JAN WURM
GLAS ALS TRAGWERK ENTWURF UND KONSTRUKTION SELBSTTRAGENDER HÜLLEN
Birkhäuser Basel ⋅ Boston ⋅ Berlin
Der A...
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JAN WURM
GLAS ALS TRAGWERK ENTWURF UND KONSTRUKTION SELBSTTRAGENDER HÜLLEN
Birkhäuser Basel ⋅ Boston ⋅ Berlin
Der Autor Jan Wurm arbeitet als Architekt, Designer und Projektmanager bei Arup Materials und Arup Facade Engineering in London.
w w w.arup.com
w w w.trosifol.com
w w w.dorma-glas.de
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. Dieses Buch erscheint auch in einer englischen Sprachausgabe (ISBN 978-3-7643-7608-6).
© 2007 Birkhäuser Verlag AG Basel · Boston · Berlin Postfach 133, CH-4010 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. TCF ∞ Layoutkonzept + Umschlaggestaltung: Muriel Comby, Basel Layout und Satz: Continue AG Druck und Bindung: Kösel GmbH & Co. KG, Altusried-Krugzell Umschlagfoto: Arup ISBN 978-3-7643-7607-9 987654321 www.birkhauser.ch
Geleitwort von Graham Dodd
5
Vorwort und Dank
6
1
EINFÜHRUNG
9
2
GL ÄSERNE SPANNWEITEN
17
2.1
18
2.2
3
Frühzeit und christliche Sakralarchitektur
19
Neuzeit
22
DAS GL ASDACH : FORM, FUNKTION UND KONSTRUKTION
25
FL ACHGL AS ALS BAUSTOFF
33
3.1
WERKSTOFF GL AS – EIGENSCHAF TEN
34
Flachglas als Konstruktionsmaterial
36
Flachglas als Hüllmaterial
39
3.2
BASISGL AS – FLOATGL AS, WAL ZGL AS UND ZIEHGL AS
45
Herstellungsverfahren
46
Bedeutung für das Konstruieren
48
Bedeutung für die Raumhülle
48
3.3
DIE MECHANISCHE BE ARBEITUNG VON GL AS – SCHNEIDEN, BOHREN UND SCHLEIFEN
49
3.4
DIE THERMISCHE VEREDELUNG VON GL AS – VORSPANNEN, EMAILLIEREN, BIEGEN UND STRUKTURIEREN
54
Thermisches Vorspannen
54
Emaillieren und Bedrucken von Glas
58
3.5
3.6
4
VON DER BL ÄT TERL AUBE ZUR KLIMAHÜLLE – DIE SUCHE NACH DEM PAR ADIES
Thermisches Biegen von Glas
59
„Strukturieren“ von Glas
62
DAS FL ÄCHIGE FÜGEN VON GL AS – VERBUND - UND VERBUNDSICHERHEITSGL AS
64
Herstellung und Fertigung
64
Bedeutung für das Konstruieren
66
Bedeutung für die Raumhülle
68
ISOLIERGL ÄSER – BESCHICHTEN DER SCHEIBE UND VERBINDEN DER R ÄNDER
72
Oberflächenbeschichtungen
72
Aufbau eines Isolierglases
75
Bedeutung für das Konstruieren
77
Bedeutung für die Raumhülle
78
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
83
4.1
KONSTRUIEREN MIT GL AS
84
Flachglas als Hüll- und Konstruktionselement
84
Fügetechnik
85
Nachweisverfahren
89
PL AT TENFÖRMIGE VERWENDUNG IN DER GEBÄUDEHÜLLE
94
Verglasungsarten
95
Resttragfähigkeit von Platten
97
Fügetechniken
98
4.2
4.3
5
104
Schubfelder
105
Stützen, Glasschwerter und Biegeträger
108
Resttragfähigkeit von Scheiben
111
Fügetechniken
112 119 120
ÜBERBLICK
Nutzungsprofile
125
SPE ZIFISCHE ANFORDERUNGEN VON HÜLLGEOMETRIEN
128
Der Glashof – der ebene oder geneigte Raumabschluss
128
Das Glasband – der gekrümmte oder gefaltete Raumabschluss
130
Die Glasmitte – der doppelt gekrümmte Raumabschluss
132
GL ASTRAGWERKE
137
6.1
TR AGSTRUKTURFORMEN VON FL ACHGL AS
138
ENT WURFS- UND KONSTRUKTIONSPAR AMETER
140
Tragwerksform
140
6.3
8
Druckbeanspruchte Scheiben
5.1
6.2
7
104
FUNKTIONSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN
5.2
6
SCHEIBEN- UND STABFÖRMIGE VERWENDUNG IN TR AGWERKEN
Geometrische Netzbildung
141
Redundanz: Sicherheit im nicht hierarchischen Tragwerk
144
Konstruktive Absicherung bei auf Druck ausgelegten Tragwerken
146
Elementierung und Fügungsebenen
148
TR AGSTRUKTUREN AUS GL AS
150
Stabtragwerke
152
Flächentragwerke
154
Zellentragwerke
160
PROJEKTE
165
7.1
HINTERGRUND AKTUELLER ENT WICKLUNGEN
166
7.2
DER GL ASHOF – EBENE TR AGSYSTEME
168
7.3
DAS GL ASBAND – GEKRÜMMTE TR AGSYSTEME
210
7.4
DIE GL ASMIT TE – D OPPELT GEKRÜMMTE TR AGSYSTEME
226
AUSBLICK
241
ANHANG
249
LITER ATURHINWEISE
250
BILDNACHWEIS
253
PARTNER
255
GELEIT WORT Der Einsatz von Glas als tragender Baustoff gewann erstmals in den
Dieses Buch präsentiert neben den Forschungsprojekten auch
1990er-Jahren an Bedeutung. Ausschlaggebend dafür waren nicht
eine Auswahl an ausgeführten Werken und fasst die wichtigsten Er-
zuletzt richtungsweisende Publikationen: Neben den Veröffentli-
gebnisse von Jan Wurms Forschung zusammen:
chungen von Rice, Francis und Ritchie, die mit ihrem Werk „Le Verre
Die Herstellungs- und Verarbeitungsmethoden von Glas schaffen
Structurel“ (Paris, 1990) das Potenzial von Glas als Baustoff in der
ein Material mit einer Reihe von technischen und physikalischen Ei-
modernen Architektur erforschten, trug die Glasindustrie mit „Glass in
genschaften in verschiedenen Formen und Größen; je nach Entwurf
Building“ (Oxford/Boston, 1993) von David Button und Brian Pye da-
ergeben sich aus der Verbindung der Glaselemente in der gewählten
zu bei, die Rolle von Glas im Bauwesen zu entmystifizieren. Einen
Geometrie konstruktive Potenziale; durch die Verbindung der kons-
umfassenden Überblick über die Technologie und Bedeutung von
truktiven und physikalischen Möglichkeiten entstehen in synerge-
Glas in der zeitgenössischen Architektur liefert schließlich Michael
tischer Weise einzigartige Räume.
Wigginton mit „Glass in Architecture“ (London, 1996).
Neben einem vollständigen Überblick über die aktuellen Herstel-
In der Folge entstanden zahlreiche Untersuchungen und Publika-
lungsprozesse und der daraus resultierenden Materialeigenschaften
tionen, die die Konstruktionen im wachsenden Bereich der tragenden
liefert der Autor eine systematische Klassifizierung von faszinierenden
Glaskonstruktionen detailliert analysierten. Parallel dazu forcierte, auf-
Glashüllen und eine Tragwerkstypologie, die sich von Beispielen der
bauend auf den gesammelten Erfahrungen, eine kleine aber wach-
klassischen Architekturgeschichte bis hin zu aktuellen Projekten er-
sende Gruppe von Architekten und Ingenieuren das Bauen mit Glas
streckt. Jan Wurm veranschaulicht mit diesem Buch, welches Poten-
bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
zial der Baustoff Glas zukünftig bietet.
Als Jan Wurm zu uns in das „Glas-Team“ im Londoner Büro von Arup kam, war er gerade dabei, diese Forschungsarbeit über Glastragwerke abzuschließen. Seine Arbeit hat mich sofort beeindruckt, weil sie Entwicklungen herausarbeitet, die lange vor der neueren Auseinandersetzung mit dem konstruktiven Glasbau begonnen haben und die gleichzeitig, in Weiterführung der aktuellen Tendenzen, spannende Perspektiven aufzeigen. Im Zuge seiner Tätigkeit hat Jan Wurm mit seinen Studenten zahlreiche Prototypen entworfen und bis hin zum Maßstab 1:1 realisiert. Mit diesen Experimenten hat er den Einsatz von Glas als tragendem Baustoff sowohl im Entwurf, als auch in der Umsetzung erforscht. Seine Entwürfe stellen gültige Erkenntnisse nicht in Frage; im Gegenteil, sie sind Ergebnis einer logischen Analyse der Geometrie selbst tragender Hüllen und basieren auf einem tieferen Verständnis für die Anforderungen an Stabilität, Widerstandsfähigkeit und Realisierbarkeit, die ein Tragwerk zu erfüllen hat.
Graham Dodd, Arup, London, im Mai 2007
VORWORT UND DANK
1
1–3
Visualisierung des veränderten Berufsbildes von Architekt und Ingenieur: Die Fäden symbolisieren die mit dem Bauen verbundenen Entscheidungsprozesse und deren Farbe die Zugehörigkeiten zu funktionalen, konstruktiven und gestalterischen Fragestellungen.
1
Die wachsende Komplexität und Technisierung des Bauens stellt heute die alleinige Entscheidungskompetenz des Planers als Generalist in Frage.
2
Das Hinzuziehen von Fachplanern ermöglicht das Bündeln von Entscheidungsprozessen innerhalb begrenzter Zuständigkeiten. Das integrale Planen
2
erfordert dabei eine intensive Abstimmung zwischen den Fachplanern, um die Bauaufgabe als Synthese von funktionalen, konstruktiven und gestalterischen Fragestellungen lösen zu können. 3
Die Entwicklung von neuen, „kreativen“ Lösungsansätzen bedarf der übergeordneten thematischen Koordination von Entscheidungsprozessen durch „spezialisierte Generalisten“. Eine Möglichkeit bietet die Auseinandersetzung mit den funktionalen, konstruktiven und gestalterischen Fragestellungen der unterschiedlichen Baumaterialien als „Grammatik der Werkstoffe“. 3
VORWORT UND DANK
tät und die notwendige Spezialisierung von Bauphysiker, Glasstatiker, Brandschutzsachverständiger etc. erschwert. Im Gegensatz zu dem
„Was der Tragwerkplaner als Traggerüst versteht, begreift der Architekt
Stahl-, Holz- oder Betonbau haben sich so keine spezifischen Struk-
als Skulptur – selbstverständlich ist es beides.“
turformen von Glastragwerken entwickelt. [2]
– Ove Arup
Dieses Buch will mit der Entwicklung einer Entwurfs- und Konstruktionsmethodik für Flachglas diese Lücke in der Bauforschung
Jedes Material besitzt aufgrund seiner geometrischen Erscheinungs-
schließen. Im Mittelpunkt steht das druckfeste flächige Tragelement,
form, seiner mechanischen, bauphysikalischen und optischen Quali-
universelles Hüllmaterial und vielfältig leuchtende Fläche, als elemen-
täten eine charakteristische Eignung als Tragelement, Raumabschluss
tarer Baustein für weit gespannte Tragstrukturen. Die in dem Buch
oder Gestaltungsmittel. Innerhalb dieser von Anette Gigon bezeichne-
enthaltenen technischen Empfehlungen reflektieren den aktuellen
ten Grammatik der Werkstoffe eröffnet kein anderes Material dem Pla-
Stand der Technik, bedürfen aber ausdrücklich der expliziten Abstim-
ner so umfassende Möglichkeiten wie Flachglas, das in zunehmendem
mung durch die verantwortlichen Fachplaner mit den geltenden und
Maße unsere gebaute Umwelt prägt. [1]
aktuellen Gesetzen, Vorschriften und Normen des jeweiligen Landes. Autor und Verlag können in keiner Weise für den Entwurf, die Planung oder die Ausführung von fehlerhaften Glaskonstruktionen haftbar ge-
Aspekten, wird im Glasbau heute durch die technologische Komplexi-
macht werden.
6
Die traditionelle Genese von Material und architektonischer Form, die Verzahnung von konstruktiven, funktionalen und gestalterischen
VORWORT UND DANK 4
An Entwurf, Planung und Realisierung beteiligte Mitarbeiter und Studenten nach Fertigstellung des Tetra-Glasbogens (2000)
4
Ich danke allen, die mich auf den verschiedenen Stationen dieses
haben. Ich möchte meinen Kollegen Graham Dodd und Bruno Miglio
Buches geführt, begleitet und unterstützt haben. Der größte Dank ge-
bei Arup danken, die mir die Möglichkeit für die Überarbeitung des
bührt Prof. Dr.-Ing. Wilfried Führer für die intensive und immer positive
Manuskriptes gegeben haben.
Unterstützung während meiner wissenschaftlichen Ausbildung und
Mein besonderer Dank gilt den Mitarbeitern und Freunden im
meinem fachlichen Lotsen Prof. Dr.-Ing. Ulrich Knaack. Ich danke
Lehrstuhl Philipp Berninger, Britta Harnacke, Ron Heiringhoff, Maren
meinen ehemaligen Kollegen Dr.-Ing. Rolf Gerhardt, Dr.-Ing. Katharina
Krämer, Alex Kruse, Stefan Steffesmies, Julia Wehrs und insbesonde-
Leitner, Dr.-Ing. Helmut Hachul, Dipl.-Ing. Thorsten Weimar und Dipl.-
re Ralf Herkrath, die entscheidend zu der erfolgreichen Fertigstellung
Ing. Jochen Dahlhausen für die fachlichen Anregungen und die tat-
der Arbeit beigetragen haben. Für die persönliche Unterstützung, aber
kräftige Hilfe. Ebenso bedanke ich mich bei Prof. Alan Brookes und
auch die inhaltliche und sprachliche Korrektur der Arbeit darf ich mich
Prof. Dr. Ir. Mick Eekhout für die wertvollen Erfahrungen während
von ganzem Herzen bei meinen Eltern Charlotte und Johann Peter
meines Forschungsaufenthaltes an der TU Delft im Jahr 2002 und bei
bedanken sowie bei Anke Naujokat, Andres Tönnesmann und vor
Prof. Dr. Phil. Andreas Beyer, Prof. Dr. rer. nat. Reinhard Conradt und
allem bei Silke Flaßnöcker und meinem Baldachin aus Seide. Mein
Prof. Dipl.-Ing. Jochen Neukäter für ihre hilfreichen Anmerkungen.
abschließender Dank gehört allen Studentinnen und Studenten, die
Ich danke allen Unternehmen und meinen direkten Ansprechpart-
mit großer Einsatzbereitschaft an den Projekten mitgewirkt haben. 7
nern, die durch umfangreiches Sponsoring die Umsetzung meiner Forschungsprojekte und die Drucklegung dieses Buches ermöglicht
Jan Wurm, im März 2007
– – – – –
1
9
EINFÜHRUNG
EINFÜHRUNG
1
1 Glaslinsen im kuppelgewölbten Dampfsaal des Hammam „Al Bascha“, 18. Jahrhundert, Akko, Israel 2 Palmenhaus in Kew Gardens, London, 1845 – 48, Arch.: D. Burton, Ing.: R. Turner
10
1
2
Flachglas wird seit etwa 2000 Jahren als Raumabschluss verwendet
lierten klimatischen Bedingungen aufzuziehen, entdeckten sie im Ge-
und gehört zu den ältesten künstlichen Baustoffen überhaupt. Auf-
wächshaus ein ideales Experimentierfeld für die neuen Baumaterialien
grund der anhaltenden Verbesserung seiner Herstellungs- und Ver-
Eisen und Glas. Um das einfallende Sonnenlicht bestmöglich zu nut-
edelungsmethoden stellt Glas heute aber auch eines der modernsten
zen, reduzierten sie den Anteil von Guss- und Schmiedeeisen und
Baumaterialien dar, das wie kein anderes das Erscheinungsbild un-
entwickelten frei stehende Hüllen mit gewölbten und gefalteten Glas-
serer Architektur prägt. Indem diesem Baustoff nahezu alle Aufgaben
dächern. Der aussteifenden Eindeckung mit kleinteiligen in Kitt gebet-
einer modernen Gebäudehülle übertragen werden konnten, wurde der
teten Glasschindeln verdankten die filigranen Strukturen aus Schmie-
Widerspruch im Grundbedürfnis nach Schutz vor der Außenwelt bei
deeisen maßgeblich ihre Stabilität. Mit einer eher intuitiven Vermei-
gleichzeitiger Öffnung zum Licht überwunden und dem Menschen da-
dung von Zugbeanspruchungen im Glas entstanden Faltwerke und
mit der Bau einer Unterkunft ermöglicht, die „ihn schützt, ohne ihn zu
Schalen, bei denen das eiserne Skelett mit der gläsernen Haut kons-
begraben“. [1/1]
truktiv und funktional eine Einheit bildete. Auch heute noch beein-
Die Wurzeln des modernen Glasbaus reichen zurück zu den eng-
druckt die Ästhetik dieser Konstruktionen, die Glas erstmals als flä-
lischen Gewächshauskonstruktionen des frühen 19. Jahrhunderts.
chiges Tragelement verwendeten, aufgrund der Synthese von Material,
Die Pioniere waren Gärtner und Gartenbauunternehmer wie Claudius
Form, Konstruktion und Zweck. [1/2]
Loudon (1783 – 1843) oder Joseph Paxton (1803 – 1865). Indem sie
Die Bedeutung der Gewächshäuser des 19. Jahrhunderts kann in
dem wachsenden Wunsch folgten, exotische Pflanzen unter kontrol-
ihrer Vorreiterrolle für die Entwicklung des Glasbaus kaum überschätzt
EINFÜHRUNG 4
5
3 Halle au Blé (heute: Bourse du Commerce), Paris, 1806 – 1811, erste Eisengitterkuppel der Welt, Arch.: F. J. Bélanger, Ing.: F. Brunet 4 Palmenhaus Bicton Gardens, um 1843, Arch.: D. & E. Bailey nach Plänen C. Loudons 5 Großes Gewächshaus von Chatsworth als ridge-and-furrow-Verglasung, 1840 (1920 abgerissen), Arch.: J. Paxton
werden. Die Erfahrung im Umgang mit den neuen Baustoffen war eine
den zum Credo eines „modernen“ Stils, der die Grenze zwischen Innen
wesentliche Voraussetzung für den späteren Bau großer Bahnhofshal-
und Außen aufzuheben sucht und mit den traditionellen Vorstellungen
len und Passagen. Diese Glas- und Eisenkonstruktionen waren reine
von Raumorganisation gebrochen hat. In den wachsenden Fenster-
Ingenieurbauten, und mit den fortschreitenden Erkenntnissen der
und Verglasungsflächen spiegelt sich nicht nur Zweckmäßigkeit in dem
Baustatik folgte die Formfindung verstärkt den sich entwickelnden Re-
Wunsch, den Innenraum besser mit natürlichem Tageslicht zu versor-
geln des Skelettbaus. Die sich vollziehende Trennung von Hülle und
gen, sondern zunehmend auch eine abstrakt-ästhetische Überhöhung
Tragwerk war zwar begleitet von Fortschritten in der Glastechnologie,
des transparenten Materials. Der von Le Corbusier ausgerufene „Kampf
die sich in einer Steigerung der Scheibenformate und Verbesserung
zwischen dem Bedürfnis nach Licht und den Beschränkungen, die
der Qualität äußerte, aber Glas hatte als bloße Eindeckung gegen Mit-
Baumaterial und Konstruktionsmethoden auferlegen“, nimmt die im
te des 19. Jahrhunderts seine konstruktive Bedeutung fast völlig ver-
Laufe des 20. Jahrhunderts immer stärker werdende, gemeinsame An-
loren. Das ingenieurtechnische Interesse hatte sich auf die Reduzie-
strengung von Architekten und Ingenieuren vorweg, die Fassaden-
rung des tragenden Stabwerks verlagert.
konstruktionen auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Gegen Ende
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkennt eine junge Generation
des 20. Jahrhunderts erhält der Gewinn an Transparenz durch den
von Architekten auch das gestalterische Potenzial der neuen Kons-
„unsichtbaren“ Baustoff Glas verstärkt einen dogmatischen Charakter
truktionsweise. Die Weite und Lichtfülle glasgedeckter Hallen, die Äs-
als Symbol für „Offenheit“, „Demokratie“ und „Fortschrittlichkeit“, und
thetik der durchleuchteten und orthogonal gegliederten Flächen wer-
das ursprünglich Pragmatische des Begriffs geht verloren.
11
1
3
EINFÜHRUNG
6
6 Glas und Transparenz, Reichstagskuppel Berlin, 1998, Arch.: Foster and Partners, Ing.: Leonhardt, Andrä und Partner 7 Hofüberdachung Sony Plaza Berlin, 1998, Arch.: H. Jahn, Ing.: Arup Die Textilsegel unterhalb der Glaskonstruktion dienen dem Wetter-, Blend- und Schallschutz.
12
1
7
Mit der stetigen Zunahme des Verglasungsanteils bis zur Ganzglashül-
Projekte lag. Heute werden Glasflächen als Windschwerter, Träger, Stüt-
le kollidiert die gewünschte Transparenz immer stärker mit den Anfor-
zen oder Druckspreizen in filigrane Tragstrukturen aus Stahl integriert,
derungen der Bauphysik. Große Verglasungsflächen schaffen zusätz-
vor allem mit dem Ziel, eine größtmögliche Auflösung der Hüllstruktur
liche Wärmeverluste im Winter, aber auch Energiegewinne im Som-
zu erreichen. So werden die Konstruktionsprinzipien des Skelettbaus
mer, bis hin zur Gefahr der Überhitzung. Selbst bei der Anwendung
für Glastragwerke übernommen, obwohl die Materialien sich in ihren
heutiger, hoch selektiver Beschichtungen gelangt im Sommer noch so
Eigenschaften grundlegend unterscheiden. Am deutlichsten zeigt sich
viel Energie in den Innenraum, dass „gläserne Schwitzkästen“ sich
die dank des technologischen Fortschritts mögliche „Beherrschung“
häufig nur mit aufwendigen Klimakonzepten vermeiden lassen. Auch
des spröden Materials Glas in der großen Angebotspalette an punktför-
das nachträgliche Aufrüsten der Haustechnik zur Steuerung des Ge-
migen Verbindungselementen für Glasbauteile. [1/3] Der Glasbau ist
bäudeklimas kann die Zweifel am Sinn solcher Glashäuser kaum aus-
heute so stark geprägt von der Tektonik des Stahlbaus, dass er noch
räumen.
keine eigene Formensprache finden konnte.
Seine Bedeutung als Konstruktionsmaterial hat Glas heute dank der
Die dynamische Entwicklung transparenter Hüll- und Konstrukti-
Suche nach gesteigerter Transparenz wieder erlangt. Die Initiative für
onssysteme hin zu den lichtdurchfluteten Räumen, die unser öffent-
die lange vernachlässigte Erforschung der konstruktiven Eigenschaften
liches Leben prägen, den Hallen der Flughäfen und Bahnhöfe, den
des Materials Glas ging von Stahlbauinstituten und -unternehmen aus,
Sport- und Freizeitarenen, den Ausstellungshallen, Einkaufspassagen
in deren Hand auch die Planung und Ausführung erster experimenteller
und Atriumhäusern der Innenstädte, scheint gegenwärtig zu einem
EINFÜHRUNG 9
10
8 Vordachkonstruktion aus „darstellenden“ Polycarbonatplatten am Ricola Lagerhaus, Mulhouse, 1993, Arch.: Herzog und de Meuron 9 Glas und Transluzenz, Schubert Club Band Shell, Saint Paul (USA), 2002, Arch.: James Carpenter Design Associates (JCDA) 10 Dichroitisch beschichtete Gläser bilden eine räumliche Tragstruktur. Glasskulptur „Refractive Tensegrity Rings“, Flughafen München, 1992, Arch.: James Carpenter Design Associates (JCDA)
gewissen Abschluss gekommen zu sein, und es stellt sich die Frage
hülle zu sehen und als sichtbaren „Filter“ einzusetzen. Das große Po-
nach der zukünftigen Bedeutung des konstruktiven Glasbaus. [1/4]
tenzial des konstruktiven Glasbaus, nicht nur Transparenz zu fördern,
Es ist festzustellen, dass die „Stofflichkeit“ des Materials als neue
sondern auch die Lebendigkeit reflektierender Oberflächen und die
Qualität verstärkt in den Vordergrund tritt. Zeitgenössische Arbeiten
Präsenz eines farbig absorbierenden Baukörpers einzusetzen, kommt
entwickeln ein Materialverständnis, das bereits im frühen 20. Jahr-
in Arbeiten des New Yorker Architekten und Designers James Carpen-
hundert in den Projekten der „Gläsernen Kette“ und in frühen expres-
ter besonders deutlich zum Ausdruck _ Abb. 9, 10. [1/6]
sionistischen Arbeiten Mies van der Rohes zum Ausdruck kam. Archi-
Im modernen Glasbau treffen sich zunehmend zwei Entwicklungs-
tekten wie Herzog und de Meuron oder Bernard Tschumi begreifen
tendenzen: die angesprochene neue Ästhetik der Stofflichkeit des Ma-
die Transparenz von Glas als einen veränderlichen Zustand und beto-
terials einerseits und die Hinwendung zu einer Konstruktionsform an-
nen durch gezielte Spiegeleffekte, Farbgebungen und diffuse Streu-
dererseits, die Glas als flächiges Tragelement und nicht mehr als
ung die Vielfalt und Sinnlichkeit des Materials: „In diesem Moment ist
Substitut für linienförmige Träger und Stützen aus Stahl begreift. Flä-
es durchsichtig, im nächsten reflektiert es, um in der darauf folgenden
chentragwerke stellen eine Einheit aus Gebäudehülle und Tragwerk
Minute halbdurchlässig zu werden.“ [1/5] Das Verständnis von Glas als
dar und sind, wie eingangs erwähnt, schon in den englischen Ge-
wahrnehmbare, optisch veränderbare Grenzfläche zwischen Innen
wächshäusern des 19. Jahrhunderts angewandt worden, aber ihre be-
und Außen lädt dazu ein, die Transparenz des Glases bewusst in
sondere Eignung für moderne Glaskonstruktionen wird erst heute wie-
Wechselbeziehung zu den bauphysikalischen Aspekten der Gebäude-
der entdeckt. Sie sind wesentlich toleranter gegenüber dem spröden
13
1
8
EINFÜHRUNG
11
12
11 Glas als tragendes, schützendes und darstellendes Element: Prototyp für ein räumliches Flächentragwerk aus Glas, Tetra-Glasbogen, 2000, Planung: Wilfried Führer und Jan Wurm, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen 12 Entwurfsprojekt zu einer Bahnsteigüberdachung, Entwurf: Christof Schlaich und James Wong, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen 13 Ansätze für Strukturformen im Glasbau: Glasscheiben ersetzen stabförmige Tragelemente, Tonnenschale aus Glas mit einer Spannweite von 14 m, Maximilianmuseum Augsburg, 2000, Entwurf
14
1
und Planung: Ludwig und Weiler Ingenieure 13
Baustoff Glas, weil sie den Kraftfluss viel gleichmäßiger zu verteilen
nalen, der konstruktiven, der technischen und der gestalterischen
gestatten, als dies in Skelettkonstruktionen die Regel ist. Curt Siegel
Planungen führen dazu, dass für jede Bauaufgabe eine neue Gewich-
beschreibt Flächentragwerke auch als Strukturformen, die sich als
tung von Hüll- und Tragwerkgeometrie vorgenommen werden muss.
Einheit aus den Möglichkeiten des Baumaterials, den konstruktiven
Nur in direkter Auseinandersetzung mit einer konkreten Planungsauf-
und nutzungsspezifischen Rahmenbedingungen der Bauaufgabe und
gabe und in intensiver Zusammenarbeit zwischen Architekt, Ingenieur
dem Gestaltungswillen des Planers entwickeln. [1/7, 1/8] Oder, um mit
und Fachplaner kann eine solche Synthese gelingen. [1/10] Da es
Vitruv zu sprechen, Strukturformen sind das Resultat eines schöpfe-
Strukturformen des Glasbaus bislang nur in Ansätzen gibt, kann man
rischen Prozesses des Architekten oder Ingenieurs, das die grundle-
sich einer spezifischen Formensprache für Glastragwerke aktuell nur
genden Eigenschaften der Zweckmäßigkeit (utilitas), Festigkeit (firmi-
durch einen experimentellen Zugang annähern. Neben aktuellen Pro-
tas) und Schönheit (venustas) in sich vereint. [1/9]
jekten renommierter Architekten und Ingenieure werden daher auch
Mit diesem Buch sollen deshalb neue Wege zu Strukturformen für
Fallbeispiele und Prototypen vorgestellt, die der Autor gemeinsam mit
den heutigen Glasbau von weittragenden Hüll- und Dachtragwerken
Studenten und mit Unterstützung der Industrie entwickelt hat. Die
aufgezeigt werden. Dabei sollen die großen Fortschritte im Umgang
Projekte verfolgen das Ziel, durch experimentelles Konstruieren, Pla-
mit dem Werkstoff Glas auf die für Flächentragwerke geeigneten Kons-
nen und Gestalten den notwendigen integralen Entwurfsansatz im
truktionsprinzipien und gestalterischen Möglichkeiten übertragen wer-
Glasbau zu stärken. Mit den vorgestellten Bausystemen soll neben
den. Die häufig widersprüchlichen Anforderungen seitens der funktio-
einer materialgerechten Verwendung des Baustoffes auch gezeigt
EINFÜHRUNG
Mensch
Raumform
Kapitel 2 + 5
Bedürfnisse
Glasdach
Strukturform
Kapitel 7
Raumformen
Glashof
Glasband
Glasmitte
15
Funktion
Gestalt
SF Tragsystem
Konstruktionsformen
Kapitel 3 + 4
Kapitel 6
Konstruktionsformen
Konstruktion F
K
G 16
Eigenschaften
Glas
14 Inhaltsübersicht 15 Entwurfsworkshop im Seminar „Glasbau Konzept und Konstruktion“
Material 16 Die Strukturform (SF) als Synthese von konstruktiven, funktionalen und gestalterischen Qualitäten
1
14
werden, wie sich Tragwerkselemente zur Steuerung des Raumklimas
onen und experimenteller Projekte in Kapitel 7 stellt die große Band-
einsetzen lassen. Mit diesem Ansatz sollen eine Formensprache und
breite möglicher Strukturformen anschaulich dar. Kapitel 8 schließt
eine ästhetische Qualität sichtbar werden, die auf der Poesie tra-
das Buch mit einem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen und Per-
gender, raumbildender und leuchtender Flächen beruht.
spektiven ab _ Abb. 14.
Im zweiten Kapitel werden deshalb zunächst nochmals die Zusammenhänge von Form, Funktion und Konstruktion von Dachtragwerken ins Gedächtnis gerufen. Die fachlichen Grundlagen werden in den folgenden Kapiteln systematisch aufgebaut: Die Eigenschaften des Werkstoffs einschließlich der Bearbeitungs- und Veredelungsmethoden werden in Kapitel 3 erläutert. Für die Verwendung von Flachglas als raum- und strukturbildendes Element werden in Kapitel 4 die Prinzipien einer materialgerechten Fügetechnik und Konstruktion vorgestellt. In Kapitel 5 und 6 werden die Rückschlüsse aus den Materiserner Hüllen beziehungsweise die Konstruktionsprinzipien der Flächenbauweise formuliert. Die Vorstellung ausgeführter Glaskonstrukti-
15
aleigenschaften auf die funktionstechnischen Anforderungen glä-
– – – – –
2
17
GL ÄSERNE SPANNWEITEN
VON DER BLÄTTERLAUBE ZUR KLIMAHÜLLE GLÄSERNE SPANNWEITEN
1
2
3
1 – 3 Entwicklungsschritte 1 Gartenarchitektur, Wales 2 Ornamentik des Blätterdaches, Kreuzgang Gloucester, ca. 1360 – 1370 3 Projekt Ganzglastonne, 2000
2.1
4 Das Blätterdach
_
Die Entwicklung der Eisenskelettkonstruktion bildet die technische
_
und ökonomische Voraussetzung für den Bau der ersten gläsernen
_
Dachtragwerke im 19. Jahrhundert. [2.1/1] Kaum weniger bedeutsam für die Auflösung der Deckenkonstruk-
_ _
2.1
tion, bisher allerdings kaum beachtet, sind kulturelle und religiöse Vor-
VON DER BL ÄT TERL AUBE ZUR KLIMAHÜLLE
gaben, die wir hier unter dem Begriff „Paradiessehnsucht“ zusam-
– DIE SUCHE NACH DEM PARADIES
menfassen. In säkularisierter Form offenbart sich darin der Mensch-
18
heitstraum, in Harmonie mit der natürlichen Umwelt, von allen feind„Es liegt ein wunderbarer Reiz darin, mitten im Winter die Fenster eines
lichen Bedrohungen beschützt, in einer Art Garten Eden zu leben.
Salons öffnen zu können und […] einen milden, balsamischen Früh-
Schon lange bevor im 19. Jahrhundert die konstruktiven Mittel bereit-
lingshauch zu fühlen. Es regnet vielleicht draußen, oder der Schnee
standen, das trennende Dach zur Natur wenigstens optisch zu öffnen,
fällt vom schwarzen Himmel in stillen Flocken herab, man öffnet die
wurde die ersehnte Auflösung der Dachkonstruktion im Sakralbau mit
Glastüre und findet sich in einem irdischen Paradiese, das des Winter-
symbolischen und ästhetischen Mitteln suggeriert. Obwohl ohne di-
schauers spottet.“
rekten Bezug zum eigentlichen Glasbau, sind diese frühen Bestrebun-
Bericht über einen Wintergarten der Prinzessin Mathilde von Bonaparte, Paris 1869
gen einer „Öffnung zum Himmel“ heute noch nachzuvollziehen. Derzeit steht bei der Weiterentwicklung des Glasdachs vor allem die An-
VON DER BLÄTTERLAUBE ZUR KLIMAHÜLLE GLÄSERNE SPANNWEITEN
5
6
5 Das „erste Haus“ nach Viollet-le-Duc 6 Schmiedeeiserne Laube in Noyers, Burgund, 19. Jahrhundert 7 „Künstliches“ Blätterdach: Estação Oriente, Lissabon, 1998, Arch.: Santiago Calatrava
passung des Mikroklimas im Innenraum an eine natürlich empfundene, ideale Behaglichkeit im Vordergrund.
2.1
7
sung als Dachkonstruktion aus zusammengebundenem Ast- und Blattwerk
_ Abb. 5
. Diese Vorstellungen der Architekturtheoretiker
entsprechen zumindest zum Teil der Wahrheit. Im fruchtbaren ZweiFRÜHZEIT UND CHRISTLICHE SAKR AL ARCHITEKTUR
stromland Mesopotamien zwischen Euphrat und Tigris, das aufgrund
_ DIE
der günstigen klimatischen Verhältnisse als Wiege unserer Kultur und
LAUBE
Das Motiv der paradiesischen Naturerfahrung kommt in dem gebauten
als Ort des Gartens Eden gilt, bestanden die ursprünglichen Behau-
Gartenraum der Laube, einem mit Kletterpflanzen bewachsenen Ge-
sungen tatsächlich „aus zusammengebogenen, in den Boden ge-
rüst, zum Ausdruck. Das Blätterdach der Laube bietet dem Innen-
rammten Stecken“ mit füllendem Laub oder Schilf. [2.1/3]
raum Schutz vor Regen, Wind und Sonne, es ist aber auch lichtdurch-
Auch heute noch löst das Verweilen unter dem abschattenden
lässig und erfüllt damit als Urform des allseitigen Oberlichts die grund-
Blätterdach hoher, von der Sonne beschienener und von einer leich-
legenden Bedürfnisse des Menschen.
ten Brise bewegter Laubbäume ein so hohes Maß an Wohlbefinden
Hans Teubner schreibt, dass „die Laube fast immer mit Vorstellungen vom Paradies […] verknüpft war“, wie etwa beim jüdischen Laub-
aus, wie es auch in bestens klimatisierten und beleuchteten Innenräumen nur selten anzutreffen ist.
mit dem Ursprung der Architektur in Verbindung gebracht: Vitruv, Laugier und Viollet-le-Duc beschreiben die erste menschliche Behau-
19
hüttenfest, das den Auszug aus Ägypten feiert. [2.1/2] Die Laube wird
VON DER BLÄTTERLAUBE ZUR KLIMAHÜLLE GLÄSERNE SPANNWEITEN
8
9
8 Blick in den durchbrochenen Turmhelm des Freiburger Münsters, ca. 1280 9 Das Kreuzgratgewölbe der Kathedrale von Amiens in der Untersicht, die einzelnen Joche treten als Baldachine hervor, ca. 1236 10 Plastisch überformtes Kirchengewölbe am Mosteiro dos Jerónimos in Belém, 1502 – 1571
2.1
10
_ DER
BALDACHIN
Das lateinische tabernaculum ist mit Laube oder auch mit Altarbalda-
von Baldachin und Laube kommt in der floralen Dekoration spätgotischer Gewölbeflächen zum Ausdruck.
20
chin zu übersetzen. Eigentlich ein mit lichtdurchlässigem Seiden- oder Brokatstoff bespanntes Traggestell, dient der Baldachin zunächst der
_ DAS
weltlichen Herrscherwürde als Prunkhimmel. Später wird er bei christ-
Die christliche Sakralarchitektur übernimmt von antiken Vorbildern die
lichen Prozessionen als Traghimmel verwendet, bevor er als Symbol
Typologie des Kuppelraumes als Abbild des Himmelsgewölbes. Der
für den Schutz Gottes Teil der Altargestaltung wird. Die Darstellung
symbolische Bezug von Himmel und Gewölbe wird durch die Lichtfüh-
des Baldachins als Himmelszelt ist eine der frühesten, expliziten Him-
rung im Inneren verstärkt: indirektes Licht aus Scheitel oder Kuppel-
melssimulationen in der Architekturgeschichte. [2.1/4]
kranz taucht den Kirchenraum in „göttlichen Glanz“.
KUPPELGEWÖLBE
Das Kreuzrippengewölbe der Gotik nimmt die Darstellung des Bal-
Die Belichtung des Kuppelraums durch den oculus, eine kreisrun-
dachins auf. Mit der Aneinanderreihung der Gewölbejoche in den
de Öffnung im Kuppelscheitel, ist für die Raumwirkung von überge-
Langhäusern der Kathedralen wird die hoch liegende Fensterzone des
ordneter Bedeutung. Das zentrale Oberlicht „monumentalisiert die
Obergadens als durchlaufendes Seitenlicht erfahrbar, das die Decken-
Lichtführung, isoliert den Raum von seiner natürlichen Umgebung
flächen der Gewölbe ausleuchtet. Die Lichtführung verstärkt die Be-
und verhindert Aussicht und Ablenkung“. [2.1/5] Beim Pantheon im
wegungsrichtung des Raumes und verstärkt seine Funktion als Pro-
Rom misst diese Lichtöffnung 9 Meter und damit circa ein Fünftel des
zessionsweg. Das Bild vom Garten Eden als gemeinsamem Ursprung
Kuppeldurchmessers. In den christlichen Zentralbaukirchen erfolgt
VON DER BLÄTTERLAUBE ZUR KLIMAHÜLLE GLÄSERNE SPANNWEITEN
11
12
11 Kuppelgewölbe mit Deckengemälde im Dom von Florenz, 1434 – 1461 12 Deckenmalerei von Correggio, Dom von Parma (1526 – 1530) 13 Das Pantheon in Rom, 118 – 128 n. Chr.
2.1
13
die Belichtung durch einen Fensterkranz am Kuppelauflager wie bei
symbolischen Bedeutungsgehalt der Deckenmalerei mehr und mehr
der Hagia Sophia (532 – 537) durch Fenster im Tambour oder durch
auch die Darstellung der realen Welt in den Vordergrund. So ist der
eine Laterne im Kuppelscheitel, wie beim Florentiner Dom
blaue Himmel des Bildgrundes sowohl Verweis auf das himmlische
(1434 – 1461). [2.1/6] Das zentrale Oberlicht entwickelt sich mit dem
Jenseits als auch realistisches Abbild des hinter der Konstruktion lie-
kuppelgewölbten Zentralbau zum Merkmal des sakralen, später auch
genden physischen Himmels, das der bewussten Raumerweiterung
des profanen Versammlungsbaus. Betont wird die Himmelssymbolik häufig durch eine Ausmalung der Gewölbezone, etwa mit Sternen auf blauem Himmelsgrund, wie
dient. [2.1/8] Die durch Fresken und Gemälde illusionistisch aufgelösten Decken bilden somit die letzte Entwicklungsstufe auf dem Weg zu den aufgelösten Glasdachkonstruktionen des 19. Jahrhunderts.
bei dem frühchristlichen Baptisterium San Giovanni in Fonte in Neapel (ca. 400 n. Chr.). In der Spätgotik erhält die Gewölbezone eine Ausmalung mit Laubwerk. Auch das Traggerüst wird plastisch überformt, so dass Rippen und Pfeiler als Ast- und Rankwerk lesbar werden. Die Decke erscheint als Laube, als direkte Illustration des Garten Eden. Auflösung der Deckenkonstruktion und wird zu einem integralen Bestandteil der Architektur. Im Barock und Manierismus tritt neben dem
21
[2.1/7] Die Ausmalung der Gewölbezone unterstützt die konstruktive
VON DER BLÄTTERLAUBE ZUR KLIMAHÜLLE GLÄSERNE SPANNWEITEN
14
15
14 Großes Gewächshaus im Botanischen Garten zu Dahlem, 1905 – 07, Arch.: Alfred Koerner 15 Innenraum des „People’s Palace“, Muswell Hill, London, 1859 (Projekt) 16 „Das bunte Glas zerstört den Hass.“ Glaspavillon, Kölner Werkbundausstellung von Bruno Taut, 1914
2.1
16
NEUZEIT
und seine Freizeitaktivitäten in den Mittelpunkt einer bürgerlichen
_ DAS
Neuschöpfung der Natur. Ein zeitgenössischer Bericht beschreibt den
GEWÄCHSHAUS
Mit den technischen Fortschritten der industriellen Revolution kann
Wintergarten im Royal Botanic Garden im Regent´s Park: „Ein wahr-
der Traum vom offenen Dach aus Eisen und Glas endlich realisiert
haftiges Märchenland ist in das Herz Londons versetzt worden, ein
werden. Die Gewächshauskonstruktionen in England stellen die ersten
Garten voller Wohlgefallen, der alle unsere Wünsche Wirklichkeit wer-
Glasdächer der Baugeschichte dar. Gewächshäuser werden zu einer
den lässt.“ [2.1/11]
22
Oase, einem „Ort der Glücksverheißung“ für eine „Versöhnung mit der Natur“. [2.1/9] Die tropische Pflanzenpracht mit exotischen Düften und
_ DER
Geräuschen schafft eine Traumwelt und ermöglicht die Flucht der
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts werden sozialutopische Visionen, die
Stadtbevölkerung vor dem Leben der Großstadt. Die klimatechnischen
mit der Verwendung von Glas als Baumaterial für ein neues Zeitalter
Anlagen, die für den Erhalt der Pflanzen notwendig sind, werden vor
verknüpft sind, von den Mitgliedern der expressionistischen Künstler-
dem Auge des Besuchers bewusst verborgen, um diesem die Illusion
vereinigung „Gläserne Kette“ um Bruno Taut (1880 – 1938) und Paul
eines Garten Edens im rauen Klima Nordeuropas nicht zu rauben.
Scheerbart (1863 – 1915) aufgegriffen. Taut entwirft kristalline Stadt-
[2.1/10]
kronen aus Glas wie etwa das „Haus des Himmels“: „Zum Aufbau der
Die öffentlichen Wintergärten und Florabauten mit integrierten Konzertsälen, Restaurants und Bibliotheken stellen den Menschen
„GLASKRISTALL“
Decke dienen Prismen aus farbigen, elektrolytisch verbundenen Gläsern, zum Aufbau der Wände gegossene Prismen.“ [2.1/12]
VON DER BLÄTTERLAUBE ZUR KLIMAHÜLLE
18
GLÄSERNE SPANNWEITEN
17
19
17 Projekt einer geodätischen Kuppelkonstruktion über Manhattan, ca. 1960, Arch.: Buckminster Fuller 18 Projekt einer pneumatisch gestützten Klimahülle in der Arktis, 1970, Arch.: Frei Otto mit Kenzo Tange und Ove Arup 19 Pavillon der USA auf der Expo 1967 in Montreal von Buckminster Fuller 20 Die großen Biosphären des „Eden Project“ in Cornwall, 2001, Arch.: Nicolas Grimshaw, Ing.: Arup und Anthony Hunt Associates
2.1
20
Und Scheerbart schreibt: „Die Erdoberfläche würde sich sehr verän-
bereits 1808 mit den „Phanlanstères“ das Ideal einer vollständig
dern, wenn überall die Backsteinarchitektur von der Glasarchitektur
glasüberdachten Stadt, die auch als Katalysator für eine neue Gesell-
verdrängt würde. Es wäre so, als umkleidete sich die Erde mit einem
schaftsordnung dienen soll. [2.1/14]
Brillanten- und Emailschmuck. Die Herrlichkeit ist gar nicht auszuden-
1822 entwirft J. C. Loudon die Vision, für die Verbesserung der Le-
ken. Und wir hätten dann auf der Erde überall Köstlicheres als die
bensbedingungen ganze Städte in „nördlichen Gegenden“ unter ein
Gärten aus tausend und einer Nacht. Wir hätten dann ein Paradies auf
Glasdach zu stellen. „Die wirtschaftlichste Art und Weise, ein ange-
der Erde.“ [2.1/13]
nehmes Klima zu schaffen, wird sein, ganze Städte mit gewaltigen Glasdächern zu überspannen.“ [2.1/15]
KLIMAHÜLLE
Fast 150 Jahre später wird diese Vision durch das Projekt von
Im 19. Jahrhundert herrscht ein allgemeines gesellschaftliches Be-
Buckminster Fuller (1895 – 1983) für eine geodätische Kuppel mit
dürfnis nach Unabhängigkeit von Witterungseinflüssen und Schutz
drei Kilometern Durchmesser über Manhattan und ein Projekt von
vor dem Schmutz und den Abgasen der Großstadt, das sich in der
Frei Otto für eine Klimahülle mit zwei Kilometern Durchmesser in der
großzügigen Überdachung städtischer Räume mit Glas nieder-
Arktis wieder aufgegriffen. [2.1/16]
schlägt. Im Wunsch nach Hygiene und Sauberkeit überlagern sich
Die Kuppelkonstruktion, die Buckminster Fuller zur Weltausstel-
physische und metaphysische Aspekte. Um den „Schäden der Zivi-
lung von 1967 in Montreal errichtet, ist mit einem Durchmesser von
lisation“ zu begegnen, beschreibt Charles Marie Fourier (1772 – 1837)
circa 75 Metern eine kleinmaßstäbliche Verwirklichung dieser Vision.
23
_ DIE
VON DER BLÄTTERLAUBE ZUR KLIMAHÜLLE GLÄSERNE SPANNWEITEN
21
22
21 Das Blätterdach aus Glas: Ademie der Künste am Berliner Platz, Berlin, 2002, Arch.: Behnisch und Partner 22 „Tropical Island“ in Brand bei Berlin, 2004, Generalplaner: CLMAP GmbH München 23 Inszenierte Natur, Fotomontage „Kitkariver“, 2004, von Ilkka Halso, Orimattila
2.1
23
Fuller schreibt: „Im Inneren wird es einen uneingeschränkten Blick-
So zeigt sich auch in vielen zeitgenössischen Projekten die seit dem
kontakt mit der Außenwelt geben. Die Sonne und der Mond werden
19. Jahrhundert mit dem Glashaus verbundene Sehnsucht nach dem
in der Umgebung strahlen, der Himmel wird vollständig sichtbar
Paradies als Synthese von Mensch und Natur. Der Aufenthalt unter
sein, aber die unerwünschten klimatischen Begleiterscheinungen
dem farbigen Glasdach der Kurtherme in Bad Colberg oder im Atrium
wie Hitze, Staub, Ungeziefer, Blendlicht, etc. werden von der Hülle
der Berliner Kunstakademie soll vom Besucher als „Aufenthalt unter
gefiltert werden, um im Inneren einen Garten Eden zu erzeugen.“
einem Blätterdach“ empfunden werden. [2.1/18, 2.1/19]
[2.1/17] Umfangreiche Fortschritte bei Haustechnik und Glasveredelung er-
einen tropischen Regenwald mit Lagunen, Veranstaltungssälen und
möglichen heute eine solche Regulierung der Energieströme zwischen
Bars beherbergt, wollen dem Besucher eine scheinbar intakte Natur
innen und außen. Mit gläsernen, selbstregulierenden dynamischen Ge-
bei vollem Spaßfaktor präsentieren und erkaufen dies mit enormem
bäudehüllen, die unabhängig von den nicht regenerativen Energiequel-
haustechnischem und energetischem Aufwand für die künstliche Kli-
len durch Nutzung der Sonnenenergie einen ausgeglichenen Energie-
matisierung und Steuerungstechnik.
haushalt aufweisen und sich den Bedürfnissen des Menschen und den sich ändernden klimatischen Bedingungen der Umwelt anpassen kön24
Moderne Freizeitparadiese wie das „Tropical Island“ bei Berlin, das
nen, ist die Sehnsucht nach einer Zukunft verbunden, in der der Mensch wieder in Einklang mit der Natur leben kann.
eben
Orientierung/Raumform
Tragsystem/Konstruktionsform
Glashof
eindimensional
zweidimensional
horizontal
Balken
Platte
geneigt
Sparren
Tragrost
gefaltet/gekrümmt
Glasband
zweidimensional
dreidimensional prismatisches
Sattel
Rahmen
Faltwerk
konvexe
Bogen
Tonne
Seil
Hängedach
Krümmung
konkave Krümmung
doppelt gefaltet/gekrümmt
Glasmitte
dreidimensional
Pyramide/
pyramidisches
Zeltdach
Faltwerk
Kuppel
DAS GLASDACH: FORM, FUNKTION UND KONSTRUKTION
Grundrissform
GLÄSERNE SPANNWEITEN
Dachform
Schale
antiklastische
Membran-
Krümmung
tragwerk
1 1 Dachformen und Orientierung in Glashof,
2.2
Glasband und Glasmitte
_
diesen weit gespannten Dachtragwerken wird die Überlagerung von
_
funktionalen und konstruktiven Aspekten bei der Formfindung beson-
_
ders deutlich. Die Raumform der Hülle, nach Grundriss und Querschnitt, entwi-
_
ckelt sich aus der beabsichtigten Nutzung und den funktionalen An-
2.2
DAS GL ASDACH : FORM, FUNKTION UND KONSTRUKTION
forderungen der Bauaufgabe. Damit ein Tragwerk seine Zweckbestim-
_ RAUM-
mung erfüllen kann, muss es alle einwirkenden Eigen- und Verkehrs-
UND KONSTRUKTIONSFORM
Im 19. Jahrhundert entwickeln sich aufgelöste Tragstrukturen aus
lasten in den Baugrund abtragen. Alle Tragelemente, die für diesen
stabförmigen druck- oder zugfesten Materialien wie Holz oder Stahl,
Lastabtrag notwendig sind, müssen ein tragfähiges Gesamtsystem er-
die erstmals teilweise oder vollständig mit Glas gedeckt werden. Die
zeugen, die Konstruktionsform. Die Eigenschaften und die Verfügbar-
Trennung von Tragwerk und Hülle vollzieht sich in Mittel- und Nordeu-
keit des Baumaterials sind wichtige Aspekte bei der konstruktiv-tech-
ropa während der industriellen Revolution aus der Notwendigkeit,
nischen Formfindung von Dachtragwerken. [2.2/1]
große Nutzflächen von Bahnhofs-, Montage-, Versammlungshallen
In dieser Arbeit werden Glasdächer in Anlehnung an die Typologi-
oder Passagen vor den Einflüssen der Witterung zu schützen und
sierung von Erscheinungsformen des Oberlichtes von J. F. Geist nach
gleichzeitig mit natürlichem Tageslicht zu versorgen. Die Entwicklung
ihren Raum- und Konstruktionsformen unterschieden. Die grundle-
des Glasdachs ist damit sehr eng mit der des Flachbaus verknüpft. Bei
genden Typen von Glashof, Glasband und Glasmitte sind in
_ Abb. 1
25
_
GLÄSERNE SPANNWEITEN
DAS GLASDACH: FORM, FUNKTION UND KONSTRUKTION
Typ
Querschnitt
Grundriss
Entwicklung
Dachform
Orientierung
Vorstufen
1800
Atriumhaus
Erschließungshof
Glashof
1850
1900
1950
der Lichthof Hofhaus
Oberlichtsaal
Hofhalle
Eingangshalle Markthalle
Schalterhalle Badehalle
Glasband
Arkaden
Montagehalle
Basilika
Passage
das durchlaufende Oberlicht
Hallenkirche
Bahnsteighalle
Busbahnhof
Laubengang
Tunnel
Galerie Tempel/Thermen
Glasmitte
Börse
das zentrale Oberlicht Arena
Zentralraum Passage Gewächshaus
Zentralbaukirche
Sitzungssaal
Laube
Veranstaltungshalle Sportarena Gewächshaus
Glashaus das allseitige Oberlicht
Wintergarten/Flora
Kombinationen Markthalle Ausstellungshalle
Messehalle Klimahülle
2
26
2.2
2 Entwicklungsschema der verschiedenen Glasdachtypen
dargestellt. Der Glashof weist eine ebene, das Glasband eine gefaltete
_ HISTORISCHE
oder gekrümmte und die Glasmitte eine doppelt gefaltete oder ge-
Die historische Entwicklung des Glasdachs und seiner typischen Er-
krümmte Dachform auf. Das Glashaus umfasst als Typ die allseitige
scheinungsformen Glashof, Glasband, Glasmitte und Glashaus ist in
Glashülle, die sich zugunsten einer skulpturalen Qualität stark von ein-
_ Abb. 2
deutigen typologischen Bezügen emanzipieren kann. [2.2/2]
denzen und Entwicklungslinien von Querschnitt (Dachform) und
ENTWICKLUNG
schematisch dargestellt. Die Übersicht dient dazu, Ten-
Der Kraftfluss im Tragsystem und die Beanspruchung der Trag-
Grundriss (Orientierung) von den ersten Glasdachkonstruktionen um
glieder hängen von der Querschnitts- und Grundrissgeometrie ab,
1800 bis heute aufzuzeigen. Unter „Vorstufen“ werden exemplarisch
weshalb Form und Größe von Tragwerken nicht unabhängig voneinan-
Bautypologien des Massivbaus aufgeführt, die von einem ähnlichen
der wählbar sind. Für große Spannweiten wird ein Flachdach schnell
Raumgefüge geprägt sind.
unwirtschaftlich, während ein doppelt gefaltet oder gekrümmtes Dach
Die Übersicht skizziert die Entwicklung vom Beginn der industriel-
noch mit vergleichbar geringem Materialaufwand erstellt werden kann.
len Revolution um 1800 bis heute in Phasen von jeweils 50 Jahren.
In diesem Sinne unterscheiden sich Glashof, Glasband und Glasmitte
Mit dem Bedarf an großen Oberlichtdächern entstehen um 1850
auch bezüglich ihrer räumlichen Ausdehnung und der Größe der
Grundrissformulierungen für neue Bauaufgaben wie Museen, Markt-
überspannten Fläche.
hallen, Börsen und Bibliotheken. Es werden große Hallen und Säle für die Produktion, Verteilung und Präsentation von Handelsgütern und für die Versammlung einer neuen städtischen Öffentlichkeit zum Zwe-
B
C
D
DAS GLASDACH: FORM, FUNKTION UND KONSTRUKTION
A
4
5
7
6
8
GLÄSERNE SPANNWEITEN
3
7 Der anliegende Glashof, Pultdach 3 Grundrissformen des Glashofs A Der anliegende Glashof
Museum Meteorit, Essen, 1998, 5 Innen liegender Erschließungshof, Familistère de Guise, um 1860
B Der Eckhof C Der eingeschobene Glashof D Der innen liegende Glashof (Atrium)
Arch.: Propeller Z 8 Der anliegende Glashof, Glasvorbau
6 Innen liegender Glashof als bauliche Ergänzung,
Rietberg, Zürich, 2007,
Museums Berlin, 2003, Arch.: I. M. Pei
Arch.: ARGE Grazioli Krischanitz GmbH
2.2
4 Schalterhalle der Hauptpost in St. Petersburg
und Foyer, Erweiterung Museum
Schlüterhof des Deutschen Historischen
cke der Erholung oder der kulturellen Bildung benötigt. Gegen Ende
Häusern, wird das Atrium heute oftmals als bauliche Ergänzung von
des 19. Jahrhunderts fördern neue Gesellschaftsstrukturen den Aus-
vorhandenen Lichthöfen als Foyer, Ausstellungsraum und Cafeteria ge-
bau administrativer Tätigkeiten und die Herausbildung der modernen
nutzt. Mit zunehmender Öffnung der Wandumfassung entstehen weni-
Dienstleistungsgesellschaft. Die heutige Freizeitgesellschaft manifes-
ger introvertierte Formen des Glashofs, in denen eine oder mehrere
tiert sich in großen Erlebnis- und Sportarenen.
Richtungen ausgezeichnet sind. Die Öffnung kann zusätzlich durch einen rechteckigen Grundriss oder die Neigung der Dachfläche betont
EBENE RAUMABSCHLUSS – DER GLASHOF
werden. Bei einem eingeschobenen Glashof sind nur drei Seiten von
Eine ebene Dachfläche ist horizontal oder geneigt, das Dachprofil ein-
massiven Gebäudeteilen umschlossen, und die Richtung zur offenen,
dimensional.
oft verglasten Seite erlangt vorrangige Bedeutung für die Grundrissorga-
Der von oben belichtete, nach außen abgeschirmte Hof gehört zu
nisation. Bei dem Eckhof sind zwei aneinandergrenzende Seiten geöff-
den ältesten Formen der Raumorganisation. Er dient der Belichtung
net, wodurch die Raumdiagonale gestärkt wird. Der anliegende Glashof
und der Erschließung angrenzender Räume, hat einen ruhenden, intro-
schließlich ist nach drei Seiten offen. Mithilfe einer innen liegenden, von
vertierten Charakter und lädt zum Verweilen ein. Das innen liegende,
der Primärkonstruktion abgehängten Staub- oder Lichtdecke kann der
mit einer horizontalen Glasdecke abgeschlossene quadratische Atrium,
ruhende Charakter des Glashofs auch bei Pult- und Satteldachkons-
bei dem keine der seitlichen Raumbegrenzungen dominiert, ist ein
truktionen erhalten werden. Eine solche zweischalige Konstruktion
Glashof in Reinform. Ursprünglich ein offener Lichthof in altrömischen
kennzeichnet den Oberlichtsaal als spezielle Form des Glashofs. [2.2/3]
27
_ DER
DAS GLASDACH: FORM, FUNKTION UND KONSTRUKTION GLÄSERNE SPANNWEITEN
9
12
10
11
13
9 Der eingeschobene Glashof (Blick nach oben), Sparkasse Düsseldorf, 2001 Arch.: Ingenhoven Overdiek und Partner
12 Passage GUM in Moskau, 1893, Ing.: V. G. Suchov
10 Der Eckhof, Kunstmuseum Tel Aviv, 1998,
Arch.: von Gerkan Marg und Partner
11 Passage Verdeau, Paris, 1847
2.2
Arch.: D. Eytan, Ing.: M. Eekhout
13 Zentrale Messehalle Leipzig, 1996
11 – 15 Das konvex gekrümmte Glasband
Zu den ebenen Tragsystemen zählen Balken- und Plattentragwerke. Die für den Lastabtrag notwendige Biegesteifigkeit erfordert einen er-
_ DER
GEFALTETE ODER GEKRÜMMTE RAUMABSCHLUSS – DAS
GLASBAND
höhten Materialaufwand, der sich in den Querschnittsabmessungen
Die hier betrachteten Dachformen haben ein zweidimensionales
der Tragelemente niederschlägt. Die Dachfläche lang gestreckter
Raumprofil, das beim Giebeldach oder beim prismatischen Faltwerk
Grundrisse entsteht durch Aneinanderreihung einzelner Querträger.
gefaltet und beim Bogen- oder Hängedach gekrümmt ist. Bögen wei-
Ist der Abstand zwischen diesen so groß, dass eine Nebenträgerebene
sen eine konvexe, Hängedächer eine konkave Krümmung auf.
notwendig wird, entsteht ein mehrlagiges, hierarchisch aufgebautes
Das Glasband bezeichnet ein durchlaufendes, lang gestrecktes
System. Platten können dagegen einen zwei- oder mehrachsigen Last-
Oberlicht, das an den Längsseiten von meist massiven Gebäuderie-
abtrag aufweisen und eignen sich für das Überspannen nahezu qua-
geln begrenzt wird. Im Gegensatz zum Glashof stellt das Glasband ei-
dratischer Grundrissflächen. Balken und Platten können als Fach-
nen Bewegungsraum dar, der durchschritten oder durchfahren wird.
werke in normalkraftbeanspruchte Systeme mit schlankeren Quer-
Das Glasband tritt vor allem bei Bauaufgaben mit transitorischem
schnitten aufgelöst werden. Biaxial gespannte Fachwerkroste oder
Charakter wie Passagen und Bahnhofshallen auf. Das eingeschobene
Raumfachwerkplatten ermöglichen größere Spannweiten.
Atrium, durch einen u-förmigen Massivbau begrenzt, verbindet als
28
Mischform Glashof und Glasband. Der in Querrichtung gefaltete oder gekrümmte Raumabschluss unterstützt die Dynamik des Bewegungsraums. Giebel- und Tonnen-
DAS GLASDACH: FORM, FUNKTION UND KONSTRUKTION 16
18
15
17
19
GLÄSERNE SPANNWEITEN
14
18, 19 Das konkav gekrümmte Glasband 18 Hängedach Hauptbahnhof Ulm, 1993,
16, 17 Das gefaltete Glasband 14, 15 Bahnsteighalle Lehrter Bahnhof Berlin, 2002, Arch.: von Gerkan Marg und Partner,
Arch.: Gottfried Böhm, Ing.: Jörg Schlaich 17 Bahnsteighalle Gare d‘Austerlitz in Paris, 1862
Ing.: Schlaich, Bergermann und Partner 19 Hängedach Bahnhofsvorplatz Heilbronn, 2001, Ing.: Schlaich, Bergermann und Partner
2.2
Ing.: Schlaich, Bergermann und Partner
16 Zentrale Halle Züblin-Haus Stuttgart, 1985,
dach führen zu einer starken Längsausrichtung und zu einer „Kanalisie-
Abweichung von Stützlinie zu Systemgeometrie, desto größer ist die
rung“ des Grundrisses. So wird insbesondere die Passagen- und Bahn-
Momentenbeanspruchung. [2.2/4]
Sattel- und später auch durch das Tonnendach gekennzeichnet.
Mit der Reihung von Bögen spannt sich eine tonnenförmige, dreidimensionale Hüllfläche mit einachsigem Lastabtrag auf. Sind die Bö-
Der umgekehrt gekrümmte Raumabschluss, das Hängedach, bil-
gen in Längs- und Querrichtung schub-, druck-, und zugfest miteinan-
det sich erst im 20. Jahrhundert als Bautypus heraus. Die sich zu den
der verbunden, können Lasten auf der gekrümmten Fläche auch zwei-
Längsseiten öffnende Querschnittsform unterstützt ein Durchschrei-
achsig abgetragen werden, es entsteht eine Tonnenschale. Die Ton-
ten der Querachse und markiert einen Vor- oder Schwellenbereich.
nenschale ist ein Flächentragwerk, das die Lasten bei entsprechenden
Zu den zweidimensionalen Tragsystemen zählen Rahmen- oder
Auflagerbedingungen längs und quer zur Tonnenebene abträgt. Die
Bogentragwerke. Durch das Knicken oder Krümmen der Trägerachse
Spannungsverteilung in Längsrichtung ähnelt dem Balken, die Druck-
passt sich die Tragwerksform dem natürlichen Kraftfluss der Stützlinie
zone befindet sich also am Scheitel und die Zugzone an den unteren
an. Durch die Bogenwirkung entstehen bei geknickten oder ge-
Rändern. Tonnenschalen sind aufgrund der fehlenden zweiten Trag-
krümmten Tragsystemen kaum Biegebeanspruchungen, der erforder-
werkskrümmung relativ weich und müssen in Querrichtung beispiels-
liche Materialaufwand wird reduziert. Das Verhältnis von Biege- und
weise durch Versteifungsbögen stabilisiert werden. Bilden die stabili-
Druckkraftbeanspruchung hängt von Geometrie und Lastbild ab. Jede
sierenden Maßnahmen eine durchgehende zweite Ebene, entsteht ein
Abweichung im Lastbild führt zu einer anderen Stützlinie, je größer die
zweilagiges System größerer Steifigkeit. [2.2/5]
29
hofsarchitektur im 19. Jahrhundert zunächst durch das symmetrische
DAS GLASDACH: FORM, FUNKTION UND KONSTRUKTION GLÄSERNE SPANNWEITEN
20
21
23
22
24
23 Pyramidisches Faltdach, Bewag Glaspyramide
20 – 22 Die Glasmitte: Synklastisch gekrümmte Kuppelkonstruktionen 20 Halle au Blé (heute: Bourse du Commerce) in Paris, 1809 – 1811,
Berlin, 1999, Arch.: A. Liepe, H. Siegelmann
Arch.: Foster and Partners 22 Gewächshaus National Botanical Garden of Wales, 1999, Arch.: Foster and Partners
24 Antiklastisch gekrümmtes Netztragwerk „Schubert Club Band Shell“ Minnesota, 2002, Ach.: JCDA
2.2
Arch.: F. J. Bélanger
21 Reichstagskuppel Berlin, 1998,
30
_ DER
DOPPELT GEFALTETE ODER GEKRÜMMTE RAUMABSCHLUSS –
Die im Vergleich zu einer Tonnenschale aufgrund der doppelten Flä-
DIE GLASMIT TE
chenkrümmung wesentlich steifere Kuppelschale eignet sich für große
Pyramidische Faltwerke, Kuppeln, Schalen oder Zelte weisen in Längs-
Spannweiten von Veranstaltungshallen und Arenen. Der Lasttransport
und Querrichtung eine Faltung oder Krümmung auf und sind dreidi-
erfolgt in Ring- und Meridianrichtung, Tragwerkselemente müssen
mensionale, räumliche Strukturen. Bei synklastisch gekrümmten kup-
druck-, zug- und schubfest miteinander verbunden sein. Kuppeln wei-
pelförmigen Dächern liegt eine gleichsinnige Krümmung in beiden
sen bei gleichmäßig verteilten Lasten keine Momente, sondern einen
Querschnittsachsen vor. Bei antiklastischen Membran- und Zeltdä-
Membranspannungszustand auf, die Fläche ist also nur durch Nor-
chern verlaufen die Krümmungen gegensinnig.
malkräfte beansprucht. Entspricht die Kuppelgeometrie der Stützflä-
Die Glasmitte ist das zentrale Oberlicht bei einem ideal kreisför-
che der dreidimensionalen Analogie zur Stützlinie, entsteht in dem
migen Grundriss. Die seitlichen, umlaufenden Begrenzungen sind
System eine reine Druckbeanspruchung in Meridianrichtung. Erst bei
meist homogen. Die zusammenführende Geste definiert diesen Typus
einer Abweichung der Kuppelgeometrie von der Stützfläche, wie dies
als Versammlungsraum. Das zentrisch angelegte Pyramiden- und
bei einer Kugelschale der Fall ist, werden die Ringkräfte aktiviert. Der
Kuppeldach verweist mit seinem repräsentativen Charakter auch auf
Übergang von Ringdruck- zu Ringzugkräften in der Stützfläche, die
einen besonderen Machtanspruch. Eine antiklastische Krümmung
Bruchfuge, liegt bei einer Kugelschale bei etwa 52° Polarwinkel von
kehrt die Raumform der Kuppel um und führt zu einer extrovertierten,
der Rotationsachse. Das Ideal des Membranspannungszustands wird
öffnenden Geste.
durch große Punkt- und Einzellasten gestört, im Extremfall kann es
DAS GLASDACH: FORM, FUNKTION UND KONSTRUKTION GLÄSERNE SPANNWEITEN
27
25
26
28
27 Gewächshaus Dahlem, Mischkonstruktion, 1908, Arch.: A. Koerner 28 Kurklinik Bad Neustadt, Membran als
26 – 28 Das Glashaus als Mischtypus 26 Überschneidung von Glasband und Glasmitte, 25 Fußballstadion „Amsterdam ArenA“, 1996,
Arch.: Lamm, Weber, Donath und Partner,
Arch.: von Zanth
Ing.: W. Sobek Ingenieure
2.2
Arch.: R. Schuurman
freigeformtes“ Seilnetz, 1999,
Botanischer Garten Wilhelma Stuttgart, 1844,
zum lokalen Versagen und Durchschlagen der Kuppelfläche kommen.
Raum- und Konstruktionsform zulässt. So weist beispielsweise das
Im Auflagerbereich muss der Kuppelschub aus den Meridiankräften
Gewächshaus, das Glashaus schlechthin, je nach Grundrissorganisa-
durch eine geeignete Unterkonstruktion abgefangen werden, um eine
tion und beherbergter Pflanzenart vielfältige geometrische Formuli-
Störung des flächigen Lastabtrags zu vermeiden. [2.2/6]
erungen auf. Auch beim Bauen im Bestand können sich für das Glashaus Geo-
_ DAS
GLASHAUS
Das Glashaus entspricht nach J. F. Geist dem „allseitigen, umfassenden
metrien ergeben, die in erster Linie nicht der internen Organisation, sondern städtebaulichen Zwängen des Kontextes folgen _ Abb. 28.
Oberlicht“. Die Verglasung dehnt sich im Gegensatz zu den anderen Typen auf die seitlichen Begrenzungsflächen bis zum Boden aus und bildet eine umschließende Wetterhülle. Je nach innerer Organisation kann die Geometrie des Glashauses als raumbildende Variante von Glashof, Glasband oder Glasmitte interpretiert werden. So korrespondiert der kubische Glaskörper typologisch mit dem Glashof, die GlasröhOft fließen beim Glashaus Aspekte der verschiedenen Grundtypen zusammen, so dass es als Mischtypus keine eindeutige Aussage über
31
re mit dem Glasband und die raumbildende Kuppel mit der Glasmitte.
– – – – –
3
33
FL ACHGL AS ALS BAUSTOFF
Basisglas
WERKSTOFF GLAS – EIGENSCHAFTEN
Ziehglas
Floatglas
Gussglas
OnlineOberflächenbeschichtung
1
Kap. 3.2
Zuschnitt Kantenbearbeitung Bohren
Oberflächenbearbeitung Sandstrahlen Ätzen
Kap. 3.3
2 Biegen Veredelte Glasprodukte
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
Glas Rezeptur
Emaille Beschichten Vorspannen (ESG, TVG) Kap. 3.4
Flächiges Fügen (VSG,VG)
Kap. 3.5
Oberflächenbeschichtung
1
Naturglas (Obsidian)
2
Vielfalt Glas: Handproben veredelter Flachglaserzeugnisse
3
Linienförmiges Fügen (Isolierglas) Kap. 3.6
Übersicht der Herstellungs- und Veredelungsstufen von Flachglas im Kontext der Kapitelabschnitte 3.2 bis 3.6
3.1
3
_
Neubau oder die Renovierung von Gebäudehüllen verwendet. [3.1/1]
_
Das umfangreiche Anforderungsprofil, das heute vonseiten der Bau-
_
physik, Konstruktion und Gestaltung an den Baustoff Glas gestellt wird, hat zu einer vielfältigen Produktpalette geführt. Nach Herstellung
_ _
3.1
WERKSTOFF GL AS – EIGENSCHAF TEN
und Formgebung des Basisglases – in der Regel Floatglas – schließen sich mindestens zwei Veredelungsstufen an, die den Baustoff für be-
34
stimmte funktionstechnische Aspekte wie Sonnenschutz, WärmeDer Werkstoff Glas bezeichnet ein Schmelzprodukt, das in der Natur
schutz, konstruktive oder sicherheitstechnische Aufgaben wie Split-
als erstarrte vulkanische Schmelze vorkommt und dem Mensch be-
terschutz oder rein gestalterische Aspekte wie Farbwirkung, optimie-
reits vor 5000 Jahren für die Herstellung von Schmuck und Werkstü-
ren. Bei Glasprodukten, die für großflächige Glashüllen zur Anwen-
cken diente. Im erhitzten, zähflüssigen Zustand kann Glas durch me-
dung kommen, verschmelzen diese Aspekte auf Grund eines in der
chanische Verfahren zu flächigen, stabförmigen oder kompakten
Regel übergreifenden Anforderungsprofils. Diese Gläser weisen einen
Halbzeugen geformt werden. Alle zur Verwendung im Bauwesen aus
für das jeweilige Projekt mit seinen statischen, bauphysikalischen und
dem Werkstoff Glas hergestellten Erzeugnisse, neben Profilgläsern
gestalterischen Vorgaben spezialisierten Aufbau auf. So sehr Basis-
und Glassteinen sind dies in erster Linie Flachgläser, werden als Bau-
glas ein standardisiertes Massenprodukt ist, sind die Endprodukte oft
stoffe bezeichnet. Über 70 Prozent aller Flachgläser werden für den
in Serie gefertigte Spezialanfertigungen. [3.1/2]
WERKSTOFF GLAS – EIGENSCHAFTEN
Floatglasproduktion (Bandmaß)
In-Line Veredlung
Fremdveredler 1
Transformationsfiliale im Firmenverbund 2
Fremdveredler 2
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
Transformationsfiliale im Firmenverbund 1
etc.
etc.
Endprodukt (Kundenmaß)
4 Abk. SPG
TVG
ESG
VG
Bedeutung
Glassorte
Dicke [mm]
max. Format [m x m]
3–19
3,21 x 6,00 (Bandmaß)
Spiegelglas, nicht vorgespanntes Glas
Floatglas/
(entspricht meistens Floatglas)
Spiegelglas
teilvorgespanntes Glas
ESG
6–19
2,70 x 6,00
(auch: „thermisch verfestigtes Glas“)
Hersteller A
4–15
1,67 x 7,00
Einscheibensicherheitsglas
ESG
8–19
2,80 x 6,00
(auch: „voll vorgespanntes Glas“)
Hersteller B
6–19
2,50 x 5,00
Verbundglas
TVG
4–12
Hersteller A
2,70 x 6,00
4
1,67 x 7,00
Logistische Rahmenbedingungen bei der Flachglasveredelung: Die Veredelung erfolgt entweder unmittelbar nach der Herstellung in firmeneigenen
VSG
MIG
Verbundsicherheitsglas
TVG
(VG mit Sicherheitseigenschaften)
Hersteller B
Mehrscheiben-Isolierglas
VSG
6–12
4–80
Hersteller A Low-E
Wärmeschutzglas mit niedrigem
VSG
Emissionsgrad (von Engl.: low-emissivity)
Hersteller B
2,80 x 6,00
Veredelungsfilialen oder durch Unternehmen außerhalb
2,50 x 5,00
Fremd- oder Lohnlamieren von VSG-Scheiben.
2,40 x 3,80 2,00 x 4,00
8–100
des Firmenverbundes, wie beispielsweise beim
5
2,30 x 5,40 2,40 x 5,00 6
Isolierglas
Gängige Abkürzungen und Bezeichnungen von Flachglasprodukten
bis 45
2,70 x 5,00
Übersicht durchschnittlicher Fertigungsgrößen veredelter Flachglaserzeugnisse: Die Maße sind in erster Linie produktabhängig, können aber
Hersteller A
auch von Hersteller zu Hersteller variieren.
3.1
6
sind die verschiedenen Herstellungs- und Veredelungs-
anschließen. Dazu gehört das Biegen der Scheiben, aber auch das
schritte schematisch dargestellt. Zum Großteil wird Basisglas heute
Einbrennen keramischer Farben in die Glasoberfläche. Beim ther-
durch den Floatglasprozess hergestellt, nur etwa 10 Prozent der am
mischen Vorspannen werden durch beschleunigtes Abkühlen der
Bau verwendeten Gläser im Ziehglas- oder Gussglasverfahren. Die
Scheibe im Glas künstliche Spannungen aufgebaut, die das Trag- und
Gruppe der Basisgläser wird durch Floatgläser erweitert, die direkt
Bruchverhalten in geeigneter Weise beeinflussen.
In
_ Abb. 3
nach der Formgebung im Online-Verfahren beschichtet werden. Häu-
Die Oberfläche der Scheibe kann durch physikalische und che-
fig schließen Veredelungslinien direkt an den Produktionsprozess an,
mische Prozesse mit Dünnfilmbeschichtungen (auch Funktionsbe-
ansonsten wird das Basisglas als Halbzeug an regionale, überregio-
schichtungen genannt) versehen werden, in erster Linie um optische
nale Veredler oder Transformationsfilialen innerhalb oder außerhalb
Eigenschaften wie den Licht- und Energiedurchlass zu verändern. Am
eines Firmenverbunds abgegeben _ Abb. 4.
Ende der Veredelungskette steht in der Regel das flächige Fügen von
Im ersten Schritt der Weiterverarbeitungskette erfährt das Basis-
zwei oder mehreren Gläsern zu Verbund- oder Verbundsicherheitsglä-
glas, das nach der Herstellung in so genannten Bandmaßen vorliegt,
sern und als letzter Schritt das Fügen von Einfach- oder Verbundglä-
einen Zuschnitt in kundenspezifische Festmaße. Weiteren mecha-
sern zu Isoliergläsern durch einen linienförmigen Randverbund ent-
nischen Bearbeitungsschritten, wie dem Bohren, dem Schleifen und
lang der Glaskanten.
Polieren der Glaskante und dem Flächenschliff oder dem Sandstrah-
Die Reihenfolge der Prozesse ist vom Veredelungsgrad und von
len der Glasoberfläche, können sich thermische Veredelungsprozesse
den logistischen Randbedingungen abhängig. Jeder Veredelungs-
35
5
WERKSTOFF GLAS – EIGENSCHAFTEN FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
Stahl
Nadelholz
Beton
Glas
S 235
S 10
C20/25
Kalknatronglas
Brechungsindex η
–
–
–
1,5
Raumgewicht/Dichte ρ
78,5
6
22
25
21 000
1 100
2 900
7 000
[kN/m3] Elastizitätsmodul E [kN/cm2]
A
(wie Aluminium)
Zugfestigkeit f t,k
24
[kN/cm2]
(Streckgrenze)
Bruchdehnung ε in %
25
Druckfestigkeit fc,k
23,5
1,4
0,22
0,7
–
0,006 – 0,17
II 1,7 – 2,6
2
ca. 50
⊥
[kN/cm2]
4,5
0,4 – 0,6
Grenzzugspannung σRd
21,8
0,9
(~0,1)
1,2/1,8
Sicherheitsbeiwert y
yM = 1,1
yM = 1,3
1,8
2,5
Reißlänge σ/ρ
2 800
1 500
(45)
480/720
75
II 0,5
1,6
1
B
[m] Wärmeleitfähigkeit
⊥ 0,2
[W/m x K] Temperaturwechsel-
–
–
–
II 5 x 10 -6
10 x 10 -6
40
beständigkeit ΔT [1/K] Temperaturausdehnungs-
12 x 10 -6
koeffizient αT [1/K]
⊥ 35 x 10 -6
9 x 10 -6 60 K ≈ 0,5 mm/m C
7
Sauerstoff Silicium
8
8 Vereinfachte Darstellung des Strukturzustandes des Glases A Strukturbaustein SiO 4-Tetraeder 7 Die Kenngrößen der verschiedenen mechanischen und thermischen Eigenschaften für Kalknatronglas im Vergleich zu anderen spröden (Beton) und
kristallinen SiO2-Netzwerks C Darstellung eines unregelmäßigen, glasigen SiO2-Netzwerks
3.1
zähen Werkstoffen (Holz und Stahl)
B Darstellung eines regelmäßigen,
schritt bedarf technischer Anlagen wie beispielsweise Biege- und Vor-
lungsmethoden zusammenhängend und in ihren Wechselbeziehungen
spannöfen oder Beschichtungsanlagen, wodurch maximale Ferti-
vorgestellt, um ein tieferes Verständnis für die oft komplexen Anwen-
gungsgrößen, -gewichte und -dicken der Glaselemente vorgegeben
dungsbedingungen zu ermöglichen. Nach einer Einführung in die
werden. Solche Rahmenbedingungen sind bei dem Entwurf von Glas-
grundlegenden Eigenschaften des Materials gliedert sich das Kapitel
konstruktionen zu berücksichtigen und werden in den folgenden Un-
in die in oben skizzierten Veredelungsschritte.
terkapiteln im Detail beschrieben _ Abb. 6.
36
Die zeitliche und örtliche Abfolge der Veredelungsschritte ist für
FL ACHGL AS ALS KONSTRUKTIONSMATERIAL
die Herstellungskosten des Produktes ausschlaggebend. Mit zuneh-
Baugläser bestehen nahezu zu drei Vierteln aus Siliziumoxid, das in
mendem Veredelungsgrad und Größe der veredelten Produkte steigt
Form von reinem Quarzsand als Rohstoff in großer Menge auf der Erde
deren Preis in dem Maße an, wie sich die Anzahl von Anbietern redu-
vorhanden ist, und werden daher auch als Silikatgläser bezeichnet.
ziert und der Transportaufwand und das Bruchrisiko steigt. Bei spezi-
Diesem Glasbildner wird mit Natriumoxid ein Flussmittel beigemengt,
ellen Verfahren kommen oftmals nur wenige spezialisierte Unterneh-
um die Transformationstemperatur herabzusetzen und damit den ver-
men im In- und Ausland in Frage.
fahrenstechnischen Prozess zu vereinfachen, sowie Calciumoxid als
In diesem Kapitel wird Flachglas als Hüll- und Konstruktionsmate-
Stabilisator, um die chemische Beständigkeit zu erhöhen. Weitere Zu-
rial beschrieben. Die bauphysikalischen, mechanischen und optischen
schlagstoffe in der Größenordnung von weniger als einem Prozent
Eigenschaften werden abhängig von den Herstellungs- und Verede-
können beigemischt werden, um die optischen Eigenschaften des
WERKSTOFF GLAS – EIGENSCHAFTEN
Größe der Scheibe Dauer der Beanspruchung
Glasart
umgebendes Medium (Luftfeuchtigkeit)
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
Zugfestigkeit von Glas
Alter der Scheibe
9
Zug
Druck
10 Bruchfestigkeiten
Druck
Zug
Biegezug
Biegezug
[kN/cm2]
(theoretisch)
(theoretisch)
(fabrikneues Glas)
(gealtertes Glas)
9 Einflussgrößen für die (Biege-) Zugfestigkeit von Glas: Die Glasfestigkeit ist keine Konstante!
Fläche 20 cm x 20 cm
70 – 90
600
4 – 17
3,8 – 7
10 Spannungsquerschnitt bei beschädigter Glasoberfläche: Bei Zugbeanspruchungen entstehen infolge
Fläche 1 m x 1 m
70 – 90
600
2 – 7,5
1,8 – 5,5
der Kerbwirkung Spannungsspitzen. Bei Druckbeanspruchungen werden die Kerben
11
überdrückt, es kommt zu keinen Spannungsspitzen. 11 Vergleich der Festigkeiten für unterschiedlich
3.1
große und alte Scheiben
Glases zu beeinflussen. Beim Abkühlen des geschmolzenen Gemen-
Wertes, weil Glas ein spröder Baustoff ist, dessen Festigkeit von dem
ges geht das Glas allmählich vom flüssigen in den festen Zustand
Schädigungsgrad der Glasoberfläche abhängt
über, ohne – wie es im Normalfall bei Schmelzprodukten der Fall ist –
kein vollständig kompakter Feststoff, sondern weist eine Reihe von
ein regelmäßiges symmetrisches oder periodisches Kristallgitter aus-
mikroskopischen Unregelmäßigkeiten und Störungen im Gefüge auf.
zubilden. Aufgrund dieser nicht kristallinen (amorphen) Molekular-
Zusätzlich „sammeln“ sich im Gebrauchszustand durch Abrieb, Wind-
struktur wird Glas oft auch als unterkühlte Flüssigkeit bezeichnet. Glas
schliff oder sonstige mechanische Einwirkungen makroskopische
ist isotrop, seine Eigenschaften sind richtungsunabhängig. [3.1/3]
Schädigungen wie Kratzer und Kerben an der Glaskante und der
_ Abb. 14
. So ist Glas
Oberfläche an. Auch können durch Verformungen infolge Lastabtrag UND DRUCKFESTIGKEIT DES SPRÖDEN BAUSTOFFES GLAS
ähnlich wie bei unbewehrtem Beton feine Mikrorisse auf der Oberflä-
Aus der Bindungsstärke der chemischen Bestandteile des Glases ergibt
che entstehen. Zugbeanspruchungen führen an solchen Kerbstellen
sich eine erstaunlich hohe theoretische Zugfestigkeit, die vor allem auf
zu Spannungsspitzen im Rissgrund und zu einer Rissausbreitung.
der hohen atomaren Bindungsenergie des SiO 4-Tetraeders, Baustein
Überschreiten die Spannungsspitzen einen kritischen Wert, „bricht“
der unregelmäßigen Molekularstruktur von Glas, beruht
. In
das Glas: Der Riss breitet sich mit hoher Geschwindigkeit von Kante zu
der Literatur wird diese mit bis zu 800 kN/cm² angegeben – das ent-
Kante über die gesamte Scheibenfläche aus. Eine geforderte Resttrag-
spricht etwa dem 30-fachen der Streckgrenze von Stahl. Die praktisch
fähigkeit des gebrochenen Glases kann durch Laminieren mehrerer
vorhandene Zugfestigkeit beträgt nur etwa ein Hundertstel dieses
Einzelscheiben zu Verbundglas erreicht werden. [3.1/4, 3.1/5]
_ Abb. 11
37
_ ZUG-
Spannung σ [kN/cm2]
Spannung σ [kN/cm2]
WERKSTOFF GLAS – EIGENSCHAFTEN
zul. σ
Spannung σ [kN/cm2]
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
σ Bruch σ fließen
σ Bruch (fk) zul. σ (fd)
σ Bruch
zul. σ
Dehnung ε [Δ Ι]
Dehnung ε [Δ Ι] elastischer Bereich
elastischer Bereich
GL AS 12
Dehnung ε [Δ Ι] elastischer Bereich
plastischer Bereich
STAHL 13
plastischer Bereich
HOL Z 14
12–14 Qualitativer Vergleich der SpannungsDehnungs-Diagramme von Glas, Stahl und Holz 12 Linearelastisches Verformungsverhalten von Glas: Beim Überschreiten der Bruchspannung versagt Glas ohne Vorankündigung. 13 Bis zur Fließgrenze verhält sich Stahl nahezu linearelastisch, danach „fließt“ der Stahl: Er verformt sich sichtbar im plastischen Bereich. 14 Holz weist einen elastischen und einen plastischen Verformungsbereich auf. Der Bruch des Holzes
38
3.1
kündigt sich durch Reißen und Splittern der Fasern an.
