet werden, sie lenken die Gedanken auf das erwünschte Verhalten: 5 »Mach Dich ganz leicht und stell Dir vor, Du fliegst ganz hoch in die Luft!« 5 »Atme tief ein und aus, dann spürst Du nur ein Kitzeln!« 5 »Lass alles ganz locker und entspannt!« 5 »Denk an ein schönes Erlebnis oder an Deine Lieblingsbeschäftigung.« 5 »Mach die Zunge ganz weich!« 5 »Stell` Dir vor, der Abdruck ist aus leckerem Vanilleeis, und heb das rechte Bein, dann den linken Arm, dann wackele mit der linken großen Zehe und dem rechten kleinen Finger gleichzeitig.« (s. 7 Abschn. 5.5.2)
In der Praxis erleben wir immer wieder, dass die Begleitpersonen durch unbedachte negative Äußerungen verunsichernd auf die Kinder einwirken. Das muss vom Behandlungsteam sofort erkannt und dem elterlichen Fehlverhalten mit entsprechenden positiven Suggestionen begegnet werden. Eltern, die im Gespräch mit ihren Kindern negative Formulierungen verwenden, werden von uns daraufhin angesprochen und wir erklären ihnen, dass sie positive Sätze verwenden sollen. Der Artikel »Fall nicht – warum Kinder vom Klettergerüst fallen, obwohl wir ihnen immer wieder sagen, dass sie nicht herunter fallen sollen« von Analisa Neumeyer (1995) ist sehr gut geeignet, die Erwachsenen einfühlsam auf ihre negativen Sprachmuster hinzuweisen. Praxis konkret – Eltern geben Ihren Kindern gute Ratschläge – wie fühlt sich das Kind dabei? Reflektieren Sie hierzu folgende Elternaussagen und deren Wirkungen auf das Kind:
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5.3 • Die erste Behandlung – Kommunikation und Rapport
5 »Komm endlich, Du sollst nicht so trödeln, die Helferinnen haben hier nicht so viel Zeit!« 5 »Mach mir bitte keinen Ärger, und mach bloß nicht so ein Theater!« 5 »Spiel nicht an der Behandlungseinheit herum und mach nichts kaputt!« 5 »Setz Dich nicht so krumm auf den Stuhl und zapple nicht so herum!« 5 »Der Zahnarzt kann doch gar nicht in Deinen Mund schauen, wenn Du ihn nicht weit genug auf machst!« 5 »Du brauchst überhaupt keine Angst zu haben und Du musst auch nicht weinen!« 5 »Du hast doch noch gar keine schlechten Erfahrungen gemacht!« 5 »Du musst Dich nicht so anspannen, es wird schon nicht so schlimm!« 5 »Es tut auch nicht weh, das schaffst Du schon!« 5 »Du bist doch ein großer Junge/Mädchen!« 5 »Wenn es doch mal weh tut, drückst Du ganz fest die Stuhllehne oder Mamas Hand!« 5 »Aber so sehr tut’s schon nicht weh, nur ein bisschen, das ist auszuhalten!« 5 »Das ist auch nur ein ganz kleiner Bohrer, nicht eine so große Bohrmaschine wie der Papa zu Hause hat!« 5 »Wenn Du willst, kann auch ohne Spritze gebohrt werden, dann dauert es nicht so lange!« 5 »Oder willst Du lieber eine Spritze? Die ist nicht schlimm, sie piekt nur etwas ins Zahnfleisch, dann merkst Du nichts mehr und es tut auch nicht mehr weh.« 5 »Du bekommst dann ein komisches Gefühl, als hättest Du eine ganz dicke Backe. Das ist zwar unangenehm, aber das muss Dich nicht stören.« 5 »Entscheide Dich – aber schnell, wir müssen gleich Deinen kleinen Bruder aus dem Kindergarten abholen und dürfen nicht zu spät kommen!«
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Pacing und Leading Unter Verweis auf den 7 Abschn. 1.2.2 wird auf die theoretischen Aspekte des Pacing und Leading an dieser Stelle nicht näher eingegangen. Bei der Kinderzahnbehandlung wird durch Pacing und Leading der Rapport aufrechterhalten sowie die Tranceeinleitung und Hypnose ermöglicht. Ist das Kind in einer schwierigen Situation aus seiner Trance herausgekommen, wird immer wieder auf das Pacing zurückgegangen. Beispiel Pacing und Leading mit anschließender Tranceeinleitung Pacing bei kindlicher Angst und Aufregung: »Na, Dein Herz klopft ja wie ein kleiner Specht – poch, poch, poch, Du bist sicher etwas aufgeregt, stimmt’s? Das ist schon ein komisches Gefühl, wenn man beim Zahnarzt ist – das hab ich auch immer wenn ich selbst behandelt werden muss, obwohl ich doch den ganzen Tag hier arbeite! Und für Dich ist das alles ja auch noch ganz fremd und ungewohnt – da ist es ja klar, dass Du aufgeregt und angespannt bist! Viele Kinder sind beim Zahnarzt aufgeregt, so wie Du jetzt, und halten sich unwillkürlich ganz fest an der Armlehne – dabei ist es viel besser, wenn man sich schön entspannt. Deshalb erklären wir Dir gleich alles und helfen Dir, Dich gut zu entspannen. Dann kannst Du die Zahnbehandlung wie eine schöne Traumreise erleben, das wäre doch toll, oder?« Leading »Mach mal alle Muskeln ganz locker und stell Dir vor, die sind alle aus Pudding. Ganz locker und entspannt; dann fühlst Du Dich gleich viel besser, gut so. Leg Deine Hand auf den Bauch und fühl mal, wie schnell Dein Atem noch geht – als ob Du gerade Fußball spielst und ganz schnell rennen musst!« Pacing »Sicher bist Du beim Fußball spielen oder beim Wettrennen schon einmal hingefallen und hast Dir die Knie aufgeschlagen? Und Du hast dabei gelacht und die Schrammen am Knie gar nicht bemerkt? Das kommt davon, weil Du Dich voll aufs Fußballspiel oder Wettrennen konzentriert hast und gewinnen wolltest, dabei spürt man keine Schmerzen!«
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Leading »Du kannst Dich auch jetzt bei der Zahnbehandlung mit Deinen Gedanken voll auf etwas Schönes konzentrieren. Stell Dir vor, wenn Du ganz tief ein- und ausatmest, wirst Du ganz leicht wie ein Luftballon. Und wenn Du ganz langsam atmest, kann der Luftballon sogar richtig fliegen! Je tiefer Du ein- und ausatmest, umso größer wird der Ballon aufgepustet und kann mit Dir eine schöne Traumreise machen.« Tranceeinleitung »Dann kannst Du Dir vorstellen, mit diesem Luftballon hoch in die Luft zu fliegen! Lass alles ganz locker, atme tiefer und tiefer ein, damit der Ballon schön hochfliegen kann! Und wenn Du Dich jetzt voll auf Deine Luftballonreise konzentrierst, geht’s Dir wie mit den Schrammen am Knie beim Fußballspielen – Du merkst gar nicht, was in Deinem Mund geschieht. Mach den Mund schön weit auf und stell dir vor, wie toll es sich anfühlt, so hoch zu fliegen – wohin soll denn die Reise gehen? Willst Du auch jemanden mitnehmen? Vielleicht Dein Lieblingstier? Und nun stell Dir vor, was Du da siehst, wie klein die Welt unter Deinem Ballon wird, je höher Du fliegst! Und Du hörst den Wind rauschen und die Vögel zwitschern, riechst den Duft nach Wald oder Meer – es kommt ganz darauf an, wohin Dein Luftballon gerade fliegt – und fühlst Dich so richtig wohl.«
5.4
Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
5.4.1
Allgemeine Ausführungen
Bei der zahnärztlichen Kinderhypnose sind die Eigenheiten und das Alter der Patienten zu berücksichtigen. Manche, meist ältere Kinder, erwarten formalisierte Induktionstechniken, wie sie bei der Erwachsenenhypnose angewendet werden, und profitieren von ihnen. Andere, oft jüngere Kinderpatienten wiederum bevorzugen einfache, ungezwungene Ansätze. Bei ihnen sind meistens keine formalen Techniken zur Hypnoseeinleitung erforderlich, sondern es reicht die Aufforderung, an etwas Bestimmtes zu denken oder so zu tun, als ob
eine bestimmte Beschäftigung ausgeübt wird. Daher sind beispielsweise Aufforderungen wie »Stell‘ Dir vor, Du …«, »Tu so, als ob …« oder »Denk einfach daran, wie Du …« in der Regel völlig ausreichend, um diese Kinder auf etwas Angenehmes zu fokussieren (Olness u. Kohen 2001).
Besonderheiten der Kinderhypnose im Unterschied zur Hypnosebehandlung Erwachsener Hervorgehoben werden sollen hier nur besonders prägnante Unterschiede, die sich insbesondere auf die Kinderhypnosebehandlung von Kindergartenund Grundschulkindern beziehen.
Sprunghaft wechselnde Trancevorstellungen Im Unterschied zu Jugendlichen und Erwachsenen haben die kleineren Patienten im Kindergartenund Grundschulalter durch ihre ausgeprägte Fantasie zwar die Möglichkeit, schnell in einen intensiven Trancezustand zu gehen – sie kommen aber ebenso schnell wieder heraus. Sie können sich also meist nur kurze Zeit gezielt auf angenehme Dinge oder innere Erlebnisse konzentrieren und in Trance bleiben, während sie vom Zahnarzt behandelt werden. Um die Zahnbehandlung für diese Kinder und das gesamte Behandlungsteam entspannt und angenehm zu gestalten, müssen die hypnotischen Suggestionen bei Vor- und Grundschulkindern dem zwar intensiven, aber sprunghaften Vorstellungsvermögen der kleinen Patienten entsprechen und der kindlichen Wahrnehmung angepasst werden (Bittner 2005; Holtz et al. 2007; 7 Abschn. 1.4. und 2.3.6 sowie Beispiele auf dem 7 Online-Videomaterial Kap. 3, 4 u. 5).
Flexibilität des Behandlungsteams Die Kinder brauchen ständig neue Variationen der Trancevorstellung, daher ist eine hohe Flexibilität des Behandlungsteams gefragt (Mrochen 1990). Dabei zahlt sich eine gut aufeinander abgestimmte und harmonische Zusammenarbeit aller Mitarbeiter in einer Kinderzahnarztpraxis aus. Dem kleinen Patienten werden von beiden Seiten im Wechsel, oft aber auch gleichzeitig (Doppelinduktion 7 Abschn. 1.2.1 u. 5.4.3), mit tieferen und ruhigen Stimmen ganz langsam Geschichten erzählt
5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
und dabei auf Anschaulichkeit und konkrete Formulierungen geachtet, da das Denken der Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter noch an konkrete Objekte gebunden ist (7 Abschn. 2.3.2). Neben individuellen Themen (z. B. Lieblingsbeschäftigung des Kindes) sind vor allem auch Magie und Zauberei (z. B. Geschichten aus dem Zauberwald) sowie zahnärztliche Themen gefragt, die auf kindliche Art und Weise die Kariesentstehung und ihre Behandlung erklären (z. B. Geschichten von den Zahnteufelchen Hacki und Dicki). Neben den Geschichten, die auf die entsprechende Behandlungssituation abgestimmt sind und die Aufmerksamkeit des kleinen Patienten binden, singen wir mit den Kindern auch Lieder oder geben ihnen kleine Rätsel auf; damit wird wiederum für kurze Zeit eine Fokussierung auf Angenehmes erzielt. So entstehen immer wieder neue kurze Trancezustände, wodurch die Aufmerksamkeit der Kinder von der eigentlichen Behandlung dissoziiert wird.
Individuelle kindgemäße Variationen Individuelle Variationen der Kinderhypnose sind natürlich bereits durch die unterschiedlichen Herangehensweisen der verschiedenen Behandler gegeben. Um authentisch zu sein, sollte sich ohnehin jeder Hypnosezahnarzt bei der Auswahl der Induktionsmethoden an die Möglichkeiten halten, die für ihn passen und mit denen er sich wohl fühlt, sonst wird er nicht erfolgreich sein (Olness u. Kohen 2001). Die oben geschilderten Vorbereitungen auf die Zahnbehandlung und der Rapportaufbau im Vorfeld sind natürlich unabdingbare Voraussetzungen, damit die kleinen Patienten während der eigentlichen Zahnbehandlung voller Vertrauen total entspannen und bei der Kinderhypnose gut in Trance gehen können. Dabei werden bereits die individuellen Vorlieben und Interessen der kleinen Patienten besprochen, die dann Inhalt der Trancegeschichten werden.
Abwechslung und individuelle Tranceführung Je mehr Abwechslung den Kindern dabei geboten wird und je individueller die Tranceführung ist, umso größer ist die Kooperation. Eine Studie der medizinischen Hochschule Hannover hat ergeben,
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5
. Abb. 5.8 Themen- und Fingerpuppenwechsel. In einer kurzen Behandlungspause werden neue Fingerpuppen ausgewählt. Die Sonnenbrille schützt vor dem grellen Licht und die bunten Tiere am Mobile helfen bei der Tranceführung in den Zauberwald
dass jede Form der Ablenkung bei der Kinderzahnbehandlung wirksam ist. Bei den hypnotischen Interventionen scheint das individuelle Vorgehen den standardisierten Verfahren überlegen zu sein (Jilg et al. 2008). Durch einen spontanen Themenwechsel kann umgehend ein anderes, zur individuellen Situation passendes Thema als Geschichte erzählt oder eine andere Fingerpuppe ausgewählt werden (. Abb. 5.8), die noch stärker und mutiger ist und dem Kind ganz viel Kraft geben kann. Individuell eingelegte Pausen, in denen beispielsweise ein Bilderbuch vorgelesen oder gezaubert wird, ermöglichen den Kindern zwischen den einzelnen Behandlungssequenzen kurze Erholungsphasen.
Lidschluss erwünscht, aber nicht Bedingung Während größere Kinder und Jugendliche die Hypnosebehandlung mit geschlossenen Augen genießen, bleiben bei kleinen Kindern die Augen meistens geöffnet. Sie weigern sich häufig, ihre Augen zu schließen, was allerdings keinesfalls als Widerstand anzusehen ist. Diese Kinder haben oft nur eine negative Haltung zum Thema Schlafen und passen die vom Behandler vorgegebene Tranceinduktion ihrem eigenen Verhaltensstil an (Olness u. Kohen 2001).
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
5 . Abb. 5.9 Luftballonflug mit Armkatalepsie. Die Marienkäfer-Handpuppe und ein Zauberstab zeigen, wie hoch der Luftballon fliegt. Der erhobene Arm (Armkatalepsie) dient als Trancezeichen während der Kinderzahnbehandlung
Bei jüngeren Kindern ist eine Fokussierung auf äußere Reize vorrangig, und die Aufforderung, die Augen zu schließen, ist sogar eher kontraindiziert (Holtz u. Mrochen 2005). Nach Kossak (2004) sind Trancebilder in diesem Alter auch ohne Lidschluss wirksam, und man erkennt an den weiten Pupillen und dem starren Tunnelblick der Kinder, dass sie auch ohne Lidschluss in Trance sind.
Armlevitation und Katalepsie Geht ein Kind in Trance, nehmen zumeist die Hände als erstes eine besondere Haltung ein. Sie werden vom Kind etwas angehoben und bleiben in »Pfötchenstellung« stehen, was einer spontanen Armlevitation entspricht und bereits als ein erstes Trancezeichen anzusehen ist (7 Abschn. 1.4.5). Behneke und Schoderböck (2002) sprechen dabei von einer »Teiltrance«, da das Kind sonst vollkommen wach erscheint. Die Trance der Hände sollte belassen und dieser Zustand vertieft werden, indem die Hand weiter nach oben genommen und dabei die Leichtigkeit und das Schweben wie bei einer Luftballonreise suggeriert werden. In unserer Praxis hält das Kind dabei Hand- oder Fingerpuppen und einen Zauberstab in der Hand (. Abb. 5.9) oder lässt eine Möwe auf seinem Zauberfinger balancieren (. Abb. 5.10), und der erhobene Arm zeigt an, wie hoch der Ballon fliegen kann. Oft bleibt er bis zur Beendigung der Behandlung gerade nach oben gestreckt. So wird eine Distraktion von der Zahnbehandlung ermöglicht und der erhobene Arm
. Abb. 5.10 Zaubermöwe. Die Zaubermöwe zeigt dem kleinen Patienten den Weg in den Zauberwald. Durch sanfte Berührung werden die tiefe Bauchatmung (Luftballon aufpusten) und damit die Trance verstärkt
dient gleichzeitig als Indikator für die Trancetiefe (7 Abschn. 5.4.4). In Trance spüren die Kinder ihren Arm nicht mehr, wenn er durch entsprechende Suggestionen regelrecht kataleptisch, also steif und fest sowie taub und unempfindlich geworden ist oder eine Handschuhanästhesie imaginiert wurde (7 Abschn. 1.6.1). Auch beim Daumenkino (7 Abschn. 5.4.3) sind die Kinder so auf ihren imaginären Film fokussiert, dass der Arm meistens während der gesamten Behandlungszeit gestreckt nach oben erhoben bleibt. Die begleitenden Erwachsenen sind oft sehr verwundert, dass der Arm ohne Ermüdungserscheinungen während der gesamten Behandlung hochgestreckt bleiben kann. Man sollte sie darauf hinweisen, dass dieser erhobene Arm ein Trancezeichen ist (7 Abschn. 5.4.4) und wir daran sehen können, dass es dem Kind gut geht. Kommt das Kind aus seiner Trance heraus, wird es den Arm wieder spüren und sinken lassen – das ist dann für uns ein Zeichen, dass eine Pause eingelegt werden muss. Wenn die Kinder später bereits Hypnoseerfahrungen haben, hebt sich der Arm meist von ganz allein, beispielsweise bei der Suggestion von einem Luftballonflug.
Stoppsignale Kinder können nur Vertrauen haben, wenn sie wissen und spüren, dass wir sie nicht überfordern. Durch ein vereinbartes Stoppsignal mit einem
5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
Handzeichen haben sie die Möglichkeit, jederzeit eine Pause einzulegen. Dieses Signal muss vom Behandler genau beachtet und sofort befolgt werden, sonst ist der Rapport gestört. Oft probieren die Kinder anfangs mehrmals aus, ob das Signal auch funktioniert. Diese Sicherheit brauchen sie, um dem Behandlungsteam wirklich voll vertrauen zu können. Wenn wir als Behandlungsteam spüren, dass es dem Kind zu viel wird, sollte die Behandlung aber auch ohne Pausensignal sofort unterbrochen werden. Ein solches einfühlsames Vorgehen wird mit Vertrauen und Rapport belohnt. Praxis konkret – Stoppsignal 5 Das Stoppsignal kann einfach als Handbremse bezeichnet werden, wenn die Hand als Pausensignal gehoben wird. 5 Kuschel-Kraft-Tiere, die bei Druck auf den Bauch Geräusche von sich geben, werden von kleinen Kindern gern als Stoppsignal verwendet. 5 Die erhobene Hand mit Fingerpuppen oder Zauberstab, die anzeigt, wie hoch der Luftballon fliegt, landet auf dem Bauch, wenn eine Pause nötig ist. 5 Der erhobene Zauberarm mit der Möwe, der sich senkt, wenn die Möwe ausruhen will, ist ebenfalls ein willkommenes Pausenzeichen. 5 Die Vorstellung eines Lieblingstieres (Krafttier-Induktion, Schoderböck 2007), das während der Behandlung als Tierstatue dem erhobenen Zauberarm entspricht und sich ab und zu ausruhen darf, ermöglicht dem Kind ebenfalls jederzeit eine Unterbrechung der Behandlung. 5 Die Ampelinduktion, auch Ampelspiel genannt, wird von den meisten Kindern mit Begeisterung angenommen. Sie wird auch als Ampelhand bezeichnet, mit der man zaubern kann (7 Abschn. 8.5.2).
Das Ampelspiel Beim Ampelspiel stellt das Kind sich vor, der ausgestreckte Arm sei eine Verkehrsampel. Mit dieser Ampelhand kann man Signale geben (Schoderböck 2007):
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Der hoch erhobene Arm kann als Grünsignal dienen, um damit während der Behandlung eine Armkatalepsie zu erzielen. Solange die Ampel auf Grün steht, kann die Behandlung zügig fortgeführt werden. Sinkt der Arm etwas nach unten, geht die Ampel auf Gelb, das heißt Achtung! Wenn der Arm ganz abgelegt wird, heißt das Ampelrot und es erfolgt sofort eine Behandlungsunterbrechung – Stopp! Manche Kinder bestehen aber darauf, dass sich bei der Ampel das Grün unten und das Rot oben befinden; sie geben die Signale in umgekehrter Reihenfolge. Praxisbeispiel – Ein Brief von Lukas, 10 Jahre alt Hallo Leute!!! Mein Name ist Lukas. Ich hatte immer totale Angst vorm Zahnarzt. Als ich 7 Jahre alt war, hatte ich ein Loch im Zahn, mein Zahnarzt hat mir eine Spritze gegeben und wollte dann den Zahn aufbohren. Ich hatte solche Angst, dass ich nicht den Mund aufgemacht habe. Daraufhin hat er mich richtig angeschrien und sehr mit mir geschimpft und ich bin nie mehr zu ihm hingegangen. Dann hat meine Tante von Frau Dr. Zehner erzählt, einer Zahnärztin, die nur Kinder behandelt, und bei der es keine Spritzen und Bohrer geben sollte! Da sind meine Mutter und ich dann hingegangen. In der Praxis, die ganz bunt eingerichtet ist, waren wirklich nur Kinder, und alle, die da arbeiteten, waren sehr nett. Auf dem Behandlungsstuhl hatte ich dann doch ein komisches Gefühl, aber es lief alles anders als bei einem normalen Zahnarzt! Als erstes bekam ich eine Zauberbrille auf, die bunt blinkte. Frau Dr. Zehner untersuchte dann meine Zähne. Ich hatte keine Angst, denn sie erklärte mir ganz genau, was sie tat und welches Instrument sie benutzte: den Luftschlauch, den Spiegel usw. So wusste ich, dass nichts Schlimmes geschieht. Dann entdeckte sie das Loch, war kaum zu übersehen, so groß war das schon. Jetzt wird’ s ernst, dachte ich. Doch es stimmte wirklich, was meine Tante erzählt hatte: Frau Dr. Zehner brauchte keine Spritze und keinen Bohrer!! Zuerst holte sie Schlafkügelchen, die sie um den Zahn legte, sodass der Zahn »einschlief«. Dann tropfte sie eine Flüssigkeit in den Zahn, die den Ka-
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
ries auflösen konnte. Eine Weile später konnte sie die Kariesbakterien mit einer Karies-Angel herausschaben. Als Frau Dr. Zehner merkte, dass ich doch ein bisschen Angst bekam, hat sie meinen Arm zur Verkehrsampel umfunktioniert. Das ging so: 1. Der Arm ist unten: er steht auf Grün. Frau Dr. Zehner darf im Mund arbeiten! 2. Der Arm geht etwas nach oben: er steht auf Gelb. Frau Dr. Zehner muss kurz aufhören. 3. Der Arm geht nach oben: er steht auf Rot. Frau Dr. Zehner hört sofort auf zu arbeiten. Das war echt super! Ich wusste immer, mir kann nichts passieren! Und mein Zahn war wieder in Ordnung, ohne Schmerzen! Seitdem sind 3 Jahre vergangen. Ich komme mindestens 2x im Jahr zur Untersuchung und bin total zufrieden und froh, dass ich so eine gute Kinderzahnärztin gefunden habe!! Kommt doch auch mal vorbei, dann seht Ihr, dass ich Recht habe. Euer Lukas
Nonverbale Tranceinduktionen Während der Kinderhypnosebehandlung sind vor allem auch die nonverbalen Möglichkeiten der Tranceinduktion anzuwenden. Insbesondere das Halten und Berühren der kleinen Patienten ist sehr wichtig, um ein Gefühl von Geborgenheit und Behütetsein zu erzeugen. Je jünger das Kind ist, umso wichtiger ist der körperliche Kontakt (Eberwein 2002). Der Körperkontakt ist während der gesamten Behandlung kontinuierlich durch den Behandler und die Mitarbeiterinnen aufrechtzuerhalten. Ihre liebevolle empathische Zuwendung und vollkommene Konzentration auf den kleinen Patienten sind bei der nonverbalen Tranceführung von großer Bedeutung. Deshalb ist während der Kinderzahnbehandlung der Einsatz von 2 Helferinnen vorteilhaft (G. Schmierer 2002; Schmierer u. Schütz 2007), damit sich eine Mitarbeiterin voll auf das Kind und die andere auf die Assistenz bei der Behandlung konzentrieren kann.
Grifftechniken Für die Kinderhypnosebehandlung beim Zahnarzt werden verschiedene Grifftechniken beschrieben,
die entspannend und beruhigend wirken und den Kindern die Dissoziation von der Behandlung erleichtern (Behneke u. Schoderböck 2001; Schoderböck u. Ossman 1998). Insbesondere durch Auflegen der Hände auf die Schultern des Patienten (Schulterkontakt), die Brust- und Bauchregion des Kindes (Herzgegend und Solar Plexus), an der Schläfe (Schläfengriff und Ballgriff) sowie das Berühren am Kinn mit leichtem Druck in die Mentolabialfalte (Speichelkontrollgriff) und das Auflegen der Hand auf dem Kopf (Scheitelgriff) wird während der gesamten Behandlung der Körperkontakt gehalten. Unruhige Kinder lassen sich spontan beruhigen, wenn eine Mitarbeiterin oder die Begleitperson des Kindes am Kopfende sitzt und nur sanft und stützend seinen Kopf wie einen Ball an den Schläfen hält (Ballgriff nach Schoderböck 2007)
Klopfakupressur und Akupressur Während der Hypnoseinduktion und Tranceführung sind sowohl die Klopfakupressur am Thymuspunkt auf dem Brustbein (7 Abschn. 7.2) und auch die Akupressur zur Linderung von Würgereiz und zur Reduzierung des Speichelflusses am Kinnpunkt sowie zur Beruhigung an den Scheitelpunkten (7 Abschn. 7.3) sinnvoll und unterstützen die nonverbale Vertiefung der Trance (7 Beispiele Online-Videomaterial, Kap. 3, 4 u. 5). Diese Punkte befinden sich teilweise an den von Behneke und Schoderböck (2001) empfohlenen Stellen (Scheitel, Kinn, Brust), die während der Behandlung nicht nur berührt, sondern auch sanft massiert bzw. geklopft werden können.
Spiegelneuronen und Tranceführung Die Erkenntnis, dass es bei der Beobachtung einer anderen Person zu einer neuronalen Aktivierung der eigenen Spiegelnervenzellen kommt (7 Abschn. 4.2.2), ist für das Behandlungsteam und die kleinen Patienten auch bei der nonverbalen Tranceführung von großer Bedeutung. So können der Zahnarzt und seine Mitarbeiterinnen insbesondere bei der Kinderhypnosebehandlung ihre intuitiven Fähigkeiten nutzen, zu »erleben, was andere fühlen, in Form einer spontanen inneren Simulation« (Bauer 2006 a, S. 146). Bei genauer Beobachtung der Kinder kann das Behandlungsteam deren
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5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
Gefühle unmittelbar wahrnehmen und sofort darauf eingehen. Diese Resonanz kann aber nur entstehen, wenn man sich völlig auf das zu behandelnde Kind einlässt und alles andere ausblendet, also möglichst selbst als Behandler mit in Trance geht. Dann hat man sogar oft den Eindruck, mental mit den kleinen Patienten kommunizieren zu können.
Exkurs: HUNA-Prinzipien und Kinderzahnbehandlung Grundlage für die Prinzipien des HUNA, der traditionellen hawaiianischen Heilkunst, ist die Vorstellung, dass es ein dem westlichen Begriff des Unterbewusstseins entsprechendes inneres KU gibt, das die vegetativen und autonomen Funktionen des Organismus steuert. Es reagiert zuverlässig auf Anweisungen (Suggestionen), wenn sie dem körperlichen Wohlbefinden dienlich sind, und wird durch Glücksgefühle motiviert (King 2001, 2002). Behneke und Schoderböck (2002, S. 3) stellen ihre Arbeit unter das Motto: »Aloha – Respekt vor dem Patienten« und übertragen die Prinzipien des HUNA auf die Belange der Kinderzahnbehandlung (Behneke u. Schoderböck 2001; Schoderböck u. Ossmann 1998).
Intuition und Emotion Bei der Kinderhypnosebehandlung wird also sehr intuitiv vorgegangen, was ausgesprochen wirksam ist und unserem rationalen und analytischen Verstand oft irrational erscheint. Bei der Zahnbehandlung mit Hypnose ist es überhaupt angebracht, die Ratio etwas in den Hintergrund treten zu lassen und mehr der Intuition zu folgen. Wenn man sich als Behandler darauf einlassen kann und sich vollkommen auf den Patienten konzentriert, wird man – ohne nachdenken zu müssen – schnell spüren, was in dem jeweiligen Moment zu tun oder zu sagen wichtig und richtig ist. Olness und Kohen (2001, S. 412) sind der Meinung, »dass Hypnotherapie weiterhin Kunst und Wissenschaft beinhalten wird. Intuitionen und Gefühle werden auch weiterhin wichtig sein; aber wir hoffen, dass wissenschaftliche Entwicklungen zu einer effektiveren und kreativeren Anwendung der Intuition führen werden«. Von namhaften Wissenschaftlern wird inzwischen bestätigt, dass Emotionen eine wesentlich größere Rolle als die Ratio spielen (G. Roth 2008,
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W. Roth 2008). Der Neurobiologe Hüther (2008, S. 35) schreibt: »Offenbar existiert hinter der Welt der materiellen, beobachtbaren und messbaren Phänomen … noch eine immaterielle, unsichtbare und nicht messbare geistige Welt«. Statt diese nicht messbaren Phänomene zu bezweifeln oder sogar zu negieren, sollten wir mehr darauf achten und sie für die Behandlung unserer kleinen Patienten nutzen. Wenn der Spiritualität und der Intuition wieder mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird, kann eine wirklich ganzheitliche Therapie von Körper, Seele und Geist möglich werden.
5.4.2
Behandlungskonzept »QuickTimeTrance«
Der Begriff »QuickTimeTrance« wurde für die Hypnosezahnbehandlung von jüngeren Patienten geprägt, die im Gegensatz zur zahnärztlichen Hypnose älterer Kinder sowie Jugendlicher und Erwachsener in der Regel aus sehr kurzen, aber intensiven und angenehmen Trancezuständen besteht, die häufig wechseln (Zehner 2005 a, b, 2007, 2008, 2009). Die zahnärztliche Behandlung wird dabei in Etappen durchgeführt (7 Online-Videomaterial, Beispiele aus Kap. 3, 4 u. 5).
Allgemeiner Ablauf Eine zahnärztliche Kinderhypnosebehandlung im Kindergarten- und Grundschulalter besteht meistens aus mehreren kurzen Trancezuständen, dabei wird die Fähigkeit der Kinder zu spontaner Trance genutzt. Die kleinen Patienten werden mit verschiedenen Hilfsmitteln (s. unten) immer wieder kurz in eine Trance geführt, aus der sie durchaus ganz spontan auch wieder herauskommen können, um anschließend wiederum mit einem anderen Thema oder einem neuen kleinen Helfer in Trance zu gehen.
Vorgehensweise Anfänglich kann ein relativ gleichförmiges, rituelles Vorgehen sinnvoll sein, denn das kommt dem Bedürfnis kleiner und ängstlicher Patienten nach Konstanz und Sicherheit entgegen und baut dadurch Ängste ab (7 Abschn. 2.3.4). Sind die Kinder allerdings später schon mit der Zahnarztpraxis,
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
dem Behandlungsteam und der zahnärztlichen Kinderhypnose bestens vertraut, sollten individuelle Variationen und Kombinationen von Trancegeschichten etc. bevorzugt werden (Jilg et al. 2008), wobei dann vom Behandlungsteam in der Regel nur noch kleine Anregungen gegeben werden müssen. Die Hypnose wird von den meisten kleinen Patienten dann schon eigenständig und spontan von selbst eingeleitet, sie gehen ganz von allein in Trance, sobald der Behandlungsstuhl in die Liegeposition gebracht wird, und heben schon bei der ersten Suggestion einer tiefen Bauchatmung langsam ihren Arm als Zeichen, dass sie bereits eine Traumreise in ihrem Luftballon angetreten haben (Armlevitation, 7 Abschn. 5.4.4). Mit ruhiger und sanfter Stimme, in tieferer Stimmlage und langsamer Sprechweise (Trancesprache) begleiten wir sie auf dieser Reise.
Fokussierung der Aufmerksamkeit Dabei dürfen die kleinen Patienten selbst wählen, was sie in der Trance erleben wollen. Das kann individuell ganz unterschiedlich sein; wir verwenden alles, was den Kindern Spaß macht und die Entspannung fördert. So gehen die Kinder in Gedanken auf eine schöne Luftballonreise und werden danach aufgefordert, sich ihre Lieblingsbeschäftigung vorzustellen. Es werden Geschichten erfunden und Lieder gesungen; Fingerpuppen (. Abb. 5.7 bis 5.9), Zaubermöwen (. Abb. 5.10 u. 5.13) oder Zauberstäbe (. Abb. 5.9 u. 5.12) begleiten die kleinen Patienten durch die Trance. Mit Zauber- oder Grabbelsäckchen kann ebenfalls eine wirksame Aufmerksamkeitsfokussierung erreicht werden (Schmierer G. 2002; Schmierer u. Schütz 2007). Ein Säckchen wird mit Linsen gefüllt und kleine Spielzeugteile, Ringe, Glasmurmeln o. ä. dazwischen gemischt. Das Kind soll nur mit einer Hand in das Säckchen hinein fassen und darf keinesfalls nachschauen, was darin versteckt ist. Während der Behandlung fühlt es nur die Gegenstände, die manchmal auch spitz sind und leicht pieken, je nach Behandlungsgeschehen. Das bewirkt eine Distraktion von der eigentlichen Behandlung und eine Fokussierung auf das Wühlen im Grabbelsäckchen. Zum Schluss darf sich der kleine Patient ein Teil herausholen und als Belohnung mit nach Hause nehmen.
Für die Kinder sind diese angenehmen und lustigen Imaginationen mit Hilfe von Trancegeschichten, Fingerpüppchen, dem Grabbelsäckchen oder Zauberstäben entspannend und spannend zugleich, denn sie sind immer wieder gespannt auf die nächste Behandlungssequenz. Das bewirkt einen deutlichen Angstabbau, motiviert die Kinder zur Weiterbehandlung und erzeugt zudem auch immer wieder einen guten Rapport.
Spezielle Ausführungen zur QuickTimeTrance Im Folgenden soll der spezielle Ablauf einer Kinderhypnosezahnbehandlung mit QuickTimeTrance beschrieben werden.
Luftballoninduktion Die Luftballonreise stellt in unserer Praxis die Basisinduktionsform bei Kindergarten- und Grundschulkindern dar und kann mit den unterschiedlichsten Tranceinduktionsmethoden (7 Abschn. 5.4.3) kombiniert werden. Zu Beginn der Behandlung wird eine Entspannungsmusik aufgelegt, das Kind darf sich als Fingerpuppe sein Lieblingstier oder auch mehrere kleine Helfer, einen Zauberstab oder die Zaubermöwen aussuchen und setzt sie auf seine Finger bzw. hält sie in der Hand (. Abb. 5.7 bis 5.9). Anschließend wird mit dem Kind eine tiefe Bauchatmung eingeübt und ihm die Suggestion gegeben, dass in seinem Bauch beim Atmen ein großer Luftballon entsteht, der bei jedem Einatmen größer und größer wird. Mit diesem Ballon, der in der Sonne – natürlich in der Lieblingsfarbe des Kindes – glitzert, kann es in Gedanken bis hoch an die Zimmerdecke fliegen. Dort ist ein buntes Poster befestigt, das die Aufmerksamkeit des kleinen Patienten für einige Zeit in Anspruch nimmt. Bei diesem Flug macht er sich ganz leicht und lässt alles ganz locker, sodass sein Luftballon sogar bis hoch in den Himmel zu den Wolken oder Sternen fliegen und ihn auf eine spannende Luftballontraumreise mitnehmen kann.
Häufiger sprunghafter Themenwechsel – kindgerecht zur Trancevertiefung Mit den verschiedenen Hand- und Fingerpuppen, Zaubermöwen und Zauberstäben werden den Kindern während der Luftballonreise ständig neue Angebote gemacht, sich für kurze Zeit aus dem Be-
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5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
. Abb. 5.11 Kinderzeichnung aus der Vogelperspektive des Luftballons. Durch die Zeichnung wird deutlich, dass die Suggestion der Luftballonreise plastische Innenbilder erzeugt, sodass die Praxiseinrichtung tatsächlich »von oben« gesehen wird
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. Abb. 5.13 Schwebevogel (Zaubermöwe)
. Abb. 5.12 Zauberstäbe
. Abb. 5.14 Fingerpuppen
handlungsgeschehen auszublenden und in Trance etwas Schönes und Angenehmes zu erleben. Sie werden dabei vom Behandlungsteam sehr genau beobachtet, um kleinste Anzeichen von Anspannung und Unruhe sofort zu erkennen und durch Themenwechsel Dissoziation von der Zahnbehandlung zu erzeugen. Wenn die kleinen Patienten sich nicht mehr konzentrieren können, unruhig werden oder erschöpft sind, wird sofort darauf reagiert und ein neuer kleiner Helfer ausgesucht (. Abb. 5.8; 5.12–5.14), oder der Ballon fliegt wieder an einen anderen Ort, an dem das Kind etwas Neues erleben kann. So wird seine Aufmerksamkeit immer wieder für einige Zeit von der Zahnbehandlung abgelenkt und auf das von ihm gewünschte Objekt konzentriert. Der Wechsel von einem zum anderen Thema erfolgt recht sprunghaft, was der intensiven, aber
sprunghaften Vorstellungswelt der kleinen Patienten entspricht (Bittner 2005). Es ist also keineswegs erforderlich, eine Geschichte erst abzuschließen, bevor man auf ein neues Thema übergeht. Durch häufiges und schnelles Wechseln der Themen und damit auch rasches Wechseln der fokussierten Aufmerksamkeit auf ständig neue Dinge wird eine gewisse Konfusion, eine immer stärkere Dissoziation von der eigentlichen Behandlung und damit eine deutliche Vertiefung der Trance erreicht.
Wahrnehmung mit allen 5 Sinnen – VAKOG Die Luftballonreise mit Abstechern in den Zauberwald oder zur Lieblingsbeschäftigung des Kindes erleben die kleinen Ballonfahrer mit allen 5 Sinnen – sie stellen sich vor, was sie sehen, fühlen, hören, riechen und schmecken (VAKOG, 7 Abschn. 1.2.3).
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Dazu werden vom Behandler und der Helferin entsprechende Suggestionen gegeben, die alle Sinneskanäle einbeziehen. Auf manchen Kinderzeichnungen ist zu erkennen, dass die Kinder auf ihren »Innenbildern« unsere Praxis wirklich vom Luftballon aus – also von oben – sehen und auch so auf ihren Zeichnungen wiedergeben (. Abb. 5.11).
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Praxis konkret – Luftballonreise mit allen 5 Sinnen (VAKOG) 5 Das Kind stellt sich dabei vor, wie es sich anfühlt, ganz leicht zu sein und in die Luft zu fliegen (K – kinästhetisch). 5 Es soll sich auch die kleinen Häuser und Bäume anschauen, die immer kleiner werden, je höher der Luftballon steigt (V – visuell). 5 Und bestimmt leuchtet der Luftballon in der Sonne ganz intensiv – natürlich in der Lieblingsfarbe des Kindes (V – visuell). 5 Ein Deckenbild bindet die Aufmerksamkeit und lässt die Kinder eine Zeit lang davon träumen, mit ihrem Luftballon dorthin zu fliegen (V – visuell). 5 Vielleicht fliegt der Ballon auch in den Zauberwald, dort gibt es ganz viele lustige bunte Tiere, und die Bäume glitzern in verschiedenen Farben – so wie unser Zauberstab (V – visuell). 5 Der Wind rauscht so laut wie unser Schlürfi, und manchmal kann man auch andere Geräusche hören – vielleicht das Zwitschern von Vögeln oder den Schrei einer Möwe (A – auditiv). 5 Die frische Luft riecht gut nach den Tannen im Zauberwald oder nach dem Meer, wenn der Luftballon an einen wunderschönen Strand fliegt (O – olfaktorisch). 5 Auch weht manchmal ein Duft von Blumen oder leckeren Früchten aus dem Zauberwald zum Luftballon herüber, den man vielleicht auch auf der Zunge schmecken kann (O – olfaktorisch; G – gustatorisch). 5 Im Zauberwald gibt es eine große Eisdiele mit leckerem Eis, sicher ist auch das Lieblingseis des Kindes dabei (G – gustatorisch).
5 Der Zaubersee, in dem man sogar baden kann, ist gefüllt mit seinem Lieblingsgetränk, von dem beim Schwimmen ab und zu ein Schluck getrunken werden kann (G – gustatorisch). 5 Während der gesamten Behandlung läuft im Hintergrund leise Trancemusik, oder bei kleinen Kindern bekannte Kinderlieder (A – auditiv). 5 Die blaue Zauberlampe (V – visuell) lässt die Füllungen ganz schnell trocknen und fest werden. Dabei dürfen die Kinder die Lampe selbst halten und werden somit in die Behandlung integriert. 5 Für die Zauberknete, die in die Zahnteufelhöhle gefüllt wird, können sich die kleinen Patienten ihre Lieblingsfarbe aussuchen. Dadurch werden sie motiviert stillzuhalten, bis die tolle bunte Füllung (V – visuell) fertig ist. Zu Hause können die Eltern durch die Farbe besser kontrollieren, ob die Füllung gut gehalten hat.
Unterbrechung und Fraktionierung der Trance Bis zum Grundschulalter können Kinder aus ihren Imaginationen aussteigen, ohne durch mögliche Grenzen von Realität und Fantasie irritiert zu sein (Holtz u. Mrochen 2005). Deshalb ist es immer möglich, die Kinder in die Behandlung mit einzubeziehen. Das Helfen bei der Behandlung bewirkt wiederum eine kurze Fokussierung der Aufmerksamkeit im Sinne der QuickTimeTrance. Dabei wird die Trance unterbrochen – beispielsweise werden die Zahnteufel weggesaugt oder die Instrumente festgehalten. Für ihre Hilfe werden die kleinen Patienten ausgiebig gelobt, das bewirkt eine positive Verstärkung und gibt ihnen Kompetenz und Selbstsicherheit. Danach gehen sie umso bereitwilliger wieder in Trance, weil der Rapport verstärkt wurde. So entsteht eine Fraktionierung der Trance (7 Abschn. 1.2.1). Dieser Vorgang ermöglicht es den Kindern, während der Behandlungszeit die Kontrolle über das Geschehen zu behalten, aber auch immer wieder neue Trancezustände zu erleben, die sich nach und nach vertiefen und verlängern. Indem zusätzlich die kleinen
5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
Helfer (Fingerpuppen, Zauberstab s. unten) mehrmals während der Behandlung ausgetauscht werden oder der Inhalt der Geschichten sich spontan ändert, entsteht durch das wechselnde Fokussieren der Aufmerksamkeit ebenfalls eine Unterbrechung und damit Fraktionierung der Trance.
Harmonischer Behandlungsverlauf durch QuickTimeTrance Für das Behandlungsteam ist die Kinderhypnose, insbesondere die Methode QuickTimeTrance bei Kindergarten- und Grundschulkindern, eine effektive und lustige Bereicherung des Praxisalltags und trägt wesentlich zu einem harmonischen Therapieverlauf bei. Wir gehen selbst mit den Kindern bei jeder Behandlung in Trance und sind auch nach langwierigen Sanierungen entspannt und ausgeglichen. Auch von den Eltern hören wir oft, dass sie den bunten Elefanten aus dem Zauberwald ebenfalls sehen oder den schönen Urlaub am Sonnenstrand in Trance miterleben konnten. Wenn während der Kinderhypnosezahnbehandlung alle Beteiligten mit in Trance gehen und die Behandlung entspannt genießen können, übertragen sie diese Ruhe und Entspannung auf das Kind. Dann ist unser Ziel erreicht, kindliche Angst und Anspannung im Zusammenhang mit der Zahnbehandlung zu vermeiden bzw. weiter abzubauen. Ein sehr flexibles Reagieren des Praxisteams auf die individuellen Bedürfnisse der kleinen Patienten und auch deren Eltern ist natürlich dabei erforderlich, aber mit etwas Übung und einem kleinen Fundus an Hilfsmitteln wird das bald bei jeder Behandlung zur Selbstverständlichkeit.
Hilfsmittel Wie oben bereits beschrieben, dürfen verschiedene kleine Helfer (. Abb. 5.12 bis 5.14) die Kinder auf der Luftballonreise begleiten. Sie geben ihnen Kraft und Energie und helfen dabei, in ständig neue kurze Trancezustände einzutauchen (s. a. Beispiele 7 Online-Videomaterial, Kap. 3, 4 u. 5). Praxis konkret – Hilfsmittel bei der Kinderhypnose QuickTimeTrance 5 Der Zauberstab entführt die Kinder in den Zauberwald, wo man viele bunte Tiere sehen und lustige Dinge erleben kann.
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5 Auch die Zaubermöwe auf dem Zauberfinger kann mit auf die Reisen gehen, denn alles »Zauberhafte« fasziniert die Kinder im Vor- und Grundschulalter. 5 Kleine Fingerpuppen sind gut geeignet, in kurze Geschichten eingebunden zu werden und somit Trance zu erzeugen. 5 Auf jeden Finger kann ein anderes lustiges Tier gesteckt werden, und alle begleiten das Kind auf der Luftballonreise in den Zauberwald 5 Kroko und der Zahnputzvogel oder andere Lieblings- und Krafttiere dürfen bei der Zahnbehandlung helfen. 5 Das kleine Fingerkrokodil oder auch der große Kroko erinnern daran, dass der Mund während der Behandlung weit geöffnet sein muss. 5 Aus dem Grabbelsack, der mit Linsen und kleinen Spielzeugteilen gefüllt ist, suchen sich die Kinder während der Behandlung etwas aus. (Informationen über Bezugsquellen von Hilfsmitteln zur Kinderhypnose z. T. unter www. milchzahnarzt.de)
Zahnbehandlung mit QuickTimeTrance – konkrete Textvorschläge Die recht detaillierte Beschreibung und genaue Wortwahl in den folgenden Texten dienen den noch ungeübten Kollegen und Mitarbeiterinnen, anfänglich durch Nacherzählen der Vorlagen Sicherheit und Routine in der Anwendung von Trancemethoden und -geschichten zu bekommen. Die Geschichten werden wechselseitig, oft auch gleichzeitig als Doppelinduktion (7 Abschn. 1.2.1 u. 5.4.3) vom Behandler und der Mitarbeiterin erzählt, und dazwischen können immer wieder Suggestionen zur Entspannung und Atemvertiefung sowie Wohlfühlsuggestionen und viel Lob für das Kind eingestreut werden. Beispiel – Luftballonflug in den Zauberwald Mit dem Ballon kann man überall hinfliegen und wunderschöne Dinge erleben, und die Geräusche und Empfindungen während der Zahnbehandlung
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
können dabei positiv verändert in die Geschichte vom Luftballonflug mit eingebaut werden. Die tiefe Bauchatmung, mit der das Kind den Ballon immer wieder aufpustet, und die Imagination von angenehmen Erlebnissen bewirken Entspannung und lenken vom Behandlungsgeschehen ab. Das Kind sucht sich vor der Behandlung eine Fingerpuppe (Lieblingstier) aus, bekommt einen bunt glitzernden Zauberstab in die linke Hand oder balanciert die Zaubermöwe auf seinem linken Zeigefinger. »Stell Dir vor, in Deinem Bauch entsteht beim Atmen ein großer Luftballon – so ein richtiger schöner bunter Heißluftballon, der bei jedem Einatmen immer größer und größer wird, bis er mit Dir hoch in die Luft fliegen kann – so hoch, wie Dein Lieblingstier (oder die Zaubermöwe) auf Deinem Finger fliegt. Atme ganz tief ein und aus, lass alles ganz locker und mach Dich ganz leicht, damit Du gut fliegen kannst. Das fühlt sich ganz toll an, stimmt`s?« Yes-Set abwarten, sonst weitere Suggestionen zur Atemvertiefung geben. »Welche Farbe hat denn Dein Luftballon? Was ist denn Deine Lieblingsfarbe? Toll, wie Dein Ballon in der Sonne glitzert, wenn Du mit ihm hoch in die Luft fliegst! Jetzt fliegt er mit Dir schon ganz weit oben, fast an den Wolken.« Der Behandler nimmt dabei den Arm des Kindes mit Fingerpuppe/Zaubermöwe/Zauberstab nach oben (Armkatalepsie). »Deine Lieblingstiere begleiten Dich, und Ihr könnt jetzt auf eine schöne Traumreise gehen. Wohin wollt Ihr denn fliegen?« Wenn das Kind ein Ziel (Urlaubsort o. ä.) benennt, weitere Suggestionen geben, die das Ziel näher beschreiben. Sonst ist der Zauberwald immer ein beliebtes Reiseziel. »Dein Lieblingstier begleitet Dich jetzt auf eine Reise in den Zauberwald, und bestimmt gibt es dort noch viel mehr solcher Tiere – aber im Zauberwald sind sie alle ganz bunt, so glitzernd bunt wie im Zauberstab! Schau mal, wie die bunten Teilchen im Zauberstab um die Wette rennen – hörst Du auch, wie sie sich zurufen: ‚Ich will gewinnen, schneller, schneller!’ Aber ein paar kleine bunte Teilchen lassen sich richtig Zeit, sie schweben ganz leicht nach unten und genießen das Hinabsegeln.
Beobachte mal, welches Teilchen das Letzte ist – das kleine rote hier, das lässt sich von den anderen, die so schnell davon flitzen, überhaupt nicht stören und freut sich daran, so glitzernd bunt und leicht durch die Gegend zu tanzen. So leicht, wie Du jetzt in Deinem Luftballon durch die Luft schwebst. Wenn Du den Zauberstab umdrehst, können die kleinen bunten Teilchen wieder von vorn mit ihrem Wettlauf beginnen. Und Du fliegst inzwischen mit Deinem schönen leuchtenden Luftballon in den Zauberwald – atme ganz tief ein und aus, damit der Luftballon schön fliegen kann – gut so! Im Zauberwald ist alles so bunt wie im Zauberstab – die Bäume und die Wiesen und alle Tiere leuchten dort in wunderschönen bunten Farben. Kannst Du auch die Tiersprache im Zauberwald verstehen? Hör mal, wie die Vögel zwitschern und was sie sich zurufen. Hörst Du auch, wie der Wind rauscht?« Der Sauger wird angeschaltet und die Dusche wird vorgeführt: »Schau mal, hier ist unsere Dusche, die kann den Zahn ganz toll sauber duschen – und hier ist der kleine Schlürfi, der ist ganz durstig und kann das Wasser und Deine Spucke immer schön trinken. Ich zähle beim Duschen immer bis drei, dann machen wir eine Pause und Du kannst tief durchatmen und Deinen Luftballon wieder hochfliegen lassen.«
Beispiel – Bunte Regenwolke und Zauberarm, während mit dem roten Winkelstück der Zugang zur Kavität eröffnet wird »Jetzt fliegst Du erst einmal durch eine große bunte Regenwolke, und der Wind rauscht dabei ganz laut – 1, 2, 3 – und es wird auch alles ganz nass vom Regen. Da hat der Schlürfi aber zu tun, um alles wieder trocken zu schlürfen! Weißt Du eigentlich, dass Du auch einen Zauberarm hast? Halte mal Deinen Arm mit dem Lieblingstier/Zauberstab/Möwe ganz hoch, und je weiter hoch Du ihn hältst, umso besser kann der Luftballon fliegen. Und Dein Arm wird dabei ganz kalt und taub und unempfindlich, und je höher Du fliegst, umso besser kannst Du mit Deinem Zauberarm zaubern. Zaubere mal Deinen Zahn auch ganz taub, lass ihn mal ganz kalt und unempfindlich wer-
5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
den, damit wir die Zahnteufel besser mit der Dusche herausspülen können – ganz toll machst Du das! Jetzt kommt noch mal eine kleinere Regenwolke, aber die ist noch viel bunter und schillert in allen Regenbogenfarben. Wir fliegen ganz schnell durch – 1, 2, 3 – und jetzt können wir die Zahnteufel mit der Angel aus ihrer Wohnung herausholen.« Bei empfindlichen und ängstlichen Kindern Carisolv benutzen und jetzt eine Pause einlegen, damit das Kind sich ausruhen kann. Inzwischen kann das Bilderbuch von Hacki und Dicki – »Neues aus der Milchzahnstraße« (Russelmann 2008) – von der Begleitperson vorgelesen werden.
Beispiel – Zahnteufel aus der Wohnung angeln, während mit dem Excavator die Karies entfernt wird »Der Zahnteufel hält sich oft noch mit seinen Krallen fest, ich drücke jetzt mal ganz feste, damit er loslässt – und Du atmest dabei wieder ganz tief in den Luftballon, super! Schau mal, jetzt habe ich schon einen Zahnteufel hier auf der Angel sitzen! Schau ihn Dir mal ganz genau an – der sieht genauso aus wie im Bilderbuch von Hacki und Dicki, und der hat auch eine richtige Kralle, mit der er sich in Deinem Zahn festgehalten hat! Nun kann er Dich nie wieder ärgern – den darfst Du jetzt mit dem Zahnteufelschlürfi wegsaugen, und Dein Lieblingstier (Fingerpuppe) hilft Dir dabei.«
Beispiel – Zahnteufel wegsaugen (Fraktionierung der Trance) und Traumreise in den Zauberwald mit allen Sinnen (VAKOG) Das Kind bekommt den Sauger in die Hand mit der Fingerpuppe, der Excavator mit der herausgeschabten Karies wird hochgehalten und das Kariesstück weg gesaugt Diese Unterbrechungen führen zu einer Fraktionierung der Trance, danach gehen die Kinder meistens tiefer in Trance und der Behandler kann die Trancesequenzen nach und nach immer mehr verlängern. »Atme nun wieder ganz tief ein und aus, puste den Luftballon richtig doll auf, und dann schau mal unter Dir die kleinen Häuser und Bäume an, wie sie
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immer kleiner werden. Und die Menschen – wie Ameisen krabbeln sie auf der Erde herum! Fühl mal, wie toll sich das anfühlt, so durch die Luft zu schweben! Und wie der Wind rauscht! Vielleicht hörst Du auch wieder die Vogelstimmen? Und riechst Du auch den herrlichen Duft? Es riecht so gut nach Wald und Wiesen, ganz frisch, und die Sonne scheint schön warm auf Dich und Deinen Luftballon. Du fühlst Dich so richtig wohl auf Deiner Reise, und jetzt schau noch einmal nach unten – dort wo alles ganz bunt glitzert, da ist der Zauberwald! Dort kannst Du jetzt mit Deinem Luftballon landen, und Dich einmal umschauen, wie schön bunt es hier aussieht. Und hör mal, ob Du jemanden reden hörst – vielleicht Tierstimmen von den bunten Zaubertieren? Oder schöne Musik? Und riech mal, wonach es im Zauberwald riecht – vielleicht nach Blumen oder nach Früchten und leckerem Eis? Bestimmt gibt es hier im Zauberwald eine große Eisdiele, aus der Du Dir so viel Eis mit Deinem Lieblingsgeschmack holen kannst, wie Du möchtest. Und vielleicht kann man sich hier im Zauberwald auch etwas wünschen?« Das Kind wird gefragt, was es sich denn wünschen würde, und davon wird wieder eine kleine Geschichte erzählt. Dabei »angelt« der Behandler die »Zahnteufel’« aus ihrer Höhle heraus und sie werden vom Kind weggesaugt. Die Trance wird dabei immer wieder unterbrochen (Fraktionierung) – das gibt dem Kind die Möglichkeit, die Kontrolle über das Geschehen zu behalten und bei der Zahnteufeljagd mitzuhelfen. Dafür wird es ausgiebig gelobt – das macht selbstbewusst und stolz!
Beispiel – Bunte Tiere im Zauberwald sehen, fühlen, hören und riechen »Und jetzt kommen schon die vielen bunten Zaubertiere angelaufen, um Dich zu begrüßen! Schau mal, da ist auch Dein Lieblingstier dabei – das kann ganz besonders schnell rennen und kommt mit großen Sprüngen auf Dich zu, weil es sich so sehr freut, dass Du zu Besuch kommst! Und das Tier sieht ganz lustig bunt aus – der Kopf ist rot, mit gelben Ohren, und der Rücken ist lila. Am Bauch hat es grüne Streifen, und das eine Bein ist pink, das andere orange, das dritte blau – und wie sieht denn das
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
vierte Bein aus? Schau mal genau hin, ob Du es erkennen kannst! Und Du kannst Dich im Zauberwald auch mit den Tieren unterhalten, denn Du kannst ja zaubern und die verschiedenen Tiersprachen alle verstehen – hör mal, was Dein Lieblingstier Dir erzählt! Hat es auch ein schönes weiches Fell? Fühl mal, wie weich es sich anfühlt, wenn Du das Tier streichelst! Ganz kuschelig weich und warm, und es duftet nach Zaubertierfell – riech mal, was das für ein toller Geruch ist! Nun lass Dir von den Zauberwaldtieren alles zeigen, was es hier im Zauberwald zu sehen, zu hören und zu riechen gibt. Schau mal hier, der große bunte Elefant! Der Rüssel sieht doch aus wie unser Schlürfi, genau die gleiche Farbe! Damit kann der Elefant bestimmt auch gut die ganze Spucke wegschlürfen. Frag doch mal den bunten Zauberelefant, ob er Dich auf seinem Rücken reiten lässt? Darfst Du, ja? Toll, dann lass Dich mit dem Rüssel vom Elefant hoch heben und auf den Elefantenrücken setzen – und dann kann der Elefant mit Dir durch den Zauberwald reiten und Dir alles zeigen!« Man kann das Kind jetzt fragen, welche Farben der Elefant noch hat, und ob es auch noch andere bunte Tiere im Zauberwald sehen kann. (Lieblingstierfingerpuppe gegen einen Elefanten austauschen) »Halte Dich gut fest, dann kann die Reise losgehen. Von oben kannst Du alles viel besser sehen – schau Dich um im Zauberwald, was es da alles zu sehen gibt, welche Tiere kannst Du denn noch erkennen? Sind die alle so schön bunt? Und höre die Geräusche im Zauberwald, das Vogelgezwitscher, die Tierstimmen und die schöne Musik, und rieche noch einmal den angenehmen Duft – und lass es Dir auf dem Rücken des großen Elefanten so richtig gut gehen! Wenn Du das Ohr vom Elefanten ganz fest drückst, bleibt er stehen und Du kannst Dich umschauen – und wenn Du ihn über den Kopf streichelst, läuft er wieder weiter.
Beispiel – Krokodil und Zahnputzvögel zur Erleichterung der Mundöffnung Schau mal, hier auf der großen bunten Wiese liegen die Krokodile und machen ihr Maul ganz weit auf, denn es ist gerade Zahnputzstunde. Siehst Du die kleinen Zahnputzvögel, die bei den Krokodilen im
Mund sitzen und aus den Zähnen die Zahnteufel rauspicken? Und hörst Du, wie es – pick, pick, pick – ganz lustig klappert, wenn so viele Zahnputzvögel auf einmal picken? Und die Krokodile halten mit weit geöffnetem Mund ganz still, damit die kleinen Zahnputzvögel in Ruhe arbeiten können und die Krokodilszähne so richtig blitzeblank werden. Stell Dir vor, Du bist jetzt das große Krokodil mit dem ganz großen Mund, mach Deinen Mund mal so weit auf wie das Kroko hier an unserer Lampe – und ich bin der kleine Zahnputzvogel und picke die Zahnteufel aus Deinen Zähnen. Wir können auch ein Krokodil mithelfen lassen.« (Fingerpuppe Krokodil auf den Finger setzen) »Und wenn wir jetzt den Hacki und den Dicki aus Deinen Zähnen herausholen – so wie Du es schon im Bilderbuch gesehen hast – dann nimmt der Zahnputzervogel die Zahnteufel und bringt sie seinen Kindern.« (Vogel auf die andere Hand setzen) »Die fressen am liebsten Zahnteufel! Flieg noch mal mit Deinem Luftballon ganz hoch über die Zauberwaldbäume, und wenn Du ganz genau hinschaust, kannst Du vielleicht die schönen bunten Vogelnester in den Bäumen sehen – dort sitzen die Vogelbabys drin und machen ihren Schnabel ganz weit auf, so wie Du! Und die kleinen Vögelchen sind auch ganz bunt und piepsen so niedlich – kannst Du es hören?«
Beispiel – Mit dem Rillenputzer Rumpelstilzchen den Zahn putzen »Jetzt zeige ich Dir noch etwas ganz Lustiges, unseren Rillenputzer, der heißt Rumpelstilzchen. Er putzt in der Zahnteufelhöhle auch die kleinsten Ritzen ganz sauber, dabei kitzelt er den Zahn, dass er ganz doll lachen muss. Ich zeige Dir das erst einmal an Deinem Finger:« Mit dem Rosenbohrer werden der Finger und auch der Fingernagel vorsichtig gekitzelt. »Spürst Du, wie das kitzelt? Der Finger lacht schon, siehst Du?« Smilie auf den Fingernagel malen. »Hörst Du auch, wie er kichert? Das probieren wir jetzt auch mal an Deinem Zahn, mal sehen ob der genauso laut lacht. Atme dabei tief ein und aus und stell Dir vor, Du fährst mit einem Auto über
5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
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eine Huckelpiste. Jetzt kommt eine Kurve – schön fest halten! – und jetzt holpert das Auto über ganz alte Pflastersteine. Oh, da war ein großes Schlagloch in der Straße – jetzt müssen wir erst einmal Rast machen und uns ausruhen!« (Nach kurzer Pause Fingerpuppen wechseln)
musste – aber Du hast das super gemacht, bist so schnell gerannt, dass Du das Drücken fast gar nicht gespürt hast, stimmt‘s? Den Zahnteufel kannst Du nun auch wieder selbst wegsaugen, damit er Dich nicht mehr ärgern kann – das machst Du ganz toll! (Fraktionierung)
Beispiel – Lautes Fauchen und Wettrennen mit großen starken Zaubertieren zur Schmerzreduzierung
Beispiel – Zauberknete in die saubere Zahnteufelwohnung stopfen
»Hier ganz unten, da sitzt noch ein Zahnteufel, der will sich nicht fangen lassen – da nehmen wir jetzt mal ein ganz großes kräftiges Tier zum Helfen – Tiger, Löwe oder Leopard?« Das Kind sucht sich neue Fingerpüppchen aus. »Wenn ich jetzt den Zahnteufel herausangele, dann faucht der Tiger/Löwe ganz laut, damit der Zahnteufel endlich abhaut – los, ganz laut fauchen!!« Dabei die letzten Kariesreste mit dem Handexcavator excavieren. Wenn im pulpanahen Bereich die Schmerzempfindlichkeit größer wird, spüren das die Kinder nicht so stark, wenn sie in diesem Moment tief einatmen und laut fauchen wie ein starkes Tier (7 Abschn. 5.4.5). »Das machst Du ganz toll, Du kannst ja wirklich so laut fauchen wie ein großer gefährlicher Tiger/Löwe/Leopard. Jetzt kommen die allerletzten Zahnteufel dran, die halten sich noch ganz fest in Deinem Zahn – wenn ich jetzt ganz doll drücken muss, damit die Zahnteufel herausgeangelt werden können, dann atmest Du besonders tief in den Bauch, fauchst ganz laut und lässt den Luftballon besonders hoch fliegen! Super! Und jetzt rennst Du mal mit den Zaubertieren um die Wette, wir wollen doch mal sehen, wer gewinnt. Ganz schnell rennen, dabei hüpfen die letzten Zahnteufel von allein aus Deinem Zahn, weil sie das Wettrennen sehen möchten. Schneller, schneller ….« Dabei kann meistens auch ohne Anästhesie in Pulpennähe mit dem Handexcavator gearbeitet werden; das Kind ist so stark auf das Wettrennen im Zauberwald fokussiert, dass die Schmerzwahrnehmung nur noch ganz gering ist (7 Abschn. 5.4.5). »Toll, Du bist Sieger, Du hast den Wettlauf gewonnen, prima! Und hier habe ich auch den letzten dicken Zahnteufel herausgeangelt. Der hat sich so sehr fest gehalten, dass ich ganz schön doll drücken
Jetzt ist der Zahn auch schon ganz sauber, sogar die Speisekammer von den Zahnteufeln mit den Zuckerstücken und Schokoladenkrümeln ist leer, und auch das Sofa und den Schaukelstuhl von Hacki und Dicki hat der Schlürfi verschluckt. Fühl mal mit der Zunge, das fühlt sich ganz toll an, so glatt und sauber! Und der Zahn blitzt und blinkt in der Sonne, schau` mal im Spiegel, wie er glitzert! Hörst Du ihn auch lachen? Er freut sich ganz doll, weil er jetzt so schön sauber ist und alle Zahnteufel raus sind. Jetzt können wir eine schöne bunte Zauberfüllung in die Zahnteufelwohnung stopfen, damit die Zahnteufel nicht wieder einziehen können. Das machen wir mit unserer Zauberknete, die ist erst ganz weich, deshalb kann ich sie in die Zahnteufelhöhle hineindrücken, und dann kommt eine tolle blaue Zauberlampe – die macht die Knete gleich ganz fest und hart! Wenn dann wieder mal ein Zahnteufel angekrabbelt kommt und Deinen Zahn wieder kaputt knabbern will, beißt er sich selbst seine ollen Zahnteufelzähne an der harten, festen Zauberfüllung ganz kaputt! Dann kann er Dich nie wieder ärgern, weil er dann selbst keine Zähne mehr hat!«
Beispiel – Luftballonflug zum Zaubersee und Zaubertiergeburtstag, während die unangenehm schmeckende Füllung gelegt wird »Und jetzt flieg noch einmal mit Deinem Luftballon und den Tieren in den Zauberwald – atme ganz tief ein und aus und lass den Luftballon schön hoch fliegen – toll, wie der in der Sonne leuchtet und glitzert! Und jetzt schau mal unter Dir den großen Zauberwaldsee, der ist gefüllt mit Deinem Lieblingsgetränk – was trinkst Du denn am liebsten? Du kannst auch mal in den See hineinspringen und eine Runde schwimmen, und dabei immer mal einen Schluck trinken – das schmeckt ganz besonders le-
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
cker, hast Du den tollen Geschmack schon auf der Zunge? Davon bekommt man ganz viel Kraft, wie bei Asterix und Obelix. Nach dem Baden feierst Du auf der Zauberwaldwiese mit den Tieren ein großes Fest, da gibt es bestimmt auch etwas Leckeres zu essen – vielleicht Dein Lieblingsessen? Bestimmt gibt es im Zauberwald ein »Tischlein deck Dich«, wie im Märchen, und stell Dir mal vor, dort steht jetzt Dein Lieblingsessen auf dem Tisch, und Du kannst davon essen, soviel wie Du willst. Was schmeckt Dir denn am besten? Vielleicht ein leckeres Eis? Schmeckst Du es schon auf der Zunge? Ganz köstlich, und wie lecker das riecht!! Die Tiere wollen natürlich auch von Deinem Lieblingsessen naschen, die essen aber am liebsten Möhrentorte. Du kannst sie alle damit füttern, es ist genug auf dem »Tischlein deck Dich« für alle Tiere da. Isst Du auch gern Möhrentorte? Mach den Mund ganz weit auf und beiß Dir ein großes Stück ab! Dein Lieblingstier freut sich auch sehr, wenn Du ihm so etwas Leckeres fütterst. Das kann ja sein Maul weit aufmachen! Wie ein großes Garagentor! Probier mal, ob Du das auch kannst! Und vielleicht hat im Zauberwald heute auch ein Tier Geburtstag, was meinst Du denn, welches Tier das sein könnte? Da gibt es sicher eine ganz große Geburtstagstorte, die schmeckt superlecker, und alle Tiere feiern und sind fröhlich. Schau mal, wie das große Krokodil sein Maul ganz weit auf macht und ein riesengroßes Stück von der Geburtstagstorte abbeißt – kannst Du Deinen Mund auch so weit auf machen? Super! Bloß gut, dass nach der Geburtstagsfeier die Zahnputzvögel dem Kroko die Zähne wieder schön sauber machen! Sonst könnten sich die Zahnteufel ganz viele Kuchenkrümel in ihre Speisekammer schleppen und sich daran dick und rund fressen – das würde dem Kroko sicher nicht gefallen, denn die dicken Zahnteufel können ja dann auch die Krokodilzähne kaputt fressen. Deshalb solltest Du auch immer gründlich Deine Zähne putzen, wenn Du Geburtstagstorte oder etwas anderes gegessen hast, damit Deine Zähne nie wieder von so dicken fetten Zahnteufeln angeknabbert werden!«
Beispiel – Rückflug aus dem Zauberwald, während die Füllung zum Aushärten beleuchtet wird »Jetzt kommt noch die tolle blaue Zauberlampe und lässt die Füllung ganz fest und hart werden, und Du kannst inzwischen wieder aus dem Zauberwald zurückfliegen. Verabschiede Dich von den Tieren, winke ihnen noch einmal aus Deinem Luftballon zu, und dann fliegst Du wieder hier her zu uns und landest in unserer Praxis. War das ein toller Luftballonflug? Und hast Du Dir auch alles im Zauberwald genau angesehen und die Tierstimmen gehört?«
Beispiel – Hände schütteln zur Reorientierung, Kind erzählen lassen! Dabei Zeit lassen und nachfragen! Zur Reorientierung aus der Trance werden die Hände der Kinder fest geschüttelt sowie posthypnotische Suggestionen für Mut und Kraft bei der nächsten Zahnbehandlung gegeben. »Jetzt gib mir mal Deine beiden Hände und drück ganz, ganz feste meine Hände – im Zauberwald bekommt man nämlich auch immer ganz viel Kraft und Mut! Du bist ja wirklich ganz stark geworden im Zauberwald! Und mutig sowieso, die Mama kann ganz stolz auf Dich sein! Und das nächste Mal besuchen wir wieder die Tiere im Zauberwald, das wird wieder genau so lustig wie heute! Und jetzt darfst Du Dir noch etwas aus dem Belohnungskörbchen aussuchen, weil Du das so toll gemacht hast!«
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Feedback der Patienten
Das positive Feedback unserer kleinen Patienten Annika zeigt, dass die Zahnbehandlung mit QuickTimeTrance einen entscheidenden Beitrag zur Angstreduzierung leisten kann (. Abb. 5.15).
5.4.3
Weitere Trancemöglichkeiten bei der Kinderzahnbehandlung
Bei der Einleitung einer Hypnose im Kindesalter (7 Abschn. 1.2.1) ist die Beteiligung und Kontrolle der Kinder am Trancegeschehen durch permissive Formulierungen zu fördern. Die kleinen Patienten
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5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
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Die Konstruktion einer Metapher wird bei Schmierer und Schütz (2007) ausführlich dargestellt:
» Das Ziel von Metaphern ist das Absorbieren des bewussten Verstandes des Patienten, die Dissoziation des Denkens und das Einschleusen von Suggestionen, die vom Bewusstsein nicht als solche erkannt werden (Schmierer u. Schütz 2007, S. 127).
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Bei der Kinderhypnose sind diese Stellvertretergeschichten natürlich dem Alter und Sprachverständnis des Kindes sowie der jeweiligen Behandlungssequenz anzupassen.
Die Löwengeschichte . Abb. 5.15 Brief der kleinen Patientin Annika, 8 Jahre alt
werden dabei zur aktiven Teilnahme am Prozess des Erlebens und Nutzens des Trancezustandes ermutigt. Autoritäre Formulierungen sind daher fehl am Platz und unbedingt zu vermeiden (Olness u. Kohen 2001).
An dieser Stelle soll stellvertretend für viele andere Metaphern die bekannte Geschichte vom kleinen Löwen genannt werden (Trenkle 1998), der sich von seiner Familie entfernt hat. Diese Metapher ist besonders bei kleinen Patienten angebracht, bei denen Unsicherheit und Angst vor Unbekanntem eine große Rolle spielt. Beispiel – Die Geschichte vom kleinen Löwen
Kombination von QickTimeTrance mit anderen Induktionsmethoden Die im Folgenden beschriebenen verschiedenen Tranceinduktionstechniken und Geschichten können in der Regel gut in die oben beschriebene Kinderhypnose QuickTimeTrance integriert und mit einer Luftballonreise kombiniert werden. Je individueller die Geschichten auf die einzelnen Patienten und unterschiedlichen Behandlungssequenzen zugeschnitten sind und je abwechslungsreicher die verschiedenen Tranceinduktionen kombiniert werden, umso besser ist ihre Wirkung (Olness u. Kohen 2001; Jilg et al. 2008).
Metaphern Metaphern sind »Stellvertretergeschichten«, die sprachlich schwierig zu vermittelnde Inhalte bildhaft gut veranschaulichen können. Sie werden in der Kinderzahnbehandlung zur indirekten Tranceinduktion eingesetzt (A. Schmierer 2002 b; Schütz u. Freigang 2002; 7 Abschn. 1.2.4).
Der kleine Löwe ist schon ganz weit gelaufen, dabei hat er großen Durst bekommen, da es sehr heiß ist. Als er endlich ein Wasserloch findet, sich darüber beugt und trinken will, sieht er einen anderen Löwen, vor dem er große Angst hat. Wenn er ihn anbrüllt, brüllt der andere Löwe zurück, denn er ist mutig, stark und tapfer. Gern wäre der kleine Löwe genauso tapfer wie dieser Löwe, vor dem er sich so fürchtet, dass er sich trotz seines großen Durstes nicht wagt, aus dem Wasserloch zu trinken. Als er endlich all seinen Mut zusammen nimmt, und um nicht zu verdursten seinen Kopf in das Wasserloch steckt, ist der andere Löwe plötzlich verschwunden. Aber seine Tapferkeit, seinen Mut und seine Stärke trinkt der kleine Löwe Schluck für Schluck mit dem Wasser und wird dabei selbst so stark, mutig und tapfer, wie er es sich schon immer gewünscht hatte.
Doppelinduktion Wie in 7 Abschn. 1.2.1 bereits dargestellt, erfolgt die Einleitung der Trance bei der Doppelinduk-
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
tion durch vollkommen unterschiedliche Suggestionen, die einem Patienten von rechts und links durch 2 Behandler zeitgleich gegeben werden. Die damit verbundene Überladung der Wahrnehmung bewirkt, dass der Patient in Trance geht. Bei der Kinderzahnbehandlung wird diese Doppelinduktion sehr häufig angewendet und ist ausgesprochen wirkungsvoll. Dabei sprechen Behandler und Mitarbeiterin gleichzeitig von beiden Seiten ruhig, langsam und mit gedämpfter Stimme zum Kind. Die genaue Wortwahl ist nebensächlich, man erreicht im Gegenteil eine Trance förderliche Verwirrung (Konfusion s. unten), wenn das Erzählte gar nicht zueinander passt. Beispielsweise kann der Behandler eine Geschichte erzählen, während die Mitarbeiterin gleichzeitig auf der anderen Seite dem kleinen Patienten folgende Suggestionen gibt: 5 »Atme tief ein und aus, mach den Bauch ganz dick dabei.« 5 »Lass den Luftballon ganz hoch fliegen, bis über die Wolken.« 5 »Mach Dich dabei ganz leicht wie eine Feder.« 5 »Lass alles ganz locker, Deine Muskeln sind alle locker und entspannt.« 5 »Mach die Zunge ganz weich, lass die Wangenmuskeln ganz schlapp werden.« 5 »Du machst das ganz toll, super, gut so, prima, sehr schön.« Das Kind wird während der gesamten Behandlungszeit genau beobachtet, und wenn es kleinste Anzeichen von Unruhe und Anspannung zeigt, wird sofort darauf reagiert. Die Mitarbeiterin gibt in einer solchen Situation besonders intensive Suggestionen zur Entspannung und Atemvertiefung, und der Behandler erzielt durch einen schnellen Wechsel der Geschichten eine Distraktion vom Behandlungsgeschehen. Das zeitgleiche Sprechen und die damit verbundene Konfusion bewirken, dass sich der kleine Patient wieder besser entspannt und beruhigt.
Übung macht den Meister Dieses gleichzeitige Sprechen muss anfangs mit den Mitarbeiterinnen regelrecht trainiert werden, da es nicht üblich ist und sie oft Hemmungen haben zu reden, während der Behandler etwas sagt. Das ist
natürlich verständlich, denn es widerspricht ja den Regeln der Höflichkeit, wenn man den Redefluss des Chefs unterbricht und dazwischen spricht! Ebenso ungewöhnlich scheint es anfänglich, dass nur in Satzfragmenten gesprochen wird und es überhaupt nicht darauf ankommt, ob ein Satz richtig ausformuliert ist. Bei der Doppelinduktion – wie generell bei der Kinderhypnose – sind vielmehr die liebevolle Zuwendung zum Kind, die Berührung (Körpersprache!) und das langsame und einfühlsame Sprechen mit gedämpfter Stimme von großer Bedeutung, die genaue Wortwahl ist dabei eher unwichtig. Es ist auch unerheblich, ob eine Geschichte bereits zu Ende erzählt ist, bevor man auf ein anderes Thema überspringt. Ebenso kann spontan gewechselt werden, indem plötzlich der Behandler die Suggestionen zur Entspannung und Vertiefung der Atmung übernimmt und die Mitarbeiterin die Geschichten weitererzählt. Je mehr spontane Variationen bei der Doppelinduktion entstehen, umso individueller wird das Tranceerleben des kleinen Patienten – und umso leichter und entspannter die Behandlung. Beispiel – Talk-together-Methode Bei dieser Doppelinduktionsmethode sprechen Zahnarzt und Mitarbeiterin gleichzeitig mit ruhiger und tieferer Trancestimme. Während der Eine das Gefühl im Mund beschreibt: »Rumpel, rumpel, rumpel … ein dickes Wattekissen…kalt wie Eis …«, erzählt der andere eine Geschichte und beschreibt darin die zur Behandlung passenden Empfindungen. Das Vorgehen führt auch zur Konfusion (s. unten), weil das kindliche Gehirn nur einer der beiden Personen folgen kann, wenn sie zeitgleich über verschiedene Dinge sprechen und unterschiedliche Emotionen zeigen (S. Rienhoff, mündliche Überlieferung).
Konfusionstechniken Verschiedene Konfusionstechniken für Kinder und deren Begleitpersonen werden bei Schoderböck und. Behneke (2002) sowie Schoderböck (2004, 2007, 2008) auch in Form von Doppelinduktionen beschrieben. Konfusionstechniken werden gezielt nach der Entspannungsphase eingesetzt und sollen durch Überraschung, Verwirrung und für den
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5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
Patienten unerwartete Aussagen tiefere Trancezustände erzeugen (Schmierer u. Schütz 2007).
Technik versus Empathie Der Ausdruck »Konfusionstechnik«, der ein sehr strukturiertes und technisches Vorgehen erwarten lässt, soll an dieser Stelle kurz reflektiert werden. Es handelt sich dabei um Suggestionen, die keinesfalls strukturiert, sondern eher völlig chaotisch erscheinen. Sie werden spontan und aus der Situation heraus intuitiv gegeben mit dem Ziel, den Patienten konfus zu machen – ihn also in gewisser Weise zu verwirren, zu überladen und dadurch eine Trance zu erzeugen. Ohne entsprechende empathische Zuwendung zum Patienten, nur durch abspulen eingeübter »Techniken«, könnten die Konfusionsverfahren allerdings keine Trancewirkung entfalten. Nur durch Aufrechterhaltung eines guten Rapports zum Kind, durch das Spiegeln und Pacen seiner Angst und durch die Akzeptanz, Wertschätzung und Annahme des kleinen Patienten und seiner gesamten Persönlichkeit ist es möglich, dass die Konfusionsmethoden kein »oberflächliches Zutexten« bleiben, sondern zu einer wirklich angenehmen Tranceerfahrung des Kindes führen.
Konfusion als Gruppentrance Die Konfusionsmethoden sind besonders gut geeignet, eine gemeinsame Trance aller Beteiligten, also eine Art Gruppentrance, auslösen (Schoderböck 2004). Es eignen sich hierfür Rätsel, Wortspiele und Konfusionsgeschichten, die vordergründig die Begleitperson mit in Trance führen sollen, vor allem wenn das Kind während der Zahnbehandlung auf deren Bauch liegt. Von Eberwein (2002) wird dieses Vorgehen als »gesponnener Dialog«, »Quatsch reden« oder »spinnen« bezeichnet.
» Das Grundprinzip der hypnotischen Konfusionsarbeit mit Kindern ist die freie Assoziation. Der Zahnarzt verlässt die eingefahrenen Gedankengleise der Erwachsenenlogik und lässt seine Gedanken und Worte ‚ins Kraut schießen‘. Diese Sprunghaftigkeit ist typisch für das kindliche Denken (Eberwein 2002, S. 5).
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Das gesamte Behandlungsteam geht also beim Erzählen dieser Konfusionsgeschichten ebenfalls in Trance, andernfalls wirkt es nicht authentisch. Diese Trance überträgt sich nicht zuletzt auch indirekt auf das Kind; es wird auf lustige, tranceinduzierende Art und Weise verwirrt und daran gehindert, alten und Angst besetzten Gedanken nachzuhängen. Im Folgenden werden einige Konfusionstechniken beschrieben. Beispiel – Die Echomethode Diese Form der Doppelinduktion ist für die Mitarbeiterinnen einfach zu erlernen und erzeugt sehr schnell Konfusion beim Zuhörer. Die Helferin wiederholt nur wortwörtlich die letzten Worte des Satzes, den der Zahnarzt soeben gesagt hat: 4 ZA: »Das machst Du sehr schön.« H: »sehr schön …« 4 ZA: »Wir putzen jetzt Deinen Zahn schön sauber.« H: »schön sauber …« usw. (Anregung Schoderböck 2008)
Beispiel – Unvollständige Frage oder »Haben wir ihn schon gefüttert?« Unvollständige Fragen sind per se als Konfusion zu bezeichnen, da spontan ein innerer Suchprozess einsetzt. Der Patient überlegt, was wohl mit dieser Frage gemeint sein könnte, und geht in Trance (Schoderböck 2004). Die Frage »Haben wir ihn denn heute schon gefüttert?« führt ebenso zu einem solchen unbewussten Suchprozess, der Trance auslöst. Das Behandlungsteam spricht immer nur darüber, dass das Füttern vergessen wurde. Es wird gerätselt, was er denn am liebsten gegessen hätte – oder auch aufgezählt, womit er sonst immer gefüttert wurde. Es wird aber nie erwähnt, um wen es sich handelt, der gefüttert werden sollte. Das wirkt auf die Patienten derartig konfus und verwirrend, dass sie auf der Suche nach einer Lösung des Rätsels die eigene Fantasie in Anspruch nehmen und in Trance gehen müssen (R. Schoderböck, mündliche Überlieferung).
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Beispiel – Pseudologische Erklärungen
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Bei der Kinderhypnosebehandlung werden die Behandlungsschritte teilweise mit pseudologischen Erklärungen begründet. Bei Kindern wirken solche Begründungen konfusionsfördernd und damit trancevertiefend. So wird beispielsweise die Notwendigkeit der Zahnreinigung bei der Prophylaxe damit erklärt, dass die Zähne montags immer besonders sauber sein müssen. Oder die Verwendung des Adhäsivs, als UHU-Kleber deklariert, wird damit begründet, dass der Uhu dann seinen Baum besser findet (Eberwein 2002). Der Mund soll weit aufgemacht werden, weil heute so schönes Wetter ist, und der Zahn wird schlafen geschickt, damit er schön ausgeruht ist, wenn er wieder aufwacht (Behneke u. Schoderböck 2002; Schoderböck 2007).
Märchen und Comicfiguren Je nach Vorliebe des Kindes können seine bevorzugte Märchen- oder Comicfiguren in unterschiedlichstem Kontext in Trancegeschichten eingebettet werden. Kinder im Vorschulalter bevorzugen als Konfusionsmethode das Märchen verändern. Die Mitarbeiterin und der Behandler erzählen gemeinsam bekannte Märchen, deren Inhalte aber beim Erzählen verändert und durcheinander gebracht werden. So können beispielsweise die sieben Zwerge bei Dornröschen das Rotkäppchen treffen und mit ihm zusammen den Wolf besuchen, der sich im Uhrenkasten der Geißlein versteckt hat. Auch Comicfiguren oder Helden aus bekannten Kinderbüchern oder Fernsehsendungen können in einer solchen Geschichte mitspielen. So hilft Balu der Bär dem Rotkäppchen, für die sieben Zwerge ein leckeres Essen zu kochen … der Fantasie sind hierbei keine Grenzen gesetzt! Haben die Kinder Spaß daran und bringen bei den Verwechslungsgeschichten sogar eigene Ideen mit ein, führt diese Methode zu einer wirksamen Ablenkung vom Behandlungsgeschehen und zu Trancezuständen.
Cave: Kleine Kinder brauchen Rituale und Struktur
Kleine Kinder haben allerdings oft noch ein großes Bedürfnis nach Konstanz und Beständigkeit, sie wollen immer die gleichen Geschichten hören,
das vermittelt ihnen eine gewisse Sicherheit und Geborgenheit (7 Abschn. 2.3.4). Wird das vom Behandlungsteam nicht beachtet, entstehen bei den kleinen Patienten schnell Ängste und es kommt zum Rapportverlust. Man sollte deshalb ganz genau auf die Reaktion der kleineren Kinder achten und die Verwechslungen der bekannten Märchen nicht zu sehr übertreiben. Jüngere Kinder müssen immer noch eine ganz klare und bekannte Struktur in den Geschichten erkennen, um Konstanz zu erfahren. Sie können die beabsichtigten Konfusionen beim Märchen verändern oft noch nicht verstehen und sind dann ernsthaft bemüht, uns aufzuklären und alles richtigzustellen. Darauf muss entsprechend Rücksicht genommen und den Kindern bestätigt werden, dass sie gut aufgepasst haben und super gut Bescheid wissen (Yes-Set). Es wird ihnen erklärt, dass wir ja schon älter und vergesslich sind und uns deshalb die Märchen nicht so genau merken konnten. Gleichzeitig werden sie gelobt dafür, dass sie die Märchen so gut kennen, und gebeten, weiterhin gut aufzupassen, ob alles richtig erzählt wird.
Spezielle Trancemöglichkeiten im Kindergartenalter Neben den bereits beschriebenen Tranceinduktionen, insbesondere dem Luftballonflug in den Zauberwald als Basisinduktion (7 Abschn. 5.4.2), können die folgenden Geschichten und Imaginationen als abwechslungsreiche Variationen für eine individuelle Tranceführung eingesetzt werden. In der Altersgruppe der Kindergartenkinder werden die Trancegeschichten mit ganz konkreten Inhalten erzählt. Je kleiner die Kinder noch sind, umso genauer und konkreter muss ihnen erzählt werden, was sie sich vorstellen sollen. Dabei werden immer wieder nach VAKOG alle Sinneskanäle angesprochen. Wie bereits erwähnt wollen kleinere Kinder immer die gleichen Geschichten hören, das gibt ihnen Struktur und Sicherheit. Bei größeren Kindern können nach und nach neue Aspekte hinzukommen. Sie werden oft selbst ganz aktiv in das Erfinden von individuellen Trancegeschichten mit einbezogen und können selbstverständlich immer auch Fingerpuppen, Zauberstäbe oder die Zaubermöwen im Wechsel helfen lassen, wobei der Inhalt der Geschichte ebenfalls plötzlich wechseln kann.
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5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
In der Literatur zur zahnärztlichen Kinderhypnose werden viele verschiedene Möglichkeiten zur Tranceinduktion sowie Trancegeschichten und Metaphern für das Kindergarten- und Grundschulalter beschrieben, beispielsweise bei Behneke und Schoderböck (2002), Kant (2007), Olness und Kohen (2001), A. Schmierer (2002 b), Schmierer und Schütz (2007), Schütz und Freigang (2002, 2008), Schoderböck (2008, 2009 a), Stein (2009) u. v. a. Für die zahlreichen Anregungen sei an dieser Stelle allen Kinderhypnosespezialisten herzlich gedankt. In den folgenden Beispielen werden diese Möglichkeiten zur Tranceinduktion frei wiedergegeben, ohne dass dabei in jedem Falle noch einmal auf den konkreten Ursprungstext hingewiesen wird. Beispiel – Der fliegende Zauberteppich »Stell Dir vor, Du hast einen fliegenden Teppich, wie im Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Auf diesem Teppich kannst Du es Dir ganz gemütlich machen. Er fühlt sich ganz flauschig weich an und leuchtet in vielen bunten Farben – welche Farben sind das denn? Du kannst Dich in den weichen Teppichboden hineinsinken lassen und fühlst Dich sofort wohl und rundum beschützt. Es duftet nach Blüten und Früchten, und wenn Du genau hinhörst, singt der Teppich auch Dein Lieblingslied oder spielt Musik, die Du gern hörst. Es ist ein richtiger Zauberteppich, und Du kannst mit ihm hoch in die Luft fliegen und eine wunderschöne Traumreise machen. Wohin soll denn die Reise gehen? Willst Du auch ein Tier mit auf die Reise nehmen – was ist denn Dein Lieblingstier?« Eine Fingerpuppe wird auf den Finger gesetzt. »Wenn Ihr bereit seid, kann der Zauberteppich sich jetzt langsam in die Luft erheben.« Die Hand des Kindes mit der Fingerpuppe wird hochgehoben. »In der Luft rauscht der Wind« – Sauger anschalten – »und manchmal fliegt der Teppich auch durch eine Regenwolke.« Zahn duschen.
Beispiel – Vogelschwingeninduktion »Tu einfach so, als ob Deine Hand der Flügel eines großen Vogels wäre. Vielleicht bist Du ein Adler oder ein Klapperstorch? Oder Peter Pan? Während Du die Hand auf- und abbewegst, kannst Du sehen, wie unter Dir die kleinen Bäume und Häuser vorbeiziehen, auch Seen, Flüsse und Wälder und sogar das große Meer mit den hohen Wellen und dem schönen Sandstrand. Vielleicht siehst Du auch den bunten Zauberwald mit dem Zaubersee unter Dir?«
Beispiel – Teddybär (Puppe) schlafen schicken »Stell Dir vor, Du bringst Deinen Teddy (Deine Puppe) ins Bettchen. Halt ihn ganz bequem im Arm, wie er es gern hat. Vielleicht möchte er, dass du ihm noch ein Schlaflied singst? Bestimmt mag er es, wenn Du ihn zärtlich streichelst – seine Arme, Beine und auch das Bäuchlein. Alles fühlt sich behaglich und angenehm an. Angenehm und schläfrig, so richtig dösig. Wenn Du ihn noch ein bisschen schaukelst, ist er bestimmt gleich eingeschlafen.«
Beispiel – Schlenkerpuppe Zur Muskelentspannung kann das Kind so tun, als wäre es eine ganz schlappe Puppe, die sich überall weich und locker anfühlt. Wenn die Arme nach oben gehoben werden, fallen sie weich und schlapp wieder herunter, und auch die Beine fühlen sich an wie aus Gummi. Diese Übung wird so lange durchgeführt, bis der ganze Körper sich schlapp, locker, matt und ganz angenehm weich anfühlt.
Beispiel – Springender Ball »Stell‘ Dir vor, Du hast einen ganz großen Flummiball und kannst überall hinspringen. Schau Dir an, welche Farbe Dein Ball hat, und ob er gestreift ist oder Tupfen hat oder ein anderes Muster. Du kannst fühlen, wie schön es ist, ganz hoch und ganz weit zu springen. Du kannst springen, wohin Du willst. Hörst Du, wie es klingt, wenn der Ball auf die Erde auftrifft – und wie der Wind rauscht, wenn er wieder durch die Luft fliegt? Wenn Du gern schwimmst, kannst Du auch in das Wasser eines Sees hüpfen und Dich mit Deinem großen Flummiball treiben lassen – und wenn Dich etwas stört, kannst Du es einfach abtropfen lassen. Du kannst am großen Meer am Strand entlang hüpfen und
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
durch den weichen Sand rollen. Springe so lange, bis Du einen schönen Ort gefunden hast, an dem Du Dich wohlfühlst und ausruhen möchtest.«
Beispiel – Das imaginäre Zeichnen
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Die meisten Kinder malen gern, und sie können sich auch ein schönes buntes Bild in ihrer Fantasie gut vorstellen. Zum imaginären Zeichnen wird ein Finger als Pinsel benutzt, der hochgehalten wird (Armkatalepsie) und ein schönes buntes Bild in die Luft malt: »Stell Dir vor, Dein Zeigefinger ist ein Pinsel, mit dem Du ein ganz tolles Bild malen kannst. Nimm Dir die schönsten Farben aus dem Regenbogen und mal alles ganz bunt. Was wollen wir denn malen? Vielleicht die bunten Tiere aus dem Zauberwald? Später erzählst Du uns, welche Tiere auf Deinem Bild zu sehen sind.« Variation Ostereier anmalen: »Mal mit Deinem Pinsel ein großes Osterei an – schön bunt mit Tupfen, Strichen, Kreisen – in allen Farben. Welche Farben möchtest Du denn verwenden?« Während die Zähne behandelt werden, streicht, tupft oder kreist das Kind je nach Suggestion mit seinem Zeigefingerpinsel aktiv imaginäre Figuren in die Luft, ist ganz auf sein Bild oder Osterei fokussiert und damit von der Behandlung dissoziiert.
Beispiel – Krokodile bei der Zahnputzstunde »Damit Du jetzt den Mund weit aufhalten kannst, besuchen wir die Krokodile im Zauberwald, die sich von den Zahnputzvögeln die Zähne sauber machen lassen. Stell Dir vor, Du bist ein großes Krokodil, und die Zahnteufelangel ist der kleine Zahnputzvogel. Die Krokodile liegen auf der Zahnputzwiese nebeneinander, und sie machen ihr Maul ganz weit auf. Jedes Krokodil hat einen eigenen Zahnputzvogel, der ihm die Zähne schön sauber pickt. Dabei ist der Zahnputzvogel ganz eifrig, denn er möchte viele Krokodilzahnteufel herauspicken, die bringt er als Leckerbissen zu seinen kleinen Vogelbabys im Zahnputzvogelnest. Das Krokodil ist ganz vorsichtig und hält ganz still, weil es ein tolles Gefühl ist, wenn die Zähne schön sauber werden. Schau mal,
wie schön bunt die Krokodile aussehen, sie glitzern in allen Regenbogenfarben! Und auch die Zahnputzvögel haben ganz bunt schillernde Federn. Manchmal legen sich auch die Nilpferde und andere große Tiere auf die Zahnputzwiese und lassen sich vom Zahnputzervogel die Zahnteufel aus den Zähnen kitzeln, das macht ihnen viel Spaß. Spürst Du das Kitzeln am Zahn? Wenn es dabei ein wenig zwickt, sind das die dicken Zahnteufel, die halten sich manchmal richtig doll mit ihren langen Krallen an Deinem Zahn fest. Dann musst Du ganz besonders tief atmen und Deinen Luftballonbauch ganz, ganz dick aufpusten, damit sie loslassen und sich besser herausangeln lassen. Du kannst mir dann gleich helfen und sie von der Angel wegsaugen!«
Beispiel – Zahnputzvogelbabys im Vogelnest »Stell Dir vor, Du fliegst jetzt hoch über den Bäumen und kannst dir von oben die Vogelnester anschauen. Dort sitzen die kleinen Zahnputzvogelbabys und sperren ihren Schnabel ganz weit auf, weil sie sich schon auf die vielen Leckerbissen freuen. Welche Farben haben denn die Vogelnester? Die Zahnputzvogeleltern kommen ganz oft angeflogen, dann spürst Du den Luftzug von ihren Flügeln. Sie füttern ihre Babys mit Krokodilzahnteufeln, die ihnen sehr gut schmecken. Manchmal sind auch welche vom großen Nilpferd dabei, die sind besonders dick und schmackhaft. Wenn die Vogelbabys groß genug sind, lernen sie wie ihre Eltern, Zahnteufel aus den Tierzähnen herauszupicken.«
Beispiel – Zahnteufel aus den Zähnen angeln »Und hörst Du auch wie die Zahnteufel schreien: Nein, nein, nicht herauspicken, ich will hier bleiben, in den Zähnen gibt es so viel zu tun, die Wohnungen sind noch nicht fertig! Na, das könnte dem Hacki und Dicki so passen – schau Dir mal an wie hässlich die aussehen!« Ein Kariesbröckchen wird dem Kind auf dem Excavator gezeigt. »Schnell, nimm den Schlürfi und hilf mir, diese hässlichen Zahnteufel wegzusaugen!« Das Kind darf den Sauger halten und das Kariesbröckchen wegsaugen.
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5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
»Hörst Du, wie das »plubb« macht? Der war ganz schön dick, den hast Du aber gut gefüttert! Weißt Du eigentlich, was Zahnteufel gern fressen? Die fressen nämlich gern alles, was süß ist, und werden ganz dick und rund, wenn Du sie gut fütterst. Dann können sie sich noch besser in Deinem Zahn festhalten, und die Zahnteufelangel muss ganz doll drücken, damit Hacki und Dicki loslassen. Jetzt kommen noch der Schaukelstuhl und die Cola-Kaumaschine an die Reihe, und dann wird noch die Speisekammer sauber gemacht. Da haben Hacki und Dicki ja wieder viele süße Sachen gebunkert – lauter Bonbon- und Schokoladenstückchen und Kekskrümel! Vielleicht solltest Du lieber weniger Süßes essen, dann wird es einfacher, die Zahnteufel wegzujagen und ihre Wohnung blitzeblank zu putzen. Wenn alles schön sauber ist, kannst Du fühlen, wie glatt Dein Zahn ist. Wir stopfen die Zahnteufelhöhle gleich mit der bunten Zauberknete zu, Du kannst Dir schon mal die Farbe aussuchen. Schau mal, wie schön die Farben leuchten! Die bunte Zauberknete wird mit dem Blaulicht von der Zahnpolizei so fest und hart gemacht, dass ein richtiger Zauberstein entsteht. Kein Zahnteufel der Welt hat die Kraft, eine solche Zauberfüllung wieder kaputt zu beißen!«
Beispiel – Die rote Maus Die rote Maus kann zaubern. Sie liegt beim Kind auf dem Bauch und zaubert alles ganz kuschelig warm. Ähnlich dem autogenen Training werden nacheinander alle Körperteile angesprochen und durch Wärmesuggestionen entspannt. Die Maus war früher ganz ängstlich, saß im Wald und weinte, weil sie rot aussah und nicht so schön braun war wie ihre Artgenossen. Ein Kind (mit Namen des Patienten) findet die traurige Maus im Wald und begleitet sie zum großen Zauberer, da die Maus sich allein nicht dorthin traut. Auf diesem Weg erleben sie lustige Dinge – Wasser spritzt ihnen um die Ohren, als sie einen Fluss überqueren, und sie treten auf dem Weg auch manchmal auf spitze Steine. Beim Zauberer angekommen, ist dieser ganz winzig klein und hat eine ganz piepsige Stimme – da hätte die Maus sich gar nicht solche Sorgen zu machen brauchen! Der Zau-
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berer bäckt einen leckeren Kuchen, mit einer Backform, in die er den Teig ganz fest hineindrückt. Dabei wird bis 10 gezählt, und die Maus zaubert, dass die Zeit schneller vergeht. Sie wird dabei von dem Kind an den Ohren gestreichelt, das für seine gute Mitarbeit ausgiebig gelobt wird – und schon ist die Füllung fertig!
Beispiel – Vergnügungspark Bei Kindern, die sehr unruhig sind und sich nicht gut entspannen können, hat sich zur Tranceinduktion die Vorstellung von einem Besuch im Vergnügungspark bewährt. Hier können sie je nach Behandlungssituation auf einer Wasserrutsche, einem Karussell, auf der Achterbahn, der Geisterbahn oder im Autoskooter gedanklich ihrem Bewegungsdrang nachgehen und sind dadurch besser in der Lage, während der Zahnbehandlung stillzuhalten.
Spezielle Trancemöglichkeiten im Grundschulalter Die Suggestionen sollten bei Grundschulkindern immer noch recht konkret sein, doch in diesem Alter machen sich die Kinder bereits mehr und mehr ihre eigenen Vorstellungen zu dem, was ihnen angeboten wird. Deshalb sind häufige Rückfragen während der Hypnosebehandlung sinnvoll, denn die kleinen Patienten erzählen zwischendurch gern, was sie sich vorstellen. Am Ende sollte man ihnen noch genügend Zeit lassen, über ihre Traumreise zu berichten. Die vorhergehenden Vorschläge für Trancegeschichten aus dem Kindergartenalter können bei Grundschulkindern natürlich auch noch verwendet werden, insbesondere die Luftballonreise. Wenn Kinder in diesem Alter bereits Erfahrungen mit der Hypnoseanwendung bei der Zahnbehandlung haben, pusten sie oft ganz von selbst ihren Luftballon in den Bauch und heben den Arm hoch, sobald der Behandlungsstuhl in die Liegeposition gebracht wird (Armlevitation, 7 Abschn. 5.4.4). Die folgenden Beispiele werden wiederum nach Anregungen aus Seminaren oder Publikationen über zahnärztliche Kinderhypnose (s. oben) frei wiedergegeben.
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Beispiel – Smiley-Hand
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Dieses Vorgehen ist vor allem beim Erstkontakt zum Rapportaufbau angezeigt. Das Kind soll die Augen schließen und in seine Handfläche wird ein kleines lachendes Gesicht gemalt. Die Neugierde des Kindes wird angeregt, es soll fühlen und raten, was in seiner Hand passiert. Dann wird die Hand gehoben, das Kind soll langsam Hand und Augen öffnen und blickt in das lachende Gesicht. Es lächelt selbst spontan mit, und dieses Lächeln soll das Kind positiv auf die Zahnbehandlung einstimmen.
Beispiel – Der Zauberhandschuh Der Behandler nimmt die Hand des Patienten, hebt sie leicht an und gibt mit geheimnisvoller Stimme die Suggestion, dass Finger für Finger ein imaginärer Zauberhandschuh über die Hand gestreift wird, der die Hand ganz kalt, taub, steif und unempfindlich macht, so als ob die ganze Hand eingeschlafen sei (Hypnoanalgesie der Hand). Der Handschuh kann in der Lieblingsfarbe des Kindes leuchten, und die Kälte und Unempfindlichkeit kann das Kind auf das Kiefergebiet übertragen, in dem behandelt werden soll (Handschuhanästhesie, 7 Abschn. 5.4.4).
Beispiel – Tranceinduktion mit der Zaubermöwe (7 Online-Videomaterial, Kap. 3 – Beispiel Thorsten, 7 Jahre alt) Ein Balancevogel (Möwe . Abb. 5.10 u. 5.13, 7 Abschn. 5.4.2) wird mit dem Schnabel auf die Fingerkuppe des Kindes gesetzt. Wenn der Arm mit der Möwe nach oben gehoben wird, schwebt sie auf dem Finger mit in die Luft (7 Abschn. 8.4.2). Diese verblüffende Zauberwirkung wird dem Kind damit erklärt, dass es Zauberkräfte hat – denn die Zaubermöwe fliegt nur bei Kindern auf dem Finger, die einen Zauberfinger haben. Mit der Möwe kann man überall hinfliegen, insbesondere natürlich ans Meer und an einen schönen Sonnenstrand, um dort viele Abenteuer zu erleben. Der frische Wind am Meer (Luftpuster) und das Rauschen der Brandung (Sauger) können ebenso wie das Spritzen der Wellen (Dusche) in die Behandlung einbezogen werden. Auf diese Weise kann die Zaubermöwe gut
für die Induktion einer Kinderhypnose genutzt werden. Selbst bei Erwachsenen wird über eine erfolgreiche Hypnosebehandlung bei starkem Würgereiz durch Konfusion mit der Zaubermöwe berichtet (Kühn u. Kühn 2004).
Beispiel – Krafttier-Induktion Hierbei wird ein imaginäres Tier, das ganz groß und stark ist, von allen Seiten betrachtet. Es gibt dem Kind Kraft und Mut und kann ganz schnell laufen – besonders in etwas brenzligen Situationen: »Nimm bitte den linken Arm hoch! Stell Dir eine Wolke vor, aus der ein Tier auftaucht. Denk an dieses Tier, es ist groß und stark und gibt Dir Kraft und Mut. Schau es genau an – von allen Seiten. Dein Arm kann uns zeigen, in welche Richtung das Tier sich bewegt – rechts, links, nach oben, im Kreis … lass es ganz schnell laufen – vorwärts und rückwärts. Jetzt lass es im Kreis laufen, dann nach oben schweben und schau es von unten an. Schau mal nach rechts, da läuft noch ein anderes ganz starkes Tier. Lass die beiden Tiere um die Wette laufen!« Die Krafttier-Induktion kann auch bei Erwachsenen erfolgreich angewendet werden, wenn ausreichender Rapport vorhanden ist (Behneke 2003 b). Variation Tiere erraten »Du darfst uns nicht gleich erzählen, an welche Tiere Du denkst. Wir wollen die Tiere erraten: Fängt ein Tier mit H an und dann U? Vielleicht mit T und dann I? Oder mit E und dann L?«
Beispiel – Muscheln, Zaubersteine und Glaskugeln Größere Kinder im Schulalter sind nicht mehr so sehr an kleinen Zugabeartikeln aus der Belohnungsbox interessiert, aber Halbedelsteine, besonders schöne Kieselsteine oder auch Muscheln und bunte Glaskugeln werden als Belohnung begeistert angenommen. Damit kann auch eine Tranceinduktion erfolgen, indem sich das Kind die »Belohnung« schon vor der Behandlung aussucht, das Objekt auf seiner ausgestreckten Hand hält und die Farben genau betrachtet, die Oberfläche fühlt und sich vorstellt, wo die Muschel, die Glaskugel oder der Stein herkommen und was sie wohl erlebt haben könnten. Diese Geschichte wird zur Trancein-
5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
duktion mit allen Sinnen (VAKOG, 7 Abschn. 1.2.3) imaginiert und je nach Behandlungssituation abgewandelt. So kommt Wasser ebenso wie Sturm und Hagel, Feuer beim Glasschmelzen oder unruhiges Rumpeln beim Transport auf holprigen Straßen darin vor. Zur Belohnung darf das Kind nach der Behandlung noch zaubern – in einer magischen Box kann der Stein, die Glaskugel oder die Muschel verschwinden und wieder hergezaubert werden (7 Abschn. 8.4.5 sowie 7 Online-Videomaterial, Kap. 7, Beispiel – Lucas, 7 Jahre alt). Variation Grabbelsack: Kleine Halbedelsteine und Muscheln oder Glaskugeln werden in ein Grabbelsäckchen gefüllt, in das während der Zahnbehandlung eine Hand des Kindes hineingesteckt wird. Nun fühlt das Kind, welches Objekt es nach der Behandlung am liebsten mitnehmen würde. Das darf es später auch aus dem Säckchen herausholen und wie oben beschrieben betrachten.
Beispiel – Reise an den Lieblingsort »Stell Dir vor, Du fliegst jetzt an einen wunderschönen Ort, an dem es Dir so richtig gut gefällt. Womit möchtest Du denn fliegen?« Dem Kind werden Vorschläge gemacht: Ballon, fliegender Teppich, Flugzeug, Rakete etc. »Wenn Du an Deinem Ort angekommen bist, schau Dich dort genau um, was siehst Du denn da? Schau Dir alles ganz genau an, Du kannst den Ort in Deiner Fantasie auch noch verändern, damit er Dir noch besser gefällt. Und hörst Du auch Geräusche, vielleicht Vogelzwitschern oder Sturmbrausen und Wellenrauschen? Oder hörst Du schöne Musik? Das fühlt sich ganz toll an, wenn man an einem so schönen Ort ist, stimmt’s? Du kannst es Dir hier richtig gemütlich machen und Dir gut gehen lassen. Vielleicht gibt es hier auch eine große Eisdiele, in der Du Dein Lieblingseis lecken kannst – schmeckt es Dir gut? Fühl mal in Deinem Mund, ob das Eis schon alles kalt und taub und unempfindlich gemacht hat!«
Beispiel – Die Lieblingsbeschäftigung Die Fantasievorstellungen von einer Lieblingsbeschäftigung schaffen dem Kind eine Situation, die angenehmer ist als die wirkliche Behandlungssitua-
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tion. Hierbei wird die Fähigkeit des Kindes genutzt, sich von seinen inneren Bildern absorbieren zu lassen (Holtz u. Mrochen 2005) Die folgenden Beispiele sind für Kinder im Grundschulalter geeignet, aber auch Kindergartenkinder können sich gut vorstellen, ihre Lieblingsbeschäftigung in Gedanken auszuüben. Die Suggestionen sollten dann dem Alter entsprechend konkreter und anschaulicher sein (7 Online-Videomaterial, Kap. 4, Beispiel – Sahra, 4 Jahre alt – Mit tausend Barbiepuppen spielen). Variation – Fußball spielen »Stell Dir vor, Du fliegst mit Deinem Luftballon über die große Schalke Arena (oder den Fußballplatz Deines Lieblingsvereins) und schaust Dir ein ganz spannendes Spiel an. Wie fühlt sich das an? Wie sieht das denn aus, wenn man so von oben ein Fußballspiel beobachtet? Kannst Du die Trikotfarben erkennen? Wer ist denn die Gegenmannschaft? Hörst Du, wie die Zuschauer jubeln, wenn ein Tor fällt? Und sie haben auch so laute Tröten oder singen immer die Fußballhymne, kannst Du das hören? Welcher Spieler wärst Du denn am liebsten, wenn Du jetzt mitspielen könntest? Tu mal so, als ob Du jetzt der Spieler X wärst und stell Dir vor, Du spielst in Deiner Lieblingsmannschaft mit. Du schießt (oder hältst) jetzt ein Tor nach dem anderen, und alle jubeln Dir zu. Das ist ein tolles Gefühl! Du musst bestimmt ganz schnell rennen, um immer wieder an den Ball zu kommen – los, renn noch schneller, damit Du wieder ein Tor schießen kannst! Du hast bestimmt auch ein Trikot an und siehst wie ein richtiger Spieler aus dem Verein aus, welche Farben hat denn das Trikot? Nach dem Spiel gibt es Dein Lieblingseis zur Erfrischung – hmmm, das schmeckt lecker, hast Du den Geschmack schon auf der Zunge? Das macht den Mund ganz kalt und taub und unempfindlich, da können die Zahnteufel gut rausgeangelt werden!« Variation – Reiten »Stell Dir vor, Du bist jetzt im Reitstall und sattelst Dein Pferd – wie heißt es denn? Das ist ja ein ganz kräftiges und schnelles Pferd, es freut sich schon auf den Ausritt mit Dir. Hörst Du wie es vor Freude wiehert und schon ungeduldig mit den Hufen scharrt? Jetzt gib ihm doch erst einmal einen Apfel oder eine Möhre, das schmeckt ihm doch im-
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
mer so gut! Und im Stall riecht es nach Stroh und Pferdemist – für einen Reiter ist das ein ganz angenehmer Geruch, stimmt’s? Nun steig mal auf das Pferd und setz Dich in den Sattel – das fühlt sich ganz toll an, und wenn Du mit Deinem Pferd jetzt im Galopp durch die Wiesen und Felder reitest, hältst Du Dich ganz gut fest! Denn manchmal springt das Pferd auch über einen Graben oder einen umgefallenen Baumstamm, toll, wie gut Du das machst! Jetzt schau Dich um, wo Dein Pferd hinreitet, bestimmt ist es eine wunderschöne Gegend. Sind denn auch Deine Freundinnen mit ihren Pferden dabei? Du kannst jetzt noch ganz lange mit Deinem Pferd reiten, bis Deine Zähne sauber sind. Bleib in Gedanken immer bei dem tollen Gefühl, so hoch oben auf dem Rücken Deines Pferdes zu sitzen und durch die Gegend zu reiten. Hör dabei Dein Pferd schnaufen und vor Freude wiehern und riech den Pferdeduft – und lass es Dir so richtig gut gehen!« Variation – Lieblingsbeschäftigung erraten Das Kind stellt sich seine Lieblingsbeschäftigung vor, verrät aber noch nicht, was es ist. Dabei wird die Wahrnehmung wieder auf alle Sinneskanäle gerichtet – das Kind fühlt, schaut, hört, schmeckt und riecht alles, was bei seiner Lieblingsbeschäftigung vorkommt. Der Arm des Kindes wird nach oben gehalten, und das Behandlungsteam zählt Dinge auf, die man für diese Lieblingstätigkeit einpacken könnte (Koffer packen). Das Kind hält seinen Daumen nach oben oder unten, je nachdem ob richtig oder falsch geraten wurde. Am Ende der Behandlung hat das Team entweder die Beschäftigung erraten oder das Kind lüftet das Geheimnis.
Beispiel – Das Daumenkino (7 Online-Videomaterial, Kap. 2, Beispiel – Lukas, 7 Jahre alt – Daumenkino bei der Prophylaxe) Bei etwas größeren Kindern findet das »Daumenkino« begeisterte Anhänger. Sie heben die Hand und fixieren mit dem Blick ihren Daumennagel, den sie sich als kleinen Fernsehapparat oder kleines Kino vorstellen sollen (Wikström 1981; Schmierer 1993). Nun wird über Kopfhörer oder auch vom Behandler selbst eine Geschichte erzählt, und den Kindern wird suggeriert, dass sie alles,
was sie hören, in diesem kleinen Daumenfernseher auch sehen können. Mit der Suggestion »… und wenn Du das, was Du hörst, in Deinem Daumenkino siehst, verspürst Du am Zahn nur ein Kitzeln« erreicht man neben der Ablenkung von der Behandlung auch eine Reduzierung der Schmerzwahrnehmung. Man kann dabei sehr individuelle, dem Alter entsprechende CDs und Kassetten verwenden, meistens bringen die Kinder sich ihre Lieblingsgeschichten selbst mit. Während der Behandlung ist der Daumen oft bei hochgestrecktem Arm gar nicht mehr im Blickfeld des Kindes – trotzdem nickt es bei der Rückfrage, ob der Film im Daumenkino noch läuft. Offensichtlich sehen die Kinder diesen Film dann vor ihren inneren Augen, während der erhobene kataleptische Arm dem Behandlungsteam als Trancezeichen dient (7 Abschn. 5.4.1).
Beispiel – Film- und Fernsehfantasie »Stell Dir vor, Du siehst im Kino Deinen Lieblingsfilm oder im Fernsehen Deine Lieblingssendung. Du kannst die Lautstärke mit einer Fernbedienung selbst steuern, die Farben verändern und auch die Handlung beeinflussen. Du selbst kannst die Hauptperson in diesem Film/dieser Sendung sein, das fühlt sich toll an! Nun kannst Du Dir vorstellen, was Du alles erlebst, und Dir alles anschauen, hören, fühlen, riechen und schmecken!«
Beispiel – Farbtrancen Mit Farben kann in den verschiedenen Altersgruppen sehr unterschiedlich gearbeitet werden. Kleinere Kinder haben zwar oft eine Lieblingsfarbe, sie können diese aber noch nicht von allein mit der Vorstellung eines Gegenstandes in dieser Farbe verbinden – das muss ihnen konkret vorgegeben werden. Vom Grundschulalter an sind die Kinder im Allgemeinen sehr gut mit der Vorstellung von Farben und bunten Gegenständen in Trance zu führen. Variation – Regenbogengeschichten Die meisten Kinder können sich sehr gut vorstellen, über eine große Regenbogenbrücke in den Zauberwald zu spazieren oder die bunten Farben des Regenbogens als Treppe in die magische bunte Zauberwelt zu benutzen. Jede Stufe hat eine ande-
5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
re Farbe, und die tiefste Stufe besteht aus einem wunderschönen Violett, wie der Abendhimmel, wenn die Sonne gerade untergegangen ist. Für Kinder, die sich vor der Dunkelheit fürchten, sollte die tiefste Stufe bei der Regenbogentrance besser aus der Lieblingsfarbe des Kindes bestehen. Die verschiedenen Farben des Regenbogens lassen sich auch im Körper des Kindes ausbreiten, werden mit unterschiedlichen Assoziationen wie Bildern oder Tönen und Klängen verbunden und erzeugen so angenehme Gefühle und eine wirksame Entspannung. Variation – Farbimagination »Stell Dir eine Farbe vor – welche Farbe siehst Du? Jetzt schau links daneben, welche Farbe kannst Du dort sehen? Und rechts? Und oben darüber? Und darunter? Und wenn Du die erste Farbe ganz genau anschaust, welche Farbe siehst Du dahinter?« Variation – Der bunte Blumenstrauß »Stell Dir vor, Du bist in einem wunderschönen Garten, in dem viele bunte Blumen wachsen. Schau Dir die schönen bunten Farben an, fühl die weichen Blütenblätter und riech den Duft der Blüten. Die Vögel zwitschern hier besonders schön und Du kannst ihrem Gesang zuhören. Du darfst in diesem Garten einen ganz großen Strauß Blumen pflücken und ihn mit nach Hause nehmen. Stell Dir vor, wie Deine Mama sich freut, wenn Du ihr den schönen Blumenstrauß überreichst!«
Beispiel – Sternentrance »Tu mal so, als ob Du nach den Sternen greifst (die Hand des Kindes geht nach oben). Schau, wie die Sterne leuchten und funkeln (die Turbine wird eingeschaltet) und hör genau hin – eine Rakete, oder eher ein Düsenflieger oder ein Propellerflugzeug? Fühl mal genau hin – warmer Regen, weicher Wind (Wasser, Luftpuster). Und schau Dir noch einmal alles genau an – Die Sonne … eine kleine Wolke … ein Regenbogen … der Mond … und die Sterne …. Such Dir den schönsten Stern aus. Du darfst ihn mit nach Hause nehmen. Es ist ein Zauberstern: Keiner außer Dir kann ihn sehen!«
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Beispiel – Induktion mit Zahlen Zahlen können sehr vielfältig zur Tranceinduktion eingesetzt werden. Eine Zahleninduktion kann insbesondere bei Patienten Trance erzeugen, die gern rechnen oder sich vorwiegend mit Zahlen beschäftigen. Der Patient zählt entweder bis 1000 und nickt immer nach 10 Zahlen leicht mit dem Kopf. Das Zählen kann auch mit der Armkatalepsie verbunden werden, indem der Arm des Kindes angehoben und absolute Steifheit des Armes sowie Schmerzfreiheit suggeriert werden, wenn das Kind in Gedanken ganz schnell zählt. Der kleine Patient kann sich aber auch die Zahlen nach VAKOG mit allen Sinnen vorstellen: Wie sie aussehen (Farbe, Form), sich anfühlen, riechen, schmecken und welcher Ton und welches Lied zu ihnen passt. Variation – Fingerstreckinduktion Der Arm des Patienten wird nach vorn gehalten und seine Finger werden nummeriert. Auf Kommando sagt der Behandler (ohne zu überlegen) Zahlen auf, und das Kind streckt nun jeweils die Finger vor, die diesen Zahlen entsprechen. Die Helferin kontrolliert und gibt Rückmeldung. Bei Grundschulkindern, die bereits Kopfrechnen gelernt haben, können kleine Rechenaufgaben gestellt werden, deren Ergebnis eine Zahl von 1 bis 10 ergibt. Der jeweilige Finger wird dann nach vorn gestreckt. Zwischendurch wird der Patient gelobt: »Fantastisch, Dein Gehirn funktioniert ja wie ein kleiner Computer!« (Friedrich 2002). Bei kleineren Kindern kann die Fingerstreckinduktion auch ohne Zahlen durchgeführt werden, indem einfach nur die Finger benannt werden, die vorgestreckt werden sollen. Je nach Alter des Kindes wird dabei noch zwischen rechts und links unterschieden.