Die Zug- bzw. Biegefestigkeit des Glases spiegelt demnach die Ober-
_ VERFORMUNGSVERHALTEN
flächenqualität wieder und ist keine Konstante
BEI BELASTUNG UND TEMPERATUR
. Sie steht in
Das Elastizitätsmodul von Glas ist mit 7000 kN/cm² nur etwa ein Drittel
direktem Zusammenhang zu Scheibengröße und -alter, denn je größer
so groß wie das von Stahl, aber fünfmal größer als das von Laubholz.
und älter die Scheibe, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für einen
Der Werkstoff verformt sich bei wachsender Belastung rechtwinklig
kritischen Defekt _ Abb. 14. Die Festigkeit des Glases hängt auch von
zur Plattenebene linear-elastisch, bis er bei Überschreiten der Bruch-
der Dauer der Beanspruchung und dem umgebenden Medium ab;
dehnung schlagartig und ohne Vorankündigung auf der zugbean-
Luftfeuchtigkeit unterstützt die subkritische Rissausbreitung.
spruchten Seite bricht. Die Dehnungen ε verhalten sich bis zum Bruch
_ Abb. 12
Infolge des spröden Materialverhaltens ist die Druckfestigkeit von
proportional zu den Spannungen σ. Glas unterscheidet sich damit we-
Glas circa zehnmal höher als die (Biege-) Zugfestigkeit. Da Kerbstellen
sentlich von anderen „gutmütigen“ Konstruktionsmaterialien wie Holz
in der Scheibenebene überdrückt werden, wirken sich Störungen an
oder Stahl, die sich in einem gewissen Maße plastisch verformen kön-
der Glasoberfläche nicht festigkeitsmindernd aus _ Abb. 13. Da Druck-
nen, um Spannungsspitzen abzubauen
beanspruchungen immer auch von Querzugkräften begleitet sind,
lierte Spannungsspitzen auszuschließen, ist daher der direkte Kontakt
liegt die real vorhandene Druckfestigkeit von circa 50 kN/cm² deutlich
zwischen Glas und Glas und zwischen Glas und Metall unbedingt zu
unter dem theoretischen Wert von bis zu 90 kN/cm². Die Druckfestig-
vermeiden. Auch Zwängungsspannungen, wie sie durch Temperatur-
keit unter Dauerlast wird in der Literatur mit etwa 17 kN/cm² angege-
dehnungen entstehen, können aufgrund des fehlenden plastischen
ben. [3.1/6]
Verformungsverhaltens zum Bruch führen.
. Um unkontrol-
_ Abb. 15 – 17
WERKSTOFF GLAS – EIGENSCHAFTEN FLACHGLAS ALS BAUSTOFF 15
Flachglas und die vielfältigen Erscheinungsformen des Lichts: Kirchenfenster mit dichroitisch beschichtetem Glas, Sweeny Chapel Indianapolis, 1987, Arch.: JCDA Inc.
3.1
15
Der Wärmeausdehnungskoeffizient αT erfasst die relative Längendeh-
Seine Sprödigkeit, die hohe Druckfestigkeit und das elastische Verfor-
nung eines Bauteils pro Grad Temperaturerhöhung. Für das im Bau-
mungsverhalten sind für das Konstruieren mit Glas von übergeord-
wesen übliche Kalknatronglas liegt dieser bei 9 x 10 -6 und damit rund
neter Bedeutung. Die wichtigsten physikalischen Kennwerte sind in
ein Viertel unter dem Wert von Baustahl. Bei allen konstruktiven An-
_ Abb. 10
im Vergleich zu anderen Werkstoffen zusammengefasst.
Bauteildehnungen beachtet werden. Titan, das den gleichen Wärme-
FL ACHGL AS ALS HÜLLMATERIAL
ausdehnungskoeffizient wie Glas besitzt, hat daher trotz der hohen
Als amorpher Stoff weist Glas keine Phasengrenzen auf, an denen die
Materialkosten für den konstruktiven Glasbau eine besondere Bedeu-
Lichtstrahlen gebrochen werden, das Glas erscheint durchsichtig. In
tung. Auch spezielle galvanisierte Metalllegierungen können dem αT
der hohen Transparenz und der guten chemischen Beständigkeit ge-
von Glas angepasst werden.
genüber den meisten aggressiven Medien wie Säuren und Salzen liegt
Die Temperaturdifferenz ΔT, die ein Bauelement aufnehmen kann,
seine herausragende Bedeutung als Hüllmaterial. Lediglich silizium-
ohne zu brechen – auch Temperaturgradientenbeständigkeit TGF ge-
oxidlösende Flusssäure greift die Glasoberfläche an. Allerdings kön-
nannt –, ist bei Bauglas gering. Für nicht vorgespanntes Kalknatron-
nen auch basische wässrige Lösungen, die sich beispielsweise bei
glas weist sie nur circa 40 Kelvin auf. Die TGF von Borosilikatglas ist
Auswaschungen aus angrenzenden Bauwerksteilen aus Beton oder
wegen der geringeren Wärmedehnung mehr als doppelt so hoch.
Kalkstein oder durch andauernde Kondensation stehenden Wassers
Auch das Vorspannen der Gläser erhöht die TGF.
auf der Glasfläche bilden, langfristig zum Erblinden der Glasoberfläche
39
schlüssen und Verbundkonstruktionen müssen die unterschiedlichen
UV
IR
sichtbar
Relative energetische Intensität
WERKSTOFF GLAS – EIGENSCHAFTEN FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
100%
50%
0 0
1000
2000 Wellenlänge λ [nm]
16
18 Sonneneinstrahlung 100%
Gesamte Sonneneinstrahlung direkte Transmission 85%
Lichttransmission τl Transmission τe
Reflexion + Reflexion
7% sekundäre Wärmeabgabe nach außen qa
87% 13 % 2%
6% Sekundärabstrahlung und Konvektion
Sekundärabstrahlung und Konvektion
17
sekundäre Wärmeabgabe nach innen qi = Gesamtenergietransmission/g-Wert
19
20
18, 19 Strahlungsanteile von Transmission, Reflexion 16
Farbglas Artista, Landeszentralbank Sachsen
und Absorption addieren sich zu 100%
und Thüringen in Meiningen, Arch.: H. Kollhoff,
des einfallenden Lichtes.
Kunstverglasung: H. Federle
Der g-Wert ist die Summe der direkt durchgelassenen Strahlungsanteile und der
20
Treibhauseffekt: Durch die Verglasung gelangt mit dem
Schematische Darstellung des Sonnenspektrums,
sekundären Wärmeangabe qi der Verglasung
sichtbaren Licht kurzwellige Strahlung in den Innenraum,
das einen Wellenlängenbereich von ca. 280
infolge Wärmestrahlung, Wärmeleitung
wo sie absorbiert wird. Die entstehende langwellige
nm (UV) bis 3500 nm (IR) umfasst.
und Konvektion.
IR-Strahlung wird von der Scheibe absorbiert.
3.1
17
führen. Neben den optischen Eigenschaften des Glases sollen im Fol-
absorbierten Strahlung ist von der der Scheibendicke abhängig. Eine
genden auch die thermischen und akustischen Eigenschaften ange-
Beeinträchtigung von Transparenz, die meist als sehr störend empfun-
sprochen werden, soweit sie für die Verwendung der gläsernen Schei-
den wird, beruht auf der Reflexion des auftreffenden Lichts auf der
be als Raumabschluss von Bedeutung sind.
Glasscheibe. Zwischen Luft und Glas beträgt das Reflexionsvermögen bei senkrechtem Einfall je 4 Prozent auf der Vorder- und der Rücksei-
_ TRANSMISSION,
REFLEXION UND ABSORPTION
rischer Schichten kann die Reflexion für eine bestimmte Wellenlänge
auf die Glasoberfläche auftrifft, wird reflektiert und ein anderer Anteil
des Lichts durch destruktive Interferenz nahezu vollständig ausge-
durch die Einfärbung des Glases absorbiert. In der Vielfalt und wech-
schaltet werden. Bei Wärme- oder Sonnenschutzgläsern kann so das
selseitigen Abhängigkeit dieser optischen Phänomene liegt die einzig-
Reflexionsverhalten von Glas im UV- oder IR-Wellenbereich gezielt be-
artige Faszination des Baustoffes Glas begründet _ Abb. 18.
einflusst werden. Zwischen den Maßzahlen für Transmissionsgrad τ,
Während das Transmissionsvermögen (oder der Transmissionsgrad) angibt, welcher Teil der auftreffenden Strahlung ohne größere
40
te, also 8 Prozent insgesamt. Durch das Aufbringen dünner dielekt-
Glas ist nicht ausschließlich transparent – ein Teil der Strahlung, die
Reflexionsgrad ρ und Absorptionsgrad α besteht eine einfache Bilanz, welche die Erhaltung der Strahlungsenergie ausdrückt: τ+ρ+α=1.
Aufstreuung eine Scheibe durchtritt, beschreibt Absorption eine Ei-
Im Bereich des sichtbaren Lichtes, bei dem das Sonnenspektrum
genschaft des Materials, einmal eingedrungene Strahlung in andere
mit einem Anteil von über 50 Prozent an der Gesamtstrahlung die
Energieformen – größtenteils in Wärme – umzusetzen. Der Anteil der
höchste Intensität
_ Abb. 19
hat, weist Glas eine sehr hohe Transmis-
Reflexion Absorption
Transmission Wellenlänge [nm]
23
WERKSTOFF GLAS – EIGENSCHAFTEN
21
Lichtdurchlässigkeit/Reflexion
Wellenlänge [nm]
Transmission und Absorption [%]
Lichttransmission
Lichtreflexion Einfallswinkel des Lichts
24
Sichtbares Licht [%]
Gesamtstrahlung[%]
Stärke [mm]
Durchlässigkeit [τv] Reflexion [ρv]
Absorption [αv]
Durchlässigkeit [τe]
Reflexion [ρe]
Absorption [αe]
2
91
8
1
87
8
5
3
91
8
1
84
7
9
4
90
8
2
82
7
11
5
90
8
2
80
7
13
6
89
8
3
78
7
15
8
89
8
3
74
7
19
10
88
8
4
71
7
22
12
86
8
6
66
6
28
15
83
8
9
62
6
32
22
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
Transmission τ [%]
Weißes Klarglas Floatglas
25
23 21
Spektrale Transmission von Weiß- und Floatglas
22
Übersicht der optischen Kennwerte bezogen auf das
Spektrale Transmission von Grünglas, das sich aufgrund eines ausgeprägten Absorptionsverhaltens im IR-Bereich als Sonnenschutzglas eignet.
sichtbare Licht (Index v) und die Gesamtstrahlung
24
Lichttransmissions- und Reflexionskurve für verschiedene Einfallswinkel
25
Totalreflexion bei flachem Betrachtungswinkel, Finnischer Pavillon, Expo 2000
3.1
(Index e) für Floatglas verschiedener Stärken
sion auf. Ultraviolett (UV)-Strahlungen unterhalb von 320 Nanome-
strahlung (τe, ρe, αe mit Index e für energy) bezogen
tern und langwellige Infrarot (IR)-Strahlung oberhalb von 3000 Nano-
ber hinaus ist für Verglasungen der Gesamtenergiedurchlassgrad g von
metern werden fast vollständig absorbiert. Auf dem Sachverhalt unter-
Bedeutung. Dieser setzt sich neben dem direkt durchgelassenen
schiedlicher Durchlässigkeiten für verschiedene Wellenlängen beruht
Strahlungsanteil des gesamten Sonnenspektrums auch aus der se-
auch der für gläserne Raumbegrenzungen wichtige Treibhauseffekt:
kundären Wärmeabgabe der Verglasung infolge Wärmestrahlung und
Die vom Glas durchgelassene sichtbare und kurzwellige Strahlung
Konvektion zusammen. Das Verhältnis von τ zu g wird als Selektiv-
wandelt sich im Innenraum in langwellige Wärmestrahlung um, die
kennzahl S bezeichnet, dabei entspricht ein Wert von S = 2 der physi-
von der Verglasung absorbiert wird und über Strahlung oder Konvekti-
kalischen Grenze, da das sichtbare Licht etwa die Hälfte der gesamten
on wieder an den Innenraum abgegeben wird. Die Verglasung wird zur
Energie des Sonnenspektrums ausmacht. Das heißt, dass durch eine
„Wärmefalle“ _ Abb. 23. [3.1/7, 3.1/8]
selektive Verglasung, die ausschließlich sichtbares Licht durchlässt,
_ Abb. 24
. Darü-
Die Strahlungsbilanz für einen bestimmten Bereich des Sonnen-
immer noch die Hälfte der gesamten Strahlungsenergie in den Innen-
spektrums ist also abhängig sowohl von der Zusammensetzung, Dicke
raum gelangt. Mit anderen Worten: Um einer Aufheizung entgegenzu-
und Oberflächenbeschaffenheit des Glases als auch von dem vorherr-
wirken, muss auch der Tageslichtgewinn reduziert werden. [3.1/9]
te werden in der Regel entweder auf den Bereich des sichtbaren Lichtes (τv ρv und αv mit dem Index v für visible) oder auf die Gesamt-
41
schenden Einfallswinkel der Strahlung. Diese charakteristischen Wer-
WERKSTOFF GLAS – EIGENSCHAFTEN FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
ki ki
θ1 Luft n = 1,0 Glas n´ = 1,5
θ2
kr
θ1
Luft n = 1,0 Glas n´ = 1,5
θ1‘ θ1
Luft n = 1,0 Glas n´ = 1,5
θ2
kt
Snellius‘sches Brechungsgesetz
Totalreflexion
Reflexionsgesetz
26
Quelle
28
Material
Brechungsindex n
Luft
1,00
Wasser
1,33
Plexiglas
1,49
Kalknatronglas
1,52
Bleikristallglas
1,60
Diamant
2,42
27
30
Glas n´ = 1,5 Luft n = 1,0
29
31
30 26
An den Grenzflächen transparenter Materialien mit unterschiedlichen Brechungsindizes wird das
kritischer Winkel θ1´ = 41,8°
Totalreflexion: Bei schräg einfallendem Licht erhöht sich der Prozentsatz des reflektierten Lichtes (s. auch
Reflexionsgesetz: Der Ausfallswinkel der reflektierten
Abb. 27). Ab einem kritischen Winkel (41,8° für Glas)
durchgelassene Licht nach dem Snellius’schen
28
Strahlungsanteile ist gleich dem Einfallswinkel:
tritt beim Übergang vom optisch dichteren (Glas) zum
Brechungsgesetz gebrochen: n sinθ1 = n’ sinθ2.
θ1 (Einfallswinkel) = θ1’(Reflexionswinkel).
optisch dünneren Medium (Luft) eine Totalreflexion auf, und die Strahlen werden vollständig reflektiert.
27
Brechungsindizes n für verschiedene
Lichtbrechung, -reflexion und -absorption an einem Randstück eines Floatglasbandes
31
Strahlenbrechung und Spektralverteilung am Prisma
3.1
transparente Materialien
29
42
_ STRAHLUNGSBILANZ
IN ABHÄNGIGKEIT ZU
transmission ist so gut wie unabhängig von der Glasdicke. Bei einer
GLASDICKE, -ZUSAMMENSETZUNG, EINFALLSWINKEL UND
Staffelung stark absorbierender Scheiben (z. B. in einem Mehrschei-
OBERFLÄCHENBESCHAFFENHEIT
ben-Isolierglas) ist zu beachten, dass sich die resultierende Transmis-
Bei einem 4 Millimeter dicken Kalknatronglas werden etwa 90 Prozent
sion als Produkt der Transmissionsvermögen der Einzelscheiben er-
des sichtbaren Lichtes durchgelassen, 8 Prozent reflektiert und 2 Pro-
gibt. Nur bei schwacher Absorption der Einzelgläser lassen sich die
zent absorbiert. Die Absorption beruht auf Verunreinigungen der Glas-
Absorptionsvermögen annähernd addieren.
masse durch Eisenoxid (circa 0,1 Prozent), das zu der Absorption von
Die spiegelnde Reflexion ist eine Eigenschaft der Grenzschicht
rotem Licht und damit zu der grünlichen Eigenfärbung führt. Durch
zwischen zwei lichtdurchlässigen Medien. Der Reflexions- und damit
kontrollierten Zusatz anderer Metalloxide kann die Glasfärbung ge-
auch der Transmissionsgrad ändern sich mit dem Einfallswinkel. Je
steuert werden, wodurch die Absorption auf Kosten der Transmission
flacher das Licht zur Scheibenebene steht, desto mehr nimmt die
zunimmt. Ein grau eingefärbtes Glas lässt beispielsweise im Vergleich
Spiegelung zu. Zusätzlich verstärkt sich mit einem flacher werdenden
zu einem klaren Floatglas nur etwa die Hälfte des Lichtes durch. Mit
Einfallswinkel die Lichtbrechung: Es tritt eine zunehmende Richtungs-
wachsender Glasdicke nimmt der Anteil absorbierter Strahlung und
änderung der durchgelassenen Strahlen an den Grenzflächen zwi-
damit die Erwärmung des Glases zu. Durch die Verwendung von sehr
schen Glas und Luft auf. Ab einem bestimmten kritischen Einfallswin-
reinem Siliziumoxid bei der Herstellung von Weißglas verringert sich
kel kommt es zur Totalreflexion an der strahlungszugewandten Seite
dagegen die Absorption – das Glas erscheint farblos, und die Licht-
– die auftreffenden Strahlen werden nicht mehr gebrochen, sondern
38
33
36
39
34
37
40
34
32, 35, 38 Transmissionsarten
35 Gemischte Transmission von direkter und diffuser Strahlung an strukturierter Oberfläche
33, 36, 39 Reflexionsarten 33 Spiegelnde Reflexion an idealer Oberfläche
37
Die strukturierte Oberfläche eines Gussglases
40
Die raue Oberfläche eines sandgestrahlten Glases
36 Gemischte Reflexion an strukturierter Oberfläche 37 Diffuse Reflexion an rauer Oberfläche
3.1
38 Lichtstreuung bei rauer Oberfläche
Die feuerpolierte, nahezu vollkommen glatte Floatglasoberfläche
32 Transmission direkter Strahlung an idealer, glatter Oberfläche
WERKSTOFF GLAS – EIGENSCHAFTEN
35
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
32
vollständig reflektiert. Dieser Effekt, der auf den unterschiedlichen
erkennen ist. Die Durchlässigkeit von diffusem Licht wird als Translu-
Dichten und Brechungsindizes optischer Materialien beruht, kann in
zenz bezeichnet. Neben der Strukturierung der Glasoberfläche durch
Bezug auf den Lichtdurchgang bei planparallelen Flachgläsern ver-
Ätzung oder Flächenschliff kann der direkte Strahlungsdurchgang
nachlässigt werden, da die Winkeländerung beim Lichtaustritt an der
auch durch Trübung der Glasmasse (Milchglas) reduziert werden.
gegenüberliegenden Oberfläche aufgehoben wird. Bei nichtparallelen
Umgekehrt sind bei der feuerpolierten, „glasklaren“ Oberfläche von
Oberflächen kann durch Mehrfachbrechung allerdings ein Prismenef-
Float- oder Ziehglas die Streulichtanteile extrem gering, und der ganz
fekt entstehen, so dass das Licht in seine Spektralfarben zerlegt wird
überwiegende Teil der auffallenden Lichtstrahlen folgt dem Reflexi-
_ Abb. 33
. [3.1/10]
Die Oberflächenbeschaffenheit beeinflusst weniger die Strahlungs-
onsgesetz. Sie treten unter dem gleichen Winkel gegenüber der Senkrechten zur Scheibenebene aus, unter dem sie eingefallen sind.
bilanz als vielmehr das Verhältnis von direktem, quasiparallelem Licht und indirektem oder diffusem Streulicht in Bezug auf Transmission
_ THERMISCHE
und Reflexion. Mit zunehmender Rauheit oder Strukturierung der
Da Glas eine relativ hohe Wärmeleitfähigkeit hat, ist es nur durch den
Oberfläche wird das gerichtete Licht bei der Transmission aufgestreut,
mehrschichtigen Aufbau eines Isolierglases und einer zwischen den
und die spiegelnde Reflexion nimmt zugunsten der diffusen Reflexion
Glasebenen eingeschlossenen Dämmschicht aus Füllgas möglich,
ab. Sowohl das Bild in der Durchsicht als auch das Spiegelbild ver-
den Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wert) auf das Niveau moderner
schwimmen, bis es nur noch schemenhaft auf der Glasoberfläche zu
Wärmeschutzanforderungen zu senken. Auch in Bezug auf Brand-
43
UND AKUSTISCHE EIGENSCHAFTEN
Raumab-
Raumab-
schluss
schluss mit
schluss mit
(feuerwider-
reduzierter
therm. Isolation
standsfähig)
Hitzeab-
(feuerhemmend,
strahlung
feuerbeständig)
–
F 30
DIN
G 30
4102
G 120
F 120
EN ISO
E 15-
EW 30-
E| 15-
12543
E 240
EW 60
E| 240
41
Schalldämmmaß RW [dB]
WERKSTOFF GLAS – EIGENSCHAFTEN FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
Raumab-
2 40
1
30
20 2
3
4
5
6 7 8
10
14
20
Scheibendicke [mm] 42
41
Klassifizierung der Brandschutzklasse nach deutscher und europäischer Normung
42
Schalldämmmaß in Abhängigkeit von der Scheibendicke 1 Einfachglas
3.1
2 Verbundglas
schutzanforderungen ist das unveredelte Glas als Raumabschluss kri-
Wellenlängen abhängig. An der harten und ebenen Glasoberfläche
tisch. Glas ist zwar nicht brennbar und trägt damit nicht zur Brandlast
werden Schallwellen im oberen Frequenzbereich zurückgeworfen,
bei, aber aufgrund der geringen Temperaturgradientenbeständigkeit
was zur akustischen Beeinträchtigung der Umgebung führen kann.
kann es bereits bei Kontakt mit heißen Brandgasen brechen und des-
Durch Strukturierung der Glasoberfläche reduziert sich die direkte Re-
halb keinen sicheren Raumabschluss gegen einen Flammen- und
flexion. Die Schallabsorption, von der wesentlich das Schalldämmmaß
Brandgasdurchtritt gewährleisten. Durch die Verwendung von vorge-
abhängt, kann durch größere Scheibendicken und einen mehrschich-
spanntem Borosilikatglas, das eine geringere Wärmeausdehnung be-
tigen Verbundglasaufbau gesteigert werden.
sitzt, kann die Standzeit beträchtlich gesteigert werden. Transparente Glaskeramik, die sich durch eine Teilkristallisation des Gefüges von Glas unterscheidet, besitzt aufgrund einer sehr geringen Wärmeausdehnung dagegen eine ausgezeichnete thermische Beständigkeit und wird als Brandschutzglas verwendet. Die Transmission von Wärmestrahlung kann durch Verbundgläser mit Brandschutzschichten einge-
44
schränkt werden. [3.1/11] Die wellenförmige Ausbreitung von Schall ist vergleichbar mit der von Licht. Reflexion und Absorption von Schallwellen sind von deren
Manganoxid Nickeloxid
blau
Kupfer(II)oxid Kobalt(II)oxid
grün
Eisen(II)oxid Chrom(II)oxid Kobalt(III)oxid
gelb
Chrom(VI)oxid Wolframoxid
gelb-braun braun
Eisen(III)oxid Eisen(III)oxid Nickeloxid Manganoxid
rot
1
Kupfer(I)oxid
3
BASISGLAS – FLOATGLAS, WALZGLAS UND ZIEHGLAS
violett
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
Färbung mit Metalloxiden
1 Einbringung des Gemenges in die Schmelzwanne 2 Floatglasanlage in Köln-Porz, Deutschland Links unten im Bild das Gemengehaus und der Schmelzofen 3 Farbspektrum zur Ionenfärbung von Glas durch beigemischte Metalloxide
3.2
2
_
_ GLASREZEPTUR
_
Im Bauwesen werden überwiegend Kalknatrongläser verwendet, wäh-
_
rend Borosilikatgläser in wesentlich kleinerem Umfang für Brandschutzverglasungen hergestellt werden. Durch Verwendung besonders
_ _
3.2
BASISGL AS – FLOATGL AS, WAL ZGL AS UND ZIEHGL AS
eisenoxidarmen Siliziumoxids wird farbloses oder „weißes“ Kalknatronglas mit sehr geringer Absorption und entsprechend hoher, von der
Basisgläser unterscheiden sich je nach Rezeptur und Herstellungsver-
Die Mehrkosten betragen je nach Glasdicke 15 bis 25 Prozent. Durch
fahren bezüglich Fertigungsgrößen und Eigenschaften. Nach der che-
den Zusatz von Farbbildnern (Anlauffärbung) oder Metalloxiden (Io-
mischen Zusammensetzung unterscheidet man Kalknatron- und Bo-
nenfärbung) kann die spektrale Durchlässigkeit und damit die Glasfar-
rosilikatgläser oder Weiß- und Farbgläser. Flachglas wird im Floatglas-,
be gezielt gestaltet werden _ Abb. 3. Die Zusätze betragen weniger als
Walzglas- und Ziehglasverfahren hergestellt, wobei Floatglas heute
0,5 Prozent des Gemenges. Metalloxide erzeugen ein weites Farb-
über 90 Prozent der Flachglasproduktion ausmacht und das wichtigs-
spektrum. Edelmetalle, Metallsulfide und -selenide führen abhängig
te Basisglas darstellt. Im Folgenden werden die Basisprodukte und
vom Prozess zu Anlauffärbungen in Gelb- und Rottönen. Die Farbtöne
ihre Bedeutung für Hülle und Konstruktion vorgestellt.
massegefärbter Gläser können sich nach Charge unterscheiden, so dass die Einlagerung von Ersatzscheiben empfehlenswert ist. [3.2/1]
45
Glasdicke praktisch unabhängiger Tageslichttransmission hergestellt.
BASISGLAS – FLOATGLAS, WALZGLAS UND ZIEHGLAS FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
4
6
4 Das Gussglasband bei der Formgebung durch ein Walzenpaar 5 Auf Bandmaß geschnittene Floatglastafeln nach Formgebung und optischer Kontrolle
3.2
6 Blick in den Ziehschacht beim Fourcault-Verfahren 5
HERSTELLUNGSVERFAHREN
geschnitten. In sehr begrenztem Maß werden für den Glasmarkt Über-
_ FLOATGLAS
längen produziert. Einige Glaswerke produzieren für außergewöhn-
Die Floatglasherstellung beruht auf einem von Alastair Pilkington ent-
liche Anwendungen einmal pro Jahr Scheiben mit 12 Metern Länge,
wickelten Verfahren. Das Kernstück der Anlage bildet das ungefähr
dabei handelt es sich in der Regel um Weißglasscheiben.
50 Meter lange Zinnbad, auf das bei 1100 °C die flüssige Glasschmel-
Die Möglichkeiten zur Modifizierung der Glasmasse sind aufgrund
ze aus der Schmelzwanne fließt und bis zur Erhärtung bei ungefähr
der Massenproduktion begrenzt. Neben Weißglas wird Farbglas nur in
600 °C „schwimmt“.
Bronze bis zu einer Dicke von 12 Millimeter und in Grau, Rosa und
Die Glaserzeugung wird heute von Unternehmensgruppen mit
Grün bis 10 Millimeter hergestellt. Borosilikatglas wird in Jena von der
einem weltweiten Netz an Floatglasanlagen abgewickelt. Ein Produkti-
Schott AG in einer Mikro-Floatanlage in Dicken bis 21 Millimeter in
onsstandort kann pro Tag bis zu 750 Tonnen (circa 50 000 m²) Glas
maximalen Tafelgrößen von 2,30 m x 3 m hergestellt.
46
produzieren. Die vier führenden Glashersteller der Welt Nipon Sheet Glass (die im Jahr 2005 Pilkington erwarben), Asahi, Saint-Gobain
_ WALZGLAS
und Guardian bestreiten etwa zwei Drittel der Weltproduktion an hoch-
Die Herstellung von Walzglas erfolgt nach dem Prinzip der „überlau-
wertigem Floatglas (circa 25 Mio. Tonnen).
fenden Wanne“: Aus der Schmelze wird kontinuierlich durch ein Paar
Floatglas wird in Dicken von 2 bis gewöhnlich 19 Millimetern her-
formgebender Walzen mit strukturierten Oberflächen ein Glasband
gestellt und nach dem Kühlvorgang in Bandmaße von 3,21 m x 6 m
abgezogen und anschließend gekühlt und geschnitten. Das mit einer
Opt. Eigenschaften
Bandmaße [cm]
Floatglas
glatt, transparent
max. 321 x 600
2; 3; 4; 5; 6
±0,2
Massenprodukt,
Überlängen in 50 cm
8; 10; 12
±0,3
hohe Qualität,
Schritten (Aufpreis)
Gussglas
Stärke [mm]
Vorteile
15
±0,5
exakte Fertigung
19; (25)
±1,0
(genaue Dicken)
Borosilikatglas:
3,8; 5; 5,5; 6,5
±0,2
max. 230 x 300
7,5; 8; 9; 11
±0,3
(Dicken 5,5 – 9 mm)
13; 15
±0,3
16; 17; 18; 19
±0,5
20; 21
±1,0
glatt/strukturiert,
max. 250 x 450
3; 4; 5; 6
±0,5
lichtstreuend,
(produktabhängig)
8
±0,8
Farben und
10; 13; 15
±1,0
Ornamenten auch in
lichtlenkend
Große Auswahl an
Kleinserien
Ziehglas
glatt/strukturiert,
max. 170 x 240
< 1,8 (Dünnglas)
leichte Ziehwellen
(produktabhängig)
> 19 (Dickglas)
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
Drahtglas: 7; 9
Fertigung von Spezialgläsern, große Auswahl an Farben
Abweichungen von
2; 3; 4
±0,2
mehreren cm möglich
5; 6
±0,3
8
±0,4
10
±0,5
12
±0,6
BASISGLAS – FLOATGLAS, WALZGLAS UND ZIEHGLAS
Glassorte
7
Abmessungen [cm x cm]
Farbglas Imera
2,75 ± 0,25
160 (2,5) x 150 (+10/-20)
Überfangglas Opalika
2,1 – 2,7 … 5,0 – 6,0
140 x 160
6 ± 0,25 3,5 bis 36
240 x 170 100 x 60 bis 210 x 103
Borosilikatglases entsprechen dem von der Firma Schott hergestellten „Borofloat 33“.
Bleiglas „RD 30“ „RD 50“
8 Fertigungsgrößen einiger im Ziehverfahren hergestellter Spezialgläser der Schott AG
240 x 160
8
Kapazität von 300 Tonnen pro Tag größte Gussglaswerk Europas be-
_ ZIEHGLAS
findet sich in Mannheim _ Abb. 4.
Spezial-Flachgläser mit besonderen Glasrezepturen werden aufgrund
Wegen der ein- oder beidseitig ornamentierten Oberfläche wird Walz-
der kürzeren Umrüstzeiten im Ziehglasverfahren vor allem von der
glas auch als Ornamentglas bezeichnet. Bei der Herstellung von Draht-
Schott AG in Grünenplan hergestellt. Das Ziehglasverfahren wurde An-
glas wird beim Walzvorgang eine Drahtnetzeinlage in das flüssige Glas
fang des 20. Jahrhunderts entwickelt, in verbesserter Form kommt
eingezogen. Eine Vielzahl von Mustern – zum Teil mit Drahteinlage –
das nach seinem Erfinder benannte Fourcault-Verfahren heute noch
steht zur Verfügung, aber auch kundenspezifische Muster sind mög-
zur Anwendung. Das brutto circa 1,90 Meter breite Glasband wird
lich, wenn ein entsprechender Kosten- und Zeitrahmen für die Anfer-
kontinuierlich über eine Ziehdüse vertikal aus der Schmelze gezogen
tigung der Walzen vorhanden ist. Neben Weißglas sind 30 verschie-
und über Rollen im Ziehschacht nach oben transportiert, so dass es
dene Braun-, Gelb-, Grau-, Violett- und Blautöne erhältlich.
spannungsfrei abkühlen kann _ Abb. 6.
Das Bandmaß beträgt maximal 2,50 m x 4,50 m, je nach Produkt
Im Ziehglasverfahren werden heute Farbglas in über 30 verschie-
und Glasdicke treten Abstufungen auf. Die üblichen Dicken betragen
denen Grundfarben, Weißglas, Dünn- (bis 1,8 mm) und Dickglas (über
4, 5, 6, 8 und 10 Millimeter, aber auch Dicken von 13, 15 und 19 Mil-
19 mm), ferner auch Überfanggläser (oder Zweischichtengläser) her-
limeter werden produziert. Drahtglas wird in ähnlichen Tafelgrößen mit
gestellt, dabei wird ein farbloses Grundglas mit einer dünnen Schicht
den Dicken 7 und 9 Millimeter hergestellt. Gussgläser weisen mit bis
farbigen oder milchigen Glases (Milchüberfangglas, z.B. Opalika)
zu ±10 Prozent große Dickentoleranzen auf.
überzogen. Die Tafelbreiten von Spezialgläsern betragen zwischen
3.2
– die Kenndaten des im Floatverfahren hergestellten
Stärke [mm]
47
7 Fertigungsgrößen und -merkmale von Basisgläsern
Produkt
BASISGLAS – FLOATGLAS, WALZGLAS UND ZIEHGLAS
11
13
10
12
14
11 Bruchbild Drahtglas
13 Maschinengezogenes Milchüberfangglas (Opalika)
12 Strukturierte Ornamentglasoberfläche
14 Ziehwellen beeinträchtigen die verzerrungsfreie
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
9
9 Bruchbild Floatglas 10 In Überlängen hergestelltes Floatglas: Schaufensterscheibe mit einer Länge
mit Drahtglaseinlage
Durchsicht von Ziehglas.
3.2
von ca. 8 m, New York
140 und 170, die Tafellängen zwischen 100 (bei 2 mm Dicke) und
BEDEUTUNG FÜR DIE R AUMHÜLLE
240 Zentimeter (bei 8 mm Dicke) _ Abb. 8. [3.2/2, 3.2/3, 3.2/4]
Die die hochwertige optische Qualität von Floatglas ist konkurrenzlos, so dass es als Basisglas für alle Veredelungsstufen dient und in allen
BEDEUTUNG FÜR DAS KONSTRUIEREN
Bereichen der Gebäudehülle verwendet wird. Walzgläser sind zwar
Für konstruktive Anwendungen kommen aufgrund der hohen Maß-
plan und lichtdurchlässig, aber nicht transparent. Sie werden vor allem
genauigkeit und geometrischen Exaktheit nur Floatgläser in Betracht,
als Sichtschutz im Innenraum eingesetzt. Durch die Kombination von
die entsprechend weiterverarbeitet werden. Aufgrund der geringeren
Farben und Ornamenten ermöglichen Gussgläser vielfältige optische
Oberflächenqualität ist die Festigkeit von Walzglas nur etwa halb
Effekte. Sie kommen zunehmend in Fassadenbekleidungen zur An-
so hoch wie die von Float- oder Ziehglas. Alle Basisgläser brechen
wendung. [3.2/5] Charakteristisch für Ziehglas sind die durch das Her-
in radial vom Bruchzentrum ausgehenden spitzwinkligen Schollen
stellungsverfahren verursachten Unebenheiten in der Oberfläche, die
_ Abb. 9
. Von allen Basisgläsern weist Drahtglas die geringsten me-
so genannten Ziehwellen
_ Abb. 14
chanischen und thermischen Festigkeiten auf, die Temperaturwech-
nen Umfang für spezielle lichttechnische Anwendungen zum Einsatz.
selbeständigkeit beträgt nur circa 20 Kelvin.
Milchüberfanggläser finden aufgrund ihres diffusen Lichts vor allem bei Lichtdecken Verwendung
48
. Ziehgläser kommen nur im klei-
_ Abb. 13
. Durch kürzere Umrüstzeiten
kann eine große Vielfalt von Gläsern hergestellt werden.
ISO
12.5° - 20° 33 mm Rückschritt
> 12.5° 65 mm Rückschritt 1
3
4
min. 30°
1 schräge Kante
Rechtwinkliges Dreieck
Vieleck
Dreieck
30% Aufschlag
30% Aufschlag
50% Aufschlag
50% Aufschlag
Radius min. 10 cm
DIE MECHANISCHE BEARBEITUNG VON GLAS
0°- 20° 20 mm Rückschritt
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
VSG
Ø min. 50 cm max. 200 cm
1 Glastafeln im Bandmaß vor dem Zuschnitt 2 Preisaufschläge für Formschnitte
Parallelogramm
Trapez
3 und 4 Rundecken
Kreis/Kreisausschnitt
40% Aufschlag
40% Aufschlag
60% Aufschlag
80% Aufschlag
3 Optische Kontrolle vor dem Schneiden 4 Notwendige Rückschnitte bei Dreiecksscheiben
3.3
2
_
_ VERFAHREN
_
Das Schneiden, Bohren und Kantenschleifen erfolgt heute weitgehend
_
mit CNC-gesteuerten Anlagen in „Bearbeitungszentren“, die mehrere Bearbeitungsschritte kombinieren können. Moderne Anlagen können
_ _
3.3
Scheiben bis zur Bandmaßgröße und einer Dicke von 19 Millimeter
DIE MECHANISCHE BEARBEITUNG VON GL AS –
bei einem maximalen Scheibengewicht von 500 oder sogar 1000 Ki-
SCHNEIDEN, BOHREN UND SCHLEIFEN
logramm bearbeiten.
Die mechanische Bearbeitung des spröden Werkstoffes erfolgt mit
mit Diamanten bestückten Schneidearm, der ganze, halbe oder viertel
Vielkorn-Werkzeugen (Diamant- oder Korundkorn). Man unterschei-
Bandmaße mit einer Schnittgenauigkeiten von bis zu 0,1 Millimeter in
det Schneiden und Trennen, Bohren, Kanten- und Flächenschleifen.
Festmaße auftrennt. Der zero-cut von Scheiben in Bandmaß stellt den
Die mechanische Bearbeitung erfolgt in der Regel vor allen weiteren
ersten Verarbeitungsschritt dar, bei dem seitlich an jeder Kante zwi-
Veredelungsschritten, vorgespannte Gläser können nachträglich nur
schen 5 und 10 Zentimeter abgeschnitten werden, um die Rechtwink-
noch oberflächlich mechanisch bearbeitet werden. Das Biegen von
ligkeit der Scheibe sicherzustellen. Verbundglas-Schneideanlagen er-
Glas im kalten Zustand nimmt bei den mechanischen Bearbeitungs-
möglichen das Schneiden laminierter Gläser bis 2 x 8 mm Dicke. Im
prozessen eine Sonderrolle ein.
Vergleich zu Rechteckscheiben ist der Formschnitt von Modellschei-
49
Der Zuschnitt aller Glasarten erfolgt vollautomatisch durch einen
2 mm
DIE MECHANISCHE BEARBEITUNG VON GLAS FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
45° ± 2° Gehrungskante
Flachfacette
halbrunde Kante
flachrunde Kante 5
6 Benennung
Beschreibung
geschnitten
Die geschnittene, unbearbeitete
Schematische Darstellung
Glaskante mit scharfkantigen Rändern, quer zu den Rändern weist die Kante leichte Wellenlinien (Wallnerlinien) auf. gesäumt
Schnittkanten, deren Ränder mit einem Schleifwerkzeug gebrochen bzw. gefast sind (Abmessungen Fase nicht einheitlich geregelt)
maßgeschliffen
Die Glasscheibe wird durch Schleifen der
(justiert)
Kantenoberfläche auf das erforderliche Maß gebracht. Die Kante kann sowohl geschnitten als auch gesäumt sein.
geschliffen
Die Kantenoberfläche ist durch Schleifen
(feinjustiert)
ganzflächig bearbeitet. Die Kante kann sowohl geschnitten als auch gesäumt sein.
5 Kantenformen
poliert
Die polierte Kante ist eine durch Überpolieren verfeinerte geschliffene Kante. Polierspuren
6 Innenausschnitte im Abrasivwasserstrahlschneide-
in gewissem Umfang sind zulässig.
verfahren (Flow Europe) 7
50
3.3
7 Kantenausführungen nach DIN 1249-11
ben mit einer oder mehreren schrägen Kanten oder Kreisausschnitten
Das Schleifen und Polieren geschnittener Glaskanten erfolgt mit auf
aufgrund der geringeren Schnittgeschwindigkeit und des in der Regel
Metallwerkzeugen gebundenem Korund- oder Diamantkorn. Die Bear-
größeren Materialverschnitts 30 bis 100 Prozent teurer
.
beitung kann mehre Arbeitsschritte mit abnehmender Korngröße um-
Spitzwinklige Schnitte sind technisch möglich, allerdings sollten ent-
fassen, um eine gewünschte optische und mechanische Qualität der
sprechende Rückschnitte vorgesehen werden, um ein späteres Ab-
Kanten zu erzielen. Der erste Schritt ist das Säumen oder Anfassen
brechen der Spitzen während des Transports oder der Montage zu
der Schnittkanten. Beim nachfolgenden Justieren wird die Scheibe auf
verhindern _ Abb. 4. [3.3/1]
das erforderliche Maß gebracht, wobei die Kanten noch blanke Stellen
_ Abb. 2
Das Abrasivwasserstrahlschneiden ermöglicht mit einem bis 2,5 Mil-
aufweisen. Durch das Feinjustieren wird die Glaskante ganzflächig be-
limeter breiten Hochdruck-Wasserstrahl, dem ein loses Schleifkorn (Ab-
arbeitet, erscheint aber noch matt. Erst durch das abschließende Po-
rasivstoff) zugesetzt ist, das Auftrennen von Werkstücken bis 120 Milli-
lieren werden die Kanten transparent. Neben geraden Kanten ist auch
meter Dicke in einem Arbeitsgang. Der Schnittgeometrie sind dabei
die Herstellung von Gehrungskanten bis 45°, Flachfacetten, runden
keine Grenzen gesetzt, auch Innenausschnitte sind möglich. Die Schnitt-
Kanten, Stufenfalzen, Nuten etc. möglich, wobei die Arbeitsschritte
genauigkeit ist höher als beim Diamantscheiden, allerdings entsteht an
des Formschleifens und Polierens für kleinere Scheibenformate in ei-
der Schnittkante eine Winkelungenauigkeit, die je nach Schnittge-
ner Schleifstraße zusammengefasst werden. Aufgrund des Arbeitsauf-
schwindigkeit bis 0,3 Millimeter betragen kann. Das zeit- und kostenin-
wandes stellen das Schleifen und insbesondere das Polieren einen
tensive Verfahren kommt nur bei speziellen Anwendungen in Betracht.
beträchtlichen Kostenfaktor dar.
DIE MECHANISCHE BEARBEITUNG VON GLAS FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
8
9
8 Detail einer sandgestrahlten Glasoberfläche 9 Detail einer geätzten Glasoberfläche 10 VSG-Scheibe aus 2 x 10 mm Weißglas mit außen liegender Mattätzung, Kunsthaus Bregenz, 1997, Arch.: P. Zumthor
3.3
10
Zylinder-, Senk- oder Hinterschnittbohrungen werden im Diamant-
gleich zu einer Flächenätzung im Säurebad mit Flusssäuresalzen wird
bohrverfahren durch einen lokalen Schleifvorgang im nicht vorge-
eine geringere optische Qualität erzielt _ Abb. 8, zudem zieht die raue
spannten Einfach- oder Verbundglas hergestellt. Komplexere Bohr-
Oberflächenstruktur Flüssigkeiten, Fette und Ablagerungen an, so
lochgeometrien müssen im Wasserstrahlverfahren hergestellt werden.
dass eine Außenanwendung auch bei einer Schutzbeschichtung nicht
Um ein Ausbrechen des Bohrers auf der gegenüberliegenden Werk-
zu empfehlen ist. Durch Maskierung der Oberflächen sind partielle
stoffseite zu verhindern, erfolgt die Bohrung meist von beiden Seiten;
Mattierungen möglich.
der Bohrungsversatz im zylindrischen Lochteil kann bis zu einem halben Millimeter betragen. Auf den meisten Anlagen sind Bohrdurch-
_ BEDEUTUNG
messer bis 70, in manchen Fällen sogar bis 150 Millimeter möglich.
Jede Form der mechanischen Bearbeitung führt zu mikro- und makros-
Die Toleranzen für die Bohrpositionsgenauigkeit wachsen den Flä-
kopischen Materialabplatzungen im Bearbeitungsbereich und zu einer
chentoleranzen entsprechend mit den Scheibenabmessungen an.
Reduzierung der Tragfähigkeit. Die Glasfestigkeit ist direkt abhängig von
Die Mattierung der Glasoberfläche kann mechanisch durch ein in der
Form und Qualität der Kanten- und Oberflächenbearbeitung. Durch ei-
Regel handgeführtes Sandstrahlgebläse oder im Nassschliff durch ei-
nen Flächenschliff oder eine Strahlmattierung wird beispielsweise die
ne Mattiermaschine (max. Glasbreite circa 2 m) erzielt werden – even-
Festigkeit um bis zu 50 Prozent herabgesetzt. Durch das Vorspannen
tuell vorher aufgebrachte Beschichtungen werden zerstört. Anders als
der Scheibe nach abgeschlossener Bearbeitung wird der festigkeits-
beim Kantenschliff erfolgt die Bearbeitung mit losem Korn. Im Ver-
mindernde Einfluss der mechanischen Bearbeitung relativiert.
51
FÜR DAS KONSTRUIEREN
DIE MECHANISCHE BEARBEITUNG VON GLAS
D≥S A ≥ 2S
D≥S
B ≥ 2S
D≥S
A ≥ 2S
C
≥
6S
R >> 10 mm
A
Abstand zum Scheibenrand
B
Lochabstand (von Lochrand zu Lochrand)
C
Abstand zur Glasdecke
D
Lochdurchmesser
S
Scheibendicke
b
11
d
14
90° 1/2 1/2
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
I ≤ I/3
12
13
15
14 11
Standard-Ausschnitte: Der Radius für gerundete Ecken sollte min. 10 mm
Für die Positionierung von Lochbohrungen
betragen, bei Verbundgläsern min. 15 mm. Ein
und Mindestabmessungen bestehen noch Verschiedene Bohrlochgeometrien (12, 13, 15):
Eckausschnitt sollte sich nicht über mehr als ein Drittel
12
Zylindrisches Bohrloch
einer Kantenlänge erstrecken.
Die Angaben in der Zeichnung sind
13
Konisches Bohrloch
Bei Anschnitten an mehr als zwei Kanten muss die
als Richtmaße zu verstehen.
15
Hinterschnittbohrloch
Produzierbarkeit mit dem Hersteller vorab geklärt werden.
3.3
keine einheitlichen Regelungen.
Die Kanten konventionell geschnittener Gläser weisen wellenförmige
und Glaskante sind in
Unebenheiten (Wallnerlinien) und Mikrorisse auf. Das Fasen entlang
werden für eine konstruktive Verwendung prinzipiell vorgespannt.
_ Abb. 11
dargestellt. Scheiben mit Bohrungen
der Glaskante verbessert das Tragverhalten, da Spannungskonzentra-
Da die Festigkeit von wasserstrahl geschnittenen Kanten etwa
tionen – insbesondere auch beim thermischen Vorspannprozess – ab-
30 Prozent höher als bei konventionell bearbeiteten Gläsern ist, ist ei-
gebaut werden. Auch rückspringende Ecken von Aussparungen müs-
ne Nachbearbeitung nicht unbedingt erforderlich. [3.3/2]
52
sen abgerundet werden, um Spannungsspitzen zu vermeiden. Bei konstruktiven Anwendungen sollten die Kanten bei einem Materialab-
_ BEDEUTUNG
trag von circa 2 Millimeter zumindest fein justiert sein. Konstruktiv ist
Bei frei liegenden Glaskanten ist eine Nachbearbeitung geboten, um
die Gehrungskante für Ganzglasstöße von Bedeutung, bei entspre-
die Verletzungsgefahr zu mindern und ein gleichmäßiges Erschei-
chenden Eckausbildungen muss eine Toleranz von ±2° im Gehrungs-
nungsbild zu erzeugen. Mit zunehmender Qualität der Kantenbearbei-
winkel berücksichtigt werden.
tung und abnehmender Korngröße nimmt die Transparenz und Re-
FÜR DIE RAUMHÜLLE
Im konstruktiven Glasbau kommen vor allem zylindrische Boh-
flektivität der Glaskante zu. Im Gegensatz dazu hat das Aufrauen der
rungen für Bolzenverbindungen und konische Senkbohrungen für flä-
Oberfläche eine entspiegelnde Wirkung, das Licht wird gestreut, und
chenbündige Punkthalter zur Anwendung _ Abb. 12, 13. Der Bohrloch-
das Glas wirkt matt und durchscheinend. Eine Mattierung kann me-
durchmesser sollte mindestens der einfachen, besser der doppelten
chanisch durch Strahlmattierung oder Flächenschliff und chemisch
Glasdicke entsprechen. Richtwerte für Abstände zwischen Bohrungen
durch Ätzung erzielt werden _ Abb. 8, 9.
ESG
VSG aus ESG
VSG aus ESG
ohne Wärmebehandlung
mit Wärmebehandlung
Dicke [mm]
4
5
6
8
10
12
8
10
12
Radius [m]
2,4
4
6
5,2
8,4
12,3
2,7
4,8
7,2
17
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
1
DIE MECHANISCHE BEARBEITUNG VON GLAS
Glassorte
2
3
4
16
16
18
Produktionsablauf eines Bogenglases 1 Auflegen in Form und Aufheizen auf 70 °C 17
2 Verformung durch Aufbringen einer
Tabelle zur vorläufigen Ermittlung der minimalen Biegeradien zylindrisch kalt
Belastung bis Erreichen des Bogenstiches
gebogener Glasscheiben nach P. Kasper
3 Fixierung der Form durch Einbau der Zugstangen (bei Last und Temperatur) 18
4 Abkühlen auf Raumtemperatur und
2 m x 4 m große Bogenglas-Elemente als
3.3
Lichtband, zentraler Busbahnhof Heidenheim
3.3
anschließendes Entfernen der Auflast
KALT VERFORMEN VON GLAS
Die Firma Maier-Glas bietet vorgefertigte zylindrische Bogensegmente
Glas lässt sich aufgrund seines linear-elastischen Verformungsverhal-
aus VSG an, die durch Zugstangen in ihrer Form fixiert werden. Der
tens im kalten Zustand mechanisch verformen. Durch Klemm- oder
Herstellvorgang ist in _ Abb. 16 dargestellt. [3.3/3, 3.3/4]
Punkthalter kann eine ebene Glasplatte auf eine Unterkonstruktion in
Die Kaltverformung führt zu ständigen Biegezugbeanspruchungen
eine gekrümmte oder verwundene Geometrie gezwungen werden.
im Bauteil. Je größer die Verformung und je enger der Radius, desto
Dieses Verfahren stellt bei Hüllen mit unregelmäßigen Flächenkrüm-
größer die Spannungen, die sich zu den Spannungen aus der Ge-
mungen eine kostengünstige Alternative zu thermisch verformten Glä-
brauchslast addieren. Da etwa 60 Prozent der Gesamtspannung aus
sern dar, allerdings lassen sich dadurch nur flache Krümmungen bis
dem gekrümmten Grundzustand resultieren, weisen kalt verformte
maximal einem halben Grad pro Meter realisieren. Je größer Dicke
Scheiben im Vergleich zu thermisch verformten eine geringere Tragfä-
und Steifigkeit der planen Scheibe, desto weniger kann die Scheibe
higkeit auf. Aufgrund der dauerhaften Einwirkung von Lasten kommen
gekrümmt werden. Bei zylindrischen Krümmungen sind im Vergleich
für die Kaltverformung nur vorgespannte Gläser mit hoher Langzeit-
zu heiß verformten Scheiben die Minimalradien pro Scheibendicke um
festigkeit in Frage. [3.3/5] Zurzeit gibt es nur wenige Erkenntnisse zum
den Faktor 3 größer
Einfluss permanenter Schubbeanspruchungen auf die Dichtigkeit des
. Zwischen den Befestigungspunkten
_ Abb. 17
kann die Kantenkrümmung bis zu ±10 Millimeter von der idealen Krümmungslinie abweichen.
Randverbundes von Isolierglasscheiben. 53
_ DAS
DIE THERMISCHE VEREDELUNG VON GLAS FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
Reinigung
Erhitzen > 600°
Anblasen
1
0,2 d 0,6 d
Zugzone
0,2 d Druckzone
2
5
Druck
Druck
Zug
Zug
0,2 d
0,2 d
0,6 d
0,6 d
0,2 d
0,2 d
1 Fertigungsprozess liegend vorgespannter Flachgläser d 2 Druck- und Zugspannungsbereiche vorgespannter Gläser im Querschnitt (qualitative Darstellung) 3 Spannungsquerschnitt eines thermisch voll vorgespannten Glases (ESG) 3
6
4 Spannungsquerschnitt bei Überlagerung von Vorspannkräften und Biegespannungen: Die Biegezugkräfte bauen die Druck
D|Z
D|Z
Zug
Oberflächendruckspannungen ab.
D|Z 5 Typisch nadelförmige Kantenverletzung bei vorgespannten Gläsern 6 Spannungsquerschnitt eines thermisch teilvorgespannten Glases (TVG) 7 Spannungsquerschnitt eines chemisch
3.4
vorgespannten Glases 4
7
_
THERMISCHES VORSPANNEN
_
_ VERFAHREN
_
Man unterscheidet voll vorgespanntes Einscheibensicherheitsglas (ESG) und teilvorgespanntes Glas (TVG). ESG weist aufgrund des
_ _
3.4
schnelleren Abkühlvorgangs oder einer höheren Ausgangstemperatur
DIE THERMISCHE VEREDELUNG VON GL AS –
eine größere Eigenspannung als TVG auf. Die auf einem Rollenband
VORSPANNEN, EMAILLIEREN, BIEGEN UND
liegend transportierten Gläser werden gleichmäßig bis 100 °C oberhalb
STRUKTURIEREN
des Transformationspunkts erhitzt, danach durch Düsen mit kalter Luft
54
angeblasen. Da sich das Abkühlen und Erstarren zunächst an den GlaEine erhöhte Widerstandsfähigkeit von Glas wird durch thermisches
soberflächen vollzieht, versetzt das verzögerte Abkühlen und Zusam-
Vorspannen erreicht, wobei die auf 650 °C gebrachte Glasscheibe mit
menziehen des Kerns die Scheibe in einen Eigenspannungszustand
einem beidseitigen Luftstrom abgeschreckt wird. Während dieses Pro-
mit parabelförmigem Profil: Auf der Oberfläche wird eine Druck-, im
zesses kann auch eine Emaillierung durchgeführt werden, bei der
Kern eine Zugspannung aufgebaut. Damit sich dieses Spannungsprofil
dünne keramische Schichten, meist farbig, in die Oberfläche einge-
im Scheibenquerschnitt aufbauen kann, ist eine Glasdicke von min-
brannt werden. In zähflüssigem Zustand kann Flachglas auch gebo-
destens 4 Millimeter erforderlich. ESG wird bis 19, TVG nur bis 12 Mil-
gen und umgeformt werden.
limeter produziert, da bei größeren Dicken noch nicht die Produktions-
DIE THERMISCHE VEREDELUNG VON GLAS 10
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
8
11
8 Bruchbild eines teilvorgespannten Glases (TVG) 9 Heat-Soak Test (Heißlagerungstest) von ESG-Scheiben (bei SGG Deutschland): Nachweisverfahren für Nickelsulfideinschlüsse; nach vorschriftsmäßiger Testdauer unzerstörte Scheiben werden als ESG-H bezeichnet. 10 Bruchbild eines TVG unter hohen Biegezugspannungen: Der Initialbruch tritt in zwei- bis dreifachem Abstand zur Glaskante auf. Aufgrund der hohen Spannungen ist das Bruchbild ähnlich feinkörnig wie bei ESG. 11 Bruchbild eines ESG: kleinteilige Glaskrümel
3.4
9
qualität kontrolliert werden kann. Die maximalen Fertigungsgrößen
_ VERBESSERUNG
hängen von den Vorspannöfen der Hersteller ab, üblich sind Größen
Die durch die thermische Behandlung erzeugte Druckspannung in der
von 2,50 m x 5 m, mittlerweile können von einzelnen Veredlern auch
Scheibenoberfläche bewirkt, dass Oberflächendefekte überbrückt
Scheiben in Bandmaßbreite und bis 6 Meter Länge und darüber hin-
werden und sich nicht festigkeitsmindernd auswirken. Erst wenn die
aus vorgespannt werden. Vorgespannte Borosilikatgläser gibt es bis zu
Vorspannung infolge äußerer Belastung abgebaut ist, kann es zum
einer Dicke von 15 Millimetern und einer Größe von 1,60 m x 3 m. Vor-
Risswachstum kommen. ESG und TVG unterscheiden sich im Grad
gespannte Scheiben werden meist durch einen Ätzstempel gekenn-
der Vorspannung. Aufgrund der geringeren Oberflächendruckspan-
zeichnet.
nung ist die charakteristische Mindestfestigkeit von TVG nur etwa halb
nischer Bearbeitung, und es kommen alle Basisgläser außer Drahtglas in Betracht. Durch die Wärmebehandlung nehmen Dicken- und Flächentoleranzen zu. In
_ Abb. 12
sind die mechanischen und thermischen Eigen-
schaften vorgespannter Gläser zusammengefasst.
so groß wie von ESG, aber fast doppelt so hoch wie bei nicht vorgespanntem Glas. Auch die Temperaturwechselbeständigkeit wird durch das Vorspannen erheblich verbessert. Bei ESG aus Floatglas beträgt sie 150 Kelvin, bei TVG 100 Kelvin und bei vorgespanntem Borosilikatglas (z.B. Pyran S) sogar 300 Kelvin – im Vergleich zu 40 Kelvin bei nicht vorgespanntem Floatglas. Die Vorspannung beeinflusst auch das Bruchverhalten. Die im
55
Die thermische Veredlung erfolgt nach abgeschlossener mecha-
DER KONSTRUKTIVEN EIGENSCHAFTEN
DIE THERMISCHE VEREDELUNG VON GLAS FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
Fertigungsgröße
Oberflächendruck-
Bruchfestigkeit fk
Temperaturgradienten-
Spontanbruchgefahr
spannung [kN/cm2]
[kN/cm2]
beständigkeit [K]
Nickelsulfid
Schneidfähigkeit
–
4,5
40
nein
ja
3,5 – 5,5
7
100
nein
nein
Kalknatrongläser: Floatglas
2 mm – 21 mm 3,21 m x 6,0 m
TVG aus Floatglas
4 mm – 12 mm 2,5 m x 5,0 m Bis 3 m x 6,0 m
ESG aus Floatglas
4 mm – 19 mm
10 – 15
12
150
ja
nein
Gussglas
4 mm – 19 mm
–
2,5
30
nein
ja
10 – 15
9
150
ja
nein
–
2,5
90
nein
ja
3,5 – 5,5
7
200
nein
nein
10 – 15
12
300
nein
nein
(15)
250
nein
mit Einschränkungen
2,5 m x 5,0 m ESG aus Gussglas
4 mm – 19 mm 2,5 m x 5,0 m
Borosilikatgläser: Floatglas
bis 21 mm 2,3 m x 3,0 m
TVG aus Floatglas
4 mm – 12 mm 1,6 m x 3,0 m
ESG aus Floatglas
4 mm – 15 mm 1,6 m x 3,0 m
chemisch
bis 19 mm
vorgespanntes Glas
ca. 1,0 m x 2,0 m
von Eindringtiefe und Oberflächenschädigungen abhängig
12
12
Mechanische und thermische Eigenschaften
3.4
vorgespannter und nicht vorgespannter Flachgläser
Glas gespeicherte hohe Energie führt dazu, dass eine ESG-Scheibe
reinigte Scheiben bei einer zerstörenden Prüfung im Heat-Soak Test
beim Bruch in viele kleinteilige Glaskrümel zerspringt
. Da
herausfiltern, indem die fertig produzierten ESG-Scheiben für einen
die Bruchstücke stumpfkantig sind, bezeichnet man ESG auch als „Si-
definierten Zeitraum auf einem konstanten Temperaturniveau gehal-
cherheitsglas“, obwohl Bruchstücke in größeren Schollen beim Herab-
ten werden. Scheiben, die diesen nach EN 14179 genormten Test be-
fallen auch zu Verletzungen führen können. TVG hingegen bricht aus-
standen haben, werden entsprechend gekennzeichnet. Bei teilvorge-
gehend vom Bruchzentrum in größeren Schollen und Inseln ähnlich
spannten Gläsern und bei Borosilikatglas haben NiS- Einschlüsse in
wie nicht vorgespanntes Glas
der Regel keine Auswirkungen. [3.4/4, 3.4/5]
_ Abb. 8
_ Abb. 11
. Die europäischen Normen
EN 12150 und EN 1863 stellen an das Bruchbild von voll bzw. teilvorgespannten Gläsern genaue Anforderungen.
IM OPTISCHEN ERSCHEINUNGSBILD
Thermisch vorgespannte Gläser weisen Maßtoleranzen von meh-
Der thermische Vorspannprozess hat eine Reihe von Auswirkungen
reren Millimetern auf, die beim Konstruieren beachtet werden müssen
auf die optische Qualität der Gläser, die das visuelle Erscheinungsbild
, . [3.4/1, 3.4/2, 3.4/3]
_ Abb. 13 17
56
_ MÄNGEL
von vorgespannten Gläsern beeinträchtigen können. Hierzu zählen
Ein besonderes Phänomen bei voll vorgespannten Gläsern stellt
Anisotropie, roller-waves sowie großflächige und örtliche Verwerfungen
der Spontanbruch da, der auf dem allmählichen Volumenzuwachs von
der Glasoberfläche. Diese Mängel sind bei voll vorgespannten stärker
Nickelsulfid (NiS)-Einschlüssen im Glasgefüge beruht. Da der Volu-
als bei teilvorgespannten Gläsern ausgeprägt.
menzuwachs von Nickelsulfid wärmeabhängig ist, lassen sich verun-
Es ist seit langem bekannt, dass transparente homogene Materi-
≤ 2 000
± 2,5
± 3,0
2 000 – 3 000
± 3,0
4,0
> 3 000
± 4,0
± 5,0
b–t
13
b+t
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
17
DIE THERMISCHE VEREDELUNG VON GLAS
t für d ≥ 12 mm
h+t
t für d ≤ 12 mm
h–t
Kantenlängen [mm]
14
15
16
18
13, 17 Längentoleranzen t für thermisch vorgespannte Gläser 14, 15 Blick durch Isolierverglasung aus vorgespanntem
16
Verwerfungen bei thermisch vorgespannten
18
Anwendungsbeispiel für chemisch vorgespanntes
Scheiben, zentraler Omnibusbahnhof, Hamburg,
Glas: Tragende Glaskuppel am ILEK an der Universität
(Abb. 15), der die Anisotropie sichtbar macht.
2003, Arch.: Silcher, Werner und Redante
Stuttgart, Prof. W. Sobek und L. Blandini
3.4
Glas ohne (Abb. 14) und mit Polarisationsfilter
alien, sobald sie sich durch innere oder äußere Zwänge in einem
als annehmbar und was als optischer Defekt einzustufen ist – diesem
Spannungszustand befinden, das Phänomen der optischen Doppel-
Umstand muss bei der Auswahl des Glasveredlers große Aufmerk-
brechung aufweisen. Damit die optische Anisotropie bei vorge-
samkeit geschenkt werden. [3.4/6]
spanntem Glas sichtbar wird, bedarf es einer „anisotropen Beleuch-
Durch das Erwärmen der Scheibe wird deren Planität beeinträch-
tung“: Das Licht muss zumindest teilweise linear polarisiert sein. Unter
tigt. Optisch wahrnehmbar als Verzerrungen in der Durchsicht oder im
einer solchen Beleuchtung können helle oder dunkle Streifen oder
Reflexionsbild sind Verwerfungen und Rolleneindrücke (roller-waves),
Flecken von beiden Seiten der Verglasung wahrgenommen werden.
die beim Transportieren im Vorspannofen (normalerweise mit der
Tageslicht ist tatsächlich meist etwas polarisiert, aber insbesondere
Schmalseite voraus) entstehen, wo das erhitzte Glas zwischen die
durch Reflexion an Glasscheiben oder an der Oberfläche eines Ge-
Transportrollen „sackt“. Zur Begrenzung dieser Rolleneindrücke sind
wässers entstehen hohe Polarisationsgrade _ Abb. 14, 15.
die Industriestandards nicht ausreichend, erstrebenswert sind roller-
bei extremen Lichtbedingungen, bei Mehrfachreflexionen oder in der
waves unter 0,15 für Einfach- und 0,07 Millimeter für laminierte Gläser, um störende Linseneffekte zu vermeiden.
Nähe von Wasserflächen, bei flachen Betrachtungswinkeln oder bei
Verwerfungen entstehen durch das unterschiedliche Abkühlen
beschichteten Gläsern deutlicher in Erscheinung tritt. Dennoch lassen
der Scheibenoberflächen, so dass sich entweder die Ecken oder die
sich Anisotropien durch genaue Kontrolle des Abkühlvorgangs redu-
Scheibenmitte von dem Transportband abheben. Längliche Scheiben
zieren. Zurzeit gibt es aber noch keine einheitlichen Regelungen, was
krümmen sich, quadratische Scheiben neigen zum „Schüsseln“.
57
Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass die Anisotropie besonders
DIE THERMISCHE VEREDELUNG VON GLAS
20 Farbtrog Dosierwalze
Druckwalze
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
Farbschicht Glasscheibe
Transportrollen 21 A=axb
Ry
a
d
Rx
b 19
22
20
Großformatige Siebdruckanlage bei der Firma Glasid in Essen, Deutschland
19
Transluzenter Siebdruck. Finnischer
21
Prinzip einer Farbbeschichtung im Walzauftrag
22
Ermittlung des Bedruckungsgrades (BDG): BDG [%] = 50 πd2 / Rx Ry
3.4
Pavillon, Expo Hannover, 2000
_ EXKURS:
CHEMISCHES VORSPANNEN
den. Das Emaillieren und Bedrucken erfolgt auf Festmaßen nach ab-
Eine Vorspannung von Glas mit hohem Natriumanteil kann chemisch
geschlossener mechanischer Bearbeitung. Als Ausgangsprodukt für
durch Elektrolyse im Tauchbad erfolgen. Durch Natriumaustausch und
den Siebdruck eignen sich nur Gläser mit planer Oberfläche, also kei-
Verdichtung der molekularen Struktur werden große Oberflächendruck-
ne Strukturgläser. Gussgläser können „trocken“ emailliert werden, die
spannungen erzeugt. Aufgrund der geringen Eindringtiefe besteht aller-
keramische Farbe wird in Pulverform vor dem Einbrennen aufgetra-
dings eine größere Anfälligkeit für Oberflächenschäden. Chemisch vor-
gen. Da der Farbauftrag verfahrensbedingt Unregelmäßigkeiten auf-
gespannte Gläser sind bedingt schneidfähig. Das Verfahren eignet sich
weist, sollten alle Anwendungen vorher mit dem Hersteller abgespro-
für dünne Gläser unter 4 Millimeter und komplexe Scheibengeometrien
chen werden. [3.4/8]
und ermöglicht eine sehr hohe Oberflächenplanität _ Abb. 18. [3.4/7]
Beim Walzauftrag überträgt eine Druckwalze aus Gummi je nach
58
Profil ein flächiges Farbmuster einseitig auf die Glasoberfläche (mittEMAILLIEREN UND BEDRUCKEN VON GL AS
lerweile können durch profilierte Walzen auch Muster aufgetragen
Emaillierte Gläser weisen im Prinzip die Eigenschaften eines voll oder
werden), im Gießverfahren durchläuft die Tafel horizontal einen „Gieß-
teilvorgespannten Glases auf. Vor der Verarbeitung werden einseitig
schleier“. Im Siebdruckverfahren können dagegen beliebige Muster
keramische Farben entweder flächig aufgewalzt, gegossen oder durch
aufgetragen werden. Eine Mehrfarbigkeit wird durch wiederholten
Siebdruck aufgetragen und während des Vorspannprozesses einge-
Druck mit verschiedenen Sieben erstellt. Schattierungen (Fotovorla-
brannt, wodurch sie dauerhaft mit der Glasoberfläche verbunden wer-
gen) können im Rastersiebdruck dargestellt werden, wobei Abstand
DIE THERMISCHE VEREDELUNG VON GLAS FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
23
23 - 24 Biege- und Vorspannstrecke einer modernen Schwenkrollen-Biegeanlage ohne Schalung (zero-tooling)
3.4
24
und Durchmesser der Punkte variiert werden können (Verlaufsraster).
den Sonnen-, Blend- und Sichtschutz eingesetzt werden. Es können
Vierfarben-Rastersiebdrucke können von Schollglas auch mit kera-
opake, transluzente oder (semi-) transparente Bedruckungen realisiert
mischen Farben hergestellt werden. Standardformate betragen bis zu
werden. Die Lichtdurchlässigkeit ist von Siebdruckfarbe, Glasart, -dicke
2 m x 4 m, einzelne Veredler bieten eine voll automatisierte Be-
sowie vor allem von dem Bedruckungsgrad (BDG) abhängig _ Abb. 22.
druckung bis zu einer Größe von circa 2,50 m x 6 m an. Bei der Wei-
[3.4/9]
terverarbeitung zu Isoliergläsern werden emaillierte Gläser witterungsund UV-geschützt angeordnet, das heißt, sie erhalten nicht die Außen-
THERMISCHES BIEGEN VON GL AS
position. Eine Kombination mit Wärme- und Sonnenschutzbeschich-
_ VERFAHREN
tungen ist möglich.
Flachglasscheiben können im heißen, viskosen Zustand umgeformt
UND FERTIGUNG
Die mechanischen Eigenschaften der Glasoberfläche werden
werden. Nach Stückzahl und Geometrie kommen verschiedene Bie-
durch eingebrannte Dickfilmbeschichtung beeinträchtigt. Durch
geverfahren zur Anwendung. Der zeitintensive, spannungsfreie Ab-
Emaillierung einer ESG- oder TVG-Scheibe wird die Biegezugfestigkeit
kühlprozess kann durch forciertes Abkühlen im Rahmen des ther-
um etwa 40 Prozent vermindert. Da die Emailleschicht die Haftbedin-
mischen Vorspannverfahrens ersetzt werden.
bunden in der Regel nach außen. Gläser mit flächiger oder partieller Farbbeschichtung können für
Das senkrechte Biegeverfahren, bei dem das Glas hängend erwärmt und anschließend in eine Form gepresst wird, kommt heute aufgrund der größeren Herstellungstoleranzen und der schlechteren
59
gungen verändert, zeigen bedruckte Glasoberflächen bei VSG-Ver-
α
Radius
r1: Radius 1a
r:
a:
Abwicklung
r2 : Radius 2
a1: Abwicklung 1
s:
Sehnenlänge
a1: Abwicklung 1
a2 : Abwicklung 2
α r1
α: Öffnungswinkel
h
l: l
Länge der geraden Kante
h: Stichhöhe
a3
β: Kegelwinkel (max. 45 °) l:
r2
β
a1
α: Öffnungswinkel l
s
a3 : Abwicklung 3
a2 : Abwicklung 2
a1
Kugelradius
Länge der geraden Kante
a2
a2
a 25
27
26
28
29
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
DIE THERMISCHE VEREDELUNG VON GLAS
r
r:
25 26
Geometrie der zylindrischen Biegung Punktgehaltene zylindrische VSGScheiben aus vorgespanntem Weißglas mit
27
Geometrie der konischen Biegung
28
Sphärisch gekrümmte Verglasung der „Besucherkapseln“
bedruckter Concepta-Sonderfolie, La Tour de la Paix, St. Petersburg, 2003,
am London Eye, 1999, Arch.: D. Marks, J. Barfield
29
Geometrie der sphärischen Biegung
60
3.4
Arch.: Jean-M. Wilmotte, C. Halteri
optischen Qualität nur bei extremen Biegegeometrien zum Einsatz.
gebogenem Glas. Das Glas wird liegend in den Ofen transportiert und
Beim verbreiteten horizontalen Schwerkraft-Biegen wird die im Ofen
dort durch das Schwenken und Drehen der Transportrollen ohne
erwärmte Scheibe entweder an den Rändern auf einen Rahmen ge-
Schalung (zero-tooling) bis zu Größen von 4,20 m x 2,44 m verformt
legt, wobei sie sich unter ihrem Eigengewicht durchbiegt, oder man
_ Abb. 23, 24
. [3.4/10]
lässt sie zur besseren Kontrolle der Biegegeometrie in die Formflächen
Bei einfach gekrümmten Gläsern unterscheidet man zylindrische
einer feuerfesten Schalung aus Metall oder Keramik herabsacken. Ei-
Gläser mit konstantem Biegeradius und konische Gläser mit gleichmä-
ne vollflächige Schalung bringt erhebliche Werkzeugkosten mit sich
ßig sich veränderndem Biegeradius. Bei doppelt gekrümmten Gläsern
und eignet sich in der Regel nur für Serienfertigungen wie im Fahr-
unterscheidet man sphärische (kugelförmige), asphärische (z.B. para-
zeugbau.
bolische) und sattelförmige Geometrien. Bei sphärischen Biegungen
Die Minimal- und Maximalradien hängen beim Schwerkraftbiegen
sind die Biegeradien gleichsinnig und im Gegensatz zu asphärischen
von dem Scheibengewicht und damit auch von Scheibengröße und
auch gleich groß, bei sattelförmigen sind die Krümmungen gegensinnig.
-dicke ab. Mehrere aufeinanderliegende Scheiben können, sofern sie
Es empfiehlt sich, im Entwurfsprozess die Fertigungsmöglichkeiten,
anschließend nicht vorgespannt werden, in einem Verfahrensschritt
Stückzahlen und Glasarten mithilfe einer genauen Formbeschreibung
gebogen werden, um anschließend zu VSG verarbeitet zu werden. Mo-
(evtl. Schablone im Maßstab 1:1) mit dem Hersteller abzuklären. Die
derne Rollen-Biegeanlagen mit Schwenkrollen ermöglichen durch ge-
Biegegeometrie lässt sich anhand von Abwicklung, Kantenmaßen, In-
ringe Rüstzeiten die effektive Fertigung von zylindrisch oder konisch
nen- und Außenradius, Stichhöhe und Öffnungswinkel beschreiben.
MIG
32
35
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
30
VG, VSG
33
31
DIE THERMISCHE VEREDELUNG VON GLAS
SG, ESG
34
36
30, 32, 35 Weiterverarbeitung gebogener Gläser zu Verbund- und Isoliergläsern: Gebogene Gläser können auch mit hitzebeständigen
33, 34 Einsinnig gekrümmte VSG-Verglasung: Die
Wärme- und Sonnenschutzbeschichtungen
seitliche Verglasung besteht aus zwei 2 m breiten
versehen werden.
VSG-Scheiben aus 2 x 6 mm Floatglas. Ohne Berücksichtigung der geometrischen Versteifung
31 Gekrümmtes, vorgespanntes Einfachglas
36 Zweisinnig gekrümmte Isolierverglasung
durch die Schalentragwirkung müssten die Gläser
mit Sonnenschutzbeschichtung,
2 x 12 mm dick sein. Skywalk Hannover,
Ford-Forschungszentrum Aachen,
Nürnberg, 2000, Arch.: V. Staab
1998, Arch.: Schulitz Architekten
1994, Arch.: J. L. Martinez
3.4
Geländerverglasung, Neues Museum
Bei zylindrischen Standardbiegungen kann der Öffnungswinkel bis
_ BEDEUTUNG
90°, bei geringen Scheibendicken sogar bis 180° (Halbkreis) und der
Bei der Weiterverarbeitung zu Verbund- und Isoliergläsern und bei der
Kegelwinkel bis 45° betragen. Zylindrisch gebogenes Floatglas kann
Planung der Verbindungsdetails müssen ausreichende Toleranzen
im Bandmaß bis zu einer Stichhöhe von 1,50 Meter hergestellt wer-
eingeräumt werden, um die in der Regel erheblichen Maßabwei-
den. Auch Bögen mit ein- oder beidseitigen geraden Verlängerungen
chungen aufzufangen, die je nach Elementgröße, Form und Dicke des
FÜR DAS KONSTRUIEREN
und Mehrfachkrümmungen in s-Form oder u-Form können
Glases beim Umformen auftreten. Da es noch keine Normen gibt,
gefertigt werden. Bis zu einer Größe von circa 2,50 m x 4,50 m und
müssen Toleranzen in Bezug auf Kantenlänge, Biegeradius, Geradli-
einer maximalen Scheibendicke von 15 Millimetern werden vorgespann-
nigkeit und Verwindung frühzeitig mit dem Hersteller vereinbart wer-
te Gläser hergestellt. Bei vorgespannten Borosilikatgläsern (Pyran G)
den _ Abb. 40.
beträgt das maximale Fertigungsmaß 1,50 m x 2,50 m. [3.4/11]
Nach der Formgebung kann das Glas voll oder teilweise thermisch
Bei sphärischen Gläsern kann der Öffnungswinkel bis 30° betra-
vorgespannt werden. Bei komplexen Geometrien kann ein gleichmä-
gen. Der Biegeradius ist in der Regel größer als 2 Meter, kleinere Ra-
ßiges Abblasen allerdings kaum gewährleistet werden. Gebogene Glä-
dien können zu Stauchungen und zu Randfalten führen. Bei frei ge-
ser können zu Verbundsicherheitsgläsern verarbeitet werden, bei grö-
formten Scheiben stellt die Kontrolle der Biegegeometrie eine große
ßeren Toleranzen müssen diese im Gießharzverbund hergestellt wer-
Herausforderung dar – in der Regel ist die Herstellung von zahlreichen
den. Bohrungen in gekrümmten Gläsern sind mit einem hohen Kos-
Prototypen nach dem Prinzip try and error erforderlich.
tenaufwand verbunden.
61
_ Abb. 37
min. R [mm]
max. R Einfachglas [mm]
3
50
1 000
4
80
1 750
5
120
2 200
6
160
2 800
8
230
3 400
39 Bezeichnung
Toleranzen [mm]
Kantenlänge I
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
DIE THERMISCHE VEREDELUNG VON GLAS
37
Scheibenstärke [mm]
<2 000 mm
±2
>2 000 mm
±3
Radius r
±3 Geradlinigkeit
2/m Float 3/m ESG/TVG Verwindung
3/m Float 4/m ESG/TVG
38
40
39 37
Minimale und maximale Biegeradien nach
Beispiel für ein gebogenes Glas mit
Herstellerangaben der Glas Trösch AG.
geraden Verlängerungen
Die Werte können von Hersteller zu Hersteller variieren, da eine gemeingültige Normung noch aussteht.
38
Gebogene VSG-Scheiben für Vitrinen und „Sign Band“, Schaufensterverglasung Aspery Store, NYC, Arch.: Foster
40
Übersicht durchschnittlicher Toleranzen in mm bei gebogenen Gläsern
3.4
and Partners, Ausführung: Glasbau Seele, Gersthofen
Die einfache und umso mehr die doppelte Krümmung führen zu einer
merkbar machen. Deren unterschiedliche Qualität zeigt sich beson-
Versteifung des Glases, die sich bei unverschiebbarer Auflagerung für
ders deutlich bei der Weiterverarbeitung zu Verbundglas. Aufgrund
eine Schalentragwirkung nutzen lässt. Mit stärkerem Krümmungsradi-
des Vorspannprozesses ist es nicht möglich, die Einzelscheiben auf-
us reduzieren sich Durchbiegung und Momentenbeanspruchung, so
einanderliegend umzuformen. Beim Laminieren können durch die
dass im Vergleich zu einer planen Scheibe die erforderliche Stabilität
versetzten Rolleneindrücke Linseneffekte entstehen, die als Lichtre-
schon mit geringeren Glasdicken erreicht wird. [3.4/12]
flexe störend wahrgenommen werden. Gebogene Gläser lassen sich zu Isoliergläsern weiterverarbeiten.
_ OPTISCHES
ERSCHEINUNGSBILD
Dabei ist zu beachten, dass nur pyrolytisch beschichtete Gläser (hard-
Die Oberflächenplanität und optische Qualität von gebogenen Gläsern
coatings) gebogen werden können, diese aber die Qualität eines mit
hängt stark von den einzelnen Verfahrensschritten ab. Musterschei-
softcoating versehenen Glases hinsichtlich Wärmedämmung, Sonnen-
ben von allen Geometrien sind zur Beurteilung der visuellen Qualität
schutz und Farbneutralität nicht erreichen. Eine Abstimmung mit den
unerlässlich. Horizontales Biegen führt zu besseren Ergebnissen als
angrenzenden Verglasungen ist erforderlich _ Abb. 38.
62
vertikales; eine vollflächige Schalung ist mit Hinblick auf eine verzerrungsfreie Optik einer Unterstützung der Scheibenränder vorzuziehen.
„STRUKTURIEREN“ VON GL AS
Bei vorgespannten Gläsern können sich im Vergleich zu spannungsfrei
Unter Fusing versteht man das Aufschmelzen von anderen – in
gekühlten Gläsern deutliche Verzerrungen der Glasoberfläche be-
der Regel farbigen – Gläsern auf das Floatglas. Durch das erneute
42
44
DIE THERMISCHE VEREDELUNG VON GLAS
43
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
41
44 41
Strukturierte Floatglasscheiben, Rezeption
Structuran-Platte aus Weißglasscherben,
Tea Wharf Building, London
The Greenhouse Effect Ltd, UK
Die Oberflächenstruktur wird im Ofen durch Erhitzen und Aufschmelzen des Glases auf
42
Anwendungsbeispiel Structuran, Augenzentrum
Textur einer im Ofen auf einem Sandbett umgeformten
einem strukturierten feuerfesten Untergrund
Floatglasscheibe, Fusion Glass Ltd, London
erzielt. Glas: Fusion Glass Design Ltd., London
3.4
Michelfeld, 2003, Arch.: Heinle, Wischer und Partner
43
Aufschmelzen nimmt eine Floatglasscheibe aber auch Form und
der Kapazitäten, so dass in Zukunft großflächigere Anwendungen in
Oberflächenstruktur der feuerfesten Unterlage an, wie dies beim tra-
der Gebäudehülle möglich erscheinen.
ditionellen Gussglas geschieht, bei dem die flüssige Glasschmelze in
Ein Werkstoff mit völlig neuen Eigenschaften entsteht, wenn Glas-
ein Sandbett gegossen wird. Im Unterschied zu Walzgläsern ist das
bruchstücke bis zur Teilkristallisierung miteinander verschmolzen
Oberflächenrelief solcher auch als slumped oder kiln-formed bezeich-
werden (Sintern). Nach einem Patent der Firma Schott AG werden sol-
neter Gläser wesentlich ausgeprägter. Die Scheiben werden bis 750 °C
che Glaskeramiken mit der Produktbezeichnung Structuran auch für
erhitzt. Bei anschließender Vorspannung oder Laminierung kann das
den Bau als Fassadenplatten hergestellt. Die Platten sind in der Regel
Oberflächenrelief bis zu 8 Millimeter betragen; Fertigungsgrößen von
20 Millimeter dick und können bis zu einer Größe von circa
circa 1,50 m x 3 m sind gegenwärtig möglich. Konstruktiv interessant
2,75 m x 1,25 m hergestellt werden. Aufgrund der teilweise kristallinen
ist die Möglichkeit, durch eine wellen- oder faltenförmige Profilierung
Struktur verliert das Produkt aber seine Transparenz. Als Rohstoff wer-
dem Glas in Spannrichtung eine größere statische Höhe und damit
den gebrochene und verkleinerte Fahrzeugverglasungen verwendet,
eine höhere Biegesteifigkeit zu verleihen. Aufgrund des aufwendigen,
durch Zugabe von Pigmenten ist eine gezielte Farbwirkung möglich.
wenig automatisierten Herstellungsverfahrens kommt das Produkt in Außenraum und nur in kleinen Stückzahlen zum Einsatz. Das wachsende Interesse von Architekten führt jedoch zurzeit zu einem Ausbau
63
erster Linie für künstlerische, exquisite Anwendungen im Innen- oder
DAS FLÄCHIGE FÜGEN VON GLAS FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
Glas
A
PVB-Folie/ Gießharz Glas
Glas
B
Glas (Deckschicht) Glas
Mittelachse
(tragende Schicht) Glas (Deckschicht)
C
1
2
3
1 Aufbau eines Verbundglases (VG) bzw. eines Verbundsicherheitsglases (VSG): A: Symmetrischer Aufbau B: Asymmetrischer Aufbau C: Symmetrisches Mehrfach-Verbundglas: Die innen liegende, tragende Glasscheibe springt zurück,
2 Eine VSG-Scheibe aus teilvorgespanntem Glas (TVG): Die Splitter bleiben an der PVB-Folie haften.
um vor gewaltsamer Beschädigung geschützt zu 3 VSG-Scheiben vor dem Autoklaven
3.5
werden; die Deckschichten bilden „Opferscheiben“.