Induktionsmethoden bei älteren Kindern und Jugendlichen Kinder sind oft schon vom 11. Lebensjahr an in der Lage, ähnlich wie Erwachsene in eine längere und tiefere Trance gehen. Die Suggestionen müssen inhaltlich nicht mehr so konkret und anschaulich sein, da diese jungen Patienten bereits die Fähigkeit zum abstrakten Denken entwickeln (7 Abschn. 2.3.2).
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Die beginnende Pubertät kann einerseits einen Entwicklungsschub und bessere Kooperation oder auch destruktives Verhalten zur Folge haben. Diese Schwankungen im Verhalten sind durch Veränderungen neuronaler Netzwerke bedingt (Ulhaas et al. 2009), und die Jugendlichen sind oft mit sich selbst uneins (7 Abschn. 2.3.11). Wenn es gelingt, die jungen Patienten in ihrem unsteten Verhalten zu akzeptieren und anzunehmen, durch positives Feedback Rapport aufzubauen und ihre gewünschte Eigenständigkeit anzuerkennen, reagieren sie bei der Zahnbehandlung sehr kooperativ. Die Hypnosezahnbehandlung kann durch mitgebrachte Musik gut unterstützt werden, was von vielen Jugendlichen sehr gern angenommen wird.
Punkt- oder Blickfixation (7 Online-Videomaterial, Kap. 5, Beispiel – Hannah, 13 Jahre alt – Extraktion mit Injektion und Hypnose, Punktfixation zur Tranceinduktion; Kap. 6, Beispiel – Saskia, 10 Jahre alt – Daumenlutschen abgewöhnen, Punktfixation zur Tranceinduktion) Die in der Zahnmedizin bevorzugte Tranceinduktionsmethode ist bei Jugendlichen und Erwachsenen die Blickfixation oder auch Punktfixation (7 Abschn. 1.2.1), die bei Kossak (2004) und Holtz und Mrochen (2005) ausführlich beschrieben ist. Die Patienten werden vorab nach einem schönen Erlebnis, ihrem »Wohlfühlort« oder ihrer Lieblingsbeschäftigung gefragt, die sie sich während der Hypnosezahnbehandlung mit allen Sinnen vorstellen sollen. Die Induktion mit Blickfixation erfolgt vorzugsweise mit dem Zahnarztspiegel oder dem Zeigefinger des Therapeuten, der über den Kopf des Patienten so gehalten wird, dass dessen Augen nach oben zur Stirn gerichtet sein müssen, um den Spiegel/Finger zu fixieren. Man kann auch eine kleine Taschenlampe oder einen Stift verwenden, oder den Patienten nur auf einen Punkt an der Decke schauen lassen. Während die Augen des Patienten auf das Objekt fixiert sind, werden sie vom Behandler genau beobachtet. Beim ersten Blinzeln werden Suggestionen von Müdigkeit und Brennen der Augen gegeben (Pacing). Ein »Verschwimmen« des Punktes wird suggeriert sowie eine Veränderung seiner Farbe und Form, was vom Patienten auch tatsächlich wahrgenommen wird, wenn er unentwegt auf einen Punkt schaut. Diese
Suggestionen erleichtern den späteren Lidschluss. Mit den Worten »Und wenn der Spiegel (der Finger, die Lampe, der Stift) Deine Stirn berührt, kannst Du die Augen schließen und in eine angenehme Trance gehen«, bewegt der Behandler das Objekt langsam auf die Stirn des Patienten zu. Der Lidschluss erfolgt in dem Moment, in dem der Spiegel/Finger die Stirn des Patienten berührt. Dabei kann eine sanfte Akupressur am Akupunkturpunkt »In Tang« zwischen den Augenbrauen (7 Abschn. 7.3), dem eine entspannende und beruhigende Wirkung zugesprochen wird, die Hypnoseeinleitung unterstützen. Weitere Suggestionen zur Trancevertiefung und solche, die sich auf die Lieblingsbeschäftigung oder den Wohlfühlort beziehen, schließen sich an und geleiten den Patienten während der Zahnbehandlung durch die Trance.
Turboinduktion Eine Variation der Punktfixation ist die Turboinduktion (Stöcker 2010). Dabei werden nach dem Lidschluss mit einer Taschenlampe beide Augen im Wechsel beleuchtet und mit der Suggestion »und bei jedem Wechsel von Licht und Schatten von rechts nach links gehst Du tiefer und tiefer in Trance« eine Trancevertiefung angestrebt. Zur Vertiefung wird anschließend der Kopf des Patienten umfasst und unter zwischengeschalteten Suggestionen wie »tiefer und tiefer, immer tiefer …« von 1 bis 10 gezählt. Die weitere Vorgehensweise entstammt einer »Rapid induction technique« aus den USA (Schmierer u. Schütz 2007), sie wird häufig mit der Turboinduktion nach Stöcker verknüpft. Dabei wird der Arm des Patienten plötzlich nach oben genommen und durch Suggestionen von Taubheit, Unempfindlichkeit sowie Steifheit eine Analgesie und Katalepsie erzeugt. Er kann nun während der gesamten Behandlung zur Übertragung des tauben Gefühls auf den Kiefer sowie als Trancezeichen gerade nach oben gestreckt bleiben oder sich infolge entsprechender Suggestionen zur Trancevertiefung später wieder langsam senken. Die Hand wird dann locker auf dem Oberschenkel abgelegt, wobei diese Berührung mit einer Suggestion tiefster Entspannung verknüpft wird.
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5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
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Die Finger berühren sich
Metaphern
Alle Finger bis auf die beiden Zeigefinger werden ineinander verschränkt. Die Zeigefinger stehen sich gestreckt gegenüber und bewegen sich langsam aufeinander zu. Sobald sich die Finger berühren, schließt der Patient die Augen, atmet tief durch und geht an seinen bevorzugten sicheren Ort (Holtz u. Mrochen 2005). Bei einem anderen Vorgehen schließt der Patient die Augen und hält mit gespreizten Fingern einen imaginären Ball zwischen seinen Händen. Er wird aufgefordert, den Ball langsam zusammenzudrücken, und wenn sich die Finger berühren, in eine tiefe Trance zu gehen. Diese Techniken können als Anker zur Einleitung einer Selbsthypnose vermittelt und geübt werden.
Auch das Verwenden von Metaphern (Kossak 1989; Schmierer 2002; Schütz u. Freigang 2002) ist in der Altersgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zur Tranceeinleitung sehr wirksam.
Die universelle Hypnoseformel Von Schoderböck (2009 a) wird als universelle Hypnoseformel folgendes Vorgehen in 3 Phasen beschrieben: 1. »Leihen Sie mir Ihren Arm« – der Arm des Patienten wird in einem Winkel von 90° zum Körper aufgestellt. 2. »Schließen Sie die Augen« – der Patient kann sich entspannen und nach innen orientieren. 3. »Und erinnern Sie sich an …« – hier sind die Möglichkeiten unendlich. Beispielsweise kann zuerst eine Farbe und dann ein dazu passender Gegenstand erinnert werden, der vom Patienten genau beschrieben wird – Farbe, Form, Beschaffenheit der Oberfläche, Geruch, Geschmack, wo befindet sich der Gegenstand … Je mehr Details erfragt und je genauer der Gegenstand beschrieben wird, umso deutlicher sieht der Patient ihn vor seinem inneren Auge. Nun kann der Gegenstand bewegt und verändert werden, passend zu jeder Behandlungssituation. Beispielsweise wird er bei der Injektion weggedrückt und bei der Extraktion kann an ihm gewackelt und gerüttelt werden – der Fantasie sind hierbei keine Grenzen gesetzt. Mit einem Heilungsritual, ähnlich der Heilmetapher bei der Milchzahnextraktion (7 Abschn. 5.4.5), werden nach der Behandlung alle Spuren, die der Gegenstand hinterlassen hat, beseitigt, verwischt und geheilt.
Beispiel – LKW mit den schönen Erlebnissen Bei dieser Induktion stellt sich der Patient vor, sein Mund sei eine große Garage, in die ein LKW hinein fährt. Dieser LKW ist voll bepackt mit großen bunten Kisten oder Päckchen, und darin befindet sich jeweils eine schöne Erinnerung an ein ganz tolles Erlebnis. Der Patient wird nun aufgefordert, ein Päckchen nach dem anderen in Gedanken auszupacken. Er soll genau schauen, hören und fühlen, was er in der Erinnerung an das tolle Erlebnis empfindet und wahrnimmt. Vielleicht gab es ja auch etwas Leckeres zu essen, das man riechen und auf der Zunge schmecken kann! Alle Sinne werden angesprochen (VAKOG, 7 Abschn. 1.2.3), ohne dabei konkrete Suggestionen zu geben. Nur der Jugendliche selbst weiß, worum es geht, und er kann seine Erinnerung in der Trance nochmals aufleben lassen. Er muss dabei nicht verraten, woran er gedacht hat – das bleibt sein kleines Geheimnis. Sollte sich der Mund während der Behandlung etwas schließen, wird der Patient aufgefordert, das Garagentor weiter zu öffnen, damit mehr Licht in die Garage hereinscheint und der Inhalt der Kisten oder Päckchen besser zu erkennen ist – dabei geht der Mund oft spontan weiter auf. Wenn derartige metaphorische Suggestionen automatisch übertragen und befolgt werden, ist das neben der entspannten Mimik und der tiefen Bauchatmung ebenfalls ein Zeichen, dass der Patient sich in Trance befindet und ausreichend von der Behandlung dissoziiert ist. Nach einer gewissen Zeit erfolgt die Aufforderung, das nächste Päckchen auszupacken, und der jugendliche Patient kann sich wieder vorstellen, dieses Erlebnis – nach VAKOG – zu sehen, zu fühlen, zu hören, zu riechen und zu schmecken.
Ideomotorische Fingersignale Ideomotorische Bewegungen (7 Abschn. 1.6.1) sind ein typisches Zeichen hypnotischer Prozesse; ihre spezifischen Kennzeichen sind ihre Ruckartigkeit
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
und Langsamkeit. Damit lassen sich auch Zwiegespräche mit dem Unbewussten halten, indem man unterschiedliche Finger als »Ja«- und »Nein«-Finger etabliert. So können auch bei der Zahnbehandlung Fingersignale vereinbart werden, die dem Behandler zeigen, ob im Tranceerleben des Patienten noch alles in Ordnung ist. Beispielsweise kann der Zeigefinger als der »Ja«-Finger, der Daumen als der »Nein«-Finger und der kleine Finger als der »Ichweiß-nicht«-Finger gelten. Nun fragt der Behandler während der Hypnosezahnbehandlung den Patienten nach seinem Wohlbefinden oder anderen, für die Behandlung relevanten Dingen, und der Patient antwortet mit seinen Fingersignalen, ohne dass es ihm bewusst wird und ohne dass er aus der Trance herauskommen muss. In der Altersgruppe der Teenager und Jugendlichen sind die Patienten nicht mehr so sprunghaft in ihrem Tranceverhalten wie jüngere Kinder, die spontan aus der Trance herauskommen und wieder hineingehen, sodass man sie zwischenzeitlich immer nach ihrem Befinden fragen kann. Ältere Kinder brauchen stattdessen während der Hypnosezahnbehandlung eine Möglichkeit, sich zu äußern, auch ohne dabei sprechen zu müssen, damit der Behandler jederzeit abfragen kann, ob sie sich wohl fühlen oder ob etwas stört. Dazu sind ideomotorische Fingersignale gut geeignet, die unbewusst gesteuert werden und in jedem Fall das Befinden des Patienten wiedergeben. Somit steht ein einfaches Feedbacksystem zur Verfügung (Schmierer u. Schütz 2007), das dem Therapeuten und auch dem Patienten die Sicherheit gibt, zu jeder Zeit die Kontrolle über die Hypnosezahnbehandlung zu behalten.
Einsatz von Tonträgern Anstelle von individuellen Tranceinduktionen können während einer Zahnbehandlung entsprechende CDs (beispielsweise Schmierer 1995) oder Kassetten verwendet werden. Die Vorteile bestehen darin, dass der Patient diese Tonträger auch zum Einüben von Selbsthypnose zu Hause anwenden und der Zahnarzt bei der Behandlung konzentriert seine zahnärztliche Tätigkeit ausüben kann. Nachteilig ist allerdings, dass keine individuell auf die Behandlung bezogene Tranceführung dabei möglich ist.
Für kleinere Kinder werden Trancemärchen zur Hypnoseinduktion empfohlen (Schmierer G 2008; Schmierer A 1997).
5.4.4
Psychophysiologische Reaktionen
Neben einer Dissoziation von der Zahnbehandlung werden mit entsprechenden Suggestionen auch psychophysiologische Reaktionen wie beispielsweise die Armkatalepsie, eine Verringerung der Schmerzwahrnehmung oder auch die Reduzierung von Blutung und Speichelfluss hervorgerufen (7 Abschn. 1.6.1). Bei Kossak (2004) werden zahlreiche Studien über derartige psychophysiologische Reaktionen beschrieben. Einige für die Zahnbehandlung relevante Phänomene werden anschließend beschrieben.
Armlevitation und -katalepsie als Trancezeichen Eine Armlevitation (7 Abschn. 1.4.5) entsteht oft schon spontan, indem die Hände des kleinen Patienten zu Beginn der Behandlung eine Pfötchenstellung einnehmen. Aus dieser Handhaltung heraus lässt sich leicht eine Armkatalepsie (7 Abschn. 1.6.1) entwickeln, wobei der Arm durch entsprechende Suggestionen regelrecht steif, unempfindlich, kalt und taub werden kann. Bei der Hypnosezahnbehandlung wird häufig bereits während der Induktionsphase ein Arm des Patienten vom Behandler angehoben und später sogar ganz gerade nach oben gestreckt. Die dabei entstehende Armkatalepsie bewirkt, dass der Arm während der gesamten Behandlung erhoben bleibt (7 Abschn. 5.4.1). Dieser kalte und steife Arm ist neben den total entspannten Gesichtszügen und der tiefen Atmung ein Zeichen dafür, dass sich der Patient in Trance befindet – und wenn der Arm sich senkt, sollte eine Pause eingelegt werden. Je tiefer die Trance ist, umso länger sind die Patienten auch in der Lage, ihren Arm nach oben gestreckt zu halten – und umso länger können auch die Behandlungsintervalle sein. Vor- und Grundschulkinder zeigen mit ihrem erhobenen Arm an, wie hoch der Luftballon fliegt – und auch die Möwe, die Fingerpuppen, das
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5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
Krokodil oder der Zauberstab werden hoch in die Luft gehalten.
Die Handschuhanästhesie Um eine sog. Handschuhanästhesie (Kossak 2004; Holtz u. Mrochen 2005) zu erreichen, bekommen die Kinder vor der Behandlung einen imaginären Zauberhandschuh Finger für Finger über die Hand gestreift (7 Abschn. 5.4.3). Durch Suggestionen von Kälte, Steifheit und Taubheit der Hand spürt das Kind alsbald diese Empfindungen, da entsprechende physiologische Reaktionen in seinem Körper ablaufen. Während der Zahnbehandlung überträgt nun das Kind, unterstützt durch kontinuierliche Suggestionen des Behandlungsteams, mental die Kälte und Taubheit auf den Kieferbereich, der anästhesiert werden soll. Damit wird eine Schmerzreduzierung erreicht, und der erhobene Arm ermöglicht wiederum eine Trancekontrolle durch den Behandler.
Reduktion von Speichelfluss und Blutung Suggestionen zur Reduzierung des Speichelflusses oder der Blutung bei Extraktionen sind ebenfalls während der Trancebehandlung sehr wirksam (Kossak 2004; Schmierer u. Schütz 2007). Sie führen bei vielen Patienten zu einer wesentlichen Erleichterung der Zahnbehandlung, da besonders bei Kindern der Speichelfluss oft unermesslich stark ist. Es ist dabei sinnvoll, dem Patienten ziemlich direktiv die Suggestion »Stopp bitte die Blutung« oder »Dreh Deinen Spuckehahn bitte ganz, ganz fest zu« bzw. »Stell bitte den Speichelfluss ab« zu geben, da die hiermit erzeugte Konfusion tranceverstärkend wirkt und umgehend zu den entsprechenden psychophysiologischen Reaktionen führt. Bei Kindern mit sehr starkem Speichelfluss ist das folgende Vorgehen zusammen mit der Akupressur eines den Speichelfluss und Würgereiz reduzierenden Akupunkturpunktes am Kinn (7 Abschn. 7.3) angezeigt: Praxis konkret – Reduktion des Speichelflusses (7 Online-Videomaterial, Kap. 3, Beispiele – Julian, 7 Jahre alt, entwicklungsverzögert, und Maurice, 7 Jahre alt, Füllungsbehandlungen)
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5 Dem kleinen Patienten wird erklärt, dass es viel trockener im Mund wird und die Füllung bzw. Versiegelung viel besser hält, wenn das Kind seinen »Spuckehahn« zudreht. 5 Mit der Suggestion »Dreh die Spucke ab« wird der Arm des Kindes nach oben genommen (Armkatalepsie) und ihm erklärt, dass sich der Spuckehahn über seinem Kopf befindet. 5 Die meisten Kinder drehen einfach ihren Spuckehahn zu, indem sie mit einer Hand diesen imaginären Wasserhahn in der Luft ergreifen und während der Behandlung ständig daran drehen – und schon bald reduziert sich der Speichelfluss. 5 Durch die intensive Suggestion des Behandlungsteams »fester, noch fester zudrehen!« wird die Wirkung noch verstärkt. 5 Wenn der »Spuckehahn« danach vom Kind wieder aufgedreht wird, kommt nicht selten eine regelrechte Fontäne aus der sublingualen Speicheldrüse herausgespritzt, was die Wirksamkeit der entsprechenden Suggestionen deutlich macht. 5 Nach Extraktionen wird die Blutung ebenfalls durch derartige Suggestionen gestoppt.
5.4.5
Schwierige Behandlungssituationen
In unangenehmen und schmerzhaften Situationen wird der Unterschied zwischen Kindern, die mit suggestiven Verfahren und Entspannung vertraut sind, und darin ungeübten kleinen Patienten am ehesten deutlich. Deshalb erleben Kinderärzte und Zahnärzte, die Hypnoseverfahren anwenden, besonders in solchen Situationen diese Möglichkeiten als einen Segen für ihre Arbeit (Holtz u. Mrochen 2005).
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Schmerzreduzierung während der Behandlung Auf das Thema Schmerz – Angst – Stress wird in 7 Abschn. 4.6 ausführlich eingegangen. Insbesondere in schmerzhaften Situationen hat es sich bewährt, einen guten Rapport zum Kind aufgebaut zu haben. Ist das der Fall, wird der kleine Patient bei schmerzhaften Interventionen dankbar jeden Vorschlag des Therapeuten annehmen und ihn auch befolgen.
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Einsatz von Atemtechnik Ist eine sehr unangenehme Situation vorauszusehen (Injektion oder tiefe Karies excavieren), wird dem Kind eine besondere Atemtechnik gezeigt, mit deren Hilfe schmerzhafte Empfindungen verringert werden. Die kleinen Patienten können oft sehr gut ihre Schmerzempfindung auf diese Art und Weise steuern. Praxis konkret – Schmerzreduzierung 5 Das Kind konzentriert sich auf eine tiefe Bauchatmung (Luftballonflug), hält dann die Luft längere Zeit an und pustet auf Kommando des Behandlers unmittelbar bevor der Schmerzreiz (Einstich, Excavieren einer tiefen Karies) gesetzt wird alle Luft auf einmal stoßartig aus dem Bauch (Luftballon) heraus, was mit einem lauten Geräusch verbunden sein kann. 5 Das Ausatmen führt zu einer wirksamen Entspannung und damit Reduzierung der Schmerzwahrnehmung, und das laute Geräusch (Ton singen, seufzen, Sirene imitieren, laut fauchen oder brüllen wie ein gefährliches Tier) zu einer zusätzlichen Konfusion und damit Trancevertiefung. 5 Als Fingerpuppen sind in einer solchen Situation große und starke Tiere gefragt, die auch ganz laut brüllen und fauchen können. Manchmal kommt auch eine Feuerwehr mit lautem Tatü-Tata angefahren und das Kind imitiert die Sirene. Das ist besonders hilfreich, wenn eine tiefe Karies mit dem Handexcavator entfernt werden muss – dann erschrecken die Zahnteufel und rennen ganz schnell weg!
5 Gleichzeitige Suggestionen von besonders schönen Erlebnissen oder auch aktive, schnelle Bewegungen in der Trance (AktivAnästhesie-Hypnose) beeinflussen zusätzlich das Schmerzempfinden (Schmierer u. Schütz 2007). 5 Den Kindern wird suggeriert, dass sie in Trance mit ihren Fingerpuppen um die Wette laufen und die Zahnteufel fangen oder besonders beliebte sportliche Betätigungen ausführen, bei denen sie natürlich immer gewinnen. 5 Wenn der Schmerzreiz im Moment der stärksten Aktivität gesetzt wird, empfindet ihn der Patient durch die intensive Dissoziation von der Behandlung stark vermindert bzw. nicht mehr als Schmerz, sondern allenfalls als Berührungsreiz oder als Zwicken der Zahnteufel.
Seifenblasen Sehr kleine Kinder können durch das pustende Ausatmen beim Seifenblasen üben, ihren Atem zur Entspannung und Schmerzreduzierung einzusetzen. Ein wichtiger Ablenkungseffekt ergibt sich dabei für die Kinder auch, wenn sie die erzeugten leichten, durchsichtigen Kugeln in ihrem Flug verfolgen und sehen, wie sie platzen, um danach immer wieder neue Seifenblasen in die Luft zu pusten (Holtz u. Mrochen 2005).
Schmerz-Schalter-Technik Die kleinen Patienten stellen sich einen imaginären Schalter vor, mit dem sie in der Lage sind, ihre Schmerzleitungen zu unterbrechen (Holtz u. Mrochen 2005). Es kann ein Kipp- oder Drehschalter sein, mit dem sie ihre Schmerzen stufenweise herunterregeln oder ganz abschalten können. Die Farbe des Schalters, seine Größe und Form sowie die glatte oder auch raue Oberfläche können imaginiert werden.
Kinderzahnbetäubung Mit Geschichten und Metaphern kann die Aufmerksamkeit des kleinen Patienten gut von den unangenehmen Begleiterscheinungen der Kinderzahnbetäubung und der anschließenden Kavi-
5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
tätenpräparation oder Extraktion dissoziiert werden – insbesondere wenn die dabei auftretenden Missempfindungen in die Geschichten mit eingebaut werden. Wenn die Suggestionen als Doppelinduktion von beiden Seiten gegeben werden (7 Abschn. 1.2.1 und 5.4.3), verstärkt sich die Trancewirkung.
Infiltrations- und Leitungsanästhesie Bei einer normalen Lokal- oder Leitungsanästhesie wird etwas Oberflächenanästhetikum (Erdbeerpaste) aufgetragen und zu Beginn der Injektion die Wange auf der Behandlungsseite mit 2 Fingern gefasst und leicht gerüttelt. Das Kind soll dabei tief einatmen, die Luft anhalten und im Moment des Einstichs die Luft kräftig und mit einem lauten Ton auspusten (s. oben). So spürt es den Einstich kaum, und das Rütteln bewirkt außerdem eine Ablenkung vom unangenehmen Injektionsdruck. Danach wird als Erklärung für das Taubheitsgefühl von Lippe, Wange und Zunge die Suggestion von einem »kuscheligen dicken Kissen« gegeben, auf das sich der Zahn, die Zunge und die Lippe legen können (Kant u. Bertzbach 2009). Praxis konkret – Metapher: Auto fahren – Füllungsbehandlung mit Kinderbetäubung (Beispiel aus der Praxis Dres. Rienhoff ) »Wenn Du mit einem Auto fahren willst, musst Du erst einmal die Reifen aufpusten. Hier habe ich ein Luftmessgerät (Spritze bzw. Zahneinschlafgerät), und wenn ich die Reifen aufpuste, pustest Du jetzt ganz feste mit (während der Patient pustet injizieren). Nun müssen wir tanken und Öl auffüllen, und zum Schluss noch etwas Kühlwasser (dabei weiter injizieren). Jetzt wird das Auto noch gewaschen (Spray), und dann wird es getrocknet (Luftpuster). Nun kannst Du Dich hineinsetzen. Schnall Dich an, dann nimmst Du das Lenkrad in die Hand und fährst los.« Der Patient hält die Hände hoch, als ob er ein Lenkrad festhalte würde. »Jetzt fahren wir eine Rechtskurve, dann eine Linkskurve, dann den Berg hoch und wieder runter« – dabei wird der Zahn behandelt. »Du kannst Dir wünschen, wo wir hinfahren wollen (Lieblingsort vorstellen, VAKOG). Vielleicht möchtest
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Du auch jemanden besuchen – Oma, Freund oder Freundin, Tiere im Zauberwald, Märchenfiguren oder Helden aus Fernsehsendungen?« Wenn das Rumpelstilzchen (Rosenbohrer) eingesetzt werden soll, kann das Auto auf einem unebenen Waldweg oder über ein Huckelpflaster fahren. Zum Schluss wird das Auto noch in der Lieblingsfarbe des Kindes schön lackiert (Füllung oder Versiegelung).
Intraligamentäre Anästhesie Es gibt viele Kinder, die wegen des sich in der Wange ausbreitenden Taubheitsgefühls plötzlich die weitere Behandlung verweigern, obwohl sie sich bis zum setzten der Injektion gut behandeln ließen. Außerdem entstehen vor allem bei kleineren Kindern nach einer Behandlung unter lokaler Infiltrationsästhesie sehr oft unangenehme und bisweilen sehr große und stark schmerzhafte Bisswunden. Wir verwenden deshalb häufig die intraligamentäre Anästhesie mit Citoject, wenn die alleinige Hypnosebehandlung keine akzeptable Schmerzreduzierung bewirkt. Nach unseren Erfahrungen erreicht man bei der Kinderzahnbehandlung mit dieser Anästhesiemethode in Kombination mit Hypnose durchaus eine ausreichende Anästhesietiefe, sowohl bei konservierender Behandlung als auch bei kleinen chirurgischen Eingriffen wie einer Milchzahnextraktion. Es wird dabei eine Betäubung der umgebenden Weichgewebe mit nachfolgenden Bissverletzungen vermieden, man benötigt wesentlich weniger Anästhetikum als bei der Infiltrationsanästhesie und die Kinder können schon kurze Zeit nach dem Eingriff etwas essen, ohne dabei versehentlich auf ihre taube Wange und Zunge zu beißen.
Vorgehen bei der intraligamentären Anästhesie in Kombination mit Kinderhypnose
Während das Oberflächenanästhetikum (Erdbeerpaste) einmassiert wird, kann dem Kind bereits der tolle Stift (Citoject) mit dem dünnen Leitungsröhrchen gezeigt werden (s. Tell-Show-Ask-DoMethode 7 Abschn. 5.2.5). Daraus werden die kleinen Schlafsaftkügelchen zwischen den Zahn und
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
das Zahnfleisch gedrückt, damit der Zahn einschlafen kann. Wenn der Behandler dabei eine Fingerpuppe (beispielsweise einen Schmetterling) auf seinen Finger setzt, wird der Anblick des Gerätes etwas verdeckt, was sich insbesondere bei kleineren Kindern bewährt hat. Dem kleinen Patienten wird erklärt, dass der Schmetterling mit seinen langen Fühlern das Zahnfleisch kitzelt, und manchmal kann es dabei auch ein klein wenig zwicken.
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Praxis konkret – Kinderzahnbetäubung mit bunten Schlafsaftkügelchen (7 Online-Videomaterial, Kap. 5, Beispiel – Candar, 6 Jahre alt – Milchzahnextraktion und Zaubern) »Schau mal, an dem Stift ist ein ganz dünnes Minileitungsröhrchen dran, aus dem lauter kleine glitzernde Kügelchen mit Schlafsaft herausgedrückt werden können! Das dünne Leitungsröhrchen stecke ich nur in den Zwischenraum zwischen den Zahn und das Zahnfleisch, und drücke ganz vorsichtig die Schlafsaftkügelchen dazwischen. Wenn Du jetzt ganz tief ein- und ausatmest, kannst Du dabei auch mit dem Luftballon in den Zauberwald oder an Deinen Lieblingsort fliegen und Dir anschauen, was es dort zu sehen gibt. Vielleicht kannst Du Dir auch große kräftige Tiere aus dem Zauberwald zum Helfen holen. Die Schlafsaftkügelchen haben ganz unterschiedliche Farben – am Anfang sind sie noch rot, da drückt es noch ein wenig. Später werden sie blau, und dann spürt man nichts mehr. Manchmal verirrt sich noch ein rotes Kügelchen, dann musst Du ganz besonders tief in den Bauch einatmen, damit es schnell rosa und hellblau wird. Achte auch ganz genau darauf, ob die Kügelchen dick oder dünn, rund oder zackig sind (Konfusionstechnik). Wenn der Zahn ganz fest eingeschlafen ist, schnarcht er manchmal richtig laut, hör mal ganz genau hin …«
In dem Moment, in dem die Kanüle in den »Zwischenraum zwischen Zahn und Zahnfleisch« (Sulkus) eingeführt wird, soll das Kind zur Schmerzreduzierung besonders tief einatmen und die Luft anhalten. Der erste Druck auf die Schlafsafteinfüll-
maschine erfolgt genau in dem Moment, in dem das Signal zum Ausatmen gegeben wird. Während das Kind kräftig ausatmet und die ersten Tröpfchen injiziert werden, soll es sich sein Lieblingseis auf der Zunge vorstellen. Es soll fühlen, wie lecker das Eis schmeckt und wie sich die Kälte im Mund ausbreitet. Je kälter der Zahn sich anfühlt, umso schneller ist er auch ganz taub und unempfindlich. Dabei kann der kleine Patient in Gedanken im Zauberwald mit den starken Tieren um die Wette rennen oder den Luftballon ganz kräftig aufpusten. Er kann sich auch einen Besuch im Vergnügungspark vorstellen, in dem es viele Attraktionen und natürlich auch eine große Eisdiele gibt. Durch die Vorstellung einer Aktivität, das tiefe Atmen und die gleichzeitige intensive Fokussierung auf den Eisgeschmack spürt der kleine Patient kaum etwas von dem Druck und dem Geschmack der intraligamentären Anästhesie. Praxis konkret – Suggestion Lieblingseisgeschmack bei der Kinderbetäubung (7 Online-Videomaterial, Kap. 5, Beispiele – Candar, 6 Jahre alt und Marius, 10 Jahre alt – Milchzahnextraktionen) »Jetzt ganz tief ein- und ausatmen, puste Deinen Bauch dick auf wie einen großen Luftballon, dann so tief einatmen, bis der Luftballon in Deinem Bauch bald platzt, dann halte die Luft einmal an, noch anhalten, jetzt immer noch anhalten – und jetzt ganz kräftig ausatmen, die ganze Luft wieder herauslassen, wie eine Dampflokomotive – und stell Dir dabei mal Dein Lieblingseis vor, denn die Schlafsaftkügelchen schmecken immer ganz lecker danach – was ist denn Dein Lieblingseis?« Der Patient überlegt – dabei die ersten Kügelchen vorsichtig in den Sulkus drücken und das Kind genau beobachten, bei Abwehrreaktion sofort aufhören, Suggestionen vom Wettrennen mit den Zauberwaldtieren oder vom Vergnügungspark geben und eindringlich nach dem Eis fragen »Stell Dir das Eis ganz intensiv vor – wie es auf Deiner Zunge zerläuft und den Zahn, das Zahnfleisch und den ganzen Mund kalt, taub und unempfindlich macht. Stell Dir den leckeren
5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
Geschmack vor, wenn das Eis in Deinem Mund zerläuft! Welcher Geschmack ist es denn, schmeckst Du das Eis schon?« Die meisten Kinder bestätigen lachend, dass sie ihren Lieblingseisgeschmack im Mund spüren. Dann ist der Patient soweit dissoziiert, dass die Betäubung zügig beendet werden kann.
Auch hierbei ist es wichtig, die Kinder ganz genau zu beobachten und auf die kleinsten Zeichen von Abwehr, kindlicher Angst oder Unbehagen zu reagieren und diese sofort zu pacen. Es kann beispielsweise Kinder geben, die auf die Aufforderung hin, sich ihr Lieblingseis vorzustellen, mit Stirnrunzeln reagieren, vielleicht weil sie zu den wenigen Kindern gehören, die Eis nicht gerade gern mögen. Dann muss sofort reagiert und nach der Lieblingsspeise gefragt werden. Der kleine Patient soll sich seinen Lieblingsgeschmack auf der Zunge vorstellen – manchmal kann das auch Lasagne, Pizza mit Thunfisch oder gar Graupensuppe sein, um nur einige authentische Beispiele aus unserem Praxisalltag zu nennen.
Zahnextraktion Während einer Extraktion können passende Metaphern zur Distraktion verwendet werden. Diese Geschichten geben während der Behandlung pseudologische Erklärungen für die entsprechenden Empfindungen bei der Zahnextraktion, und die kleinen Patienten sind damit gut in Trance zu führen.
Metapher Lieblingsblume Kant (2008 a) beschreibt sehr anschaulich, wie ein kleines Kaninchen die Lieblingsblume des Kindes auffressen möchte. Deshalb wird es mit Schlafmarmelade und Schlafsaft aus einem sehr dünnen Strohhalm ganz müde gemacht. Nun wird das Unkraut (der Zahn) herausgezupft, dabei wird ein bisschen gedrückt und es knackt vielleicht auch etwas. Nachdem sie noch einmal gegossen wurde, kann die Blume jetzt gut wachsen und gedeihen, und nach dem Gießen kann das Kind den Wasserhahn wieder kräftig und fest zudrehen (Blutstillung).
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Metapher Krafttiere aus dem Zauberwald (7 Online-Videomaterial, Kap. 5, Beispiel – Marius, 10 Jahre alt – Extraktion mit intraligamentärer Anästhesie) Bei einer Milchzahnentfernung können nach der Kinderzahnbetäubung (s. oben) große Krafttiere aus dem Zauberwald zur Hilfe geholt werden. In einer entsprechenden Metapher fällen die Zauberwaldtiere einen ganz morschen Baum, der aus dem Zauberwald entfernt werden soll, weil er die Sonne nicht mehr auf die Zauberwaldwiese scheinen lässt. Daher rütteln und drücken die Tiere an den Ästen, und es knackt auch entsprechend laut. Bei Kindern, die besonders gern schwimmen oder schnorcheln, kann auch ein störender Stein aus dem Zaubermeer entfernt werden. Ihn packen die großen Kraken mit ihren langen Armen an und schieben, rütteln und drücken, bis der Störenfried entfernt ist. Die anschließende Heilmetapher (Heilungsritual s. unten) führt nach unseren Erfahrungen bei fast allen Patienten zu einer komplikationslosen Wundheilung (Behneke 2003 b; Schoderböck 2003, 2007).
Metapher als Heilungsritual Ist der Baum oder Stein herausgedrückt, holen alle Tiere riesengroße Schaufeln. Damit schaufeln sie Erde in das Loch und stampfen es wieder fest zu. Die Sonne scheint auf diese Stelle und der Regen fällt darauf, der Wind weht darüber und bald wachsen wunderschöne bunte Blumen dort, wo vorher der morsche Baum (Zahn) gestanden hat. Die Blumen leuchten in der Lieblingsfarbe des Kindes, und so kann dann später auch die Zahnspange aussehen, die den Platz für die nachwachsenden bleibenden Zähne freihält. Im Zaubersee können Korallen und Seeanemonen an der Stelle wachsen, wo der große Stein gestanden hat. Die Fische, Seesterne und Seepferdchen freuen sich, sie spielen jetzt dort Verstecken oder können lustig um die Wette schwimmen. Alle Tiere haben jetzt viel mehr Platz, und auch im Mund des Kindes ist nun viel Platz entstanden, damit die neuen Zähne schön gerade nachwachsen können. Anschließend bedankt sich das Kind ausgiebig bei allen Zauberwaldtieren für ihre Hilfe.
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
5 . Abb. 5.17 Der Zauberwald mit Trampolin und Eistüte. Ein Teil von VAKOG (Farben, Bewegung, Eisgeschmack) ist hier von Pauline grafisch dargestellt
. Abb. 5.16 Brief der Patientin Pauline, 8 Jahre alt. Ich und meine Mutter sind zum Zahnarzt gefahren weil meine beiden Zähne rausfallen müssen. Dann hat die Zahnärztin gesagt: ich soll mich auf einen Stuhl setzen. Dann hat die Zahnärztin mir eine Handpuppe gegeben. Die Handpuppe musste ich anschauen. Ich habe dann eine Schlaftablette bekommen. Ich bin aber gar nicht eingeschlafen, das fand ich komisch. Danach bin ich in den Zauberwald gegangen. Ich habe ein Eis gegessen und war auf einem Trampolin. Da war eine Fee zu sehen, die hat gezaubert, dass ich immer in den Arbeiten eine 1 kriege. Danach bin ich aus dem Zauberwald wieder raus gekommen. Dann habe ich mich gefragt: Sind die Zähne raus? Dann habe ich eine kleine Maus bekommen, wo ich die Zähne reintun kann. Die Maus war süß und pink. Danach sind wir nach Hause gefahren
Fallbeispiel Pauline, 8 Jahre alt (Praxis Dr. Zehner) Pauline hatte Zahnschmerzen an 2 Milchzähnen, die noch sehr fest im Kiefer steckten. Die bleibenden Zähne waren seitlich vorbei gewachsen und hatten die Wurzeln der Milchzähne nicht resorbiert. Mit der oben beschriebenen Kinderbetäubung, einem Luftballonflug in den Zauberwald und unter Mithilfe der Krafttiere (Handpuppen) wurden die Milchzähne entfernt. Pauline beschreibt das Erlebnis ihrer Milchzahnextraktion wie in . Abb. 5.16 und 5.17 dargestellt. Diese Falldarstellung zeigt, wie angenehm Kinder eine solche Milchzahnextraktion empfinden können. Allerdings ist dieser Bericht stark vom Tranceerleben der kleinen Patientin geprägt, denn wir verabreichen natürlich keinem Kind eine Schlaf-
tablette! Auch das Trampolin sowie die gute Fee, die in der Schule bei den Arbeiten Einsen zaubern kann, entstammen der grenzenlosen Fantasie Paulines.
Notfallsituation Bei der Behandlung von Schmerzpatienten, insbesondere bei Unfällen, ist ein besonders sensibles und einfühlsames Vorgehen erforderlich. Der Rapportaufbau ist durch die schmerzhafte Situation erschwert und die Zeit ist begrenzt. Da die Behandlung sofort erfolgen muss, sind die Kinder häufig überfordert und stehen manchmal auch noch unter dem Schock der Unfallsituation.
Notfalltrance Von Schoderböck (2007) wird folgendes Vorgehen empfohlen: Von den Eltern lässt man sich kurz den Unfallhergang schildern. Danach werden mit beiden Händen die Schläfen des Kindes umfasst, dabei aber nur die Fingerspitzen aufgesetzt. Dann wird der Kopf liebevoll, aber bestimmt nach vorn gekippt, wobei es meist automatisch zu einem Augenschluss kommt. Das Kind wird in dieser Stellung sanft gehalten, geht dabei in der Regel in Trance, und der Unfallhergang wird mehrmals hintereinender laut geschildert – jedoch mit einem positiven Ausgang (King 2002). Suggestionen wie »Stopp die Blutung« oder »Schließ die Wunde« bewirken die Induktion entsprechender psychophysiologischer Reaktionen (7 Abschn. 5.4.4). Als Heilsuggestion
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5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
soll sich das Kind in der Trance daran erinnern, wie sein Mund vor der Verletzung ausgesehen hat, und diesen Zustand mit allen Sinnen imaginieren (Eberwein 2002). Das Kind soll außerdem eine gesunde Stelle an seinem Körper suchen, an der es keine Schmerzen, sondern ein angenehmes Gefühl empfindet. Von dieser Stelle wird das gute Gefühl mit der Hand weggenommen und an die Stelle gebracht, die weh tut. Das soll vom Kind ca. 10-mal wiederholt werden, bis sich die ehemals schmerzende Stelle besser anfühlt.
Untersuchung nach Unfall Kleine Kinder werden nach einem Unfall entweder in Knie zu Knie bzw. Hoppe-Reiter-Position oder auf der Mutter liegend (Bonding-Methode) untersucht. Sie werden zwischendurch zur Beruhigung immer wieder herumgedreht und können mit ihrer Mutter kuscheln. Vom Behandlungsteam werden diese kleinen Patienten mit beruhigender Stimme und mit Hilfe von Handpuppen abgelenkt, berührt und gehalten (Ballgriff nach Schoderböck) und ggf. mit Hilfe von Zaubertricks (Mutzauber, 7 Abschn. 5.3.1) auf etwas Angenehmes fokussiert.
Wiegetechnik mit Akupressur/Klopftechnik Aufgeregte und weinende kleinere Kinder werden von der Mutter/Begleitperson oder stellvertretend von einer Mitarbeiterin/dem Behandler in den Arm genommen und auf dem Behandlungsstuhl sitzend hin- und hergewiegt und geschaukelt (Schmierer u. Schütz 2007; Stein 2009). Dabei wird beruhigend mit dem Kind gesprochen, oder bei sehr kleinen Kindern kann auch eine Melodie gesummt werden. Das Kind wird in seiner Angst und Aufregung angenommen und getröstet (Pacing), die Erwachsenen passen ihren Atemrhythmus beim Schaukeln dem des Kindes an und lassen das Atmen gezielt tiefer und langsamer werden (Leading). Währenddessen werden zur Beruhigung die Handkante und der Thymuspunkt des Kindes geklopft oder die entsprechenden Akupunkturpunkte akupressiert (7 Kap. 7).
Trance durch überraschende Liegeposition Wenn sich das Kind beruhigt hat, wird in einem Überraschungsmoment der Behandlungsstuhl in
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die Liegeposition gebracht, dabei werden Suggestionen vom Fliegen gegeben (Luftballon, fliegender Teppich, Vogelschwingen, 7 Abschn. 5.4.3) oder der kleine Reiter fällt bei der Hoppe-Reiter-Position »in den Graben«. Diese Form der Tranceeinleitung oder -vertiefung ist als Barbiersesseleffekt bekannt. Durch die plötzliche Lageveränderung erfolgt eine vestibuläre Reizung, die Trance begünstigt (Kossak 1989, 2004). Dieser Moment kann für eine kurze Untersuchung oder auch zur Tranceeinleitung für eine weitere Behandlung genutzt werden. Auch bei Kleinkindern, die mittels BondingMethode untersucht werden (s. oben), kann durch plötzlichen Lagewechsel eine Trance ausgelöst werden. Das Kind wird zuerst der Mutter zugewandt auf deren Bauch gelegt. Die Mutter drückt es so lange an sich, bis es ruhig geworden ist. Es sollte dabei aber nicht gestreichelt werden, weil das die Sensibilität erhöht – was ja in dieser Situation keinesfalls erwünscht ist (7 Abschn. 2.3.3). Wenn es sich beruhigt hat, wird das Kind überraschend auf den Rücken gedreht, was ebenfalls einen Barbiersesseleffekt bewirken kann.
Behandlung nach Unfall Bei Bedarf wird das Kind mit der Schlafsafteinfüllmaschine (s. oben) vorerst von seinen Schmerzen befreit, um es danach mit kinderhypnotischen Methoden vom Behandlungsgeschehen zu dissoziieren (nonverbale Tranceinduktionen, 7 Abschn. 5.4.1 sowie QuickTimeTrance 7 Abschn. 5.4.2) Bei kleinen Kindern und in schwerwiegenden Unfallsituationen ist allerdings eine sofortige Sedierungs- oder Narkosebehandlung (7 Kap. 6) allen anderen Manipulationen vorzuziehen, um den kleinen Patienten keine unnötigen weiteren traumatischen Erfahrungen zuzumuten.
Schreien und Trance Bei sehr kleinen, besonders ängstlichen oder auch geistig behinderten Kindern kann es durchaus vorkommen, dass sie während der Behandlung ohne direkt ersichtlichen Grund plötzlich anfangen zu schreien. Das passiert meistens, wenn bereits alle etwas kritischeren Maßnahmen (Duschen, Kariesteufel herausangeln) überstanden sind und nur noch harmlose und schmerzfreie Behandlungen bevorstehen. Beispielsweise soll die Füllung noch
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
fertiggelegt oder eine Versiegelung vorgenommen werden.
Schreien als Ventil – Trance beim Schreien
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In einem solchen Ausnahmefall kann man es durchaus zulassen, dass die Kinder sich eine kurze Zeit lang in Trance schreien – es muss natürlich ausgeschlossen sein, dass die Behandlungsmaßnahmen den kleinen Patienten Schmerzen bereiten. Schreien führt bei Kindern zu einer wirksamen Entspannung, sie nutzen diese Möglichkeit als Ventil, um Druck und Dampf abzulassen. Behneke und Schoderböck (2002, S. 24) beschreiben, dass »beim Schreien alle Sinneskanäle zum Gehirn überlastet und alle Schmerzbahnen blockiert« werden. Durch die Hyperventilation kommt es ebenfalls zu einer Reduzierung der Schmerzen und anderer unangenehmer Empfindungen. Die Kinder gehen beim Schreien unwillkürlich in Trance und halten meistens dabei ganz still, oft zeigen sie auch andere Trancezeichen (Pfötchenstellung), und durch das tiefe Atmen beim Schreien kann die Trance noch vertieft werden. Die Behandler geben in einer solchen Situation weiterhin mit langsamer und tiefer beruhigender Stimme entspannende Suggestionen, vermeiden jede Hektik und arbeiten ruhig und zügig weiter. Die kleinen Patienten werden vom Behandlungsteam aufgefordert, »ruhig weiterzuschreien«. Diese paradoxe Symptomverschreibung (Selvini Palazzoli et al. 1978) bewirkt auch eine Konfusion, da es unmöglich ist, ruhig zu schreien. Auch die Aufforderung, bunt zu schreien, lauter und leiser oder auch ein schönes Lied zu schreien, führt zu einer Konfusion, die trancefördernd wirkt. Dabei bekommt das Kind ständig positives Feedback und Lob für seine gute Mitarbeit, sein Stillhalten und sogar für seine tolle laute Stimme. Zur Beruhigung und Entspannung werden dabei die entsprechenden Akupunkturpunkte sanft massiert (7 Abschn. 7.3). Mit Klopfakupressur (7 Abschn. 7.2) können sowohl die Handkante als auch der Thymuspunkt des Kindes behandelt werden, was nach unseren Erfahrungen ebenso eine beruhigende, entspannende und Trance fördernde Wirkung hat.
Aufklärung der Begleitperson Bei sehr kleinen oder ängstlichen Kindern ist eine solche Situation vorherzusehen, deshalb sind die Eltern im Vorfeld darüber aufzuklären. Nur wenn sich die Begleitperson während der Behandlung und auch danach richtig verhält, ist davon auszugehen, dass das Kind kein Behandlungstrauma bekommt (Schoderböck 2007). Setzt das Schreien während der Behandlung spontan ein, sind entsprechende Informationen über dieses ausnahmsweise etwas lautere Vorgehen bei der Schreitrance an die Begleitperson des Kindes und evtl. auch an die Patienten in der Wartezone zu geben, die das Schreien aus dem Behandlungsraum ggf. hören könnten. Insbesondere sollten alle darüber aufgeklärt werden, dass diese Behandlungssituation für das Kind völlig schmerzfrei ist und das Schreien dem Kind Entspannung und Entlastung bringt.
Rückführung in einen guten Zustand Das Kind sollte nach einer solchen Schreiphase erst aus der Praxis entlassen werden, wenn es sich wieder in einer guten Verfassung befindet (Atzlinger 2008). Das geht allerdings insbesondere bei kleinen Kindern sehr schnell, und meistens hat der kleine Schreihals bereits beim Aussuchen einer Belohnung die unangenehme Situation wieder vergessen. Andernfalls helfen Maßnahmen im Sinne des operanten Konditionierens (7 Abschn. 4.1.2) wie Pacing des kindlichen Verhaltens, viel Lob, kleine zusätzliche Belohnungen, interessante Zaubertricks (7 Kap. 8) oder andere rapportfördernde Maßnahmen (Musterunterbrechungen, 7 Abschn. 5.2.3), die das Kind wieder in einen ausgeglichenen Zustand versetzen können. Das Akupressieren oder Beklopfen beruhigend wirkender Akupunkturpunkte (7 Abschn. 7.2 u. 7.3) ist in einer solchen Situation ebenfalls hilfreich. Praxis konkret – Verhalten bei Schreikindern 5 Für Kinder ist das Schreien oft ein Ventil, um »Luft abzulassen«. 5 Sie sind dann in einer Schreitrance, die wir nutzen können, um die Behandlung schnellstmöglich zu beenden, wenn nur
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5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
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noch wenige kurze Behandlungsschritte erforderlich sind. Beispielsweise kann die begonnene Füllung während der Schreiphase noch fertiggelegt oder der bereits vorbereitete Zahn noch fertig versiegelt werden. Es muss natürlich ausgeschlossen sein, dass das Kind vor Schmerzen schreit!! Das Kind wird mit ruhiger und sanfter Stimme aufgefordert, »ruhig weiterzuschreien«, und ihm wird signalisiert, dass sein Schreien völlig in Ordnung ist (Pacing). Es wird für seine schöne Stimme gelobt: »Toll kannst Du schreien, eine so schöne volle Stimme hatte noch nie ein Kind in unserer Praxis!« (Pacing, positive Verstärkung). Das Lautsein wird moduliert: »Geht es noch etwas lauter? Und jetzt bitte wieder ein bisschen leiser! Nein, nicht ganz so leise, da hört man ja Deine tolle Stimme gar nicht mehr!« (Leading). Das Kind kann auch gebeten werden, ganz laut ein Lied zu singen (Leading) oder bunt zu schreien, in allen Regenbogenfarben (Konfusion). Es wird ständig dafür gelobt, dass es so schön still hält (positive Verstärkung). Behandler/Mitarbeiterin berühren und halten das Kind – nicht streicheln! Das sanfte Halten des Kinderkopfes (Ballgriff nach Schoderböck) bringt Beruhigung und Sicherheit. Das Praxisteam arbeitet dabei ganz ruhig weiter (dabei Akupunkturpunkte zur Beruhigung massieren 7 Abschn. 7.3 oder Klopfakupressur 7 Abschn. 7.2) Der Begleitperson des Kindes wird von der Mitarbeiterin erklärt, dass die Behandlung jetzt völlig schmerzfrei ist und das Kind nur schreit, weil ihm einfach alles zu viel wird – eine Unterbrechung der Behandlung hätte in dieser Endphase aber nur noch mehr Stress für das Kind zur Folge. Das Kind wird nach Abschluss der Behandlung viel gelobt für seine gute Mitarbeit und sein Stillhalten und darf sich eine
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besonders schöne Belohnung aussuchen. Auch die Eltern sollen im Anschluss nur positiv über die Behandlung sprechen. 5 Erst wenn sich der kleine Patient wieder richtig gut fühlt und auch wieder Rapport zum Behandlungsteam aufgebaut ist, sollte er den Behandlungsraum verlassen.
Schreien übertönen Stein (2009) beschreibt ihr Vorgehen, wenn ein Kind bereits schreiend die Praxis betritt. Hier wird seine Schreitrance zum Rapportaufbau genutzt, indem mit einer Handpuppe (Löwe) das Schreien des Kindes übertönt wird (Pacing). Das Kind wird aufgefordert, genau so laut zu brüllen wie der Löwe (Leading). Stein erklärt, dass dem lauten und anstrengenden Schreien und Brüllen eine Phase der Erschöpfung folgt, die sie zur Begrüßung nutzt und in der sie das Kind die Entspannung bewusst erleben lässt.
Das behandlungsunwillige oder interessante Kind Immer wieder begegnen wir kleinen Patienten, die ausgesprochen behandlungsunwillig sind und teilweise sogar aggressiv reagieren. Unter Umständen haben diese Kinder unangenehme Erfahrungen machen müssen, die zumindest mit Unbequemlichkeiten oder sogar mit Angst und Schmerz verbunden waren. Demnach sind ihre Erwartungsängste gegenüber zahnärztlichen Untersuchungen sehr hoch (7 Abschn. 4.4). Es gibt aber auch unkooperative Kinder, bei denen Angst keine Rolle spielt. Sie haben einfach nicht gelernt, schwierige oder unangenehme Situationen zu bewältigen (Mehrstedt 1999). Stattdessen haben sie die Erfahrung gemacht, dass ihre NichtKooperation und ihre Unwilligkeit dazu führen, solchen Situationen ausweichen zu können. Häufig stammen diese Kinder aus einem überbehüteten Elternhaus, und statt ihnen Bewältigungsstrategien beizubringen, haben die Eltern für ihre Kinder die Probleme gelöst (7 Abschn. 3.2).
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Praxis konkret – Behandlungsunwillige Kinder
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Die geringen kooperativen Fähigkeiten vieler Kinder sollten als Folge von früheren Untersuchungen und Eingriffen (7 Abschn. 4.4) oder aber einer falschen Erziehung (7 Abschn. 3.2.5) erkannt werden. Häufige Ursachen: 5 Das Kind verfügt über geringe kooperative Fähigkeiten. 5 Das Kind verfügt in derartigen Situationen (Frustration, Angst, Schmerz) über keine ausreichenden Bewältigungsstrategien. 5 Das Kind ist dann hilflos, fühlt sich ausgeliefert. 5 Das Kind übt Protest aus gegen eine zu erwartende unangenehme Situation. 5 Es will sich damit vor einer angenommenen Gefahr schützen. 5 Je nach Alter und kognitiven Fähigkeiten sind es Versuche, diese ängstigende Situation zu bewältigen (Nathan 2001).
Je nach Sichtweise der Eltern oder des behandelnden Zahnarztes sträubt sich das Kind, ist unfolgsam und aggressiv. Dadurch wird es für den Zahnarzt schnell zur Belastung; er wird hilflos, nervös und am Ende auch selbst laut und aggressiv – und bricht die Behandlung unter Umständen deshalb ab. Es entsteht eine Situation, die die Anzahl der Stresspunkte an diesem Tag ansteigen lässt. Die Folge davon ist, dass sich Hilflosigkeitsgefühl und Angst beim Kind verstärken und die Erwartungsangst des Zahnarztes gegenüber derartigen Kindern und deren Verhaltensweisen zunimmt. Die nächste Behandlung beginnt er gleich in hoher Anspannung oder überweist das Kinder sofort ohne weitere Behandlungsversuche zur Narkosebehandlung.
Die kognitive Umstrukturierung des Behandlers Wenn der Zahnarzt von einem Kind als unwillig und unbehandelbar spricht und das auch denkt, ist der Kontakt zu diesem Kind von vornherein beeinträchtigt. Der Zahnarzt sollte daher immer davon ausgehen, dass jedes Kind behandelbar ist (Eberwein 2002). Schoderböck (2002, 2004) spricht in
diesem Zusammenhang von »präkooperativen« oder »interessanten« und »besonders interessanten« bzw. sogar »höchst interessanten« Kindern. Durch diese Umbenennung erfolgt nicht mehr die bisherige Bewertungs- und Verhaltenseinengung, die durch die Negation bestimmt ist, etwas verhindern zu wollen. So besteht auch nicht mehr die Gefahr der »sich selbst erfüllenden Prophezeiung«, indem man ein als unbehandelbar deklariertes Kind unbewusst so behandelt, dass es auch unbehandelbar bleibt.
Herausforderung
»
Sehen wir ein schwieriges oder gar unbehandelbares Kind vor uns, ist der Misserfolg schon vorprogrammiert. Sehen wir jedoch ein »interessantes« Kind, betrachten wir die Behandlung als Herausforderung, die wir meistern wollen (Behneke u. Schoderböck 2002, S. 5).
«
Die in der Behandlung von »interessanten Kindern« innewohnende Herausforderung besteht darin, diese bislang für alle Beteiligten aversiven Begegnungen zu meistern und gerade zu diesem »besonders interessanten Kind« einen individuellen Zugang und Rapport zu finden (Schmierer u. Schütz 2007). Das führt auch dazu, dass das Selbstwertgefühl des Kindes beschützt wird und ihm positive Perspektiven für weitere Behandlungen vermittelt werden (Nathan 2001).
Ziel- und lösungsorientierte Einstellung
Bewertet der Zahnarzt diese Kinder also nicht mehr als unwillig, sondern als »interessant«, hat er dadurch seine kognitive Umstrukturierung vorgenommen. Gleiches gilt für ängstliche Kinder, die eher als »vorsichtig« oder »sehr umsichtig« bezeichnet werden sollten. Ein so denkender Behandler nimmt nun eine zielorientierte Einstellung ein, die ihn in die Lage versetzt, kreative Lösungen zu finden. Er hat nunmehr die Entscheidungs- und Denkfreiheiten, alternative Konzepte zu erstellen und zu realisieren. In kritisch-freundlicher Selbstbetrachtung hat er dann genau das beherzigt, was er von seinen kleinen Patienten und deren Eltern erwartet: Perspektiven-
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5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
wechsel, Distanzierung, Gelassenheit, Zielorientierung. Diese Änderung der eigenen Einstellung entspricht auch den für Hypnosesuggestionen relevanten Faktoren, nämlich aufgabenmotivierte und zielmotivierte Instruktionen zu erteilen (Spanos 1971; Spanos u. Barber 1972). Kann der Zahnarzt sich und sein Behandlungsteam zu dieser positiven Einstellung motivieren, wird er lösungsorientiert auf das Kind eingehen und angemessene Methoden finden, die für beide Seiten angenehm sind.
Trotzköpfchen – Hinweis auf das homöopathische Konstitutionsmittel »Chamomilla« Einige der kleinen Patienten reagieren besonders unwillig, bockig und trotzig, wenn sie zur zahnärztlichen Untersuchung auf dem Behandlungsstuhl Platz nehmen sollen (7 Abschn. 2.3.4). Insbesondere sehr kleine Kinder, die mit verbalen Mitteln (Geschichten, Metaphern) noch nicht zu erreichen sind, zeigen oft dieses Verhalten. Sie sind unzufrieden mit allem, was ihnen angeboten wird, extrem reizbar, schlagen und treten um sich, werfen alles weg, was sie in die Hand nehmen, und bekommen regelrechte Wut- und Trotzanfälle. Diesen ausgesprochen »interessanten« kleinen Patienten sollte mit liebevollem Verständnis begegnet werden; das oben beschriebene zielorientierte Vorgehen und kreative Lösungen sind hierbei erforderlich, und manchmal kann auch der Einsatz homöopathischer Mittel hilfreich sein.
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Praxis konkret – Symptome zum homöopathischen Konstitutionsmittel Chamomilla (Borland 2002; Feldhaus 2007) 5 Lässt sich nicht untersuchen, wendet sich sofort ab, reagiert wütend und abweisend, wenn es angesehen oder berührt wird. 5 Tritt und schlägt um sich, schreit und strampelt, wenn es nicht seinen Willen bekommt. 5 Ständige Unzufriedenheit mit allem, was das Kind gerade tut und mit allen angebotenen Spielsachen, wirft alles wütend weg. 5 Äußerst schmerzempfindlich, die Kinder leiden auch unter geringen Schmerzen viel mehr als andere Patienten. 5 Extrem schreckhaft und überempfindlich gegen äußere Reize, Geräusche, warme stickige Luft und Menschen. 5 Hitze verschlimmert alle Beschwerden, Kühlung und Bewegung an frischer Luft bringt Besserung. 5 Extreme Reizbarkeit, die sich tagsüber steigert und abends gegen 21 Uhr am Schlimmsten ist, gegen Mitternacht Beruhigung und Abklingen aller Beschwerden. 5 Ruhelosigkeit mit Besserung durch Herumtragen oder Wiegen und Schaukeln. 5 Übermäßig starke Dentitionsbeschwerden bis hin zu Zahnkrämpfen. 5 Errötet nur auf einer Seite, die sich heiß anfühlt, die andere Wange ist blass und kalt.
Homöopathische Unterstützung der Trotzköpfchen
Die Symptome der Trotzköpfchen entsprechen häufig dem homöopathischen Konstitutionsmittel Chamomilla (Borland 2002; Feldhaus 2007; Gawlick 1990). Dieses Mittel, das in Form von Globuli (Zauberkügelchen) in der homöopathischen Potenz D 30 verabreicht wird, bewirkt oft eine regelrechte Umstimmung der kleinen Trotzköpfe, die danach meistens zu kooperativen und behandlungswilligen Patienten werden. Die Symptome der Chamomilla-Kinder sind so unverkennbar, dass man dieses Mittel meistens auch ohne langwieriges Repertorisieren erkennen kann.
Teufelchen im Bauch
Die folgende Vorgehensweise wird bevorzugt im Zusammenhang mit dem homöopathischen Konstitutionsmittel Chamomilla eingesetzt: Wenn die Kinder sich verweigern und herumtoben, werden sie mit viel Verständnis behandelt, weil sie ja »ein kleines Teufelchen« verschluckt haben. Dieses Teufelchen tobt jetzt in ihrem Bauch herum und lässt sie so unwillig und trotzig sein. Sie werden aufgefordert, das kleine Teufelchen auszuspucken; dazu halten wir ihnen ein Zellstofftuch vor den Mund.
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Dieses Tuch wird dann auf den Boden gelegt, die Kinder trampeln darauf herum und lassen dabei ihren ganzen Unwillen und Frust los. Ist das Teufelchen kaputt getrampelt, wird es in einen Abfalleimer gesteckt und der Deckel fest geschlossen, oder der Schlürfi saugt das Teufelchen schnell weg, damit es nicht wieder in den Bauch des Kindes zurückschlüpfen kann. Danach sind die Kinder in der Regel gern bereit, 5 Zauberkügelchen (Globuli Chamomilla D 30) zu lutschen mit der Suggestion, dass sie davon ganz mutig werden.
Erstverschlimmerung
In der Homöopathie gibt es das Phänomen der Erstverschlimmerung oder Erstreaktion (Feldhaus 2007). Die Symptome verstärken sich vorerst, was einer Heilreaktion entspricht und ein Zeichen dafür ist, dass das richtige Mittel ausgewählt wurde. Meist folgt auf eine rasche, heftige Verschlimmerung eine schnelle Besserung der Symptome. Die Eltern sind unbedingt darüber aufzuklären; man gibt dann das entsprechende Mittel in einer höheren Potenz noch einmal, möglichst unter Kontrolle eines erfahrenen Homöopathen. Danach sind die kleinen Patienten meistens wie umgewandelt und lassen sich mit Kinderhypnose wunderbar behandeln.
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Praxis konkret – Das Konstitutionsmittel Chamomilla für die kleinen Trotzköpfchen 5 Kinder, die um sich schlagen, treten und unwillig sind, bekommen 5 Globuli Chamomilla in einer Potenz von D 30 als angeboten. 5 Das Mittel wird in Form von Globuli (Milchzuckerkügelchen), die wir Zauberkügelchen oder Liebesperlen nennen, mit einer verständnisvollen Geste sowie einfühlsamen Worten in hypnotischer Sprache (langsam und mit tiefer Stimmlage) verabreicht. 5 Dabei werden die kleinen Trotzköpfchen mit viel Verständnis behandelt (Pacing), weil sie ein kleines Teufelchen verschluckt haben und deshalb gar nicht anders als so trotzig sein können. 5 Meistens sind sie ganz erleichtert, wenn man ihnen ein Taschentuch reicht und sie
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auffordert, das Teufelchen auszuspucken und anschließend mit viel Kraft auf dem Boden zu zertrampeln. Danach sind diese Kinder oft regelrecht erlöst und nehmen problemlos die Zauberkügelchen mit der Suggestion ein, dass sie ihnen helfen, ganz mutig zu werden. Die kleinen Trotzköpfchen kommen nach einem kurzen Spaziergang von ca. 1/2 h (Bewegung an der frischen Luft bringt Besserung!) meistens in fröhlicher und ausgelassener Stimmung zurück in die Praxis und lassen sich in der Regel dann auch sehr gut untersuchen und behandeln. Kinderhypnose wirkt dann besonders gut, denn die Kinder sind dankbar, dass sie den Druck und die Anspannung loswerden konnten, nehmen Suggestionen zur Entspannung gern auf und arbeiten bei der Behandlung sehr gut mit. Bei besonders ausgeprägter ChamomillaSymptomatik wird den Kindern nur alles gezeigt und erklärt und ein neuer Behandlungstermin eingeplant. Der Mutter werden 10 Globuli Chamomilla D 30 mitgegeben, davon soll das Kind am Abend vor dem nächsten Besuch 5 Zauberkügelchen lutschen und am Behandlungstag nochmals, unmittelbar bevor sich die Mutter mit dem Kind auf den Weg in die Praxis begibt (Feldhaus 2007). Bei einer Erstverschlimmerungsreaktion sollte ein erfahrener Homöopath zurate gezogen werden, der das Mittel ggf. in einer höheren Potenz verordnet.
Symptomverschreibung Bei den »interessanten Trotzköpfchen« hilft zuweilen auch die Symptomverschreibung weiter (Selvini Palazzoli et al. 1978). Bei diesem paradoxen Vorgehen wird dem Kind das Symptom »verordnet«, da es in der Trotzphase sog. Polaritätsreaktionen zeigen kann und dann immer genau das Gegenteil von dem tut, was von ihm erwartet wird (Schmierer u. Schütz 2007). Wenn er also seinen Mund nicht aufmachen möchte, wird dem kleinen Patienten verordnet,
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5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
dass er den Mund ganz fest zumachen soll, und er wird ausgiebig dafür gelobt: »Ja, gut so, das machst Du ganz toll, noch fester und fester … gut so, jetzt kann ich Deine Wangen und Mundmuskeln gut abtasten …« und wenn dabei der Mund aufgeht »nein, zulassen, ganz fest zulassen ….« Bei diesen paradoxen Symptomverordnungen macht das Kind oft seinen Mund absichtlich auf, weil es gerade das, was der Behandler sagt, nicht machen will. Beispiel – Gegenteilmaschine
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behandlung auch bei »höchstinteressanten« kleinen Trotzköpfchen möglich werden.
5.4.6
Beendigung der Hypnose
Dehypnose bei Kindergarten- und Grundschulkindern Reorientierung Nach der Behandlung werden die Kinder wieder in die »Wirklichkeit« zurückgeholt. Kleinen Kindern schüttelt und drückt man die Hände, bis sie wieder richtig wach und zurückorientiert sind (Behneke u. Schoderböck 2002; Schoderböck 2007). Die Kinder sollen mit voller Kraft zurückdrücken. Das macht ihnen Spaß und bringt sie wieder aus der Trance heraus. Sie werden ausgiebig gelobt für die gute Mitarbeit (positive Verstärkung) und für ihre Stärke und Kraft (Steigerung des Selbstwertgefühls).
Die Metapher von der Gegenteilmaschine (Schoderböck u. Behneke 2002) eignet sich bei diesen »hochinteressanten« kleinen Persönlichkeiten gut zur Behandlungsmotivation: »Kennst Du den Hein Blöd vom Käpt‘n Blaubär? Hein Blöd hat eine ganz tolle Maschine erfunden – die Gegenteilmaschine. Wenn jemand sagt, geh nach links – dann geht man nach rechts. Und wenn man sagt, mach die Augen auf und den Mund zu, dann fallen die Augen zu und der Mund geht auf ….« Wenn die Kinder noch nicht automatisch reagieren, werden sie aufgefordert, so zu tun, als ob sie selbst eine Gegenteilmaschine hätten. Oder sie sollen sich vorstellen, sie sind Pippi Langstrumpf, Mogli, Lillifee oder der kleine Winnie Puuh (Lieblingsfiguren aufzählen), die alle die Gegenteilmaschine ganz toll finden und sie einmal ausprobieren möchten.
Danach wird besprochen, welche Zähne beim nächsten Behandlungstermin repariert werden und wohin die Luftballonreise dann gehen soll, welche Fingerpuppe helfen darf und welche Lieblingsbeschäftigung während der Behandlung imaginiert werden soll. Das wirkt im Sinne einer posthypnotischen Suggestion (7 Abschn. 1.3.4) und lässt die kleinen Patienten bei der nächsten Behandlung noch besser mitarbeiten und schneller in Trance gehen.
Rapport, Rapport, Rapport
Prinzip der kleinen Schritte
Nach Überwindung der trotzigen Phase steht bei den interessanten Kinderpatienten der Rapportaufbau (7 Abschn. 5.2.1) im Mittelpunkt aller Bemühungen, die oben genannten Empfehlungen (7 Abschn. 5.2.3) sind dabei zu beachten. Bei der anschließenden Hypnosezahnbehandlung werden diese kleinen Patienten, die häufig noch im Vorund Grundschulalter sind, unter Anwendung der oben beschriebenen Methoden in Trance geführt. Insbesondere die Methode QuickTimeTrance (7 Abschn. 5.4.2) eignet sich dafür, weil dabei ganz individuell auf die Bedürfnisse und Vorlieben der Kinder eingegangen werden kann. Wenn guter Rapport aufgebaut ist, kann eine entspannte Zahn-
Wir verfolgen das »Prinzip der kleinen Schritte«. Die Durchführung einer Versiegelung oder auch nur einer Fluoridierung der Zähne ist für ein ängstliches Kind, das anfänglich lediglich zum kurzen Nachschauen seiner Zähne motiviert werden konnte, ein riesiges Erfolgserlebnis. Wenn bei ihm ein Zahn versiegelt werden kann, muss das ebenso gewürdigt werden, wie wenn bei einem mutigen und tapferen Kind eine Gesamtsanierung mit beispielsweise 5 Füllungen an einem einzigen Behandlungstermin erfolgen kann.
Posthypnotische Suggestionen
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Verhaltensformung durch differenzielle Verstärkung
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Die Kinder werden für jeden kleinen Erfolg ausgiebig gelobt und auch den Eltern gegenüber wird Anerkennung und Lob für ihr mutiges und tapferes Kind ausgesprochen. Zum Schluss darf sich jedes Kind noch eine Belohnung aussuchen, die als kleine Anerkennung für die gute Kooperation des Kindes und als Symbol seines Erfolges keinesfalls einen großen materiellen Wert haben sollte (7 Abschn. 4.1.2).
fluss wieder in Gang gesetzt wird, das Blut nun wieder in dem Maße fließen kann, wie es für eine gute Heilung notwendig ist, und die steife und kalte Hand wieder gut durchblutet, beweglich und warm wird. Weiterhin können posthypnotische Suggestionen in der Aufwachphase Wohlbefinden oder eine gute Wundheilung beinhalten, denn »In der Nacherholungsphase bewirken die unterschiedlichen Modifikationen suggestiver Beeinflussung durchgängig positive Ergebnisse« (Kossak 2004, S. 561).
Nachbesprechung
Nachbesprechung
Jedes Kind sollte aus der Behandlung mit einem positiven Gefühl entlassen werden (7 Abschn. 4.2.4). Die kleinen Patienten werden vor der Verabschiedung nochmals für alles gelobt, was sie gut gemacht haben, ganz egal was sich im Behandlungsverlauf ereignet hat. Alle positiven Situationen bei der Behandlung werden dabei hervorgehoben, die negativen »vergessen«. Durch dieses individuelle und tolerante Vorgehen verbessern sich der Rapport und die Behandlungsbereitschaft von Mal zu Mal. Selbst aus Kindern, die anfänglich noch nicht so gut mitgearbeitet haben, werden so im Laufe der Zeit mutige und anhängliche Patienten, die gern wieder zur Behandlung in die Kinderzahnarztpraxis kommen und sich oft sogar regelrecht auf die Zahnbehandlung freuen.
Auch bei größeren Kindern und Jugendlichen muss darauf geachtet werden, dass jeder Patient in einem guten, ausgeglichenen Zustand aus der Behandlung entlassen wird. Die weiteren Behandlungsschritte werden festgelegt; sie richten sich ganz nach den individuellen Fähigkeiten der jungen Patienten und werden zum Abschluss einer jeden Hypnosezahnbehandlung mit ihnen besprochen.
Dehypnose bei größeren Kindern und Jugendlichen Reorientierung War ein Patient während der Hypnosebehandlung in einer tieferen Trance, was bei größeren Kindern und Jugendlichen sehr häufig vorkommt, ist auf die Rückorientierung besonders zu achten. Wie von Kossak (2004) sowie Schmierer und Schütz (2007) ausführlich beschrieben wurde, wird hier wie bei Erwachsenen eine klassische Dehypnose mit Rückwärtszählen und posthypnotischen Suggestionen durchgeführt.
Posthypnotische Suggestionen Durch posthypnotische Suggestionen (7 Abschn. 1.3.4) kann einerseits die Normalisierung aller veränderten Körperfunktionen erreicht werden. So wird beispielsweise suggeriert, dass der Speichel-
Vertraute Behandlungsabläufe mit positivem Ausgang Kinder brauchen Struktur, Rituale und eine ruhige, ausgeglichene Atmosphäre, um sich wohl zu fühlen und Vertrauen aufbauen zu können (7 Abschn. 2.3.4). Deshalb sollte die Zahnbehandlung besonders bei Kindergarten- und Grundschulkindern möglichst immer nach dem gleichen Schema ablaufen. Diese Struktur ist auch für das Behandlungsteam hilfreich und insbesondere in schwierigen Behandlungssituationen einzuhalten, in denen die Patienten besonders aufgeregt und übersensibel sind und oft auch die Mitarbeiterinnen oder der Zahnarzt selbst eine sehr große innere Anspannung verspüren. Insbesondere ist ein positiver Abschluss bei jeder zahnärztlichen Kinderhypnose anzustreben, was immer besser gelingt, je vertrauter den kleinen Patienten die Behandlungsabläufe werden. Zur Wiederholung wird der Ablauf einer Kinderzahnbehandlung mit Hypnose an dieser Stelle noch einmal schrittweise aufgezeigt; allerdings dürfen die individuellen Bedürfnisse der Kinderpatienten keinesfalls einem zu schematischen Vorgehen zum Opfer fallen!
5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
Ablaufschema Kinderzahnbehandlung mit Hypnose 5 Kinder im Wartebereich zur Akklimatisierung noch ca. 15 min spielen lassen, bevor sie in den Behandlungsraum geführt werden. 5 Nur bei Unfällen das Kind sofort in den Behandlungsraum auf den Schoß der Begleitperson setzen (Notfalltrance). 5 Entspannungsmusik oder Kinderlieder bereits in der Wartezone hören lassen. 5 Das in der jeweiligen Praxis als »Pflichtlektüre« empfohlene Kinderbuch vor der Behandlung noch einmal vorlesen lassen. 5 Das Kind auf gleicher Augenhöhe begrüßen, dabei die individuelle Distanzgrenze beachten und Handpuppen verwenden. 5 Vor jeder Untersuchung das »Zahnarztrollenspiel« durchführen und auch andere Maßnahmen zur Musterunterbrechung anwenden. 5 Rapport durch Yes-Set, Pacing und Leading aufbauen. 5 Das Bedürfnis der Kinder nach Konstanz beachten: möglichst bei jeder Behandlung gleicher Behandlungsraum, gleiche Assistenz, immer gleiche Geschichten und Behandlungsabläufe. 5 Die Untersuchung bei sehr kleinen und ängstlichen Kindern in Knie-zu-Knie-Position (Hoppe-Reiter-Position) durchführen. 5 Kleine Kinder und Unfallkinder auf der Mutter liegend behandeln. 5 Größere Kinder dürfen es sich allein auf dem Behandlungsstuhl (gemütlicher Liegestuhl) bequem machen und Fingerpuppen, Zaubermöwe oder Zauberstab auswählen. 5 Den »gemütlichen Liegestuhl« als Anker für eine angenehme Behandlungssituation am Anfang jeder Behandlung nutzen. 5 CDs oder Kassetten mit Geschichten, Kinderliedern oder Trancemusik bei der Behandlung hören lassen. 5 Alles, was stört, besprechen und beseitigen: Sonnenbrille und Kopfhörer aufsetzen, Watterollen klein schneiden, ggf. anfangs im Sitzen behandeln.
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5 Ständig Körperkontakt zum Kind behalten (Grifftechniken beachten). 5 Tiefe Bauchatmung zur Entspannung einüben (Luftballonreise). 5 Bei Bedarf Akupressurpunkte bekleben und von der Begleitperson massieren lassen. 5 Ziel der Reise (Urlaub, Meer, Zauberwald) besprechen und imaginieren. 5 Lieblingsbeschäftigung und/oder Lieblingstier einbeziehen (Fingerpuppe). 5 Armkatalepsie (mit Fingerpuppen, Zauberstab, Zaubermöwe) erzeugen, indem der erhobene Arm anzeigt, wie hoch der Luftballon fliegt. 5 QuickTimeTrance mit Geschichten vom Luftballonflug an den Lieblingsort/Zauberwald erzählen oder andere Induktionsmethoden anwenden. 5 Doppelinduktion dabei einsetzen: der Behandler erzählt eine Trancegeschichte, die Helferin gibt Entspannungssuggestionen und umgekehrt. 5 Alle Sinneskanäle dabei berücksichtigen (VAKOG). 5 Bei Bedarf den Zahn kurz sauber duschen – dabei bis 3 zählen und eine Regenwolke mit buntem Regenbogen imaginieren. 5 Vorher Stoppsignal vereinbaren (Ampelspiel). 5 Helfer (Fingerpuppen, Zaubermöwe, Kuschel-Kraft-Tiere, Zauberstab) und Geschichten häufig wechseln lassen (Trancefraktionierung). 5 Zahnteufel aus dem Zahn angeln – Excavator als Zahnteufelangel verwenden. 5 Das Kind darf die Zahnteufel selbst wegsaugen (Trancefraktionierung). 5 Bei Kinderbetäubung Lieblingseis und bunte Schlafsaftkügelchen imaginieren. 5 Bei Zahnextraktionen Heilmetapher verwenden. 5 Positiver Abschluss aller Behandlungsinterventionen, »Prinzip der kleinen Schritte’«. 5 Nach Rückorientierung posthypnotische Suggestionen zur Vorbereitung auf die nächste Behandlung geben. 5 Kleine Belohnung bereithalten.
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
5.4.7
Anwendung der Kinderhypnose bei der Prophylaxe
Bei Prophylaxemaßnahmen im Kindesalter gibt es zwei Haupteinsatzgebiete für hypnotische Interventionen: 5 Angst vor jeglicher zahnärztlicher Manipulation, 5 Motivation von Kind und Eltern zur regelmäßigen häuslichen Zahn- und Mundhygiene sowie zu halbjährlichen Prophylaxemaßnahmen.
Die Angstproblematik Die Angst vor der Zahnbehandlung, die nicht nur Kinder, sondern auch viele Jugendliche und Erwachsene haben, äußert sich auch bei Prophylaxemaßnahmen. Auf dem Behandlungsstuhl sind die meisten Patienten mit ihrer Wahrnehmung auf negative Gedanken und Gefühle fokussiert: 5 Auf den Anblick der vielen unbekannten, Furcht erregenden Instrumente, 5 auf die lauten Geräusche und unangenehmen Gerüche, 5 auf den unangenehmen Geschmack im Mund und die trockene Watte, 5 auf das Unterlegenheitsgefühl, wenn man sich hinlegen, den Mund öffnen und stillhalten soll, 5 auf den Zahnarzt/die Prophylaxehelferin, die in die Intimsphäre eindringen, 5 auf das Gefühl, dieser Situation hilflos ausgeliefert zu sein. Diese unangenehmen Wahrnehmungen verstärken die Angst, das Unwohlsein und die körperlichen Reaktionen darauf, und der Patient befindet sich schon bei dem Gedanken an eine solche Situation in einer negativen Trance (Dystrance). Deshalb sind bei der Prophylaxe Entspannungsübungen und Kinderhypnose ebenso einzusetzen wie bei der Zahnbehandlung (7 Abschn. 5.4), wobei Prophylaxemaßnahmen außerordentlich gut zur Desensibilisierung und Gewöhnung an die Behandlung geeignet sind.
Fallbericht Max, 5 Jahre alt (Praxis Dr. Zehner) Die Mutter des 5-jährigen Max bittet uns um Hilfe für ihren verängstigten und behandlungsunwilligen Sohn. Er hat bei seinem Hauszahnarzt die Behandlung (Versiegelung) abgebrochen, da ihn nach Angaben der Mutter vor allem die unbekannten Prozesse und auch die lauten Geräuschen wieder einmal so in Angst versetzt haben, dass er den Mund dort nicht wieder geöffnet hat. Wir vereinbaren vorerst nur einen Kontrolltermin, bei dem Max die Praxis und unser Team kennenlernen soll, die eigentliche Behandlung ist erst danach vorgesehen. Uns begegnet ein recht zutraulicher und aufgeschlossener Junge, der sich nach der Begrüßung interessiert in der Praxis umschaut. Schon kurze Zeit später lässt er sich von einer Mitarbeiterin bereitwillig eine Versiegelung an seinem Fingernagel demonstrieren (Rapportaufbau). Sie zeigt ihm den Pustewind, das kleine Pinselchen, den Lack und die schöne blaue Sonne (Zauberlampe) und malt mit dem Versiegelungslack ein kleines Gesicht auf seinen Finger, das er dann selbst mit der Zauberlampe beleuchten darf (Tell-Show-Ask-Do-Methode). Im Anschluss daran wollen wir mit Max eigentlich nur eine Leerhypnose ohne Behandlung durchführen. Er darf sich einen Zauberstab und eine Fingerpuppe zum Helfen aussuchen. Während die Mutter möchte, dass Max den größten Zauberstab auswählt, nimmt er den kleinsten. In dieser Situation ist es für das Behandlungsteam wichtig, die Wünsche des Kindes zu bekräftigen und Einwände der Mutter zu negieren. Zusätzlich wählt Max eine Haifischfingerpuppe mit vielen kräftigen Zähnen als Helfer aus. Danach wird der Behandlungsstuhl langsam in Horizontallage gebracht und Max ein Kissen unter den Kopf gelegt (gemütlicher Liegestuhl). Während er auf dem Zeigefinger der linken Hand den Fisch und mit der rechten Hand den Zauberstab hoch hält (Armkatalepsie), wird das Prozedere der Versiegelung nochmals an den Zähnen des Haifisches demonstriert. Dabei soll Max tief in den Bauch ein- und ausatmen und sich vorstellen, er fliege mit einem Luftballon hoch in die Luft – bis an die Decke, wo ein großes Poster seine Aufmerksamkeit fesselt. Er soll sich eine Stelle auf dem Deckenbild aussuchen, wo
5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
er mit seinem Ballon hinfliegen will. Beim Atmen pustet er daraufhin seine Wangen auch tatsächlich ganz dick auf und sagt, dass er zu einem großen Haus hinauf fliegen möchte, das er auf dem Bild an der Decke entdeckt hat. Mit Suggestionen wie »… und schau mal, wie klein die Erde unter Dir wird, je höher Du fliegst … und die Menschen, wie kleine Ameisen … und hör, wie der Wind rauscht … und riech den schönen Duft der Blumen auf der Wiese …« wird eine Fokussierung der Wahrnehmung mit mehreren Sinneskanälen auf die Luftballonreise erreicht. Das führt zu einer Dissoziation seiner Aufmerksamkeit weg vom Behandlungsgeschehen auf dem Zahnarztstuhl. Die Mitarbeiterin gibt dabei zeitgleich Entspannungssuggestionen: »Atme tief ein und aus … lass alles ganz locker … gut so, das machst Du ganz toll …!« (Doppelinduktion). Max schließt dabei ganz von selbst seine Augen, was bei Kindern in diesem Alter noch recht ungewöhnlich ist und auf einen sehr guten Rapport hindeutet. Er atmet immer ruhiger und tiefer, beide Arme sind kerzengerade nach oben gestreckt, und mit dem Zauberstab zeichnet er kleine Kreise in die Luft. Das sind für uns eindeutige Trancezeichen, und wir sprechen weiterhin gleichzeitig von beiden Seiten langsam und mit ruhigen und etwas tieferen Stimmen zu ihm. Dabei läuft im Hintergrund entspannende und beruhigende Musik, und Max scheint diesen Trancezustand so richtig zu genießen. Deshalb fragen wir ihn nach einer kleinen Weile, ob es für ihn o. k. ist, wenn wir probeweise eine Versiegelung an einem seiner Molaren durchführen, was ja ursprünglich erst für den nächsten Termin geplant war. Max signalisiert sein Einverständnis durch leichtes Kopfnicken, und während von beiden Seiten weiter Entspannungs- und Wohlfühlsuggestionen gegeben werden, kommentieren wir alle Behandlungsschritte. So kann sein Zahn ganz entspannt versiegelt werden. Während die Zauberlampe zum Schluss den Zahn beleuchtet, summt Max sogar noch ein Lied und malt ganz besonders große Kreise mit seinem Zauberstab in die Luft. Danach wird er aufgefordert, mit seinem Luftballon wieder in unserer Praxis zu landen. Er senkt daraufhin seine Arme, öffnet die Augen und strahlt uns an. Wir vereinbaren, dass zum nächsten Termin
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die anderen Zähne ebenso schnell und entspannt versiegelt werden (posthypnotische Suggestion), und er wird durch kräftiges Händeschütteln wieder aus seiner Trance zurückgeholt. Nach dieser Reorientierung erzählt er ganz begeistert, wie toll die Luftballonreise war und dass er von der Versiegelung gar nichts gemerkt hätte. Unangenehme Geräusche, die ihn sonst immer so sehr verängstigt haben, hätte er nicht wahrgenommen, sondern nur den Wind rauschen gehört, aber das sei ja ganz normal, wenn man mit einem Ballon so weit oben in der Luft fliegt.
Motivation zur Prophylaxe Motivationsstrategien zur regelmäßigen intensiven häuslichen Zahnpflege und zu professionellen Prophylaxemaßnahmen in der Zahnarztpraxis sind bei Kindern in allen Altersgruppen erforderlich. Aber auch die Eltern müssen motiviert werden, ihre Kinder rechtzeitig und regelmäßig an das Zähneputzen und die zahnärztlichen Vorsorgemaßnahmen heranzuführen. Trotz eines eindrucksvollen Rückgangs der Kariesprävalenz in Deutschland durch die zahnmedizinische Prophylaxe besteht bei den benachteiligten sozialen Schichten (und nicht nur bei Patienten mit Migrationshintergrund) noch großer Handlungsbedarf. Die Zahnpflegegewohnheiten und die Inanspruchnahme zahnärztlicher Vorsorgeuntersuchungen variieren vor allem in Abhängigkeit von sozialen Faktoren, und insbesondere bei Kleinkindern sollten die Mundhygiene und das Inanspruchnahmeverhalten prophylaktischer Maßnahmen verbessert werden (Schenk u. Knopf 2007). Hier sind insbesondere die Eltern gefragt, die zu einer positiven Einstellung gegenüber der Mundhygiene und der zahnmedizinischen Prophylaxe und zu mehr Kooperation motiviert werden müssen (7 Abschn. 3.5.4). Kommt das Gespräch auf das Thema Mundhygiene, wird es noch immer von den meisten Patienten sofort mit Schuldgefühlen, Misserfolg und Tadel assoziiert. Diese Erinnerungen und Gefühle, die eher Vermeidungsverhalten als Begeisterung auslösen, sollten durch solche ersetzt werden, die positive Assoziationen wecken wie Stolz, Freude und Erfolg (E. Hulbert 2002).
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Kleinkinder Regelmäßige zahnärztliche und häusliche Vorsorge vor Karies und Zahnfleischerkrankungen beginnt idealerweise bereits ab dem Durchbruch des ersten Milchzähnchens. Tägliches Zähneputzen mit Singen oder Reimen aufsagen, das Achten auf eine zahngesunde Ernährung und regelmäßige Kontrollen durch den Zahnarzt sind anfangs zur Gewohnheitsbildung ausreichend.
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Kindergarten- und Vorschulalter Die Kinder wollen in diesem Alter schon alles »alleine« machen; das versuchen sie oft auch vehement beim Zähneputzen durchzusetzen. Den Eltern ist meistens nicht bewusst, dass Kinder im Vorschulalter aufgrund ihrer noch nicht ausreichenden motorischen Fähigkeiten gar nicht in der Lage sind, ihre Zähne ausreichend gründlich zu putzen. Erst wenn sie bereits flüssig schreiben können, sind die Voraussetzungen für eine adäquate selbstständige Mundhygiene gegeben.
Lernen durch Nachahmung
Deshalb ist die Vorbildwirkung von Eltern und Geschwistern gefragt, denn die kleineren Kinder möchten alles so machen wie die »Großen« und ahmen deren Zahnputzverhalten nach. Ebenso lassen sie sich die Zähne abends von den Eltern gern nachputzen, wenn das bei den großen Geschwistern auch durchgeführt wird.
Zahnputzritual
Wir empfehlen, dabei immer wieder die gleichen Prozeduren durchzuführen und die alltäglich wiederkehrende Zahnpflege als ein Ritual zu etablieren (7 Abschn. 2.3.4). Rhythmus und Wiederholungen geben den Kindern Sicherheit und es macht ihnen Freude, Vertrautes noch einmal zu erleben. Daher kann das abendliche Zähneputzen als »Zahnputzspiel« durchaus zu einer beliebten Vorbereitung auf das Zubettgehen werden.
Praxis konkret – Abendliches Zahnputzritual 5 Das Zahnputzspiel wird jeden Abend möglichst zur gleichen Zeit vor dem Schlafengehen durchgeführt. 5 Das Kind putzt zuerst allein mit einer Handzahnbürste. Dabei können Reime aufgesagt, Lieder gesungen oder entsprechende CDs eingesetzt werden. 5 Danach wird von den Eltern mit einer elektrischen Zahnbürste nachgeputzt, wobei das Kind mit weit geöffnetem Mund auf dem Badeteppich, im Bett oder auf dem Schoß der Mutter liegt. So erlebt es beim abendlichen Zahnputzritual bereits eine Situation, die der Zahnbehandlung oder Zahnreinigung bei der Prophylaxe in der Zahnarztpraxis ähnelt. Die Liegeposition des Kindes erleichtert den Eltern das Nachputzen, da für sie dabei besonders der Molarenbereich besser einsehbar ist. Für die Kinder ist das Nachputzen in dieser liegenden Position viel angenehmer, und durch die elektrische Zahnbürste werden sie gleichzeitig konditioniert für eine spätere professionelle Zahnreinigung oder eine Behandlung in der Zahnarztpraxis (latente Inhibition 7 Abschn. 4.4.5). 5 Die Zähne werden anschließend im Spiegel genau begutachtet (VAKOG). Das Kind schaut sich an, wie sie blitzen und blinken, schmeckt den guten Geschmack, riecht den frischen Duft und fühlt, wie glatt sie jetzt sind – und wenn man mit dem Finger darüber fährt, kann man sie vor Freude sogar quietschen hören! 5 Motivationsverstärker in Form von viel Lob und Anerkennung, einer kleinen Geschichte oder einem Abendlied zum Abschluss beenden das Ritual.
Trotzverhalten
Beim Zähneputzen klagen viele Eltern darüber, dass ihr Kind trotzig reagiert und unkooperativ ist. Hier muss hinterfragt werden, wie das Zahnputz-
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5.4 • Kinderhypnose bei der Zahnbehandlung
ritual zu Hause abläuft. Wie in 7 Abschn. 2.3.4 ausführlich erläutert, entsteht Trotz immer, wenn vom Kind etwas verlangt wird, das seine entwicklungsbedingten Fähigkeiten überfordert – wenn also beispielsweise seine Zeitperspektive oder sein Wunsch nach immer wiederkehrenden Rituale nicht beachtet werden (Metzger 1956). Möglicherweise wird das Kind vor dem abendlichen Zähneputzen nicht rechtzeitig darauf hingewiesen, dass es sein Spiel jetzt beenden muss. Plötzlich unangekündigt sein Spielen unterbrechen zu müssen, empfindet das Kind als übergriffig; es versteht im Vorschulalter noch nicht, dass es am nächsten Tag weiterspielen kann und denkt, es darf nie mehr spielen. Zeitdruck und Ungeduld der Erwachsenen und eine Änderung des gewohnten Ablaufs wirken zusätzlich verunsichernd auf das Kind. Das Trotzverhalten ist hier der Ausdruck einer starken Irritation, Hilflosigkeit und Ratlosigkeit, das sich in Schreien und Weinen ausdrückt. Die Kinder sind dann nicht mehr zu kooperativem Verhalten zu bewegen und brauchen einfach nur Ruhe, bis der »Anfall« vorbei ist. Stellt man sich auf die oben erwähnten entwicklungsbedingten Bedürfnisse des Kindes ein und berücksichtigt sie, werden Trotzanfälle deutlich seltener auftreten.
Grundschulalter Das oben beschriebene Zahnputzritual wird weiterhin empfohlen, bis die Kinder allein in der Lage sind, entsprechend gründlich ihre Zähne zu putzen. Besonders wenn die Sechsjahrmolaren im Durchbruch sind, ist ein gründliches und schonendes Nachputzen im Liegen angezeigt, damit die Eltern gleichzeitig eine gute Sichtkontrolle haben und den Kindern beim abendlichen Putzritual keine Schmerzen zufügen.
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Personenbezogenes Lernen, Identifikationslernen
Wir erreichen in dieser Altersgruppe durch eine liebevolle und wertschätzende Beziehung, also durch guten Rapport der Prophylaxehelferin und des Zahnarztes zum Kind (7 Abschn. 5.2.1), eine Motivationssteigerung bei der Prophylaxe. Die kleinen Patienten putzen und schrubbeln ihre Zähne dem Behandlungsteam zuliebe besonders gründlich, wobei die Neugierde und der ausgesprochen große Forscherdrang in diesem Alter die Wissensvermittlung in Bezug auf die Zahngesundheit erleichtern.
Grenzen setzen
Je älter die Kinder werden, umso mehr wollen sie ihre Möglichkeiten ausloten, sich zu verweigern und ihren »Kopf durchzusetzen«. Dabei kommt es häufig auch zu überschießenden Reaktionen in der Zahnarztpraxis. Daher ist es auch in der Prophylaxesitzung wichtig, humorvoll und wohlwollend Grenzen zu setzen.
Lernen durch Verstärkung
Lob und Anerkennung sowie eine kleine Belohnung nach der Prophylaxesitzung steigern die Motivation. Kritik wird immer als sog. »Sandwich« verabreicht (E. Hulbert 2002): 5 Lob: »Vorne hast Du gut geputzt«, 5 Tadel: »Wenn Du auch noch hinten besser putzen würdest …«, 5 Lob: »… dann wirst Du Weltmeister im Zähneputzen!« Die Kritik ist hierbei positiv verpackt, was eher zu einer Änderung des Verhaltens führt, als wenn die zu kritisierenden Verhaltensweisen durch Strafe oder negative Zuwendung verstärkt werden.
Prophylaxe und Versiegelung
Ab dem Grundschulalter finden regelmäßige halbjährliche Prophylaxesitzungen in der Zahnarztpraxis statt. Hier werden auch erste Behandlungsmaßnahmen in Form von Versiegelungen erforderlich, worauf die Kinder gut vorzubereiten sind. Dabei können die kleinen Patienten bereits mit den unterschiedlichen Methoden der Tranceführung vertraut gemacht werden (7 Abschn. 5.4)
Metaphern und Geschichten bei Kindergartenund Grundschulkindern
Der Einsatz von Metaphern und Geschichten ist bei Prophylaxemaßnahmen im Vor- und Grundschulalter besonders hilfreich. Verschiedene Kollegen, die auf Kinderhypnose spezialisiert sind, haben Zahnputzgeschichten verfasst (Kant 2008 b;
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Behneke u. Schoderböck 2002; A. Schmierer 2002; Schütz u. Freigang 2002). Sie werden von den Kindern ebenso gern gehört wie die Geschichte von den beiden Zahnteufeln Hacki und Dicki aus der Milchzahnstrasse (Russelmann 2008), die von der Zahnpolizei verjagt werden. Ein altersgerechtes und individuelles Vorgehen ist bei diesen Zahnputzgeschichten ebenso bedeutsam wie bei den Metaphern und Geschichten zur Zahnbehandlung (7 Abschn. 5.4.2 u. 5.4.3).
5 Praxis konkret – Geschichte von den gefräßigen Bakterien Die im Folgenden beschriebene Vorgehensweise ist gleichermaßen geeignet für Kinder, die sich von ihren Eltern abends die Zähne nicht nachputzen lassen wollen, als auch für Eltern, die der Meinung sind, ihre Kinder im Vorschulalter müssten das abendliche gründliche Zähneputzen bereits allein schaffen. Zuerst wird mit der Sonde etwas Zahnbelag von einem Zahn abgekratzt, dem Kind und auch der Mutter gezeigt und dabei erklärt, dass ein so klebriger und von den Bakterien bereits durchsetzter Zahnbelag bereits über 24 h alt sein muss. Frische Speisereste sehen ganz anders aus!! Wir erzählen dann von den Bakterien, bei kleineren Kindern werden sie in unserer Praxis analog zur »Praxispflichtlektüre« (Russelmann 2008) Hacki und Dicki genannt, die sich auf der Zahnoberfläche häuslich niederlassen und alles fressen, was das Kind selbst auch isst. Dabei wird die Aufmerksamkeit voll auf das Kind gerichtet und nur aus den Augenwinkeln beobachtet, ob die daneben stehende Mutter auch genau zuhört. »… und wenn Du etwas gegessen hast, kommt das Essen in Deinen Bauch, stimmt‘s? Und was passiert dann? Dann wird das Essen verdaut, und irgendwann musst Du dann zur Toilette gehen, um die verdauten Reste wieder auszuscheiden, genau. Weißt Du, ganz genau so ist das auch bei den Bakterien. Sie fressen und fressen – und wenn Deine Mama oder der Papa Dir abends nicht ganz, ganz gründlich die Zähne nachputzen und die Bakterien von Deinen Zäh-
nen wegschrubbeln, sitzen sie in der Nacht immer noch dort! Und dann müssen sie mal aufs Klo – kurze Pause – und auf Deinem Zahn haben sie ja kein Klo – kurze Pause –. Weißt Du was dann passiert? Genau!!! Die Bakterien machen ganz einfach Pipi auf Deinen Zahn! Es geht ja nicht anders, sie müssen ja in der Nacht so dringend! Und nun will ich Dir genau erklären, was dann passiert: Die Ausscheidungen der Bakterien, also ihr Pipi, sind ganz, ganz sauer und ätzend. Und die machen Deine Zähne kaputt. Die Zähne sind ja echt fast so hart wie Diamanten, aber gegen ein so ätzendes Bakterienpipi sind sie nicht fest genug. Und das nur, weil die Bakterien abends nicht gründlich genug weggeputzt wurden! Ist doch blöd, oder? Da ist es doch viel besser, wenn in Zukunft Mama oder Papa Deine Zähne abends immer ganz gründlich nachputzen, am besten im Liegen, damit sie auch alles gut sehen können und alle Bakterien erwischen. Du solltest Deine Mama jeden Abend daran erinnern, damit sie es nicht vergisst.« Jetzt erst wird die Mutter einbezogen, ihr noch einmal kurze Aufmerksamkeit gewidmet und die Rückmeldung eingeholt, dass sie von nun an das Zahnputzritual (s. oben) mit ihrem Kind regelmäßig durchführen wird.
Habituation – Gewöhnung
Kommt das Kind zur ersten Prophylaxesitzung in die Zahnarztpraxis, kann es mit der nachfolgenden Geschichte vom Straßenreinigungsauto (Behneke 2003 a) an die lauten rotierenden Instrumente gewöhnt werden: »Du kennst doch bestimmt die großen Autos, die immer die Straße schön sauber putzen. So ein Auto ist ganz laut und hat unten eine große runde Bürste. Die dreht sich und reinigt dabei die Straße. Hast Du so eine Straßenkehrmaschine schon einmal gesehen? Also, wir spielen jetzt einmal, dass Deine Hand die Straße ist. Und mein Bürstchen (grünes Winkelstück) ist das Straßenreinigungsauto. Dein Fingernagel ist ein schöner Platz, der wird jetzt ganz
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5.5 • Hypnotische Interventionen in der Kieferorthopädie
sauber gekehrt. Jetzt dreht sich der runde Besen ganz langsam, das ist ganz schön laut … (Handkatalepsie entsteht). Spürst Du, wie es kitzelt? Und jetzt spielen wir, die Zähne sind die Straße, eine richtige Milchzahnstraße … Auch hier kitzelt es ein bisschen, aber nicht so laut lachen, Zähne, ihr seid wohl kitzelig …?« Wurden bei den Kindern die Zähne zu Hause bereits abends regelmäßig mit der elektrischen Zahnbürste nachgeputzt, sind sie an die Geräusche, die Liegeposition und das kitzelige Gefühl bereits gewöhnt, und die Straßenkehrmaschine ist dann eine große elektrische Zahnbürste, die die Zähne noch viel gründlicher putzen kann als die Zahnbürste zu Hause.
Teenager und Jugendliche In dieser Altersgruppe sind Wissensvermittlung und Prophylaxemaßnahmen bereits ähnlich wie bei Erwachsenen möglich. Jugendliche wollen ernst genommen und nicht wie Kinder behandelt werden. Dabei wirkt sich nach E. Hulbert (2002) der entwicklungsbedingte Widerstand gegen Erwachsene und ihre Belehrungen negativ auf die Zahnpflege und die Ernährungsgewohnheiten von Jugendlichen und somit auch auf die Prophylaxebemühungen in der Zahnarztpraxis aus. Motivation durch Zielvorstellungen (Zahngesundheit, Lebensqualität, soziale Anerkennung), Identifikation mit einem Idol (Schauspieler oder Musiker) oder der spätere Berufswunsch (Model, Pilot) sind bei der Zahnprophylaxe möglich und erfolgreich. Beginnende Intimbeziehungen motivieren ebenfalls zu einer besseren Mundhygiene.
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Hypnotische Interventionen in der Kieferorthopädie
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In der Kieferorthopädie kann man Hypnose sowohl bei der Vorbeugung (kieferorthopädische Prophylaxe) als auch bei der Behandlung von Zahn- und Kieferfehlstellungen (kieferorthopädische Therapie) einsetzen. Sie ist in Form von gezielten Suggestionen, Trancegeschichten und auch direkter Hypnose anwendbar. z
Die kieferorthopädische Prophylaxe – hypnotische Interventionen
5 Zum Abgewöhnen des Beruhigungssaugers, 5 zum Abgewöhnen von Habits (schädliche Angewohnheiten), 5 zur Motivation zum Tragen vorgefertigter Silikongeräte (Stoppi, Mundvorhofplatten, Infanttrainer, Positiontrainer), 5 bei Bruxismus. z
Die kieferorthopädische Behandlung – hypnotische Interventionen
5 Gegen Würgereiz bei der Abdrucknahme, 5 beim Eingliedern von herausnehmbaren oder festsitzenden kieferorthopädischen Behandlungsgeräten, 5 zur Gewöhnungskontrolle, 5 zur Steigerung der Motivation zum Tragen herausnehmbarer Behandlungsgeräte, 5 zur Verbesserung der Reaktion auf kieferorthopädische Maßnahmen.
5.5.1
Die kieferorthopädische Prophylaxe
Metaphern für Teenager und Jugendliche
Bei Jugendlichen mit nicht ausreichender Mundhygiene sind ebenfalls Metaphern angebracht, um eine Verhaltensänderung zu bewirken. An dieser Stelle soll insbesondere auf die Metapher vom Zungenkuss hingewiesen werden, der natürlich mit ungeputzten Zähnen und Mundgeruch weniger angenehm ist. Auch die Metapher von der Biotonne, in der sich kleine Tierchen vermehren, wenn sie mehrere Tage nicht geleert wurde, ist in dieser Altersgruppe sehr wirkungsvoll (Schütz u. Freigang 2002; Schmierer u. Schütz 2007).
Exzessives Saugen an einem Beruhigungssauger oder an den Fingern, vorzugsweise am Daumen, ist bei Kleinkindern eine häufige Ursache für Zahnund Kieferfehlstellungen. Daneben etablieren sich häufig auch andere schädliche Angewohnheiten, die man als »Habits« bezeichnet. Dazu gehören das Nägelkauen, Lippenbeißen, Lippenlecken, die offene Mundhaltung mit Mundatmung, das viszerale Schlucken, Zungenkauen und Zungenpressen sowie das Knirschen und Pressen mit den Zähnen (Bruxismus). Diese Gewohnheiten erzeugen Mus-
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
kelfehlfunktionen im orofazialen Bereich und können eine harmonische Kieferentwicklung erheblich stören, was zu Zahnfehlstellungen mit Okklusionsund Artikulationsstörungen führen kann. Das intensive Nuckeln an einem Beruhigungssauger, das Daumen- und Fingerlutschen sowie das Nägelkauen wirken sich bei den Kindern bereits jenseits des 3. Lebensjahres sehr nachteilig auf die Zahn- und Kieferentwicklung aus; deshalb sollen diese Habits zuerst und besonders ausführlich erwähnt sowie einige Möglichkeiten des Abgewöhnens aufgezeigt werden.
Nuckeln am Beruhigungssauger Bis zum 3. Geburtstag sollte ein Beruhigungssauger langsam abgewöhnt werden, um bleibende Schäden am kindlichen Kiefer zu vermeiden. Wenn der »Schnuller« aber einfach weggeworfen wird und plötzlich nicht mehr da ist, kann es vorkommen, dass die Kinder sich eine Ersatzbefriedigung suchen – beispielsweise beginnen sie, an den Fingern bzw. am Daumen zu nuckeln oder ihre Nägel zu kauen. Deshalb sollte man dem Kind im Austausch gegen sein geliebtes »Nucki« als Ersatz einen »Schnuller für große Kinder« anbieten, der sogar am Tag im Mund sein darf.
Ersatzschnuller für große Kinder Es handelt sich hierbei um Geräte aus weichem Silikonmaterial (Stoppi oder Mundvorhofplatte MVP), die so konstruiert sind, dass sie im Gegensatz zum bisherigen Beruhigungssauger myofunktionell förderlich sind und das muskuläre Gleichgewicht im orofazialen Bereich wiederherstellen. Beginnende Kieferverformungen können so rückgängig gemacht werden bzw. gar nicht erst auftreten. Diese Geräte müssen vom Zahnarzt gut dem kleinen Mund angepasst und meistens im distalen Bereich noch erheblich gekürzt werden, damit die Kinder sie auch gut akzeptieren.
Die Schnullerfee Die Geschichte von der Schnullerfee, der das Kind sein »Babynucki« anvertrauen kann, und von der es bei Bedarf einen »Ersatzschnuller für große Kinder« bekommt, unterstützt die Eltern beim Abgewöhnen des Beruhigungssaugers.
Praxis konkret – Schnuller abgewöhnen durch Tausch gegen Stoppi oder MVP »Die Schnullerfee fliegt abends an den Fenstern der Kinderzimmer vorbei und schaut nach, ob sie irgendwo noch große Kinder findet, die immer noch einen Babyschnuller benutzen. Für diese Kinder besorgt sie einen ganz besonders tollen Nuckel, den nur große Kinder nehmen dürfen!« Damit wird Neugierde geweckt; das motiviert die Kinder, den Schnuller gegen etwas Besseres einzutauschen. »Den tollen Nuckel für große Kinder bringt die Schnullerfee in die Zahnarztpraxis, damit der Zahnarzt prüfen kann, ob er Dir auch gut passt. Wenn er gut passt, darfst Du ihn sogar am Tag ganz viel im Mund haben, und in der Nacht kann man richtig schön daran nuckeln und wunderbar damit schlafen«.
Termin zum Nuckitausch Die kleinen Patienten werden mit der Geschichte von der Schnullerfee auf den Termin zum Austauschen des Beruhigungssaugers gegen ein Silikongerät (Stoppi, Mundvorhofplatte) gut vorbereitet. Sie sind jetzt schon so groß, dass die Schnullerfee ihnen extra einen ganz besonderen »Schnuller für große Kinder« bringt – das muss ausreichend gewürdigt werden. Deshalb sollte dieses Ereignis als etwas ganz Besonderes dargestellt und auch auf einen ganz besonderen Tag gelegt werden – Geburtstag, Nikolaus, Schulanfang des Geschwisterkindes o. ä. Bis zu diesem besonderen Tag soll das Kind alle seine Schnuller einsammeln, und bevor die Zahnarztpraxis zum Schnullertausch aufgesucht wird, sollte ein feierliches Abschiedsritual inszeniert werden, das bei dem kleinen Patienten einen bleibenden Eindruck hinterlässt. In der Praxis wird das Kind aktiv bei der Übergabe und dem Tausch gegen den Ersatzschnuller mit einbezogen; beispielsweise packt es seine »Nuckis« selbst in ein Päckchen für die Schnullerfee oder in ein großes Glas, das in der Zahnarztpraxis bereitsteht. Viele Kinder bringen ein ganzes Schnullerarsenal mit in die Praxis, wofür sie besonders gelobt werden. Es fällt es ihnen leichter, die eigene
5.5 • Hypnotische Interventionen in der Kieferorthopädie
Schnullerkollektion mit in das Glas hineinzugeben, wenn sich bereits mehrere »Schnuller« von anderen Kindern darin befinden. Zu Hause wird der »Ersatzschnuller« von den kleinen Patienten besser akzeptiert, weil sie ihren »Babyschnuller« ja selbst der Schnullerfee gebracht haben und genau wissen, dass er jetzt nicht mehr da ist.
Unterstützung durch die Eltern Nach dem Anpassen des Stoppis oder der Mundvorhofplatte wird den Eltern ans Herz gelegt, wirklich alle »Schnuller« zu entsorgen, damit das Kind nicht wieder rückfällig wird. Die Eltern sollten dafür sorgen, dass das neue Silikongerät auch tagsüber viel benutzt wird, um eine normale Kieferentwicklung anzuregen. Alsbald übernimmt es auch die Funktion des Beruhigungssaugers in der Nacht. Praxis konkret – Übungen mit dem Ersatzschnuller Um die richtige Zungenlage beim Schlucken und den Lippenschluss zu fördern sowie zur besseren Adaptation und Gewöhnung an den neuen Schnuller empfehlen wir den Eltern folgendes Vorgehen: 5 Der Ersatzschnuller bekommt einen Namen (z. B. »Max«). 5 Aus der Klammerbox wird mit Taschentüchern ein kleines Bettchen für Max gebastelt; dort ruht er sich aus, wenn das Kind ihn nicht im Mund haben kann (z. B. beim Essen). 5 Max ist sehr neugierig und will immer überall dabei sein – beim Vorlesen, Fernsehen oder Spielen möchte er am liebsten im schönen warmen Kindermund stecken. 5 Mit Max können auch lustige Spiele gespielt werden – die Mama bindet eine Leine daran, und während das Kind seinen Max mit den Lippen ganz festhält, wird es von der Mama wie ein kleines Hündchen an der Leine hinterhergezogen. 5 Max gehört jetzt nur dem Kind allein – wenn die Mama feste daran zieht, hält es ihn ganz doll mit den Lippen fest und lässt ihn sich nicht »klauen«! 5 Sing- oder Zählspiele mit Max sind auch ganz lustig – dabei wird rhythmisch ge-
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zählt, ein Reim aufgesagt oder gesungen, und dabei immer am Max gezogen und wieder locker gelassen. 5 Das Kind sitzt dabei aufrecht auf einem Stuhl und hat mit den Füßen Kontakt zum Boden. 5 Zum Schluss wird noch einmal ganz kräftig am Max gezogen, und das Kind muss ihn mit den Lippen gut festhalten. 5 Das Wichtigste bei allen Übungsspielen ist: Spaß dabei haben!
Nuckeln an Fingern oder am Daumen; Nägelkauen Bevor eine kieferorthopädische oder hypnotherapeutische Intervention zum Abgewöhnen des Nuckelns oder des Nägelkauens eingeleitet wird, ist individuell zu klären, ob der kleine Patient auch bereit dazu ist. Er wird nach dem Grund seines Habits befragt, der anerkannt und akzeptiert werden sollte. Dabei wird die Kompetenz des Kindes gestärkt, das Problem zu bewältigen. Mit den Eltern wird besprochen, dass die »dummen« Gewohnheiten nie als etwas Negatives dargestellt werden dürfen. Sie sollten dem Kind nicht das Gefühl geben, etwas Schlechtes zu tun, wenn es am Daumen nuckelt oder seine Nägel kaut. Man muss ihm immer vermitteln, dass es mit seinem Habit ernst genommen und trotzdem wertgeschätzt wird. Statt sich auf das Problem zu fokussieren, ist ein lösungsorientiertes Vorgehen mit den Eltern abzustimmen. Nach Olness und Kohen (2001, S. 192) ist »die Intervention so zu gestalten, dass das Selbstvertrauen des Kindes und sein Gefühl von persönlicher Verantwortung und Bewältigung gestärkt werden.«
Psychologischer Hintergrund Das Daumenlutschen und Nägelkauen ist nicht immer nur als Habit im Sinne einer unangemessenen »dummen« Gewohnheit anzusehen. Bei manchen Kindern trifft das sicher zu, wenn beispielsweise versäumt wurde, sie darauf aufmerksam zu machen, dass ihr Verhalten nicht mehr altersangemessen ist. Bei anderen Kindern kann es aber auch als der Ausdruck von starkem Zuwendungsbedarf angesehen werden. Das heißt, dass das Kind
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
5 . Abb. 5.19 Daumenfreund. Das kleine Fingerkind bekommt einen Namen und ein Röckchen aus buntem Kinderpflaster
Kinder im Kindergarten- und Vorschulalter
. Abb. 5.18 Ein Daumenkind wird auf den Fingernagel gemalt
emotionale Defizite hat und deshalb Zuwendung und Körpernähe benötigt, diese jedoch nicht oder nur selten erhält. Deshalb wird es dann in emotionalen Bedarfssituationen wie Angst, Stress, Traurigkeit auf seinen Daumen oder seine Finger als orale Zuwendung und Beruhigung zurückgreifen. Das Daumenlutschen und Nägelkauen ist dann ein »emotionaler Kurzschluss«, die fehlende Zuwendung durch Bezugspersonen holt man sich also auf kurzem Weg durch sich selbst. Wenn wir diesen bedürftigen Kindern ihre spezielle Form von Beruhigung oder Zuwendung nehmen, entsteht bei ihnen ein weiteres großes Defizit und es kann zu Symptomverschiebungen wie beispielsweise Konzentrationsproblemen, Clownerie oder auch Aggression kommen, um dadurch dann Zuwendung zu erhalten. Deshalb ist ein besonders einfühlsames Vorgehen und in ausgeprägten Fällen die Zusammenarbeit mit einem Kinderpsychologen ratsam.
In diesem Alter können Trancegeschichten, die ganz ernsthaft und in gedämpfter, langsamer Sprechweise (Trancesprache) erzählt werden, sehr gut Verhaltensänderungen bei Kindern bewirken. Die Eltern müssen natürlich jeden Abend die nötige Zeit und Geduld dafür aufbringen, und dürfen das Fingernuckeln oder Nägelkauen dabei keinesfalls ins Lächerliche ziehen oder dem Kind gar mit Strafe drohen.
Das kleine Finger- oder Daumenkind
Die Geschichte vom kleinen Fingerkind oder Daumenfreund ist zum Abgewöhnen des Daumenoder Fingernuckelns und auch des Nägelkauens besonders gut geeignet, wenn dabei ein kleines abendliches Ritual durchgeführt wird: Auf den Fingernagel des Lutschfingers (ggf. auch auf mehrere Finger) wird ein kleines Gesicht gemalt (. Abb. 5.18), und das Fingerkind bekommt auch ein buntes Kinderpflaster als Röckchen (. Abb. 5.19 u. 5.20) sowie einen Namen – meistens ist es der Name eines Freundes oder einer Freundin. Jeden Abend wird das Gesicht von den Eltern neu aufgemalt, und danach wird die Geschichte vom kleinen Nuckelfreund erzählt, der sich sehr vor der Dunkelheit fürchtet und nicht gern in der feuchten und dunklen Mundhöhle sitzt. Viel lieber macht er Fingerspiele mit den anderen Fingerkindern und kuschelt sich dann mit ihnen gemütlich unter die Bettdecke. Die Eltern werden angehalten, jeden Abend
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5.5 • Hypnotische Interventionen in der Kieferorthopädie
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ein anderes Fingerspiel mit dem Kind einzuüben, und danach für eine ruhige Einschlafatmosphäre zu sorgen. Ein großes starkes Kuscheltier bewacht den kleinen Patienten mit seinen Finger- und Daumenkindern beim Schlafen und sorgt für Sicherheit und Wohlbefinden. Es passt auch auf, dass die kleinen Nuckelfreunde beim Schlafen von den anderen Fingern liebevoll umschlossen und geschützt werden. Die Mitarbeit und Unterstützung der Eltern ist hierbei ebenso wie beim Abgewöhnen des Beruhigungssaugers ausschlaggebend für den Erfolg. Ein Silikongerät (Stoppi, MVP) kann bei Bedarf angepasst werden, um das Lutschbedürfnis des Kindes zu befriedigen (s. oben). Praxis konkret – Finger- und Daumenkinder (7 Online-Videomaterial, Kap. 6, Beispiel – Johanna, 4 Jahre alt – Daumenlutschen abgewöhnen) Die Geschichte wird dem Kind in hypnotischer Sprechweise erzählt: »Schau Dir doch mal Deinen Nuckelfinger (Daumen) an, wir machen jetzt daraus ein kleines Fingerkind. Wie heißt es denn? Dieser kleine Nuckelfreund fürchtet sich sehr, wenn er in den dunklen, nassen Mund gesteckt wird. Oder bist Du gern allein im Dunkeln? Viel lieber möchte er abends noch ein paar Fingerspiele mit den anderen Fingerkindern machen oder eine Geschichte mit anhören. Danach möchte er von der anderen Hand liebevoll gehalten werden und sich zusammen mit den anderen Fingern ins Bett kuscheln.«
Fallbeispiel Elisabeth, 2 1/2 Jahre alt (Praxis Dr. Zehner) Bei dieser kleinen Patientin (. Abb. 5.18 u. 5.19) hat die Geschichte vom kleinen Daumenfreund so großen Eindruck hinterlassen, dass die Mutter 3 Tage lang das Gesicht auf dem Daumennagel nicht abwaschen und auch das Pflaster nicht erneuern durfte. Das Kind hat sofort mit dem Daumennuckeln aufgehört, und erst als die Mutter nach 3 Tagen zur Kontrolle in unsere Praxis kam, durften wir das
. Abb. 5.20 Abendliches Ritual: Fingerkinder anmalen. Gleich zwei kleine Nuckelfreunde spielen abends mit den anderen Fingerkindern
Händchen waschen und ein neues Daumenkind aufmalen, das mit einem neuen, sauberen Pflasterröckchen eingekleidet wurde.