_
HERSTELLUNG UND FERTIGUNG
_
PVB-Verbunde werden in zwei Schritten hergestellt. Zunächst werden
_
die Einzelscheiben erwärmt und mit der Folie verpresst (Vorverbund), bevor im Autoklaven bei hohem Druck und Temperaturen von circa
_ _
3.5
140 °C ein vollflächiger Verbund erzielt wird. Der Vorverbund kann im
DAS FL ÄCHIGE FÜGEN VON GL AS –
Walzverfahren oder bei gebogenen Scheiben und Mehrfachverbunden
VERBUND - UND VERBUNDSICHERHEITSGL AS
auch im Vakuumsackverfahren erfolgen. Die Dicke der Zwischen-
64
schicht beträgt ein Vielfaches der Folienstärke von 0,38 und 0,76 MilVerbundgläser bestehen aus mindestens zwei Glas- oder Kunststoff-
limeter. Bei vorgespannten Gläsern werden zum Welligkeitsausgleich
scheiben, die durch Zwischenschichten miteinander verbunden sind.
dickere Folien verwendet. Spezialisierte Veredelungsunternehmen
Gebräuchliche Materialien sind Polyvinylbutyral (PVB), Gießharz (GH),
sind in der Lage, Einfach- und Mehrfachverbundgläser bis zum Band-
Äthylenvinylacetat (EVA) und SentryGlas Plus (SGP) von Dupont. Das
maß von 3,21 m x 6 m und einem maximalen Gesamtgewicht von
flächige Fügen eröffnet durch die Wahl von Fügepartner, Schichtenfolge
1 Tonne zu laminieren, in Ausnahmefällen sogar bis 7 Meter Länge
und -dicke vielfältige Möglichkeiten, mechanische und optische Eigen-
und einem Gesamtgewicht von 2 Tonnen. Für spezielle Glasanwen-
schaften zu modifizieren. Ein Verbundsicherheitsglas (VSG) hat splitter-
dungen stellt beispielsweise Glasbau Seele im Vakuumsackverfahren
bindende Eigenschaften und eine erhöhte Resttragfähigkeit. [3.5/1]
sogar Verbundgläser bis 12 Meter Länge her. Bei Glasaufbauten mit
Autoklav
DAS FLÄCHIGE FÜGEN VON GLAS
Vorverbund durch Kalander
fertiges VSG
4 VSG
Glas-Glas-Verbund
Glas-Kunststoff-Verbund
Schallschutz
Integration PV
PVB – Folie
ja
ja
nein
ja
Dünnschichtzellen
Gießharz (GH)
bedingt
ja
nein
ja
kristalline Zellen
EVA – Folie
bedingt
ja
nein
nein
ja
PU – Folie
bedingt
nein
ja
nein
bedingt
5
6
7
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
Positionieren und Zusammenlegen
8
4 Schematischer Ablauf des zweistufigen Herstellungsverfahrens von VSG
7 Automatisches Zusammenlegen der Einzelscheiben
8 Vorverbund
3.5
5 Verwendungsmöglichkeiten von Verbundmaterialien
6 Einlegen der PVB-Folie
vorgespannten Gläsern werden die Fertigungsgrößen in der Regel von
schiedenen Produktbezeichnungen hergestellt (Scholl-Leichtglas, Si-
den Abmessungen der Vorspannöfen begrenzt. [3.5/2, 3.5/3]
la-Carb, Rodurlight etc). Der Aufbau weist meistens eine PC-Scheibe
Die wesentlich steifere Zwischenschicht SGP wird ähnlich wie PVB
als Kern und dünne, vorgespannte Gläser an den Außenflächen auf
in einem Autoklaven zu Verbundsicherheitsglas verarbeitet. Im Gegen-
_ Abb. 15, 17
satz zu PVB kommt das Material allerdings nicht als Rollen-, sondern
peraturdehnungen von PC zu gewährleisten, erzielt gute Haftungsei-
als Plattenmaterial mit standardmäßigen Dicken von 1.52 und 2.28 Mil-
genschaften und ist chemisch beständig, aber relativ teuer. PU kann
limeter in den Handel. Zurzeit ist die Fertigungsbreite auf 2,50 Meter
ähnlich wie PVB als Folie oder flüssig verarbeitet werden. Beim Ein-
beschränkt, standardmäßig beträgt die Plattenlänge 3 Meter.
pressen von flüssigem Polyurethan zwischen die an den Rändern ab-
Bei der nicht voll automatisierten Herstellung von GH-Verbundscheiben wird das Harz in den mit transparentem doppelseitigem Kle-
. Polyurethan (PU) vermag die Aufnahme der großen Tem-
gedichteten Scheiben bestehen hinsichtlich der Form des Verbundelementes kaum Beschränkungen. [3.5/5]
beband abgedichteten Scheibenzwischenraum von 1 bis 2 Millimetern
Schollglas stellt mit Gewe-composite ein Verbundglas her, bei dem
Breite eingelitert. So können auch Scheiben mit größeren Dickentole-
ein spezielles Gießharz mit hoher Verbundwirkung verwendet wird,
ranzen verbunden werden. Die Fertigungsgrößen werden nur von der
das wie bei SGP eine Reduzierung der Scheibendicken erlaubt.
gen. [3.5/4] Verbundgläser aus Glas und Polycarbonat (PC) werden unter ver-
65
Größe des Kipptisches begrenzt und können bis zu 3 m x 8 m betra-
DAS FLÄCHIGE FÜGEN VON GLAS
A ohne Verbund/lose
Z|D
B mit elastischem Verbund
Z|D
C mit starrem Verbund 9
12
Schubmodul G [N/mm2]
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
Z|D
2,0 1,5 1,0 0,5 0,1 0 0
10
11
10 20 30 40 50 60 70 80 90 Temperatur T [°C]
13
12
Spannungsverteilung im Querschnitt eines Verbundglases:
9 Dachverglasung mit SGP und Pilkington Planar,
A: ohne Verbund
Yorkdale Shopping Center, Toronto, Kanada
B: mit partiellem Verbund C: mit vollem (starrem) Verbund
10 Resttragfähigkeitsversuch eines VSG aus ESG: Kurz nach dem Bruch ist das VSG noch relativ 13
steif, mit anhaltender Belastungsdauer sackt 11 Delamination eines VSG bei mangelhafter Herstellung
Näherungskurve für die Abhängigkeit des Schubmoduls G von der Temperatur T (bei VSG)
3.5
es zusammen wie ein „nasses Handtuch“.
BEDEUTUNG FÜR DAS KONSTRUIEREN
den aus Einzelgläsern mit starken Planitätsabweichungen sowie bei
Durch das Laminieren von Glas zu Verbundelementen kann das Trag-
gebogenen und strukturierten Gläsern zum Einsatz.
66
verhalten bei intakten aber vor allem auch bei gebrochenen Einzelgläsern entscheidend verbessert werden. Splitterbindung, Trag- und
_ TRAGFÄHIGKEIT
Resttragfähigkeit bei Glasbruch hängen neben der Festigkeit der Ein-
Für das Tragverhalten ist die Position der Zwischenschicht innerhalb
zelgläser vor allem von der Verbundwirkung der Zwischenschicht ab.
des Spannungsquerschnittes relevant. Bei gleich dicken Deck-
Bei der Detailplanung sind die größeren Herstellungstoleranzen
schichten eines symmetrischen Verbundaufbaus liegt die Zwischen-
bei Verbundgläsern zu beachten. Durch den Laminierungsprozess
schicht in der Mittelachse und wird im intakten System nur durch
von PVB oder SGP kann es an den Kanten der Gläser sowie an den
Schubkräfte beansprucht. Je steifer die Folie, desto größer ist die Ver-
Wandungen von Bohrlöchern zu einem Kantenversatz von bis zu
bundwirkung und desto kleiner die auftretenden Verformungen. Da es
2 Millimetern kommen, der bei vorgespannten Gläsern nicht mehr bei-
sich bei PVB um einen visko-elastischen Thermoplast handelt, ist das
geschliffen werden darf. Die tatsächlichen Außenabmessungen kön-
Schubmodul in besonderem Maß von der Umgebungstemperatur und
nen so bis zu 4 Millimeter vom Ursprungsmaß abweichen
.
der Dauer der Einwirkung abhängig. Aufgrund dieser Abhängigkeiten
Bei Gießharzverbunden können durch die manuelle Ausrichtung der
sind bei rechnerischen Nachweisen Fallunterscheidungen sinnvoll,
Scheiben geringere Kantenversprünge als beim PVB-Verbund erzielt
wie sie etwa im Normentwurf der EN 13474 vorgeschlagen wurden.
werden. Gießharze kommen vor allem für die Herstellung von Verbun-
Bei kurzzeitigen Lasten wie Windböen oder Anpralllasten kann ein
_ Abb. 18
DAS FLÄCHIGE FÜGEN VON GLAS 18
PC-Kern
PU-Harz
PU-Folie/
1 1
Glas-GlasVerbund
Glas-PolycarbonatVerbund
Dicke [mm]
40
24
Gewicht [kg/m2]
90
38
U - Wert [W/m2K]
4,47
3,95
Dünnglas
5
5
9
5
15
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
16
5
14
Dünnglas
17
19
14, 16 Bauteilversuche an Mehrfach-VSG-Scheiben für begehbare Verglasungen: Bei kurzzeitigen Belastungen wie beim harten Stoß (hier simuliert durch einen Stahltorpedo) ist die
18 15
Mehrschichtiger Aufbau eines SILACarb-Sicherheitsglases
Verbundsteifigkeit hoch, bei mittel- und langfristigen Beanspruchungen wie bei der Resttragfähigkeit gebrochener Scheiben unter Eigen- und Verkehrslast
19 17
Glas-Glas-Verbund und Glas-Polycarbonat-Verbund
Aufbau eines Glas-Polycarbonat-Verbundglases mit
gleicher Widerstandsklasse (durchbruchhemmend
einer Durchbruchhemmung P6B nach EN 356
P8B nach EN 356) im Vergleich
3.5
(hier simuliert durch Lastpakete) dagegen gering.
Produktionstechnisch kann es bei der Fertigung von VSG zu einem Kantenversatz von bis zu 2 mm kommen.
voller Schubverbund, bei dauerhaft einwirkenden Lasten wie Eigenge-
gerechnet werden kann und die Scheibendicken und -gewichte deut-
wicht darf dagegen nur die Steifigkeit der Einzelscheiben berücksich-
lich reduziert werden können. Mittlerweile wird SGP im konstruktiven
tigt werden. Bei Temperaturen unter 23 °C kann bei mittelfristig wir-
Glasbau wie bei den Treppen für die Apple-Stores auch dazu benutzt,
kenden Lasten ein Teilverbund veranschlagt werden. Ab 80 °C beginnt
Beschläge auf die Glasoberfläche zu laminieren, um die Optik mecha-
sich die PVB-Folie vom Glas zu trennen (Delamination). [3.5/6, 3.5/7]
nischer Verbindungen zu vermeiden. Da die Wärmeausdehnung von
EVA und GH weisen ein ähnliches rheologisches Materialverhalten wie PVB auf. Ihre Steifigkeit ist bei Raumtemperatur nur etwa halb so
SGP aber ein Vielfaches von der des Glases beträgt, müssen Temperaturspannungen auch langfristig besonders beachtet werden.
groß wie bei PVB, bei Temperaturen um 60 °C ist die verbleibende Steifigkeit allerdings deutlich höher. Bei weichen, für den Schallschutz
_ SPLIT TERSCHUTZ
optimierten GH-Zwischenschichten darf kein Verbund angerechnet
Um das Risiko von Schnitt- und Stichverletzungen so weit als möglich
werden.
zu mindern, steht die Splitterbindung und Resttragfähigkeit bei Glas-
Im Gegensatz zu PVB, Gießharz oder EVA besitzt die konstruktive
bruch an oberster Stelle und ist ausschlaggebend für die Klassifizie-
Zwischenschicht SGP, ursprünglich für Verglasungen in Hurrikan-Ge-
rung als VSG. Über 95 Prozent aller VSG werden mit Folien aus PVB
bieten entwickelt, eine bis zu 100-fach höhere Steifigkeit. Hohe Dau-
hergestellt. In der Isonorm EN ISO 12543 sind die Mindestanforde-
ertemperaturen (bis 70 °C) verändern kaum die mechanischen Eigen-
rungen an ein VSG festgeschrieben, die sich an den Eigenschaften
schaften, so dass auch bei Dauerlasten ein vollständiger Verbund an-
von PVB orientieren; die konstruktiven SGP-Zwischenschichten über-
67
UND REST TRAGFÄHIGKEIT
DAS FLÄCHIGE FÜGEN VON GLAS
Nennmaß
Aufbau
Gesamt-
Gesamtdicke
[mm]
gewicht
dämmmaß
[kg/m2]
[dB]
[mm]
Scheibe 1
SZR
Scheibe 2
Schall-
mit Standard-PVB-Folien 9
44,2
–
–
20
34
12
64,4
–
–
25
35
13
66,2
–
–
30
36
15
66,6
–
–
30
37
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
mit speziellen PVB-Folien (Trosifol Sound Control) 9
44,2
–
–
20
37
29
44,2
16
4
30
39
31
44,2
16
6
35
41
33
44,2
16
8
40
43
39
66,3
16
10
55
46
38
44,2
16
66,3
50
48
Dicke [mm]
Farbe
Lichtdurchlässigkeit [%]
0,38
farblos
88
0,76
farblos
88
1,14
farblos
88
1,52
farblos
88
0,38
weiß
71
0,38
weißtransluzent
65
0,38
hellblaugrün
73
0,38
ozeanblau
71
0,38
Medium Bronze
52
0,38
grau
44
0,38
hellbraun
55
0,38
mittelbraun
26
0,38
dunkelbraun
9
23
20
21
20
Anwendungsbeispiel für VSG-Schallschutzgläser mit Trosifol Sound Control, Flughafen Köln-Bonn
21
Muster von VSG-Scheiben mit farbigen PVB-Folien (Stadip Color von SGG)
22
Muster einer VSG-Scheibe mit bedruckter Zwischenfolie (Sentry-Glass Expressions von Dupont)
23
Schalldämmmaß RW für ausgewählte VSGKonfigurationen: ein Scheibenaufbau 44.2 bedeutet VSG aus Scheiben von je 4 mm und 2 Zwischenlagen-PVB-Folien von je 0,38 mm
24
Lichtdurchlässigkeiten von verschiedenen
3.5
farbigen PVB-Folien (Trosifol MB) 22
24
treffen diese Anforderungen. Auch Gießharze, EVA- und PU-Folien las-
gegeneinander verzahnen können, so dass eine gewisse Formstabilität
sen sich hinsichtlich ihrer splitterbindenden Eigenschaften optimieren.
erhalten bleibt – im Gegensatz zu einem VSG aus ESG, das wie ein
Die Resttragfähigkeit von VSG hängt von Folienart, Foliendicke
„nasses Handtuch“ zusammensackt _ Abb. 10.
68
und dem Bruchbild der Einzelgläser ab. Da sich nach Bruch einer oder mehrerer Glasscheiben in der Regel Zugspannungen in der Folie
BEDEUTUNG FÜR DIE R AUMHÜLLE
aufbauen, bestimmen Reißfestigkeit und Reißdehnung der Zwischen-
_ OPTISCHE
schicht maßgeblich die Standzeit. In PVB-Verbunden kann die Rest-
Die Zwischenschichten unterscheiden sich in ihrem Brechungsindex
tragfähigkeit durch größere Foliendicken verbessert werden. Durch
kaum von dem von Glas, so dass sie in der Durchsicht nicht zu erken-
die Verwendung von SGP können die Verformungen nach dem Bruch
nen sind. PVB- und GH-Schichten absorbieren einfallendes UV-Licht
deutlich reduziert werden. Zudem haben Forschungen am ILEK der
fast vollständig. Mit dickeren PVB- und GH-Schichten (ab circa
Universität Stuttgart gezeigt, dass die Resttragfähigkeit durch Faser-
1,5 mm) laminiertes Weißglas zeigt einen leichten Gelbstich, während
und Gewebeeinlagen im Folien- oder Gießharzverbund deutlich ver-
SGP ähnlich wie Polycarbonat vollkommen farblos bleibt. An den Kan-
bessert werden kann.
ten von Gießharzscheiben sind bei bestimmten Lichtverhältnissen
EIGENSCHAFTEN
Bei Glasbruch sämtlicher Scheiben beeinflusst das Bruchbild
Lichtbrechungen an den Klebebandrändern möglich. Die Kantenstabi-
maßgeblich die Resttragfähigkeit. Nicht oder nur teilweise vorge-
lität von PVB-Verbunden ist geringer als bei SGP, aber in der Regel so
spannte Spiegelgläser brechen in Schollen, die sich im Folienverbund
gut, dass auch bei frei bewitterten Kanten keine Delaminierungen
DAS FLÄCHIGE FÜGEN VON GLAS Glas Lochblech in PVB eingebettet Glas
26
27
25
Muster Laminatglas mit Dekoreinlage
26
Aufbau eines Glas-Lochblech-Verbundglases
27
Simulation einer selbsttragenden hängenden
29
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
25
Fassade als Glas-Lochblech-Verbundglas Entwurf: Chr. Lueben, M. Mertens 28
Sphärisch gebogene VSG mit besonderen Sicherheitsanforderungen, Besucherkapsel London Eye, 1999, Konstruktionsfirma: Hollandia
29
VSG mit transluzenten PVB-Folien, SGG Stadip mit PVB-Folie Trosifol MB, Zuschauergalerien Turbinenhalle Tate Modern, London, 2000, Arch.: Herzog & de Meuron
3.5
28
oder Verfärbungen auftreten. Das Erscheinungsbild von VSG kann
_ SICHERHEITSEIGENSCHAFTEN
durch Verwendung eingefärbter PVB-Folien modifiziert werden. Die
Als Raumabschluss kann VSG auch aktive Sicherheitseigenschaften
Folienhersteller bieten ein Farbspektrum von transparenten und trans-
erfüllen. Nach EN 356 werden durchwurf- und durchbruchhemmende,
luzenten Grundfarben an, die miteinander kombiniert werden können
nach EN 1063 durchschusshemmende und nach DIN EN 13541
_ Abb. 21
. Die Folienbreiten sind von Farbe und Dekor anhängig,
sprengwirkungshemmende Aufbauten unterschieden, die in weitere
Grundfarben werden in der Bandmaßbreite von 3,21 Meter hergestellt.
Widerstandsklassen unterteilt werden.
Durch das Einlegen von laserbedruckbaren PE- oder PET-Folien (Pat-
Die extrem hohe Schlagzähigkeit und Belastbarkeit von PC im Ver-
ternfolien) ergeben sich weitere gestalterische Möglichkeiten _ Abb. 22.
bund verbessern die Durchbruchsicherheit. Die Deckschichten aus
Im digitalen Vierfarbendruck kann auch direkt auf die PVB-Folie ge-
Glas gewährleisten eine gute Kratzfestigkeit. Bei vergleichbaren Wi-
druckt werden. [3.5/8, 3.5/9]
derstandsklassen ist ein Glas-PC-Verbund dünner und leichter als ein
Das Gießharz kann im gesamten Farbspektrum koloriert oder mit
Glas-Glas-Verbund.
beliebigen anderen Materialien durchzogen werden, wodurch aber meist die mechanischen Eigenschaften beeinträchtigt werden. Ge-
_ AKUSTISCHE
naue Bemusterung und Reproduzierbarkeit der dekorativen Effekte
Der Aufbau eines Verbundglases um eine weiche Zwischenschicht ent-
sind nur bedingt möglich.
spricht einem schalldämpfenden Masse-Feder-Masse-System. Für einen optimierten Schallschutz sind spezielle PVB-Folien mit einem wei-
69
EIGENSCHAFTEN
DAS FLÄCHIGE FÜGEN VON GLAS FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
31
30
Laminierte Natursteinplatten erzielen ungewöhnliche optische Effekte (Verbundglas aus 12 mm ESG, 1,5 mm Gießharz und 10 mm Marmor). Christus Pavillon auf der Expo 2000, Arch.: gmp, Glas: Wendker & Selders
31
Ansicht einer Verbundscheibe mit integrierter HOE-Gitterfolie: Das einfallende Licht wird
3.5
in seine Spektralfarben zerlegt. 30
chen Kern entwickelt worden, die bis zur Bandmaßbreite von 3,21 Me-
kann durch Draht-, Geflecht-, Gewebe- oder Lochblecheinlagen erzielt
ter produziert werden. Gießharze kommen oft für Schallschutzgläser
werden. Für die Integration im PVB-Verbund müssen die Materialien
zur Anwendung, allerdings können diese aufgrund der gewünschten
genügend Durchgriff und Perforierung aufweisen, um einen Haftver-
Elastizität der Zwischenschicht die Anforderungen an die Splitterbin-
bund zu ermöglichen _ Abb. 25.
dung in der Regel nicht erfüllen. Aufgrund der höheren Steifigkeit weist
Eine weitere mögliche Anwendung ist die Einbettung von Filmen mit
SGP schlechtere schalldämmenden Eigenschaften auf _ Abb. 23.
Holografisch-Optischen Elementen (HOE), die zur Lenkung von direktem oder diffusem Tageslicht, als transparente Rückprojektions-
_ SPEZIELLE
VERBUNDGLÄSER
70
Aus dekorativen Zwecken lassen sich über GH oder PVB Gläser mit
wand oder für farbige Lichteffekte benutzt werden können
_ Abb. 31.
[3.5/10]
anderen flächigen Materialien verbinden. So werden dünn geschnitte-
Seit einiger Zeit befinden sich thermotrope, elektrochrome und
ne transluzente Natursteinplatten auf eine tragende Glasscheibe lami-
elektro-optische Verbundgläser mit variabler Strahlungsdurchlässigkeit
niert, um die Textur des Steins erfahrbar zumachen (z.B. Fiberglass,
in der Entwicklung. Marktreif sind bislang nur Verbundgläser mit
GreinTec). Die Natursteinschichten betragen zwischen 15 Millimeter
Schichten aus Flüssigkristallen (LC), die zwischen PU-Folien eingebet-
(Marmor oder Onyx) und 1 Millimeter (Granit) _ Abb. 30.
tet sind. Durch das Anlegen eines elektrischen Feldes richten sich die
In den PVB- oder GH-Verbund können auch weitere Dekor- oder
Kristalle aus, das Glas wechselt von einem durchscheinenden in einen
Funktionsschichten integriert werden. Ein saisonaler Sonnenschutz
durchsichtigen Zustand. Die Lichtdurchlässigkeit bleibt dabei nahezu
2
3
A
DAS FLÄCHIGE FÜGEN VON GLAS
1
B
32
34
32
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
4
Gebäudeintegrierte Solarmodule an der gläsernen Hüllkonstruktion der Fortbildungsakademie Herne, 1998 Arch.: Jourda & Perraudin Architectes mit HHS Planer
33
Gekrümmte VSG-Scheiben mit gefärbtem Gießharz als Überkopfverglasung: Die ungefärbten Abdichtungsbänder und die Schlieren in der Fläche beeinträchtigen das Erscheinungsbild.
34
Funktionsweise einer elektro-optischen Verglasung: Durch Anlegen eines elektrischen Feldes wird ein durchscheinendes Glas (B) durchsichtig (A). 1: Glas 2: Transparente Elektrodenschicht 3: Polymerschicht mit gerichteten Flüssigkristallen 4: Polymerschicht mit ungerichteten Flüssigkristallen
3.5
33
unverändert (circa 75 Prozent). Diese elektro-optischen Gläser sind
von symmetrischen Verbundgläsern. Die Deckscheibe wird normaler-
als VSG klassifiziert und weisen eine maximale Fertigungsgröße von
weise als Weißglas ausgeführt. Front- und Rückscheiben bestehen
1 m x 2,8 m auf. [3.5/11, 3.5/12]
aus TVG, um den erhöhten Temperaturen, die durch die Absorption der Sonnenenergie entstehen, standzuhalten. Maximale Fertigungsgrößen liegen bei 3,2 m x 2 m.
stellen Brandschutzgläser dar, die neben der raumschließenden Wir-
Man unterscheidet nach Wirkungsgrad und Erscheinungsbild mo-
kung auch die Ausbreitung der Hitzestrahlung eindämmen. Im Brand-
no-, polykristalline und amorphe Zellen. Kristalline Zellen werden wegen
fall bricht die beanspruchte Glasseite, und die Brandschutzmasse
ihrer größeren Dicke vorwiegend in Gießharz (Schichtdicke 2 mm) ein-
schäumt auf, wodurch der Durchgang der Hitzestrahlung fast vollständig
gebettet, während amorphe Zellen in einen PVB-Verbund integriert wer-
blockiert wird. Die Scheibengrößen betragen bis 1,35 m x 2,70 m.
den. Den besten Wirkungsgrad erzielen blaue, dunkelgraue bis schwar-
Von großer Bedeutung für Gebäudehüllen ist die Integration von
ze monokristalline Solarzellen (circa 16 Prozent). Aufgrund des geringe-
Photovoltaik (PV)-Zellen. Im Gegensatz zu freistehenden add-on-Sys-
ren Energieaufwandes bei der Herstellung und der guten Haltbarkeit
temen, bei denen die Solarzellen in EVA- und Tedlarfolie eingebettet
kommen meist polykristalline Zellen mit Kantenlängen von 10, 12,5 und
auf die Rückseite einer Glasscheibe aufgebracht werden, liegen bei
15 Zentimeter zum Einsatz, die innerhalb eines Moduls frei angeordnet
gebäudeintegrierten PV-Anlagen im Dach- und Fassadenbereich die
werden. [3.5/13] Scheiben mit eingebetteten PV-Zellen sind meist keine
Zellen geschützt in der mittleren, spannungsfreien Zwischenschicht
Verbundsicherheitsgläser (schlechtere Trag- und Resttragfähigkeit).
71
Verbundgläser mit einer zwischen vorgespannten Gläsern eingeliterten Brandschutzmasse aus Wasserglas oder salzhaltigem Hydrogel
ISOLIERGLÄSER FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
innen
außen
Verfahren
Produkt
Online-Sprühen (Pyrolyse)
Low-Energy-Gläser
Hardcoating thermisch und mechanisch beständig, für Weiter-
Sonnenschutzgläser
verarbeitung geeignet,
Spiegel
als Einzelglas verwendbar, bei Isolierglas in Pos. 1-4
Selbstreinigende Gläser Tauchbeschichtung
Entspiegelte Gläser
bei Einbrenntemperaturen > ca. 600 °C
°C 1 1
2
3
4 Softcoating mechanisch, oft auch therm.
Magnetronsputtering
nicht beständig, begrenzt
Low-Energy-Gläser Sonnenschutzgläser
für Weiterverarbeitung geeignet, bei Isolierglas nur außen
innen
in Pos. 2, 3
Tauchbeschichtung
Dichroitische Gläser
bei Einbrenntemperaturen < ca. 600 °C
2
Online begrenzte Schichtmaterialien
Online-Sprühen (Pyrolyse)
und Schichtanzahl,
Low-Energy-Gläser Sonnenschutzgläser
begrenzte Leistungsfähigkeit
Offline flexible Schichtmaterialien
Magnetronsputtering
Low-Energy-Gläser
und Schichtanzahl,
Sonnenschutzgläser
hohe Leistungsfähigkeit
Entspiegelte Gläser Spiegel Tauchbeschichtung
3
1 Die vielfältigen Schutzfunktionen eines Isolierglases: Wärmeschutz, Hitzeschutz, Lärmschutz und Schutz vor Einbruch 2 Bezeichnung der Positionen beschichteter Gläser bei einem Zweifach-Isolierglas
3.6
3 Beschichtungsarten im Überblick
_
OBERFL ÄCHENBESCHICHTUNGEN
_
Die harte, beständige und ebene Floatglasoberfläche ist ein ideales
_
Substrat für einen homogenen Materialauftrag während oder nach der Formgebung des Glases. Die mechanischen Eigenschaften bleiben
_ _
3.6
ISOLIERGL ÄSER – BESCHICHTEN DER SCHEIBE UND VERBINDEN DER RÄNDER
durch den Beschichtungsprozess weitgehend unverändert. [3.6/1] Dünnfilmbeschichtungen für den Sonnen- und Wärmeschutz werden im Sprüh-, Kathodenzerstäubungs- oder Tauchverfahren hergestellt. Zu den Dickfilmbeschichtungen zählen aufgedruckte bezie-
Die letzte Stufe im Veredelungsprozess von Flachglas ist das Fügen
hungsweise aufgewalzte Farbschichten und gegossene Verbund-
von Einfach- oder Verbundscheiben zu Mehrscheiben-Isolierglas
schichten (s. Abschnitt 3.5).
72
(MIG). Isoliergläser haben ihre vorrangige Bedeutung im Wärme-
Je nach Widerstandsfähigkeit gegen mechanische, thermische
schutz, werden aber zunehmend auch multifunktional eingesetzt, um
und chemische Einwirkungen werden hard- und softcoatings unter-
Anforderungen an den Sonnen-, Blend- und Schallschutz zu integrie-
schieden. Hardcoatings werden meist als Online-Beschichtungen un-
ren _ Abb. 1. Die Eigenschaften des Isolierglases werden von den Be-
mittelbar nach der Formgebung des Glases auf die heiße Flachglaso-
schichtungen der Einzelgläser, der Ausführung des Randverbundes
berfläche durch ein Sprühverfahren eingebrannt (Pyrolyse). Aktuell
und dem Gesamtaufbau bestimmt.
werden pyrolytische hardcoatings mit verbesserten Eigenschaften und
ISOLIERGLÄSER 0 Glasoberfläche
Reflexion [%]
20 40 60 80
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
6
Low-E-Beschichtung
100 0
500
1000
1500
2000
Wellenlänge [nm] 4
7 Sichtbares Licht [%] τv
Reflexionsfarbe
ρv
Gesamtstrahlung [%] αv
τe
ρe
αe
pyrolytisch (online) bläulich-gräulich
54
19
27
38
16
46
bronzefarben
18
17
65
29
14
57
grünlich
26
32
42
19
17
64
4 Kathodenzerstäubungsanlage Magnetronsputtering (offline) 5 Optische Kenndaten für verschiedene
starb silbrig
08
42
50
06
37
57
silbrig
32
13
55
26
14
60
gräulich
40
10
50
37
09
54
stark bläulich
08
30
62
08
25
67
bläulich
50
07
43
45
08
47
jeder Glasoberfläche wird die Flamme reflektiert,
stark grünlich
07
30
63
04
17
79
die Verfärbung des reflektierten Spiegelbildes
grünlich
26
11
63
15
08
77
markiert die Position der Beschichtung (hier:
Sonnenschutzbeschichtungen 6 Feuerzeugprobe zur Schichtbestimmung: An
Wärmeschutzbeschichtung auf Position 3). 5
7 Reflexionskurve für eine Low-E-Wärmeschutzbeschichtung: Die Reflektivität ist im sichtbaren Bereich gering,
3.6
im langwelligen IR-Bereich sehr hoch.
hitzebeständige softcoatings entwickelt. Die empfindlicheren Offline-
tät (Wärmeabstrahlung) von circa 90 auf etwa 15 Prozent herabge-
Beschichtungen werden auf gekühltem Glas aufgetragen, durch Mehr-
setzt wird (Low-E-Beschichtung) _ Abb. 7.
fachbeschichtung und flexible Schichtaufbauten werden leistungsfähigere Schichtsysteme ermöglicht _ Abb. 3. [3.6/2]
Die Wirkung selbstreinigender Gläser (z.B. SGG Bioclean, Pilkington Activ) beruht auf einer hydrophilen Schicht auf der Außenseite des Glases, die die Oberflächenspannung herabsetzt und ein gleichmä-
_ PYROLY TISCHE
SPRÜHBESCHICHTUNGEN
ßiges Abfließen des Regenwassers ermöglicht. Tröpfchenbildungen
Pyrolytische hardcoatings, die sich auch für thermische Veredelungen
und Schmutzrückstände werden verhindert. Darüber hinaus be-
wie Biegen, Vorspannen und Emaillieren eignen, kommen für Sonnen-
schleunigt ein fotokatalytischer Effekt die Zersetzung organischer
und Wärmeschutzbeschichtungen und selbstreinigende Beschich-
Rückstände auf dem Glas. Ein Kontakt mit Silikonmassen muss ver-
tungen zum Einsatz.
hindert werden, ein Nassverfugen ist nicht möglich _ Abb. 10.
talloxidschicht auf klares oder gefärbtes Glas aufgebracht, die im ge-
_ KATHODENZERSTÄUBUNGSVERFAHREN
samten Bereich des Sonnenspektrums den Strahlen- und Energie-
Die größte Bedeutung für das Bauwesen haben im Kathodenzerstäu-
durchlass reduziert. Im reflektierten Licht wirken die Scheiben farblich
bungsverfahren (Magnetronsputtering) aufgetragene hochleistungsfä-
getönt und metallisch glänzend. Zur Verbesserung des Wärmeschutzes
hige softcoatings für den Sonnen- und Wärmeschutz
kann eine Zinnoxidschicht aufgetragen werden, wodurch die Emissivi-
Beschichtung erfolgt im kundenspezifischen Festmaß: Ein ther-
_ Abb. 4
. Die
73
Als Sonnenschutzbeschichtung wird eine stark reflektierende Me-
ISOLIERGLÄSER FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
10
8
11
8, 9 Neue Beschichtungstechnologie von abrasions- und witterungsbeständigen Chromspiegelbeschichtungen, die nicht vollflächig, sondern nur partiell aufgebracht werden (SGG STADIP aus PlaniluxDiamant und PVB-Folie Trosifol MB), Lentos Kunstmuseum Linz, Arch.: Weber und Hofer 10
Wirkungsweise SGG Bioclean: Nasse Floatglasscheibe, rechts mit und links ohne hydrophile Beschichtung
3.6
11
Farbwirkung dichroitisch beschichteter Glasproben
9
misches Vorspannen und das Erstellen von Bohrungen und Aus-
gesenkt werden, so dass mit dem Sonnenschutz auch ein wirkungs-
schnitten erfolgt vor der Beschichtung, das Laminieren der Gläser im
voller Wärmeschutz erreicht wird. Bei Streiflicht führen diese high-per-
Anschluss daran. In modernen Anlagen können im Bandmaß bis zu
formance coatings bisweilen zu unnatürlichen Reflexionsfarben.
74
15 verschiedenartige Schichten nacheinander aufgetragen werden. Die Durchlaufhöhe der Anlagen ist auf maximal 16 Millimeter be-
_ TAUCHBESCHICHTUNGEN
schränkt. Einfachgläser mit Standardbeschichtungen werden in der
Spezielle Offline-Beschichtunen werden als Sol-Gel-Tauchbeschich-
Regel in Dicken bis 10 Millimeter produziert.
tung beidseitig auf das Glas aufgebracht. Je nach Temperatur der an-
Schichtsysteme mit Silberschichten weisen bei geringer Außenre-
schließenden Wärmebehandlung (zwischen 400 °C und 650 °C) wer-
flexion (circa 12 Prozent) und neutraler Reflexionsfarbe eine hohe Se-
den sie zu soft- oder hardcoatings gezählt. Bei Antireflex-Gläsern redu-
lektivität auf. Die Edelmetallschicht zeigt bei hoher Durchlässigkeit im
zieren Interferenzerscheinungen an aufgetragenen Metalloxidschichten
Bereich des sichtbaren Lichts ein hohes Reflexionsvermögen im UV-
die Reflexion von 8 Prozent eines normalen Floatglases auf etwa
und Infrarotbereich. Mithilfe von Doppelsilberschichtsystemen ist es
1 Prozent (z.B. Schott Amiran). Entspiegelte Gläser sind in der Regel
möglich, eine Lichtdurchlässigkeit von bis zu 70 bei einem entspre-
bis 12 Millimeter Stärke erhältlich, die maximale Tafelgröße beträgt
chenden Gesamtenergiedurchlass von nur 35 Prozent zu erreichen
circa 1,80 m x 3,80 m. [3.6/3]
und damit die Selektivkennzahl nahe an die physikalische Grenze von
Durch verschiedene Tauchbäder sind Mehrfachbeschichtungen
2 zu bringen. Die Wärmeabstrahlung des Glases kann bis auf 2 Prozent
mit bis zu 40 Schichten möglich, wie sie für die Herstellung von
ISOLIERGLÄSER 15
18
13
16
19
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
12
Glas
Glas SZR
SZR SZR mit Luftfüllung
Abstandhalter Trocknungsmittel
SZR mit Luft- oder Edelgasfüllung
Glasleiste
1. Dichtungsebene (Butyl)
Butylrandverbund mit integriertem Trocknungsmittel
2. Dichtungsebene (Polysulfid/Silikon)
Polysulfid
evtl. Siebdruck
(2. Dichtungsebene)
transparentes Silikon 14
17
20
15 Zweifach-Standard-Isolierglas mit einem Abstandhalter aus Aluminium
12 Vorgänger des heute üblichen Isolierglases: Isolierglas mit verschweißtem Randverbund („Ganzglas-Doppelscheibe“)
18 Muster eines Wärmeschutzglases Thermur HM 16 Muster eines Edelstahl-Randverbundes (its-
mit Klimafolie der Firma Fischer Glas
Randverbund von der Firma Interpane) 13, 14 Muster der Firma Glasbau Hahn und
19, 20 Muster der Firma Scholl Glas und 17 Aufbau eines Standard-Randverbundes
Aufbau eines TPS-Randverbundes
3.6
Aufbau eines Ganzglas-Randverbundes
. Im Schichtaufbau
spezifischen Eigenschaften des Isolierglases hängen von den verwen-
wechseln sich Oxidschichten mit hohen und niedrigen Brechzahlen
deten Glassorten, der Art und Position der Beschichtung(en), der Grö-
ab, so dass ein System aus Interferenzschichten entsteht und das
ße und Füllung des SZR und der Art des Randverbundes ab.
dichroitischen Gläsern benötigt werden
_ Abb. 11
Licht wie durch einen Farbeffektfilter in die Spektralfarben zerlegt
Prinzipiell kommen alle Glasarten wie gebogenes Glas, Brand-
wird. Bestimmte Wellenlängen des sichtbaren Lichtes werden trans-
schutzglas, Gussglas und mit Einschränkungen auch Drahtglas für die
mittiert, komplementäre Wellenlängen reflektiert. Die Farbwirkung
Weiterverarbeitung zu Isolierglas in Betracht. Für ein einheitliches Er-
hängt neben den Schichtdicken, dem Einfallswinkel und der Intensität
scheinungsbild sollte innerhalb einer Fassade natürlich der gleiche Auf-
des Lichtes auch von dem Standort des Betrachters ab. Sie kosten
bau gewählt werden. Qualität und Dicke der Gläser (SG, ESG, TVG)
circa das 150-fache eines normalen Flachglases. [3.6/4, 3.6/5]
richten sich nach den statischen Erfordernissen. Für den Schall- und Einbruchsschutz werden Verbund- und Verbundsicherheitsgläser verwendet.
Eine Isolierglaseinheit besteht nach der Euronorm EN 1279 aus min-
Beschichtete Gläser verbessern die bauphysikalischen Eigen-
destens zwei Scheiben, die entlang ihrer Kanten linienförmig gefügt
schaften des Isolierglases. Um die Position der Beschichtung zu be-
sind und so einen luft- oder gasgefüllten Scheibenzwischenraum
zeichnen, werden die Scheibenoberflächen des Isolierglases von der
(SZR) einschließen. Ein Standard-Isolierglas besteht aus zwei, ein
außen liegenden Wetterseite (Pos.1) zur Innenseite (z. B. Pos. 4) num-
hoch dämmendes Wärmeschutzglas aus drei Scheibenebenen. Die
meriert. Softcoatings sind nur auf den geschützten Positionen 2 und 3
75
AUFBAU EINES ISOLIERGL ASES
ISOLIERGLÄSER
8 – 16 mm SZR : Luft Argon Krypton (SF)
Innenscheibe
12 mm
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
Außenscheibe
22
2 – 8 mm
12 mm
60°
SZR 15°
23 4
4 Glas
Außen
Evakuierungsöffnung mit verlötetem Verschluss Mikro-Abstandhalter Low-E-Beschichtung Gelöteter Randverschluss
U ~ 1,3 W / M 2 K 21
24
22
Prinzipieller Aufbau eines Standard-Isolierglases mit Gasfüllung
23
Aufbau einer Dreifach-Isolierverglasung mit
Im Scheibenzwischenraum integrierte gekantete
Stahlgewebeeinlage als saisonaler Sonnenschutz.
Lochbleche, Mediathek Vénissieux, 2001,
Edelgasfüllung und Wärmeschutzbeschichtung
Arch.: D. Perrault
befinden sich in einem getrennten SZR.
24
Aufbau eines Vakuum-Isolierglases mit einem U-Wert von ca. 1,3 W/m²K (Spacia von Nipon Sheet Glass)
76
3.6
21
im SZR zulässig. Sonnenschutzbeschichtungen sind außenseitig und
male Tafelgröße beträgt 2,40 m x 1,35 m. Mit einer Low-E-Beschich-
Wärmeschutzbeschichtungen raumseitig vorzusehen _ Abb. 2, 6.
tung kann ein U-Wert um 1,3 W/m²K erzielt werden _ Abb. 24. [3.6/6]
Der SZR bei Standard-Isolierglas beträgt normalerweise 12 bis
Der abdichtende Randverbund eines Standard-Isolierglases be-
16 Millimeter und ist zur Reduzierung der Wärmeleitfähigkeit statt mit
steht aus umlaufenden, etwa 12 Millimeter breiten, schubfest ver-
trockener Luft meist mit dem Edelgas Argon, seltener mit Krypton ge-
klebten Rechteckhohlprofilen aus Aluminium. Da eine vollkommene
füllt
Zur Integration von verschattenden oder lichtlenken-
Dampfdichtigkeit nicht gewährleistet werden kann, ist der Abstandhal-
den Maßnahmen kann der SZR auf bis zu 40 Millimeter zunehmen.
ter mit einem feinkörnigen Trocknungsmittel (Molekularsieb) gefüllt,
Bei der Kombination mit Wärme- und Sonnenschutzbeschichtungen
um eindringende Feuchtigkeit zu adsorbieren und Kondensatbildung
im SZR dürfen die Vorrichtungen nicht in Kontakt mit den softcoatings
zu verhindern. Um eine Korrosion der softcoatings zu verhindern, wer-
kommen. Den besten Schutz bietet ein Dreifachisolierglas (mit ent-
den die Einzelgläser vor dem Fügen einer mechanischen Randent-
sprechend größerer Gesamtdicke), bei dem Beschichtung und Vor-
schichtung unterzogen. Überwiegend wird ein zweistufiges Dichtsys-
richtung in verschiedenen SZR angeordnet sind _ Abb. 23.
tem verwendet, bei dem die erste Dichtungsstufe eine Verklebung
_ Abb. 22.
Eine Minimierung der Wärmeleitfähigkeit wird durch Evakuierung
zwischen Profil und Glas mit Butyl darstellt, die zweite eine dauerelas-
des SZR erreicht. Das auf dem Markt befindliche Spacia weist eine
tische Dichtung aus Polysulfid, Polyurethan oder Silikon, die auf den
Vakuumschicht von 0,2 Millimeter auf, die Scheiben sind durch Mikro-
außen liegenden Rücken des Abstandhalterrahmens eingebracht wird
noppen gekoppelt und die Glasränder hermetisch verlötet. Die maxi-
_ Abb. 17
. Polysulfid erreicht eine bessere Gasdichtheit als Silikon, ist
+
+
25
ISOLIERGLÄSER
=
-
27
min. 6 mm max. d2 + 2 mm d1
≤ 16 mm
min. 5 mm d2
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
W
evtl. ESG, TVG; kein Drahtglas
Sonnenschutzglas, Farbglas
26
28
29
28 25
Isoliergläsern mit normalen Scheibendicken.
Auch bei einseitiger Beanspruchung z. B. durch Wind werden beide Glasebenen beansprucht.
27
Ausbauchungen bei fallenden Temperaturen und/ oder fallendem Luftdruck (links) und Einwölbungen
29
Bei Sonnenschutz- und Farbgläsern sollten sich
Isolierverglasung eines Hochhauses in New York: Die
bei steigenden Temperaturen und/oder steigendem
aufgrund der erhöhten Bruchgefahr die Scheibendicken
optischen Verzerrungen deuten auf die Einwölbung bzw.
Luftdruck (rechts) – die dünnere Scheibe ist bei stärkeren
(d1, d2) um nicht mehr als 2 mm unterscheiden,
Ausbauchung der Scheiben infolge von Klimalasten hin.
Verformungen einer größeren Bruchgefahr ausgesetzt.
und die dünnere Scheibe sollte vorgespannt sein.
3.6
26
Besondere Bruchgefahr besteht bei steifen Scheiben, wie z. B. bei kleinformatigen
Schematische Darstellung des Kisseneffektes:
aber nicht UV-beständig und sollte daher nicht für einen frei liegenden
einflussen. Dazu zählen der so genannte Kisseneffekt, das Bauchen
Randverbund wie beim Structural-Glazing verwendet werden.
und Wölben der Scheiben infolge von Klimalasten und die Versteifung
Neuartige Randverbundsysteme wie Abstandhalter aus rollge-
durch den Abstandhalter. Temperatur- und Klimaspannungen können
formtem Edelstahlband oder Kunststoff reduzieren die Kältebrücken
die Verwendung vorgespannter Gläser erforderlich machen.
im Randbereich (Warm-Edge-Systeme), wodurch der U-Wert der ge-
Unter Kisseneffekt versteht man bei intaktem Randverbund die me-
samten Glaseinheit um 0,1 bis 0,2 W/m²K verbessert wird. Bei einem
chanische Kopplung der Gläser durch den SZR bei Biegebeanspru-
thermoplastischen Randverbund (Thermo-Plastic-Spacer, TPS) be-
chungen rechtwinklig zur Glasebene. Die beanspruchte Scheibe
steht der Abstandhalter aus einer trocknungsmittelhaltigen extrudier-
„stützt“ sich über das eingeschlossene Volumen auf die nicht unmit-
ten Butylmasse mit einer 1000-fach geringeren Wärmeleitfähigkeit als
telbar beanspruchte Scheibe ab, so dass beide Glasebenen sich zur
Aluminium _ Abb. 19, 20. [3.6/7]
Hälfte am Lastabtrag beteiligen.
BEDEUTUNG FÜR DAS KONSTRUIEREN
ben „konservierten“ barometrischen Luftdruck des Produktionsortes
Beim Konstruieren muss das große Eigengewicht der Einheiten beach-
im SZR. Infolge einer veränderten Wetter- und Höhenlage am Einbau-
tet werden. Der Randverbund und der hermetisch abgedichtete Schei-
ort entstehen Druckdifferenzen, die zu Verformungen führen. Stei-
benzwischenraum führen zu einer Reihe von besonderen mecha-
gende Temperatur oder fallender Luftdruck bewirken eine Ausbau-
nischen Eigenschaften, die das Tragverhalten von Isoliergläsern be-
chung der Scheiben infolge eines Überdrucks im SZR. Bei entgegen-
77
Klimalasten beruhen auf dem durch die Versiegelung der Schei-
16 mm
30
außen
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
ISOLIERGLÄSER
30 mm
SZR 50 m
Abstandhalter
25,00
40/25/3
4,00 Q 22 62 HV
8,00
40,00 4,00
31
30
32
33
Aufbau einer Isolierverglasung als Vertikalverglasung mit integrierten, beweglichen Mikrolamellen für flexiblen Sonnen-, Blend- und Sichtschutz; der große SZR führt zu größeren Klimalasten.
33 32
Musterscheibe
Isolierglaseinheit durch die kraftschlüssige Verklebung
Sonnenschutzlamellen aufgrund von Klimalasten
eines konstruktiven Abstandhalters aus Edelstahl
3.6
31
Skizze zur umlaufenden Lagerung der Einzelgläser einer
Fehlfunktion einer Isolierverglasung mit integrierten
gesetzten klimatischen Verhältnissen entsteht ein Unterdruck, und die
Der umlaufende, verklebte Randverbund führt zu einer Schubkopp-
Scheiben wölben sich nach innen. Das Bauchen der Scheiben wächst
lung der Scheiben entlang der Scheibenränder. In der Regel wird ver-
linear mit der Breite des SZR, als Faustregel führt die Klimalast zu ei-
sucht, die Schubbeanspruchung im Randverbund so gering wie mög-
ner Verformung von etwa 10 Prozent des SZR. Insbesondere Sonnen-
lich zu halten, um die Funktionalität der Dichtungsebenen nicht zu
schutzverglasungen sind aufgrund ihrer Erwärmung starken Klimalas-
beeinträchtigen. So sollte das Eigengewicht beider Glasebenen bei
ten ausgesetzt. Eine Temperaturdifferenz von 3 °C kann eine Klimalast
Vertikal- und Schrägverglasungen direkt gehalten werden und nicht
von 1 kN/m² verursachen _ Abb. 27.
über den Randverbund.
Die auftretenden internen Spannungen hängen von der Steifigkeit
Voraussetzung für eine nachweisbare Verbundwirkung sind steife
der Halterung und der Scheiben ab. Punkthalterungen und sehr steife
und ausreichend bemessene Abstandhalter aus Edelstahl oder glasfa-
Isoliergläser (kleine Scheiben mit großen Scheibendicken), dreiecks-
serverstärktem Kunststoff (GfK) und die Verwendung von Klebstoff-
förmige oder gekrümmte Scheiben, die nur eine geringe Verformung
systemen mit hoher Schubsteifigkeit _ Abb. 33. [3.6/8]
78
zulassen, erhöhen die Bruchgefahr der Einzelscheiben. Bei asymmetrischen Aufbauten sind die dünneren Scheiben bruchgefährdet.
BEDEUTUNG FÜR DIE R AUMHÜLLE
Drahtgläser sollten nur bis zu einem SZR von circa 10 Millimeter ver-
_ WÄRMESCHUTZ
wendet werden, die Bruchgefahr von Einzelscheiben kann generell
Die Wärmeverluste eines Isolierglases durch Wärmestrahlung der
durch die Verwendung vorgespannter Gläser reduziert werden.
Glasoberflächen (Emission), Wärmeleitung und Konvektion im SZR
Ar U ~ 5,8 W/m2K D
4
16
4
4
16
Ar
Luft U~ 3,0 W/m2K
U~ 1,1 W/m2K mit warm-edge
4
16
4
Ar U~ 2,7 W/m2K C
4
16
Ar
4
16
4
Ar
Low E
E
Low E
B
4
Low E
A
U~ 1,2 W/m2K
ISOLIERGLÄSER
4
FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
16
Low E
4
8 mm
U~ 0,7 W/m2K
F
34
34
U-Werte von Einfach- und
Wärmestrahlung
Isolierverglasungen im Vergleich A Einfachglas 8 mm B Luftgefülltes Isolierglas C Mit Argon gefülltes Isolierglas D Zweifach-Isolierglas mit Wärmeschutzbeschichtung und Argon-Füllung E Wärmeschutzglas mit warm-edge-Randverbund
Konvektion
F Dreifach-Wärmeschutzglas mit Argonfüllung 35
Darstellung der physikalischen Ursachen für die Wärmeverluste einer Isolierglaseinheit: Wärmestrahlung zwischen den Glasoberflächen, Wärmeleitung durch das Füllgas bzw. den Randverbund und Konvektion im SZR.
Wärmeleitung
Zwei Drittel des gesamten Wärmeverlustes gehen auf die
über Gasfüllung
Wärmestrahlung (Emission) der Glasscheiben zurück. 36
Wärmeleitung
Zur Verbesserung des Wärmeschutzes können
über Randverbund
lichtdurchlässige Kapillarmatten in einen getrennten SZR eines Dreifach-Isolierglases 35
36
werden durch den Wärmedurchgangskoeffizient oder U-Wert erfasst
Isolierglas der zum Innenraum weisende SZR mit transparenter
. Moderne Anforderungen an den Wärmeschutz sehen für
Wärmedämmung (TWD) gefüllt werden, worunter man eine Kammer-
Glasbauteile U-Werte von 1,5 und besser vor. Während die isolierende
oder Kapillarstruktur aus Glas, Polycarbonat oder Plexiglas versteht
_ Abb. 35
Luft- oder Gasschicht die Wärmeleitung zwischen äußerer und innerer
_ Abb. 36
Glasebene reduziert, verringert eine Wärmeschutzbeschichtung die
gleichmäßigen und blendfreien Tageslichtstreuung, die durch weiße
Emission. Die Wärmeverluste durch Konvektion nehmen mit wach-
Kapillarstrukturen und die Kombination mit kaschierenden Faserge-
sendem Gasvolumen und zunehmender Schräglage der eingebauten
weben verstärkt werden kann. [3.6/10]
3.6
integriert werden (z. B. Kapilux von Okalux)
. Neben dem Wärmeschutz liegt der Vorteil von TWD in der
Isoliergläser dagegen zu. _ SONNENSCHUTZ
5,8 W/m²K auf. Durch das Füllen des SZR mit Argon, einer Wärme-
Eine effektive Reduzierung der Strahlungsgewinne wird durch eine re-
schutzbeschichtung und einem warm-edge-Randverbund reduziert
flektierende Sonnenschutzbeschichtung auf einer Scheibenoberflä-
sich der U-Wert bei einem Zweifach-Wärmeschutzglas auf 1,1 W/m²K,
che des Isolierglases erzielt (s. Seite 76 ff.). Gefärbte oder getönte
bei einem Dreifach-Glas sogar auf 0,7 W/m²K _ Abb. 34. Zur Gewicht-
Gläser senken auch die direkte Transmission, geben aber absorbierte
ersparnis kann bei hoch dämmenden Dreifach-Isoliergläsern eine Kli-
Strahlungsanteile durch Wärmestrahlung an den Innenraum ab.
mafolie die mittlere Glasebene ersetzen _ Abb. 18. [3.6/9] Zur Verbesserung des Wärmeschutzes kann bei einem Dreifach-
Durch die Integration von fest installierten oder beweglichen Mikrolamellen, Lochblechen und Geweben, Spiegelraster und Prismen-
79
Eine 8 Millimeter dicke Floatglasscheibe weist einen U-Wert von
ISOLIERGLÄSER FLACHGLAS ALS BAUSTOFF
1
24 mm
23
4
60° SZR
15°
O2
A 37
41 1
23
4
37 Aufbau einer Isolierverglasung mit integrierten, unbeweglichen Mikrolamellen
SZR
für Lichtlenkung und Sonnenschutz ESG 38 Aufbau einer Isolierglasscheibe mit integriertem Mikro-Spiegelraster als Überkopfverglasung (Entwicklung Chr. Bartenbach mit Siemens AG). VSG aus TVG
Quer zu der Direktstrahlung verlaufen verspiegelte Kunststofflamellen, die als Reflexionsfläche dienen. Die Lamellen sind untereinander zu senkrecht
H2
B
stehenden Stegen verbunden: Die direkte Strahlung 38
wird reflektiert, die diffuse durchgelassen.
40 4 mm
6
16
4
39 Bewertetes Schalldämmmaß RW für ausgewählte Glasaufbauten. Eine Krypton- statt einer Argonfüllung kann
Ar
RW = 30 dB
bei bestimmten Aufbauten das Schalldämmmaß
RW = 35 dB
zusätzlich verbessern. A Einfachglas
D
A
B VSG mit PVB-Akustikfolie C Isolierglas aus zwei gleich starken Einzelgläsern D Isolierglas aus zwei Einzelgläsern 4 4
4 4
20
6
unterschiedlicher Stärke E Isolierglas mit Außenscheibe aus VSG F Isolierglas mit zwei VSG unterschiedlicher Stärke
RW = 41 dB
RW = 37 dB
mit PVB-
Ar
mit PVB-
Akkustikfolie
Akkustikfolie
40 Funktionsweise einer gasochromen Verglasung: Durch Wasserstoff tritt eine Blaufärbung ein (B), die
E
B
Entfärbung erfolgt durch die Zufuhr von Sauerstoff (A). 1 Glas 2 Wolframoxidschicht
4
16
4
6
6
24
4 4
3 Katalysator 4 Gasvolumen RW = 50 dB
Ar
Ar
RW = 32 dB
mit PVB-
41 Vielfältiges optisches Erscheinungsbild bei
Akkustikfolien
3.6
Isolierverglasung: Verzerrung der Reflexbilder aufgrund von Ausbauchungen der Scheiben, Bankgebäude am
F
C
Pariser Platz in Berlin, 1999, Arch.: F. O. Gehry
39
platten im SZR eines Dreifach-Isolierglases kann der Strahlungsge-
das Schalldämmmaß von Isoliergläsern erheblich. Für einen erhöhten
winn weiter reduziert werden. Durch deren Geometrie und Profilierung
Schallschutz können größere Scheibendicken und/oder Verbundgläser
kann ein winkelselektiver Strahlungsertrag und damit ein saisonaler
als Innen- oder Außenscheiben verwendet werden _ Abb. 39. [3.6/13]
Sonnenschutz erreicht werden. So kann die Lichtdurchlässigkeit im Sommer bei einem Einstrahlwinkel von etwa 60° minimal und im Win-
_ ERSCHEINUNGSBILD
ter bei niedrigen Sonnenständen (7°) maximal sein
.
Das optische Erscheinungsbild des Isolierglases entsteht aus der
Durch verspiegelte und profilierte Längs- und Querlamellen von Mi-
Überlagerung von Transmission und Reflexion der verschiedenen Glä-
kro-Rasterelementen wird das energiereiche Südlicht fast vollständig
ser und Beschichtungen mit unterschiedlichen Brechungsindizes.
_ Abb. 23, 37, 38
geblockt. [3.6/11] Aktuell wird an gasochromen Isoliergläsern geforscht,
Die Ausbuchtungen und Einwölbungen der Gläser unter Klimalast
deren Transparenz durch die chemische Reaktion eines eingeleiteten
werden bei starken Reflexen an den Außenscheiben als deutliche Ver-
Gases mit den beschichteten Innenflächen gesteuert werden kann
zerrungen wahrgenommen. Eine im Vergleich zur Innenscheibe stei-
_ Abb. 40
fere Außenscheibe reduziert diesen Effekt. Mitunter kommt es im in-
. [3.6/12]
tensiven Schräglichteinfall der auf- oder untergehenden Sonne zu
80
_ AKUSTISCHE
EIGENSCHAFTEN
Prismeneffekten, die sich als lokale Zerlegung des Lichts in Spektral-
Der mehrschalige Aufbau von Isoliergläsern und die Eigenfrequenz des
farben zeigen und als Doppelscheibeneffekt dem charakteristischen
Masse-Feder-Masse-Systems verbessern für besondere Frequenzen
Erscheinungsbild von Isolierglas zugeordnet werden. [3.6/14]
– – – – –
4
83
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
KONSTRUIEREN MIT GLAS KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
Flächenförmig (2D)
Stabförmig (1D)
Plattenförmige Verwendung (raumbildend) Biegung
zweiachsig gespannte Platte
Knicken 2
einachsig gespannte Platte
Plattenstreifen
Scheibenförmige Verwendung (strukturbildend) Druck
Scheibe
Kippen
Stütze 3
Schub
Beulen Schwert zur Stabilisierung/Aussteifung
4
Biegung 1 Übersicht Tragelemente aus Flachglas 2 – 4 Die drei elementaren Stabilitätsfälle von stabwandartiger Träger
und scheibenförmigen Tragelementen aus Balken
Flachglas: das Knicken von druckbeanspruchten Wandscheiben und Stützen, das Kippen von Balken und Trägern und das Beulen von allseitig
4.1
gehaltenen Druckgliedern und Schubfeldern 1
_
bei Tragstrukturen unterscheiden. Platten- und scheibenförmige An-
_
wendungen können sich bei Flächentragwerken überlagern _ Abb. 1. Die plattenförmige oder raumbildende Verwendung von Glas ist
_
untrennbar mit der traditionellen Schutzfunktion der Gebäudehülle
_ _
4.1
KONSTRUIEREN MIT GL AS
verbunden. Quer zur Glasebene angreifende Wind- oder Schneelasten werden über die Biegesteifigkeit der Platte zu den Auflagerrändern
84
abgetragen. Auch wenn die Beschädigung von Tertiärtragwerken (VerFL ACHGL AS ALS HÜLL- UND KONSTRUKTIONSELEMENT
glasungen im Wand- oder Dachabschluss) folgenlos für die globale
Glas unterscheidet sich von allen anderen Konstruktionsmaterialien
Stabilität des Tragwerks ist, müssen insbesondere bei Überkopfver-
durch seine Sprödigkeit: Wenn Glasbauteile brechen, passiert dies im
glasungen, begehbaren und absturzsichernden Verglasungen Anfor-
Allgemeinen ohne Vorankündigung. Um überhaupt gläserne Bauele-
derungen an die RTF erfüllt werden. Bei scheiben- oder stabförmigen
mente verwenden zu können, ist neben ihrer Tragfähigkeit vor allem
Verwendungen werden die Scheiben in ihrer Ebene beansprucht. Auf-
die Fähigkeit gefragt, auch im gebrochenen Zustand Lasten abtragen
grund der im Vergleich zur plattenförmigen Verwendung größeren
zu können, die Resttragfähigkeit (RTF).
Tragfähigkeit sind Scheiben und Stäbe aus Glas strukturbildend, sie
Prinzipiell kann man zwischen einer plattenförmigen Anwendung in
ermöglichen den planmäßigen Transport von Systemlasten von der
der Gebäudehülle und einer scheiben- bzw. stabförmigen Anwendung
Lastangriffsfläche zum Boden. Nur wenige Bemessungs- oder Aus-
KONSTRUIEREN MIT GLAS 6
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
5
8
5 Beispiel einer plattenförmigen Verwendung: Punktgehaltene Vertikalverglasung, Sony Center Potsdamer Platz Berlin, Arch.: Murphy Jahn, 2000 6 Beispiel einer scheibenförmigen Verwendung als stützende Wandscheibe: Temple de l’Amour, Burgund, 2002, Arch.: D. J. Postel
7
7 Beispiel einer scheibenförmigen Verwendung
9
als Schubfeld: Hängende Verglasung ZeppelinCarré, Stuttgart, 1998, Arch.: Auer + Weber 8 Beispiel einer Glasstütze, Fußpunkt Stelenkonstruktion Platzgestaltung Göttingen, 2004, Arch.: M. Hägele 9 Beispiel eines versteifenden Glasschwerts als Teil eines Fassadenpfostens, Neues Museum Nürnberg, 2000, Arch.: V. Staab 10 Beispiel für eine stabförmige Verwendung als Glasbalken, Überdachung des Judenbades in Speyer, 1999, Planer: W. Spitzer
führungsnormen regeln diese neuen konstruktiven Anwendungsmög-
FÜGETECHNIK
lichkeiten. Zu den scheibenförmigen Bauteilen zählen Druckglieder,
Aufgrund der Sprödigkeit des Materials stellt das Fügen von Glasbau-
Schubfelder und wandartige Träger, zu den stabförmigen Tragele-
teilen die zentrale Herausforderung dar. Eine glasgerechte Verbin-
menten Stützen und Balken.
dungstechnik sollte auf einem „Bausatz“ verschiedener, beanspru-
Aufgrund der in der Regel hohen Schlankheit dieser Tragelemente
chungsgerechter Lösungen basieren, die anwendungsbezogen kombi-
neigt der Querschnitt dazu, unter Last seitlich auszuweichen, so dass
niert und modifiziert werden können.
Stabilitätskriterien die Tragfähigkeit begrenzen. Druckglieder neigen
In jedem Fall muss auf eine gleichmäßige Krafteinleitung zwischen
zum Knicken, Schubfelder zum Beulen, Balken zum Kippen oder Bie-
Glas- und Verbindungselementen durch geeignete Zwischenschichten
gedrillknicken _ Abb. 2 – 4.
geachtet werden. Ein Kontakt zwischen Glas und Glas oder Glas und
Der Transport von Systemlasten verlangt Ausfallbetrachtungen
Metall ist auszuschließen. Härte, Steifigkeit und Dauerstandverhalten
und Systemsicherheiten. Während der Bruch einzelner Schubfelder
der Zwischenschicht beeinflussen das Tragverhalten von Platte und
zur Aussteifung von Tragstrukturen (so genannte Sekundärtragwerke)
Scheibe entscheidend. Die Lasteinleitungsschicht sollte bei einer
nicht unmittelbar das Versagen der Gesamtstruktur nach sich zieht,
möglichst hohen Druckfestigkeit und einem guten Dauerstandverhal-
besteht bei Bruch von stützenden Glasbauteilen, die Teil des Primär-
ten ein geringeres E-Modul (Elastizitätsmodul) als Glas aufweisen.
tragwerks sind, durchaus die Gefahr des Einsturzes weiterer Teile des Bauwerks.
Platten- oder scheibenförmige Tragelemente können an Kanten, Ecken oder Flächen punktförmig, entlang ihrer Kanten linienförmig
85
4.1
10
KONSTRUIEREN MIT GLAS KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
Kraftschluss
Reibverschluss
Klemmteller (punktförmig)
Stoffschluss
Formschluss
Kleben
Kontaktverbindung
Klemmschiene (linienförmig)
linienförmige Klotzung
punktförmige Klotzung
Lochbleibungsverbindung
geklebter Punkthalter
linienförmiges Kleben (SG)
11 Normalkraft
Biegung
scheibenförmige Verwendung
plattenförmige Verwendung
zweiseitig Punktförmige Lagerung geringe Ausnutzung des Querschnitts dreiseitig
Lastkonzentration
Linienförmige Lagerung vierseitig
vollständige Ausnutzung des Querschnitts
12
Eckklemmhalter
Bolzenverbindungen
11 12
Übersicht der Fügetechniken Qualitativer Vergleich der Spannungsverteilung von punkt- und linienförmiger Lagerung bei platten- und gemischte Stützung
scheibenförmiger Verwendung anhand von FEM-Modellen 13
Linienförmige und punktförmige Lagerung
4.1
13
oder durch gemischte Stützungsvarianten gelagert sein _ Abb. 13. Die
Nach dem Mechanismus der Kraftübertragung differenziert man
Form der Lasteinleitung hat große Auswirkungen auf die Spannungs-
formschlüssige, kraftschlüssige und stoffschlüssige Systeme. Zu den
verteilung im spröden Glas. Punktförmige und ungleichmäßige Kraft-
im Glasbau verwendeten kraftschlüssigen Verbindungen zählen Reib-
einleitungen führen zu Lastkonzentrationen und einer geringen Aus-
schluss- und Kontaktverbindungen, zu den formschlüssigen Verbin-
nutzung des Glasquerschnitts. [4.1/1, 4.1/2] Bei Punkthalterungen unter-
dungen zählen Bolzen- und Lochleibungsverbindungen. Den stoff-
scheidet man neben Anzahl und Größe der Haltepunkte verschiedene
schlüssigen Klebeverbindungen wird aufgrund der vielfältigen Anwen-
Systeme, die sich in Bezug auf Lastabtrag und Verhalten bei Glasbruch
dungsmöglichkeiten im Folgenden ein besonderer Stellenwert einge-
unterscheiden. Während Tellerhalter und Kopfhalter, Senkhalter und
räumt _ Abb. 11.
86
geklebte Punkthalter die Scheibenfläche stützen, greifen Randklemmhalter und Klemmteller an den Scheibenrändern und -ecken an. An
_ KLEBETECHNIK
den Haltepunkten kann die Spannung bis zu dem Dreifachen der
Kleben ist das Fügen mit einem haftenden, nicht metallischen
Grundspannung betragen, so dass in der Regel thermisch vorge-
Prozesswerkstoff. Der Tragmechanismus einer Verklebung beruht auf
spannte Gläser verwendet werden müssen
der Tragkette von Fügeteil, Grenz- und Klebschicht
_ Abb. 12
. Die Punktlage-
_ Abb. 16
, dabei
rung ermöglicht zwar eine gute Aufnahme von Toleranzen, führt aber
unterscheidet man Adhäsionskräfte im Grenzschichtbereich (Grenz-
auch zu einer aufwendigen technischen Gestaltung des Haltepunktes.
flächenhaftung) und Kohäsionskräfte in der Klebschicht (Festigkeit
Zeit- und kostenintensive Nachweisverfahren können erforderlich sein.
des Klebstoffes).
KONSTRUIEREN MIT GLAS Kraftschluss
Stoffschluss
18 Formschluss
14
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
17
Verbinden unterschiedlicher Werkstoffe
+
++
++
Berechenbarkeit der Verbindung, Abhängigkeit der Verbindungsstärke von der Temperatur, Kriechen unter statischer Last
++
0
+/0
Anwendungskriterium
thermischer Verzug
++
++
++
Arbeitsphysiologie z.B. Chemikalienemission
+
++
+/-
Abdichtung der Verbindung
-
0
++/+
Korrosionsanfälligkeit
0
0
+
Zeitbedarf zwischen Fügevorgang und gewünschter Verbindungsfestigkeit
++
++
+/0
Temperaturbeständigkeit der Verbindung
++
+/0
+
Lösbarkeit der Verbindung
++
+
0
Fügeteil 1 Grenzschicht 1 Klebschicht Grenzschicht 2 Fügeteil 2
16
19
17 – 19 Spannungsoptische Aufnahmen 14
Verklebte Glasbauteile im Möbelbau
17 Spannungsspitzen im Bereich der
15
Qualitativer Vergleich von form-, kraft-
18 Spannungsspitzen an Überlappungsenden
Bohrung bei Verschraubung unter Last und stoffschlüssigen Verbindungen
++ = sehr gut, + = geeignet, 0 = teilweise geeignet, - = ungeeignet
bei harten Verklebungen 19 Gleichmäßige Spannungsverteilung
16
bei dicken, elastischen Verklebungen
Tragkette Verklebung
4.1
15
Die Vorteile der Klebetechnik liegen vor allem darin, dass eine gezielte
vom Festigkeitsaufbau während der Aushärtung und von dem Festig-
Auswahl von Klebstoffen nach ihren mechanischen Eigenschaften ein
keitsabbau unter Gebrauchsbedingungen aufgrund von Umweltein-
universelles Anwendungsspektrum eröffnet. Abhängig von Fugenbreite
flüssen, Alterungs- und Schrumpfprozessen, Kriechen bei Dauerbe-
und Steifigkeit können Kräfte sehr gleichmäßig eingeleitet
lastungen und Ermüdungserscheinungen bei hoher Lastwechselrate
,
nach der Aushärtung
Wärmeausdehnungen ausgeglichen werden. Die Klebfuge kann zusätz-
ben Aufschluss über die Alterungsprozesse unter dem Einfluss von
liche technische Funktionen wie die Fugenabdichtung übernehmen.
Temperatur, UV-Strahlung und Feuchtigkeit, so dass unter Berück-
Allerdings müssen im Vergleich zu kraft- und formschlüssigen Verbindungen zahlreiche Einflussfaktoren kontrolliert werden, die die Fes-
_ Abb. 21 – 23
. Verschiedene Testverfahren ge-
sichtigung von Abminderungsfaktoren die langfristige Dauerhaftigkeit von Klebstoffsystemen nachgewiesen werden kann. [4.1/3, 4.1/4]
tigkeit einer Klebeverbindung im Gebrauchszustand beeinflussen. So
Die Erfahrung im Fahrzeug-, Flugzeug- und Schiffsbau, wo Struk-
ist die Festigkeit nicht nur von den mechanischen Eigenschaften des
turklebstoffe seit längerem eine herausragende Rolle spielen, zeigt,
Klebstoffsystems und Art und Dauer der Beanspruchungen abhängig ,
dass bei der richtigen Auswahl des Klebstoffsystems und bei anforde-
sondern auch von der geometrischen Gestaltung der Klebefuge, der
rungsorientierter Planung und Ausführung Klebeverbindungen vorbe-
Ausführungsqualität, den Umwelteinflüssen wie UV-Strahlung, Feuch-
haltlos eingesetzt werden können. Neue Produktentwicklungen er-
tigkeit und Temperatur und der Oberflächenbehandlung der Fügeteile.
möglichen es, das große Potenzial der Klebetechnik vermehrt auch im
Die Festigkeit einer Klebeverbindung ist von vielen Einflüssen geprägt:
konstruktiven Glasbau für eine ganze Bandbreite neuer Anwendungs-
87
_ Abb. 17 – 19
unterschiedliche Werkstoffe verbunden und Fügeteiltoleranzen und
KONSTRUIEREN MIT GLAS
Spannung
System und Beanspruchungen
Klebstoffart
zähelastische Klebschicht flexible, elastische Klebschicht
Materialien der Fügeteile
Fertigung
Dehnung ε 20
Konstruktionstoleranzen
Oberflächen der Fügeteile
Kleben
starre Verklebung
100 Klebfestigkeit [%]
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
harte, spröde Klebschicht
80
Instandsetzung und Wartung
Oberflächenvorbehandlung und -aktivierung
60 40 20
Atmosphärische Einwirkungen und Alterung der Klebung
0 0
Klebgeometrie, Schichtdicke der Klebung
0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 Klebschichtdicke [mm]
21
23 elastische Verklebung Silikone Klebfestigkeit [%]
100 80
Polyuretane
60 Epoxidharze
40 20
Acrylate
0 0
1
2
3
4
5
6
Festigkeit
Klebschichtdicke [mm] 22
Temp.Beständigkeit
Feuchte-/UVBeständigkeit
Fugendicke
Ausgleich von Verformungen
Transparenz
24
20
Spannungs-Dehnungsdiagramm für verschiedene Klebstoffsysteme
21
Abhängigkeit der Festigkeit von der Klebschichtdicke bei harten Verklebungen
23
Größen, die die Festigkeit von Klebeverbindungen beeinflussen
22
Abhängigkeit der Festigkeit von der 24
Qualitativer Vergleich verschiedener Klebstoffsysteme
4.1
Klebschichtdicke bei elastischen Verklebungen
möglichkeiten transparenter Kanten- und Flächenverklebungen zu
keinem schlagartigen Festigkeitsverlust. Wegen des ausgeprägten
nutzen _ Abb. 24.
Kriechverhaltens beträgt die Kurzzeitfestigkeit von flexiblen Klebstof-
88
Nach dem Elastizitäts- und Schubmodul werden flexible, zähelasti-
fen ein Vielfaches der Langzeitfestigkeit.
sche und harte bzw. spröde Klebstoffsysteme unterschieden _ Abb. 20.
Epoxidharze und Acrylate zählen in der Regel zu den harten Kleb-
Silikone, MS-Polymere (Modified Silicones) und Polyurethane (PUR)
stoffen, sie weisen bei einer Klebstoffdicke von ca. 0,1 bis 0,5 Milli-
zählen zu den flexiblen Systemen. Flexible Klebstoffe weisen in der
meter nur eine geringe Bruchdehnung auf
Regel eine Festigkeit von über 1 N/mm² und eine Bruchdehnung von
maler Schichtstärke zwar hohe Festigkeiten besitzen, aber nicht tole-
über 150 Prozent auf und eignen sich daher für linienförmige Verkle-
ranz- und spannungsausgleichend sind, eignen sie sich vor allem für
bungen. Mit einer Fugendicke von circa 5 Millimeter sind elastische
punktförmiges Fügen. Zwängungsspannungen, die aus dem hohen
Klebstoffe spaltfüllend und spannungsausgleichend
_ Abb. 21.
Da sie bei opti-
. Die
Temperaturausdehnungskoeffizient herrühren können, müssen be-
flexible Verbindung eignet sich gut für die Aufnahme dynamischer Be-
achtet werden. Harte Klebstoffe versagen durch Sprödbruch ohne
lastungen, dämpft die Schallübertragung zwischen den Bauteilen und
Vorankündigung.
_ Abb. 22
kann darüber hinaus auch abdichtende Funktionen übernehmen. Im
Eine Sonderrolle nimmt zurzeit das Fügen mit Zwischenlagen aus
Vergleich zu harten Klebstoffen existieren bessere Möglichkeiten zur
Sentry Glass Plus (SGP) von DuPont ein, das für das Laminieren von
Reparatur oder zur Demontage der Verbindung. Aufgrund des hohen
VSG mit hoher Verbundsteifigkeit entwickelt wurde. In letzter Zeit wur-
Weiterreißwiderstandes ist das Versagensbild gutmütig, es kommt zu
den erfolgreich auch Punkt- und Kantenbeschläge mit SGP im Auto-
Aufnahme geringer Kräfte
Aufnahme großer Kräfte
Prinzipielle Spannungsverteilung in Klebefuge
Klebfestigkeit [%]
Gebrauchsfestigkeit Scherkräfte
Montagefestigkeit Transportfestigkeit
Zugkräfte Zeit
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
Zug-Scher-Festigkeit [N/mm2]
25 Druckkräfte
2,5 2 Schälkräfte
1,5 1 0,5 0 10
20
30
40
50
60
70
80
90
Spaltkräfte
Prüftemperatur [°C]
Zeitstandfestigkeit [N/mm2]
26
KONSTRUIEREN MIT GLAS
Beanspruchungsart Reservefestigkeit
29
2,5 2 1,5 1 0,5 0 0,01 0,1
1
10
102 10 3 10 4 10 5
statische Beanspruchungszeit [h]
Schubwechselspannung [N/mm2]
27
25 Qualitative Festigkeitszunahme
2,5
eines Klebstoffs nach Verarbeitung 2 1,5
26 – 28 Einflussfaktoren auf die Langzeitfestigkeit bei einem flexiblen PUR-Klebstoff
1
26 Einfluss Temperatur
0,5
27 Einfluss Lastdauer (statisch) – mit
0 0
1
10
102 10 3 10 4 10 5 10 6 107
Anzahl der Lastwechsel
zunehmender Lastdauer nähert sich die Kurve dem Grenzwert der Dauerstandfestigkeit an 28 Einfluss Lastwechsel (dynamisch)
29
Geometrien von Klebefugen und deren Belastungsarten
4.1
28
klaven und im Vakuumsack unter Druck und Temperatur mit der Glas-
nationaler und bisweilen auch auf regionaler Ebene unterschiedlich.
oberfläche stoffschlüssig verbunden. SGP stellt auch bei einer Schicht-
Im Folgenden soll ein allgemeiner und vereinfachter Überblick der
dicke zwischen 1,5 und 2 Millimeter eine relativ harte Verklebung dar,
baurechtlichen Situation in Europa gegeben werden.
so dass die verschiedenen Ausdehnungskoeffizienten von Glas und SGP beachtet werden müssen.
In der Regel wird zwischen Bauprodukten und Bauarten unterschieden. Zu den Produkten zählen die verschiedenen Basisglasprodukte existieren entsprechende nationale oder europäische Produkt-
_ BAURECHTLICHE
normen, die von den jeweiligen Ländern umgesetzt werden, wie die
SITUATION
Die Grundlage zur Planung und Genehmigung einer Glaskonstruktion
EN 572 für Float- und Walzglas, die EN 12150 für vorgespanntes Glas,
bildet die baurechtliche Situation des Landes, in dem die Konstruktion
die EN 1863 für teilvorgespanntes Glas oder die EN ISO 12543 für
zur Ausführung kommen soll, sowie die dort gültigen Produkt-, Aus-
Verbundsicherheitsglas. Hier sind jeweils die Herstellungsverfahren,
führungs- und Bemessungsnormen. Aufgrund der sicherheitsrele-
Maße, Toleranzen und Eigenschaften wie die mechanische Festigkeit
vanten Fragestellungen bei der Verwendung des spröden Baustoffs
aufgeführt. Die Übereinstimmung des Bauprodukts mit den Normen
geht die Normungsarbeit allerdings nur langsam voran und liegt ge-
muss durch eine Herstellererklärung oder ein Zertifikat einer aner-
genwärtig weit hinter den Möglichkeiten des Baustoffes zurück. [4.1/5]
kannten Prüfstelle nachgewiesen werden. Im europäischen Bereich
Zudem sind oftmals die Genehmigungsverfahren auf kontinentaler,
erfolgt die Kennzeichnung durch das CE-Zeichen. [4.1/6]
89
dukte und veredelten Flachglaserzeugnisse. Für geregelte BauproNACHWEISVERFAHREN
KONSTRUIEREN MIT GLAS KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
Leitlinien für die europäische technische
Konstruktion
Zulassung
punktförmig gelagerte Vertikal- oder
abZ, ZiE
Zulassung (ETAG) Nr.
Teil
Titel
Überkopfverglasung, nicht nach TRPV 002
Geklebte Glaskonstruktionen
(Technische Regeln für die Verwendung
Structural sealant glazing Systems
von punktförmig gelagerten Verglasungen)
01
Gestützte und ungestützte Systeme Supported and unsupported Systems
02
Beschichtete Aluminium-Systeme
geklebte, lastabtragende Verglasung
ETA, abZ, ZiE
linienförmige Überkopfverglasung,
ZiE
SSG
Coated aluminium Systems 03
Systeme mit thermisch getrennten Profilen Systems incorporating profiles with a thermal barrier
>1,20 m
nicht nach TRLV (Technische Regeln für die Verwendung von linienförmig
04
Beschichtete Verglasung
gelagerten Verglasungen)
Opacified glazings
30 punkt- oder linienförmig gelagerte,
abZ, ZiE
begehbare Verglasung
absturzsichernde Verglasung, nicht
abZ, ZiE
nach TRAV (Technische Regel für die Verwendung von absturzsichernden Verglasungen)
30 31
Druckglieder
ZiE
Schubfelder
ZiE
wandartige Träger und Balken
ZiE
Leitlinien für europäische Zulassungen Übersicht der Zulassungsverfahren von nicht geregelten Bauarten (Beispiel Deutschland) abZ: allgemeine bauaufsichtliche Zulassung, erteilt vom DIBt (Deutsches Institut für Bautechnik) ETA: Europäische Technische Zulassung, erteilt von der Europäischen Organisation für technische Zulassungen (EOTA) ZiE: Zulassung im Einzelfall, erteilt von der obersten Bauaufsicht des Bundeslandes
4.1
31
Unter Bauarten versteht man die Art und Weise, wie die Bauprodukte
lichen Zulassung, die vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) in
verwendet und gefügt werden. Auf europäischer Ebene existieren kei-
Berlin erteilt wird, oder einer Europäischen Technischen Zulassung
ne entsprechenden Ausführungsnormen für Glaskonstruktionen, eine
(ETA), die in Abstimmung mit der jeweiligen Länderbehörde von der
Norm für die Bemessung von Glasbauteilen ist jedoch in Vorbereitung.
Europäischen Organisation für technische Zulassungen (EOTA) erteilt
Auch auf nationaler Ebene bestehen nur wenige Normen, in Deutsch-
wird. Grundlage für die Beurteilung des Zulassungsantrags sind Zulas-
land gibt es lediglich Regeln für die Verwendung von hinterlüfteten
sungsleitlinien (ETAGs) oder speziell abgestimmte Beurteilungskrite-
Außenwandbekleidungen,
rien. Ein Beispiel für eine ETAG ist die Zulassungsleitlinie für Geklebte
linienförmig
gelagerten
Verglasungen
90
(TRLV) und absturzsichernden Verglasungen (TRAV). Eine technische
Glaskonstruktionen (ETAG 002) _ Abb. 30. [4.1/10]
Regel für die Bemessung und Ausführung punktförmig gelagerter Ver-
Wenn Bauprodukt oder -art weder durch technische Regeln noch
glasungen (TRPV) liegt als Entwurfsfassung vor (August 2006). [4.1/7,
durch Zulassungen oder Prüfzeugnisse des Herstellers geregelt sind,
4.1/8, 4.1/9 ]
muss die Verwendbarkeit einer solchen Sonderkonstruktion für diesen
Da in den meisten Fällen die Verwendbarkeit eines Glasproduktes
speziellen Einzelfall nachgewiesen werden. Die Zuständigkeit für die
oder einer Glaskonstruktion nicht durch geltende technische Baube-
Durchführung und Kontrolle des Nachweises ist europaweit nicht ein-
stimmungen nachgewiesen werden kann, muss eine Zulassung des
heitlich geregelt. In Deutschland ist eine solche Zulassung im Einzelfall
Herstellers für das Produkt oder die Bauart vorliegen, etwa in Form
(ZiE) vom Bauherren bei der obersten Bauaufsicht des Bundeslandes
einer national gültigen Zulassung wie der allgemeinen bauaufsicht-
einzuholen. Neben Standsicherheits- und Gebrauchstauglichkeits-
Einwirkungen
anspruchsvolle plattenförmige Anwendungen
scheibenförmige Anwendungen
Widerstand
deterministisches Verfahren
probabilistisches Verfahren
Versagenswahrscheinlichkeit 32
33 Glasart
Verwendung
Charakteristische
Zulässige
Globaler
Biegefestigkeit
Spannung
Sicherheits-
[N/mm2]
[N/mm2]
beiwert γ
ESG aus Spiegelglas
120
50
120/50 = 2,4
ESG aus Gussglas
90
37
90/37 = 2,4
Emailliertes ESG
70
30
70/30 = 2,4
aus Spiegelglas Spiegelglas
Überkopfvergl.
45
12
45/12 = 3,8
Vertikalvergl.
45
18
45/18 = 2,5
Überkopfvergl.
25
8
25/8 = 3,1
Vertikalvergl.
25
10
25/10 = 2,5
Überkopfvergl.
45
15 (25)*
45/15 = 3,0
Vertikalvergl.
45
22,5
45/22,5 = 2,0
TVG aus Spiegelglas
70
29
70/29 = 2,4
Emailliertes TVG
45
18
45/18 = 2,5
Gussglas
VSG aus Spiegelglas
KONSTRUIEREN MIT GLAS
einfache plattenförmige Anwendungen
Szenario
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
Tragstruktur
aus Spiegelglas
*für untere Scheibe einer Überkopfverglasung aus Isolierglas bei Lastfall „Versagen der oberen Scheibe“ zulässig 34 32
Prinzipielles Vorgehen zur sicherheitstheoretischen Untersuchung; die Unterscheidung möglicher Schadensszenarien ist bei spröden Materialien sinnvoll.
33
Sinnvolle Anwendungsbereiche für das deterministische und das probabilistische Verfahren
34
Übersicht bemessungsrelevanter Größen beim Tragfähigkeitsnachweis des deterministischen Verfahrens nach der deutschen TRLV (die bauaufsichtliche
4.1
Einführung von TVG ist noch nicht abgeschlossen)
nachweisen sind gegebenenfalls auch Nachweise zur Stoßsicherheit
dard AS 1288 und der zurückgezogene Entwurf für die EN 13474 folgen
und zur RTF von einer sachkundigen und anerkannten Prüfstelle zu
verschiedenen deterministischen und probabilistischen Ansätzen. [4.1/13,
erbringen. [4.1/11, 4.1/12]
4.1/14]
Bei dem deterministischen Verfahren, wie es beispielsweise in der
Der Großteil tragender Glaskonstruktionen fällt heute immer noch
deutschen TRLV beschrieben ist, werden Streuungen auf Material- und
in diese Kategorie der Sonderkonstruktionen, so dass häufig aufwen-
Beanspruchungsseite durch einen globalen Sicherheitsfaktor erfasst,
dige rechnerische und versuchstechnische Nachweise zu erbringen
der nur bedingt auf Glas- und Verwendungsarten eingeht.
sind _ Abb. 31.
Zur Bestimmung der Versagenswahrscheinlichkeit nach dem probabilistischen Sicherheitskonzept, auf dem auch der Entwurf der EN NACHWEISE
13474 beruht, wird dagegen durch Teilsicherheitsbeiwerte in differen-
Die Dimensionierung von Glasbauteilen ist für die meisten konstruktiven
zierter Weise auf statistische Streuungen sowohl auf Materialseite
Anwendungen aufgrund fehlender Bemessungsnormen nicht oder nur
(Festigkeit) als auch auf Lastseite (Größe Wind, Schnee) eingegangen.
unzureichend geregelt. Unklarheiten bestehen bei der Ermittlung der
Auf der Materialseite können Einflussfaktoren wie Art und Dauer der
Spannungsverläufe, wie zum Beispiel wie mithilfe der Finite-Elemente-
Belastung, Größe und Zustand der Scheibe und Umgebungsbedin-
Methode (FEM) wirklichkeitsnahe Modellannahmen zu treffen sind, und
gungen wie Luftfeuchtigkeit berücksichtigt und anwendungsbezogene
vor allem bei deren Be- und Auswertung. Die technischen Richtlinien in
Besonderheiten wie die temperatur- und zeitabhängige Verbundwir-
Deutschland, der American Standard ASTM E 1300, der Australian Stan-
kung von Verbundsicherheitsglas und die unterschiedliche Verteilung
91
_ RECHNERISCHE
KONSTRUIEREN MIT GLAS
Konstruktion
Experimenteller Nachweis
Kriterium
Absturzsichernde
Pendelschlagversuch mit
Verglasung wird nicht
Verglasung
Verglasung mit weichem Stoßkörper
durchschlagen und löst
(Zwillingsreifen nach EN 12600)
sich nicht aus Halterung, kein Herabfallen gefährlicher Bruchstücke
Überkopfverglasung
Resttragfähigkeitsnachweis
Mindeststandzeit,
unter Stoßbelastung mit
z.B. 24 Stunden
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
Zusatzbelastung 36 zu Reinigungszwecken
Fallversuch mit weichem Stoß-
Verglasung wird nicht
betretbare Überkopf-
körper (Glaskugelsack, 50 kg)
durchschlagen und löst
verglasung
und Fallversuch mit hartem
sich nicht aus Halterung,
Stoßkörper (Stahlkugel, 4 kg)
kein Herabfallen
bei Belastung mit Einzellast
gefährlicher Bruchstücke, Mindeststandzeit, z.B. 30 Min.
begehbare Verglasung
Fallversuch mit hartem Stoß-
Verglasung wird nicht
körper („Torpedo“, 40 kg) bei
durchschlagen, kein Herab-
Belastung mit Einzellast
fallen gefährlicher Bruchstücke, Mindeststandzeit z.B. 30 Min.
sonstige tragende
Belastungsversuche zur Kali-
je nach Anwendungsfall,
Glasbauteile
brierung der rechnerischen
Resttragfähigkeit immer
z.B. Balken, Stützen
Nachweise
erforderlich
Glashalter, für die ein
Bestimmung der Tragfähigkeit
je nach Anwendungsfall
rechnerischer Nachweis
d. Halters bei Auszug u. unter
nicht möglich ist
Querlast, Bestimmung der Dauerhaftigkeit der Funktion des Halters (Salzsprühnebeltest), Untersuchung der verwendeten Zwischenmaterialien
35
35
37
Überblick über versuchstechnische Nachweise:
36
Pendelschlagversuch mit Zwillingsreifen
37
zum Nachweis der Absturzsicherung
Kugelfallversuch zum Nachweis der Stoßsicherheit einer Überkopfverglasung
4.1
Vorgaben für verschiedene Konstruktionen
von Vorspannkräften über die Scheibenfläche bewertet werden. [4.1/15,
für viele nicht geregelte Bauprodukte und Bauarten keine ausrei-
4.1/16, 4.1/17, 4.1/18, 4.1/19 ]
Mithilfe von Versagensszenarien können auch
chenden Erkenntnisse über Tragfähigkeit und RTF vorliegen und dy-
Grenzzustände für Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit formuliert
namische Einwirkungen zum Teil rechnerisch noch nicht erfasst werden können
werden _ Abb. 32.
_ Abb. 35
. Zu den Nachweisen gehören Versuche zur
Während das deterministische Verfahren die Einflussgrößen auf
Stoßsicherheit, zur Tragfähigkeit und RTF. Zerstörende Nachweise
der sicheren Seite abschätzt und so auf Kosten einer Querschnittsop-
können wie beim Heißlagerungstest von vorgespannten Scheiben
timierung ein anwenderfreundliches und praxisnahes Vorgehen für
auch der Qualitätskontrolle dienen. [4.1/20]
einfache Plattenbemessungen ermöglicht, wird das aufwendigere und
Bei dem Nachweis der Stoßsicherheit beispielsweise von angriffs-
detailliertere probabilistische Verfahren dem Materialverhalten von
hemmenden oder absturzsichernden Verglasungen unterscheidet
Glas wesentlich gerechter und ist somit für Nachweise von speziellen
man zwischen einem weichen und einem harten Stoß. Die Sicherheit
plattenförmigen Anwendungen und vor allem von strukturbildenden,
gegen Aufprall eines weichen Körpers hoher Masse (weicher Stoß)
scheibenförmigen Anwendungen geeignet _ Abb. 33.
wird bei absturzsichernden Verglasungen durch einen so genannten Pendelschlagversuch nach EN 12600 nachgewiesen. Ein Zwillingsrei-
92
_ VERSUCHSTECHNISCHE
NACHWEISE
fen schwingt dabei aus einer definierten Fallhöhe gegen die Vergla-
Versuchstechnische Nachweise sind in der Regel zerstörende Nach-
sung, so dass maximale Beanspruchungen für Halter und Glas verurs-
weise an Originalbauteilen. In vielen Fällen sind sie unvermeidbar, da
acht werden
_ Abb. 36
. Der dynamische Lastangriff eines weichen
KONSTRUIEREN MIT GLAS 39
38
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
38
40
Doppelringversuch zur Bestimmung der Bruchfestigkeit einer Gussglasscheibe
39
Vierpunktbiegeversuch bei einem Sandwich aus vorgespannten Gläsern
40
Belastungsversuch und Resttragfähigkeitsversuch bei einem Glasfaltwerk
41
Floatglasproben für versuchstechnische Nachweise und Qualitätssicherung
4.1
41
Stoßes lässt sich mittlerweile auch rechnerisch simulieren. Der Aufprall
Gefährdung durch herabfallende Glasbauteile oder -splitter besteht.
eines harten Gegenstandes relativ geringer Masse (harter Stoß) wird
Da ein Glasbruch nie völlig ausgeschlossen werden kann, wird auch
bei Überkopfverglasungen oder begehbaren Verglasungen beispiels-
bei der gezielten Zerstörung einer, mehrerer oder aller Scheiben der
weise nach der DIN 52338 durch einen Kugelfallversuch
Verglasung eine von Nutzung und Wartungsintervall abhängige Rest-
_ Abb. 37
oder den Bewurf mit einem genormten Stahltorpedo auf die ungünsti-
standzeit bis zum Kollaps gefordert _ Abb. 38 – 40.
gen Stellen des Prüfkörpers nachgewiesen. In der Regel gelten die zerstörenden Versuche als bestanden, wenn die Verglasung nicht von den Lagern rutscht, die Scheibe nicht durchschlagen wird und sich keine gefährdenden Bruchstücke herauslösen. Der Nachweis der Tragfähigkeit kann durch Belastungsversuche an Originalbauteilen mit vorgegebener Belastung erbracht werden. Belastungen bis zum Bruch geben Aufschluss über das tatsächliche Sicherheitsniveau der Konstruktion. Durch Versuchsreihen werden Durch RTF-Versuche wird nachgewiesen, dass die Konstruktion auch nach Bruch für eine gewisse Zeit standsicher ist und dass keine
93
auch rechnerische Verfahren zur Standsicherheit kalibriert. [4.1/21]
PLATTENFÖRMIGE VERWENDUNG IN DER GEBÄUDEHÜLLE
Einbaugeometrie
Verwendung
vertikal
Beispiel Raumformen
Fassade
w
80° – 90°
Vertikalverglasung
Absturzsicherung
H
g,s schräg
Überkopfverglasung
g,s w
horizontal
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
Schräg- bzw.
w
15° – 80°
0° – 15°
g,s P
Horizontal- bzw. Überkopfverglasung
betretbare Überkopfverglasung
1 Übersicht der verschiedenen Verglasungsarten g,s p
an der Gebäudehülle begehbare Überkopfverglasung
2 Beanspruchungen und Einwirkungsdauer von Verglasungsarten
1 Sehr kurze Einwirkungsdauer harter Stoß
weicher Stoß
Vertikalverglasung
Wind
Mittlere Einwirkungsdauer Schnee
Holmlast
Personen
X
Vertikalverglasung mit Absturzsicherung
4.2
Kurze Einwirkungsdauer
X
Horizontal- und Schrägverglasung
evtl.
Begehbare Verglasung
X
evtl.
X
X
X
X
X
X
X
Ständige Einwirkungsdauer Klimalast
Eigengewicht
Höhenlage
evtl.
evtl.
evtl.
evtl.
evtl.
X
evtl.
evtl.
X
evtl.
2
_
sondere Gefährdung für Verkehrsflächen darstellen, werden diese zu
_
Überkopfverglasungen zusammengefasst, für die besondere Anforde-
_
rungen an die Resttragfähigkeit (RTF) gestellt werden. Auch Vertikalverglasungen, die der Absturzsicherung dienen, und betretbare, be-
_ _
4.2
gehbare oder befahrbare Horizontalverglasungen müssen besondere
PL AT TENFÖRMIGE VERWENDUNG IN DER
Sicherheitseigenschaften aufweisen und zusätzliche Anforderungen
GEBÄUDEHÜLLE
an Tragfähigkeit und RTF erfüllen. Plattenförmige Anwendungen sind in zahlreichen Veröffentlichungen wie dem „Glasbau Atlas“ detailliert
Nach der Einbaulage von plattenförmigen Glasbauteilen in der Gebäu-
beschrieben. Im Folgenden werden die Anforderungsprofile der Ver-
dehülle unterscheidet man Vertikal-, Schräg- und Horizontalvergla-
glasungsarten und die Lagerungsarten zusammengefasst. [4.2/1]
sungen. Vertikalverglasungen sind maximal 10 Grad aus der Vertikalen, Horizontalverglasungen maximal 15 Grad aus der Horizontalen gekippt _ Abb. 1.
94
Von der Einbaulage hängen Art und Dauer der Einwirkungen und damit auch das Gefährdungspotenzial der Verglasung ab _ Abb. 2. Da Schräg- und Horizontalverglasungen im Falle von Glasbruch eine be-
PLATTENFÖRMIGE VERWENDUNG IN DER GEBÄUDEHÜLLE KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
3
5
6
5 Absturzsichernde Vertikalverglasung: Café in der Tate Modern mit Blick über die Themse, 2001, Arch.: Herzog & de Meuron 3 Punktgehaltene Vertikalverglasung mit Dorma-Spider
6 Rahmenlose Vertikalverglasungen aus ESG stellen ein Gefährdungspotenzial dar. Die herabfallenden, oft zusammenhängenden Glaskrümel können
4 Der Pendelschlagversuch bei einer
schwere Verletzungen verursachen.
absturzsichernden Verglasung
4.2
4
Vertikalverglasungen, die Personen auf angrenzenden Verkehrsflächen
_ VERTIKALVERGLASUNG
UND ABSTURZSICHERNDE VERGLASUNG
vor einem Höhenunterschied und einem seitlichem Absturz bewahren,
Kurzfristige Winddruck- und Windsogkräfte wirken quer zur Scheibe-
werden als absturzsichernde Verglasungen bezeichnet
nebene. Das Eigengewicht, das in der Scheibenebene wirkt, muss über
raumhohe Verglasungen mit oder ohne Geländerholm oder einer Un-
Verklotzungen oder Bolzenverbindungen an die Unterkonstruktion ab-
terteilung durch einen Brüstungsriegel in vorgeschriebener Höhe soll-
gegeben werden. Das wesentliche Schutzziel bei Vertikalverglasungen
ten unterschiedliche Anforderungen gelten. Generell sollte für absturz-
besteht im Versagensfall darin, Verkehrsflächen vor herabfallenden
sichernde Verglasungen VSG aus grob brechenden Gläsern verwendet
Splittern zu schützen
werden.
_ Abb. 3, 6
. Bei allseitiger Lagerung dürfen auch
_ Abb. 5
. Für
grob brechende Glaserzeugnisse wie Spiegelglas (SPG), Gussglas oder
Kriterium der Absturzsicherung ist neben der Tragfähigkeit unter
Verbundglas (VG) verwendet werden, ansonsten müssen Sicherheits-
der linienförmigen Holmlast auch die Standsicherheit bei einem An-
gläser zur Anwendung kommen. Für Vertikalverglasungen, bei denen
prall einer Person und die RTF bei Glasbruch. Der rechnerische oder
mit länger anhaltenden veränderlichen Lasten zu rechnen ist (z. B.
experimentelle Nachweis der Stoßsicherheit durch einen Pendel-
Schneeanhäufungen bei Shed-Verglasungen) muss VSG verwendet
schlagversuch
werden. Linienförmig gelagerte Verglasungen stellen in der Regel – bei-
rungsbedingungen der Verglasung den Standards entsprechen, wie sie
spielsweise nach der deutschen Technischen Richtlinie für linienförmig
etwa in den deutschen Technischen Regeln für die Verwendung von
gelagerte Verglasungen (TRLV) – eine geregelte Bauart dar. [4.2/2]
absturzsichernden Verglasungen (TRAV) beschrieben sind. [4.2/3]
_ Abb. 4
kann entfallen, wenn Abmessung und Lage-
95
VERGL ASUNGSARTEN
PLATTENFÖRMIGE VERWENDUNG IN DER GEBÄUDEHÜLLE KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
7
8
8 Nicht geregelte Überkopfverglasung aus gebogenem ESG, die Verkehrsfläche muss durch ein gespanntes Netz vor herabfallenden Bruchstücken geschützt werden, Verbindungsgang Neue Messe Leipzig 7 Für den Nachweis der Resttragfähigkeit einer großflächigen, punktgehaltenen Überkopfverglasung
9 Überkopfverglasung mit geklebten Scheibenrändern:
ist vor allem die Geometrie und Anordnung der Punkthalter
Eingang U-Bahnstation Buchanan Street, Glasgow, 2003,
entscheidend, Neue Messe Leipzig, 1996, Arch.: gmp
Ing.: Dewhurst Mcfarlane and Partners. Alle Glasbauteile sind als VSG mit entsprechender RTF ausgeführt.
96
4.2
9
_ ÜBERKOPFVERGLASUNG
_ BETRETBARE
UND BEGEHBARE VERGLASUNGEN
Das Eigengewicht stellt bei Überkopfverglasungen eine dauerhafte
Überkopfverglasungen können für geschultes Personal zu Reinigungs-
Beanspruchung quer zur Plattenebene dar, daher müssen Einfachver-
oder Wartungszwecken betretbar sein. Dabei sind die Auflagen aus
glasungen und Innenscheiben von Isolierverglasungen aus VSG beste-
dem Bereich des Arbeitsschutzes und die Vorschriften der Berufsge-
hen. Neben VSG kann Drahtglas bis zu einer maximalen Stützweite
nossenschaften zu beachten. Wenn die unterhalb der Verglasung be-
von 70 Zentimetern und einem ausreichenden Glaseinstand verwen-
findliche Verkehrsfläche während der Reinigungs- oder Wartungsar-
det werden. VSG aus ESG darf wegen der schlechten RTF nicht ver-
beiten gesperrt wird, liegt in der Regel keine Gefahr für die öffentliche
wendet werden. Bei zweiseitiger Lagerung besteht im Gegensatz zu
Sicherheit vor. Über Fallversuche ist dann die bedingte Betretbarkeit
einer vierseitigen Lagerung auch bei VSG die Gefahr einer Knickbil-
und Durchsturzsicherheit nachzuweisen. [4.2/4, 4.2/5]
dung in der Scheibenmitte, daher schreibt die TRLV ab einer Spann-
Begehbare Verglasungen wie Treppenstufen, Podestplatten und
weite über 120 Zentimetern eine allseitige Lagerung vor, das Verhältnis
transparente oder beleuchtete Fußböden werden planmäßig durch
der Scheibenabmessungen darf maximal 3:1 betragen. Nicht geregelt
Personenverkehr belastet. Für die Ausführung begehbarer Vergla-
sind linienförmig gelagerte Verglasungen mit Bohrungen oder Aus-
sungen gibt es derzeit keine Normen. Einige Hersteller bieten aller-
schnitten, Verglasungen aus Gussglas oder gekrümmte oder geklebte
dings Systeme für punkt- und linienförmig gelagerte begehbare Ver-
Verglasungen _ Abb. 7 – 9.
glasungen an, z.B. SGG Lite-Floor _ Abb. 10 – 12. [4.2/6] Für die rechnerischen Nachweise ist die Tragfähigkeit unter gleichmäßig verteilter
PLATTENFÖRMIGE VERWENDUNG IN DER GEBÄUDEHÜLLE KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
11
12
10 Anwendungsbeispiel SGG Lite-Floor, Privathaus Antwerpen, Belgien 11, 12 Belastungs- und Stoßversuche im Rahmen des Prüfverfahrens für eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung von SGG Lite-Floor
4.2
10
Verkehrslast (z. B. 5 kN/m²) und einer Einzellast an ungünstigster Stelle
zu verlegen. Die seitlichen Scheibenränder sollten für eine statisch be-
zu untersuchen. Die Stoßsicherheit wird experimentell über Fallversuche
stimmte Lagerung frei beweglich sein. Durch Distanzverklotzungen ist
mit einer Stahlkugel oder einem Stahltorpedo und die RTF über einen
ein Verschieben auszuschließen, die Scheiben sind eventuell gegen
anschließenden Reststandversuch nachgewiesen. Dabei muss der
Abheben zu sichern. Bei zweiseitiger Lagerung muss beispielsweise
Prüfkörper bei zerstörten Einzelscheiben eine nutzungsabhängige Rest-
durch Senkhalter gewährleistet sein, dass die Scheibenränder auch bei
standzeit (min. 30 Minuten, bis zu 48 Stunden) aufweisen. [4.2/7, 4.2/8]
Glasbruch nicht vom Auflager rutschen können _ Abb. 14.
tens drei Scheiben, wobei voll vorgespannte, teilvorgespannte und
REST TR AGFÄHIGKEIT VON PL AT TEN
nicht vorgespannte Gläser miteinander kombiniert werden dürfen. Die
Zur Bestimmung der RTF beschädigter Glasplatten werden Schadens-
oberste Scheibe besteht für eine bessere Schlagfestigkeit in der Regel
szenarien mit der Schädigung einer einzelnen, mehrerer oder aller
aus ESG und wird als Verschleißschicht bei den rechnerischen Nach-
Scheiben des Verbundes unterschieden.
weisen nicht berücksichtigt. Deren Rutschsicherheit muss nach den
Ist eine Scheibe gebrochen, hängt die RTF von der Biegefestigkeit
Nutzungsanforderungen durch Siebdruck, Strahlmattierung, Walzglas
der verbleibenden intakten Scheiben ab. Aufgrund der höheren Bean-
etc. gewährleistet werden.
spruchungen empfehlen sich hierfür vorgespannte Gläser. Gebro-
Eine allseitige Lagerung ist für die RTF von Vorteil _ Abb. 12, 13. Die Gläser sind plan auf ein ausreichend dickes und breites Elastomerlager
chene Scheiben in der Druckzone können sich über die Verbundfolie noch am Lastabtrag beteiligen. [4.2/9]
97
Begehbare Vergasungen bestehen in der Regel aus VSG mit mindes-
poss. Siebdruck
SilikonVersiegelung Distanzklotz
≥ 5 mm
VSG-Aufbau von
Mindestdicke
[mm]
oben nach unten
der PVB-Folie
[mm]
[mm]
700
8 TVG/15 ESG/8 TVG
1,52
1 400
8 TVG/19 ESG/8 TVG
2,28
Elastomerunterlage Shore-A-Härte 60 – 80 20 – 35 mm
Unterkonstruktion
13 ≥ 30 mm
poss. Siebdruck
VSG
Max.
Max.
VSG-Aufbau von
Mindestauflager-
Länge
Breite
oben nach unten
breite der Verglasung
[mm]
[mm]
[mm]
[mm]
1 500
400
8 TVG/10 SPG/10 SPG
30
1 500
750
10 TVG/12 SPG/12 SPG
30
1 250
1 250
10 TVG/10 TVG/10 TVG
35
1 500
1 250
10 TVG/12 TVG/12 TVG
35
VSG
65 – 100 mm
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
Max. Stützweite
VSG
≥ 5 mm
PLATTENFÖRMIGE VERWENDUNG IN DER GEBÄUDEHÜLLE
≥ 8 mm
Unterkonstruktion mindestens M 12
14 Resttragfähigkeit bei Zerstörung aller Scheiben
gering
mäßig
gut
sehr gut
VSG aus Floatglas VSG aus ESG
x x
VSG aus TVG
x
VSG aus ESG + TVG
x
Drahtglas
x
15 13
Schematischer Aufbau einer allseitig linienförmig gehaltenen, begehbaren Verglasung
Resttragfähigkeit bei Zerstörung aller Scheiben
gering
mäßig
gut
und beispielhafte Glasaufbauten
sehr gut 14
vierseitige Lagerung
x
Schematischer Aufbau einer zweiseitig linienförmig gehaltenen, begehbaren Verglasung und beispielhafte Glasaufbauten
zweiseitige Lagerung
x
Punktlagerung mit Tellerhalterung Punktlagerung mit versenkten Haltern
15
x
16
x
Resttragfähigkeit für verschiedene Glasarten Resttragfähigkeit für verschiedene
4.2
Lagerungsarten bei Verwendung von VSG 16
Sind alle Scheiben gebrochen, wird die RTF bestimmt durch Lage-
tremfall bei Senkhaltern zum Ausknöpfen des Halters führen können.
rungsart und Bruchbild. Prinzipiell weisen Platten aus grob bre-
Bei gelenkiger Lagerung können nach Scheibenbruch die Spannungen
chenden Glaserzeugnissen (Spiegelglas oder TVG) eine wesentlich
besser kontrolliert werden. Durch den Formschluss von Bolzen mit
bessere RTF auf als das in feine Krümel brechende ESG, da
dem Glaselement („Vernagelung“) ist die RTF insgesamt besser als
Glasschollen durch ihre gegenseitige Verzahnung einen Beitrag zum
die von zweiseitig gelagerten Platten zu bewerten _ Abb. 16.
Abtrag der Kräfte in der Zugzone leisten können. Ein VSG aus ESG weist sehr starke Verformungen auf, da die Zugkräfte allein über die
FÜGETECHNIKEN
Folie abgetragen werden müssen _ Abb. 15. Prinzipiell hat eine allsei-
_ FORMSCHLUSS:
tige linienförmig gelagerte Platte eine bessere RTF als eine zwei- oder
Durch punktförmige Bolzenverbindungen wie Senk- und Tellerhalter
dreiseitig gelagerte, da sich nach dem Bruch Membrankräfte in der
kann die Verglasung von der Konstruktionsebene entkoppelt werden,
Platte entwickeln können, die das Plattenelement versteifen. Bei zwei-
dabei stellen sich zusätzliche Bedingungen für eine zwängungsfreie
und dreiseitig gelagerten Platten treten größere Verformungen auf; es
Lagerung in und quer zur Glasebene ein.
98
besteht die Gefahr, dass die Platte von den Auflagern rutscht.
SENK- UND TELLERHALTER
Zunächst muss für eine zwängungsfreie Montage die Aufnahme
Die RTF punktförmig gelagerter Platten hängt von der Art des Hal-
sämtlicher Toleranzen an den Verbindungselementen („Spider“-
ters ab. Je nach Steifigkeit des gebrochenen Glases und nach Ausbil-
Fitting o. Ä.) zwischen Unterkonstruktion und Glastafel sichergestellt
dung des Halters entstehen am Haltepunkt große Kräfte, die im Ex-
werden
_ Abb. 20, 21.
Bei einer Stahlskelettkonstruktion sollten die
gemischte Stützentypen
punktförmig
Tellerhalter (Kopfhalter)
Senkhalter
linienförmig
Rand- oder Eckklemmhalter
geklebte Punkthalter
Pressleisten
Structural Glazing
17 Vertikallager
± 2 mm
Festlager
Loslager
± 1,5 mm
± 1,5 mm
± 1,5 mm
± 1,5 mm
Gelenk im oder am Glas
± 5 mm
Tragarm
Unterkonstruktion ± 5 mm
± 2 mm
18
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
± 1 mm
20 Gelenk außerhalb des Glases
Ausgleichselement für die Aufnahme von Toleranzen und Temperaturdehnungen
Festlager
Vertikallager
PLATTENFÖRMIGE VERWENDUNG IN DER GEBÄUDEHÜLLE
Fügetechnik Platte
starrer nicht gelenkiger Glashalter
Loslager
19
21
22
17 Einteilung der Verglasungsarten
20
18, 19 Bohrlochgeometrien und Lagerscheiben
Aufnahme von Toleranzen am Tragarm (Horizontalschnitt durch Vertikalverglasung)
nach Lagerung und Fügetechnik 21
Aufnahme von Toleranzen t am Haltepunkt
22
Die gelenkige Halterung ermöglicht eine
(Ausgleichselemente) für Fest-, Vertikalund Loslager für zwängungsfreie Aufnahme
zwängungsfreie Lagerung quer zur Glasebene.
4.2
von Toleranzen und Temperaturdehnungen
Justiermöglichkeiten mindestens ± 10 Millimeter betragen. [4.2/10] Di-
70 Millimeter Durchmesser, die über einen Stahlbolzen an die Glaso-
ese Ausgleichselemente ermöglichen auch eine statisch bestimmte
berfläche gepresst werden
Lagerung in der Scheibenebene und gewährleisten eine Toleranz ge-
der Regel 12 bis 15 Millimeter. Die Windkräfte werden über die Rei-
genüber Temperaturdehnungen. Festlager werden als Passbohrung,
bungsfläche zwischen Glas und Halter aufgenommen, die Span-
Vertikal- oder Horizontallager als Langlöcher und Loslager als Boh-
nungen hängen von der Pressflächensteifigkeit der Zwischenschicht
rungen mit größerem Durchmesser ausgeführt _ Abb. 18, 19.
ab. Das Eigengewicht von Vertikalverglasungen wird dagegen über
_ Abb. 27, 28
. Der Glaseinstand beträgt in
Eine zwängungsfreie, statisch bestimmte Lagerung quer zur Plat-
Kontakt zwischen Bolzenschaft und zylindrischer Lochleibung abge-
tenebene wird durch gelenkige Halteranschlüsse erzielt. Je weiter das
tragen werden. Das Hülsenmaterial sollte so weich sein, dass es sich
Kugel- oder Elastomergelenk von der Plattenebene abrückt, desto grö-
den Toleranzen und Unebeneinheiten der Lochbohrung anpassen
ßer die Zwängungen aus der Exzentrizität des Gelenks und desto grö-
kann. Der Scheibenversatz einer VSG-Einheit von 2 Millimeter kann
ßer die Plattendicken. Starre Anschlüsse können zu sehr hohen loka-
bei vergrößerten Bohrungsdurchmessern auch durch das kraftschlüs-
len Spannungsspitzen führen
sige Verfüllen des Bohrlochs aufgenommen werden. Je größer Gla-
[4.2/11] Die Abdichtung der
elastischen Silikonmassen. Diese Verklebung der Scheibenränder beeinflusst die RTF positiv. Ein Tellerhalter (Kopfhalter) besteht aus zwei Klemmtellern bis
seinstand und Tellerdurchmesser, desto größer die RTF. [4.2/12] Der Senkhalter besteht aus einem in der Glasfläche versenkten und flächenbündigen Haltekopf und einem Klemmteller auf der innen liegenden Glasoberfläche _ Abb. 23 – 26. Die Konusbohrung ermöglicht
99
_ Abb. 22.
Wetterhaut erfolgt durch die Nassversiegelung der Fugen mit dauer-
PLATTENFÖRMIGE VERWENDUNG IN DER GEBÄUDEHÜLLE KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
Ø 50 Ø 25
Ø 48 Ø 38
Ø 19 Ø 15
23
27
30
24
28
31
25
29
27 – 29 Tellerhalter 28 Rodan-Tellerhalter 29 Tellerhalter stören den Regenabfluss bei Überkopfverglasungen. 23 – 26 Senkhalter 30, 31 Sonderhalter mit stark reduzierten Halteköpfen
23, 24 Prinzipieller Aufbau 25 Dorma-Tragarm (Spider) für Anschluss der Verglasung an Unterkonstruktion
100
4.2
26 Senkhalter Dorma Manet Construct
und entsprechend geringer Belastbarkeit 30 Hinterschnittanker SGG Point-XS für VSG 31 Fugenhalter Pauli und Sohn auf der glasstec 2004
26
die bessere Aufnahme von Toleranzen im Lochdurchmesser. Über
_ KLEMMHALTER
den in eine Manschette aus Kunststoff oder Aluminium eingefassten
Klemmhalter stützen punktförmig Scheibenrand (Randklemmhalter)
Senkkörper werden neben dem Eigengewicht auch Windsogkräfte ab-
oder -ecke (Eckklemmhalter). Einwirkungen quer zur Platte werden
getragen. Trotz des Formschlusses wird über den Senkhalter eine
durch Formschluss, Einwirkungen in Plattenebene (Eigengewicht bei
schlechtere RTF erzielt, da die Gefahr des Ausknöpfens wesentlich
Vertikalverglasung) durch Kontaktklotzung und Konsolen abgetragen.
größer als beim Tellerhalter ist. Das System ist für hängende Über-
Klemmhalter führen zu breiteren Fugen, weisen aber auch bessere
kopfverglasungen daher nur bedingt geeignet.
Möglichkeiten zur Toleranzaufnahme auf. Die Einstandtiefe sollte
UND PRESSLEISTEN: KRAFTSCHLUSS
Eine Sonderform des Punkthalters ist der Hinterschnittanker (z.B.
mindestens 25 Millimeter und die glasüberdeckte Klemmfläche je Hal-
SGG Point XS), der das Glas nicht vollständig durchdringt und die
terung mindestens 10 Quadratzentimeter betragen. Je größer Klemm-
Außenfläche unberührt lässt
. Der Halter mit einem Durch-
fläche und Glaseinstand, desto besser die RTF. Die Abdichtung der
messer von 20 Millimeter wird in der Regel für vertikale Einfachvergla-
Scheibenränder wird durch die in der Fuge liegenden Verbindungsele-
sungen aus ESG verwendet und weist etwa die Hälfte der Tragfähigkeit
mente erschwert _ Abb. 32, 33.
_ Abb. 30
eines gängigen Punkthalters auf. Mit VSG aus TVG sind Überkopfver-
Bei einer Pressleistenverglasung werden die Scheibenränder mit
glasungen möglich, deren RTF noch unter der von Senkhalter-Syste-
hinreichend steifen Trag- und Abdeckprofilen zwischen rechteckige
men liegt. [4.2/13, 4.2/14]
oder profilierte Dichtungsstreifen aus EPDM auf eine tragende Unterkonstruktion geklemmt. Bei Vertikal- und Schrägverglasungen muss
PLATTENFÖRMIGE VERWENDUNG IN DER GEBÄUDEHÜLLE
min. 25 mm
36
33
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
32
35
32 Prinzipskizze Klemmhalter 33 Innenansicht Überkopfverglasung mit außen liegenden Sogklemmhaltern an den Fugenkreuzen 34, 36 Pressleistenverglasung bei Schrägdach, der freie Abfluss des Regenwassers ist gestört. 35 Schnittmodell Pressleistenverglasung
4.2
34
das Eigengewicht durch ausreichend harte Verklotzungen in den Hori-
_ PUNKT-
zontalfugen aufgenommen werden, elastische Distanzklötze fixieren
Bei dem Structural-Sealant-Glazing (SSG), der linienförmigen Verkle-
die Scheibe im Rahmen. Der Falzraum muss wegen der Gefahr ein-
bung von Fassaden- und Dachelementen in der Regel mit Silikon,
dringender Feuchtigkeit entwässert werden.
dient der Klebstoff nicht nur der Abdichtung, sondern auch dem Ab-
tenverglasungen als Stahl- oder Aluminiumprofile an. Für eine zwän-
trag der Lasten in die Unterkonstruktion. In den USA wird das System seit 1963 angewandt.
gungsfreie Lagerung sollte die Durchbiegung von solchen Unterkon-
In Europa ist das SSG durch die Richtlinie für europäische tech-
struktionen auf 1/200 ihrer Stützweite oder auf maximal 15 Millimeter
nische Zulassungen für geklebte Glaskonstruktionen (ETAG 002) ge-
beschränkt werden. Im Überkopfbereich sind bei einer zweiseitigen
regelt. Die ETAG umfasst derzeit drei Regelungsbereiche, nach denen
Lagerung mit einer Spannweite über 1,20 Meter oder einem Seitenver-
europäische technische Zulassungen (ETZ) erteilt werden können (s.
hältnis über 3:1 besondere Untersuchungen zur RTF erforderlich. Bei
auch Kapitel 4.1, _ Abb. 30 ). Die Nutzungsdauer solcher Konstruktio-
vierseitiger Lagerung und einem Glaseinstand von 15 Millimeter kann
nen wird allgemein auf 25 Jahre beschränkt, wobei diese Leitlinie auf
im Regelfall weder die Scheibe bei Glasbruch vom Auflager rutschen,
Silikon als Kleb- und Dichtstoff abgestimmt ist.
noch wird im Gebrauchszustand die freie Verdrehung der gehaltenen Scheibenränder beeinträchtigt _ Abb. 34 – 36.
In Teil 1 der ETAG (gestützte und ungestützte Systeme) werden vier Konstruktionstypen nach der Art der Lastaufnahme unterschieden _ Abb. 40. Bei Typ 1 und 2 werden nur die nicht ständigen Wind-
101
Zahlreiche Hersteller bieten Pfosten-Riegelsysteme für Pressleis-
UND LINIENFÖRMIGE VERKLEBUNGEN: STOFFSCHLUSS
PLATTENFÖRMIGE VERWENDUNG IN DER GEBÄUDEHÜLLE KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
Typ |
Typ ||
Typ |||
Typ |V
37
38
40
Hersteller
Dow Corning
Produkt
2K-Silikon
Zugfestigkeit
zul. Zugspannung
Zugscherfestigkeit
zul. Schubspannung
[N/mm2]
(Kurzzeit)
[N/mm2]
(statisch) [N/mm2]
Reißdehnung
Einsatztemperatur
Farbe
0,95
0,14
k.A.
0,011
130%
-50 °C bis 100 °C
schwarz
0,95
0,14
0,8
0,0105
160%
-50 °C bis 100 °C
schwarz
anwendungs-
ca. 4,5
anwendungs-
ca. 400%
-40 °C bis 90 °C
schwarz
DC 993 Sika
2K-Silikon SG 500
Sika
1K-PUR
ca. 8
Sika Tack-HM
bezogen
bezogen
39
40
Typen von SSG-Fassaden nach ETAG 002
41
Citroen Centre de Communication Paris, Prototyp
37
Beispiel einer SSG-Fassade Typ 2
38
Strukturelle Verklebung mit 2K-Silikon
39
Vergleich der Eigenschaften von zwei Structural-
Structural Sealant Glazing, 2005, Fassadenbau:
Glazing-Silikonen mit einem PUR-Klebstoffsystem
Gartner, Arch.: Manuelle Gautrand
Dachsonderverglasung mit verwundener Geometrie und integrierten Pyramidenelementen mit
4.2
41
lasten über die Verklebung abgetragen, bei Typ 3 und 4, die nur für
Die Fugenbreite beträgt zwischen 6 und 8 Millimetern, das Verhältnis
Einfachverglasungen zulässig sind, auch das ständig wirkende Eigen-
von Fugenhöhe zu Breite zwischen 1:1 und 3:1. Vorteilhaft ist eine
gewicht. Typ 1 und 3 weisen für den Fall, dass die Verklebung versagt,
Haftung an zwei parallelen Oberflächen. Die Mindestklebbreite ergibt
mechanische Sicherungssysteme auf.
sich aus den aufzunehmenden Lasten.
Da Silikone auch bei niedrigen Temperaturen dauerhaft elastisch
Im Vergleich zu Silikon können durch Verklebungen mit PUR hö-
sind und eine sehr gute Adhäsion auf Glas und gebräuchliche Rah-
here Festigkeiten erzielt werden. Das Sika-Tack Panel System, bei dem
menmaterialien aufweisen, eignen sie sich hervorragend für Structu-
ein hochmoduliger Scheibenklebstoff verwendet wird, um Fassaden-
ral-Glazing-Systeme. Überwiegend werden Zweikomponenten-Syste-
platten verschiedenen Materials auf einen Unterkonstruktion aus Alu-
me wie die Klebstoffe DC 993 von Dow Corning und Elastosil SG 500
miniumprofilen zu kleben, stellt nach der ETAG einen Typ 4 dar, bei
von Sika verwendet, die nach den Leitlinien der EOTA für SSG-Anwen-
dem auch das Eigengewicht ohne mechanische Sicherungssysteme
dungen getestet werden. Silikone sind dauerhaft witterungsbeständig,
über die Verklebung abgetragen wird. Die Klebefugen verlaufen verti-
temperaturbeständig von -50 °C bis 150 °C (spezielle Silikone sogar
kal über die gesamte Höhe des Paneels, zur Montagehilfe wird ein
bis 300 °C) und weisen eine gute chemische Beständigkeit auf. Auf-
doppelseitiges Klebeband verwendet.
102
grund der geringen Kohäsionskräfte beträgt die Zugfestigkeit 1 N/mm², die zulässige Spannung bei Kurzzeitlasten ist um Faktor 10 und bei Dauerlasten um Faktor 100 geringer _ Abb. 39. [4.2/15, 4.2/16, 4.2/17]
42, 43, 45:
Geklebter Punkthalter mit Delo-Photobond 4468, System der Hunsrücker Glasveredelung Wagener
44
Eigenschaften von spröden und zähelastischen Klebstoffsystemen im Vergleich (Herstellerangaben)
46
Belastungsversuch einer mit Acrylat verklebten Glaslamelle
43
46
Hersteller/
Produkt/
Zugfestigkeit
Scherfestigkeit
E-Modul
Einsatz-
Reißdehnung
Klebstoff-
Anwendung
[N/mm2]
Glas-Glas/
[N/mm2]
temperatur
[%]
Glas-Al [N/mm2]
system Huntsmann/
Araldite 2020
2K-Epoxidharz
nur Innenbereich
Delo/
Photobond GB 368
Acrylat-Klebstoff
(UV-härtend)
k.A.
26/k.A.
20
23/23
12
Farbe
(Dauer) [°C] - 2 500
bis 40
k.A.
farblos klar
900
-40 bis 120
17
farblos klar
22/24
250
-40 bis 120
200
farblos klar
12
10/12
80
-40 bis 120
280
farblos klar
6
6/4
-40 bis 120
300
gelblich klar
Möbelbau Photobond PB 4468
PLATTENFÖRMIGE VERWENDUNG IN DER GEBÄUDEHÜLLE
45
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
42
(lichthärtend) Punkthalter Photobond PB 493 Innenbereich/ Linienverklebungen Photobond PB 4496
–
Linienverklebungen
4.2
44
_ GEKLEBTE
PUNKTHALTER
mige Mischverklebungen kommen zum Spannungsausgleich lichthär-
Bei geklebten Punkthaltern wird das Glas zwar nicht durch Bohrungen
tende Acrylate mit einer Reißdehnung bis 300 Prozent und Schichtdi-
geschwächt, oftmals sind aber zusätzliche Maßnahmen für das Abfan-
cken von bis zu 3 Millimetern zum Einsatz. Im Vergleich zu Silikonen
gen von Eigenlasten in der Scheibenebene und die RTF notwendig. Für
erzielen Acrylate etwa zehnfach höhere Festigkeiten, sind aber weni-
hängende Überkopfverglasungen sind die Systeme daher ungeeignet.
ger temperaturbeständig und feuchtestabil. Mit einem Festigkeitsver-
Als Klebstoffe kommen Acrylate oder 2K-Epoxydharze in Frage, eine
lust von etwa 30 Prozent bei 42-tägiger Wasserlagerung erreichen ei-
freie Bewitterung sollte vermieden werden. Das Tragverhalten ist ab-
nige Acrylate aber fast die Anforderungen der ETAG und sind somit
hängig von Klebschichtdicke und Punkthalterradius. Bemessungsrele-
auch für Außenanwendungen geeignet _ Abb. 44. Das Verspröden, die
vant sind die Spannungsspitzen am Halterrand. [4.2/18, 4.2/19]
Abnahme der Reißdehnung über die Zeit und das Vergilben des Kleb-
Die Firma Delo, führend bei der Modifikation von Acrylaten für die
stoffes können bei modernen Klebstoffsystemen kontrolliert werden.
Bauanwendung, bietet eine Reihe von lichthärtenden und UV-härtenden Einkomponenten (1K)-Acrylaten für feste bis zähelastische Glas-Glas- und Glas-Metall-Verklebungen an _ Abb. 42, 43, 45. [4.2/20]
dehnung und Aushärtezeit modifizieren. Für flächige oder linienför-
103
Acrylate ermöglichen hoch beanspruchbare Glas-Glas-Verklebungen und lassen sich in Bezug auf Schichtdicke, Viskosität, Bruch-
SCHEIBEN- UND STABFÖRMIGE VERWENDUNG IN TRAGWERKEN
1
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
2
3
1 – 3 Skulptur „Big Blue“ von Ron Arad in Canada Square, Canary Wharf, London 1998, Ing.: Arup. Ein Diskus aus glasfaserverstärktem Kunststoff mit einem Durchmesser von ca. 14 m sitzt vollständig auf einem Ring aus gebogenen Scheiben auf. Das Eigengewicht von ca. 7 t und Wind- und Windsogkräfte werden vollständig von den gläsernen Wandscheiben aufgenommen. Zusätzlich dient die Verglasung als Oberlicht für die unter der Platzfläche gelegene Shopping Mall und als Absturzsicherung. Das Glas besteht auf 2 x 15 mm ESG-H, die Kräfte von ca. 30 kN pro Verbindung werden über einen Wagebalken in die Lochleibungsverbindungen der Scheiben eingeleitet. 4 Der „Glasbogen 1“ mit einer Spannweite von 10 m, 1998, W. Sobek und M. Kutterer, ILEK, Universität Stuttgart
4.3
4
_
tur „Big Blue“ von Ron Arad in Canary Wharf, London
_
Druckspreizen werden in über- und unterspannten Systemen und
_
Fachwerken verwendet
.
. Die besondere Tragfähigkeit von
druckbeanspruchten Scheiben wird aber vor allem von selbsttra-
_ _
_ Abb. 5, 6
_ Abb. 1 – 3
genden Bogen- und Schalenkonstruktionen aus Glas unter Beweis
4.3
gestellt _ Abb. 4.
SCHEIBEN- UND STABFÖRMIGE VERWENDUNG IN TRAGWERKEN
Der Trag- und Versagensmechanismus von Druckgliedern hängt vor allem von deren Lagerungsart ab. Bei punktförmiger Lagerung
DRUCKBE ANSPRUCHTE SCHEIBEN
führen Spannungskonzentrationen und Querzugkräfte an der Lastein-
Bei einer Druckbeanspruchung von Scheibenelementen wirkt sich die
leitung zum Bruch, bevor ein Stabilitätsversagen auftreten kann. Die
Sprödigkeit des Materials kaum festigkeitsmindernd aus. Glasschei-
Querzugkräfte zwischen den Druckspannungslinien in der Scheiben-
ben können als Wandscheiben, Druckspreizen und Schalenelemente
fläche sind dagegen gering und für die Bemessung nicht ausschlagge-
verwendet werden. Beispielhafte Projekte, bei denen tragende Wand-
bend _ Abb. 15.
104
scheiben dem planmäßigen Abtrag von Decken- und Dachlasten dienen, sind die Sommerakademie in Rheinbach
Bei Scheiben mit linienförmiger Krafteinleitung sind dagegen oft
, der
Stabilitätskriterien maßgeblich. Scheiben, deren Ränder parallel zur
„Temple de l’Amour“ bei Noyers in Burgund _ Abb. 12 und die Skulp-
Lastrichtung nicht gehalten sind, können um die schwache Achse kni-
_ Abb. 53 – 56
SCHEIBEN- UND STABFÖRMIGE VERWENDUNG IN TRAGWERKEN 7
9 N
Last
ideelle Kipplast σLK
120 N/mm2 w0 t
Verformung 6
8
10
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
5
8 Last-Verformungsdiagramm einer druckbeanspruchten 7, 9 Knickversuche von VSG-Scheiben an der EPFL Lausanne von Andreas Luible: Die Stabenden sind
Glasscheibe: Bei Annäherung an die ideelle Knicklast nimmt die seitliche Auslenkung des Stabes stark zu.
im Versuchsstand an beiden Enden durch gelenkige 5, 6 Großformatig, fachwerkartig unterspannte Glasplatten mit
Lagerköpfe gehalten, so dass eine richtungstreue Last
10 Aus der Knickverformung entsteht eine
in die Stabachse eingeleitet wird; links: unbelastete
Biegebeanspruchung. Ein Überschreiten der effektiven
Überdachung Schloss Juval, 1998, Arch.: Robert Danz
Scheibe, rechts: belastete, verformte Scheibe.
Biegezugfestigkeit führt zum Versagen der Scheibe.
4.3
dem von Dorma hergestellten Rodan-Zugstabsystem,
cken. Das Knicken kündigt sich bei Laststeigerung durch die allmäh-
Druckkräfte können durch Kontaktverbindungen, Bolzen- und Reib-
liche Zunahme der seitlichen Auslenkung des Scheibenquerschnittes
schlussverbindungen übertragen werden.
an, bis es zu einem Initialbruch auf der Biegezugseite im mittleren _ Abb. 8
. Die Größe der kritischen Knicklast
SCHUBFELDER
Glas wurde als aussteifendes Element bereits in den Gewächshäusern
des Glases
und von zahlreichen weiteren Einflussfaktoren
des 19. Jahrhunderts verwendet. Im Kittbett verlegte Scheiben dienten
wie der geometrischen Schlankheit des Bauteils, der gelenkigen oder
neben der Aussteifung der Gesamtkonstruktion auch der Stabilisie-
steifen Lagerung der Scheibenränder, den Imperfektionen wie Vorver-
rung der knickgefährdeten Eisenrippen, so dass auf Diagonalverbände
formungen oder Streuungen der Glasdicke, der Exzentrizität der
und biegesteife Anschlüsse verzichtet werden konnte _ Abb. 11.
_ Abb. 10
Lasteinleitung und bei VSG zusätzlich auch von der Verbundwirkung ab. [4.3/1, 4.3/2]
Die Beschreibung John Claudius Loudons, des großen Pioniers des Glasbaus, von dem 1827 errichteten Gewächshaus von Bretton
Es muss auf eine kontrollierte Einleitung der Druckkräfte in die Glas-
legt hierfür ein beeindruckendes Zeugnis ab: „Es gab neben den
scheibe bei allen Belastungs- und Verformungssituationen geachtet
schmiedeisernen Verglasungsprofilen keine Binder oder Träger, um
werden. Insbesondere wenn Glasscheiben steife Dachkonstruktionen
das Dach zu versteifen. Das verursachte einigen Ärger, da zu dem Zeit-
stützen, müssen die Verformungen an den Haltepunkten durch gelen-
punkt, an dem die Eisenkonstruktion aufgestellt, aber noch nicht ver-
kige Lagerköpfe und Koppelungen ausgeglichen werden
glast worden war, der geringste Windhauch ausreichte, um die ganze
_ Abb. 55
.
105
Scheibendrittel kommt
hängt daher nicht von der Druck-, sondern von der Biegezugfestigkeit
SCHEIBEN- UND STABFÖRMIGE VERWENDUNG IN TRAGWERKEN KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
11
12
Glasscheibe
=
Z
D
+
D
Z
D
=
D
11
Kibble Palace, Glasgow, um 1870: Im Kittbett verlegte Glasscheiben stabilisieren die Kuppelfläche.
12
„Temple de l‘Amour“ bei Noyers in Burgund:
13
Wandscheiben aus laminierten, vorgespannten Gläsern A
stützen die Dachkonstruktion und steifen gegen
B
C
Windkräfte aus. 13
Das statische System einer Glasscheibe stellt einen Gelenkzug mit sich kreuzenden Diagonalen dar.
D
D
Z
D
(D = Druck, Z = Zug) 14
Möglichkeiten zur schubfesten Einfassung einer Scheibe: A: ohne Rahmen mit Diagonalklotzung B: mit umlaufenden Rahmen und Diagonalklotzung C: mit umlaufenden Rahmen an den Kanten verklebt
4.3
14
Struktur von unten bis oben in Schwingung zu versetzen. Sobald aber
und damit zur optischen Reduzierung der Tragkonstruktion beitragen.
das Glas eingesetzt worden war, konnte man feststellen, dass diese
_ Abb. 17, 18, 20, 21.
vollkommen unbeweglich und stabil geworden war.“ [4.3/3]
Das Tragverhalten eines Schubfeldes kann in einer vereinfachten
Am Bau wird heute von der Schubsteifigkeit der Glasscheibe zur
Systemskizze als Gelenkzug entlang der Kanten mit sich kreuzenden
Aussteifung von Stahl- und Holzskelettkonstruktionen meist nur in
Druckdiagonalen dargestellt werden. Ist die Scheibe in ein Rahmen-
kleinmaßstäblichen Sonderkonstruktionen Gebrauch gemacht, wie bei
system aus Profilen eingebettet, übernehmen bei horizontaler Bean-
der Pavillonkonstruktion des „Temple de l‘Amour“
spruchung durch Windkräfte die Kantenbeschläge die Randzugkräfte
_ Abb. 12
. Hier
106
übernehmen die Wandscheiben zusätzlich zur Dachlast auch die Aus-
_ Abb. 13, 14
.
steifung in Längs- und Querrichtung. Dass Glas als Schubfeld für die
Die Schubkräfte können über diagonale Klotzungen, Bolzen-
Aufnahme planmäßiger Kräfte geeignet ist, belegen neben jüngsten
oder Reibschlussverdingungen im Eckbereich oder durch eine lini-
Forschungsergebnissen auch die Erfahrungen aus dem Automobil-
enförmige Verklebung an den Scheibenrändern eingeleitet werden.
bau, wo die Festverglasung zur Versteifung der Karosserie eingesetzt
Eine Möglichkeit zur linienförmigen, formschlüssigen Übertragung
wird. [4.3/4, 4.3/5]
von Schubkräften ist die Verzahnung der Fügeteile durch eine wel-
Nach dem Stand der Technik könnten Schubfelder aus Glas in
lenförmige Profilierung oder Rändelung von Kantenbeschlag und
weit größerem Umfang innerhalb von Stabtragwerken wie Fachwerk-
Glaskante und das Ausfüllen des Zwischenraums durch Injektions-
systemen und Gitterschalen stabförmige Diagonalverbände ersetzen
mörtel.
SCHEIBEN- UND STABFÖRMIGE VERWENDUNG IN TRAGWERKEN
F 0,7xF Verklotzung
Verklotzung
F
15
0,7xF
F
Verlauf der Druckspannungen Verlauf der Druckspannungen
F
2-3xd 16
19 Detail A 5
1 2 3
4 Detail B 15
Kraftfluss bei Diagonalklotzung: Zwischen
Detail C
17
der Kraftausbreitung in der Glasebene auch geringe Querzugkräfte auf. 16, 19
Detail A
Einleitung der Diagonaldruckkraft durch Aufteilung in zwei Kraftkomponenten (Diagonalklotzung) 2
oder durch Abflachung der Scheibenecke 17, 18, 20 Vorgespannte 1 m x 1,75 m große VSG-
4,5 cm
7
7
6 6,5 cm
Scheibe mit HOE-Elementen für Rückprojektion, Karman-Auditorium RWTH Aachen, Entwurf und Planung:
8
8
C. Kielhorn, A. von Lucadou
1
1 Obergurt Edelstahl U-Profil 65/45/6 2 Edelstahlseil 8 mm
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
den Hauptdruckspannungen treten aufgrund
3 VSG aus 2 x 8 mm TVG und HOE-Folie 4 Untergurt wie Pos. 1 5 Kopfplatte / 2 m 16 Hochleistungsanker 6 Elastomerlager als Montagehilfe 7 6 mm Einpressöffnung für HILTI HY 50 8 Bolzen M 8 in Kunststoffhülse 3 Bei Bruch wird die Resttragfähigkeit durch die Steifigkeit der Stahlgurte gewährleistet. Spannseile und Formschluss (Bolzen) verhindern das Herausgleiten der Scheibe.
4.3
18
Durch Kontaktklotzung kann bei Aussparung der Ecke ein Diagonal-
Um eine möglichst zwängungsfreie Lagerung zu erzielen, müssen alle
druck über zwei Kraftkomponenten in dem Glas aufgebaut werden.
statischen Einwirkungen wie Verformungen aus Temperatureinflüssen
Durch Abflachung der Ecke steht die Kraftrichtung senkrecht auf der
oder Schwind- und Quellprozessen erfasst werden. Eine nicht lineare
Kante, wodurch geringere Flächenspannungen und Querzugkräfte
Berechnung der maßgeblichen Hauptzugspannungen mithilfe eines
auftreten _ Abb. 15, 16, 19. [4.3/6]
FEM-Modells muss auch Art und Größe der Vorverformungen und Aufbau und Schubsteifigkeit des VSG-Verbundes berücksichtigen. Bei linienförmig verklebten Gläsern werden die Zwängungen durch
ren, bevor es aufgrund der Schubbeanspruchungen in der Mittelebe-
die Klebstofffuge aufgenommen. Ständige Beanspruchungen sollten
ne zum Beulen der Scheibe kommt. Diese Form des Stabilitätsversa-
wegen des Kriechverhaltens zähelastischer und elastischer Klebstoffe
gens tritt bei Schubfeldern auch bei Druckgliedern mit allseitig fixierten
vermieden werden. Flexible Klebstoffverbindungen versagen unter-
Kanten auf.
halb der ideellen Beullast.
Mit wachsender Belastung nimmt die vom Verhältnis der Kanten-
Druckscherfestigkeit und Geometrie der Klebefuge müssen für je-
längen abhängige Beulverformung stetig zu. Nach Überschreitung der
den einzelnen Anwendungsfall optimiert werden. Steife PUR-Systeme
ideellen Beulspannnung und des überkritischen Tragverhaltens kommt
haben sich beispielsweise bei Karosserieverglasungen gut bewährt.
es nach einem Initialbruch in den Eckbereichen zu einem explosionsartigen Glasbruch auf der Biegezugseite _ Abb. 34. [4.3/7]
107
Bei Punktlagerung kann eine lokale Überschreitung der effektiven Biegezugspannung im Bereich der Lasteinleitung zum Versagen füh-
SCHEIBEN- UND STABFÖRMIGE VERWENDUNG IN TRAGWERKEN
22
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
20
21
Stahl-Glas-Verbundsystem: Glasschwerter zwischen den vertikalen Gurten stabilisieren den Fassadenpfosten, Neues Museum Nürnberg, 2000, Arch.: V. Staab, Ing.: Verroplan
22
Baukastensystem Ganzglaspavillon: Stützen, Träger und aussteifende Wand- und Dachscheiben aus Glas bilden die Tragstruktur. Entwurf und Planung: U. Knaack und W. Führer, Lehrstuhl für
4.3
Tragkonstruktionen RWTH Aachen, 1996 21
STÜT ZEN, GL ASSCHWERTER UND BIEGETR ÄGER
rung aus laminiertem Glas nicht erforderlich ist. In der Regel werden
_ STÜTZEN
die Schwerter hängend gelagert, Verformungen der Primärkonstruktion
Brunet & Saunier entwickelten für den Innenhof der Stadtverwaltung
werden am Fußpunkt ausgeglichen. Bei mehrgeschossigen Fassaden-
St. Germain-en-Laye erstmals eine Glasstütze, deren kreuzförmiger
konstruktionen können auch mehrteilige Glasschwerter verwendet
und knicksteifer Querschnitt sich aus mehreren schlanken Scheiben
werden, die über Reibschluss miteinander verbunden werden.
zusammensetzte (s. auch Kap. 4.1, Abb. 8 ). Einteilige, streifenförmige
Bei mehrgurtigen Pfosten oder Trägern können zwischen den Gur-
Glasstützen weisen aufgrund ihrer Schlankheit und der damit ver-
ten längliche Glasausfachungen eingesetzt werden. Die Ausfachungen
bundenen Knickgefahr dagegen nur eine begrenzte Tragfähigkeit auf
werden wie ein Schubfeld beansprucht, die Beulform ist von der
Ihr Tragverhalten entspricht dem von schlanken Druck glie-
Schlankheit der Felder abhängig. Bei dem Neuen Museum in Nürn-
_ Abb. 22.
dern [4.3.8] .
berg ist ein solches Stahl-Glas-Verbundsystem bei einem 16 Meter langen Fassadenpfosten umgesetzt worden _ Abb. 21. [4.3/9]
108
_ GLASSCHWERTER
Seit etwa 1950 werden vertikale Glasschwerter zur Stabilisierung von
_ BIEGETRÄGER
Schaufensterverglasungen verwendet. Im Fassadenbereich wirken
Seit Ende der Achtzigerjahre kommen vermehrt auch gläserne Bieg-
Glasschwerter nur aussteifend und übernehmen Winddruck- und
träger für Dachkonstruktionen mit kleiner und mittlerer Spannweite
Windsoglasten, so dass bei geschosshohen Verglasungen eine Ausfüh-
zur Anwendung.
SCHEIBEN- UND STABFÖRMIGE VERWENDUNG IN TRAGWERKEN
M0 =
q x l2 8
7m A
M1 ~ 1 ⁄ 3 M 0
5m
2m
(0,7 l)
(0,3 l)
B
M2 ~ 1 ⁄ 6 M 0
4m
1,5 m
(0,58 l)
24
C
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
1,5 m
Druck M3 ~ 1 ⁄ 4 M 0
Schub Zug
3,5 m
3,5 m Druck Schub
D
Zug 23 M4 = 4 x M 0
Vergleich verschiedener Auflagerbedingungen von Balkensystemen:
25
A Einfeldträger über 7 m, max. Feldmoment beträgt Mo = q*l²/8 B Ein Kragarm entlastet das Feld, Stütz- und Feldmoment betragen nur ca. 1/3 M 0. C Ein zweiseitiger Kragarm reduziert Stützund Feldmoment auf ca. 1/6 M 0.
25
D Ein Zweifeldträger weist ein max. Stützmoment von 1/4 M 0 auf. 3,5 m
Momentenbeanspruchungen werden durch Laschen und Bolzenpaare am oberen bzw. unteren
E Ein Kragträger über die gesamte Spannweite führt zu
3,5 m
Prinzipielle Kraftübertragung am Stoß eines Biegeträgers:
einem Einspannmoment, das vierfach größer ist als M 0.
Rand des Trägers aufgenommen, die Biegedruckbzw. Biegezugkräfte aufnehmen. Um zusätzlich Schubkräfte aufzunehmen, müssen die Laschen
E 24
Kippversuch eines schlanken Glasträgers
entweder miteinander verbunden werden, oder es
an der EPFL Lausanne
muss mind. ein weiterer Bolzen angeordnet werden.
4.3
23
Biegeträger aus Glas, die bei begehbaren Glasböden und Glasdächern
und Biegedrillknickens die Tragfähigkeit. Die geringe Torsionssteifig-
eingesetzt werden (s. Kap. 4.2), müssen im Vergleich zu Glasschwer-
keit begünstigt das seitliche Ausweichen bei gleichzeitiger Verdrehung
tern meist höhere Verkehrslasten und auch mittel- und langfristige
des schlanken Querschnittes
Lasten abtragen. Die Spannweite von einteiligen Trägern ist durch die
reicht, wenn die Biegezugspannungen auf der Glasoberfläche die ef-
Fertigungsgröße von Glas auf 6 bis 7,50 Meter beschränkt.
fektive Glaszugfestigkeit überschreiten. Für die Bemessung schlanker,
_ Abb. 24
. Der Kippwiderstand ist er-
Glasbalken werden um ihre starke Achse auf Biegung bean-
kippgefährdeter Glasträger müssen Abminderungsfaktoren berück-
sprucht. Die Biegebeanspruchung des Trägers ist von Spannweite und
sichtigt werden, die Schlankheit, Glasaufbau, Schubverbund der PVB-
Auflagerung des Trägers abhängig. Dem Biegemoment wirkt die Stei-
Folie, Art der Belastung, effektive Biegezugfestigkeit und vorhandene
figkeit des Querschnittes entgegen, die mit Breite und vor allem Trä-
Vorverformungen erfassen.
gerhöhe zunimmt. Durch die Momentenbeanspruchung entsteht in
Bei gedrungenen Trägern sind in der Regel die Spannungskon-
der Regel im Querschnitt eine lineare Spannungsverteilung von Biege-
zentrationen bei der Lasteinleitung und die Kantenfestigkeiten auf der
Durch Variation von Anzahl, Art und Lage der Auflager kann das System als Kragträger, Einfeldträger mit Kragarmen und Durchlaufträger variiert und das Momentenbild beeinflusst werden _ Abb. 23. Neben der Biegezugspannung begrenzt die Gefahr des Kippens
zugbeanspruchten Seite für die Bemessung ausschlaggebend. [4.3/11, 4.3/12, 4.3/13]
Eine einfache Möglichkeit der gelenkigen Auflagerung des Trägers stellt eine Gabellagerung dar, oftmals als Schuh aus Flachblechen ausgeführt. Die Querkräfte werden durch Kantenpressung abgetragen,
109
druck- und Biegezugkräften. [4.3/10]
360
406
SCHEIBEN- UND STABFÖRMIGE VERWENDUNG IN TRAGWERKEN
40
60
25
27
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
26
26, 27 Prototyp eines zusammengesetzten StahlGlas-Verbundträgers: Die druck- und zugbelasteten Flanschen des Doppel-T-Querschnittes werden über Winkelprofile schubfest mit dem Glassteg verbunden. 28 Glaspavillon RWTH-Aachen: Stütze und Träger bilden statisch gesehen keinen Rahmen. Die Fußpunkte der Stützen sind eingespannt. Die gelenkig aufgesetzten Träger übertragen nur Normalkräfte auf die Stützenköpfe.
110
4.3
28
die Kipphalterung wird durch die elastische Einspannung der Balken-
durch Klebeverbindungen experimentiert. Je elastischer der Klebstoff,
enden erzielt und eventuell durch eine schuhförmige Verklebung un-
desto höher die Beanspruchung der Klebefuge, desto geringer aber
terstützt. [4.3/14]
die Beanspruchung des Glases. Am Lehrstuhl für Stahlbau an der
Rahmenecken und Trägerstöße sollten nach Möglichkeit in die
RWTH Aachen wurde von Frank Wellershoff ein Träger entwickelt, der
Nähe von Momenten-Nullpunkten gelegt werden, um die Beanspru-
einen doppel-T-förmigen Querschnitt aufweist _ Abb. 26, 27. Eine Glas-
chungen in der Verbindung gering zu halten. Da Reibschlussverbin-
scheibe bildet den Steg, Stahlbleche bilden die Flansche des Trägers.
dungen bei Glasbalken, die aus Gründen der RTF aus VSG ausgebildet
So übernimmt der Stahl die Druck- und Zugkräfte, das Glas in erster
werden müssen, kaum in Frage kommen, werden Momentenstöße in
Linie nur die Schubkräfte. Die Verbindung erfolgt über L-Profile aus
der Regel als Lochleibungsverbindungen ausgeführt (s. Abschnitt „Fü-
Stahl, die mit einem hochmoduligen PUR-Scheibenklebstoff an die
getechnik“).
Glasflächen geklebt und mit dem Blech verschraubt werden. An der
Je ein Bolzenpaar nimmt entlang der Glaskanten die Biegedruck-
TU Delft wird im Rahmen des ZAPPI-Forschungsprojekts mit diskon-
und Biegezugkräfte auf. Wenn die Verbindung auch Querkräfte auf-
tinuierlichen Glassegmenten experimentiert, die über flächige Kunst-
nehmen muss, muss in der Regel ein Bolzenpaar mit einem weiteren
stofffolien aus Polycarbonat und einen UV-aushärtenden Acrylatkleb-
Bolzen verbunden werden, um ein Verdrehen des Beschlages zu ver-
stoff flächig miteinander verbunden werden, um so auch die Resttrag-
hindern _ Abb. 25.
fähigkeit des Balkens zu verbessern _ Abb. 31, 32.
Zurzeit wird mit der Aufnahme von Momentenbeanspruchungen
Glasart
außen
innen
Float
TVG
Für die Bemessung ist die Tragfähigkeit der Floatgläser entscheidend, daher große
oder
Querschnitte; die Resttragfähigkeit bei intaktem TVG bzw. ESG ist gut.
SCHEIBEN- UND STABFÖRMIGE VERWENDUNG IN TRAGWERKEN
Glasart
ESG TVG
ESG
Für die Bemessung ist die Tragfähigkeit der TVG-Außenscheiben entscheidend, die Resttragfähigkeit bei intaktem ESG ist gut.
ESG
TVG
Für die Bemessung ist die Tragfähigkeit der TVG-Innenscheibe(n) entscheidend; Stoßsicherheit und Resttragfähigkeit bei intaktem ESG ist gut.
ESG
ESG
31
Sehr gute Tragfähigkeit, im Versagensfall Bruch aller Scheiben; für Resttragfähigkeit weitere Maßnahmen wie Seilzug entlang Unterkante notwendig; gute Stoßsicherheit durch ESG
29
30
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
32
33
30, 33 Der Flachstahl entlang der Unterkante des Glasträgers übernimmt bei Glasbruch die Biegezugkräfte und stellt so die Resttragfähigkeit
Delft: Laminatträger mit versetzten Stößen
Trag- und Resttragfähigkeit von Glasträgern hängen von
Gästehaus der RWTH Aachen, 2002,
und eingeklebten Kunststofffolien aus
der Kombination der Glasarten im VSG-Verbund ab.
Arch.: Feinhals, Ing.: Führer Kosch Jürges
Polycarbonat sollen die Resttragfähigkeit verbessern.
4.3
29
31, 32 ZAPPI-Forschungsprojekt an der TU
sicher, Treppenhausüberdachung
REST TR AGFÄHIGKEIT VON SCHEIBEN
Bei Bruch einzelner Scheiben durch Zwängungen oder Stoßeinwir-
Die RTF von scheiben- und stabförmigen Bauteilen hängt von dem
kungen erhöhen sich schlagartig die Spannungen der intakten Schei-
Schadensszenario, dem Verbundglasaufbau und der Halterung ab.
ben. Um einen progressiven Bruch zu verhindern, muss der Tragwi-
Generell muss bei Bruch eines tragenden Glasbauteils sowohl die
derstand des beschädigten Tragelements mindestens so groß sein wie
Standsicherheit des betroffenen Bauteils als auch die der Gesamt-
zum Zeitpunkt des Bruchs. Damit sind Anordnung, Dimensionierung
konstruktion sichergestellt werden. [4.3/15]
und Qualität der Scheiben eines VSG-Verbundes von elementarer Bedeutung.
glasaufbaus gleichzeitig brechen können. Bei dem gleichzeitigen Bruch
Für eine erhöhte RTF sollte in dem Aufbau zumindest eine Schei-
aller Gläser eines VSG-Verbundes hängt die RTF allein von der Dicke
be aus einem grobbrechendem Glaserzeugnis ausgeführt werden. Da
und Reißfestigkeit der Folie ab. Es besteht die Gefahr, dass die PVB-
die Spannungen für Floatglas zu hoch sind, handelt es sich dabei
Folie an der zugbeanspruchten Kante aufreißt, das Glaselement in der
meist um TVG. Um den wünschenswert symmetrischen Glasaufbau
Mitte auseinanderbricht und das Element aus den Lagern rutscht.
zu erreichen werden oft Dreifach-VSG Scheiben ausgeführt, bei denen
Ein Stabilitätsversagen durch Kippen oder Beulen muss ausgeschlos-
die beiden äußeren Scheiben aus TVG bestehen und die innen liegen-
sen werden, da beim schlagartigen Bruch aller Scheiben im überkri-
de Scheibe aus ESG, welche die RTF bei Bruch der Außenscheiben
tischen Bereich das Bruchbild auch bei TVG-Scheiben sehr feinkörnig
gewährleistet _ Abb. 29, 37. [4.3/16]
ist und keine nennenswerte RTF besteht _ Abb. 34, 36.
Um zu verhindern, dass alle Scheiben eines Dreifach-VSG durch
111
Es sollte ausgeschlossen werden, dass alle Scheiben des Verbund-
SCHEIBEN- UND STABFÖRMIGE VERWENDUNG IN TRAGWERKEN KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
oben
Initialbruch
Beulseite
unten
34
36
35
37
34, 36 Scheibenförmige Tragelemente weisen nach einem Stabilitätsversagen auch bei der Verwendung von VSG aus TVG ein so feinkrümliges Bruchbild auf, dass
35
Resttragfähigkeitsversuch an einem Glasträger aus
37
Ein Glasträger aus Dreifach-VSG bietet
TVG: Unter Last werden nach und nach die Scheiben
eine gute Resttragfähigkeit, wenn jede
ist; links: Schubfeld nach Beulversagen;
des Verbundträgers zerstört und Spannungen und
einzelne Scheibe so bemessen ist, dass sie
rechts: Druckglied nach Knickversagen.
Verformungen gemessen.
die planmäßige Last abtragen kann.
4.3
nahezu keine Resttragfähigkeit vorhanden
eine Stoßbeanspruchung zerstört werden, können die Kanten der in-
nungen im Auflagerbereich, stellt aber auch höhere Anforderungen an
nen liegenden, tragenden Scheibe zurückversetzt werden.
die Unterkonstruktion und die Parallelität der Glaskanten. Bei Glas-
Bei Balken ist mit Hinblick auf die RTF eine Verstärkung der Zugzone
ecken, wo sich Kantenstörungen häufen, ist mit der Klotzung ein Ab-
vorteilhaft, beispielsweise durch ein in der Nut eines dreischichtigen
stand von der zwei- bis dreifachen Glasdicke vorzusehen
VSG eingelegtes Stahlseil oder durch einen Flachstahl entlang der Un-
Unebenheiten in den Kontaktflächen sind unbedingt zu vermeiden
terkante des Trägers _ Abb. 30, 33.
ebenso wie ein Verdrehen und Verrutschen des Beschlags.
_ Abb. 16
.
Wie bei allen kraftschlüssigen Verbindungen kommt den SchichFÜGETECHNIKEN
ten zwischen Glas- und Halterungselementen eine übergeordnete Be-
_ KONTAKT VERBINDUNGEN
deutung zu. Für linienförmige Krafteinleitungen sind Materialien geeig-
Durch Kontaktverbindungen werden Druckkräfte über Kantenpressung
net, die aus Plattenware geschnitten oder gestanzt werden. Hierzu
in die Scheibenebene eingeleitet. Besonders bei Bogen- und Schalen-
zählen Elastomere mit Shore-Härten von mindestens D 80, hartelasti-
konstruktionen können so hohe planmäßige Lasten abgetragen wer-
sche Materialien für Hochdruck-Flachdichtungen aus dem Anlagen-
den, die die Biegezugfestigkeit von Glas bis um das Zehnfache über-
bau (wie Klingersil _ Abb. 38 ) und Bleche aus Reinaluminium.
112
treffen
. Punkt- oder linienförmige Klotzungen an den
Für punktförmige Klotzungen insbesondere von VSG sind Formteile
Scheibenrändern stellen über Lasteinleitungsschichten den Kraft-
aus hartelastischem Kunststoff wie Polyoximethylen (POM) und injizier-
schluss her. Eine Vergrößerung der Klotzlänge vermindert die Span-
bare Hybridmörtel zweckmäßig. Über die Zusammensetzung orga-
_ Abb. 40, 42
Standfestigkeit
Standarddicken [mm]
synthetische Fasern,
39 [16h/175 °C] (DIN 52913)
8% (Dickenabnahme bei
0,5/1/1,5/2/3
23 °C und 50 N/mm2)
gebunden mit NBR Klingersil C-4500
Carbonfasern mit spez.
SCHEIBEN- UND STABFÖRMIGE VERWENDUNG IN TRAGWERKEN
Druckstandfestigkeit [N/mm2]
35 [16h/175 °C] (DIN 52913)
10% (Dickenabnahme bei
0,5/1/1,5/2/3
23 °C und 50 N/mm2)
hoch temperaturbeständigen Zusatzstoffen Hilti HIT
Hybridmörtel
10 [empfohlen]
max. 4
38
39
41
43
38 Technische Daten von Verklotzungsmaterialien 39, 41, 43 Kontaktklotzung mit Hilti HIT HY-50: 39 Beispiel Tetra-Glasbogen (s. Kapitel 7.3) 41 Verfüllen des Injektionsmörtels mit Hilfe
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
Klingersil C-4430
Material
einer Schablone 43 Nach Aushärten des Mörtels und Entfernen der Schablone sind die Ein- und Austrittsöffnungen zu sehen. 40 Kontaktverbindung Faltwerktonne, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen RWTH Aachen, 1997 42 Kontaktverbindung: Auf einer Klotzungslänge von ca. 50 cm werden bis zu 7 kN übertragen. „Glasbogen 2“, ILEK Universität Stuttgart 42
4.3
40
nischer und anorganischer Bestandteile kann Druckfestigkeit und Elas-
dung. Es handelt sich um rein kraftschlüssige, in der Regel zweischnit-
tizität des Mörtels variiert werden. Insbesondere der Injektionsmörtel
tige Verbindungen: Zwei Laschen werden durch vorgespannte Bolzen-
Hilti HIT HY-50 hat sich im Glasbau bewährt. Die Schichtdicke des Ma-
verbindungen von beiden Seiten gegen eine mittig liegende Glasschei-
terials, das nach der Injektion aushärtet, beträgt bis zu 4 Millimeter.
be gepresst, so dass an den Kontaktflächen hohe Haftkräfte erzeugt
Fertigungstoleranzen wie beispielsweise der Kantenversatz bei VSG und
werden
Montagetoleranzen können so aufgenommen werden. [4.3/17]
Reibkräfte den Schubkräften zwischen den Werkteilen entgegen. Die
_ Abb. 44
. Bei Belastung in der Scheibenebene wirken die
Die Applikation des Mörtels in zähflüssiger Form erfordert eine
Höhe der aufnehmbaren Normal-, Schub- und Biegespannungen
besondere Gestaltung des Anschlusspunktes. Der kammerförmige
hängen bei einer Reibschlussverbindung direkt von dem Anpress-
Hohlraum zwischen Beschlag und Glaskante muss zu allen Seiten ab-
druck und den Reibbeiwerten der Oberflächen ab. Bei der Verwen-
gedichtet sein. Eintrittsöffnungen für die Mischdüse des Auspressge-
dung spezieller Reibschichten können sehr gleichmäßig hohe Kräfte in
räts von 6 und Austrittsöffnungen von 3 Millimeter Durchmesser müs-
die Glasfläche übertragen werden, Reibschlussverbindungen weisen
sen vorgesehen werden _ Abb. 39, 41, 43.
in der Regel eine höhere Beanspruchbarkeit als Bolzenverbindungen auf. Charakteristisch für Reibschlussverbindungen sind Bolzengrup-
UND KLEMMVERBINDUNGEN
pen und Mehrbolzenverbindungen
_ Abb. 45 – 48
. Zur Aufnahme von
Reibschlussverbindungen haben sich im Stahlbau für die Aufnahme
Biegedruck- und Biegezugkräften bei mehrteiligen Balken ist die rei-
großer Kräfte bewährt, im Glasbau kommen sie seit 1960 zur Anwen-
henförmige Anordnung in Nähe der Kanten am effektivsten. Da Kräfte
113
_ REIBSCHLUSS-
SCHEIBEN- UND STABFÖRMIGE VERWENDUNG IN TRAGWERKEN
Elastomerhülse
Reibschicht
Federring
Stahllasche
44
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
45
46
44–48 Reibschlussverbindungen: 44 Die Kräfte werden über Reibschichten in die Scheibenebene eingeleitet. 45 Außen liegender Trägerstoß Educatorium Utrecht – Bolzengruppen sind für das Erscheinungsbild von Reibverbindungen typisch. 46 Modell einer Reibschlussverbindung bei VSG: Im Bereich der Krafteinleitung muss die zähelastische Zwischenschicht durch druckfeste Einlagen ersetzt werden. 47 Zangenartige Ausführung einer Reibschlussverbindung, Sony Center Berlin 48 Aufgelöste Reibschlussverbindung mit mehreren Einzellaschen
4.3
47
48
nicht über Lochleibung abgetragen werden, können Toleranzen ein-
Regel ausgeschlossen, es sei denn im Bereich der Krafteinleitung wird
fach durch entsprechend größere Lochdurchmesser aufgenommen
diese Kunststoffschicht durch steifere Kunststoffschichten oder Alu-
werden. Im Gegensatz zu Lochleibungsverbindungen entstehen bei
minium-Zwischenschichten ersetzt, was allerdings technisch sehr auf-
Verwendung von sehr steifen Klemmplatten keine Verformungen im
wändig ist _ Abb. 46.
114
Lochbereich und damit auch keine Spannungsspitzen. Durch die geometrische Ausformung der Klemmlaschen können zudem die Span-
_ BOLZEN-
nungskonzentrationen im Randbereich kontrolliert werden _ Abb. 48.
Bei einer Lochleibungsverbindung überträgt ein scherfester Stahlstift
Die Kontaktflächen müssen feinmechanisch bearbeitet und plan
in einer Passbohrung durch Formschluss mit der Bohrwandung (Loch-
sein. Oberflächenondulierungen beim bearbeiteten Stahlwerkstück,
leibung) konzentrierte Kräfte in das Werkstück, die sich unter einem
UND LOCHLEIBUNGSVERBINDUNGEN
vor allen im Bereich der Lochbohrungen, sind auszuschließen, da an-
Winkel von circa 120° in der Scheibenebene ausbreiten _ Abb. 49. Im
sonsten die sehr hohen Anpresskräfte, die bei Reibschlussverbin-
Holz- und Stahlbau als Verbindungsmittel bewährt, stellen Bolzenver-
dungen über die Glasoberfläche aufgebaut werden, zu Spannungs-
bindungen im Glasbau aufgrund des fehlenden Plastizierungsvermö-
spitzen im Glas und zum Bruch führen können.
gens von Glas eine besondere Herausforderung dar. Im Bohrloch tre-
Reibschlussverbindungen kommen in der Regel nur bei monoli-
ten Spannungsspitzen auf, die etwa dreimal so hoch sind wie in einem
thischen, vorgespannten Gläsern zur Anwendung. Bei VSG sind sie
Werkstück aus einem duktilen Werkstoff wie Stahl, die Verwendung
aufgrund des Kriechverhaltens von PVB, GH und auch von SGP in der
vorgespannter Gläser ist erforderlich _ Abb. 51.
SCHEIBEN- UND STABFÖRMIGE VERWENDUNG IN TRAGWERKEN
Elastomer
Distanzring
Hülsenmaterial 51
52
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
49
49–52 Lochleibungsverbindungen: 49 Die Lasten werden über Kontakt zwischen Bolzen, geeigneten Zwischenschichten und Bohrlochleibung in die Glasebene eingeleitet. 50 Lochleibungsverbindung Sony Center Berlin 51 Spannungskonzentrationen im Bohrloch bei einer Lochleibungsverbindung 52 Lochleibungsverbindungen bei einem Kragträger, Haltestelle Anger in Erfurt
In den letzten Jahrzehnten haben umfangreiche Forschungen den
tigen Bohrung sollte so gering wie möglich sein, da ein Polieren der
Einfluss von Lochgeometrie, Kantenqualität, Eigenschaft des Hülsen-
Bohrlöcher unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht möglich ist.
materials und Art der Halterung auf das Tragverhalten von Bolzenver-
Ein gleichmäßiges Vorspannen wird gewährleistet, wenn der Loch-
bindungen untersucht.
durchmesser mindestens der Scheibendicke entspricht.
Die Bruchkraft ist abhängig von Anzahl und Durchmesser der Zy-
Vorgefertigte Hülsen werden seitlich auf die Lochleibung aufge-
linderbolzen, Kräfte von bis zu 30 kN und mehr lassen sich pro Bolzen
steckt und passen sich unter Beanspruchung den Oberflächen des
übertragen. Um Zwängungen zu vermeiden, sollte die Anzahl der Bol-
Werkstückes an. Steife Hülsenmaterialien wie Nylon oder Aluminium
zen zugunsten größerer Bolzendurchmesser reduziert werden. Ein-
weisen geringere Lastverteilungsflächen und damit auch geringere
schnittige Verbindungen, bei denen zwei übereinanderliegende Werk-
Bruchlasten wie Hülsen aus dem weicheren POM (Polyoximethylen)
stücke verbunden werden, sollten wegen der auftretenden Lastexzent-
auf. Steckhülsen sind einfach zu montieren, ermöglichen aber nur ei-
rizitäten vermieden werden.
ne geringe Toleranzaufnahme. Ungenauigkeiten in Durchmesser und
Für Bolzenverbindungen werden im Allgemeinen Zylinderboh-
Position der Bohrungen von ±2 Millimetern müssen bei vorgefertigten
rungen verwendet, die auf beiden Seiten des Bohrloches eine 45°-
Hülsen durch Langlöcher in den Verbindungselementen aufgenom-
Fase aufweisen (s. auch Kap. 3.3, Abb. 11 – 13 ). Die Qualität der Bohr-
men werden, oder es kommen präzise aufgebohrte POM-Scheiben
lochoberflächen ist für ein gutes Tragvermögen entscheidend, sie
oder Doppelexzenterringe aus Aluminium zur Anwendung.
sollten glatt und riefenfrei sein. Der Kantenversatz bei einer zweisei-
Für vorgespannte VSG-Scheiben, bei denen der Kantenversatz bis zu
115
4.3
50
4,3 cm
6
4,3 cm
10 6
960 mm ESG innen 1 000 mm TVG außen
Ø 2,3 cm Hülse außen
9 8 7 5
Ø
3 6,0 cm
12
12 2
2 19
11 13
TV
G
ß au
en
14
8,5 cm 12,8 cm
0,5 cm
18 17
18 Klotzung Hiltl HIT min. 100 mm/ 17 Stahlplättchen z. Toleranzausgleich
0,4 cm
4
2,0 cm
4
5,
m 0c
Ø 2,6 cm ESG 19 mm
17
2,0 cm 1,5 cm
SCHEIBEN- UND STABFÖRMIGE VERWENDUNG IN TRAGWERKEN
9 5 7
14
14
16
15
M 12 – 8,8 vorgespannt
M 12 – 8,8 vorgespannt
Stoffe t = 10 mm in HFA 180 eingeschweißt
53
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
54
53
55
Lochleibungsverbindung am Fußpunkt einer tragenden Wandscheibe beim Bausystem für die Sommerakademie Rheinbach und den „Glass Pavillon Düsseldorf“ 1
Bolzen M 20
2
Bolzen M 10
3
Aluminiumhülse
4
Exzenterringe Aluminium
5
Klingersil C-4500
6
Vergussmörtel Hilti HIT HY-50
7–9
56
VSG aus 10 mm TVG und 19 mm ESG 54
Hier wird die Dachscheibe vollständig von
10
Stahlschuh
11
Auflagerkonsole aus Stahl
tragenden Wandscheiben aus Glas gestützt.
12
Bolzen M 12 (8,8, vorgespannt)
Sommerakademie Rheinbach, 2000, Arch.:
13
Distanzplatte d = 20 mm
Marquardt und Hieber, Ing.: Ludwig und Weiler
14
2 Bolzen M 16 Stahlsteife
16
HEA 180
17
Stahlplättchen für Toleranzausgleich
18
Hilti HIT HY-50, im Bereich der Klotzung
55
Gelenkiger Verbindungsschuh zwischen Dach und Wandscheibe für zwängungsfreie Lagerung
56
Exzenterringe für Anschluss der Wandscheiben
4.3
15
3 Millimeter betragen kann, werden Gießhülsen aus Epoxy, Polyester
System- und Dauerlasten durch sehr feste harte Klebeverbindungen,
oder PUR mit nachgewiesener Verträglichkeit zu PVB verwendet.
da insbesondere deren Kriechverhalten noch nicht ausreichend unter-
116
sucht ist. Zudem müssen bei Scherverbindungen und harten Verkle_ KLEBEVERBINDUNGEN
bungen die Spannungsspitzen an den Kleberändern beachtet werden.
Man unterscheidet Mischverklebungen, bei denen punkt- oder linienför-
Aber insbesondere für den stumpfen Stoß bei Glas-Glas-Kantenverkle-
mige Beschläge werkseitig auf die Glasoberfläche oder auf die Glas-
bungen (stirnseitige Verklebung) von gefalteten Elementen, wo durch
kante geklebt werden, und Ganzglasverklebungen, bei denen angren-
die Verklebung nur geringe Druck-, Zug- und Scherbeanspruchungen
zende Glasflächen oder -kanten direkt miteinander verbunden werden.
abgetragen werden, können Acrylate und Schmelzklebstoffe zur An-
Für Mischverklebungen, die für das Fügen von optimierten Verbund-
wendung kommen.
querschnitten eine wachsende Rolle spielen, kommen vor allem zähe-
Klebeverbindungen werden für die Übertragung von größeren
lastische Verklebungen mit speziellen Silikonen, PUR, Acrylaten oder
Kräften in die Scheibenebene generell als Scherverbindungen ausge-
Hochleistungsklebebändern wie VHB von 3M in Betracht. Auch für die
bildet. Durch Verblattung (Schwertverklebung) oder Flankenklebungen
Übertragung von geringen, dauerhaft wirkenden Schub-, Zug- oder Mo-
kann die Klebefläche und damit die Größe der aufzunehmenden Kräf-
mentenbeanspruchungen oder zur Aussteifung oder Stabilisierung von
te und die Elastizität des Klebstoffs vergrößert werden. Bei geringeren
Tragwerken sind flexible Klebeverbindungen gut geeignet _ Abb. 57, 59.
Beanspruchungen werden Einflanken-Verklebungen, bei höheren Ver-
Im Glasbau gibt es noch wenig Erfahrung mit der Übertragung von
klebungen Zweiflanken-Verklebungen ausgeführt, bei denen vier
B
C
D
E 59
60
57
Verkleben eines Aluminiumkantenbeschlags mit Silikon, Prof. B. Weller, Thomas Schadow, Universität Dresden
58
Der „Glass Cube“ auf der glasstec 2002,
KONSTRUKTION UND FÜGETECHNIK
57
SCHEIBEN- UND STABFÖRMIGE VERWENDUNG IN TRAGWERKEN
A
J. Knippers, S. Peters, Universität Stuttgart 59
Linienförmige Verklebung mit 2K-Epoxidharz mit pneumatischer Mischpistole
60
Querschnittsgeometrien linienförmiger Verklebungen A Ein-Flanken-Verklebung (stirnseitige Verklebung) B Zwei-Flanken-Verklebung (L-förmige Verklebung) C Schwertverklebung D Parallele Zwei-Flanken-Verklebung E Drei-Flanken-Verklebung (U-förmige Verklebung)
4.3
58
Werkstückoberflächen miteinander verbunden werden
_ Abb. 60
.