Weitere Geschichten
Auch von anderen Autoren werden Geschichten von einer feuchten, dunklen Mundhöhle erzählt und dem Kind die Frage gestellt, ob sich sein kleiner Daumen oder Finger dort wohl so ganz allein wohl fühlen kann (Schütz u. Freigang 2002, S. 48, Schmierer 2002, S. 4–5). Die Geschichte vom kleinen Elefantenkind (Börner 1999) wird von Kindern in dieser Altersgruppe ebenfalls sehr gern gehört. Der kleine Elefant steckt immer seinen Rüssel in den Mund und bekommt dadurch nicht genügend Luft beim Laufen. Er kann keine saftigen Blätter von den Bäumen zupfen und auch nicht mit Wasser spritzen, weil sein Rüssel immer im Mund steckt. Eines Tages nimmt der kleine Elefant seinen Rüssel einfach aus dem Mund heraus und macht plötzlich ganz andere, neue Erfahrungen.
Erfolgskontrolle
Für die Selbstkontrolle ist ein Erfolgskalender (. Abb. 5.21) sehr hilfreich (Mrochen 1993), vor allem wenn er vom Kind selbst gebastelt wurde. Hier
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
an, da die Kinder in der Schule bereits die Erfahrung gemacht haben, dass bei guten Leistungen vom Lehrer ein Bienchen in ihr Heft gestempelt wird.
Kinder im Grundschulalter In diesem Alter ist das Nuckeln oder Nägelkauen schon eine festgefahrene und automatisierte Handlung, und das Verhalten ist nicht mehr so leicht mit therapeutischen Geschichten zu beeinflussen.
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Die paradoxe Intervention – Symptomverschreibung
. Abb. 5.21 Der Erfolgskalender. Viele bunt ausgemalte Bilder zeigen, dass die Nuckelfreunde schon sehr oft abends unter der warmen Bettdecke kuscheln durften
kann an jedem Tag, an dem das Daumenkind im warmen Bett und nicht im dunklen, nassen Mund geschlafen hat oder an dem keine Nägel gekaut wurden, ein Bild gemalt oder ein schöner Sticker eingeklebt werden (7 Abschn. 4.1.5). Praxis konkret – Praxisempfehlung Erfolgskalender Eine berufstätige Mutter, die ihr Kind sehr gewissenhaft beim Abgewöhnen des Nuckelns unterstützte, hatte nicht immer die Zeit zu warten, bis ein solches Bild schön ausgemalt war. Von ihr stammt die Idee, kleine Stempel zu verwenden, mit deren Hilfe die Kinder bei Erfolg schnell ein Bild in den Kalender stempeln konnten. Das Stempeln wirkt insbesondere bei Erstklässlern als positive Verstärkung und spornt zu weiterer Leistungssteigerung
Die systemische Therapie hat die paradoxe Intervention eingeführt, um dadurch festgefahrene Sichtweisen oder Handlungen zu erschüttern und neue Problemlösungen zu ermöglichen. Eine Methode ist dabei die Symptomverschreibung (Selvini Palazzoli et al. 1978). In der Altersgruppe der Schulkinder und Heranwachsenden ist die Symptomverschreibung sehr erfolgversprechend. Das Kind bekommt sein Symptom als Hausaufgabe verordnet und soll so lange und so oft nuckeln oder seine Nägel abkauen, wie es ihm gefällt – aber jeden Tag an einem anderen Finger, und wirklich nur an diesem! Mrochen (1993, S. 123) beschreibt eine Behandlung immer dann als erfolgreich, »wenn es gelingt, die Verantwortung des Kindes für den eigenen Erfolg zu stimulieren«. Das ist bei dieser Methode insbesondere der Fall – das Kind ist der Chef und hat das Kommando über seine Finger. Das Kind bestimmt also, welcher Finger wann genuckelt oder gekaut wird, und lässt sich nicht von dem kleinen Daumen oder den anderen Fingern herumkommandieren. Mit diesem Verfahren ist es möglich, dem Kind das Bedürfnis nach Befriedigung durch Nuckeln zu lassen, gleichzeitig aber auch eine Musterunterbrechung zu erreichen, indem alle Finger abwechselnd gelutscht werden. Außerdem wird der Gerechtigkeitssinn der Kinder angesprochen, wenn alle Finger abwechselnd zum Nuckeln verwendet werden und nicht immer nur ein Finger nuckeln darf.
5.5 • Hypnotische Interventionen in der Kieferorthopädie
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Vorgehen von Thompson
Thompson (1997) wendet dabei eine Variation der paradoxen Intervention an, bei der der kindliche Forschungsdrang geweckt wird. Sie will gemeinsam mit dem Kind herausfinden, warum die meisten Kinder lieber am Daumen, statt am Finger nuckeln. Auch will sie untersuchen, warum viele Kinder lieber den rechten Daumen nehmen, obwohl es ja klar ist, dass es mit dem linken Daumen viel besser wäre. Denn dann müsste man den Daumen nicht so oft aus dem Mund herausnehmen, wenn man mit der rechten Hand noch etwas Vernünftiges während des Daumennuckelns machen möchte. Deshalb soll das Kind nun jeden Tag an einem anderen Finger nuckeln, um herauszufinden, welcher Unterschied zwischen den verschiedenen Fingern besteht. Danach soll es berichten, welcher Finger besser schmeckt, und ob an Stelle des rechten Daumens nicht auch der linke verwendet werden könnte. Praxis konkret – Paradoxe Intervention – Symptomverschreibung (7 Online-Videomaterial, Kap. 6, Beispiel – Kevin, 8 Jahre alt – Daumenlutschen abgewöhnen) Ähnlich wie bei Thompson wird bei dem Vorgehen in unserer Praxis an den Gerechtigkeitssinn der Kinder appelliert: »Es ist den anderen Fingern gegenüber sehr ungerecht, wenn nur der Daumen genuckelt wird. Das wäre ja gerade so, als wenn im Kindergarten oder in der Schulbetreuung nur immer ein einziges Kind spielen dürfte und alle anderen Kinder müssten zuschauen! Das wäre doch sehr ungerecht, oder? Also möchten alle 10 Finger einmal mit Nuckeln dran sein, deshalb soll jeden Tag ein anderer Finger genuckelt werden. Welcher Finger an die Reihe kommt, solltest Du selbst entscheiden, denn Du bist der Chef und bestimmst über Deinen Körper und auch über Deine Finger! Oder willst Du Dich etwa von so kleinen Fingern herumkommandieren lassen? Du kannst also morgens mit Mama und Papa besprechen, welcher Finger dran ist, damit sie Dich daran erinnern können, dass Du immer fleißig an diesem Finger nuckelst.
Aber nur dieser Finger darf an dem Tag gelutscht werden, wenn Du das Bedürfnis zum Nuckeln hast!« Nun bekommt das Kind eine Hausaufgabe, die es verantwortungsbewusst durchführen soll. Es hat sich bewährt, hierüber einen schriftlichen Vertrag (7 Abschn. 4.1.5) mit Unterschrift des Kindes, der Mutter und des Behandlers aufzusetzen: Das Kind soll 1- bis 2-mal am Tag mindestens 1/2 h lang an dem Finger lutschen, der an diesem Tag dran ist – damit der Finger nachts auch schmeckt! Erst wenn alle Finger »durchgenuckelt« wurden, darf der Daumen wieder dran kommen. Das Kind bekommt einen Erfolgskalender mit, an dem es Tag für Tag ein Bild ausmalen oder einkleben darf, wenn es am vereinbarten Finger genuckelt hat.
Unterstützung durch die Eltern
Wichtig ist auch hierbei, dass die Eltern für diese Arbeit gewonnen werden. Sie können die Kinder unterstützen, indem sie liebevoll daran erinnern, die tägliche Vereinbarung konsequent durchzuführen. Allerdings ist dabei zu beachten, dass durch ständiges Erinnern auch Widerstände beim Kind gegen die Selbsthypnose entwickelt werden können (Mrochen 1993). Die Eltern mögen für eine angenehme Atmosphäre sorgen – möglich wäre das Vorlesen und Musikhören in der Zeit des aktiven Nuckelns am Tage. Ansonsten sollte die Verantwortung für die Durchführung der Übung beim Kind bleiben. Für das Kind ist das Daumennuckeln jetzt nicht mehr verboten, die nervigen Ermahnungen der Eltern »Nimm den Daumen aus dem Mund« werden ersetzt durch »Steck den Finger, der heute dran ist, in den Mund«. Es darf so oft und so viel nuckeln, wie es möchte, ohne dafür verlacht oder gar bestraft zu werden. So werden Widerstände abgebaut und gleichzeitig dem kindlichen Lutschbedürfnis entsprochen. Indem nicht ausschließlich der Daumen genuckelt wird, sondern im Wechsel alle anderen Finger, wird ein anderer Druck gegen die Zähne und den Gaumen aktiv. Außerdem wird die alte
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Lutschgewohnheit als Muster im Gehirn gelöscht. Es handelt sich um ein paradoxes Vorgehen, verbunden mit Akzeptanz und Wertschätzung, das meistens zu einem Ausbleiben des Nuckelns führt und ohne Verbote oder andere disziplinarische Maßnahmen auskommt.
Variation Nägelkauen
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Auf ähnliche Art und Weise kann man therapeutisch auch beim Nägelkauen vorgehen, indem zuerst nur an einem Finger der Nagel stehenbleibt, die anderen Fingernägel dürfen noch abgekaut werden. Nach und nach wird immer ein neuer Finger hinzugenommen, bei dem der Nagel wachsen darf. Zur Belohnung werden zum Schluss alle Fingernägel schön lackiert.
Kinder nach dem 10. Lebensjahr In dieser Altersstufe kann man das Fingernuckeln und Nägelkauen schon mit einem Suchtverhalten vergleichen, ähnlich dem Rauchen oder der Esssucht. Die Kinder entwickeln Schamgefühle hinsichtlich ihres Habits, und sie nuckeln oder kauen ihre Nägel oft heimlich und vor allem in Situationen, in denen sie müde und überfordert sind. Auf diese Verhaltensweise sollte mit viel Verständnis reagiert werden, dabei wird dem Kind Wertschätzung und Akzeptanz vermittelt sowie Hilfe angeboten, das für seine Zähne und Kiefer schädliche Verhalten durch Hypnose zu ändern.
Tranceübung
Die hypnotherapeutische Intervention zum Abgewöhnen des Nuckelns und Nägelkauens wird in der Zahnarztpraxis eingeübt. Danach soll der jugendliche Patient diese Tranceübung zu Hause täglich mehrmals, insbesondere abends vor dem Einschlafen, durchführen. Trancemusik kann dabei sehr hilfreich sein, die über Kopfhörer eingespielt wird. Vor der Übung soll ganz bewusst intensiv 5–10 min am Nuckelfinger gelutscht oder an einem Fingernagel gekaut werden (Symptomverschreibung), danach wird der entsprechende Daumen (oder Finger) von der anderen Hand liebevoll umfasst, und die Jugendlichen gehen in Trance an einen sicheren Ort (Wohlfühlort), der mit allen 5 Sinnen
(VAKOG) imaginiert wird. Ein ähnliches Vorgehen wird von Olness und Kohen (2001) für »Daumenlutscher« und »Nägelkauer« beschrieben.
Tranceinduktion
Zur Traceinduktion wird in diesem Alter meistens die Punktfixationsmethode verwendet (7 Abschn. 1.2.1). Außerdem wird ein ideomotorisches Fingersignal (Schütz u. Freigang 2008) installiert, um damit eine gute Kommunikation zwischen dem Behandler und dem Patienten während der Trance zu ermöglichen (7 Abschn. 1.6.1 u. 5.4.3). Entspannungsmusik und eine ruhige, stressfreie Atmosphäre sind für derartige Tranceübungen unerlässlich. Praxis konkret – Hypnotherapeutische Intervention zum Abgewöhnen des Nuckelns und Nägelkauens (7 Online-Videomaterial, Kap. 6, Beispiel – Saskia, 10 Jahre alt – Daumenlutschen abgewöhnen) 5 Während der Patient sich mehr und mehr entspannt, wird er aufgefordert, mit seiner inneren Wahrnehmung einen schönen Ort aufzusuchen, an dem er sich so richtig wohlfühlt. Diesen Ort soll er mit allen seinen Sinnen erfassen (VAKOG). 5 Ein ideomotorisches Fingersignal wird vereinbart, mit dem der Jugendliche anzeigt, wenn er sich gedanklich an seinem Wohlfühlort befindet. 5 Dort wird er aufgefordert, sich eine Kraftquelle vorzustellen, aus der er ganz viel Energie und Kraft tanken kann. Er soll die Energie, die er benötigt, um sein tägliches Aufgabenpensum bewältigen zu können, zukünftig aus dieser Kraftquelle schöpfen; das Daumenlutschen oder Nägelkauen kann dann unterbleiben. Die Kraftquelle kann ein bunter Nebel sein, in den sich der Patient einhüllt, oder eine Flüssigkeit, die er trinken kann. Wiederum wird mit einem ideomotorischen Signal die Rückmeldung eingeholt, wenn die Kraftquelle imaginiert ist.
5.5 • Hypnotische Interventionen in der Kieferorthopädie
5 In dem Moment, in dem sich das Kind richtig gut fühlt, wird es als Zeichen für sein Wohlgefühl wieder ein ideomotorisches Fingersignal geben. Danach soll es den Daumen oder seine abgekauten Finger mit der anderen Hand liebevoll umschließen (kinästhetischer Anker, Schütz u. Freigang 2008). 5 Dabei wird die Suggestion gegeben: »Und immer, wenn Deine Hand den Daumen oder die Finger so umfasst, gehst Du an diesen schönen Ort und holst Dir die Kraft und Energie, die Du zum Bewältigen Deiner täglichen Aufgaben brauchst«. 5 Nun kann das Kind so lange Zeit am Wohlfühlort entspannen und Kraft tanken, wie individuell erforderlich ist. Die Patienten brauchen dazu mindestens 10 bis 15 min Zeit. 5 Diese Zeit kann genutzt werden, um Laserakupunktur am Ohr durchzuführen (Gleditsch 2007; Linde 2000), die das Abgewöhnen der Habits in diesem Alter gut unterstützen kann. 5 Danach wird der Patient aus der Trance zurückgeführt und wieder ins »Hier und Jetzt« zurückorientiert (7 Abschn. 5.4.6).
Unterstützung durch die Eltern
Die Unterstützung und Mitarbeit der Eltern ist hierbei auch wieder sehr wichtig, denn das Kind braucht Verständnis und vor allem eine Möglichkeit, zu Hause ungestört seine Übungen durchführen zu können. Die Verantwortung für das regelmäßige Üben und damit für den Erfolg der Behandlung hat selbstverständlich allein der jugendliche Patient.
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insbesondere die jungen Patienten im Teenageralter ihre Habits leichter abgewöhnen. Die Klopfsequenzen werden gemeinsam mit dem Therapeuten eingeübt und sollen ebenfalls zu Hause vor bzw. nach der Tranceübung durchgeführt werden. Unterstützung durch die Eltern
Es ist immer hilfreich, wenn die Eltern mit ihrem Kind gemeinsam auch bei sich selbst diese Punkte beklopfen – vor allem, wenn sie selbst ein Problem damit haben und sich ärgern, dass ihr Kind noch am Daumen nuckelt oder seine Nägel abkaut. Die Klopfübung gibt ihnen mehr Gelassenheit im Umgang mit diesem Problem, und sie sind danach besser in der Lage, ihr Kind trotz seines Problems zu lieben, zu akzeptieren und wertzuschätzen. Zum besseren Verständnis dieser Methode und zur Unterstützung des häuslichen Übens werden den Patienten je nach Alter ihres Kindes verschiedene Bücher empfohlen (Bohne 2008, 2009; Kieser 2006).
Weitere Habits und Fehlfunktionen Zungen- und Lippenhabits sowie eine ausgeprägte Mundatmung mit offener Mundhaltung (OMH) oder auch Zähneknirschen (Bruxismus) und die damit verbundenen muskulären Fehlfunktionen beeinträchtigen ein harmonisches Wachstum der Zähne und Kieferknochen ebenso wie das Nuckeln und Nägelkauen. Ihr Beibehalten kann zu schwerwiegenden Zahn- und Kieferfehlstellungen führen, daher sind das Abgewöhnen dieser Habits und die Beseitigung der Funktionsstörungen wichtige prophylaktische Maßnahmen in der Kieferorthopädie. Hypnose mit entsprechenden Suggestionen und passenden Metaphern kann zum Abgewöhnen aller Gewohnheitsstörungen hilfreich sein, da diese Handlungen unbewusst ausgeübt werden und somit auch über das Unterbewusstsein gut zu beeinflussen sind.
Kombination Hypnose und Klopfakupressur Die Hypnosebehandlung zum Abgewöhnen des Fingernuckelns und Nägelkauens kann durch die energetische Psychologie oder Klopfakupressur (7 Abschn. 7.2 sowie Zehner 2010 a) gut ergänzt werden. Indem durch die Klopfübungen das Selbstwertgefühl gestärkt und der Alltagsstress reduziert wird, der häufig Ursache für Habits ist, können sich
Zungen- und Lippenhabits, ausgeprägte Mundatmung Das Zungenpressen und -kauen ist oft verbunden mit einer basalen Zungenlage und einem falschen, infantilen und zumeist interdentalen Schluckmuster. Diese Zungenfehlfunktionen sind ebenso wie das Lippenbeißen und -lecken und die offe-
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
ne Mundhaltung mit ausgeprägter Mundatmung Störungen, die der Patient nicht so ohne weiteres willentlich beeinflussen kann. Deshalb braucht er Unterstützung von mehreren Seiten, um diese Angewohnheiten positiv zu verändern und langfristig korrigieren zu können.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
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Zum Abgewöhnen der Habits und zur Korrektur der Fehlfunktionen ist eine Hypnosebehandlung immer mit bewussten Interventionen zur Gewohnheitskontrolle und zur Verbesserung und Harmonisierung der Muskelfunktionen im orofazialen Bereich zu kombinieren. Daher wird eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Logopäden, Muskelfunktionstherapeuten und Atemtherapeuten angestrebt. Nur in Zusammenhang mit logopädischen und myofunktionellen Übungen für das richtige Schlucken und zum regelrechten Lippenschluss (myofunktionelle Therapie MFT) sowie mit entsprechenden Atemübungen (Nasenatmungsschulung) oder sophrologischen Übungen (SimmaKletschka 1998) können hypnotische Interventionen zur Habitkontrolle erfolgreich sein und eine harmonische Kieferentwicklung ermöglichen. Eine osteopathische Begleitbehandlung (Kraniosakraltherapie) oder in Einzelfällen auch eine psychologische Therapie (Verhaltenstherapie, energetische Psychologie) ist bei lang andauernden Habits mit schwerwiegenden Störungen des kraniomandibulären oder auch des psychischen Gleichgewichtes individuell zu erwägen.
Rapportaufbau und Tranceübungen
Die Vorbereitung der Hypnosebehandlung zur Verbesserung der Zungen-, Lippen- und Atemfunktion beginnt natürlich wie jede hypnotische Intervention mit Rapportaufbau (7 Abschn. 5.2.1), bei dem wir den jungen Patienten kurze und angenehme Übungen zeigen. Diese Übungen sollen dem Kind noch einmal die korrekte Funktion seiner Zunge und Lippen beim Schlucken und Atmen verdeutlichen. Beispielsweise wird die Esspapierübung durchgeführt (7 Abschn. 5.2.3), bei der jeweils ein Streifen Esspapier zwischen die Lippen und ein Streifen auf die Zungenspitze gelegt wer-
den. Das Esspapier wird von der Zunge an den Zungenruheplatz gedrückt und zwischen den Lippen festgehalten, dabei atmet das Kind tief durch die Nase ein und aus. Eine andere, ganz einfache Übung, fördert die Nasenatmung, indem jeweils ein Nasenloch zugehalten wird, während der Patient tief ein- und ausatmet. Dabei wird ebenfalls auf einen guten Lippenschluss mit korrekter Zungenlage geachtet.
Hypnosebehandlung
Es ist sehr vorteilhaft, wenn das Kind vor einer Hypnosebehandlung bereits eine Zeit lang in logopädischer Behandlung war und genau verstanden hat, wie die regelrechte Funktion seiner Zungenund Lippenmuskeln sein sollte. Andernfalls muss das Kind darüber erst genau aufgeklärt werden. Zur Tranceeinleitung werden je nach Alter und individuellen Vorlieben des Kindes die oben beschriebenen Induktionsmethoden eingesetzt (7 Abschn. 1.2.1 und 5.4). Praxis konkret – Weitere hypnotherapeutische Intervention zur Selbstkontrolle bei Habits 5 In der Trance wird ein sicherer Ort installiert (Wohlfühlort), an den das Kind sich immer, wenn es nötig ist – insbesondere natürlich in Stresssituationen – mental zurückziehen kann. 5 Danach werden verschiedene Ressourcen des Patienten imaginiert (VAKOG). Alles, was das Kind richtig gut kann, wird aufgezählt. 5 Es erinnert sich in der Trance daran, wie anfangs das, was es jetzt so gut kann, erst in kleinen Schritten mühsam erlernt werden musste. 5 Danach stellt sich der Patient vor, wie seine Zunge und seine Lippen auch lernen können, richtig gut zu funktionieren und harmonisch miteinander beim Schlucken und Sprechen zu agieren. 5 Sein Gehirn fungiert dabei als Schaltzentrale, von der aus das Kind selbst als der Chef alle Vorgänge steuern kann. Dazu ist
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5.5 • Hypnotische Interventionen in der Kieferorthopädie
es aber erforderlich, dass dem Kind vorher die regelrechte Funktion der gesamten Mundmuskulatur genau erklärt wurde. 5 Dieses harmonische Zusammenspiel aller Muskeln wird nun während der Hypnose noch einmal geübt und verankert, bevor das Kind wieder aus der Trance herausgeführt wird.
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Dysfunktion (CMD) von der Multikausalität dieses Beschwerdekomplexes und seinen facettenreichen Ausprägungen. Bei der Behandlung steht die Stressbewältigung im Mittelpunkt der Therapie, eine Unterbrechung der Zahnkontakte mithilfe von Schienen sowie Unterstützung durch eine Kombination von Mund- und Ohrakupunktur (Gleditsch 2007; Linde 2000) mit Hypnose sind außerdem zu empfehlen. Osteopathie und psychologische Begleittherapie sind dabei interdisziplinär wünschenswert.
Metaphern
Eine weitere Möglichkeit, über unbewusste Kanäle positiven Einfluss auf die Angewohnheiten des Kindes zu nehmen und diese zu ändern, ist der Einsatz von Metaphern. Von Pannewig (2002) werden Metaphern beschrieben, die sich auf den Lippenschluss, die richtige Zungenlage und das korrekte Schlucken beziehen. In der Metapher vom Wächter wird das Kind nach seinem Idol befragt, das altersabhängig ein Lieblingsstar, Lieblingsheld oder auch Lieblingstier sein kann. Dieses Idol wird als Wächter in die Zungenspitze geschickt und kontrolliert hier, ob die Zunge immer an ihrem Ruheplatz liegt. Bei Distalbiss wird auch die Stellung der Zähne in Neutralbisslage und bei der offenen Mundhaltung oder bei Lippenhabits der Lippenschluss durch den Wächter kontrolliert. Eine andere Metapher beschreibt den Ruheplatz der Zunge und erzählt von einem Besuch im Zoo, in dem ein Bär sich gemütlich in eine Kuhle (Ruheplatz) kuschelt, anstatt seine Nase zwischen die Gitterstäbe (Zähne) zu den Affen zu stecken, die ihn nur zwicken und ärgern. Lieber träumt er vom Wald und den Honiggeschmack auf seiner Zunge, die er beim Schlucken fest an ihren Ruheplatz drückt. Und auch das Kind soll fühlen, wie seine Zunge am Gaumen anliegt und diese Lage ganz angenehm ist.
Bruxismus Zur Behandlung von Bruxismus und Zungenpressen werden verschiedene hypnotische Techniken eingesetzt (Chaves 1999). Schmierer u. Schütz (2007) berichten ausführlich in ihrem Buch Zahnärztliche Hypnose im Kapitel kraniomandibuläre
Jugendliche
Bei Jugendlichen kommt es teilweise auch schon zu behandlungsbedürftigen Folgen von Bruxismus, insbesondere wenn sie in der Schule vermehrt Stress ausgesetzt sind. Hier können zur Ergänzung der von Schmierer und Schütz beschriebenen Maßnahmen das autogene Training und das Erlernen von Selbsthypnose ratsam sein. Diese Entspannungstechniken sind ebenso wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson zur muskulären und seelischen Entspannung für die betroffenen Patienten sehr effektiv (Schütz u. Freigang 2008; genaue Anleitung bei Schmierer u. Schütz 2007, S. 124).
Tonträger
Der Einsatz von Tonträgern ist bei Bruxismus zum häuslichen Üben sehr hilfreich. So empfehlen wir beispielsweise die CD von Ohm (1999), auf der das Jacobson-Training für Kinder und Jugendliche dargestellt ist, und CDs zur allgemeinen Entspannung. Mit der Metapher von einer Mühle (Sörger 2003) kann die Behandlung des Bruxismus sehr effektiv unterstützt werden.
Kindergarten- und Grundschulkinder
Bei kleineren Kindern ist das Zähneknirschen in der Wechselgebissphase im Allgemeinen noch physiologisch und sollte nicht überbewertet werden. Vereinzelt kommt es allerdings auch in diesem Alter schon durch vermehrten Stress mit sehr starkem Zähneknirschen zu Zahnschäden mit deutlichen Abrasionen an den Zähnen, die oft sogar bis auf das
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Zahnfleischniveau abgekaut werden, oder es treten Verspannungen und Schmerzen durch exzessives Pressen mit der Zunge und den Wangenmuskeln auf. Hier empfehlen wir ebenfalls autogenes Training für Kinder oder das Jacobson-Training (Ohm 1999). Metaphern für kleine Kinder mit Bruxismus werden von Schmierer (2002 b) beschrieben.
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Apparative Unterstützung
In derartig extremen Fällen ist häufig auch eine Unterstützung durch individuelle Knirscherplatten oder spezielle vorgefertigte Silikongeräte erforderlich. Die Motivation, diese Geräte zu tragen, kann durch die im Folgenden beschriebenen Strategien für das Tragen kieferorthopädischer Behandlungsgeräte gesteigert werden (7 Abschn. 5.5.2).
5.5.2
Die kieferorthopädische Behandlung
Bei jeder kieferorthopädischen Behandlung (KFOBehandlung), die sich über mehrere Jahre erstreckt, ist als die wichtigste Maßnahme für Kooperation und Compliance ein guter Rapportaufbau zu Beginn der Behandlung anzusehen (7 Abschn. 1.2.2 und 5.2.3). Haben die Patienten Vertrauen in das Behandlungsteam und die vorgesehenen Maßnahmen, sind sie auch gut durch Suggestionen zu beeinflussen und zu motivieren. Direkte und indirekte hypnotische Interventionen und der Einsatz von Metaphern sind in den einzelnen Behandlungsphasen in unterschiedlicher Ausprägung möglich und auch sehr sinnvoll. Über den Einsatz von Hypnose bei der kieferorthopädischen Behandlung wird erstmals von Stolzenberg (1936, 1959) berichtet, der damit sowohl das Erbrechen bei der Abdrucknahme oder beim Anfertigen von Röntgenbildern, das Daumenlutschen und auch mangelnde Kooperation beim Tragen der Behandlungsgeräte beeinflusste. Die Hypnose kann in der Kieferorthopädie je nach Alter des jungen Patienten formlos ohne direkte Induktion, oder aber auch mit formeller Tranceinduktion nach den oben beschriebenen Abläufen erfolgen (7 Abschn. 5.4).
In unserer kinderzahnärztlichen Praxis, in der ein Großteil der Patienten auch kieferorthopädisch behandelt wird, wenden wir bei der KFO-Behandlung indirekte Suggestionen und Metaphern in allen Behandlungsphasen an, während die formelle Hypnose besonderen Patienten mit individuellen Problemen vorbehalten bleibt. Im Folgenden wird beschrieben, wie bei der KFO-Behandlung insbesondere in schwierigen Behandlungssituationen durch guten Rapportaufbau und Aufmerksamkeitsfokussierung bis hin zur formellen Hypnose die Compliance der Patienten verbessert werden kann.
Kieferorthopädische Befundaufnahme Beim ersten Termin, also zur Befundaufnahme, werden die diagnostischen Unterlagen zur Planung der kieferorthopädischen Behandlung erstellt (Anamnesebogen, Abdrücke, Röntgenbilder, Fotos). Die kleinen Patienten werden dabei mit vielen unbekannten und auch teilweise unangenehmen Maßnahmen konfrontiert, was Angst und unter Umständen auch Behandlungsverweigerung zur Folge haben kann, wenn nicht adäquat mit den Kindern umgegangen wird. Auch die Eltern werden an diesem Tag mit vielen neuen Informationen überhäuft, das kann auch bei ihnen zu einer gewissen Unsicherheit führen, die sich auf das Kind überträgt.
Gute Vorbereitung Auf die möglichen Belastungen von Kind und Eltern sollte das Behandlungsteam sich einstellen und für diesen Termin ausreichend Zeit einplanen. Eine unnötige Verunsicherung der Patienten wird vermieden, wenn ihnen bereits im Vorfeld schriftliche Informationen über den Ablauf und den Zeitbedarf bei der kieferorthopädischen Befundaufnahme ausgehändigt werden. Durch eine einfühlsame Verhaltensführung und guten Rapportaufbau wird den Ängsten und Vorbehalten der Patienten begegnet. Ausführliche Erklärungen und vorab die Möglichkeit, bei anderen Kindern zuzuschauen, Suggestionen von Ruhe und Entspannung und überhaupt eine entspannte Praxisatmosphäre ohne Stress und Hektik sind für die erfolgreiche
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5.5 • Hypnotische Interventionen in der Kieferorthopädie
Erstellung der Planungsunterlagen für die kieferorthopädische Behandlung ausschlaggebend.
Das Röntgen Das Anfertigen von Röntgenbildern ist für viele Kinder zu Beginn der kieferorthopädischen Behandlungen ein Novum. Deshalb ist den kleinen Patienten genau zu erklären, wie die Geräte funktionieren. Kleinen Kindern, die im Rahmen einer kieferorthopädischen Frühbehandlung geröntgt werden müssen, kann das große Röntgengerät auch Angst einjagen. Daher wird es ihnen als ein »großer Fotoapparat für die Zähne« vorgestellt. Oft ist es das erste Mal, dass das Kind allein mit der Mitarbeiterin bleiben soll – das wirkt zusätzlich verunsichernd auf die kleinen Patienten. Insbesondere diese Kinder sind gut darauf vorzubereiten, dass sie beim Auslösen des Röntgenvorganges allein im Raum bleiben und ganz still halten müssen. Durch Geschichten werden sie abgelenkt, und wenn während des Auslösevorganges langsam bis 10 gezählt wird, hat das Kind eine zeitliche Vorstellung, wie lange es noch still in dem großen Fotoapparat stehen muss. Größere Kinder wiederum finden es spannend und sind neugierig auf das »Foto« von ihren Zähnen. Sie können sich den Röntgenapparat als U-Boot oder Raumschiff vorstellen, mit dem sie in ihrer Fantasie während des Röntgenvorgangs eine Reise durch die Unterwasserwelt oder in den Weltraum unternehmen. Auch die Vorstellung von einem Karussell, das sich lustig drehen kann, lenkt die kleinen Patienten während des Röntgens ab und hilft ihnen, so lange still zu halten, bis die Aufnahme fertig ist. Praxis konkret – Die erste Röntgenaufnahme 5 Bei ängstlichen Kindern lassen wir die Mutter anfangs mit in den Röntgenraum hineingehen und zeigen den kleinen Angsthäschen in ihrem Beisein den großen Fotoapparat, der alle Zähne fotografieren kann – sogar die, die im Mund noch gar nicht zu sehen sind. 5 Das Röntgengerät wird als großes Raumschiff, U-Boot oder als ein tolles Karussell
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vorgestellt (Reframing), in dem man ganz still stehen muss, wenn es sich dreht. 5 Ein Lieblingstier darf die kleinen Patienten natürlich begleiten, und durch Suggestionen zum Vertiefen der Atmung und zur Entspannung, verknüpft mit der Tranceinduktion »Luftballonreise« oder anderen Geschichten (7 Abschn. 5.4), wird eine leichte Trance eingeleitet. 5 Wenn die Mutter dann kurz den Raum verlässt und der Auslöser gedrückt wird, sind die Kinder meistens so weit auf angenehme Dinge fokussiert, dass sie davon gar nichts mitbekommen. 5 Anschließend wird jedes Kind für seine gute Kooperation gelobt und darf sich ein kleines Spielzeug aussuchen (positive Verstärkung).
Die Abdrucknahme Die wichtigste und für die Kinder vielleicht auch unangenehmste Maßnahme bei der Befunderhebung der diagnostischen Unterlagen für die Planung einer kieferorthopädischen Behandlung ist die Abdrucknahme. Bei sehr kleinen Kindern verwenden wir dafür individuell im Praxislabor hergestellte kleine Abdrucklöffel oder konfektionierte Abdrucklöffel aus Kunststoff, die gekürzt werden können und daher besser toleriert werden als die größeren Metallabdrucklöffel. Zur Vorbereitung auf die Abdrucknahme wird kleinen und ängstlichen Kindern ein passender Abdrucklöffel mit nach Hause gegeben. Die Mutter soll Mehl und Wasser zu einem festen Teig verkneten oder festen Kuchenteig verwenden, mit dem der Abdruck zu Hause geübt werden kann. Praxis konkret – Der erste Abdruck 5 Das Abdruckmaterial ist unsere »Zauberknete«, denn es verfärbt sich beim Abbinden von Pink nach Gelb, und es schmeckt wir leckerer Pudding oder Kuchenteig (Reframing). 5 Ein Lieblingstier oder der Zauberstab, der mit einer Hand nach oben gehalten wird, helfen selbstverständlich mit, und
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
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während der Abdruck im Mund aushärtet, fliegt das Kind im Luftballon in den Zauberwald (Distraktion). Gleichzeitig wird ein Abdruck vom Zeigefinger der anderen Hand genommen, den das Kind ebenfalls während des Abbindevorgangs nach oben hält (beidseitige Handkatalepsie). Zusätzlich wird es aufgefordert, abwechselnd das rechte und das linke Bein zu heben, mit den Fingern oder Fußzehen zu wackeln und dabei bis 10 zu zählen (Konfusion). Dabei wird dem Kind noch empfohlen, einen Ton auf den Buchstaben »A« zu singen, was den Würgereiz verhindern kann. Nachdem der Abdruck wieder aus dem Mund entfernt wurde, wird er von der Mitarbeiterin zusammen mit dem Kind genau begutachtet und dabei viel Lob für die gute Mitarbeit und den tollen Abdruck ausgesprochen. Der Fingerabdruck wird mit Gips ausgegossen und dem kleinen Patienten zum nächsten Termin als Trophäe mit nach Hause gegeben (positive Verstärkung der Kooperation).
Unterstützende alternative Maßnahmen bei Würgereiz
Bei starkem Würgereiz kann Akupressur mit dem Fingernagel oder kleinen Kugelpflastern sehr hilfreich sein, die vom Patienten unter massierenden Bewegungen mit dem Finger auf bestimmte Akupunkturpunkte gedrückt werden (Zehner 2010 b; www.milchzahnarzt.de). Eine Stimulation dieser Punkte mit einem Akupunktursoftlaser oder einer dünnen Akupunkturnadel hat eine noch intensivere Wirkung, setzt aber eine entsprechende Weiterbildung des Behandlers in Akupunkturverfahren voraus. Auch homöopathische Mittel können die Tranceführung bei Würgereiz unterstützen. Insbesondere bei der Abdrucknahme im Oberkiefer tritt häufig ein besonders starker Würgereiz auf. Darauf sollte das Behandlungsteam vorbereitet sein und
möglichst schon im Vorfeld ein homöopathisches Mittel bereithalten, das bei Würgereiz eine deutliche Linderung bringt: Ipecacuanha C 30 (Feldhaus 2007). Die Kinder bekommen davon 5 Globuli, die sie auf der Zunge zergehen lassen sollen. Sie werden den kleinen Patienten als »Zauberkügelchen oder Liebesperlen, die ganz lecker schmecken« angeboten. Die energetische Psychologie (Klopfakupressur) ist insbesondere auch bei Angst vor der Abdrucknahme und damit verbundenem Würgereiz sehr wirksam (7 Abschn. 7.2. sowie »Fallbeispiel Patricia« 7 Abschn. 7.2). Während eine Mitarbeiterin den Abdruck nimmt, kann eine zweite Mitarbeiterin den Thymuspunkt oder die Schläfen des Kindes sanft beklopfen und Anweisungen geben, im Wechsel die Arme und Beine zu heben, mit den Fingern oder Fußzehen zu wackeln und tief in den Bauch zu atmen (Klopfakupressur und Konfusion).
Psychogener Würgereiz
Es kommt vor, dass Kinder den Würgereiz regelrecht provozieren. Entweder wollen sie damit nur die Behandlung umgehen, oder sie hatten tatsächlich in früher Kindheit ein unangenehmes Erlebnis, bei dem sie in Erstickungsgefahr waren. Sie sind dann unseren Interventionen meistens nicht zugänglich und können auch panisch mit Weinen und Schreien reagieren. Solche Verhaltensweisen stehen in keinem Verhältnis zur geplanten Behandlung (Stein 2009). Für diese Kinder ist viel Verständnis aufzubringen und mit gutem Rapport einfühlsam herauszufinden, welche Ursache das unangemessene Verhalten haben kann. Entspannungshypnose kann hier teilweise helfen, aber bei extremer Verweigerung mit Panikattacken ist auch eine Empfehlung zur psychotherapeutischen Behandlung und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sinnvoll.
Erbrechen beim Abdruck
Ganz selten kommt es trotz aller Bemühungen vor, dass sich ein Kind mit starkem Würgereiz während des Abdrucks übergeben muss. In einem solchen
5.5 • Hypnotische Interventionen in der Kieferorthopädie
Fall ist das oberste Gebot, die Ruhe zu bewahren und eine Wegwerfnierenschale in Reichweite zu haben! Während der Abdruck weiter festgehalten wird, damit er noch aushärten kann, gibt eine zweite Mitarbeiterin unter ständigem Körperkontakt dem Kind beruhigende Suggestionen. Praxis konkret – Notfallsituation: Erbrechen beim Abdruck 5 Auf diese Situation sollten alle Mitarbeiterinnen vorbereitet sein und dem Kind schnell eine Nierenschale unter das Kinn halten. Das Kind wird mit ruhiger, aber bestimmter Stimme zum Weitermachen aufgefordert (Symptomverschreibung): »Das ist gut so, lass alles raus was Dich stört …« (Pacing). 5 Sein Kopf wird dabei nach vorn geneigt und gehalten (Ballgriff), dafür sollte sofort eine zweite Mitarbeiterin hinter dem Behandlungsstuhl bereitstehen. 5 Das Kind wird gelobt, dass es so toll still hält, und weiter ermutigt, dem Würgereiz einfach nachzugeben. Es wird sogar gelobt, weil es so schön würgen und alles, was stört, erbrechen kann (paradoxe Intervention, Musterunterbrechung): »Das machst Du ganz toll, das kann nicht jedes Kind, danach wird es Dir bestimmt besser gehen« (Futur pace). 5 Dem Kind werden weiterhin von allen Seiten beruhigende Suggestionen zur Atemvertiefung und Entspannung gegeben (Doppelinduktion). Es soll besonders tief durch die Nase atmen und einfach alles aus dem Mund herauslaufen lassen (Leading). 5 Der Abdruck wird dabei fest an den Kiefer gedrückt und sollte unbedingt im Mund bleiben! 5 Die oben geschilderten Ablenkungsmanöver (Beine heben, zählen, Schläfen klopfen) sind in diesem Moment zur Distraktion besonders angezeigt. 5 Wenn die Suggestionen in einer solchen Situation völlig ruhig und gelassen gegeben werden, kann das Kind meistens noch
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so lange still halten, bis die Abdruckmasse abgebunden hat und fest ist. Erst dann kann der kleine Patient vom Abdrucklöffel erlöst werden und ausspülen, er wird dabei sehr intensiv gelobt für seine Tapferkeit und bekommt einen Kaugummi zur Belohnung (positive Verstärkung).
Cave: Allgemeine Aufregung und Verunsicherung beim Behandlungsteam sind in einer solchen Situation wenig hilfreich. Wird von der Mitarbeiterin gar versucht, beim Einsetzen von Würgereiz und Erbrechen die nicht abgebundene Abdruckmasse im weichen Zustand aus dem Mund zu entfernen, ist das für den Patienten noch viel unangenehmer, als den Abdrucklöffel im Mund zu belassen. Das Würgen wird dann stärker und das Kind hat das Gefühl, versagt zu haben – und es wird beim nächsten Abdruckversuch wieder die gleichen Probleme haben! Kann der kleine Patient hingegen trotz Erbrechen den Abdruck im Mund behalten und wird dafür gelobt und mit einem kleinen Geschenk oder einem Kaugummi belohnt, ist das für ihn eine Ressource für den nächsten Behandlungstermin. Auf ein solches Erfolgserlebnis, das für das Kind sehr bedeutsam und wichtig ist, kann beim nächsten Termin aufgebaut werden. Die Kinderpatienten sind nach unserer Erfahrung durch die intensive Zuwendung des gesamten Behandlungsteams und das Lob nach der überstandenen Stresssituation bei der folgenden Behandlung überaus kooperativ. Sie werden zum nächsten Termin wie Helden begrüßt, die etwas ganz Großes gemeistert haben, und diese Wertschätzung bewirkt natürlich trotz der erlebten Negativsituation (Erbrechen) eine deutliche Verstärkung des Rapports.
Der Einsatz kieferorthopädischer Behandlungsgeräte Die kieferorthopädische Behandlung kann mit herausnehmbaren oder mit festsitzenden Behandlungsgeräten durchgeführt werden. Diese beiden Behandlungsverfahren unterscheiden sich erheblich in ihrem Verlauf und dementsprechend auch in der erforderlichen Kommunikation und Kooperation. Außerdem ist das unterschiedliche Alter der
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Kinder zu berücksichtigen, denn herausnehmbare Geräte können beispielsweise bei kieferorthopädischen Frühbehandlungen bereits im Alter von 4–5 Jahren erforderlich werden, sie werden aber auch bei älteren Kindern in der Anfangs- oder Endphase einer KFO-Behandlung verwendet. Dementsprechend ist das Eingliedern dieser Geräte dem jeweiligen Alter des Kindes anzupassen und die hypnotischen Interventionen beziehen sich zum Großteil auf die Überwindung von Missempfindungen (durch Entspannungshypnose und Distraktion) und auf die Verbesserung der Compliance (mit Metaphern). Festsitzende Behandlungsgeräte (Multibandoder Multibracketapparaturen) werden in der Regel erst nach dem Durchbruch aller bleibenden Zähne eingegliedert, wenn die Kinder bereits im zehnten Lebensjahr oder älter sind. Hierbei ist ebenfalls Entspannungshypnose gefragt, um die langwierige Prozedur des Bracketklebens und ggf. anschließende unangenehme Empfindungen erträglicher zu machen. Die Suggestionen sollten sich daher in jedem Fall auch auf Schmerzlinderung und Reduzierung der Druckempfindlichkeit in der Anfangsphase beziehen. Motivationssteigerung ist vor allem in Bezug auf die Mundhygiene erforderlich.
Herausnehmbare Geräte Zum Eingliederungstermin eines herausnehmbaren kieferorthopädischen Behandlungsgerätes kommt das Kind bei vorausgegangenem gutem Rapportaufbau in der Regel hochmotiviert in die Praxis, es freut sich auf seine neue Zahnspange und ist neugierig darauf.
Positive Einstellung und Verantwortung
Diese positive Einstellung wird genutzt und verstärkt, indem das Behandlungsgerät als etwas ganz Besonderes dargestellt und seine Wirkungsweise dem Kind und vor allem auch den begleitenden Eltern genau erklärt wird. Das Kind wird als Partner bei der Behandlung gewonnen, es bekommt Verantwortung für seine Zahnspange (tragen, achtsam damit umgehen, säubern), und die Eltern werden es dabei unterstützen, je besser ihnen der Nutzen dieser Behandlung für ihr Kind bewusst gemacht wurde. Eingewöhnungsprobleme (Fremdheits-
gefühl, Würgereiz, Intoleranz und gar Abneigung gegen das Gerät) sind extrem selten, wenn die subjektive Einstellung zur Behandlung bei allen Beteiligten positiv ist – Voraussetzung ist natürlich, dass die Zahnspange gut angepasst wurde und schmerzfrei im Mund sitzt. Praxis konkret – Eingliedern mit VAKOG Beim Eingliedern werden dem Kind Suggestionen gegeben, die alle Sinneskanäle ansprechen, damit die Zahnspange gut adaptiert und akzeptiert wird: »Schau mal, wie toll die Zahnspange aussieht – sie leuchtet in Deiner Lieblingsfarbe, und sogar ein schönes kleines Bild hat die Technikerin eingearbeitet – das ist ja ein richtiges Schmuckstück geworden! Und die Spange fühlt sich in Deinem Mund ja auch ganz toll an, weil sie so gut passt, sie wurde ja auch ganz speziell für Deine Zähne und Deinen Mund angefertigt. Hör mal wie es ‚Klick’ macht, wenn Du sie auf die Zähne setzt – an dem Geräusch kannst Du erkennen, dass Du Deine Zahnklammer richtig eingesetzt hast. Wenn Du sie gut sauber hältst und manchmal auch in etwas Mundwasser einlegst, riecht und schmeckt sie auch immer ganz frisch.«
Gehen kleinere oder ängstliche Kinder vorerst noch sehr vorsichtig an die Sache heran und lassen die Zahnspange immer nur für kurze Zeit im Mund, sollte man ihnen zum Eingewöhnen genügend Zeit lassen. Hier erzählen wir Trancegeschichten und Metaphern, die den Kindern helfen, das Verbleiben des Gerätes im Mund nach und nach zu verlängern.
Metaphern
Als Metaphern bei der Behandlung mit herausnehmbaren Geräten sind Geschichten geeignet, die von der Bereitschaft zur Veränderung, Raum zu schaffen, Gewöhnung an neue Situationen, Ausdauer und Geduld handeln. Mit diesen Metaphern sollen nicht nur die Gewöhnung der Patienten an die Behandlungsgeräte und die Kooperation verbessert, sondern auch Umbauvorgänge im Kno-
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chen und somit eine gute Reaktion auf die kieferorthopädischen Behandlungsmaßnahmen induziert werden. Davidovitch et al. (1988) belegen, dass »eine Beeinflussung der Knochenreaktion auf orthodontische Kräfte durch das zentrale Nervensystem (Psyche) und das Immunsystem … nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich« ist (zit. n. Pannewig 2002, S. 16). Beispiel – Metaphern bei herausnehmbaren Geräten (Pannewig 2002) Metapher vom Hausumbau »Stell’ Dir vor, Dein Mund ist ein sehr schönes Haus, in dem ein Kindergarten (Schule) ist. Viele Kinder spielen darin, und weil es hier so lustig ist und auch ganz sauber und hygienisch zugeht, wollen immer mehr Eltern ihre Kinder in diesen Kindergarten oder in diese Schule schicken. Für so viele Kinder ist aber nicht genügend Platz in dem Gebäude, deshalb soll es umgebaut werden. Nun wird erst einmal sorgfältig geplant, wie man das Haus umbauen könnte – so wie wir auch Deine Klammerbehandlung vorher genau geplant haben. Dann kommen die Handwerker mit ihren Geräten – das ist Deine Zahnspange – und schieben Wände zur Seite, machen die Zimmer größer und bauen auch neue Waschbecken zum Zähneputzen ein. Der Umbau kann eine ganze Zeit lang dauern, die Kinder schauen sich jeden Tag die Baustelle an, und manche Kinder werden schon ungeduldig, denn sie wollen die neuen Räume bald beziehen. Deshalb arbeiten die Handwerker immer fleißiger, und je länger sie am Tag arbeiten, umso schneller geht der Umbau voran. Und stell’ Dir vor, sie arbeiten sogar im Schichtbetrieb die ganze Nacht durch, damit die teuren Geräte besser ausgenutzt werden und bald noch viel mehr Kinder in diesen schönen Kindergarten/Schule hineinpassen. Du kannst Dir nun jeden Abend Deinen Kindergarten (Schule) im Mund vorstellen, wie er immer größer und schöner wird und immer mehr Kinder darin spielen können. Und wenn Deine Zahnspange auch Tag und Nacht in Deinem Mund arbeiten kann, werden Deine Zähne bald auch genügend Platz darin haben, etwas Geduld gehört allerdings dazu ….«
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Metapher von den Segelbooten »Stell’ Dir einen Hafen vor, in dem ganz viele weiße Segelboote vor Anker liegen. Sie liegen ziemlich eng aneinander, und der Hafenmeister hat richtig Mühe, sie ganz gerade in eine Reihe zu stellen. Weil sie so eng stehen, schabt sich der Lack an den Seiten schnell ab und manche Boote gehen dabei auch kaputt. Der Hafenmeister muss sie sehr oft reparieren und neu lackieren, darüber ist er sehr unglücklich. Da es aber ein sehr schöner Hafen ist und immer mehr Segelboote darin ankern möchten, soll er nun ausgebaut werden. Eines Tages kommen Bauarbeiter mit großen Autos und Kränen, die das Hafenbecken erweitern und mehr Platz für die Segelboote schaffen. Dieser Umbau dauert einige Zeit, aber der Hafenmeister hat Geduld und Ausdauer, und eines Tages sind die Bauarbeiten beendet. Nun freut sich der Hafenmeister, dass die Segelboote ganz gerade in einer Reihe liegen können. Das sieht nicht nur schöner aus, sondern sie schaben jetzt auch nicht mehr so aneinander wie früher, als sie noch so eng standen. Deshalb bleiben sie jetzt auch länger ganz, der Hafenmeister hat nicht mehr so viele kaputte Boote zu reparieren und ist sehr glücklich darüber!« Variation bei Extraktionstherapie »Wenn die Segelboote so eng stehen, kommt es vor, dass sich die Boote ineinander verkeilen. Dann muss ein Boot herausgeschoben werden. Der Hafenmeister drückt am Boot und zieht an den Leinen, damit es sich lockert und bewegt werden kann. Wenn es endlich herausgedrückt ist, können die anderen Segelboote in die Lücke hineinrücken. Sie haben jetzt genügend Platz und stehen nun schön gerade, Boot an Boot, im Segelhafen.«
Weitere Motivationsmetaphern sind bei Schütz und Freigang (2002), bei Schmierer (2002) und Pannewig (2002) zu finden. Stellvertretergeschichten von anderen Kindern, meist großen Freunden, Lieblingshelden, Fernseh- oder Popstars sind je nach Interessenlage der Kinder ebenfalls als Metapher einzusetzen.
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Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Individuelle Hypnose bei Adaptationsproblemen
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In besonders schwierigen Fällen, wenn sich ein Kind absolut nicht an die Zahnspange im Mund gewöhnen kann, wird eine formelle Trance induziert. Die Induktionsmethode richtet sich nach dem Alter des Kindes, es sollte aber bereits über ein ausreichendes Vorstellungsvermögen verfügen und in eine längere Trance zu führen sein. Wir führen das Kind an seinen Wohlfühlort, den es sich so angenehm wie möglich einrichten kann (VAKOG). In dem Moment, in dem es sich ganz besonders wohl fühlt, wird diesem Gefühl ein Namen gegeben, sein Sitz im Körper eruiert und eine Farbe zugeordnet. Besondere Ressourcen können ebenfalls mit verankert werden (Doppelanker), und dabei wird die Zahnspange vorsichtig eingegliedert. Das so verankerte gute Gefühl wird nun immer wieder abgerufen, wenn die Zahnspange in den Mund kommt. Zusätzlich sind die o. g. Metaphern zur Gewöhnung an die Behandlungsgeräte und zur Verbesserung der Kooperation anzuwenden.
Verhaltenskontrakte
Zwischen Behandler, Kind und Eltern kann ein Vertrag mit Unterschriften abgeschlossen werden, in dem sich der kleine Patient zum regelmäßigen Tragen der Zahnspange verpflichtet (7 Abschn. 4.1.5). Er soll den Vertrag zu Hause an einem bevorzugten Platz sichtbar aufhängen, beispielsweise über sein Bett oder an die Wand über seinem Schreibtisch, damit er täglich an das Tragen der Zahnspange erinnert wird. Zur Erfolgskontrolle wird vereinbart, dass die Tragezeiten in einen Kalender eingetragen werden. Diese Tragekarten sind auch für die Selbstkontrolle und Selbstregulation durch den Patienten sinnvoll. So kann das neue und noch ungewohnte Verhalten, die Zahnspange regelmäßig und vor allem ausreichend zu tragen, schneller zur Gewohnheit werden. Wichtig ist hierbei, dass das Führen des Kalenders freiwillig geschieht und vom Kind nicht als Belastung empfunden wird. Manche Kinder tragen die Geräte vorbildlich, aber die Tragekarten werden nicht ausgefüllt – dann wird selbstverständlich
nicht darauf bestanden, sondern das Kind ausgiebig für sein gutes Trageverhalten gelobt. Andere Kinder tragen zwar vorbildlich und genau in die Karte ein, wann die Zahnspange im Mund war, aber die Tragezeiten an sich sind noch nicht völlig ausreichend. Dann wird der Patient für seine »akribische Buchführung« gelobt und mit ihm besprochen, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um das Behandlungsgerät noch besser und intensiver tragen zu können. Beispielsweise kann vereinbart werden, dass in der Nähe der Wohnungstür ein Haken extra für die Zahnspange angebracht wird, an den die Klammerdose beim Verlassen der Wohnung gehängt werden kann. So sieht das Kind sie sofort, wenn es zurückkommt, und kann sein Behandlungsgerät wieder in den Mund stecken.
Hervorragende Kooperation
Manche Kinder tragen ihre Zahnspangen so gut, dass im Kalender am Wochenende oft 25 oder 26 h Tragezeit pro Tag vermerkt sind. Es ist für solche Kinder sehr demotivierend, darüber zu lachen und sie nicht ernst zu nehmen! Selbstverständlich kann ein Kind, das am Samstag früh aufgestanden ist, seine Klammer tagsüber vorbildlich getragen und nur zum Essen herausgenommen hat und in der Nacht zum Sonntag üblicherweise länger schläft, an einem solchen Tag auf mehr als 24 Tragestunden kommen. Diese Kinder sind schwer beleidigt und der Rapport ist sofort gestört, wenn ihre Zahlenangaben angezweifelt werden oder ihnen gar Flunkerei unterstellt wird. Sie sind stattdessen sehr zu loben und besonders zu belohnen für ihren Eifer.
Mangelnde Kooperation
Bereits Stolzenberg (1936) berichtet von Patienten, die während der kieferorthopädischen Behandlung eine mangelnde Mitarbeit aufweisen. Er teilt diese Patienten in 2 Gruppen ein, und aus unserer Praxiserfahrung heraus besitzt diese Einteilung noch immer Gültigkeit: 1. Kinder, die ihre Behandlungsgeräte zerstören, 2. Kinder, die nicht ausreichend tragen und die Behandlungstermine nicht einhalten.
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5.5 • Hypnotische Interventionen in der Kieferorthopädie
Eine Ursache für die nicht ausreichende Mitarbeit kann einerseits mangelnder Rapport in Folge von Kommunikationsfehlern des zahnärztlichen Teams während der kieferorthopädischen Behandlung sein (Pannewig 2002). Dem kann erfolgreich durch besondere Zuwendung und Beachtung der Bedürfnisse des Patienten begegnet werden, womit erneut Rapport aufgebaut wird. Andererseits können aber auch die Einstellung der Eltern, häusliche Erziehungsprobleme und andere äußere Einflüsse ursächlich für eine mangelnde Kooperation verantwortlich sein. Hier hat das Behandlungsteam wenige Möglichkeiten, eine Änderung des Verhaltens herbeizuführen. Es sei denn, es gelingt in besonderer Weise, den Rapport und somit die Mitarbeit zu fördern. Wenn alle Bemühungen erfolglos sind, bleibt oft bei solchen Patienten nur die Möglichkeit einer Änderung des Behandlungsplanes und die Weiterführung der Behandlung mit festsitzenden Geräten durchzuführen.
Festsitzende Behandlung (Multibracketapparatur) und Hypnose Im Gegensatz zu den herausnehmbaren Geräten sind die festsitzenden Behandlungsapparaturen von stärkeren unangenehmen Nebenwirkungen begleitet. So können besonders in den ersten Tagen in individuell unterschiedlicher Ausprägung Spannungen im Kieferbereich mit Lymphstauungen, Druckstellen am Zahnfleisch durch die noch ungewohnten Brackets und Drähte, Kopfschmerzen durch Blockierung der Schädelatmung bis hin zu stärkerer Beeinträchtigung des Wohlbefindens auftreten. Neben physiotherapeutischen Maßnahmen wie manueller Lymphdrainage und kraniosakraler Osteopathie kann Hypnose diesen Patienten helfen, die Schmerzen zu lindern und für Entspannung und Reduzierung der unangenehmen Begleiterscheinungen zu sorgen.
Eingliedern der Apparatur
Während die Brackets geklebt werden, bietet es sich an, diese Zeit für eine Entspannungstrance zu nutzen. Bei dieser Tranceübung erleben die Jugendlichen oft zum ersten Mal, wie angenehm eine gezielte Entspannung sein kann, und sie werden motiviert, diese Übung auch zu Hause durchzu-
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führen. Die jungen Patienten sind dankbar für eine solche Möglichkeit, vor allem, wenn in den ersten Tagen nach dem Einligieren der Bögen Beschwerden auftreten. Da sie meistens schon in einem Alter sind, in dem gut mit der Punktfixationsmethode zur Tranceinduktion gearbeitet werden kann (7 Abschn. 1.2.1), wird die Entspannungstrance fast ausschließlich damit eingeleitet. Praxis konkret – Trance beim Kleben der Brackets 5 Nach der Tranceeinleitung werden die Jugendlichen gebeten, einen schönen Ort aufzusuchen und diesen mit allen ihren Sinnen (VAKOG) zu erfassen. 5 An diesem Wohlfühlort können sie ihre Lieblingsbeschäftigung ausüben oder es sich einfach nur gutgehen lassen und beispielsweise ihre Lieblingsmusik hören. 5 Dort sollen sie nun einen Schmerzschalter installieren, der bei Spannungs- oder Druckschmerz umgeschaltet werden kann (Holtz u. Mrochen 2005; 7 Abschn. 5.4.5). 5 Dieser Schalter soll auch später zu Hause bei der Tranceübung genutzt werden. 5 Dabei werden Suggestionen gegeben, die neben der Entspannung auch Schmerzreduzierung und Wohlbefinden induzieren.
Metaphern
Bei empfindlichen oder unruhigen Patienten wird in unserer Praxis während des Einsetzens der Multibracketapparatur oft die Metapher vom »LKW mit den schönen Erlebnissen« zur Dissoziation von der Behandlung verwendet (7 Abschn. 5.4.3). Pannewig (2002) beschreibt die Geschichte von einer Raupe, die zu einem schönen Schmetterling wird und dabei den Druck und die Spannung im engen Kokon nicht spürt, wenn sie alle Muskeln lockerlässt. Diese Metapher kann beim Eingliedern von festen und herausnehmbaren Zahnspangen neben einer verminderten Druckempfindlichkeit und Entspannung auch dazu beitragen, Veränderungen und Umbauvorgänge im Knochen zu induzieren.
252
Kapitel 5 • Hypnosepraxis in der Kinderzahnheilkunde
Kontrolle des Behandlungsverlaufs
5
Bei den Kontrolluntersuchungen sollte ab und zu das bisherige Behandlungsergebnis, also die derzeitige Zahnstellung im Mund, mit den Anfangsoder Zwischenmodellen des Patienten verglichen werden. Dabei wird jeder kleine Fortschritt, jede positive Entwicklung genau aufgezeigt und die gute Kooperation des Patienten gelobt und gewürdigt. So kann auch über mehrere Jahre im Verlauf der orthodontischen Therapie der Rapport aufrechterhalten und immer wieder verstärkt werden. Die Compliance des Patienten bleibt erhalten und verbessert sich mit jedem kleinen Erfolg, und sowohl das Behandlungsteam als auch der junge Patient und seine Eltern haben Spaß und Freude an der positiven Entwicklung bei der kieferorthopädischen Behandlung.
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257
Behandlung unter Sedierung und Vollnarkose – mit Hypnose 6.1
Sedierung – 258
6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5
Indikationen für die Behandlung mit Sedierung – 258 Definition – 258 EAPD-Richtlinien zur Sedierung in der pädiatrischen Zahnheilkunde – 259 Kooperativität und Gewöhnung der Kinder – 259 Sedierung bei der Kinderzahnbehandlung – 261
6.2
Behandlung in Vollnarkose – 267
6.2.1 6.2.2 6.2.3
Indikationen – 267 Definition – 267 Anwendung – 268
Literatur – 270
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6
258
Kapitel 6 • Behandlung unter Sedierung und Vollnarkose – mit Hypnose
» Der Schmerz der Seele ist schlimmer
6.1
Sedierung
als der Schmerz des Körpers. Publilius Syrus (42 n. Chr.), römischer Mimen-Autor
6.1.1
Indikationen für die Behandlung mit Sedierung
«
6
Dieses Kapitel befasst sich mit den Grenzen der Kinderhypnose in der Zahnheilkunde. Sind diese Grenzen erreicht, bleibt – je nach Indikation – weitgehend die Sedierung oder Vollnarkose des Kindes als Behandlungsmöglichkeit. Das Ehepaar Dr. med. dent. Sabine Rienhoff und Dr. med. dent. Jan Rienhoff gibt in diesem Kap. einen Einblick in seine Praxis und in seine Arbeit innerhalb dieses Bereiches von Anwendung, Kombinationsmöglichkeit und Grenzen von Hypnose. Da die Kombination mit Hypnose hier im Vordergrund stehen soll, wird die Beschreibung und Anwendung von speziellen Geräten als bekannt vorausgesetzt. Ein Großteil unserer Patienten ist mit Kinderhypnose allein behandelbar. Es gibt aber immer wieder Fälle, in denen die Behandlung mit Hypnose allein nicht ausreicht. Hierzu zählen vor allem extrem ängstliche oder geistig behinderte Kinder, aber auch kleine Patienten mit umfangreichem Sanierungsbedarf oder besonders invasive Eingriffe bzw. Unfälle. Hier kann die Anwendung von Sedierungsmaßnahmen oder eine Behandlung in Vollnarkose notwendig werden. Auch bei diesen Behandlungsformen ist es sehr hilfreich, ja fast unumgänglich, zusätzlich Hypnose anzuwenden. Wie in . Abb. 6.1 dargestellt, nehmen Behandlungen mit Sedierung in unserer Praxis 8% ein (1% Lachgas, 7% Midazolam), mit Narkose werden 5% der Kinder behandelt. Ausschließlich Hypnose erhalten 25% der Kinder. Bei allen Kontrolluntersuchungen und Prophylaxemaßnahmen (62% aller Interventionen) wird ebenfalls mit Kinderhypnose gearbeitet, jedoch entfallen hier Sedierung und Narkose gänzlich.
Die Indikation für eine Sedierung, zeitgemäß auch Analgosedierung (engl. conscious sedation) genannt, ergibt sich nur, wenn nichtpharmakologische Methoden und Verhaltenstraining zu keinem entsprechenden Ergebnis geführt haben oder wenn zu erwarten ist, dass diese Methoden versagen würden (Butz 2002). Praxis konkret – Indikationen zur Sedierungsbehandlung Bei der Behandlung mit Sedierung sind folgende Indikationen relevant: 5 Behandlung unter zahnärztlicher Hypnose allein ist nicht möglich oder nicht ausreichend. 5 Extreme Angst oder Furcht. 5 Mentale Retardierung. 5 Notfallbehandlung. 5 Mittellange bis lange und/oder komplizierte Behandlungen (Millett u. Welbury 2005).
Eine Sedierung wird grundsätzlich als zusätzliche Maßnahme zu schmerzausschaltenden Maßnahmen und Verhaltensführung sowie Hypnose angewendet. Genauso wichtig wie es ist, die orale Gesundheit herzustellen oder zu erhalten, ist es, die zahnärztliche Behandlung ohne Furcht und Angst für das Kind durchzuführen, um dadurch eine Basis für die orale Gesundheit im späteren Leben zu gewährleisten. Die Behandlung und die Erleichterung von Schmerzen ist ein Grundrecht für Menschen, egal welchen Alters, wie es in den »Richtlinien zur Sedierung in der pädiatrischen Zahnheilkunde« (Hallonsten et al. 1997) verdeutlicht ist (s. unten).
6.1.2
Definition
Der Begriff »Sedierung« (lat.: sedare = beruhigen oder sinken lassen) bezeichnet die Dämpfung von Funktionen des zentralen Nervensystems durch ein
259
6.1 • Sedierung
Lachgas 1%
6
leichten Sedierung befindet, kann schnell in eine tiefere Sedierung kommen, die bis zum Verlust der Schutzreflexe führen kann.
ITN 5% Dormicum 7%
6.1.3
Kontrolle 62%
Hypnose 25%
. Abb. 6.1 Verteilung der unterschiedlichen Behandlungsmaßnahmen in der Praxis Dres. Rienhoff. (erhoben an n = 417 Kindern; ITN Intubationsnarkose)
Beruhigungsmittel. Sedativa sind im Allgemeinen schlaffördernd und bewirken in höherer Dosierung eine Ausschaltung der bewussten Wahrnehmung und damit im Idealfall eine Distanzierung von Ängsten. Der Patient bleibt jederzeit ansprechbar, er reagiert auf körperliche Stimulation oder verbale Anweisungen wie z. B.: »Öffne den Mund«. Atmung und Schutzreflexe bleiben erhalten. Vor größeren oder längeren Behandlungen oder bei sehr ängstlichen Kindern ist eine Sedierung angezeigt, um die Stressbelastung für den Patienten zu reduzieren, dessen Ansprechbarkeit dennoch zu gewährleisten und die bestmögliche Zusammenarbeit mit dem Behandler zu ermöglichen. Um die Risiken für potenzielle Komplikationen wie einen unbeabsichtigten Bewusstseinsverlust, ein Ausschalten oder die Beeinträchtigung der Schutzreflexe (wie den Hustenreflex) sowie eine Kreislauf- oder Atemdepression zu minimieren, sind geeignete Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz des Patienten zu treffen (s. AWMF 2010). Man muss sich immer darüber im Klaren sein, dass eine Sedierung ein fortschreitender Prozess sein kann. Ein Patient, der sich zunächst in einer
EAPD-Richtlinien zur Sedierung in der pädiatrischen Zahnheilkunde
Die EAPD (Europäische Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde) hat Richtlinien zur Sedierung von Kindern während der Zahnbehandlung herausgegeben (Hallonsten et al. 1997). Sie enthalten konkrete Forderungen an den Behandler wie Anamneseerhebung, Monitoring, Einwilligungserklärung und Schutzmaßnahmen für die Patienten und das behandelnde Personal. Diese Richtlinien werden als bekannt vorausgesetzt. Eine intensive Ausbildung in den Sedierungsverfahren sowie entsprechende Kenntnisse und Sicherheit im Einsatz der Sedierungsmittel sind natürlich Grundvoraussetzung für deren Anwendung in der Zahnarztpraxis.
6.1.4
Kooperativität und Gewöhnung der Kinder
Insgesamt 88% der Kinder, die eine Behandlung unter Sedierung bekommen, können damit erfolgreich behandelt werden (. Tab. 6.1). 8% dieser Kinder mussten letztendlich in Intubationsnarkose behandelt werden. Die fehlenden 4% konnten mit allen »Tricks« doch noch ohne Vollnarkose behandelt werden, evtl. auch in einer weiteren Sitzung, hier konnte jedoch die Vollnarkose noch vermieden werden, daher die Diskrepanz. Viele Sedativa führen zur Toleranz (Gewöhnung), sodass es im Verlauf der Anwendung zur Dosissteigerung oder zur Verwendung eines anderen Sedativums kommen muss, um die gewünschte Sedierungstiefe aufrechtzuerhalten. Auch bei der zahnärztlichen Sedierung bemerkt man häufig schnell einen Gewöhnungsprozess, wenn zwischen den einzelnen Sitzungen nur kurze Pausen liegen. Aus unseren Erhebungen wird deutlich, dass die Kooperativität bei der ersten und zweiten Sedierungssitzung in etwa gleich ist, bei der dritten aber
260
Kapitel 6 • Behandlung unter Sedierung und Vollnarkose – mit Hypnose
. Tab. 6.1 Kooperativität der Kinder während der Behandlung mit Sedierung (n = 347 Kinder) in der Praxis Dres. Rienhoff Prozent
Qualität
Verhalten des Kindes
68
Kooperativ
Das Kind ist ruhig, folgt den Anweisungen, die Behandlung kann wie geplant durchgeführt werden
20
Mäßig kooperativ
Das Kind ist größtenteils ruhig, zwischendurch aber auch unruhig, braucht vermehrte Zuwendung, evtl. häufige Pausen, die Behandlung kann entweder wie geplant durchgeführt werden oder sie wird abgekürzt, indem z. B. weniger Zähne als geplant behandelt werden
12
Unkooperativ
Das Kind ist extrem unruhig, verweigert evtl. die Behandlung total. Das Kind reagiert womöglich aggressiv auf das Sedativum. Die Behandlung findet in abgekürzter Form statt oder muss komplett abgebrochen werden
6 70
68
70
Prozent der Fälle
60
53
50 40 30 30
19
20
20 11 10
17
12
0 1 2 Anzahl der Sitzungen
kooperativ Kooperamäßig tivität unkooperativ
3
. Abb. 6.2 Güte der Kooperativität bei der Sedierung in Abhängigkeit von der Sitzungsanzahl, Praxis Dres. Rienhoff. (mit jeweils n = 225, 90 und 23 Kindern)
deutlich absinkt. Das legt den Verdacht nahe, dass hier ein Gewöhnungseffekt einsetzt und dass die Medikamente nicht mehr im gleichen Maße wirken (. Abb. 6.2). Werden die Medikamente jedoch mit großem Zeitabstand von z. B.1/2 Jahr eingesetzt, da erneute Behandlungsbedürftigkeit festgestellt wurde, konnten wir diese Tendenz nicht feststellen.
Nach Möglichkeit begrenzen wir die Behandlungen in Sedierung auf 1 oder 2 Sitzungen, selten finden mehr als 2 Sedierungen zeitnah statt (. Abb. 6.3). Der Mindestabstand zwischen 2 Terminen sollte nicht weniger als 1 Woche sein.
261
6.1 • Sedierung
6
70% 62%
Prozent der Fälle
60% 50% 40% 26%
30% 20%
7%
10% 0%
1
2 3 Häufigkeit der Sedierungen
5% >3
. Abb. 6.3 Anwendungshäufigkeit und Anzahl der Sedierungen pro Kind, Praxis Dres. Rienhoff. (n = 346)
6.1.5
Sedierung bei der Kinderzahnbehandlung
Zur medikamentösen Sedierung werden in Kinderzahnarztpraxen am häufigsten Lachgas oder Midazolam, ein Hypnotikum (Schlafmittel), eingesetzt. Diese Maßnahmen können gut durch zahnärztliche Kinderhypnose unterstützt und ihre Wirksamkeit dadurch verbessert werden. Anmerkung zur Nomenklatur Der Schlaf, gr. hypnos, und »Hypnos« als Gott des Schlafes begründen Begriffe wie Hypnose und Hypnotikum. Allerdings handelt es sich weder bei der Hypnose noch bei der Sedierung um einen echten Schlaf. Bei der Verwendung des Fachbegriffes Hypnose wird hier seine Vielschichtigkeit deutlich. Die hier im Buch dargestellte klinische Hypnose ist also keinesfalls Schlaf oder Betäubung!! Da jedoch Personen meist wie schlafend wirken, hat Braid (1843) den Namen Hypnose eingeführt. Der Begriff Animal Hypnosis bezeichnet dagegen in der Fachterminologie die medikamentöse Sedierung oder Narkose von Tieren (7 Abschn. 1.1.2).
Sedierung mit Lachgas Allgemeines Das unter dem Trivialnamen »Lachgas« bekannte Distickstoffmonoxid ist ein farbloses Gas aus der Gruppe der Stickoxide. Es wird dem Patienten als Gemisch mit Sauerstoff über eine Nasenmaske aus speziellen, für den zahnärztlichen Gebrauch hergestellten Geräten zugeführt. Eine Überwachumg mittels Pulsoxymeter ist dabei erforderlich.
Wirkung Das Gas riecht leicht süßlich, es hat eine beruhigende Wirkung und vermindert Schmerzen (van Waes 2001). Manche Kinder beginnen unter der Wirkung von Lachgas zu lachen. Beim Einatmen wirkt es angstlösend, sedierend, schwach analgetisch und muskelrelaxierend. Analgetische (schmerzstillende) Effekte treten ab einer Konzentration von etwa 20% Distickstoffmonoxid in der Atemluft auf. Es reagiert im Körper im Prinzip nicht, wahrscheinlich oxidiert es aber das Vitamin B12. Die Wirkung von Lachgas ist nur kurz, bereits nach ungefähr 15 min sind keine Wirkungen mehr wahrnehmbar.
Nebenwirkungen Nebenwirkungen können leichte Übelkeit und Kopfschmerzen, Unruhe und Schwitzen sein. Es
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Kapitel 6 • Behandlung unter Sedierung und Vollnarkose – mit Hypnose
können Halluzinationen oder Alpträume auftreten. Bei exzessivem und unsachgemäßem Konsum kann es zudem zu Bewusstlosigkeit und Herzrhythmusstörungen kommen. Auch Vitamin B12-Mangel und folgerichtig Nervenschädigungen werden diskutiert. Die Nebenwirkungen treten bei korrekter Verabreichung allerdings nur sehr selten auf.
Anwendung in der Kinderzahnmedizin
6
In der Zahnmedizin ist Lachgas seit Jahrzehnten ein bewährtes Sedierungsmittel (Beruhigungsmittel), das vor allem bei Kindern und ängstlichen Patienten, aber auch bei starkem Würgereiz Anwendung findet. Geeignet ist es bei Kindern über 4 Jahren, bei kurzen Eingriffen und sehr kooperativen Kindern ist die Anwendung manchmal auch schon bei 3-Jährigen möglich. Bei sehr kleinen Kindern ist die Kooperativität für das Lachgas allerdings meistens noch nicht gegeben, da diese häufiger zwischendurch auf Mundatmung umstellen oder etwas erzählen wollen. Sobald aber nicht mehr konsequent durch die Nase geatmet wird, zeigt das Lachgas keine Wirkung mehr. Lachgas hat sich als hervorragende Behandlungsmethode erwiesen, besonders in Kombination mit verhaltenstherapeutischen Techniken (Weinstein et al. 1986) oder mit Hypnose (Wikström 1981). Eine Kombination von psychologischen und pharmakologischen Behandlungsmaßnahmen kann erfolgreicher sein als jede Methode für sich genommen (Dworkin et al. 1986; Weinstein 1990). Bei der Anwendung von Sedativa ist der Patient durchaus noch in der Lage, Geräusche und Stimmen wahrzunehmen. Deshalb sollte vom Zahnarzt und seinen Mitarbeiterinnen sehr genau darauf geachtet werden, was und worüber sie sprechen. Durch negative Bemerkungen während der Behandlung können das Erleben der Operation und die Genesung durchaus ungünstig beeinflusst werden (Kaiser et al. 1993). Leider ist laut Lu (1994) die Kombination von Hypnose mit pharmakologischer Sedierung noch immer recht unpopulär, weil nur wenige Behandler in beiden Techniken geschult sind. Unglücklicherweise scheinen sich viele Zahnärzte, die Lachgas verwenden, nicht der klinischen Bedeutung der begleitenden Suggestionen bewusst zu sein (Chaves 1999).
Praxis konkret – Lachgas und Hypnose Die Nasenmasken werden mit Duftstoff geliefert. Das Kind darf sich den Duft der Nasenmaske aussuchen, z. B. Erdbeer, Kaugummi oder Schokolade. Die Nasenmaske bekommt selbstverständlich auch einen speziellen Namen, so kann sie die Zaubernase, die Mutluftnase oder die Clownsnase sein. Oftmals zeigen wir diese Nase schon in der vorhergehenden Sitzung und geben sie auch zum »Üben« oder »Eingewöhnen« mit nach Hause. Diese Nase darf bei kleinen Kindern zunächst von einer Puppe oder einem Stofftier aufprobiert werden. Dieses Tier kann dann erschnüffeln, wonach die Nase tatsächlich riecht. Ein Finger bekommt noch eine Fingergarage (Pulsoxymeter). Um das Pulsoxymeter interessanter zu gestalten, kann z. B. eine Fingerpuppe darüber gestülpt werden. Allein durch das Pulsoxymeter mit der Fingerpuppe erzeugt man meistens schon eine kataleptische Trancehand (7 Abschn. 5.4.4), denn das Kind betrachtet neugierig, was da auf dem Finger sitzt. Dann wird dem Kind die Lachgasnase aufgesetzt und ein Gemisch aus Sauerstoff und Lachgas über diese Maske eingeatmet, bis die notwendige Sedierungstiefe erreicht ist. Während die Konzentration des Lachgases in der Einatemluft langsam gesteigert wird, wird die Hypnose über die oben beschriebenen Techniken eingeleitet. Wichtig ist, dass das Kind während der gesamten Behandlungszeit durch die Nase ein- und ausatmet. Hier kann ganz leicht wieder in eine hypnotische Geschichte eingestiegen werden, indem das Kind durch die Nase einatmen soll und mit dem Bauch einen großen Luftballon aufblasen soll – und der Mund bleibt dabei ganz fest zu, wie zugeklebt, damit alle Luft auch im Luftballon landet. Da bei der Anwendung von Lachgas konsequent durch die Nase geatmet werden muss, ist es sehr sinnvoll, die Behandlung unter Kofferdam vorzunehmen, da in diesem Fall die Mundatmung erschwert ist.
263
6.1 • Sedierung
Weiterhin sollen auch andere Gefühle, die entstehen könnten, unbedingt wiedergegeben werden, wie z. B. ein Kribbeln in den Händen und Füßen und ein gewisses »Wattegefühl«. Je weiter die Wirkung vom Lachgas und der Hypnose fortschreitet, desto mehr erkennt man einen »starren Blick« beim Patienten. In der Regel wird durch das Lachgas auch die Schmerzschwelle herabgesetzt. Man kann diese Wirkung leicht überprüfen, indem man mit dem eigenen Fingernagel an den Nagelfalz des Patienten drückt. Kommt hier keine Reaktion mehr, hat auch die analgetische Wirkung des Lachgases eingesetzt. Der kleine Patient ist jetzt so durch das Lachgas und die Hypnosegeschichte entspannt, dass er gut behandelt werden kann. Ist die Behandlung beendet oder so weit fortgeschritten, dass keine schmerzhaften Ereignisse mehr zu erwarten sind, kann die Konzentration des Lachgases reduziert oder sogar komplett ausgeschaltet werden. Die Kinder sind meistens so sehr in der Geschichte gefangen, dass das Legen der Füllung oder zumindest die Politur oftmals bereits ohne Lachgas möglich ist. Die Inhalation von Stickoxid führte in einem Versuch dazu, dass Versuchspersonen mit höherer Wahrscheinlichkeit positiv auf Suggestionen reagierten, dabei war interessant, dass die Effekte sich zu einem Zeitpunkt einstellten, als die Wirkung des Lachgases bereits verflogen waren. Wenn das Vertrauen steigt, können die Patienten allmählich durch Einübung die Zahnbehandlung auch ohne Sedativa akzeptieren und leicht und problemlos in Selbsthypnose gehen oder in die Hypnose geführt werden (Thompson 1996).
Vorteile von Lachgas
5 Wirkt nicht nur sedierend, sondern auch analgetisch, sodass bei kleinen Füllungen oft auf zusätzliche Anästhesie verzichtet werden kann und bei Anästhesien der Einstichschmerz meistens nicht vorhanden ist. 5 Kurzer Gesamtaufenthalt in der Praxis, die Wirkung ist nach ein paar Minuten komplett gegeben, außerdem schneller Abbau im Körper, das Kind kann nach der Behandlung sofort wieder nach Hause gehen.
6
Nachteile von Lachgas
5 Der Patient muss sehr kooperativ sein: 5 Er darf nur durch die Nase atmen, 5 er darf während der Behandlung nicht sprechen, 5 er muss die Nasenmaske und in der Regel den Kofferdam tolerieren, 5 evtl. Belastung des Personals durch das Gas, 5 hohe Anschaffungskosten bei den Geräten, 5 etwas längere Behandlungsdauer für den Zahnarzt, da das An- und Abfluten des Lachgases erst abgewartet werden muss.
Falldarstellung aus der Praxis Dres. Rienhoff Mädchen, 5 Jahre alt, soll eine Füllung unter Lachgassedierung bekommen »Du magst ja gern die Prinzessin Lillifee – die kleine Patientin bekommt eine Lillifee-Puppe auf den Schoß. Die Lillifee macht heute einen Ausflug mit Dir. Ihr fliegt zusammen ganz hoch zu den Sternen. Die Lillifee hat Flügel, die kann selbst fliegen und Du bekommst ein fliegendes Pferd. Wir setzen Dir erst mal ein Fingerkästchen auf den Finger (Pulsoxymeter); da können wir immer sehen, dass es Dir gut geht. Und dann bekommst Du ein fliegendes Pferd (Fingerpuppe Pferd wird über das Pulsoxymeter gesteckt). Du kannst das Pferd schon mal ganz hoch fliegen lassen (Hand wird hochgestellt = Handkatalepsie). Und weil da oben bei den Sternen die Luft so dünn ist, braucht ihr noch eine Zaubernase, damit ihr immer genug Luft bekommt«. Die Lillifee bekommt eine Zaubernase in pink. »Lillifee wie riecht die Zaubernase?« »Mmh, ganz lecker nach Erdbeer«. »Gut, möchtest Du auch Erdbeerluft oder soll Deine Zauberluft anders riechen? Okay, Du möchtest auch Erdbeerluft. Dann kannst Du jetzt der Lillifee helfen und Lillifees Zaubernase festhalten (zweite Hand ist auch beschäftigt) und wir helfen Dir mit Deiner Nase (Lachgasnase wird aufgesetzt und befestigt). Du atmest jetzt ganz tief die Erdbeerluft ein und wir fliegen zusammen hoch in die Luft. Du kannst unten die ganzen kleinen Häuser sehen, die Wiesen … (es wird genau beschrieben, was alles zu sehen sein könnte, während das Lachgas auf die gewünschte Konzentration hochge-
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6
Kapitel 6 • Behandlung unter Sedierung und Vollnarkose – mit Hypnose
dreht wird). Und wenn man so hoch oben in der Luft ist, dann wird die Luft so dünn, da kann es sein, dass die Hände und die Füße manchmal anfangen zu kribbeln, vielleicht kannst Du das auch merken (Kribbelgefühl durch das Lachgas pacen). Die Lillifee wird immer müder vom vielen Fliegen, die zaubert Euch jetzt mal einen Heißluftballon her. Der Heißluftballon muss ganz groß aufgepustet werden. Du machst jetzt Deinen Mund auf und pustest mit der Nase einen ganz großen Ballon auf bis in Deinen Bauch, aber alle Luft in den Bauch pusten, damit der Ballon auch ganz groß wird (in dieser Zeit anästhesieren). Der Ballon wird ganz rosa mit weißen Streifen und ganz viel Glitzer … Jetzt ist der Ballon ganz groß geworden, Du kannst ihn hier fühlen (mit dem Finger über die anästhesierte Stelle streichen) und ihr dürft jetzt alle in den Ballon einsteigen und mit dem Ballon weiterfliegen. Es fühlt sich an, wie auf einer großen Wolke, wie in Watte eingepackt (das »Wattegefühl« beschreiben). Und schon seid ihr auf einem Stern angekommen, der Ballon landet ganz sanft. Ihr habt ein Zelt mitgebracht, das baut Ihr zusammen auf. Zuerst braucht man die silbernen Zeltstangen (Kofferdamklammer) und darüber legt Ihr die rosa Zeltplane (Kofferdamgummi). Ihr klettert alle zusammen in das Zelt und habt es dort ganz gemütlich. Draußen könnt ihr den Regen hören (Wasser und Geräusch von Winkelstück). Was für Regen gibt es auf dem Stern wohl, kann das Himbeerregen sein oder vielleicht Kakaoregen (so lange über den Regen philosophieren, bis der Zahn fertig excaviert ist). Jetzt möchte die Lillifee gern eine Haarspange in ihre Haare haben. Du hilfst der Lillifee und machst ihr eine silberne Haarspange in die Haare. Manchmal drückt die erst ein bisschen und sie muss ganz gut festgemacht werden in den Haaren (Matrize anlegen). Und dann kriegt Lillifee noch glitzerndes Haargel (Füllung legen). Draußen könnt Ihr zwischendurch schon mal die Sonne leuchten sehen. Hier auf dem Milchzahnstern ist die Sonne aber nicht gelb, wie bei uns, sondern sie ist blau (Polymerisationslampe). Dann kommt noch ein kurzer Regenguss (polieren) vielleicht siehst Du auch einen Regenbogen, denn wenn die Sonne scheint und es regnet, dann
kommt manchmal ein Regenbogen (je nach Zeitbedarf evtl. von den bunten Farben des Regebogens erzählen). Dann hat es endlich aufgehört zu regnen. Ihr könnt das Zelt wieder abbauen (Kofferdam entfernen) und Euch langsam auf den Rückweg machen.«
Sedierung mit Midazolam (Dormicum) Allgemeines Midazolam (Handelsname u. a. Dormicum) ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Benzodiazepine. Es liegt in Darreichungsformen zur parenteralen und oralen Verabreichung vor und ist ein Schlafmittel, dabei gibt es fließende Grenzen zu den Sedativa.
Wirkung Midazolam bewirkt eine Anxiolyse oder Angstverminderung (Cameron u. Widmer 2003), eine Sedierung mit anterograder Amnesie (reduzierte Merkfähigkeit), skelettale und muskuläre Relaxation sowie Atemdepression und wirkt antikonvulsiv. Die Wirkung des Midazolams setzt nach ca. 20–30 min ein, und der sedierende Effekt hält dann für ca. 45 min an. Die Halbwertszeit für den Abbau des Midazolams beträgt ca. 2 h. Die Wirkung von Midazolam lässt sich schnell durch die Gabe des Antidots (Gegenmittels) Flumazenil (Anexate) aufheben.
Nebenwirkungen Es kann zu Überdosierungen und zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kommen. Paradoxe Reaktionen können auftreten, sodass es zu aggressivem Verhalten kommt. Ebenso wie auch beim Lachgas können Halluzinationen auftreten (z. B. Doppeltsehen). Außerdem sind Kreislaufreaktionen wie Abnahme des Atemzugvolumens und/oder Minderung der Atemfrequenz sowie Blutdruckschwankungen und Änderungen des Pulsschlags möglich.
Anwendung in der Kinderzahnmedizin Bei Kindern, die nicht die genügende Kooperativität besitzen, die für das Lachgas notwendige Nasenmaske aufzusetzen und während der gesamten Behandlung aufzubehalten, konsequent durch die Nase zu atmen und nicht zu sprechen, ist die Sedie-
265
6.1 • Sedierung
rung mit Midazolam angezeigt. Außerdem bei längeren Sitzungen, wenn z. B. Pulpotomien gemacht werden und/oder Kinderkronen eingegliedert werden sollen. Midazolam darf grundsätzlich bei Kindern über einem Jahr angewendet werden. In der Praxis hat es sich jedoch gezeigt, dass es sinnvoll ist, Midazolam erst ab 3 Jahren einzusetzen – in Ausnahmefällen, bei sehr kooperativen Kindern und kleinem Behandlungsumfang kann man es jedoch auch bei 2-jährigen Patienten einsetzen. Praxis konkret – Midazolam und Hypnose Der Saft hat bei uns Himbeeraroma und wird den Kindern als Zaubertrank verabreicht: »Du kennst bestimmt Asterix und Obelix, die bekommen auch immer Zaubertrank. Unser Zaubertrank macht Dich ganz mutig«. Nach Verabreichung des Saftes dauert es zwischen 15 und 30 min, bis die Wirkung eintritt. Die Kinder sind in der Regel sehr ruhig, die Angst ist verflogen. Gerade in diesem Zustand, der zwischen Schlafen und Wachen ist, sind die Kinder hochsuggestibel für die Kinderhypnose. Sobald das Kind auf dem Behandlungsstuhl liegt (oftmals können sie nicht mehr selbstständig laufen, da sie zu müde geworden sind und auch die muskelrelaxierende Wirkung eingesetzt hat), beginnen wir mit den spannenden Geschichten und fliegen mit den kleinen Patienten durch Zauberwälder, über Blumenwiesen oder hin zu fernen Milchzahnstraßen. Nach der Behandlung muss das Kind noch so lange in der Praxis überwacht werden, bis es wieder vollständig wach und klar ist und selbständig laufen kann. Für diese Zeit sollte das Kind die Möglichkeit haben, sich hinzulegen, um sich auszuruhen. Meistens bleiben die Kinder aber nur kurze Zeit wirklich liegen, viele fangen bald schon wieder an, mit den anderen Kindern zu spielen. Nach der Behandlung mit Midazolam oder Lachgas erleben wir es häufig, dass die Kinder sich nur noch an die erzählte Geschichte erinnern, aber nicht mehr an die Zahnbehandlung (retrograde Amnesie). So kommt es immer wieder vor, dass die Kinder
6
nach der Behandlung, wenn sie wieder vollständig wach sind, fragen, ob sie denn heute noch auf den Zauberstuhl klettern können und wann wir denn endlich den Zahn reparieren. Bevor die Kinder die Praxis wieder verlassen dürfen, kontrollieren wir, ob sie wieder vollständig wach und reorientiert sind. Wir sprechen kurz mit dem Kind, überprüfen dabei, ob wir sinnvolle Antworten bekommen, und lassen das Kind ein Stückchen gehen. Dabei muss es allein (ohne die Hand von Mutter oder Vater) gehen können, ohne zu taumeln. Erst dann dürfen die Eltern mit dem Kind nach Hause gehen.
Vorteile
5 Die Kinder müssen während der Behandlung keine Nasenmaske aufsetzen, sie können also auch ruhig einmal durch den Mund atmen und dürfen auch zwischendurch sprechen. 5 Wenn das Midazolam einmal geschluckt ist, dann wird die Wirkung auch entsprechend eintreten, ohne dass das Kind noch etwas dazu beitragen muss. 5 Dadurch sind auch etwas längere Behandlungen möglich. 5 Retrograde Amnesie: die Kinder wissen oftmals nichts oder nicht mehr viel von der Behandlung.
Nachteile
5 Midazolam kann nicht so gut gesteuert werden wie Lachgas, die einmal gegebene Menge muss genau passen. Nachdosieren ist nicht möglich, andererseits kann es auch leicht zur Überdosierung kommen. 5 Die Wirkung hält länger an, sodass das Kind nach der Behandlung noch für 1 1/2 bis 2 h in der Praxis überwacht werden muss. Auch zu Hause darf das Kind nicht unbeaufsichtigt bleiben, da Midazolam eine sehr lange Halbwertszeit hat.
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Kapitel 6 • Behandlung unter Sedierung und Vollnarkose – mit Hypnose
5 Im Gegensatz zum Lachgas wirkt Midazolam nur anxiolytisch, aber nicht analgetisch, es muss also in der Regel eine Schmerzausschaltung durch Lokalanästhesie oder durch hypnotische Maßnahmen erfolgen. 5 Es kann zu paradoxen Reaktionen kommen, sodass das Kind aggressiv wird.
Der Linienrichter winkt mit der schwarz-weißen Fahne, wir haben das Rennen gewonnen.« Vielleicht hat das Kind so nebenbei mitbekommen, dass der Zahn extrahiert wurde, aber was im Gedächtnis bleibt, ist die Geschichte vom Autorennen.
Additive Maßnahmen Falldarstellung aus der Praxis Dres. Rienhoff
6
Junge, 5 Jahre, Extraktion mit Midazolam »Du magst ja gerne Autos; damit wir heute ganz tolle Kurven fahren können, bekommst Du jetzt ein Power-Stärkungstrank (Verabreichung des Midazolams). Bis der Powertrank richtig wirkt, darfst Du noch ein bisschen spielen« (Das Kind bleibt ca. 20 min mit den Eltern im Wartezimmer). Nach 20 min wird er auf den Behandlungsstuhl gelegt. »Jetzt bekommt Dein Finger erst mal eine Fingergarage, Autos sind ja auch oft in der Garage (Pulsoxymeter). Was muss man denn alles überprüfen, bevor man mit einem Rennauto losfahren kann. Genau, als erstes müssen wir mal schauen, ob noch genug Luft in den Reifen ist. Wir nehmen mal das Luftprüfgerät und drücken es auf das Ventil. Oh ja, der Reifen braucht Luft, wir pusten den mal auf. Du kannst mal mithelfen (Kind pusten lassen, dabei injizieren). Genau, puste mal ganz doll, dabei kannst Du merken, dass der Reifen immer dicker und dicker wird. Gut, der Reifen ist jetzt wieder aufgepustet, was müssen wir noch überprüfen? Benzin? Ist genug da. Öl? Ist aufgefüllt. Kühlwasser? Fehlt, das müssen wir nachfüllen, das kann noch mal ein bisschen drücken (palatinale Injektion). Gut, dann sind wir soweit fertig, wir können losfahren. Nimm das Lenkrad in beide Hände (Hände hochnehmen lassen und ein imaginäres Lenkrad greifen lassen). Wir fahren bergauf, bergab, müssen mal bremsen und mal hupen, dann kommt eine Huckelstrecke (mit dem Hebel die Fasern durchtrennen, dabei möglichst etwas vibrierende Bewegungen machen, damit die Huckelstrecke imitiert wird). Dann kommen ganz große Kurven nach rechts, nach links (Zahn mit der Zange rechts und links bewegen und langsam entfernen). Und dann sind wir schon am Ziel (Zahn ist raus).
Eine Analgosedierung sollte grundsätzlich mit schmerzausschaltenden Maßnahmen und auch Verhaltensführung unterstützt werden. Durch zahnärztliche Hypnose während einer Sedierung kann die Dosis der Medikamente verringert werden. In einer Studie von Litchfield (1982) wurde Hypnose verwendet, um die Dosis von Diazepam zu verringern. Dabei wurde gezeigt, dass eine Hypnose vor der Sedierung es möglich machte, konsistent eine signifikant geringere Dosis des Medikaments zu verabreichen und weniger aversive psychische Reaktionen zu bewirken (Thompson 1996). Als additive Maßnahmen aus dem Bereich der Komplementärmedizin werden bei der Kinderzahnbehandlung von Körperich (2003) Akupunktur, Akupressur, Homöopathie, Phytotherapie und auch Hypnose angegeben. Diese Additionstherapien »haben die Fähigkeit, bei adäquater Anwendung zu einem harmonischen Therapieverlauf und stressfreien Praxisbesuch beizutragen« (Körperich 2003, S. 66). Von Krämer, Kraft und Danzl (2002) werden ebenfalls Hypnose und Akupunktur als Maßnahmen zum Angstabbau und zur Schmerzkontrolle ohne Pharmaka erwähnt. Ergänzend zur Hypnose und den medikamentösen Sedierungsmaßnahmen sollte daher auch die Akupressur von Akupunkturpunkten zur Beruhigung oder Schmerz- und Würgereizlinderung (Zehner 2006; www.milchzahnarzt.de) eingesetzt werden. EMDR und energetische Psychologie (Klopfakupressur) sind neben der Hypnose und Akupressur als additive Maßnahmen ebenfalls angezeigt (7 Kap. 7).
Kombination mit energetischer Psychologie (Klopfakupressur)
Manchmal sind die Kinder auch mit Midazolam zunächst unkooperativ und sprechen auf Hypnose nicht an. Hier kann die Klopfakupressur (Rienhoff
267
6.2 • Behandlung in Vollnarkose
2009; Zehner 2008 u. 2010, 7 Abschn. 7.2) sehr hilfreich sein, um eine Behandlung überhaupt möglich zu machen: Falldarstellung aus der Praxis Dres. Rienhoff Mädchen, 7 Jahre, Füllung am 36 (recht klein) mit Midazolam Das Kind kommt ins Zimmer und es geht los: »Ich will nicht. Nicht mit dem …« (zeigt auf die Winkelstücke). Es macht den Mund nicht auf, wehrt sich regelrecht. Wir fangen kommentarlos an, bei ihr zu klopfen. Zwei Helferinnen und der Zahnarzt, jeder klopft die Punkte, an die er gerade herankommt. Alles, was von ihr kommt, wird aufgegriffen: »Auch wenn Du jetzt nicht willst, bist Du ein ganz tolles Mädchen. Auch wenn Du das Ding nicht willst, hat Deine Mama Dich lieb. Auch wenn Du Angst hast, dass es weh tut … auch wenn Du meinst, es fühlt sich an wie ein Kratzer … auch wenn Du jetzt immer noch nicht willst. Auch wenn du gar nicht willst, dass wir bei Dir klopfen … auch wenn Du nicht glaubst, dass Dir das Klopfen hilft … auch wenn Du jetzt noch nicht glaubst, dass wir den Zahn putzen ….« Man könnte es als »Konfusionsklopfen« bezeichnen. Einer Mitarbeiterin hat am Kopf geklopft, eine andere am Körper, der Behandler an der Hand. Der Klopfort wurde immer ohne Reihenfolge gewechselt. Die Akzeptanzsätze wurden auch durcheinander und gleichzeitig ausgesprochen, so wie es gerade kam. Zwischendurch hat die kleine Patientin auch einmal geweint, und auch das haben wir aufgenommen: »Auch wenn Du jetzt weinst ….« Später kam dann auch noch: »Auch wenn Du jetzt wütend bist … auch wenn Du jetzt schon lachst … auch wenn Du es jetzt gar nicht mehr schaffst, wütend zu sein ….« Es ging gefühlsmäßig ziemlich auf und ab, doch das Kind wollte den Putzer (Bohrer) immer noch nicht. Dann haben wir sie mit ruhigem Ton ins Wartezimmer geschickt. Zunächst hat eine Helferin ihr und den Eltern die Klopftechnik noch einmal systematisch gezeigt, Vater und Tochter haben daraufhin (jeder bei sich) noch einmal ca. 20 min ihre Akupunkturpunkte geklopft.
6
Danach kam die kleine Patientin recht entspannt wieder ins Zimmer, wir haben den Zauberstab als Ampel installiert, die auch noch einmal kurz rot wurde, doch sie hat sich entspannt behandeln lassen. Dazu wurde eine hypnotische Geschichte erzählt.
6.2
Behandlung in Vollnarkose
6.2.1
Indikationen
In einigen Fällen kann es notwendig werden, die Zahnbehandlung unter Vollnarkose durchzuführen. Als Indikationen für eine Behandlung in Vollnarkose gelten im deutschen Krankenkassensystem (Sozialgesetzbuch V, insbesondere §§ 115ff.): 5 Kinder unter 12 Jahren, die nicht mit dem Zahnarzt zusammenarbeiten und deshalb unter örtlicher Betäubung nicht behandelt werden können. 5 Patienten, die wegen mangelnder Kooperation bei geistiger Behinderung oder schweren Bewegungsstörungen eine Vollnarkose brauchen. 5 Patienten, die schwere, ärztlich anerkannte Angstreaktionen zeigen und deshalb nicht unter örtlicher Betäubung behandelt werden können. 5 Patienten, bei denen Beruhigungsmittel oder örtliche Betäubungsmittel wegen einer organischen Erkrankung oder Allergie nicht eingesetzt werden dürfen. 5 Patienten, denen ein größerer chirurgischer Eingriff bevorsteht, der nicht unter örtlicher Betäubung durchgeführt werden kann.
6.2.2
Definition
Die Narkose (altgriechisch nárkōsis – heute nárkosi, »In-Schlaf-Versetzen«) – auch Vollnarkose, Allgemeinanästhesie oder Intubationsnarkose (ITN) – führt zu einem kontrollierten Zustand der Bewusstlosigkeit.
268
Kapitel 6 • Behandlung unter Sedierung und Vollnarkose – mit Hypnose
6.2.3
Anwendung
Zahnbehandlung, die Kinder gehen in der Regel später ganz gelassen zum Zahnarzt.
Wirkung
6
Durch Medikamente, die als Atemgas und/oder intravenös zugeführt werden können, wird das zentrale Nervensystem gelähmt sowie das Bewusstsein, die Muskelspannung, die Abwehrreflexe und die Schmerzempfindung ausgeschaltet. Es werden Kombinationen aus Barbituraten, Schmerzmitteln (z. B. Opioide) und Muskelrelaxanzien verwendet. Während der Narkose muss der Patient über einen Atemtubus oder eine Maske beatmet werden. Eine Überwachung der Vitalfunktionen während der gesamten Narkose muss gewährleistet sein.
Nebenwirkungen Es kann nach der Narkose zu Übelkeit und Erbrechen sowie Schluckbeschwerden, Schmerzen und Hämatomen an der Einstichstelle kommen. Allergien, Atembeschwerden, Kreislaufreaktionen können vorkommen, sind aber schnell zu beheben. In extrem seltenen Fällen kann es zu Atemstillstand, Organschäden oder Embolien kommen Die primär anästhesiebedingte Mortalität soll bei 0,05% liegen, also bei 5 von 100.000 durchgeführten Narkosen (Heck u. Fresenius 2004).
Nachteile 5 Großer Apparate- und Personalaufwand; 5 hohe Kosten der Behandlung; 5 erhöhtes Behandlungsrisiko durch die Vollnarkose. 5 Bei manchen Eltern und auch bei größeren Kindern besteht die Gefahr, dass das Verhalten (zahngesunde Ernährung und Zahnpflege) nicht verändert wird, da die Narkose so atraumatisch und scheinbar einfach für den Patienten und die Eltern abläuft. 5 Bekommt ein Kind in den ersten 4 Lebensjahren mehr als einmal Vollnarkose, leidet es doppelt so häufig unter Lernschwierigkeiten als andere Kinder. Einmalige Narkosegaben hinterlassen jedoch keine derartige »Spuren« (Wilder et. al. 2009). 5 Verhaltenstherapie ist bei der Behandlung von Patienten mit Dentalphobien langfristig der Narkose signifikant überlegen, da Patienten nach einer verhaltenstherapeutischen Behandlung später häufiger zum Zahnarzt gehen als solche mit nur Narkosebehandlung (Hakeberg et al. 1990).
Anwendung in der Kinderzahnmedizin Nur Kinder, bei denen keine andere Art der Schmerzausschaltung möglich ist (s. Indikationskatalog), werden einer Behandlung in Vollnarkose unterzogen. Neben speziellen Geräten ist hierfür zusätzlich ein weiteres Ärzteteam (Anästhesisten) erforderlich.
Vorteile 5 Die Kinder haben keinerlei Erinnerung an den Eingriff, so können auch sehr kleine, behinderte und unkooperative Kinder behandelt werden. 5 Kinder mit sehr großem Behandlungsumfang oder sehr schmerzhaften Behandlungen (Abszesse) können ohne Traumatisierung behandelt werden. 5 Die komplette Behandlung kann in einer Sitzung erfolgen. 5 Keine negative Behandlungserfahrung, damit keine Traumatisierung der Kinder durch die
Praxis konkret – Vollnarkose und Hypnose Da auch eine Behandlung unter Vollnarkose für die kleinen Patienten sehr belastend ist, sollte die Narkoseeinleitung durch die Anwendung von Hypnose so angenehm wie möglich gestaltet werden. Schon beim Narkosevorgespräch darf das Kind sich einen Traum aussuchen. Dieser Traum wird dann in der Traummaschine (Narkosegerät) eingestellt. Bei kleinen Kindern wird die Narkose meistens über eine Nasenmaske eingeleitet. Diese bekommt natürlich einen zum Traum passenden Namen, so kann es z. B. die Staubschutzmaske oder die Tauchermaske sein. Auch hier darf ein mitgebrachtes Stofftier eine ebensolche Maske aufprobieren und zusammen mit dem Kind in den Traum gehen.
269
6.2 • Behandlung in Vollnarkose
. Tab. 6.2 Kooperativität der Kinder während der Narkoseeinleitung mit Hypnose (n = 166 Kinder), Praxis Dres. Rienhoff Prozent
Qualität
Verhalten des Kindes
71
Kooperativ
Das Kind bleibt ruhig liegen, hört sich die Geschichte an und schläft ruhig ein
16
Mäßig kooperativ
Das Kind ist im Wesentlichen ruhig, kann zwischendurch aber mal unruhig werden, lässt sich aber schnell wieder beruhigen
13
Unkooperativ
Das Kind wehrt sich, hört nicht zu, ist kaum dazu zu bewegen, die Nasenmaske aufzusetzen, hier funktioniert die Hypnose nicht
Während das Kind die Narkoseluft einatmet, erzählen wir (Anästhesist und Zahnarzt) schon eine Geschichte aus dem Traum. Da die Narkoseluft etwas stechend riecht, wird der Geruch natürlich immer in den Traum mit eingearbeitet. So kann es sein, dass ein stinkender Pferdestall ausgemistet werden muss oder die Prinzessin hat wieder zu viel Nagellack und Haarspray benutzt, oder wir gehen tauchen und riechen vermoderte Algen oder stinkenden Fisch. Auf diese Art und Weise schlafen die meisten Kinder sehr ruhig ein (. Tab. 6.2).
Beispielgeschichten aus der Praxis Dres. Rienhoff Bob der Baumeister »Du möchtest eine Geschichte von Bob dem Baumeister träumen. Okay, der Bob braucht ja ganz viel Schutzkleidung, er braucht Ohrenschützer, er braucht einen Helm und er braucht auch eine Staubmaske. So eine tolle Staubmaske haben wir auch für Dich. Die passt genau auf Deine Nase (Nasenmaske wird aufgesetzt). Und was muss der Bob machen, bevor er mit seinen Baufahrzeugen losfahren kann? Genau, er muss erst mal tanken, kannst Du schon den Diesel riechen? Der stinkt heute aber wieder ganz schön. Gut, dann kannst Du jetzt losfahren, wir fahren rechts- und linksherum und sind auch schon ganz schnell bei der Baustelle. Der Bob will heute einen Spielplatz bauen. Da soll eine Rutsche gebaut werden und ein Klettergerüst, ein Sandkasten.«… (irgendwann ist das Kind dabei eingeschlafen).
Tauchen zu Spongebob »Du möchtest vom Tauchen träumen. Dazu brauchst Du erst mal eine Tauchermaske« (Nasenmaske wird aufgesetzt). »Du kannst auch noch einen Taucheranzug und Taucherflossen anziehen und dann paddelst Du los (wenn das Kind möchte, kann es dabei Paddelbewegungen mit Händen und Füßen machen). Wir tauchen immer tiefer und auf einmal sehen wir Spongebob. Kannst Du riechen, wie komisch das bei Spongebob wieder riecht? Der hat heute wieder seine Algensuppe anbrennen lassen. Dass der so etwas überhaupt essen mag … mal sehen, wer da unten noch so alles unter Wasser wohnt. Oh, ich sehe schon den Nemo, und der Regenbogenfisch ist auch schon da.« Pferdestall ausmisten »Wir brauchen zusätzlich zur Reitkappe und den Reitstiefeln auch noch einen Geruchsschutz, da der Pferdestall so schmutzig ist und wir ihn erst ausmisten müssen. Später reiten wir dann los, z. B. durch den Zauberwald.« Autorennen »Rennfahrer brauchen eine Rennfahrermaske und wir riechen die Abgase von den schnellen Rennautos, die um die Wette fahren, wobei das Auto des Kindes immer vorn ist.« IV-Einleitung mit Schmetterling Auch wenn die Narkose sofort intravenös (i. v.) eingeleitet wird, erzählen wir eine hypnotische Geschichte. Eine Schmetterlingsfingerpuppe kann dabei auf den Zeigefinger des Behandlers gesteckt und die Injektionskanüle während des Einstichs damit verdeckt werden: »Schau Dir diesen schönen Schmetterling an, er glitzert in der Sonne und kann
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Kapitel 6 • Behandlung unter Sedierung und Vollnarkose – mit Hypnose
sich auf Deinem Arm oder auf der Hand niederlassen. Die Fühler vom Schmetterling kitzeln Dich und pieken auch manchmal ein wenig. Dann darf der Schmetterling mit seinem langen Rüssel die weiße Schlafmilch trinken und davon wird er so müde, dass er einschläft.« So kann man sich viele nette Geschichten ausdenken, die die Kinder liebevoll in den Schlaf bringen. Bei unruhigen Kindern kann das Einschlafen auch mit Klopfakupressur (7 Abschn. 7.2) zusätzlich unterstützt werden, was in vielen Fällen sehr hilfreich ist.
6 Verhalten nach der Narkosebehandlung Manche Kinder berichten hinterher, dass sie tatsächlich ihren Traum geträumt haben, manche beschweren sich aber auch, dass sie ihn nicht geträumt haben. Wenn sie nicht mehr wissen, was sie geräumt haben, erzählen wir, dass das genauso ist, als wenn sie nachts träumen, auch da erinnert man sich morgens nicht immer an seine Träume. Oder wenn sie sich beschweren, dass sie einen anderen Traum hatten, dann sagen wir, dass die Traummaschine wohl etwas durcheinander war, wir müssen sie mal wieder reparieren lassen. Mit diesen Erklärungen sind die Kinder im Allgemeinen zufrieden. In den meisten Fällen sind die Kinder nach der Narkosebehandlung sehr ruhig und kommen kooperativ zur Nachkontrolle und Prophylaxe wieder in unsere Praxis. Das beobachten wir auch bei sehr kleinen Kindern, die vor der Narkosebehandlung sehr unkooperativ waren. Sie scheinen zu wissen, dass ihre Zähne nicht in Ordnung waren und nach der Narkose alles wieder »repariert« ist, sodass keine Behandlung mehr ansteht. Die Kinder haben durch die Narkosebehandlung keine schlechten oder überfordernden, sondern nur positive Erfahrungen gemacht und können in Zukunft in der Regel gut behandelt werden.
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6
273
Ergänzende psychologische und komplementärmedizinische Methoden 7.1
Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) – 274
7.1.1 7.1.2
Das Verfahren und seine Indikation – 274 Anwendung bei der Zahnbehandlung von Kindern – Winken – 275
7.2
Energetische Psychologie – Klopfakupressur – 275
7.2.1 7.2.2
Das Verfahren und seine Indikation – 275 Vorgehen bei der Behandlung von Kindern – 277
7.3
Akupunktur und Akupressur – 280
7.3.1 7.3.2
Das Verfahren und seine Indikation – 280 Anwendung bei der Kinderzahnbehandlung – 280
7.4
Resümee – 282 Literatur – 282
Hans-Christian Kossak, G. Zehner, Hypnose beimKinder-Zahnarzt, DOI 10.1007/978-3-642-17738-5_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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274
Kapitel 7 • Ergänzende psychologische und komplementärmedizinische Methoden
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Zweifel ist der Weisheit Anfang. René Descartes (1596–1650), französischer Mathematiker, Philosoph, Naturwissenschaftler
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7
In diesem Kapitel werden verschiedene Methoden erläutert, mit deren Hilfe die Zahnbehandlung von Kindern und besonders auch die Hypnoseeinleitung und Tranceführung während der Kinderzahnbehandlung erleichtert werden kann. Manche der kleinen Patienten sind nicht in der Lage, auf dem Zahnarztstuhl loszulassen, sich zu entspannen und eine Zahnbehandlung mit Kinderhypnose zu erleben – die Ursachen dafür können unterschiedlich sein. Viele Kinder sind sehr aufgeregt, sensibel und schmerzempfindlich, oder sie leiden unter einem sehr starken Würgereiz und haben deshalb Probleme, in Trance zu gehen. Oft haben sie auch Angst vor der Behandlung, weil sie bereits schlechte Erfahrungen gemacht haben oder durch Berichte von Zahnbehandlungen anderer Personen verunsichert sind. Deshalb sind alternativ und ergänzend zur Kinderhypnose psychologische Methoden wie: 5 Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) und wingwave (Winken), 5 energetische Psychologie (EP, PEP), 5 Akupunktur und Akupressur bedeutsam. Diese Methoden helfen den kleinen Patienten, durch Beruhigung und Anxiolyse sowie Schmerzreduzierung und Linderung des Würgereizes eine entspannte Zahnbehandlung in Trance zu erleben.
Die Methode findet im Bereich der Psychotraumatologie nach Traumaerlebnissen ihre Anwendung. Die Erweiterung in der Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen wird von Greenwald (2001) und Hensel und Meusers (2006) dargestellt.
Vorgehensweise Bei der Behandlung bewegt der Therapeut einen Finger rhythmisch vor dem Gesicht des Patienten (= Winken). Dadurch wird der Patient veranlasst, während der Traumavorstellung bestimmte rhythmische Augenbewegungen zu produzieren (Desensibilisierung). Die Einschätzungen auf einer Skala der subjektiven Belastung von 1–10 (SUD-Skala: Subjective Units of Distress) bestimmen die Geschwindigkeit des Vorgehens.
Erklärungsmodelle Es wird angenommen, dass durch das Trauma eine reziproke Inhibition der kognitiven und affektiven Unterbereiche des anterioren zingulären Kortex vorliegt. Dies bedeutet funktional: Es werden in der rechten Hirnhälfte die traumatischen Bilder produziert, aber das Sprachzentrum in der linken Hemisphäre wird unterdrückt, wodurch das Erlebte nicht mehr in Worte gefasst werden kann und so die Verarbeitung des Traumas erschwert ist (= sprachloses Entsetzen). Durch die provozierten rhythmischen Augenbewegungen wird das Gehirn bilateral stimuliert und dadurch wieder eine Synchronisation beider Hirnhälften erreicht (Reprocessing). Eine solche bilaterale Stimulierung kann auch durch taktile oder akustische Reize erfolgen.
Bewertung 7.1
Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR)
7.1.1
Das Verfahren und seine Indikation
Die EMDR-Methode wurde von Francine Shapiro (1989, 1998) als psychotherapeutisches Verfahren entwickelt und beinhaltet, dass durch spezielle Augenbewegungen eine Desensibilisierung der mit Angst (Stress etc.) besetzten Vorstellungen und gleichzeitig kognitive Umstrukturierung erfolgt.
Durch seine hohe Effektivität fand die Methode schnell eine große Resonanz (Eschenröder 1997). Das Verfahren ist 2006 vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie zur Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen bei Erwachsenen als wissenschaftlich anerkannt worden.
Grenzen und Risiken Insgesamt handelt es sich hier um eine scheinbar einfache, aber dennoch komplexe Vorgehensweise, die nur von speziell ausgebildeten Fachleuten bzw. erfahrenen Traumatologen angewandt werden
275
7.2 • Energetische Psychologie – Klopfakupressur
sollte, um das Risiko einer Retraumatisierung zu minimieren. Die Kombination mit Hypnose erhöht die Erfolgschancen und reduziert die Anwendungsrisiken (Hollander u. Bender 2001).
Modifikationen Im Bereich des Coachings wurde diese Methode weiterentwickelt und mit dem kinesiologischen Muskeltest (Diamond 1991, Heyartz 1996, Garten 2004) kombiniert. Diese Form des EMDR hat den geschützten Namen wingwave (Besser-Siegmund u. Siegmund 2001; Nespital 2008, 2009) und wird auch in der Zahnmedizin bei Ängsten und belastenden Emotionen in Kombination mit zahnärztlicher Hypnose empfohlen (Walz 2003, 2005).
7.1.2
Anwendung bei der Zahnbehandlung von Kindern – Winken
Die EMDR-Methode wird bei der Kinderzahnbehandlung Winken genannt und in modifizierter, einfacher Form bei Ängsten und Behandlungsverweigerung eingesetzt – beispielsweise nach unangenehmen Erlebnissen im Zusammenhang mit einer Zahnbehandlung. Das Kind soll dabei aufrecht sitzen, an die unangenehme Situation denken und auf die Fingerspitze des Therapeuten schauen, die sich rhythmisch hin- und her bewegt (Winken). Dabei soll das Kind seine Angst oder das belastende Erlebnis im Fokus der Aufmerksamkeit behalten. Als eine Modifikation des Winkens kann der Therapeut auch eine Liegende Acht mit seinem Finger in die Luft malen, das Kind fixiert mit seinen Augen die Fingerspitze und die Augen bewegen sich in dieser Form. Dabei ist darauf zu achten, dass die Überkreuzung genau in der Gesichtsmitte liegt und die Bewegung am Kreuzungspunkt immer nach oben erfolgt. Die Übung hat sich bei der Kinderzahnbehandlung als Zwischenentspannung und auch bei der Klopfakupressur (Bohne 2008 a) zur Entspannung und besseren Koordination der beiden Hirnhemisphären gut bewährt. Eine andere Möglichkeit, das Gehirn bilateral zu stimulieren und
7
damit ein Ungleichgewicht in der Funktion der beiden Hirnhälften auszugleichen, sind Überkreuzübungen (Dennison u. Dennison 2004; Zehner 2010 a, 7 Abschn. 5.2.3). Als akustischer Stimulus zur Harmonisierung der beiden Hirnhälften kann spezielle Musik über Kopfhörer im Wechsel auf das rechte und linke Ohr eingespielt werden (BesserSiegmund u. Siegmund 2001). Das abwechselnde rhythmische Klatschen der Hände auf die rechte und linke vordere Schulterpartie bei überkreuzten Unterarmen – Taping oder Butterfly – (Nespital 2008) ist als taktiler Reiz bei Kindern ebenfalls sehr beliebt und wirkungsvoll.
7.2
Energetische Psychologie – Klopfakupressur
Die energetische Psychologie (EP), auch Klopfakupressur genannt, kann mit dem EMDR-Verfahren sehr gut kombiniert und zur Tranceinduktion bei der zahnärztlichen Hypnosebehandlung verwendet werden (Dünzl 2009).