Neue Untersuchungen zeigen, dass eine Dreiflankenhaftung nicht
kon aufgeklebte Rippen aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GfK) stabilisiert wurden _ Abb. 58.
grundsätzlich zu einem besseren Tragverhalten führt. [4.3/18] Kräfte quer zur Scheibenebene können durch aufgeklebte Beschläge über zugbeanspruchte Klebefugen in das Glas eingeleitet werden. Dabei sollen Schäl- und Spaltbeanspruchungen vermieden werden, wie sie durch das Abziehen von Fügepartnern von der Glasoberfläche oder durch das Aufklappen einer Klebefuge entstehen können, um ein Einreißen der Klebefuge aufgrund von Spannungsspitzen an den Kleberändern zu verhindern (s. auch Kap. 4.1, Abb. 29 ). Bei Verbundquerschnitten kann Glas wesentlich zur Versteifung der Konstruktion beitragen, wenn es in der Druckzone des Spannungsquerschnittes liegt. Als Beispiel sei der auf der glasstec 2002 der Universität Stuttgart präsentierte „Glass Cube“ genannt, bei dem die großformatigen Glasscheiben der Dachkonstruktion durch mit Sili-
117
von dem Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen
– – – – –
5
119
FUNKTIONSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN
ÜBERBLICK
thermisch
FUNKTIONSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN
Behaglichkeit
Makroklima
akustisch
visuell Tätigkeit/ Wärmeabgabe
1
thermische Behaglichkeit
Gebäudeausrüstung U-Wert g-Wert z-Wert
Geometrie/Orientierung
2
1 Thermische, akustische und visuelle Gesichtspunkte beeinflussen das Behaglichkeitsempfinden. 2 Faktoren für die thermische Behaglichkeit einer Glashalle 3 Das Glasdach schützt vor Witterung und versorgt den Innenraum gleichzeitig mit Tageslicht. 4 Schmutzrückstände auf einem flach geneigten Glasdach
5.1
3
4
_
nen. Je nach Nutzung können unterschiedliche funktionstechnische
_
Anforderungen für die thermische, visuelle und akustische Behaglich-
_
keit gelten _ Abb. 1. Die zentralen Bedürfnisse nach Schutz vor sommerlicher Überhitzung und winterlicher Auskühlung sowie vor Blend-
_ _
5.1 ÜBERBLICK
erscheinungen und akustischer Unbehaglichkeit durch Halleffekte müssen schon bei der Planung berücksichtigt werden. Dies gilt auch
„Dass diese Wohltat aber auch von Dauer sei, gewährt Dir nicht die Wand, nicht die Grundfläche und nichts von alledem, sondern allein vor allem, wie man sehen kann, die äußere Schale des Daches ...“ Leon Battista Alberti [5.1/1]
für die Reinigung der Dachflächen _ Abb. 4. [5.1/2, 5.1/3] Komfortansprüchen sollte mit Rücksicht auf unsere Umwelt mit angemessenen technischen Mitteln entsprochen werden. Das Bauen mit Glas ermöglicht dabei, die zentralen Schutzfunktionen mit der Gewinnung von Sonnenenergie zu verbinden und über das Jahr eine
Das Glasdach ermöglicht, große und tiefe Nutzflächen vor der Witterung zu schützen und gleichzeitig mit natürlichem Tageslicht zu ver120
sorgen. Die Glasarchitektur birgt allerdings auch Gefahren, die nur durch sorgfältige Planung und Rücksichtnahme auf die klimatischen Bedingungen und Bedürfnisse des Nutzers vermieden werden kön-
weitgehend ausgeglichene Energiebilanz zu erzielen. [5.1/4]
EN
AF
[%]
[lux]
[%]
gering
2
100
4
mäßig
4
200
8
hoch
10
500
20
sehr hoch
15
750
30
Tageslicht
Trüber Winternachmittag
3000
Bewölkter Wintertag
5000
Wolkenloser Wintertag
10000
Leichtbewölkter Sommertag
20000
Wolkenloser Sommertag
5
7
NennbeleuchtungsAnsprüche [lux]
Dämmerung
100000 <5000
9
ÜBERBLICK
D
Ansprüche
FUNKTIONSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN
Art der
P
Lichtminderung durch den Faktor für Raumlänge
Lichtminderung durch den Faktor für Raumbreite
6
8
5 Zweischalige, plastisch hervortretende Oberlichter zur Akzentuierung des Innenraums, Akademische Buchhandlung in Helsinki, 1969, Arch.: A. Aalto
7 Gesamtfläche der Lichtöffnungen AF, empfohlener mittlerer Tageslichtquotient D und angestrebte Beleuchtungsstärke EN in Abhängigkeit zu der Art der Ansprüche
6 Zweischalige Oberlichtdecke zur gleichmäßigen Ausleuchtung des Innenraums, Sächsische
8 Der Tageslichtquotient D gemessen an einem Punkt P im Innenraum ist abhängig von den
Ortner + Ortner Baukunst
Proportionen der umschließenden Wände.
9 Tageslichtangebot und Beleuchtungsstärken E A im Außenraum
5.1
Landesbibliothek Dresden, 2002, Arch.:
_ WIT TERUNGSSCHUTZ
Himmel, die wechselnden Lichtstimmungen von direktem und dif-
Für ein kontrolliertes und freies Abführen des Niederschlagwassers ist
fusem Tageslicht, die Überlagerungen mit unterschiedlichen Wetter-
eine ausreichende Neigung oder Krümmung der Dachflächen Voraus-
konstellationen wie Dunst, Nebel oder Regen stimulieren die Wahr-
setzung. Ab einer Neigung von etwa 3 Prozent kann das Niederschlag-
nehmung des Menschen und fördern Arbeitsmotivation und Leis-
wasser effektiv abgeführt werden, während unterhalb von 2 Prozent das
tungsfähigkeit. [5.1/5]
Abtrocknen der Falzräume nicht mehr gewährleistet ist und Feuchtigkeit
Durch ein Dach einfallendes Tageslicht ist besonders vorteilhaft,
den Randverbund von Isolierverglasungen angreift. In der Regel sollte
da der (bedeckte) Himmel im Zenit dreimal heller ist als seitlich über
eine Dachneigung von 10 Prozent (ca. 6º) nicht unterschritten werden,
dem Horizont und das zu jeder Jahreszeit. Helligkeit wird gemessen
um ein Vermoosen der Dichtungsmassen zu verhindern und den Selbst-
als Beleuchtungsstärke E = F/A, die ein Lichtstrom F [lumen] auf einer
reinigungseffekt des Glases zu erhalten. Bei flachen Dächern können in
Fläche A hervorruft. Die Einheit der Beleuchtungsstärke ist lumen pro
schneereichen Gebieten aus Gründen der Sicherheit Vorrichtungen zur
m² [lm/m²] oder lux [lx]. Tageslicht weist eine von Sonnenstand und
Entfernung einer geschlossenen Schneedecke vorgeschrieben sein.
Bewölkung abhängige Beleuchtungsstärke auf, die deshalb von der geografischen Breite des Standorts, der Jahres- und Tageszeit sowie der Wetterlage abhängig ist _ Abb. 9.
Die eigentliche Hauptaufgabe des Glasdachs besteht in der Versor-
Bei gegebener Außenbeleuchtungsstärke hängt die Ausleuchtung
gung tiefer Grundrisse mit Tageslicht. Die Ausblicke in den offenen
von Räumen wesentlich von der Raumproportion ab: Je schlanker das
121
_ TAGESLICHT
ÜBERBLICK
reflektierend
Metallgroßlamellen
FUNKTIONSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN
außen
starr semitransparent
Glaslamellen
beweglich absorbierend
Glaslamellen mit PV
reflektierend
Mikrolamellen im SZR Sonnenschutzbeschichtung
integriert
starr semitransparent
Siebdruck Prismengläser
beweglich absorbierend
PV-Module
reflektierend
Mikrolamellen Raffstoren
semitransparent
Metallgewebe Screengewebe
innen
starr
beweglich
10 Winkel
0º
30º
60º
90º
Ost
93%
90%
78%
<60%
Süd-Ost
93%
96%
88%
66%
Süd
93%
100%
91%
68%
Süd-West
93%
93%
88%
66%
West
93%
93%
78%
<60%
Orientierung
10
Übersicht von Sonnenschutzmaßnahmen für Glasdächer
11
Energieeintrag von PV-Modulen bei unterschiedlicher Orientierung und Neigung der Dachfläche
5.1
11
Raumprofil, desto weniger direktes Licht gelangt auf die Grundrissflä-
Arbeitsplätze erfordern jedoch eine möglichst homogene Ausleuchtung
che. Der so genannte Tageslichtquotient D erfasst den Bruchteil der
mit diffusem und blendfreiem Licht
Außenbeleuchtungsstärke, der durch Öffnungen auf einen Punkt der
neigte Dachflächen und Sheddach-Konstruktionen bieten. [5.1/6, 5.1/7]
122
innen liegenden Nutzfläche gelangt
_ Abb. 8
_ Abb. 6
, das nach Norden ge-
. In der Regel ist D über
den interessierenden Innenbereich zu mitteln. Im Wesentlichen ist D
_ ENERGIEGEWINNE
bestimmt durch die Geometrie des Raums und die Größe der Raum-
Mit dem Tageslicht sind Strahlungsgewinne verbunden, und nicht sel-
öffnungen, durch das Reflexionsvermögen der Wände und des Mobi-
ten kommt es zum Widerstreit zwischen dem Wunsch nach Tageslicht-
liars und die Transparenz des Verglasungsmaterials, wird aber auch
gewinn und den Erfordernissen einer wirksamen Abschattung der ener-
nachteilig beeinflusst von Verbauungen und Verschattung durch Bäu-
giereichen Sonneneinstrahlung, um eine Überhitzung der Innenräume
me. Ein verschmutztes Glasdach kann bewirken, dass tagsüber Kunst-
zu vermeiden (s. Kapitel 3.1). Als Ideallösung bietet sich an, die schäd-
licht notwendig wird.
lichen Strahlungsanteile zur Energiegewinnung nutzbar zu machen.
Der erforderliche Tageslichtquotient hängt von der Nutzung ab. Bei
Unter aktiven Systemen zur Nutzung der Sonnenenergie versteht
hohen Ansprüchen an die Tageslichtmenge wie bei Lese- und Arbeits-
man den Einsatz von zusätzlichen technischen Komponenten für Ge-
plätzen können über 750 Lux erforderlich sein, was einem D von 15
winnung, Transport und Speicherung der Energie wie beispielsweise
Prozent entspricht
. Direktes Licht ermöglicht durch starke
Sonnenkollektoren oder Fotovoltaikmodule (PV). Horizontale Dächer
Schattenwürfe ein besseres räumliches Sehvermögen. Anspruchsvolle
erhalten im Sommer aufgrund der steil einfallenden Sonnenstrahlen
_ Abb. 7
Rauchschürze
ÜBERBLICK Rauchschicht
Zuluft
H
h
raucharme Schicht Rauch- und Feuersäule
Zuluft
Brandabschnitt
FUNKTIONSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN
RWA
12
12
Brand- und Rauchentwicklung bei einer Halle mit RWA: Von der Brandquelle steigt eine Rauch- und Feuersäule trichterförmig nach oben. Durch die Dachöffnungen wird das Brandgas nach außen abgeführt, und über Zuluftöffnungen strömt frische Luft nach, so dass sich im Hallenquerschnitt eine Rauchschicht unter der Dachfläche und eine raucharme Schicht in Bodennähe herausbilden kann.
13
Durch Sensoren gesteuerte Lüftungsöffnungen am Rand eines flach geneigten Kuppeldachs, National Botanical Garden of Wales, 1999, Arch.: Foster and Partners
5.1
13
fast doppelt so viel Sonneneinstrahlung wie südorientierte Fassaden,
Verschattungsmaßnahmen sind vorteilhaft, da absorbierte Strahlungs-
in den Wintermonaten kehrt sich dieser Effekt um. Ein um circa 30°
anteile vom Innenraum ferngehalten werden. Ideal sind Lamellen, die
nach Süden geneigtes Dach optimiert im mitteleuropäischen Tages-
über halb- oder vollautomatische Steuerung dem Sonnengang im Ta-
und Jahresmittel die solare Gesamteinstrahlung. Die ebene oder ge-
ges- und Jahresverlauf nachgeführt werden und auch zur gezielten
neigte Dachfläche bietet sich daher für die Integration von aktiven
Lichtlenkung eingesetzt werden können. Ein Außensonnenschutz
Systemen wie PV an _ Abb. 11. [5.1/8]
kann auch mit integrierten Maßnahmen wie Sonnenschutzgläsern
Unter passiver Nutzung der Solarenergie versteht man die Speicherung der Sonnenwärme in Gebäudeteilen zur Beheizung von Wohnräumen während der Übergangs- und Heizperiode.
kombiniert werden. Da der freien Witterung ausgesetzt, ist der Außenschutz jedoch konstruktiv aufwendig und wartungsanfällig. [ 5.1/9] Ein Innensonnenschutz ist deutlich weniger effektiv. Zwischen Innensonnenschutz und Verglasung kann sich zudem ein Hitzestau bilden, der zu erhöhten Oberflächentemperaturen und zusätzlicher
UND BLENDSCHUTZ
Glasdächer erfordern ganzjährig einen effektiven Schutz vor Überhit-
Strahlungswärme führt, wenn keine Entlüftungsöffnungen vorgesehen
zung.
sind. So sollten innen liegende Maßnahmen nur für geneigte, nach
Bei Sonnen- und Blendschutzmaßnahmen unterscheidet man au-
Osten oder Westen orientierte Dachflächen erwogen werden. Innen
ßen liegende, integrierte und innen liegende Systeme. Sie können
liegende Gewebebahnen können als Blendschutz und als raumakusti-
starr oder beweglich ausgeführt werden
sche Dämpfungselemente dienen _ Abb. 15. [5.1/10]
_ Abb. 10
. Außen liegende
123
_ SONNEN-
ÜBERBLICK FUNKTIONSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN
96%
100%
112%
14
14
15
Wärmebedarf verschiedener Raumformen aufgrund der unterschiedlichen Verhältnisse von Oberfläche zu umhülltem Raum
15
Integration von Gewebebahnen in die Dachkonstruktion zum Schutz vor Blendlicht und zur Verbesserung der Raumakustik
16
Dachkonstruktion Atrium Stadtsparkasse Köln: Der Schall wird an der innen liegenden Konstruktion aus Hauptträgern aus Stahl und Nebenträgern aus Glas gebrochen. Düsseldorf, 2001, Arch.: Ingenhoven, Overdiek und Partner
5.1
16
_ LÜFTUNG
Sensorgesteuerte Lüftungsöffnungen in den Dachflächen können als
Zur natürlichen Lüftung werden Druckunterschiede infolge von Wind
natürliche Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA) ausgelegt werden
und Temperaturdifferenzen zwischen außen und innen oder oben und
_ Abb. 12
unten genutzt. Für die Dimensionierung und Positionierung der Lüf-
der Wärmebelastung die Standzeiten der tragenden Bauteile. Sie er-
tungsöffnungen spielten die thermische Schichtung und die Ansamm-
möglichen so die Entfluchtung und erleichtern die Brandbekämpfung.
lung der erhitzten Luftschichten unterhalb der Dachfläche eine große
[5.1/11, 5.1/12]
. Entrauchungsmaßnahmen verlängern durch das Abführen
124
Rolle. Bei frei stehenden, bis 25° geneigten Dächern herrschen an der gesamten Dachoberfläche Sogkräfte, die die natürliche Entlüftung un-
_ WÄRMESCHUTZ
terstützen. Bei großen verglasten Räumen sollten Zu- und Abluftöff-
Der Wärmeschutz hängt vor allem von der Größe und der Geometrie
nungen jeweils mindestens 5 Prozent der Hallengrundfläche entspre-
der Hüllfläche ab, denn auch die besten Wärmeschutzverglasungen
chen, um auch im Sommer eine ausreichende Luftwechselrate zu er-
reichen nicht an die U-Werte konventionell gedämmter Bauteile heran.
möglichen. Um eine Überhitzung zu verhindern, können Luftge-
Je kleiner das Verhältnis von Oberfläche zu umhülltem Raum („A-zu-
schwindigkeiten von über 0,2 m/s erforderlich sein, die bei einer
V-Verhältnis“), desto geringer fallen die rechnerischen Wärmeverluste
Lufttemperatur unter 20 °C als Zugerscheinungen empfunden wer-
aus _ Abb. 14.
den. Werden raumlufttechnische Anlagen eingesetzt, spricht man von mechanischer Lüftung.
ÜBERBLICK 19
18
20
19
FUNKTIONSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN
17
Die Dachverglasung integriert weitere Funktionen wie Wärmeschutz, Tageslichtlenkung und Stromgewinnung.
17
Witterungsgeschützte Verkehrsfläche, Schrägdach
Schrägverglasung Wohnhaus IGA Stuttgart, 1993,
am Flughafen Stuttgart, 1997, Arch.: Arat Siegel
Arch.: HHS Planer
und Partner, Ing.: Ludwig und Weiler 20
Verglaste Dachflächen über Empfangs- und
Witterungsgeschützte Gleisüberdachung,
Bürobereich, Glasbau Seele Gersthofen, 1992, Arch.:
Hauptbahnhof Helsinki, 2001, Arch.: E. Piironen
Kauffmann Theilig + Partner
5.1
18
BEHAGLICHKEIT
An der harten und glatten Glasoberfläche wird Luftschall im mittleren
sich nach dem Reinigungsintervall und der Größe und Nutzung der Dachfläche. [5.1/13]
und oberen Frequenzbereich stark reflektiert, was zu längeren Nach-
Mobile Anlagen wie Arbeitsbühnen und Gerüste beeinträchtigen im
hallzeiten im Innenraum führt. Dieser Effekt wird bei horizontalen
Gegensatz zu stationären Anlagen wie Wartungsbühnen und -brücken
Glas- oder Lichtdecken und mineralischen Bodenbelägen noch ver-
nicht das Erscheinungsbild. Teilstationäre Anlagen umfassen fest instal-
stärkt, da der Schall zwischen diesen hin- und hergeworfen wird (Flat-
lierte Komponenten wie Fahrschienenanlagen und demontable Teile
terecho). Solche Halleffekte können leicht die akustische Behaglich-
wie Arbeitsplattformen. Bei großflächigen Dachverglasungen bieten
keit beeinträchtigen.
sich Reinigungsroboter mit Flächenleistungen bis 200 m²/h an. [5.1/14]
_ WARTUNG
NUT ZUNGSPROFILE
UND REINIGUNG
Jede Dachfläche muss von innen und von außen durch entsprechende
Das Innenraumklima wird vor allem von Luftfeuchtigkeit und Lufttem-
Höhenzugangstechnik für Reinigung, Montage, Wartung, Reparatur
peratur charakterisiert. Was vom Nutzer als behaglich wahrgenommen
oder Schneebeseitigung zugänglich sein. Je nach Standort, Klima und
wird, hängt von der verrichteten Tätigkeit ab. Prinzipiell können drei
Bausituation betragen die Reinigungsintervalle zwischen 3 und 12 Mo-
verschiedene Nutzungsprofile unterschieden werden. Herrschen unter
nate. Man unterscheidet mobile, temporäre, teilstationäre und statio-
dem Glasdach Außenraumbedingungen, spricht man von Makroklima.
näre Anlagen. Die Wahl der geeigneten Höhenzugangstechnik richtet
Bei einem M angepasst. Das Meso- oder Zwischenklima ist ein ge-
125
_ AKUSTISCHE
Temperatur in ºC
ÜBERBLICK FUNKTIONSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN
35 zu warm Bedarf an Windkühlung
30
25
herkömmlicher Behaglichkeitsbereich für konventionelle Innenräume
Bedarf an Verschattung 20 21
Bedarf an Strahlungswärme; angepasste Kleidung
erweiterter Komfortbereich im Atrium
15
10 zu trocken
zu feucht
5 Befeuchtung durch Bepflanzung
10
20
30
40
zu kalt
50
60
70
80
90 100 Luftfeuchte in %
22 Makroklima
Mesoklima
Mikroklima
Raumtemperatur
extreme Schwankungen [von ca. -20 °C bis +35 °C]
moderate Schwankungen [von ca. -10 °C bis +25 °C]
konstant [je nach Nutzung]
Nutzung
kurzfristiger Aufenthalt
temporärer Aufenthalt
dauerhafter Aufenthalt
Verkehr [+10 °C bis 14 °C] Montage [+18 °C] Ausstellung Bildschirmarbeit [+20 °C] Hallenbad [bis +32 °C]
+/-
+ + +/-
+ + + + +
Regenschutz Windschutz
+ +/-
+ +
+ +
Schallschutz
+/-
+
+
Sonnenschutz
+/(fest)
+ (fest/variabel)
+ (variabel)
Wärmeschutz
-
+/-
+
Be-/Entlüftung
frei
natürlich
natürlich/mechanisch/ künstlich
Konditionierung Temperatur Feuchtigkeit
-
-
+ +/–
Witterungsschutz 21
Skizze zu „behaglichen Inseln“ unter einem Glasdach nach Bauerschmidt und Hodulak A Abschirmung gegen Strahlung B Abschirmung gegen Luftzug C Im Sommer kühle Quellluft, im Winter Fußbodenheizung
22
Das Behaglichkeitsempfinden in Abhängigkeit von Raumlufttemperatur und Luftfeuchte nach Olgyay
23
Zusammenfassung wichtiger raumklimatischer Anforderungen bei Glashallen mit Makro-, Meso- oder Mikroklima
5.1
23
dämpftes
Außenklima
mit
einem
erweiterten
Komfortbereich
_ Abb. 22.
durch Konditionierung (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Belichtung etc.) eine bestimmte Nutzung dauerhaft ermöglicht. Mikroklimatisierte Hallen schaffen „Lebensräume“ für Menschen als Arbeitsplatz oder als
_ DIE
WET TERHÜLLE – DAS MAKROKLIMA
Ort für Freizeit und Erholung.
In einer freibelüfteten Glashalle, die bei temporärem Aufenthalt ledig-
Bei aktiver Nutzung in einer Sport- oder Eingangshalle beträgt die
lich als Witterungsschutz dient, herrscht weitgehend das Makroklima
Behaglichkeitstemperatur 12 °C bis 18 °C. Bei passiver Nutzung und
des Außenraumes. Schutzdächer über Warte- und Verkehrszonen und
sitzender Tätigkeit beträgt sie 19 °C bis 20 °C. In Hallen- oder Freizeit-
Bahnsteighallen sind typische Wetterhüllen. Bei fehlenden seitlichen
bädern können Raumlufttemperaturen bis 32 °C, in einem tropischen
Umschließungsflächen gelten die Anforderungen an einen Witterungs-
Gewächshaus sogar bis 35 °C erforderlich sein.
schutz als erfüllt, wenn dessen Breite mindestens das Doppelte der
Zur Steuerung des Mikroklimas sind neben der Beheizung ein Wär-
mittleren lichten Höhe aufweist. Schattenspendende Maßnahmen kön-
meschutz- und effektive Sonnenschutzmaßnahmen unverzichtbar; ei-
nen die Aufenthaltsqualität im Sommer stark verbessern. [5.1/15]
ne Kontrolle der Luftfeuchtigkeit stellt weitergehende Anforderungen an die Haustechnik. Für Bildschirmarbeitsplätze (BAP) sind Maßnah-
126
_ DIE
AKTIVE KLIMAHÜLLE – DAS MIKROKLIMA
men zur Tageslichtsteuerung und zum Blendschutz zu treffen. [5.1/16]
Mikroklima bezeichnet ein künstliches Hallenklima. Abweichend von
Die Aufrechterhaltung mikroklimatischer Bedingungen in großen
den tages- und jahreszeitlichen Veränderungen des Außenklimas wird
glasgedeckten Räumen unabhängig vom Makroklima ist problema-
ÜBERBLICK FUNKTIONSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN 24
24
Mikro- und mesoklimatische Bedingungen unter zweischaligem Glasdach, Kurtherme Bad
5.1
Elster, 1999, Arch.: Behnisch und Partner
tisch. Die Klimatisierung auf konstante 25 °C Raumlufttemperatur
staffelten Blattschichten absorbiert wird. Auch an windstillen Tagen
über das ganze Jahr erfordert einen hohen haustechnischen und en-
sorgt eine Thermik aufgrund der großen „Raumhöhe“ für einen küh-
ergetischen Aufwand, der ökologisch fragwürdig ist. [5.1/17]
lenden Luftzug. Bei großen Hallen wie Passagen, Bahnhofshallen und überdachten Sportstadien können ähnliche Effekte genutzt werden,
PASSIVE KLIMAHÜLLE – DAS MESOKLIMA
um eine hohe Aufenthaltsqualität ohne Klimatisierung zu ermöglichen.
Mike Davies vergleicht das Klima großer geschlossener, unbeheizter
Ein solches moderates Zwischenklima zeichnet die Außentemperatur
Glashallen mit dem Aufenthalt unter einem Blätterdach: „Auf dem Weg
nach, dämpft aber extreme Temperaturentwicklungen. Aufgrund so-
durch das Tal zum Wald setzt der schneidende Wind und der fallende
larer Gewinne eignen sich unbeheizte, aber mit Wärmeschutz verse-
Regen dem Wandernden zu. Beim Betreten des Waldes lässt der Regen
hene Hallen mit einer Raumlufttemperatur bis 14 °C durchaus als Ver-
nach, vom Blätterdach absorbiert, und der Wind wird schwächer, bis er
kehrs- und mittelfristige Aufenthaltsflächen. In den Sommermonaten
nur noch ein Rauschen in den Baumkronen ist. Man befindet sich im
kann durch natürliche Luftzirkulation, variablen Sonnenschutz und
Außenraum und ist doch mehr „innen“. [...] Der Wald ist eine Art umge-
die Aktivierung von Speichermassen die Innentemperatur unter die
bende Hülle im Freien – eine eigene Welt – ein Mesoklima.“ [5.1/18]
Außentemperatur gesenkt werden. Ständige Aufenthaltsbereiche er-
Die Aufenthaltsqualität unter einem Blätterdach an einem heißen Sommertag ist darauf zurückzuführen, dass der größte Teil der Sonnenstrahlung abgeschirmt und die Wärmestrahlung von den tiefer ge-
möglichen als „behagliche Inseln“ Nutzungsüberlagerungen. 127
_ DIE
SPEZIFISCHE ANFORDERUNGEN VON HÜLLGEOMETRIEN FUNKTIONSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN
a
1
3
a
4
2
5
4 Bei gleichen Verglasungsgrößen gelangt durch ebene Dächer mehr Tageslicht auf die Nutzungsfläche als durch geneigte. Der Tageslichtquotient nimmt mit der Höhe der Umgrenzungsflächen ab.
1 Schrägdächer führen das Regenwasser unmittelbar ab.
5 Tageslichtsituation in einem Atrium bei flach stehender
2 Die Dachverglasung der Fortbildungsakademie MontCenis ist für den Regenwasserablauf um ca. 6° geneigt.
Gefahr stehender Wasserflächen.
Morgensonne, Innenhofüberdachung Ateneum Helsinki, 2002, Arch.: Laiho, Pulkkinen, Raunio
5.2
1998, Arch.: Jourda Architects mit HHS Planer
3 Bei Horizontalverglasungen besteht die
_
führen können _ Abb. 3. Pressleisten zur Lagesicherung der Scheiben
_
sollten nur in Fließrichtung und ab einem Mindestgefälle von 15º an-
_
geordnet werden, bei zusätzlicher interner Entwässerung ist ein Mindestgefälle von 7,5º erforderlich. Bei geringerem Gefälle sollten Gläser
_ _
5.2
direkt über dauerelastisch versiegelte Fugen abgedichtet werden.
SPEZIFISCHE ANFORDERUNGEN VON HÜLLGEOMETRIEN _ ENERGIEGEWINNE
DER GL ASHOF – DER EBENE ODER GENEIGTE R AUMABSCHLUSS
Über Horizontalverglasungen gelangen mit dem Tageslicht gerade in
Aufgrund der in der Regel sehr geringen Dachneigung gilt den Maß-
den Sommermonaten große Mengen an Sonnenenergie in den Innen-
nahmen beim Witterungs- und Sonnenschutz, der Wartung im Winter
raum _ Abb. 4. Über PV-Anlagen kann der notwendige Sonnenschutz
(Schneedecke) und der Reinigung eine besondere Aufmerksamkeit.
mit aktiven Energiegewinnen kombiniert werden _ Abb. 8, 9. Die mas-
128
siven Gebäudeteile, die in der Regel den Glashof umgeben, unterstüt_ WIT TERUNGSSCHUTZ
zen passive Energiekonzepte, in dem sie Strahlungsenergie speichern
Die durch das Eigengewicht verstärkten Verformungen begünstigen
und über Wärmestrahlung zeitlich versetzt wieder dem Innenraum zu-
bei Horizontalverglasungen stehende Wasserflächen, die zu Ver-
führen können.
schmutzungen, erhöhten Lasten und windinduzierten Schwingungen
SPEZIFISCHE ANFORDERUNGEN VON HÜLLGEOMETRIEN
6
8
10
7
9
11
8 Nach Süden orientierte Schrägverglasungen 6 Mit nach Norden orientierten Schrägdächern
10
mit PV zur aktiven Energiegewinnung
starre oder drehbare Großlamellen. 9 Außen liegende Glaslamellen mit PV-Modulen und HOE-Elementen zur Verschattung und aktiven
7 Über nordorientierte Sheddächer belichtete
11
Außen liegende Glaslamellen zur Verschattung,
Energiegewinnung, Wintergarten Wohnhaus
Sparkasse Düsseldorf, 2001,
IGA Stuttgart, 1993, Arch.: HHS Planer
Arch.: Ingenhoven, Overdiek, Kahlen und Partner
5.2
Montagehalle, Halle der KWO, Berlin
Für einen außen liegenden Sonnenschutz von Horizontalverglasungen eignen sich
kann gezielt diffuses und energiearmes Licht in den Innenraum gelenkt werden.
FUNKTIONSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN
PV
_ SONNEN-
kann als bewegliche Glasebene aus Einfachglas (z.B. als Lamellende-
UND BLENDSCHUTZ
Orientieren sich Büroräume zum Glashof, ist auch ein Blendschutz
cke) oder als Membran mit speziellen lichttechnischen Eigenschaften
erforderlich. Die Wahl der Maßnahmen richtet sich nach Ausrichtung
ausgeführt werden. Der hinterlüftete Zwischenraum dient im Winter
und Orientierung der Glasflächen. Die größte Einstrahlung findet bei
als Puffer, im Sommer können mit seiner Hilfe überschüssige Wärme-
flachen Glasdächern in den Mittags- und frühen Nachmittagsstunden
gewinne abgeführt werden _ Abb. 12, 13. [5.2/1]
statt. Am effektivsten sind geometrische Außenblenden wie steife . Lamellen aus
_ Abb. 10, 11
_ AKUSTISCHE
BEHAGLICHKEIT
semitransparenten Materialien wie bedruckte oder beschichtete Glas-
Je länger die Nachhallzeit, desto lauter hört sich eine Schallquelle an
lamellen oder Screengewebe können im Innern zu Blenderschei-
und desto mehr verliert sie an Deutlichkeit. Wenn sich bei einem ho-
nungen führen. Bei starken Dachneigungen können auch Fassaden-
hen Publikumsaufkommen in Foyers oder Ausstellungshallen mehrere
systeme wie Rollos oder Lamellenraffstoren als Außensonnenschutz
Kommunikationsgruppen bilden, verwischen die Schallquellen stark
verwendet werden.
(„Cocktailparty-Effekt“). Für hochwertige Sprach- oder Musikdarbie-
Die Vorzüge beider Arten von Sonnenschutz lassen sich in einer
tungen sind einschalige Glasdachkonstruktionen daher kaum geeig-
doppelschaligen Dachkonstruktion kombinieren. Die außen liegende
net. Durch zweischalige Konstruktionen mit einer inneren Schicht aus
Glashaut wird meist als feststehende Isolierverglasung mit Sonnen-
mikroperforierten Gewebebahnen kann die Nachhallzeit entscheidend
schutzbeschichtung oder -bedruckung ausgeführt. Die Innenschale
verringert werden. [5.2/2, 5.2/3]
129
Großlamellen aus reflektierendem Metall
SPEZIFISCHE ANFORDERUNGEN VON HÜLLGEOMETRIEN FUNKTIONSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN
W
12
W 30°
30°
25°
25°
20°
20°
14
16
17
13
15
14 12
18
Unter schrägen Dächern nimmt die Lufttemperatur von unten nach oben zu.
Bei flach geneigten Dächern kommen als
16
Innensonnenschutz anstelle von Lamellen-Raffstoren Großlamellen oder Gewebebahnen zur Anwendung.
15
Horizontalverglasungen können für Wartungsarbeiten bei entsprechender konstruktiver Ausführung betretbar sein.
Zu- und Abluftöffnungen an der Südfassade der Fortbildungsakademie Mont-Cenis in Herne. Neben
Unter der Verglasungsebene gespannte, innen
den Entlüftungsöffnungen im oberen Hallenbereich gibt
liegende Sonnenschutzbahnen, Museum
es weitere Lüftungsflügel im zentralen Dachbereich,
Meteorit Essen, 1998, Arch.: Propeller Z
1998, Arch.: Jourda Architects mit HHS Planer
17
Montagearbeiten Horizontalverglasung
18
Befahranlage für die Innenreinigung
5.2
13
_ WARTUNG
UND REINIGUNG
sersack zu vermeiden. In schneereichen Gegenden sind bei geneigten
Bei geraden und flach geneigten Dächern führen der eingeschränkte
Dachflächen traufenparallele Leisten erforderlich, um ein Abrutschen
Selbstreinigungseffekt und die starke Verschmutzung zu kürzeren
des Schnees zu verhindern.
Reinigungsintervallen und entsprechend höheren Kosten. Bei Dachneigungen ab in der Regel 20° sind Vorkehrungen zum Auffangen
_ ENERGIEGEWINNE
abrutschender Personen zu treffen. Bei mehr als 45° Neigung müssen
Der Querschnittsverlauf von Zylinderschalen, bei denen die Längsach-
Personensicherungssysteme vorgesehen werden.
se in Nord-Süd-Richtung verläuft, nähert sich der Sonnenbahn an und
130
führt zu einem geringeren Anteil reflektierter Strahlung. Bei einer BeDAS GL ASBAND – DER GEKRÜMMTE ODER GEFALTETE
stückung mit PV-Modulen weisen die Zellen umso unterschiedlichere
R AUMABSCHLUSS
Erträge auf, je mehr sich die Zylinderflächen nach Süden oder Norden
_ WIT TERUNGSSCHUTZ
orientieren _ Abb. 19, 20.
Sattel- und Tonnendächer garantieren ein kontrolliertes Ablaufen des
Gekrümmte Konstruktionen können materialsparender als ebene,
Regenwassers vom Scheitel zur Traufkante. Für die baukonstruktiv
biegebeanspruchte Dächer ausgeführt werden und verursachen da-
anspruchsvolle Abdichtung des Scheitels kommen vorgefertigte Ele-
her auch weniger Verschattung. [5.2/4]
mente in Betracht. Bei asymmetrischen Hängedächern ist es möglich, den Niederschlag über eine Längskante abzuführen und einen Was-
PV
W
PV
30°
30°
25°
25°
20° Nord
West
19
Ost
Süd
Nord
Süd
Süd
Nord
20° Nord
South
Nord
24
21
West
Ost
Ost
West
FUNKTIONSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN
Süd
22
20
25
23
21
SPEZIFISCHE ANFORDERUNGEN VON HÜLLGEOMETRIEN
W
Auf gekrümmten Dachverglasungen entstehen verschiedene Einbausituationen für einen außen liegenden Sonnenschutz.
19
Der Strahlungsertrag hängt von der Orientierung
22
Sonnenschutz- oder Siebdruckbeschichtungen lassen sich leicht in gekrümmte Dachgeometrien integrieren.
der gekrümmten Dachflächen ab.
24
Am Bogenscheitel herrschen neben einer ausgeprägten Thermik auch große Windsogkräfte.
Solarmodule in Nähe des Tonnenscheitels weisen
23
Die mit Siebdruck versehenen Teilbereiche 25
Anordnung von Rauch- und Wärmeabzugsflügel im
aufgrund der größeren Verschmutzungsanfälligkeit
der verglasten Tonnenschale und das außen
einen geringeren Wirkungsgrad auf. Lehrter
liegende Tragwerk tragen zum Sonnenschutz
Scheitelbereich einer Zylindertonne, World Trade
Bahnhof Berlin, 2002, Arch.: gmp
bei. Neue Messe Leipzig, 1998, Arch.: gmp
Center Dresden, 1996, Arch.: Nirtz Pratsch Sigl
5.2
20
_ SONNEN-
UND HITZESCHUTZ
Den geringsten konstruktiven Aufwand bedeuten Gläser mit Sonnen-
schwungenen Dächern komplexe Druck- und Sogverhältnisse auftreten, die Windkanaluntersuchungen notwendig machen.
schutz- und Siebdruckbeschichtungen, die oft mit innen liegenden Maßnahmen wie gespannten Gewebebahnen kombiniert werden. Ein
_ AKUSTISCHE
außen liegendes Tragwerk vermindert die Sonneneinstrahlung. Bei der
Die typische Passagenakustik unter gekrümmten oder gefalteten Dach-
Neuen Messe Leipzig konnte eine Abminderung um etwa 30 Prozent
formen ist durch die Fokussierung des Schalls im Hallenquerschnitt,
nachgewiesen werden _ Abb. 23. [5.2/5]
vergrößerte Nachhallzeiten und einen hohen Lautstärkepegel gekennzeichnet
BEHAGLICHKEIT
_ Abb. 26
. Bei filigranen Bogenkonstruktionen, deren Quer-
_ LÜFTUNG
schnitte in Verglasungsebene liegen, ist sie besonders ausgeprägt. Re-
Stark gekrümmte Dächer unterstützen den thermischen Auftrieb. Bei
flektoren oder Absorber unterhalb der Glasfläche reduzieren die Nach-
flachen Scheitelstellen von Sattel- und Tonnenkonstruktion treten
hallzeiten und ergeben eine bessere Sprachwiedergabe _ Abb. 27.
große Windsogkräfte auf, die das Absaugen der Hallenluft unterstüt_ Abb. 24
. „Spoiler“ als Dachaufsätze verbessern die natürliche
_ WARTUNG
UND REINIGUNG
Entlüftung bei geringen Windgeschwindigkeiten. Bei Windstille muss
Je flacher die Neigung oder die Krümmung des Daches, desto schwä-
die Entlüftung mechanisch unterstützt werden. Je nach Anströmrich-
cher der Selbstreinigungseffekt des Glases. Bei gekrümmten Kons-
tung des Windes und Geometrie der Umgebung können bei ge-
truktionen nimmt daher der Verschmutzungsgrad zum Scheitel hin zu.
131
zen
SPEZIFISCHE ANFORDERUNGEN VON HÜLLGEOMETRIEN FUNKTIONSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN
26
29
32
27
30
33
28
31
34
26
Der Schall wird an einer gekrümmten
29
Dachverglasung gebündelt.
Für die Reinigung und Wartung gekrümmter
32 Die Entwässerung gegensinnig gekrümmter
Dachverglasungen sind stationäre oder
Dächer folgt Hoch- und Tiefpunkten.
temporäre Hilfskonstruktionen notwendig. 27
Schallreflektoren zur Minderung des Nachhalls,
33 , 34 Seilnetzkonstruktion Atriumverglasung
Quartier 203 Berlin, Arch.: gmp
30
Wartungsbrücke Design Center Linz
Bürohaus Gniebel: Die Neigung des flachen
Konstruktionselemente unterhalb des
31
Außenreinigung Neue Messe Leipzig mit
innen liegende Gewebebahnen dienen als
Reinigungsroboter des Fraunenhofer-Instituts Magdeburg
Sonnenschutz.
Seilnetzes verhindert eine Wassersackbildung; 28
5.2
Glasdachs verringern die Nachhallzeiten.
Die Außenreinigung erfolgt im Normalfall mit teilautomatischen Reini-
_ WIT TERUNGSSCHUTZ
gungs- und Befahranlagen, die über Schienen am Trauf- und Firstbe-
Bei der Dachentwässerung von Kuppelschalen nehmen Menge und
reich geführt werden. Bei kleineren Flächen kommen für die Innenrei-
Abfließgeschwindigkeit des Regenwassers zu den Rändern hin zu. Bei
nigung Rollgerüste oder Hebebühnen zum Einsatz, bei größeren Flä-
gegensinnig gekrümmten Dachgeometrien muss die Simulation der
chen auch Befahranlagen. Bei weit gespannten Tonnentragwerken
Regenwasserfließrichtung in die Formfindungsuntersuchungen mit-
wird die Säuberung der Glasflächen am effizientesten mit Reinigungs-
einbezogen werden _ Abb. 32. Sehr flach gespannte, konkav gewölbte
robotern vollzogen _ Abb. 31.
Seiltragwerke sind sehr verformungsanfällig. Um die Dichtigkeit zu gewährleisten, müssen die Fugen entsprechende Bewegungen aufneh-
DIE GL ASMIT TE – DER D OPPELT GEKRÜMMTE R AUMABSCHLUSS
men können. Bei starken Regenfällen besteht die Gefahr der Wasser-
_ TAGESLICHT
sackbildung _ Abb. 33, 34. [5.2/6]
132
An den Außenflächen facettierter, mehrfach gekrümmter Dachverglasungen kommt es leicht zu ausgeprägten Reflexen, deren Position mit
_ ENERGIEGEWINNE
dem Standort des Betrachters wechseln. Auch im Inneren sind durch
Der Querschnitt kuppelförmiger Glasdächer kann dem Sonnenverlauf
den allseitigen Lichteinfall Reflektionen wahrnehmbar, die zu einem
angepasst werden. Dadurch können flache Sonneneinfallwinkel im Ta-
stark körperhaften Erscheinungsbild beitragen, das sich mit dem Ein-
gesverlauf verhindert und größere Energiegewinne erzielt werden. Die
schalten der Kunstlichtbeleuchtung noch verstärkt.
sphärisch gekrümmten „kurvenlinearen“ Gewächshäuser des 19. Jahr-
N
W
N
S O
O
35
S
38
40
39
41
FUNKTIONSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN
S
36
37
35
SPEZIFISCHE ANFORDERUNGEN VON HÜLLGEOMETRIEN
W
Sektoren unterschiedlichen Energieeintrags bei doppelter Krümmung oder Faltung
38
Ein integrierter Sonnenschutz bei mehrfach gekrümmten Konstruktionen aus ebenen Scheiben
36
stellt keinen zusätzlichen konstruktiven Aufwand dar.
Glaspyramide mit PV-Modulen in Teilbereichen, Bewag-
40
39
Sonnenschutzbeschichtete Dreiecksscheiben,
Kuppel mit allseitigem Licht- und Energieeintrag, National
Innenhof des British Museum in London,
Botanic Garden Wales, 1999, Arch.: Foster and Partners
2000, Arch.: Foster and Partners
41
Beweglicher Metallschirm als innerer Sonnenschutz, Reichstagskuppel Berlin
5.2
37
Sektorensonnenschutz durch zusätzliche innen oder außen liegende Maßnahmen
Gelände Berlin, 1999, Arch.: A. Liepe und H. Siegelmann
hunderts. versuchten diesen Effekt zu nutzen, um das Pflanzenwachs-
ist in der Regel nicht durchführbar, da die Strahlung mit unterschied-
tum zu steigern. Darüber hinaus ist bei kuppelförmigen Hallen das
lichen Winkeln auf die gekrümmte Dachfläche trifft. Um den konstruk-
Verhältnis von umschlossenem Raum zu Oberfläche geringer als bei
tiven Aufwand eines außen liegenden Sonnenschutzes zu vermeiden,
anderen Raumformen, so dass auch die Wärmeverluste entsprechend
kommen häufig innen liegende Vorrichtungen in Form gespannter
geringer ausfallen _ Abb. 37. [5.2/7]
Textilbahnen zur Anwendung, die zwar Blendeffekte, aber nicht die Strahlungsgewinne wirkungsvoll reduzieren können. Eine Überhitzung
_ SONNEN-
UND BLENDSCHUTZ
Bei einer sphärischen Kuppelkonstruktion gelangt von allen Seiten Ta-
kann verhindert werden, indem die warmen Luftmassen durch eine effektive Be- und Entlüftung abgeführt werden.
geslicht in den Innenraum, bei flach stehender Sonne kann es zu unangenehmen Blendeffekten kommen. Mit einem außen liegenden
_ LÜFTUNG
Sonnenschutz können neben dem Zenitbereich oftmals auch die nach
Unabhängig von der Anströmrichtung werden bei einer Öffnung im
Süden und Westen orientierten Sektoren der Kuppel mit einer Lamel-
Kuppelscheitel Sogkräfte für die Abführung der Luftmassen erzeugt
len- oder Gitterstruktur abgeschirmt werden. Zum effektiven Schutz
_ Abb. 42
auch gegen Blendlicht wird der Schirm dem Sonnenverlauf nachge-
peratur bei weit gespannten, kuppelförmigen Hallenkonstruktionen
führt _ Abb. 40, 41.
unterstützt die natürliche Lüftung oder Entrauchung. Je flacher die
Ein integrierter, geometrischer Sonnenschutz (z.B. Mikrolamellen)
Krümmung der Kuppelfläche, desto größer sind im Allgemeinen die
133
. Die ausgeprägte thermische Schichtung der Raumlufttem-
SPEZIFISCHE ANFORDERUNGEN VON HÜLLGEOMETRIEN FUNKTIONSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN
W
30° 25°
W
N 20° S O 42
45
47
43
44
46
45 42
Mehrfach gleichsinnig gekrümmte Kuppelkonstruktionen fokussieren den Schall und vergrößern die Nachhallzeit.
Die natürliche Entlüftung wird von Thermik und Windsogkräften unterstützt. 46
43
Unter einem Kuppeldach gespannte
Lüftungsöffnung Reichtagskuppel Berlin,
mikroperforierte Akustikfolien zur Dämpfung
1998, Arch.: Foster and Partners
des Schalls und zur Verringerung des Nachhalls, Schlüterhof im Deutschen Historischen Museum
Reichstagskuppel von außen
Berlin (DHM), 2002, Arch.: I. M. Pei
47
Reinigung von Kuppelkonstruktionen mithilfe von Steigern oder Befahranlagen
5.2
44
Windsogkräfte, bei flachen Kugelkalotten können dementsprechend
brücken. Bei größeren Verglasungsflächen wie der Berliner Reichs-
Entlüftungsöffnungen auf der gesamten Dachfläche verteilt werden.
tagskuppel mit 3000 Quadratmetern werden Steigerwagen verwendet, die entlang einer drehbaren Stahlrippe verfahren werden. Der reprä-
_ AKUSTISCHE
BEHAGLICHKEIT
Die zum Innenraum konkav gekrümmte Oberfläche einer kuppelför-
naten _ Abb. 47. [5.2/10]
migen Halle wirkt für den Schall wie eine Sammellinse, wodurch sich
Wenn eine regelmäßige Reinigung von schwer zugänglichen und
beträchtliche Halleffekte mit unterschiedlich langen Nachhallzeiten
komplex geformten Dachflächen mithilfe mobiler oder fest installierter
ergeben, die bei Veranstaltungen sehr störend sein können _ Abb. 45.
Höhenzugangstechnik nicht möglich ist, stellen seilunterstützte Ar-
Schalldämpfende Absorber, wie mikroperforierte Folien oder Acryl-
beits- und Zugangsverfahren eine letzte zeit- und kostenintensive
glasplatten, und schalllenkende Reflektoren auf der Raumseite kön-
Möglichkeit dar.
nen die Akustik verbessern _ Abb. 46. [5.2/8, 5.2/9]
_ REINIGUNG
Der Scheitelbereich ist wegen niedriger Fließgeschwindigkeit des Re134
sentative Charakter bedingt hier ein Reinigungsintervall von etwa 3 Mo-
genwassers besonderen Verschmutzungen ausgesetzt. Die Außenreinigung erfolgt bei kleineren Spannweiten mit drehbaren Reinigungs-
– – – – –
6
137
GL ASTRAGWERKE
TRAGSTRUKTURFORMEN VON FLACHGLAS GLASTRAGWERKE
Struktur (innere Geometrie des Tragwerks)
Stab-Tragwerk
Flächen-Tragwerk
Glasschwerter
Glasplatten
Balkentragwerk
Sandwichelemente
Form (äussere Geometrie des Tragwerks) Träger
Lamellenträger (S. 172)
Trägerrost
Glas-Balkenrost (S. 175)
Bogen
3-GelenkStabwerkbogen (S. 210)
Stahl-Glas-Sandwich (S. 182)
GfK-Glas-Sandwich (S. 187)
Ebene
Gekrümmt Geknickt
Tonnenschale
Kugelschale Doppelt Gekrümmt
1
1 Tragstrukturformen von Flachglas: Schematische Übersicht zum Stand der Technik
6.1
(vgl. hierzu auch die Projekte in Kapitel 7)
_
für die Komposition von Flächentragwerken aus Glas entsprechende
_
Regeln formuliert werden. Solche Entwurfs- und Konstruktionsprinzipien können zu einer Ty-
_
pologie zusammengefasst werden, in der die wesentlichen Tragstruk-
_ _
6.1
TRAGSTRUKTURFORMEN VON FL ACHGL AS
turformen von Flachglas systematisch in einer Übersicht beschrieben und klassifiziert werden. In diesem Kapitel soll eine solche Tragwerktypologie für Flächentragwerke aus Glas vorgestellt werden, um im
In Flächentragwerken aus Glas werden Raum- und Konstruktionsform
Folgenden die besonderen Entwurfsparameter und Erscheinungs-
zu einer Einheit: dank der herausragenden Eigenschaften der Flach-
formen im Detail zu beschreiben.
glasscheibe als Hüll- und Konstruktionsmaterial ist hier die raum-
138
schließende Glashaut gleichzeitig Tragwerk. [6.1/1]
Die Kleinteiligkeit des Scheibenmaterials macht es notwendig, neben der äußeren Geometrie auch die Struktureigenschaften des Trag-
Die Formfindung solcher Tragwerke orientiert sich an den spezi-
werks, seine innere Geometrie, als primäres Unterscheidungsmerkmal
fischen Eigenschaften des Materials: der Flächigkeit, der relativen
heranzuziehen. Das Hauptaugenmerk liegt auf Tragwerken, die vorwie-
Kleinteiligkeit und der Sprödigkeit beziehungsweise Druckfestigkeit
gend auf Druckbeanspruchung ausgelegt sind. Die Tragwerksformen
der Flachglasscheibe. Analog zu den konstruktiven Spielregeln für den
werden nach den gleichen geometrischen Kategorien unterschieden,
Entwurf von Stahlskelett- oder Membrankonstruktionen müssen auch
die bereits bei den Raumformen angewandt wurden. Ebene, ge-
Glasscheiben
Glasprismen
Faltwerk
Fachwerk
Balken-Faltwerk (S. 181)
Tensegre Struktur (S. 191)
Räumliches Fachwerk
GlasTex Träger (S. 194)
Raumfachwerkträger (S. 199)
Räumlich untersp. Platte (S. 203)
Tetra-Grid (S. 207)
Scheiben-Fachwerkbogen (S. 213)
GlasTex Bogen (S. 214)
TRAGSTRUKTURFORMEN VON FLACHGLAS
Zellen-Tragwerk
GLASTRAGWERKE
Flächen-Tragwerk
Tetra-Bogen (S. 219)
Scheiben-Gitterschale (S. 212)
Tetra-Sphäre (S. 237)
6.1
GlasTex Kuppel (S. 233)
krümmte und doppelt gekrümmte Systeme sind unterschiedlich gut
zugbeanspruchten Deckschichten. Durch Faltungen der Trägerfläche
geeignet, Glas als druckbeanspruchtes Bauelement einzusetzen. Kon-
entstehen Faltwerke, in denen Biege- und Normalkraftbeanspru-
kav oder gegensinnig gekrümmte Tragwerksgeometrien führen zu einer
chungen auftreten. Eine Dreiecksbildung führt zu normalkraftbean-
Zugbeanspruchung der Tragelemente und bleiben deshalb unberück-
spruchten (d.h. biegespannungsfreien) Fachwerkstrukturen. Neben
sichtigt. Ebene und gekrümmte Systeme werden nochmals in linienför-
Stab- und Flächentragwerken werden auch Zellen-Tragwerke klassifi-
mige und flächenförmige Tragwerke unterteilt. Die Darstellung inner-
ziert, die derzeit allerdings noch fast keine Anwendung finden. Die
halb dieser Rubriken folgt der Dimension D der äußeren Geometrie des
Verbindung einzelner Flachglasscheiben zu dreidimensionalen Glas-
Dachs (nach unten) und derjenigen der Tragelemente (nach rechts).
körpern ermöglicht eine sehr effiziente Verwendung des Baustoffes
Anordnung zueinander unterschieden. Um den derzeitigen Stand der
Glas beim Aufbau weit gespannter Raumfachwerke aus gleichartigen Modulen.
Technik wiederzugeben, werden auch Stabtragwerke erfasst, die sich
Als Unterscheidungskriterium von Tragwerken wird schließlich
aus Glasbalken und -schwertern zusammensetzen. Der Schwerpunkt
noch die punkt- und linienförmige Geometrie der Lasteinleitung zwi-
der Typologie liegt jedoch auf Flachglas als zweidimensionalem Trag-
schen den Tragelementen aufgenommen, um der Problematik von
element und den daraus gebildeten Flächentragwerken, in denen
Spannungskonzentrationen in sprödem Material Rechnung zu tragen.
Tragwerk und Raumabschluss in sich vereint sind. Durch Schichtung entstehen Sandwichstrukturen mit druck- und
139
Die Struktur wird nach der Geometrie der Tragelemente und deren
ENTWURFS- UND KONSTRUKTIONSPARAMETER
Rotationsachse Pol
Dr
Ring
uc
k Membran
Zu
g
A A
A
Stützfläche
Bruchfuge
B
GLASTRAGWERKE
Zug
Druck
Zug
51°49‘
B
B
C Ringdruck Bruchfuge
Ringzug
D Radialschub C 2
C
3
4
4 Tragverhalten einer Halbkugelschale
2 Momentenbeanspruchungen von Bögen bei Volllast in Abhängigkeit zur Geometrie A Ein Parabelbogen entspricht der Stützlinie (SL) und ist momentenfrei B Ein flacher Korbbogen weicht stark von der SL ab
3
A Das Tragverhalten einer langen Tonnenschale entspricht einem profilierten Balken: In der Scheitelzone herrschen Druckkräfte, an den
A Die Halbkugel ist rotationssymmetrisch, die Kugelfläche ist durch Meridiane und Ringe in ebene Flächen unterteilt B, C Die Bruchfuge (Schnittlinie zwischen Stützfläche
unteren Rändern Zugkräfte.
C Ein Kreisbogen nähert sich der SL an
B Lange Tonnenschale als Stabwerk
und Kuppelfläche) markiert bei gleichmäßig verteilter
D Das zusätzliche Gelenk „zwingt“ die Stützlinie
C Das Tragverhalten einer kurzen
Last den Übergang zwischen Ringdruckkräften im
Tonnenschale entspricht einem Bogen
oberen und Ringzugkräften im unteren Kuppelbereich
6.2
zur Annäherung an die Tragwerksform
_
aber für den spröden Baustoff Glas sind sie ungeeignet. Die Gefahr
_
des Sprödbruchs durch Spannungskonzentrationen wirft insbesonde-
_
re bei der Einleitung der Zugkräfte in das Glas ungelöste Probleme auf. Auch frei geformte Tragwerkgeometrien, die nicht dem natürlichen
_ _
6.2
ENT WURFS- UND KONSTRUKTIONSPARAMETER
Kraftfluss druckbeanspruchter Systeme folgen, sind der Konstruktion gläserner Flächentragwerke artfremd. Dagegen weisen konvex ge-
140
krümmte Tragsysteme wie Bogen-, Tonnen- und Schalentragwerke, TR AGWERKSFORM
die überwiegend druckbeansprucht sind, ein großes Potenzial für die
Der Kraftfluss innerhalb der Tragkonstruktion und damit die Bean-
konstruktive Verwendung von Glas auf.
spruchung der Tragelemente hängt vor allem von der Tragwerksform
Die hier vorgestellte Klassifizierung schränkt zwar die Formfindung
ab _ Abb. 2–4. Die besondere Eignung des Glases für Druckbeanspru-
von Glastragwerken ein, eröffnet aber dennoch „durch die spielerische
chungen beeinflusst entscheidend auch die Formfindung. Hänge-
Verknüpfung von Struktur- und Form-Eigenschaften unter Beachtung
konstruktionen und Minimal- und Membranflächen weisen mit einer
definierter Spielregeln [...] dem Architekt und Ingenieur ein breites
konkaven beziehungsweise doppelt gegensinnigen Krümmung ty-
Variationsfeld.“ [6.2/1] Dies gilt insbesondere für ebene Tragwerke wie
pische Geometrien zugbeanspruchter Tragwerke auf. Im Stahlbau
Balken und Platten. Die Auflösung der im Querschnitt auftretenden
können sie zu effizienten und weit gespannten Konstruktionen führen,
Biegebeanspruchungen in Druck- und Zugkräfte beispielsweise durch
Gewölbenetz 8
Dreiecksnetz 6
GLASTRAGWERKE
5
ENTWURFS- UND KONSTRUKTIONSPARAMETER
Quadratnetz (Homogennetz)
Kuppelnetz 9
10
5, 6 Ebene Netze 5 zweiläufiges homogenes Quadratnetz 6 dreiläufiges Dreiecksnetz 7 Grundrissprojektion Tetra-Glastonne: Überlagerung von Dreiecks- und Rechtecknetzen bei zweilagigen Tragstrukturen 8 Einfach gekrümmtes Netz (Gewölbenetz) mit quadratischen Maschen 9 Doppelt, gleichsinnig gekrümmtes Netz (Kuppelnetz) 10 Netzstörung bei der Durchdringung zweier Tonnenschalen, Museum für Hamburgische Geschichte, 1989, Arch.: gmp, Ing.: Schlaich Bergermann und Partner
6.2
7
Fachwerkstrukturen oder die Minimierung der Biegezugkräfte im Glas
stellen zu minimieren. Mit Hinblick auf eine rationelle Teilung des Band-
ermöglicht die Verwendung von Glas für überwiegend druckbean-
maßes von 6 m x 3,21 m bieten sich Maschengrößen von etwa 1,5
spruchte Tragwerkselemente.
m x 1,5 m oder 1,5 m x 2 m an. Auch bei größeren Glasdicken bleibt gramm, was ein sicheres „Handling“ der Scheiben bei Produktion und
Die limitierten Fertigungsgrößen von Flachglasprodukten erfordern ei-
Montage sicherstellt. Bei Scheiben, die hohen Biege- oder Normalkraft-
ne Elementierung der Konstruktion und damit eine netzartige Teilung
beanspruchungen ausgesetzt sind und große Glasdicken erfordern be-
der Hüllfläche. In Bezug auf die im Vordergrund stehenden Konstruk-
ziehungsweise bei denen der Einsatz von Hebegerät bei der Montage
tionsformen unterscheidet man ebene Netze, Gewölbenetze und Kup-
beschränkt ist, können Größen von etwa 1 m x 1 m zweckmäßig sein.
pelnetze. Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei Glastragwerken – auch
Um Produktionskosten niedrig zu halten, werden möglichst recht-
mit Hinsicht auf deren Wirtschaftlichkeit – ist die Optimierung der
eckige Scheibenformate verwendet. Die Glasindustrie macht für das
Netzgeometrie in Bezug auf Maschengröße und Maschengeometrie.
Schneiden von Dreiecksscheiben im Vergleich zu Rechteckscheiben
Im Normalfall wird man versuchen, die Maschen unter Berücksich-
in der Regel ein Preisaufschlag von 30 bis 50 Prozent geltend, der auf
tigung der Fertigungsgrößen vorgespannter und laminierter Gläser, des
dem größeren Verschnitt und den längeren Schneidezeiten beruht.
Transport- und Montageaufwands und der statischen Erfordernisse so
Bei Isoliergläsern beträgt der Aufschlag sogar 100 Prozent. Im Ver-
groß wie möglich zu wählen, um die Anzahl der Fugen und Anschluss-
gleich zur Verwendung von gekrümmten oder doppelt gekrümmten
141
das Scheibengewicht bei diesen Formaten unterhalb von 500 KiloGEOMETRISCHE NET ZBILDUNG
ENTWURFS- UND KONSTRUKTIONSPARAMETER GLASTRAGWERKE
A
B 12
C
11 Geometrie von Ringnetzkuppeln A, B Isometrie und Grundriss einer zweiläufigen Ringnetzkuppel C, D Isometrie und Grundriss einer dreiläufigen Ringnetzkuppel 12 Zonennetzkuppel als Stabwerk, die Teilung des obersten Ringes wechselt von einer dreiläufigen zu einer zweiläufigen Netzgeometrie, Schulgebäude Bornheim, 2000, Arch.: Heuer und Faust,
D
Ing.: Führer, Kosch, Jürges
6.2
13 Ansicht und Grundriss einer Homogennetzkuppel 11
13
Scheiben, deren Kosten die von ebenen Rechteckscheiben um mehr
_ RINGNETZKUPPEL
als das Zehnfache übersteigen können, stellt die Abwicklung einer ge-
Bei einer zweiläufigen Ringnetzkuppel ist die Kugeloberfläche in ein
krümmten Hüllfläche mit ebenen Dreiecksscheiben dennoch eine we-
radialkonzentrisches Netz aus Ringen und Meridianen eingeteilt. Die
sentliche Kostenersparnis dar. [6.2/2]
Ringe verlaufen parallel um die Mittelachse der Kuppel, die Meridiane
Auch sollte die Anzahl verschiedener Flächentypen so klein wie mög-
gleichförmig vom Pol zum Kuppelrand _ Abb. 11.
lich gehalten werden. Nach Möglichkeit werden Homogennetze bevor-
142
zugt, die die Trägerfläche in regelmäßige Maschen einteilen.
Die Kuppelfläche kann durch trapezförmige Scheibenformate abgewickelt werden, wobei die notwendige Anzahl unterschiedlicher For-
Ebene und einfach gekrümmte Flächen wie Zylinderschalen sind
mate der Ringanzahl entspricht. Aufgrund der konzentrischen Geo-
geometrisch abwickelbar und lassen sich mit ebenen Scheibenele-
metrie kommt es in Polnähe zu kleinen, spitzwinkligen Scheibenfor-
menten abbilden. Bei nicht rechteckigen Grundrissformen sind zu-
maten und im Auflagerbereich zu großen, schweren Formaten. Dieses
sätzliche Scheibenformate im Auflagerbereich notwendig.
mit wachsender Spannweite zunehmende inhomogene Erscheinungs-
Aufgrund der doppelten Flächenkrümmung sind Kuppelschalen
bild und Tragverhalten kann durch eine vom Kuppelrand zum Pol fort-
nicht durch regelmäßige Netze abwickelbar. Die Teilung der Hüllfläche
schreitende Halbierung der Teilungszahl gemindert werden (Zonen-
kann über Ringnetze, Homogennetze, geodätische Netze oder Qua-
netz-Kuppel).
dratnetze erfolgen.
Ein gleichmäßigeres Bild entsteht bei einer dreiläufigen Ringnetzkuppel, wenn die Meridiane durch diagonale Linienscharen ersetzt
ENTWURFS- UND KONSTRUKTIONSPARAMETER GLASTRAGWERKE
A
B 15
enz
Freq u
enz
u Freq
16
Frequenz 8
4
Fr e
qu e
nz
ue eq Fr
1
nz
2
C
Frequenz 8
16
14 Geodätische Kuppelteilung auf eine Kugeloberfläche B Halbkugel in geodätischer Teilung als Kantenmodell
enz
Freq u
enz
u Freq
16
A Projektion eines Ikosaeders
4
C Unterteilung mit Alternate-Methode D Unterteilung mit Triacon-Methode 15 Quadratnetzkuppel am Eingang West der Messe
Fr e
qu e
nz
1
u eq Fr
z en
Hannover, Arch.: K. Ackermann, Ing.: sbp, 1999
2
D
16, 17 Geometriefindung von Schalentragwerken mit ebenen Maschen mithilfe von „Leitlinie“ und „Erzeugenden“ (Translationsfläche) 17
6.2
14
werden. Statt trapezförmiger Formate werden so gleichschenklige
_ GEODÄTISCHE
Dreiecke erzeugt. [6.2/3]
Die geodätische Kuppelteilung bietet ein sehr gleichmäßiges Gesamt-
KUPPEL
bild. Sie entsteht aus der Projektion eines gekrümmten Homogen_ HOMOGENNETZKUPPEL
netzes auf die Kugeloberfläche. Als Basiskörper dienen regelmäßige
Bei Homogennetzkuppeln schließt an jedem Knoten die gleiche An-
Polyeder, im Normalfall der 20-seitige Ikosaeder. Die auf die Kugel-
zahl von Scheiben an. Die Netzteilung entsteht durch die Projektion
oberfläche projizierten Dreiecksflächen können durch Parallelen zur
eines Homogennetzes, das aus gleichseitigen Drei-, Vier- oder ande-
Außenkante (Alternate-Methode) oder durch Parallelen zur Mittel-
ren Vielecken bestehen kann, auf die Kugeloberfläche
. Es
senkrechten (Triacon-Methode) in kleinere Teildreiecke untergliedert
entsteht ein harmonischer Gesamteindruck, der allerdings weitgehend
werden. Die Anzahl der Untergliederungen wird als Frequenz bezeich-
ohne die Ausnutzung von Symmetrien erzeugt wird und somit eine
net _ Abb. 14. [6.2/5]
_ Abb. 13
entsprechend große Anzahl verschiedener Scheibenformate erforderlich macht. Homogennetzkuppeln sind vor allem für flache Kugelkalot-
_ QUADRATNETZKUPPEL
ten sinnvoll. [6.2/4]
Das Konstruktionsprinzip der Quadratnetzkuppel beruht darauf, dass pelt gekrümmte Formen angepasst werden kann. Dabei bleiben die Seitenlängen der Maschen erhalten, aber durch die Anpassung der
143
ein Vierecksnetz durch Maschenverwindung an nahezu beliebig dop-
ENTWURFS- UND KONSTRUKTIONSPARAMETER GLASTRAGWERKE
Tertiär
Sekundär
Primär
20
18
21
18 Hierarchisches, ebenes Dachtragwerk: Mehrteilige Glasbalken bilden das Primärtragwerk, zweiteilige Glasbalken das Sekundärtragwerk. Die Dacheindeckungsscheiben in den Feldern zwischen Hauptund Nebentragwerk bilden das Tertiärtragwerk. Glasdach im Innenhof der IHK München, 2003, Arch.: W. und J. Betsch 19 Hierarchisches, gekrümmtes Dachtragwerk aus Glas: die bogenförmigen Hauptträger aus Glas überspannen 9 m, die Nebenträger (Stahlrohre) spannen über 2,50 m, auch hier bilden die Scheiben der Dacheindeckung das Tertiärtragwerk. Glasdach im Innenhof der Lindener Volksbank in Hannover, 1996, Arch.: Bertram Bünemann Partner 20, 21 Skizzen zu ebenen und gekrümmten
6.2
hierarchischen Tragwerken 19
Winkel an die Krümmung entstehen unterschiedliche Rautenformen.
REDUNDANZ : SICHERHEIT IM NICHT HIER ARCHISCHEN TR AGWERK
Durch die Maschenverwindung ist eine Abwicklung der Oberfläche
Das geometrische Netz bildet die Grundlage für das konstruktive Netz,
mit ebenen Scheiben allerdings nur bei geringer Krümmung möglich,
also die Anordnung von Tragelementen auf der Hüllfläche. Bei Recht-
andernfalls müssen unter erheblichem Kostenaufwand sphärisch ge-
ecknetzen werden zwei Richtungen, bei Dreiecksnetzen drei Rich-
krümmte Gläser verwendet werden.
tungen aufgespannt. Verläuft der Lasttransport in diesen Spannrich-
Jörg Schlaich und Hans Schober haben eine Methode entwickelt,
tungen gleichförmig, erfüllen also alle Tragelemente in den Systemach-
wie gekrümmte Flächen dennoch mit ebenen Viereckmaschen belegt
sen die gleiche Aufgabe, spricht man von einem ungerichteten, nicht
werden können: „Verschiebt man eine beliebige Raumkurve, Erzeu-
hierarchischen Tragwerk.
gende genannt, entlang einer anderen beliebigen Raumkurve, Leitlinie
144
genannt, entsteht eine räumliche Fläche aus lauter ebenen Viereckma-
Erfüllen die Spannrichtungen dagegen unterschiedliche Aufgaben, bilden die Trägerlagen ein gerichtetes oder hierarchisches Tragwerk.
schen“ [6.2/6] . Bei gleichen Kurvenabständen entsteht ein gleichma-
Hierarchische Tragwerke werden im konstruktiven Ingenieurbau
schiges Netz. Auch komplexe und unregelmäßige Formen können mit
in Bauwerksklassen unterteilt, die bislang auch bei der Beurteilung
solchen Translationsflächen in ebene Flächenelemente zerlegt werden.
von Glastragwerken herangezogen wurden.
Allerdings führen die unterschiedlichen rautenförmigen Scheibenfor-
umschließt Primärtragwerke, die „für die Abtragung aller an einem Ge-
mate zu einem höheren Herstellungsaufwand _ Abb. 15–17. [6.2/7]
bäude wirkenden Kräfte einschließlich des Eigengewichtes herangezo-
[6.2/8]
Die erste Kategorie
gen werden“ und deren Versagen zum Einsturz des gesamten Bau-
27
23
25
28
ENTWURFS- UND KONSTRUKTIONSPARAMETER
24
GLASTRAGWERKE
22
22 – 25 Umverteilung von Normalkräften in der Scheibenebene bei Ausfall eines Scheibenelements für verschiedene Netzgeometrien 22 Ebenes Netz 23 Gewölbenetz 24 Kuppelnetz 25 Gewölbenetz mit versetzten Fugen 26 Untersicht eines Tonnentragwerks aus Glasscheiben, bei Bruch einer Scheibe müssen die Kräfte durch die Knoten in die angrenzenden Scheiben abgetragen werden. 27, 28 Ausfallbetrachtungen bei einer Untergurtebene eines Raumfachwerks anhand von Normalkraftdiagrammen: Mit dem zunehmenden Wegfall von Stäben erhöhen sich die Beanspruchungen der verbleibenden Tragelemente.
tige Versagenssicherheit gewährleisten.
werke aufgeführt, die ihre Last an das Haupttragwerk abgeben und
Für spröde Werkstoffe wie Glas, bei denen aufgrund des Bruch-
bei Versagen nicht die Standsicherheit der Gesamtkonstruktion ge-
verhaltens, streuender Festigkeiten und der Stoßempfindlichkeit keine
fährden. In der dritten Bauwerksklasse werden Tertiärtragwerke auf-
absolute Versagenssicherheit gegeben werden kann, ist die konstruk-
geführt, die ihre Lasten an Haupt- und Sekundärtragwerk abgeben
tive Gliederung hierarchischer Systeme nur unter großem Aufwand zu
und deren Beschädigung im Wesentlichen folgenlos bleibt. Hierzu
realisieren.
zählen Gebäudeverkleidungen und raumschließende Verglasungen.
Bei nicht hierarchischen Systemen werden die einwirkenden Las-
Beispiele für hierarchisch aufgebaute Systeme sind Balken- oder
ten nicht auf wenige Tragelemente gebündelt, sondern auf eine Viel-
Bogentragwerke, bei denen ein Hauptträger aus Glas die volle Spann-
zahl gleichartiger Tragelemente netzartig aufgefächert. Dies ist nur bei
weite überbrückt, Nebenträger aus Glas zwischen den Hauptträger-
zwei- oder mehrachsig gespannten Tragsystemen möglich. Jedes
achsen spannen und die gläsernen Dachscheiben den Raumab-
Tragelement ist gering beansprucht und verfügt über so viele Tragre-
schluss bilden _ Abb. 18–21.
serven, dass bei Ausfall eines benachbarten Elements dessen Trag-
Diese Hierarchisierung der Tragelemente entspricht der Logik der
funktion übernommen werden kann und ein sukzessives Versagen
Skelettbauweise und der Trennung von tragenden und ausfachenden
des Gesamtbauwerks vermieden wird. Diese Eigenschaft wird als Red-
Bauteilen. Gutmütige Baumaterialien wie Stahl, Holz oder Stahlbeton
undanz bezeichnet.
können die für Primärtragwerke notwendige, nahezu hundertprozen-
Der Bruch einer Scheibe, der für die Traggeometrie den Wegfall
145
werkes führen kann. In der zweiten Kategorie werden Sekundärtrag-
6.2
26
ENTWURFS- UND KONSTRUKTIONSPARAMETER GLASTRAGWERKE
s+g
v+(s+g)
29
32
s+g
29 – 33 Der Tetra-Bogen stellt einen eingespannten Bogen dar, der als räumliches Fachwerk aufgelöst ist. Durch die Vorspannung des statisch unbestimmten Systems treten in den Tragelementen nur Druckkräfte auf.
30
29 Durch Überlagerung der Lastfälle Eigengewicht g, Schnee s und Vorspannung v (v + s + g) verläuft die Stützlinie innerhalb der Tragwerkgeometrie: Zugkräfte werden überdrückt. 30 Lastfall Eigengewicht g plus Schnee s (s + g): Die Systemgeometrie entspricht nicht der parabelförmigen Stützlinie: Im System entstehen Druck- und Zugkräfte. 31 Lastfall Vorspannung v: Die Stützlinie der eingeleiteten Kräfte entspricht genau der Systemgeometrie. 32 Bogen mit Vorspannseilen 33 Vorspannen der Seile mithilfe eines Drehmomentenschlüssels
6.2
31
33
einer Netzmasche bedeutet, führt in einem statisch unbestimmten
KONSTRUKTIVE ABSICHERUNG BEI AUF DRUCK AUSGELEGTEN
System zu einem veränderten Kraftfluss und zu einer entsprechenden
TR AGWERKEN
Mehrbelastung der benachbarten Bauelemente
. Nicht
Durch die charakteristische Dreiecksbildung von Fachwerkstrukturen
hierarchische Systeme entsprechen besser dem Materialverhalten von
werden Biegekräfte zugunsten von Normalkräften vermieden. Fach-
Glas und bieten sich daher für Glastragwerke an. „Der Nachteil, der
werke eröffnen die Möglichkeit, Glas nach seiner Eignung gezielt für
mit dem Mehraufwand solcher Systeme verbunden ist, lässt sich nur
die druckbeanspruchten Tragelemente einzusetzen und die zugbean-
durch Standardisierung und Vorfertigung der Einzelelemente und das
spruchten Tragelemente in anderen Materialien auszuführen.
_ Abb. 27, 28
Entwickeln eines dem Werkstoff angepassten Bausystems lösen.“
146
[6.2/9]
Da einwirkende Lasten wie Eigengewicht und Wind unter verschiedenen Richtungen angreifen und damit im System unterschiedliche
Beispiele für nicht hierarchische Tragsysteme sind zweiachsig ge-
Beanspruchungen verursachen, gebietet es die einseitige Auslegung
spannte Platten und Trägerroste, sowie Tonnen und Kuppelschalen.
auf Druckbeanspruchung, durch geeignete Maßnahmen Kraftumkeh-
Diese Tragwerke sind hochgradig statisch unbestimmt, so dass die
rungen in den Tragelementen bei Lastfallwechseln zu vermeiden.
Last sich bei Ausfall einzelner Tragelemente lokal umverteilen kann,
In der Regel versucht man, die Lastfälle, die zu unerwünschten
ohne dass die Gesamtstabilität der Konstruktion wesentlich beein-
Zugbeanspruchungen im Glas führen, zu relativieren, etwa über die
trächtigt wird.
Erhöhung des Eigengewichtes, aber auch durch eine externe Vorspannung. Der Lastfall Vorspannung führt zu einer zusätzlichen, konstant
35
37
ENTWURFS- UND KONSTRUKTIONSPARAMETER
36
GLASTRAGWERKE
34
35, 37, 38 Hybride Glaskonstruktionen 35 Radiale Textilbahnen leiten Vorspannkräfte in die Kuppelfläche ein und stabilisieren 34 Glasscheiben sind beulgefährdet. Kantenverbindungen zwischen angrenzenden Scheiben wirken aussteifend.
so die Gesamtkonstruktion. 37 Konzept zur Verbindung von Glasscheiben und Textilbahnen zu einem räumlichen
36 Ausschnitt aus dem Tetra-Glasbogen: Die Scheiben des Tetraeders sind dreiseitig gehalten, die beulgefährdete
Tagmodul (H. Bosbach, M. König) 38 Stabilisierung eines Fassadenelementes durch
wirkenden Beanspruchung im System, wodurch die Auswirkungen
gehaltenen Kanten unterscheidet man zwei-, drei-, vierseitig usw. ge-
wechselnder Lastbilder abgeschwächt werden _ Abb. 29–31. In der Re-
haltene Scheiben.
gel können Vorspannkräfte nur in statisch unbestimmten Systemen zu
Ganzglastragwerke als rein druckbeanspruchte Systeme sind nur
dem erwünschten Effekt führen, da statisch bestimmte Systeme der
bei monolithischen Konstruktionen mit großem Eigengewicht – ähn-
Last durch Verformung „ausweichen“.
lich gotischen Mauergewölben – denkbar. Für weit gespannte, leichte
Der Lastfall Temperatureinwirkung entspricht dem Lastfall Vor-
Tragwerke sind Zugglieder für das Einleiten von Vorspannkräften oder
spannung: Die Ausdehnungen der Tragelemente verursachen zusätz-
die Aufnahme von Systemkräften im Fachwerkverbund unerlässlich.
lich innere Kräfte und Zwängungsspannungen, die von der Konstruk-
Dies macht eine Kombination von Glas mit zugfesteren Materialien
tion aufgenommen werden müssen.
erforderlich. Stabförmige Bauteile wie Stahlseile oder auch flächige
Mit der mechanisch vorteilhaften Eignung als druckbeanspruchtes
Materialien wie Gewebe- und Textilbahnen können mit der Glasschei-
Tragelement verbindet sich die nachteilige Beulgefahr der Glasschei-
be zu Flächentragwerken verbunden werden. Ein solches Tragwerk,
be: Sie besitzt als außerordentlich schlankes Element die Neigung,
dessen Tragfähigkeit auf dem Zusammenspiel unterschiedlicher Ma-
großen Druckkräften in Scheibenebene seitlich auszuweichen. Es ist
terialien beruht, bezeichnet man als hybrid. Diese Bezeichnung wird
deshalb sinnvoll, die Kanten der Scheiben durch benachbarte Trag-
aber auch im Zusammenhang mit Tragsystemen gebraucht, die so-
elemente auszusteifen beziehungsweise Tragmodule zu bilden, die
wohl biege- als auch normalkraftbeansprucht sind.
eine räumliche Steifigkeit aufweisen
_ Abb. 34
. Nach der Anzahl der
147
38
6.2
vorgespannte Folienhaut (P. R. Menken)
Obergurtscheibe dagegen nur zweiseitig.
ENTWURFS- UND KONSTRUKTIONSPARAMETER GLASTRAGWERKE
39
40
43
41
39 – 42 Schematischer Aufbau einer Glastonne (Entwurf: T. Unterberg) 39, 40 Einzelne Scheiben werden zu einem räumlichen Tragmodul gefügt. 41 Durch Reihung der Tragmodule entsteht ein bogenförmiges Teilsystem. 42 Durch Reihung der Teilsysteme entsteht das Gesamtsystem. 43 Aufbau des Tetrabogens als
6.2
elementierte Bogenkonstruktion 42
Die Kombination verschiedener Werkstoffe mit unterschiedlicher Wär-
Tragelemente können werkseitig zu kraftschlüssigen Modulen gefügt
meausdehnung kann zu Zwängungsspannungen führen, die bei der
werden. Aus diesen können wiederum durch Addition und Verknüp-
Bemessung der Tragelemente zu berücksichtigen sind. Neben den
fung tragfähige Teilsysteme gebildet werden, die erst auf der Baustelle
konstruktiven Möglichkeiten bietet die Kombination von Glas mit ande-
zum Gesamtsystem vereinigt werden _ Abb. 39–42. [6.2/10]
ren flächigen Materialien interessante funktionale und gestalterische Möglichkeiten _ Abb. 35, 37, 38.
Jeder Stoß zwischen zwei Tragelementen führt zu Toleranzen, die bei der Montage aufgenommen werden müssen. Daher ist insbeson-
148
dere beim Glasbau auf genaue werkseitige Vormontage, LagegenauigELEMENTIERUNG UND FÜGUNGSEBENEN
keit der Einzelscheiben und eine exakte Gesamtgeometrie zu achten,
Baukastensysteme mit vorgefertigten Tragmodulen aus Glas und stan-
um zu verhindern, dass Maßabweichungen zu Zwängungserschei-
dardisierten Detailpunkten erleichtern die Bewältigung der hohen An-
nungen führen, die der Tragfähigkeit abträglich sind.
forderungen, die insbesondere an eine kontrollierte Lasteinleitung in
Für einen effizienten Materialeinsatz ist es wichtig, Spannungs-
den spröden Werkstoff Glas gestellt werden müssen. Bausysteme mit
spitzen durch Lastkonzentrationen in Tragelementen aus Glas zu ver-
gleichartigen Modulen reduzieren außerdem den Umfang von Tragfä-
meiden. Bei Vorfertigung der Tragmodule im Werk können Scheiben
higkeitsuntersuchungen und Bauteilversuchen und vereinfachen so
exakt ausgerichtet und linienförmig entlang ihrer Kanten gefügt wer-
die baurechtliche Zulassung. Je nach Größe und Komplexität des
den. Kraftschlüssige Kantenbeschläge oder stoffschlüssige Verkle-
Tragwerks werden verschiedene Fügungsebenen unterschieden.
bungen zwischen den Tragelementen ermöglichen ein homogenes
ENTWURFS- UND KONSTRUKTIONSPARAMETER GLASTRAGWERKE 44
44
Tragwerksgeometrie, -struktur, Netzbildung und Elementierung greifen bei der Formfindung von
6.2
Glastragwerken zusammen – hier: der Tetra-Glasbogen
Spannungsbild und somit eine effektive Nutzung des Tragpotenzials der Scheibe. Obwohl Knotenbeschläge zu lokalen Spannungskonzentrationen führen, werden diese bei der Baustellenmontage oft bevorzugt, da sie eine einfachere Aufnahme der Toleranzen und Kontrolle
149
der Tragwerksgeometrie ermöglichen.
Geometrie
Glaselement
Tragwerk
0
Punkt/Knoten
1
Linie/Kante
Balken/Schwert
Stab - Tragwerk
2
Fläche
Scheibe/Platte
Flächen - Tragwerk
3
Körper
Glasprisma/ Glaspolyeder
Zellen - Tragwerk
1
GLASTRAGWERKE
TRAGSTRUKTUREN AUS GLAS
Dim.
2
4
5
6
1 – 3 Beispiele für verschiedene Geometrien von Tragelementen aus Glas bei Belastungsversuchen
4 Unterscheidungskriterien für Tragelemente und -strukturen aus Flachglas
1 Glasbalken (1D) 2 Glasplatte (2D)
6.3
3 Glaskörper (3D)
5, 6 Tragstrukturen aus Glasröhren (auf der glasstec 2000)
3
_
_ GEOMETRIE
_
Tragelemente aus Flachglas lassen sich nach ihrer räumlichen Aus-
_
dehnung in stabförmige, flächige und räumliche Tragelemente unterscheiden _ Abb. 4.
_ _
DER TRAGELEMENTE
6.3
TRAGSTRUKTUREN AUS GL AS
Eine schmale Glasscheibe, deren Länge mehr als das fünffache der Breite beträgt, wird gewöhnlich als stabförmiges, eindimensionales
150
Tragelement bezeichnet. Durch die Verknüpfung an den Stabenden Die innere Geometrie des Glastragwerks, die Struktur, wird wesentlich
entstehen – analog zum Skelettbau – Stabtragwerke. Neben Glasbal-
von den geometrischen und mechanischen Eigenschaften des Kons-
ken, Glasschwertern und Plattenstreifen zählen auch Profilbaugläser
truktionsmaterials beeinflusst.
und Rohrgläser zu den stabförmigen Tragelementen. [6.3/1]
Die Struktur lässt sich durch drei wesentliche Merkmale beschrei-
Die Glastafel stellt als Platte oder als Scheibe ein flächiges, zweidi-
ben: die Geometrie und die Anordnung der Tragelemente sowie die
mensionales Tragelement dar. Die Fläche ist durch drei, vier oder
Geometrie der Anschlüsse zwischen den Tragelementen. Hier werden
mehr Kanten begrenzt. Glasplatten und Glasscheiben setzen sich
diese Strukturaspekte in Verbindung zu den Eigenschaften des Bau-
durch Verbindungen an den Ecken oder Kanten zu Flächentragwerken
stoffes vorgestellt.
zusammen. Durch Verbindungen von Glasflächen entlang ihrer Kanten ent-
Beispiele
Gelenk
Tragstruktur
Knoten - StabTragwerk
7 Gelenk
TRAGSTRUKTUREN AUS GLAS
Verknüpfung
Knoten - FlächenTragwerk
Gelenk
GLASTRAGWERKE
Tragelemente
Knoten - ZellenTragwerk
8
Stab
Kanten - FlächenTragwerk simuliertes Kanten - FlächenTragwerk
9
Stab
Kanten - ZellenTragwerk simuliertes
7 – 9 Beispiele für verschiedene Verknüpfungsgeometrien
Kanten - Zellen-
7 Knoten-Stab-Tragwerk
Tragwerk
8 Knoten-Flächen-Tragwerk 9 Knoten-Zellen-Tragwerk 10 Übersicht Verknüpfungsgeometrien
6.3
10
steht eine räumliche Zelle als Tragmodul, das geometrisch als Poly-
Seilen und Stäben punktförmig verbunden. Dementsprechend wer-
eder oder Vielflächner bezeichnet wird und zu Zellentragwerken kom-
den die Tragstrukturen als Knoten-Stabtragwerk, Knoten-Flächentrag-
biniert werden kann. Die Verknüpfung zwischen den Zellen kann
werk oder Knoten-Zellentragwerk bezeichnet. Die dichte Reihung von
punktförmig an den Ecken oder linienförmig an den Kanten erfolgen.
punktförmigen Verbindungen entlang der Kante kann strukturell als simulierte linienförmige Krafteinleitung gelten _ Abb. 10.
DER VERKNÜPFUNG – LASTEINLEITUNG
Lineare Anschlüsse entlang der Glaskanten sind geeignet, die
Das Glastragwerk baut sich durch die Anordnung von Glasstäben,
Kräfte gleichmäßig in das Bauteil einzuleiten. Durch Kantenverkle-
Glasflächen oder Glaskörpern über einer Basis auf. Dabei müssen die
bungen oder -beschläge werden Glasscheiben und -körper linienför-
druckfesten gläsernen Tragelemente mit Verknüpfungselementen aus
mig an den Kanten oder auf der Fläche untereinander oder mit ande-
zähen Materialien wie Stahl ergänzt werden.
ren flächigen Bauteilen verbunden. Je nach der Geometrie des Trag-
Für die Beschreibung von Glastragwerken stellt die Art der Anschlussgeometrie ein wichtiges Kriterium dar. Punktförmige Anschlüs-
elements unterscheidet man zwischen Kanten-Flächentragwerken und Kanten-Zellentragwerken.
se führen zu Lastkonzentrationen und sind aufgrund der Sprödigkeit
Da in einem Tragwerk oftmals sowohl Knoten- als auch Kantenan-
des Materials bei Glasbauteilen problematisch. Durch Knoten werden
schlüsse vorliegen, ist für eine Zuordnung die oberste Fügeebene zwi-
Balken, Flächen und Körper an den Ecken, Kanten oder auf der Flä-
schen den Haupttragelementen oder -modulen entscheidend.
che untereinander oder mit anderen stabförmigen Tragelementen wie
151
_ GEOMETRIE
TRAGSTRUKTUREN AUS GLAS GLASTRAGWERKE
11
13
12
14
15
13, 17 Entwurf Trägerrost: D. Seiberts, S. Spengler 11
Mehrteiliger Glasbalken, U-Bahn-Station Tokio International Forum, 1996, Ing.:
14 Lastumlagerung im Trägerrost
Dewhurst Macfarlane and Partners 15, 16 Entwurf Trägerrost mit einer den Momenten 12
Trägerquerschnitte mit verstärkenden
entsprechenden Unterspannung,
Stahlprofilen in der Zugzone
Entwurf: M. Schmidt, S. Schrennen
6.3
16
STABTR AGWERKE
weise kann durch ein Querschnittsprofil analog zu Walzprofilen die
Biegebeanspruchte einteilige Balkentragwerke aus Glas zählen heute
Zugzone versteift und die Quersteifigkeit gesteigert werden, wie es be-
zum Stand der Technik und finden vielerorts Verwendung. Darin
reits 1951 bei einem Ausstellungspavillon der Firma Glasbau Hahn
kommt die verbreitete Einschätzung zum Ausdruck, dass Glasbalken
gezeigt wurde. Zudem können bei mehrteiligen Glasquerschnitten
sich als stabförmige Tragelemente unkompliziert in die hierarchischen,
auch zähe und zugfeste Werkstoffe in den Lastabtrag integriert wer-
vom Holz- und Stahlbau überkommenen Skelettbaukonstruktionen
den, um das Tragverhalten und die Resttragfähigkeit zu verbessern
integrieren lassen.