7.2.1
Das Verfahren und seine Indikation
Es wird davon ausgegangen, dass mit Angst und Stress verbundene unangenehme und belastende Gefühle durch Klopfen auf bestimmte Akupunkturpunkte, verbunden mit Augenbewegungen, Summen und Zählen positiv beeinflusst und verändert werden können.
Stand der Entwicklung in Deutschland Von Callahan (1993) als Thought Field Therapie (TFT) entwickelt hat Gallo (2000, Gallo u. Vincetti 2007) die energetische Psychologie in Deutschland eingeführt, die sich schnell als Klopfmethode (Klopfakupressur) verbreitete und teilweise mit dem kinesiologischen Muskeltest (Diamond 1991; Garten 2004) kombiniert wurde. Es entwickelten sich daraus modifizierte und vereinfachte Klopftechniken (Marx 2008), beispielsweise die Emotional Freedom Technique (EFT) nach Gary Craig (Benesch 2008; Hartmann 2007; Rother u. Rother 2008), die Mentalfeldtherapie (MFT) nach Kling-
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Kapitel 7 • Ergänzende psychologische und komplementärmedizinische Methoden
In Tang / Ex KH 3 (Beruhigung) LG 26 (Kollaps) KG 24 (Würgereiz) KG 20/21 (Thymuspunkt)
7 . Abb. 7.1 Klopfakupressur. Mittellinienpunkte der Negative Affect Erasing Method (NAEM) oder Mittellinientechnik
hardt (2007) oder die Negative Affect Erasing Method (NAEM) nach Gallo (2000). Die NAEM wird auch als Mittellinientechnik (. Abb. 7.1) bezeichnet und von Kieser (2006) sehr anschaulich in einem Kinderbuch beschrieben. Manche Autoren geben problemspezifisch verschiedene Punkte als Klopfsequenzen an (Benesch 2008; Becker-Oberender 2008), andere Autoren arbeiten mit standardisierten Klopfsequenzen, die für alle Patienten gleichermaßen anwendbar sind (Feinstein et al. 2007; Hartmann 2007; Kieser 2006; Vlamynck 2009). Von Bohne (2008 a, 2009 b) wurde die energetische Psychologie zur Prozessorientierten Energetischen Psychologie bzw. Prozess- und Embodymentfokussierten Psychologie (PEP) weiterentwickelt. Es ist ein Verfahren, das in der psychologischen Praxis sehr flexibel und individuell eingesetzt werden kann (Wehrsing 2009).
Vorgehensweise Bohne (2009 b) beschreibt ein standardisiertes Klopfverfahren, das für Jugendliche und Erwachsene auch bei Zahnarztangst eingesetzt wird (Dünzl 2009). Nachdem der Patient durch Entspannungsund Zentrierungsübungen auf die Klopfbehandlung eingestimmt wurde, soll er an sein Problem (Angst, negatives Zahnarzterlebnis) denken und damit
diese dysfunktionale Emotion aktivieren. Danach reibt er einen Punkt über seinem Herzen, der als »wunder Punkt« bezeichnet wird, und spricht dabei positive Sätze zur Selbstakzeptanz aus, beispielsweise: »Obwohl ich dieses Problem habe, liebe und akzeptiere ich mich, so wie ich bin, voll und ganz.« In einer bestimmten Abfolge werden nun Akupunkturpunkte an den Händen, am Kopf und am Körper beklopft, während der Patient sein Problem im Fokus der Aufmerksamkeit behält. Die Klopfsequenzen können variiert und wiederholt werden, zusätzlich wird vom Patienten zur Zwischenentspannung eine Serienübung (s. unten) mit unterschiedlichen neuronalen Aktivitäten (Augenbewegungen, Summen, Zählen) durchgeführt, während er ebenfalls an sein Problem denkt. Anschließend empfindet er das unangenehme Erlebnis in der Regel als nicht mehr so stark belastend, und seine Angst wird geringer.
Erklärungsmodelle Allen o. g. Klopftechniken gemeinsam ist die Tatsache, dass sie nach den heutigen praktischen Erfahrungen und Beobachtungen sehr wirksam zur Angst- und Stressreduzierung (Bohne 2009 a) und auch zur Stärkung des Selbstwertgefühls (Vlamynck 2009) eingesetzt werden können. Aus wissenschaftlicher Sicht ist noch nicht geklärt, wie diese Techniken genau wirken und ob es Wirkunterschiede zwischen ihnen gibt, entsprechend wurden unterschiedliche Erklärungsmodelle und Wirkhypothesen aufgestellt (Bohne 2008 a). Neben dem Berühren des eigenen Körpers scheinen die positiven Sätze (Affirmationen) zur Selbstakzeptanz und damit die Verbesserung der Selbstbeziehung eine nicht unerhebliche Rolle bei der Veränderung der unangenehmen Erinnerungen zu spielen. Durch das selbsttätige Klopfen kommen die Patienten aus ihrer Opferrolle, in der sie dem traumatischen Prozess ausgeliefert sind, heraus und erleben sich als Handelnde (Wehrsing 2009). Durch das Klopfen als emotionales Selbstmanagement hat der Patient eine Möglichkeit, eigenständig etwas gegen seine negativen Emotionen zu tun und diese zu reduzieren. Wilhelm-Gößling (2006, S. 75) formuliert als Hypothese:
277
7.2 • Energetische Psychologie – Klopfakupressur
» Mit Hilfe von Energetischer Psychotherapie als Zusatztechnik wird durch Fokussierung auf das Problem mit gleichzeitiger Aktivierung verschiedener Sinnesmodalitäten eine Reorganisation neuronaler Verschaltungen angeregt und neue Aktivierungs- und Nutzungsmuster werden erzeugt. Damit kann EP helfen, neue neuronale Netzwerke im Sinne von veränderten Kognitions-EmotionsVerhaltensmustern zu knüpfen.
«
Von Eschenröder (2006) wird beschrieben, dass die Wirksamkeit des Klopfens, Reibens oder Berührens von Akupunkturpunkten nach Untersuchungen des südamerikanischen Psychiaters Joaquin Andrade (zit. nach Feinstein 2006) auch durch die verstärkte Stimulierung von Mechanorezeptoren der Haut hervorgerufen werden kann, deren Konzentration an den Akupunkturpunkten höher als an anderen Körperstellen sein soll. Nach Wehrsing (2009) kann die durch Entspannung während des Klopfens erzeugte Wirkung auf das vegetative Nervensystem durch reziproke Hemmung dem Stress entgegenwirken. Stress und Entspannung können nicht gleichzeitig erlebt werden, so werden anscheinend durch das Klopfen und die Körperberührungen parasympathische Reaktionen gefördert und sympathische eher gehemmt. Die hohe Wirksamkeit und Effektivität der Klopfmethoden ist sicherlich nicht allein durch die reine Technik des Klopfens begründet. Nach Gunther Schmidt ist »eine sehr wertschätzende, achtungsvolle und dabei sehr emphatische Begegnung« zwischen Patient und Behandler äußerst wichtig (Schmidt 2006, S. 13). Die Wirkhypothesen müssen weiter kritisch diskutiert werden, wie es auch weiterer Effektivitätsstudien bedarf (Wehrsing 2009).
7.2.2
Vorgehen bei der Behandlung von Kindern
Bei der psychotherapeutischen Behandlung von Kindern wird von den Anwendern der Klopfmethoden von einer schnellen und anhaltenden Auflösung negativer Emotionen in vielen Bereichen berichtet (Becker-Oberender 2008; Benesch 2008;
7
Feinstein 2007; Hauffe 2006; Kieser 2006) Auch in der Kinderzahnbehandlung (Klockner-Gallenstein 2007; Rienhoff 2009; Zehner 2008, 2010 a) helfen Klopftechniken zur Reduzierung von Angst, Stress und belastenden Emotionen. Insbesondere bei der Vorbereitung der Kinder auf eine Hypnosezahnbehandlung kann durch das Ressourcenklopfen, das von den kleinen Patienten auch als Zauberklopfübung bezeichnet wird (s. unten), die Tranceinduktion erleichtert und eine Behandlung in Hypnose mit Fokus auf eine angenehme Erinnerung ermöglicht werden (Zehner 2010 a).
Rapport vor der Klopfübung Vor der Klopfakupressur werden Überkreuzübungen zum Stressabbau und zur Entspannung durchgeführt, die bei Zehner (2010 a) beschrieben sind. Zum Rapportaufbau sind außerdem im Vorfeld häufig vertrauenfördernde Maßnahmen erforderlich (7 Abschn. 1.2.2 und 5.2.1), da leider viele Kinder negative Erfahrungen bei Zahnbehandlungen gemacht haben. Ziel der Klopfakupressur ist es dann nicht nur, Ängste und unangenehme Erlebnisse im Zusammenhang mit der Zahnbehandlung zu beklopfen und damit zu verringern. Die Angst und die unangenehmen »doofen« Gefühle werden vom Behandlungsteam auch anerkannt und gewürdigt (Pacing), um das Selbstwertgefühl der kleinen Angsthäschen zu steigern. Dabei wird den Kindern gegenüber liebevolle Wertschätzung sowie Lob und Anerkennung für die tolle Mitarbeit ausgesprochen.
Mittellinientechnik Das detaillierte Vorgehen bei der Klopfakupressur in der Kinderzahnbehandlung ist bei Zehner (2010 a) ausführlich beschrieben. Hier soll lediglich die einfach durchzuführende Mittellinientechnik oder Negative Affect Erasing Method (NAEM) erläutert werden, die vor allem bei Kindern sehr wirksam ist (Kieser 2006). Das Kind wird dabei vom Therapeuten angeleitet und partnerschaftlich begleitet. Zuerst wird der Aufmerksamkeitsfokus auf die negative Emotion gerichtet (»doofes Gefühl« bei der Behandlung, Zahnarztangst, schlechte Erfahrungen bei früheren Zahnbehandlungen) und der Patient erzählt von seiner Angst oder dem unange-
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7
Kapitel 7 • Ergänzende psychologische und komplementärmedizinische Methoden
nehmen Erlebnis, wodurch das Problem neuronal aktiviert wird. Danach spricht er positive und sein Selbstwertgefühl stärkende Sätze aus, beispielsweise: »Auch wenn ich diese doofe Angst oder das schlechte Gefühl habe, bin ich ein tolles Kind und meine Eltern haben mich ganz doll lieb!«. Durch diese positiven Affirmationen wird das Selbstwertgefühl des Kindes gestärkt und der Rapport verbessert sich. Dabei kann, wie bei Erwachsenen, der »wunde Punkt« leicht gerieben oder die Handkante des Kindes sanft beklopft werden (Handkanten- oder Karatepunktepunkt, Zehner 2010 a; s. a. psychotropes Areal der Handlinie V nach Gleditsch 2007). Anschließend werden dem kleinen Patienten und seiner Begleitperson die Akupunkturpunkte der Mittellinientechnik (. Abb. 7.1) gezeigt, und gemeinsam klopfen alle Anwesenden diese Punkte an ihrem Körper. Nach einem Klopfdurchgang mit Fokus auf das Problem wird die Serienübung (s. unten) durchgeführt. Im Anschluss daran soll das Kind an ein positives und angenehmes Erlebnis denken und diese angenehme Erinnerung mit allen Sinnen (VAKOG) wahrnehmen. Damit fokussiert sich der kleine Patient gedanklich auf seine Ressourcen, während eine weitere Klopfsequenz mit den Mittellinienpunkten durchgeführt wird. Danach ist die Erinnerung an das unangenehme Erlebnis häufig nicht mehr so belastend und erscheint den Kindern »wie weggezaubert« (Ressourcen- oder Zauberklopfübung).
Serienübung zur Zwischenentspannung Zur Entspannung und Integration des Erreichten in unterschiedliche neuronale Areale wird zwischen den Klopfsequenzen eine Übung durchgeführt, bei der ein Punkt auf dem Handrücken (Serienpunkt) leicht beklopft wird. Dabei denkt der Patient wiederum an das belastende Thema, gleichzeitig wird in bestimmter Reihenfolge eine Serie verschiedener Aktivitäten wie Augenbewegungen, Summen und Zählen durchgeführt (Bohne 2009 b; Kieser 2006; Zehner 2010 a).
und sonstigen Empfindungen im Zusammenhang mit dem Angstgefühl gefragt. Später kann überprüft werden, ob sich das Gefühl in seiner Lage, Farbe oder Form verändert hat. Dem Kind kann auch konkret aufgetragen werden, dem Gefühl eine andere Farbe zu geben bzw. die unangenehme Empfindung über die Füße aus dem Körper zu lenken, was häufig die negative Emotion deutlich abschwächt.
Modifizierte Klopftechnik bei der Kinderbehandlung Die Vielfalt der Klopftechniken (s. oben) zeigt, dass die Klopfakupressur auch in einer modifizierten Form sehr wirksam ist und keineswegs nur die standardisierten Klopftechniken angewendet werden müssen. So verwenden wir beispielsweise bei Kleinkindern, die während der Zahnbehandlung unruhig werden und zu weinen beginnen, häufig nur den Thymuspunkt (. Abb. 7.1) oder klopfen leicht an der Handkante, während beruhigend und mit selbstwertstärkenden Affirmationen zum Kind gesprochen wird (Zehner 2010 a). Allein durch die empathische Zuwendung in Verbindung mit dem Klopfen können diese Kinder oft sehr schnell beruhigt und in Trance geführt werden.
Magisches Klopfen Vor der Klopfakupressur können Zauberkunststücke (7 Kap. 8) zum Rapportaufbau und zur Stärkung des kindlichen Selbstbewusstseins durchgeführt werden, was insbesondere bei Vor- und Grundschulkinder angezeigt ist. Wird das anschließende Klopfen von Zaubersprüchen und Zauberformeln begleitet, kann es als Zauberritual durchaus auch eine magische Wirkung entfalten. Spürt das Kind, wie sich seine negativen Gefühle durch das magische Klopfen (Feinstein 2007) der Zauberoder Mutpunkte positiv verändern, »gewinnt diese magische Handlung realen Boden, was sich in verstärkter Weise auf das Selbstbewusstsein des Kindes niederschlägt« (Benesch 2008, S. 111).
Submodalitäten des Angstgefühls
Fallbericht Lisa, 9 Jahre alt – Angst vor einer Milchzahnextraktion (Praxis Dres. Rienhoff )
Das »doofe Gefühl« kann von den Kindern zusätzlich noch im Körper erspürt werden, dabei wird das Kind nach Lage (meist in der Brust), Farbe, Form
Das 9-jährige Mädchen kommt mit Beschwerden am 54 zum ersten Mal in die Praxis. Sie setzt sich nur sehr zögernd auf den Behandlungsstuhl. Nach
7.2 • Energetische Psychologie – Klopfakupressur
kurzer Betrachtung des Zahnes steht fest, dass wir ihn herauswackeln müssen, um Platz für den neuen Zahn zu schaffen. Die Patientin sieht das auch ein, hat aber furchtbare Angst, sie zittert und ist kurz davor zu weinen. »Weißt Du was, Lisa, wir haben einen ganz tollen Trick, damit es Dir gleich besser geht. Wir haben ein paar ganz tolle Zauberpunkte, die beklopfen wir gleich gemeinsam und damit bekommst Du ganz viel Mut.« Helferin, Patientin, Mutter und Behandler klopfen jeder bei sich alle Punkte. Lisa sieht schon etwas besser aus, aber so ganz wohl fühlt sie sich noch nicht. »Lisa, sag mir doch mal, wo Deine Angst ist?« »Im Kopf!« »Und wohin wollen wir sie schicken, damit es Dir besser geht?« »In die Füße«. Wir klopfen noch einmal alle Punkte durch, sie wird deutlich ruhiger, wir machen auch die Zwischenentspannung mit Augenbewegungen, summen, zählen, summen und schließlich noch einen Klopfdurchgang. »Wo ist Deine Angst jetzt?« »In den Füßen!« »Prima, dann steh jetzt bitte einmal auf und tritt die Angst jetzt ganz weg.« Sie steht auf und trampelt und springt mit mir und der Helferin zusammen mit viel Elan und Kraft auf dem Fußboden herum, die Angst wird weggetreten. Nach dieser sehr aktiven Tätigkeit ist sie deutlich entspannt, sie legt sich auf den Behandlungsstuhl. »Sag mal, hast Du eine Lieblingsfarbe?« »Ja, rot« »Okay, dann pusten wir für Deinen Zahn jetzt einen roten Luftballon auf und Du hilfst uns dabei. Atme ganz tief in Deinen Bauch hinein und puste die Luft ganz fest mit dem Mund heraus. Tief einatmen und fest pusten, genau, so ist es gut.« Während das Kind kräftig pustet, wird das Lokalanästhetikum injiziert. »Und dann siehst Du schon wie der rote Luftballon immer größer und größer wird.« Helferin: … »und auf dem roten Luftballon sind ganz kleine goldene Glitzersternchen … vielleicht siehst Du auch weiße Streifen … ganz oben sind noch blaue Karos«. Es wird im Stil einer Konfusion darüber philosophiert, wie der Luftballon noch aussehen könnte. Während der Injektion kamen bei Lisa noch ein paar Tränen, und bis die Anästhesie ausreichende Wirkung hatte, klopfte die Helferin zusammen mit der kleinen Patientin noch ein paar Mal alle Punkte, was zu weiterer Entspannung führte.
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Danach wieder schnelle Tranceinduktion: »Wir haben ja jetzt einen schönen großen roten Ballon aufgepustet, Du schwebst jetzt mit dem Ballon zum Zauberwald.« Dabei wurde eine Handkatalepsie erzeugt und der Arm ganz hoch gehalten. »Schau Dich in dem Zauberwald einmal um, was Du alles sehen kannst, die vielen hohen Bäume, vielleicht ein paar Tiere, hör, welche Geräusche Du hörst, vielleicht das Rauschen des Windes. Fühl einmal nach, wie Du Dich im Ballon fühlst, vielleicht ganz leicht und frei und Du riechst die frische Luft. Auf einmal siehst Du unten im Zauberwald einen ganz schönen großen Glitzerstein. Schau mal, welche Farbe er hat. Du schwebst mit dem Ballon zu dem Stein, er glänzt und funkelt in der Sonne. Unten sind vielleicht ein paar Tiere, die helfen Dir, den Stein an ein Seil zu binden. Dann schaukelst Du mit dem Ballon den Stein ganz langsam nach rechts und nach links, der Stein macht sich ganz leicht und schwebt mit Dir und dem Ballon nach oben. Dort, wo der Stein gelegen hat, ist frische schöne Erde. Hier kann jetzt wieder eine schöne neue Pflanze wachsen und der Glitzerstein darf mit Dir nach Hause schweben, Du kannst ihn, wenn Du möchtest, in einem Schatzkästchen aufbewahren.« Der Zahn wurde dabei langsam extrahiert, sehr ruhig und entspannt.
Fallbericht Patrizia, 11 Jahre alt – Angst vor einem Abdruck für die KFO-Behandlung (Praxis Dr. Zehner) Bei Patricia soll ein Abdruck für eine Zahnspange genommen werden. Sie hat aber Angst davor, dass sie das doofe Gefühl nicht aushalten kann, wenn die Abdruckmasse in ihrem Mund aushärten muss. Deshalb verweigert sie 3-mal in Folge das Einbringen des Abdrucklöffels in ihren Mund. Wir zeigen Patricia die Mutpunkte (Mittellinienpunkte) und erklären kurz das Vorgehen. Mit der positiven Affirmation »Auch wenn ich diese doofe Angst habe, bin ich ein ganz tolles Kind, und alle haben mich ganz sehr lieb« beklopft Patricia ihre Handkante (Karatepunkt). Alle Anwesenden – die Mutter, die Schwester und auch die gestresste Mitarbeiterin, die 3-mal vergeblich versucht hatte, den Abdruck zu nehmen – klopfen auch an ihrer Handkante und sprechen die Affirmation zusammen mit Patricia im Chor.
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Kapitel 7 • Ergänzende psychologische und komplementärmedizinische Methoden
Dann stellt sich Patricia ein Gefühl vor, das sie gern an Stelle dieses doofen Abdruckgefühls hätte. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist Fußball spielen und sie hat vor kurzer Zeit ein Tor geschossen, das war ein ganz tolles Gefühl! Sie klopft daraufhin die Punkte der Mittellinientechnik (NAEM) im Gesicht und denkt dabei an die Situation, in der sie das Tor geschossen hat. Zum Abschluss wird der Thymuspunkt längere Zeit beklopft, dabei denkt Patricia immer an das tolle Torgefühl. In ihrer Brust stellt sie sich eine schöne Farbe vor, die zu diesem guten Gefühl passt. Beim nächsten Versuch bleibt der Abdruck im Mund, bis er ausgehärtet ist, während Patricia ihren Thymuspunkt fortlaufend beklopft und eine zweite Mitarbeiterin zusätzlich Akupunkturpunkte zur Beruhigung an ihrem Kopf und an den Unterarmen akupressiert. Patricia reagiert gut auf die Suggestionen zur Atemvertiefung und zur Entspannung, bleibt in Gedanken bei ihrer Lieblingsbeschäftigung, schießt dabei mehrere Tore und ist sichtlich entspannt. Die Freude über den erfolgreichen Abdruck ist riesengroß, und alle gratulieren Patricia dazu. Voller Stolz verlässt sie mit einer kleinen Belohnung die Praxis und trägt fortan sehr motiviert ihre Zahnspange.
7.3
Akupunktur und Akupressur
7.3.1
Das Verfahren und seine Indikation
Die Akupunktur ist eines der ältesten Heilverfahren; sie entwickelte sich vor ca. 4000 Jahren in China und ist Teil der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Die Körperakupunktur mit ihren speziellen Punkten, die sich entlang von Energiebahnen (Meridianen) systematisch über den ganzen Körper verteilen (Hecker et al. 1999), wird ergänzt durch die Mikroakupunktursysteme, beispielsweise die Ohr- oder Mundakupunktur (Gleditsch 2007; Hieber 2007), die erst in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts entdeckt wurden. Akupunktur kann bei der Zahnbehandlung Erleichterung für die Patienten in vielen Situationen bewirken. Durch Akupunktur, Akupressur oder
auch Laserpunktur an bestimmten Punkten werden nicht nur die Schmerzempfindlichkeit verringert (Bäcker u. Dobos 2006) und der Würgereiz gelindert, sondern der Patient wird auch ruhiger und ausgeglichener. Nach einer Studie von Rosted et al. (2010) hat die Akupunktur vor der Zahnbehandlung einen positiven Effekt auf das Angstniveau der Patienten. Das erklärt, warum es insbesondere den Kinderpatienten durch Akupressur leichter möglich ist, in Trance zu gehen, sich auf innere Bilder zu konzentrieren und die Aufmerksamkeit von der Zahnbehandlung weg auf angenehme Dinge hin zu lenken. Die Hypnosebehandlung kann sehr gut durch Akupunktur oder Akupressur ergänzt und unterstützt werden (Dünninger 1996; Kornacker 2004; Zehner 2004, 2006), und selbst bei der zahnärztlichen Prophylaxe kann Akupressur von den Mitarbeiterinnen, dem Patienten selbst oder bei Kindern von der Begleitperson erfolgreich eingesetzt werden (Zehner 2010 b).
Erklärungsmodelle Auf die genaue Wirkungsweise der Akupunktur wird hier nicht näher eingegangen, sie ist bei Hieber (2007), der umfassend über den Einsatz von Akupunktur bei der Zahnbehandlung informiert, und in der einschlägigen Akupunkturfachliteratur ausführlich erläutert.
Bewertung Die Diskussionen über die Effektivität der Akupunktur/Akupressur versus Plazebo werden als hinreichend bekannt vorausgesetzt. Da gerade im Bereich der Zahnbehandlung von Kindern kaum wissenschaftliche Studien vorliegen, betreten wir auch hier relatives Neuland und müssen uns auf die eigene Praxiserfahrung und die der Berufskollegen berufen.
7.3.2
Anwendung bei der Kinderzahnbehandlung
Bei der Behandlung von Kindern werden in unserer Praxis nur sehr selten Nadeln für die Akupunktur verwendet, da die Akupressur oder in speziellen Fällen auch die Laserpunktur erfahrungsgemäß völlig ausreichend sind, um die gewünschten Wir-
7.3 • Akupunktur und Akupressur
kungen zu erzielen. Das wird auch von Pothmann und Meng (2002) sowie Tenk (2007) beschrieben. Da diese Verfahren praktisch schmerzfrei sind, werden sie von den meisten Kinderpatienten besser toleriert als die Akupunktur mit Nadeln. An dieser Stelle soll lediglich die Akupressur näher erläutert werden, da die Laserpunktur intensive Fortbildung in diesem Spezialverfahren voraussetzt.
Akupressur Für die Akupressur sind Kenntnisse über die Lage und Indikation der entsprechenden Punkte erforderlich (Hammes et al. 2005; Hecker et al. 1999; Hieber 2007; Tenk 2007). Während der Kinderzahnbehandlung verwenden wir Akupunkturpunkte zur Anxiolyse und Beruhigung, Schmerzlinderung und Reduzierung des Würgereflexes und beschränken uns auf Areale, die für den Behandler leicht zugänglich sind – insbesondere an den Händen und Unterarmen, am Kopf und im Gesicht. Eine genaue Beschreibung der von uns verwendeten Punkte, ihrer Lage und ihrer Indikation ist bei Zehner zu finden (2010 b; www.milchzahnarzt.de). Die Punkte werden durch vibrierende Massage mit leichtem Druck stimuliert, diese Druckmassage (= Akupresur) kann an eine zahnärztliche Mitarbeiterin oder das Kind selbst bzw. seine Begleitperson delegiert werden. Wir verwenden dafür kleine Pflaster mit Metallkügelchen (KugelPflaster) oder auch Samenkügelchen, die man aus dem Akupunkturfachhandel beziehen kann. Sie werden auf die entsprechenden Akupunkturpunkte geklebt, sodass man beim Massieren eine Orientierung über die Lage des Punktes hat, der dabei durch die Kugel intensiv stimuliert wird. Auch mit einem mittelgroßen Kugelstopfer oder einfach nur mit dem Fingernagel kann die Akupressur durchgeführt werden, und für den »Hausgebrauch« können sich die Patienten selbst Kugelpflaster aus kleinen handelsüblichen Druckknöpfen mit einem darüber geklebten Pflaster herstellen.
Akupressur durch die Begleitperson des Kindes Die Akupressur durch ein Elternteil oder eine andere Begleitperson des Patienten ist bei der Kinderhypnosezahnbehandlung sehr hilfreich. Die meisten erwachsenen Bezugspersonen haben bei
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der Behandlung ihrer Kinder das Bedürfnis, diese ständig zu streicheln und damit trösten zu wollen. Unruhiges Streicheln wirkt aber auf die Kinder verunsichernd und dadurch angstauslösend (7 Abschn. 2.3.3), und es ist dabei durchaus auch eine Übertragung der Angst der Begleitperson auf das Kind möglich. Zudem erhöht das Streicheln die Sensibilität der kleinen Patienten und sollte auch deshalb bei der Zahnbehandlung besser unterbleiben (Schoderböck 2007). Um dennoch der Begleitperson, meistens der Mutter, in gewisser Weise beruhigenden Körperkontakt zu ihrem Kind zu ermöglichen und ihr damit ein Gefühl der Verbundenheit mit ihm zu geben, wird als Alternative zum Händchenhalten und Streicheln die Akupressur eingesetzt. Das Akupressieren der entsprechenden Akupunkturpunkte durch die Bezugsperson des Kindes hat neben der eigentlichen beruhigenden und schmerzlindernden Wirkung gleichzeitig noch den positiven Effekt, dass durch die verstärkte Zuwendung ein gutes Gefühl von Geborgenheit und Nähe beim Kind erzeugt wird. Ein negativer Einfluss durch Angstübertragung oder zu starke Mutter-Kind-Beziehung wird dabei vermieden, da die Aufgabe, abwechselnd verschiedene Punkte zu massieren, die volle Konzentration der Begleitperson erfordert. Praxis konkret – Vorteile der Akupressur bei der Kinderzahnbehandlung 5 Die Wirkung der Akupressur/Akupunktur bringt Beruhigung, Anxiolyse, Würgereizund Schmerzlinderung. 5 Die Akupunktur genießt immer größere Akzeptanz in der Bevölkerung. 5 Der Behandler hat in den Augen der Patienten mehr Kompetenz. 5 Die Compliance des Patienten und der Rapport zum Praxisteam werden größer. 5 Die Begleitperson kann »Händchenhalten« – positive Wirkung auf das Kind. 5 Die Begleitperson ist beschäftigt – keine Angstübertragung. 5 Kooperative Eltern helfen gern – weniger kooperative Eltern stören nicht, da sie sich auf die Akupressur konzentrieren müssen.
7
282
Kapitel 7 • Ergänzende psychologische und komplementärmedizinische Methoden
7.4
Resümee
Die Kinderpatienten werden durch EMDR, Klopfakupressur und die Zahnbehandlung begleitende Akupressur deutlich ruhiger und gelöster, lassen sich leicht mit Kinderhypnose QuickTimeTrance (7 Abschn. 5.4.2) in ihre Traumwelt entführen und entspannt behandeln. Bei den auf den 7 OnlineVideomaterial dokumentierten Fällen zur Hypnoseanwendung werden als ergänzende Methoden sehr häufig unterschiedliche Formen der Akupressur und Klopfakupressur demonstriert, die von der Mutter, der Zahnärztin oder ihrem Fachpersonal angewandt werden. Diese ergänzenden Methoden sollten allerdings nur als Additionstherapie angesehen werden (Körperich u. Maiwald 2003; Körperich 2002; Einwag u. Pieper 2002) und setzen selbstverständlich das Einverständnis der Eltern voraus. Auch wenn derzeit nur die Erfahrungen und Beobachtungen der Anwender als Beweis der Wirksamkeit der oben beschriebenen Verfahren herangezogen werden können und wissenschaftliche Studien noch ausstehen, sollten gerade bei Kindern zur Erleichterung der Tranceführung bei der Hypnosezahnbehandlung diese vielversprechenden, schnell wirksamen und schonenden Maßnahmen eingesetzt werden. Insbesondere bei Angst- und Erregungszuständen, schmerzhaften Eingriffen, starkem Würgereiz oder auch nach unangenehmen Zahnarzterlebnissen und damit verbundener Behandlungsverweigerung wird ein in diesen Methoden geübter und mit ihnen vertrauter Therapeut schnell feststellen, dass die Kinderhypnosezahnbehandlung damit ergänzt und bereichert werden kann. Eine umfassende Ausbildung in den psychologischen Verfahren und psychoenergetischen Techniken sowie in Akupunktur ist natürlich Grundvoraussetzung für deren erfolgreiche Anwendung am Patienten, und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sollte dabei für jeden Zahnarzt selbstverständlich sein.
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Kornacker, C. (2004). Akupunktur und Hypnose in der Behandlung psychosomatischer Beschwerden. In: T. Ots (Hrsg.), 50 Fälle Akupunktur – integrative Behandlungskonzepte (S. 198–204). München: Elsevier/Urban und Fischer. Körperich, E.J. (2002). Hypnose/Akupunktur. In: Splieth,C. (Hrsg.), Kinderzahnheilkunde in der Praxis (S. 277–280). Berlin: Quintessenz. Körperich, E.J. u. Maiwald, H.-J. (2003). Grundlagen der Kinderzahnheilkunde. Balingen: Spitta. Marx, S. (2008). Klopfakupressur kompakt. Kirchzarten bei Freiburg: Verlag für angewandte Kinesiologie VAK. Nespital, W. (2008). Script zum Seminar »Wingwave« in Magdeburg im Juni 2008. Hamburg: Besser-SiegmundInstitut GmbH. Nespital, W. (2009). FAQ Wingwave. Deutsche Zeitschrift für zahnärztliche Hypnose DZzH, 15 (1), 63 Neumeyer, A. (2003). Wie Zaubern Kindern hilft. Stuttgart: Klett-Cotta. Pothmann, R. u. Meng, A.C. (2002). Akupunktur in der Kinderheilkunde, 2. Aufl. Stuttgart: Hippokrates. Rienhoff, S. (2009). Fallberichte über Kinderzahnbehandlungen mit Klopfakupressur. Gozo: Supervisionswoche Deutsche Gesellschaft für zahnärztliche Hypnose DGZH, 01.–08. April. Rother, R. u. Rother, G. (2008). Klopf-Akupressur. Schnelle Selbsthilfe mit EFT, 3. Aufl. München: Gräfe und Unzer. Rosted, P., Bundgaard, M., Gordon, S. u. Pedersen, A.M.L. (2010). Acupuncture in the management of anxiety related to dental treatment: a case series. Acupuncture in medicine, 28(3), 3–5. Schmidt, G. (2006). Geleitwort. In M. Bohne et al. (Hrsg.): Energetische Psychotherapie - integrativ. Hintergründe, Praxis, Wirkhypothesen. Tübingen: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie dgvt. Schoderböck, R. (2007). Kinderhypnose – Mit Magie geht alles leichter. Seminarscript Curriculum Kinderzahnheilkunde. Private Universität Witten-Herdecke. Shapiro, F. (1989). Eye movement desensitization: A new treatment for post-traumatic disorder. Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry, 3(20), 211–217. Shapiro, F. (1998). EMDR – Grundlagen und Praxis. Paderborn: Jungfermann. Tenk, Hermine (2007). Soforthilfe mit Akupressur für Schulärzte, Lehrer, Schüler und Laienhelfer, 6. Aufl. Wien: Maudrich. Vlamynck, A. (2009). Klopfen gegen Liebesleid. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt. Walz, S. (2003). Wingwave – ein Coaching-Programm von Cora Besser-Siegmund und Harry Siegmund. Deutsche Zeitschrift für zahnärztliche Hypnose DZzH, 9(1), 57–59 Walz, S. (2005). Keine Angst mehr vor dem Zahnarzt. Dental Magazin, 4(1), 122–125. Wehrsing, D. (2009). Prozessorientierte Energetische Psychotherapie (PEP) – ein eigenaktiver Lösungsbeitrag zur Traumabewältigung – oder vom »Sie, er, es hilft mir« zum »Ich helfe mir« (Vortrag). Wahrendorf: XI. Sympo-
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Kapitel 7 • Ergänzende psychologische und komplementärmedizinische Methoden
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Zaubern in der Zahnarztpraxis Suggestion mit Trick – Die andere Ebene der Kommunikation zwischen Imagination und Realität
8.1
Vorwort für Erwachsene – Traumwelt kontra Schulweisheit – 286
8.2
Entwicklungspsychologische Aspekte des Zauberns – 286
8.3
Zauberei in der Zahnarztpraxis – 287
8.4
Die Zaubertricks – 287
8.4.1 8.4.2 8.4.3 8.4.4 8.4.5 8.4.6 8.4.7
Der Zauberstab – 288 Der Schwebevogel – 288 Das magische Farbbilderbuch – 289 Die Zaubergummis – Die springende Fridolina – 289 Die magische Verschwinde- und Produktionsbox – 290 Der magische Knotentrick – mit einer Hand – 290 Der schwebende Zauberstab – 290
8.5
Therapeutische Wirkungen des Zauberns – 291
8.5.1 8.5.2
Zaubern und theoretische Erklärungsmodelle – 292 Therapeutische Effekte des Zauberns mit Kindern – 292
Literatur – 294
Hans-Christian Kossak, G. Zehner, Hypnose beimKinder-Zahnarzt, DOI 10.1007/978-3-642-17738-5_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 8 • Zaubern in der Zahnarztpraxis
» Stets findet Überraschung statt – da, wo man’s nicht erwartet hat. Wilhelm Busch (1832–1908), satirischer Zeichner und Pionier der modernen Comics
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Wollen wir mit Kindern schnell und unkonventionell in Kontakt treten, so bieten sich die für sie aktuellen Themen an. Dabei sind Magie und Zaubern ein Teil ihrer Erlebniswelt, die ihnen aus Märchen und Filmen bekannt ist. Mit kleinen Zaubertricks kann Erwartungsangst reduziert und eine gute Kommunikation bis hin zur Tranceinduktion aufgebaut werden. Die Übergänge vom Zaubertrick zur Hypnose sind gerade in der Kindertherapie fließend. Diese Vorgehensweise sollte keinesfalls auch nur annähernd mit Showhypnose in Verbindung gebracht werden.
8.1
Vorwort für Erwachsene – Traumwelt kontra Schulweisheit
Der berühmte Zauberer und Vater der modernen Zauberkunst Jean Eugène Robert-Houdin (1805– 1871) kommentiert seine eigene Kunst: »Ein Zauberer ist ein Schauspieler, der einen Magier darstellt.« Denn niemand kann zaubern! Wer behauptet, zaubern zu können, setzt voraus, dass das Publikum ihm glaubt. Die Zauberei wird jedoch die »Kunst der Täuschung« genannt. Erst die Bereitschaft der Zuschauer, sich täuschen zu lassen, macht den Täuschenden zum Zauberer. Die Täuschung wird erst durch das Publikum zum Rätsel, zum Geheimnis. Erst die Zuschauer machen die Täuschungen der Zauberer zu Wundern. Zauberer benötigen ihr Publikum, um mit ihnen zusammen eine Illusion zu erzeugen. Hier gilt der mittelalterliche scholastische Aphorismus, der dem Kardinal Carlo Caraffa (1517–1561) mit seinen hinterhältigen Machenschaften zugeschrieben wird: »Populus vult decipi, ergo decipiatur« (»Das Volk will getäuscht werden, also täuschen wir es«). Die Zauberkunst lebt von dem paradoxen Umstand, dass sie nicht vormacht, dass das Vorgemachte nichts Vorgemachtes ist. Die Zauberer sagen ihrem Publikum, dass sie täuschen wollen –
und genau das tun sie dann wirklich! Dabei kommt es dann natürlich auch auf einige Geschicklichkeit an! Die Mirakel des Zauberers sind Ausdruck elementarer Sehnsüchte. Sie verkörpern den Wunsch nach Allmacht – ein Jahrtausende alter Wunsch (so oder ähnlich formulierte es der Magier Marvelli). Als Hobbyzauberkünstler schätzt der Autor es sehr, primär das Publikum zu faszinieren, das sich dann auf die gewünschte Kommunikationsebene begibt und naiv staunend »Wunder« erlebt, wenn physikalische Gesetze scheinbar außer Kraft gesetzt sind, wenn bei der Produktion oder dem Verschwinden von Gegenständen aus dem Nichts Träume erfüllt werden, oder wenn plötzliche Effekte einfach verblüffen. Dieses gemeinsame Spiel ist meist nur möglich, wenn der Kontext stimmt, also die Einbettung in eine Geschichte erfolgt. Mit der Geschichte wird eine Erwartungshaltung erzeugt, die dann, ähnlich wie bei einem guten Witz, durch den Trick eine unerwartete Wendung nimmt. Noch faszinierender wird die Zaubershow, wenn das Publikum in die Geschichte einbezogen wird und sogar mitagieren darf. Dann ist es tatsächlich verzaubert – und der Zauberer selbst hat auch seine Freude daran.
8.2
Entwicklungspsychologische Aspekte des Zauberns
Wie bereits in 7 Abschn. 2.3.2 dargestellt, befinden sich jüngere Kinder in einer animistischen Welt, in der auch Gegenstände, besonders natürlich Puppen, belebt sind. Sie haben eine Seele, können empfinden, handeln, planen und ungewöhnliche Handlungen wie Fliegen oder Sprechen realisieren. Für das Kind ist es Alltagswelt und nichts Außergewöhnliches, wenn es z. B. einen blauen Baustein fliegen oder als Polizisten sprechen lässt. Für Kinder ist es jedoch äußerst faszinierend, wenn jemand im Rollenspiel diesen Teil übernimmt und als Baustein, Koffer oder Hamster spricht und handelt. Die Kunst des Kasperletheaters lebt davon. Auch hier sind oft kurze Geschichten die Träger der Aufmerksamkeit – und auch hier ist die Faszination besonders groß, wenn das Kind selbst in die Handlung einbezogen wird. Es führt dann natür-
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8.4 • Die Zaubertricks
liche Dialoge mit dem Baustein, dem Koffer und dem Kasperle. Da es die differenzierten physikalischen und chemischen Gesetze seiner Umwelt noch nicht kennt, bewirken bereits kleine Manipulationen großes Erstaunen und Bewunderung. Das Kind ist nun ein Teil dieser magischen Welt – und der Zauberer ebenfalls.
8.3
Zauberei in der Zahnarztpraxis
Magie ist für Kinder etwas Vertrautes, stellt für sie jedoch wiederum eine besondere Kommunikationsform dar, die sich vom Alltagsgespräch unterscheidet. Sie befindet sich jedoch im Grenzbereich zum Märchen, in dem Veränderungen und Magie selbstverständlich sind. Wegen dieser Vertrautheit und wegen seiner Vielfalt an Möglichkeiten ist Zaubern auch im therapeutischen Bereich sehr beliebt, um Kinder mit ihren Problemen zu erreichen. Bei der Zauberbehandlung/Hypnosebehandlung sollten sich sowohl das Kind als auch das gesamte Behandlungspersonal in einem geschützten Raum befinden, der störungsfrei ist und insgesamt Geborgenheit vermittelt. Die vielfache praktische Erfahrung, dass Zaubertricks bei Kindern in der Zahnarztpraxis hilfreich sind, wurde von Peretz und Gluck (2005) wissenschaftlich untersucht. Sie wählten 70 Kinder im Alter von 3–6 Jahren aus, die sich bei der Erstuntersuchung wehrten und weigerten, sich auf den Behandlungsstuhl zu setzen. Nach Zufall ausgewählt bekamen sie einen Zaubertrick vorgeführt oder wurden über Methoden wie Tell-Show-Do abgelenkt (7 Abschn. 4.5.1). Die Kinder mit dem Zaubertrick saßen signifikant schneller und ruhiger auf dem Stuhl und auch Röntgenuntersuchungen konnten bei ihnen deutlich häufiger durchgeführt werden. Sie zeigten auch deutlich kooperativeres Verhalten. z
Beispiel aus der Psychotherapie
Ein oppositioneller Jugendlicher, der zu Hause die Türen eintrat und lange die Schule schwänzte, lehnte das Gespräch mit mir aggressiv ab, was ich akzeptierte. Stattdessen zeigte ich ihm einen Kartentrick, der ihn so beeindruckte, dass er ihn auch erlernen
8
wollte, um damit seinen Freunden – und seiner Freundin (!) – zu imponieren. Am Ende der darauf folgenden Sitzung sprach er dann von sich aus seine Schulprobleme an und brachte 2 Sitzungen später 2 seiner Freunde mit, die das gleiche Problem hatten. Diese Kleingruppe war dann therapeutisch sehr erfolgreich. Der ehemalige Schulverweigerer wurde ein guter »Cotherapeut« für Jugendliche, die Schule verweigerten und keine Hausaufgaben machten. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass auch Jugendliche sich von Zaubertricks faszinieren lassen, vorausgesetzt, sie sind einigermaßen kontaktfreudig und finden eine Möglichkeit, diesen Trick anzuwenden, um damit eine »Show abzuziehen«, also im Mittelpunkt zu stehen, zu imponieren, was in diesem Alter oft sehr bedeutsam ist (Breitenbach 2007). Entsprechend sollte er als zukünftiges Showelement des Jugendlichen angekündigt werden. Im Zahnarztbereich sind die therapeutischen Zielsetzungen des Zauberns enger gefasst als in der Psychotherapie. Wir wollen wesentliche Aspekte davon aufgreifen. z
Mutzaubersuggestion
Hierbei handelt es sich nicht um keine magische Manipulation oder einen Trick, sondern um positive Suggestionen, die Kraft und Mut des Kindes stärken sollen, um die bevorstehende Behandlung zu meistern. Die ausführliche Beschreibung ist in 7 Abschn. 5.3.1 zu finden.
8.4
Die Zaubertricks
Der Mythos des Zauberns ist stets mit bestimmten Publikumserwartungen verbunden, so mit der Zaubergeschichte, in die der Zaubertrick eingebettet ist. Dazu gehören natürlich die beschwörenden Gesten des Zauberers und bestimmte magische Utensilien, mit denen die Tricks realisiert werden – als Minimalausrüstung ist das der Zauberstab. Von den zahlreichen und sehr aufwendigen Tricks kommen nur diejenigen in Frage, die kindgerecht, verblüffend, schnell vorzuführen und evtl. vom Kind schnell zu erlernen sind. Zusätzlich müssen sie in der Alltagspraxis des Zahnarztes sofort parat und spontan anwendbar sein.
288
Kapitel 8 • Zaubern in der Zahnarztpraxis
Wenige dieser Tricks sollen nachfolgend exemplarisch beschrieben werden. Vorab ist anzumerken, dass nur solche Tricks verwandt werden sollten, die bei der Nachahmung ungefährlich sind und nicht zu »Verwüstungen« der elterlichen Wohnung führen. Da – wie bereits erwähnt – Tricks nur im Kontext einer Story wirken, werden hierzu kurze Anregungen gegeben. z
8
Anmerkungen – für den zahnärztlichen Zauberer in der magischen Lernphase
Die Kommunikationsmethode »Zaubertrick« setzt voraus, dass man nicht nur kleine magische Tricks oder Manipulationen beherrscht, die relativ schnell zu erlernen sind. Wesentlich wichtiger ist die Einstellung und Motivation des Behandlers und des Praxisteams zu dem gesamten Methodenkomplex des kindgerechten Puppenspiels, Geschichtenerzählens und Zauberns in einer Zahnarztpraxis. Eine rein technische Durchführung kann zwar perfekt sein, aber ohne innerliche Beteiligung des Zauberers wird seine Inkongruenz durch Körperhaltung, Mimik, Sprachmelodie und versteckte Ironie deutlich (7 Abschn. 2.3.7). Ist der Zauberer anfangs vielleicht selbst nur etwas begeistert, wird er dadurch das Kind schon etwas mitreißen und dann an der Methode selbst zunehmend mehr Freude haben, die letztlich auch ihm die Arbeit erleichtert. Allein das Staunen eines Kindes kann mitreißen. Von den nachstehenden Tricks sollen nur die wichtigsten erwähnt und durch Abbildungen ergänzt werden. Dammann (2002) gibt als zaubernder Zahnarzt eine wahre Fundgrube von Tricks an, Neumeyer (2000) als Heilpädagogin.
8.4.1
Der Zauberstab
. Abb. 8.1 Der Schwebevogel. Er kann auf jeder Fingerspitze seinen Schwebeflug fortsetzen und fasziniert dadurch
unsere Zwecke wird ein besonders faszinierendes Exemplar im Spielzeugladen erworben. Es ist 20– 30 cm lang, hat einen Durchmesser von ca. 15 mm und ist aus durchsichtigem Kunststoff gefertigt. In ihm deutlich sichtbar schwimmen in einer klaren trägen Flüssigkeit kleine glitzernde Elemente wie bunte Perlen, Metallplättchen oder kleinen Kunststoffblüten. Die Glitzerteile sinken im senkrechten Stab langsam nach unten (7 Abschn. 5.4.2). Die Praxis Das bewegte Farbspiel des Zauberstabes
fasziniert, regt die Aufmerksamkeit an und bewirkt Erstaunen. Durch Umdrehen des Stabes ist der Effekt beliebig oft wiederholbar. Die Story Die Geschichte vom Zauberwald und den Farbveränderungen im Zauberwald reicht oft aus, um als angemessener Spannungsbogen zu wirken. Die glitzernd-faszinierende Wirkung dieser besonderen Zauberstäbe ist in 7 Kap. 7 des OnlineVideomaterials zu bewundern.
Der Effekt Der Zahnarzt überreicht dem Kind
seinen Zauberstab, in dem nun seine Glitzerteile langsam und effektvoll nach unten schweben und purzeln.
8.4.2
Der Schwebevogel
Der Effekt Die Kunststofffigur eines kleinen flieDas Material Der Zauberstab ist ein obligatori-
sches Grundrequisit; alle Kinder erwarten, dass er in Aktion tritt. Mit ihm verbindet das Kind Magie, Veränderung und Geheimnis. Der klassische Zauberstab ist schwarz und besitzt weiße Enden. Für
genden Vogels wird mit ihrem Schnabel auf die Fingerspitze des Kindes gesetzt und bleibt dort schweben – vermeintlich gegen die Gesetze der Schwerkraft (. Abb. 8.1).
289
8.4 • Die Zaubertricks
8
Das Material Die Vogelfigur mit ihren ausgebreite-
Die Story »Du siehst hier nur weiße Seiten im
ten Flügeln ist so austariert, dass ihr Schwerpunkt genau an der Schnabelspitze liegt, obwohl es optisch Instabilität suggeriert.
Buch. – Nun konzentrierst Du Dich nur auf dieses Buch – und stellst Dir nun interessante Tiere vor, die in dem Buch gemalt sein können. – Ah! Das hat schon mal geholfen. Gut! Nun stellst Du Dir vor, dass diese Tiere auch noch ihre schönen Farben bekommen. Ganz fest vorstellen! Ja! Und schon hast Du es geschafft, alle Tiere ganz schnell bunt zu malen.« Nun kann die Überleitung zu besonderen Fähigkeiten des Kindes erfolgen, wenn es sich auf etwas richtig fest konzentriert und sich etwas ganz toll vornimmt, so z. B. zur Kooperation und zur Mundhygiene. Die gute Vorstellungskraft des Kindes wird auch bei der Kinderhypnose (7 Abschn. 5.4) genutzt, die durch das magische Farbbilderbuch eingeleitet werden kann. Die Anwendung ist in 7 Kap. 7 des Online-Videomaterials zu sehen.
Die Praxis Das Kind ist verblüfft über die Wirkung,
da der Vogel auch bei Fingerbewegungen weiter auf seiner Fingerspitze bleibt. Das Kind ist stolz, so etwas zu können. Bestimmt spielt auch die Freude über den Kontakt mit dieser Tierfigur eine wichtige Rolle. Der Trick ist spontan und beliebig wiederholbar. Die Story Die begeistert vorgetragene Geschichte
reicht stets aus: »Ein kleiner Vogel kommt angeflogen und setzt sich auf deine Fingerspitze. Er fühlt sich dort richtig wohl!« Siehe dazu 7 Kap. 4 und Kap. 7 des Online-Videomaterials.
8.4.3
Das magische Farbbilderbuch
Der Effekt Vor den Augen des Kindes wird ein vermeintlich unbedrucktes Buch mit dem Daumen durchgeblättert und alle Seiten erscheinen weiß. Nach einem Zauberspruch und der Bitte um starke Konzentration wird das Buch wieder durchgeblättert und auf jeder Seite erscheint gedruckt ein groß gezeichnetes interessantes Tier in seinen schwarzen Umrisslinien. Nach einem dramatischen neuen Zauberspruch und Kinder-Zauber-Puste wird nochmals durchgeblättert und alle Tiere erscheinen nun in leuchtend bunten Farben! WOW!
8.4.4
Die Zaubergummis – Die springende Fridolina
Der Effekt Zwei farbige Haargummis werden um
jeweils 2 Finger geschlungen und wandern im Verlauf der Zaubergeschichte plötzlich magisch bewegt auf andere Finger der Hand. Das Material Zwei verschiedenfarbige möglichst
kontrastreich-grelle Haargummis. Die Praxis Der Trick schafft Verblüffung, da die
Gummis ihre Position wechseln. Er ist gleichzeitig mit therapeutischer Zielsetzung und kann schon nach geringer Präparation wiederholt werden.
Das Material Das spezielle magische Buch ist im
Fachhandel unter »Magic coloring book« erhältlich. Die Praxis Der Trick verblüfft sehr, lässt auf übernatürliche Kräfte des Zauberers schließen und kann spontan mehrfach wiederholt werden. Dem Zauberer traut man nun auch andere wundervolle Handlungen zu.
Die Story »Du kannst Dich super konzentrieren!
Du siehst: Wenn man sich etwas ganz toll vornimmt, dann kann man dadurch etwas erreichen. So kannst Du Dir auch vornehmen, Deine Zunge (= Habit) anders zu bewegen. Darauf kannst Du Dich konzentrieren: Und schon kann sich die Zunge ebenfalls anders bewegen als sonst.« Die Geschichte befasst sich z. B. mit dem Mut oder mit Fähigkeiten, die das Kind dadurch bekommt, dass es mental auf das Springen der Gummis bzw. auf seine Habitveränderung Einfluss
290
Kapitel 8 • Zaubern in der Zahnarztpraxis
wirkungsvoll betätigt. Die Wirkung wird weiter gesteigert, wenn das Kind den selbst verzauberten Stein als Souvenir mitnehmen darf. Er erinnert dann zu Hause öfter an das interessante Ereignis beim Zahnarzt. Die Story Kurz und motivierend wird auf die magischen Kräfte des Kindes hingewiesen, das nun den Gegenstand mit Zauberspruch und Zauberstab wegzaubern und wieder hervorzaubern kann (7 Kap. 7 des Online-Videomaterials).
. Abb. 8.2 Verschwinde- und Produktionsbox. In der Box Black Magic können Gegenstände verschwinden und wieder erscheinen – wie hier der große Schlüsselanhänger
8
nimmt. Dieser Trick ist von Neumeyer (2000, 2007, 2009) ausführlich dargestellt. Die Realisierung des Tricks ist in 7 Kap. 7 des Online-Videomaterials zu sehen.
8.4.5
Die magische Verschwinde- und Produktionsbox
Der Effekt Der Zauberer oder das Kind legt einen
Gegenstand (Bonbon, magischer Stein, Fingerfigur) in die Schublade der magischen Box, die nun geschlossen wird. Nach Zaubersprüchen wird die Lade geöffnet und ist leer, der Gegenstand ist nicht mehr da. Die Lade wird geschlossen und nach dem nächsten Zauberspruch ist der Gegenstand wieder unversehrt in der Lade und kann vom Kind entnommen werden (. Abb. 8.2). Das Material Die magische Box aus dem Fachhandel gibt es in verschiedenen Größen, für unsere Zwecke ungefähr so groß wie eine Postkarte und ca. 4 cm hoch. Natürlich kennt nur der Zauberer die geheimen Griffe, die die präzise geführten Schubladen betätigen. Die Praxis Das Verschwinden und Wiedererschei-
nen von Gegenständen ist für Personen jeden Alters verblüffend, besonders wenn es Gegenstände des Alltags sind, die garantiert nicht präpariert sein können. Bereits nach wenig Übung wird die Box
8.4.6
Der magische Knotentrick – mit einer Hand
Der Effekt In einem dicken Seil entsteht durch magische Geschicklichkeit und Zauberpuste plötzlich ein Knoten (. Abb. 8.3). Das Material Ein ziemlich dickes, aber flexibles Seil, ca. 60 cm lang. Die Praxis Der Trick wird ebenfalls erst verstanden,
wenn man als Kind mit Seilen und deren Knoten Erfahrung hat. Dann bewirkt er Erstaunen und Bewunderung. Er muss gut trainiert sein, kann schnell wiederholt werden, ist aber vom Kind nicht so schnell zu erlernen. Die Story An einem harmlosen Zahn können
Schmerzen auftreten wie am Seil die Knoten. Durch regelmäßige Pflege kann man jedoch die Knoten wieder lösen und den Zahn befreien (s. dazu auch die Demonstration in 7 Kap. 7 des Online-Videomaterials).
8.4.7
Der schwebende Zauberstab
Der Effekt Der emporgehaltene Zauberstab kann
plötzlich hinter dem weit geöffneten Handteller des Zauberers schweben – Schwerkraft wird magisch überwunden (. Abb. 8.4). Das Material Ein Zauberstab oder ein längliches Behandlungsinstrument.
291
8.5 • Therapeutische Wirkungen des Zauberns
8
. Abb. 8.3a–c Der Knoten mit nur einer Zauberhand. a Lege das ca. 60 cm lange Seil in die Handfläche zwischen Zeigefinger und Daumen. Das kurze Seilende (mit der Quaste) ist etwas unterhalb der Hand, b kippe die Hand nach vorn und fasse mit Zeige- und Mittelfinger das kurze Seilende (mit der Quaste). Neige nun die Hand weiter nach vorn und schüttle sie etwas, damit die Schlaufe vom Handrücken über die Finger nach unten gleitet, c durch das leichte Schütteln der Hand fällt die Seilschlaufe nach unten und hat einen Konten gebildet. Fertig ist der Knoten mit nur einer Hand
. Abb. 8.4a, b Der schwebende Zauberstab. a Aus der Sicht des Zuschauers schwebt der Zauberstab frei in der Luft, b Auflösung des Zaubertricks – aus der Sicht des Zauberers ist zu erkennen, dass der Zauberstab vom Zeigefinger festgehalten wird
Die Praxis Verblüffende Wirkung. Sehr einfach
durchzuführen, sofort wiederholbar; kann vom Kind schnell erlernt werden. Das Kind kann den Trick dadurch sofort seinen Eltern oder Geschwistern vorführen. Die Story Mit magischer Kraft kann man sogar die
Schwerkraft aufheben (s. hierzu auch die Vorführung in 7 Kap. 7. des Online-Videomaterials).
8.5
Therapeutische Wirkungen des Zauberns
Vorab wollen wir klären, ob sich Zaubern wissenschaftlich fassen lässt, um dann mögliche therapeutische Effekte aufzuzeigen.
292
Kapitel 8 • Zaubern in der Zahnarztpraxis
8.5.1
Zaubern und theoretische Erklärungsmodelle
Das Grundanliegen des Zauberns ist zu faszinieren, zu täuschen, Naturgesetze scheinbar aufzuheben, die Zuschauer in die Welt des Unwahrscheinlichen zu führen und sie damit zum Staunen zu bringen – und in eine Welt von Emotion und Imagination, die nur wenige Grenzen kennt. Zaubertricks kann man zwar erklären (wie in 7 Abschn. 8.4), ihre Faszination geht jedoch vom Zauberer und seiner intensiven Kommunikation mit seinen Zuschauern aus. Somit lässt sich gerade Zaubern nur schwer wissenschaftlich analysieren, seine Wirkungen auf Zuschauer, besonders auf Kinder, sind jedoch gut zu beobachten und zu erklären.
8
Hypnotherapie Im Sinne der Hypnotherapie Ericksons bietet das Zaubern die Möglichkeit, indirekt Trance einzuleiten und sich dann spielerisch-therapeutisch darin zu bewegen. Dabei ist hier die Ressourcenorientierung bedeutsam, die dem Kind durch das Zaubern auf unterschiedliche Weise Zugang zu eigenen Ressourcen eröffnet (Neumeyer 2000). Gleichzeitig erfolgt eine Distraktion der Aufmerksamkeit – weg vom Angst- und Schmerzfokus hin zu dem Zaubergeschehen, wodurch die Angst- und Schmerzschwelle angehoben wird.
Verhaltenstherapie Da Hypnose mit Modellen der Verhaltenstheorie erklärbar und mit Verhaltenstherapie optimal kombinierbar ist (Kossak 2004), ergeben sich hier ebenfalls Erklärungsmodelle für das therapeutische Zaubern. Bei Angstproblemen lenkt Zaubern nicht nur ab, sondern wird als angenehme und entspannende Tätigkeit empfunden und wirkt deshalb durch diese Kombination als Gegenkonditionierung zum Angstabbau. Wie bereits in 7 Abschn. 1.2.4 erwähnt, ist das Reframing in der Verhaltenstherapie seit langem als kognitive Umstrukturierung bekannt, ebenso der Perspektivenwechsel, der oft ein wesentlicher Bestandteil der Diagnostik und der kognitiven Umstrukturierung ist (Feffer u. Suchotliff 1966; Hungerige u. Borg-Laufs 2007). Die Metho-
den der Selbst- und Fremdbekräftigung wurden bereits oben erwähnt.