_ Abb. 12
. [6.3/3]
Zudem kann eine Steigerung der Spannweite jenseits der Fertigungsgrenze von Glas durch eine Kombination zu mehrteiligen Bal-
_ TRÄGERROST
ken, Rahmen, Bögen, Trägerrosten und Stabwerkschalen erreicht
Trägerroste aus Glasbalken weisen einen zweiachsigen Lastabtrag auf.
werden. [6.3/2]
Im Vergleich zu einem einachsigen System kann dadurch die statische Höhe reduziert werden. Für ein isotropes Tragverhalten müssen die
152
_ MEHRTEILIGE
Steifigkeiten der Träger in beiden Richtungen gleich sein. An jedem
BALKENQUERSCHNIT TE
Glasbalken können zu mehrteiligen Trägern zusammengesetzt wer-
Kreuzungspunkt müssen die einzelnen Glasträger biegesteif durch
den, um durch Überlappungen biegesteife Stöße in Längsrichtungen
Bolzen oder Reibschluss miteinander verbunden sein _ Abb. 18.
oder leistungsfähigere Querschnitte zu erhalten
. Beispiels-
_ Abb. 11
Ein Trägerrost ist ein nicht hierarchisches, statisch unbestimmtes
TRAGSTRUKTUREN AUS GLAS GLASTRAGWERKE
17
19
B
A 18
20
19 17
Mehrteiliger Glasbogen mit 12 m Spannweite, Entwurf: N. Roufosse, A. Hübner
Mehrteilige Balkenquerschnitte mit vorgespannten Stahlseilen in der Zugzone 20
18
Detaillösungen für Rahmenecken, als Laschenverbindung (A) und als Verblattung (B)
Trägerrost als Dach- und Fassadenkonstruktion, Lesesaal des Arab Urban Development Institute (AUDI) in Riyadh, Macfarlane and Partners, Glas: Zamil Glass Industries
21
Eckverbindung Glaspavillon RWTH Aachen, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, 1996 21
Tragwerk. Bei Bruch eines Glasbalkens kann die Lastabtragung von
elementen zu einem statisch bestimmten Dreigelenkbogen oder
den umliegenden aufgenommen werden, wenn diese die notwendigen
-rahmen hat auch in Hinsicht auf Montage und Aufnahme von Tole-
Tragreserven aufweisen _ Abb. 14.
ranzen und Verformungen Vorteile. Allerdings weist ein Dreigelenksys-
Bei einer zangenartigen Ausführung der Trägerachsen erscheint es
tem im Schadensfall keine Systemsicherheiten auf. Durch zweiteilige
möglich, die Felder eines Trägerrostes als Kassetten vorzufertigen. Trä-
Dreigelenkbögen oder -rahmen sind Spannweiten bis etwa 12 Meter
ger und eindeckende Platten werden entlang der Kanten kraftschlüssig
möglich _ Abb. 19.
verbunden und bilden ein Ganzglasmodul. Der druckbeanspruchte obe-
Mehrgliedrige Bogen- und Rahmenkonstruktionen aus mehr als
re Rand der Glasträger wird durch eine mittragende Plattenbreite der
zwei Elementen sind mithilfe biegesteifer Eckausbildungen möglich. In
Glaseindeckung entlastet und stabilisiert. Die Kassetten könnenvor Ort
der Regel werden Einspannungen an den Fußpunkten biegesteifen
zu einem zusammenhängenden Trägerrost montiert werden. Zur Relati-
Anschlüssen im Feld vorgezogen. Scheiben aus Dreifach-VSG werden
vierung der Biegezugkräfte an der Unterkante kann das System durch
oftmals analog zum Holzbau durch Verblattung der Querschnitte ver-
Zugseile zwischen den Trägern vorgespannt werden _ Abb. 13, 17.
bunden. Dabei wird das mittlere Scheibenelement zwischen den flan-
6.3
1998, Arch.: Nabil Fanous Architects, Ing.: Dewhurst
kierenden Gläsern um die Tägerhöhe rückversetzt oder verlängert, so BALKENTRAGWERKE: BÖGEN UND RAHMEN
dass die Trägerelemente lückenlos ineinandergeschoben werden kön-
Glasbalken können zu rahmen- und bogenförmigen Tragwerken zu-
nen
sammengesetzt werden. Der gelenkige Anschluss von mehreren Trag-
so ausgebildeten Ecke Biegemomente übertragen werden. [6.3/4]
. Durch eine zusätzliche Verbolzung können in einer
_ Abb. 20, 21
153
_ ZUSAMMENGESETZTE
TRAGSTRUKTUREN AUS GLAS GLASTRAGWERKE
22
23
24
22 Strukturmodell für eine Stabwerkschale, Entwurf: A. Kruse, S. Dahlmanns, N. Fischer, N. Stoff 24 Entwurf für eine Tonnenkonstruktion in Zollinger-Bauweise, Entwurf: E. Svarna, P. Vavra 23, 25 Entwürfe für einen Messestand als Stapelrost: 23 Stapelrost auf quadratischem Grundriss als Schirmdach, die Stabilisierung erfolgt über eine im „Stamm“ liegende Verspannung der über einen Druckring verbundenen Ecken, Entwurf: S. Greuel, F. Kammann 25 Stapelrost auf hexagonalem Grundriss, die Verdrehung der Lagen ermöglicht einen geschlossenen Dachabschluss, Entwurf: T. Hopp, J. Hansen
6.3
25
_ STABWERKSCHALEN
schließende, skulpturale Tragstrukturen. Die Spannweite der Platten-
Die Addition stabförmiger Glasbalken zu weit gespannten Tonnen- und
streifen ist durch die geringe Steifigkeit und deren erhebliche Durch-
Schalentragwerken erscheint aufgrund des knickgefährdeten, schlan-
biegung begrenzt. Vorteilhaft ist trotz des hohen Materialverbrauchs
ken Querschnittes und der Lastkonzentrationen an den Knotenpunk-
die Gleichförmigkeit der Elemente, die eine hohe Vorfertigung er-
ten fragwürdig
. Eine Stabilisierung der Querschnitte ist
laubt. Eine einfache Verbindung der Elemente durch Kontaktpressung
durch eine schubfeste Verbindung zwischen Balken und Dacheinde-
und Auflast ist bei zusätzlichen Stabilisierungsmaßnahmen denkbar
ckung zu erreichen, auf Dreiecksmaschen kann dann zugunsten von
_ Abb. 23, 25
_ Abb. 22
. [6.3/5]
Rechteckmaschen verzichtet werden. Nicht hierarchische Lamellenkonstruktionen mit rautenförmigen Maschen, wie beispielsweise die
FL ÄCHENTR AGWERKE
Zollinger-Bauweise, bieten einen Ansatz für strukturelle Weiterent-
_ SANDWICHKONSTRUKTIONEN
wicklungen _ Abb. 24.
Traditionell werden Glastafeln als plattenförmige Konstruktionsele-
154
mente für den Raumabschluss verwendet. Die Spannweite der Plat_ STAPELROSTE
ten ist weniger durch das Fertigungsmaß der Scheiben als durch die
Durch Schichten stabförmiger Elemente lassen sich dreidimensio-
geringe statische Höhe und die damit verbundene Durchbiegung be-
nale, biegebeanspruchte Tragwerke entwickeln. Bei dem Stapeln und
grenzt (s. Kapitel 4). Eine Versteifung der Platte und damit eine Stei-
gleichzeitigen Verschieben von Plattenstreifen entstehen dabei raum-
gerung der Spannweite ist prinzipiell durch Schichtung der plattenför-
konstant
veränderlich
symmetrisch
asymmetrisch
homogen
hybrid
Querschnittsverlauf
Anordnung bezüglich Tafelebene
Werkstoffzusammensetzung
TRAGSTRUKTUREN AUS GLAS
4
GLASTRAGWERKE
3 Anzahl Schichten
26
A
B 26 Unterscheidungskriterien für Sandwich-Konstruktionen
27
27 Verformungsverhalten ohne (A) und
29
1
2
A
B
C
mit (B) Verbund zwischen den Schichten 28 Spannungsquerschnitte bei keinem (A), partiellem (B) und vollem Verbund (C) 1 Deckschicht 2 Kernschicht 29, 30 Verformung einer einzelnen Deckschicht unter Eigenlast und des gesamten Sandwichverbundes unter einer Belastung von 5 KN
6.3
30
migen Bauteile zu einem Sandwich zu erlangen, wie dies bei VSG-
mit der Schubsteifigkeit der Kernschicht verbunden. Je nach Verfor-
Scheiben bekannt ist. Ein Sandwich ist durch mindestens drei
mungsverhalten liegt ein elastischer (teilweiser) oder einen starrer
Schichten charakterisiert, wobei die äußeren beiden Schichten als
(voller) Verbund vor
Deckschichten und die innere als Kernschicht bezeichnet werden
dabei nicht nur abhängig von dem Material der Zwischenschicht, son-
. Durch schubfeste Verbindung der einzelnen Schichten
dern auch von der Art und Dauer der Einwirkungen. Bei kurzfristigen,
entsteht ein Tragsystem, dessen Gesamtsteifigkeit wesentlich höher
stoßartigen Beanspruchungen wie durch Windböen kann nahezu ein
ist als die Summe der Einzelsteifigkeiten. Spannungen und Verfor-
voller Verbund angerechnet werden, während bei ständigen Einwir-
mungen der Bauteile sind stark reduziert _ Abb. 29, 30. Der Sandwich-
kungen wie durch Eigengewicht eine zäh-elastische Zwischenschicht
effekt basiert auf der Aufteilung der Schnittkräfte auf die verschie-
bei Verlust der Verbundwirkung anfängt zu fließen. Auch höhere Bau-
denen Schichten. Das auftretende Biegemoment wird in ein Kräfte-
teiltemperaturen tragen zum Fließen der Zwischenschicht bei. Ein
paar zerlegt, so dass bei einem positiven Moment in der oberen Deck-
elastisches Verformungsverhalten ist bei Glaskonstruktionen durchaus
schicht Druck- und in der unteren Deckschicht Zugkräfte entstehen.
wünschenswert, um Zwängungsspannungen abzubauen, die aus der
Nicht symmetrische und hybride Sandwichaufbauten eröffnen die
unterschiedlichen Verformung der Schichten herrühren können. Dies
Möglichkeit, Glasplatten nur in der Druckzone einzusetzen. Die Kern-
kann bei der ungleichen Erwärmung und Ausdehnung und stärker
schicht übernimmt die Querkräfte und die damit verbundene Schub-
noch bei der Verwendung unterschiedlicher Werkstoffe mit verschie-
beanspruchung. Die Tragfähigkeit des Sandwichelementes ist direkt
denen Wärmeausdehnungskoeffizienten der Fall sein. [6.3/6, 6.3/7]
_ Abb. 27, 28
_ Abb. 28
, Steifigkeit und Verbundwirkung sind
155
28
TRAGSTRUKTUREN AUS GLAS GLASTRAGWERKE
31
33
32
34
32 Glassandwich mit dekorativer Zwischenschicht 31, 33 Sandwich-Fassadenelemente: Aluminiumhohlprofile stellen den Schubverbund zwischen zwei 3 m x 3 m
34, 35 Konzeptmodelle für interaktive Sandwichkonstruktionen
großen Scheiben einer Isolierglaseinheit her, Lehrstuhl
34 Entwurf: K. Bandekow, R. Semeonova;
für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen, 1998
35 Entwurf: J. Vossebürger, S. Riesenkampff
6.3
35
Am Lehrstuhl für Tragkonstruktionen an der RWTH Aachen wurden
nen großen konstruktiven, funktionalen und gestalterischen Spielraum.
1998 Systeme für 3 m x 3 m große Isolierglaseinheiten als Sandwich-
Denkbar sind auch mit transluzentem Dämmschaum verfüllte Isolierg-
Fassadenelemente mit zweiachsigem Tragverhalten entwickelt. Bei
lasscheiben und interaktive Zwischenschichten _ Abb. 34, 35.
156
einem Prototyp wurden die 6 Millimeter starken Deckscheiben punktförmig durch 4 cm x 4 cm große Aluminiumhohlprofile und ein zwei-
_ FALTWERKE
seitig klebender transparenter Hochleistungs-Klebstoffband (VHB)
Faltwerke sind reine Flächentragwerke. Sie setzen sich aus ebenen,
der Firma 3M verbunden. Die Anordnung der Verbindungselemente
biege- und schubfesten Flächenelementen zusammen und stellen da-
folgt der Schubkraftverteilung und verdichtet sich zu den Auflagerrän-
mit für eine konstruktive Verwendung von Glas eine ideale Vorausset-
dern _ Abb. 31, 33. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass das
zung dar. Das von dem englischen Gewächshauspionier J. C. Loudon
Schichten nicht nur ein konstruktives, sondern auch ein funktionales
entwickelte und von J. Paxton bei dem Kristallpalast von 1851 mit
Prinzip zur Aufwertung von Plattenkonstruktionen darstellt.
großem Erfolg angewandte ridge-and-furrow-Prinzip (Grat-und-Kehle-
Die Bedeutung für die Glasarchitektur hängt davon ab, inwieweit
Prinzip) stellt bereits ein Faltdach aus Glas dar. Die gegeneinander
mit automatisierten Fertigungsprozessen wirtschaftliche und qualita-
gelehnten Scheiben wurden durch ein Gratprofil verbunden, so dass
tive Standards zu erreichen sind.
sie sich gegenseitig stützen konnten.
Mit der Veränderung des Sandwichaufbaus, des Materialaufbaus
Ebene Faltwerke stellen im Allgemeinen Faltwerke aus langen Ele-
und der Geometrie der Schichten bieten Sandwichkonstruktionen ei-
menten oder harmonikaähnliche Balkenfaltwerke dar, die quer zu den
α
α: 90° – 120°
38
40
GLASTRAGWERKE
36
TRAGSTRUKTUREN AUS GLAS
b
Falte
37
Platte
Scheibe
39
41
b
42
38, 39 Balkenfaltwerk mit langen Elementen: Das Tragverhalten des Faltwerks verbindet Platten- und Scheibenwirkung. 40 – 43 Faltwerk mit kurzen Elementen
36 Grat- und Kehlenfaltwerk: Die Scheiben der Faltungen
40, 41 Ansicht und Grundriss eines gleichmäßigen
werden über Punkthalter kraftschlüssig verbunden.
Tonnenfaltwerks
Stadtbahnhaltestelle Bretten, 1992, Arch.: J. Braun
42 Falte aus gleichschenkligen Dreiecksflächen 43 Isometrie eines Tonnenfaltwerks mit verschiedenen
37 Belastungsversuch eines Faltwerks,
Elementgrößen, Entwurf: N. Leiendecker, P. Schmitz
6.3
43
. Die Gläser
hohen Sicherheiten. Die Spannweite ist wie bei Balkentragwerken auf
können als schräg liegende, gegeneinander gelehnte Balken verstan-
die Produktionslänge von Flachglas, also auf 6,0 bis maximal 7,5 Me-
den werden und bilden einen vollständigen Raumabschluss. Damit
ter, beschränkt. Übersteigt die Spannweite die Produktionslänge, sind
verbinden Faltwerke konstruktiv die Platten- und die Scheibenwirkung
einteilige Glaskonstruktionen nicht mehr möglich. [6.3/10]
Faltungen aufgelagert und ausgesteift sind
_ Abb. 36–39
der Glastafeln. Aus der Plattenwirkung werden Biegekräfte, aus der Scheibenwirkung Druckkräfte in das Glas eingeleitet. [6.3/8, 6.3/9] Der Winkel zwischen den Elementen sollte maximal 120 Grad betragen, um die Kräfte kontrollieren zu können. Im Feld wirkt die Fläche
Faltwerkstrukturen auf gekrümmten und doppelt gekrümmten Trägerflächen werden durch kurze Elemente gebildet. Bei der Formfindung von Faltwerktonnen ist eine Reihe geometrisch-konstruktiver Rahmenbedingungen zu beachten _ Abb. 40–43.
quer zu den stützenden Kehlen und Graten als schräge Platte, in Rich-
Durch die Belegung von zweiläufigen Gewölbe- und Kuppelnetzen
tung der Falten als schräg liegende Scheibe. Für diesen Tragmecha-
mit ebenen Rechteckscheiben entstehen bei gelenkigen Verbindungen
nismus müssen in den Faltwerkskanten Druck-, Zug- und Schubkräfte
faltwerkähnliche Strukturen ohne Steifigkeit. Dreiläufige Netze können
übertragen werden können. Die Herausforderung bei der Entwicklung
dagegen zu einer zusätzlichen Verfaltung der Trägerfläche in Längs-
von Faltwerken ist es, das Detail dem Ideal einer linienförmigen Ver-
und Querrichtung führen. Durch die versetzte Anordnung von Drei-
bindung zwischen den Scheiben nahezubringen.
ecksscheiben entsteht durch Grate und Kehlen ein Netz steifer Kan-
Das Resttragverhalten von Balkenfaltwerken ist ähnlich kritisch wie das von Balkentragwerken und erfordert die Berücksichtigung von
ten, das im Vergleich zu den Flächen größere Steifigkeit aufweist und primär für den Lastfluss verantwortlich ist
_ Abb. 44
. Besonders bei
157
Simulation Schneelastfall
TRAGSTRUKTUREN AUS GLAS GLASTRAGWERKE
44
45
46
44 – 53 Entwürfe für eine überdachte Ausstellungshalle des Neuen Aachener Kunstvereins (NAK), 2003 44, 46 Regelmäßige zylindrische Faltwerktonne aus einem Dreiecksformat mit einer Spannweite von 12 m. Die kraftschlüssige Verbindung der Faltwerkränder am Auflager führt zu einer teilweisen Einspannung. Entwurf: R. Ada, M. Ayonghi 45, 47 Faltwerktonne mit verschiedenen Dreiecksformaten; die Faltwerkränder werden am Auflager mit v-förmigen Stützen eingefasst. Entwurf: N. Leiendecker, P. Schmitz
6.3
47
Tragwerken, deren Spannweite die Elementlänge deutlich übertrifft,
unbedingt erforderlich. Denkbar sind werkseitig vorgefertigte Tragmo-
muss wie bei Balkenfaltwerken darauf geachtet werden, dass die Win-
dule, die sich aus mehreren verfalteten Scheiben zusammensetzen
kel zwischen den Scheiben nicht zu flach werden. Um eine möglichst
und in einem umlaufenden Stahlrahmen gebettet sind, der einen si-
große Systemsteifigkeit zu erzielen, sollte die Anzahl der notwendigen
cheren Transport und bei der Montage vor Ort die Aufnahme der Bau-
Stöße reduziert werden, um (im Rahmen der Fertigungsbedingungen)
toleranzen erlaubt.
.
Faltwerkkuppeln weisen aufgrund der doppelten Krümmung eine
Lang gezogene gleichschenklige Dreiecksformate sind damit gleich-
höhere Steifigkeit als Faltwerktonnen auf und bieten sich für weit ge-
seitigen Dreiecksformaten vorzuziehen. Da die Lastübertragung zwi-
spannte Kuppeltragwerke an _ Abb. 50–53.
158
möglichst große Scheibenformate verwenden zu können
_ Abb. 47
schen den Scheiben ausschließlich über die Kanten erfolgen kann, ist
Strukturell besitzen Faltwerke große Vorteile gegenüber Balken-
konstruktiv ein Rückschnitt der empfindlichen Dreiecksspitzen sinn-
und Plattentragwerken und stellen ein großes Entwicklungspotenzial
voll. Für den Abschluss der Faltstruktur an der Auflagerkante sind im
im konstruktiven Glasbau dar. Die sinnvollerweise linienförmige Ver-
Normalfall halbierte Scheibenformate notwendig. Bei der Auflagerung
bindung zwischen den Faltflächen erfordert ein hohes und exaktes
der Gesamtstruktur sind möglichst punktförmige Anschlüsse zu ver-
Maß der Vorfertigung, so dass bei größeren Flächen standardisierende
meiden. Eine Einspannung der Faltwerkkanten am Fußpunkt steigert
Faltgeometrien und Anschlussdetails wünschenswert sind.
die Gesamtsteifigkeit des Systems _ Abb. 44. Für eine rationelle Montage der Faltstruktur ist eine Elementierung
TRAGSTRUKTUREN AUS GLAS
52
GLASTRAGWERKE
48
49
50
53
48, 49 Innenansichten einer Faltwerktonne bei Belegung der Faltflächen mit unterschiedlichen optischen Eigenschaften 48 Entwurf: Chr. Mayer, A. von Storp 49 Entwurf: B. Czempiel, D. Erbar 50 – 53 Entwurf einer Faltwerkkuppel mit einer Spannweite von 20 m, Entwurf: H. Kosel, U. Ernst 50 Isometrie der Tragkonstruktion 51 Simulation des Ausstellungspavillons 52, 53 Modellansichten
6.3
51
_ SCHEIBENFACHWERKE
spruchte Ober- und der zugbeanspruchte Untergurt aus Flachglasele-
Als Fachwerke gelten gewöhnlich Tragsysteme aus stabförmigen, im
menten gebildet werden, die über Punkthalter mit Stahlstäben verbun-
Regelfall gelenkig verbundenen Tragelementen. Fachwerke werden als
den werden _ Abb. 57. [6.3/14]
eben bezeichnet, wenn die Querschnitte der Tragelemente in einer
Fachwerkstrukturen bieten für eine konstruktive Verwendung von
Ebene liegen, als räumlich, wenn sie auf mehreren Ebenen liegen. Im
Glas großes Potenzial. Die charakteristische Dreiecksbildung führt da-
Rahmen ihrer Untersuchungen über die Geometrie räumlicher Stab-
zu, dass Biegemomente durch normalkraftbeanspruchte Tragele-
tragwerke haben B. Fuller, Z. S. Makowski und J. Borrego bereits ge-
mente aufgelöst werden, so dass es möglich ist, Glas konsequent als
zeigt, wie Stäbe und Flächen zu Fachwerkstrukturen kombiniert wer-
druckbeanspruchtes Bauteil einzusetzen. Alle Bauteile können gelen-
den können. Im Folgenden wird der Begriff „Fachwerk“ auch für
kig miteinander verbunden werden. Darüber hinaus kommen die Bau-
Strukturen mit flächigen Tragelementen wie Flachglasscheiben ge-
teilabmessungen bei Fachwerkstrukturen den limitierten Fertigungs-
braucht. [6.3/11, 6.3/12]
größen des Flachglases entgegen. Durch kurze Elementlängen kann der vorhandenen Knick- und Beulgefahr der Tragelemente entsprochen werden _ Abb. 55, 56. [6.3/15]
ge erarbeitet, wie Flachglas in Fachwerkstrukturen integriert werden
Die Normalkraftverteilung in einem Fachwerk hängt von unver-
kann. [6.3/13] Der Entwurf für das Atriumdach eines Bankgebäudes in
änderlichen Einflussgrößen wie Trägerform, Auflagerungsbedingun-
Den Haag zeigt einen Fischbauchträger, bei dem der druckbean-
gen und innerer Geometrie der Stabanordnung, aber auch von dem
159
Peter von Seidlein an der Universität Stuttgart und Mick Eekhout an der TU Delft haben bereits 1988 beziehungsweise 1989 Vorschlä-
54
57
GLASTRAGWERKE
TRAGSTRUKTUREN AUS GLAS
M
1
3
2
4
55
58
Druck
59
Zug
A
54
Momentenbeanspruchung im Ersatzsystem Einfeldträger
55
Bezeichnung der Fachwerkelemente 1 Obergurtstab
B
2 Diagonalstab 3 Vertikalstab 4 Untergurtstab C
56
Normalkraftverteilung in verschiedenen Fachwerkstrukturen
57
A Parallelgurtiges Fachwerk: Die Diagonalen sind
Den Haag: Glasscheiben bilden Ober- und Untergurt
bei Volllast abwechselnd druck- und zugbelastet. D
Isometrie des Fachwerksystems für die Amro-Bank in des Systems, Stahlstäbe und Seile die Diagonalen und
B, C Fachwerk mit parabelförmigem Untergurt:
Vertikalen. Arch.: M. Grasveld, Ing.: M. Eekhout
Bei Volllast sind die Diagonalen zug- und die Vertikalen druckbeansprucht, bei asymmetrischer
58
Last kehren sich einzelne Diagonalen um. E
Untergurt aus Glasscheiben, Entwurf U. Knaack
D, E Zweifach statisch unbestimmtes Fachwerk. Durch Vorspannen der Zugdiagonalen kann die Normalkraftverteilung stabilisiert werden.
6.3
Modell eines parallelgurtigen Fachwerks mit Ober- und
59
Integrationsmöglichkeiten flächiger Tragelemente in räumliche Fachwerkstrukturen
56
veränderlichen Lastbild ab. Eingehende statische Vergleichsuntersu-
kräfte. Für Einfeldträger bietet es sich daher an, die raumschließende
chungen sind bei der Formfindung notwendig, damit eine konstante
Verglasung als Druckgurt einzubinden, um so Trag- und Hüllfunktion
Druck- und Zugkraftverteilung für alle Lastfälle und -kombinationen ge-
zu verbinden. Sind im Fachwerk mehr Stäbe vorhanden, als für des-
währleistet ist. Diese Abhängigkeiten sind in ähnlicher Weise an den Fach-
sen Stabilität notwendig ist, entsteht eine innere statische Unbe-
werksystemen des 19. Jahrhunderts und den Kombinationen von druck-
stimmtheit. Diese kann für alternative Lastwege und das Vorspannen
festem Gusseisen mit zugfestem Schmiedeeisen nachzuvollziehen.
des Systems genutzt werden, um die Normalkraftverteilung für wech-
Die Normalkraftbeanspruchung in den Stäben hängt neben der
selnde Lastfälle zu stabilisieren. [6.3/16] Punktförmige Anschlüsse an
Last primär von systemabhängigen Größen wie Spannweite und sta-
die Glasebene können vermieden werden, wenn auch die Diagonalen
tischer Höhe ab. In einem gleichmäßig beanspruchten Einfeldträger
aus flächigen Baustoffen bestehen und damit linear in den Fugen des
wachsen die positiven Momente zur Feldmitte hin an _ Abb. 54. Dem-
Obergurtes angreifen.
160
entsprechend treten dort im Obergurt die größten Druck- und im Untergurt die größten Zugkräfte auf. Die Diagonalen oder Vertikalstäbe
ZELLENTR AGWERKE
nehmen zum Auflager wachsende Querkräfte auf, je nach Form des
_ DAS
Trägers und Stabanordnung sind sie druck- oder zugbeansprucht
Die Addition von mehreren Scheiben zu einem Körper lässt sich als
. Wenn Windsogkräfte nicht das Eigengewicht der Konstruk-
Faltung beschreiben. Durch stoffschlüssiges Fügen von Scheiben, wie
tion überschreiten, herrschen im Obergurt in der Regel ständig Druck-
Kleben oder Löten, kann eine Faltung simuliert werden. Eine Falte be-
_ Abb. 56
GLASPRISMA ALS TRAGMODUL
TRAGSTRUKTUREN AUS GLAS GLASTRAGWERKE
60
61
62
63
65
64
66
60 – 66 Entwurfsprojekte für Zellen-Tragwerke 60, 61 Überspannte Tonnenschale aus Tetraedermodulen Entwurf: Chr. Schlaich, J. Wong 62 Fachwerkartig aufgelöste Rahmenkonstruktion: Glasscheiben bilden die druckbeanspruchten Diagonalen, Stahlbleche die zugbeanspruchten Elemente. Entwurf: N. Bogatzki, R. Herkrath 63, 64 Ellipsenförmige Tonnenkonstruktion als räumliches Fachwerk, Entwurf: N. Reuters, T. Glitsch 65, 66 Dem Momentenverlauf entsprechend über- bzw. unterspannte Tonnenschale, Entwurf: S. Dreyer,
steht aus zwei flächenförmigen, ebenen Bauteilen mit einer gemein-
bar, stellen beide Körper elementare Grundbausteine für Raumfach-
samen Kante. Regelmäßige Vielflächner (Polyeder) entstehen durch
werke dar. Durch lineare oder radiale Anordnung bilden sich Fachwerk-
pyramidisches und prismatisches Falten. Im Gegensatz zu der pyra-
träger oder -bögen. Durch zweiachsige Anordnung auf ebenen Netzen,
midischen Faltung sind die Kanten eines prismatischen Faltwerks par-
Gewölbe- oder Kuppelnetzen entstehen Fachwerkplatten, -tonnen oder
allel zueinander. Die regelmäßigen Polyeder Tetraeder (Vierflächner),
-kuppeln als hochgradig statisch unbestimmte Systeme.
Hexaeder (Würfel), Oktaeder (Achtflächner), Dodekaeder (Zwölffläch-
Am Beispiel der zweiachsig gespannten Platte soll das Geometrie-
ner) und Ikosaeder (Zwanzigflächner) setzen sich aus gleichseitigen
modell näher erläutert werden: Auf der Ebene lückenlos ineinanderge-
Polygonen zusammen. Tetraeder, Oktaeder und Ikosaeder bestehen
schachtelt, bilden die Kanten der Körper, alternierend Tetraeder und
aus gleichseitigen Dreiecken, der Hexaeder aus Quadraten und der
Halboktaeder, die Gitterstruktur des räumlichen Fachwerks. Ober-
Dodekaeder aus regelmäßigen Fünfecken _ Abb. 70.
und Untergurtebene stellen jeweils Quadratnetze dar, die untereinan-
6.3
T. Gilich, L. Heimann
der um eine halbe Rastereinheit in jeder Richtung verschoben sind. FACHWERKE
.
_ Abb. 67
Der Tetraeder und der mit einer quadratischen Scheibe abgeschlos-
Die Umsetzung des Geometriemodells in ein Zellen-Tragwerk er-
sene Halboktaeder sind in sich stabile, unverschiebliche Körper, die
folgt, indem jeweils die Polyeder einer Sorte zu Tragwerksmodulen
sich aufgrund ihrer Regelmäßigkeit als Tragmodule für rationell zu er-
werden, die der anderen Sorte die (leeren) Zwischenräume bilden.
stellende Zellen-Tragwerke eignen. Miteinander addier- und kombinier-
Das Tetra-Grid besteht aus körperlichen Tetraedern, das Okta-Grid
161
_ RÄUMLICHE
Tetraeder Hexaeder
67
6x
Oktaeder
GLASTRAGWERKE
TRAGSTRUKTUREN AUS GLAS
4x
Dodekaeder
68
8x
Ikosaeder
12 x
69
20 x
70
67
Tetraeder und Halboktaeder lassen sich zu einer dichten, ebenen Raumpackung schachteln.
69
Modell eines Okta-Grid, eines ZellenTragwerks aus Halboktaedern
68
Geometrische Beziehung zwischen Hexaeder und Oktaeder
Übersicht der fünf platonischen Körper
6.3
70
aus Halboktaedern. In beiden Fällen muss die Struktur zumindest in
Knoten-Stabtragwerke durchsetzen konnten. Obwohl Borrego schreibt,
der zugbeanspruchten Untergurtebene durch ein Stabwerk ergänzt
dass Zellen-Tragwerke den Einsatz von Materialien erlauben, die auf-
werden, die Obergurtebene wird zum Beispiel durch Scheibende-
grund „ihrer Sprödigkeit bei konventionellen Tragwerken“ ungeeignet
ckung druckfest ausgebildet. Die übrigen Kanten der Körper bilden
sind, ist die Verwendung von Glas für räumliche Zellen-Tragwerke bis-
die räumlichen druck- und zugbeanspruchten Diagonalen, die beide
her nicht eingehend untersucht worden. U. Knaack stellt zwar in sei-
Ebenen miteinander verbinden.
ner Doktorarbeit und der gleichnamigen Buchveröffentlichung Kons-
Der tragende Einsatz von Glas kann auf die druckbeanspruchten
truktiver Glasbau Überlegungen zu einem Okta-Grid-Zellen-Tragwerk
Diagonalen ausgeweitet werden, das Beulen einzelner Tetraeder- oder
an, ohne allerdings dabei eine eindeutige Differenzierung von druck-
Halboktaederscheiben wird durch die aussteifende Wirkung der be-
beanspruchten Bauteilen aus Glas und zugbeanspruchten Bauteilen
nachbarten Flächenelemente verhindert. In den Scheiben kann sich
aus Stahl vorzunehmen. [6.3/17, 6.3/18]
ein Membranspannungszustand ergeben, der durch bemerkenswert
162
gleichförmigen und niedrigen Spannungsverlauf charakterisiert ist.
Der wesentliche Grund, weshalb Zellen-Tragwerke aus Glas bisher nicht in Erwägung gezogen wurden, liegt wohl darin, dass die Kleb-
Aufbauend auf Überlegungen von Makowski und Fuller wurden in
technologie, wesentliche Voraussetzung für die Produktion von pris-
den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts experimentelle Zellen-
matischen oder pyramidischen Tragmodulen, noch nicht ausreichend
Tragwerke aus plattenförmigen Baustoffen wie Blech und Sperrholz
erforscht worden ist.
ausgeführt, die sich aber aus wirtschaftlichen Gründen nicht gegen
– – – – –
7
165
PROJEKTE
HINTERGRUND AKTUELLER ENTWICKLUNGEN PROJEKTE
1
3
5
2
4
6
1–6 1, 2
Projektgruppen aus Studierenden Team Glass-Screen
3
Team Tetra-Glasbogen
4
Team Tetra-Tragrost Team Gläserner Himmel
6
Team Glaskuppel
7.1
5
_
in Kapitel 6 vorgestellten Tragwerktypologie „Tragstrukturformen von
_
Flachglas“. Zuerst werden die ebenen, dann die gekrümmten und
_
schließlich die doppelt gekrümmten Systeme vorgestellt. Innerhalb dieser Gruppen erfolgt die Gliederung nach der inneren Geometrie der
_ _
7.1
HINTERGRUND AKTUELLER ENT WICKLUNGEN
Tragstruktur, die in der Art und Geometrie der Tragelemente (Platten, Scheiben oder Körper) und in der Geometrie der Verbindungen (Kno-
166
ten oder Kanten) zum Ausdruck kommt. In den vorangegangenen Kapiteln sind neben den geometrischen, ty-
Der Projektteil schließt eine Reihe wegweisender Projekte der letz-
pologischen und strukturellen Merkmalen von Glasdächern die mate-
ten Jahre ein. Für die Unterstützung der Projektdokumentationen durch
rialspezifischen Grundlagen für den Entwurf von Glastragwerken dar-
Bild- und Textinformationen danke ich den beteiligten Architekten, In-
gestellt worden.
genieuren und Bauausführenden. Insbesondere danke ich meinen Kol-
Die folgenden Projektbeispiele dienen dazu, die Wechselbezie-
legen Graham Dodd und Chris Jofeh bei Arup, die maßgeblich an den
hungen von konstruktiven, funktionalen und gestalterischen Aspekten
Textbeiträgen zu Glasgow Medical School und Great Western Dock
anhand konkreter Planungsaufgaben zu vertiefen und sich so einer
Bristol mitgearbeitet haben, Martin Stumpf von Weischede, Herrmann
spezifischen Formensprache von Glastragwerken anzunähern.
und Partner GmbH, Susan Martinez und Tim Macfarlane von Dewhurst
Die Reihenfolge der Projektdokumentationen richtet sich nach der
Macfarlane and Partners, Oliver Wolff von der Firma Hilti, Herr Maier
11
8
10
12
HINTERGRUND AKTUELLER ENTWICKLUNGEN
9
PROJEKTE
7
7 – 10
Verschiedene Modellstadien des „Tetra-
9
Vorentwurf Maßstab 1:50, R. Herkrath, N. Bogatzki
8
Vorentwurf Maßstab 1:50, N. Reuters, T. Glitsch
10
11, 12
Skalierungsverhalten von Modellen und
Konstruktionsmodell Maßstab 1:10, N. Bogatzki,
maßstäblichen Prototypen: Beanspruchungen und
R. Herkrath, N. Reuters, D. Stuttmann
Bauteilquerschnitte verhalten sich nicht linear.
7.1
7
Strukturmodell Maßstab 1:25,N. Bogatzki, R. Herkrath, N. Reuters, D. Stuttmann
Glasbogens“ während des Planungsprozesses:
von Maier Glas, Ernst Homeier von Glas Oswald, Markus Dierig von
rung sich nicht linear mit dem Modellmaßstab verändern, sondern in
Verroplan, Thomas Schadow von der TU Dresden, Lucio Blandini vom
der zweiten (Flächen und Bauteilquerschnitte) beziehungsweise drit-
ILEK in Stuttgart und Ulrich Knaack von der TU Delft.
ten Potenz (Volumen und Bauteileigengewichte), sind quantitative
Der Schwerpunkt der vorgestellten Projekte liegt auf Prototypen,
Aussagen über das Tragverhalten hier nur bedingt möglich. Verfor-
die am Lehrstuhl für Tragkonstruktionen an der RWTH Aachen mit
mungen und Spannungen verhalten sich nicht konstant zu Spannwei-
Studenten und der Unterstützung der Industrie in den Jahren von
te und Bauteilquerschnitt. Bei der Skalierung einer einfachen Balken-
2000 bis 2003 geplant und ausgeführt worden sind.
konstruktion kann bereits das Eigengewicht, das überproportional zu der statischen Höhe anwächst, zum Versagen des Bauteilquerschnittes führen. [7.1/1]
Sonnen- und Blendschutz oder Raumakustik ermöglichen. Die Pro-
Die Bedeutung dieser Projekte liegt daher klar in ihrer konzeptio-
jekte loten hierbei die Bandbreite von Strukturformen gläserner
nellen Qualität, weil sie für Aussagen über zukünftige Entwicklungen
Spannweiten für Glashof, Glasband und Glasmitte aus.
im konstruktiven Glasbau ebenso wichtig sind wie die Analyse aktueller
Neben Prototypen im Maßstab 1:1 werden auch Projekte doku-
Bauten für Aussagen über den derzeitigen Stand der Technik. Denn
mentiert, deren Entwicklung noch nicht vollständig abgeschlossen ist
gerade der Vergleich des heute Machbaren mit diesen Entwicklungs-
und die hier deshalb im Maßstab 1:2 bis 1:5 dargestellt werden. Da
ansätzen eröffnet dem Planer einen großen Spielraum für Innovation.
maßgebliche mechanische Größen bei einer maßstäblichen Verkleine-
167
Dabei sollten materialgerechte Verwendungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, die die Integration funktionstechnischer Aspekte wie
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE
1
4
2
3
2, 3
5
Die Reibschlussverbindungen nehmen die Biegedruckbzw. Biegezugkräfte am oberen bzw. unteren
An der weitesten Stelle des dreiecksförmigen
Rand des Glasbalkens auf. Spezielle tassenförmige
Atriums beträgt die Spannweite beinahe 16 m. Hier
Unterlegscheiben wurden für die gleichmäßige
besteht der Träger aus 2 x 19 mm ESG aus vier
Kraftübertragung zwischen den 12 mm starken
ca. 3,90 m langen Teilstücken, die durch spezielle
Edelstahllaschen entwickelt, die zudem die Enden
Reibschlussverbindungen miteinander verbunden sind.
des Stabbolzens und die Bolzenmuttern verdecken.
5 Während der Montage des Glasdaches
7.2
1, 4
_
Die Träger sind senkrecht zur Langseite des Dreiecks orientiert und am
_
Rand durch Gabellager gestützt. Die Träger aus 2 x 19 Millimeter
_
ESG-H spannen an der weitesten Stelle über 15,50 Meter, die Trägerhöhe folgt dem Kräfteverlauf und beträgt maximal 1,30 Meter _ Abb. 1.
_ _
Die besondere Herausforderung des Projektes lag in der großen
7.2
DER GL ASHOF – EBENE TRAGSYSTEME
Spannweite in Verbindung mit Dachlasten aufgrund von Schneeverwehungen von bis zu 3 kN/m2. Da diese Spannweite die Fertigungs-
GL ASDACH WOLFSON MEDICAL BUILDING,
längen vorgespannter and laminierter Gläser bei weitem übersteigt,
UNIVERSIT Y OF GL ASGOW, GL ASGOW, 2002
war eine Segmentierung der Glasträger notwendig. So besteht der
_ ARCHITEKTEN:
längste Träger aus vier 3,90 Meter langen Teilstücken. Zwischen den
_ INGENIEURE:
REIACH UND HALL ARCHITEKTEN, EDINBURGH
ARUP, LONDON
_ AUSFÜHRUNG :
MAGHANSEN LTD, LEEDS
beiden mittleren Balkenelementen tritt ein maximales Biegemoment von 100 kNm auf, das von Verbindungselementen übertragen werden
168
muss. Reibschlussverbindungen können im Vergleich zu LochleiDie Tragkonstruktion des Glasdachs für das zentrale dreiecksförmige
bungsverbindungen zwar größere Kräfte aufnehmen, eignen sich aber
Atrium besteht aus Glasträgern im Achsabstand von 1,50 Meter, zwi-
nur dann für die bei Überkopfverglasungen aus Sicherheitsgründen
schen denen die Isolierglasscheiben der Dacheindeckung spannen.
vorgeschriebenen Gläser, wenn im Bereich der Krafteinleitung die
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE 6
6 Interessante optische Effekte entstehen bei Sonnenschein durch Schattenwurf auf die weißen Wände des Atriums. Die hellen Streifen sind Lichtbündelungen, die auf den roller-waves der vorgespannten Scheiben
zähelastische Zwischenschicht aus Gießharz durch Bleche aus wei-
förmige Anordnung der Bolzen ermöglicht eine effektive Kraftübertra-
chen Aluminiumlegierungen ersetzt wird. Eine Idee, die bereits Anfang
gung, FEM-Untersuchungen belegen, dass es dabei nicht zu kri-
der Neunzigerjahre diskutiert wurde, aber erst 1998 von dem Büro
tischen Spannungskonzentration im Glas kommt. Die Größe der zu
Dewhurst Macfarlane bei dem Projekt für einen gläsernen Lesesaal in
übertragenden Kräfte (und damit die Höhe der Träger an jeder Verbin-
Riyadh (vgl. S. 153) umgesetzt wurde. Die Fertigung der Verbindung
dungsstelle) orientiert sich an den experimentell ermittelten Reibungs-
erfordert umfangreiche Vorversuche, um das Aluminiumblech exakt
koeffizienten der Zwischenschicht.
der Dicke der Gießharzschicht anzupassen. Die Biegezug- und Biege-
Bei Resttragfähigkeitsversuchen wurde nachgewiesen, dass jede
druckkräfte werden an jedem Stoß durch eine zweischnittige Stahlla-
der vorgespannten 19 Millimeter starken Einzelscheiben des Ver-
schenverbindung abgetragen, die sich für einen möglichst großen in-
bundes die volle Dachlast tragen kann, wenn die Träger gegen seit-
ternen Hebelarm nah am Balkenrand befinden. Der Anpressdruck,
liches Ausknicken durch die Dachebene stabilisiert werden. Mit der
der eine Verdrehung der 12 Millimeter starken Edelstahllaschen ver-
Verklebung der Dacheindeckungsscheiben mit dem Stahlprofil an der
hindert, wird über jeweils 6 vorgespannte M20-Bolzen aufgebaut und
Oberkante der Träger wurde ein weiterer Kraftweg entwickelt, der bei
über spezielle Unterlegschichten und Reibschichten mit vulkanisier-
Bruch den gebrochenen Träger quer zu seiner Spannrichtung durch
ten Trockendichtungungen in das Glas eingeleitet
eine Hängelinie der Eindeckungsscheiben abstützt.
_ Abb. 3
. Für eine
gleichmäßige Kraftübertragung ist eine plane Oberflächenbeschaffenheit von allen Kontaktflächen unbedingte Voraussetzung. Die reihen-
Ein unerwarteter gestalterischer Effekt entsteht durch die Linseneffekte der vorgespannten Scheiben _ Abb. 6. [7.2/1]
169
7.2
und den Linseneffekten im Verbundglas beruhen.
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE
8
7, 8 Die SS Great Britain in dem zum Besucherzentrum umgebauten Trockendock in Bristol, in dem das Schiff von 1837 bis 1842 gebaut worden war. Zwischen dem Stahlrumpf und den umschließenden Wänden des Docks schließt die Wasserplatte von ca. 1000 m2 an, auf der das Schiff zu schwimmen scheint. Unter der 5 cm hohen Wasserschicht und dem stützenden Glasdach befinden sich weite Teile des Besucherzentrums. Die Umgestaltung konnte 2006
7.2
den Gulbenkian Preis für Museumsbauten gewinnen. 7
GL ASDACH DES GRE AT WESTERN D O CK BRISTOL , 2005
Platte mit Wasser geflutet werden und so die Gestalt des Dampfers
_ ARCHITEKTEN:
widerspiegeln, so wie er seinerzeit im Dock ausgesehen haben musste.
_ INGENIEURE:
ALEX FRENCH ARCHITECTS, BRISTOL
ARUP, LONDON
_ AUSFÜHRUNG :
SPACE DECKS LTD., CHARD
Die Konstruktion der „Wasserplatte“ sollte so transparent wie nur möglich sein, um so einen möglichst authentischen Eindruck eines
170
komplett mit Wasser gefüllten Docks zu geben. Man sah daher ein Die „Great Western“, der historische Passagierdampfer von Brunel,
System aus Glasbalken vor, die die großformatigen Glasplatten stützen
hatte einen Rumpf aus Eisen, die Takelung von fünf Masten wurde
sollten. Die Fläche der Wasserplatte beträgt etwa 1000 Quadratmeter:
von einem dampfgetriebenen Propeller unterstützt. Das Schiff wurde
Im normalen Betrieb wird die Platte vom Bug bis zum Heck mit einer
in einem speziell errichteten Trockendock in Bristol von 1837– 43 ge-
5 Zentimeter hohen Wasserschicht geflutet, so dass ihr Gesamtge-
baut; hierher kehrte der rostige Rumpf auch 1970 zurück. Der SS
wicht etwa 50 Tonnen beträgt. Eine der vordringlichsten Aufgaben war
Great Britain Trust beauftragte Alec French Architects und Arup mit
es daher, die Stabilität und Robustheit des Glases und seines Trag-
dem Entwurf einer Einhausung für den unteren Teil des Rumpfes, um
werks sicherzustellen und so eine Überflutung der Besucherflächen
so die ursprüngliche Struktur aus Schmiedeeisen zu schützen. Das
im Innern des Trockendocks zu verhindern, sollte das Glas durch au-
Konzept dieser Umhüllung sah eine Glasplatte auf der ursprünglichen
ßerplanmäßige Einwirkungen, wie zum Beispiel durch Vandalismus,
Höhe des Wasserspiegels vor, um den Rumpf fest in den Rändern des
beschädigt werden. Die untersuchten Schadenszenarien schlossen
Trockendocks zu verankern. Oberhalb des Wasserspiegels sollte die
den Fall ein, dass ein Arbeiter bei Instandhaltungsarbeiten einen
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE 9
12
9 – 11 Die tragende Konstruktion besteht aus im Querschnitt trapezförmigen Stahlträgern, die, zusätzlich gestützt von gelenkig angeschlossenen Stahlrohrstützen, zwischen dem Schiffsrumpf und den Wänden des ursprünglichen Trockendocks spannen, und aus Glasträgern parallel zur Schiffsachse. Das Dach wird von 4,35 m x 1,50 m großen Verbundglasscheiben aus 2 x 10 mm TVG gebildet. 12 Die Glasbalken aus 3 x 10 mm TVG sind über schuhförmig ausgebildete Gabelauflager an die Hauptträger aus Stahl angeschlossen.
7.2
11
schweren Hammer von der Takelage 15 Meter oberhalb der Wasserli-
und durch Druckspreizen getragen werden, die sich wiederum auf
nie fallen lässt, oder eine Person vom Promenadendeck auf die Platte
Polstern am Boden des Docks abstützen. Die Schubsteifigkeit der
stürzt. In jedem Fall war es notwendig, dass die Glasfläche betretbar
1,5 m x 4,35 m großen Verbundglasplatten stabilisiert die Stahlbalken
ist, um sie in regelmäßigen Abständen von Verschmutzungen durch
und die stützende Unterkonstruktion. Die Enden der Stahlträger sind
das gefilterte Dockwasser zu reinigen.
entlang des Rumpfes durch eine Reihe von Querträgern verbunden,
Platten und Träger wurden aus teilvorgespanntem Glas (TVG) und nicht aus voll vorgespanntem Einscheibensicherheitsglas (ESG) aus-
die der Form des Schiffsbauches folgen und die flexible Abdichtungsbahn einschließen, die die Glasebene mit dem Rumpf verbindet.
geführt, um größtmögliche Sicherheit zu gewähren und Spontanbrü-
Die Glasplatten wurden mit Struktursilikon auf die oberen Ränder
che aufgrund von Nickelsulfat-Einschlüssen zu verhindern. Zudem
der Stahlträger geklebt, das Silikon wurde zwischen den im Werk mit
wurden alle Glasbauteile laminiert, um Redundanz und Resttragfähig-
Glas und Träger verbundenen Edelstahlstreifen eingebracht. Struktur-
keit zu gewährleisten. Die Glasscheiben, die die stehende Wasserflä-
silikon wurde auch dazu benutzt, um die langen Kanten der Platten
che stützen, bestehen aus Verbundsicherheitsglas aus 2 x 10 Millime-
mit Edelstahlprofilen zu verkleben, die bereits im Werk mit dem obe-
ter TVG, die Glasbalken aus 3 x 10 Millimeter TVG. Die Glasbalken
ren Enden der Glasbalken verbunden worden waren. Die Verklebung
verlaufen der Länge nach von Heck nach Bug parallel zur Schiffsach-
ermöglicht außerdem eine Verankerung der Platten, die im Unglücks-
se. Ihre Enden werden auf geschweißte trapezförmige Stahlträger auf-
fall bei der Zerstörung aller Einzelscheiben des Verbundglases den
gesetzt, die gelenkig an Konsolen entlang der Dockwand anschließen
Lastabtrag der sich einstellenden Membrankräfte sicherstellt. [7.2/2]
171
10
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE
13
14
13 Aus Glas- und Acrylglasschwertern
15
17
zusammengesetzte Kragträger spannen über 10,60 m, Glasdach an der U-Bahn-Haltestelle des Tokio International Forum, 1996, Arch.: Rafael
tB Ansich -0 3 Plan A
Vinoly, Ing.: Dewhurst Macfarlane and Partners +16.12
14 – 16 Glasdach über dem Innenhof der IHK in München: +15.73
Jede Trägerachse spannt über ca. 14 m und setzt sich aus 13 miteinander verzahnten 4,50 m langen Glasschwertern zusammen.
+15.35 +15.15
+15.35
+14.95
GL4/GL1/GL4
+14.96
tA Ansich -0 3 Plan A
+13.805
+14.19
+13.37
+13.15
17 Montage der 2,70 m x 2,30 m
GL2/GL2
+14.58
220
GL4/GL1/GL4
GL2/GL2
GL5/GL3/GL5
großen Isolierglasscheiben
7.2
16
GL ASDACH INTERNATIONALE HANDELSK AMMER (IHK)
tern zusammensetzen und 3,5 Tonnen wiegen, bilden das Haupttrag-
MÜNCHEN, 2003
werk des um 10 Grad geneigten Pultdaches. Der Achsabstand der
_ ARCHITEKTEN: _ INGENIEURE:
BETSCH ARCHITEKTEN, MÜNCHEN
LUDWIG UND WEILER GMBH, AUGSBURG
_ AUSFÜHRUNG :
ANDREAS OSWALD GMBH, MÜNCHEN
Hauptträger beträgt 2,70 Meter, zwischen den Trägerachsen verlaufen im Abstand von ca. 2,20 Meter die ebenfalls gläsernen Nebenträger _ Abb. 14 – 16
.
172
Die einzelnen Glaslamellen, die je 4,50 Meter lang sind, greifen Die aus dem Holzbau stammende Bauweise des Lamellenträgers, bei
um eine halbe Lamellenlänge versetzt ineinander und bilden so in der
dem kleinteilige Bauteilquerschnitte durch Überlappungen und Verna-
Feldmitte einen fünfteiligen und am Auflager einen dreiteiligen Quer-
gelungen zu einem größeren biegesteifen Balken zusammengesetzt
schnitt. Die äußeren Glasschwerter bestehen aus 2 x 12 mm vorge-
werden, wurde von dem Büro Dewhurst Macfarlane and Partners
spanntem Glas, die inneren aus einem Dreifachverbund mit einer mit-
1996 mit der gläsernen Überdachung einer U-Bahn-Haltestelle in To-
tigen Scheibe aus ESG von 19 Millimetern und zwei seitlichen Schei-
kio erstmals auf den Glasbau übertragen _ Abb. 13.
ben von 10 Millimetern.
Das Projekt für die Überdachung des Innenhofs der Internationa-
Das zur Mitte anwachsende Biegemoment schlägt sich in der zu-
len Handelskammer (IHK) in München entwickelt das Prinzip für ei-
nehmenden statischen Höhe der Segmente nieder. Die kontinuierliche
nen mehrteiligen Einfeldträger mit einer Spannweite von 14 Metern
Biegesteifigkeit wird durch passgenaue Lochleibungsverbindungen an
weiter. Fünf Hauptträger, die sich jeweils aus 13 einzelnen Glasschwer-
den End- und Mittelpunkten der Lamellen gewährleistet. Die Kontakt-
System 2700
15
15
Glas 2670
15
30
Stabalux Mutter Art.Nr. Z 0043 mit Z 0046 Stabalux Deckleiste Art.Nr. DL6067 Stabalux Außendichtung Art.Nr. GD6024 Gewindestift Art.Nr. Z 0035 30lg., Gewindehülse mit Z 0046 Aufschweißbolzen M6x36 Stabalux Dichtung Art.Nr. GD6946
15
Fl60x20, S355 JO
Fl60x20, S355 JO Zylinderschraube M10x16-4.6, DIN 7984 Zylinderschraube M12x30, 70/A4 DIN 6912 Edelstahlflach 10x60, S235 1.4571
58 10 5
38
20
Senkschraube M10x20, 70/A4 DIN 7991
Senkschraube M10x20, 70/A4 DIN 7991
8
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME
7
System 2700
Glas 2670
Zylinderschraube M12x35, 70/A4 DIN 6912
PROJEKTE
Zylinderschraube M12x35, 70/A4 DIN 6912 30, S460 1.4462 Edelstahlbolzen \U+2205 Paßgenauigkeit 0.1mm
PVDF Schutzring
Glas 2382
159
25.52
18
42.04
Glas 2382
159
28
42.04
28
42.04
18
25.52
269
52
70
70
52
18
18
Typische Querschnitte durch Neben- und Hauptträger
19
Detail der Verzahnung
20
Detail des Anschlusspunktes von
19
20
7.2
Haupt- und Nebenträger
verbindung zwischen Bolzen und Lochleibung wird über den Injektionsmörtel Hilti Hit HY-50 sichergestellt, für den Ein- und Austrittsöffnungen in den Beschlägen vorgesehen wurden. Die Hauptträger werden durch die Zangenkonstruktion der Nebenträger aus je 2 x 10 mm TVG, die an den Stabenden mit einem Bolzenpaar M10 angeschlossen werden, stabilisiert. Die Gläser der Dacheindeckung werden an ihren Rändern durch ein Stahlprofil vierseitig gefasst, das sich über Glasreiter auf Hauptund Nebentragwerk abstützt. Die Dachkonstruktion erfordert ein extrem hohes Maß an Präzision bei der Fertigung der Träger, der Bolzenverbindungen (Passgenauigkeit 0,1 mm) und bei der Montage. Der nahezu quadratische Grundriss hätte auch die Möglichkeit für Lamellenträgers jedoch nicht hätte realisiert werden können. [7.2/3, 7.2/4]
173
ein zweiachsig gespanntes Tragwerk geboten, das mit dem Prinzip des
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE
21
23
21
Auflagerdetail des tragenden Glasbalkens aus VierfachVSG und Verbindungselementen zur Befestigung der Seitenscheiben und des Glasbodens. Die vertikalen Lasten aus Eigengewicht und Verkehrslast werden über eine kraftschlüssige Verklotzung der Unterkante des Glasbalkens sichergestellt.
22
Untersicht der Brückenkonstruktion: Tragende Stahlquerschnitte und Verbindungselemente sind nur entlang der Spannrichtung des Balkens angeordnet. An den Anschlussstellen zu den massiven Gebäudewänden springen Seiten- und Dachscheiben zurück; die offenen Fugen erfordern eine regelmäßige und intensive Reinigung.
23
Alle Gläser sind aus Weißglas ausgeführt, die Deckscheibe des Glasbodens ist vollflächig mit
7.2
einem rutschhemmenden Siebdruck versehen. 22
GL ASBRÜCKE, SCHWÄBISCH HALL , 2005
stellt. Entlang der Unterkante der Träger werden über Bolzen- und
_ ARCHITEKTEN:
Klebeverbindungen zur Innenseite des Steges Stahlprofilwinkel ange-
_ INGENIEURE:
_ AUSFÜHRUNG : _ GLAS
KRAFT + KRAFT ARCHITEKTEN, SCHWÄBISCH HALL
LUDWIG UND WEILER GMBH, AUGSBURG ANDREAS OSWALD GMBH, MÜNCHEN;
TRÖSCH HOLDING AG, BÜTZBERG
schlossen, die als kontinuierliches Auflager der Bodenscheiben aus 4 x 12 mm TVG dienen. Zur Verbesserung der Resttragfähigkeit sind die zweiseitig gelagerten Scheiben mit dem Flansch des Stahlprofils
174
über Bolzen an den Eck- und Mittelpunkten verbunden. Die oberste Die Glasbrücke gewährleistet eine witterungsgeschützte Verbindung
Scheibe ist mit einem rutschhemmenden Siebdruck versehen. An den
der zwei Gebäude der Sparkasse am Hafenmarkt; sie überspannt die
äußeren Seiten werden die Seitenscheiben der Einhausung aus
darunter liegenden Treppen, die hinauf zur Stadtkirche St. Ulrich füh-
2 x 10 mm TVG über Edelstahlzylinder und Klemmplatten verbunden.
ren. Die beiden seitlichen Glasträger aus Vierfach-VSG (2 x 12 mm
Die seitlichen Scheiben sind zusätzlich auf der Höhe des Geländer-
ESG innen, je eine 12 mm starke TVG außen) spannen über die ge-
holms gehalten, der entlang der oberen Kante des Trägers „aufge-
samte Länge von 6,20 Meter und dienen zugleich auch als absturzsi-
steckt“ ist. Die Dachscheiben liegen auf den Seitenscheiben auf und
chernde Brüstung. An den seitlichen Rändern sind die Kanten der
sind mit diesen verklebt. [7.2/5]
Träger über die volle Höhe von 1,10 Meter in einen U-förmigen Stahl-
Die gestalterische und konstruktive Reduktion wird durch die un-
träger eingespannt, der neben der Stabilisierung des Balkens gegen
terhalb der Dachebene geführten Stahlseile zur mechanischen Siche-
seitliches Kippen einen Kantenschutz der tragenden Scheiben sicher-
rung beschädigter Dachscheiben gestört.
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE 26
24
24
Grundriss der alten Mensa nach dem Umbau: Oberhalb des Studentenhauses an der Mommsenstraße liegt der zur zentralen Essensausgabe umgebaute ehemalige Innenhof, zu dem sich die vier Speisesäle orientieren.
25
Konzeption der Innenhofüberdachung: Um den eingestellten massiven „Tisch“ legt sich ringförmig das Glasdach. Die Dachkonstruktion baut sich aus leiterförmigen Tragmodulen auf, die sich aus Haupt- und Nebenträgern zusammensetzen.
26
Anschluss des Glasdaches an der Längsseite des eingestellten „Tisches“.
7.2
25
GL ASDACH, MENSA TU DRESDEN, 2006
lich des Hauptcampus gelegenen Gebäudekomplexes wurde der In-
_ ENTWURF
nenhof mit einem Glasdach versehen und zur zentralen Essensausga-
UND PLANUNG : MAEDEBACH, REDELEIT & PARTNER
ARCHITEKTEN BDA, BERLIN / DRESDEN LEONHARDT, ANDRÄ UND PARTNER,
BERATENDE INGENIEURE VBI, GMBH, DRESDEN _ BERATUNG
UND DURCHFÜHRUNG DER TRAG- UND REST TRAG-
_ TRAGSYSTEM
Die notwendigen Koch-, Grill- und Frittierstellen werden von einem
FÄHIGKEITSVERSUCHE: PROF. BERNHARD WELLER,
massiven „Tisch“ in Mitte des etwa 24 m x 30 m großen Innenhofes
THOMAS SCHADOW, INSTITUT FÜR BAUKONSTRUKTION, TU
aufgenommen. Das neue Glasdach spannt in der Form eines flach
DRESDEN
gewölbten Kissens ringförmig zwischen den Begrenzungen dieses Ti-
_ AUSFÜHRUNG :
HUNSRÜCKER GLASVEREDELUNG
WAGENER GMBH & CO KG, KIRCHBERG
sches und den ehemaligen Außenwänden des Hofes _ Abb. 25. Im Kontext der alten Mensa war für die Form- und Strukturfindung
Das vom Dresdner Stadtbaurat Paul Wolf entworfene und 1925 einge-
des Glasdaches vor allem der architektonische Wunsch ausschlagge-
weihte Studentenhaus an der Mommsenstraße ist das Herzstück der
bend, eine neutrale, ungerichtete und „in sich ruhende“ Tragkonstruk-
alten Mensa an der TU Dresden, die heute nach mehreren Anbauten
tion zu entwickeln, die sich von dem heterogenen Bestand absetzt.
und Erweiterungen zwischen 1930 und 1960 auch Teile des Rektorats
Die Tragstruktur wird von gläsernen Haupt- und Nebenträgern ge-
der Hochschule umfasst. Im Rahmen der Komplettsanierung des süd-
bildet, die gleich große quadratische Deckenfelder für eine vierseitige
175
_ TRAGWERKSPLANUNG :
be für die vier angrenzenden Speisesäle ausgebaut _ Abb. 24.
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE
27
29
27
Detailansicht des kreuzförmigen Knotenanschlusses: Haupt- und Nebenspannrichtung sind in der Untersicht nicht zu erkennen.
28
Im Kontext erschließt sich die Tragwerkhierarchie: Die Hauptträger spannen zwischen ehemaliger Hoffassade und Umgrenzungen des eingestellten „Tisches“; die Nebenträger spannen zwischen den Hauptträgerachsen lediglich über 1,45 m.
29
Entwurfszeichnung des Knotenanschlusses:
7.2
Vertikalschnitt durch den Hauptträger 28
Lagerung der 1,45 m x 1,45 m großen Isolierglasscheiben der Wetter-
Die hier notwendige Trägerhöhe von 35 Zentimetern und der Träger-
haut bilden.
aufbau wurden auf Grund des angestrebten einheitlichen Erschei-
Optisch handelt es sich bei der Tragkonstruktion um einen Träger-
nungsbildes auf die gesamte Tragkonstruktion übertragen. Für den
rost. Der kreuzförmige Anschlussknoten und die gleiche Trägerhöhe
Nachweis der Trag- und Resttragfähigeit des Eckbereichs waren ent-
suggerieren einen Trägerstoß in beiden Spannrichtungen _ Abb. 27, 28.
sprechende Versuche notwendig.
176
Konstruktiv handelt es sich jedoch um eine hierarchische Tragkonstruktion aus durchlaufenden Haupt- und dazwischen liegenden Ne-
_ KONSTRUKTION
benträgern. Die Hauptträger spannen zwischen Tisch- und Hofum-
In der Regel ist jeder zweite Hauptträger mit den drei anschließenden
grenzung über maximal 5,75 Meter. Im Achsabstand von 1,45 Meter
Nebenträgern durch ein Paar von Lochleibungsverbindungen (Schrau-
sind die Anschlussknoten für die Nebenträger aufgesteckt.
ben M12) schubfest verbunden, so dass ein leiterähnliches Tragmodul
UND DETAILS
In den Ecken des Glashofes _ Abb. 38 ist eine Auswechselung der
entsteht. Der Verbindungsknoten besteht aus Stahlflachblechen;
Balkenkonstruktion notwendig, so dass die Hauptträger in diesem Be-
EPDM-Dichtungsstreifen verhindern den Kontakt zwischen Stahl- und
reich höher als alle anderen Träger beansprucht werden. Die eine Sei-
Glasoberflächen _ Abb. 29.
te des Hauptträgers wird hier von den drei Nebenträgern, die andere
Haupt- und Nebenträger bestehen aus vier 12 Millimeter starken,
Seite von zwei Nebenträgern und einem weiteren orthogonalen Haupt-
heiß gelagerten Einscheiben-Sicherheitsglas-Scheiben (ESG-H) mit
träger belastet, der einen Großteil der Dachlast im Eckbereich trägt.
1,5 Millimeter starken PVB-Zwischenschichten. Hierbei dienen die äu-
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE
32
30
33
34
30 – 34 Montage der Dachkonstruktion 30 Montage der Nebenträger 31 Vorbereitung zur Montage der Dachscheiben: Einlegen der Dichtungsbänder und Versiegelung der Anschlussfugen 32 – 34 Montage der Hauptträger
7.2
31
ßeren Scheiben als Schutz- und Opferscheiben für das tragende Last-
Die untere Scheibe der Isolierverglasung besteht aus 2 x 12 mm TVG.
paket der Innenscheiben.
Der Scheibenzwischenraum von 16 Millimetern ist für einen besseren
Aufgrund des Vierfachverbundes weisen die Hauptträger bezogen auf
Wärmeschutz mit Argon gefüllt. Da das Glasdach für Wartung und
die Spannweite insgesamt „nur“ eine Schlankheit von ca. 1:7 auf. Der
Reinigung betretbar sein muss, ist auch die obere Scheibe als Ver-
schub- und biegesteife Trägeranschluss stabilisiert den Hauptträger
bundsicherheitsglas ausgeführt.
zusätzlich und schließt ein Kippversagen aus. An den Auflagerrändern werden die Enden der Hauptträger durch Balkenschuhe gehalten.
_ TRAG-
_ Abb. 35, 36.
Die Standsicherheit der Dachkonstruktion wurde für die in Deutsch-
Die Aluminiumprofile, die mit der Oberkante der Träger verklebt
land notwendige „Zustimmung im Einzelfall“ durch Prüfungen an Ori-
sind, gewährleisten neben der linearen Auflagerung der Isoliervergla-
ginalbauteilen nachgewiesen. Es wurden je drei Prüfungen der Tragfä-
sungen für Schnee- und Eigengewicht auch die zweite Dichtungsebe-
higkeit und der Resttragfähigkeit des am höchsten belasteten Glasträ-
ne und die Fugendrainage. Zur Aufnahme der Windsoglasten sind
gers im Eckbereich des Daches durchgeführt. Die Anzahl der Prü-
entlang der Hauptträger in Fallrichtung Pressleisten aufgebracht. Die
fungen sowie der Prüfablauf wurden von der Landesstelle für Bau-
Mindestneigung von 6 Grad ermöglicht einen kontrollierten Wasserab-
technik vorgegeben.
lauf. Die außen liegenden Fugen quer zur Fallrichtung sind silikonisiert, so dass eine glatte Dachhaut entsteht.
Der Versuchsaufbau für die Bauteilprüfungen umfasste neben dem höchst belasteten Glasträger zusätzlich drei Glasnebenträger und
177
UND REST TRAGFÄHIGKEIT
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE
35
37
35
Belastungsschema für die Prüfungen der Tragfähigkeit und der Resttragfähigkeit der Dachkonstruktion aus Glasträgern
36
Resttragfähigkeitsprüfung der Glaskonstruktion in der Prüfhalle des Instituts für Baukonstruktion an der Technischen Universität Dresden
37
Tragfähigkeitsprüfung der Glaskonstruktion in der Prüfhalle des Instituts für Baukonstruktion
7.2
an der Technischen Universität Dresden 36
einen weiteren Glashauptträger
. Die Belastung wurde nur
mungszunahmen abtragen kann
_ Abb. 36
. Nach der erfolgreichen
an den Verbindungsknoten in die Konstruktion eingeleitet und betrug
Durchführung der insgesamt sechs Prüfungen wurde an der Ver-
bei der Prüfung der Tragfähigkeit je Knoten etwa P = 10 kN und an
suchskonstruktion die Bruchlast ermittelt, die etwa die viereinhalbfa-
dem hoch belasteten Knoten bei einer Lastausmitte von 120 Millime-
che Bemessungslast betrug.
ter etwa A = 60 kN.
178
_ Abb. 35
. Während der Prüfung der Resttragfä-
_ Abb. 37
higkeit war es zulässig, diese Belastung etwa auf ein Viertel zu redu-
_ FUNKTION
zieren. Die Belastung wurde sowohl direkt als auch mit Hilfe eines
Aufgrund einer selektiven Sonnenschutzbeschichtung mit einem
dreidimensionalen Lastgeschirrs aus Stahlprofilen in die Versuchs-
g-Wert von 0,36 (bei einem τ von 0,63) konnte in Verbindung mit dem
konstruktion eingeleitet.
mechanischen Be- und Entlüftungssystem auf einen zusätzlichen Au-
UND GESTALT
Für die erfolgreiche Prüfung der Tragfähigkeit musste die Dach-
ßen- und Innensonnenschutz verzichtet werden. Blendschutzmaß-
konstruktion aus Glasträgern in der Lage sein, mindestens die drei-
nahmen waren nicht erforderlich. Die Rauch- und Wärmeabführung
fache Bemessungslast schadensfrei abzutragen. Die Durchbiegung
erfolgt über Klappen in der massiven Attika des „Tisches”, so dass die
des Trägers betrug in diesem Fall 2,4 Zentimeter. Die Prüfung der
Glaskonstruktion von diesen Funktionen frei gehalten werden konnte.
Resttragfähigkeit galt als bestanden, wenn nach der teilweisen Zerstö-
Das Glasdach stellt ein neues Bindeglied in dem heterogenen Be-
rung der Glasträger die Eigen- und die halben Schneelasten über eine
standskontext der alten Mensa dar und trägt entscheidend zu deren
Zeitspanne von mindestens zwölf Stunden und ohne weitere Verfor-
Aufwertung bei, was sich seit der Fertigstellung der Bauarbeiten vor
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE 38
Eckbereich der Tragkonstruktion aus Glasträgern
7.2
38
allem in der Nutzung der Säle bei repräsentativen Empfängen zeigt.
die rationelle und kostengünstige Fertigung entgegen, die durch die
Das ringförmige Glasdach setzt sich in seiner neutralen Struktur vom
Minimierung der Anzahl der Anschlusspunkte erreicht wird.
denkmalgeschützten Bestand ab, bildet dabei aber gleichzeitig eine
Das Projekt steht exemplarisch für eine neue Herangehensweise
identitätsstiftende Mitte für die umliegenden Gebäudeteile. Der über-
beim konstruktiven Glasbau, bei der sich die Konstruktion dem archi-
dachte Innenhof der Essensausgabe wird als „Marktplatz“ wahrge-
tektonischen Konzept unterordnet. Zugunsten einer angestrebten
nommen und knüpft damit direkt an traditionelle Vorbilder des
Raumwirkung wird bewusst auf die Zurschaustellung des Lastflusses
Glashofes an. [7.2/6, 7.2/7]
verzichtet.
_ FAZIT
Die Ausbildung der Glaskonstruktion folgt nicht allein konstruktiven Gesichtspunkten im Sinne einer „ehrlichen“ oder Material sparenden Bauweise. Die Tragkonstruktion aus Haupt- und Nebenträgern präsentiert sich optisch als Trägerrost. Allein in den Eckbereichen liegt tathöhe und -breite ist der Großteil der Glasquerschnitte nicht ausgelastet. Der Redundanz stehen die geringe Zahl benötigter Elemente und damit
179
sächlich ein zweiachsiger Lastabtrag vor. Durch die einheitliche Träger-
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE
39
40
42
39, 40 Schutzdach über einer Mauerwerksruine auf dem Versuchsgelände des Lehrstuhls für Tragkonstruktionen der RWTH Aachen (abgebrochen): Die Dacheindeckung ist gleichzeitig der Druckgurt des Fachwerksystems. 41 – 43 Schrägfassade der Koop-Bibliothek. Die Fassadenebene stellt den druckbeanspruchten Mittelgurt einer selbsttragenden Fachwerkkonstruktion dar. 41 Innenansicht 42 Außenansicht
7.2
43 Detail der Konstruktion 41
43
FASSADENVERGL ASUNG, KOOP-BIBLIOTHEK RW TH A ACHEN, 1996
ben der Schrägverglasung, die aus je zwei 6 mm dicken ESG-Scheiben
_ ENTWURF:
bestehen, gebildet. Die parallel zu den Scheibenfugen verlaufenden
ULRICH KNAACK MIT VALERIE SPALDING, MARIO
RUNKEL UND STUDIERENDEN _ INGENIEURE:
WILFRIED FÜHRER, LEHRSTUHL FÜR
TRAGKONSTRUKTIONEN
Stahlseile innerhalb außerhalb der Fassade stellen Ober- und Untergurt dar. V-förmige Druckspreizen aus verzinktem Stahl und diagonale Seilverspannungen, die durch Klemmteller an mittlerer Scheibenhöhe an-
180
greifen, vervollständigen das Fachwerksystem
_ Abb. 43
. Durch die
Für die 20 m x 6 m große Schrägverglasung an der Nordfassade der
knotenförmige Verbindung von Stabwerk und Glasebene werden die
Koop-Bibliothek der RWTH Aachen wurde ein Stahl-Glas-Fachwerk-
Kräfte entlang der kurzen Scheibenkanten kanalisiert. Die Spreizung
system weiterentwickelt, das bereits zuvor für eine Überdachung einer
des Druckstabes verhindert das seitliche Verdrehen von Ober- und Un-
Mauerwerksruine auf dem Experimentiergelände der Fakultät erfolg-
tergurt. Die Vorspannkraft von 20 kN wird in der Glasebene als Druck-
reich getestet worden war _ Abb. 39, 40. [7.2/8]
kraft aufgenommen und durch die Seilverspannung kurzgeschlossen,
Bei der Bibliotheksverglasung bildet eine Schar paralleler, stehen-
so dass sich bei Windsogkräften der innen liegende Gurt und bei Wind-
der Fachwerkbinder im Abstand von 2 Meter die Tragkonstruktion, die
druckkräften der außen liegende sich durch Abbau der Zugkräfte am
die 6 Meter hohe Raumöffnung überspannt _ Abb. 41, 42. Es handelt sich
Lastabtrag beteiligen. [7.2/8] Bei dem Fachwerksystem handelt es sich
um ein ebenes, dreigurtiges Fachwerksystem. Der mittlere Druckgurt
um ein geschlossenes System. Vorspannkräfte werden weder am Fuß-
wird durch die kurzen Kanten der 0,8 m x 2 m großen Isolierglasschei-
punkt noch am Dachanschluss in angrenzende Bauteile eingeleitet.
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE 44
46
44 – 46 Vordachkonstruktion an der freien Evangelischen Gemeinde in Aachen: Die äußeren Glasfalten werden an den Auflagern durch V-förmig aufgespreizte Stützen gehalten. Zur mechanischen Sicherung im Schadensfall verlaufen zwischen den Spreizen Stahlseile unterhalb der mittleren Falte.
7.2
45
VORDACH FÜR EIN GEMEINDE ZENTRUM A ACHEN, 1999
am Auflager gesichert. Zum Nachweis der Trag- und Resttragfähigkeit
_ ENTWURF:
wurden Belastungsversuche durchgeführt (s. auch Kap. 4.1, Abb. 40).
ULRICH KNAACK MIT THOMAS LINK UND
STUDIERENDEN _ INGENIEURE:
WILFRIED FÜHRER, LEHRSTUHL FÜR
TRAGKONSTRUKTIONEN _ AUSFÜHRUNG :
STUDIERENDE DES SEMINARS „KONSTRUKTIVER
GLASBAU“
Die linienförmige Verbindung zwischen den Glaskanten erfolgt über Stahlprofile, die mit dem Glas werkseitig verklebt und vor Ort aneinandergeschraubt werden. Die Stahlprofile beteiligen sich an der Aufnahme der Druck- und Zugkräfte am Scheibenrand. Für ein kontrolliertes linienförmiges Fügen ist eine exakte Geometrie der Faltung entscheidend. Die VSG-Gläser konnten mit geringen Herstellungstoleranzen
Das Vordach für ein Gemeindezentrum wurde als Faltwerk mit einer
produziert werden, da es sich um nicht vorgespanntes Floatglas han-
Grundrissfläche von 3 m x 5 m entwickelt und ausgeführt. Das Falt-
delt. Die im Stahlbau auftretenden Toleranzen mussten durch die Ver-
werk setzt sich aus sechs VSG-Scheiben aus 2 x 10 mm Floatglas zu-
klebung mit einem zähelastischen, hochleistungsfähigen Silikon auf-
sammen, die abwechselnd Grat und Kehle bilden. Die größte Scheibe
genommen werden. [7.2/9]
misst 5,70 m x 1,32 m. Die äußeren Falten sind an den Enden durch dem Ende eingespannter Rundrohrstützen verbunden sind. Die mittlere Falte überspannt die 5 Meter freitragend, ist aber durch Stahlseile
181
V-förmige Tragarme aus Stahl aufgelagert, die an den Enden steif mit
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE
47
Untersicht einer Dachkonstruktion mit dem StahlGlas-Verbundsystem über 15 m Spannweite, Modell Projektstudie „Neue Überdachung für St. Pius X“
48
Ansicht des ausgeführten Prototypen mit einer Spannweite von 5 m beim Belastungstest
7.2
47
48
SELBST TR AGENDES, SEMITR ANSPARENTES DACHELEMENT
und funktionale, sondern bei schubfester Verbindung auch konstruk
PROTOT YP FÜR EIN BAUSYSTEM, 2001
tive Möglichkeiten.
_ ENTWURF,
PLANUNG UND BERECHNUNG : ANDREA HÜBINGER, _ TRAGSYSTEM
SILKE FÖRST _ PROJEKTLEITUNG : _ TECHNISCHE
JAN WURM
UNTERSTÜTZUNG : MAT THIAS MEISSNER,
SAINT-GOBAIN GLAS DEUTSCHLAND, AACHEN
Das Modul besteht aus einem Stahltrapezprofil (STP) mit Akustiklochung, das mit einer gläsernen Dacheindeckung schubfest verbunden ist, um die gesamte Bauteilhöhe als Sandwich statisch nutzen zu kön-
182
nen. Das Glas wirkt sich versteifend für den Obergurt des Systems aus Ausgangspunkt für dieses Projekt bildet das bislang weitgehend unge-
und reduziert die Beulgefahr des Stahlbleches. Aufgrund der positiven
nutzte Potenzial von Stahltrapezprofilen (STP) mit Akustiklochung.
Momente der Einfeldplatte können gemäß der spezifischen Materialei-
Stahltrapezprofile finden vor allem als Dachelemente für mittlere
genschaften den Glasplatten die Druckkräfte und den Untergurten
Spannweiten im Industriebau Anwendung, eine partielle oder ganzflä-
und Stegen des Stahlprofils die Zugkräfte zugewiesen werden.
chige Perforierung von Stegen und Obergurten trägt zur Verbesserung
Der Untergurt des Systems kann aufgrund der Lieferlängen der
der Raumakustik bei – von deren Lichtdurchlässigkeit wird aber kein
Stahlprofile kontinuierlich gewährleistet werden. Die Breite der Ele-
Gebrauch gemacht. Die Verbindung von Stahltrapezprofilen mit einer
mente richtet sich nach der Bauteilbreite der Profile. Die Segmentie-
transparenten Dacheindeckung eröffnet nicht nur neue gestalterische
rung des Obergurtes folgt den Fertigungsgrößen des Glases. Der
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME
q = 1,75 kN/m
5000
52 40
40 235
40 235
235 49
Flachglas 12 mm ESG
50
D
Systemskizze des Stahl-Glas-Verbundsystems über 5 m Schematischer Querschnitt und Konzeptdarstellung
102
des Sandwich: In der Druckzone verstärkt das Glas den Obergurt des Stahltrapezprofils.
Z Strahltrapezprofil TU100 N
51
PROJEKTE
49
Grundriss und Ansicht des ausgeführten Prototypen mit STP TU 100 N über 5 m Spannweite
825 52
Sandwichaufbau (Ausschnitt)
50
950 3 1245
3 1245
3 1245
1245
4989
7.2
51
Transport der Druckkräfte zwischen den Glasflächen kann durch Kon-
schnittes durch den schubfesten Verbund mit der Glasebene kann
taktstöße leicht bewerkstelligt werden.
das Stahlprofil in Negativlage verwendet werden: Das Bauteil wurde
Eine zusammenhängende, ebene Dachfläche entsteht durch Rei-
umgekehrt zu der gebräuchlichen Verwendung mit den schmalen
hung der plattenförmigen Bauelemente. Die Anwendung des Systems
Gurten nach oben verbaut. Diese 40 Millimeter breiten Obergurte die-
für gekrümmte oder doppelt gekrümmte Dachgeometrien ist bei bom-
nen den Scheiben als Auflager und sind gemeinsam mit einem kleinen
bierten Trapezblechen möglich. Kuppeldächer bedingen eine zusätz-
Steganteil von der Lochung ausgenommen. Die Verglasung besteht
liche fließende Verengung des Blechprofils.
aus vier gleichgroßen Scheiben aus 12 mm dicken ESG mit den Abmessungen 950 mm x 1245 mm. Obwohl es sich um eine Überkopf-
_ KONSTRUKTION
verglasung handelt, kann auf VSG verzichtet werden, da bei Glasbruch
Das Bausystem mit einer geplanten Spannweite von 15 Metern wurde
die Glaskrümel in das Trapezprofil fallen und Personen unterhalb der
als Prototyp mit einer Spannweite von 5 Metern getestet. Für die Test-
Konstruktion nicht gefährdet werden. Eine Verglasung mit Mehrfach-
serie kam ein Stahltrapezprofil Typ TU 100 N der Firma ThyssenKrupp
Isolierscheiben ist möglich.
Materialstärke 1,25 Millimeter. Das Lochbild entspricht einer Stan-
_ DETAILS
dardlochung mit 28 Prozent Lochanteil (Lochdurchmesser 5 mm,
Die Anschlüsse der Gläser an das Stahlprofil erfolgen über die zum
Achsabstand 9 mm). Aufgrund der Ertüchtigung des Profilquer-
Zeitpunkt der Entwicklung neuartigen Hinterschnittanker Fischer-
183
Stahl zur Verwendung. Die Elementbreite beträgt 825 Millimeter, die
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE
55
54
56
10
15
12
53
53 Ausgeführter Prototyp 56 80
54, 55 Verklotzung und Montage der Scheibenelemente 56 – 58 Anschlussdetail: Stahlbolzen greifen in
7.2
eine Hinterschnittbohrung im Glas an. 57
Zykon-Panelanchor für Glas (FZP-G), die beispielsweise von Saint-
_ TRAGFÄHIGKEIT
Gobain Deutschland als Point-XS vertrieben werden. Die 8 Millimeter
Die Stahlquerschnitte werden so dimensioniert, dass das Profil ohne
starken Stahlbolzen schließen am Glas durch eine Hinterschnittboh-
schubfeste Glaseindeckung zwar den notwendigen Tragfähigkeits-
rung und am Stahlblech über Reibschlussverbindungen an. Im Be-
nachweis, nicht aber das hinreichende Gebrauchstauglichkeitskriteri-
reich der Befestigungspunkte wird die Beschichtung des Stahls ent-
um (Durchbiegung) erfüllen kann, das erst durch Ansetzen der Ver-
fernt und der Obergurt des Trapezblechs mit Stahlblechen zusätzlich
bundwirkung erreicht wird. Die baurechtliche Genehmigung wird da-
verstärkt. Die Anzahl der punktuellen Befestigungsmittel richtet sich
durch wesentlich erleichtert.
nach der Verteilung der Schubkräfte, die vom Auflager bis zur Ele-
Neben den auftretenden Schubspannungen müssen wegen des
mentmitte hin abnehmen. So sind die mittleren Scheiben durch je
unterschiedlichen Verformungsverhaltens von Stahl und Glas im Be-
zwei, die äußeren durch je vier Verbolzungen am Scheibenrand mit
reich der Krafteinleitung zusätzliche Zwängungsspannungen berück-
dem Stahlprofil verbunden. Untereinander werden die Scheiben im
sichtigt werden.
Bereich der Kanten linear durch 3 Millimeter hartelastische Zwischenlagen aus Klingersil miteinander verklotzt _ Abb. 54, 55. 184
58
Tragfähigkeitsuntersuchungen belegen, dass die Gesamtsteifigkeit des Verbundelementes doppelt so hoch ist wie bei dem gleichen Auf-
An den Profilenden wurde jeweils ein lochfreier Streifen vorgesehen,
bau ohne Verbund. Die wenigen punktförmigen Verbindungsmittel
um im Untergurtbereich einen Anschluss an eine Unterkonstruktion mit-
erzielen demnach einen Schubverbund von 50 Prozent. Die Verbund-
hilfe von Bolzen und Konsolen gewährleisten zu können _ Abb. 53, 58.
wirkung kann durch eine höhere Anzahl von Punkthaltern noch ver-
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE 59
60 TU 100/275
T 83/280
T 126/326
Spannweite I
500 cm
500 cm
700 cm
Glasdicke d
1,2 cm ESG
1,2 cm ESG
1,2 cm ESG
stat. Höhe h GESAMT
12,5 cm
10,8 cm
15,1 cm
erf. Trägheitsmoment I
200 cm4
183 cm4
502 cm4
vorh. I STP
191cm4
123 cm4
306 cm4
vorh. I GLAS
14,4 cm4
14,4 cm4
14,4 cm4
rechn. I 100% VERBUND
822 cm4
503 cm4
1078 cm4
vorh. I VERSUCH
ca. 400 cm4
ca. 250 cm4 (geschätzt)
ca. 540 cm4 (geschätzt)
vorh. τ STP
6,6 kN/cm2
9,1 kN/cm2
11,6 kN/cm2
vorh. τ GLAS
1,8 kN/cm2
2,1 kN/cm2
2,7 kN/cm2
Anker am Auflager
4
6
6
59, 60 Tragfähigkeitsversuche am Prototypen: Für verschiedene Belastungen wurden die Durchbiegungen in Feldmitte mit und ohne Verbund gemessen. 61 Erfassung geometrischer und konstruktiver Kenndaten für Sandwichelemente mit 5 m bzw. 7 m Spannweite
7.2
61
bessert werden, wodurch Verformungen und Spannungen im Glas
schnitt und Finish der Stahloberflächen gezielt individuellen Wün-
weiter reduziert werden können.
schen angepasst werden. Der Prototyp zeichnet sich trotz eines Loch-
Mithilfe der Messergebnisse kann auf entsprechende Werte für
anteils von nur 28 Prozent durch eine hohe Transparenz aus, da der
andere Spannweiten und Profilquerschnitte geschlossen werden
im Vergleich zum Innenraum sehr viel hellere Himmel in der Wahrnehmung aus den einzelnen „Bildpunkten” zusammengesetzt wird.
.
_ Abb. 61
Da das Blech einen innen liegenden Sonnenschutz darstellt, muss _ FUNKTION
UND GESTALT
die anfallende Wärme entlang der Blechsicken abgeführt werden.
Das Bauelement zeichnet sich dadurch aus, dass es mit einfachen
Durch Bedruckungen der Scheibe kann die Lichttransmission zusätz-
Mitteln wesentliche bauphysikalische Anforderungen integriert. Zum
lich beeinflusst werden. Durch Überlagerung der verschiedenen
einen gewährleistet die Perforierung des Stahlbleches gemäß seiner
Punktraster von Blech und Glas können optisch reizvolle Moiré-Ef-
ursprünglichen Nutzung eine Schallabsorption, die für die Raumakus-
fekte erzeugt werden.
tik großer Hallen von Bedeutung ist. Zum anderen stellt das Blech einen in die Konstruktion integrierten Sonnen- und Blendschutz dar.
_ FAZIT
Das einfallende Sonnenlicht wird an der Lochmaske gebeugt, und wei-
Das Bauelement ist aufgrund seines Aufbaus transparent, selbsttra-
ches und blendfreies Licht leuchtet den Raum aus. Die Lichtführung
gend und multifunktional. Das Stahl-Glas-Verbundsystem setzt sich
kann über Lochbild (Lochmuster und Lochflächenanteil), Profilquer-
aus industriellen Halbzeugen zusammen und ermöglicht damit eine
185
UND AUSBLICK
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME
2
3
4
5
PROJEKTE
1
62
62
Konzeptdarstellung für den Verbund aus Glas und Trapezprofilen aus GfK 1 Siebdruck 2 Glasscheibe 3 Haftvermittler 4 PUR-Klebstoff 5 Trapezprofil aus GfK
63
Atmosphärisches Raumgefühl, hervorgerufen durch die Semitransparenz des Stahl-Glas-
7.2
Verbundsystems (Modellsimulation) 63
einfache Herstellung und Montage. Trotz des Systemcharakters eröffnet es mit der Wahl des Stahlprofils, des Lochmusters und der Behandlung der Glasoberfläche eine große Bandbreite an gestalterischen Möglichkeiten. Die Spannweite und der Transparenzgrad der Module lassen sich für jedes Projekt spezifisch gestalten. [7.2/10] Für verschiedene Anwendungsfälle sind weitergehende Untersuchungen in Bezug auf Tragverhalten und Lichtführung notwendig, um eine Weiterentwicklung zu einem standardisierten Bausystem zu ermöglichen. Eine Verbesserung der Trageigenschaften kann durch die Verwendung von transluzenten Trapezprofilen aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GfK) anstelle von Stahlprofilen erzielt werden
_ Abb. 62
.
Beide Materialien können aufgrund der ähnlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten durch lineare Verklebungen schubfest miteinander 186
verbunden werden, ohne Spannungsspitzen aus Zwängungserscheinungen in Kauf nehmen zu müssen. Nachteilig wäre allerdings der höhere Aufwand beim Auswechseln beschädigter Scheibenelemente.
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE 65
64
Isolierglas-Verbundeinheit mit integrierten Sonnenschutzlamellen, Prototyp mit 3 m Spannweite
65
Tageslicht-Simulation am Modell
7.2
64
MULTIFUNKTIONALE VERGL ASUNG
trächtigen. Mit diesem Projekt wird gezeigt, dass feststehende Lamel-
PROTOT YP EINER ISOLIERGL AS-VERBUNDEINHEIT MIT
len zur Versteifung der Elemente herangezogen werden können, um
INTEGRIERTEM SONNENSCHUT Z , 2002 – 2003
Scheibendicken und Eigengewicht und damit auch Kosten solcher Isoliergläser zu reduzieren.
_ ENTWURF
UND PLANUNG : CHRISTOF HELMUS, MARC MEVISSEN
_ PROJEKTLEITUNG :
JAN WURM
_ BAUTEILVERSUCHE: _ TECHNISCHE
LEHRSTUHL FÜR STAHLBAU, RWTH AACHEN
UNTERSTÜTZUNG : FRANK WELLERSHOFF,
RWTH AACHEN
_ TRAGSYSTEM
Die zwei Scheiben einer Isolierglaseinheit werden durch Verklebung mit einer Schar parallel angeordneter Profile aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GfK) im Scheibenzwischenraum schubfest verbunden. Es Gesamtsteifigkeit des Sandwich-Elementes ermittelt sich aus dem
tifunktionalen Verglasungseinheiten. Neuartige Mehrscheiben-Isolier-
Querschnitt und dem dazugehörigen E-Modul beider Materialien. Das
glaseinheiten mit integrierten Lichtlenk- und Sonnenschutzsystemen
E-Modul von Glas ist mit EG = 7000 kN/cm² mehr als doppelt so hoch
im Scheibenzwischenraum (SZR) unterstreichen diese Entwicklung.
wie der von GfK (EGFK = 3000 kN/cm²).
Bei beweglichen Lamellen müssen die auftretenden Verformungen
An der Unterseite der Sandwichplatte entstehen Zug- und an der
gering gehalten werden, um die Gebrauchstauglichkeit nicht zu beein-
Oberseite Druckkräfte. Die Flansche der Profile werden jeweils durch
187
entsteht ein einachsig gespanntes, plattenförmiges Tragelement. Die Der Trend in der Gebäudehülle geht hin zu der Verwendung von mul-
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME
Prototyp P1
PROJEKTE
Prototyp P2
Prototyp P4
66
68
7.2
C-Profil 25/20/3
I-Profil 22/20/4
Vollprofil 30/10
Prototypen
P1
P2
P3
P4
P5
Breite Profil bP
20 mm
20 mm
20 mm
10 mm
10 mm
Höhe Profil hP
25 mm
22 mm
22 mm
30 mm
30 mm
statische Höhe Sandwich hs
36 mm
33 mm
33 mm
41 mm
41 mm
Trägheitsmoment Glasscheibe IG
0,45 cm4
0,45 cm4
0,45 cm4
0,45 cm4
0,45 cm4
4
2,25 cm4
4
1,6 cm
4
1,6 cm
4
Trägheitsmoment Einzelprofil IP
1,6 cm
2,25 cm
Trägheitsmoment Ieff, ohne Verbund*
3,0 cm4
3,0 cm4
3,0 cm4
4,1 cm4
4,1 cm4
Trägheitsmoment Ieff, monolithisch*
68 cm4
68 cm4
68 cm4
72 cm4
72 cm4 5,4 kN
Bruchlast FU,K (2P)
4,5 kN
5,3 kN
5,5 kN
6,3 kN
Bruchmoment Mu,k
2,25 kNm
2,7 kNm
2,75 kNm
3,15 kNm
2,7 kNm
Bruchspannung σ u,k
6,9 kN/cm2
8,7 kN/cm2
7,8 kN/cm2
8,4k N/cm2
7,3k N/cm2
Bruchverformung δu,k
8,9 cm
9,8 cm
12,3 cm
14 cm
13,1 cm
Gebrauchslast qRd**
1,5 kN/m2
2,0 kN/m2
2,0 kN/m2
2,5 kN/m2
2,0 kN/cm2
Verformung δRd, qRd = 2,5 kN/m2
3,4 cm
3,4 cm
4,1 cm
3,8 cm
3,9 cm
Trägheitsmoment IRd
36 cm4
36 cm4
30 cm4
33 cm4
32 cm4
Schubverbund
53%
53%
44%
46%
44%
66
Prototypen mit verschiedenen Profilgeometrien wurden getestet.
*Eeff = EG = 7 000 kN/cm2; **unter Berücksichtigung der Teilsicherheitsbeiwerte γM = 2,4 und γF = 1,4 67
67
Geometrische und konstruktive Kenndaten der Prototypen P1 bis P5
68
Querschnitte der Prototypen P1, P2 und P4
eine mittragende Plattenbreite in Ober- und Untergurt verstärkt. Die
und Verformungsverhalten besitzt und bei vergleichbarer Materialfes-
Schubkräfte werden durch die Verbindungsfugen aufgenommen.
tigkeit nur ein Drittel des Gewichtes von Stahl aufweist.
Das Tragverhalten der Sandwichelemente hängt wesentlich von
Bei dem Prototyp P1 wurden C-Profile, bei den Prototypen P2 und
der Steifigkeit der Profile und des verwendeten Klebstoffes, der Kleb-
P3 Dogboneprofile, die dem I-Profil ähneln, und bei den Prototypen
stoffdicke und dem Profilabstand ab. Eine Verringerung der Profilhö-
P4 und P5 Rechteckvollprofile verwendet
he, des Schubmoduls des Klebstoffes, der Klebstoffdicke oder der
von dem Profilquerschnitt war der Aufbau der Prototypen identisch.
Anzahl der Profile führt bei gleicher Belastung zu höheren Span-
Es wurden 4 Millimeter starke TVG-Scheiben verwendet. Die Verkle-
nungen im Glas und damit zu einer höheren Versagenswahrschein-
bung erfolgt kontinuierlich entlang der Kontaktflächen von Glas und
lichkeit.
Profil mit SikaTack HM, einem hochmoduligen Scheibenklebstoff auf
_ Abb. 66, 68
. Abgesehen
188
Polyurethanbasis. Die Klebstoffmenge wird im Handauftrag so dimen_ KONSTRUKTION
sioniert, dass sich nach Andrücken der Fügepartner eine Klebstoffdi-
Bei einer Testreihe sollte der Einfluss der Profilgeometrie auf das Trag-
cke von 2 Millimeter ergibt. Auf die Klebeflächen der gereinigten Glä-
verhalten getestet werden. Die Spannweite des Entwurfs betrug rund
ser wird der schwarz eingefärbte Primer 206 G+P appliziert, um den
7 Meter. Es wurden fünf Prototypen mit 300 cm Länge und 25 cm
Klebstoff vor zersetzender UV-Strahlung zu schützen. Nach 24 Stun-
Breite und unterschiedlichen GfK-Profilen gefertigt. GfK stellt einen
den sind die Prototypen transportfähig und nach einer Woche voll-
idealen Fügepartner für Glas dar, da es ein ähnliches Ausdehnungs-
kommen ausgehärtet.
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME
Spannung in Mitte der Testkörper 7,0 P5 (Vollprofil)
P4 (Vollprofil)
Zylinderkraft 2P [kN]
5,0
4,0 P3 (I-Profil)
P3 (I-Profil) 3,0
P2 (I-Profil)
69
P2 (I-Profil) 2,0
P1 (C-Profil)
P1 (C-Profil)
1,0 Oberseite -100,0
Unterseite
0,0 -80,0
-60,0
-40,0
-20,0 0,0 20,0 Spannung σ [N/mm2]
40,0
60,0
80,0
100,0
73 Durchbiegung in der Mitte der Testkörper 7,0
PROJEKTE
P4 (Vollprofil)
P5 (Vollprofil) 6,0
P4 (Vollprofil) P4 monolithisch
6,0
P5 (Vollprofil)
5,0 Zylinderkraft 2P [kN]
70
P1 (C-Profil) 4,0 P2 (I-Profil) 3,0 P3 (I-Profil) 2,0
1,0 P4 ohne Verbund 0,0 0,0
20,0
40,0
60,0
80,0
100,0
120,0
140,0
160,0
Durchbiegung δ [mm] 71
74
73 Spannung in der Mitte der Testkörper: Die Prototypen P4 und P5 weisen die größten Spannungen auf. 69 – 71 Vierpunktbiegeversuch an einem der Prototypen
74 Durchbiegung in der Mitte der Testkörper: Die Durchbiegung der Prototypen beträgt
72 Bruchbild der unteren Glasscheibe in der Zugzone
ca. 200% im Vergleich zum vollen Verbund.
7.2
72
_ TRAGFÄHIGKEIT
Profile eine hohe Resttragfähigkeit auf. Nach Bruch der zugbean-
Die theoretischen Annahmen in Bezug auf Tragfähigkeit und Bruch-
spruchten Seite kann das System als Plattenbalken unter beträcht-
verhalten wurden durch Vierpunkt-Biegeversuche überprüft. Wie er-
lichen Verformungen weiter anwachsende Last abtragen.
wartet tritt das Versagen im Bereich der maximalen Biegemomente im mittleren Drittel der zugbeanspruchten Unterseite des Glases auf. Die
Um die Klimalasten zu reduzieren, ist ein Druckausgleich zwischen den einzelnen Kammern des Querschnittes notwendig.
Verformung vor dem Bruch weist mit bis zu 14 Zentimetern etwa 1/20 der Stützweite auf. Ein Versagen der Verklebung war nicht festzustel-
_ FUNKTION
len. Die fünf Verbundquerschnitte weisen insgesamt ein ähnliches
Die im SZR liegenden Lamellen tragen zum Sonnen- und Blendschutz
Trägheitsmoment und damit eine vergleichbare Steifigkeit auf
bei. Durch die Anordnung, Ausrichtung und Formgebung der Profile
UND GESTALT
. Bei den Prototypen P4 und P5 relativiert sich die größere
kann auf die spezifischen klimatischen Gegebenheiten reagiert wer-
statische Höhe und die höhere Steifigkeit der GfK-Profile durch die
den. Für eine Optimierung des Sonnenschutzes können Z-Profile
geringere Profilbreite, da die geringere zur Verfügung stehende Klebe-
verwendet werden, die bei steil stehender Sonne eine vollständige
fläche auch die Verbundwirkung von Glas und GfK reduziert. Rechnet
Verschattung ermöglichen
. Die Verschattungswirkung wur-
_ Abb. 77
man in den Versuchsergebnissen die üblichen Teilsicherheitsbeiwerte
de für verschiedene Einbausituationen und Sonnenstände simuliert
ein, ergeben sich Gebrauchslasten von über 2,5 kN/m².
_ Abb. 12, 13
Die Verbundelemente weisen aufgrund der Tragwirkung der GfK-
. Der Elementaufbau kann in Bezug auf Tragfähigkeit,
Verschattung und Wärmeschutz projektspezifisch variiert werden.
189
_ Abb. 4
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME
direktes Sonnenlicht 2
1 3 4
5
diffuses Tageslicht Ausblick
4
1
2 26 2 38
PROJEKTE
4
77
2
75
78
75, 76
Simulation der Lichtwirkung für verschiedene Einbau- und Tageslichtsituationen
77
Elementquerschnitt bei Maximierung des Sonnenschutzeffektes durch Verwendung von Z-Profilen 1 Randabdichtung 2 Siebdruck als UV-Schutz 3 Randprofil 4 VSG-Element 5 Z-Profile aus GfK
78
Prinzipskizze zur umlaufenden Halterung der Elemente durch eine Unterkonstruktion 1 Randverbund, GfK-Profil mit Molekularsieb gefüllt
7.2
2 Pressleiste 76
_ FAZIT
UND AUSBLICK
_ Abb. 78
, auch der Einfluss der
Da ein Nachführen der Lamellen mit dem Sonnenstand nicht möglich
Klimalasten muss im Detail untersucht werden. Bei einer Vorfertigung
ist, ist das System weniger effektiv, aber auch wartungsfreundlicher als
könnten auch die notwendigen Anschlüsse für eine Befestigung an
flexible Systeme. Im Vergleich zu Isolierglaselementen kann eine deut-
eine Primärkonstruktion im Dach- oder Fassadenbereich integriert
liche Gewichtseinsparung und damit eine Kostenreduzierung erzielt
werden. [7.2/11]
werden. Das Gesamtgewicht bei einer Elementgröße von 6 m x 2 m oder 4 m x 3 m beträgt weniger als 500 Kilogramm, der Einsatz von Glassaugern bei der Montage der Elemente ist damit unproblematisch. Eine weitergehende Versteifung von Isoliergläsern bei gleichzeitig gewährleistetem Sonnen- und Blendschutz ist bei der Verwendung von Gitterrosten aus GfK möglich. Durch eine umlaufende Lagerung der Scheiben können die Elementhöhe und das Eigengewicht verringert werden, was im Hinblick auf begehbare Verglasungen vielversprechend erscheint. 190
Randverbund abgedichtet werden
Hinsichtlich einer Weiterentwicklung als Isolierglasstandard muss das Element durch einen entsprechend ausgebildeten umlaufenden
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE 79
81
80
79 Vorentwurf Wettbewerbsmodell Tiziana Monti 80 Einzelner Seilbinder, Skizze von Rüdiger Schmidt 81, 82 Konstruktionsmodell in der Schrägansicht und in der Aufsicht; die abgebildeten Ringseile wurden nicht ausgeführt.
7.2
82
AUSSTELLUNGSARCHITEKTUR „GL ÄSERNER HIMMEL“, 2001
Ausstellungsbox ab. Da die Wandelemente als Sandwichpaneele mit
_ KONZEPT
Pappkern über keine ausreichende Biegesteifigkeit verfügen, sind le-
„SHOWREIFF“-AUSSTELLUNG : ULRICH KÖNIGS,
diglich die verhältnismäßig steifen Ecken der Box als Auflagerpunkte
JÖRG LEESER _ ENTWURF
UND PLANUNG : RÜDIGER SCHMIDT
_ PROJEKTLEITUNG : _ TECHNISCHE
JAN WURM, WILFRIED FÜHRER
UNTERSTÜTZUNG : JOCHEN DAHLHAUSEN, HANS-
WILLI HEYDEN, MICHAEL SCHUBERT, MICHAEL STARK
geeignet. Von einem zentralen Zugring ausgehend, wird in jede Ecke der Box ein Seilbinder geführt. Zwei weitere Binder in der Querachse der Box werden ebenfalls zu den Boxenecken rückverspannt. Die Seilbinder bestehen aus jeweils zwei parallel geführten Seilscharen, die in
Mit der Lichtdecke „Gläserner Himmel“ präsentierte sich der Lehr-
den Diagonalen durch drei, auf den Längsseiten durch zwei dreieckige
stuhl für Tragkonstruktionen auf der „showreiff“-Ausstellung am Deut-
Glasscheiben aufgespreizt werden. Das Eigengewicht der Glasschei-
schen Architektur Museum in Frankfurt (DAM) einer breiten Öffent-
ben wird über die unteren polygonal verlaufenden Tragseile abgetra-
lichkeit.
gen. Die oberen Vorspannseile leiten zusätzliche ständige Kräfte ein
_ TRAGSYSTEM
der aus kontinuierlich verlaufenden Zugseilen und diskontinuierlichen
Die Geometrie der weichen, vorgespannten Tragstruktur mit einer
Druckspreizen zusammensetzen, handelt es sich um ein tensegres
Spannweite von 5,40 m x 3,60 m leitet sich aus der Konstruktion der
Tragsystem _ Abb. 4 – 6. Die Horizontalkraft von etwa 4 kN, die jeweils
191
und stabilisieren so die Position der Glasscheiben. Da sich die Seilbin-
Pos. 3
Pos. 1 Pos. 2
87
Pos. 1 Pos. 5
Pos. 2
Pos. 3
25
Schweißnaht 15
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME
85
PROJEKTE
83
113
63
43
93
d = 5,5 mm
Pos. 1 Pos. 5
45
d = 7 mm
Pos. 1
8
4,5
5,75
3
Pos. 4
27
Pos. 4
5 5
84
86
86, 87
Details der Rahmenkonstruktion und Anschluss der Seilscharen an Rahmenecke Pos. 1 U-Stahl 50/50/4, umlaufend und
83 – 85 Unterer und seitlicher Anschluss der Glasscheiben an die Seilkonstruktion Pos. 1 VSG aus 2 x 6 mm TVG Pos. 2 U-Stahl 30/15/3
mit Boxenrand verschraub Pos. 2 Aufgeschweißte Steifen aus 15 mm Flachstahl Pos. 3 Viertelkreisförmige Kopfplatte mit
Pos. 4
Inbusschrauben M6
Pos. 5
Stahllaschen aus 10 mm Flachstahl, einseitig
Kreisbohrungen für Anschluss der
an Flansch von Pos. 1 angeschweißt
Pos. 4 Klemmbacken, 5 mm Flachstahl
Wantenspanner, mit Pos. 2 verschweißt
(Stoß der Rahmenprofile)
7.2
Pos. 3 Bolzen M6
an den Auflagerpunkten entsteht, wird über entsprechende Druck-
_ KONSTRUKTION
kräfte in den Boxenrändern miteinander kurzgeschlossen. Die Verti-
Ein U-Profilbaustahl 50/50/4 bildet den druckbelasteten, rechtecki-
kallasten von 0,6 kN pro Ecke aus Eigengewicht werden über die Stell-
gen Boxenrand, der mit den Stirnseiten der Stelltafeln verschraubt ist.
tafeln in den Boden abgeleitet.
Für eine leichtere Demontierbarkeit ist dieser in acht Teile segmen-
UND MONTAGE
Aufgrund der fehlenden Diagonalen ist das System relativ weich,
tiert. Verschweißte, L-förmige Segmente mit einer Kantenlänge von
wechselnde Lastangriffe führen zu starken Verformungen. Die unteren
140 Zentimetern werden über versteckte, einseitig verschweißte Stahl-
Seile liegen auf 2,20 Meter Höhe und somit in Reichweite der Besu-
laschen mit geraden Teilstücken biegesteif verbunden.
cher. Die Lasten, die aus dem oberen Vorspannseil auf das Tragseil
Im Bereich der Rahmenecke wird an den Flanschen des Stahlpro-
eingeleitet werden, können die Verformungen, die durch den „Lastan-
fils über winkelförmige Steifen eine viertelkreisförmige Kopfplatte an-
griff“ neugieriger Besucher hervorgerufen werden, relativieren und in
geschweißt, an der die jeweils sechs 4 Millimeter starken Edelstahl-
einem nicht kritischen Bereich halten. Die Stabilität der Konstruktion
Litzenseile über Spannschlösser angreifen. Die Seilpaare werden auf-
unter dynamischen Lasten wurde durch Belastungsversuche unter
gefächert, um das Verdrehen der Seilbinder zu verhindern.
Beweis gestellt.
Die VSG-Scheiben aus 2 x 6 mm starkem TVG sind gleichseitige
192
Dreiecke mit einer Kantenlänge von 90 Zentimetern. Für eine bessere Krafteinleitung sind die Ecken gekappt. Um diese ca. 10 Zentimeter langen Kanten greifen U-Profile 30/15/3, die über Hartgummi mit
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE 88
89
88, 89 Zentraler Zugring aus zwei 3 mm Edelstahlscheiben mit einem Durchmesser von 210 mm 90 Blick in Längsrichtung der Ausstellungsbox
dem Glas verklotzt sind. Das Eigengewicht wird über eine ange-
_ FAZIT
schweißte Konsole abgetragen. An die U-Profile schließen über Bolzen
Die Neigung der Scheiben nimmt zum Zentrum hin zu. Durch entspre-
profilierte Klemmbacken aus 5 Millimetern Stahlblech an, die als Füh-
chende Ausleuchtung führen die unterschiedlichen Reflexionswinkel
rung für die Stahlseile dienen. Die insgesamt 24 Seile sind über ver-
der Gläser zu einem facettenreichen Lichtspiel aus Durchsicht, Spie-
presste Seilkauschen an den zentralen Zugring angeschlossen. Um
geleffekten und Schattenwurf, welches sich netzartig über den Innen-
die Verbindung lösbar zu gestalten, setzt sich der Ring aus zwei 3 Mil-
raum legt und unmittelbar von den Besuchern erfahren werden kann.
limeter dünnen Edelstahlscheiben zusammen, deren Ränder ein ver-
Die skulpturale Qualität der Glasstruktur beruht zum einen auf
setztes Sägezahnmuster aufweisen. Durch Drehen der Scheiben kön-
dem reizvollen, strukturellen Zusammenspiel von zugbeanspruchten
nen die Kauschen ein- oder ausgerastet werden. Unter Belastung
Stahlseilen und druckbeanspruchten Glasscheiben, zum anderen auf
blockiert sich der Drehvorgang.
der Interaktion mit dem künstlichen Licht und den Besuchern der
Die Stahlkonstruktion ist elementiert und vorgefertigt, die Seile
Ausstellungsbox. Das „Tanzen” der Scheiben auf den filigranen Stahl-
sind einseitig vorkonfektioniert. Die exakte Geometrie und die daraus
seilen und das Wandern der Schatten auf den weißen Ausstellungsta-
resultierenden Seillängen wurden bei einem Probeaufbau ermittelt.
feln stärkt die plastische Qualität der Struktur und eröffnet die Assozi-
Um das Gleichgewicht der Box nicht zu stören, werden die Scheiben
ation vom „Gläsernen Himmel”. [7.2/12]
bei der Montage symmetrisch in das Seilnetz eingehängt und fixiert.
193
7.2
90
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE
93
91
94
91 Modell der Brückenkonstruktion 92 Ansicht des ausgeführten Prototypen im Maßstab 1:10 93, 94 Vorentwürfe (Malgorzata Meder,
7.2
Jona Knoke, Daniel Hecker) 92
GL ASTE X-BRÜCKE
Lastfällen. Mehrere Vorversuche und theoretische Untersuchungen
PROTOT YP FÜR EINE FUSSGÄNGERBRÜCKE, 2001 – 2003
für verschiedene Systeme und Spannweiten sind dem hier vorgestell-
_ ENTWURF:
ten Prototypen im Maßstab 1:10 vorausgegangen. Das Projekt wurde
TOBIAS BLOEMECKE, MARIO PIRWITZ
_ PROJEKTLEITUNG : _ STATISCHE _ PLANUNG
JAN WURM
BERATUNG : THORSTEN WEIMAR
2004 mit dem ArchiCAD-Preis für innovative Glasanwendungen ausgezeichnet.
UND AUSFÜHRUNG : IL JANA EGGERT, LUTZ LANGER,
FRANK FLAKE, MARIO PIRWITZ, ANNA WEBER _ TECHNISCHE
UNTERSTÜTZUNG : MAREN KRÄMER, STEPHANIE
_ TRAGSYSTEM
Das Fachwerk weist einen nahezu ebenen Obergurt und einen para-
WENZEL, ANNET TE KOLKMANN, DIRK GROSSMANN,
belförmig gekrümmten Untergurt auf. Der Träger wird durch vertikale
JOCHEN DAHLHAUSEN
und diagonale Tragelemente in zehn Felder unterteilt. Die Höhe des Fachwerks nimmt in Relation zur Spannweite von 1:8 an den seit-
194
Die GlasTex-Brücke ist ein Entwurfsvorschlag für eine Fußgängerbrü-
lichen Auflagern bis 1:13 in der Feldmitte ab _ Abb. 95.
cke. Transparente, druckfeste Glasscheiben werden mit zugfesten
Die Geometrie des Fachwerks führt bei einer gleichmäßigen Be-
und durchscheinenden Glasfasergeweben in einem Fachwerksystem
lastung des Fachwerks zu Zugkräften in den Untergurten und Diago-
kombiniert. Bei dem ebenen GlasTex-Träger besteht die besondere
nalen und Druckkräften in den Obergurten und Vertikalen. Die Mate-
Notwendigkeit für die Stabilisierung des Fachwerks bei wechselnden
rialisierung der Konstruktion folgt dieser unterschiedlichen Beanspru-
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE
97
95
98
95 Ansicht der GlasTex-Brücke als Fachwerk mit Glasscheiben als Druckglieder und Glasfasergeweben als Zugglieder 96 Grundriss und Ansicht des ausgeführten Prototypen mit einer Spannweite von 2 m 97, 98 Dialektik der assoziierten Eigenschaftsprofile von Glas und Textil
7.2
96
chung der Tragelemente. Die Druckglieder des Fachwerks sind als
Die Größe der Vorspannung hängt entscheidend von der Maßstäblich-
Flachgläser und die Zugglieder als biegeweiche Gewebebahnen aus-
keit der Konstruktion ab. Im Vergleich zu der projektierten Spannweite
geführt. Mit der Verwendung flächiger Tragelemente ist der Obergurt
von 20 Meter nimmt der stabilisierende Einfluss des von den Bau-
Tragelement und Brückenbelag zugleich _ Abb. 95.
teilabmessungen abhängigen Eigengewichts bei einer Skalierung stark
Die symmetrische Zuweisung von Druck- und Zugkräften wird
ab (s. auch Einleitung zu Kapitel 7).
(Menschenbewegungen, Schneeverwehungen etc.) gestört, wodurch
_ TRAGFÄHIGKEIT
es zu Lastumkehrungen in den Fachwerkelementen kommen kann.
Die statischen Analysen wurden mithilfe des Programms ExtraCAD
Die Größe der Umkehrung hängt vom Verhältnis zwischen dem gleich-
durchgeführt, das System wurde hierbei als ebenes Stabwerk (ESW)
mäßig verteilten Eigengewicht der Konstruktion und der Größe der
aufgefasst. Für die Lastfälle Eigengewicht (g), Schnee (s) und Einzel-
außermittigen Last ab.
last (P) wurden die auftretenden Kräfte in den Fachwerkelementen
Der Lastumkehrung wirkt die Vorspannung des Untergurtes am
bestimmt. Die notwendige Größe der Vorspannkraft kann unmittelbar
Auflager entgegen. Es entsteht ein statisch unbestimmtes System, das
aus der Größe der Punktlast bei Überlagerung mit dem Eigengewicht
sich nicht durch Verformung den Vorspannkräften entziehen kann. Die
gewonnen werden (g+P). Der Volllastfall (g+s+v+P) führt zu den ma-
Vorspannung generiert zusätzliche Vertikalkräfte in den Knoten des
ximalen Beanspruchungen und ist damit für die Spannungsnachweise
Untergurtes, wodurch ein außermittiger Lastangriff relativiert wird.
der Tragelemente maßgeblich _ Abb. 99, 100.
195
durch ungleichmäßig verteilte Verkehrslasten im Gebrauchszustand
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME
A
D g
v
B
v
P
E
g
s
PROJEKTE
101
C
P
F
P
g+s
v 99
v 102
A
99 Übersicht der auftretenden Lastfälle und der maßgeblichen Lastfallkombinationen A Eigenlast g B Schneelast s C Außermittige Punktlast P
B
D Vorspannung v E Lastfallkombination P+g (maßgeblich für Bestimmung der Vorspannkraft v) F Lastfallkombination P+g+s+v (maßgeblich für maximale Bauteilspannungen) 100 Systemanalyse als Ebenes Stabwerk (ESW) A System mit einwirkenden Lastfällen
C
B Normalkraftverteilung C Auftretende Verformungen 101, 102 Streifenzugversuch zur Bestimmung des
7.2
Elastizitätsmoduls der Glasfasergewebe 100
Die Gewebe werden monoaxial in Kettrichtung beansprucht. Durch
mitte bis 20 Zentimeter am Auflager zu. Untergurt und Diagonalen
Dehnungen kommt es zu Verformungen des Gesamtsystems. Die un-
bestehen aus einem silikonbeschichteten Glasfasergewebe. Die Textil-
ter Volllast auftretenden Dehnungen von 4 Prozent machen es erfor-
bahn des Untergurtes ist in der Mitte 10 Zentimeter breit und weitet
derlich, die Gesamtkonstruktion in der Mitte zu überhöhen. Die Gewe-
sich zu den Auflagern auf. Durch eine Taillierung der freien Ränder der
bebahnen werden so konfektioniert, dass der Obergurt unter Eigenlast
Gewebebahnen wird eine Faltenbildung vermieden.
einen geringen Stich aufweist, bei Volllast aber horizontal verläuft. Um
Bei dem Gewebe handelt es sich um das Glasfasertextil A TEX-
dem Abbau der Vorspannkräfte durch plastische Verformungsanteile
2000 TL der Firma Interglas. Das Material weist eine Reißfestigkeit von
der Textilien und Schlupf der Anschlusselemente entgegenzuwirken,
2000 N / 5 cm in Richtung von Kette und Schuss und eine Licht-
ist ein Nachspannen des Untergurtes erforderlich.
durchlässigkeit von 42 Prozent auf. Aufgrund der Beschichtung ist es wasser- und schmutzabweisend. Nach DIN 4102 ist das Gewebe als
196
_ KONSTRUKTION
UND DETAILS
nicht brennbar (B1) klassifiziert. Für eine beanspruchungsgerechte
Die Brücke wurde als Prototyp im Maßstab 1:10 mit einer Spannweite
Konfektionierung wurden von dem Institut für Textiltechnik an der RW-
von 2 Metern und einer Breite von 30 Zentimetern ausgeführt. Die
TH Aachen Streifenzugversuche durchgeführt, um die Spannungs-
Rechteckscheiben des Obergurts (20 cm x 30 cm) und die trapezför-
Dehnungs-Kennlinien zu ermitteln _ Abb. 101, 102.
migen Scheiben der vertikalen Druckspreizen bestehen jeweils aus
Während der Untergurt eine kontinuierliche Textilbahn darstellt,
3 mm Einfachglas. Die Höhe der Spreizen nimmt von 13 in der Feld-
besteht jede Diagonale aus einer einzelnen Textilbahn. Die Befesti-
108
104
107
109
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME
106
PROJEKTE
103
103–109 Detailausbildung Prototyp Scheiben- und Geweberänder sind linear über Aluminium-Strangpressprofile eingefasst und über Kontaktklotzungen oder Reibschlussverbindungen miteinander verknüpft. 103, 104 Detail Obergurt 105 Gewebebahn in der Untersicht 106, 107 Detail Untergurt 108, 109 Detail Auflager
7.2
105
gung der Gewebe mit den Scheibenelementen wird über strangge-
_ Abb. 18, 19
. Die darin geführten Vorspannseile werden jeweils auf
presste Aluminiumprofile bewerkstelligt. Die vertikalen Scheibenele-
beiden Seiten durch den Fundamentblock geführt, mit Umlenkrollen
mente sind an ihren parallelen Kanten in einem U-Profil gefasst. Auf
in die Vertikale gelenkt und über Spannschlösser an die Stahlprofile
den Steg dieses Profils wird am Obergurt ein weiteres Aluminiumprofil
angeschlossen, die die Fundamente an ihren Sohlen verbinden.
geschraubt, das die Kanten der Obergurtscheiben einfasst. Der Aluminiumsteg zwischen den Kanten dient der Übertragung der Druckkräf-
_ FUNKTION
te. Die diagonalen Textilbahnen werden zwischen die Flansche der
Mit der Verknüpfung der druckfesten, transparenten Glasscheiben
miteinander verschraubten Profile geklemmt. Um ein Herausrutschen
und der zugfesten, durchscheinenden Gewebebahnen „erreicht die
der Textilbahn zu verhindern, ist das Ende des Gewebes mit einer
Brücke im Sinne einer minimalistischen Gestaltungsauffassung hohe
Schiene gefasst
. Auch der Anschluss zwischen Unter-
formale Qualitäten“, so Robert Danz. [7.2/13] Die Anordnung der Diago-
gurt, Diagonalen und Druckspreize erfolgt über eine Klemmschiene
nalen führt dazu, dass der Blick des Fußgängers bis zur Mitte der
.
_ Abb. 106, 107
Brücke in die Tiefe gelenkt wird. Ab der Mitte sind die Diagonalen dem
Am Auflagerrand sind die Kantenprofile des Obergurts flächen-
Blick entgegen gerichtet, so dass der Nutzer wie „auf Wolken“ über
bündig der Länge nach in die aus Weißbeton gegossenen Funda-
den Abgrund schwebt. Die Konstruktion unterstützt damit eine inten-
mentblöcke versenkt und durch Aluminiumschienen abgedeckt. Die
sivere Wahrnehmung des Bewegungsprozesses _ Abb. 112, 113.
Untergurtbahn ist am Ende als parabelförmige Tasche ausgebildet
197
_ Abb. 103, 104
UND GESTALT
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME
114
113
115
PROJEKTE
112
110
110 Ansicht der taillierten Untergurtbahn 111 Schrägansicht des Prototypen 112, 113 Aufsichten des fertiggestellten Prototypen 112 Blick gegen die Diagonalen auf dem Brückenabschnitt von Mitte zu Rand 113 Blick mit den Diagonalen auf dem Brückenabschnitt von Rand zu Mitte
7.2
114, 115 Beschläge 111
_ FAZIT
UND AUSBLICK
Die Vorspannung ermöglicht eine materialspezifische Ausbildung des
Stufenverbundglas in der Gehfläche versenkt werden, an deren Enden
fachwerkartig aufgelösten Trägers. Flachgläser werden als Druckplat-
Profile zur Montage des Geländers anschließen.
ten in Verbindung mit Glasfaserbändern verwendet, die die Zugkräfte des Systems aufnehmen. Dabei wird das traditionelle Prinzip des Fachwerkträgers dahingehend interpretiert, dass der Querschnittsverlauf vom Verlauf der auftretenden Kräfte eines Einfeldträgers abweicht. In Verbindung mit den notwendigen Vorspannkräften führt dies bei einem höheren Materialaufwand zu der hohen gestalterischen Qualität und Lesbarkeit der Konstruktion. [7.2/14, 7.2/15] Die statischen Nachweise belegen, dass sich das System prinzipiell auch für eine Umsetzung im Maßstab 1:1 eignet. Eine stärkere Überhöhung des Obergurtes wäre für eine Überlagerung von Fachwerk- mit Bogentragwirkung sinnvoll, um die Kräfte in Spreizen und 198
zur Rutschhemmung versehen ist. Die Kantenprofile können durch ein
Textilbahnen zu reduzieren. Obergurt und Druckspreizen müssten aus Mehrfach-Verbundglas sein, dessen Oberfläche mit einem Siebdruck
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE 117
118
116 Ansicht des „Glass-Screen” im Maßstab 1:3 117 Ansicht bei Kunstlichtprojektion 118 Fotomontage der Projektionswand auf dem Theaterplatz zur Mittagszeit
7.2
116
PROJEKTIONSWAND „GL ASS -SCREEN“, A ACHEN, 2002
_ TRAGSYSTEM
_ ENTWURF:
Der „Glass-Screen“ stellt einen am Fußpunkt eingespannten, 7,50 Me-
RALF HERKRATH, GERALD KAMAU, JÖRG MAT THAEI,
TOBIAS MÜLLER, IBRAHIM TÜRK _ PROJEKTLEITUNG : _ PLANUNG
JAN WURM, RALF HERKRATH
UND AUSFÜHRUNG : KERSTIN BANDEKOW,
JONA KNOKE, MALGORZATA MEDER, PETER-RENÉ MENKEN
ter hohen Kragarm dar. Alle druckbeanspruchten Bauteile sind aus Glasflächen und alle zugbeanspruchten Bauteile aus stabförmigen Stahlelementen ausgebildet _ Abb. 116 . Die nach vorne konkav gewölbte Projektionsfläche setzt sich aus
Ausgangspunkt war der Wunsch des Aachener Stadttheaters, die Au-
system darstellen. Jede Trägerachse besteht aus acht pyramidischen
ßendarstellung mit einer Projektionswand auf dem Vorplatz zu verbes-
Glasmodulen. Diese setzen sich aus zwei verschiedenen, ebenen
sern. Wir wollten die Präsentation des Theaters nicht auf die proji-
Scheibenelementen unterschiedlicher Abmessung zusammen: Eine
zierten Inhalte beschränken, sondern auf die Gesamterscheinung der
quadratische Glasfläche wird auf der Rückseite durch zwei, am Aufla-
Projektionswand ausweiten. Durch Wandelbarkeit und Vielfalt des op-
ger durch vier senkrecht aufgestellte, gleichschenklig rechtwinklige
tischen Ausdrucks sollte der Werbeträger selber als „Schauspiel“ in-
Dreiecksscheiben stabilisiert. An den Kanten übereinandergestellt,
szeniert werden, ohne dabei in Konkurrenz zu dem klassizistischen
einem Kreisbogen folgend, bilden die Module mit einer Seilverspan-
Theaterbauwerk zu treten. Der „Glass-Screen“ ist eine selbsttragende
nung ein gekrümmtes Fachwerk.
Glaskonstruktion mit formaler Eigenständigkeit.
Ein Stahlseil, das von der Kragarmspitze über die Pyramidenspitzen
199
drei identischen Kragträgern zusammen, die jeweils ein eigenes Teil-
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE
122
119
120
123
119 Detail des ausgeführten Prototyps 120 Arbeitsmodell im Maßstab 1:25 (mit Vorspannseilen, die später bei der Umsetzung nicht erforderlich waren) 121 Isometrische Darstellung der Konstruktion: Die Projektionswand setzt sich aus drei Trägerachsen, jede Trägerachse aus acht Glasmodulen und jedes Glasmodul aus mehreren Glasscheiben zusammen. 122, 123 Ansicht der verwendeten Glasmodule 122 Glasmodul mit v-förmiger Scheibenanordnung
Glasmodul
Teilsystem
Gesamtsystem
123 Sondermodul am Auflager mit x-förmiger Scheibenanordnung
7.2
121
der Glasmodule zum Auflager führt, bildet den Obergurt des Systems.
tion nicht zu beeinträchtigen, sollte auf zusätzliche, externe Vorspann-
Die quadratischen, gelenkig verbundenen Scheiben der Projektions-
einrichtungen verzichtet werden. Für eine Umsetzung im Maßstab 1:1
fläche erzeugen die Untergurtebene. Die Diagonalen werden durch
konnte nachgewiesen werden, dass das Zusammenspiel einer verrin-
die Kanten der Dreiecksscheiben und durch Stahlseile gebildet, die an
gerten Windangriffsfläche durch größere Fugenbreiten mit einem er-
den Ecken der Untergurtscheiben angreifen _ Abb. 121.
höhten Eigengewicht insbesondere der oberen, weit ausladenden
Ausgangspunkt für die Ausbildung des Fachwerks ist die Kräfte-
Scheiben und einer Vergrößerung des Hebelarms durch einen ver-
verteilung des gekrümmten Trägers unter Eigengewicht. Für diesen
kleinerten Krümmungsradius zur Stabilisierung der Gesamtkonstrukti-
Lastfall entstehen im Untergurt kontinuierliche Druck-, im Obergurt
on ausreicht. Das erhöhte Eigengewicht sollte auch durch ein Edel-
kontinuierliche Zugkräfte. In den Diagonalen wechseln sich Druck-
stahlprofil aufgebracht werden, das als optischer und konstruktiver
und Zugkräfte mit Ausnahme des untersten Moduls ab. Dort herr-
Abschluss der Tragstruktur dient _ Abb. 127. [7.2/16]
schen Druckkräfte, entsprechend werden hier die Seile durch zusätz-
200
liche Gläser ersetzt _ Abb. 122, 123.
_ KONSTRUKTION
UND DETAILS
Von besonderer Bedeutung ist die Stabilisierung der Tragstruktur
Der Prototyp im Maßstab 1:3 wurde konzipiert, um im Foyer des Fir-
für Winddruckkräfte, die frontal auf die Projektionsfläche einwirken.
mensitzes eines Hauptsponsoren zur Aufstellung zu kommen. Das
Diese können zu umgekehrten Kräfteverteilungen, zum Ausfall der
Grundmodul weist eine Kantenlänge von 33 Zentimetern auf. Der Pro-
Obergurtseile und damit zum Systemversagen führen. Um die Projek-
jektionsschirm, der sich aus 3 x 8 Elementen zusammensetzt, ist bei
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE 124
126
127
124 Vorderansicht der Projektionswand 125 Numerische Analyse der Tragkonstruktion: Normalkraftdiagramme bei verschiedenen Lastfällen (Zugkräfte sind violett, Druckkräfte blau dargestellt) 1 Lastfall Eigengewicht 2 Lastfall Eigengewicht und Wind 3 Lastfall erhöhtes Eigengewicht und Wind 4 Lastfall Vorspannung und Wind (Konstruktionsvariante) 1
2
3
4 126 Rückansicht der Projektionswand 127 Detailausschnitt der Tragkonstruktion
7.2
125
einer Höhe von 2,50 Meter und einem Radius von 3,65 Meter. Alle
Ein zentraler Aspekt ist die Vorfertigung der Glasmodule. Angren-
Glaselemente bestehen aus 6 Millimeter Floatglas. Die Fugen zwischen
zende Glasdreiecke werden über Kantenverklebungen entlang einer
den Gläsern betragen 18 Millimeter. Auf eine Ausführung als VSG wur-
Schenkelseite mit der Projektionsscheibe und entlang der anderen
de verzichtet. Alle Anschlussteile zwischen den Gläsern sind aus Alu-
Schenkelseite untereinander verklebt. Als Klebstoff wurde Photobond
minium-Halbzeugen gefertigt. Die Scheiben der Projektionsebene
GB 368 der Firma Delo verwendet, ein unter UV-Licht aushärtender,
sind durch einen keilförmigen Vollstab 15/6 mit Hartgummiauflage
transparenter Acrylatklebstoff mit sehr guter Alterungsbeständigkeit.
miteinander verklotzt und über 2 Millimeter starke, gekantete Knoten-
Bei Bruch eines Glaselementes in der mittleren Trägerachse können
bleche in der Lage gesichert. Im Schwerpunkt des Knotendetails grei-
die Kräfte auf die äußeren Teilsysteme umverteilt werden. [7.2/17]
fen über eine Ösenschraube und Seilklemmen Diagonalseile der Stär_ Abb. 128, 129
. Die aufgesteckten u-Profile sind
_ FUNKTION
UND GESTALT
Der „Glass-Screen“ dient der Eigenwerbung des Theaters. Die Schei-
bunden. Durch die Muffen werden Diagonal- und Obergurtseile ge-
ben der Projektionsebene sind mit einer transluzenten Folie beklebt
führt und fixiert _ Abb. 130, 131. Der Anschluss der Tragstruktur an die
und werden über eine Frontalprojektion bespielt. Für die Ausführung
Bodenplatte aus 12 Millimeter Stahlblech erfolgt über Bodenhalter
im Maßstab 1:1 bieten sich in VSG eingebettete transluzente PVB-Fo-
und Seilspanner. Im Bereich der Projektionsebene werden die Schei-
lien an. Die an den Projektionsabstand angepasste Krümmung der
ben über aufgeschweißte Stahllaschen verklotzt.
Projektionsebene gewährleistet ein verzerrungsfreies Bild. Darüber
201
ke 1,5 Millimeter an
über eine Kopfplatte mit einer Zylindermuffe mit Innengewinde ver-
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME
1 1 2 3
2
4
3
5
4 5
PROJEKTE
1 2 3 4 5
128
130
132
129
131
133
130, 131 Detail Anschluss Zuggurt (Regeldetail)
132, 133 Detail Anschluss Zuggurt (am Auflager)
1 Zugdiagonale mit Seilklemme
1 Zuggurt, Drahtseil 2 mm
1 Zuggurt, Drahtseil 2 mm
2 Ösenschraube M4
2 Zugdiagonale, Drahtseil 1,5 mm
2 Zugdiagonale, Drahtseil 1,5 mm
3 Verklotzung, Aluminiumvollprofil 15/6
3 Zylinderhülse M4 mit Innengewinde
3 Zylinderhülse M4 mit Innengewinde
4 Knotenbleche, Aluminium d = 2 mm
4 Kopfbeschlag, Aluminium
4 Kopfbeschlag, Aluminium
5 Druckgurt, Floatglas 6 mm
5 Druckdiagonale, Floatglas 6 mm
5 Druckdiagonale, Floatglas 6 mm
7.2
128, 129 Detail Anschluss Druckgurt
hinaus kann der „Glass-Screen“ durch das sich wandelnde Tageslicht als Lichtskulptur erfahren werden. Die gekrümmte Glasfläche erzeugt ein facettenreiches Lichtspiel aus Schattenwurf, Spiegeleffekten und Durchsichten.
_ FAZIT
UND AUSBLICK
Die Krümmung der Projektionswand leitet sich aus konstruktiven, funktionalen und gestalterischen Anforderungen ab. Die Ästhetik der Struktur ist vor allem auf die eindeutige Zuordnung von Druck- und Zugkräften und deren materialbezogene, tektonische Umsetzung zurückzuführen. Die Stabilisierung der Struktur durch das Eigengewicht vermeidet zusätzliche Tragelemente, muss aber auch den jeweiligen Windbedin202
gungen vor Ort angepasst werden. Für eine abschließende Bewertung der Tragkonstruktion sind Versuche zur Schwingungsanfälligkeit und zum Bruchverhalten der geklebten Glasmodule notwendig.
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE 134
134 Schrägansicht des im Maßstab 1:4 ausgeführten Prototypen 135, 136 Überdachung St. Pius IX. in Köln Flittard, Untersicht der Tragkonstruktion, Innenaufnahme 135
136
GL ASDACH „SOL AR BRID GE“
im Maßstab 1:4 mit der Firma Glass Solar ausgeführt und auf der Son-
PROTOT YP FÜR EIN DACHELEMENT MIT INTEGRIERTEN
derschau der glasstec 2002 vorgestellt. Aufgrund der integrierten Fo-
FOTOVOLTAIK-MODULEN, 2001 – 2002
tovoltaik-Elemente erhielt das Projekt den Namen „Solar Bridge“.
_ ENTWURF,
7.2
vom Modell im Maßstab 1:50
PLANUNG UND AUSFÜHRUNG : JAN CYRANY,
RON HEIRINGHOFF, DALIBOR HLAVACEK, FLORIAN NITZSCHE _ TECHNISCHE
BERATUNG : CHRISTOF ERBAN, SAINT-GOBAIN GLAS
Das Glasdach, das über das Kirchenschiff von 12 Meter spannen sollte, setzt sich aus einer Reihung von unterspannten Trägern zusam-
SOLAR, AACHEN _ PROJEKTLEITUNG :
_ TRAGSYSTEM
JAN WURM
men. Die Obergurtscheiben des Trägers bildeten die Dacheindeckung
Die „Solar Bridge” stellt einen Vorschlag für eine Kirchenüberdachung
Einfeldträgers bei Gleichlast. Dies führt dazu, dass die Platte sich über
dar. Das Planungsteam wollte, dass das einfallende Tageslicht an der
den Druckspreizen auf dem Seil „abstützen“ kann. Bei asymmet-
Glasdecke wie an Kristallleuchtern durch Mehrfachreflexion gestreut
rischen Lastverteilungen entstehen Biegemomente, die vom Obergurt
und gleichmäßig im Innenraum verteilt wird. Der konstruktive Einsatz
aufgenommen werden. Die Ausbildung des Obergurtes als durchlau-
von Glas geht damit auf den angestrebten kristallinen Charakter der
fende, biegesteife Glasplatte stellt die zentrale Herausforderung dar.
Dachstruktur zurück. Eine Trägerachse der Konstruktion wurde als unterspannter Träger
203
der Halle. Die Geometrie des Seils entspricht dem Kräfteverlauf des
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME
3 000 300
600
300
600
300
600
300
215 325
B
750
PROJEKTE
138
137
139
140
137 Varianten für die Geometrie der Seilführung in der Untersicht 138, 139 Seitenansicht des Prototypen 140, 141 Momentenverläufe der Platte bei Gleichlast ohne und mit Vorspannung der Untergurtseile (Angaben in kNm): Durch die Vorspannung können Stützund Feldmomente angeglichen werden.
7.2
141
_ KONSTRUKTION
und 30 und 19,5 Zentimeter hoch und setzen sich aus 4 Millimeter
Da die projektierte Spannweite von 12 Metern die maximale Ferti-
starken trapezförmigen Floatgläsern zusammen. Eine kraftschlüssige
gungsgröße von Flachglas überschreitet, kann der Obergurt nicht als
Kantenverklebung verhindert das Beulen der Flächenelemente. Im
monolithische Platte ausgeführt werden – dies sollte auch in der maß-
Bereich der Anschlüsse der Glaskörper an den Obergurt ist die unters-
stäblichen Herstellung des Prototypen mit einer Spannweite von 3 Me-
te Glasschicht unterbrochen, um einen Formschluss der Bauteile zu
tern berücksichtigt werden. Die kontinuierliche Biegesteifigkeit wird
ermöglichen _ Abb. 143 – 147.
204
durch versetzte Stöße von insgesamt vier Glaslagen aus 4 Millimeter TVG gewährleistet. Die Gesamthöhe der Platte beträgt 22 Millimeter.
_ DETAILS
Die 50 Zentimeter breiten Scheiben mit den unterschiedlichen Längen
Die Fertigung der Glaspyramiden und des durchlaufenden Obergurts
von 30, 60 und 90 Zentimeter bilden untereinander einen schubfes-
stellen besondere Anforderungen an die Klebetechnik. Die Einzelteile
ten Verbund. An jeder Stelle ist ein mittragender Querschnitt gegeben,
der gläsernen Pyramiden werden über Kantenverklebungen mit Aral-
der der Hälfte der gesamten Trägerhöhe entspricht _ Abb. 142.
dit 2020, einem niedrigviskosen, wasserklaren Klebstoff auf Epoxyd-
Die Unterspannung wird durch zwei parallel geführte, 3 Millimeter
harzbasis miteinander verbunden. Die Verklebung erhöht die Steifig-
dicke Inox-Litzenseile gebildet und weist mit 30 Zentimeter eine Schei-
keit der Bauteile und gewährleistet zusätzlich die Abdichtung der Glas-
telhöhe von l/10 auf. Drei prismatische Druckspreizen aus Glas stüt-
körper. Bei einem eventuellen Versagen der Verklebung sichern die
zen sich auf der Seilführung ab. Sie sind 60 Zentimeter lang, 25 breit
Seilunterspannungen die Lage der Scheiben.
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE 142
143
142 Konzeptdarstellung zur Schichtung der Tragelemente (die Schichtenfolge entspricht nicht dem ausgeführten Prototypen)
144
146
143 Aufsicht des semitransparenten, mit Fotovoltaikzellen belegten Prototypen 3
5
4
144, 145 Anschluss Glasplatte an Glasspreize 1 Mehrteilige Glasplatte, aus 4 mm TVG und 2 mm Zwischenschichten aus Gießharz
1
2 Glasspreize, Glaskörper aus 4 mm Floatglas 146, 147 Anschluss Unterspannung an Glasspreize 3 Inoxseil 3 mm 4 Anschlusselemente aus 3 mm Stahlblech 145
147
Der Verbund der Scheiben des Obergurtes erfolgt flächig über 2 Milli-
_ TRAGFÄHIGKEIT
meter dicke Zwischenschichten aus Gießharz. Die Vorgehensweise bei
Für die Bemessung wurde das System als räumliches Stabwerk aufge-
der Verklebung der Einzelscheiben entspricht dabei der Herstellung
fasst. Die ermittelten Stabkräfte wurden auf eine mittragende Platten-
von Photovoltaik-Elementen.
breite umgerechnet, um überschlägig die Spannungen im Glas zu
Aufgrund der großflächigen Verklebung können die Schubkräfte
bestimmen. Die Anordnung der Spreizen führt unter Volllast zu Stütz-
bei geringer Beanspruchung des Harzes gleichmäßig in die Bauteil-
momenten im Glas, die etwa den Biegemomenten im Obergurt ent-
querschnitte eingeleitet werden. Das Harz ist UV-stabil, verliert bei
sprechen, welche aufgrund des asymmetrischen Lastanteils bei ein-
zunehmender Temperatur aber an Steifigkeit.
seitiger Schneelast erzeugt werden. Für eine Optimierung des Mo-
Die seitliche Auflagerung der Platte erfolgt über ein U-Profil
mentenverlaufs wurde das System durch die Untergurtseile vorge-
40/35/5, an das auch die Seile der Unterspannung mit Spannschlös-
spannt. Die Biegemomente erfordern eine statische Höhe von 10 Mil-
sern angreifen. Zum Übertragen der Druckkräfte im Obergurt ist der
limeter an jeder Stelle des Obergurtes. Die für die Bemessung der
Zwischenraum von Platte und Stahlprofil mit Hilti Hit HY-50 kraft-
Seile maßgeblichen Zugkräfte von je 1 kN ergeben sich aus dem Last-
schlüssig verfüllt _ Abb. 148.
fall Volllast (Eigengewicht und Schnee).
7.2
2
Die Biegesteifigkeit des Obergurtes wurde durch Tragfähigkeitsversuche ermittelt. Die mehrteilige Platte weist gegenüber einer monolithischen Platte aufgrund der kombinierten kleinteiligen Glaselemente
205
5 Injektionsmörtel
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME
100
35
2 2 22 2
8 1
9
4
6 10 5 4
3
7
PROJEKTE
150
148
151
10 mm 500 mm 42 mm
64 mm
10 mm
64 mm
64 mm
3006 mm
149
148
Anschluss Glasplatte an Unterspannung und Auflagerkonstruktion
7 Konsole aus 5 mm Stahlblech
1 Mehrteiliger Obergurt
8 Abdichtung aus Moosgummi
2 Inoxseil 3 mm
9 Bolzen 8 mm
3 Gabel mit Außengewinde und Spannschloss
10 Injektionsmörtel
150
5 U-Profil 40/35/5
149
Mehrteilige Glasplatte: Verteilung der Fotovoltaikelemente und Kabelführung
151
Anschluss der Unterspannung an die Unterkonstruktion
7.2
6 L-Profil 100/65/8
Einfassung Glasplatte an Auflager durch U-Profil mit Kabelaustritt
4 Stahlblech 3 mm
eine bessere Resttragfähigkeit auf. Jeder Kantenstoß stellt eine künst-
_ FAZIT
liche Phasengrenze dar, so dass die Rissausbreitung begrenzt bleibt.
Das flächige Verkleben von Glasscheiben mit versetzten Fugen stellt
Falls die Platte die gesamte Biegesteifigkeit verliert und durchsackt,
einen Lösungsansatz für eine kontinuierliche Biegesteifigkeit bei groß-
würden die Seile der Unterspannung ein Herabfallen des Glasele-
formatigen Glasplatten dar. Eingehende Untersuchungen über das
mentes verhindern.
Fließverhalten des Harzes sind erforderlich, um eine praxisorientierte
UND AUSBLICK
Anwendung vorzubereiten und das Herstellungsverfahren entspre_ GESTALT
UND FUNKTION
Die Gießharztechnologie ermöglicht die Integration von Fotovoltaikzellen in den Obergurt, aktive Energiegewinnung und Sonnenschutz können verbunden werden. Unter der obersten Glasschicht aus Weißglas sind entsprechend dem Raster der Glasformate 10 PV-Felder mit je 21 Zellen integriert _ Abb. 149. Das Belegungsmuster der Zellen kann für mehrere funktionale und gestalterische Anforderungen variiert wer206
den. Die plastische Ausformung der prismatischen Glaskörper tritt deutlich hervor. Sie dienen in bauphysikalischer Hinsicht als Reflektoren sowohl für das einfallende Sonnenlicht als auch für den Raumschall.
chend weiterentwickeln zu können. [7.2/18]
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME PROJEKTE
152
153
152
154
Vorentwurf Überdachung St. Pius X, Köln Flittard, Trägerrost als Lichtlenkraster auf einer Grundfläche von 15 m x 24 m
153
Untersicht des Plattentragwerks im Modell
154
Strukturmodell des Tetra-Tragrosts im Maßstab 1:5
155
Computersimulation des Raumflächentragwerks auf einer Grundfläche von 12 m x 12 m
7.2
155
TETR A-TR AGROST
_ TRAGSYSTEM
PROTOT YP FÜR EIN GL ASDACH ALS LICHTDECKE, 2001
Das Tragsystem stellt sich als vierseitig gelagerte, quadratische Platte
_ ENTWURF,
PLANUNG UND AUSFÜHRUNG : JIRI HLAVKA,
dar. Die Tragstruktur basiert auf dem Geometriemodell eines ebenen
SASCHA RULLKÖT TER, DANIEL SEIBERTS, SEBASTIAN SPENGLER,
räumlichen Knoten-Stabtragwerkes (s. auch Kap. 6); als Raumbau-
IBRAHIM TÜRK
stein dient der regelmäßige Tetraeder. Eine ebene Anordnung der Te-
_ PROJEKTLEITUNG :
JAN WURM
traeder bildet in Verbindung mit einer Ober- und einer Untergurtebene
Eine Variante für die Überdachung des Kirchenschiffes sieht vor, die
lichen Diagonalen dar. Ober- und Untergurtebene bilden jeweils ein
Dachstruktur für den 15 m x 24 m messenden Raum als Tageslichtras-
Quadratnetz, die beiden Netze sind untereinander um eine halbe Ras-
ter aufzufassen. Das Seitenverhältnis des Grundrisses von 3:5 ermög-
tereinheit in jeder Richtung verschoben. Alle Netzstrecken weisen die
licht dabei ein zweiachsig gespanntes, umlaufend gelagertes Tragsys-
gleiche Länge auf _ Abb. 156 – 159.
tem. Der erste Ansatz, die Rasterstruktur als Trägerrost zu entwickeln,
Bei diesem „Raumflächentragwerk“ wird die Fachwerkgeometrie
wurde aufgrund der hohen Biegezugspannungen im Glas zugunsten
mit Stab- und Flächenelementen umgesetzt. Die Tetraeder setzen sich
eines räumlich aufgelösten Plattentragwerks verworfen, das für eine re-
aus vier dreiecksförmigen Glaselementen zusammen. Die Tetraeder-
duzierte Grundrissgröße von 12 m x 12 m weiterbearbeitet wurde. Ein
kanten, die durch die Stöße der Glasscheiben gebildet werden, bilden
Strukturmodell wurde im Maßstab 1:5 aus Plexiglas realisiert.
die Diagonalen des Systems. Die im Wesentlichen druckbeanspruchte
207
ein räumliches Fachwerk. Die Kanten der Tetraeder stellen die räum-
PROJEKTE
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME
Struktur 156
Normalkräfte Obergurt 157
Normalkräfte Diagonalen 158
160
156 – 159 Geometriemodell und Kräfteverteilung in Obergurt, Diagonalen und Untergurt für ein ebenes Knotenstabtragwerk 160 Umsetzung des Geometriemodells als TetraTragrost: Glasscheiben bilden den Obergurt, Glastetraeder die räumlichen Diagonalen und ein Seilnetz die Untergurtebene.
159
7.2
7.2
Normalkräfte Untergurt
Obergurtebene wird durch plattenförmige Glaselemente und die Un-
_ TRAGFÄHIGKEIT
tergurtebene durch sich kreuzende Seilscharen erzeugt, die punktuell
Das räumliche Tragwerk ist statisch hochgradig unterbestimmt, es
an die Tetraeder angeschlossen werden _ Abb. 160.
existiert also eine Vielzahl unterschiedlicher Lastwege. Dies hat zur
Um die Zugkräfte in den Diagonalen zu relativieren, sind die einzelnen Glaskörper durch innen liegende Stahlseile vorgespannt.
Folge, dass mehrere Tragelemente ausfallen können, ohne dass es zu einem Systemversagen der Gesamtstruktur kommt. Das Herabfallen beschädigter Tragelemente kann durch das Seilnetz der Untergurt-
_ KONSTRUKTION
ebene verhindert werden. Unter der hypothetischen Annahme, dass
Das Tragwerk wurde als Modell im Maßstab 1:5 als quadratische Plat-
alle Glaselemente versagen und die Plattenwirkung verloren geht,
te mit einer Kantenlänge von 2,40 Meter, einem Rastermaß von 40
kann die Untergurtebene die Resttragfähigkeit sicherstellen, wenn
und einer Höhe von ca. 30 Zentimetern umgesetzt. Das Strukturmo-
diese bei entsprechender Verankerung im Auflagerbereich als tra-
dell, das die komplexe Geometrie der Tragstruktur erfahrbar macht, ist
gendes Seilnetz wirken kann.
aus 4 Millimeter starken Plexiglasplatten gefertigt.
208
Die Platte wird in beiden Tragachsen von je sechs Tetraedern mit
_ FUNKTION
UND GESTALT
einer Kantenlänge von 40 Zentimeter aufgespannt, so dass insgesamt
Die prismatischen Glaskörper weisen ein ähnliches optisches Verhal-
36 solcher Glaskörper die Tragwerkebene bilden. Die Einzelscheiben
ten wie Prismen- oder Lichtlenkgläser auf. Bei entsprechender Aus-
der Tetraeder werden untereinander durch Kantenverklebungen gefügt.
richtung des Tragwerks zum Sonneneinfall kann durch Mehrfachrefle-
DER GLASHOF – EBENE TRAGSYSTEME
163
1
2
PROJEKTE
161
3
4
162
164
166
161 Schematische Darstellung von Mehrfachreflexion und Lichtlenkung an den Glasflächen der Tetraeder 162 Computersimulation der Glaskörper für eine Spannweite von 12 m 163 Ansicht im Maßstab 1:5 164, 166 Anschlusspunkt Untergurt 1 Tetraeder aus 4 mm Acrylglas 2 1 mm Drahtseil verzinkt, über Simplexklemmen mit Ringschraube verbunden 3 Kopfplatte, 3 mm Aluminiumblech 4 2 mm Drahtseil und verzinkte Zylinderhülse mit Innengewinde 165 Schrägansicht Modell
7.2
7.2
165
xion an den Tetraederflächen das direkt einfallende Sonnenlicht zu-
steife Stabroste ausgeführt werden und die Tetraederkanten mit die-
rückgeworfen werden. Die Tageslichtlenkung kann durch spezielle
sen verbunden werden.
winkelselektive und reflektierende Beschichtungen der Gläser verstärkt werden. Ein innen liegender Sonnenschutz kann gewährleistet werden, indem die Flächen der Tetraeder teilweise aus transluzenten oder opaken GfK-Platten gebildet werden.
_ FAZIT
UND AUSBLICK
Das Baukastensystem ermöglicht einen hohen Vorfertigungsgrad, eine rationelle Montage und eine problemlose Anpassung an verschiedene Spannweiten. Das Tragmodul des Glastetraeders stellt aber hohe Ansprüche an Fertigung und Detaillierung. Bei der notwendigen Weiterentwicklung des Systems für eine UmSo können die knotenförmigen Anschlüsse zwischen den Tetraedern vermieden werden, wenn die Unter- und Obergurtebenen als biege-
209
setzung im Maßstab 1:1 sind strukturelle Vereinfachungen möglich.
DAS GLASBAND – GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE
1
1, 2
Das Haupttragwerk der Dachkonstruktion besteht aus Dreigelenkbögen, die jeweils aus zwei VSG-
7.3
Schwertern zusammengesetzt sind. 2
_
aus zwei Glasschwertern aus VSG mit einer mittigen, 15 Millimeter
_
dicken ESG-Scheibe und zwei seitlichen, 10 Millimeter dicken TVG-
_
Scheiben, die im First einen gelenkigen Anschluss bilden. Gegen seitliches Ausknicken sind die Glasschwerter untereinander mit Stahl-
_ _
rohren verbunden. Die Rohre sind gleichzeitig die Nebenträger für die
7.3
DAS GL ASBAND – GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME
2,50 m x 0,8 m großen Dacheindeckungsscheiben, die über v-förmige Arme und Punkthalter aus Edelstahl befestigt werden. Die Glas-
LINDENER VOLKSBANK, HANNOVER, 1996
schwerter sind an den Auflagerpunkten in Stahlschuhe eingegossen
_ ARCHITEKTEN:
_ Abb. 1, 2
BERTRAM BÜNEMANN PARTNER GMBH,
Um im Zerstörungsfall aller drei Scheiben eines VSG die Resttrag-
HANNOVER _ INGENIEURE:
. [7.3/1]
LUDWIG & WEILER GMBH, AUGSBURG
fähigkeit des Balkens sicherzustellen, verläuft jeweils entlang der un-
210
teren Glaskanten ein Stahlseil, das die Biegezugkräfte ableiten kann. Für den Umbau eines Bankgebäudes wurde eine Ganzglaskonstrukti-
Der durch das gläserne Haupttragwerk erzielte Zugewinn an
on für die Überdachung des 9 Meter breiten Innenhofs entwickelt. Das
Transparenz wird durch die optisch sehr präsenten rohrförmigen Ne-
Haupttragwerk wird durch fünf Dreigelenkbögen gebildet, die im Ab-
benträger relativiert.
stand von 2,50 Meter angeordnet sind. Die Bögen bestehen jeweils
DAS GLASBAND – GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE 3
4
5
3 – 5 Die Loggia setzt sich aus mehreren Bogenglaselementen zusammen, die vormontiert
7.3
auf die Baustelle geliefert wurden.
LO GGIA, WASSER ALFINGEN / A ALEN, 2000
erfolgt. Aufgrund der kontinuierlichen Auflagerung weist jedes Ele-
_ ARCHITEKTEN:
ment das Tragverhalten einer kurzen Tonnenschale auf.
FREIE PLANUNGSGRUPPE 7, STUT TGART
_ TRAGWERKSPLANUNG :
WEISCHEDE, HERRMANN UND PARTNER
GMBH, STUT TGART
Die Stichhöhe von 30 Zentimetern entsteht unter Krafteinwirkung durch Kaltverformung einer planen Scheibe, so dass ein statisch un-
Die Dachkonstruktion setzt sich aus Bogenglas Elementen zusammen,
dem Fixieren der Form. Die Kraftübertragung an den Klemmhaltern
die von der Firma Maier-Glas als Glasbauelement für Überkopf- und
erfolgt über 10 Zentimeter lange Frästeile, die über einen Vergussmör-
Fassadenverglasungen entwickelt worden sind (s. Kap. 3).
tel mit dem Scheibenrand formschlüssig verbunden sind. Durch die
Die Überdachung ist 14 Meter lang und 6 Meter breit. Auf zwei seit-
Krümmung werden die Elemente versteift, die auftretenden Druck-
lichen Stützenreihen lagern sieben Bogenglaselemente. Jedes Ele-
kräfte erlauben einen effizienten Materialeinsatz. Für das Zulassungs-
ment misst 5,40 Meter in der Länge und 2 Meter in der Breite und
verfahren waren Untersuchungen über die Schubsteifigkeit der PVB-
besteht aus einem VSG aus 2 x 12 mm ESG. Die Elemente werden
Folie erforderlich. Für den Lastfall Schnee, wurde die Verbundwirkung
mechanisch an vier von dem Scheibenrand eingerückten Klemm-
der Folie berücksichtigt. Die Bauteilversuche zum Nachweis der Rest-
punkten gehalten, wobei die gegenüberliegenden Lagerpunkte durch
tragfähigkeit zeigen, dass auch bei Bruch einer Glasscheibe im VSG-
einen Zugstab verbunden sind. An den Zugankern sind Befestigungs-
Verbund das System voll tragfähig ist. Beim Bruch beider Scheiben
körper integriert, mit denen ein Anschluss an die Unterkonstruktion
legt sich das Element auf den Zugstäben ab. [7.3/2, 7.3/3, 7.3/4]
211
bestimmtes, vorgespanntes System vorliegt. Die Zuganker dienen
DAS GLASBAND – GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE
6
7
6 – 8 Durch die diagonalen Vorspannseile, die an den Ecken der Scheiben angreifen, entsteht in der Zylindertonne ein Schalentragverhalten. Die Konstruktion wird durch zusätzliche Seilspinnen ausgesteift. 6 Die Glastonne im städtischen Kontext 7 Detail der Konstruktion 8 Blick aus dem Innenhof auf das Tragwerk
7.3
8
MA XIMILIANMUSEUM, AUGSBURG, 2000
diagonal verlaufender, vorgespannter Stahlseile und über zusätzliche
_ PLANUNG :
Seilspinnen in jeder fünften Querachse. Die Seile greifen an sternen-
HOCHBAUAMT AUGSBURG
_ INGENIEURE:
LUDWIG & WEILER, AUGSBURG
_ AUSFÜHRUNG :
SEELE GMBH & CO. KG, GERSTHOFEN
förmige Zentralknoten an, und Klemmteller dienen der Lagesicherung und der Aufnahme von Seildifferenzkräften. Für die Zulassung waren Traglast- und Resttragfähigkeitsversuche an einem Tonnensegment
212
Der 13,5 Meter breite und 37 Meter lange, historische Innenhof des
im Maßstab 1:1 notwendig.
Maximilianmuseums in Augsburg wird durch eine Tonnenschale aus
Die Glasscheiben werden mit maximal 5 Tonnen pro Ecke belas-
Glas mit einer Stichhöhe von 4 Meter überdacht. Die Kreiszylinderton-
tet. Für die Dimensionierung der VSG-Scheiben aus 2 x 12 mm
ne setzt sich aus gleichformatigen, annähernd quadratischen Schei-
starkem TVG waren aufgrund der großen geometrischen Schlankheit
ben (0,97 m x 1,17 m) zusammen. Die Druckkräfte werden durch
weniger die maximal auftretenden Spannungen als die Untersu-
werkseitig angebrachte, über Injektionsmörtel gekoppelte Verbin-
chungen zum Stabilitätsversagen durch Beulen der Scheiben aus-
dungsschuhe an den gekappten Glasecken aufgenommen. Die Ver-
schlaggebend. Die Knicklänge der Scheiben wird durch die mit den
bindungsschuhe werden durch Edelstahlknoten kraftschlüssig mitein-
Klemmtellern erzielte Einspannung am Knotenpunkt verringert. Die
ander verbunden, so dass die Glasscheiben als vollwertiges Konstruk-
Montage der kompletten Konstruktion erfolgte über ein Lehrgerüst aus
tionselement herangezogen werden. [7.3/5, 7.3/6, 7.3/7]
Holz. Die Konstruktion dokumentiert das bemerkenswerte Potenzial
Die Stabilisation der Tonne erfolgt durch ein Netz durchgehender,
von Flächen-Tragwerken aus Glas _ Abb. 6 – 8.
DAS GLASBAND – GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE 9
10
11
9 – 12 Prototyp des parabelförmigen
10 Anschluss Obergurt
12
9 Gesamtsystem 11 Anschluss Untergurt
einer Spannweite von 5 m
12 Anschluss Auflager
7.3
Dreigurt-Fachwerkbogens mit
PROTOT YP FÜR EINE L ÄRMSCHUT ZÜBERDACHUNG
um so die Konstruktion stabilisieren zu können. Bei dem Modellver-
TU HAMBURG -HARBURG, 1999
such wurden symmetrisch und asymmetrisch verteilte Flächenlasten
_ ENTWURF:
durch an den Knoten abgehängte Gewichte simuliert.
THOMAS SCHADOW UND FRITHJOF VELLGUTH
MIT PROF. WOLFGANG MAIER UND PETRA WEILER
Bei dem Versuch wurden VSG-Scheiben aus 2 x 5 mm ESG verwendet. Bei den vorab durchgeführten rechnerischen Untersuchungen
Als Vorschlag für die Überdachung einer sechsspurigen Stadtauto-
wurden nur die unteren Scheiben für die Lastabtragung herangezo-
bahn zum Lärmschutz der Anwohner wurde eine Dreigurt-Bogenkons-
gen. Die Lastumlagerung auf die obere VSG-Scheibe wurde durch die
truktion mit einer Spannweite von 10 Metern entworfen.
Zerstörung der unteren Scheibe simuliert. Der Resttragfähigkeitsnach-
In dem räumlichen Fachwerksystem übernimmt die Glaseinde-
weis bei Totalversagen einer Glasscheibe konnte im Rahmen der Stu-
ckung als Druckgurt primäre Tragfunktionen. Um Aussagen über das
dienarbeit an einem einzelnen Fachwerkbogen nicht untersucht wer-
Tragverhalten der Konstruktion treffen zu können, wurde ein Ver-
den. Eine Ausführung der Scheiben aus TVG erscheint mit Hinblick
suchsmodell im Maßstab 1:2 geplant und ausgeführt _ Abb. 9.
auf die Resttragfähigkeit der Glasbauteile aber sinnvoll. [7.3/8]
Der Glasbogen folgt der Form der Stützlinie. Zur Stabilisierung gefachwerk verbunden. Stahlstäbe bilden die räumlichen Diagonalen. Das Untergurtseil wird durch eine Auflagerverschiebung vorgespannt,
213
gen einseitige Belastungen werden die Glasscheiben mit einem Stahl-
DAS GLASBAND – GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE
13
14
13
15
Vorentwurf: Untersicht der Konstruktion (Verfasser: H. Bosbach, M. König)
14
Modell eines Konstruktionssegments: der „GlasTex-Bogen“
15
Untersicht der Gesamtkonstruktion, Computersimulation
16
Ausgeführter Prototyp des Bogens im Maßstab 1:4
7.3
16
„GL ASTE X-BOGEN”
2002 in Düsseldorf im Maßstab 1:4 ausgestellt und gewann den Son-
PROTOT YP FÜR EIN GL ASDACH MIT INTEGRIERTEM
derpreis des „Bunds deutscher Baumeister“.
SONNENSCHUT Z , 2001 _ ENTWURF
UND PLANUNG : HENRIKE BOSBACH,
SABINE EINHÄUSER, MICHAEL KÖNIG, AGI SOBOT TA _ PROJEKTLEITUNG :
RALF HERKRATH, JAN WURM
_ TRAGSYSTEM
Der Obergurt des „GlasTex-Bogens“ wird durch gleichformatige, gelenkig miteinander verbundene Glasscheiben gebildet und stellt damit ein Faltwerk dar. Infolge der Bogenwirkung stellen sich bei Eigenge-
Das Projekt „GlasTex-Bogen“ stellt ein Entwurfsprojekt für eine Kir-
wicht Druckkräfte in den Glasscheiben ein. Aufgrund der fehlenden
chenüberdachung dar. Das Planungsteam wollte einen Kircheninnen-
Biegesteifigkeit muss das System für asymmetrische Lastfälle aus
raum mit blendfreiem, gleichmäßigem Tageslicht versorgen und die
Wind und Schnee durch Vorspannkräfte stabilisiert werden. Diese ra-
direkte Sonnenstrahlung reduzieren, um eine Aufheizung des Innen-
dial gerichteten Kräfte werden über fachwerkartig angeordnete Textil-
raums zu vermeiden. Das natürliche Licht sollte in Abhängigkeit von
bahnen, die in den Kantenstößen angreifen, gleichmäßig in die Gläser
Tages- und Jahreszeit erfahren werden können.
eingebracht und über die Untergurtseile und die Kehlseile der Textil-
214
Die Formfindung wurde von dem Wunsch motiviert, den Sonnenschutz in die Konstruktion einzubinden. Der Prototyp mit einer Spannweite von 15 Metern wurde auf der Sonderausstellung der glasstec
bahnen aufgebaut _ Abb. 17, 18.
DAS GLASBAND – GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME
20
PROJEKTE
17
21
17 Seitenansicht: Die Textilgewebe sind
18
fachwerkartig angeordnet. 18 Untersicht: Die Untergurtseile haben auch im Grundriss einen parabelförmigen Verlauf. Die Textilien sind als Netzstruktur dargestellt. 19 Normalkräfte mit Eigenlast [kN] und einseitiger Schneelast [kN/cm] für 1 m Breite (ohne Vorspannung): Druckkräfte sind schwarz, Zugkräfte blau markiert. 20, 21 Schematischer Längsschnitt: Radiale Vorspannkräfte stabilisieren den Bogen.
7.3
19
_ BERECHNUNG
Vorspannkraft können die Auflagerkräfte der Kehlseile und damit die
Die Geometrie der Konstruktion wurde mithilfe kombinierter grafischer
Form der Vorspannseile im Grundriss grafisch ermittelt werden.
und rechnerischer Verfahren ermittelt. Die radiale Geometrie des Untergurtes wird mit einer Stichhöhe von l/10 in der Ansicht festgelegt. Die
_ KONSTRUKTION
Stützlinienform des Glasbogens aus Eigengewicht wird mit der Stützlini-
Das im Maßstab 1:4 ausgeführte Segment der Tonnenkonstruktion
enform aus den Vorspannnkräften überlagert. Um die Größe der Vor-
setzt sich aus sechs Reihen zu je drei quadratischen Glasscheiben der
spannkraft bestimmen zu können, wird das System zunächst ohne Vor-
Abmessungen 60 cm x 60 cm zusammen. Bei einer Spannweite von
spannung als ebenes Stabwerk betrachtet, und hierfür werden die
ca. 3,60 Meter beträgt die Stichhöhe des Prototyps 90 Zentimeter.
Stabkräfte für alle Lastfälle ermittelt
. Aufgrund der maxima-
Insgesamt bilden fünf zusammenhängende Gewebebahnen, die in
len Druckkraft in den Diagonalen (ca. 0,3 kN) kann die Höhe der Vor-
den Längsfugen der Scheiben angreifen, die zehn Diagonalen des
spannkraft bestimmt werden, die mit eineinhalbfacher Sicherheit eine
Fachwerks. Für die Textilien wurde ein beschichtetes Etylen-Tetraflu-
reine Zugkraftverteilung in den Textilbahnen sicherstellt. Aus der Größe
orethylen-Gewebe (ETFE) mit einer Festigkeit von 1200 N / 5 cm ver-
der Vorspannkraft ergibt sich die Geometrie der Vorspannseile im Auf-
wendet. Mit einem Transmissionsgrad von 90 Prozent besitzt es her-
riss. Unter Berücksichtigung der Dehnungen in den zugbeanspruchten
ausragende lichttechnische Eigenschaften _ Abb. 22, 24.
Bauteilen können Seile und Gewebebahnen konfektioniert werden. Die
Die Detailierung des Prototypen ist dem Maßstab angepasst. Aus
Stichhöhe der Kehlseile beträgt ebenfalls l/10. Mit Hilfe der bekannten
Kostengründen wird auf eine Ausführung der Überkopfverglasung aus
215
_ Abb. 19
UND DETAILS
DAS GLASBAND – GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE
26
22
27
mit Dreipunktnaht umnähen Nahtbreite 1,5 cm Umklappung 2 cm
Lochdurchmesser 8 mm mit Öse
4 cm Schlaufen für Seil mit Dreipunktnaht umnähen Nahtbreite 2 cm Umklappung 2,5 cm
24 22 Detailausschnitt der Konstruktion
Detail 2
23 Geometrie einer Textilfahne 24 Das ETFE-Gewebe weist eine
Detail 3
Lichtdurchlässigkeit von 90% auf. Detail 1
25, 26 Anschluss der Textilbahnen am Untergurtseil durch Kehlseile und Augenschrauben
doppelseitiges Klebeband bis zur Umnaht zur Verstärkung
27 Schrägansicht des vorgespannten Untergurtseils
7.3
mit Anschluss an die Textilbahnen 23
25
VSG verzichtet, stattdessen kommen 6 Millimeter dicke ESG-Scheiben
Klemmschiene angebunden werden. Der Stahlwinkel wird über M16-
zur Ausführung. Die Glasscheiben werden über Klemmschienen aus
Bolzen mit den Formteilen aus Feinbeton befestigt.
3 Millimeter starken, gekanteten Duraluminiumblechen miteinander verbunden. Ein prismatischer, mit Hartgummi belegter Aluminiumstab
_ TRAGFÄHIGKEIT
gewährleistet die Übertragung der Druckkräfte entlang der Schei-
Das System stellt ein redundantes System dar: Bei Ausfall einer Schei-
benkanten. Auf der Unterseite des Kantenprofils schließen die Gewe-
be können die Kräfte über die Kantenbeschläge in benachbarte Schei-
bebahnen über Klemmschienen an. Die seitlichen Kanten der Textil-
ben umverteilt werden. Der I-förmige Profilquerschnitt des Kantenbe-
fahnen sind ebenso wie die Grate, mit dem das Textil an der Klemm-
schlags, der sich aus Kantblechen und Verklotzungsprofil zusammen-
schiene befestigt wird, durch eingenähte Gewebebänder verstärkt.
setzt, weist dafür eine ausreichende Steifigkeit auf
Die Edelstahl-Kehlseile werden in vernähten Textiltaschen als Tun-
_ Abb. 30
. Für die
Montage des Glasbogens wird ein Lehrgerüst benötigt, auf dem die
nelzug geführt und über Augenschrauben an die 6 Millimeter starken
Scheiben abgelegt und ausgerichtet werden können
Untergurt-Litzenseile angeschlossen _ Abb. 26, 27. Diese schließen an
Aufnahme der Horizontalkräfte aus der Bogenwirkung werden die Auf-
den Querseiten über Spannschlösser gelenkig an ein gleichschenk-
lager während der Montage mit Stahlrohrquerschnitten verbunden.
liges L-Profil 90/90/6 aus Edelstahl an, das auch als Auflager für die 216
UND MONTAGE
unteren Glasscheiben dient
. Der Flansch des Profils weist
_ Abb. 31
die gleiche Stärke wie das Glas auf und kann so ebenfalls über eine
_ Abb. 32
. Zur
DAS GLASBAND – GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE
30
28
31
32
28, 29 Die fachwerkartige Konstruktion erlaubt Durchblicke in den Himmel, und an den transluzenten Gewebebahnen wird das direkte Tageslicht gestreut. 30, 31 Detailanschlüsse 32 Montage mithilfe eines Lehrgerüstes
7.3
29
_ FUNKTION
UND GESTALT
dene mechanische Beanspruchbarkeit der Baumaterialien themati-
Da das Gewebematerial ausschließlich diffuses und blendarmes Licht
siert. An dem Prototyp zeigt sich, dass das Zusammenspiel der druck-
hindurchlässt, ist es auch geeignet, Sonnen- und Blendschutzaufga-
festen und transparenten Glasflächen und der zugfesten, durchschei-
ben zu erfüllen. Die Krümmung der Kehlseile führt zu linsenförmigen
nenden Textilien nicht nur zu einer konstruktiven, sondern auch zu
Aussparungen der Textilbahnen, die Ausblicke in den Himmel freige-
einer funktionalen und gestalterischen Einheit führt. Die Weiterent-
ben.
wicklung solcher Hybridkonstruktionen hängt grundlegend von dem
Die schallweichen Textilbahnen vermindern die Schallreflexion an den harten Glasoberflächen und tragen damit entscheidend zu einer
weiteren Fortschritt auf dem Gebiet der licht technischen Gewebe ab. [7.3/9, 7.3/10]
Verbesserung der Raumakustik bei. Je nach Tages- und Jahreszeit erzeugen die transluzenten Textilbahnen im Zusammenspiel mit den transparenten Glasflächen eine unterschiedliche Lichtwirkung.
UND AUSBLICK
Die Ästhetik der Konstruktion ist auf den materialspezifischen Einsatz von Glas, Textil, Stahl und Beton zurückzuführen, der die verschie-
217
_ FAZIT
DAS GLASBAND – GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE
33
36
34
33 – 37
Der leicht auf- und abbaubare Pavillon wurde für eine Wanderausstellung in den Großstädten Europas konzipiert.