8.5.2
Therapeutische Effekte des Zauberns mit Kindern
Mittels Zaubertricks oder magischer Handlungen können indirekt und direkt sehr kindgerecht zahlreiche therapeutische Effekte erzielt werden.
Verbesserung der Kontaktaufnahme und Angstabbau Das ängstliche oder gehemmte Kind betritt vielleicht erstmalig eine Zahnarztpraxis und kennt sich mit den dort üblichen Handlungen nicht aus. Da es andere Rollen (z. B. Kunde beim Einkaufen, Besucher, Freund, Ballspieler) kennt, jedoch noch nicht die als Zahnpatient, ist es verunsichert. Wenn ihm in Begleitung des freundlichen Zahnarztes nun noch eine freundliche Figur begegnet, die ihr weitgehend bekannt ist, wirkt das erleichternd. Diese Figur (wie Affe Bimbo, Clown Beppo oder Papagei Lora) begrüßt das Kind, verwickelt es in ein Gespräch und führt dann noch eine kleine magische Handlung durch. Das führt das Kind nun zusätzlich in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, die später auf dem Behandlungsstuhl erforderlich ist und die das Kind dann spielerisch akzeptieren wird. Bereits hier kann das Angstproblem aufgegriffen und im Figurenspiel abgebaut werden. Realisiert werden dabei die Methoden Pacing, Leading und Modelllernen (7 Abschn. 1.2.2 und 4.1.3).
Partnerschaft mit dem zaubernden Zahnarzt Der Zahnarzt sollte nicht nur der zaubernde Unterhalter des passiven Kindes sein, sondern dem Kind auch einfache Tricks zeigen oder sogar beibringen. Dadurch teilt er dem Kind sein großes Zaubergeheimnis mit, das nur sie beide teilen und weiterhin geheimhalten müssen. Auf dieser Ebene wird Nähe und Vertrautheit geschaffen und gleichzeitig eine Komplizenschaft zwischen beiden hergestellt, die verbindet! Diese engeren sozialen und nun auch emotionalen Beziehungen erleichtern die weitere Kooperation deutlich.
293
8.5 • Therapeutische Wirkungen des Zauberns
Direkte therapeutische Wirkungen des Zauberns Die wesentlichen direkten therapeutischen Wirkungen sind nachfolgend umrissen und weitgehend im Rahmen der Terminologie der Hypnose und des Trancegeschehens erklärt.
8
wertende Systeme im Gehirn dissoziiert, also entkoppelt: Das Kind befindet sich in seiner Erlebenswelt im Zauberwald und wird dort keinen Schmerz spüren, den es auf dem Behandlungsstuhl vielleicht wahrnehmen würde. Verbunden mit entsprechenden unterstützenden Suggestionen wird diese Dissoziation weiter aufgebaut und genutzt.
Rituale beruhigen Das Zaubern erfordert die konstante Einhaltung von Geschichten, Erklärungen und Regeln; es ist dadurch ein Komplex von Ritualen, die bei Kindern besonders beliebt sind. Sie stellen Konstanz her, bewirken Entspannung und geben Sicherheit (7 Abschn. 2.3.4). Kinder verlangen von sich aus diese Wiederholungen und sind über die spontanen Erwachsenenvarianten meist sehr enttäuscht.
Reframing Durch die Ausstattung, sein Gesamtverhalten, aber auch durch sein Zaubern gibt der Zahnarzt seinem Handeln und seiner Praxis einen anderen als den gewohnten Beurteilungsrahmen. Für Kinder und Eltern werden dadurch angst- und stressbesetzte Bewertungen seiner Konsultation deutlich verändert. Sie werden danach begeistert vom Besuch einer Zauberpraxis berichten und für den nächsten Besuch motiviert sein (Neumeyer 2000, 2007). Auch die Eltern werden von dieser tatsächlich alternativen Vorgehensweise begeistert sein und diese kinderfreundliche Zauberpraxis gern weiterempfehlen.
Konzentration und Distraktion Über den Weg der Faszination wird die Konzentration auf die Zauberhandlung erreicht, das Bewusstsein des Kindes engt sich automatisch darauf ein. Dadurch bedingt wird die Aufmerksamkeit von der Angst bzw. von dem Schmerz weggelenkt und deren Schwellen werden angehoben. Die nachfolgenden Behandlungsschritte werden dann für das Kind und den Zahnarzt als weniger belastend erlebt. Noch stärker trifft dies zu, wenn das Kind selbst am Zauber beteiligt ist.
Dissoziation Gerade durch die Zauberei wird das Kind in eine andere Erlebniswelt (Zauberwald, Märchenwiese, Teddyhaus) geführt, die ebenfalls kognitive und be-
Selbstbestimmung mit der Ampelhand – Signale geben Das Kind kann während der Behandlung mit einer Hand die vereinbarten »magischen« Signale geben und wie eine Ampel signalisieren, ob bei Grün gearbeitet wird (Hand gesenkt), bei Gelb Achtung ist (Hand leicht angehoben) und bei Rot gestoppt werden muss (Hand stark angehoben). Das Kind erlebt hier ein hohes Maß an Selbstbestimmtheit und Eigenkontrolle. Die genaue Beschreibung dieser Methode erfolgt in 7 Abschn. 5.4.1.
Fremd- und Selbstbestätigung Wird dem Kind ein Trick gezeigt oder sogar beigebracht, dann oft unter der therapeutischen Suggestion, dass es besonders nett, kooperativ, mutig ist – und nur dann verrät der Erwachsene an dieses spezielle Kind den Trick. Das führt fast automatisch zur Bekräftigung der gesamten Kooperation und zur Bestätigung des Kindes. Wenn es diesen Trick dann auch noch seinen Eltern, Geschwistern oder Freunden zeigen kann, erfährt es weitere Zuwendung und Selbstbestätigung. Das selbstunsichere Kind wird weniger Angst haben und beherzter kooperieren.
Perspektivenwechsel Wenn das Kind den Trick erklärt bekommt, erfolgt ein deutlicher Perspektivenwechsel vom Zuschauer zum Akteur. Man erkennt nun die Hintergründe, kann sie erklären und beherrschen. Dadurch kennt man nun 2 Rollen oder Perspektiven. Das schafft nicht nur Verbündung mit dem Lehrmeister, sondern auch Flexibilität in kognitiven Prozessen. Diese Perspektivenübernahmen sind aus der Sicht der Entwicklungspsychologie ab dem 6. Lebensjahr möglich, da das Kind nun die Perspektive einer anderen Person übernehmen und seine Beziehung zu anderen aus der Perspektive Dritter reflektieren kann (Heidbrink 1991; Silbereisen 1995). Gleichzei-
294
Kapitel 8 • Zaubern in der Zahnarztpraxis
tig ist der Perspektivenwechsel ein wesentlicher Aspekt der kognitiven Umstrukturierung.
Lassen Sie sich ebenfalls durch das strahlende Lächeln eines Kindes faszinieren und verzaubern, dem Sie gerade einen Trick vorgeführt haben.
Hypnoseinduktion und Trance
8
Ist das Kind in die Faszination der Zauberwelt (Zauberwald, Märchenwiese etc.) eingetaucht, ist es nur ein kleiner Schritt, dies als Hypnoseinduktion zu nutzen (7 Abschn. 5.4) – falls sich das Kind nicht bereits schon in Trance befindet. Denn durch viele der magischen Handlungen wird das Kind in seiner Aufmerksamkeit so fokussiert, dass es Außenstörreize kaum noch wahrnimmt und von der Handlung wie intendiert absorbiert wird. In der Trance sind z. B. indirekte Suggestionen der Angst- und Schmerzfreiheit vorzunehmen. Auch weitere Suggestionen wie z. B. zur Kooperation, zur Kontrolle von Blutungen, Speichelfluss, Verhaltenskontrolle von Habits und Mundhygiene sind nun leicht(er) anwendbar.
Weitere therapeutische Wirkungen Neumeyer (2000, 2007, 2009), die sehr erfahren und kreativ im Bereich des therapeutischen Zauberns ist, nennt weitere therapeutische Aspekte, die beim Zaubern zum Tragen kommen. Sie treffen weitgehend für das umfassendere Vorgehen in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie zu: 5 Verbesserung der Frustrationstoleranz, die man beim Einüben und Misslingen von Tricks erwerben kann. 5 Förderung der Kreativität, die Story und den Trick zu modifizieren, aber auch sich selbst in einer anderen Rolle zu erleben. 5 Annehmen eigener Stärken und Schwächen, die beim Üben deutlich werden, die man dadurch erkennen, bearbeiten und akzeptieren lernen kann. 5 Übung motorischer Fertigkeiten, besonders bei Kindern mit fein- und grobmotorischen Problemen unterschiedlicher Genese. 5 Abbau sozialer Ängste, denn Zaubern ist nur sinnvoll, wenn man es anderen Personen vorführen kann; dabei wird man herausgefordert, sich in den Mittelpunkt zu stellen. Man kann dann über die angenommene Rolle des Zauberers seine Sprech-, Sozial- und sogar Prüfungsängste überwinden.
Literatur Breitenbach, R. (2007). Rational-emotive Therapie und die Möglichkeiten der rationalen Disputation mit Kindern und Jugendlichen. In M. Borg-Laufs (Hrsg.), Lehrbuch der Verhaltenstherapie mit Kindern und Jugendlichen. Band II: Diagnostik und Intervention (S. 487–514). Tübingen: dvt. Dammann, H. (2002). Hypno-Magie. Zaubern in der Zahnarztpraxis. In: A. Schmierer (Hrsg.), Kinderhypnose in der Zahnmedizin. Stuttgart: Hypnos. Feffer, M. u. Suchotliff, L. (1966). Decentering implications of social interactions. Journal of Personality and Social Psychology, 4, 415–422. Heidbrink, H. (1991). Stufen der Moral. Zur Gültigkeit der kognitiven Entwicklungstheorie Lawrence Kohlbergs. München: Quintessenz. Hungerige, H. u. Borg-Laufs, M. (2007). Rollenspiel. In M. Borg-Laufs (Hrsg.), Lehrbuch der Verhaltenstherapie mit Kindern und Jugendlichen. Band II: Diagnostik und Intervention (S. 239–298). Tübingen: dvt. Kossak, H.-Ch. (2004). Lehrbuch der Hypnose. 4. Aufl. Weinheim: Beltz. Kossak, H.-C. (2007). Hypnose in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. In M. Borg-Laufs (Hrsg.), Lehrbuch der Verhaltenstherapie mit Kindern und Jugendlichen. Band II: Diagnostik und Intervention (S. 815–863). Tübingen: dvt. Neumeyer, A. (2000). Mit Feengeist und Zauberpuste. Zauberhaftes Arbeiten in der Pädagogik und Therapie. Freiburg: Lambertus. Neumeyer, A. (2007). Zauberhafte Lösungen in der Kindertherapie. Zaubern als Medium in der Arbeit mit Kindern. In K.L. Holtz, S. Mrochen, P. Nemetschek u. B. Trenkle (Hrsg.), Neugierig aufs Größerwerden (S. 251–279). Heidelberg: Carl-Auer-Systeme. Neumeyer, A. (2009): Wie Zaubern Kindern hilft. Stuttgart: Klett-Cotta. Peretz, B. u. Gluck, G. (2005): Magic trick: A behavioral strategy for the management of strong-willed children. International Journal of Paediatric Dentistry, 15(6), 429–436. Silbereisen, R.K. (1995). Soziale Kognition: Entwicklung von sozialem Wissen und Verstehen. In R. Oerter u. L. Montada (Hrsg.), Entwicklungspsychologie. Ein Lehrbuch (S. 823–861), München: Beltz/Psychologie Verlags Union.
295
Begleitinformationen zum Online-Videomaterial Ziele – Methodik
9.1
Zielsetzung – 296
9.1.1
Fallauswahl – 296
9.2
Didaktik und Methodik – 296
9.2.1 9.2.2
Die Einzelkapitel – Dokumentationen – 296 Kapitel Lernkontrolle: Fragen, Feedback, Vertiefung – 297
Hans-Christian Kossak, G. Zehner, Hypnose beimKinder-Zahnarzt, DOI 10.1007/978-3-642-17738-5_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
9
296
Kapitel 9 • Begleitinformationen zum Online-Videomaterial
» Lang ist der Weg durch Lehren, kurz und wirksam durch Beispiele. Lucius Annaeus Seneca (37–49), Philosoph, Dramatiker, Naturforscher, Staatsmann
«
Durch die Anschaulichkeit des Online-Bildmaterials soll die Didaktik des Buches bereichert werden. Hierzu wollen wir zur Abrundung ergänzende Erklärungen geben. Die URL für das Online-Bildmaterial finden Sie im Impressum des Buches.
9.1
9
Zielsetzung
In den zahlreichen Fortbildungskursen und Seminaren zum relevanten Thema der Hypnose in der Kinderzahnbehandlung haben sich Falldokumentationen und Demonstrationen bestimmter Methoden als äußerst nützlich, ja sogar als unbedingt erforderlich erwiesen. Hierbei ist der Einsatz audiovisueller Medien wie Video, CD oder DVD besonders hilfreich. Einige Sachverhalte werden dadurch nicht nur anschaulich, sondern erst verstehbar und nachvollziehbar. Somit soll das Medium Buch zu diesem Spezialthema der Hypnose unbedingt mit Filmdokumentationen eine zeitgemäße und mediengerechte Ergänzung durch Bildsequenzen erhalten. Dabei kam es darauf an, Dokumentationen aus der Praxis und dem Alltagsgeschehen des Kinderzahnarztes zu erstellen. Die zahlreichen Szenen sind authentisch und vermitteln über die Methode hinausgehend auch die Gesamtatmosphäre der Kinderbehandlung. Dafür mussten kleine technische Schwächen in Kauf genommen werden, die in einem sterilen Fernsehstudio nicht entstehen.
9.1.1
möglichkeiten und Methoden zu geben, die natürlich keinesfalls vollständig sein kann. Andererseits wollten wir nicht eine abstrakte Methodensammlung anbieten, die dem Geist der ganzheitlichen Behandlung entgegengesetzt wäre. Deshalb haben wir uns auf die Darstellung der Behandlung weniger Kinder beschränkt. Bei ihnen wird jedoch jeweils der Gesamtverlauf der Behandlung deutlich, innerhalb dessen Methoden erforderlich werden, sich ablösen und ergänzen – und dabei deren positive und beruhigende Wirkung auf das Kind klar erkennbar ist.
Fallauswahl
Bei der Auswahl des über lange Zeit gesammelten umfangreichen Videomaterials standen die Interventionen im Vordergrund, die Zahnarztkollegen schnell und gern erlernen möchten, um sie im Therapiealltag einsetzen zu können. Gleichzeitig haben wir einerseits Wert darauf gelegt, mit den Ausschnitten eine Übersicht über Anwendungs-
9.2
Didaktik und Methodik
Wir haben uns dazu entschieden, die Methodenvielfalt der Hypnose zu dokumentieren, die jedoch eingebettet in das fachliche Gesamtgeschehen bleiben sollte. Somit wählten wir die Einteilung in die relevanten Methoden- und Behandlungsgebiete. Bei der Erklärung der Methoden und ihren Wirkungen werden kurze Informationen im Untertext gegeben. Dabei kann das Gespräch mit dem Kind bzw. die Instruktion der Zahnärztin weiterhin unbeeinträchtigt verfolgt werden. Es werden nur kurze gezielte Informationen gegeben, um eine Informationsüberladung und damit Aufmerksamkeitsreduzierung zu vermeiden.
9.2.1
Die Einzelkapitel – Dokumentationen
In 7 Kapiteln werden Behandlungen dokumentiert, die den alltäglichen Arbeits- und Problemstellungen des Kinderzahnarztes entsprechen. Dabei haben wir den Darstellungsschwerpunkt auf die langwierigen, oft schmerzhaften und angstbesetzten Behandlungen wie Setzen von Kinderkronen und Zahnextraktionen gelegt. Abschließend werden die für den Praktiker bislang vielleicht ungewohnten Handpuppen und sogar Zaubertricks kurz vorgeführt – sowohl abstrakt als auch im Zusammenspiel mit dem Kind.
9.2 • Didaktik und Methodik
Inhalte der Falldokumentationen – Gesamtdauer: 1 h 44 min 5 5 5 5 5 5 5 5 5
0 Vorspann 1 Begrüßung, erste Kommunikation 2 Hypnose bei der Prophylaxe 3 Hypnose bei Füllungsbehandlung 4 Hypnose beim Einsetzen von Kinderkronen 5 Hypnose bei der Zahnextraktion 6 Hypnose beim Daumenlutschen 7 Materialien und Bezauberndes 8 Wiederholung, Feedback
In allen Filmdokumenten ist sehr klar zu erkennen, dass die Hypnosearbeit und die Zahnbehandlung ganzheitlich parallel erfolgen; die Zahnärztin muss also stets auf 2 Ebenen arbeiten, um die Trance aufrechtzuerhalten und dabei ihr Handwerk zu tätigen. Das erfordert ein Höchstmaß an Konzentration, aber auch an Einübung und Berufserfahrung. Letztlich wird auch die äußerst qualifizierte Arbeit der zahnärztlichen Fachmitarbeiterinnen sehr transparent: Ihr Einfühlungsvermögen und ihre Kenntnisse von den Abläufen und der Hypnose, um spontan eigenständig die richtigen Interventionen durchzuführen, also angemessene Suggestionen und Trancemethoden anzuwenden.
9.2.2
Kapitel Lernkontrolle: Fragen, Feedback, Vertiefung
Im letzten Kapitel (8) werden die die Zuschauer bzw. die Lernenden aktiv in das Geschehen einbezogen. Denn hier werden 20 kurze Szenen vorgestellt, die der Betrachter nun spontan jeweils innerhalb von 4 s beantworten soll, indem er passende Begriffe oder Erklärungen findet. Anschließend erhält er sein Feedback, da die gleiche Szene nun mit der richtigen Antwort unterlegt ist. Auf diese Weise wird nochmals die Aufmerksamkeit fokussiert und das Wissen vertieft. Die kleinen Veränderungen in den Zwischenpausen dienen zur Aufrechterhaltung der Neugier und Aufmerksamkeit. Gleichzeitig haben wir im Buchtext kurze Anmerkungen und
297
9
Querverweise auf die 7 Online-Videomaterialien eingefügt, um die enge Beziehung und gegenseitige Ergänzung zwischen beiden Medien herzustellen.
299
Glossar
Hans-Christian Kossak, G. Zehner, Hypnose beimKinder-Zahnarzt, DOI 10.1007/978-3-642-17738-5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
300
Glossar
Akt, motorischer: Handlungseinheit mit Zielorien-
tierung, z. B. Fingerzucken. Mehrere Akte setzen sich zu Handlungen zusammen Amygdala: Mandelkern. Areal im Schläfenlappen mit Zuständigkeit für die Bewertung ankommender emotionaler Aspekte; beteiligt an der Gedächtnisbildung Analgesie: Aufhebung der Schmerzempfindung Anästhesie: Empfindungslosigkeit Animismus: Annahme, dass Gegenstände beseelt sind APGAR-Werte: Punkteschema für das Kind sofort nach der Geburt für Atmung, Puls, Grundtonus, Aussehen, Reflexe Appetenzverhalten: Spezifisches Suchverhalten nach der Reizsituation Areal: Bereich – hier Bereich der Hirnrinde, durch seine neuronale Beschaffenheit oder Funktion definiert Armkatalepsie: (griech: kata-lepsis; besetzen, festhalten), bezeichnet einen Zustand, in dem aktiv oder passiv eingenommene Körperhaltungen übermäßig lange beibehalten werden aversive Maßnahmen: hier: Unangenehme, ggf. schmerzhafte Eingriffe brachiomanual: Arm und Hand betreffend Brodmann-Areal: Nach dem Neurologen Brodmann (Sir Benjamin C., 1868–1918) benannte Großhirnrindengebiete des Menschen, der sie nach ihrer Zyto- und der (s.) Myeloarchitektur in 52 Felder einteilte. Carpenter-Effekt: s. ideomotorischer Effekt Compliance: Mitarbeit, Zusammenarbeit, Akzeptieren Dezentrierung: Richtung weg vom Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, der Gedanken etc. dichotisch hören: Zweiseitiges Hören, wobei über einen Kopfhörer auf die beiden Ohren unterschiedliche Information gegeben werden Dissoziation, kognitive: Trennung, mentale Aufspaltung bei z. B. Widersprüchen, Meinungen, Überzeugungen Distal: bezeichnet in der Zahnmedizin eine Lage und Richtung, die zum Ende des Zahnbogens hin bedeutet (Gegenrichtung von mesial) Distraktion: hier – mentale Auseinanderziehung oder Abkoppelung von miteinander verbundenen Erlebens- und Erinnerungsinhalten
Dyade: Zweiersystem, meist bei der Mutter-Kind-
Beziehung angewandt Dysfunktional: Nicht in angemessener Funktion
stehend EEG: Elektroenzephalogramm. Registrierung und
grafische Aufzeichnung der elektrischen Potentialschwankungen des Gehirns, die an der Kopfhaut mit Elektroden abgeleitet werden Egozentrismus: Haltung, sich selbst nur im Mittelpunkt zu sehen. Bei kleinen Kindern: die Welt nur aus seiner eigenen Perspektive wahrnehmen zu können Endodontische Behandlung: Wurzelkanalbehandlung eines Zahnes EMDR: Eye Movement Desentization and Reprocessing Ethologie: Vergleichende Verhaltensforschung, die erkundet, welche gleichen Verhaltensweisen Menschen unabhängig von ihrer Kultur (= Erziehung) haben; ebenso, welche Gemeinsamkeit im Verhalten Mensch und Tier oder Tiere untereinander haben fMRT: funktionales Magnetresonanztomogramm = Kernspinresonanztomografie. Durch starke elektromagnetische Wellen kann über Computerberechnung eine bildliche Darstellung des Organs erfolgen, das sogar bei seiner Funktion (funktional) beobachtet werden kann Gegenkonditionierung: Eine Methode der Verhaltenstherapie zum Abbau von z. B. Angst. Ein durch klassisches Konditionieren erlerntes Verhalten (z. B. Angst vor NN) wird mit einem damit unvereinbaren neuen Verhalten (z. B. Entspannung) an den bisherigen Auslöser gekoppelt. Es erfolgt dadurch eine Extinktion/Löschung des Problemverhaltens (Angst) durch reziproke Hemmung Halluzination: Wahrnehmung eines Sinnesgebietes ohne objektive Reizgrundlage, z. B. in Hypnose Geräuschehören Hippocampus: Im Unterhorn (wie ein Seepferdchen gebildete) Vorwölbung im Seitenventrikel des Gehirns; zum limbischen System gehörend. Funktion: Zusammenfluss verschiedener sensorischer Systeme, Verarbeitung und Weiterleitung in den Kortex. Hier erfolgt die Gedächtnisbildung in das Langzeitgedächnis Hirnhemispshäre: Halbkugel, hier linke/rechte Gehirnhälfte
Glossar
301
Hypothalamus: Zentralnervöse Region unter-
Neurotransmitter: Chemische Substanzen, die an
halb des Thalamus. Teil des Zwischenhirns. Hier befinden sich die dem vegetativen Nervensystem übergeordneten Zentren für wesentliche Regulationsvorgänge wie Wärmeregulation, Schlaf-WachRhythmus, Blutdruck, Schweißregulation etc. ideomotorische Kompatibilität: Hier als Abstimmung von Sinneskanälen aufeinander und der mit ihnen verbundenen Reiz-Reaktions-Muster, so z. B. soll der auditive Reiz so gestaltet sein, dass er unwillkürlich eine vokale Reaktion bewirkt – oder eine motorische Reaktion. »Bist Du oben?« → »Ja!«/ »Gib den Bohrer!« → Bohrer wird angereicht ideomotorischer Effekt: Wörtlich = selbstauslösende Bewegung; ein Phänomen, dass das Sehen oder Denken an eine konkrete Bewegung diese ungewollt motorisch auslösen kann, indem es die relevanten elektrophysiologischen Mechanismen der Muskeln nachweisbar aktiviert Imagination: Fähigkeit, mittels visueller Vorstellung Bilder im Geiste zu entwickeln oder mit dem inneren geistigen Auge visuell wahrzunehmen Intention: Zielrichtung, Absicht Intrakranial: Innerhalb des Schädels liegend invasive Therapie: (lat. invadere; einfallen, eindringen) gewebsverletzende medizinische Behandlung Item (engl.): Hier: Aufgabe in einem Test Kontingent: Zeitlich zusammentreffend. Sofort auf das Verhalten folgend(e Verstärkung) Kortex: Hirnrinde; hier erfolgen die höheren Denkfunktionen Levitation: Anhebung, z. B. der Hand oder des Armes während der Hypnosebehandlung Mandelkern: s. Amygdala mesial: Lage- und Richtungsbezeichnung an den Zähnen: zur Mitte des Zahnbogens hin Metapher: (griech: meta-phorein; übertragen, übersetzen). Etwas mittels eines Sinnbildes mitteilen. Beispielsweise »Er ist stark wie ein Bär.« Mimikri: In der Biologie, Zoologie stammesgeschichtlich sehr alte Form der Tarnung durch z. B. Anpassung oder Nachahmung Modelling: Lernen am Modell Muskelrelaxierend: muskelentspannend Myeloarchitektur: Bahnverbindungen im Kortex über unterschiedliche Faserstrukturen mit unterschiedlichen Funktionen Neuron: Nervenbahn, Nervenfaser
den Nervenschaltstellen (Synapsen) eine Erregung zum nächsten Nerv weiterleiten Ontogenese: Die Keimentwicklung des Individuums, z. B. des Menschen Karl Meier Orofazial: Mund- und Gesichtsbereich betreffend Orolaryngeal: Mund und Kehlkopf betreffendes Gewebe parasympathisches Nervensystem: Teil des vegetativen Nervensystems, das ohne willentliche Steuerung innere Lebensfunktionen, wie z. B. Körpertemperatur, Blutdruck, Herztätigkeit und Atmungsfrequenz regelt. Das parasympathische Nervensystem, das vor allem im Schlaf und bei Ruhe aktiv ist, steht in Wechselwirkung mit dem sympathischen Nervensystem, welches vorwiegend bei erhöhten körperlichen und geistigen Leistungen in Aktion tritt PET: Positronenemissionstomogramm. Nach Injektion von Radiopharmaka können die davon ausgehenden Positronenstrahlen mit einem Computer bildgebend aufgezeichnet werden, z. B. zur Stoffwechseluntersuchung des Gehirns Phylogenese: Die Keimentwicklung der Art, z. B. des Schimpansen, des Menschen posthypnotischer Auftrag: Eine während der Hypnose gegebene Suggestion einer Handlung oder Verarbeitung (z. B. Schmerzfreiheit), die nach der Hypnose durchgeführt werden soll Prävalenz: Krankheitshäufigkeit in einer bestimmten Gruppe von Menschen Randomisiert: Nach Zufall (engl. random) ausgewählt, zusammengestellt; meist Versuchspersonen oder Daten bei Experimenten Rapport: Bezeichnet das vertrauensvolle Verhältnis zu einer anderen Person Repertorisieren: Bezeichnet in der Homöopathie die Suche nach dem geeigneten Konstitutionsmittel Sedierung: Bezeichnet die Dämpfung von Funktionen des zentralen Nervensystems durch ein Beruhigungsmittel (Sedativum) sophrologische Übungen: Die Schulung des körperlichen und geistigen Bewusstseins mittels Entspannungstechniken, Atemübungen und Visualisierungen soll eigene Heilkräfte mobilisieren und Automatismen durchbrechen helfen. Eingesetzt wird die Sophrologie vor allem bei Beschwerden, die durch Stress und andere psychische Spannun-
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Glossar
gen verursacht oder zumindest von diesen begleitet werden SPECT: Single-Photon-Emissions-Computertomografie. Durch Anwendung von einzelnen Photonen erfolgt unter Anwendung von Gammastrahlen über eine um den Patienten rotierende Spezialkamera ein dreidimensionales Bild, z. B. des Gehirns Subliminal: Unterschwellig, hier unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, also bewusst nicht wahrnehmbar Sulcus: Sulcus gingivae, Furche zwischen Zahn und Zahnfleisch Suggestion: (sprachlich: etwas unterschieben). Meist Wortformulierungen in der Hypnose, mit der indirekt, aber gezielt für therapeutische Zwecke bestimmte Gefühle, Gedanken, Einstellungen erreicht werden sollen. Autosuggestion = Selbstsuggestion; Heterosuggestion = Fremdsuggestion. Wortfreie Suggestionen sind z. B. Prestigeobjekte, selbsterfüllende Prophezeiung sympathisches Nervensystem: s. parasympathisches Nervensystem Synapse: Nervenverbindung und Schaltstelle zwischen Nerven Tomogramm: Organaufnahme über Strahlen, die im Computer als Scheibendarstellung berechnet und ausgegeben werden. Dadurch kann ein dreidimensionales Bild des Organs erstellt werden Trauma (griech.): Verletzung, Wunde; auch seelische Verletzung vergleichende Verhaltenforschung: s. Ethologie Vulnerabilität: Verletzbarkeit – hier seelische Viszeral: (lat. viscus = Eingeweide). Die Eingeweide betreffend
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Stichwortverzeichnis
Hans-Christian Kossak, G. Zehner, Hypnose beimKinder-Zahnarzt, DOI 10.1007/978-3-642-17738-5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Stichwortverzeichnis
A Abdruck – Erbrechen 246f Abdrucklöffel 245 Abdrucknahme 245f Ablehnungsgebärde 68 Ablenkbarkeit 87 Ablenkung 24, 130 Abrasion 243 Abreaktion 69 Abstraktionsvermögen 89 Abwehr 217 Abwehrhaltung 110 Abwehrreaktion 164 Adaptationsproblem – individuelle Hypnose 250 Affirmation 23, 276 Aggression 236 – gelernt 130 Aggressivität 87 Akt, motorischer 300 Akupressur 171, 188, 210, 219, 266, 280, 281 – Elternteil 281 Akzeptanz 162, 240 Akzeptanzsatz 267 Alkoholsyndrom – fetales 89 Allmachtsgedanke 81 Alternativfragen 72 Alternativverhaltensweise 103 Altersprogression 31 Altersregression 31 Amnesie 32 – anterograde 264 – hypnotische 20 Ampelhand 293 Ampelspiel 187 Amygdala 67, 74, 120, 123, 125, 132 Analgesie 300 Analgosedierung – additive Maßnahmen 266 – Indikation 258 Anästhesie 300 intraligamentäre 215 Anfangskooperation 25 Angst 275 – Angstneuronen 123 – Attribution 128 – Aufrechterhaltung 128 – Emotion 128 – erlernte 125 – Folgen 128 – Grundlagen 125 – Imagination 128 – Kognition 128
– – – – – –
Milieufaktoren 127 Motivation 128 Motorik 128 Physiologie 127 protektive Faktoren 126 Selbstmanagementfertigkeit 138 Angstabbau 33, 138, 189, 193, 292 Angstbewertung 123 Angstproblematik 228 Angstsituation – Annäherung 136, 164 Animismus 53, 300 Anker 13 – kinästhetischer 241 Ankern 13 Annäherung 164 Anpassungsvermögen 89 APGAR-Werte 50, 300 Appetenzverhalten 78, 300 Aquarium 160 Areal 31, 121, 124, 300 Armkatalepsie 30, 212, 300 Armlevitation 30, 186 Asperger-Syndrom 92 Atemvertiefung – Suggestion 280 Äther 4 Atmosphäre – ausgeglichene 226 Aufmerksamkeit 20, 64 – fokussierte 7 – selektive 64 – unwillkürliche 64 – willkürliche 64 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung 87 – Psychotherapie 88 Aufmerksamkeitsdistraktion 137 Aufmerksamkeitsspanne 64 Augenermüdung 8 Augenfixation 7, 8 Ausgeglichenheit 159 Ausgeliefertsein 228 Aushärten 198 Autismus – frühkindlicher 91 autogenes Training 167 Autorennen 266
B Ball – springender 203 Ballgriff 188
Balltechnik – abgewandelt 92 Barbiersesseleffekt 219 Bauchatmung 171, 190, 214 Beeinträchtigung 85 Befundaufnahme – kieferorthopädische 244 Begleitperson – Entspannung 171 Begriffe – kindgerecht 174 Begrüßung 61, 71, 163 Behandlung – Gesamtverlauf 296 – kieferorthopädische 244 Behandlungsform 7 Behandlungsgerät 80 – kieferorthopädisches 247 Behandlungsprozedere 165 Behandlungsraum 94 – Gestaltung 160 Behandlungsstuhl 72, 75, 179, 275 Behandlungsteam – Belastung 155 – Flexibilität 184 – Größe 94 – negative Konditionierung 177 – Stressreduktion 156 Behandlungsverlauf – Kontrolle 252 Behandlungsverweigerung 75, 275 behavioral 33 Behinderung – kognitive 88 Behinderung, kognitive – Ursachen 89 Belastung – affektive 156 – emotionale 107 Belohnung – kontingente 120 Belohnungsbox 117 Benommenheit 37 Beruhigungssauger 234 Berührung 200 Beschwichtigungsgeste 68 Bewältigungsstrategie 222 – Evaluation 138 Bewegung – ideomotorische 211 Bewertung – unangemessene 106 Bewusstseinslage 7 Beziehung – therapeutische 29f, 36, 108, 144, 238 – vertrauensvoll 56, 100, 159, 292
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Stichwortverzeichnis
Beziehungsverhältnis 36, 100, 124, 127 Bezugsperson 56, 90 Bildvorstellung 53 Bindung 49, 56f, 60, 86, 100, 109, 126 Biotonne 233 Blickfixation 210 Blütenduft 209 Blutphobie 144 Blutung 33 Blutungsreduktion 213 Bonding-Methode 180 Bracket 251 Bracketkleben – Trance 251 Bruxismus 34, 233, 243 – Stressbewältigung 243 – Tonträger 243
C Caraffa, C. 286 Carisolv 174, 195 Chamomilla 223 Children’s Hypnotic Susceptibility Scale (CHSS) 25 Clique 82 Clownerie 236 Compliance 23f, 84, 102, 113 Coping 22, 125, 138 Cortex 31, 121, 123, 125, 142
D Daumenkino 186 Defizitreduktion 89 Dehypnose 226 Demonstration 137 Denken – kindliches 46 Dentalangst 131 – Folgen 133 Dentalphobien – Definition 131 Dentalphobiker 152 Desensibilisierung 145 – systematische 137 Deutsche Gesellschaft für zahnärztliche Hypnose (DGZH) 154 Dezentrierung 24, 26, 65, 300 Differenzierung 26, 51, 65, 73 Differenzierungsproblem 73
Dissoziation 32, 80, 191, 293 – kognitive 300 Dissoziationstheorie 6 Distanzbedürfnis 58 Distanzgrenze – individuelle 164 Distanzraum – kritischer 58 Distickstoffmonoxid > Lachgas 261 Distraktion 4, 19, 20, 24, 65, 76f, 117, 137, 300 Distraktor 19 Doppelanker 250 Doppelinduktion 9, 199 Double Bind 15 Double-Bind-Suggestion 179 Down-Syndrom 89 Drohblicken 69 Drohgebärde 68 Drohstarren 69 Druckmassage 281 Dystrance 228
E Echomethode 201 Effekt – paradoxer 20 Egozentrik 81 Egozentrismus 53, 300 Ehrlichkeit 178 Eigenwelt – magische 10 Einfühlungsvermögen – Zahnarzt 109 Einleitungsritual 7, 9 Einwirkung – physiologische 50 Einzelgängerdasein 87 Elternberatung – Grenzbereich 109 Elternerwartung 103 Elterngespräch 106 – kindgerechtes 170 Elternhaus – überbehütetes 221 Elternratschlag – guter 182 Elternrolle 170 Elternsituation 107 Elternurteil – Aussagekraft 108 Elternverhalten 104 Elternversprechen 117
A-E
Emotion 12, 14, 16, 21ff, 28, 31, 47, 49, 52, 60, 67, 70f, 75, 77, 81, 86, 100f, 104, 106ff, 122ff, 141, 145, 292 – dysfunktional 108 – Erlernen 123 – Verstärker 124 Emotional Freedom Technique (EFT) 275 Emotionsproblem 84 Empathie 22, 29, 52, 71, 74, 84, 104, 121ff, 122 Endorphine 123 energetische Psychologie (EP) 275 Entsetzen – sprachloses 274 Entspannung 33 Entspannungsform 7 Entspannungsmusik 190 Entspannungstechnik 243 Entspannungsübung 167 Entwicklung 7, 10, 18, 22, 25f, 34, 38 – kognitiv 53 – pränatal 50ff – sensible Phasen 49 Entwicklungsgitter 48 Entwicklungspsychologie 18, 46, 294 – Forschungsbereiche 48 Entwicklungsreiz 51, 53, 64ff, 78 Entwicklungstheorie 48ff Erdbeerpaste 215 Erfahrung 124 Erfahrungssystem 23 Erfolgskalender 237 Erfolgskontrolle 250 Erickson, M. H. 8, 10, 12, 14, 27 Erklärung – pseudologische 202 Erlebensform 7 Ersatzhandlung 69 Ersatzobjekt 57 Erstkontakt 106 Erstuntersuchung 165 Erstverschlimmerung 224 Erwartung – überzogene 179 Erwartungen 3, 5, 6, 16, 18, 20 – Kinder 25 – Hypnotisierbarkeit 27 Erziehung 101 Erziehungsauftrag 100 Erziehungserfahrung 103 Erziehungshaltung 100 Erziehungskompetenz 109 Erziehungsstil – angemessen 103 – autoritärer 101
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Stichwortverzeichnis
– autoritativer 100 – Wandel 103 Esspapierübung 167, 242 Essstörung 84 Ethologie 18, 300 Europäische Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (EAPD) 259 Explorationsverhalten 52, 78, 79, 80, 124 Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) 138, 274
F Fähigkeit – kooperative 222 Fantasie 75f, 79, 84, 107, 126 Farbbilderbuch – magisches 289 Farbgestaltung 80 Farbimagination 209 Faszination 53, 65, 139, 286 Fernsinn 51 Fertigkeit 33, 79, 94, 133, 136 – motorische 294 Festlegung – schriftlich 119 Filmdokumentation 296 Fingerpuppe 194 Fingerstreckinduktion 209 Fliegenhalluzination 26 Flucht 129 Flumazenil 264 Fluoridanwendung 89 Folgekonsequenz – antizipierte 142 Formulierung – permissive 198 – positive 182 Frage – unvollständige 201 Fraktionierung 9 Freud, S. 18, 20, 47, 113 Frustrationstoleranz 294 Füllung 197 Funktionslust 79
G ganzheitliche Therapie 189 Geborgenheit 56, 281 – emotionale 57 – körperliche 57
Gedankenunterdrückung 19 Gefühl – Eltern 106 – Kind 108 – Zahnarzt 107 Gegenkonditionierung 126, 132, 136, 300 Gegenstände – Personifizierung 181 Gegenteilmaschine 225 Gehörsinn 51 Gerät – herausnehmbares 248 Geräusch 228 Geringhypnotisierbare 27 Geruch 228 Geruchssinn 51, 132 Geschenk 117 Geschichtsdenken 54 Geschmack 228 Geschmacksinn 51 Geschmacksverbesserung 181 Gesichtsausdruck 67 Gesichtsmuskulatur 28 Gesprächsverhalten – Eltern 108 Gesundheitssystem – deutsches 152 Glaskugel 206 Glückshormon 123f Grabbelsäckchen 190 Grenzen setzen 231 Grifftechnik 188 Gruppendruck 16 Gruppentrance 201
H Habits 32f, 233 – Selbstkontrolle 242 Habituation 136, 138, 232 Halluzination 300 – negative 31 – positive 31 Handabsenkung 26 Handexcavator 173, 197 Handinstrument 174 Handlevitation 9, 28 Handpuppe 10, 54, 136, 164, 296 Handschuhanästhesie 31 Handzahnbürste 230 Heilmetapher 217 Herzsynkope 33 Hilflosigkeit 102 Hippocampus 120, 123f, 145, 300 Hirnfunktion 31, 120
Hirnleistung 120 Hochhypnotisierbare 27 Hoffmann, E. T. A. 5 Hoppe-Reiter-Spiel 169 Hospitalismus 47 HUNA-Prinzipien 189 Hyperakzessibilität 20 Hyperventilation 220 hypno-behaviorale Therapie 32, 141 Hypnose – Beendigung 14 – Comic 5 – Einleitung 7, 9, 14 – Einstellung zur 104 – Fraktionierung 9 – Gefahren 37 – Geschichte 3 – Grenzbereiche 37 – Grenze 38 – Hirnaktivität 6 – Indikationsbereiche 32 – Informationsschrift 104 – Kontraindikationen 38 – Lernen in 138 – Literatur 5 – Medien 5 – Theorien 6 – Therapievoraussetzungen 50 – Zahnbehandlung 4 – zur Narkoseeinleitung 268 Hypnosebeendigung 225 Hypnosebehandlung – Jugendliche 209 Hypnoseformel – universelle 211 Hypnosemethode 8, 34 Hypnosephänomen 30, 32 Hypnoserücknahme 14 Hypnosetherapeut – Anforderungen 29 Hypnosetiefenskala 26 hypnotherapeutisches olfaktorisches Konditionieren (HOC) 132 Hypnotherapie 32, 292 hypnotische Intervention 158 Hypnotisierbarkeit 24 – Faktoren 27 – Messung 26 – Test 27 Hypothalamus 301
I Ideomotorik 30 ideomotorischer Effekt 301 illokutionärer Akt 19
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Stichwortverzeichnis
Imagination 29, 31, 48, 75ff, 117, 128, 136f, 142 Imaginationstechnik 4 Imaginationswelt 11 Imitationslernen 118 Induktion 7 – Formen der 8 – fraktionierte 9 Induktionsmethode – kindgerecht 25 Induktionstechnik – formalisierte 184 Informationsblatt 161 Informationsbrief 177 Informationsmaterial 170 Inkongruenz 171 – Aspekte 74 – Patient 75 – Therapeut 75 Instruktion – positive 22 Instrument 228 Intervention 7 – paradoxe 238 Intonation 71 Intuition 189 Ipecacuanha 246 Ironie 73 ironischer Fehler 16, 20
J Ja-Haltung 10, 163 Jugendliche, Kommunikation mit 82 Jugendlichenalter 80
K Kalenderkontrolle 120 Kariesentfernung 195 Kariesprophylaxe 110 Kasperletheater 286 Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) 153 Katalepsie 30 Katastrophisierungsgedanke 133 Kautel 36 Kavitätöffnung 194 Kieferbereich – Spannung 251 Kind – Aufnahmefähigkeit 158 – Entwicklungsstand 158
– Hauptperson 163 – unkooperatives 221 – verhaltensgestört 85 – Verständnis 158 Kinderbehandlung – Gesamtatmosphäre 296 Kinderbehandlungsliege 160 Kinderbehandlungstag 160 Kindererziehung 19 Kinderhypnose 156 – Bereiche 35 – Hilfsmittel 193 – Schmerzbehandlung 4 Kinderkrone 153, 265 Kinderlied 179, 185 Kinderzahnarztpraxis 152 Kinderzahnbehandlung – Ablaufschema mit Hypnose 227 Kinderzahnbetäubung 215 Kinderzahnheilkunde – Studium 154 klassisches Konditionieren 113 Klopfakupressur 188, 241, 266, 275 Klopfen – magisches 278 – selbsttätiges 276 Klopftechnik 219 Klopfübung – Eltern 241 Knetmasse 173 Knirscherplatte 244 Knotentrick – magischer 290 Kofferdam 262 kognitiv-behaviorale Therapie 32, 78, 127ff, 136ff kognitive Kontrolle 24 kognitive Umstrukturierung 137, 138 Kommunikation 66 – Beziehungsebene 67 – Inhaltsebene 67 – Inkongruenz 74 – stimmliche 70 Kommunikationsfähigkeit 34 Kommunikationsträger 67 Kompatibilität – ideomotorische 301 Komplizenschaft 292 Konditionierbarkeit 125 Konditionieren – operantes 92 Konditionierung 118 – zufällig 105 Konfusion 191 Konfusionstechnik 200 Konstanz 61
E-L
Konstruktivismus, radikaler 6 Kontaktaufnahme – Verbesserung 292 Kontrollerwartung 142 Konzentration 7, 188 Konzentrationsproblem 236 Konzentrationsschwäche 87 Kooperation 116 – mangelnde 250 Kopfhörer 181 Kopfschmerz 37 Körperakupunktur 280 Körpersprache 66 Kortex 31, 301 Kraftquelle 240 Krafttier 217 Krafttier-Induktion 187, 206 Kraniosakraltherapie 242 Krankheitsgewinn 129, 143 Kreativität 294 Kuschel-Kraft-Tier 187 Kuscheltier 179
L Lächeln 67 Lachen 164 Lachgas – kombiniert mit Hypnose 262 – Nachteile 263 – Nebenwirkungen 261 – Vorteile 263 Laserpunktur 280 Leading 10, 183 Leichtgläubigkeit 91 Leistungsproblem 84 Leistungsverhalten 103 Leistungsversagen 102 Leitungsanästhesie 215 Lernen 20, 47, 48, 51, 61, 90, 102, 114, 116ff, 121ff, 127, 138 – implizites 116 – klassisches 113 – operantes 114, 115, 124, 135 – pränatales 50f, 121 – unterschwelliges 125 – vorgeburtlich 50f, 121 Lernerfahrung 65 – physische 132 Lernschwierigkeit 88f Lerntheorie 113 Levitation 301 Lidschluss 26, 185 Lieblingsbeschäftigung 207 Lieblingseisgeschmack 216 Lieblingsfarbe 192
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Stichwortverzeichnis
Lieblingsortreise 207 Lieblingsspeise 217 Liegende Acht 275 Liegeposition – Überraschungsmoment 219 Liegestuhl 181 Lippenschluss 167 Lippenschlussübung 235 Lob 116, 193, 226 Locke, J. 46 Locus of Control 142 Lokalanästhesie 215 Lösung – kreative 222 Löwengeschichte 199 Luftballonflug Zauberwald 193 Luftballonreise 157, 184, 190 Lustprinzip 101 Lutschgewohnheit 240 Lymphstau 251
Mundvorhofplatte 235 Muschel 206 Muskelrelaxation nach Jacobson 167 Muskeltest – kinesiologischer 275 Muskelzusammenspiel – harmonisches 243 Musterunterbrechung 13, 33, 165, 238 – Esspapierübung 167 – Rollenspiel 166 – Zaubern 167 Mutübertragung 178 Mutzauber 178 Mutzaubersuggestion 287 Myeloarchitektur 301 myofunktionelle Therapie 242
N M Magie 287 Magnetismus 3 Magrain-Pflaster 281 Märchen 8, 77 Märchen verändern 202 Maßnahmen – aversive 300 Material 80 Meerschweincheneffekt (Versuchsleitereffekt) 16 Mentalfeldtherapie (MFT) 275 Mesmer, F.A. 3 Metapher 14, 91, 199, 211, 301 – Hausumbau 249 – Segelboot 249 Metapher vom Wächter 243 Midazolam – Nachteile 265 – Nebenwirkung 264 – Vorteile 265 – Wirkung 264 Midazolamsaft 265 Mikroakupunktursystem 280 Milchzahnextraktion 217 Mimikri 5, 301 Mittellinientechnik 276, 277 – Akupunkturpunkt 278 Modell, Lernen am 90 Modelllernen 22, 90, 105, 118, 127, 130, 137, 292 Motivationsverstärker 230 Mundbereich 52 Mundhygiene 229
Nachbesprechung 226 Nägelkauen 235 Nähe 56ff, 62, 77, 84, 91, 94, 143 Nahrungssuchreflex 51 Nahsinn 11, 50 Narkosebehandlung 153 Nasenatmung 167 Nasenatmungsschulung 242 Nasenmaske 261 Naturvolk 3 Negation 16ff, 182 Negative Affect Erasing Method (NAEM) 276, 277 negative Verstärkung 116, 129, 133, 139, 143 Neugier 124 Neugierverhalten 78 Neurobiofeedback 88 neurolinguistisches Programmieren (NLP) 11 Neurologie 33 Neuropsychologie 6, 31, 48, 52, 65, 78 nonverbale Ebene 161 Notfallsituation 218 Notfalltrance 219 Nuckelfreund 236 Nuckeln – Daumen 235 – Finger 235
O operantes Lernen 114 – Beispiele 115 Organisationsstress 107 Orientierung 161 – situative 91 Oudet, J.-V. 4
P Pacing 10, 183, 277 Panikattacke 131 Pantomimik 68 paradox 19f, 23 paradoxer Effekt 19f Partnerschaft 179 Patient – Grenzen 38 Patientenalter 156 Patientenanwerbung 154 Patientencompliance 156 Patientenerfahrung 23 Patientenfeedback 198 Patientenführung – psychologische 153 Patientenressource 9 Patientenverhalten – Widerspiegelung 10 Pause – individuell 185 Persönlichkeitsvariable 27 Perspektive, kindliche 53f, 62 Perspektive, Zeit 54, 62 Perspektivenwechsel 117, 293 Piaget – formaloperationales Stadium 54 – konkret-operationales Stadium 54 – präoperationales Stadium 53 – sensomotorisches Stadium 53 – Stadien nach 53 Plazebopräparat 16 Poster 190 Prävention – Wertbeimessung 135 Praxiseinrichtung 16, 80 – kindgerecht 1 52, 159 Praxisklima 162 Preyer, W. T. 47 Priming 125 Probehandlung 77, 137 Problem – Jugendlicher 84 Problemverständnis 109 Produktionsbox 290
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Stichwortverzeichnis
Programmierung – negative 162 – positive 162 Prophylaxe – Anwendung der Kinderhypnose bei 228 – kieferorthopädische 233 – Motivation zur 229 Prophylaxemaßnahme 228 Propositionaltheorie 19 Protohypnose 26 Prozess- und Embodymentfokussierte Psychologie (PEP) 276 Prozessorientierte Energetische Psychologie 276 psychische Störung 83, 85ff Psychoanalyse 18, 69 Psycholinguistik 19 psychosoziale Bedingung 140 Pulpotomie 265 Pulsoxymeter 261 Punktfixation 8, 210 Punktfixationsmethode 240
Q QuickTimeTrance 189 – Kinderhypnosezahnbehandlung 190
Reiz 16, 22, 24, 31, 64, 78, 87, 102, 113, 120, 125f, 128f, 135f, 138, 140, 142 – aversiv 179 – subliminal 16 Reizgeneralisierung 128 Reizreduktion 93 Reizung – vestibuläre 219 Religionsgemeinschaft 3 Reorientierung – größere Kinder und Jugendliche 226 – Kindergarten- und Grundschulkinder 225 Repräsentationsschema 122 Ressourcenanamnesebogen 161, 177 Ressourcenerschließung 12 Reversibilität 54 Rillenputzer 196 Ritual 13, 61, 93, 181, 226, 293 Robert-Houdin, J. E. 286 Rogers, C. R. 8 Röntgenbild 245 Rousseau, J. J. 46 Ruhe 159 Ruhebild 7
S R Rapport 9, 159, 301 Rapportaufbau – Behandlungsbeginn 244 Rätsel 185, 201 Raum – geschützter 287 Reaktanz 21, 109 Reaktanztheorie 19 Reaktion – viszeromotorische 122 Reaktionsbereitschaft – hypnotische 26 Reaktionsgeneralisierung 128 Realangst 126 Reframing 13, 137f, 293 Regenbogengeschichten 208 Reifung 47 Reifungsangst 126 Reifungsprozess 48 Reiseziel 194 Reiten 207
Satzfragmente 200 Schiene 243 Schläfe 246 Schlafsaftkügelchen 216 Schlenkerpuppe 203 Schmerzausschaltung – allgemeine 152 Schmerzbewältigung 33 Schmerzkontrolle 33 Schmerzmanagement 33 Schmerzreduzierung 214, 251 Schmerzreiz 140 Schmerzschalter 251 Schmerz-Schalter-Technik 214 Schmerzschwelle 263 Schmerztoleranz 143 Schnullerfee 234 Schreikind 220 Schreitrance 220 Schwäche 294 Schwebevogel 288 Sedativa – Toleranzentwicklung 259 Sedierung 301 – Definition 258 – Midazolam 264
L-S
Seeding 13 Seifenblasen 214 Selbstbeobachtung 78, 138 Selbsthypnose 34, 84, 138, 212 Selbstkontrolle 22, 78, 88, 119, 237, 250 – Entwicklungsaspekte 78 Selbstkontrollmethode 78 Selbstmanagement 78 – emotionales 276 Selbstmanagementtherapie 77 Selbstregulation 250 Selbstverstärkung 119 Selbstwertgefühl 222 Selbstwirksamkeit 18 Selbstwirksamkeitserwartung 19 Selffulfilling Prophecy 15 Sensibilität – individuelle 181 Serienpunkt 278 Serienübung 278 Showhypnose 5 – Wirkfaktoren 5 Sicherheitsbedürfnis 56, 57 Sinnesmodalität 10 Smiley-Hand 206 Sonderinteresse 91 Sonnenbrille 179 sophrologische Übungen 301 Sozialisationsangst 126 Sozialproblem 84 Speichelflussreduktion 213 Spiegelneuron 52, 121, 176 – Empathie 123 – Hypnose 122 Spitz, R. A. 47 Sprachmodulation 71 Sprachstereotypie 94 Sprachverständnis 34 Sprechakttheorie 19 Sprechweise 190 Sprechzimmer – Märchenparadies 161 Stanford Hypnotic Susceptability Scale (SHSS) 25 Stärke 294 Stempeln 238 Steuerung – psychophysiologische 24 Stimme – Mitarbeiterin 161 Stimmlage 190 Stimulationsplatte 90 Stimulus 87 – akustischer 275 Stimulusgeneralisierung 128 Stoppi 235 Stoppsignal 186
310
Stichwortverzeichnis
Stress 83, 140 Stressfaktor 107 Stressreduktion 33 Struktur 226 Suchtverhalten 240 Suggestibilität 24 Suggestibilitätsitem 3 Suggestion 14, 302 – Definition 14 – direkte 8 – indirekte 8 – nonverbal 16 – posthypnotisch 24, 32, 225 – Zielrichtung 23 Suggestionsformen 15 Suizidgefährdung 38 Supervision 23 Symptomverschiebung 236 Symptomverschreibung 224, 238 Synapse 302
T Talk-together-Methode 200 Tell-Show-Ask-Do-Methode 173 Tell-Show-Do-Methode 137 Thalamus 121 Themenwechsel 191 Therapeut – Grenzen 38 Therapeutenverhalten 29 Therapieverlauf – harmonischer 193 Thought Field Therapie (TFT) 275 Thymuspunkt 246, 278 Tierhypnose 5 Trance 28 – spontane 189 Trance, Fraktionierung der 192, 195 Trance, Vertiefung der 191 Tranceeinleitung 184, 294 Tranceführung 188 – individuelle 185 Trancegeschichte – Grundschulalter 205 – Kindergartenalter 202 Tranceinduktion – nonverbal 188 – Punktfixationsmethode 251 Trancemerkmal 28 Trancemusik 180 Trancetiefe 28 – Kind 28 Trancevorstellung – Variationen 184 Traumaerlebnis 274
Trennungsangst 126, 130 Trotzanfall – Auslöser 62 Trotzköpfchen 223 Trotzverhalten 61, 230 – primäres 62 – sekundäres 62 Tunnelblick 186 Turboinduktion 210
U Überforderung 102, 140 Überkreuzbewegung 168 Überkreuzübung 275 Übersprungshandlung 69 Übung – häusliche 93 Umstrukturierung – kognitive 222, 294 Umweltangst 126 Umwelteinfluss 124 Unaufmerksamkeitsblindheit 66 Ungeschicklichkeit – motorische 92 Universalbehandlungsliege 160 Unterforderung 140 Unterlegenheitsgefühl 228 Utilisation 12
V VAKOG 11ff, 191, 248 Verbalerklärung 137 Vereinsamung 82 Verhalten – kognitiv-behaviorale Elemente 127 Verhaltensaufbau 9, 33f, 113, 115f Verhaltensformung 9, 137 Verhaltensforschung – vergleichende 47 Verhaltenskontrakt 119, 250 – Stufen 119 Verhaltensmuster – stereotyp 91 Verhaltensstörung 85ff verhaltenstherapeutische Methoden 9, 10, 13, 136ff, 156, 293 Verhaltenstherapie 4, 136 Verhaltensweise – elterlich 144 Vermeidung 143
Vermeidungsverhalten 20, 65, 101, 128, 129, 133, 135, 136, 138, 143 – Abbau 136 Verneinung 18 Versagensangst 102 Verschaltung – neuronale 120 Verschwinde- und Produktionsbox – magische 290 Versiegelung 231 Verstärkung 114 – intrinsische 119 – negative 129 – operante 105 Vertrauen 36 Vertrauensaufbau 159 Videomitschnitt 172 Vogelschwingeninduktion 203 Vogt, O. 9 Vollnarkose – Indikationen 267 – Nachteile 268 – Nebenwirkungen 268 – Vorteile 268 Vorgehen – rituelles 189 Vorstellung 75 Vorstellungsvermögen – sprunghaftes 184 Vulnerabilität 85, 132ff, 302
W Wachsen 47 Wahrnehmungspräferenz 12 Wahrnehmungsveränderung 31 Waisenhausstudie 47 Wärmesuggestion 205 Wartezone 160 Wasserspiel 165 Watte 228 Wendung – unerwartete 286 Wertschätzung 162, 240 Wiegetechnik 219 Winken 275 Wirklichkeit, alternative 6 Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie 3 Wohlbefinden 11, 13, 15, 23, 34, 50 Wohlfühlatmosphäre 160 Wohlfühlsuggestion 193 Wort-Bild-Assoziation 182 Wortformulierung 7 Wortspiele 201 Würgeanfall 33
311
Stichwortverzeichnis
Würgereiz 24, 128 – psychogener 246
Y Yes-Set 10, 137, 163
Z Zahlen, Induktion mit 209 Zahnarzt 26, 23f – Angst vor dem 135 Zahnarztspiel 165 – häusliches 164 Zahnbehandlung – Problemmethoden 139 – Zuschauen 176 Zahnbürste – elektrische 230 Zähneputzen – abendliches 230 Zahnfleischdruckstelle 251 Zahngesundheit 231 Zahnhygiene – Prävention 135 Zahnmodell 173 Zahnputzgeschichte 231 Zahnputzritual 230 Zahnteufel – angeln 204 Zahnteufelgeschichte 173 Zaubergeschichte 287 Zaubergummi 289 Zauberhandschuh 206 Zaubermöwe 194 Zaubern 177 – Angstprobleme 292 – entwicklungspsychologische Aspekte 286 – therapeutische Wirkung 293 Zauberpraxis – kinderfreundliche 293 Zauberstab 157, 194, 288 – schwebender 290 Zauberstein 206 Zaubertrick 296 Zauberwald 157, 194 Zauberwaldtier 196 Zehn Gebote 17 Zeichnen – imaginäres 204 Zeigefingerpinsel 204 Zeitaufwand 154 Zeitbedarf 178
Zeiterleben 31f, 53 Zeitverständnis 53, 60, 63 Zeitverzerrung 32 Zielorientierung 23 Zielverhalten 119 Zukunftsangst 84 Zungenfehlfunktion 241 Zungenkauen 241 Zungenkuss 233 Zungenpressen 241 Zusammenarbeit – interdisziplinäre 242 Zusatzkosten – Hypnosebehandlung 153 Zuwendung – empathische 188 – liebevolle 178, 200 Zuwendungsbedarf 23
S-Z