33, 34, 36
7.3
35, 37 35
Außenansichten Details der Konstruktion
37
IBM-AUSSTELLUNGSPAVILLON, 1984
ger, wobei die räumlichen Diagonalen durch die Kanten der Pyrami-
_ ARCHITEKT:
den gebildet werden, die im Ober- und Untergurt durch die Leimholz-
RENZO PIANO BUILDING WORKSHOP, GENUA
_ TRAGWERKSPLANUNG :
ARUP, LONDON
stäbe miteinander verbunden werden. Die Pyramiden stellen damit auch die Aussteifung in der Längsrichtung der tonnenförmigen Trag-
Der IBM-Wanderpavilion bereiste Anfang der Achtzigerjahre verschie-
struktur dar. Die dreiecksförmigen Flächen der Halb-Oktaeder bilden
dene Städte in Europa wie Lyon, London, Rom oder Mailand, um für
Wetterhaut und Tragwerk zugleich. Durch die Auflösung des Bogens
die Produkte des Computerherstellers und das Konzept des „Heim-
in ein räumliches Fachwerk entstehen in den Tragelementen Normal-
computers“ zu werben.
kräfte (Druck- oder Zugkräfte), kaum Biegebeanspruchungen. Die
Dem Pavillon liegt ein leichtes und elegantes Baukastensystem zugrunde. Er besteht im Wesentlichen aus der Bodenplattform, in der die Haustechnik integriert war, und der in halbkreisförmigen Dreigelenkbögen segmentierten Wetterhülle. Jeder Bogen setzt sich nur aus drei verschiedenen Bauelementen 218
zusammen: Stäbe aus Leimholz, Knoten aus Aluminiumguss und tief gezogene, transparente Polycarbonat-Pyramiden. Jeder Dreigelenkbogen bildet einen fachwerkartigen Dreigurtträ-
Tragfähigkeit des Tragwerks wurde in experimentellen Versuchen an Tragwerksmodellen ermittelt. [7.3/11] In dem Ausstellungspavillon wird das gestalterische Potenzial von transparenten Zellen-Tragwerken deutlich. Die Anwendung eines solchen Systems im Glasbau erfordert für die Herstellung der körperhaften Tragmodule eine adäquate Klebe- oder Schweißtechnik.
DAS GLASBAND – GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE
40
38
41
38
Der „Tetra-Glasbogen“ mit einer Spannweite von 8 m auf der Sonderschau der glasstec 2000 in Düsseldorf
39
Modell einer Tetratonne: Mehrere Bögen reihen sich zu einer Tonnenkonstruktion mit 8 m Spannweite.
40
Strukturmodell einer Tetratonne mit 12 m Spannweite, Entwurf: A. Bauer, T. Unterberg
41
Vorentwurf einer Bahnsteighallenkonstruktion in Berlin-Spandau, Entwurf: Chr. Leffin, D. Stuttmann
7.3
39
„TETR A- GL ASBO GEN”
lenkonstruktionen wurden in dem Konstruktionsprinzip des Tetrabo-
BAUK ASTENSYSTEM FÜR BO GENDÄCHER BIS 30 M SPANNWEITE,
gens zusammengefasst. Auf der glasstec 2000 wurde ein Prototyp der
2000
Bogenkonstruktion präsentiert. [7.3/12]
UND PLANUNG : NICOLA BOGATZKI, TOBIAS GLITSCH,
_ TRAGSYSTEM
UND KONSTRUKTION
RALF HERKRATH, NADINE REUTERS, DANIEL STUT TMANN,
Der halbkreisförmige Bogen, der sich aus zwölf gleichmäßigen Tetrae-
THORSTEN WEIMAR, JAMES WONG
dern mit einer Kantenlänge von 90 Zentimetern zusammensetzt, weist
_ PROJEKTLEITUNG :
JAN WURM, WILFRIED FÜHRER
eine Spannweite von 8 und eine Scheitelhöhe von 4 Metern auf _ Abb. 49, 50
. Die geometrische Grundstruktur des Bogens entspricht
Die Vorschläge für Bahnsteighallen als elementiertes Baukastensystem
einem gleichmäßigen räumlichen Fachwerk, das sich aus den Raum-
entstanden zu der Zeit, als die Magnetschwebebahn-Gesellschaft noch
bausteinen Tetraeder und halber Oktaeder zusammensetzt. Bei dem
auf den Transrapid als „Exportschlager“ hoffte. Als Pilotprojekt diente
Tetrabogen werden Stäbe so durch Kanten aneinanderstoßender Flä-
der für die Trasse Hamburg–Berlin vorgesehene Bahnhof in Berlin-
chenelemente ersetzt, dass sich geschlossene Tetraeder als Tragmo-
Spandau mit einer Größe von 20 m x 150 m. Die Bahnsteighalle sollte
dule bilden _ Abb. 46, 52.
dabei in erster Linie als frei belüfteter Witterungsschutz dienen. Die teilweise visionären Vorentwürfe für Bogen- und Tonnenscha-
Die Unterkanten der Tetraeder erzeugen in Längsrichtung des Bogens einen kontinuierlichen Polygonzug, den Untergurt des Systems.
219
_ ENTWURF
DAS GLASBAND – GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE
42
43
46
42 – 44 Vorentwürfe für den Transrapidbahnhof in Berlin-Spandau: Ausschnittsmodelle der Dachkonstruktion im Maßstab 1:50: 44
42 Unter- und überspannter Bogen
47
(S. Dreyer, T. Gilich, L. Heimann) 43 Überspannter Korbbogen (T. Glitsch, N. Reuters) 44 Überspannte Faltwerkschale (Chr. Schlaich, J. Wong) 45 Überarbeiteter Entwurf der Bahnsteighalle: Modell im Maßstab 1:25 (N. Bogatzki, R. Herkrath, N. Reuters, D. Stuttmann) 46 Detailmodell im Maßstab 1:10 47, 48 Stützlinienform bei gleichmäßig verteilten Vertikalkräften (Abb. 47) und bei gleichmäßig
220
7.3
verteilten Radialkräften (Abb. 48) 45
48
Die entgegengesetzten, quer zum Untergrund verlaufenden Kanten
_ DETAILS
der Tetraeder bilden das Auflager für die Scheiben der Dacheinde-
Als Bogenauflager dienen Stahlgestelle, die die Druckkräfte aus Ober-
ckung. Sie sind Außenhaut und Obergurt zugleich. Die Diagonalen des
und Untergurt in den Boden ableiten
Tragwerks werden durch die übrigen Tetraederkanten gebildet. Durch
aus dem Bogenschub werden durch je vier Bolzen mit einem Durch-
die kraftschlüssige Verbindung am Fußpunkt stellt das System einen
messer von 12 Millimeter aufgenommen. An das Stahlgestell greifen
eingespannten Dreigurt-Fachwerkbogen dar.
über Spannschlösser auch die 6 Millimeter dicken Vorspannseile aus
. Die Horizontalkräfte
_ Abb. 51
Um eine Druckbeanspruchung der Glaselemente sicherzustellen,
Edelstahl an. Da die Seile frei beweglich durch die Kantenbeschläge
muss die Form des Tragwerks unabhängig von wechselnden Lasten
geführt und nicht geklemmt werden, kann auf zusätzliche Spann-
der Stützlinie entsprechen. Der Tetrabogen erreicht dies durch zusätz-
schlösser verzichtet werden.
lich eingebrachte Vorspannkräfte. Zwei parallel geführte, vorgespannte
Durch die modulare Geometrie des Systems weisen alle Tragele-
Seile verlaufen entlang des polygonalen, halbkreisförmigen Ober-
mente die gleichen Anschlusspunkte auf. Zwei Regeldetails bestim-
gurtes. An jedem Knick der Seile wird eine ständige, radial gerichtete
men die Erscheinung des Tetrabogens: der knotenförmige Anschluss-
Kraft über die Tetraederkanten in das System eingeleitet. Es entsteht
punkt der Tetraeder im Untergurt und der linienförmige Anschluss von
eine halbkreisförmige Stützlinie, die der Tragwerksform entspricht
Tetraeder und Obergurtscheibe.
_ Abb. 48
. Die Höhe der Vorspannkraft ist so gewählt, dass die Stütz-
linien aus anderen Lastbildern relativiert werden.
Alle Glaselemente sind als VSG-Scheiben aus 2 x 6 mm dickem TVG und alle Beschläge aus eloxiertem Aluminium ausgeführt. Sowohl
DAS GLASBAND – GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME
4,02
4,02
Detail 2
66
0,93
6,72
66
8,04
49
PROJEKTE
Detail 1
50
49, 50 Seitenansichten des ausgeführten Tetrabogens mit einer Spannweite von 8 m 51 Der Tetrabogen auf der glasstec 2000 52 Das Tragmodul des Tetrabogens: 52
im Unter- als auch im Obergurt können die Stöße aufgrund der im
auftreten können, werden durch den Vergussmörtel Hilti Hit HY-50 im
System erzeugten Druckspannungen als Kontaktstöße ausgebildet
Zwischenraum von Profil und Glas aufgenommen. Entsprechend müs-
werden.
sen für den Mörtel Ein- und Austrittsöffnungen von 6 Millimeter Durch-
In den Gelenken des Untergurtes treffen insgesamt sechs Schei-
messer berücksichtigt werden _ Abb. 53, 54.
ben von zwei benachbarten Tetraedern in einem Knotenpunkt zusam-
Die 100 cm x 100 cm großen Scheiben des Obergurtes spannen
men. Die Scheiben sind mit einem zur Untergurtkante rechtwinkligen
als zweiseitig gelagerte Platten zwischen den Tetraederkanten. Sie lie-
Anschnitt versehen, um die für die Aufnahme der Kräfte zur Verfü-
gen zu beiden Seiten linear auf Aluminiumkantblechen auf. Dieses
gung stehende Kantenlänge zu erhöhen. Die Scheiben sind in einem
Kantblech ist mit einem prismenförmigen Vollstab verschraubt, der li-
U-Profil gefasst, das auf eine kappenähnliche Kopfplatte aufge-
near über Injektionsmörtel an die obere, offene Tetraederkante ange-
schraubt wird. Diese „Kappen“ verteilen die Last auf die U-Profile und
schlossen ist. Zur Lagesicherung und Abdichtung ist das Profil an den
müssen aufgrund ihrer komplexen Geometrie als Frästeile hergestellt
Längsseiten mit Kantblechen verschraubt. Die unter der Glaseinde-
werden. Untereinander sind sie über ein Kugelgelenk verbunden. Das
ckung laufenden Vorspannseile werden über Vertiefungen durch
Gelenk gleicht Toleranzen aus Fertigung und Montage aus und ermög-
dieses Profil geführt, so dass alle Kräfte aus Eigengewicht, Schnee
licht so eine spannungsfreie Krafteinleitung.
und Vorspannung linear in die Glaskanten der oberen Tetraederschei-
Die Toleranzen von bis zu 3 Millimeter, die produktionsbedingt zwi-
ben übertragen werden. Die seitlichen Klammern, die als mecha-
schen den Kanten der VSG-Scheiben und den Flanschen der U-Profile
nische Sicherung im Versagensfall der Klebefuge das Herabfallen der
221
51
7.3
der Tetraeder aus Glas
DAS GLASBAND – GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME
1 2 3 4 5
53, 54 Anschluss Knotenpunkt Untergurt
PROJEKTE
(siehe „Detail 2“ in Abb. 50)
6 7
1
2 x 6 mm VSG aus TVG, SGG Contrasplit
2
3 mm Moosgummi
3
Injektionsmörtel Hilti Hit-HY 50
4
U-Profil, gefräst, Aluminiumlegierung F28 eloxiert
5
Aluminiumkappe, gefräst
6
Kugelgelenk, gefräst
7
GfK-Stab
55 Arbeitsmodell des Knotens 56 Explosionszeichnung des Knotens
53
7.3
55
54
56
Scheibenelemente verhindern, sind über Abstandhalter an die Stab-
nen Kanten aufgrund des Winkels von ca. 70° fertigungstechnisch
enden des Vollprofils angeschlossen. Die Kraftübertragung zwischen
nicht möglich war, kamen Kantenprofile aus glasfaserverstärktem
den Obergurtscheiben erfolgt über zwei Klotzungen mit 8 Zentimeter
Kunststoff (GfK) zum Einsatz.
Länge. Auch hier übernimmt der Injektionsmörtel die Aufgabe der
Die Wärmeausdehnungskoeffizienten von Glas und GfK sind na-
Kraftübertragung und des Toleranzausgleichs. Gegen Windsog sind
hezu identisch, Zwängungsspannungen können weitgehend vermie-
die Scheiben im Bereich der Klotzungen über 10 cm x 10 cm große
den werden. Profil und Glaskanten wurden über einen Zwei-Kompo-
Klemmplatten an den Prismenstab geklemmt _ Abb. 57 – 59.
nenten-Epoxydharzkleber verklebt. Der Klebstoff weist ein zähelasti-
Zentrales Thema bei dem Projekt ist der monolithische Glaskörper des aus Einzelscheiben gefügten Tetraeders mit homogenen Eigen-
sches und damit spannungsausgleichendes Verhalten mit guten spaltfüllenden Eigenschaften auf.
222
schaften in Kante und Fläche. Der geschlossene Glaskörper weist ästhetische und montagetechnische, vor allem aber strukturelle Vorteile
_ TRAGFÄHIGKEIT
auf. Sind die Kanten der aneinanderstoßenden Flächen kraftschlüssig
Das Gesamtsystem wurde als räumliches Stabtragwerk mit Hilfe des
miteinander verbunden, stabilisieren sich diese gegenseitig und redu-
Statikprogrammes Infograph berechnet, zur Untersuchung der An-
zieren die Gefahr des Beulens – das Tragpotenzial des Moduls kann
schlussstellen und der Spannungsverteilung im Glas wurde ein Finite-
voll genutzt werden.
Elemente-Modell (FEM) erstellt.
Da eine direkte Glas-Glas-Verklebung der auf Gehrung geschnitte-
Bei einer Vorspannung von 6 kN pro Seil und einer Radialkraft pro
57 – 59 Anschluss Kantenbeschlag Obergurt (siehe „Detail 1“ in Abb. 13) 1
Klemmteller 10 cm x 10 cm, Aluminiumlegierung F28 eloxiert, mit 6 mm Einfülllöchern für Pos. 3
2
9
Verklotzungsprofil aus Aluminium, ca. 20 mm x 20 mm
3
Injektionsmörtel Hilti Hit HY-50
4
3 mm Hartgummistreifen
5
2 x 6 mm VSG aus TVG, SGG Contrasplit
6
Inoxseil 6 mm
7
Prismenstab aus Aluminium
8
Kantblech aus Aluminium
9
Klemme zur Glassicherung
DAS GLASBAND – GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME
7 8 3 4 5
PROJEKTE
1 2 3 4 5 6
58
59
Obergurtknoten von 1 kN treten für alle Lastfallkombinationen reine
(also 19 t) trat schließlich ein Spannungsversagen an der Krafteinlei-
Druckkräfte in Ober- und Untergurt auf, lediglich im Bereich der Dia-
tung auf. Unter Berücksichtigung der gesamten Lasteinleitungsfläche
gonalen bleiben minimale Zugspannungen bestehen. Zugunsten einer
ergibt sich eine Bruchspannung von über 9 kN/cm², die zwar bei dem
geringeren Belastung des Gesamtsystems wurde von einer höheren
dreifachen Wert der für TVG zugelassenen Spannung, aber unterhalb
Vorspannung abgesehen. Bei dieser Vorspannkraft ergibt sich eine
der Druckfestigkeit von Glas liegt. Aufgrund der erheblichen plasti-
maximale Druckkraft im Obergurt von 6 kN und im Untergurt von
schen Verformung der Aluminium-Formteile ist das Versagen auf
8 kN. Dies entspricht im Obergurt einer maximalen Spannung von
Querzug im Glas zurückzuführen. Ein Stabilitätsversagen konnte auch
0,5 kN/cm² und im Untergurt von 0,4 kN/cm². Aufgrund der geringen
nach dem Bruch nicht beobachtet werden – die Kantenverklebung
Druckbeanspruchung wurde auf einen Knicknachweis verzichtet. Die
verhindert das Beulen der gebrochenen Scheibenelemente. [7.3/13]
7.3
57
im Stabwerkmodell ermittelten Kräfte wurden durch das Finite-Elemente-Modell verifiziert _ Abb. 60, 61. Im Bauteilversuch konnte die Steifigkeit des Glasmoduls ein-
Das Baukastensystem ermöglicht einen hohen Grad an Vorfertigung.
drucksvoll unter Beweis gestellt werden. Die Untergurtkante wurde
Zentrales Element ist das mutlifunktionale Montagegestell, in dem die
über einen Druckzylinder in Längsrichtung belastet
. Bei ei-
Einzelscheiben der Tetraeder gereinigt, ausgerichtet und verklebt wer-
ner Druckkraft von 90 kN trat der erste Riss längs zu der Kraftrichtung
den _ Abb. 66. Die Beschläge werden mit Hilfe von Schablonen ausge-
mit etwa 12 Zentimeter Abstand zu der Tetraederkante auf. Bei 190 kN
richtet und über Injektionsmörtel kraftschlüssig verbunden. Das Gestell
_ Abb. 62
223
_ MONTAGE
DAS GLASBAND – GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME
64
PROJEKTE
60
61
62
65
63
66
60 Darstellung des räumlichen Stabwerkmodells mit radialen Vorspannkräften 61 FEM-Analyse für eine Glasscheibe am Auflager – die farbige Darstellung zeigt den Verlauf der Druckbeanspruchung im Glas. Die größten Kräfte treten an der Untergurtkante auf (dunkelblau). 62 Belastung eines Tetraeders m, Bauteilversuch durch einen Druckzylinder. 63 Modell mit Sonnenschutzbedruckung 64 – 65 Die Kantenbeschläge vor und nach dem Bauteilversuch
7.3
66 Aufbau des Bogens
dient auch als Transport- und Montagevorrichtung für die Tetraeder.
_ FUNKTION
UND GESTALT
Für den Aufbau ist ein Lehrgerüst notwendig, da die Bogenwir-
Für den notwendigen Sonnenschutz können die Scheiben der Tetra-
kung erst bei Kraftschluss aller Tragelemente aktiviert wird. Bei dem
eder und der Dacheindeckung mit Bildausschnitten bedruckt werden,
Aufbau wird seitensymmetrisch gearbeitet, der Aufbau erfolgt gleich-
die sich an bestimmten Standorten zu einem Ganzen fügen und so die
mäßig von beiden Seiten. Jeder Tetraeder kann in seinem Montagege-
Vielschichtigkeit des Tragwerks erfahrbar machen. Durch die prisma-
stell über einen stützenden Rahmen ausgerichtet werden. Nach dem
tische Anordnung der Glasscheiben entstehen, abhängig von der
Ausrichten der Tetraeder werden die Vorspannseile so weit ange-
Lichtquelle und des Betrachtungswinkels, Lichteffekte, bei denen Re-
spannt, dass sich an allen Klotzungen Kontaktdruck aufbauen kann.
flexion und Transparenz fließend ineinanderübergehen. _ Abb. 67 – 70.
Durch das Lockern der Montagestützen wird die natürliche Formgebung des Kraftflusses unterstützt. Nach dem Aushärten des Injekti-
_ FAZIT
onsmörtels in den Kontaktverbindungen kann die planmäßige Vor-
Das Projekt demonstriert das konstruktive und das gestalterische Po-
spannung in das System eingebracht werden.
tenzial der kraftschlüssigen Kantenverklebung. Auch die transparente
UND AUSBLICK
Kantenverklebung ist heute mithilfe von lichthärtenden Acrylaten prin224
zipiell möglich. So stehen nach dem Stand der Technik zwar geeignete Klebstoffe zur Verfügung, aber insbesondere für eine serielle Fertigung noch nicht die geeigneten Applikationsverfahren. Der Austausch
DAS GLASBAND – GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE
67
68
70
69
67 – 70 Der Bogen im Reiff-Museum in
7.3
Aachen im Laufe der Jahreszeiten
beschädigter Glasmodule und die dafür notwendige Überbrückung des Kraftflusses müssen noch im Detail untersucht werden. Die Verklebung der Einzelscheiben zu steifen Glasmodulen vereinfacht die Montage der Glaskonstruktion wesentlich. Bei der Spannweite von 8 Meter ist die Kantenverklebung vor allem mit Hinblick auf die Resttragfähigkeit relevant. Untersuchungen zeigen, dass bei Ertüchtigung der Beschläge Spannweiten von bis zu 30 Meter bei gleichen Bauteilabmessungen
225
der Tetraeder möglich sind. [7.3/14]
DIE GLASMITTE – DOPPELT GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE
1
1 – 4 Selbsttragende Kugelkalotte in Stahl und Glas, die Teilung der Kuppelfläche erfolgt über ein homogenes Dreiecksnetz 1 Gesamtansicht
7.4
2 Ausschnitt der Kuppeloberfläche 2
_
tion entsprechen der Glaskuppel im Weltbild-Verlag in Augsburg, die
_
ebenfalls 1998, allerdings als Isolierverglasung errichtet wurde.
_ _ TRAGSYSTEM
_ _
7.4
UND KONSTRUKTION
Die Kuppelkonstruktion stellt eine flache, auf einem gestützten Stahl-
DIE GL ASMIT TE – DOPPELT GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME
ring aufgelagerte Kugelkalotte dar. Der Durchmesser des Auflageringes beträgt 12,30 Meter, die Stichhöhe der Glaskonstruktion 2,50 Meter.
SPHÄRISCHE HOMOGENNET ZKUPPEL
Die Teilung erfolgt durch ein auf die Kuppelfläche projiziertes Ho-
GL ASSTEC 1998, DÜSSELD ORF
mogennetz aus gleichseitigen Dreiecken. Die für die Konstruktion be-
_ ENTWURF
nötigten 282 ebenen Dreiecksscheiben können zu 27 verschiedenen
UND PLANUNG : LEHRSTUHL FÜR BAUKONSTRUKTION
2, UNIVERSITÄT STUT TGART, SEELE GMBH & CO.KG _ STATIK:
LUDWIG & WEILER GMBH, AUGSBURG
_ AUSFÜHRUNG :
SEELE GMBH & CO.KG, GERSTHOFEN
Formaten zusammengefasst werden. Die tragenden VSG-Scheiben aus 2 x 10 mm TVG weisen eine maximale Kantenlänge von 1,10 Meter auf. Durch Stahlschuhe werden die
226
Ecken von jeweils sechs Dreiecksscheiben miteinander verbunden. Auf der glasstec 1998 präsentierte die Firma Glasbau Seele eine selbst-
Unterhalb der Glasebene wird entlang der Glaskanten ein dreiläu-
tragende Glaskuppel. Die geometrischen Abmessungen der Konstruk-
figes Netz aus Stahlseilen geführt. Die Stahlseile leiten eine ständige
DIE GLASMITTE – DOPPELT GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE
3
3 Detail des Knotenpunktes 4 Baugleiche Ausführung mit Isolierverglasung im Weltbild-Verlag Augsburg
7.4
4
Vorspannung in die Knotenpunkte ein, so dass in der Kuppelfläche permanente Druckkräfte herrschen und der Kraftschluss über Kontaktklotzung erfolgen kann. In Bauteilversuchen wurde die Standfestigkeit der Konstruktion auch bei unregelmäßigen Lasten und dem gleichzeitigen Ausfall von bis zu sechs benachbarten Glaselementen nachgewiesen. Im Vergleich zu der auf der glasstec vorgestellten Konstruktion, ist die Kuppel im Weltbild-Verlag weniger transparent, da der Randverbund der Isolierglasscheiben optisch ins Gewicht fällt. Nach Angaben von Glasbau Seele lassen sich mit einer ähnlichen Konstruktion Durchmesser bis 20 Meter erreichen.
_ GESTALT
Die konstruktive Ausbildung ist überzeugend, das Erscheinungsbild migen Krafteinleitungen mehr den Charakter einer Stahlskelettkonstruktion als den eines Flächen-Tragwerks. [7.4/1]
227
hat aber durch die Triangulierung der Trägerfläche und den punktför-
DIE GLASMITTE – DOPPELT GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME
7
PROJEKTE
5
5, 6 Ganzglaskuppel auf dem Versuchsgelände des ILEK, Universität Stuttgart
7.4
7 Kuppelsegment als Prototyp auf der glasstec 2002 6
„STUT TGARTER GL ASSCHALE“
Epoxidharz verbunden. Das Verhältnis von Scheibendicke zu Spann-
PROTOT YP FÜR EINE GEKLEBTE KUPPELSCHALE
weite beträgt damit nur 1 zu 850. Mit der linearen Krafteinleitung wird
STUT TGART, 2003
bei hoher gestalterischer Qualität in der Kuppelfläche ein ungestörtes
_ ENTWURF
Schalentragverhalten ermöglicht.
UND PLANUNG : PROF. WERNER SOBEK UND
LUCIO BLANDINI, INSTITUT FÜR LEICHTBAU UND KONSTRUKTION (ILEK), UNIVERSITÄT STUT TGART
Der Herstellungszeitraum betrug etwa 3 Monate. Da die Verklebung nur bei genormten Umgebungsbedingungen durchgeführt werden durfte, musste während der Montage eine provisorische Hüll-
_ TRAGSYSTEM
UND KONSTRUKTION
Auf der glasstec 2002 wurde zunächst ein Prototyp einer flachen Ku-
konstruktion errichtet werden. Das Auswechseln beschädigter Scheibenelemente stellt eine Herausforderung dar.
228
gelkalotte ausgestellt, die aus vier sphärisch gekrümmten Gläsern besteht _ Abb. 7. Im folgenden Jahr wurde auf dem Versuchsgelände
_ GESTALT
eine Glaskuppel mit einem Durchmesser von 8,5 Meter und einer
Die Konstruktion zeigt das große gestalterische Potenzial der Klebe-
Stichhöhe von 1,76 Meter errichtet. Die sphärisch gekrümmten Gläser
technik: Die Klebstofffuge ermöglicht den Verzicht auf Metallteile zwi-
bestehen aus VSG-Scheiben mit 8 Millimeter Floatglas und 2 Millime-
schen den Schalenelementen. Zugunsten einer „minimalen Konstruk-
ter chemisch vorgespanntem Glas. Die Scheiben sind jeweils nur an
tion“ übernimmt sie mehrere Funktionen. Neben der Lastübertragung
ihren Stoßfugen durch eine ca. 10 Millimeter breite Klebefuge aus
und Fugenabdichtung sichert sie die Aufnahme von Bauteiltoleranzen.
DIE GLASMITTE – DOPPELT GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE
9
10
11
8 – 11 Ansichten der ausgeführten Kuppelkonstruktion mit einem Durchmesser von 5 m
7.4
8
„DELF TER GL ASKUPPEL“
_ TRAGSYSTEM
PROTOT YP FÜR EINEN GARTENPAVILLON, DELF T, 2002–2004
Die Kuppelkonstruktion mit 5 Meter Durchmesser basiert auf der rota-
_ ENTWURF
tionssymmetrischen Geometrie einer Ringnetzkuppel mit offenem
UND PLANUNG : EWOUT BROGT, MARJON DOESER,
GERARD ENGEL, ROY HENDRIKS, X ANDER WINDSANT _ PROJEKTLEITUNG : _ TECHNISCHE
JAN WURM
BERATUNG : MICK EEKHOUT, GERRI HOBBELMAN,
PETER VAN SWIETEN, FRED VEER
Zentralfeld. Vier Ringe und 16 Meridiane teilen die Schalenfläche in 64 trapezförmige, plane Scheibenelemente mit vier verschiedenen Größen
_ Abb. 15
. Durch die Verwendung ebener statt sphärisch ge-
krümmter Scheiben weicht die Kuppelfläche nur geringfügig von der thermischen Biegeprozess können eingespart werden. Aufgrund der
die Entwicklung eines Konstruktionssystems für Glasschalen bis 25
schubfesten Verbindung der Scheiben stellt die Konstruktion in Ring-
Meter Durchmesser.
und Meridianrichtung ein Faltwerk dar.
Geplant wurde ein Prototyp mit einer Spannweite von 5 Meter. Der
In den Gläsern der Faltwerkschale treten vorwiegend Normalkräf-
Fokus während der fünfwöchigen Planungsphase lag auf der Entwick-
te auf, nur die lokale Kraftabtragung zwischen den Faltungen verur-
lung der Verbindungsmittel. Nachdem das Tragverhalten der Kuppel
sacht geringe Momente. Da die Kuppelfläche mit einem Stich von 90
über mehrere Monate beobachtet worden war, wurde die Konstruktion
Zentimetern oberhalb der Bruchfuge liegt, treten unter Eigenlast in
Anfang 2004 in den Außenanlagen der Fakultät aufgestellt.
Ring- und Meridianrichtung ausschließlich Druckkräfte auf. Nur bei
229
idealen Schalengeometrie ab, die erheblichen Mehrkosten für den Die Kuppel entstand 2002 an der TU Delft. Das Forschungsziel war
3
4
2
22,5°
18 12
1
13
59 8 5
59
98
59 8
18
18
8
861
PROJEKTE
DIE GLASMITTE – DOPPELT GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME
5 000
18
5 000
14
5 2, 0°
12 – 14 Verschiedene Ringnetzgeometrien
8 121
12 Mit horizontaler Rotationsachse 13 Mit vertikaler Rotationsachse 14 Kugelkalotte mit vertikaler Rotationsachse (ausgewählte Geometrie) 15 Grund- und Aufriss der Kuppelgeometrie
7.4
15
asymmetrischen Belastungen wie Wind oder ungleichmäßig verteiltem
Längsrichtung des Profils aufgenommen werden. Eine stoffschlüssige
Schnee entstehen Zugkräfte.
und spaltfüllende Kantenverbindung würde bei Aufnahme der Tole-
Aufgrund der geringen Zug- und Biegezugkräfte kann die Scha-
ranzen eine spannungsausgleichende und gleichmäßige Krafteinlei-
lenkonstruktion sehr dünnwandig ausgeführt werden. Mit einer Glasdi-
tung ermöglichen. Da aber ein Austauschen von Scheibenelementen
cke von 8 mm weist die Konstruktion im Verhältnis zur Spannweite
nicht ohne weiteres möglich wäre, wurde ein reine Klebeverbindung in
eine Schlankheit von 1:700 auf.
der Planungsphase ausgeschlossen _ Abb. 11.
230
Das für die Kuppel entwickelte Detail kombiniert die Vorzüge der _ DETAILS
mechanischen und der stoffschlüssigen Verbindung _ Abb. 18. An die
Die Anschlüsse zwischen den Glaselementen sollen das flächige Trag-
Glaskanten werden über einen Klebstoff Edelstahlprofile mit einem
verhalten der Schale unterstützen. Punktförmige Verbindungen ka-
Querschnitt von 6 mm x 6 mm aufgeklebt. Das zähelastische Verhal-
men nicht in Betracht, da diese zu einer Kanalisierung der Kräfte und
ten des Klebstoffes kann die Toleranzen in Meridianrichtung aufneh-
zu lokalen Spannungsspitzen innerhalb der Flächenelemente führen.
men. Die Edelstahlstäbe benachbarter Scheibenelemente werden für
Nur ein linearer Anschluss kann Druck-, Zug- und Schubkräfte gleich-
die Aufnahme der Toleranzen in Ringrichtung durch Reibschluss ver-
mäßig in die Kanten benachbarter Scheibenelemente einleiten.
bunden. Der Anpressdruck wird durch Pressleisten aus Flachstahl
Insgesamt mussten pro Verbindungselement 6 bzw. ±3 Millimeter an fertigungs- und montagetechnischer Toleranzen in Quer- und
und Bolzen mit Unterlegscheiben im Abstand von 10 Zentimetern aufgebaut.
10
15 1
8
0 - 6 mm
2
8
17
16
20 15 2
3
3
9
DIE GLASMITTE – DOPPELT GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME
15
12 17
18
21
19
22
PROJEKTE
4
16 Fugenkreuz zwischen den linearen Verbindungselementen 17 Zenitring aus Edelstahl mit einem Durchmesser von 60 cm 18 Querschnitt der Fugenverbindung mit Edelstahlprofilen 1
Flachstahl 15/3
2
Quadratstab 6/6
3
Flachstahl 12/4
19, 22 Auflagerring der Glasschale
Neben dem gewünschten elastischen Verformungsverhalten muss der
Ring in Scheibenebene ab, um der Störung der Schalenwirkung auf-
Klebstoff auch über eine ausreichende Druckfestigkeit verfügen. Bei-
grund der Öffnung im Zenit entgegenzuwirken _ Abb. 17.
7.4
19, 20 Vorentwurfsvarianten des Anschlussdetails
de Anforderungen erfüllt der verwendete PUR-Klebstoff mit einer Zugfestigkeit von 4 N/mm² und einer Reißdehnung von 300 Prozent.
_ TRAGFÄHIGKEIT
Die Kantenprofile sind vom Fugenkreuz abgesetzt, einerseits um
Die in Versuchsreihen ermittelte Kurzzeitfestigkeit der Klebeverbin-
keine Kräfte in die empfindlichen Glasecken einzuleiten, andererseits
dung beträgt weit mehr als der rechnerisch erforderliche Wert von 1
um den Eindruck durchgehender Stahlelemente zu vermeiden
N/mm². Die Schalenkonstruktion weist ein sehr gutes Umverteilungs-
_ Abb. 16
.
verhalten von Lasten bei Bruch eines Scheibenelementes auf. Die
Die Glaskonstruktion wird über Konsolen an ein kreisförmig gebo-
Resttragfähigkeit der Konstruktion wurde experimentell durch das
genes Stahlrohr mit einem Durchmesser von 82,5 Millimetern und ei-
Entfernen von Scheibenelementen während und nach der Montage
ner Wandstärke von 9 Millimetern angeschlossen. Die untere Scheibe-
unter Beweis gestellt. Bei der Beobachtung der im Außenraum aufge-
nebene verläuft tangential zu angeschweißten Flachstahlelementen,
stellten Konstruktion konnten über einen Zeitraum von mehreren Mo-
die über Langlöcher mit dem Flansch der Konsolen verbunden sind
naten keine nennenswerten Verformungen festgestellt werden.
kig über drei Y-förmige Pendelstützen aufgelagert. Die Glaskonstruktion schließt zum Scheitel hin mit einem polygonalen und biegesteifen
231
und ein Ausrichten der Glaselemente ermöglichen. Der Ring ist gelen-
DIE GLASMITTE – DOPPELT GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE
Pos. 1
Pos. 2 Pos. 4 Pos. 3 Pos. 5 Pos. 7
23
Pos. 6
Pos. 8
24
25
23 Anschlussdetail zwischen Auflagerring und Stütze 24 Stützenfußpunkt 25, 26 Anschlussdetail zwischen Glas und Stahlring Pos. 1 Glasscheibe ESG 8 mm Pos. 2 Kantenprofil Edelstahl 6/6 Pos. 3 Pressleisten Edelstahl Pos. 4 Bolzen M 12 mit Unterlegscheiben Pos. 5 Flachstahl 6 mm Pos. 6 Flansch, Flachstahl 6 mm Pos. 7 Konsole, Flachstahl 10 mm Pos. 8 Gebogenes Stahlrohr 82,5/9
7.4
26
_ FUNKTION
UND GESTALT
Die Dachkonstruktion bietet als Gartenpavillon einen witterungsge-
stoffsystem muss durch weitere Versuchsreihen ermittelt werden. Zur
schützten Aufenthalt im Freien _ Abb. 8.
Zeit wird an der TU Delft das Anschlussdetail für die Verwendung von
Durch die Reflexionen an der Faltwerkschale entsteht ein prismenförmiges, körperhaftes Erscheinungsbild, das durch die Grünfärbung des Glases verstärkt wird. Von innen betrachtet, erscheint die Konstruktion außerordentlich transparent, da alle Anschlüsse in die Fugen zwischen den Glaselementen integriert sind. Das Fugenkreuz zwischen den Glaskanten verstärkt das „Schweben“ der Kantenprofile. [7.4/1]
_ FAZIT
UND AUSBLICK
Die Geometrie der Kuppel spiegelt in Form und Teilung die Eigenschaften des Baustoffes Glas wieder. Die linearen Verbindungsmittel betonen die Tragwirkung der Kuppelschale und die Scheibenwirkung 232
Ein für die komplexen Beanspruchungen dauerhaft geeignetes Kleb-
des Glases und erinnern an die Kittverglasungen und Schalenkonstruktionen der Gewächshäuser des 19. Jahrhunderts.
Isolierglasscheiben weiterentwickelt.
27
DIE GLASMITTE – DOPPELT GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE
29
30
27, 28 Modellansichten der GlasTex-Kuppel bei Tag und bei Nacht: Textile Vorspannbahnen dienen tagsüber dem Sonnen- und Blendschutz, nachts sind sie weithin sichtbare Lichtsegel. 29, 30 Tragwerkvariante: Die Vorspannbahnen verlaufen in Meridianrichtung.
7.4
28
„GL ASTE X-KUPPEL“
_ TRAGSYSTEM
ENT WURF FÜR EINEN AUSSTELLUNGS- UND
Die Kuppel stellt eine Kugelschale mit einem Durchmesser von 8 Me-
VER ANSTALTUNGSPAVILLON, 2003
ter dar, deren Fläche durch ein Netz von 20 Meridianen und fünf Rin-
_ PROJEKTLEITUNG :
gen in 100 trapezförmige Felder und eine kreisförmige Öffnung im
_ ENTWURF
JAN WURM, RALF HERKRATH
UND PLANUNG : RALF HERKRATH, THORSTEN WEIMAR
_ TECHNISCHE
BERATUNG : PILKINGTON DEUTSCHLAND, ESSEN;
CENO TEC, GREVEN; SIPRO, WIESBADEN
Zenit unterteilt ist
_ Abb. 33
. Die Glasscheiben sind Raumabschluss,
Wetterhaut und Tragwerk zugleich. Da die Glasschale oberhalb der Bruchfuge liegt, sind die Scheiben bei gleichmäßig verteilten Vertikallasten in Ring- und Meridianrichtung druckbeansprucht. Bei asym-
Die „GlasTex-Kuppel” wurde für die Landesgartenschau 2003 (LAGA)
metrischen Lastfällen wie Windlast gewährleisten insgesamt vier tex-
in Gronau-Losser entwickelt. Sie sollte am Fuß einer 15 Meter hohen
tile Vorspannbahnen in den Ringfugen, dass die auftretenden Ring-
Aussichtspyramide unmittelbar neben der Innenstadt von Gronau lie-
zugkräfte überdrückt werden.
Aufenthaltsbereich für eine gastronomische Nutzung bieten. Die not-
_ KONSTRUKTION
wendigen Nebenfunktionen konnten in einem unabhängigen Pavillon
Aufgrund der geringen Spannungen im Glas können Verbundgläser
untergebracht werden.
aus 2 x 6 mm Floatglas mit entsprechend geringen Fertigungstoleranzen verwendet werden. Die plan geschliffenen Scheibenelemente
233
gen und als Regen- und Sonnenschirm einen witterungsgeschützten
DIE GLASMITTE – DOPPELT GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME
31
Ringdruckkraft (durch Verspannung)
Ringdruckkraft (durch Windbelastung) 32
33
31
Prinzip der Lastumleitung bei Ausfall einer Glasscheibe
32
Verteilung von Druck- und Zugkräften bei Windlast
33
Grundriss der Konstruktion
34
Ansicht der Konstruktion 34
7.4
PROJEKTE
zerstörte Glasscheibe und die Lastumleitung in benachbarte Tragelemente
sind entlang der Fugen durch stranggepresste Aluminiumprofile mit-
bewehrte Hartgummistreifen mit den Glaskanten verklotzt
einander verklotzt. In den Meridianfugen sind die Verklotzungsprofile
Im Kreuzungspunkt von Ring- und Meridianfuge wird das U-Silikonpro-
in dem Dichtungsprofil integriert. Eine Nassversiegelung nach Monta-
fil unterbrochen und von dem doppel-T-förmigen Dichtprofil überlappt.
234
ge kann entfallen.
_ Abb. 35
.
Das verwendete Gewebe Atex-2000 TL, ein silikonbeschichtetes
In den Ringfugen werden auf der Innen- und Außenseite der Glas-
Glasfasergewebe der Firma Interglas, weist sehr gute mechanische
fläche Kantbleche angeschraubt. Diese fixieren die Gläser gegen
und optische Eigenschaften auf. Das Gewebe mit Leinwandbindung
Windsoglasten, verhindern das Herausfallen gebrochener Scheiben-
(Winkel zwischen Kette und Schuss von 90°) hat eine Reißfestigkeit
elemente und gewährleisten bei Ausfall der Vorspannvorrichtung aus-
von 2000 N / 5 cm (s. auch GlasTex-Bogen S. 214)
reichende Resttragfähigkeit. Die an den Fugenkreuzen gestoßenen
Die Konfektionierung der Gewebebahnen als Ganzes ist wegen der
Beschläge setzen sich zu einem kontinuierlichen, umlaufenden Ring
herstellungsbedingten Bahnbreite von 4,50 Meter nicht möglich. Um
zusammen.
Stöße und damit unterschiedliche Steifigkeiten im Nahtbereich auf ein
An den Innenseiten werden die horizontalen Gewebebahnen über
Minimum zu beschränken, setzen sich die Textilringe aus nur zwei
Kederschienen angeschlossen. Die Vorspannkräfte werden über das
halbkreisförmigen Segmenten zusammen. Die unterschiedlichen Deh-
Fugenprofil in die Glaskanten eingeleitet _ Abb. 37.
nungen, die im Gewebe aufgrund der verschiedenen Winkel von der
Zwei U-Profile aus Silikon umfassen die Glaskante und dichten die
Faser zur Kraftrichtung entstehen, müssen bei dem Zuschnitt der Tex-
Fuge ab. Zur Aufnahme der Toleranzen werden die Profile über aramid-
tilringe berücksichtigt werden, um eine gleichmäßige Krafteinleitung in
8
11
VSG 2 x 8 mm, SPG
Sipro-Dichtprofil, verklebt Hartgummistreifen, 2 mm Prismenstab, Aluminium Kantblech Aluminium, 4 mm
Silikonprofil, selbstklebend Sipro Pr. Nr. 489-8A
Hartgummi aramidbewehrt, 4 mm Sipro Pr. Nr. 377-1
Silikonprofil, selbstklebend Sipro Pr. Nr. 160-4
35 Edelstahlseile, 6 mm mit angeschweißtem Gewinde
Senkkopfschraube d = 6 mm Prismenstab, Aluminium
Glasfasergewebe, silikonbeschichtet Kederprofil eingeschweißt
Kantblech Aluminium, 4 mm
Schloßschraube Edelstahl, M16 50 mm
PROJEKTE
36
Kederschiene Aluminium, Gewindebohrung d = 6 mm
37
35
Anschlussdetail Meridianfuge
36
Detail Vorspannvorrichtung am Randseil
37
Anschlussdetail Kederschiene in Ringfuge
38
Gleichmäßige Verteilung der Druckspannungen in
DIE GLASMITTE – DOPPELT GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME
30
der Kuppelfläche im FEM-Modell bei Gleichlast
7.4
38
das Glas und eine faltenfreie Geometrie sicherzustellen. Die Nahtstel-
raum mit blendfreiem Tageslicht. Da sich der Sonnenschutz im Inne-
len werden über Kederprofile miteinander verbunden. Um faltenfrei
ren der Kuppel befindet, kann ein Hitzeschutz nur in Verbindung mit
gespannte Ringe zu erhalten, wird die Membran über Vorspannein-
einer ausreichenden Lüftung erzielt werden. Neben den offenen Sei-
richtungen an den Kederschienen zur Glashülle gezogen. Für leichte
ten unterstützt eine umlaufende Öffnung zwischen Acrylglasabde-
Korrekturen der Vorspannung wird am inneren Rand des Textilrings
ckung und Glaskuppel die natürliche Konvektion und gewährleistet
ein Stahlseil geführt _ Abb. 36.
das Abführen der angestauten Warmluft. Bei Dunkelheit werden die Textilsegel von unten mit einer Bo-
_ FUNKTION
UND GESTALT
Die Textilringe wirken aufgrund ihrer lamellenartigen Anordnung im
deneinbauleuchte angestrahlt, die Ringe beginnen zu „schweben“ _ Abb. 41, 42
.
Querschnitt als Sonnen- und Blendschutzelemente für den Innenraum
Die Textilsegel reduzieren die Schallreflexion und die Nachhallzei-
der Kuppel. Die Lamellentiefe ist so gewählt, dass der Innenraum der
ten, die ansonsten bei gläsernen Schalenkonstruktionen zu unange-
Kuppel von Anfang Mai bis Ende August zur Mittagszeit fast vollstän-
nehmen akustischen Nutzungsbedingungen führen.
abnehmende Tiefe und reagieren damit auf die unterschiedlichen La-
_ ZUSAMMENFASSUNG
mellenabstände. Das Gewebe weist eine Lichtreflexion von 46 und
Das Glas bildet Außenhaut und Tragwerk, und die Anschlüsse die-
eine Lichttransmission von 42 Prozent auf und versorgt den Innen-
nen gleichzeitig der Kraftübertragung und der Fugenabdichtung. Die
235
dig verschattet wird. Die Textilringe haben von unten nach oben eine
DIE GLASMITTE – DOPPELT GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE
39
40
41
39 Die offenen Seiten verhindern mit den Lüftungsöffnungen am Opeion einen Hitzestau. 40 Die Gewebebahnen ermöglichen Ausblicke in den freien Himmel. 41 – 43 Die Gewebebahnen werden nachts von unten angestrahlt und scheinen zu „schweben“.
7.4
42
textilen Vorspannbahnen stabilisieren die Konstruktion. Darüber hinaus erfüllen sie die bauphysikalischen Anforderungen an Sonnenschutz und Raumakustik und verbessern so die Aufenthaltsqualität unter der Glaskuppel. Das Erscheinungsbild wird von dem gestalterisch reizvollen Zusammenspiel der transparenten Glasflächen mit
236
den transluzenten Textilien geprägt. [7.4/2]
43
DIE GLASMITTE – DOPPELT GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE
44
46
44
Computermodell der Tragstruktur als räumliches Stabtragwerk
45
Untersicht der Dachkonstruktion in dem Strukturmodell im Maßstab 1:50
46
Aufbau der Tragstruktur: Die Membran der Dacheindeckung spannt über ein hexagonales Netz aus Stäben; Tetraeder aus Glas greifen an den Knotenpunkten an und versteifen die Struktur. Ein massiver Auflagerring passt sich der Randgeometrie an und stützt die Schalenkonstruktion.
7.4
45
BIOM „TETR ASPHÄRE“
Die Konstruktion stellt ein kugelförmig gekrümmtes, zweilagiges
PROTOT YP FÜR EINE GL ÄSERNE SCHALENKONSTRUKTION, 2002
Raumfachwerk dar. Die geometrische Grundstruktur entspricht dem
_ ENTWURF
Tragwerk des „Eden-Projekts“ in Cornwall.
UND PLANUNG : STEFAN DAHLMANNS, NADINE
FISCHER, ALEX ANDER KRUSE, NICOLE STOFF _ PROJEKTLEITUNG :
JAN WURM
Die obere Lage, Obergurt des Systems, bildet ein Sechseck-Netz (Hex-Netz). Die untere Lage geht aus der oberen hervor, indem die werden, so dass sich die untere Lage als ein Dreieck-Sechseck-Netz
Tragmodul dar, wie der „Tetra-Glasbogen“ und der „Tetra-Tragrost“
(Tri-Hex-Netz) darstellt. Die Knoten der Ober- und Untergurtlage sind
zeigen. Mit der „Tetrasphäre“ wird die Verwendung des Moduls bei
durch Diagonalen verbunden, die geometrisch die Kanten von ver-
doppelt gekrümmten, sphärischen Konstruktionen untersucht. Als
zerrten Tetraedern beschreiben.
Ausgangspunkt für das Projekt dient der Entwurf für ein Biom mit ei-
Durch Optimierung der geodätischen Kugelteilung kann die Zahl
ner Spannweite von 40 Meter. Ein Biom ist eine sphärisch gekrümmte
unterschiedlicher Flächen- und Stabelemente reduziert werden (s. Kap.
Klimahülle, die aufgrund des kompakten Volumens und der Raumhö-
6). Bei der „Tetrasphäre“ wurde die Kantenlänge des Ikosaeders durch
he für das Wachstum tropischer Pflanzen geeignet ist.
Parallelverschiebung der Seiten 16-fach geteilt, so dass sich 64 Drei-
Ein sphärisches Dreieck des Bioms wurde im Maßstab 1:50 aus Plexiglas und Stahldraht als Ausschnittsmodell umgesetzt.
ecksflächen mit 15 verschiedenen Grundflächen ergeben. Diese Dreiecke stellen die Grundfläche für die Tetraederkörper dar, zwischen deren
237
Stabmitten verbunden und radial zum Kugelmittelpunkt verschoben Der Tetraeder aus Glas stellt ein außerordentlich steifes, räumliches
DIE GLASMITTE – DOPPELT GEKRÜMMTE TRAGSYSTEME PROJEKTE
47
48
47
Schnittansicht des räumlichen Stabwerkmodells
48
Aufsicht der zweilagigen Dachstruktur im Modell: Sechs ringförmig angeordnete Tetraeder bilden jeweils ein Teilsystem. In der Untergurtebene werden die Tetraederspitzen untereinander verbunden und bilden ein Dreieck-Sechseck-Netz.
49
Aufsicht der gesamten Tragstruktur ohne Membran
7.4
49
Spitzen sich das Sechsecknetz aufspannt. Die asymmetrischen Körper
metrischen Komplexität und der Anzahl unterschiedlicher Tragwerks-
weisen eine Kantenlänge zwischen 1,64 Meter und 1,98 Meter auf.
elemente werden zugleich aber auch die Grenzen des konstruktiven
In der Ausbildung de ers das Untergurtnetz, die Seitenkanten die Diagonalen. Die Pyramidenspitzen werden durch ein Stahlstabwerk verbunden. Aufgrund der Verschieblichkeit der Sechsecke ist es notwendig, den knotenförmigen Anschlüssen im Obergurt eine Biegesteifigkeit zu verleihen. Um Zugbeanspruchungen in den Glaselementen zu reduzieren, wird die Hüllfläche der Tetrasphäre zur Vorspannung des Schalentragwerkes herangezogen.
_ GESTALT
UND FAZIT
Das Zusammenspiel der durchscheinenden Wetterhaut mit den Glasscheiben der Tetraeder löst die Materialität der Hüllkonstruktion durch 238
ein Lichtspiel aus Transparenz und Reflexion auf. Das Projekt zeigt strukturelle Überlegungen zur Verknüpfung von biegsteifen und -weichen Tragwerkelementen auf. Aufgrund der geo-
Glasbaus deutlich.
– – – – –
8
241
AUSBLICK
AUSBLICK
1
4
7
2
5
8
3
6
9
1 – 3 Beispiele für die Oberflächenstrukturierung von
4 – 6 Beispiele für die Formgebung des Glases
Glas durch Aufschmelzen der Flachglasscheibe
durch Gusstechnik oder Heißverformung
und Zwischenschichten in Isolierglas
oder Tiefenätzung
der Flachglasscheibe
und Verbundsicherheitsglas
8
7– 9 Beispiele für die Integration von Schichten
Die künftigen Entwicklungen der Glasarchitektur werden getragen
nungsbild. Vielmehr stehen die vielfältigen optischen Phänomene des
sein von dem gestalterischen Wunsch nach Reduktion und Abstrakti-
Glases im Vordergrund, Spiegeleffekte und Farbwirkung sind genauso
on im Erscheinungsbild der Gebäudehülle. Verweise auf die konstruk-
Teil des architektonischen Konzeptes wie Lichtdurchlässigkeit und
tive Beherrschung des Materials Glas wie Punkthalter, Beschläge und
Transparenz. Die fortschreitende Verwendung semitransparenter oder
Seilverspannungen – zu Beginn des konstruktiven Glasbaus noch Be-
opaker Gläser in der Gebäudehülle beabsichtigt nicht eine „Maximie-
leg für die technischen Meisterleistungen von Ingenieur und Architekt
rung“ des Lichteinfalls – der moderne Glasbau hat sich von diesem
– verlieren weiter ihren Reiz. Die „Lesbarkeit“ der Konstruktion und
Postulat emanzipiert. Es lässt sich voraussehen, dass auch die Inte-
ihrer Komponenten tritt hinter einem bildhaften Gesamteindruck der
gration aktiver Systeme wie Displays, Schriftanzeigen, variable Ver-
Gebäudehülle zurück, bei dem die optischen Eigenschaften des Mate-
schattungs- und Beleuchtungselemente das Erscheinungsbild von
rials im Vordergrund stehen.
Glasfassaden prägen wird.
242
Mit der verstärkten Hinwendung zu Flächentragwerken verlieren exponierte Punktverbindungen ihre konstruktive Bedeutung zuguns-
_ BAUSTOFF
ten möglichst unsichtbarer Kantenverbindungen oder schalenartiger
Es ist anzunehmen, dass diese gestalterischen Möglichkeiten dazu
Module, die ohne Verbindungselemente auskommen.
führen werden, dass bei der Flachglasveredelung für besondere archi-
Der architektonische Wunsch nach Minimierung der Konstruktion
tektonische Anwendungen größere Scheibenformate erschlossen wer-
ist dabei nicht gleichbedeutend mit einem entmaterialisierten Erschei-
den. Vorgespannte, gebogene, laminierte und bedruckte Gläser wer-
AUSBLICK 10
11
12
13
13 10 – 12 Beispiele für neue Verbindungstechnologien durch Laminieren von Stahlelementen in den Glasverbund 10, 11 Prototypen von Glasbau Seele, Gersthofen 12 Mischverklebungen mit der Glaskante, Prototyp
Tiefseeschwams Euplectella. Die Glasstäbchen sind vertikal, horizontal und diagonal angeordnet und zu einem fachwerkartigen, hoch belastbaren Netz verwoben.
8
Institut für Tragkonstruktionen, Universität Stuttgart
Anregungen für die Glaskonstruktion aus der Natur: Detail des gläsernen Bauprinzips nach dem Skelett des
den bereits heute von spezialisierten Firmen im Bandmaß von
ten Zwischenfolien. Die projektspezifische Strukturierung der Oberflä-
3,21 m x 6 m produziert. Zukünftig wird die Diskrepanz zwischen Fer-
che von Schmelz- und Gussglas verstärkt die sinnliche und körper-
tigungsgrößen von mainstream- und high-profile-Anwendungen weiter
hafte Erscheinung des Materials.
wachsen, bis Veredelungstechniken nach und nach auch auf das
Es ist wahrscheinlich, dass mit der Integration neuartiger Kompo-
Jumbo-Maß von 3,21 m x 12 m angewendet werden können. Im Be-
nenten zur Steuerung der Licht- und Energiedurchlässigkeit im Schei-
reich der Heißverformung und des Biegens sind große Entwicklungs-
benzwischenraum von Isolierverglasungen und der Weiterentwicklung
schritte im Anlagenbau zu erwarten, so dass auch komplexere Formen
der Dünnfilmtechnologie von PV-Modulen die Gebäudeverglasung
mit besserer optischer Qualität hergestellt werden können. Wir glau-
bauphysikalisch weiter aufgewertet wird.
ben, dass auch das chemische Vorspannen von Gläsern eine größere Bedeutung für Bauverglasungen erlangen wird, da es im Vergleich
_ KONSTRUKTION
zum thermischen Prozess ein gleichmäßigeres Vorspannen auch bei
Verbundkonstruktionen werden an Bedeutung gewinnen, ob in der
komplexen Formen und einer besseren optische Qualität ermöglicht.
Fläche als Verbund(sicherheits)glas oder linien- oder punktförmig bei
Bedeutung gewinnen. Parallel zu der zunehmenden Verwendung von
Glasbeschlägen, um „versteckte“ Verbindungen von Bauteilen zu ermöglichen.
eisenarmen „Weißglas“ wächst weiterhin die Nachfrage nach mehrfar-
Es werden transparente und semitransparente Verbundwerkstoffe,
bigen keramischen (Raster-)Siebdrucken und fotorealistisch bedruck-
wie sie bereits zum Teil im Fahrzeug- und Flugzeugbau zur Anwendung
243
Zukünftig werden Farbe und Textur in der Gebäudehülle weiter an
AUSBLICK
14
14
Computermodell eines sphärischen Raumtragwerks aus gläsernen Tetraedern, Entwurf:
8
S. Dahlmanns, N. Fischer, A. Kruse, N. Stoff
kommen, das monolithische Einfachglas ersetzen. Gläser mit spezi-
verbindungen, die sich bei nachlassender Festigkeit verfärben, um so
ellen Verbundfolien, deren Steifigkeit für die jeweilige Anwendung op-
optisch ein mögliches Versagen anzukündigen.
timiert ist, können dazu beitragen, die Glasdicken und das Eigenge-
Eine weitere treibende Kraft bei der Weiterentwicklung der Glas-
wicht von Glaskonstruktionen zu reduzieren. Mit der Entwicklung von
konstruktion ist der Wunsch, durch die Verwendung von Float- oder
steiferen, „konstruktiven“ Zwischenschichten können durch das Einla-
chemisch vorgespanntem Glas die Fertigungstoleranzen der Glasbau-
minieren dünner Bleche oder formschlüssiger Metallteile Kräfte vor-
teile zu verringern, um auf Ausgleichselemente verzichten zu können.
teilhaft in die Glasfläche eingeleitet werden. Bei Verbundkonstrukti-
Mit geringen Fertigungstoleranzen hergestellte schalenförmige Halb-
onen mit Titan oder speziellen galvanisierten Stahllegierungen können
zeuge könnten durch thermische Fügemethoden wie dem Löten oder
die thermischen Ausdehnungen der Bauteile angepasst werden, so
Schweißen im Werk zu standardisierten, räumlichen Tragmodulen ver-
dass auch steife und hoch belastbare stoffschlüssige Verbindungen
bunden werden.
244
möglich sind.
Im Vergleich zu leichteren Konstruktionen aus zugfesten und licht-
Die Klebetechnologie wird sich in auch mit Hinblick auf transpa-
durchlässigen Folien- und Membranwerkstoffen werden Glastragwerke
rente Kantenverbindungen weiterentwickeln. In diesem Zusammen-
umso mehr an Attraktivität gewinnen, je mehr es gelingt, das spröde
hang müssen insbesondere Möglichkeiten geschaffen werden, die
Bruchverhalten zu modifizieren. Kombinationen aus mineralischen
Qualität von Klebeverbindungen während der Produktion und am Ge-
Gläsern mit Kunststoffgläsern, Polymerschichten und Faser- und Ge-
bäude zu kontrollieren. Wünschenswert sind beispielsweise Klebstoff-
webeeinlagen weisen stark verbesserte mechanische Eigenschaften
AUSBLICK 15
15
Computermodell eines ebenen Raumtragwerks aus gläsernen Tetraedern, Entwurf: J. Hlavka,
8
S. Rullkötter, D. Seiberts, S. Spengler
auf. Durch Fortschritte in der Mikro- und Nanotechnologie liegt es da-
hen, werden von den Fortschritten bei der 3D-Formgebung und der
bei im Bereich des Möglichen, über Beschichtungen selbstheilende
Kantenverklebung mit transparenten Klebstoffsystemen profitieren.
Effekte auf der Glasoberfläche zu generieren und damit den festigkeitsmindernden Einfluss von Kratzern und Rissen zu reduzieren.
Die Einheit von Träger- und Hüllfläche wird bei Flächentragwerken dazu führen, dass die bauphysikalischen Anforderungen durch integrierte Maßnahmen wie Färbungen und Beschichtungen des Glases
_ TRAGWERK
oder Zwischenschichten nachgewiesen werden müssen. Es ist anzu-
Statt der Skelettbauweise werden verstärkt die Prinzipien der Flächen-
nehmen, dass mit der Weiterentwicklung der Glasbearbeitung neben
bauweise zur Anwendung kommen. Mit weiterführenden Forschungen
den in der Arbeit dargestellten Systemen auch unregelmäßige und
sowohl im Bereich des Tragverhaltens von redundanten Sandwich-,
quasi-periodische Geometrien ausgeführt werden _ Abb. 16.
Falt- und Fachwerkstrukturen als auch im Bereich der Klebetechnik,
Die Verwendung von Glas als flächiges, multifunktionales und op-
könnten nach den in dieser Arbeit aufgezeigten Entwurfsparametern
tisch vielfältiges Tragelement öffnet den Weg zu einer eigenen For-
bald tragende Glasbausysteme und -bausätze für mittlere und große
mensprache gläserner Spannweiten:
den europäischen Markt gebracht werden.
„Mehrfachreflexionen am spiegelnden Glas: fließende Übergänge farbiger, geometrischer Muster, in der Luft schwebende Kristalle. [...]
Insbesondere die räumlichen Fachwerksysteme, die auf der Vor-
Wir schauen über unseren Köpfen auf ein weit gespanntes, prisma-
fertigung von schalenartigen und prismatischen Tragmodulen beru-
tisches Glastragwerk, eine sich kontinuierlich verändernde Gebäude-
245
Spannweiten mit nachgewiesener baurechtlicher Verwendbarkeit auf
AUSBLICK
16
17
16, 17 Modell eines quasiperiodischen räumlichen Scheibenfachwerks von Glasplatten: The Battersea Crystal, London
8
Arch. + Ing.: Arup für Parkview International
hülle. Der Blick nimmt nur Flächen war, auf ihnen ziehen Bilder vorbei, Wolken, die Menschen darunter. Die Flächen scheinen zu schweben, sich zu bewegen, sie schützen vor Wind und Regen, Hitze oder Kälte, trennen innen und außen. [...] Das Erscheinungsbild verändert sich mit den Umweltbedingungen – die Sonne kommt hinter den Wolken hervor, und die Oberflächen oder Füllgase der Glaskörper verfärben sich,
246
reflektieren und lenken das Licht oder absorbieren die Energie.“ [8/1]
249
ANHANG
LITERATURHINWEISE ANHANG
LITER ATURHINWEISE
[3.1/6] Button, D.; Pye, B.: Glass in Building, Oxford 1993, S. 215 [3.1/7] Heiringhoff, R: Reflexion und andere optische Phänomene von Glas, Studienarbeit
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W.: Glasbau Atlas, Basel, München 1998, S. 115 [3.1/9] Die Berechnung des g-Wertes ist durch die europäische Norm EN 410 und ISO 9050 festgelegt.
[G 5] Siegel, C.: Strukturformen der modernen Architektur, München 1961
[3.1/10] Wurm, J. P.: Archioptix: Kleine Einführung in die Optik für Architekten, Heidelberg 2003
[1/1] Laugier, M.-A.; Bock, H. (Hg.): Das Manifest des Klassizismus; nach
[3.1/11] DIN EN 673, Januar 2001; Glas im Bauwesen – Bestimmung des
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Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) – Berechnungsverfahren
[1/2] Hix, J.: The Glasshouse, London 1996
[3.2/1] Winter, M.: „Farbiges Glas“, in: ARCH+ 134/135, Dezember 1996, S. 110ff
[1/3] Knaack, U.: Konstruktiver Glasbau, Köln 1998
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250
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[4.2/1] Schittich, Chr.; Staib, G.; Balkow, D.; Schuler, M.; Sobek, W.: Glasbau
ANHANG
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251
[3.6/1] Gläser, J.: „Verfahren zur Veränderung der Flachglasoberfläche“,
LITERATURHINWEISE ANHANG
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[6.3/9] Engel, H.: Tragsysteme, Ostfildern-Ruit 1997
[5.1/2] Miloni, R. P.: „Die emanzipierte Jalousie“, in: FASSADE / FACADE 03/2002, S. 11–15
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[7.2/5] Projektunterlagen Glas Trösch
in: Tagungsband GlasKon, München 1998 [5.1/15] Steinbicker, O.: Überdachte Einkaufsstraßen, Diplomarbeit an der Fakultät Raumplanung, Universität Dortmund 2000 [5.1/16] Schittich, Chr.; Staib, G.; Balkow, D.; Schuler, M.; Sobek, W.: Glasbauatlas, München 1998, S. 142
[7.2/6] Maedebach, M.: „Alte Mensa und Rektorat der TU-Dresden“, in: Weller, B. (Hrsg.), glassbau2005, Institut für Baukonstruktion TU Dresden 2005 [7.2/7] Maedebach, M.: „Konstruktiver Glasbau – Ein Glasdach ganz aus Glas“, in: Berichte und Informationen, wissenschaftliche Zeitschrift der HTW-Dresden 1/2006 [7.2/8] Knaack, U.: Konstruktiver Glasbau, Köln 1998, S. 112f, S. 194ff
[5.1/17] Jauer, M.: „Boro Bora im Spreewald“, in: Süddeutsche Zeitung vom 17.12.2004
[7.2/9] Knaack, U.: Konstruktiver Glasbau, Köln 1998, S. 176ff
[5.1/18] Davies, M.: „Mezotecture”, in: Barnes, M.; Dickson M. (Hrsg.),
[7.2/10] Först, S.; Hübinger, A.: Dachelemente aus Trapezblech und Glas –
Widespan Roof Structures, London 2000, S. 133ff [5.2/1] Compagno, A.: „Sonnenschutzmaßnahmen an Fassaden“, in: GLAS 02/2003, S. 42–50 [5.2/2] Fuchs, H. V.; Drotleff, H.; Wenski, H.: „Mikroperforierte Folien als Schallabsorber für große Räume“, in: Technik am Bau 10/2002, S. 67–71 [5.2/3] Technische Informationen Microsorber, Kaefer-Gruppe; http://www.kaefer.com [5.2/4] Erban, Chr.: „Gestaltungsmöglichkeiten von gebäudeintegrierten PhotovoltaikElementen“, in: Tagungsband Glas im Konstruktiven Ingenieurbau 2, München 2001 [5.2/5] Daniels, K.: Technologie des ökologischen Bauens, Basel 1995, S. 166 [5.2/6] Sobek, W; Kutterer, M.: „Flache Dächer aus Glas – konstruktive Aspekte bei Horizontalverglasungen“, in: DETAIL 05/1997, S. 773–776 [5.2/7] Hix, J.: The Glasshouse, London 1996, S. 32f [5.2/8] Krewinkel, H.: „Glaskuppel im Weltbild Verlag in Augsburg“, in: GLAS 03/99, S. 39–41 [5.2/9] Wack, R.; Fuchs, H. V.: Mikroperforierte Akustik-Segel in Versammlungsräumen, Mitteilungen des Fraunhofer Institut für Bauphysik (IBP), Nr. 31/2004 [5.2/10] Hillmanns, N.: Der Kuppelputzer, Blickpunkt Bundestag (Hrsg.: Deutscher Bundestag), Berlin 12/99 [6.1/1] Makowski, Z. S.: Räumliche Tragwerke aus Stahl, Düsseldorf 1963, S. 8
Projektmappe, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen 2001 [7.2/11] Wellershoff, F.; Sedlacek, G.: Structural Use of Glass in Hybrid Element, Tagungsunterlagen Glass Processing Days 2003, S. 268–270 [7.2/12] showreiff, Katalog zur Ausstellung im Deutschen Architektur Museum in Frankfurt, Aachen 2001 [7.2/13] Studentenwettbewerb 4. ArchiCAD-Preis für innovative Glasanwendung, Protokoll des Preisgerichts vom 07.12.04 [7.2/14] Eggert, I.; Weber, A.: Glasbrücke – Dokumentation und statische Analysen des gebauten Prototyps, Seminarbericht, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen 2003 [7.2/15] Flake, F.; Langer, L.; Pirwitz, M.: Fachwerkbrücke, Seminarbericht Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen 2003 [7.2/16] Türk, I.: Untersuchungen zum Tragverhalten der Glass-Screen, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen 2002 [7.2/17] Bandekow, K.; Knoke, J.; Meder, P.; Menken, P.-R.: Der Glass Screen – Seminarbericht, RWTH Aachen 2002 [7.2/18] glass-technology live, Katalog zur Sonderausstellung der glasstec 2002, Messe Düsseldorf 2002
[6.2/1] Emde, H.: Geometrie der Knoten-Stab-Tragwerke, Würzburg 1978
[7.3/1] Knaack, U.: Konstruktiver Glasbau, Köln 1998, S. 242–245
[6.2/2] Mengeringhausen, M.: Komposition im Raum, Gütersloh 1983, S. 24
[7.3/2] Die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens notwendigen Gutachten und
[6.2/3] Heyden, J.-W.: Räumliche Knotenstabtragwerke, Dissertation am Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen 2001, S. 101ff
252
[6.2/7] Schober, H.: „Die Masche mit der Glas-Kuppel“, in: deutsche bauzeitung, 10/94, S. 152ff
Versuche wurden an der FH München von Prof. Dr.-Ing. Ö. Bucak und Chr. Schuler und an der TU Darmstadt von J.-D. Wörner, X. Shen und M. Fahlbusch erarbeitet.
[6.2/4] Emde, H.: Geometrie der Knoten-Stab-Tragwerke, Würzburg 1978, S. 52
[7.3/3] Produktinformationen Maier-Bogenglas, 2003;
[6.2/5] Museum für Gestaltung Zürich (Hrsg.): Buckminster Fuller – Your
http://www.magla.de/bogenglas-produktinfo.html
Private Sky, Design als Kunst einer Wissenschaft, Baden 1999 [6.2/6] Schober, H.: „Geometrieprinzipien für wirtschaftliche und effiziente Schalentragwerke“, in: Bautechnik 79 (2002), Heft 1, S. 16ff
[7.3/4] Breuninger, U.; Stumpf, M.; Fahlbusch, M.: „Tragstruktur der Loggia in Wasseralfingen“, in: Bautechnik 80, 06/2003, S. 355–361 [7.3/5] N.N.: „Maximilianmuseum in Augsburg“, in: DETAIL 05/2001, S. 873f
BILDNACHWEIS ANHANG [7.3/6] N.N.: „Glasdach im Maximilianmuseum in Augsburg“, in: GLAS 02/2000, S. 20–25
[3.5, Abb. 28, 29] KSE GmbH / Division TROSIFOL, Rainer Hardtke, Dow Corning
[7.3/7] Ludwig, J.; Weiler, H.-U.: „Tragstrukturen aus Glas am Beispiel
[3.6, Abb. 4, 10] Saint-Gobain Glass, Archiv
einer Ganzglastonne“, in: Bautechnik 04/2000, S. 246–249 [7.3/8] Schadow, Th.; Vellguth, F.: Entwurf, Berechnung und Bemessung eines Fachwerkbogens aus Glas und Stahl, Studienarbeit am Lehrstuhl Stahlbau, TU Hamburg-Harburg 1999 [7.3/9] Bosbach, H; Einhäuser, S.; König, M.; Sobotta, A.: Der GlasTex-Bogen – Projektdokumentation Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen 2001 [7.3/10] Führer, W.; Wurm, J.: „Der GlasTex-Bogen“, FASSADE/FACADE 03/2002, S. 5–8
[3.6, Abb. 8, 9] KSE GmbH / Division TROSIFOL, Engelhardt/Sellin [3.6, Abb. 28] Ulrich Knaack, Düsseldorf [4.1, Abb. 12] Maren Krämer, Aachen [4.1, Abb. 17–19] mit freundlicher Genehmigung der Sika Technology AG, Zürich, aus: Koch, S.: Elastisches Kleben im Fahrzeugbau – Beanspruchungen und Eigenschaften, Dissertation an der TU München
[7.3/11] Ackermann, K.: Tragwerke in der konstruktiven Architektur, Stuttgart 1988, S. 123ff
[4.1, Abb. 38] Lehrstuhl Stahlbau, RWTH Aachen
[7.3/12] Führer, W.; Wurm, J.: Der Glasbogen auf der glasstec 2000 –
[4.1, Abb. 41] Saint-Gobain Glass UK, Eggborough
Seminarbericht, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen 2001 [7.3/13] Führer, W.; Weimar, Th.: Statische Analyse des Glasbogens für die glasstec 2000, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, Aachen 2000
[4.2, Abb. 3, 25, 26, 28] Dorma-Glas GmbH, Bad Salzuflen [4.2, Abb. 10] Verlinden [4.2, Abb. 11] Saint Gobain Glass, Aachen
[7.3/14] Wurm, J.: „Glasbogen auf der glasstec 2000“, in: GLAS 02/2001, S. 5–10
[4.2, Abb. 42, 43, 45] Hunsrücker Glasveredelung Wagener
[7.4/1] Wurm, J: „Innovationen in Glas“, in: Architektur & Bau Forum 04/Februar 2003, S. 9f
[4.2, Abb. 46] Silke Tasche, Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden
[7.4/2] Herkrath, R.: Die GlasTex-Kuppel, Studienarbeit am Lehrstuhl
[4.3, Abb. 1] © Adam Mork
für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen 2003 [8/1] Wurm, J.: „Glasvisionen“, in: DBZ 11/2004
[4.3, Abb. 2, 3, 46] Arup, London [4.3, Abb. 4] © Bildarchiv des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart [4.3, Abb. 5, 6, 52] Dorma-Glas GmbH, Bad Salzuflen
BILDNACHWEIS
[4.3, Abb. 7, 9, 10, 24, 34, 36] aus: Luible, A.: Stabilität von Tragelementen aus Glas, Dissertation EPFL 3014, Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL), Lausanne 2004
[1, Abb. 4] aus: Hix, J.: The Glasshouse, London 1996, S. 41
[4.3, Abb. 22, 28, 42] Ulrich Knaack, RWTH Aachen
[1, Abb. 5] aus: Mc Grath, A. C.: Glass in Architecture and Decoration, London 1961
[4.3, Abb. 26, 27] Frank Wellershoff, Lehrstuhl für Stahlbau, Aachen
[1, Abb. 9] James Carpenter Design Associates, New York
[4.3, Abb. 31, 32] Fred Veer, TU Delft
[1, Abb. 10] Ulrich Knaack, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen
[4.3, Abb. 35] Rubert App GmbH, Leutkirch
[2.1, Abb. 2] Mit freundlicher Genehmigung des Domkapitels der Kathedrale von Gloucester
[4.3, Abb. 53] Marquardt und Hieber Architekten, Stuttgart
[2.1, Abb. 5] aus: Rykwert, J.: On Adam’s House in Paradise, Cambridge 1989, S. 39
[4.3, Abb. 57] Thomas Schadow, Lehrstuhl für Baukonstruktion, Universität Dresden
[2.1, Abb. 6] Kaefer Isoliertechnik GmbH & Co. KG, Bremen
[5.1, Abb. 16] Garigliano Tomaso, Maria Elena Motisi, RWTH Aachen
[2.1, Abb. 15] Rolf Gerhardt, Aachen
[5.1, Abb. 24] © Christian Kandzia, Esslingen
[2.1, Abb. 15] aus: Hix, J.: The Glasshouse, London 1996
[5.2, Abb. 23, 25, 33, 34] Ulrich Knaack, RWTH Aachen
[2.1, Abb. 16] Bildarchiv Marburg, aus: Hix, J.: The Glasshouse, Stuttgart 1997, S. 53
[5.2, Abb. 28] Clemens Dost, Aachen
[2.1, Abb. 17] Courtesy, The Estate of R. Buckminster Fuller
[5.2, Abb. 30] Silke Först, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen
[2.1, Abb. 18] aus: Heinle, E.; Schlaich, J.: Kuppeln, Stuttgart
[5.2, Abb. 31] © Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung, Magdeburg [5.2, Abb. 41] © Nigel Young, Foster + Partners
[2.1, Abb. 19] aus: Courtesy, The Estate of R. Buckminster Fuller
[5.2, Abb. 46] Kaefer Isoliertechnik GmbH & Co. KG, Bremen
[2.1, Abb. 20] © Heide Wessely
[5.2, Abb. 44] KSE GmbH / Division TROSIFOL
[2.1, Abb. 22] © Ulrike Grothe, CLMAP GmbH München
[6.2, Abb. 10, 19, 26] Ulrich Knaack, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen
[2.1, Abb. 23] Kitka-river, 2004, 182 cm x 300 cm, cromogenic
[6.2, Abb. 13] aus: Emde, H.: Geometrie der Knoten-Stab-Tragwerke, Würzburg 1978, S. 45
digital print on aluminum, von Ilkka Halso, Orimattila [2.2, Abb. 13, 16] Ulrich Knaack, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen
[6.2, Abb. 16] aus: Schober, H.: Die Masche mit der Glas-Kuppel, in: deutsche bauzeitung, 10/1994
[2.2, Abb. 12] Clemens Dost, Aachen
[6.2, Abb. 17] © Hans Schober, Schlaich Bergermann und Partner, Stuttgart / New York
[2.2, Abb. 18] Schlaich, Bergermann und Partner sbp GmbH, Stuttgart
[6.2, Abb. 39–42] Tobias Unterberg, RWTH Aachen
[2.2, Abb. 24] James Carpenter Design Associates, New York
[6.2, Abb. 37] Henrike Bosbach, Michael König, RWTH Aachen
[2.2, Abb. 28] © Wolfgang Dürr, Würzburg
[6.3, Abb.1] Fred Veer, TU Delft
[3.1, Abb. 15] James Carpenter Design Associates, Inc.; © Balthazar Korab, New York
[6.3, Abb. 7, 21, 31, 33, 35–37, 58] Ulrich Knaack, Lehrstuhl
[3.1, Abb. 16] Schott AG, Grünenplan
für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen
[3.1, Abb. 17, 19–21, 23, 24, 26, 28–33, 35, 36, 38, 39] Ron Heiringhoff, Aachen
[6.3, Abb. 11] Dewhurst Macfarlane and Partners, London
[3.2, Abb. 1, 5] Saint-Gobain Glass – Werk Chantereine, Frank Dunouau
[6.3, Abb. 17] Daniel Seiberts, Sebastian Spengler, RWTH Aachen
[3.2, Abb. 2, 4] Saint-Gobain Glass, Archiv
[6.3, Abb. 18] Zamil Glass Industries, Riyodh
[3.2, Abb. 6] © Reiner Meier, Wittmar, Schott AG, Grünenplan
[6.3, Abb. 29] Chr. Helmus, M. Mevissen, Aachen
[3.3, Abb. 3] Saint-Gobain Glass – Werk Chantereine, Frank Dunouau
[6.3, Abb. 43] Nicole Leiendecker, Pamela Schmitz, RWTH Aachen
[3.3, Abb. 18] Maier Glas, Heidenheim
[6.3, Abb. 46] Reyhan Ada, Mina Ayoughi, RWTH Aachen
[3.4, Abb.9] Saint Gobain Glass, Aachen
[6.3, Abb. 50, 51] Henriette Kosel, Uwe Ernst, RWTH Aachen
[3.4, Abb. 18] Lucio Blandini, ILEK, Universität Stuttgart
[6.3, Abb. 57] Vorschlag für das Glasdach der ABN AMRO
[3.4, Abb. 20] Glasid AG, Essen
Bank in Den Haag, Entwurf Mick Eekhout
[3.4, Abb. 23, 24] © Thomas Kramer, WSP GmbH, Aachen
[7.2, Abb.1–6] Arup, London
[3.4, Abb. 28] KSE GmbH / Division TROSIFOL, Rainer Hardtke, Dow Corning
[7.2, Abb. 7, 9, 10] © Lance McNulty
[3.4, Abb. 38] Seele GmbH & Co. KG, Gersthofen
[7.2, Abb. 8, 11, 12] © ssGreat Britain Trust
[3.4, Abb. 41, 42] The Greenhouse Effect Ltd., UK
[7.2, Abb.13] Dewhurst Macfarlane and Partners, London
[3.4, Abb. 43, 44] Fusion Glass Design Ltd, London
[7.2, Abb. 14–18, 20] Andreas Oswald GmbH, München
[3.5, Abb. 3, 6] Saint-Gobain Glass, Archiv
[7.2, Abb. 21–23] Glas Trösch, Butzberg
[3.5, Abb. 7, 8] KSE GmbH / Division TROSIFOL
[7.2., Abb. 24, 25, 27, 29–34, 38] Maedebach, Redeleit & Partner, Dresden
[3.5, Abb. 9] Pilkington Architectural, UK
[7.2, Abb. 26, 28] © Werner Huthmacher, Berlin
[3.5, Abb. 10] Weischede, Herrmann und Partner GmbH, Stuttgart
[7.2, Abb. 35–37] Institut für Baukonstruktion TU Dresden
[3.5, Abb. 14, 16] Saint-Gobain Glass, Aachen
[7.2, Abb. 39–43] Ulrich Knaack, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen
[3.5, Abb. 20] KSE GmbH / Division TROSIFOL, Flughafen Köln/Bonn GmbH
[7.2, Abb. 44–46] Ulrich Knaack, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen
253
1996, S. 191, © Fritz Dressler, Worpswede
BILDNACHWEIS ANHANG
[7.2, Abb. 52, 56, 57] Andrea Hübinger, Silke Först, RWTH Aachen [7.2, Abb. 73, 74] Frank Wellershoff, Lehrstuhl Stahlbau, RWTH Aachen [7.2, Abb. 78] Christof Helmus, Marc Mevissen, RWTH Aachen [7.2, Abb. 80–82, 84, 86] Rüdiger Schmidt, RWTH Aachen [7.2, Abb. 96–103, 106, 108] Iljana Eggert, Anna Weber, RWTH Aachen [7.2, Abb. 114, 115] Frank Flake, Lutz Langer, Mario Pirwitz, RWTH Aachen [7.2, Abb. 118] Rainer Baumann, RWTH Aachen [7.2, Abb. 117, 128, 130, 132] Kerstin Bandekow, Jona Knoke, Malgorzata Meder, Peter-René Menken, RWTH Aachen [7.2, Abb. 137, 138, 142, 148] Jan Cyrany, Ron Heiringhoff, Dalibor Hlavacek, Florian Nitzsche, RWTH Aachen [7.2, Abb. 149] Christof Erban, Saint-Gobain Glass Solar, Aachen [7.2, Abb. 155, 160, 162–164] Jiri Hlavka, Sascha Rullkötter, Daniel Seiberts, Sebastian Spengler, RWTH Aachen [7.3, Abb. 1, 2] Ulrich Knaack, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen [7.3, Abb. 3, 5] © Dietmar Strauß, Besigheim [7.3, Abb. 4] Maier Glas, Heidenheim [7.3, Abb. 9–12] Thomas Schadow, Frithjof Vellguth, Arbeitsbereich Baustatik und Stahlbau, TU Hamburg-Harburg [7.3, Abb. 15, 17, 18, 23] Henrike Bosbach, Sabine Einhäuser, Michael König, Agi Sobotta, RWTH Aachen [7.3, Abb. 33–37] Archiv Arup [7.3, Abb. 40] Andre Bauer, Tobias Unterberg, RWTH Aachen [7.3, Abb. 41] Christian Leffin, Daniel Stuttmann, RWTH Aachen [7.4, Abb. 1–3] © Jens Willebrand, Köln [7.4, Abb. 5, 6] Lucio Blandini, ILEK, Universität Stuttgart [7.4, Abb. 18, 20, 21, 23–25] Ewout Brogt, Marjon Doeser, Gerard Engel, Roy Hendriks, Xander Windsant, TU Delft [7.4, Abb. 33, 34] Ralf Herkrath, RWTH Aachen [7.4, Abb. 38] Thorsten Weimar, RWTH Aachen [7.4, Abb. 44, 46, 47] Stefan Dahlmanns, Nadine Fischer, Alexander Kruse, Nicole Stoff, RWTH Aachen [8, Abb. 13] Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, Potsdam [8, Abb. 14] Stefan Dahlmanns, Nadine Fischer, Alexander Kruse, Nicole Stoff, RWTH Aachen [8, Abb. 15] Jiri Hlavka, Sascha Rullkötter, Daniel Seiberts, Sebastian Spengler, RWTH Aachen [8, Abb. 16, 17] Francis Archer, Arup Advanced Geometry Unit, London Alle übrigen Abbildungen wurden vom Autor zur Verfügung gestellt. Wir haben uns bemüht, die Rechte für alle Abbildungen einzuholen, sollte es Unterlassungen
254
geben, bedauern wir dies aufrichtig und bitten die Rechteinhaber, sich an uns zu wenden.
PARTNER ANHANG PARTNER
Mein besonderer Dank gilt zudem folgenden Firmen, die großzügig dazu beigetragen haben, die Veröffentlichung dieses Buches zu ermöglichen:
Ich danke allen Unternehmen, die durch umfangreiches Sponsoring die Umsetzung meiner in Kapitel 7 dokumentierten Forschungsprojekte wie folgt unterstützt haben:
Sponsoren: ARUP
[7.2] Selbst tragendes, semitransparentes Dachelement Prototyp für ein Bausystem Saint-Gobain Glass Deutschland GmbH, Aachen; Thyssen Bausysteme GmbH, Dinslaken Multifunktionale Verglasung Prototyp einer Isolierglas-Verbundeinheit mit integriertem Sonnenschutz Sika Deutschland GmbH, Bad Urach August Krempel GmbH, Vaihingen; Röchling Haren KG, Haren; Glas Engels GmbH, Essen; Ausstellungsarchitektur „Gläserner Himmel“ Brugg Drahtseil AG, Birr (CH); Saint-Gobain Glass Deutschland GmbH, Aachen; Kerschgens Stahlhandel GmbH, Stolberg
13 Fitzroy Street London W1T 4BQ UK www.arup.com Kuraray Europe GmbH Division TROSIFOL Mülheimer Straße 26 53840 Troisdorf www.trosifol.com DORMA-Glas Max-Planck-Straße 33-45 32107 Bad Salzuflen www.dorma-glas.de
Projektionswand „Glass-Screen“ TC-Kleben GmbH, Übach-Palenberg; Glas Engels GmbH, Essen; Carl Stahl GmbH, Süssen Glasdach „Solar Bridge“ Prototyp für ein Dachelement mit integrierten Photovoltaik-Modulen Saint-Gobain Glass Solar Deutschland, Aachen „Tetra-Tragrost“ Prototyp für ein Glasdach als Lichtdecke Wilhelms Industriebedarf GmbH, Würselen; Röhm GmbH, Darmstadt
Unterstützende Firmen: Saint-Gobain Glass Deutschland Viktoriaallee 3–5 52066 Aachen www.saint-gobain.de SCHOTT AG Hüttenstraße 1 31073 Grünenplan www.schott.com DELO Industrie Klebstoffe
[7.3] „GlasTex-Bogen“ Prototyp für ein Glasdach mit integriertem Sonnenschutz Flachglas Wernberg GmbH, Wernberg-Köblitz; Aeronatec GmbH, Seeon; Carl Stahl GmbH, Süssen „Tetra-Glasbogen“ Baukastensystem für Bogendächer
Ohmstrasse 3 86899 Landsberg am Lech www.delo.de Hilti Deutschland GmbH Hiltistr. 2 86916 Kaufering www.hilti.de
Saint-Gobain Glass Deutschland GmbH, Aachen; Dorma Glas GmbH, Bad Salzuflen; HILTI Deutschland GmbH, Leinfelden-Echterdingen; DELO Industrieklebstoffe, Landsberg [7.4] „Delfter Glaskuppel“ Octatube Space Structures B.V., Delft (NL);
255
Van Noordenne Groep B.V., Hardinxfeld (NL)